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German Pages [268] Year 2015
Beiträge zu Grundfragen des Rechts
Band 17
Herausgegeben von Stephan Meder
Heike Krischok
Der rechtliche Schutz des Wertes archäologischer Kulturgüter
Mit 7 Abbildungen
V& R unipress
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MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen
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FSC® C083411
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-5405 ISBN 978-3-8471-0534-3 ISBN 978-3-8470-0534-6 (E-Book) ISBN 978-3-7370-0534-0 (V& R eLibrary) Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Die vorliegende Arbeit wurde 2015 von der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt als Dissertation angenommen. Ó 2016, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, 37079 Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Zum Alten Berg 24, 96158 Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Begriff des archäologischen Kulturgutes . . . . . . . . . . . . I. Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der außerrechtliche Kulturbegriff . . . . . . . . . . . . a) Der offene Kulturbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der archäologische Kulturbegriff . . . . . . . . . . . 2. Juristische Definition der Kultur . . . . . . . . . . . . . II. Kulturgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrechtlicher Kulturgutbegriff . . . . . . . . . . . . 2. Europarechtlicher Kulturgutbegriff . . . . . . . . . . . . 3. Kulturgutbegriff auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . 4. Der Kulturgutbegriff in Rechtsprechung und Literatur . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Archäologische Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Archäologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Archäologische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einbeziehung des Fundzusammenhangs in den Begriff des archäologischen Kulturgutes . . . . . . . . . . . . .
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C. Systematik des Schutzes archäologischer Kulturgüter I. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kriegsvölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Friedensvölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
a) UNESCO-Übereinkommen von 1970 . . . . . . . . . . . b) Andere völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . II. Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausfuhrverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausfuhrkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmeregelung für archäologische Kulturgüter . . . 2. Rückgaberichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kulturgutschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kulturgüterrückgabegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rückgabeansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einfuhrkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auswirkungen des Kulturgüterrückgabegesetzes auf das Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Der Wert archäologischer Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . I. Werte in der Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Werte in der Psychologie und Soziologie . . . . . . . . . . III. Wissenschaftlicher Wert archäologischer Kulturgüter . . . 1. Wert der Archäologie als Wissenschaft . . . . . . . . . 2. Denkmalwerttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erinnerungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Alterswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Historischer Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenwartswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ökonomischer Wert archäologischer Kulturgüter . . . . . 1. Klassische Nationalökonomie . . . . . . . . . . . . . . 2. Moderne Preistheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Archäologische Kulturgüter als Handelsware . . . . . . 4. Kommerzialisierung von archäologischen Kulturgütern a) Vermarktung durch die Medien . . . . . . . . . . . . b) Vermarktung durch Museen . . . . . . . . . . . . . . c) Vermarktung im Tourismus . . . . . . . . . . . . . . V. Wert aus gesellschaftlicher Sicht – Die identitätsstiftende Wirkung archäologischer Kulturgüter . . . . . . . . . . . . 1. Kulturelle Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis von Identität und Geschichte – Das kulturelle Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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44 46 47 48 48 48 50 52 52 52 53 54 57
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Inhalt
3. Bedeutung der archäologischen Kulturgüter für die kulturelle Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Werte in ihrer rechtlichen Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überleitung der Werte in Verfassungsrechtsgüter . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Relevanz der identitätsstiftenden Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsame Identität als Voraussetzung für einen Staat . . b) Der Kulturstaat als Verfassungsrechtsgut . . . . . . . . . . . aa) Der Begriff des Kulturstaates . . . . . . . . . . . . . . bb) Kulturstaat als Staatszielbestimmung . . . . . . . . . . c) Auswirkungen auf archäologische Kulturgüter – Kulturgüterschutz als Staatsaufgabe . . . . . . . . . . . . . 2. Die verfassungsrechtliche Relevanz des wissenschaftlichen Wertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grund der Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff der Wissenschaft im Sinne des Grundgesetzes . . . . c) Archäologie als Wissenschaft im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Intention und Selbstverständnis . . . . . . . . . . . . . bb) Drittanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ziel des Vorgehens – Geschichte als Konstrukt . . . . . dd) Art des Vorgehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auswirkungen auf archäologische Kulturgüter . . . . . . . . 3. Die verfassungsrechtliche Relevanz des ökonomischen Wertes . a) Grund der Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf archäologische Kulturgüter . . . . . . . . III. Kollision von Verfassungsrechtsgütern am Beispiel archäologischer Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kollidierende Verfassungsrechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . 2. Praktische Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Schatzregal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriff und Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausgestaltung des Schatzregals in den Denkmalschutzgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Verfassungsmäßigkeit der landesrechtlichen Regelungen zum Schatzregal . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Gesetzgebungsbefugnis der Länder . . . . . . . . .
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Inhalt
(2) Vereinbarkeit der Schatzregale mit der Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . dd) Rechtspolitische Erwägungen und Stellungnahme zu den Schatzregalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Versagung einer Grabungsgenehmigung für eine wissenschaftliche Ausgrabung . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Grabungsgenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Einordnung der Genehmigungserfordernisse in den Bundesländern . . cc) Die Grabungsgenehmigung im Lichte des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Archäologische Grabung als Teil der Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eingriff in den Schutzbereich oder Gewährung einer Leistung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Grundstück im staatlichen Eigentum . . . . . . . . . . (b) Grundstück im Privateigentum . . . . . . . . . . . . . (3) Schranken der Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . (a) Wissenschaftsfreiheit zukünftiger Forscher . . . . . . . (b) Das Kulturstaatsprinzip als Schranke . . . . . . . . . . (aa) Ungeschriebener Verfassungswert als Grundrechtsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Staatszielbestimmung als Grundrechtsschranke . . . . (cc) Kulturstaat als Schranke für die Wissenschaftsfreiheit . dd) Stellungnahme zum Erfordernis der Grabungsgenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Archäologische Kulturgüter als nachgelassene Werke . . . . aa) Das nachgelassene Werk in seiner einfachgesetzlichen Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Werkcharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gemeinfreiheit des Werkes . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Nicht erschienenes Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Erstmaliges Erscheinenlassen . . . . . . . . . . . . . . (5) Erlaubter Weise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Inhaber des Schutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzzweck des § 71 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . (1) Stand der Literatur zum Regelungszweck des § 71 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
(2) Verfassungsrechtliche Anknüpfung der verschiedenen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Investitionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Interesse der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . (c) Anreiz für den Wissenschaftler . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme zum Schutz archäologischer Kulturgüter als nachgelassenes Werk . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Schlussfolgerungen für den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . I. Abwanderungsschutz für deutsche archäologische Kulturgüter . 1. Einführung einer generellen Exporterlaubnis . . . . . . . . . 2. Definition des »national wertvollen Kulturgutes« . . . . . . . a) Nationale Zuordnung archäologischer Kulturgüter . . . . b) Wesentlicher Verlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Substanzschutz für national wertvolle archäologische Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rückgabe von archäologischen Kulturgütern an andere Staaten III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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G. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Übersichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 1: Kulturstaatsklauseln in den Verfassungen der Länder . . Übersicht 2: »Denkmalschutzartikel« in den Verfassungen der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 3: Schatzregal in den Denkmalschutzgesetzen der Länder . Übersicht 4: Grabungserlaubnis in den Denkmalschutzgesetzen der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 5: Begriff »Bodendenkmal« in den Denkmalschutzgesetzen der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 6: Auswertung der Länderverzeichnisse national wertvollen Kulturgutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 1: Haager Konvention von 1954 – Auszug . . . . . . . . . . . Anhang 2: Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut [UNESCO-Übereinkommen] . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 3: Europäisches Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes (revidiert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
Anhang 4: VERORDNUNG (EG) Nr. 116/2009 DES RATES vom 18. Dezember 2008 über die Ausfuhr von Kulturgütern (kodifizierte Fassung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 5: RICHTLINIE 93/7/EWG DES RATES vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 6: RICHTLINIE 2014/60/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 15. Mai 2014 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (Neufassung) . . . . . . . . . . . . . Anhang 7: Anlage 1 zu § 48 Abs. 2 EinkommensteuerDurchführungsverordnung (gültig bis 31. Dezember 2006; ab 2007 gilt § 52 Abs. 2 Abgabenordnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 8: § 10 g EStG – Steuerbegünstigung für schutzwürdige Kulturgüter, die weder zur Einkunftserzielung noch zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 9: Empfehlung der Kultusministerkonferenz für Eintragungen in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes und das Verzeichnis national wertvoller Archive nach dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort
Das Kulturgüterschutzrecht hat aktuell deutlich an Dynamik gewonnen. Nachdem die Bundesregierung den Kulturgüterschutz insgesamt neu regeln will, ist eine breite Diskussion entbrannt. Der Schutz archäologischer Kulturgüter ist bisher in der rechtswissenschaftlichen Literatur nur eine Randerscheinung. Das machte andererseits einen gewissen Reiz der Thematik aus. Die Arbeit wurde im Sommersemester 2015 als Dissertation von der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis August 2015 berücksichtigt. Da zu diesem Zeitpunkt der Referentenentwurf zum Kulturgutschutzgesetz 2016 noch nicht veröffentlicht wurde, konnte darauf noch nicht Bezug genommen werden. Allen, die mich unterstützt haben, möchte ich herzlich danken. Hervorheben möchte ich Prof. Scherzberg. Er hat nicht nur das Erstgutachten verfasst. Seine Unterstützung war stets anregend und bereichernd. Prof. Fechner möchte ich für die Erstellung des Zweitgutachtens danken. Darüber hinaus war ich während der Verfassung der Dissertation bei ihm als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Unsere Diskussionen haben erheblichen Anteil am Gelingen der Arbeit. Ebenso gilt mein Dank allen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich mich über meine Arbeit ausgetauscht habe und die mich unterstützt haben. Schließlich danke ich meiner Familie, ohne die diese Arbeit nie zustande gekommen wäre. Meine Eltern haben mich auf meinem Lebensweg stets wohlwollend begleitet. Mein Ehemann und meine Kinder haben meine Launen geduldig ertragen. Außerdem half mein Mann, Zweifel zu überwinden und die Arbeit trotz zahlreicher Verpflichtungen zum Abschluss zu bringen. Ilmenau, im August 2015
Heike Krischok
Abkürzungsverzeichnis
Abb. AiD AöR AusfuhrVO ders. DPMA DVD etc. GWU lat. Mrd. MüKo PuK RückgabeRL
Abbildung Archäologie in Deutschland Archiv des öffentlichen Rechts Verordnung über die Ausfuhr von Kulturgütern derselbe Deutsches Patent- und Markenamt digital video disc et cetera Geschichte in Wissenschaft und Unterricht lateinisch Milliarden Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Politik und Kultur – Zeitschrift des Deutschen Kulturrates Richtlinie über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern
Im Übrigen wird verwiesen auf: Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Auflage, Berlin / Boston, 2013.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7:
Quellen in der Archäologie Datierung System der Werte und Güter nach Rickert Denkmalwert nach Riegl Maslow-Pyramide Gegenüberstellung von kommunikativem und kulturellem Gedächtnis Gerechtigkeitslehre von Radbruch
A.
Einleitung
Die Suche nach verborgenen Schätzen ist ein Motiv, das sich seit der Entstehung der frühen städtischen Gesellschaften in vielen Sagen und Legenden, wie dem Gilgamesh-Epos aus dem dritten Jahrtausend vor Christus, findet.1 Die modernen Sagen und Legenden in Form populärer Romane und Hollywoodfilme pflegen das Bild der modernen Schatzsucher als romantische Helden. Das hat wenig mit der tatsächlichen Arbeit des Archäologen zu tun. Für Archäologen sind archäologische Kulturgüter die Forschungsobjekte. Dabei hat sich die Archäologie gewandelt. Es geht nicht mehr nur um Schätze und spektakuläre Entdeckungen, sondern auch um die Erforschung des alltäglichen Lebens vergangener Generationen.2 Für die Wissenschaft liefert das einzelne ausgegrabene Objekt nur einen kleinen Teil der Information. Viel gehaltvoller ist der Bezug der Objekte untereinander und zu ihrer Umgebung. Die Forschungsergebnisse aus der Archäologie stoßen auf ein reges Interesse der breiten Öffentlichkeit. Der Mythos der Schatzsuche lebt nach wie vor. Deshalb wecken archäologische Kulturgüter das Interesse vieler verschiedener Akteure. Archäologische Kulturgüter bieten eine Faszination, der sich kaum jemand entziehen kann. Das verhilft den Museen seit Jahrzehnten zu steigenden Besucherzahlen. Das Bild der Archäologie wird maßgeblich von großen Sonderausstellungen mit kostspieligen und aufwendigen Inszenierungen geprägt. Diese Ausstellungen erregen überregionale oder internationale Aufmerksamkeit mit Hilfe von spektakulären Exponaten. Die Titel werden häufig bewusst mit Schlüssel- und Reizwörtern versehen, die die Archäologie als abenteuerliche Schatzsuche darstellen.3
1 Klinkhammer, Der Topos der Schatzsuche, in: Brunecker (Hrsg.), Raubgräber – Schatzgräber, 2008, S. 64. 2 Bahn, Vorwort, in: Bahn (Hrsg.), Faszination Archäologie, 1996, S. 8. 3 Aydin, Archäologische Museen zwischen Tradition und Innovation, in: Dröge/Hoffmann (Hrsg.), Museum revisited, 2010, S. 63, 64.
18
Einleitung
Die Beachtung, die archäologische Kulturgüter finden, lässt sich auch am Medieninteresse ablesen. In der Presseberichterstattung, in Fernsehdokumentationen und Kinofilmen haben Themen aus dem Bereich Archäologie geradezu Konjunktur. Antikenhändler und Auktionshäuser verdienen mit dem Verkauf archäologischer Kulturgüter an Privatsammler viel Geld. Archäologische Kulturgüter rufen aber nicht nur Interesse hervor. Manchmal »stören« archäologische Kulturgüter. Sie behindern beispielsweise den Straßenbau, die Stadtentwicklung oder die Landwirtschaft. Es wird deutlich, dass archäologische Kulturgüter nicht nur ideelle Beachtung finden, sondern dass auch handfeste monetäre Interessen berührt werden. Archäologische Kulturgüter sind deshalb häufig bedroht. Die Nachfrage nach Kulturgütern steigt beständig und wird von finanzkräftigen und gebildeten Käufern erzeugt.4 Befriedigt wird diese Nachfrage zu einem erheblichen Teil durch archäologische Kulturgüter aus illegalen Grabungen.5 Illegale Grabungen sind dort besonders an der Tagesordnung, wo Krieg oder bürgerkriegsähnliche Zustände zu Chaos und Zerstörung führen. In Syrien, im Irak oder Afghanistan sehen historische Gräberfelder wie Kraterlandschaften aus. Aber nicht nur im Ausland verrichten Raubgräber ihr zerstörerisches Werk. Auch in Deutschland gibt es eine »Schatzgräbergemeinde«. Via Internet werden die aussichtsreichen Suchgebiete bekanntgemacht und die modernsten Metallsonden für »Hobbyarchäologen« vertrieben. Die Schäden, die dabei für die Wissenschaft durch die unwiederbringliche Zerstörung des Fundzusammenhangs angerichtet werden, sind immens.6 Ein populäres Beispiel für eine Raubgrabung ist die Entdeckung der »Himmelsscheibe von Nebra«. Sie wurde von zwei Sondengängern ohne Grabungserlaubnis im Sommer 1999 am Mittelberg nahe Nebra in Sachsen-Anhalt mit Hilfe eines Metallsuchgerätes gefunden.7 Die Sondengänger hielten ihren Fund zuerst für einen alten Eimerdeckel, da die Scheibe stark verschmutzt und mit einer dicken Korrosionsschicht überzogen war. Mehr Aufmerksamkeit erregten zuerst zwei Schwerter mit goldverzierten Griffen. Sie verkauften ihren Fund für 31.000 DM an einen Zwischenhändler. Nachdem die Scheibe zwischenzeitlich für über 200.000 DM an einen Sammler verkauft worden war, wurde sie 4 Anton, Illegaler Kulturgüterverkehr, 2010, S. 44. 5 Graepler, Der Milliardendeal mit geraubter Kunst, in: Flashar (Hrsg.), Bewahren als Problem, 2000, S. 23ff. 6 Zahlreiche Belege aus der jüngeren Vergangenheit zum Beispiel in Brunecker (Hrsg.), Raubgräber – Schatzgräber, 2008 und Becker/Wawrzinek (Hrsg.), Raubgräber – Grabräuber, 2013. 7 Zur Fundgeschichte: Meller, Die Himmelsscheibe von Nebra, in: Meller (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel, 2004, S. 22ff.
Einleitung
19
schließlich für eine Million DM einem Berliner Museum angeboten. Letztendlich wurde die »Himmelsscheibe von Nebra« in der Schweiz beschlagnahmt. Außergewöhnlicher Weise konnte die Himmelsscheibe mit ihren Beifunden dem konkreten Fundort zugeordnet werden. Die Echtheit und Datierung der »Himmelsscheibe von Nebra« war nicht unumstritten. Aufgrund der Beifunde wird davon ausgegangen, dass die Himmelsscheibe ca. 3.600 Jahre alt ist.8 Sie gilt als einer der bedeutendsten kulturhistorischen Funde, die jemals in Deutschland gemacht wurden.9 Nach heutiger Kenntnis handelt es sich um die älteste konkrete Himmelsdarstellung der Menschheitsgeschichte.10 Die Himmelsscheibe wurde im Juni 2013 in das UNESCO-Register »Memory of the World« aufgenommen. Im Jahr 2006 lag ihr Versicherungswert bei 100 Million Euro.11 Die »Himmelsscheibe von Nebra« dient in dieser Arbeit verschiedentlich der Illustration der Ausführungen. Archäologische Kulturgüter entstammen der Vergangenheit und sind deshalb nicht vermehrbar. Ihnen wird in besonderem Maße Bedeutung zugeschrieben. Die Normen zum Kulturgüterschutz drücken dies aus, wenn sie Bezug auf den Wert von Kulturgütern nehmen. Es hat sich ein komplexes System an kulturgüterschützenden Normen auf allen Ebenen des Rechtssystems entwickelt. Kaum gefragt wird, welche ideelle Konzeption hinter dem Kulturgüterschutz als Rechtsmaterie steht.12 Die Ermittlung der Ratio des Kulturgüterschutzes ist wichtige Voraussetzung für die rechtswissenschaftliche Durchdringung der Thematik. Andernfalls droht der Kulturgüterschutz selbstreferenziell zu sein.13 Diese Arbeit geht daher der Frage nach, welche Werte archäologischen Kulturgütern zugeschrieben werden und welche Konsequenzen sich daraus für das Recht ergeben.
8 Meller, Der Körper des Königs, in: Meller (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel, 2004, S. 94, 96. 9 Brunecker, Faszination Schatzsuche, in: Brunecker (Hrsg.), Raubgräber – Schatzgräber, 2008, S. 14, 21. 10 Meller, Die Himmelscheibe von Nebra, in: Meller (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel, 2004, S. 22, 26. 11 Brunecker, Faszination Schatzsuche, in: Brunecker (Hrsg.), Raubgräber – Schatzgräber, 2008, S. 14, 23. 12 Lenski, Kulturgüterrecht zwischen Selbstzweck und Funktionsbezug in Deutschland und Italien, Jahrbuch für italienisches Recht 26 (2013), S. 115, 118. 13 Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 299.
B.
Begriff des archäologischen Kulturgutes
I.
Kultur »Das, was von einer Gesellschaft bleibt, ist ihre Kultur. Sie ist nicht nur Ornament, sondern das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft steht und auf das sie baut.«14
Der Begriff Kultur wird gern und viel verwendet und jeder hat dabei auch eine Vorstellung davon, was er damit meint. Hinterfragt man jedoch, was genau Kultur ist und wo genau Kultur anfängt oder aufhört, wird die Sache diffizil.15 Verschiedene wissenschaftliche Disziplinen haben unterschiedliche Definitionen entwickelt. Man kann sich der Kultur aus philosophischer, soziologischer, juristischer, anthropologischer oder politikwissenschaftlicher Sicht nähern.
1.
Der außerrechtliche Kulturbegriff
Die inhaltlichen Konturen von »Kultur« lassen sich nur schwer erfassen. Welche Schwierigkeiten eine Definition bereitet, wird deutlich, wenn man den Abschnitt zur Definition des Kulturbegriffs im Schlussbericht der Enquete-Kommission »Kultur in Deutschland« liest.16 Es werden zwar unterschiedliche Definitionen benannt, welche davon die Enquete-Kommission ihrer Arbeit zugrunde gelegt hat, ist jedoch nicht erkennbar. Der Begriff ist abstrakt und scheint keine allgemeingültige Definition zu haben. »Kultur« wird in der Alltagssprache ebenso gebraucht, wie in der Politik 14 Connemann, Vorwort zum Schlussbericht der Enquete-Kommission »Kultur in Deutschland«, BT-Drs. 16/7000, 2007, S. 4. 15 Über die Spannweite des Begriffs: Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik, 2. Auflage, 2012, S. 31ff. 16 Schlussbericht der Enquete-Kommission »Kultur in Deutschland«, BT-Drs. 16/7000, 2007, S. 47.
22
Begriff des archäologischen Kulturgutes
und den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen. Dabei ist dieser Gebrauch nicht einheitlich, sondern unterscheidet sich deutlich. a)
Der offene Kulturbegriff
Der lange gebräuchliche enge Kulturbegriff, erfasst ausschließlich die hohen Künste, die besonderen geistigen Leistungen und die Bildung als Pflege des menschlichen Geistes.17 Aber bereits Max Weber (1864–1920) und Georg Simmel (1858–1918) lehnten diese Geschlossenheit beim Kulturbegriff ab und verstanden Kultur als pluralistischen und offenen Prozess mit großer Eigendynamik.18 In der jüngeren Entwicklungsgeschichte des Kulturbegriffs gibt es eine Tendenz zu seiner Ausweitung. Sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch in der Wissenschaft werden jetzt Bereiche erfasst, die außerhalb traditioneller Kulturkonzepte liegen. Das zeigt sich auch an der geradezu inflationären Verwendung des Begriffs Kultur, der gleichzeitig eine schmückende Wirkung zu haben scheint. So finden sich immer mehr Neologismen, die die Kultur für sich in Anspruch nehmen. Beispielhaft seien hier aufgezählt Subkultur, Gesprächskultur, Fankultur, Unternehmenskultur, Kulturschock, Alltagskultur, Popkultur, Esskultur, Massenkultur, Leitkultur, Soziokultur, Jugendkultur, Kulturbürger, Kulturindustrie.
Es gibt zahlreiche Definitionen von Kultur. Jede Wissenschaftsdisziplin betont andere Gesichtspunkte und versucht, eine spezifische Inhaltsbestimmung zu finden. Die im Jahr 1963 von Kroeber und Kuckhohn zusammengetragenen 164 verschiedenen Definitionen unterschiedlichster Autoren liefern einen Eindruck von der Vielfalt des wissenschaftlichen Kulturbegriffs.19 Danach hat der Kulturbegriff neben einer deskriptiven Beschreibung der Bereiche folgende zentrale Begriffselemente: – historisch (als soziales Erbe oder Tradition), – normativ (als Regeln oder Werte), – psychologisch (als Lernvorgang oder Erfassung von Gewohnheiten), – strukturell (bestimmte Muster bzw. Organisation) und – genetisch (Kultur als Produkt oder Symbol).20 Immer mehr Bereiche des menschlichen Schaffens gelangen ins Blickfeld der Kulturtheorie (so etwa Popmusik oder Comics). Waren bisher die Träger der 17 Hejl, Kultur, in: Nünning (Hrsg.), Grundbegriffe der Kulturtheorie und Kulturwissenschaften, 2005, S. 105ff. 18 Gebhardt, Kultur und Gesellschaft, in: Fröhlich (Hrsg.), Kultur, 2000, S. 179, 180. 19 Kroeber/Kuckhohn, Culture, a critical review of concepts and definitions, 1963. 20 Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 2. Auflage, 1998, S. 4.
Kultur
23
Kultur Nationen, Völker oder Ethnien, so wird der Kulturbegriff immer öfter von ihnen abgekoppelt.21 Die wissenschaftlichen Debatten sind geprägt von der Frage, wer Kulturträger sein kann. Der Begriff Kultur als scharfe identitäre Abgrenzung territorialer Gemeinschaften löst sich auf.22 Vielmehr wird jetzt der prozesshafte Charakter von Kultur betont.23 Dabei gilt die gegenwärtige Konjunktur des Begriffs in Wissenschaft und Politik nicht als Modeerscheinung, sondern als Indiz für eine bedeutsame gesellschaftliche Entwicklung. Die Bedeutung des Wissens nimmt immer mehr zu.24 Dieser Wandel wird durch die Entwicklung der Medien forciert. Die Medien lassen die Bedeutung von Entfernung in den Hintergrund treten. Der Informationsaustausch wird immer leichter und schneller und in der Folge ist kulturelle Abgrenzung nicht mehr so stark an geografische Entfernung gebunden. Kultur wird in der Soziologie als fließend und sich translokal entwickelnd begriffen. Dabei wird Kultur nicht als Hardware betrachtet, mit der man ausgerüstet wird, sondern als Software, die man sich aneignet, anpasst und durch den Gebrauch stets verändert.25 Kultur wird als Programm verstanden, das die Kategorien und Differenzierungen, ihre affektive Gewichtung und moralische Evaluation in einer Gesellschaft enthält.26 Anders ausgedrückt ist Kultur ein Symbolsystem, das in Form von Modellen Orientierungs- und Regelvorgaben enthält.27 Heute geht die Soziologie von folgenden Grundannahmen aus:28 Aus der philosophischen Anthropologie, die Johann Gottfried Herder (1744–1803) begründet hat, wird die Vorstellung übernommen, dass der Mensch ein Kulturwesen ist. Der Mensch ist gefordert, sich seine eigene Wirklichkeit aus Ideen und Werten selbst zu schaffen. Er ist Schöpfer und Geschöpf sozialer Regelungen. Soziale Beziehungen sind immer auch Kultur, die sich damit in Gesellschaft verwirklicht. Damit werden sowohl der Ideengehalt als auch alle Materialisierungen erfasst. Kultur ist ein komplexes System aus Individualisierung, Pluralisierung und Globalisierung. Kultur ist dynamisch und einem dauernden Gestaltwandel unterworfen. 21 22 23 24 25
BT-Drs. 14/8434, S. 34. BT-Drs. 14/8434, S. 38. Hillmann, Wörterbuch der Soziologie, 5. Auflage, 2007, S. 471f. Schmidt, Kalte Faszination, 2000, S. 33. Backhaus/Hoffmann, Globalisierung und translokales Kulturverständnis, Geographica Helvetica 1999, S. 164, 168. 26 Schmidt, Kultur als Programm, in: Jaeger/Straub (Hrsg.), Handbuch der Kulturwissenschaften, Band 2, 2011, S. 85, 89ff. 27 Soeffner/Raab, Kultur und Auslegung der Kultur, in: Jaeger/Straub (Hrsg.), Handbuch der Kulturwissenschaften, Band 2, 2011, S. 546, 547f. 28 Gebhardt, Kultur und Gesellschaft, in: Fröhlich (Hrsg.), Kultur, 2000, S. 179, 182f.
24
Begriff des archäologischen Kulturgutes
Die UNESCO definiert Kultur als »the total and distinctive way of life of a people or society«.29 Das entspricht der Auffassung, dass Kultur die Gesamtheit menschlicher Lebensäußerungen sei30 und damit dem weiten Kulturbegriff. Anders ausgedrückt ist Kultur der Komplex von Werten, Sitten und Gebräuchen, Überzeugungen und Praktiken, die die Lebensweise einer bestimmten Gruppe ausmachen.31 Kultur ist danach ein Ferment zur Gruppenbildung und -identifikation.32 Der weite Kulturbegriff, der letztlich alle Lebensäußerungen der jeweiligen Gruppe erfasst,33 hat sich damit durchgesetzt. Kultur ist damit in letzter Konsequenz das, was die Menschen als Kultur definieren.34 Dabei wird durchaus die Gefahr gesehen, dass es zu einer konturlosen Erweiterung des Kulturbegriffs kommt, in deren Folge die Grenzen zwischen Kultur und Gesellschaft verschwimmen.35 Allen Definitionen aus der Literatur, die hier bisher nachgewiesen wurden, ist eine gewisse Unschärfe eigen, die dazu führt, dass sie nicht justiziabel sein dürften. Gemeinsam ist ihnen aber der Bezug zum Menschen, seinem Denken und Handeln. Nach dem weiten Kulturbegriff muss Kultur nicht zwingend einen gewissen Wert im Sinne von Wertigkeit haben. Aber die Werte, an denen sich eine soziale Gruppe orientiert, und die Beziehung der Werte untereinander sind selbst wesentlicher Teil der Kultur. b)
Der archäologische Kulturbegriff
In der Archäologie wird häufig ein abweichender, fachspezifischer Kulturbegriff verwendet. In der Archäologie ist eine Kultur (oder Kulturgruppe) eine künstlich geschaffene Ordnungseinheit, mit der die zeitliche und räumliche Begrenzung bestimmter Formen materieller Kultur erfasst wird.36 Beispiele: Bernburger Kultur, Schnurkeramikkultur, Einzelgrabkultur
29 30 31 32 33 34 35
UNESCO, Our Creative Diversity, 2. Auflage, 1996, S. 13. Fuchs, Kultur Macht Sinn, 2008, S. 17. Eagleton, Was ist Kultur?, 2009, S. 51. Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung, 1992, S. 21. Fuchs, Kultur Macht Sinn, 2008, S. 105. Gebhardt, Kultur und Gesellschaft, in: Fröhlich (Hrsg.), Kultur, 2000, S. 179, 187. Moebius/Quadflieg, Kulturtheorien der Gegenwart, in: Moebius/Quadflieg (Hrsg.) Kultur, 2. Auflage, 2011, S. 11, 12; Ort, Kulturbegriffe und Kulturtheorien, in: Nünning/Nünning (Hrsg.), Einführung in die Kulturwissenschaften, 2008, S. 19, 22f. 36 Dally, Die Diskussion des Kulturbegriffes in der klassischen Archäologie, in: Fröhlich (Hrsg.) Kultur, 2000, S. 81, 87.
25
Kultur
Dadurch wird in der Archäologie eine hypothetische Gruppe von Menschen gebildet, die in einem bestimmten Kulturelement übereinstimmen. Letztlich handelt es sich um eine Klassifikation nach kulturellen (häufig typologischen) Charakteristika.37 Das resultiert daraus, dass sich, insbesondere in der prähistorischen Archäologie, die Erkenntnismöglichkeiten auf die materielle Kultur und die davon erhaltenen und gefundenen Stücke beschränken.38
2.
Juristische Definition der Kultur
Aus dem bisher Festgestellten lässt sich noch keine juristisch brauchbare Definition ableiten. Die Definitionsversuche anderer Wissenschaftsbereiche sind für den juristischen Bereich außerdem nicht zwingend und kritisch zu hinterfragen. Ziel muss eine juristisch-abstrakte Umschreibung sein, die für die Entscheidungsfindung praktikable Kriterien bietet. Andererseits können andere Fachdisziplinen fruchtbare Ansätze für den juristischen Umgang mit dem Begriff »Kultur« bieten. So lässt sich auch für die juristische Definition festhalten, dass ein Menschenbezug gegeben sein muss und der Begriff der Kultur nicht starr sein kann, sondern ein dynamischer ist. In der juristischen Literatur finden sich zahlreiche Definitionsansätze. Einige Autoren versuchen, den Begriff abstrakt zu umschreiben. So definiert das Bundesverfassungsgericht die Kultur als »die Gesamtheit der innerhalb einer Gemeinschaft wirksamen geistigen Kräfte, die sich unabhängig vom Staate entfalten und ihren Wert in sich tragen«.39 Der Bezug zum geistigen Schaffen und die Notwendigkeit eines Wertes werden von anderen aufgegriffen.40 Teilweise wird mehr Gewicht auf die Bedeutung der Kultur als Orientierungssystem gelegt41 oder Rückgriff auf die typischen Lebensformen, Werteinstellungen und Verhaltensweisen genommen.42 Die Anleihen an die sozial- oder kulturwissenschaftlichen Definitionen, die Kultur als Lebensweise, Symbolsystem oder Programm verstehen, sind deutlich erkennbar. Allerdings sind auch diese Definitionen von einer erheblichen Unschärfe gekennzeichnet, die im Einzelfall noch großen interpretatorischen Spielraum lassen.
37 Trachsel, Ur- und Frühgeschichte, 2008, S. 42. 38 Steinmann, Zum archäologischen Kulturbegriff, in: Meller (Hrsg.) Archäologie XXL, 2006, S. 44. 39 BVerfGE 10, S. 20, 36. 40 VGH München, NJW 1992, S. 2584, 2586; Huber, Bewahrung und Wandlung, 1975, S. 344. 41 Di Fabio, Die Kultur der Freiheit, 2005, S. 1f.; Grimm, Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 61. 42 Steiner, Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 8.
26
Begriff des archäologischen Kulturgutes
Neben diesen Versuchen Kultur abstrakt zu definieren, findet man den Ansatz, Kultur über eine Enumeration kultureller Lebensbereiche zu beschreiben. Dabei werden dem Begriff der Kultur die Bereiche Kunst, Wissenschaft und Bildung43 (unter Einschluss von Medien und Selbstdarstellung des Staates44) zugeordnet. Dieser Definitionsansatz und insbesondere der Dreiklang von Bildung, Wissenschaft und Kunst werden von verschiedenen Autoren auf Oppermann zurückgeführt.45 Oppermann definiert aber nicht Kultur, sondern was innerhalb des Staates gemeinhin unter »kulturellen Angelegenheiten« verstanden wird.46 Ähnlich geht Maihofer vor, wenn er mit Bildung, Wissenschaft, Kunst und Religion die Bereiche benennt, die für die Tätigkeit des Kulturstaates verbleiben.47 Der Versuch den Begriff der Kultur über die Benennung von Teilbereichen zu definieren, ist aufgrund der Vielschichtigkeit und Wandelbarkeit von Kultur nicht erfolgversprechend. Die aufgezählten Sachbereiche sind eben jene, in denen der Staat mit der Kultur eine besonders enge Verbindung eingeht. Die Bereiche Kunst, Wissenschaft und Bildung sind sicher Teil der Kultur. Die Kultur als Ganzes umfasst aber wesentlich mehr.48 Außerdem wirft jeder Teilbereich wieder ein neues Definitionsproblem auf. Betrachtet man die Versuche der verschiedenen Autoren, die Kultur im juristischen Sinne zu definieren, so fällt auf, dass die meisten kaum »harte« Kriterien bieten, an denen erkennbar wird, ob es sich um Kultur handelt. Der Versuch Kriterien oder Elemente zu extrahieren,49 führt zu der Problematik, dass diese selbst im Einzelnen angreifbar sind. Schon das Kriterium der Staatsferne50 oder Trennung von Staat und Kultur51 ist problematisch. Sofern man den Bereich der Bildung zur Kultur zählt,52 stellt sich die Problematik, dass aus Art. 7 GG der Staat die Berechtigung gewinnt, Erziehungsziele festzulegen53 und damit kulturelle Inhalte zu bestimmen. Außerdem wird auf der einen Seite die Staatsferne der Kultur betont, auf der anderen Seite aber festgestellt, dass es genuine Aufgabe des Staates sei, Kultur zu fördern und zu bewahren.54 Kultur ist 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
Stern, Staatsrecht, Band III/I, 1988, S. 884; Pieroth, Kultur, PuK 04/2005, S. 5. Karpen, Entbehrlich und nicht wünschenswert, PuK 04/2005, S. 6. Roellecke, DÖV 1983, 653ff.; Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 371. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 8f. Maihofer, Kulturelle Aufgaben des modernen Staates, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.) Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Auflage, 1995, S. 1201, 1226f. Ähnlich Stern, Staatsrecht, Band III/I, 1988, S. 884; Pieroth, Kultur, PuK 04/2005, S. 5. So etwa Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 374f. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 9; Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 375. Grimm, in: VVDStRL 42 (1984), S. 46, 58. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 9. BVerfGE 6, S. 309, 355; 34, S. 165, 182; 47, S. 46, 71. Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 375; Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 5 Abs. 3 Rn. 6; Palm, Öffentliche Kunstförderung, 1998, S. 118ff.
Kultur
27
nur möglich durch soziale Interaktion, die wiederum einen ordnenden Staatsverband erfordert. Dadurch werde der Staat selbst Teil der Kultur.55 Staat und Kultur sind eben nicht getrennt, sondern auf vielerlei Weise miteinander verwoben. Staat und Recht sind selbst Kulturphänomene.56 Andererseits kann und darf der Staat nicht festlegen, was inhaltlich Kultur ist.57 Als einzige Rechtsnorm im deutschen Recht unternahm die Einkommensteuer-Durchführungsverordnung in der Fassung, die bis 2006 Gültigkeit hatte, den Versuch Kultur zu definieren.58 Danach wurden unter kulturellen Zwecken die Förderung der Kunst, die Erhaltung von Kulturwerten und die Denkmalpflege gefasst. Diese Definition beanspruchte selbstverständlich nur für das Steuerrecht Geltung. Die Bereiche Bildung und Wissenschaft sind hier nicht der Kultur zugeordnet. Diese Form der Aufzählung kann (neben den oben bereits genannten Gründen) nicht als allgemeine Definition verstanden werden. Gesetzeszweck ist eine Festlegung steuerbegünstigter Zuwendungen. Dass der Staat nicht die gesamte Kultur im Sinne des offenen Kulturbegriffs fördern kann und will, liegt auf der Hand. Das Beispiel zeigt, dass das Begriffsverständnis von Kultur im Rechtssystem variiert.59 Entscheidend ist, in welchem Bedeutungszusammenhang der Begriff verwendet wird. Für die konkrete Subsumtion in Zweifelsfällen sind die Definitionen wenig aussagekräftig. Letztlich wird man sich wohl damit zufrieden geben müssen, dass es die abschließende juristische Definition nicht gibt, sondern die Frage, ob etwas Kultur ist oder nicht, nur im jeweiligen Sachzusammenhang geklärt werden kann. Der Soziologie folgend ist davon auszugehen, dass Kultur einem ständigen Entwicklungsprozess unterworfen ist, der auch den Inhalt immer wieder neu definiert. Eine abschließende abstrakte Definition dieses nicht originär rechtlichen Begriffs ist nicht möglich, weil sie diese dynamische Entwicklung nicht abbilden könnte. Zwei Elemente sind jedoch immer wiederkehrend: der Bezug zum Menschen und Werte als Teil der Kultur. Deshalb wird für die weitere Arbeit ein Bezug zum Menschen als zwingend vorausgesetzt. Die Werte sind im Folgenden noch Untersuchungsgegenstand.
55 Heller, Staat, Nation und Sozialdemokratie, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. I, 2. Auflage, 1992, S. 527, 533f. 56 Grimm, in: VVDStRL 42 (1984), S. 46, 59. 57 Evers, NJW 1983, 2161; Hufen, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnquÞteKommission »Kultur in Deutschland«, 2004, K.-Drs. 15/180. 58 Anhang 7. 59 Steiner, Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, in: ders./Grimm, Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen (VVDStRL 42), S. 7, 8.
28
II.
Begriff des archäologischen Kulturgutes
Kulturgut
Der Begriff des Kulturgutes ist auf allen Normebenen zu finden. Da es eine Vielzahl von Regelwerken gibt, die den Schutz von Kulturgütern adressieren, lassen sich zahlreiche Definitionen nachweisen. Daher sollen zunächst die verschiedenen Begriffsbestimmungen zusammengetragen werden. Im Anschluss soll die Frage geklärt werden, ob es einen allgemeingültigen Kulturgutbegriff gibt.
1.
Völkerrechtlicher Kulturgutbegriff
Erstmals erfolgte eine Definition des Kulturgutbegriffs auf der Ebene des Völkerrechts in der Haager Konvention von 195460, die zum Kriegsrecht gehört.61 Erfasst wird in Art. 1 der Haager Konvention, ohne Rücksicht auf Herkunft oder Eigentumsverhältnisse, bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe der Völker von großer Bedeutung ist. In der folgenden Aufzählung werden u. a. ausdrücklich archäologische Stätten und Gegenstände von archäologischem Interesse genannt. Die Pariser Konvention von 1970 (UNESO-Übereinkommen),62 die Deutschland 2007 ratifiziert hat, weicht davon inhaltlich nicht wesentlich ab. Als Kulturgut gilt das von jedem Staat als besonders wichtig (z. B. für die Archäologie) bezeichnete Gut, das einer der nachfolgend aufgezählten Kategorien angehört. In den Kategorien finden sich u. a. die Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen und Entdeckungen sowie archäologische Stätten. Fast wortgleich wird in der UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter vom 24. Juni 1995, die von Deutschland bislang nicht unterzeichnet wurde, das Kulturgut im Sinne des Übereinkommens bestimmt.63 Gemeinsam ist diesen Normen, dass nach einer abstrakten Umschreibung eine Aufzählung von Kategorien folgt und die inhaltliche Ausgestaltung relativ homogen ist.
60 Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954, BGBL. 1967 II S. 1235. 61 Boguslavsky, Der Begriff des Kulturguts und seine rechtliche Relevanz, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 3, 5. 62 Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 14. November 1970. 63 Art. 2 i. V. m. der Anlage.
Kulturgut
2.
29
Europarechtlicher Kulturgutbegriff
In Art. 36 AEUV wird eine Ausnahme von Ein- und Ausfuhrverboten zugunsten nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert normiert. Die Literatur geht mit Hinweis auf den Definitionsspielraum der Mitgliedstaaten davon aus, dass keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs existiert.64 Der EuGH hat sich bisher nicht zur Kulturgutdefinition geäußert. Er hat lediglich festgestellt, dass auch Gegenstände von künstlerischem, geschichtlichem, archäologischem oder ethnographischem Interesse als Waren der Warenverkehrsfreiheit unterliegen, da sie Geldwert haben.65 Die Verordnung (EG) über die Ausfuhr von Kulturgütern (AusfuhrVO)66 soll im Warenverkehr mit Drittländern den Schutz von Kulturgütern gewährleisten. Als Kulturgut gelten danach alle Gegenstände, die im Anhang aufgeführt werden (Art. 1 AusfuhrVO). Der Anhang kategorisiert in zwei Schritten: zuerst nach der Art der Gegenstände, dann werden Wertgruppen (nach dem finanziellen Wert) gebildet. Die archäologischen Gegenstände bilden eine eigene Kategorie und fallen im zweiten Schritt in die »Nullgruppe«, das heißt, sie werden unabhängig von ihrem Wert erfasst. Eine Definition eines unionsrechtlichen Kulturgutbegriffs soll damit ausdrücklich nicht erfolgen.67 Die dritte unionsrechtliche Norm, die sich mit dem Begriff des Kulturgutes auseinandersetzt ist die Rückgaberichtlinie.68 Diese Rückgaberichtlinie wurde 2014 neugefasst.69 Nach der Richtlinie können Mitgliedstaaten die Rückkehr von unrechtmäßig in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates verbrachten Kulturgutes erzwingen. Nach der alten Fassung der Richtlinie mussten zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Gegenstand als Kulturgut galt. Er musste – von einem Mitgliedstaat als nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert (Art. 36 AEUV) eingestuft worden sein und 64 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 6. Auflage, 2003, Art. 30 Rn. 66; Becker, in : Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Auflage, 2012, Art. 36 Rn. 20; Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 379. 65 EuGH, Rs. 7/68, NJW 1969, S. 1550. 66 Verordnung (EG) Nr. 116/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Ausfuhr von Kulturgütern, ABl. L 39 vom 10. Februar 2009. 67 Vgl. Art. 1 der AusfuhrVO. 68 Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern, ABl. L 74/74 vom 27. März 1993. 69 Richtlinie 2014/60/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (Neufassung), ABl. L 159/1 vom 28. Mai 2014. Eine Anpassung der deutschen Rechtslage steht noch aus.
30
Begriff des archäologischen Kulturgutes
– unter eine im Anhang genannte Kategorie fallen oder zu einer öffentlichen Sammlung gehören.70 Der Anhang der Verordnung und der alten Richtlinie stimmten weitgehend überein. Die Rückgaberichtlinie kumulierte für den Kulturgutbegriff die Anforderungen von Art. 36 AEUV und der Verordnung über die Ausfuhr von Kulturgütern. In der Präambel der Rückgaberichtlinie von 1993 wurde ausdrücklich daraufhin gewiesen, dass keine Definition des Kulturgutbegriffs bezweckt war. Die Rückgaberichtlinie in der Fassung von 2014 verzichtet auf einen Anhang, sondern verlangt nur noch, dass der Gegenstand von einem Mitgliedstaat als nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert (Art. 36 AEUV) eingestuft worden ist. Welchen Vorgaben die Neufassung der Rückgaberichtlinie für die deutsche Umsetzung macht, wird später genauer untersucht.71 Es ist festzustellen, dass das Europarecht keinen einheitlichen Kulturgutbegriff kennt, sondern vielmehr bestimmte Objekte als Kulturgut im Sinne der jeweiligen Norm definiert. Dabei erfolgt eine Beschränkung auf bewegliche Gegenstände. Das ist darauf zurückzuführen, dass Normen zum Abwanderungsschutz, zu Rückgabeansprüchen oder zur Warenverkehrsfreiheit zwangsläufig nur bewegliche Gegenstände erfassen.
3.
Kulturgutbegriff auf nationaler Ebene
Der Begriff des Kulturgutes ist im Grundgesetz in Art. 73 Abs. 1 Nr. 5a GG verankert. Darin wird seit der Föderalismusreform im Jahre 2006 dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland zugewiesen. Ursprünglich stand dem Bundesgesetzgeber die konkurrierende Gesetzgebung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 5 (a. F.) GG zu.72 Auf dieser Grundlage erließ der Bund 1955 das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung (KultgSchG)73. Das Gesetz verwendet zwar den Begriff des Kulturgutes, enthält aber selbst keine Definition. Der Bund hat den Abwanderungsschutz auf Kulturgut, das einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde, beschränkt. Erfasst wird vom KultgSchG letztlich nur Kulturgut, das im »Verzeichnis national 70 Art. 1 Nr. 1 der Rückgaberichtlinie von 1993. 71 Siehe C. II. 2. und E. IV. 2. 72 Ab 1994 war die Materie der Rahmengesetzgebung des Bundes zugewiesen (Art. 75 Abs. 1 Nr. 6 GG). 73 Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juli 1999 (BGBl. I S. 1754).
Kulturgut
31
wertvollen Kulturgutes« eingetragen ist. Ebenso verzichtet die Empfehlung der Kultusministerkonferenz für die Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes vom 29. April 201074 auf eine Definition des verwendeten Kulturgutbegriffs, sondern stellt lediglich Maßstäbe für das Kriterium »national wertvoll« auf. Das Kulturgüterrückgabegesetz (KultGüRückG)75 verweist in § 1 Abs. 3 zur Begriffsbestimmung auf das KultgSchG. Damit ist letztlich nur geschütztes deutsches Kulturgut, was im »Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes« als solches eingetragen ist. Daneben findet sich der Begriff im Steuerrecht. Hier wird in § 10g Abs. 1 S. 2 EStG76 definiert, was Kulturgüter im Sinne der Vorschrift sind. Danach können Steuervergünstigungen für Baudenkmäler und sonstige Anlagen, die nach dem jeweiligen Landesrecht unter Denkmalschutz stehen, geltend gemacht werden. Ebenfalls unter den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen bestimmte bewegliche Gegenstände, wenn deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt. Darüber hinaus findet sich der Begriff des Kulturgutes im Bau- und Umweltrecht. Dabei geht es immer um die Auswirkungen auf »Kulturgüter und sonstige Sachgüter«.77 Im Zivilschutz- und Verteidigungsrecht sind im Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (ZSKG) und dem Bundesleistungsgesetz (BLG) Vorschriften enthalten, die dem Kulturgüterschutz dienen und auf die Haager Konvention von 1954 verweisen.78 Eigene Definitionen enthalten die jeweiligen Vorschriften nicht. Die Denkmalschutzgesetze der Länder verwenden den Begriff des Kulturgutes nicht zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs. Vielmehr findet hier der Begriff des Kulturdenkmals oder des Denkmals Verwendung.
4.
Der Kulturgutbegriff in Rechtsprechung und Literatur
Sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur versuchen einen allgemeingültigen Kulturgutbegriff zu definieren. Soweit sich die Rechtsprechung mit der Definition von Kulturgut im Zu74 Anhang 9. 75 Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern, vom 18. Mai 2007 (BGBl. I S. 757, 2547). 76 Anhang 8. 77 § 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. d BauGB, § 1 Abs. 1 BImSchG, § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UVPG. 78 §§ 1, 25 ZSKG; § 3 Abs. 3 S. 4 BLG.
32
Begriff des archäologischen Kulturgutes
sammenhang mit dem KultgSchG befasst, finden sich zwei Entscheidungen. Zum einen hat der Verwaltungsgerichtshof München Kulturgüter als alle Gegenstände definiert, »in denen das Schaffen menschlichen Geistes im Laufe der historischen Entwicklung konkrete Gestalt angenommen hat.«79 Zum anderen gehören nach dem Bundesverwaltungsgericht »zum »Kulturgut« all jene von den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kunst hervorgebrachten Gegenstände, die als kulturelle Werte Bestand haben und bewahrt werden.«80 In der Literatur ist das Vorgehen unterschiedlich. Einigkeit besteht insoweit, als weder im Völkerrecht noch im innerstaatlichen Recht eine einheitliche Definition von »Kulturgut« existiere.81 Unter Kulturgut im Sinne von Art. 73 Abs. 1 Nr. 5a GG werden in der Literatur alle Kulturgegenstände verstanden, an denen ein besonderes historisches, wissenschaftliches oder technisches Interesse besteht und die daher namentlich für Archäologie, Geschichte, Literatur, Musik und alle sonstigen Formen von Kunst oder Wissenschaft besonders bedeutungsvoll sind.82 Darüber hinaus nähern sich die Autoren in der Literatur dem Kulturgutbegriff auf unterschiedliche Weise. Einige Autoren formulieren abstrakte Umschreibungen. Dabei finden sich sehr weite Umschreibungen, die alles von Menschhand Geschaffene83 oder alle Werte und Objekte umfassen, die für eine Gesellschaft prägend sind84. Häufig beschränken die Autoren die Definitionen auf materielle Güter und verlangen darüber hinaus eine Prägung durch den Menschen und einen kulturellen Wert.85 Problematisch ist an diesen Definitionen, dass hier (abgesehen von der Beschränkung auf materielle Güter) die Weite des Kulturbegriffs voll zum Tragen kommt. 79 VGH München, NJW 1992, S. 2584, 2586. 80 BVerwG, NJW 1992, S. 2584. 81 Abele, Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem?, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 67, 78; von Schorlemmer, Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 46; Boguslavsky, Der Begriff des Kulturguts und seine rechtliche Relevanz, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 3, 4. 82 Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 73 Rn. 130; Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 5. Auflage, 2003, Art. 75 Rn. 38; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Supplementum 2007, 2. Auflage, 2007, Art. 73, Rn. 34. 83 Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz, 1993, S. 9. Ähnlich Engstler, Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, 1964, S. 13. 84 Abele, Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem?, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 67, 81. 85 Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 387; Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung, 1992, S. 11; Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1995, S. 139f.
Kulturgut
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Andere Autoren sind der Auffassung, dass es keinen universell gültigen Kulturgutbegriff gibt, stellen aber Kriterienkataloge zur Eingrenzung auf: – negative Abgrenzungskriterien: Naturgüter, immaterielle Güter,86 – positive Einbeziehungskriterien: subjektives Element (hoher Wert bzw. große Bedeutung), Unersetzlichkeit,87 körperliche Gegenstände oder Sachgesamtheiten,88 vom Menschen geprägt und von künstlerischer, historischer, archäologischer, ritueller oder wissenschaftlicher Bedeutung,89 – Kriterien ohne Relevanz: Eigentumsverhältnisse, bewegliche oder unbewegliche Gegenstände, Alter, Marktwert.90 Die Kriterien sind hinsichtlich des Wertes oder der Bedeutung noch näher zu konkretisieren, um zu einer Begrenzung der Definition beizutragen. Schließlich gibt es die Auffassung, dass es weder möglich noch erforderlich sei, Kulturgüter abschließend zu definieren.91 Einigkeit besteht darin, dass vom Kulturgutbegriff sowohl bewegliche oder unbewegliche Sachen als auch Sachgesamtheiten erfasst werden.92 Der Wert einer Sammlung oder eines Ensembles kann sich gerade aus der Gesamtheit oder Vollständigkeit ergeben. Dies wird bei Baudenkmälern unter dem Begriff »Ensembleschutz« erfasst. Den gleichen Gedanken findet man im Archivrecht wieder. Insgesamt uneinheitlich wird die Frage beantwortet, ob Kulturgüter sowohl materielle als auch immaterielle Güter sein können. Als Begründung für die Einbeziehung immaterieller Werte wird die Weite des Kulturbegriffs angeführt.93 Für die Beschränkung auf körperliche Gegenstände wird der Terminus Kultur»gut« angeführt, der eine Verdinglichung implizieren soll.94
86 Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 10ff.; zu immateriellen Erscheinungsformen als Negativkriterium auch von Schorlemmer, Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 82. 87 von Schorlemmer, Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 83. 88 Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 139. 89 Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 140. 90 von Schorlemmer, Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 82f. 91 Hammer, DÖV 1999, 1037, 1040. 92 Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 132; Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 387; Rietschel, Internationale Vorgaben zum Kulturgüterschutz, 2009, S. 10; Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung, 1992, S. 81. 93 Abele, Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem?, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 80. 94 von Schorlemmer, Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 49f.
34 5.
Begriff des archäologischen Kulturgutes
Ergebnis
Es lässt sich feststellen, dass weder über alle Normebenen hinweg, noch innerhalb der einzelnen Normebenen eine einheitliche Definition für den Begriff des Kulturgutes existent ist. Auf völkerrechtlicher und unionsrechtlicher Ebene gibt es jeweils Begriffsdefinitionen, die aber nur für die jeweilige Norm Gültigkeit beanspruchen. Auf nationaler Ebene fehlt es weitgehend an einer Legaldefinition. Die Normen, die den Kulturgutbegriff verwenden, orientieren die jeweilige Definition stark am Zweck der Vorschrift. Wenn Restitutionsansprüche konstituiert werden, beziehen sich die Normen nur auf bewegliche Sachen. Die europarechtlichen Vorschriften beziehen sich aus kompetenzrechtlichen Gründen auf die Warenverkehrsfreiheit bzw. den Abwanderungsschutz und somit auch auf bewegliche Sachen. Die Welterbe-Konvention dagegen erfasst auch Werke der Architektur und Höhlen, also unbewegliche Sachen. Fraglich ist, ob der Kulturgutbegriff Objektqualität erfordert. Begriffe wie Rechtsgut oder Wirtschaftsgut, erfassen sowohl materielle als auch immaterielle Güter. Auch die Verwendung des Begriffs Gut in der Philosophie erfasst nicht nur Objekte.95 Die Tendenz zur »Körperlichkeit« mag daraus resultieren, dass sich insbesondere die Normen zu Rückgabeansprüchen und Abwanderungsschutz notwendiger Weise nur auf körperliche Gegenstände beziehen. Zuzustimmen ist aber insofern, als dass die Schutzinstrumente sich grundlegend unterscheiden müssen.96 Sofern man beispielsweise die jeweilige Sprache als Kulturgut betrachtet, ist offensichtlich, dass der Schutz und die Pflege einer bestimmten Sprache (z. B. Sorbisch) anderer Regelungen bedarf als der Schutz eines archäologischen Kulturgutes. In Bezug auf archäologische Kulturgüter kann die Frage, ob Kulturgüter immer Objektqualität haben müssen, offenbleiben, da sich die Archäologie ohnehin nur mit materiellen Hinterlassenschaften befasst. Alle Definitionen leiden an der Unschärfe des Kulturbegriffs, der auf den Begriff des Kulturguts notwendiger Weise durchschlägt. Dazu kommt die Einbeziehung des ebenfalls nicht klar umrissenen Begriffs des Wertes. Die Tendenz vieler in der Literatur entwickelter Definitionen, möglichst all95 Rickert, System der Philosophie – Erster Teil, 1921, Anhang; Prechtl, Gut, in: Prechtl/Burkard (Hrsg.), Metzler Philosophie Lexikon, 1996, S. 202. 96 Abele, Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem?, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 81; Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 387; Fechner, Prinzipien des Kulturgüterschutzes, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 19; von Schorlemmer, Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 50; Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung, 1992, S. 110f.
Archäologische Kulturgüter
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gemein zu bleiben und nichts von vornherein auszuschließen, ist verständlich, aber für die Anwendungspraxis wenig brauchbar. Der Versuch, diese Weite durch die Hinzunahme des Begriffs Wert einzuschränken, führt zu dem neuen Problem, was genau Inhalt des Wertes sein soll. Der andere Weg, eine Kulturgutdefinition über eine Enumeration vorzunehmen, führt dazu, dass begründungsbedürftig ist, warum bestimmte Dinge nicht enthalten sind und wie mit Lücken umzugehen ist. Einen einheitlichen Kulturgutbegriff zu definieren, erscheint für juristische Zwecke wenig gewinnbringend, da er jeweils im Lichte des Anwendungsbereichs der Norm zu betrachten ist. Auf diesem Problem beruht wohl auch die fehlende Legaldefinition im nationalen Recht bzw. die »Flucht« des deutschen Gesetzgebers in das Listenprinzip.97
III.
Archäologische Kulturgüter
Für den Begriff des archäologischen Kulturgutes ist jetzt zu fragen, ob sich aus der weiteren terminologischen Beschränkung eine präzisere Definition ableiten lässt.
1.
Archäologie
Der Begriff Archäologie war bereits in der Antike bekannt und bezeichnete seinem Wortsinn nach »Erzählungen aus der alten Geschichte« (griechisch: archaiologa).98 Im ausgehenden 18. Jahrhundert hat sich unser heutiges Verständnis des Begriffs entwickelt.99 Aus der »Altertumswissenschaft« bildeten sich die Einzeldisziplinen – Philologie für die sprachlichen Zeugnisse, – Archäologie für die materiellen Zeugnisse und – Geschichte für die Bereiche Politik und Gesellschaft im engeren Sinne.100 Archäologie ist die Wissenschaft von den materiellen Zeugnissen vergangener Kulturen.101 Ziel ist die Rekonstruktion und Kenntnis der konkreten historischen Welt. Daraus folgt, dass nicht nur die Erforschung von Kunstwerken relevant ist, 97 98 99 100 101
Vgl. B. II. 3. Dudenredaktion (Hrsg.), Duden, Bd. 7, 3. Auflage, 2001, S. 46. Eggert, Archäologie, 2006, S. 4. Hölscher, Klassische Archäologie, 3. Auflage, 2008, S. 12. Renfrew/Bahn, Basiswissen Archäologie, 2009, S. 10.
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Begriff des archäologischen Kulturgutes
sondern der gesamte Bereich der historischen Lebenswirklichkeit.102 Damit ist die Archäologie heute nach ihrem Selbstverständnis eine historische Kulturwissenschaft.103 Die meisten Artefakte, die Archäologen bei ihrer Arbeit entdecken, wurden im Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht als Kulturgüter betrachtet, sondern ihr kulturprägender Charakter erweist sich erst im Nachhinein.104 Das gilt insbesondere für Alltagsgegenstände. Damit wird ersichtlich, dass es auf unsere heutige Beurteilung ankommt und nicht darauf, ob es sich in seiner Entstehungszeit um ein Kulturgut handelte.
2.
Archäologische Quellen
Die Art der Quellen und die Methodik grenzt die Archäologie von anderen Disziplinen ab. Außerdem sind die Quellen wesentliche Grundlage für die Forschung und die Bestimmung des Begriffs »archäologisches Kulturgut«. Quellen der Archäologie sind Funde und Befunde.105 Funde umfassen Artefakte und Ökofakte.106 Artefakte sind von Menschen benutzte, hergestellte oder veränderte Objekte, wie etwa Werkzeuge, Metallwaffen, Münzen oder Keramik.107 Ökofakte sind nicht-artifizielle organische und ökologische Überreste, die Aufschluss über menschliche Aktivitäten geben. Dazu zählen menschliche Skelette, Tierknochen, Pflanzenreste oder Verfärbungen in Sedimentschichten.108 Beim Befund handelt es sich um alle Beziehungen, die zwischen Funden und sonstigen materiellen Spuren in konkreten Fundsituationen feststellbar sind.109 Der Befund stellt also den Fundkontext oder Fundzusammenhang dar. Beispiel: In einem Körpergrab wurde ein Toter unverbrannt beigesetzt. Die genaue Anordnung der Skelettteile zueinander, zum Grabraum, dessen Umgebung und den Beigaben (wie Tongefäße, Schmuck oder Bekleidung) gehört zum Befund. All dies lässt historisch aussagefähige Beobachtungen zu.110
102 Hölscher, Klassische Archäologie, 3. Auflage, 2008, S. 13. 103 Eggert/Samida, Ur- und frühgeschichtliche Archäologie, 2009, S. 7. 104 Horn, Kulturgüterschutz als Staatsaufgabe, in: Gorning/Horn/Murswiek (Hrsg.), Kulturgüterschutz, 2007, S. 121, 127. 105 Eggert, Prähistorische Archäologie, 4. Auflage, 2012, S. 46. 106 Renfrew/Bahn, Basiswissen Archäologie, 2009, S. 38. 107 Renfrew/Bahn, Basiswissen Archäologie, 2009, S. 40. 108 Renfrew/Bahn, Basiswissen Archäologie, 2009, S. 40. 109 Eggert/Samida, Ur- und frühgeschichtliche Archäologie, 2009, S. 30. 110 Beispiel nach: Eggert/Samida, Ur- und frühgeschichtliche Archäologie, 2009, S. 30.
Archäologische Kulturgüter
37
Abb. 1: Quellen in der Archäologie.
Durch eine Ausgrabung wird gleichzeitig der Fundzusammenhang notwendiger Weise aufgelöst. Deshalb ist die moderne Grabungstechnik darauf ausgerichtet, den Fundkontext möglichst vollständig zu erfassen und zu dokumentieren. Zuerst muss der Aussagewert der Quelle ermittelt werden und damit eine Quellenkritik erfolgen.111 Dabei wird im Rahmen der äußeren Quellenkritik nach der Echtheit der Quelle gefragt. Hier spielen u. a. der Fundort, die Fundumstände und die Vollständigkeit des Fundes eine Rolle.112 Dann wird bei der inneren Quellenkritik der Aussagewert der Quelle ermittelt. Dazu ist der Fundzusammenhang von großer Bedeutung. Das Erkenntnispotential bei einer fachkundig ausgegrabenen Quelle mit dokumentiertem Fundzusammenhang ist von grundlegend anderer Qualität als ein kontextloser Zufallsfund.113 Nach der Quellenkritik kann die Auswertung von Quellen vorgenommen werden. Ein wichtiger Aspekt für die Interpretation der Quelle ist ihre Datierung. Als Geschichtswissenschaft versucht die Archäologie, durch die Erforschung der Quellen bestimmten Ereignissen eine Chronologie zuzuordnen und damit Entwicklungen aufzuzeigen. Für die Datierung gibt es zwei Möglichkeiten: die relative oder die absolute Datierung. Die relative Datierung fragt nach der zeitlichen Abfolge von Ereignissen.114 Es wird ermittelt, ob ein Phänomen früher, später oder gleichzeitig mit einem anderen stattgefunden hat. Als Methoden der relativen Datierung werden die Stratigrafie und die typologische/kombinatorische Methode verwendet. Bei der 111 Grundlegend zur archäologischen Quellenkritik: Eggert, Prähistorische Archäologie, 4. Auflage, 2012, S. 107ff. 112 Eggert, Prähistorische Archäologie, 4. Auflage, 2012, S. 108ff. 113 Eggert, Prähistorische Archäologie, 4. Auflage, 2012, S. 112f. 114 Zur relativen Datierung: Eggert/Samida, Ur- und frühgeschichtliche Archäologie, 2009, S. 62f.; Renfrew/Bahn, Basiswissen Archäologie, 2009, S. 97.
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Begriff des archäologischen Kulturgutes
Stratigrafie115 geht es vereinfacht um die zeitliche Abfolge von Schichten. Diese Methode wurde in der Geologie entwickelt und kann Aussagen über die räumliche und zeitliche Abfolge von Gesteinen und Sedimenten treffen.116 Bei der Stratigrafie einer archäologischen Fundstätte soll festgestellt werden, ob Störungen der Schichten natürlichen Ursprungs sind oder durch Menschen verursacht wurden. Außerdem kann man davon ausgehen, dass zwei Objekte, die ungestört innerhalb derselben Schicht gefunden werden (geschlossener Fund), zur gleichen Zeit dort abgelegt wurden.117 Das setzt voraus, dass diese Schichten ungestört vorgefunden werden. Wenn eines der Objekte über eine andere Methode genauer datiert werden kann, kann diese Datierung auf die assoziierten Objekte übertragen werden. Die Stratigrafie hat zentrale Bedeutung für die Erstellung einer lokalen relativen Chronologie.118 Bei der Typologie oder Klassifikation werden Objekte aufgrund spezieller Merkmale einer Gruppe zugeordnet. Dabei geht man davon aus, dass Artefakte die an einem bestimmten Ort in einer bestimmten Zeit angefertigt wurden, einen erkennbaren Stil aufweisen.119 Eine typologische Abfolge beruht auf der Annahme, dass man anhand von Gestaltungsmerkmalen eine Fortentwicklung erkennen kann.120 Für die relative Datierung wird für ein Objekt ein anderes möglichst ähnliches Objekt gesucht, für das ein anerkanntes Typensystem existiert. Im Rahmen der kombinatorischen Methoden wird davon ausgegangen, dass bei geschlossenen Funden von der ungefähren Gleichzeitigkeit der Ablage der deponierten Objekte ausgegangen werden kann.121 Bei der absoluten Datierung ist man auf schriftlich fixierte Chronografie oder naturwissenschaftliche Methoden (wie Jahresringdatierung, Radiokarbonmethode oder DNA-Datierung) beschränkt. In der Praxis hat die relative Datierung eine größere Bedeutung, da die Methoden der absoluten Datierung stark limitiert sind und nur eine Zeitspanne angeben können.122
Grundlegend Harris, Principles of archaological stratigraphy, 2nd ed., 3rd print, 1997. Eggert/Samida, Ur- und frühgeschichtliche Archäologie, 2009, S. 65. Renfrew/Bahn, Basiswissen Archäologie, 2009, S. 99. Eggert, Prähistorische Archäologie, 4. Auflage, 2012, S. 181. Trachsel, Ur- und Frühgeschichte, 2008, S. 39; Renfrew/Bahn, Basiswissen Archäologie, 2009, S. 100ff. 120 Die Methode wurde von Oscar Montelius (1843–1921) entwickelt und 1903 veröffentlicht. Montelius, Die typologische Methode, 1903. 121 Eggert/Samida, Ur- und frühgeschichtliche Archäologie, 2009, S. 31, 71ff. 122 Eggert/Samida, Ur- und frühgeschichtliche Archäologie, 2009, S. 63. 115 116 117 118 119
Archäologische Kulturgüter
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Abb. 2: Datierung.
Beispiel zur Datierung: Himmelsscheibe von Nebra Mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden konnte lediglich festgestellt werden, dass die Himmelsscheibe mindesten 100 Jahre alt ist.123 Allein aufgrund der Typologie der Beifunde (zwei Schwerter, zwei Beile, ein Meißel, zwei Armspiralen) war eine Datierung auf ein Alter von ca. 3.600 Jahren möglich.124
Außerdem ist zu beachten, dass die Archäologie als Ziel nicht nur hat, Objekte zu finden und zu datieren, sondern es sollen vergangene Gesellschaften rekonstruiert werden. Deshalb können für einen Archäologen die Ablagerungen einer Abfallgrube eine wissenschaftliche Erkenntnisquelle von großer Bedeutung sein.125 Auch wenn das eigentliche Artefakt, das gefunden wird, für die Archäologen keine neuen Erkenntnisse liefert, so kann sich aus dem Fundort und der Datierung die geografische und zeitliche Ausdehnung einer vergangenen Kultur ergeben und so zur Forschung beitragen.
3.
Einbeziehung des Fundzusammenhangs in den Begriff des archäologischen Kulturgutes
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass das einzelne Artefakt als Materialisierung vergangener Kultur ein eigenständiges Kulturgut ist. Beim Fundzusammenhang, der alle Beziehungen, die zwischen Funden und sonstigen materiellen Spuren in konkreten Fundsituationen erfasst, ist dies noch nachzuweisen. Das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes 123 Pernicka/Wunderlich/Reichenberger/Meller/Borg, Zur Echtheit der Himmelsscheibe von Nebra, Archäologisches Korrespondenzblatt 2008, S. 331, 334. 124 Meller, Die Himmelsscheibe von Nebra, Sterne und Weltraum 2003 (Heft 12), S. 28, 31f. 125 Renfrew/Bahn, Basiswissen Archäologie, 2009, S. 100.
40
Begriff des archäologischen Kulturgutes
von 1992126 schließt die Umgebung von Fundstätten in das archäologische Erbe im Sinne des Vertrages ein (Art. 1 Nr. 3). Da sich dieses Übereinkommen explizit mit archäologischen Kulturgütern beschäftigt, liegt es nahe, dies in eine allgemeine Definition zu übernehmen. Auch der deutsche Gesetzgeber hat sich grundsätzlich dazu bekannt, dass Kulturgut im Hinblick auf archäologische Gegenstände in den Fundzusammenhang gehört und deshalb zurückzugeben ist, wenn die illegale Verbringung schon nicht verhindert werden konnte.127 Auch wenn die Rückgabe den Fundzusammenhang nicht wiederherstellen kann, macht es deutlich, dass der Bundesgesetzgeber die Relevanz des Fundkontextes grundsätzlich erkannt hat. Dafür sprechen noch weitere Argumente. Die in der Literatur vorgefundenen Definitionen zum Kulturgut erfassen auch Ensembles und Sachgesamtheiten.128 Der kulturelle Wert eines Kulturgutes kann sich erst aus der Gesamtheit einer Sammlung oder eines Ensembles ergeben.129 Konsequenter Weise sieht auch das Denkmalschutzrecht den Schutz von Sachgesamtheiten vor.130 Dabei erfolgt der Schutz unabhängig davon, ob die Einzelteile selbst die Denkmaleigenschaft besitzen.131 Das soll selbst dann gelten, wenn keine der baulichen Anlagen für sich ein Baudenkmal ist.132 Grund hierfür ist, dass sich bei einem Ensemble in diesem Sinne alle Bestandteile in ein Ganzes einordnen, das der eigentliche Träger der geschichtlichen Botschaft ist.133 Die Zielsetzung des Ensembleschutzes ist die Sichtbarmachung geschichtlicher Prozesse in ihrem ursprünglichen Kontext.134 Der Grundgedanke, dass die eigentliche Aussagekraft sich erst aus der Gesamtschau vieler Einzelteile ergibt, findet sich auch im Archivrecht wieder.135 Dabei wird den Archiven sogar eine Bedeutung für die Identität des Staates und seiner Institutionen zugesprochen.136 Für die weitere Einordnung von Sachgesamtheiten als Kulturdenkmale im Sinne der Denkmalschutzgesetze der Länder werden ein Funktionszusammen126 Anhang 3. 127 BT-Drs. 16/1371, S. 12. 128 Müller-Katzenburg, Internationale Standards im Kulturgüterverkehr, 1996, S. 132; Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 387; Rietschel, Internationale Vorgaben zum Kulturgüterschutz, 2009, S. 10; Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung, 1992, S. 81. 129 Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 387. 130 Z. B. Art. 1 Abs. 3 BayDSchG, § 2 Abs. 1 Nr. 2 BremDSchG, § 2 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ThürDSchG. 131 So ausdrücklich z. B. § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchG Brandenburg, § 2 Abs. 2 S. 2 ThürDSchG. 132 OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1999, S. 230. 133 Breuer, Die Baudenkmäler und ihre Erfassung, in: Gebeßler/Eberl (Hrsg.), Schutz und Pflege von Baudenkmälern in der Bundesrepublik Deutschland, 1980, S. 22, 36. 134 Leidinger, Ensembleschutz als Instrument des Denkmalrechts, BauR 1994, S. 1. 135 Schoch/Kloepfer/Garstka, Archivgesetz, 2007, S. 52. 136 Manegold, Archivrecht, 2002, S. 35.
Archäologische Kulturgüter
41
hang und damit eine übergreifende Komponente, die eine Mehrheit von Sachen zu einer schutzwürdigen Einheit zusammenfasst, gefordert. Die einzelnen Sachen müssen für sich betrachtet keinen Denkmalwert aufweisen.137 Dabei wird ein archäologischer Fundkomplex denkmalschutzrechtlich als Sachgesamtheit betrachtet.138 Bei der Zusammenfassung von Boden und Sache wird auf die gleiche Situation wie bei Baudenkmälern verwiesen, bei denen der Baukörper ebenfalls eine Einheit mit dem Boden bildet. Werden Baudenkmal und Boden getrennt, so ist damit das Baudenkmal als solches untergegangen. Ob das wiedererrichtete Gebäude am neuen Ort ebenfalls ein Denkmal ist, muss neu beurteilt werden.139 Die Situation bei archäologischen Kulturgütern in ihrem Fundkontext ist vergleichbar mit jener bei Sachgesamtheiten oder im Ensembleschutz. Alle Denkmalschutzgesetze140 außer in Baden-Württemberg und RheinlandPfalz definieren Bodendenkmäler141 (oder archäologische Sachzeugen142, archäologische Kulturdenkmale143, archäologische Denkmale144). Dabei werden ausdrücklich auch im Boden befindliche Sachen erfasst. Teilweise beziehen die Definitionen ausdrücklich Überreste oder Spuren menschlichen Lebens145 oder Veränderungen und Verfärbungen den Bodens146 ein. Damit wird deutlich, dass der jeweilige Gesetzgeber nicht nur die Gegenstände erfassen will, sondern auch den umgebenden Boden und damit den Fundzusammenhang. Auch in der Literatur ist anerkannt, dass der Fundzusammenhang (teilweise als Bodendokument bezeichnet) vom Bodendenkmal umfasst wird.147 Es lässt sich feststellen, dass sich der Aussagegehalt einer archäologischen Quelle erst aus der Gesamtschau der aufgefundenen Artefakte, ihrer Beziehung zueinander und zu ihrer Umgebung erschließt. Daher wird der Fundzusammenhang vom Begriff des archäologischen Kulturgutes mit umfasst. 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147
VGH Mannheim, DÖV 1998, S. 653; Moench/Otting, NVwZ 2000, S. 146, 152. So ausdrücklich VGH Mannheim, DÖV 1998, S. 653. Gahlen, NVwZ 1984, S. 687, 688. Übersicht 5. Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Thüringen. Sachsen. Sachsen-Anhalt. Schleswig-Holstein. Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, SachsenAnhalt, Thüringen. Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein. Gahlen, NVwZ 1984, S. 687ff.; Fechner, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts, 1991, S. 29ff.; Strobl/Majocco/Sieche, Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg, 2. Auflage, 2001, § 2, Rn. 13; Trier, Definition, Abgrenzbarkeit und Begründbarkeit von Bodendenkmälern für das praktische Verwaltungshandeln, in: Horn/Kier/Kunow/Trier (Hrsg.), Archäologie und Recht, 1991, S. 57ff.
42
Begriff des archäologischen Kulturgutes
Für den Archäologen macht es keinen Unterschied, ob der Pfosten in der Holz-Erde-Mauer eines römischen Lagers sich im Grundwasser als solcher erhalten hat oder ob er vergangen ist und sich nur noch das Pfostenloch durch den von oben nachgesackten dunklen Mutterboden im umgebenden Lehm (und damit als Störung der natürlichen Schichtfolge im Boden) abzeichnet.148 Der Befund ist zum wichtigsten Informationsträger für die Archäologie geworden.149 Wird ein Fund ergraben, sei es fachkundig durch Archäologen oder durch Raubgräber, wird der Fundzusammenhang unwiederbringlich zerstört.150 Archäologen können allenfalls versuchen, nach dem Stand der wissenschaftlichen Methoden, umfassende Aufzeichnungen zu erstellen.151 Die Artefakte können dann allein ein archäologisches Kulturgut darstellen. Es zeigt sich die Parallelität zu Baudenkmälern, die vom Boden getrennt werden. Ein archäologisches Kulturgut ist jedenfalls nicht nur eine Sache, die aus dem Boden herauszuholen ist.152 Entscheidend ist vielmehr die Sicht des Archäologen, wie sich bereits aus der Begrifflichkeit des archäologischen Kulturgutes ergibt. Im Folgenden wird der Begriff des archäologischen Kulturgutes verwendet als alle Sachen und Sachgesamtheiten, die sich im Boden befinden oder befunden haben, einschließlich ihrer Beziehung untereinander und zu ihrer Umgebung, die Auskunft über Ereignisse der Menschheitsgeschichte liefern.153
148 Beispiel nach Gahlen, NVwZ 1984, S. 687. 149 Fechner, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts, 1991, S. 14. 150 Fechner, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts, 1991, S. 15; Reichstein, Das archäologische Denkmal als archäologische Quelle, in: Horn/Kier/Kunow/Trier, Was ist ein Bodendenkmal?, 1991, S. 31, 34. 151 Zur Grabungstechnik und -dokumentation: Gersbach, Ausgrabung heute, 3. Auflage, 1998. 152 So für Bodendenkmäler: Gahlen, NVwZ 1984, S. 687, 691. 153 Grundsätzlich können sich archäologische Kulturgüter auch unter Wasser befinden oder befunden haben. Auf die Besonderheiten solcher archäologischer Kulturgüter wird im Folgenden aber nicht näher eingegangen.
C.
Systematik des Schutzes archäologischer Kulturgüter
I.
Völkerrecht
1.
Kriegsvölkerrecht
Die Entwicklung des Kulturgüterschutzes vollzog sich auf völkerrechtlicher Ebene anfangs im Kriegsvölkerrecht. Hier wurde zuerst ein Normierungsbedarf erkannt und mündete 1899 in den ersten kriegsvölkerrechtlichen Verträgen, die Regelungen zum Kulturgüterschutz aufnahmen.154 Der erste umfassende völkerrechtliche Vertrag, der ausschließlich dem Kulturgüterschutz dient, ist die unter dem Eindruck der Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges entstandene Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 1954.155 Dieser Konvention ist die Bundesrepublik Deutschland 1967 beigetreten.156 In der Präambel wird festgestellt, dass die Erhaltung des kulturellen Erbes für alle Völker der Welt von großer Bedeutung ist. In Art. 1 der Haager Konvention erfolgt eine Definition des Kulturgutes im Sinne der Konvention. Danach werden auch archäologische Stätten und Gegenstände von archäologischem Interesse geschützt.
154 Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 107. 155 Anhang 1. 156 Gesetz zu der Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 11. April 1967 (BGBl. 1967 II S. 1233).
44
Systematik des Schutzes archäologischer Kulturgüter
2.
Friedensvölkerrecht
a)
UNESCO-Übereinkommen von 1970
Im Friedensvölkerrecht hat die Pariser Konvention von 1970157 herausragende Bedeutung. Dieses UNESCO-Übereinkommen hat die Bundesrepublik Deutschland erst 2007 ratifiziert.158 Die Umsetzung erfolgte durch das Kulturgüterrückgabegesetz.159 In der Pariser Konvention wird in der Präambel ausdrücklich festgehalten, dass der Austausch von Kulturgütern das kulturelle Leben aller Völker bereichert und die gegenseitige Wertschätzung unter den Nationen fördert. Das Kulturgut gehört zu den wesentlichen Elementen der Kultur und sein wahrer Wert kann nur in Kenntnis seiner Geschichte erfasst werden. Es ist unerlässlich, »dass sich jeder Staat in zunehmenden Maße der moralischen Verpflichtung zur Achtung des kulturellen Erbes und desjenigen aller Nationen bewusst wird.« Das UNESCO-Übereinkommen erkennt als erstes Abkommen die unzulässige Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung als zentrales Problem des Kulturgüterschutzes (Art. 2 Abs. 1 UNESCO-Übereinkommen). Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf Kulturgut, das als für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft besonders wichtig bezeichnet wird (Art. 1 UNESCO-Übereinkommen). Zusätzlich muss es unter eine der in Art. 1 UNESCO-Übereinkommen bezeichneten Kategorien fallen. Eine Kategorie erfasst Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen oder archäologischer Entdeckungen. Damit stellt das UNESCO-Übereinkommen die Bezeichnung als »besonders wichtig« in die Entscheidung des jeweiligen Staates, beschränkt aber die Reichweite der UNESCO-Übereinkommen auf die genannten Kategorien. In Art. 4 UNESCO-Übereinkommen wird eine Zuordnung von Kulturgut zu einem bestimmten Staat vorgenommen. Für archäologische Kulturgüter besonders relevant ist, dass im Staatsgebiet gefundenes Kulturgut und durch ar-
157 Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 14. November 1970. 158 Gesetz zu dem Übereinkommen vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 20. April 2007 (BGBl. 2007 II S. 626). 159 Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern, vom 18. Mai 2007 (BGBl. I S. 757). Das Gesetz trat am 29. Februar 2008 in Kraft.
Völkerrecht
45
chäologische Missionen mit Zustimmung des Ursprungslandes erworbenes Kulturgut Teil des kulturellen Erbes des jeweiligen Staates ist. Gemäß Art. 6 UNESCO-Übereinkommen soll eine Bescheinigung eingeführt werden, mit der die Ausfuhrgenehmigung dokumentiert wird. Für diese Exportbescheinigung gibt es allerdings keine weiteren Vorgaben oder Muster. Das UNESCO-Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten die Einfuhr von Kulturgütern zu verbieten, die aus einem Museum oder anderen öffentlichen Einrichtung gestohlen wurden (Art. 7 Buchst. b lit. i UNESCO-Übereinkommen). Nicht erfasst werden illegal ausgegrabene archäologische Kulturgüter, sondern nur archäologische Kulturgüter, die bereits in Museen gelangt sind und dort gestohlen wurden. Damit verhindert die Vorschrift nicht die Einfuhr von aus Raubgrabungen stammenden archäologischen Kulturgütern. Nach Art. 7 Buchst. b lit. ii UNESCO-Übereinkommen verpflichten sich die Vertragsstaaten unrechtmäßig eingeführtes Kulturgut zurückzugeben. Der Anspruch steht dem Ursprungsstaat zu. Dem gutgläubigen Erwerber ist eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Eine Regelung der eigentumsrechtlichen Folgen fehlt. Eine Frist für die Geltendmachung des Rückgabeanspruchs ist nicht vorgesehen. Antiquitätenhändler sind zu verpflichten, Aufzeichnungen zu führen (Art. 10 Buchst. b UNESCO-Übereinkommen). Aus diesen muss der Ursprung des Kulturgutes, Name und Anschrift des Lieferanten, weiterhin die Beschreibung und der Preis des verkauften Gegenstandes hervorgehen. Diese Verpflichtung der Vertragsstaaten wird dadurch eingeschränkt, dass sie nur nach den Gegebenheiten jedes Landes besteht. Nach Art. 13 Buchst. c UNESCO-Übereinkommen soll ein Verfahren zur Wiedererlangung vor verlorengegangenem oder gestohlenem Kulturgut durch den rechtmäßigen Eigentümer (und nicht nur durch den Vertragsstaat, wie bei Art. 7 UNESCO-Übereinkommen) zulässig sein. Durch Art. 13 Buchst. d UNESCO-Übereinkommen soll unveräußerliches Kulturgut (res extra commercium) geschützt werden. Sollte dieses trotzdem ausgeführt worden sein, soll die Wiedererlangung erleichtert werden. Diese Regelung ist in Bezug auf archäologische Kulturgüter besonders interessant, da einige Staaten diese zu res extra commercium erklären. Der Vorteil einer solchen Regelung ist, dass ein unfreiwilliger Verlust des Eigentums infolge Diebstahls rechtlich ausgeschlossen ist. Andererseits läuft das dem Grundsatz der Rechtssicherheit zuwider, da das Vertrauen des gutgläubigen Erwerbers, nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne keinen Herausgabeansprüchen mehr ausgesetzt zu sein, nicht geschützt wird.160 Einige besonders kulturgüterreiche Länder habe 160 Weiter Ausführungen bei Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 367ff.
46
Systematik des Schutzes archäologischer Kulturgüter
solche Regelungen. Zum Beispiel sind in Griechenland alle archäologischen Kulturgüter aus der Zeit bis zum Jahr 1453 unveräußerlich.161 Ebenso ist in der Türkei sämtliches archäologisches Kulturgut, das dort gefunden wird, Staatseigentum und kann nicht von Privaten erworben werden.162 Viele Staaten Afrikas und Mittel- und Südamerikas erklären ihr Kulturgut ebenfalls für unveräußerlich.163 Allerdings begründet die Regelung in Art. 13 Buchst. d UNESCO-Übereinkommen keine Rückgabeverpflichtung. Die Wiedererlangung soll lediglich erleichtert werden. Das UNESCO-Übereinkommen ist ein richtungsweisender Schritt bei der Bekämpfung des illegalen Handels mit Kulturgütern. Allerdings ist dem endgültigen Text des UNESCO-Übereinkommens sein Kompromisscharakter anzumerken. Vom ersten Entwurf des Übereinkommens, der am 8. August 1969 vorgelegt wurde, bis zur endgültigen Fassung wurden zahlreichen Bedenken verschiedener Staaten berücksichtigt.164 Deshalb sind die einzelnen Artikel selten hinreichend konkret, so dass den Vertragsstaaten großer Spielraum bei der Umsetzung bleibt. Leider wurden die Belange archäologischer Kulturgüter zum Schutz vor Raubgrabungen nicht besonders berücksichtigt. b)
Andere völkerrechtliche Verträge
Das UNESCO-Übereinkommen regelt für die Rückgabeansprüche nicht die eigentumsrechtlichen Fragen. Deshalb beauftragte die UNESCO das »Internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts« (UNIDROIT) ein Übereinkommen zu entwickeln, das die sachenrechtlichen Vorschriften vereinheitlicht, um die privatrechtlichen Aspekte der Rückgabe zu regeln. Die daraus entstandene »UNIDROIT Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter« wurde am 24. Juni 1995 verabschiedet. Deutschland ist bislang nicht beigetreten.165 Das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes von 1969, das 1992 revidiert wurde (»Konvention von Malta«), stellt einen völkerrechtlichen Vertrag von Mitgliedstaaten des Europarates dar. Es wurde 1974 von der Bundesrepublik ratifiziert.166 Das Übereinkommen ist von der Erwä161 Antiquitätengesetz Nr. 5351/1932. 162 Art. 5 Gesetz zum Schutz von Kulturgütern und Naturschätzen, Nr. 2683 von 1983. 163 Nachweise bei Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 90ff. 164 Zur Entstehungsgeschichte: von Schorlemmer, Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 428ff. 165 47 Staaten haben die UNIDROIT-Konvention bisher unterzeichnet. http://www.unidroit. org/status-cp (Abruf am 26. Januar 2015). 166 Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 6. Mai 1969 zum Schutz des archäologischen Erbes, vom 17. Oktober 1974 (BGBl. II S. 1285); in der revidierten Form: Gesetz
Europarecht
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gung geleitet, den historischen Wert archäologischer Kulturgüter ungeschmälert zu erhalten. Es sollen unzulässige Ausgrabungen unmöglich gemacht werden, um den damit verbundenen unersetzlichen Verlust wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verhindern. Als Ziel wird ausdrücklich der Schutz des archäologischen Erbes als Quelle gemeinsamer europäischer Erinnerung und als Instrument für historische und wissenschaftliche Studien normiert (Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens). Das Übereinkommen enthält zahlreiche Vorgaben für die Vertragsstaaten, so sind Inventare zu erstellen und Schutzzonen einzurichten (Art. 2), unerlaubte Ausgrabungen zu verhindern (Art. 3) und die Belange des archäologischen Erbes bei der Raunplanung zu berücksichtigen (Art. 5). Die Vertragsstaaten sollen die Erforschung und Erhaltung des archäologischen Erbes durch finanzielle Mittel unterstützen (Art. 6ff.). Die unerlaubte Weitergabe von Elementen des archäologischen Erbes soll durch gegenseitige Information verhindert und Schritte eingeleitet werden, die verhindern, dass Museen solche Gegenstände ankaufen (Art. 10). Auch bei diesem Abkommen wird die Verbindlichkeit durch Formulierungen wie »geeignet erscheinende Mittel« (Art. 2), »je nach den Umständen« (Art. 4), »geeignete Maßnahmen (Art. 6) oder »keine Mühen zu scheuen« (Art. 10) stark aufgeweicht und sind eher als Absichtserklärungen formuliert. Die Welterbe-Konvention von 1972167 hat für archäologische Kulturgüter nur insofern Bedeutung, als es sich um unbewegliche Sachen handelt. Dies ergibt sich zwar so nicht eindeutig aus dem Wortlaut, allerdings sollte nach der Entstehungsgeschichte nur unbewegliches Kulturgut erfasst werden.168 Gegenstand des Schutzes ist Kulturerbe von außergewöhnlichem universellem Wert.
II.
Europarecht
Im Europarecht gibt es nur wenige Vorschriften, die den Schutz archäologischer Kulturgüter betreffen. Zwar gibt es mit Art. 167 AEUVeinen kulturellen Auftrag der Union.169 Allerdings soll die Europäische Union nur einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten leisten. Diese »ergänzende« Tätigkeit
zu dem Europäischen Übereinkommen vom 16. Januar 1992 zum Schutz des archäologischen Erbes, vom 9. Oktober 2002 (BGBl. II S. 2709). 167 Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, vom 23. November 1972, BGBl. 1977 II S. 215. 168 Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 136. 169 Fechner, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 6. Auflage, 2003, Art. 151, Rn. 1.
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Systematik des Schutzes archäologischer Kulturgüter
lässt sich als Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 Abs. 3 AEUV) verstehen.170 Vorschriften zum Schutz archäologischer Kulturgüter finden ihre Grundlage in Art. 36 AEUV, der Einschränkungen der Warenverkehrsfreiheit u. a. für nationales Kulturgut von archäologischem Wert zulässt.
1.
Ausfuhrverordnung
Die Verordnung (EG) über die Ausfuhr von Kulturgütern (AusfuhrVO)171 verlangt für den Export von Kulturgütern (die im Anhang aufgeführt sind) in Drittstaaten eine Ausfuhrgenehmigung. Das soll dafür sorgen, dass Kulturgüter, die sich aufgrund der nicht mehr vorhandenen Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedstaaten relativ ungehindert verbracht werden können, ohne Genehmigung in einen Drittstaat ausgeführt werden. a)
Ausfuhrkontrolle
Die Kommission hat zwei Berichte zur Durchführung der AusfuhrVO erstellt.172 Daraus geht hervor, dass in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2010 jeweils zwischen 171 und 1.109 Ausfuhrgenehmigungen erteilt und insgesamt nur 8 Genehmigungen verweigert wurden. Im gesamten Berichtszeitraum von 10 Jahren wurde in Deutschland nicht eine einzige vorschriftswidrige Sendung entdeckt. Von anderen Mitgliedstaaten wurden im gleichen Zeitraum 473 Fälle gemeldet. Die erteilten Ausfuhrgenehmigungen betreffen zu 90 % den internationalen Leihverkehr deutscher Museen.173 Daraus folgt, dass es kaum legalen Kunst- und Antiquitätenhandel mit Nicht-EU-Staaten geben dürfte. Da andere EU-Staaten aber sehr wohl vorschriftswidrige Sendungen aufspüren, dürfte es wahrscheinlicher sein, dass Kulturgüter ohne Ausfuhrgenehmigung verbracht werden und die Ausfuhrkontrolle mangelhaft ist. b)
Ausnahmeregelung für archäologische Kulturgüter
Die AusfuhrVO enthält bezüglich archäologischer Kulturgüter eine eigene Kategorie. Es muss sich um mehr als 100 Jahre alte archäologische Gegenstände 170 Fechner, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 6. Auflage, 2003, Art. 151, Rn. 3, 5. 171 Verordnung (EG) Nr. 116/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Ausfuhr von Kulturgütern, ABl. L 39 vom 10. Februar 2009. 172 KOM(2000) 325 und KOM(2011) 382. 173 BT-Drs. 17/13378, S. 27.
Europarecht
49
handeln, die aus Grabungen und archäologischen Funden zu Lande oder unter Wasser, aus archäologischen Stätten oder archäologischen Sammlungen stammen.174 Eine Wertgrenze gibt es nicht. Allerdings ist der für die Ausfuhr zuständige Mitgliedstaat ermächtigt, keine Ausfuhrgenehmigung zu verlangen, wenn das archäologische Kulturgut von archäologisch oder wissenschaftlich beschränktem Wert ist, nicht unmittelbar aus Grabungen stammt und der Handel mit ihnen rechtmäßig ist (Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 AusfuhrVO). Wann ein archäologisches Kulturgut von archäologisch oder wissenschaftlich beschränktem Wert ist, ist auslegungsbedürftig. Beschränkt ist ein Wert als solcher immer. Ein Blick in die englische Fassung der Verordnung bringt keine weitere Klarheit, da hier die Rede von »limited archaeological or scientifc interest« ist. In der Literatur wird vorgeschlagen, hierunter solche archäologische Kulturgüter zu fassen, die (weil losgelöst von ihrer Fundsituation) als archäologische Quellen wertlos und damit zu Antiquitäten geworden sind.175 Das würde aber bedeuten, dass gerade für illegal ergrabene archäologische Kulturgüter die Ausfuhr legalisiert würde. Das kann nicht die Intention der AusfuhrVO sein. Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs zu antiken Münzen hat ein Gegenstand einen Wert für die Archäologie, wenn er von Menschenhand geschaffen oder bearbeitet wurde und er Erkenntnisse über vergangene Kulturen zu vermitteln mag, insbesondere etwa über deren Gebräuche, den damaligen technischen und künstlerischen Entwicklungsstand, politische und gesellschaftliche Strukturen, die Religion und dergleichen mehr.176 Im Gegensatz dazu seien Gegenstände, die anderweitig gewonnene Erkenntnisse über vergangene Kulturen allenfalls illustrieren, ohne Bedeutung für die Archäologie.177 Dafür stellt der Bundesfinanzhof Kriterien auf. Danach kann man von einem beschränkten Wert ausgehen, wenn die Gegenstände in großer Zahl gehandelt werden, der Marktwert gering ist und die Nachfrager am Markt keine Archäologen, sondern Sammler sind.178 Der Marktpreis kann kein allein entscheidendes Kriterium sein. So kann beispielsweise die Herkunft bekannter antiker Münzen Hinweise auf bisher unbekannte Handelswege und -beziehungen geben. In Zweifelsfällen wird die Frage nur durch ein Gutachten endgültig zu klären sein.
174 Anhang der AusfuhrVO, Kategorie A. 1. 175 Eberl, Probleme und Auswirkungen der EG-Vorschriften zum Kulturgüterschutz, NVwZ 1994, 729, 730. 176 BFH, DStRE 2013, S. 492, 493. 177 BFH, DStRE 2013, S. 492, 494. 178 BFH, DStRE 2013, S. 492, 494.
50
Systematik des Schutzes archäologischer Kulturgüter
Schwierig wird es für den Zöllner bei der Ausfuhrkontrolle zu erkennen, ob die Gegenstände unmittelbar aus einer Grabung stammen.179 Dies kann sich zum Beispiel aus Erdanhaftungen ergeben. Darüber hinaus kann man nur hoffen, dass den Zöllnern ihre Erfahrung hilft, zweifelhafte Sendungen zu erkennen. Die Ausnahmevorschrift für archäologisches Kulturgut von beschränktem Wert sollte konkretisiert oder besser noch vollständig aufgehoben werden.
2.
Rückgaberichtlinie
Die Richtlinie über die Rückgabe von unrechtmäßig verbrachten Kulturgütern (RückgabeRL)180 regelt die Durchsetzung nationaler Vorschriften zum Kulturgüterschutz, indem der jeweilige Mitgliedstaat einen Herausgabeanspruch erhält (Art. 3 RückgabeRL neue Fassung). Durch die Neufassung der RückgabeRL im Jahr 2014 gibt es keine Kategorien, Alters- oder Wertgrenzen mehr. Anknüpfungspunkt ist allein die Entscheidung des jeweiligen Mitgliedstaates, dass es sich um nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert handelt (Art. 1, 2 Nr. 1 RückgabeRL neue Fassung). Damit wird bewusst der Geltungsbereich der RückgabeRL ausgeweitet.181 Somit ist die Übereinstimmung mit der AusfuhrVO durchbrochen. Hier sollte die AusfuhrVO dringend angepasst werden. Die RückgabeRL nimmt ihrer Neufassung ausdrücklich darauf Bezug, dass es innerhalb der Europäischen Union zwei unterschiedliche Systeme, für die Bestimmung nationalen Kulturgutes gibt. In Art. 1 der RückgabeRL heißt es, dass das Kulturgut als nationales Kulturgut eingestuft oder definiert sein muss. Ein Teil der Mitgliedstaaten definiert sein national wertvolles Kulturgut per Gesetz (ipso iure).182 Für diese Lösung muss eine geeignete Definition des erfassten Kulturgutes gefunden werden. Andere Mitgliedstaaten machen die Eintragung in ein entsprechendes Verzeichnis zur Voraussetzung (Listenprinzip).183 Diese 179 So auch Eberl, Probleme und Auswirkungen der EG-Vorschriften zum Kulturgüterschutz, NVwZ 1994, 729, 730. 180 Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern, ABl. L 74/74 vom 27. März 1993. Inzwischen gibt es eine neue Richtlinie: Richtlinie 2014/60/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (Neufassung), ABl. L 159/1 vom 28. Mai 2014. Eine Anpassung der deutschen Rechtslage steht noch aus. 181 Vgl. Präambel Abs. 9 RückgabeRL. 182 Z. B. Griechenland, Dänemark, Irland, Italien. Nachweise bei Maurer, Ausfuhr von Kulturgütern in der Europäischen Union, 1997, S. 109ff. 183 Z. B. Deutschland (§ 1 Abs. 1 KultgSchG), Frankreich, Luxemburg. Nachweise bei Wiese,
Europarecht
51
Regelungen bieten zwar eine hohe Rechtssicherheit, können aber nur bekanntes Kulturgut schützen, das im Rahmen eines formalisierten Verfahrens erfasst wurde. Die Vielfalt nationaler Regelungen zum Schutz nationalen Kulturgutes wird anerkannt.184 Von der RückgabeRL werden nur Kulturgüter erfasst, die ab dem 1. Januar 1993 aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unrechtmäßig verbracht wurden. An der alten Fassung der RückgabeRL wurde die kurze Verjährungsfrist von einem Jahr für die Geltendmachung des Rückgabeanspruchs kritisiert.185 In der Neufassung wurde die Frist auf drei Jahre nach dem Zeitpunkt verlängert, zudem die zuständige zentrale Stelle des ersuchenden Mitgliedstaats vom Ort der Belegenheit des Kulturgutes und der Identität des Eigentümers Kenntnis erhält (Art. 8 Abs. 1 RückgabeRL neue Fassung). Neu geregelt wurde die Entschädigung für den Fall der Rückgabe. Jetzt muss der Eigenbesitzer nachweisen, dass er beim Erwerb des Kulturgutes mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist (Art. 10 RückgabeRL neue Fassung). Zuvor bestimmte sich die Beweislast nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaates.186 Dabei sind alle Umstände des Erwerbs zu berücksichtigen (Art. 10 Abs. 2 RükgabeRL neue Fassung). Exemplarisch werden aufgezählt – die Unterlagen über die Herkunft des Kulturgutes, – die nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaats erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen, – die jeweiligen Eigenschaften der Beteiligten, – der gezahlte Preis, – die Einsichtnahme in zugängliche Verzeichnisse entwendeter Kulturgüter, – alle einschlägigen Informationen, die der Besitzer mit zumutbarem Aufwand hätte erhalten können oder – jeder andere Schritt, den eine vernünftige Person unter denselben Umständen unternommen hätte. Die Kriterien sind nicht erschöpfend, sollen aber die einheitliche Auslegung des Begriffs »erforderliche Sorgfalt« erleichtern.187 Die RückgabeRL enthält keine Sonderregelungen für archäologische Kulturgüter.
184 185 186 187
Der Einfluss des EG-Rechts auf das Internationale Sachenrecht der Kulturgüter, 2005, S. 143. Vgl. Präambel Abs. 10 RückgabeRL. Z.B. Rietschel, Internationale Vorgaben zum Kulturgüterschutz und ihre Umsetzung in Deutschland, 2009, S. 95. Art. 9 Abs. 2 RückgabeRL (alte Fassung). Vgl. Präambel Abs. 19 RückgabeRL.
52
Systematik des Schutzes archäologischer Kulturgüter
III.
Nationales Recht
1.
Bundesrecht
In der föderalen Struktur Deutschlands haben traditionell die Länder im Kulturbereich die Gesetzgebungszuständigkeit. Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ist im Kulturgüterschutz auf den grenzüberschreitenden Verkehr von Kulturgütern beschränkt (Art. 73 Abs. 1 Nr. 5, 5a GG). Für den Abwanderungsschutz gab es bereits seit dem Jahr 1919 die Verordnung über die Ausfuhr von Kunstwerken.188 Während der Abwanderungsschutz auf eine vergleichsweise lange Geschichte zurück blicken kann, sind die Normen zur Rückgabe von Kulturgut an andere Länder neueren Datums und gehen auf internationale Verpflichtungen zurück.
a)
Kulturgutschutzgesetz
Durch Art. 73 Abs. 1 Nr. 5a GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland. Die Kompetenz des Bundes für den Kulturgüterschutz wird damit eng umgrenzt. Es wird nur der Schutz gegen Ausfuhr des Kulturgutes ins Ausland erfasst. Aufgrund dieser Kompetenz erließ der Bund 1955 das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung (KultgSchG).189 Das Kulturgutschutzgesetz soll deutsches Kulturgut vor der Abwanderung ins Ausland schützen. Dieses Gesetz ist unter dem Eindruck der schweren Verluste, die der deutsche Kulturbesitz durch die Kriegsereignisse erlitten hatte, entstanden.190 Außerdem war in den Nachkriegsjahren ein Ausverkauf deutschen Kulturgutes ins Ausland zu beobachten, den das Gesetz für den Kulturbesitz von nationaler Bedeutung unterbinden wollte.191 Im KultgSchG ist das »Listenprinzip« für den Schutz deutschen Kulturgutes verankert. Das heißt, nur Kulturgut, welches das »Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes« eingetragen (oder bei dem das Eintragungsverfahren eingeleitet und öffentlich bekanntgemacht worden) ist, bedarf bei der Ausfuhr der Genehmigung (§ 1 Abs. 1, 4 und § 4 KultgSchG). Das Gesetz enthält selbst keine Definition des national wertvollen Kulturgutes. Die weiteren Vorschriften be188 RGBl. 1919 I, S. 1961ff. 189 Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juli 1999 (BGBl. I S. 1754). 190 BT-Drs. II/76, S. 6. 191 BT-Drs. II/76, S. 6.
Nationales Recht
53
fassen sich mit dem Verfahren der Eintragung und dem Genehmigungsverfahren für die Ausfuhr. Das »Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes« ist in der Praxis schwer zu handhaben. Es wird von jedem Bundesland einzeln geführt. Es ist zwar im Internet einsehbar,192 aber auch hier nur für jedes Bundesland einzeln und ohne eine sinnvolle Gliederung. Trotz einer Empfehlung der Kultusministerkonferenz für Eintragungen in das Verzeichnis,193 ist die Eintragungspraxis der Bundesländer sehr unterschiedlich. So haben beispielsweise das Saarland ein Objekt, Hamburg 10, Berlin 614 und Bayern 695 Objekte eingetragen.194 Eine gesetzliche Definition für das national wertvolle Kulturgut wäre sinnvoll und wünschenswert.195 Das gesamte KultgSchG enthält keine Sonderregelungen für archäologisches Kulturgut. Das »Listenprinzip« ist für archäologische Kulturgüter, die aus Raubgrabungen stammen, vollkommen wirkungslos. Mangels Kenntnis der zuständigen Behörden können diese Kulturgüter in keinem Verzeichnis erscheinen. So war auch die »Himmelsscheibe von Nebra« im Zeitpunkt ihrer Beschlagnahme in der Schweiz nicht eingetragen. Hinzu kommt, dass eine effektive Ausfuhrkontrolle durch den Zoll mit dem Verzeichnis in seiner derzeitigen Form kaum möglich erscheint. Die Identifikation des Kulturgutes über die Objektbeschreibungen erfordern vertiefte kunstgeschichtliche Kenntnisse. Es fehlen Bilder und unter einer Nummer sind teilweise ganze Sammlungen zusammengefasst. Die Ausfuhrkontrolle wird auch dadurch erschwert, dass die archäologischen Kulturgüter häufig relativ klein sind und im Volumen des grenzüberschreitenden Warenverkehrs leicht zu verstecken sind. Teilweise werden archäologische Kulturgüter zwischen legal zu handelnden Kopien oder im Inneren von Kopien versteckt.196 b)
Kulturgüterrückgabegesetz
In Bezug auf die Rückgabe illegal gehandelten Kulturgutes ist Deutschland geradezu ein Entwicklungsland. 192 www.kulturgutschutz-deutschland.de. 193 Empfehlung der Kultusministerkonferenz für Eintragungen in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes und das Verzeichnis national wertvoller Archive nach dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 29. 04. 2010); Vgl. Anhang 9. 194 Fechner/Krischok, Quo vadis Kulturgüterschutz?, JZ 2014, S. 237, 238; Auswertung der Länderverzeichnisse national wertvollen Kulturgutes in Übersicht 6. 195 E. IV. 1. b. 196 Bericht von Silvelie Karfeld vom Bundeskriminalamt (Sachbereich Kunst- und Kulturgutkriminalität) auf der internationalen Tagung »Kulturgut in Gefahr : Raubgrabungen und illegaler Handel« am 11. Und 12. Dezember 2014 in Berlin.
54
Systematik des Schutzes archäologischer Kulturgüter
Die Rückgaberichtlinie von 1993 wurde, nachdem die EG-Kommission wegen der verzögerten Umsetzung ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte, durch das Kulturgutsicherungsgesetz197 erst 1998 umgesetzt. Dieses Artikelgesetz enthält das Kulturgüterrückgabegesetz (KultGüRückG)198 und geringfügige Änderungen des KultgSchG. Nachdem Deutschland erst 2007 dem UNESCO-Übereinkommen von 1970 zum Verbot des illegalen Handels mit Kulturgut199 beigetreten war, erfolgte die Umsetzung ebenfalls im KultGüRückG. Darin sind die Geltendmachung von Rückgabeverlangen für deutsches Kulturgut gegenüber anderen Mitgliedstaaten der EU und anderen Vertragsstaaten des UNESCO-Übereinkommens von 1970 geregelt (§§ 3–5 KultGüRückG). Außerdem werden die Voraussetzungen für Rückgabeansprüche anderer Staaten (§§ 6–13 KultGüRückG), ein Einfuhrverbot für Kulturgut ohne Ausfuhrgenehmigung (§§ 14–17 KultGüRückG) und Aufzeichnungspflichten im Kunst- und Antiquitätenhandel (§ 18 KultGüRückG) normiert. aa) Rückgabeansprüche Die deutsche Umsetzung ist der Zielsetzung des UNESCO-Übereinkommens, die unzulässige Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut zu unterbinden (Präambel und Art. 2 des UNESCO-Übereinkommens von 1970), bisher nicht gerecht geworden. Nicht ein einziges Rückgabeverlangen aufgrund dieses Gesetzes war bisher von Erfolg gekrönt.200 Das hat verschiedene Ursachen. Zurückgefordert werden kann nur, wenn der Gegenstand als besonders bedeutsam bezeichnet wurde (§ 6 Abs. 2 S. 1 KultGüRückG). Als besonders bedeutsam bezeichnet gilt ein Gegenstand, wenn er individuell identifizierbar von einem anderen Vertragsstaat in ein Verzeichnis des bedeutenden öffentlichen und privaten Kulturgutes aufgenommen worden ist. Das Verzeichnis muss im Bundesgebiet ohne unzumutbare Hindernisse öffentlich zugänglich sein. Über § 6 Abs. 2 KultGüRückG wird das deutsche »Listenprinzip« faktisch allen Herkunftsländern aufgezwungen. 197 Gesetz zur Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und zur Änderung des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung (Kulturgutsicherungsgesetz – KultgutSiG), vom 15. Oktober 1998 (BGBl. I 3162). 198 Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern, vom 18. Mai 2007 (BGBl. I S. 757, 2547). 199 Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 14. November 1970. 200 BT-Drs. 17/13378, S. 31.
Nationales Recht
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Dieses Listenprinzip ist den meisten Herkunftsstaaten allerdings fremd.201 Lediglich Ecuador und Mexico verfügen gegenwärtig über elektronisch geführte Verzeichnisse des beweglichen national wertvollen Kulturgutes, die über das Internet einsehbar sind.202 Aber auch in diesen beiden Staaten wird nicht nur eingetragenes Kulturgut geschützt, sondern darüber hinaus werden faktisch alle archäologischen Kulturgüter erfasst.203 Grundsätzlich war man sich des Umstandes bewusst, dass archäologische Kulturgüter aus Raubgrabungen in keiner Liste für nationales Kulturgut verzeichnet sein können. Deshalb hat man als Sonderregelung aufgenommen, dass archäologische Kulturgüter, die vor ihrer Verbringung unbekannt waren, innerhalb eines Jahres nachdem die zuständige Behörde des betroffenen Staates Kenntnis von dem Gegenstand erlangen konnte, nachträglich unter Schutz gestellt werden können (§ 6 Abs. 1, 2 KultGüRückG). Diese Norm wird von den Gerichten sehr restriktiv ausgelegt. Zum einen wird der Nachweis verlangt, dass der Gegenstand vor der Verbringung unbekannt war.204 Nach der Auffassung des OVG Münster sei dies möglich, wenn eine Raubgrabung oder die Nichtanzeige eines Bodenfundes entdeckt werde und der Nachweis der anschließenden illegalen Ausfuhr gelänge. Das Gericht stellt dann selbst fest, dass dies faktisch kaum gelingen wird. Es gibt dem rechtssicheren Kunsthandel den Vorzug vor dem Kulturgüterschutz. Zum anderen wird bei der Möglichkeit, von dem Kulturgut Kenntnis zu haben, auf (teilweise vor vielen Jahren erschienen) Auktionskataloge205 oder vor 10 Jahren im Ausland stattgefundene Ausstellungen206 abgestellt. Das heißt, dass die Staaten alle Auktions- und Ausstellungskataloge weltweit überprüfen müssen, ob dort ein Gegenstand abgebildet oder beschrieben wird, der aus einer Raubgrabung auf ihrem Staatsgebiet stammen könnte. Das ist absolut realitätsfern und entspricht nicht den Vorgaben des UNESCO-Übereinkommens. Zusätzlich erschwert wird die Geltendmachung von Rückgabeansprüchen dadurch, dass von der Rechtsprechung verlangt wird, dass der ersuchende Staat nicht nur nachweist, dass der Gegenstand nach dem 26. April 2007 nach Deutschland verbracht wurde (Einfuhrzeitpunkt), sondern auch dass er nach diesem Zeitpunkt aus seinem Hoheitsgebiet verbracht wurde (Ausfuhrzeit201 Vgl. auch C. II. 2. 202 Wobei das mexikanische Verzeichnis rund 35.000 Eintragungen in spanischer Sprache enthält. BT-Drs. 17/13378, S. 34; Abzurufen unter : www.registropublico.inah.gob.mx. 203 Nachweise bei Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 91ff. 204 OVG Münster, GRUR 2013, S. 960, 964. 205 VG Osnabrück, 1 A 187/10 vom 17. Mai 2011; VG Köln, 10 K 3537/11 vom 25. April 2012; OVG Münster, GRUR 2013, S. 960, 964. 206 VGH München, 7 CE 10.354, vom 16. April 2010.
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Systematik des Schutzes archäologischer Kulturgüter
punkt).207 Für den Einfuhrzeitpunkt hat der Gesetzgeber ausdrücklich eine Fiktion vorgesehen. Lässt sich der genaue Zeitpunkt der Einfuhr nicht nachweisen, so gilt der Gegenstand als nach dem 26. April 2007 ins Bundesgebiet eingeführt (§ 6 Abs. 2 S. 4 KultGüRückG). Diese Regelung soll nach Auffassung des OVG Münster aber nicht für die zeitlich davor liegende Ausfuhr gelten.208 Dies widerspricht dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, wie er aus der Gesetzesbegründung hervorgeht.209 Offenbar wollte der Gesetzgeber bei einem nicht nachweisbaren Verbringungszeitpunkt einen Rückgabeanspruch gewähren. Das Gericht geht hier von einem Versehen des Entwurfsverfassers aus. Der Gesetzgeber wollte aber offensichtlich durch die Fiktion für den Einfuhrzeitpunkt über Beweisschwierigkeiten hinweghelfen, was nur Sinn macht, wenn das auch für den Ausfuhrzeitpunkt gelten soll. Zur vorläufigen Sicherung von Rückgabeansprüchen kann eine Anhaltung von Kulturgut angeordnet werden (§ 8 KultGüRückG). Innerhalb von 2 Monaten ist dann ein Rückgabeersuchen zu stellen und glaubhaft zu machen (§ 8 Abs. 5 KultGüRückG). Nach § 11 Abs. 1 S. 1 KultGüRückG verjährt der Rückgabeanspruch ein Jahr nachdem der ersuchende Staat Kenntnis vom Ort der Belegenheit und der Person des Rückgabeschuldners erlangt hat. Diese Fristen sind für archäologische Kulturgüter aus Raubgrabungen, bei denen häufig die Echtheit und genaue Herkunft unklar ist, viel zu kurz. Um zu klären, aus welchem heutigen Staat solches Kulturgut stammt, sind umfangreiche Gutachten erforderlich. Ein Beispiel dafür ist die »Sammlung Patterson«. Diese wurde aufgrund eines internationalen Rechtshilfeersuchens im Jahr 2008 in Deutschland beschlagnahmt. In der Folge meldeten Guatemala, Kolumbien und Mexiko Rückgabeansprüche an.210 Außerdem zögern die anderen Staaten häufig den Anspruch schnell geltend zu machen. Sie haben die Hoffnung, dass der diplomatische Weg mit Gesprächen auf politischer Ebene erfolgversprechender sei und nicht durch ein laufendes Gerichtsverfahren belastet werden soll.211 Aufgrund der neugefassten RückgabeRL ist für Ansprüche von Mitgliedstaaten der EU ohnehin eine Anpassung der Verjährungsfrist auf drei Jahre vorzunehmen (Art. 8 RückgabeRL). Diese sollte auch für Ansprüche der Vertragsstaaten des UNESCO-Übereinkommens vorgenommen werden. Die Rückgabeansprüche anderer Staaten sind öffentlich-rechtlicher Natur und auf dem Verwaltungsgerichtsweg geltend zu machen (§ 13 Abs. 1 KultGüOVG Münster, GRUR 2013, S. 960, 962. OVG Münster, GRUR 2013, S. 960, 962. BR-Drs. 155/06, S. 37f. VGH München, 7 CE 10.258 vom 13. April 2010; 7 CE 10.354 vom 16. April 2010 und 7 CE 10.1097 vom 16. Juli 2010. 211 BT-Drs. 17/13378, S. 32; BT-Drs. 16/1371, S. 18f.
207 208 209 210
Nationales Recht
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RückG). Ein eventuell bestehender zivilrechtlicher Herausgabeanspruch kann parallel vor dem Zivilgericht geltend gemacht werden und ist ohne Einfluss auf den Rückgabeanspruch aus dem KultGüRückG. Unverständlich ist daher, warum im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Anhaltungsanordnung nach § 8 KultGüRückG aufgehoben wird, weil dem ersuchenden Staat keine zivilrechtlichen Herausgabeansprüche aus Eigentum zustehen.212 Die Aufzeichnungspflichten, die das UNESCO-Übereinkommen in Art. 10 vorsieht, werden in § 18 KultGüRückG übernommen. Allerdings ist der Ursprung von Kulturgut nur anzugeben, wenn er bekannt ist und die Aufzeichnungspflichten bestehen nur bei Gegenständen im Wert von mindestens 1.000 Euro. Insgesamt sind die Hürden, die der deutsche Gesetzgeber für einen Rückgabeanspruch aufstellt sehr hoch. Die Anforderungen gehen über das, was das UNESCO-Übereinkommen vorsieht, hinaus. Durch die sehr restriktive Auslegung der Gerichte wird die Geltendmachung von Rückgabeansprüchen noch weiter erschwert. Völkerrechtswidrig ist die deutsche Umsetzung dennoch nicht, da das UNESCO-Übereinkommen sehr weich formuliert wurde. Für die Rückgabeansprüche fordert das UNESCO-Übereinkommen von den Vertragsstaaten die Schaffung »geeigneter Maßnahmen«, was viel Interpretationsspielraum lässt. Hier zeigt sich die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit der völkerrechtlichen Regelungen zum Kulturgüterschutz.213 bb) Einfuhrkontrolle Mit der in § 14 KultGüRückG geregelten Einfuhrkontrolle soll Art. 7 Buchst. b lit. i UNESCO-Übereinkommen umgesetzt werden. Dafür muss der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien ein Verzeichnis des wertvollen Kulturgutes aller Vertragsstaaten führen und fortlaufend im Bundesanzeiger bekannt machen (§ 14 Abs. 2 KultGüRückG). Von den derzeit 123 Vertragsstaaten liegt bisher keine einzige Anmeldung von Kulturgut vor.214 Durch § 15 KultGüRückG wird zwar ein Ausfuhrverbot des Herkunftsstaates anerkannt. Allerdings wird zusätzlich die Eintragung in das in Deutschland geführte »Vertragsstaatenverzeichnis« gefordert. Wenn man sich vor Augen führt, dass allein das mexikanische Verzeichnis von Kulturgut ca. 35.000 Eintragungen in spanischer Sprache enthält, ist klar, dass diese Regelung nicht praktikabel ist. Würde Mexico sein gesamtes Kulturgut anmelden, wären allein die Übersetzungskosten horrende. Das Verzeichnis müsste im Bundesanzeiger bekannt gemacht werden (ebenso wie jede Veränderung). 212 OVG Münster, GRUR 2013, S. 960, 962. 213 Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 671ff. 214 BT-Drs. 17/13378, S. 34.
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Systematik des Schutzes archäologischer Kulturgüter
Für archäologisches Kulturgut aus Raubgrabungen ist dieses Verfahren von vornherein nicht geeignet, da es mangels Kenntnis in keinem Verzeichnis erscheint.
cc) Auswirkungen des Kulturgüterrückgabegesetzes auf das Zivilrecht Die Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens durch das KultGüRückG hat nicht nur Konsequenzen für Rückgabeansprüche und die Einfuhrkontrolle nach dem KultGüRückG, sondern wirkt sich auch auf die Geltendmachung zivilrechtlicher Herausgabeansprüche der Vertragsstaaten aus. Das zeigt die Gegenüberstellung der Nigeria-Entscheidung des Bundesgerichtshofes von 1972 mit einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt von 2013. Der Bundesgerichtshof hat sich 1972 in der sogenannten »Nigeria-Entscheidung« mit der Frage beschäftigt, ob ein Vertrag, dem die illegale Ausfuhr von Kulturgut zugrunde liegt, sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB ist.215 Es ging um die Wirksamkeit eines Versicherungsvertrages, dem deutsches Recht zugrunde lag. Versichert wurde der Seetransport von afrikanischen Masken und Bronzefiguren der Beninepoche, die angeblich auf dem Transportweg verloren gingen. Die Ausfuhr war aufgrund des nigerianischen Kulturgüterschutzgesetzes von 1953 illegal.216 Der Bundesgerichtshof führt aus, dass das nigerianische Ausfuhrverbot der Erhaltung des künstlerischen Erbes im Ursprungsland und dem Schutz vor Ausplünderung durch Kunstliebhaber und Händler dient.217 Nach heutiger Auffassung entspreche es dem allgemein zu achtenden Interesse aller Völker an der Erhaltung von Kulturwerken an Ort und Stelle, die Umgehung solcher Vorschriften als verwerflich zu betrachten.218 Als Begründung wird das UNESCO-Übereinkommen von 1970 angeführt, obwohl dieses 1972 noch nicht von Deutschland ratifiziert war. Die illegale Ausfuhr von Kulturgut werde seit langem als gemeinschädliches und die Verständigung zwischen Nationen hinderndes Verhalten betrachtet.219 Der Bundesgerichtshof bezeichnet das Recht jedes Landes auf den Schutz seines kulturellen Erbes und die Verwerflichkeit von entgegengesetztem Handeln als grundsätzliche Überzeugungen der Völkergemeinschaft.220 Der Maßstab des heute mit den guten Sitten Verträglichen könne nicht eine in früherer Zeit übliche und geduldete Missachtung des Bemühens 215 BGHZ 59, S. 82ff.; umfassende Besprechung bei Bleckmann, Sittenwidrigkeit wegen Verstoßes gegen den ordre public international, ZaöRV 1974, S. 112ff. 216 Weidner, Kulturgüter als res extra commercium, 2001, S. 148. 217 BGHZ 59, S. 82, 85. 218 BGHZ 59, S. 82, 85. 219 BGHZ 59, S. 82, 86. 220 BGHZ 59, S. 82, 86.
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anderer Völker um den Schutz ihrer Kulturgüter sein.221 Deshalb hielt der Bundesgerichtshof den Versicherungsvertrag für sittenwidrig. Im krassen Gegensatz dazu steht eine jüngere Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt.222 In dem Fall ging es um einen zivilrechtlichen Herausgabeanspruch der Türkei für antike Schalen und Gefäße. Zur Sittenwidrigkeit des dinglichen Geschäfts, aufgrund dessen der Beklagte das Eigentum erlangt hatte, führt das Oberlandesgericht Frankfurt zunächst aus, dass es das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden nicht verletze, wenn ein Händler auf einem türkischen Basar als Zugabe zum Teppichkauf fünf antike Schalen übereigne.223 Das dingliche Rechtsgeschäft wird regelmäßig nicht durch die Nichtigkeit des Kausalgeschäfts berührt (Abstraktionsprinzip). Eine Fehleridentität liegt nur dann vor, wenn sich die Sittenwidrigkeit gerade im dinglichen Geschäft manifestiert.224 Dass solch ein Fall gerade nicht vorliege, ergäbe sich aus § 6 KultGüRückG. Es könne keinesfalls rechtswidrig sein, fremde Kulturgüter zu übereignen, da die Rückgabe unrechtmäßig erlangter Kulturgüter anderer Staaten nur unter sehr engen Voraussetzungen und innerhalb knapper Fristen verlangt werden könne.225 Das Oberlandesgericht Frankfurt schlussfolgert also aus der sehr restriktiven Umsetzung der UNSECO-Konvention von 1970 durch den deutschen Gesetzgeber, dass die Übereignung illegal verbrachten Kulturgutes nicht sittenwidrig sein könne. Der Bundesgerichthof dagegen sah es rund dreißig Jahre zuvor als im Interesse der Wahrung der Anständigkeit im internationalen Verkehr als zwingend an, dass der Verstoß gegen ein Ausfuhrverbot von Kulturgut keinen bürgerlichrechtlichen Schutz genießen dürfe.226 Dass der Beitritt Deutschlands zur UNESCO-Konvention von 1970 und die Umsetzung in deutsches Recht 2007 zu einer solchen Änderung der Rechtsanwendungspraxis führen, war nicht das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel.
2.
Landesrecht
Der Substanzschutz für Kulturgüter liegt in der Gesetzgebungsbefugnis der Länder. 221 222 223 224 225 226
BGHZ 59, S. 82, 87. OLG Frankfurt, KUR 2013, S. 74. OLG Frankfurt, KUR 2013, S. 74, 76. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 10. Auflage, 2010, Rn. 712. OLG Frankfurt, KUR 2013, S. 74, 76. BGHZ 59, S. 82, 86.
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Systematik des Schutzes archäologischer Kulturgüter
Auf Länderebene ist der Schutz archäologischen Kulturgutes in den Denkmalschutzgesetzen geregelt. Der Denkmalschutz ist geprägt durch die Bewahrung historischer Bausubstanz. Der Schutz archäologischer Kulturgüter ist eher eine Randerscheinung. Die Denkmalschutzgesetze verwenden statt des Begriffs »archäologisches Kulturgut« teilweise die Bezeichnung »Bodendenkmal« oder »Bodenaltertümer«.227 Bodendenkmäler sind bewegliche und unbewegliche Sachen, die sich im Boden oder in Gewässern befinden oder befanden und deren Erhaltung im Interesse der Allgemeinheit liegt.228 Die Denkmalschutzgesetze sind allerdings in ihrer Terminologie229 und hinsichtlich der Erfassung der Zeugnisse tierischen und pflanzlichen Lebens (paläontologische Funde)230 sehr unterschiedlich. Als besonders für archäologische Kulturgüter relevante Vorschriften enthalten die Denkmalschutzgesetze teilweise die Genehmigungspflicht für Ausgrabungen, die Ausweisung von Grabungsschutzgebieten und das Schatzregal.231 Nach dem Schatzregal geht herrenloses, bewegliches Kulturgut mit seiner Entdeckung ohne weiteren Übertragungsakt in das Eigentum des jeweiligen Landes über. Sind die Artefakte ausgegraben und stellen damit bewegliche Sachen dar, wird die Beurteilung der Frage, ob diese Gegenstände unter den Anwendungsbereich der Denkmalschutzgesetze fallen, schwierig. Die Unterschutzstellung in den Denkmalschutzgesetzen erfolgt nach zwei verschiedenen Prinzipien: – die konstitutive Eintragung in eine Denkmalliste (oder Denkmalbuch) oder – die Unterschutzstellung durch eine Generalklausel (mit nachrichtlicher Denkmalliste).232 In Hamburg (§§ 5, 6 Abs. 4 DSchG), Niedersachsen (§ 4 Abs. 1 S. 2 DSchG), Nordrhein-Westfalen (§ 3 Abs. 1 DSchG), Rheinland-Pfalz (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 DSchG) und Schleswig-Holstein (§ 5 Abs. 2 DSchG) sind bewegliche Denkmale nur geschützt, wenn sie in einer Denkmalliste eingetragen sind. In allen anderen Bundesländern erfolgt die Eintragung nur nachrichtlich. Die rechtliche Pflicht bewegliche archäologische Kulturgüter zu erhalten und zu pflegen besteht nur, 227 Vgl. Übersicht 5 und B. III. 3. 228 Martin, Teil K., in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz, 3. Auflage, 2010, S. 938, 939. 229 Martin, Teil B., in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz, 3. Auflage, 2010, S. 90, 108. 230 Bielfeldt, Teil I., III.; in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz, 3. Auflage, 2010, S. 864. 231 Auf das Schatzregal und die Grabungsgenehmigung wird unter E. III. 2. a) und b) noch genauer eingegangen. 232 Viebrock, Teil C., VI.; in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz, 3. Auflage, 2010, S. 216ff.
Nationales Recht
61
wenn diese Denkmale im Sinne des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes sind. Selbst wenn die beweglichen archäologischen Kulturgüter in das von den Bundesländern geführte Verzeichnis national wertvoller Kulturgüter eingetragen sind, sind sie in den Bundesländern mit konstitutiver Eintragung in eine Denkmalliste nicht automatisch unter den Schutz des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes gestellt. In diesen Bundesländern wäre also der Eigentümer eines national wertvollen beweglichen Kulturgutes, das nicht in die Denkmalliste eingetragen ist, nicht gehindert, dieses Kulturgut zu zerstören. Er müsste lediglich eine Mitteilung an die oberste Landesbehörde machen (§ 9 Abs. 1 S. 1 KultgSchG). Dass der Eigentümer in einem solchen Fall das Kulturgut zwar nicht ohne Genehmigung aus Deutschland ausführen, dafür aber zerstören darf, stellt eine Schutzlücke dar.
D.
Der Wert archäologischer Kulturgüter »Gerade weil es paradox klingt, wenn wir alles Wert nennen, was weder real noch ideal existiert, trotzdem aber etwas ist, wählen wir den Ausdruck Wert dafür …«233
Ebenso wie die Kultur, hat der Begriff Wert oder Werte heute Konjunktur : Es wird eine öffentliche Wertediskussion geführt und der Werteverfall beklagt. Es findet eine Rückbesinnung auf christlich-abendländische Werte statt oder die westlichen Werte werden verteidigt. Werthaltungen werden eingefordert. Werte müssen geschützt werden. Kindern sollen Werte vermittelt werden. Aus dem oben Gesagten zur Definition des archäologischen Kulturguts hat sich ergeben, dass der Begriff des Wertes eine mehrfache Rolle spielt. Schon bei der Definition von Kultur ist der Begriff von Bedeutung. Dies setzt sich beim Kulturgut und schließlich beim archäologischen Kulturgut fort. Auch wenn man nach der Wortbedeutung von »Gut« fragt, erhält man eine Antwort die den Begriff Wert enthält: Besitz, der einen materiellen oder geistigen Wert darstellt.234
Hier zeigt sich wieder die enge Verknüpfung von Gut und Wert. Normen zum Kulturgüterschutz nehmen immer wieder Bezug zum Wert: So schützt Art. 36 AEUV nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert. Das UNESCO-Übereinkommen fordert in Art. 10 die Vertragsstaaten auf, sich zu bemühen, durch erzieherische Maßnahmen in der Öffentlichkeit das Verständnis für den Wert des Kulturguts zu entwickeln. Die AusfuhrVO enthält in ihrem Anhang Wertgruppen. Das KultgSchG schützt national wertvolles Kulturgut. Nachfolgend soll untersucht werden, was Werte an sich sind und welche Werte archäologischen Kulturgütern zugeschrieben werden.
233 Rickert, System der Philosophie – Erster Teil, 1921, S. 115. 234 Wahrig-Burfeind, Deutsches Wörterbuch, 8. Auflage, 2006, S. 656.
64
I.
Der Wert archäologischer Kulturgüter
Werte in der Philosophie
Philosophischen Werttheorien wird eine Brauchbarkeit für Strategien für die Bewahrung von Kulturgütern zugesprochen.235 Ursprünglich kommt der wissenschaftliche Terminus »Wert« aus der Ökonomie. In der Philosophie fand der Begriff erst im 19. Jahrhundert Eingang.236 Bis heute dient der Wert als Bezeichnung für individuelle Präferenzmuster und als Sammelbegriff für gemeinsame Ideale.237 Allerdings gab es schon im antiken griechischen Denken die Frage nach dem Guten und den Tugenden.238 Viele Philosophen befassten sich in der Folge mit dem Wert. So zum Beispiel Immanuel Kant (1724–1804) für den es nur einen einzigen absoluten Wert gab – die menschliche Würde.239 An Dynamik gewann die Thematik allerdings erst Ende des 19. Jahrhunderts. Als Begründer der Wertphilosophie wird Hermann Rudolf Lotze (1817–1881) angesehen.240 Lotzes Wertbegriff wird beschrieben als ein von den Menschen gefühlsmäßig als übergeordnet Anerkanntes, zu dem man sich anschauend, anerkennend, verehrend, strebend verhalten kann.241 Der genaue Inhalt des Wertbegriffs bei Lotze ist umstritten.242 In der Folge entwickelte sich eine komplexe Wertphilosophie. Als Beispiel soll hier das System der Werte und Güter von Heinrich Rickert (1863–1936) dienen:
235 Regenbogen, Wert/Werte, in: Sandkühler (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie, Band 3, 2010, S. 2974. 236 Hügli, Wert, in: Ritter/Gründer/Gabriel (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 12, 2004, S. 556. 237 Regenbogen, Wert/Werte, in: Sandkühler (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie, Band 3, 2010, S. 2975. 238 Krobath, Werte, 2009, S. 21. 239 Schlotter, Wert, in: Ritter/Gründer/Gabriel (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 12, 2004, S. 558. 240 Krobath, Werte, 2009, S. 43. 241 Schischkoff, Wert, in: Schmidt (Hrsg.), Philosophisches Wörterbuch, 22. Auflage, 1991, S. 776 unter Berufung auf P. Menzer, ohne weitere Quellenangabe. 242 Nachweis bei Gruschke, Der Schlüssel zu der Welt der Formen, 2011.
65
Werte in der Philosophie
Güter : asoziale Sachen Subjektverhalten: monistische Kontemplation Form: umschließend Gebiet der Logik Wert: Wahrheit Gut: Wissenschaft Subjektverhalten: urteilen Weltanschauung: Intellektualismus
Wert-Stufen der Vollendung:
Gebiet der Aesthetik Wert: Schönheit Gut: Kunst Subjektverhalten: anschauen Weltanschauung: Aesthetizismus
Zweite Stufe Voll-endliche Partikularität Gegenwartsgüter
System der Philosophie Allseitige Weltanschauungslehre
Zwischen-Stufe Immanente Synthesen
Erste Stufe Un-endliche Totalität Zukunftsgüter
Güter : soziale Personen Subjektverhalten: pluralistische Aktivität Form: durchdringend Gebiet der Ethik Wert: Sittlichkeit Gut: Gemeinschaft freier Personen Subjektverhalten: autonomes Handeln Weltanschauung: Moralismus Gebiet der Erotik Wert: Glück Gut: Liebesgemeinschaft Subjektverhalten: Zuneigung – Hingabe Weltanschauung: Eudämonismus Liebe von Mann und Frau Weltanschauung: Erotizismus
Gebiet der Mystik Dritte Stufe Wert: unpersönliche Heiligkeit Wert: persönliche Heiligkeit Voll-endliche Gut: das All-Eine Gut: die Götterwelt Totalität (Weltgeheimnis) Subjektverhalten: Frommsein Ewigkeitsgüter Subjektverhalten: Weltanschauung: Theismus – (Transzendente Abgeschiedenheit (Vergottung) Polytheismus Synthesen) Weltanschauung: Mystizismus Abb. 3: System der Werte und Güter nach Rickert (Rickert, System der Philosophie – Erster Teil, 1921, Anhang).
Für Rickert haften an Gütern die gültigen Werte, zu denen Subjekte Stellung nehmen. Er unterscheidet die Güter in Sachen (linke Spalte in der obigen Übersicht, »asoziale Sachen«) und Personen (rechte Spalte in der obigen Übersicht, »soziale Personen«). Zu Sachen gehört als Subjektverhalten die Kontemplation und zu Personen die Aktivität. Als Werte entwickelt er Wahrheit, Schönheit, Heiligkeit, Sittlichkeit und Glück. Rickert thematisiert auch den Zusammenhang zwischen Werten und Kultur: »Halten wir also an dem mit dem Sprachgebrauch durchaus übereinstimmenden Begriff der Kultur fest, d. h. verstehen wir darunter die Gesamtheit der realen Objekte, an denen allgemein anerkannte Werte haften, und die mit Rücksicht auf Werte gepflegt werden …«243
243 Rickert, Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, 5. Auflage, 1921, S. 30.
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Der Wert archäologischer Kulturgüter
In der modernen Philosophie gilt Werthaftigkeit nicht als objektive Eigenschaft, sondern als Beziehung bewertender Subjekte zu Gegenständen.244 Werte werden deshalb heute weder als objektive Gegebenheiten betrachtet, noch auf rein subjektive Wertungen reduziert.245 In der Philosophie wird auch ein Zusammenhang zwischen Wert und Gut hergestellt. Wie wertvoll ein Objekt ist, bemisst sich daran, ob mit diesem begehrten Gegenstand Bedürfnisse befriedigt werden können. Werte sind letztlich das, was ein Gut begehrungswürdig macht.246 Jede menschliche Tätigkeit ist mit Bewertung verbunden und bringt die Beziehung zwischen einem Menschen und einem Gegenstand, Prozess oder Person zum Ausdruck. Mit der Tätigkeit des Bewertens bilden sich Maßstäbe aus, die im sozialen Verbund Geltung haben und durch Abstraktion selbst zu Werten werden.247 Anders ausgedrückt, muss man differenzieren zwischen der Feststellung, dass etwas einen Wert hat, und der, dass etwas ein Wert ist.248 Der Wertträger wird als Gut bezeichnet.249
II.
Werte in der Psychologie und Soziologie
Ausgehend vom Wert im philosophischen Sinn, hielt der Begriff auch Einzug in der Psychologie und Soziologie. Eine bis heute anerkannte Definition im Bereich der Psychologie lieferte Clyde Kluckhohn 1962: »Ein Wert ist ein Begriff vom Wünschenswerten, explizit oder implizit, bezeichnend für ein Individuum oder charakteristisch für eine Gruppe. Er beeinflusst die Auswahl der verfügbaren Arten, Mittel und Ziele des Handelns.«250
Werte existieren also, weil ohne sie das soziale Leben unmöglich wäre.251 Ein Wert ist eine Bevorzugung, von der man der Ansicht ist, sie sei moralisch bzw.
244 Regenbogen, Wert/Werte, in: Sandkühler (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie, Band 3, 2010, S. 2974. 245 Baumgartner, Wertephilosophie, Werteethik, in: Prechtl/Burkard (Hrsg.), Metzler Philosophie Lexikon, 1996, S. 570. 246 Regenbogen, Wert/Werte, in: Sandkühler (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie, Band 3, 2010, S. 2974. 247 Regenbogen/Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe, 1998, S. 727. 248 Alexy, Theorie der Grundrechte, 1994, S. 128. 249 Kraft, Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre, 2. Auflage, 1951, S. 10. 250 Kluckhohn, Werte und Wert-Orientierung der Theorie vom Handeln, in: Schmitz (Hrsg.), Kultur, 1963, S. 321, 331. 251 Kluckhohn, Werte und Wert-Orientierung der Theorie vom Handeln, in: Schmitz (Hrsg.), Kultur, 1963, S. 321, 337.
Werte in der Psychologie und Soziologie
67
vernünftig oder durch ästhetische Beurteilung gerechtfertigt.252 Werte stellen damit Präferenzen dar. Personen entwickeln individuelle Werthaltungen, die sich darin äußern, dass sie bestimmte Werte bevorzugen und damit ihr Verhalten beeinflussen.253 Außerdem werden Objekten Werte zugeschrieben, die als Gründe für die Bevorzugung geltend gemacht werden.254 Als Zusammenfassung weisen Werte für den Bereich der Psychologie folgende Aspekte auf: – Allgemein gültige Leitlinien, – Repräsentanzen menschlicher Bedürfnisse, – beeinflussen Handlungen, – gründen sich auf Vernunft, Moral oder Ästhetik, – konstituieren Sinn und – sind relativ stabil.255 Für den Bereich der Soziologie können Werte als grundlegende, zentrale, allgemeine Zielvorstellung und Orientierungsleitlinie für menschliches Handeln und soziales Zusammenleben innerhalb einer Subkultur, Kultur oder sogar im Rahmen der Menschheit interpretiert werden.256 Werte bilden aus sozialwissenschaftlicher Sicht den Kern einer Kultur.257 Sie dienen als Orientierungsrahmen für das individuelle Handeln.258 Sie sind der Vermittler zwischen Individuum und Gesellschaft.259 Ein wesentliches Forschungsthema der modernen Soziologie ist der sogenannte Wertewandel als zeitlich-geschichtliche Veränderung von Werten und Wertsystemen. Die Soziologie geht davon aus, dass Werte relativ stabile Elemente der Persönlichkeitsstruktur und weniger leicht veränderbar sind als Einstellungen, Meinungen oder Urteile.260 In der Psychologie und der Soziologie ist der Bezug zur Kultur klar erkennbar. Werte sind Kernelemente der jeweiligen Kultur und gekennzeichnet durch eine gewisse Dauerhaftigkeit und Nützlichkeit. Damit ist umrissen, was Werte sind. Für die hier betrachteten archäologischen Kulturgüter ist der Begriff des Wertes in seiner Bedeutung als soziale Zuschreibung besonders relevant. Archäologische Kulturgüter können Gegen252 Kluckhohn, Werte und Wert-Orientierung der Theorie vom Handeln, in: Schmitz (Hrsg.), Kultur, 1963, S. 321, 332. 253 Krobath, Werte, 2009, S. 326. 254 Rokeach, The Nature of Human Values, 1973, S. 4. 255 Renner, Ein lexikalisches Modell der Wertorientierung, 2005, S. 12f. 256 Hillmann, Wörterbuch der Soziologie, 5. Auflage, 2007, S. 962. 257 Hillmann, Wertwandel, 2003, S. 51. 258 Duncker, Verlust der Werte?, 2000, S. 4. 259 Krobath, Werte, 2009, S. 512. 260 Hillmann, Wertwandel, 2003, S. 55.
68
Der Wert archäologischer Kulturgüter
stand einer Bewertung sein. Die Kriterien der Bewertung sollen im Folgenden als Wert bezeichnet werden.261 Nachfolgend soll ermittelt werden, welche konkreten Werte archäologischen Kulturgütern eigen sind. In den kulturgutschützenden Normen und den in der Literatur entwickelten Definitionen wird der Begriff des wissenschaftlichen Wertes verwendet. Außerdem werden archäologische Kulturgüter gehandelt und vermarktet. Daher verfügen sie über einen ökonomischen Wert. Schließlich wird den archäologischen Kulturgütern eine identitätsstiftende Wirkung zugeschrieben.262
III.
Wissenschaftlicher Wert archäologischer Kulturgüter »Alle Menschen streben von Natur nach Wissen.«263
1.
Wert der Archäologie als Wissenschaft
Die Archäologie widmet sich den materiellen Hinterlassenschaften vergangener Kulturen. Die im Boden erhaltenen Zeugnisse sind für einen großen Teil der Menschheitsgeschichte die einzige Informationsquelle.264 Die Archäologie ist in der Lage, ein wenig Licht in das Dunkel von 3 Millionen Jahren Menschheitsgeschichte zu bringen. Archäologische Dokumente sind für weite Bereiche dieser Zeitspanne die einzige Quelle zur Beantwortung der Fragen nach der Evolution des Menschen und der Entwicklung von Kultur und Gesellschaft.265 Das Interesse der Menschen an der Frage nach dem »Woher« zeigt sich auch an der Nachfrage nach historischen Themen, die mehr und mehr von den Medien befriedigt wird.266 Die Archäologie geht immer mehr Verbindungen zu anderen Wissenschaftsdisziplinen ein. Schon früh wurden Methoden der Geologie für die Altersbestimmung (Stratigrafie) und die Prospektion von Grabungsflächen genutzt. Heute sind zahlreiche Methoden der Naturwissenschaften und Medizin eine wertvolle Hilfe, um beispielsweise das Alter von Gegenständen zu bestimmen, Handelswege nachzuvollziehen oder Wanderungsbewegungen nach261 262 263 264 265 266
Alexy, Theorie der Grundrechte, 1994, S. 130. Z.B. Radloff, Kulturgüterrecht, S. 93ff.; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 374. Aristoteles, Philosophische Schriften, Band 5, Metaphysik, 1995, S. 1. Rychener, Was ist Archäologie?, 2001, S. 7. Renfrew/Bahn, Basiswissen Archäologie, 2009, S. 9. Umfassend dazu Kircher, Wa(h)re Archäologie, 2012.
Wissenschaftlicher Wert archäologischer Kulturgüter
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zuweisen.267 Die Archäologie als historische Kulturwissenschaft ist inzwischen wesentlich mehr als eine »Spatenwissenschaft«.268 Sie tritt mit dem Ziel an, aus materiellen Hinterlassenschaften Geschichte zu rekonstruieren. Dabei hat sich der moderne Archäologe vom Sammler von Kuriositäten über den Ordner der Überreste der Vergangenheit zum Deuter entwickelt, der für sich in Anspruch nimmt, allgemeine Aussagen über Geschichte machen zu können.269 Die Archäologie hat es sich damit zur Aufgabe gemacht, trotz des begrenzten Quellenmaterials vergangene Kulturen als Ganzes zu erfassen. Deshalb sind auch gesellschaftspolitische Fragen Teil der fachlichen Diskussion innerhalb der Archäologie. Inflation, Massenarbeitslosigkeit, Verarmung, Ausbeutung natürlicher Ressourcen und Umweltzerstörung sind Phänomene, die schon in vergangenen hochkomplexen Gesellschaftssystemen auftauchten.270 Es gehört zu den Aufgaben der Archäologie, den Ursachen für Entstehung, Bestehen und Untergang dieser Kulturen auf den Grund zu gehen. Die Archäologie als historische Kulturwissenschaft will neben der Herausarbeitung geschichtlicher Einzelkulturen und Kulturerscheinungen auch wiederkehrende Züge in den geschichtlichen Erscheinungen und im geschichtlichen Prozess erkennen.271 Damit leistet die Archäologie einen Beitrag für die heutige soziologische Forschung.272
2.
Denkmalwerttheorie
In der Denkmalpflege, als der Archäologie eng verbundener Disziplin, beschäftigt man sich schon länger mit der Frage, warum und wie Denkmale geschützt werden sollen. Hier soll untersucht werden, ob die Erkenntnisse aus dem Bereich der Denkmalpflege sich auf archäologische Kulturgüter übertragen lassen. Als Begründer der Denkmalwerttheorie gilt Alois Riegl (1858–1905). Seine Schrift »Der moderne Denkmalkultus«273 gilt bis heute als die entscheidende systematische Darstellung der Denkmalwerte.274 267 Samida/Eggert, Archäologie als Naturwissenschaft?, 2013, S. 18ff. 268 Der Begriff geht auf Heinrich Schliemann (1822–1890) zurück, der die Feldarchäologie populär machte. Samida/Eggert, Archäologie als Naturwissenschaft?, 2013, S. 13f. 269 Sommer, Der ruhmreiche Krieg der Geschichte gegen die Zeit, in: Wolfram/Sommer (Hrsg.), Macht der Vergangenheit, 1993, S. 13, 15. 270 Andraschko, Ur- und Frühgeschichte/Archäologie, in: Goertz (Hrsg.), Geschichte, 3. Auflage, 2007, S. 383. 271 Eggert, Die Vergangenheit im Spiegel der Gegenwart, in: Kusber/Dreyer/Rogge/Hütig (Hrsg.), Historische Kulturwissenschaften, 2010, S. 43, 61. 272 Überblick in Welz/Weisenbacher (Hrsg.), Soziologische Theorie und Geschichte, 1998. 273 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903.
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Eine seiner grundlegenden Erkenntnisse besteht darin, dass Gegenständen, die nicht kraft ihrer ursprünglichen Bestimmung Denkmale sind, diese Bedeutung erst durch den Menschen unterlegt wird. Insoweit handelt es sich um Denkmale im subjektiven Sinne.275 Er unterscheidet drei Formen von Denkmalen: – Gewollte Denkmale sind Werke, die an einen bestimmten Moment der Vergangenheit erinnern sollen.276 – Historische Denkmale sind Werke, die auf einen Moment hinweisen, dessen Wahl im subjektiven Belieben stehen.277 – Altersdenkmale sind Werke, die äußerlich verraten, dass sie bereits geraume Zeit existieren. Riegl postuliert darauf aufbauend mehrere Denkmalwerte, die im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit auf archäologische Kulturgüter untersucht werden sollen.
Abb. 4: Denkmalwert nach Riegl.
a)
Erinnerungswert
Der Erinnerungswert zeigt für Riegl die vergangenheitsbezogene Dimension des Denkmals. Er unterteilt ihn in Alterswert und historischen Wert. aa) Alterswert Der Alterswert ist nach Riegl auf den ersten Blick am unmodernen Aussehen zu erkennen, das sich in Unvollkommenheit, Mangel an Geschlossenheit und der 274 Mörsch, Denkmalbegriff und Denkmalwerte, in: Kowarik/Schmidt/Sigel (Hrsg.), Naturschutz und Denkmalpflege, 1998, S. 89. 275 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S 7. 276 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S. 9. 277 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S. 10.
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Tendenz zur Auflösung von Form und Farbe zeigt.278 Er symbolisiert das durch das Wirken der Natur in der Zeit notwendige Vergehen.279 Dieser Alterswert ist für jedermann ohne weitere Vorkenntnisse augenfällig und bedarf keiner weiteren Erläuterung oder Präsentation. Diese »Erfindung« des Alterswertes sorgt bis heute für rege Diskussion unter den Denkmalschützern. Jede Form von Rekonstruktion steht im Widerspruch zum Alterswert. Im 20. Jahrhundert vollzog sich ein Bedeutungswandel in der Denkmalpflege vom Restaurieren zum Konservieren.280 So regt sich dann besonders starker Widerspruch, wenn es um Rekonstruktionen aus dem »Nichts« geht, wie beim Berliner Schloss.281 Hier handelt es sich um materielle Neubauten, die untergegangene Denkmale ersetzen sollen. Es wird damit eine Wiederholbarkeit behauptet, die zum einen nicht gegeben ist und zum anderen die dazwischen liegenden Geschichtsperioden ignoriert. Die Bedeutung von Baudenkmalen liegt nicht allein in ihrer künstlerischen Idee, sondern vielmehr in ihrer aktuellen Gestalt mit allen Schicksalsspuren.282 Diese Diskrepanz führte bei der Diskussion um die Rekonstruktion des Berliner Schlosses bis zu der Feststellung »Rekonstruktion zerstört«.283 Diese These ist in ihrer Absolutheit nicht unumstritten. Es wird ebenso vertreten, dass die Geschichte das Recht der Rekonstruktion mit einschließt.284 Im Grunde richtet sich schon jede Konservierung gegen den Alterswert, da der natürliche Verfall aufgehalten wird. So absolut will aber schon Riegl den Alterswert nicht verstanden wissen. Der Alterswert findet seine Grenze dort, wo keine Substanz mehr für seine Wirkung erhalten ist. Der Alterswert braucht für seine Wirkung eine deutliche Spur der ursprünglichen Form und des einstigen Werdens.285 Danach mindert also eine behutsame Konservierung nicht den Alterswert. Dieser Alterswert ist jedem archäologischen Kulturgut in besonderer Weise eigen. Hier geht es gar nicht so sehr um den Schutz des einzelnen Gegenstandes, sondern um die Möglichkeit einer Werterfahrung, die Erlebnismöglichkeit 278 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S. 22. 279 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S. 24. 280 Zur Entwicklung der Denkmalpflege im 20. Jahrhundert: Hellbrügge, »Konservieren, nicht restaurieren«, 1991. 281 Mörsch, Denkmalwerte, in: Buttlar/Dolff-Bonekämper/Falser/Hubel/drs. (Hrsg.), Denkmalpflege statt Attrappenkult, 2011, S. 19; Mazzoni, Geschichtsvergessen und Bildbesessen, in: Meier/Scheurmann (Hrsg.), DENKmalWERTE, 2010, S. 101. 282 Vereinigung der Landesdenkmalpfleger, Rekonstruktion von Baudenkmalen, 1991. 283 Mörsch, Denkmalwerte, in: Buttlar/Dolff-Bonekämper/Falser/Hubel/drs. (Hrsg.), Denkmalpflege statt Attrappenkult, 2011, S. 19, 20; Mörsch, Denkmalverständnis, 2005, S. 63ff. 284 Traeger, Ruine und Rekonstruktion in der Denkmalpflege, Das Münster, Bd. 49.1996, S. 218ff. 285 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S. 26f.
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Der Wert archäologischer Kulturgüter
des Alterns, Vergehens und Einswerdens mit der Natur.286 Archäologische Kulturgüter haben teilweise ganze Epochen überdauert und sind sinnlich wahrnehmbar »alt«. Sie geben allein aufgrund ihrer materiellen Erscheinung eine Vorstellung von der seit ihrer Entstehung verflossenen Zeit. Die Kontroversen um die Rekonstruktion von Denkmälern haben ihren Niederschlag in den Präsentationen der archäologischen Museen gefunden. Im Museum findet zunehmend ein bewussterer Umgang mit dem Thema Rekonstruktion statt.287 Teilweise wird auf Rekonstruktion weitgehend verzichtet. Auch die Hinwendung vieler Ausstellungen zum Menschen, der das Objekt benutzt hat und weg von der alleinigen Präsentation »schöner« Exponate ist im Sinne des Alterswertes. Der Alterswert darf aber nicht missverstanden werden als quantitative Bewertung des Alters archäologischer Kulturgüter. Für Riegl ist historisch alles, was einmal war und heute nicht mehr ist.288 Es geht um die Möglichkeit, ohne zusätzliches Wissen und allein durch sinnliche Wahrnehmung das Vergehen der Zeit im wahrsten Sinne erspüren zu können. Eine Altersgrenze für archäologische Kulturgüter lässt sich deshalb mit dem Alterswert nicht begründen. bb) Historischer Wert Der historische Wert eines Denkmals besteht darin, dass es eine bestimmte Stufe der Entwicklung der Menschheit repräsentiert.289 Darin ist ein Entwicklungsgedanke repräsentiert: Das einmal Gewesene kann nie wieder sein und ist ein unersetzliches und unverrückbares Glied einer Entwicklungskette.290 Es ist die Aufgabe der Wissenschaft die Lücken, die durch den Einfluss der Natur entstanden sind, zu schließen.291 Da dieses Ergänzen dem subjektiven Irrtum ausgesetzt ist, muss es darum gehen, eine möglichst unverfälschte Urkunde für die künftige Ergänzungstätigkeit zu erhalten.292 Die Vorstellung über die Geschichte wird in einem aktuell laufenden Prozess konstruiert.293 Wie durch Rekonstruktion die Interpretation archäologischer Funde beeinflusst wird, lässt sich nachhaltig an der Politisierung der prähistorischen Archäologie zeigen. Die Nationalsozialisten verbesserten die Finanzen und das Ansehen der Archäologie, um »wissenschaftliche« Belege für die ver286 Mörsch, Denkmalbegriff und Denkmalwerte, in: Kowarik/Schmidt/Sigel (Hrsg.), Naturschutz und Denkmalpflege, 1998, S. 89, 94. 287 Aydin, Archäologische Museen zwischen Tradition und Innovation, in: Dröge/Hoffmann (Hrsg.), Museum revisited, 2010, S. 63, 70. 288 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S. 2. 289 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S. 29. 290 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S. 2. 291 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S. 29. 292 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S. 30. 293 Kircher, Wa(h)re Archäologie, 2012, S. 291.
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meintliche Kulturhöhe der Germanen zu erhalten.294 So wurden die Interpretationen der an den Externsteinen (Kreis Lippe) freigelegten Funde an das veränderte politische Klima zwischen 1934 und 1935 angepasst.295 Die Erfahrungen des Dritten Reiches haben bei den Museen in vielen Fällen zu einem bewussten und reflektierten Umgang mit Rekonstruktion geführt. Dem Umstand, dass die dargestellten Inhalte bis zu einem gewissen Grad vorläufigen Charakter haben, begegnen die Museen in ihren Ausstellungen mit unterschiedlichen Strategien:296 – Weitgehender Verzicht auf Rekonstruktion und Beschränkung auf die wissenschaftlichen Methoden, – Aufklärung der Besucher über die Vorläufigkeit der Aussagen oder – Angebot verschiedener Versionen eines Sachverhaltes, der nicht sicher rekonstruiert werden kann. Die immer vorhandene Möglichkeit des Irrtums, die Möglichkeit der Manipulation und die Weiterentwicklung der Grabungstechnik sind Gründe, die dafür sprechen, auch archäologische Fundstätten möglichst unberührt zu erhalten. Dies spricht dafür, dass es möglich sein sollte, Grabungsgenehmigungen, die nach den Denkmalschutzgesetzen der meisten Bundesländer erforderlich sind, zu verweigern. Seine Grundlage hat dies im Bereich des historischen Wertes, der eine möglichst unverfälschte Urkunde erhalten möchte. Der historische Wert hat also auch für archäologische Kulturgüter eine erhebliche Bedeutung.
b)
Gegenwartswerte
Riegl stellt den zuvor beschriebenen Denkmalkultus ins Verhältnis zu den Gegenwartswerten. Zum einen können Denkmäler einen Gebrauchswert haben. Der Gebrauchswert umfasst die praktische Verwendungsmöglichkeit bzw. das tatsächliche Ingebrauchstehen.297 Dies wird hier im Folgenden unter dem Aspekt des ökonomischen Wertes und des Nutzens betrachtet. Zum anderen kann Denkmälern ein relativer Kunstwert eigen sein. Dieser relative Kunstwert ist die spezifische Auffassung, Form und Farbe.298 Das Mo294 Halle, Nationalsozialisten und Archäologie, in: Geringer/von der Haar/drs./Mahsarski/ Walter (Hrsg.), Graben für Germanien, 2013, S. 44f. 295 Halle, Die Externsteine sind bis auf weiteres germanisch!, 2002, S. 507. 296 Aydin, Archäologische Museen zwischen Tradition und Innovation, in: Dröge/Hoffmann (Hrsg.), Museum revisited, 2010, S. 63, 70f. 297 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S. 41. 298 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S. 57.
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Der Wert archäologischer Kulturgüter
derne im Alten macht den relativen Kunstwert aus.299 Archäologische Kulturgüter können auch heute noch unser ästhetisches Empfinden ansprechen. So empfindet man als heutiger Betrachter die Himmelsscheibe von Nebra als Kunstwerk. Dies muss aber nicht der Fall sein, wenn man beispielsweise an einfache, alltägliche Gegenstände denkt. Viele Funde, die in früheren Zeiten reine Gebrauchsgegenstände waren, dürften keinen relativen Kunstwert besitzen. c)
Schlussfolgerungen
Insgesamt ist der Gegenwartswert bei archäologischen Kulturgütern von geringerer Bedeutung als der historische Wert. Auch für Riegl sind die historischen Werte diejenigen, die Denkmäler ausmachen. Im Übrigen ist die Trennung zwischen Erinnerungswerten und Gegenwartswerten nicht so absolut, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Erinnerung bezieht sich zwar auf die Vergangenheit, jedoch wird sie stets in der Gegenwart desjenigen neu konstruiert, der sich erinnert.300 Insofern findet eine Bewertung auch von archäologischen Kulturgütern immer in der Gegenwart statt. Die Eigenschaft als Kulturgut ist nicht dem jeweiligen Gegenstand eigen, sondern wird ihm durch die Gesellschaft zugeschrieben.301 Im Erinnerungswert findet sich der Gedanke wieder, dass es sich um materialisierte Geschichte handelt. Das lässt sich aufspalten in die sinnliche Wahrnehmung des Alten/Unmodernen (Alterswert) und des Entwicklungsstandes (historischer Wert). Die Denkmalwerte am Beispiel der Himmelsscheibe von Nebra: – Alterswert: Es ist der Himmelsscheibe auf den ersten Blick anzusehen, dass sie nicht aus einer modernen Goldschmiede stammt. Sie zeigt deutliche Abnutzungs- und Alterspuren. – Historischer Wert: Anhand der Himmelsscheibe kann man die Werkzeuge nachweisen, mit denen sie bearbeitet wurde. Sie lässt Rückschlüsse auf die Vorstellung des damaligen Menschen von seiner Stellung im Universum zu. – Gebrauchswert: Die Himmelsscheibe wird stark vermarktet. Sie stellt einen Besuchermagnet für das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle und die Ausstellung in der Arche Nebra dar. Dort gibt es entsprechende Merchandisingprodukte. Auf dem Markt sind zahlreiche Bücher und DVD’s zur Thematik. Es werden Schmuckstücke mit der Abbildung der Himmelsscheibe angeboten. Die Himmelsscheibe ist auf einer 10 Euro Münze abgebildet 299 Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903, S. 62. 300 Dolff-Bonekämper, Gegenwartswerte, in: Meier/Scheurmann (Hrsg.), DENKmalWERTE, 2010, S. 27, 29. 301 Dolff-Bonekämper, Gegenwartswerte, in: Meier/Scheurmann (Hrsg.), DENKmalWERTE, 2010, S. 27, 30.
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und sie ist das Zugpferd für zahlreiche touristische Angebote. So gibt es eine Tourismusroute »Himmelswege«, einen Himmelsscheiben-Radweg und Tourenvorschläge zu Wasser. – Relativer Kunstwert: Die Symbolsprache der Himmelsscheibe wird noch heute als ästhetisch empfunden. Die Präsentation der Himmelsscheibe im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle entspricht eher der eines Kunstwerkes. Sie befindet sich in einem dunklen Raum, in dem lediglich in der Decke der Sternenhimmel sichtbar ist. Im Zentrum des Raums befindet sich die beleuchtete Himmelscheibe, die im Raum zu schweben scheint und von vorn und hinten betrachtet werden kann. Die gesamte Ausstellung ist stark auf eine visuell-ästhetische Wahrnehmung ausgerichtet. Insgesamt ist die Denkmalwerttheorie nicht so zu verstehen, dass man daran quantitativ »messen« könnte, wie wertvoll ein archäologisches Kulturgut ist. Vielmehr geht es darum, die soziale Funktion, die archäologische Kulturgüter erfüllen, zu erfassen.
IV.
Ökonomischer Wert archäologischer Kulturgüter
Zu Beginn wird erläutert, was die Ökonomie unter dem Begriff Wert versteht. Im Anschluss daran, soll der ökonomische Wert archäologischer Kulturgüter näher bestimmt werden.
1.
Klassische Nationalökonomie
Der Begriff des Wertes wurde zuerst in der Ökonomie verwendet und fand später Eingang in der Philosophie. Betrachtet man archäologische Kulturgüter als Wirtschaftsgüter, so ist auch hier die Frage, was aus ökonomischer Sicht ihren Wert darstellt. Güter sind in der Volkswirtschaft Mittel, die der Befriedigung der Bedürfnisse dienen.302 Auch in der Volkswirtschaftslehre stellt sich die Frage, ob der Wert eine objektiv einem Gut anhaftende Eigenschaft ist oder ob es sich dabei um etwas dem Gut subjektiv Beigemessenes handelt. Man könnte zuerst annehmen, dass für die Ökonomie die Begriffe Wert und Preis synonym sind. Diese objektive Wert- und Preistheorie liegt der klassischen Nationalökonomie zu 302 Baßeler/Heinrich/Utecht, Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, 17. Auflage, 2002, S. 12.
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Der Wert archäologischer Kulturgüter
Grunde, deren bedeutendste Vertreter Adam Smith (1723–1790) und David Ricardo (1772–1823) waren.303 Nach Smith bildet sich der Marktpreis unter den Bedingungen des vollständigen Wettbewerbs an der Schnittstelle von Angebot und Nachfrage.304 Dabei stellt der Preis den Wert der Ware in Geld ausgedrückt dar.305 Ein vollständiger Wettbewerb ist gegeben, wenn auf dem Markt zahlreiche kleine Unternehmen agieren, die ein identisches Produkt erzeugen und jeweils zu klein sind, um auf den Marktpreis Einfluss nehmen zu können.306 Aufgrund der Schwankungen von Angebot und Nachfrage schwankt auch der Marktpreis. Smith unterscheidet deshalb vom Marktpreis den natürlichen Preis, der den Herstellungskosten entspricht.307 Er geht davon aus, dass auf Dauer der Preis der Waren nicht unter den Produktionskosten liegen kann, da sonst wegen der Verluste die Produktion eingestellt werden würde. Für Smith entspricht der Wert einer Ware der Summe aus Grundrente308, Arbeitslohn und Zins für das eingesetzte Kapital. Dass diese Theorie nicht die Preisbildung für alle Waren erklären kann, hat schon Smith erkannt. Denn der tatsächliche Nutzen als Gebrauchswert und der Marktpreis als Tauschwert stimmen nicht zwingend überein. Diese Differenz zwischen Nutzen, Preis und Wert beschreibt das vor über 200 Jahren entwickelte klassische Wertparadoxon: »Man sollte zunächst bedenken, daß das Wort Wert zwei voneinander abweichende Bedeutungen hat. Es drückt manchmal die Nützlichkeit einer Sache aus, manchmal die Fähigkeit, mit Hilfe eines solchen Gegenstandes andere Güter im Tausch zu erwerben, eine Fähigkeit, die sein Besitz verleiht. Den einen kann man »Gebrauchswert«, den anderen »Tauschwert« nennen. Dinge mit dem größten Gebrauchswert haben vielfach nur einen geringen oder keinen Tauschwert, umgekehrt haben solche mit dem größten Tauschwert häufig wenig oder keinerlei Gebrauchswert. Nichts ist nützlicher als Wasser, und doch läßt sich damit kaum etwas kaufen oder eintauschen. Dagegen besitzt ein Diamant kaum einen Gebrauchswert, doch kann man oft im Tausch dafür eine Menge anderer Güter bekommen.«309
303 Stavenhagen, Geschichte der Wirtschaftstheorie, 4. Auflage, 1969, S. 52. 304 Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Auflage, 1789, deutsche Übersetzung: Recktenwald, 1974, S. 49. 305 Samuelson/Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, 2005, S. 51. 306 Samuelson/Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, 2005, S. 218f. 307 Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Auflage, 1789, deutsche Übersetzung: Recktenwald, 1974, S. 48. 308 Die Grundrente ist der Preis, der für die Benutzung des Bodens gezahlt wird. Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Auflage, 1789, deutsche Übersetzung: Recktenwald, 1974, S. 125. 309 Smith, Der Wohlstand der Nationen, 5. Auflage, 1789, deutsche Übersetzung: Recktenwald, 1974, S. 27.
Ökonomischer Wert archäologischer Kulturgüter
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Diesen Widerspruch konnte Smith nicht auflösen. Ricardo knüpft an die Arbeiten von Smith an und stellt fest, dass die Nützlichkeit nicht das Maß des Tauschwertes ist. Andererseits ist die Nützlichkeit notwendige Voraussetzung dafür, dass eine Ware überhaupt einen Tauschwert hat. »Wenn eine Ware in keiner Weise nützlich wäre – anders ausgedrückt, wenn sie durch nichts zu unserem Wohlbefinden betrüge -, so würde ihr jedweder Tauschwert mangeln, gleichgültig, wie selten sie sei oder wieviel Arbeit notwendig wäre, um sie zu beschaffen.«310
Dies zeigt gleichzeitig die Schwäche der objektiven Wert- und Preistheorie auf, die den Gebrauchswert als Eigenschaft betrachtet, die dem Gegenstand objektiv anhaftet und nicht an die Nützlichkeit für den jeweiligen Käufer anknüpft. Ricardo versucht das Wertparadoxon dadurch zu erklären, dass der Tauschwert aus der Seltenheit der Ware und der zu ihrer Gewinnung nötigen Arbeitsmenge ergibt.311 Ricardo nimmt dann direkt Bezug auf Kulturgüter, wie »erlesene Statuen und Bilder, seltene Bücher und Münzen«. Bei diesen Seltenheitsgütern hänge der Wert nur von ihrer Seltenheit ab, da sie durch Arbeit nicht vermehrbar seien. Der Wert dieser Waren hänge nur von der »Veränderung des Wohlstandes und der Neigungen derer, die sie zu besitzen wünschen« ab.312 Schließlich stellt Ricardo fest, dass die unbestimmten Vorstellungen, die an das Wort Wert geknüpft werden, die Quelle vieler Irrtümer und Meinungsverschiedenheiten seien.313 Smith und Ricardo unterscheiden in ihrer Werttheorie zwischen Gebrauchswert (value in use) und Tauschwert (value in exchange). Dabei lassen beide den Gebrauchswert, der mit dem Nutzen identisch ist, außen vor, da die Nützlichkeit zwar Voraussetzung aber nicht Maß des Wertes sein könne.314 Bei beliebig vermehrbaren Gütern wird der Preis kurzfristig über Angebot und Nachfrage und langfristig über die Produktionskosten bestimmt. Bei Seltenheitsgütern wird der Preis allein über die Nachfrage bestimmt, da diese nicht reproduzierbar sind.315 Da diese aber nur einen kleinen Teil der Waren auf dem Markt ausmachen, ist ihre Preisbildung nach Ricardo nur von untergeordneter
310 Ricardo, Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und der Besteuerung deutsche Ausgabe: Kurz/Gehrke (Hrsg.), 2. Auflage, 2006, S. 5. 311 Ricardo, Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und der Besteuerung deutsche Ausgabe: Kurz/Gehrke (Hrsg.), 2. Auflage, 2006, S. 5f. 312 Ricardo, Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und der Besteuerung deutsche Ausgabe: Kurz/Gehrke (Hrsg.), 2. Auflage, 2006, S. 6. 313 Ricardo, Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und der Besteuerung deutsche Ausgabe: Kurz/Gehrke (Hrsg.), 2. Auflage, 2006, S. 7. 314 Stavenhagen, Geschichte der Wirtschaftstheorie, 4. Auflage, 1969, S. 65f. 315 Ott, Grundzüge der Preistheorie, 3. Auflage, 1991, S. 23.
(1817), (1817), (1817), (1817),
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Bedeutung.316 Die objektive Werttheorie hat also für beliebig vermehrbare Güter und Seltenheitsgüter zwei unterschiedliche Erklärungsmodelle für die Preisbildung. Die Preiserklärung über Angebot und Nachfrage ist solange unbefriedigend, als nicht die dahinter stehenden Einflussfaktoren untersucht werden.317 Deshalb kann die klassische Nationalökonomie mit einem objektiv verstandenen Gebrauchswert das klassische Wertparadoxon nicht befriedigend lösen. Es konnte nicht erklärt werden, warum Seltenheitsgüter trotz schwindelerregender Preise überhaupt nachgefragt wurden.318
2.
Moderne Preistheorie
Den Grundstein für die Lösung des klassischen Wertparadoxons legte Herman Heinrich Gossen (1810–1858). Er war eigentlich Jurist, wandte sich jedoch später der theoretischen Volkswirtschaftslehre zu. Sein 1854 erschienenes Buch319 enthält die Gossenschen Gesetze, die den bis heute gültigen Begriff des Grenznutzens einführten. Bekannt gemacht wurde sein Werk erst durch Stanley Jevons (1835–1882), Leon Walras (1834–1910) und Carl Menger (1840–1921), die Gossens schwer verständliches und stark mathematisch geprägtes Werk in die bestehende Theorie integrierten.320 Beim Grenznutzen wird der Gebrauchswert als subjektive Nützlichkeit verstanden. Gossen formulierte folgende Gossenschen Gesetze: »1. Die Größe eines und desselben Genusses nimmt, wenn wir mit Bereitung des Genusses ununterbrochen fortfahren, fortwährend ab, bis zuletzt Sättigung eintritt. 2. Eine ähnliche Abnahme des Größe des Genusses tritt ein, wenn wir den früher bereiteten Genuß wiederholen, und nicht bloß, daß bei wiederholter Bereitung die ähnliche Abnahme eintritt, auch die Größe des Genusses bei seinem Beginnen ist eine geringere, und die Dauer, während welcher etwas als Genuß empfunden wird, verkürzt sich bei der Wiederholung, es tritt früher Sättigung ein, und beides, anfängliche Größe sowohl wie Dauer, vermindern sich umso mehr, je rascher die Wiederholung erfolgt.«321
Bezogen auf das klassische Wertparadoxon bedeutet dies, dass der Nutzen eines Gutes davon abhängt, wie viele Einheiten man von diesem Gut bereits besitzt.
316 Ricardo, Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und der Besteuerung (1817), deutsche Ausgabe: Kurz/Gehrke (Hrsg.), 2. Auflage, 2006, S. 7. 317 Ott, Grundzüge der Preistheorie, 3. Auflage, 1991, S. 23. 318 Van Suntum, Die unsichtbare Hand, 3. Auflage, 2005, S. 35f. 319 Gossen, Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs, 1854. 320 Van Suntum, Die unsichtbare Hand, 3. Auflage, 2005, S. 36. 321 Gossen, Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs, 1854, S. 4f.
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Der erste Liter Wasser ist sehr wertvoll, weil man damit seinen Durst stillt. Hat man mehr Wasser zur Verfügung, so werden immer weniger dringliche Bedürfnisse befriedigt, wie Kochen, Waschen, Putzen oder Blumengießen. Am Markt gibt es nur einen einheitlichen Preis für Wasser und dieser orientiert sich am Wert für die letzte Verwendung. Andernfalls würde man auf die am wenigsten dringliche Verwendung verzichten.322
Abb. 5: Maslow-Pyramide (Baßeler/Heinrich/Utecht, Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, 17. Auflage, 2002, S. 14).
Bis heute haben in der Volkswirtschaftslehre die Begriffe Bedürfnisse, Nutzen und Güter nicht an Bedeutung verloren. Bedürfnisse sind ein subjektiv empfundener Mangel.323 Die Bedürfnisbefriedigung erfolgt durch den Konsum von Gütern. Der dabei gestiftete Nutzen ist ein Maß für die individuelle, subjektiv empfundene Bedürfnisbefriedigung.324 Der Nutzen ist nicht exakt messbar, da der Geldbetrag, den jemand beispielweise für ein Artefakt zu zahlen bereit ist, auch von der Höhe seines Einkommens abhängig ist.325 Man geht aber davon aus, dass ein Haushalt die Güter in eine Präferenzreihenfolge bringen kann.326 Dazu
322 Beispiel nach van Suntum, Die unsichtbare Hand, 3. Auflage, 2005, S. 36f. 323 Baßeler/Heinrich/Utecht, Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, 17. Auflage, 2002, S. 12. 324 Schumann/Meyer/Ströbele, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 9. Auflage, 2011, S. 4f. 325 Van Suntum, Die unsichtbare Hand, 3. Auflage, 2005, S. 37f. 326 Engelkamp/Sell, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, 5. Auflage, 2011, S. 62.
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wird die von Abraham Maslow (1908–1970) entwickelte Motivationstheorie in Form einer Pyramide dargestellt.327 Bei den verschiedenen Ebenen der Bedürfnispyramide ist nach Maslow davon auszugehen, dass eine höhere Ebene erst dann relevant wird, wenn die darunter liegende ausreichend (nicht unbedingt vollständig) befriedigt ist.328 Damit ist anerkannt, dass auch in der Ökonomie psychologische Aspekte das Kaufverhalten beeinflussen. Für den Erwerb von archäologischen Kulturgütern sind zum einen die Ebene der sozialen Bedürfnisse und zum anderen vor allem die Ebene der Wertschätzungsbedürfnisse angesprochen. Es geht darum, sich einen Platz in einer sozialen Gruppe zu sichern. Weiterhin wird der Wunsch nach Ansehen, Prestige, Wertschätzung, Achtung und Wichtigkeit, eine passive Komponente unserer Selbstachtung, die nur von anderen Menschen für uns erfüllt werden kann, befriedigt.329 Daraus wird deutlich, dass sich gemeinhin Menschen archäologische Kulturgüter kaufen, die ihre elementareren Bedürfnisse nach ihrem subjektiv empfundenen Sättigungsgrad weitgehend befriedigt haben. Grundsätzlich geht die Volkswirtschaftslehre davon aus, dass jeder Haushalt eine unabhängige Wirtschaftseinheit bildet. Das heißt, dass der Nutzen nur von den vom jeweiligen Haushalt konsumierten Gütermengen abhängt.330 Dies ist jedoch gerade bei den höheren Ebenen der Bedürfnispyramide nicht mehr der Fall, da hier die gesellschaftlichen Beziehungen eine entscheidende Rolle spielen. Tatsächlich hängen die Konsumentscheidungen der einzelnen Haushalte von der Nachfrage anderer Haushalte ab, wenn die Nachfrage nach einem Konsumgut auf andere Faktoren als die inhärenten Eigenschaften des Gutes selbst zurückzuführend ist (nichtinstrumentale Nachfrage).331 Diese Einflüsse nennt man externe Konsum- oder Nachfrageeffekte.332 Bei archäologischen Kulturgütern sind der Snob-Effekt und der Veblen-Effekt (oder Prestigeeffekt) relevant. Der Snobeffekt beruht darauf, dass der Konsument versucht, sich aus der breiten Masse abzuheben. Für die Kaufentscheidung ist ausschlaggebend, dass das Gut möglichst einzigartig ist. Das hat zur Folge, dass beim Snobeffekt der 327 Grundlage der Maslow-Pyramide: Maslow, A Theory of Human Motivation, Psychological Review, 1943, Vol. 50, S. 370–396; drs., Motivation und Persönlichkeit, 12. Auflage, 2010, S. 62ff. 328 Engelkamp/Sell, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, 5. Auflage, 2011, S. 14f. 329 Maslow, A Theory of Human Motivation, Psychological Review, 1943, Vol. 50, S. 370ff. 330 Schumann/Meyer/Ströbele, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 9. Auflage, 2011, S. 97. 331 Leibenstein, Mitläufer-, Snob- und Veblen-Effekte in der Theorie der Konsumentennachfrage, in: Streissler/Streissler (Hrsg.), Konsum und Nachfrage, 1966, S. 231, 235f. 332 Schumann/Meyer/Ströbele, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 9. Auflage, 2011, S. 97; Reiß, Mikroökonomische Theorie, 6. Auflage, 2007, S. 294f.
Ökonomischer Wert archäologischer Kulturgüter
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Nutzen mit der Zunahme der Konsumenten abnimmt. Dabei spielt der Preis nur eine untergeordnete Rolle.333 Bei archäologischen Kulturgütern ist ihre Seltenheit ein entscheidender Faktor für die Konsumentscheidung. Mit dem Erwerb kann man Exklusivität demonstrieren, die den Preis als Entscheidungskriterium in den Hintergrund treten lässt. Der Veblen-Effekt ist das Ausmaß, in dem die Nachfrage nach einem Konsumgut zunimmt, weil es mehr anstatt weniger kostet.334 Dieser Effekt geht auf Thorstein Veblen (1857–1929) zurück, der den Prestigekonsum erstmals 1899 beschrieben hat.335 Archäologische Kulturgüter sind nicht nur Seltenheitsgüter im Sinne von Ricardos Preistheorie als nicht beliebig vermehrbare Güter. Sie sind auch selten im Sinne eines subjektiven Seltenheitsempfindens und der damit verbundenen Begehrtheit. Außerdem ist ihre Eignung zur öffentlichen Zurschaustellung typisch, die sie als Objekte des Prestigekonsums befähigt.336 Kulturgüter sollen die hohe Bildung, das ästhetische Empfinden und den exklusiven Lebensstil ihrer Besitzer demonstrieren.337 Für den Veblen-Effekt ist das wesentliche Merkmal, dass der Nutzen nicht nur von den Eigenschaften des Gutes selbst abhängt, sondern auch von dem dafür gezahlten Preis.338 Anders ausgedrückt: Je höher der Preis ist, den der Nicht-Käufer vermutet, umso höher ist der Nutzen.339 Der Unterschied zwischen Snob- und Veblen-Effekt besteht darin, dass beim Veblen-Effekt der hohe Preis direkt verantwortlich für die Nachfrage ist. Beim Snobeffekt ist die Exklusivität der entscheidende Antriebsfaktor. Der häufig hohe Preis ist ein indirekter Effekt, da die Einzigartigkeit sich nicht aus einem hohen Preis ergeben muss. Es kann sein, dass das Konsumgut nur für eine kleine Gruppe, die sich abheben will, relevant ist (z. B. Punk- oder Gothic-Mode).340 Die weiteren wesentlichen Antriebsfaktoren für den privaten Erwerb von Seltenheitsgütern sind das Sammelmotiv und das Gewinnmotiv.341 Ein Nutzen gesammelter Dinge liegt darin, dass wir es gewohnt sind, uns 333 Streissler/Streissler, Verallgemeinerung der mikroökonomische Konsumtheorie, in: Streissler/Streissler (Hrsg.), Konsum und Nachfrage, 1966, S. 61, 70. 334 Leibenstein, Mitläufer-, Snob- und Veblen-Effekte in der Theorie der Konsumentennachfrage, in: Streissler/Streissler (Hrsg.), Konsum und Nachfrage, 1966, S. 231, 236. 335 Veblen, Theorie der feinen Leute, 6. Auflage, 2000, S. 79ff. 336 Baumeister, Die Auktion, 1975, S. 51. 337 Baumeister, Die Auktion, 1975, S. 271. 338 Leibenstein, Mitläufer-, Snob- und Veblen-Effekte in der Theorie der Konsumentennachfrage, in: Streissler/Streissler (Hrsg.), Konsum und Nachfrage, 1966, S. 231, 248. 339 Schumann/Meyer/Ströbele, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 9. Auflage, 2011, S. 97. 340 Streissler/Streissler, Verallgemeinerung der mikroökonomische Konsumtheorie, in: Streissler/Streissler (Hrsg.), Konsum und Nachfrage, 1966, S. 61, 70. 341 Baumeister, Die Auktion, 1975, S. 264.
82
Der Wert archäologischer Kulturgüter
durch die Erfahrung von Dingen Wissen anzueignen und sie als Statussymbole unserer Identität zur Schau stellen.342 Die gesammelten Dinge werden in einen übergeordneten Kontext gebracht und gewinnen dadurch einen höheren Anspruch.343 Beim Gewinnmotiv oder der spekulativen Nachfrage, wird ein Gut nur deshalb erworben, weil eine Erhöhung des Preises erwartet wird.344 Da die Preise auf dem gesamten Kulturgütermarkt in den letzten Jahren rasant gestiegen sind, ist hier ein entsprechend großer Anreiz für Spekulationskäufe gegeben und macht Kulturgüter als Anlageobjekte interessant.
3.
Archäologische Kulturgüter als Handelsware
Der Wert und der Preis eines archäologischen Kulturgutes sind nicht deckungsgleich.345 Das hängt auch damit zusammen, dass der Preis der aktuell am Markt gezahlt wird, letztlich nur dann wirklich festgestellt werden kann, wenn das Kulturgut tatsächlich gerade gehandelt wird. Hinzu kommt, dass der illegale, nicht beobachtbare Handel die Messbarkeit des Preises erschwert. Der Schwarzmarktpreis und der normale Handelspreis können erheblich auseinanderfallen. Außerdem wird der Preis von vielen weiteren Faktoren beeinflusst, wie dem Prestigemotiv oder der spekulativen Nachfrage. Der Wert wird heute in der Volkswirtschaft als subjektive Größe verstanden, die für ein und dasselbe Gut individuell verschieden ist. Der Marktpreis ist keine geeignete Größe, um die Möglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnis aus archäologischen Kulturgütern wiederzugeben. Zum einen sind Archäologen nicht die Hauptnachfrager am Markt für Kulturgüter. Der Markt für Kulturgüter wird von den Sammlern und Museen dominiert. Zum anderen ist die Haupterkenntnisquelle bei archäologischen Kulturgütern der Fundzusammenhang. Dieser Fundzusammenhang ist aber gerade zerstört, wenn die archäologischen Kulturgüter zur Handelsware werden. Daraus ergibt sich, dass der Marktpreis allein kein geeignetes Merkmal für die Bestimmung des Wertes archäologischer Kulturgüter ist. Archäologische Kulturgüter haben als handelbare Güter einen eigenen Markt und Marktpreis. Laut UNESCO hatten 2011 342 Tesan, Vom Sammeln, in: Strobel/Dippel (Hrsg.), Die Kunst des Sammelns, 2011, S. 11. 343 Tesan, Vom Sammeln, in: Strobel/Dippel (Hrsg.), Die Kunst des Sammelns, 2011, S. 11, 12. 344 Leibenstein, Mitläufer-, Snob- und Veblen-Effekte in der Theorie der Konsumentennachfrage, in: Streissler/Streissler (Hrsg.), Konsum und Nachfrage, 1966, S. 231, 236. 345 Lynen spricht sogar von Antinomie zwischen »Wert« und »Preis«. Lynen, Wert-Schätzung in den Künsten, in: Bekmeier-Feuerhahn/van den Berg/Höhne/Keller/Koch/Mandel/ Tröndle/Zembylas (Hrsg.), Forschen im Kulturmanagement, 2009, S. 211, 212.
Ökonomischer Wert archäologischer Kulturgüter
83
– der globale Handel mit Kulturgütern ein Volumen von ungefähr 60 Mrd. US$/ Jahr, – der Handel mit illegalen Altertümern einen geschätzten Umfang von über 6 Mrd. US$/Jahr und – 80 % aller etruskischen und römischen Altertümer auf dem Markt eine illegale Herkunft. Außerdem ist die Gewinnspanne beim Handel mit illegal ausgegrabenen archäologischen Kulturgütern höher als im Drogenhandel.346 Damit ist klar, dass hinter dem Handel mit Kulturgütern massive ökonomische Interessen stehen. Was archäologische Kulturgüter besonders interessant macht, ist die Tatsache, dass illegal ergrabene archäologische Kulturgüter bis zu ihrem Bekanntwerden in keiner Liste und keinem Verzeichnis aufgeführt sind. Dadurch ist der illegale Handel mit vergleichsweise geringem Risiko verbunden und die Gewinnspanne besonders hoch. Der Gewinn wird vornehmlich durch den Letztverkäufer erzielt. Die Raubgräber erhalten zumeist weniger als ein Prozent des letztlichen Marktpreises.347 Der illegale Handel mit archäologischen Kulturgütern steht nach Einschätzung internationaler Organisationen nach dem illegalen Waffen- und Drogenhandel weltweit an dritter Stelle der internationalen Kriminalität.348
4.
Kommerzialisierung von archäologischen Kulturgütern
Archäologische Kulturgüter haben nicht nur einen eigenen Markt. Sie stellen zunehmend einen Wirtschaftsfaktor im weiteren Sinne dar. Archäologische Themen generieren Milliardenumsätze in der Unterhaltung, Werbung und im Tourismus.349 Archäologie ist inzwischen ein positiver Werbeträger für verschiedene Branchen. a)
Vermarktung durch die Medien
Themen aus der Archäologie haben Einzug in alle Medien gehalten, sei es als Stoff für Kinofilme, Computerspiele, TV-Dokumentationen, Printmagazine oder im Internet. Teilweise werden horrende Summen für Exklusivrechte an 346 UNESCO, The fight against illicit trafficking of cultural objects, CLT/2011/Conf.207/6, 2011, S. 3f. 347 Anton, Illegaler Kulturgüterverkehr, 2010, S. 46. 348 Bundesregierung, Bericht der Bundesregierung zum Kulturgutschutz in Deutschland, 2013, S. 18. 349 Kircher, Wa(h)re Archäologie, 2012, S. 104.
84
Der Wert archäologischer Kulturgüter
besonders spektakulären Grabungen gezahlt.350 In Zeitungen erreichen historische oder archäologische Themen 35 % der Leserschaft.351 Fernsehsendungen wie »Schliemanns Erben«, »Sphinx« oder »Terra X« werden beste Sendezeiten eingeräumt und erreichen regelmäßig 5 Millionen Zuschauer.352 Für die »aktuelle Archäologie-Konjunktur« werden mehrere Gründe angeführt: Archäologie repräsentiert Bildung, Exotik, Anschaulichkeit, Schatzsuche und Mystik.353 Neue Erkenntnisse aus dem Bereich der Archäologie haben Nachrichtenwert und lassen sich entsprechend durch die Medien kommerzialisieren.
b)
Vermarktung durch Museen
Zunehmend beteiligen sich die Museen an der Vermarktung archäologischer Kulturgüter. Obwohl der Gang ins Museum heute keine Selbstverständlichkeit ist und das Museum sich auf dem Freizeitmarkt in Konkurrenz zu zahlreichen anderen Anbietern befindet,354 erfreut sich der Besuch von Museen immer größerer Beliebtheit. Insgesamt sehen die Museen – private wie öffentliche – trotz Zeiten knapper Kassen ihren Stellenwert positiver als noch 1950.355 Die Situation der archäologischen Museumsarbeit kann man geradezu als Museumsboom bezeichnen.356 Im Jahr 2011 gab es in der Bundesrepublik 109.581.613 Besuche in Museen. Historische und archäologische Museen haben einen Anteil von 7,2 % bezogen auf die Gesamtzahl der Museen und 17,2 % bezogen auf die Gesamtbesuchszahl.357 Als Ursache wird die Musealisierungsthese angegeben: Unter den Bedingungen eines sich beschleunigenden sozialen und technischen Wandels besteht die Gefahr, die kulturelle Vertrautheit in der Gegenwart zu verlieren. Dieser 350 Spitzing, Das Indiana-Jones-Syndrom, in: Gehrke/S¦n¦cheau (Hrsg.), Geschichte, Archäologie, Öffentlichkeit, 2010, S. 219, 220. 351 Seewald, Homer ist überall, in: Gehrke/S¦n¦cheau (Hrsg.), Geschichte, Archäologie, Öffentlichkeit, 2010, S. 193, 200ff. 352 Samida, Schliemanns Erbe?, in: Gehrke/S¦n¦cheau (Hrsg.), Geschichte, Archäologie, Öffentlichkeit, 2010, S. 31, 32. 353 Seewald, Homer ist überall, in: Gehrke/S¦n¦cheau (Hrsg.), Geschichte, Archäologie, Öffentlichkeit, 2010, S. 193, 198. 354 Aydin, Archäologische Museen zwischen Tradition und Innovation, in: Dröge/Hoffmann (Hrsg.), Museum revisited, 2010, S. 63. 355 Hilgers, Die Museen am Jahrtausendende, in: Noelke (Hrsg.), Archäologische Museen und Stätten der römischen Antike, 2001, S. 15. 356 Flashar, Archäologie und Öffentlichkeit, in: Noelke (Hrsg.), Archäologische Museen und Stätten der römischen Antike, 2001, S. 23, 26. 357 Institut für Museumsforschung, Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2011, 2012, S. 21.
Ökonomischer Wert archäologischer Kulturgüter
85
Vorgang wird als temporale Identitätsdiffusion bezeichnet.358 Das historische Bewusstsein hält die Vergangenheit aneignungsfähig, in dem es uns mit dieser Vergangenheit im Museum konfrontiert.359 Musealisierungsfähig ist ein Kulturgut, wenn die Phase der Reproduktion beendet ist und es deshalb unersetzbar und konservierungsbedürftig wird.360 Das Kulturgut bildet sozusagen eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart und macht die Vergangenheit aneignungsfähig. In Zeiten schnell fortschreitender Entwicklungen und Veränderungen – geprägt durch eine immer stärkere Parallelität der Ereignisse und immer größerer Geschwindigkeit des Wandels – suchen die Menschen Möglichkeiten, Objekte der Vergangenheit zu bewahren, zu sammeln und zu reflektieren.361 Dabei ist eine fortschreitende Vermarktung und Professionalisierung zu beobachten.362 Im Wettbewerb mit anderen Freizeit- und Kulturindustrien ist Marketingarbeit gefragt, die unter anderem an Museumsshops und Webseiten ersichtlich ist. Das Victoria & Albert Museum in London – ein Museum für Kunst und Design – hat als Vorreiter eine umfassende Marktforschung betrieben, um möglichst viele Zielgruppen zu erreichen. Durch das darauf aufbauende neue Ausstellungs-/Museumskonzept konnten die Besucherzahlen mehr als verdoppelt werden. Dabei sind die kostenpflichtigen Angebote (z. B. Workshops, Vorträge, Sonderausstellungen) finanziell einträglicher als das Erheben von Eintrittsgeldern.363 Auch bei vielen archäologischen Museen vollzieht sich ein Wandel in der Art der Präsentation. Neben einer zunehmenden Spezialisierung geht der Trend weg von der Präsentation von Einzelobjekten. Im Mittelpunkt steht immer mehr der Mensch, der das jeweilige Objekt benutzt hat. Dabei wird nicht nur der Fund, sondern der Befund als Ganzes dargestellt. Angestrebt wird eine umfassende Darstellung des historischen Hintergrundes.364 Die archäologischen Museen versuchen neue Besuchergruppen zu erschließen. Dazu beziehen sie vermehrt andere Freizeitwerte in ihre Konzepte ein. Es werden neue Marketingkonzepte entwickelt, die neben der Veranstaltung von Events und der Einbeziehung von Gastronomie auch ein vielfältiges Angebot im Museumsshop beinhalten.365 358 Lübbe, Schrumpft die Gegenwart?, 2000, S. 19; BT-Drs. 16/7000, S. 118 (Schlussbericht der Enquete-Kommission »Kultur in Deutschland«). 359 Lübbe, Der Fortschritt und das Museum, 1982, S. 18. 360 Lübbe, Der Fortschritt und das Museum, 1982, S. 13f. 361 Beusing, Archäologie im Schaukasten, 2011, S. 17. 362 Beusing, Archäologie im Schaukasten, 2011, S. 289ff. 363 Beusing, Archäologie im Schaukasten, 2011, S. 290. 364 Aydin, Archäologische Museen zwischen Tradition und Innovation, in: Dröge/Hoffmann (Hrsg.), Museum revisited, 2010, S. 63, 67ff. 365 Aydin, Archäologische Museen zwischen Tradition und Innovation, in: Dröge/Hoffmann (Hrsg.), Museum revisited, 2010, S. 63, 71.
86 c)
Der Wert archäologischer Kulturgüter
Vermarktung im Tourismus
Archäologische Kulturgüter stellen zunehmend einen Anknüpfungspunkt für touristische Angebote dar. So ist im Zusammenhang mit der Himmelsscheibe von Nebra eine touristische Route »Die Himmelswege« entwickelt worden. Dazu gibt es den »Himmelsscheiben-Radweg« und Tourenvorschläge zu Wasser. Selbst ein Schlosshotel Himmelsscheibe und ein Hotel Himmelsscheibe werden vermarktet. Ein anderes Beispiel ist der Archäologische Park Xanten. Hier wurde mit Eröffnung im Jahre 1977 die Ausgrabung einer ganzen römischen Stadt zu einer Art Freizeitpark. Im Jahr besuchen ca. 300.000 Menschen den Park, der damit zu einer wesentlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in der strukturschwachen Region beigetragen hat. Inzwischen hängt jeder vierte Arbeitsplatz in und um Xanten vom archäologischen Park ab.366 Die Archäologie wird hier genutzt, um Besucher in eine Region zu holen, um dann den Tourismus als Wirtschaftsfaktor zu beleben.
V.
Wert aus gesellschaftlicher Sicht – Die identitätsstiftende Wirkung archäologischer Kulturgüter »Die Geschichte ist das Wissen der Menschheit von sich, ihre Selbstgewissheit.«367 »In Wahrheit gehört die Geschichte nicht uns, sondern wir gehören ihr.«368
Kulturgütern wird eine identitätsstiftende Wirkung unterstellt. Die identitätsstiftende Wirkung soll sogar die wichtigste Funktion von Kulturgütern sein.369 Im Folgenden soll geklärt werden, ob archäologische Kulturgüter tatsächlich eine identitätsstiftende Wirkung haben und worin diese besteht.
366 Horn, Archäologisches Reservat und Wirtschaftsfaktor, AiD 2002, Heft 4, S. 32, 34f. 367 Droysen, Grundriss der Historik (1882), in: Leyh (Hrsg.), Droysen – Historik, 1977, S. 413, 444. 368 Gadamer, Wahrheit und Methode, 5. Auflage, 1986, S. 281. 369 Müller, Kulturgüterschutz, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 257, 261; Dolzer, Wirtschaft und Kultur, in: Vitzthum/Poelß (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Auflage, 2013, S. 439, 506.
Wert aus gesellschaftlicher Sicht – Die identitätsstiftende Wirkung
1.
87
Kulturelle Identität
Identität kommt von identita¯s (lat.) und bedeutet damit Einheit. Der Begriff gehört zu den theoretischen Grundbegriffen der Psychologie und Soziologie des 20. Jahrhunderts.370 Im hier verwendeten Sinne vermittelt Identität objektiv die Unverwechselbarkeit der Persönlichkeit und subjektiv das Gefühl, wer man ist.371 Identität stellt eine individuelle soziale Verortung dar, die auf dem Grundbedürfnis nach Anerkennung und Zugehörigkeit beruht.372 Außerdem bildet Identität einen Orientierungsrahmen, um aus zahlreichen möglichen Handlungsoptionen eine auszuwählen.373 Identität drückt sich nicht nur im »Ich«, sondern auch im »Wir« aus. Deshalb setzt sich die Identität aus einer personalen und einer kulturellen Identität zusammen. Dabei bezieht sich die personale Identität auf die Einmaligkeit eines Menschen als Ausdruck einer einzigartigen Biografie.374 Die kulturelle Identität375 wird verstanden als das Bewusstsein, einer bestimmten kollektiven Einheit oder sozialen Lebensgemeinschaft anzugehören, die durch bestimmte Merkmale (wie Kultur, Sprache, Geschichte etc.) gekennzeichnet ist und sich dadurch von anderen Kollektiven unterscheidet.376 Eine kulturelle Identität ist immer ein soziales Konstrukt, dass nur dann und nur in dem Maße existiert, wie sich die Individuen mit der Gruppe identifizieren.377 Kulturelle Identität bedeutet damit Übereinstimmung nach innen und Abgrenzung nach außen.378 Dabei sind Werte zentrale Elemente der Identität. Die individuellen Wertvorstellungen werden mitgeprägt durch die Werte der soziokulturellen Umwelt und dadurch entsteht eine Verklammerung von personaler und kultureller
370 Zur Begriffsgeschichte Straub, Personale und kollektive Identität, in: Assmann, A./Friese (Hrsg.), Identitäten, 2. Auflage, 1999, S. 73ff. 371 Starke-Perschke (Red.), Der Brockhaus – Psychologie, 2001, S. 260. 372 Wenninger (Red.), Lexikon der Psychologie, Band 2, 2001, S. 244. 373 Weidenfeld, Die Identität der Deutschen – Fragen, Positionen, Perspektiven, in: drs. (Hrsg.), Die Identität der Deutschen, 1983, S. 13. 374 Peuckert, Soziale Rolle, in: Kopp/Schäfers (Hrsg.), Grundbegriffe der Soziologie, 10. Auflage, 2010, S. 243, 245. 375 Für den Begriff der kulturellen Identität werden synonym auch soziale oder kollektive Identität verwendet. 376 Hillmann, Wörterbuch der Soziologie, 5. Auflage, 2007, S. 431; Korioth, Europäische und nationale Identität, VVDStRL 62 (2003), S. 117 (118). 377 Assmann, J., Das kulturelle Gedächtnis, 4. Auflage, 2002, S. 132. 378 Das Konstrukt der kollektiven Identität ist nicht ohne Kritik geblieben. So regt etwa Niethammer an, auf den Begriff vollständig zu verzichten, da ihm die Tendenz zum Fundamentalismus und zur Gewalt inhärent sei. Niethammer, Kollektive Identität, 2000, S. 625ff.
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Der Wert archäologischer Kulturgüter
Identität.379 Kulturelle Identität kann daher verstanden werden als die Summe kulturgeprägter Wertenscheidungen, die das Selbstbildnis einer Nation nach innen wie nach außen bestimmen und über lange Zeit gewachsen sind.380 Damit weist die kulturelle Identität, ebenso wie Werte, eine kurz- und mittelfristig relativ hohe Stabilität auf.381 In der modernen, pluralistischen Gesellschaft, die eine Vielzahl an möglichen Handlungsoptionen bietet, ist die Herausbildung einer stabilen persönlichen Identität eine Herausforderung.382 Dabei bildet die kulturelle Identität der Gruppe, in der das Individuum lebt, eine Grundlage für die personale Identität. Letztlich bedingen und beeinflussen sich personale und kulturelle Identität gegenseitig.
2.
Verhältnis von Identität und Geschichte – Das kulturelle Gedächtnis
Identität wird in einem Prozess lebenslanger Entwicklung gebildet. Die Identitätskonstruktion erfordert Verknüpfungsarbeit. Neben inhaltlicher Verknüpfung (Ähnlichkeiten, Differenzen) und lebensweltlicher Verknüpfung (z. B. Arbeit/Freizeit, Mann/Frau, Schüler/Rentner) erfolgt eine zeitliche Verknüpfung.383 Dabei wird u. a. Vergangenes mit Gegenwärtigem und Zukünftigem verknüpft. Es gibt keinen Zukunftsentwurf, der nicht vergangene Erfahrungen enthalten würde.384 Individuen und Gesellschaften identifizieren sich insofern über ihre Geschichte, als dass sie ihre Geschichten »sind«.385 Im Rahmen der kulturellen Identität laufen ähnliche Prozesse ab. Auch hier kommt der Geschichte eine wichtige Rolle zu. Die kulturelle Identität formt sich aus Gedächtnisstoff und Zukunftsprojektion.386 Dabei ist Geschichte ein Konstrukt, das unsere heutige Sicht auf die Vergangenheit spiegelt. Insofern hat die 379 Hillmann, Wertwandel, 2003, S. 55. 380 Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat, 2004, S. 14. 381 Weidenfeld, Die Identität der Deutschen – Fragen, Positionen, Perspektiven, in: drs. (Hrsg.), Die Identität der Deutschen, 1983, S. 13, 18. 382 Glomb, Persönliche Identität, in: Nünning (Hrsg.), Grundbegriffe der Kulturtheorie und Kulturwissenschaften, 2005, S. 72f.; Eickelpasch/Rademacher, Identität, 3. Auflage, 2010, S. 6f. 383 Keup/Ahbe/Gmür/Höfer/Mitzscherlich/Kraus/Strauß, Identitätskonstruktionen, 4. Auflage, 2008, S. 191. 384 Keup/Ahbe/Gmür/Höfer/Mitzscherlich/Kraus/Strauß, Identitätskonstruktionen, 4. Auflage, 2008, S. 190, 193, 195. 385 Umfassend zum Verhältnis von Geschichte und Identität: Angehrn, Geschichte und Identität, 1985, S. 231ff. 386 Weidenfeld, Die Identität der Deutschen – Fragen, Positionen, Perspektiven, in: drs. (Hrsg.), Die Identität der Deutschen, 1983, S. 13, 18.
Wert aus gesellschaftlicher Sicht – Die identitätsstiftende Wirkung
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Geschichte einen generationsgebundenen Charakter.387 Dieser Vergangenheitsbezug der Identität wird als kulturelles Gedächtnis bezeichnet. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Gedächtnis von Gruppen begann zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Grundlegend waren die Arbeiten von Maurice Halbwachs (1877–1945). Er beschäftigte sich mit der Frage, welche kollektiven Bezugspunkte das Gedächtnis hat.388 Mit seiner Annahme der sozialen Bedingtheit von Erinnerung setzte er sich in Widerspruch zu seinem Zeitgenossen Sigmund Freud, der Erinnerung als rein individuellen Vorgang verstand.389 Er entwickelt ein Konzept des kollektiven Gedächtnisses, das zwei Teilaspekte aufweist: – Zum einen die soziale Bedingtheit des individuellen Gedächtnisses und – zum anderen der Bezug auf Vergangenes innerhalb sozialer Gruppen.390 Später greift Jan Assmann (geb. 1938), die teilweise erst nach dem Tod von Halbwachs erschienen Schriften auf. Er erweitert die von Halbwachs untersuchte Beziehung zwischen Gedächtnis und Gruppe um den Pol der Kultur. Dabei unterscheidet er das kommunikative und das kulturelle Gedächtnis. Das auf unmittelbarer Kommunikation beruhende kommunikative Gedächtnis umfasst höchstens einen Zeitrahmen von 80 bis 100 Jahren. Dies ist der zeitliche Horizont, der durch Zeitzeugen beglaubigten Erinnerung.391 Das kulturelle Gedächtnis reicht weit über diesen Zeithorizont hinaus. Es ermöglicht Kontinuität und stellt die Bedingungen dafür zur Verfügung, dass jede Generation auf die Errungenschaften ihrer Vorgänger zugreifen kann. Das kulturelle Gedächtnis ist nach J. Assmann ein kollektiv geteiltes Wissen vorzugsweise über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewusstsein von Einheit und Eigenart stützt.392 Dieses kulturelle Gedächtnis rekonstruiert jede Epoche und jede Gesellschaft mit ihrem gegenwärtigen Bezugsrahmen.393
387 So ausdrücklich auch für die Archäologie: Eggert, Die Vergangenheit im Spiegel der Gegenwart, in: Kusber/Dreyer/Rogge/Hütig (Hrsg.), Historische Kulturwissenschaften, 2010, S. 43, 47. 388 Halbwachs, Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen (1925), deutsche Übersetzung: Geldsetzer, 2. Auflage, 2008. 389 Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, 2. Auflage, 2011, S. 16. 390 Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, 2. Auflage, 2011, S. 17f.; zur Kritik an der Auffassung von Halbwachs: Niethammer, Kollektive Identität, 2000, S. 314ff. 391 Assmann, J., Das kulturelle Gedächtnis, 4. Auflage, 2002, S. 48f. 392 Assmann, J., Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Assmann, J./Hölscher (Hrsg.), Kultur und Gedächtnis, 1988, S. 9, 15; ähnlich mit Bezug auf Kultur als Gedächtnis der Gesellschaft: Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik, 2. Auflage, 2012, S. 42ff. 393 Assmann, J., Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Assmann, J./Hölscher (Hrsg.), Kultur und Gedächtnis, 1988, S. 9, 13.
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Der Wert archäologischer Kulturgüter
kommunikatives Gedächtnis kulturelles Gedächtnis Geschichtserfahrungen im Rahmen mythische Urgeschichte, Ereignisse individueller Biographien in der absoluten Vergangenheit gestiftet, hoher Grad an Geformtheit, Formen informell, wenig geformt, naturzeremonielle Kommunikation, Fest wüchsig, entstehend durch Interaktion, Alltag Medien lebendige Erinnerung in organifeste Objektivationen, traditionelle schen Gedächtnissen, Erfahrungen symbolische Kodierung/Inszenierung und Hören-sagen in Wort, Bild, Tanz usw. Zeit80–100 Jahre, mit der Gegenwart absolute Vergangenheit einer mythistruktur mitwandernder Zeithorizont von schen Urzeit 3–4 Generationen Träger unspezifisch, Zeitzeugen einer spezialisierte Traditionsträger Erinnerungs-gemeinschaft Abb. 6: Gegenüberstellung von kommunikativem und kulturellem Gedächtnis (Assmann, J., Das kulturelle Gedächtnis, 4. Auflage, 2002, S. 56). Inhalt
Innerhalb des kulturellen Gedächtnisses finden, wie im individuellen Gedächtnis, Prozesse des Vergessens und der Aktivierung statt. Dafür unterscheidet Aleida Assmann (geb. 1947) zwischen Funktions- und Speichergedächtnis. Das Funktionsgedächtnis hat vitalen Bezug zur Gegenwart.394 Es ist der »aktivierte« Anteil des kulturellen Gedächtnisses, das die aktuell wahrgenommene bzw. bewusste Vergangenheit darstellt, die als Bezugspunkt der Gegenwart dient. Es hat zentrale Aufgaben, wie die der Identitätskonstruktion. Das Speichergedächtnis bildet den Hintergrund und dient als Reservoir zukünftiger Funktionsgedächtnisse.395 Zwischen beiden Ebenen besteht Durchlässigkeit. Dinge können aus dem Speichergedächtnis in das Funktionsgedächtnis übergehen und umgekehrt. Je höher die Durchlässigkeit ist, umso größer ist die Fähigkeit der Gesellschaft zum kulturellen Wandel.396 Dieser Übergang vom Speichergedächtnis in das Funktionsgedächtnis kann nur durch Kommunikation in der Öffentlichkeit erfolgen. Kommunikation ist die Voraussetzung für den Austausch der Elemente zwischen Speicher- und Funktionsgedächtnis und somit für den kulturellen Wandel. Kulturelles Gedächtnis und kulturelle Identität bedingen einander. Das Bewusstsein, einer Gruppe anzugehören, beruht auf der Teilhabe an gemeinsamem Wissen und Gedächtnis. Die Vermittlung erfolgt über die Verwendung von gemeinsamen Symbolsystemen. Das jeweilige Symbolsystem ist das Medium, das
394 Assmann, A., Erinnerungsräume, 5. Auflage, 2010, S. 134. 395 Assmann, A., Erinnerungsräume, 5. Auflage, 2010, S. 136. 396 Assmann, A./ Assmann, J., Das Gestern im Heute, in: Merten/Schmidt/Weischenberg (Hrsg.), Die Wirklichkeit der Medien, 1994, S. 127.
Wert aus gesellschaftlicher Sicht – Die identitätsstiftende Wirkung
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eine kollektive Identität aufbaut und vor allem über Generationen hinweg aufrechterhält.397 Herkunftsbewusstsein ist damit die Grundlage jeder Identität. Aus dem »Woher« meinen wir auf das »Wohin« schließen zu können. Auf die Zukunft gerichtete Identitätsziele ergeben sich aus den Erfahrungen der Vergangenheit. Der darin dokumentierte Entwicklungsgedanke basiert nicht zu Letzt auf der Vorstellung und Hoffnung, dass die Zukunft in der Vergangenheit angelegt ist. Damit begründet Geschichte Identität. Dies gilt sowohl für das Individuum als auch für die Gruppe.
3.
Bedeutung der archäologischen Kulturgüter für die kulturelle Identität
Im Folgenden ist die Frage zu klären, welche konkrete Rolle archäologische Kulturgüter für das kulturelle Gedächtnis und damit die kulturelle Identität spielen. Die Bedeutung von archäologischen Kulturgütern geht über das kommunikative Gedächtnis hinaus. Das auf unmittelbarer Kommunikation beruhende kommunikative Gedächtnis setzt Zeitzeugen voraus und kann maximal einen Zeitraum von 80 bis 100 Jahren abdecken. Darüber hinaus bedarf die Erinnerung einer kulturellen Formung und institutionalisierten Kommunikation.398 Die Formung erfolgt durch Texte, Riten oder Denkmale und die Kommunikation durch Rezitation, Begehung oder Betrachtung. Dadurch werden Fixpunkte in der Vergangenheit geschaffen, sog. Erinnerungsfiguren.399 Genau um solche Erinnerungsfiguren handelt es sich bei archäologischen Kulturgütern. Durch ihre Formung sind sie materialisierte Geschichte. Die Kraft solcher Materialisierungen beruht darauf, dass sich in ihnen kollektive Erfahrung kristallisiert, deren Sinngehalt sich in der Berührung blitzartig wieder erschließen kann. Damit sind sie in der Lage, das kulturelle Gedächtnis über Jahrtausende zu stabilisieren.400 Die institutionalisierte Kommunikation liegt zum einen bei den Museen, die in ihren Ausstellungen die archäologischen Fundstücke präsentieren. Als Träger und Gedächtnisinstitutionen kommt ihnen die Aufgabe des Bestandsaufbaus, -erhaltung und -pflege zu.401 Zum anderen ist die Kommunikation
397 Assmann, J., Das kulturelle Gedächtnis, 4. Auflage, 2002, S. 139f. 398 Assmann, J., Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Assmann, J./Hölscher (Hrsg.), Kultur und Gedächtnis, 1988, S. 9, 12. 399 Assmann, J., Das kulturelle Gedächtnis, 4. Auflage, 2002, S. 37ff. 400 Assmann, J., Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Assmann, J./Hölscher (Hrsg.), Kultur und Gedächtnis, 1988, S. 9, 12. 401 Dreier/Euler/Fischer/van Raay, Museen, Bibliotheken und Archive in der Europäischen Union, ZUM 2012, S. 273.
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Der Wert archäologischer Kulturgüter
der Wissenschaftler untereinander und in die Gesellschaft hinein über die Deutung und Bedeutung der archäologischen Kulturgüter erforderlich. Als Erinnerungsfiguren erscheinen archäologische Kulturgüter als Heimat und Lebensgeschichte, voller Sinn und Bedeutung für das Selbstbild und die Ziele der jeweiligen Gruppe.402 Archäologische Kulturgüter sind also Teil des kulturellen Gedächtnisses. Sie sind Zeugen von Ereignissen in der absoluten Vergangenheit. In ihrer Gegenständlichkeit haben sie die Fähigkeit lange Zeiträume zu überbrücken. Archäologische Kulturgüter können sowohl Teil des Speichergedächtnisses als auch des Funktionsgedächtnisses sein. Solange Fundstücke sich beispielsweise im Magazin eines Museums befinden, sind sie Teil des Speichergedächtnisses. Das Speichergedächtnis ist nicht weniger wichtig als das Funktionsgedächtnis. Das Speichergedächtnis verfügt über ein großes Beharrungsvermögen, das es weniger anfällig für Manipulationen macht. Es ist ein latentes Reservoir von ungebrauchten Möglichkeiten, Alternativen, Widersprüchen, Relativierungen und kritischen Einsprüchen.403 Das Speichergedächtnis ist eine wichtige Ressource des kulturellen Wandels, in dem es Elemente bietet, an die sich die Phantasie späterer Generationen heften kann und diese ins Funktionsgedächtnis zurückholt.404 Wenn archäologische Kulturgüter aus dem Magazin in die Schausammlung aufgenommen werden, ist die Rezeption durch das breite Publikum möglich. Durch Sonderschauen, die zu bestimmten Jubiläen stattfinden und entsprechend beworben werden, können archäologische Kulturgüter Teil des aktiven Funktionsgedächtnisses werden. Hier finden sich die Ideen von Riegls Denkmalwerttheorie zum Erinnerungswert in anderer Form wieder.405 Das Funktionsgedächtnis ist ein Stück angeeignetes Gedächtnis, das die strukturlosen, unzusammenhängenden Elemente der Vergangenheit in einen Sinnzusammenhang bringt.406 Für diesen Prozess der Konstruktion von Vergangenheit, spielt der Fundzusammenhang eine große Rolle. Er bietet weitere Informationen, die über die reine Kenntnis von der Existenz eines Artefakts hinausgehen. Diese Informationen ermöglichen es, eine umfassende »Ge402 Assmann, J., Das kulturelle Gedächtnis, 4. Auflage, 2002, S. 39. 403 Assmann, A./ Assmann, J., Das Gestern im Heute, in: Merten/Schmidt/Weischenberg (Hrsg.), Die Wirklichkeit der Medien, 1994, S. 114, 127f. 404 Assmann, A./ Assmann, J., Das Gestern im Heute, in: Merten/Schmidt/Weischenberg (Hrsg.), Die Wirklichkeit der Medien, 1994, S. 114, 127. 405 Vgl. D. III. 2. a). 406 Assmann, A./ Assmann, J., Das Gestern im Heute, in: Merten/Schmidt/Weischenberg (Hrsg.), Die Wirklichkeit der Medien, 1994, S. 114, 122f.
Wert aus gesellschaftlicher Sicht – Die identitätsstiftende Wirkung
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schichte« für den Gegenstand zu entwickeln, die die Möglichkeit der Konstruktion von Vergangenheit wesentlich vergrößert. Die Erkenntnisse aus archäologischen Grabungen haben in besonderem Maße das Potential, die Phantasie späterer Generationen anzuregen. Diese Fähigkeit, die Grenze zwischen Speicher- und Funktionsgedächtnis überwinden zu können, ist elementar für die permanente Erneuerung der Kultur. Besteht keine Durchlässigkeit zwischen beidem, so ist das Speichergedächtnis mit seinen Möglichkeiten ausgesperrt und der Wandel ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang kommt dem Museum die Aufgabe zu, kulturelle Informationen in Form der historischen Gegenstände allgemein zugänglich zu machen und dauerhaft zu erhalten.407 Museen sind nicht nur Orte des kulturellen Gedächtnisses, sondern auch »Zukunftswerkstatt«.408 Für archäologische Kulturgüter kommt eine Besonderheit hinzu: Sie können »Erinnerungsanker« in eine Zeit werfen, die sich anders nicht mehr erschließen lässt. Die Archäologie ist die Wissenschaft, die sich auch mit Zeiten beschäftigt, in denen die Schrift als Speichermedium noch nicht zur Verfügung stand. Es handelte sich insoweit um orale Gedächtniskulturen, die durch wenige materiale Stützen, wie Kultgegenstände oder Malereien, unterstützt wurden. Die Techniken zum Memorieren waren so aufwendig und begrenzt, dass es nicht in Frage kam, etwas zu behalten und zu bewahren, das für die Identität der Gruppe nicht gebraucht würde.409 Damit bietet die Archäologie die einzigartige Möglichkeit, in die Identität längst vergangener Gruppen und Kulturen einzutauchen. Beispiel »Himmelsscheibe von Nebra«: Die »Himmelsscheibe von Nebra« hat große mediale Aufmerksamkeit erfahren. Zu der Pressekonferenz am 25. September 2002, auf der die Himmelsscheibe vorgestellt wurde, kamen mehr als 100 Journalisten; zahlreiche Fernsehsender berichteten darüber ; DER SPIEGEL und National Geographic veröffentlichten Titelgeschichten zum Thema. Die erste Präsentation in einer Sonderausstellung vom 14. April bis 1. Mai 2002 zog mehr als 11.000 Menschen ins Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle.410 Die Himmelsscheibe hat die Phantasie der Wissenschaftler und der breiten Öffentlichkeit angeregt, wie kaum ein anderes archäologisches Kulturgut. So soll sie eine grundlegende Neubewertung der vorgeschichtlichen astronomischen Kenntnisse ermöglichen und Einblicke in ein frühbronzezeitliches Weltbild gewähren.411
407 Assmann, A./ Assmann, J., Das Gestern im Heute, in: Merten/Schmidt/Weischenberg (Hrsg.), Die Wirklichkeit der Medien, 1994, S. 127f. 408 BT-Drs. 16/7000, S. 118 (Bericht der Enquete-Kommission Kultur). 409 Assmann, A., Erinnerungsräume, 5. Auflage, 2010, S. 137. 410 Reichenberger, Die Faszination der Himmelsscheibe, in: Meller (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel, 2004, S. 32. 411 Meller, Die Himmelsscheibe von Nebra, in: Meller (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel, 2004, S. 22, 26ff.
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Der Wert archäologischer Kulturgüter
Wenn man das Bild von der Kultur als »Gedächtnis der Gesellschaft«412 aufgreift, so kann man die Kulturgüter zu Recht als »Gedächtnisstützen der Gesellschaft«413 bezeichnen. Das weit zurückliegende Fundament unserer Geschichte liegt allerdings weitgehend im Dunkeln. Nur archäologische Kulturgüter sind in der Lage, einzelne Punkte zu beleuchten. Sie geben Auskunft über das, was wir sind – sei es als Menschen insgesamt oder in unserer regionalen Gesellschaft. Bei aller Subjektivität, die in der Geschichtsschreibung nie ganz zu eliminieren sein wird, bieten archäologische Kulturgüter in ihrer Gegenständlichkeit einen Fixpunkt für die historische Erzählung. Insoweit sind archäologische Kulturgüter materialisierte Geschichte.
412 Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik, 2. Auflage, 2012, S. 42ff. 413 Sommermann, Kultur im Verfassungsstaat, VVDStRL 65 (2006), S. 7, 9.
E.
Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
Bisher waren archäologische Kulturgüter Gegenstand der Bewertung. Welche Werte ihnen innewohnen wurde ermittelt. Im Folgenden sollen die Werte selbst in den Blick genommen werden. Es ist zu klären, ob die ermittelten, primär außerrechtlichen Werte eine rechtliche Relevanz besitzen, ob sie sich »verrechtlichen« lassen. Ist der Staat verpflichtet archäologische Kulturgüter aufgrund ihrer Werte zu schützen? Wie geht man mit rechtlichen Konstellationen um, die den einzelnen Werten in unterschiedlichem Maße entsprechen? Wie kann man Ausgleich schaffen?
I.
Werte in ihrer rechtlichen Bedeutung
Mit der Bedeutung von Werten im Recht hat sich besonders Gustav Radbruch (1878–1949) auseinander gesetzt. In Fortführung der Wertphilosophie definierte er die Rechtsphilosophie als wertende Betrachtung des Rechts.414 Recht konnte seiner Meinung nach nur als Kulturerscheinung begriffen werden. Da es sich beim Recht immer um Menschenwerk handele, sei eine wertblinde Betrachtung des Rechts unmöglich.415 »Recht ist die Wirklichkeit, die den Sinn hat, dem Rechtswerte, der Rechtsidee zu dienen. … Die Idee des Rechts kann nun keine andere sein, als die Gerechtigkeit.«416
Gerechtigkeit beinhaltete für Radbruch Gleichheit, Zweckmäßigkeit und Rechtssicherheit.417 Bis heute spielt die Beziehung zwischen Werten und dem Recht in der Rechtsphilosophie eine zentrale Rolle. Das Recht beruht auf der Idee, dass bestimmte Verhaltensweisen wertvoller sind als andere. Damit liegt jeder Rechts414 415 416 417
Radbruch, Rechtsphilosophie (1932), Dreier/Paulson (Hrsg.), 2. Auflage, 2003, S. 13. Radbruch, Rechtsphilosophie (1932), Dreier/Paulson (Hrsg.), 2. Auflage, 2003, S. 11. Radbruch, Rechtsphilosophie (1932), Dreier/Paulson (Hrsg.), 2. Auflage, 2003, S. 34. Radbruch, Rechtsphilosophie (1932), Dreier/Paulson (Hrsg.), 2. Auflage, 2003, S. 73ff.
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Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
Abb. 7: Gerechtigkeitslehre von Radbruch (Abbildung nach Kaufmann, Problemgeschichte der Rechtsphilosophie, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann (Hrsg.), Einführung in die Rechtsphilosophie, 8. Auflage, 2011, S. 26, 93).
norm eine Wertung zugrunde.418 Die Kriterien der Bewertung sind das, was selbst als Wert zu bezeichnen ist.419 Anders ausgedrückt: Wert ist ein axiologischer Begriff. Axiologische Begriffe sind dadurch gekennzeichnet ist, dass ihr Grundbegriff der des Guten ist.420 Rechtsnormen dagegen sind dentologische Sätze, die ein Gebot, Verbot oder eine Erlaubnis enthalten. Dentologische Sätze sind axiologisch begründet. Das heißt, jede Rechtsnorm enthält eine Wertung des Gesetzgebers.421 Diese Auffassung spiegelt sich auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wider. Seit dem »Lüth-Urteil« stellt es immer wieder fest, dass das Grundgesetz durch den Grundrechtsabschnitt eine objektive Werteordnung aufgerichtet hat und dieses Wertsystem als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt.422 Das Bundesverfassungsgericht spricht auch von Wertentscheidungen der Verfassung.423 An der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurde auch Kritik geäußert.424 Soweit die Kritik darauf abzielt, dass es kein rational begründetes
418 419 420 421
Detjen, Die Werteordnung des Grundgesetzes, 2009, S. 31. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 130. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1994, S. 126. Starck, Zur Notwendigkeit einer Wertbegründung des Rechts, in: FS Geiger, 1989, S. 40, 41; Detjen, Die Werteordnung des Grundgesetzes, 2009, S. 31. 422 BVerfGE 7, S. 198, 205. 423 Z. B. BVerfGE 129, S. 78, 102; BVerfG, NJW 2005, S. 2843; BVerfG, NJW 2013, S. 290. 424 Überblick bei Dreier, Dimensionen der Grundrechte, 1993, S. 12ff.
Überleitung der Werte in Verfassungsrechtsgüter
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Vorzugs- und Abwägungssystem geben kann425, so ist festzustellen, dass das Bundesverfassungsgericht keine starre Hierarchie zwischen den Grundrechten meint, sondern eine einzelfallbezogene Abwägung, die sachgerechte Ergebnisse zulässt. Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Grundrechte neben ihrer subjektiven Abwehrfunktion in die gesamte Rechtsordnung ausstrahlen426, ist in Bezug auf die Einheit der Rechtsordnung schlüssig und verhilft der Verfassung zu tatsächlicher Geltung.
II.
Überleitung der Werte in Verfassungsrechtsgüter
Da das Recht auf Werten gründet, wird im Folgenden geprüft, ob die bisher außerrechtlich ermittelten Werte als geschütztes Interesse Eingang in das Recht gefunden haben. Solche rechtlichen Objektivierungen von Interessen werden als Rechtsgüter bezeichnet.427 Der Begriff des Rechtsguts soll auf Karl Binding (1841–1920) zurückgehen.428 In seiner Definition zum Rechtsgut heißt es: »Sonach ist Rechtsgut Alles, was selbst kein Recht doch in den Augen des Gesetzgebers als Bedingung gesunden Lebens der Rechtsgemeinschaft für diese von Wert ist, an dessen unveränderter und ungestörter Erhaltung sie nach seiner Ansicht ein Interesse hat, und das er deshalb vor unerwünschter Verletzung oder Gefährdung zu sichern bestrebt ist.«429
Rechtsgüter sind also Gegenstand von Schutznormen. Es sind alle tatsächlichen Zustände und Möglichkeiten, die von der Gesellschaft als einer Schaffung oder Erhaltung würdig betrachtet werden.430 Der Schutz von Gütern ist der Zweck des Rechts.431 Wenn die jeweilige schützende Norm Verfassungsrang hat, wird auch (etwas verkürzt) von Verfassungsrechtsgut gesprochen.432 Der Begriff des Verfassungsrechtsgutes umfasst die Grundrechte und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte. Nach dem Bundesverfassungsgericht sind das die verfassungsunmittelbaren Schranken, die auch für vorbehaltlos gewährte 425 426 427 428 429 430 431 432
Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 2. Auflage, 1992, S. 51. BVerfGE 7, S. 198, 205. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Auflage, 1905, S. 43. Schulte, Rechtsgutsbegriff und öffentliches Recht, 1980, S. 80ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/2, 1994, S. 686. Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Band 1, 4. Auflage, 1922, S. 353ff. Unter Bezug auf Binding: Winkler, Kollisionen verfassungsrechtlicher Schutznormen, 2000, S. 31. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Auflage, 1905, S. 43. Winkler, Kollisionen verfassungsrechtlicher Schutznormen, 2000, S. 32f.
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Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
Grundrechte gelten.433 Aus der Formulierung »Rechtsgüter von Verfassungsrang« hat sich der Begriff der »Verfassungsrechtsgüter« herausgebildet,434 der im folgenden Verwendung findet.
1.
Verfassungsrechtliche Relevanz der identitätsstiftenden Wirkung »Es ist der innewohnende Geist und die Geschichte […], von welchen die Verfassungen gemacht worden sind und gemacht werden.«435
Inwieweit ist die im Zusammenhang mit den archäologischen Kulturgütern herausgearbeitete Identitätsstiftung verfassungsrechtlich relevant und lässt sich in einem Verfassungsrechtsgut konkretisieren? a)
Gemeinsame Identität als Voraussetzung für einen Staat
Nach der bis heute gültigen »Drei-Elemente-Lehre« von Georg Jellinek (1851– 1911) setzt das Bestehen eines Staates die drei Elemente Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt voraus.436 Damit ist die Herausbildung eines Staatsvolkes elementare Voraussetzung für die Existenz des Staates. Das Grundgesetz nimmt die drei Staatselemente auf. Das Staatsvolk tritt hier als Legitimationssubjekt der Demokratie in Erscheinung (Art. 20 Abs. 2 GG).437 Damit werden Staatsvolk und Staatsgewalt in der für die Demokratie typischen Weise miteinander verknüpft. Das Staatsvolk wird rechtlich durch das Staatsangehörigkeitsrecht gebildet. Aber das Volk ist vorkonstitutionell schon vorhanden.438 So bringt es auch die Präambel des Grundgesetzes zum Ausdruck, indem es davon spricht, dass »sich
433 Ständige Rspr. seit BVerfGE 28, S. 243, 261; aus jüngster Zeit BVerfG, NJW 2013, S. 1468, 1473; BVerfGE 130, S. 318, 348. 434 Z. B. BVerfGE 83, S. 130, 143; Stern, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 2010, Einl., Rn. 127; Pecher, Verfassungsimmanente Schranken von Grundrechten, 2001, S. 195ff.; Schulte, Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, VVDStRL 65 (2006), S. 111, 120; grundlegend zu den Grundrechten als Rechtsgüterschutz: Ipsen, Der Staat 2013, S. 266, 271ff. 435 Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), in: Werke in 20 Bd., Taschenbuch Wissenschaft, 1986, § 540, S. 336. 436 Jellinek, Allgemeine Staatslehre, (1. Auflage: 1900), 3. Auflage, 1966, S. 394ff. 437 Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage, 2004, § 15, Rn. 24. 438 Grawert, Staatsvolk und Staatsangehörigkeit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage, 2004, § 16, Rn. 3.
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das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben« hat. Ein Staat ist das Ergebnis eines geschichtlichen Evolutionsprozesses, in dem die Identität des Volkes Grundlage der Verfassung ist. Die Verfassung ist darauf angewiesen, an vorhandene Ordnungselemente anzuknüpfen, weil das Volk nicht aus seiner Geschichte herausgenommen werden kann. Die Möglichkeit zur Veränderung erfordert das Anknüpfen an die Geschichte als Handlungsgrundlage.439 Die Verfassung bündelt vorhandene Wertungen in Rechtssätzen, beantwortet Herausforderungen ihrer Zeit an das Recht und entscheidet die Verfassungskonflikte unter vorgefundenen Alternativen. Damit kann eine Verfassung kein »juristischer Urknall« sein.440 Der Rechtsstaat kann über die innere Einheit des Staatsvolkes nicht verfügen, sondern diese kommt nur von unten in einem allgemeinen, offenen Prozess zustande.441 Die freiheitliche Verfassung ist notwendigerweise in besonderem Maße voraussetzungs- und kulturgebunden, da sie durch die Staatsbürger getragen und mit Leben erfüllt werden muss.442 Die Verfassung ist Ausdruck eines kulturellen Entwicklungszustandes, Mittel der kulturellen Selbstdarstellung des Volkes, Spiegel seines kulturellen Erbes und Fundament seiner Hoffnungen.443 Das Entstehen und Fortbestehen des Staates ist also davon abhängig, dass er von den Menschen, die in ihm leben, getragen wird. Von Ernst-Wolfgang Böckenförde (geb. 1930) wurde die fehlende Verfügungsmacht des freiheitlichen Staates über seine eigenen Bestandsvoraussetzungen folgendermaßen formuliert: »Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.«444
439 Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage, 2004, § 15, Rn. 43ff. 440 Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage, 2004, § 21, Rn. 23. 441 Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage, 2004, § 15, Rn. 40. 442 Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat, 2004, S. 16. 443 Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 2. Auflage, 1998, S. 83. 444 Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 60, Hervorhebung im Original.
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Später präzisierte er, dass der freiheitliche Staat ein verbindendes Ethos braucht, das sich aus der gelebten Kultur speist.445 Der Grad der Zustimmung, die der Staat findet, ist eine Frage zahlreicher außerrechtlicher Faktoren.446 Für die Bildung und die Erhaltung des Staatsvolkes ist die kulturelle Identität ein nicht hinwegzudenkender Faktor.447 Die kulturelle Identität erzeugt die Gemeinsamkeit der Menschen innerhalb der Gruppe und die Abgrenzung nach außen. Voraussetzung für das Entstehen, den Erhalt und die ständige Erneuerung der gemeinsamen Identität als Prozess ist der fortlaufende Diskurs innerhalb der Gemeinschaft. Eine pluralistische Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass die zahlreichen Gruppen mit unterschiedlichen Meinungen im politischen Prozess in einem gemeinsamen Diskurs stehen und diesen aufrechterhalten. Dem freiheitlichen Verfassungsstaat genügt die einmalige kulturelle Anknüpfung im Zeitpunkt der Verfassungsgebung nicht. Die gegenwarts-, wie zukunftsbezogene Erneuerung der kulturellen Identität ist die Grundlage für den dauerhaften Bestand des freiheitlichen Verfassungsstaates.448 Nicht der Wille des historischen Verfassungsgebers bewirkt, dass die in der Verfassung niedergeschriebenen Regelungen befolgt werden und der Staat bejaht wird, sondern es kommt darauf an, dass diejenigen, die gegenwärtig unter der Verfassung leben, sie als legitime Ordnung ansehen.449 Die innerhalb der Gesellschaft fortlaufend geführte Diskussion über die Entwicklung des Staates findet seine Verfestigung in Wahlen und dem daraus folgenden Rückbezug des Staates zum Staatsvolk. Die Stabilität und Dauerhaftigkeit der freiheitlichen Verfassungsordnung hängt entscheidend von der Vitalität des geistig-kulturellen Erbes ab.450 Der freiheitliche Verfassungsstaat gewinnt aus seiner Kultur und seinem kulturellen Erbe Stabilität.451 Der freiheitliche Verfassungsstaat hat also um seiner selbst willen ein vitales Interesse daran, seinen Staatsbürgern ein möglichst großes Reservoir an Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Dabei stellt die Kultur und mithin die Ge445 Böckenförde, Freiheit ist ansteckend, Frankfurter Rundschau, 2. 11. 2010, S. 32. 446 Hesse, Verfassung und Verfassungsrecht, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Auflage, 1994, S. 3, 5. 447 Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 293. 448 Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat, 2004, S. 16. 449 Hesse, Verfassung und Verfassungsrecht, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Auflage, 1994, S. 3, 11. 450 Böckenförde, Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes, 1986, S. 31; Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat, 2004, S. 16. 451 Di Fabio, Die Kultur der Freiheit, 2005, S. 71ff., 185ff., 260; Horn, Kulturgüterschutz als, in: Gorning/Horn/Murswiek (Hrsg.), Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte, 2007, S. 121, 134.
Überleitung der Werte in Verfassungsrechtsgüter
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schichte den Bewertungsrahmen für die Auswahl zukünftiger Handlungsoptionen dar. Archäologische Kulturgüter sind als materialisierte Geschichte in diesem Bereich kein verzichtbares Element. Vielmehr sind sie über weite Strecken der Menschheitsgeschichte die einzige Quelle, die Auskunft über die Entwicklung des Menschen geben kann. b)
Der Kulturstaat als Verfassungsrechtsgut
Wenn der freiheitliche Staat schon über das Volk und seine Verfassung untrennbar mit der gelebten Kultur verbunden ist, so fragt sich, welches Verfassungsrechtsgut die Kultur als Ganzes repräsentiert. In diesem Zusammenhang stößt man auf den Begriff des »Kulturstaats«. aa) Der Begriff des Kulturstaates Historisch gesehen stammt der Begriff Kulturstaat wohl von Johann Gottlieb Fichte (1762–1814).452 Dabei verwendet Fichte den Begriff gänzlich anders, als er heute verstanden wird.453 Er betrachtet den Kulturstaat als Gemeinschaft aller Christen, als »christliches Reich« im Sinne einer christlich-kulturellen Einheit,454 und nicht als Staatszielbestimmung. Teilweise wird bei den Interpretationen von Fichtes Begriff der Kulturstaat synonym mit dem Begriff Kulturnation verwendet, bzw. es erfolgt jedenfalls keine trennscharfe Abgrenzung beider Begriffe.455 Die Verwendung des Begriffs Kulturstaat wandelte sich im Laufe der Zeit.456 Ernst Rudolf Huber (1903–1990) entwickelte ein grundlegendes Konzept für die Idee des Kulturstaats unter dem Grundgesetz.457 Für ihn ist der Kulturstaat ein Staat, der sich selbst als Kulturgebilde versteht und verwirklicht: »In dem Staat, der sich als Kulturgebilde weiß und im ständigen Prozess der Selbsterneuerung als Kulturgebilde hervorbringt, offenbart menschliche Kulturgesinnung sich unmittelbar als Staat. Der Kulturstaat ist die Selbstdarstellung der Kultur als Staat.«458
452 Fichte, Johann Gottlieb, Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters, 1806, in: Fichtes Werke herausgegeben von Immanuel Hermann Fichte, Band VII, S. 200. 453 Mit Nachweisen zu einzelnen Autoren Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 23ff. 454 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 123f. 455 Der Begriff Kulturnation wurde in Abgrenzung zur Staatsnation von Meinecke eingeführt. Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat, 1908, S. 9; Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 129, 159. 456 Hierzu umfassend Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 10ff. 457 Huber, Zur Problematik des Kulturstaats (1958), in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Verfassungsrecht, 1982, S. 122ff. 458 Huber, Zur Problematik des Kulturstaats (1958), in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Verfassungsrecht, 1982, S. 122, 142.
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Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
Das Konzept eines Kulturstaats, wie Huber es entwickelt hat, wurde hinsichtlich seines grundsätzlichen Staatsverständnisses, das mit dem anthropozentrischen Grundverständnis des Grundgesetzes nicht vereinbar sei und wegen des zugrunde gelegten elitären Kulturbegriffs in Frage gestellt.459 Trotzdem ist der Begriff des Kulturstaats in der Literatur zum Kulturverfassungsrecht vielfach rezipiert worden.460 Insbesondere Häberle nahm die Kulturstaatlichkeit in den Blick und trug dadurch zur Diskussion innerhalb der Rechtswissenschaft bei.461 Das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff ebenfalls aufgegriffen und verwendet ihn in Übereinstimmung mit der Literatur im Sinne einer Staatszielbestimmung.462 Dabei werden die Pflicht des Staates zu kulturpolitischer Neutralität und die gemeinsame Kulturverantwortung von Staat und Gesellschaft betont.463 bb) Kulturstaat als Staatszielbestimmung Als Staatszielbestimmungen werden Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortlaufende Beachtung oder Erfüllung bestimmter sachlich umschriebener Aufgaben vorschreiben, bezeichnet.464 Damit ist es der politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers überlassen, in welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt er die ihm eingeschärfte Staatsaufgabe durch Gesetz erfüllt.465 Allein aus einer Staatsaufgabe ergibt sich somit kein subjektives Recht des einzelnen Bürgers. Es handelt sich um Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die sich in erster Linie an den Gesetzgeber wenden, aber auch Auslegungsrichtlinie für Exekutive und Rechtsprechung sind.466 Im Grundgesetz selbst findet sich im Wortlaut der Begriff Kulturstaat nicht. 459 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 165ff.; Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 59f. 460 Nachweise bei Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 33ff. 461 Häberle, Vom Kulturstaat zum Kulturverfassungsrecht, in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Verfassungsrecht, 1982, S. 1ff. 462 BVerfGE 36, S. 321, 331; BVerfG, NJW 2005, S. 2843; Grimm, Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, VVDStRL 42, 1984, S. 46, 65ff.; Maihofer, Kulturelle Aufgaben des modernen Staates, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.) Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Auflage, 1994, S. 1201, 1226ff.; Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 280f. 463 Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 5 Abs. 3, Rn. 8. 464 Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 2. Auflage, 1996, § 57, Rn. 115; Badura, Arten der Verfassungsrechtssätze, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VII, 2. Auflage, 1992, § 159, Rn. 15. 465 Scheuner, Staatszielbestimmungen, in: Schnur (Hrsg.), Festschrift für Ernst Forsthoff, 2. Auflage, 1974, S. 325, 335ff. 466 Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Staatszielbestimmungen Gesetzgebungsaufträge, 1983, Rn. 7.
Überleitung der Werte in Verfassungsrechtsgüter
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Daraus lässt sich im Umkehrschluss jedoch nicht ableiten, dass die Bundesrepublik Deutschland kein Kulturstaat sei.467 Die Kultur ist traditionell in der Hoheit der Länder. Im Gegensatz zum Grundgesetz enthalten alle Landesverfassungen mit Ausnahme von Hamburg und Hessen Kulturstaatsklauseln oder es wird formuliert, dass der Staat die Aufgabe hat, die Kultur zu fördern oder zu schützen.468 Die Bayerische Verfassung war die erste Landesverfassung, die den Begriff des »Kulturstaats« aufgenommen hat.469 Allerdings lässt sich nicht genau ermitteln, was die Bayerische Verfassungsgebende Landesversammlung unter Kulturstaat verstanden wissen wollte.470 Das Bundesverfassungsgericht verwendet den Begriff Kulturstaat in Gestalt einiger obiter dicta. Dabei spricht das Bundesverfassungsgericht »vom Staat, der sich als Kulturstaat versteht«.471 Teilweise wird der Kulturstaat ausdrücklich als Staatszielbestimmung bezeichnet.472 Der Umstand, dass sich der Staat des Grundgesetzes als Kulturstaat begreift, ist in der Staatspraxis und der Staatsrechtslehre weitgehend unbestritten.473 Allerdings findet sich in keiner Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine historische oder dogmatische Begründung oder Herleitung des Kulturstaates. Ein Nachweis für den Kulturstaat ist die deutsche Wiedervereinigung. Im Einigungsvertrag findet sich nicht nur ein eigener Artikel zur Kultur, sondern es wird auch ausdrücklich auf den Kulturstaat Bezug genommen: Artikel 35 Kultur474 (1) In den Jahren der Teilung waren Kunst und Kultur – trotz unterschiedlicher Entwicklung der beiden Staaten in Deutschland – eine Grundlage der fortbestehenden Einheit der deutschen Nation. Sie leisten im Prozeß der staatlichen Einheit der Deutschen auf dem Weg zur europäischen Einigung einen eigenständigen und unverzichtbaren Beitrag. Stellung und Ansehen eines vereinten Deutschlands in der Welt hängen außer von seinem politischen Gewicht und seiner wirtschaftlichen Leistungskraft ebenso von seiner Bedeutung als Kulturstaat ab. Vorrangiges Ziel der auswärtigen Kulturpolitik ist der Kulturaustausch auf der Grundlage partnerschaftlicher Zusammenarbeit. (2) Die kulturelle Substanz in dem in Artikel 3 genannten Gebiet darf keinen Schaden nehmen. 467 468 469 470 471 472 473 474
So aber für die Kulturstaatstradition Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 163. Übersicht 1. Art. 3 Abs. 1 S. 1 Bayerische Verfassung vom 2. Dezember 1946. Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 157; Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 79ff. BVerfGE 35, S. 79, 113; BVerfG, NVwZ 2005, S. 315, 316; BVerfGE 127, S. 87, 113. BVerfGE 36, S. 321, 331; BVerfG, NJW 2005, S. 2843. Heckel, Gesammelte Schriften – Band V, Tübingen, 2004, S. 368 m. w. N.; Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Staatszielbestimmungen Gesetzgebungsaufträge, 1983, Rn. 213. Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. 1990 II S. 889).
104
Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
(3) Die Erfüllung der kulturellen Aufgaben einschließlich ihrer Finanzierung ist zu sichern, wobei Schutz und Förderung von Kultur und Kunst den neuen Ländern und Kommunen entsprechend der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes obliegen. …
Dabei stellt Abs. 1 S. 1 eine Umschreibung der Kulturnation Deutschland dar.475 Danach wird auf den Integrationsfaktor der Kultur verwiesen. In Abs. 1 S. 3 wird Deutschland ausdrücklich als Kulturstaat bezeichnet. Gerade in Deutschland spielte die Kultur eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung vom Volk zur Nation.476 Das gemeinsame kulturelle Bewusstsein war der Integrationsfaktor für die deutsche Nation. Vor der Entstehung des deutschen Nationalstaats war Deutschland eine reine »Kulturnation«, die auf gemeinsam erlebtem Kulturbesitz beruhte.477 Insofern ist es nicht verwunderlich, dass im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung ein Verweis auf die die Teilung überdauernde Kulturnation erfolgte. Die immer wieder geführte Debatte um die Einfügung einer Staatszielbestimmung »Kultur« in das Grundgesetz, mündete bisher noch nicht in einer Verfassungsänderung. Obwohl Einigkeit über einen grundsätzlich gegebenen Kulturauftrag des Staates besteht478, sind die Bedenken gegen eine entsprechende Verfassungsänderung vielschichtig. Dies zeigen der Bericht der EnqueteKommission »Kultur in Deutschland«479 und die Beiträge der angehörten Sachverständigen.480 Die kontroverse Diskussion hat eine Ursache in der problematischen Bestimmung des Kulturbegriffs. Dem Argument, dass der Kulturbegriff zu weit sei, um in die Verfassung aufgenommen zu werden, kann ein Vergleich mit dem Umweltschutz entgegengehalten werden. Der Umweltschutz wurde 2002 in Form des Art. 20a GG als »Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen« in das Grundgesetz aufgenommen. Die gewählte Formulierung wird ebenfalls als weit und unbestimmt bezeichnet.481 Trotz anderer Befürchtungen hat der Umweltschutz seitdem keine unangemessene Ausweitung erfahren, die sich auf andere Bereiche nachteilig auswirkt hätte. Ein weiterer Teil der Ablehnung bezüglich des Staatsziels Kultur liegt in der Tatsache begründet, dass die Kulturpflege sich nicht auf den Gesamtstaat beschränkt, sondern seit jeher in besonderer Weise durch die Länder wahrgeMeinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat, 1908, S. 9. Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 15f. Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat, 1908, S. 9. Steiner, Kultur, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Auflage, 2006, § 86, Rn. 1; Heckel, Gesammelte Schriften – Band V, Tübingen, 2004, S. 368. 479 Schlussbericht der Enquete-Kommission »Kultur in Deutschland«, BT-Drs. 16/7000. 480 Die Stellungnahmen der Experten sind zu finden unter : http://webarchiv.bundestag.de/cgi/ show.php?fileToLoad=2384& id=108. 481 Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, 2008, S. 3, 49. 475 476 477 478
Überleitung der Werte in Verfassungsrechtsgüter
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nommen wird. Deshalb nimmt in den Verfassungen der Länder der Bereich der Kultur sehr viel breiteren Raum ein. Insofern werden Bedenken geäußert, dass den Ländern ein zentraler Kompetenzbereich durch den Bund streitig gemacht werden soll.482 Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Begriff Kulturstaat häufig als Schlagwort Verwendung findet, ohne dass genau klar wäre, was damit gemeint ist und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben. So ist der Begriff Kulturstaat nach wie vor in der Staatsrechtslehre nicht unumstritten.483 Das liegt nicht zuletzt in der begrifflichen Unschärfe des Wortes Kultur begründet. Gleichwohl hat er eine programmatische Wirkung, die nicht unterschätzt werden darf. Der Staat soll kulturschöpferisch und kulturfördernd wirksam sein. Insoweit besteht Einigkeit, dass der Kulturstaat die Kultur achten, schützen und pflegen muss.484 Dazu gehört nicht nur die staatliche Förderung der Kultur, sondern auch der Schutz der Kulturgüter. Kulturstaat als Begriff ist natürlich vom Vorverständnis von Kultur abhängig und hat damit eine gewisse Unschärfe. Der Begriff umschreibt heute die Verpflichtung des Staates, nicht nur Teil der Kultur zu sein, sondern auch die Voraussetzungen für deren Erhalt und Weiterentwicklung zu schaffen. Man kann bezüglich der Frage, ob die Kultur ausdrücklich ins Grundgesetz aufgenommen werden sollte, mit guten Gründen der einen oder anderen Ansicht sein. Zwingend ist aus meiner Sicht jedoch, dass die Bundesrepublik Deutschland als Gesamtstaat nach ihrem Selbstverständnis ein Kulturstaat ist. Die Verfassung eines freiheitlich-demokratischen Staates kommt nicht ohne Rückbezug auf sein Staatsvolk und damit dessen Kultur aus. Solange dies das Grundgesetz nicht ausdrücklich normiert, handelt es sich jedenfalls um ein ungeschriebenes Staatsziel im Rahmen Verfassung.
482 Sommermann, Kultur im Verfassungsstaat, VVDStRL 65, 2006, S. 7, 41; Stern, Kulturstaatlichkeit, in: Hufen (Hrsg.), Verfassungen, Festschrift zum 70. Geburtstag für HansPeter Schneider, 2008, S. 111, 118; Evers, Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, NJW 1983, S. 2161, 2163; Magdowski/Scheytt, Ein Schritt vor, zwei zurück?, Kulturpolitische Mitteilungen, Nr. 112 (I/2006), S. 4; Wanka, Die Kulturpolitik der Länder nach der Föderalismusreform, Kulturpolitische Mitteilungen, Nr. 115 (IV/2006), S. 6ff. 483 Scheytt, Kulturstaat Deutschland, 2008, S. 96; Steiner, Kultur, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Auflage, 2006, § 86, Rn. 3 m. w. N. 484 So selbst Geis, der sonst den Kulturstaat als bloße Tautologie bezeichnet; Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 262f.; Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 31.
106 c)
Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
Auswirkungen auf archäologische Kulturgüter – Kulturgüterschutz als Staatsaufgabe
Eine vorgegebene Identität in Form eines allgemeinen Glaubenssystems fehlt in modernen Kollektiven. Interessenskonflikte und die Disziplinierung unerfüllbarer Ansprüche durch steuernde Eingriffe der Politik sind nicht immer aus sich heraus begründbar. Es bedarf dann des Verweises auf eine gemeinsame Lebens- und Gestaltungsgrundlage, also auf Werte.485 Das Gemeinschaftsbewusstsein wird zum wesentlichen Fundament politischer Problemlösung. Für dieses Gemeinschaftsbewusstsein haben Kulturgüter eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Kulturgüter tragen dazu bei, eine Kulturnation zu schaffen und zusammenzuhalten.486 Neben gemeinsamer Sprache und Religion kommt der gemeinsamen Geschichte eine besondere Rolle zu. Archäologische Kulturgüter sind die begreifbaren Überreste und Nachweise dieser Gemeinsamkeit. Staaten brauchen Repräsentationen einer gemeinsamen Kultur und Geschichte. Kulturgüter sind die Gedächtnisstützen der Gesellschaft und halten als solche die Kenntnis und das Bewusstsein des kulturellen Erbes wach.487 Aus dieser Funktion für den Kulturstaat wird eine Staatsaufgabe für den Schutz von (archäologischen) Kulturgütern abgeleitet.488 In der Weimarer Reichsverfassung war in Art. 150 Abs. 1 WRV noch ausdrücklich normiert: Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates.
Solch ein ausdrückliches Bekenntnis fehlt im Grundgesetz. Es findet sich lediglich eine Kompetenznorm des Bundes für den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland in Art. 73 Abs. 1 Nr. 5a GG. Deshalb wird für die Begründung des Kulturgutschutzes als staatliche Aufgabe Rückgriff auf die Kulturstaatlichkeit genommen.489 485 Weidenfeld, Die Identität der Deutschen – Fragen, Positionen, Perspektiven, in: drs. (Hrsg.), Die Identität der Deutschen, 1983, S. 13, 21. 486 Die Problematik der territorialen Zuordnung von Kulturgütern kann hier nur angedeutet werden. Dazu: Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung, 1992; Radloff, Kulturgüterrecht, S. 138ff. 487 Sommermann, Kultur im Verfassungsstaat, VVDStRL 65, 2006, S. 7, 9. 488 Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 282; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 36ff.; Horn, Kulturgüterschutz als Staatsaufgabe, in: Gorning/Horn/Murswiek (Hrsg.), Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte, 2007, S. 121, 131f. 489 Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 608ff.; Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 282; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 36ff.; Horn, Kulturgüterschutz als Staatsaufgabe, in: Gorning/Horn/Murswiek (Hrsg.), Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte, 2007, S. 121, 131f.
Überleitung der Werte in Verfassungsrechtsgüter
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Neben diese weite Staatszielbestimmung treten die sogenannten Denkmalschutzartikel in einigen Landesverfassungen. Die Bundesländer verfügen mit Ausnahme von Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein über solche Denkmalschutzartikel, die den Kulturgüterschutz ausdrücklich zur Staatsaufgabe erklären.490 Das Bundesverfassungsgericht hält den Schutz von Kulturdenkmälern für eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang, das durch die ausdrücklichen Regelungen in den Landesverfassungen verstärkt wird.491 Gerade bei Kulturgütern, die eine Bedeutung über die Grenzen des jeweiligen Bundeslandes hinaus haben, trifft auch den Gesamtstaat eine Verantwortung im Hinblick auf den Schutz dieser Kulturgüter.492 Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Errichtung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz festgestellt.493 Danach hat das Bundesverfassungsgericht aus dem »gesamtdeutschen, national-repräsentativen Charakter« des preußischen Kulturbesitzes gefolgert, dass es sich um eine gesamtdeutsche Aufgabe handelt.
2.
Die verfassungsrechtliche Relevanz des wissenschaftlichen Wertes
a)
Grund der Wissenschaftsfreiheit
Die Wissenschaftsfreiheit hat ihren Ursprung im Humanismus und in der Aufklärung und der damit verbundenen Befreiung des rationalen Denkens.494 Geschützt wird die Kreativität schöpferischen Denkens, das auf die Suche nach Wahrheit gerichtet ist.495 Neben der Betonung der geistigen Freiheit des Einzelnen ist die Wissenschaft gleichzeitig die Grundlage des Fortschritts und Motor der technologischen Entwicklung. Die Wissenschaft ist ein wesentlicher Faktor der sozialökonomischen Wohlfahrt des Gemeinwesens.496 Zum einen schützt Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als Abwehrrecht die Freiheit der Wissenschaft vor staatlichen Eingriffen. Damit soll die Wissenschaft frei von 490 Übersicht 2. 491 BVerfGE 100, S. 226, 241. 492 Maihofer, Kulturelle Aufgaben des modernen Staates, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Auflage, 1994, S. 1201, 1229. 493 BVerfGE 10, S. 20, 41. 494 Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 5 III (Wissenschaft), Rn. 1; Oppermann, Freiheit von Forschung und Lehre, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Auflage, 2007, § 145, Rn. 2. 495 Schulte, Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, VVDStRL 65 (2006), S. 110, 111; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 5 III (Wissenschaft), Rn. 13. 496 Oppermann, Freiheit von Forschung und Lehre, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Auflage, 2007, § 145, Rn. 62.
108
Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
staatlicher Einflussnahme auf Fragestellung, Methode, Materialsammlung, Bewertung und Verbreitung der Ergebnisse gehalten werden.497 Weiterhin ist Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG eine objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm.498 Diese Wertentscheidung beruht auf der Schlüsselfunktion, die einer freien Wissenschaft sowohl für die Selbstverwirklichung des Einzelnen als auch für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung zukommt. Damit verlangt die Wertentscheidung ein Einstehen des Staates, der sich als Kulturstaat versteht, für die Idee einer freien Wissenschaft und seine Mitwirkung an ihrer Verwirklichung. Sie verpflichtet den Staat schützend und fördernd einer Aushöhlung dieser Freiheitsgarantie vorzubeugen. Dies geschieht u. a. dadurch, dass der Staat die Pflege der freien Wissenschaft und ihre Vermittlung an die nachfolgende Generation durch Bereitstellung von personellen, finanziellen und organisatorischen Mitteln ermöglicht und fördert.499 Art. 5 Abs. 3 GG nimmt als wertentscheidende Grundsatznorm eine zentrale Rolle in der Kulturstaatlichkeit ein.500 b)
Begriff der Wissenschaft im Sinne des Grundgesetzes
Die Wissenschaftsfreiheit wird in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützt. Dabei ist der Begriff der Wissenschaft als Oberbegriff zu Forschung und Lehre, die ebenfalls ausdrücklich durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützt werden, zu verstehen.501 Die Wissenschaftsfreiheit erstreckt sich auf alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter und planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist.502 Forschung erfasst jede geistige Tätigkeit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen.503 Die Suche nach Erkenntnis wird beschrieben als Bemühen um Wahrheit.504 Lehre ist die wissenschaftlich fundierte Übermittlung der durch die 497 BVerfGE 35, S. 79, 112; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 5 III (Wissenschaft), Rn. 16. 498 BVerfGE 35, S. 79, 112. 499 BVerfGE 35, S. 79, 114f. 500 Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 5 III (Wissenschaft), Rn. 18; Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 5 Abs. 3 Rn. 7. 501 BVerfGE 35, S. 79, 113; Mager, Freiheit von Forschung und Lehre in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VII, 3. Auflage, 2009, S. 1075, 1079; Fechner, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 2010, Art. 5, Rn. 177; Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Auflage, 1994, § 27, Rn. 2. 502 BVerfGE 35, S. 79, 113. 503 BT-Drs. 5/4335, S. 4; BVerfGE 35, S. 79, 113. 504 Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 5 III (Wissenschaft), Rn. 4; BVerfGE 35, S. 79, 113.
Überleitung der Werte in Verfassungsrechtsgüter
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Forschung gewonnenen Erkenntnisse.505 Die Lehre bezieht sich auf die Forschung als deren Vermittlung. Damit steht die Forschung im Zentrum der Begriffsbestimmung der Wissenschaft.506 Heute ist anerkannt, dass die Freiheitsgewährleistung die individualrechtliche und institutionelle Absicherung der Wissenschaft umfasst.507 Wissenschaft ist ein schöpferischer Vorgang,508 dessen Wesensmerkmal die selbständige Erarbeitung objektiv neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ist.509 Darüber hinaus stellt die Wissenschaft einen offenen sozialen Prozess vielfältiger Kommunikation der Wissenschaftler untereinander und mit der kritischen Öffentlichkeit dar510 und hat damit einen starken Bezug zur Meinungsfreiheit.511 Geschützt sind die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei dem Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe. Die Wissenschaft ist ein von staatlicher Fremdbestimmung freier Bereich persönlicher und autonomer Verantwortung des einzelnen Wissenschaftlers.512 Die Wissenschaftsfreiheit soll den Schutz der Selbststeuerung des sozialen Systems Wissenschaft sicherstellen.513 Daraus ergibt sich, dass der Staat nicht die Befugnis hat, eine bestimmte Wissenschaftsauffassung oder -theorie als richtig festzulegen.514 Die Offenheit des Wissenschaftsbegriffs bedeutet, dass die Kriterien zur Abgrenzung vorläufig und ergebnisoffen sind.515 Als Kriterien für den Wissenschaftsbegriff werden angeführt:516 – Intention und Selbstverständnis des Betreffenden (Eigengesetzlichkeit), – Urteil der »scientific community« – Drittanerkennung einer Tätigkeit als Wissenschaft, – Ziel des Vorgehens als Suche nach Erkenntnis und Wahrheit, 505 BVerfGE 35, S. 79, 113. 506 Losch, Wissenschaftsfreiheit, 1993, S. 104. 507 Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 5 III (Wissenschaft), Rn. 4; mit Darstellung der Entwicklung des Verständnisses zur Freiheitsgewährleistung der Wissenschaftsfreiheit Blankenagel, Wissenschaftsfreiheit aus Sicht der Wissenschaftssoziologie, AöR 1980, S. 35, 40ff. 508 BVerfGE 35, S. 79, 115f. 509 BVerfG, NVwZ 1987, S. 681, 682. 510 Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Auflage, 1994, § 27, Rn. 17; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 5 III (Wissenschaft), Rn. 16. 511 Roellecke, Wissenschaftsfreiheit als institutionelle Garantie?, JZ 1969, S. 726, 727. 512 BVerfGE 35, S. 79, 113. 513 Schlink, Das GG und die Wissenschaftsfreiheit, Der Staat 1971, S. 244, 255. 514 Ruffert, Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, VVDStRL 65 (2006), S. 146, 153. 515 Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 5 III (Wissenschaft), Rn. 21f. 516 Zusammengefasst nach Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 5 III (Wissenschaft), Rn. 21f.
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Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
– Art des Vorgehens, gekennzeichnet durch Planmäßigkeit und Anwendung einer Methode. Die Wissenschaftsfreiheit ist nicht auf den Bereich der Hochschulen beschränkt. Vielmehr kann sich jeder, der wissenschaftlich tätig ist oder werden will, auf die Wissenschaftsfreiheit berufen.517 c)
Archäologie als Wissenschaft im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
Nach den oben aufgeführten Kriterien wird jetzt geprüft, ob die Archäologie diese erfüllt. aa) Intention und Selbstverständnis Die Archäologie versteht sich selbst als die Wissenschaft von den materiellen Zeugnissen vergangener Kulturen.518 Sie hat als Ziel, die Rekonstruktion und Kenntnis der konkreten historischen Welt. Die Archäologie ist heute nach ihrem Selbstverständnis ein Zweig der Geschichtswissenschaft und damit eine historische Kulturwissenschaft,519 die aus einer Vielzahl von Einzelwissenschaften besteht (z. B. prähistorische Archäologie, vorderasiatische Archäologie, klassische Archäologie, Archäologie des Mittelalters). Die Archäologie bedient sich verschiedener Methoden aus anderen Wissenschaftszweigen (meist Naturwissenschaften), so z. B. der Geologie für Schichtfolgen im Boden oder der Radiokohlenstoffmethode zur Altersbestimmung.520 Durch diese Methoden und die Art der Quellen (materielle Hinterlassenschaften) grenzt sich die Archäologie von anderen Zweigen der Geschichtswissenschaft ab. Es gibt Zeitschriften für Archäologie521 und Verbände in denen Archäologen organisiert sind.522 bb) Drittanerkennung Da es sich bei Wissenschaft immer um einen Kommunikationsvorgang handelt, kann nicht allein derjenige, der sich auf die Wissenschaftsfreiheit beruft, dar-
517 518 519 520 521 522
BVerfGE 35, S. 79, 112; 88, S. 129, 136. Renfrew/Bahn, Basiswissen Archäologie, 2009, S. 10. Eggert, Archäologie, 2006, S. 246ff. Samida/Eggert, Archäologie als Naturwissenschaft?, 2013, S. 18ff. Z. B. Antike Welt, Archäologie in Deutschland, European Journal of Archaeology. Z.B. Deutscher Verband für Archäologie, Deutscher Archäologen-Verband e.V., Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte.
Überleitung der Werte in Verfassungsrechtsgüter
111
über entscheiden, ob sein Handeln in den Schutzbereich fällt.523 Insofern stellt Drittanerkennung einen Indikator für die Wissenschaftlichkeit dar.524 Archäologie ist ein ordentliches Studienfach an deutschen Universitäten. Es gibt ca. 64 Bachelor-Studiengänge im Bereich der Archäologie. Die erste ordentliche Professur wurde 1927 an der Universität Marburg eingerichtet. Heute gibt es zahlreiche Professuren für die archäologischen Einzeldisziplinen. Darüber hinaus existiert eine Vielzahl an archäologischen Instituten an Universitäten. Die Anerkennung durch die »scientific community« zeigt sich unter anderem darin, dass bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Fachkollegium »Alte Kulturen« einige archäologische Fächer vertreten sind. Außerdem fördert die DFG zahlreiche archäologische Forschungsvorhaben in den verschiedenen Forschungsformaten. Auch andere öffentliche und private Drittmittelgeber unterstützen archäologische Forschung. In deutschen und international renommierten, disziplinenübergreifenden Zeitschriften525 erscheinen Artikel mit archäologischen Themen.
cc) Ziel des Vorgehens – Geschichte als Konstrukt Als Zweig der Geschichtswissenschaft befasst sich die Archäologie mit den menschlichen Lebensformen, seiner Siedlungstätigkeit, seinen wirtschaftlichen und sozialen Verhaltensweisen und kulturellen Ausdrucksformen.526 Ziel ist es, allgemeine Aussagen über Geschichte zu treffen.527 Trotz des begrenzten Quellenmaterials sollen vergangene Kulturen als Ganzes erfasst werden. Damit versuchen Archäologen, neue Erkenntnisse über die Vergangenheit zu gewinnen. Archäologen streben ein möglichst genaues Abbild der Vergangenheit an. Vor dem Hintergrund, dass die heutige Darstellung von Geschichte immer ein Konstrukt ist, versucht die Archäologie sich der wahren Vergangenheit möglichst stark anzunähern. Dadurch ist schon ein Problemfeld angerissen. Es ist die Frage, inwieweit eine historische Wissenschaft, wie die Archäologie, für sich in Anspruch nehmen kann, die Vergangenheit als historische Wirklichkeit abbilden zu können. 523 Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, 1994, S. 62. 524 Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 5 III (Wissenschaft), Rn. 21. 525 Z.B. Spektrum der Wissenschaft, Science, nature (International weekly journal of science), PNAS (Proceedings of the National Academy of Science of the United States of America). 526 Bielfeldt, Archäologie, in: Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz, 3. Auflage, 2010, S. 864, 865. 527 Sommer, Der ruhmreiche Krieg der Geschichte gegen die Zeit, in: Wolfram/Sommer (Hrsg.), Macht der Vergangenheit, 1993, S. 13, 15.
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Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
Wie Wirklichkeit hervorgebracht (aufgebaut, erzeugt und zusammengesetzt) wird, ist das Kernproblem, mit dem sich der Konstruktivismus auseinandersetzt.528 Dabei ist der Konstruktivismus kein einheitliches Theoriegebäude, sondern ein Diskurs, der aus ganz unterschiedlichen Disziplinen (z. B. Philosophie, Biologie, Physik, Psychologie, Soziologie) heraus geführt wird.529 Ein gemeinsames Leitmotiv des Konstruktivismus ist, dass das Erkannte strikt an den jeweiligen Erkennenden und die ihm eigene Erkenntnisweise gekoppelt wird. Der Konstruktivismus begreift den Beobachter als diejenige Größe, die aus keinem Prozess des Erkennens herausgekürzt werden kann.530 Dieser Denkansatz hat Eingang in die Geschichtstheorie gefunden. Danach kann die Vergangenheit, wie sie tatsächlich war, weder abgebildet, noch rekonstruiert werden.531 Der Konstruktivismus erklärt den Anspruch, man könne eine »historische Realität« material greifen, abbilden oder repräsentieren, als Illusion.532 Die Vergangenheit kann nur aus der heutigen Perspektive (und damit immer wieder aufs Neue) nachvollzogen werden. Hinzu kommt, dass Vergangenheit immer nur lückenhaft überliefert ist. Schon dies erschwert es, die Vergangenheit in ihrer Komplexität als Gesamtheit zu erfassen. Dass Geschichtswissenschaft immer einen hohen Deutungsanteil besitzt, ist keine neue Erkenntnis. Bereits Johann Gustav Droysen (1808–1884) wies auf die fehlende Objektivität der Geschichtsschreibung hin: »Diese kritische Ansicht, daß uns die Vergangenheiten nicht mehr unmittelbar, sondern nur vermittelter Weise vorliegen, daß wir nicht ›objektiv‹ die Vergangenheiten, sondern nur aus ›den Quellen‹ eine Auffassung, eine Anschauung, ein Gegenbild von ihnen herstellen können, daß diese gewinnbaren und gewonnen Auffassungen und Anschauungen alles sind, was uns von der Vergangenheit zu wissen möglich ist, also ›die Geschichte‹ nicht eigentlich und realistisch, sondern nur so vermittelt, so erforscht und so gewusst da ist – das muß, so scheint es, der Ausgangspunkt sein, wenn man aufhören will, in der Historie zu naturalisieren.«533
Die Archäologie befasst sich nicht nur mit dem Auffinden materieller Hinterlassenschaften vergangener Kulturen, sondern auch mit deren Interpretation. Das entspricht dem Selbstverständnis der Archäologie als historischer Kultur528 Pörksen, Eine Einführung, in: drs. (Hrsg.), Schlüsselwerke des Konstruktivismus, 2011, S. 13, 15. 529 Schmidt, Die Wirklichkeit des Beobachters, in: Merten/Schmidt/Weischenberg (Hrsg.), Die Wirklichkeit der Medien, 1994, S. 3, 4. 530 Pörksen, Eine Einführung, in: drs. (Hrsg.), Schlüsselwerke des Konstruktivismus, 2011, S. 13, 23. 531 Goertz, Was können wir von der Vergangenheit wissen?, GWU 2009, S. 692, 697. 532 Welskopp, Erklären, begründen, theoretisch begreifen, in: Goertz (Hrsg.), Geschichte, 3. Auflage, 2007, S. 137, 171. 533 Droysen, Grundriss der Historik (1882), in: Leyh (Hrsg.), Droysen – Historik, 1977, S. 413, 484.
Überleitung der Werte in Verfassungsrechtsgüter
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wissenschaft.534 Dabei ist die Archäologie durch eine eingeschränkte Quellenbasis gekennzeichnet. Außerdem ist häufig schon die Datierung der Funde schwierig und unsicher. Trotz des Einzugs naturwissenschaftlicher Methoden zur Altersbestimmung in die Archäologie sind nach wie vor die Typologie und die Stratigrafie als Methoden der relativen Datierung, die häufigsten Techniken zur Altersbestimmung.535 Dazu kommt, dass der Fundzusammenhang und die daraus gewonnenen Erkenntnisse heute für die Archäologen von größter Wichtigkeit sind und die besten Erkenntnismöglichkeiten über Kulturen als Ganzes liefern.536 Kennzeichnend für den Fundzusammenhang ist, dass die aufgezeichneten Daten der Interpretation bedürfen. Der Fund in seinem Fundzusammenhang hat durchaus einen objektiven Charakter.537 Archäologische Quellen haben im Vergleich zu schriftlichen Quellen einige Vorteile: Im Gegensatz zu schriftlichen Quellen sind sie in der Regel nicht bereits durch die subjektive Sicht desjenigen, der etwas verschriftlicht hat beeinflusst. Zudem beleuchten sie nicht nur das Leben hervorgehobener Individuen und Gruppen, sondern ebenso den Alltag.538 Jedes Anwenden einer Methode, jedes Interpretieren oder Rekonstruieren ist dagegen potentiell dem Irrtum unterworfen. Schon bei der Ausgrabung muss der Archäologe entscheiden, welches der vielen Details, die er im ungestörten Fundkontext vorfindet, er aufzeichnet. Dabei ist er natürlich in der aktuell vorherrschenden Ausgrabungspraxis verhaftet. Schon hier ist der subjektive Einfluss durch den jeweiligen Wissenschaftler erkennbar.539 Die historische Erkenntnis ist keine autonome Größe, die aus der Quelle geschöpft wird, sondern es wird wesentlich auf der Grundlage externer Gegebenheiten konstituiert und entsprechend gedeutet.540 Zum Entwerfen von Fiktionen des Vergangenen gibt es gar keine Alternative, da sich uns die Vergangenheit als solche irreversibel entzogen hat.541 Deshalb ist dieser Teil der archäologischen Forschung, der über das reine Auffinden der Befunde hinausgeht, nicht unwissenschaftlich, solange und soweit dem eine gewisse Plausibilität zu Grunde liegt. Wenn von Geschichte als Kon534 Eggert/Samida, Ur- und frühgeschichtliche Archäologie, 2009, S. 7. 535 Eggert/Samida, Ur- und frühgeschichtliche Archäologie, 2009, S. 63. 536 Andraschko, Ur- und Frühgeschichte/Archäologie, in: Goertz (Hrsg.), Geschichte, 3. Auflage, 2007, S. 383, 386. 537 Zum Aussagepotenzial nichtschriftlicher Quellen: Eggert, Über archäologische Quellen, in: Burmeister/Müller-Scheeßel (Hrsg.), Fluchtpunkt Geschichte, 2011, S. 23–44. 538 Trier, Archäologie, in: Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz, 3. Auflage, 2010, S. 848, 849. 539 Eggert, Between Facts and Fiction, in: Augstein/Samida (Hrsg.), Retrospektive, 2011, S. 285, 289. 540 Eggert, Die Vergangenheit im Spiegel der Gegenwart, in: Kusber/Dreyer/Rogge/Hütig (Hrsg.), Historische Kulturwissenschaften, 2010, S. 43, 47. 541 Welskopp, Erklären, begründen, theoretisch begreifen, in: Goertz (Hrsg.), Geschichte, 3. Auflage, 2007, S. 137, 171.
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Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
strukt die Rede ist, so bedeutet das nicht, dass die historische Erkenntnis der Beliebigkeit ausgeliefert wäre. Vielmehr ist es erforderlich, dass das Bild, das von der Vergangenheit entworfen wird, argumentativ vertreten und im problemorientierten Gespräch immer wieder hinterfragt wird.542 Dabei spielt die Kommunikation der Wissenschaftler untereinander und in die Gesellschaft hinein eine entscheidende Rolle. Andernfalls besteht die Gefahr, dass auch Erkenntnisse der Archäologie für ideologische Zwecke missbraucht werden, wie dies in der Zeit des Nationalsozialismus der Fall war. Bei der Geschichte geht es um menschliche Vergangenheit, und an der Darstellung ihrer Vergangenheit haben Menschen ein Interesse, da darüber individuelle und kollektive Identitäten konstruiert werden.543 So lange man sich der Grenzen der historischen Erkenntnis bewusst ist und sich im Klaren ist, dass Wissen von der Vergangenheit immer problematisiertes, umstrittenes Wissen ist544, hat die Erzählung und Rezeption von Geschichte in der Gegenwart ihre Berechtigung. Letztlich geht es bei Wissenschaft nicht darum, dass die Ergebnisse die endgültige Wahrheit sind, sondern um das Bemühen um Wahrheit als »etwas nicht ganz Gefundenes und nie ganz Aufzufindendes.«545 dd) Art des Vorgehens Die Erkenntnissuche muss auf einem rational begründbaren Weg erfolgen. Kriterien dafür sind die Beachtung der Grundregel der Logik und die Nachvollziehbarkeit des Gedankengangs bzw. Experiments.546 Die Methoden unterscheiden sich je nach Fachdisziplin und sind typisch für den jeweiligen Wissenschaftszweig.547 Für die Archäologie bedeutet dies, dass es für die Wissenschaftlichkeit erforderlich ist, dass Ausgrabungen nicht willkürlich vorgenommen werden, sondern dort erfolgen, wo Prospektionsmethoden auf mögliche Funde hinweisen.548 Ebenso hat die Dokumentation, die Aufbereitung, die Konservierung, die 542 Lorenz, Historisches Wissen und historische Wirklichkeit, in: Schröter/Eddelbüttel, Konstruktion von Wirklichkeit, 2004, S. 65, 89. 543 Lorenz, Historisches Wissen und historische Wirklichkeit, in: Schröter/Eddelbüttel, Konstruktion von Wirklichkeit, 2004, S. 65, 90. 544 Goertz, Was können wir von der Vergangenheit wissen?, GWU 2009, S. 692, 706. 545 Humboldt, Über die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin (1810), in: Anrich (Hrsg.), Die Idee der deutschen Universität, 1956, S. 375, 379; darauf nimmt das Bundesverfassungsgericht Bezug in: BVerfGE 35, S. 79, 113. 546 Alber-Malchow/Steigleder, Definitionen der Begriffe Wissenschaft und Forschung, in: Wagner (Hrsg.), Rechtliche Rahmenbedingungen für Wissenschaft und Forschung, Band 1, 2000, S. 23, 28. 547 Krüger, Forschung, in: Flämig u. a. (Hrsg.), Handbuch des Wissenschaftsrechts, Band 1, 2. Auflage, 1996, S. 261, 262. 548 Renfrew/Bahn, Basiswissen Archäologie, 2009, S. 59ff.
Überleitung der Werte in Verfassungsrechtsgüter
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Aufbewahrung und weitere Auswertung der Funde nach bestimmten Methoden zu erfolgen, die für die Archäologie prägend sind.549 Durch die Methoden, die häufig auf naturwissenschaftliches Vorgehen zurückgreifen und diese auf historische Sachverhalten anwendbar machen (z. B. bei der Altersbestimmung), unterscheidet sich die Archäologie von anderen historischen Wissenschaften. Auch in der Archäologie findet ein ständiger Diskurs über Ergebnisse statt. Zum Beispiel werden auf Tagungen und in der Fachliteratur neue Erkenntnisse in Bezug zum bisherigen Stand der Forschung gesetzt und Auseinandersetzungen mit Gegenpositionen geführt. Um sich auf die Wissenschaftsfreiheit berufen zu können, ist ein gewisser Kenntnisstand, der in der Regel auf einem wissenschaftlichen Studium beruht, zu erforderlich.550 Für die wissenschaftliche Forschung an archäologischen Kulturgütern ist also in der Regel ein Studium der Archäologie oder eines eng verwandten Studienfachs erforderlich. d)
Auswirkungen auf archäologische Kulturgüter
Die Forschung im Bereich Archäologie fällt damit unter den Wissenschaftsbegriff von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, wenn die oben näher ausgeführten Kriterien erfüllt sind. Das bedeutet nicht, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG das archäologische Kulturgut als solches schützt. Das Grundgesetz schützt hier vielmehr die Erforschung und damit Erkenntnismöglichkeit, die archäologische Kulturgüter bieten. Davon ist sowohl die Entdeckung bisher unbekannter archäologischer Kulturgüter, als auch die Auswertung der gesammelten Daten oder die folgenden Untersuchungen an den Kulturgütern umfasst. Da der Fundzusammenhang eine wesentliche Quelle für die wissenschaftliche Erkenntnismöglichkeit ist,551 stellt dieser eine wichtige Grundlage für die wissenschaftliche Arbeit dar. Bei Grabungen können auch Zufallsfunde gemacht werden, mit denen bei der Planung nicht zu rechnen war. Diese sind ebenfalls vom Wissenschaftsbegriff umfasst.552 Dazu gehört auch die anschließende Auswertung mit der Methodik, die die Archäologie zur Verfügung stellt. Durch das Grundgesetz geschützt sind alle eigenverantwortlichen Tätigkeiten bei der Erforschung archäologischer Kulturgüter, wenn alle Kriterien der Wissenschaftlichkeit erfüllt werden.
549 550 551 552
Siehe B. III. 2. Fechner, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 2010, Art. 5, Rn. 179. Siehe B. III. 2. So zum »Spontaneinfall« Losch, Wissenschaftsfreiheit, 1993, S. 105.
116 3.
Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
Die verfassungsrechtliche Relevanz des ökonomischen Wertes
Archäologische Kulturgüter haben einen Nutzen, da sie Bedürfnisse befriedigen. Darüber hinaus haben sie als Handelsgüter einen ökonomischen Wert.553 Zu klären ist, ob dieser ökonomische Wert durch die Verfassung geschützt wird. a)
Grund der Eigentumsfreiheit
In Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG schützt die Verfassung das Eigentum. Damit ist das Privateigentum als Rechtsinstitut und das subjektive Recht des einzelnen Eigentümers gewährleistet.554 Geschützt wird die Herrschafts- und Nutzungsbefugnis an einem konkreten Gegenstand.555 Die Garantie des Eigentums steht in einem engen inneren Zusammenhang mit der Garantie der persönlichen Freiheit.556 Der Zweck und die Funktion der Eigentumsgarantie ergeben sich unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung im Gesamtgefüge der Verfassung. Sie soll dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich erhalten und dem Einzelnen damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Lebensgestaltung ermöglichen.557 Die Eigentumsfreiheit stellt eine besondere Gewährleistungsform der Privatautonomie dar und hat damit eine prägende soziale Machtverteilungs- und Gewaltenteilungsfunktion.558 Die normative Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums muss der Gesetzgeber auf die Herstellung von Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis ausrichten.559 Die Eigentumsfreiheit nach dem Grundgesetz ist in erster Linie gegenstandsbezogen und auf eine konkrete Bestands- und Nutzungsgarantie ausgerichtet.560 Ein umfassender Vermögensschutz im Sinne eines (Tausch-)Wertschutzes kann aus Art. 14 GG nicht abgeleitet werden.561
553 D. IV. 554 BVerfGE 24, S. 367, 389; 26, S. 215, 22; 50, S. 290, 339; Papier, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 14 Rn. 1. 555 Papier, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 14, Rn. 101. 556 Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 14 Rn. 25; Böhmer, Grundfragen der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums, NJW 1988, S. 2561, 2563. 557 BVerfGE 24, S. 367, 389; 31, S. 229, 239; 36, S. 281, 290; 51, S. 193, 217. 558 Papier, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 14, Rn. 4. 559 Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 14, Rn. 24. 560 Papier, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 14, Rn. 10. 561 Papier, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 14, Rn. 42 und 160ff.; Böhmer, Grundfragen der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums, NJW 1988, S. 2561, 2563.
Überleitung der Werte in Verfassungsrechtsgüter
b)
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Auswirkungen auf archäologische Kulturgüter
Die Eigentumsfreiheit ist stark gegenstandsbezogen. Es wird deutlich, dass Art. 14 GG nicht den Marktpreis (Tauschwert) schützt, sondern vielmehr die Verfügungsfreiheit über archäologische Gegenstände und die Möglichkeit der Nutzung. Insoweit besteht Übereinstimmung mit dem Wertbegriff in der Volkswirtschaft. Auch hier wird der Wert nicht mit dem Marktpreis gleichgesetzt.562 Dadurch, dass archäologische Kulturgüter Bedürfnisse befriedigen, haben sie einen Nutzen. Das zeigt sich auch an ihrer weitergehenden Kommerzialisierung. Ebenso schützt Art. 14 GG grundsätzlich die Verfügungsfreiheit des Eigentümers und damit die Handelbarkeit. Bei der Eintragung in die Liste national wertvollen Kulturgutes und der damit verbundenen Einschränkung der Handelbarkeit (§ 1 Abs. 4 KultgSchG) handelt es sich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.563 Dabei ist die Sozialbindung von Kulturgütern zu berücksichtigen (Art. 14 Abs. 2 GG). Kulturgüter werden vom KultgSchG in ihrer sozialen Funktion erfasst, da sie nur dann eingetragen werden, wenn sie national wertvoll sind. Damit dient der Schutz gegen deren Abwanderung dem öffentlichen Interesse am Verbleib herausragender deutscher Kulturgüter in Deutschland. Die Ausfuhrgenehmigung wird nur versagt, wenn bei Abwägung der Umstände des Einzelfalles wesentliche Belange des deutschen Kulturbesitzes überwiegen (§ 1 Abs. 4 S. 3 KultgSchG). Damit wird die wirtschaftliche Nutzbarkeit zwar eingeschränkt, dem trägt jedoch die Rechtsordnung Rechnung, in dem bei wirtschaftlicher Notlage bei Versagung der Ausfuhrgenehmigung ein Ausgleich gewährt werden soll (§ 8 KultgSchG). Außerdem sind Steuervergünstigungen zu gewähren (§ 1 Abs. 3 KultgSchG). Somit werden die öffentlichen und privaten Interessen in einen angemessenen Ausgleich gebracht und die Inhalts- und Schrankenbestimmung ist verhältnismäßig.564 Eine Wertminderung, die durch die Eintragung eintritt, wird dagegen nicht von Art. 14 GG erfasst. Die Eigentumsfreiheit hat keinen Bezug zum Fundzusammenhang, da dieser nicht gegenständlich ist, sondern nur in den Beziehungen der Funde zueinander und der Umgebung besteht.
562 D. IV. 3. 563 BVerwG, NJW 1993, S. 3280, 3281. 564 Umstritten für Mitnahmeverbote bei Wegzug ins Ausland, vgl. Radloff, Kulturgüterrecht, 2013, S. 425ff.
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Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
III.
Kollision von Verfassungsrechtsgütern am Beispiel archäologischer Kulturgüter
1.
Kollidierende Verfassungsrechtsgüter
Dadurch, dass verschiedene Verfassungsrechtsgüter an archäologische Kulturgüter anknüpfen, können Konflikte entstehen. Der Schutz archäologischer Kulturgüter, der auf dem Kulturstaatsprinzip fußt, kann mit der eher auf den Schutz des Individuums ausgerichteten Wissenschafts- oder Eigentumsfreiheit in Kollision geraten. Der Widerstreit entsteht zwischen der Staatsaufgabe auf der einen und den Abwehrrechten auf der anderen Seite. Denkbar ist auch, dass die Abwehrrechte untereinander in Konflikt geraten. Im Folgenden wird anhand konkreter Fallkonstellationen, die speziell bei archäologischen Kulturgütern auftreten, ermittelt, welche Konflikte zwischen den relevanten Verfassungsrechtsgütern auftreten und wie der Konflikt zu lösen ist. Die Frage nach der Auflösung einer Kollision von Verfassungsrechtsgütern ist eine Grundfrage des Verfassungsrechts. Letztlich geht es um die verfassungsrechtliche Konfliktlösung bei gegenläufigen Interessen. Hier kommt es zu der besonderen Situation, dass hier sehr unterschiedlich ausgeformte Verfassungsrechtsgüter aufeinandertreffen: – eine ungeschriebene Staatszielbestimmung (Kulturstaat), – ein normgeprägtes Grundrecht (Eigentumsfreiheit) und – ein vorbehaltloses Grundrecht (Wissenschaftsfreiheit).
2.
Praktische Beispiele
Die folgenden Beispiele wurden danach ausgewählt, dass sie gerade für archäologische Kulturgüter spezifische Konstellationen und Besonderheiten aufweisen und die herausgearbeiteten Verfassungsrechtsgüter miteinander in Konflikt treten. Anhand dieser Beispiele soll das Verhältnis der verschiedenen Verfassungsrechtsgüter näher beleuchtet werden. a)
Das Schatzregal
aa) Begriff und Geschichte Beim Schatzregal handelt es sich um eine dem alten Regalienrecht entstammende Regelung, die das Eigentum an herrenlosem, beweglichem Kulturgut mit seiner Entdeckung dem jeweiligen Bundesland ohne weiteren Übertragungsakt
Kollision von Verfassungsrechtsgütern am Beispiel archäologischer Kulturgüter
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zuweist. Die Regelungen sind in den Denkmalschutzgesetzen der Länder enthalten.565 Bis auf Bayern haben inzwischen alle Bundesländer das Schatzregal in ihr Denkmalschutzgesetz aufgenommen. Zuletzt wurde ein Schatzregal in Hessen im Jahr 2011 und in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2013 eingeführt. Damit gibt es in Deutschland zwei Modelle für die eigentumsrechtliche Zuordnung von Schatzfunden: Zum einen existiert die im BGB vorgesehene Hadrianische Teilung (§ 984 BGB), die dem Finder und dem Eigentümer der Sache, in der der Fund verborgen war, jeweils die Hälfte des Eigentums zuweist. Die Hadrianische Teilung stammt aus dem römischen Recht und wurde sprachlich leicht abgewandelt in § 984 BGB übernommen. Zum anderen wird diese Reglung in allen Bundesländern außer Bayern durch das Schatzregal überlagert. Das Schatzregal wird auf den Sachsenspiegel (1221– 1224) zurückgeführt, in dem es heißt: »Jeder Schatz, der tiefer in der Erde vergraben ist, als ein Pflug geht, gehört in die Verfügungsgewalt des Königs.«566 Regalien sind ursprünglich dem König, später dem Staat zustehende Hoheitsrechte.567 Beide Regelungen haben also eine lange Geschichte. Schon bei den Beratungen zum BGB war umstritten, ob mit der Einführung der Hadrianischen Teilung dem bereits anerkannten öffentlichen Interesse an der Erhaltung und Sicherung von Altertumsfunden ausreichend Rechnung getragen wird.568 bb) Ausgestaltung des Schatzregals in den Denkmalschutzgesetzen Die Regelungen zum Schatzregal in den einzelnen Bundesländern sind bei näherer Betrachtung sehr stark ausdifferenziert.569 In der Literatur werden Kategorien gebildet und es wird unterschieden zwischen dem »kleinen«, dem »großen« und dem »umfassenden Schatzregal«.570 Beim »kleinen Schatzregal« ist für den Eigentumserwerb des Landes entscheidend, dass der Fund bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten571 erfolgte. Nachdem Niedersachsen jetzt ein »großes Schatzre-
565 Übersicht 3. 566 Übertragung ins Hochdeutsche von Schmidt-Wiegand, in: Schott (Hrsg.), Eike von Repgow – Der Sachsenspiegel, 3. Auflage, 1996, S. 35, 65. 567 Fischer zu Cramburg, Das Schatzregal, 2001, S. 39. 568 Schroeder, Grundgesetz und Schatzregal, JZ 1989, 676, 677. 569 Übersicht über die jeweiligen Regelungen des Schatzregals in den einzelnen Bundesländern: Übersicht 3. 570 Lehmann, Das Schatzregal, in: Horn/Kier/Kunow/Trier (Hrsg.), Archäologie und Recht, 1991, S. 73, 82, Anm. 2; Sautter, Teil I., VII. Fundrecht, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz, 3. Auflage, 2010, S. 919, 920; Fischer zu Cramburg, Das Schatzregal, 2001, S. 151; Koch, Schatzsuche, Archäologie und Strafrecht, NJW 2006, 557, 558. 571 Vormals in Niedersachsen.
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Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
gal« normiert hat, existiert das »kleine Schatzregal« derzeit in keinem Bundesland. Für das »große Schatzregal« wird auf die Bedeutung des Fundes abgestellt. Zumeist wird ein hervorragender wissenschaftlicher Wert gefordert.572 Teilweise wird auf einen Wert für die wissenschaftliche Forschung573, die besondere wissenschaftliche Bedeutung574 oder den wissenschaftlichen Wert575 abgestellt. Das »umfassende Schatzregal« erfasst alle Funde, unabhängig von ihrer Bedeutung und den Fundumständen.576 Was genau vom Schatzregal erfasst wird, unterscheidet sich ebenfalls von Bundesland zu Bundesland. Häufig werden bewegliche Kulturdenkmale577 oder bewegliche Denkmale578 benannt. Außerdem werden die Begrifflichkeiten (teilweise kumulativ) bewegliche Bodendenkmale579 und Funde580 verwendet. Da Kulturdenkmale wiederum je nach Bundesland unterschiedlich definiert werden, differenziert sich das Bild der erfassten Gegenstände noch weiter aus. Keine Abweichung ergibt sich aus dem Umstand, dass einige Bundesländer ausdrücklich nur bewegliche Sachen erfassen, andere wiederum diese Einschränkung nicht vornehmen. Die Schatzregale knüpfen an § 984 BGB an, der nach seiner systematischen Stellung nur bewegliche Sachen erfasst.581 Zum anderen haben unbewegliche Sachen als wesentliche Bestandteile des jeweiligen Grundstücks (§ 94 BGB) einen bekannten Eigentümer, nämlich den des Grundstücks. Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen. Eine feste Verbindung liegt vor, wenn eine Trennung zur Beschädigung oder Änderung des Wesens der verbundenen Sache führen würde oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre.582 So wäre eine bei Ausgrabungen entdeckte Burgwallanlage ein wesentlicher Bestandteil des zugehörigen Grundstücks. Das Schatzregal würde in diesem Fall nicht greifen und der Eigentümer des Grundstücks wäre auch der
572 Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen. 573 Brandenburg. 574 Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz. 575 Saarland. 576 Berlin, Sachsen, Hamburg. 577 Baden-Württemberg, Bremen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen. 578 Brandenburg, Hamburg (nur wenn es im Boden vorborgen gewesen ist), MecklenburgVorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen. 579 Berlin, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen. 580 Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland. 581 Oechsler, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), MüKo, Band 6, 6. Auflage, 2013, § 958, Rn. 2. 582 Stresemann, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1, 6. Auflage, 2012, § 94, Rn. 4.
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Eigentümer der Burgwallanlage. Historische Grenzsteine dagegen werden nicht als wesentliche Bestandteile angesehen.583 Alle Schatzregale erfassen Objekte, die so lange verborgen waren, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist. Darüber hinaus werden außer in Berlin und Hamburg herrenlose Sachen in den Regelungsbereich einbezogen. Herrenlos sind Sachen an denen kein Eigentum besteht.584 Für Berlin und Hamburg gilt nach dem Wortlaut, dass nur solche Objekte erfasst werden, bei denen ein Eigentümer existent ist, dieser aber nicht zu ermitteln ist. Nach dem Wortlaut werden hier also nicht Objekte erfasst, die keinen Eigentümer (mehr) haben. Damit stellt sich hier die parallele Problematik, wie bei der Abgrenzung von § 984 BGB (für den Schatzfund) und § 958 BGB (Aneignung herrenloser Sachen). Hier würde im Falle der Existenz eines Eigentümers (und dessen Nichtermittelbarkeit) § 984 BGB zur Anwendung kommen. Ist dagegen kein Eigentümer vorhanden, würde § 958 BGB eingreifen. Für die ratio legis des § 984 BGB ist die Existenz eines Eigentümers ohne Bedeutung. Vielmehr zielt § 984 BGB darauf ab, Gegenstände, die lange verborgen waren, dem Rechtsverkehr wieder zuzuführen.585 Insoweit besteht Einigkeit, dass § 984 BGB (analog) auf herrenlose Sachen angewendet wird.586 Auch für die Schatzregale in Berlin und Hamburg ist nach der ratio der Vorschrift davon auszugehen, dass herrenlose Sachen ebenfalls erfasst werden. So vielfältig wie die Tatbestandsmerkmale sind auch die Rechtsfolgen der Schatzregale. Gemeinsam ist allen Vorschriften der Eigentumserwerb durch das jeweilige Bundesland im Moment der Entdeckung. Allerdings erlischt dieses Eigentum in zwei Bundesländern, wenn nicht innerhalb von drei Monaten die Denkmalschutzbehörde erklärt, das Eigentum behalten zu wollen.587 Ebenso unterschiedlich ist die Frage einer Belohnung geregelt. Einige Bundesländer gewähren eine angemessene Belohnung588, die teilweise noch an weitere Voraussetzungen und unterschiedliche Bemessungsgrundlagen geknüpft ist.
583 Stresemann, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1, 6. Auflage, 2012, § 94, Rn. 15. 584 Oechsler, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), MüKo, Band 6, 6. Auflage, 2013, § 958, Rn. 3. 585 So bereits unter Verweis auf die Motive: Pappenheim, Eigenthumserwerb an Alterthumsfunden, in: Regelsberger/Ehrenberg (Hrsg.), Jherings Jahrbücher, Band 45, 1903, S. 141, 142ff. 586 Bassenge, in: Palandt (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Auflage, 2014, § 984, Rn. 1; Oechsler, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 6, 6. Auflage, 2013, § 984, Rn. 3. 587 Bremen und Hessen. 588 Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.
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cc) Die Verfassungsmäßigkeit der landesrechtlichen Regelungen zum Schatzregal Das Schatzregal, das in Abweichung zur Hadrianischen Teilung (§ 984 BGB) das Eigentum an archäologischen Kulturgütern mit ihrer Entdeckung dem jeweiligen Bundesland zuordnet, könnte im Widerspruch zur Eigentumsfreiheit stehen. Bisher haben sich das Bundesverfassungsgericht zum Schatzregal in BadenWürttemberg589 und das Bundesverwaltungsgericht zum Schatzregal in Rheinland-Pfalz590 im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit geäußert.
(1) Die Gesetzgebungsbefugnis der Länder Für die Verfassungsmäßigkeit der landesrechtlichen Regelungen zum Schatzregal müsste zunächst die Gesetzgebungsbefugnis bei den Ländern liegen. Grundsätzlich steht nach Art. 70 Abs. 1 GG die Gesetzgebungsbefugnis den Ländern zu. Nur wenn für den Bund ausdrücklich ein entsprechender Kompetenztitel besteht, kann er sich auf seine Gesetzgebungsbefugnis berufen. Als Kompetenztitel für den Bund käme die konkurrierende Gesetzgebung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG in Betracht. Das wäre der Fall, wenn die Bestimmung als eine die Begründung von Eigentum regelnde Vorschrift, dem bürgerlichen Recht zuzuordnen wäre. Die Länder hätten in diesem Bereich die Gesetzgebungskompetenz, wenn der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz nicht abschließend Gebrauch gemacht hätte (Art. 72 Abs. 1 GG). Die Regelung des § 984 BGB, die ohne das Vorhandensein eines Schatzregals eingreift, gehört als sachenrechtliche Regelung unstreitig zum bürgerlichen Recht, da der Ausgangspunkt für die Abgrenzung die im BGB und seinem Einführungsgesetz vorhandenen Normen sind.591 Allerdings sind die Regelungen des BGB nicht abschließend. Insbesondere die Vorbehalte des EGBGB sind ein Anhaltspunkt dafür, inwieweit für den Sachbereich keine abschließende Regelung besteht und den Ländern insoweit die Gesetzgebungsbefugnis zusteht (Art. 72 Abs. 1 GG). Nach Art. 73 EGBGB bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über Regalien unberührt. Damit gibt es einen Vorbehalt zugunsten der Länder, der es ihnen ermöglicht, in Ansehung der Regalien vom BGB abweichende Regelungen zu treffen.592 Allerdings können keine neuartigen Regalien geschaffen werden593, sondern die 589 BVerfGE 78, 205. 590 BVerwGE 102, 260. 591 Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 74 Rn. 53; Fischer zu Cramburg, Das Schatzregal, 2001, S. 154. 592 BVerfGE 78, S. 205, 210. 593 Säcker, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), MüKo, Band 6, 6. Auflage, 2013, § 73 EGBGB, Rn. 2.
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Kompetenz der Länder gilt nur für den Bereich, der nach dem Herkommen dem traditionellen Regalbegriff zuzuordnen ist.594 Ob das Schatzregal, wie es in den Denkmalschutzgesetzen der Länder formuliert ist, unter den traditionellen Regalbegriff fällt, ist umstritten. Schatzregale lassen sich seit dem Mittelalter in Deutschland nachweisen.595 Ursprünglich waren Regalien sämtliche Hoheitsrechte des Königs. Im 16. Jahrhundert kam es zur Differenzierung in die höheren Regalien (regalia majora) und die niederen Regalien (regalia minora).596 Die höheren Regalien umfassten die eigentlichen Hoheitsrechte des Königs. Die niederen Regalien waren Nutzungsrechte und Aneignungsrechte.597 Zu diesen niederen Regalien gehörte auch das Schatzregal.598 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts knüpft das Schatzregal in den Denkmalschutzgesetzen der Länder an dieses hergebrachte Rechtsinstitut an.599 Andere Autoren stellen auf die historische Grundlage des Schatzregals als der Einnahmeerzielung dienendes Nutzungsrecht ab und verneinen den Bezug zum hergebrachten Schatzregal – vielmehr handele es sich um ein neues Altertumsregal.600 Tatsächlich dienen die Schatzregale in den Denkmalschutzgesetzen der Länder der Sicherung der archäologischen Kulturgüter für die Forschung, der Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit und der Verhinderung von Raubgrabungen.601 Aber nach wie vor ist das Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, die Aneignung durch den Hoheitsträger (hier das jeweilige Bundesland). Außerdem nimmt der Gesetzgeber ausdrücklich Bezug auf das traditionelle Schatzregal, indem er für die Regelungen die entsprechende Überschrift wählt. Unproblematisch ist, dass nicht in allen Bundesländern kontinuierlich ein Schatzregal bestand. Art. 1 Abs. 2 EGBGB in Verbindung mit Art. 73 EGBGB ermöglicht nicht nur das Fortbestehen sondern auch den Erlass neuer Vorschriften, die traditionelle Regalien zum Inhalt haben.602 594 BVerfGE 78, S. 205, 210. 595 Fischer zu Cramburg, Das Schatzregal, 2001, S. 59ff.; Schroeder, Grundgesetz und Schatzregal, JZ 1989, S. 676, 677ff. 596 Fischer zu Cramburg, Das Schatzregal, 2001, S. 41. 597 Säcker, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), MüKo, Band 6, 6. Auflage, 2013, § 73 EGBGB, Rn. 1; Schroeder, Grundgesetz und Schatzregal, JZ 1989, S. 676, 677. 598 Pappenheim, Eigenthumserwerb an Alterthumsfunden, in: Regelsberger/Ehrenberg (Hrsg.), Jherings Jahrbücher, Band 45, 1903, S. 141, 154f.; Säcker, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), MüKo, Band 6, 6. Auflage, 2013, § 73 EGBGB, Rn. 1. 599 Die Entscheidung erging zum § 23 DSchG Baden- Württemberg. BVerfGE 78, S. 205, 210f. 600 Pappenheim, Gutachten für den 27. Deutschen Juristentag, 2. Band, 1904, S. 3, 13; Fischer zu Cramburg, Das Schatzregal, 2001, S. 166ff.; Schroeder, Grundgesetz und Schatzregal, JZ 1989, S. 676, 679. 601 So zuletzt Hessischer Landtag Drs. 18/3479 und Landtag Nordrhein-Westfalen Drs. 16/ 2279. 602 Andere noch existierende Regalien sind Berg-, Fischerei-, Wasser- und Fährregale.
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Somit ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz der Länder aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Art. 72 Abs. 1 GG. (2) Vereinbarkeit der Schatzregale mit der Eigentumsfreiheit Die in den Denkmalschutzgesetzen der Länder enthaltenen Schatzregale ändern die in § 984 BGB getroffene Regelung zur Fundteilung dahingehend ab, dass stattdessen unter bestimmten Voraussetzungen das jeweilige Bundesland mit Entdeckung Eigentümer wird. An verborgenen Schätzen besteht kein Eigentum, sie sind der Rechtsordnung bis zu ihrer Entdeckung entzogen.603 Außerdem räumt die hergebrachte Rechtsordnung dem Eigentümer kein dingliches Recht auf den Erwerb verborgener Schätze ein.604 Da der Grundstückseigentümer und der Finder noch gar kein Eigentum an dem Fund vor seiner Entdeckung haben können, handelt es sich nicht um eine Enteignung, sondern vielmehr eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.605 Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums müssen unter Beachtung von Funktion und Zweck der Eigentumsgarantie erfolgen.606 Dabei ist das Privateigentum mit dessen Sozialpflichtigkeit aus Art. 14 Abs. 2 GG in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.607 Bei der Gestaltung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen ist das Wohl der Allgemeinheit ausdrücklich zu berücksichtigen (Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG). Staatliche Schutzpflichten und Staatsziele können dem Sozialbezug zusätzliches Gewicht gegenüber den Interessen des Eigentümers verleihen.608 Je stärker der soziale Bezug des Eigentumsobjekts ist, umso größer ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.609 Auf der anderen Seite ist die Bedeutung des Eigentumsobjekts für den Grundrechtsträger in Rechnung zu stellen.610 Die Schatzregale in den Denkmalschutzgesetzen der Länder schützen das öffentliche Interesse an der Erhaltung von Kulturdenkmälern, an ihrer Erschließung für die wissenschaftliche Forschung und an ihrer Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit.611 Dass es sich hier tatsächlich um ein öffentliches Interesse handelt, wurde unter Bezug auf die identitätsstiftende Wirkung archäologischer Kulturgüter bereits oben nachgewiesen.612 Letztlich steht hier auf 603 Pappenheim, Eigenthumserwerb an Alterthumsfunden, in: Regelsberger/Ehrenberg (Hrsg.), Jherings Jahrbücher, Band 45, 1903, S. 141, 146. 604 BVerfGE 78, S. 205, 212. 605 BVerwGE 102, S. 260, 267. 606 Becker, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 2010, Art. 14, Rn. 161. 607 BVerfGE 101, S. 239, 259; 112, S. 93, 109. 608 BVerfGE 102, S. 1 , 18. 609 BVerfGE 101, S. 54, 75f. 610 Becker, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 2010, Art. 14, Rn. 172. 611 BVerwGE 102, S. 260, 267. 612 Siehe E. II. 1.
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der Seite des Wohls der Allgemeinheit das Kulturstaatsprinzip, das verstärkt wird durch das in der Wissenschaftsfreiheit enthaltene öffentliche Interesse an der Erforschung der Kulturgüter. Auf der anderen Seite ist die Position des Finders und des Grundstückseigentümers nur sehr schwach. Der Eigentumserwerb kann erst nach der Entdeckung erfolgen, da die Sache vorher dem Rechtsverkehr entzogen war.613 Art. 14 Abs. 1 GG schützt aber nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen.614 Als Inhalts- und Schrankenbestimmung regeln die Schatzregale, dass das Eigentum an den gefundenen Sachen nicht dem Grundstückseigentümer oder Finder, sondern dem jeweiligen Bundesland ohne weiteren Übertragungsakt zugeordnet wird. Damit stellen die Schatzregale verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmungen dar. Diese sind grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen.615 Die Regelung führt auch nicht im Einzelfall zu unverhältnismäßigen, gleichheitswidrigen Belastungen. Deshalb liegt keine ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung vor.616 Daher sind auch die Schatzregale, die keine Belohnung vorsehen, kein Verstoß gegen Art. 14 GG. (3) Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes Der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass die Normen so formuliert sind, dass der Bürger die Folgen der Regelung vorhersehen und sein Verhalten danach ausrichten kann.617 Soweit die Schatzregale an den (hervorragenden) wissenschaftlichen Wert anknüpfen, wird erkennbar auf die besondere Bedeutung für die Forschung Bezug genommen. Dies ist im Zweifel durch Hinzuziehung eines Sachverständigen, anhand objektiver Kriterien zu ermitteln. Die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe durch den Gesetzgeber war aufgrund der Vielschichtigkeit der Sachverhalte, nicht vermeidbar.618 Im Hinblick auf eine mögliche Strafbarkeit wegen Unterschlagung gemäß § 246 StGB ist nicht der für Strafgesetze geltende Maßstab aus Art. 103 Abs. 2, 104 Abs. 1 GG zu erfüllen. Der Tatbestand der Unterschlagung nimmt zwar auf die Eigentumsordnung
613 614 615 616
BVerfGE 78, S. 205, 212. BVerfGE 20, S. 31, 34. BVerfGE 100, S. 226, 241. Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art.14, Rn. 124. 617 BVerfGE 108, S. 52, 75; 110, S. 33, 53f.; Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 20, Rn. 58. 618 BVerfGE 78, S. 205, 212.
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Bezug, jedoch entfällt der Vorsatz (§ 16 Abs. 1 StGB), wenn der Betroffene irrtümlich davon ausgeht, dass er (Mit-)Eigentümer der gefundenen Sache ist.619 Damit ist dem Bestimmtheitsgebot genüge getan. Die in den Denkmalschutzgesetzen der Länder normierten Schatzregale sind verfassungsgemäß. dd) Rechtspolitische Erwägungen und Stellungnahme zu den Schatzregalen Die geltenden Regelungen der Schatzregale sind zwar verfassungsgemäß. Allerdings ist die derzeitige Rechtslage in verschiedener Hinsicht nicht befriedigend. Da es nach wie vor das Schatzregal nicht in allen Bundesländern gibt, kommt es immer wieder zu »Fundverschleppungen«.620 Dabei werden Fundstücke entgegen ihrer eigentlichen Herkunft als in einem Bundesland ohne Schatzregal gefunden deklariert. So wurde zum Beispiel die Himmelscheibe von Nebra nach Nordrhein-Westfalen verkauft, wo es zu dieser Zeit noch kein Schatzregal gab. Durch diesen Fundtourismus werden Fundstücke aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen und können oft nicht mehr ihrem Herkunftsort zugeordnet werden, was die wissenschaftliche Auswertung sehr erschwert.621 In Rheinland-Pfalz wurden mit der Einführung des Schatzregals insbesondere bei staatlichen Nachforschungen durchweg positive Erfahrungen gemacht. Die mit Mitteln des Landes ergrabenen Funde konnten einfacher als landeseigene Funde gesichert werden. Der Eigentumserwerb bei diesen Funden stellt die wichtigste Variante des Schatzregals dar.622 Der Anwendungsbereich der Schatzregale unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland nach Bedeutung des Fundes und Fundumständen. Das führt zu einer unübersichtlichen rechtlichen Lage, die die Rechtsanwendung unnötig erschwert. Die divergierenden landesrechtlichen Regelungen führen zu unterschiedlichen Rechtsfolgen hinsichtlich einer Belohnung. Selbstverständlich ist einsichtig, dass für Funde bei unerlaubten Nachforschungen keine Belohnung gewährt werden soll. Weniger einleuchtend dagegen ist, warum in einem Bundesland eine Belohnung orientiert am wissenschaftlichen Wert gezahlt wird und in einem anderen Bundesland gar keine Belohnung zu erwarten ist. Schließlich ist das Nebeneinander von § 984 BGB und landesrechtlichen Schatzregalen für den Laien schwer nachvollziehbar. 619 BVerfGE 78, S. 205, 212; Fischer zu Cramburg, Das Schatzregal, 2001, S. 184f. 620 Klüßendorf, Numismatik und Denkmalschutz, in: Rück (Hrsg.), Mabillons Spur, 1992, S. 391, 408. 621 Sautter, Teil I., VII. Fundrecht, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz, 3. Auflage, 2010, S. 919, 923. 622 Hönes, Das Schatzregal im Dienste des Denkmalschutzes, Natur und Recht 1994, S. 419, 422.
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Insgesamt trägt diese Rechtszersplitterung sicher nicht zur Akzeptanz der Regelungen zum Schatzregal bei. Eine bundeseinheitliche Regelung, die § 984 BGB ablöst, wäre sehr zu begrüßen.623 Die eigentumsrechtliche Zuordnung des Schatzfundes auch in Form eines Schatzregals liegt im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) und damit hat der Bund hier die Gesetzgebungsbefugnis.
b)
Die Versagung einer Grabungsgenehmigung für eine wissenschaftliche Ausgrabung »Die archäologische Grabung ist Zerstörung, wenn auch eine dokumentierte. Man hat nur einen Versuch, der muss gelingen! Danach bleibt ein Loch aus dem 21. Jahrhundert.«624
Ungestörte archäologische Quellen im Boden sind zahlreichen Gefährdungen ausgesetzt. Dabei sind Raubgrabungen im Zusammenhang mit der Suche mit Metallsuchgeräten nur ein Aspekt. Hinzu kommt ein starker Veränderungsdruck aufgrund von Eingriffen in den Boden, z. B. Straßen- und Leitungsbau, Siedlungstätigkeit, Flurbereinigung und Tiefpflügen.625 Archäologische Kulturgüter, die sich ungestört im Boden befinden, sind nicht reproduzierbar. Notwendiger Weise wird auch bei einer fachkundigen Grabung der Fundzusammenhang zerstört. Dieser kann allenfalls nach der aktuellen Methodik erfasst und dokumentiert werden. Deshalb wird in der Bodendenkmalpflege die Auffassung vertreten, dass das Hauptanliegen der Denkmalpflege die ungestörte Erhaltung der Primärquellen im Boden sein muss.626 In den Denkmalschutzgesetzen der Länder finden sich deshalb Genehmigungsvorbehalte für das Graben nach Bodendenkmälern. Allerdings wird damit eine wesentliche Tätigkeit des wissenschaftlich arbeitenden Archäologen von einer Genehmigung abhängig gemacht. Der Archäologe erlangt seine Erkenntnisquellen – in Abgrenzung zum Historiker – durch Ausgrabung. Deshalb ist im Folgenden die Frage zu beantworten, ob die Versagung einer 623 So auch Koch, Schatzsuche, Archäologie und Strafrecht, NJW 2006, S. 557, 560 und Sautter, Teil I., VII. Fundrecht, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz, 3. Auflage, 2010, S. 919, 924. 624 Vetterling, Grabungsleitung: Aufgaben und Verantwortung, in: Sigl/drs. (Hrsg.), Grabungsleitfaden, 2012, S. 11. 625 Majocco, in: Strobl/Majocco/Sieche, Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg, 2. Auflage, 2001, § 21, Rn. 5. 626 Hönes, Denkmalrecht Rheinland-Pfalz, 2. Auflage, 1995, Erl. zu § 21, Rn. 9; Fechner, Grenzen der Forschungsfreiheit am Beispiel der Bodendenkmalpflege, JZ 1992, 777.
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Grabungsgenehmigung für eine wissenschaftliche Grabung auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt. aa) Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Grabungsgenehmigung In allen Bundesländern ist für Grabungen eine Genehmigung erforderlich.627 In Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen werden keine Kriterien für die Entscheidung benannt. In Sachsen bedürfen nur Grabungen in Grabungsschutzgebieten der Genehmigung, ohne dass Voraussetzungen benannt werden. In Bayern, Berlin und Niedersachsen werden Gründe für die Versagung benannt. In Nordrhein-Westfalen und Brandenburg besteht ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung, wenn die Grabung das Bodendenkmal oder die Erhaltung von Quellen für die Forschung nicht gefährden. bb) Rechtliche Einordnung der Genehmigungserfordernisse in den Bundesländern Für Nordrhein-Westfalen und Brandenburg handelt es sich um ein (präventives) Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.628 Liegen keine Versagensgründe vor, muss Genehmigung erteilt werden.629 Für die anderen Bundesländer ist die Einordnung umstritten.630 Bezüglich der Regelungen in Bayern, Berlin und Niedersachsen wird vertreten, dass ein Anspruch auf die Erteilung der Erlaubnis besteht, wenn keine Versagungsgründe gegeben sind.631 Danach würde es sich dort ebenfalls um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt handeln. Andere Autoren sehen im Genehmigungsvorbehalt ein (repressives) Verbot mit Befreiungsvorbehalt.632 Da die Ausnahmetatbestände nicht gesetzlich normiert sind, wird geschlussfolgert, dass die Erteilung der Grabungsgenehmigung 627 Siehe Übersicht 4. 628 Vgl. zur Abgrenzung des (präventiven) Verbots mit Erlaubnisvorbehalt (Kontrollerlaubnis) vom (repressiven) Verbot mit Befreiungsvorbehalt (Ausnahmebewilligung) Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Auflage, 2011, § 9, Rn. 51ff. 629 So für Nordrhein-Westfalen Memmesheimer, in: Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, Denkmalrecht Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage, 1989, § 13, Rn. 9. 630 Oebbecke, Das Verhältnis von Bodendenkmalpflege und Forschung aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Thüringisches Landesamt für Archäologische Denkmalpflege (Hrsg.), Archäologische Denkmalpflege und Forschung, 1993, S. 56f. 631 Eberl, in: Dirnberger/Eberl/Göhner/Greipel/Martin, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 6. Auflage, 2007, Art. 7, Rn. 6; VG Saarland, 5 K 186/99, vom 27. 12. 2000 (juris) zu der damals geltenden Fassung des Saarländischen Denkmalschutzgesetzes. 632 Majocco, in: Strobl/Majocco/Sieche, Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg, 2. Auflage, 2001, § 21, Rn. 4; Hönes, Denkmalrecht Rheinland-Pfalz, 2. Auflage, 1995, Erl. zu § 21, Rn. 10; Viebrock, Hessisches Denkmalschutzrecht, 3. Auflage, 2007, § 21, Rn. 3.
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im Ermessen der Denkmalbehörde liege und ein Nachforschungsvorrecht des Landes bestünde. Folglich liege es im Ermessen der Behörde, Nachforschungen auf Not- und Rettungsgrabungen633 zu beschränken und für reine Forschungsgrabungen die Genehmigung zu versagen.634 Letztlich vertreten diese Autoren die Ansicht, dass das öffentliche Interesse an der ungestörten Erhaltung des Bodendenkmals in der Regel das Interesse an der wissenschaftlichen Erforschung überwiege. Die Einordnung des Genehmigungsvorbehalts als (repressives) Verbot mit Befreiungsvorbehalt setzt voraus, dass es sich bei der Ausgrabung um ein sozial schädliches oder sozial unerwünschtes Verhalten handelt.635 Davon könnte man ausgehen, wenn man unter der Suche nach archäologischen Kulturgütern vorwiegend die Schatzsucher und Sondengänger versteht, die nur an dem jeweiligen Artefakt interessiert sind und dabei regelmäßig den Fundzusammenhang (und teilweise auch die Artefakte) ohne jede Dokumentation zerstören. In der Folge hätte die Behörde ein Ermessen bei der Erteilung von Grabungsgenehmigungen. Dann ist aber bei der Ausübung des Ermessens die Wissenschaftsfreiheit zu berücksichtigen. cc)
Die Grabungsgenehmigung im Lichte des Verfassungsrechts
(1) Archäologische Grabung als Teil der Wissenschaftsfreiheit Von der Wissenschaftsfreiheit wird nicht nur das vergeistigte Erkenntnisstreben, sondern auch das prozesshafte Element der Erkenntnisgewinnung geschützt.636 Die Ausgrabung mit ihrer Auswertung stellt die Quelle der archäologischen Forschung dar. Dies ist die notwendige Grundlage für den anschließenden geistigen Erkenntnisgewinn. Die Vorbereitung und Durchführung der Grabung selbst, unterliegen einer speziellen wissenschaftlichen Methodik, die ständig weiterentwickelt wird.637 Würde man dies aus dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 GG ausnehmen, würde dies eine unnatürliche Aufspaltung bedeuten. Die Kategorien »Vorarbeit« oder Materialsammlung ist verfassungsrechtlich irrelevant; entscheidend ist, ob der Tätigkeit die Eigenschaft »wissenschaftlich« zugesprochen werden kann.638 Deshalb gehört zum Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit jede 633 Diese werden durchgeführt, wenn das Bodendenkmal z. B. durch Baumaßnahmen akut gefährdet ist. 634 Majocco, in: Strobl/Majocco/Sieche, Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg, 2. Auflage, 2001, § 21, Rn. 5. 635 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Auflage, 2011, § 9 Rn. 55. 636 Oppermann, Freiheit von Forschung und Lehre in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Auflage, 2007, § 145, Rn. 10. 637 Z. B. Prospektionsmethoden und Grabungstechnik und -dokumentation. 638 Schmitt Glaeser, Die Freiheit der Forschung, WissR 1974, S. 107, 111.
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Tätigkeit, ohne die die »eigentliche« geistige Forschungstätigkeit nicht möglich wäre.639 Würde man die Wissenschaftsfreiheit allein auf die geistige Erkenntnis begrenzen, so würde das z. B. für die Experimentalphysik heißen, dass das Experiment als Quelle der Erkenntnis aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG ausgenommen wäre. Damit eine archäologische Grabung von Art. 5 Abs. 3 GG geschützt sein kann, müssen alle Anforderungen an die Wissenschaftlichkeit erfüllt sein.640 Hier sind aufgrund der begrenzten, nicht vermehrbaren Zahl an unberührten Ausgrabungsmöglichkeiten strenge Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss die Grabung entsprechend vorbereitet sein und die Gewinnung neuer Erkenntnisse erwarten lassen. Hier wird man im Interesse der Ressourcenschonung auch verlangen können, dass die gleichen Erkenntnisse nicht auch durch die Auswertung bereits geborgener Quellen oder die Teilnahme an Notund Rettungsgrabungen zu erlangen sind. Es ist Teil der Wissenschaftlichkeit archäologischer Grabungen, dass in diesem Rahmen so wenig wie möglich zerstört wird. Außerdem muss der Antragsteller darlegen, dass er die Grabung, die notwendiger Weise den Fundzusammenhang zerstört, mit der Methodik und Dokumentation durchführen wird, die dem Stand der Technik entspricht. Dafür muss der Antragsteller ebenfalls entsprechende Vorkenntnisse nachweisen. Die so durchgeführte archäologische Grabung ist also vom Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit umfasst.641 (2) Eingriff in den Schutzbereich oder Gewährung einer Leistung? Hier muss unterschieden werden, ob sich das betreffende Grundstück in Privateigentum befindet oder der Staat Eigentümer ist. (a) Grundstück im staatlichen Eigentum Ist der Staat Eigentümer des betreffenden Grundstücks, so will der Wissenschaftler Zugriff auf eine staatliche Ressource. Damit wäre die Genehmigung der Grabung gleichzusetzen mit der Gewährung einer Leistung. Insoweit geht es weder um die Abwehr eines Eingriffs in die Wissenschaftsfreiheit noch um die Teilhabe am staatlichen Wissenschaftsbetrieb.642 Einen Anspruch auf Gewährung der Grabungsgenehmigung für ein Grundstück, das im Eigentum des Staates steht, gewährt Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nicht. Vielmehr muss die Behörde bei ihrer Entscheidung, den Stellenwert der Wissenschaftsfreiheit beachten und frei von Willkür entscheiden. Es genügt, wenn 639 Schmitt Glaeser, Die Freiheit der Forschung, WissR 1974, S. 107, 112. 640 E. II. 2. c). 641 So auch Fechner, Grenzen der Forschungsfreiheit am Beispiel der Bodendenkmalpflege, JZ 1992, S. 777. 642 So für Einsicht in Behördenakten: BVerfG, NJW 1986, S. 1243.
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die Behörde sich eingehend mit dem Antrag auseinandersetzt und keine sachfremden Erwägungen anstellt.643 Bezogen auf die Grabungsgenehmigung bedeutet dies, dass die Ablehnung erkennen lassen muss, dass ein Interesse an der Erhaltung des ungestörten Fundzusammenhangs besteht und diesem Erhaltungsinteresse Vorrang einzuräumen ist (beispielsweise weil der Verweis auf Rettungsgrabungen oder Material in Museen möglich ist). (b) Grundstück im Privateigentum Befindet sich das Grundstück im Privateigentum, so benötigt der Wissenschaftler zuerst die Zustimmung des Eigentümers zur wissenschaftlichen Ausgrabung. Andernfalls stünde der Wissenschaftsfreiheit die Eigentumsfreiheit des Grundstückseigentümers aus Art. 14 Abs. 1 GG entgegen, da die Grabung einen Eingriff in die Substanz des Eigentums darstellt. Liegt die Zustimmung des Eigentümers vor, so ist jetzt zu fragen, ob die Verweigerung der Grabungsgenehmigung einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit darstellt. Ein Eingriff liegt vor, wenn dem Einzelnen ein Verhalten, das vom Schutzbereich umfasst ist, durch den Staat verwehrt wird.644 Wenn alle strengen Kriterien der Wissenschaftlichkeit für eine archäologische Grabung erfüllt sind, so stellt die Verweigerung der Grabungsgenehmigung durch die entsprechende Behörde einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des betroffenen Wissenschaftlers dar. Eine Tätigkeit, die von der Wissenschaftsfreiheit umfasst ist, wird nicht genehmigt und ist damit verboten. (3) Schranken der Wissenschaftsfreiheit Für den Fall, dass die Grabung auf einem Privatgrundstück mit Zustimmung des Eigentümers stattfinden soll, ist jetzt zu klären, ob dieser Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit gerechtfertigt ist. Grundsätzlich wird die Freiheit der Wissenschaft ohne Vorbehalt geschützt. Insbesondere können weder die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG noch der Schrankentrias aus Art. 2 Abs. 1 S. 2 GG herangezogen werden.645 Allerdings unterliegen auch normtextlich vorbehaltlos garantierte Grundrechte ungeschriebenen Schranken.646 Im Grundsatz besteht Einigkeit darüber, dass auch die Freiheit der Wissenschaft nicht grenzenlos sein kann.647 643 BVerfG, NJW 1986, S. 1243. 644 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 30. Auflage, 2014, Rn. 223. 645 BVerfGE 47, S. 327, 368; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 20046, Art. 5 III (Wissenschaft), Rn. 33. 646 Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Vorb. vor Art. 1, Rn. 88; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 262f. 647 Schmitt Glaeser, Die Freiheit der Forschung, WissR 1974, S. 177, 178 m.w.N.
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Diese Schranken müssen aber selbst Verfassungsrang haben.648 Daraus folgt, dass nur kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung ausnahmsweise imstande sind, auch uneinschränkbare Grundrechte in einzelnen Beziehungen zu begrenzen.649 Danach sind jetzt die in Betracht kommenden immanenten Schranken zu ermitteln. (a) Wissenschaftsfreiheit zukünftiger Forscher Beanspruchen mehrere Wissenschaftler jeweils eine Grabungserlaubnis für den gleichen Ort, so kollidiert hier die Wissenschaftsfreiheit des einen mit der des anderen Wissenschaftlers.650 Dieses Verteilungsproblem wäre im Hinblick auf Art. 3 GG zu lösen.651 Als Grund für die Versagung der Grabungsgenehmigung werden jedoch im Regelfall in der Literatur die begrenzte Anzahl an möglichen Grabungsorten und die besseren Methoden bei der Grabungstechnik in der Zukunft benannt.652 Damit steht in Frage, ob die Wissenschaftsfreiheit des die Grabung beantragenden Wissenschaftlers mit der Wissenschaftsfreiheit zukünftiger Forscher kollidieren kann.653 Diese Argumentation erscheint bedenklich. Zum einen würde es bedeuten, dass immer dann, wenn der Wissenschaftler bei seiner Forschung knappe, nicht reproduzierbare Ressourcen verbraucht, der Staat berufen wäre, eine Erlaubnis zu versagen mit dem Hinweis auf eine zukünftige bessere Ausnutzung. Zum anderen heißt das, dass der Staat festlegt, wann (und ob überhaupt) die Forschung soweit fortgeschritten ist, dass man ihr den Zugriff auf die Ressource gewähren kann. Das widerspricht der Eigengesetzlichkeit der Forschung. Es ist gerade das Wesen der Wissenschaftsfreiheit, dass der Wissenschaftler selbst entscheidet, ob und wann er ein Experiment oder eine Grabung durchführt. Problematisch ist weiterhin, ob die Forschungsfreiheit zukünftiger Wissenschaftler ein gegenwärtiges Schutzgut ist. Es fehlt schon an der Existenz eines Rechtsträgers. Selbst wenn man darüber hinweg käme, ist damit noch nicht 648 Ob der Verfassungsrang des Rechtswerts ausreichend ist, um ein vorbehaltloses Grundrecht zu beschränken ist umstritten. Z.B. Schmitt Glaeser, Die Freiheit der Forschung, WissR 1974, S. 177, 183. 649 BVerfGE 28, S. 243, 261. 650 So für knappe Ressourcen Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Auflage, 2004, Rn. 114. 651 Fechner, Grenzen der Forschungsfreiheit am Beispiel der Bodendenkmalpflege, JZ 1992, S. 777, 782. 652 Z.B. Majocco, in: Strobl/Majocco/Sieche, Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg, 2. Auflage, 2001, § 21, Rn. 5. 653 Zustimmend i. S.e. hinreichenden Versagungsgrundes Oebbecke, Das Recht der Bodendenkmalpflege in der Bundesrepublik Deutschland, DVBl. 1983, S. 384, 388.
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gesagt, dass die Wissenschaftsfreiheit zukünftiger Wissenschaftler die Wissenschaftsfreiheit der gegenwärtigen Wissenschaftler überwiegt. Insgesamt ist die Wissenschaftsfreiheit zukünftiger Forscher ungeeignet, die Wissenschaftsfreiheit der gegenwärtigen Generation zu beschränken. (b) Das Kulturstaatsprinzip als Schranke Zu klären ist, ob eine Staatszielbestimmung allgemein tauglich ist, ein vorbehaltloses Grundrecht zu beschränken und ob im speziellen das Kulturstaatsprinzip geeignet ist, die Wissenschaftsfreiheit einzuschränken. (aa) Ungeschriebener Verfassungswert als Grundrechtsschranke Zunächst scheint es problematisch, eine ungeschriebene Staatszielbestimmung zur Begrenzung eines vorbehaltlosen Grundrechts heranzuziehen. Die Verfassungswerte, die geeignet sind vorbehaltlose Grundrechte einzuschränken, müssen der Verfassung selbst zu entnehmen sein. Damit stellt sich die Frage nach dem Verfassungsbegriff: Ist der Inhalt des Verfassungsgesetzes (formelle Verfassung) abschließend? Das Grundgesetz wird als Rahmenverfassung bezeichnet, die regelungskarg und fragmentarisch auf praktische und politische Bedürfnisse ausgerichtet ist.654 Es lässt große politische Gestaltungsräume und thematisiert die eigenen Voraussetzungen nicht.655 Die geschriebene Verfassung regelt nur punktuell und in Grundzügen und erhebt von vornherein nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern setzt anderes stillschweigend voraus.656 Es ist ein Merkmal der Verfassungsgebung, dass nur besonders wichtig erscheinende oder umstrittene Materien geregelt werden; was hingegen selbstverständlich erscheint oder nicht in Frage gestellt war, bleibt ungeregelt und wird stillschweigend vorausgesetzt.657 Deshalb gibt es über den Verfassungstext hinaus eine materielle Verfassung, die vom Grundgesetz nur unvollständig erfasst wird. Diese materielle Verfassung ist die gesamte rechtliche Grundordnung des Staates,658 die sich mit ihren Gegenständen über das einfache, disponible Gesetz durch ihre Bedeutung für die staatliche Einheit heraushebt.659 Damit sind auch ungeschriebene Verfassungs654 Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage, 2004, § 15, Rn. 190. 655 Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage, 2004, § 15, Rn. 190. 656 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. Auflage, 1999, Rn. 19f. 657 Böckenförde, Die Eigenart des Staatsrechts und der Staatsrechtswissenschaft, in: Achterberg/Krawietz/Wyduckel (Hrsg.), Festschrift für Hans Ulrich Scupin, 1983, S. 317, 321f. 658 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. Auflage, 1999, Rn. 17. 659 Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage, 2004, § 15, Rn. 187.
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rechtsgüter, die Teil der materiellen Verfassung sind, in der Lage, Schranken für Grundrechte zu bilden.660 Das Bundesverfassungsgericht knüpft bei der Feststellung einer immanenten Grundrechtsschranke immer an Fragmente des Verfassungstextes an.661 Dabei greift es sogar auf Kompetenznormen zurück, um Grundrechtsschranken zu begründen.662 Das Kulturstaatsprinzip als solches ist zwar im Grundgesetz nicht ausdrücklich normiert, aber es gibt zahlreiche kulturbezogene Normen innerhalb der Verfassung. Das Kulturstaatsprinzip wird zuerst an Art. 5 Abs. 3 GG festgemacht,663 aber auch Art. 1 Abs. 1, Art. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2, Art. 7, Art. 73 Abs. 1 Nr. 5a, Art. 74 Abs. 1 Nr. 13, Art. 91b GG haben kulturellen Bezug. Die Verknüpfungen mit dem Verfassungstext sind auch danach ausreichend. Das Kulturstaatsprinzip könnte also, obwohl es Teil der ungeschriebenen Verfassungsrechts ist, eine verfassungsimmanente Schranke sein. (bb) Staatszielbestimmung als Grundrechtsschranke Bei der Grabungserlaubnis trifft ein vorbehaltlos gewährtes Grundrecht (Wissenschaftsfreiheit) auf eine Staatszielbestimmung (Kulturstaat). Das wirft die Frage auf, ob eine Staatszielbestimmung geeignet ist, ein vorbehaltloses Freiheitsrecht zu begrenzen. Staatsziele sind unmittelbar mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte und scheinen daher in der Lage zu sein Grundrechte unmittelbar zu beschränken.664 Hier soll ein Blick auf die Staatszielbestimmungen zum Sozialstaat (Art. 20 Abs. 1 GG) und dem Umweltschutz (Art. 20a GG) im Hinblick darauf geworfen werden, ob sie eine taugliche Schranke für Freiheitsrechte sind. Das Sozialstaatsprinzip wird überwiegend als nicht beschränkungstauglich erachtet.665 Es wird als zu unbestimmt bezeichnet, um Grundrechte unmittelbar zu beschränken.666 Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das Sozialstaatsprinzip dem Staat eine Aufgabe stelle, aber nichts darüber sage, wie diese Aufgabe im Einzelnen zu verwirklichen sei.667 Daher wird angenommen, dass 660 Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IX, 3. Auflage, 2011, § 191 Rn. 143; Pecher, Verfassungsimmanente Schranken von Grundrechten, 2001, S. 290ff. 661 BVerfGE 28, S. 243, 260f.; 30, S. 173, 193; 33, S. 23, 32; 69, S. 1, 21. 662 BVerfGE 28, S. 243,261; 69, S. 1, 21. 663 BVerfGE 35, S. 79, 113; BVerfG, NVwZ 2005, S. 315, 316; BVerfGE 127, S. 87, 113. 664 Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 424. 665 BVerfGE 5, S. 85, 206; 52, S. 283, 298; 59, S. 231, 263; 65, S. 182, 193; Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 422f.; Bamberger, Verfassungswerte als Schranken vorbehaltloser Freiheitsgrundrechte, 1999, S. 31; Winkler, Kollisionen verfassungsrechtlicher Schutznormen, 2000, S. 161f. 666 BVerfGE 59, S. 231, 262f. 667 BVerfGE 52, S. 283, 298.
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das Sozialstaatsprinzip nicht auf hinreichend konkrete Güter verweist, als dass es geeignet wäre, grundrechtsbeschränkend zu wirken.668 Für den Umweltschutz wird dagegen vertreten, dass dieses Prinzip die Einschränkung von (auch vorbehaltlosen) Grundrechten legitimiere.669 Insbesondere sei Art. 20a GG eine verfassungsimmanente Schranke für die Forschungsfreiheit.670 Staatsprinzipien sind nur dann geeignet, als immanente Schranke für Grundrechte zu fungieren, wenn sie auf hinreichend konkrete Güter Bezug nehmen.671 Teil des Kulturstaatsprinzips sind nicht nur Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, sondern es wird auch die Staatsaufgabe des Kulturgüterschutzes daraus abgeleitet.672 Außerdem konkretisieren etliche Landesverfassungen das Kulturstaatsprinzip in sogenannten Denkmalschutzartikeln.673 Damit ist das Kulturstaatsprinzip jedenfalls in diesen Bereichen hinreichend bestimmt, um als Grundrechtsschranke in Betracht zu kommen. (cc) Kulturstaat als Schranke für die Wissenschaftsfreiheit Die Wissenschaftsfreiheit ist im Grundgesetz ausdrücklich normiert und selbst Bestandteil des Kulturstaatsprinzips. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass Art. 5 Abs. 3 GG eine Wertentscheidung enthält, die zum einen staatliche Eingriffe in den Eigenbereich der Wissenschaft verhindern soll; zum anderen soll gerade der Kulturstaat schützend und fördernd einer Aushöhlung dieser Freiheitsgarantie vorbeugen.674 Wenn das Kulturstaatsprinzip dazu dienen soll, die Wissenschaft zu schützen und zu fördern, so ist die Frage, ob das Kulturstaatsprinzip gleichzeitig dazu dienen kann die Wissenschaftsfreiheit zu beschränken. Soweit ersichtlich, ist die dogmatische Frage, wie ein »Insichkonflikt« einer Staatszielbestimmung (hier Kulturstaat) mit einem darin enthaltenen Grundrecht (hier Wissenschaftsfreiheit) zu lösen ist, noch nicht beantwortet worden. Im Regelfall tritt das Staatsziel »seinem« Grundrecht verstärkend zur Seite. So 668 Winkler, Kollisionen verfassungsrechtlicher Schutznormen, 2000, S. 161f. 669 Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 20a Rn. 13; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band II, 2. Auflage, 2006, Art. 20a, Rn. 24, hier Art. 20a GG als unmittelbar geltendes Verfassungsrecht in ausdrücklicher Abgrenzung zu den anderen Staatsprinzipien. 670 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band II, 2. Auflage, 2006, Art. 20a, Rn. 87 m.w.N. 671 Winkler, Kollisionen verfassungsrechtlicher Schutznormen, 2000, S. 161, 165. 672 Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 282; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 36ff.; Horn, Kulturgüterschutz als, in: Gorning/Horn/Murswiek (Hrsg.), Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte, 2007, S. 121, 131f. 673 Übersicht 2. 674 BVerfGE 35, S. 78, 113.
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hat der Staat, der sich als Kulturstaat versteht nicht nur die Wissenschaftsfreiheit zu achten, sondern er muss die Wissenschaft beispielsweise durch Bereitstellung finanzieller Mittel ermöglichen und fördern.675 Ob ein Staatsziel ein ihm zugeordnetes Grundrecht auch beschränken kann, erscheint zumindest fraglich. Zu klären ist, ob man ein anderes Ergebnis erhält, wenn man beachtet, dass die verschiedenen Elemente des Kulturstaatsprinzips – etwa Wissenschaftsfreiheit und Kunstfreiheit – durchaus miteinander kollidieren können. Nimmt man den Kulturgüterschutz als Teil des Kulturstaatsprinzips, so fragt sich, ob sich daraus eine Schranke für die Wissenschaftsfreiheit ableiten lässt. Das Genehmigungserfordernis findet sich jeweils in den Denkmalschutzgesetzen der Länder. Kulturgüterschutz und Denkmalschutz sind kein Selbstzweck. Vielmehr liegt der Grund der Schutzbedürftigkeit in den oben beschriebenen Werten, die den Kulturgütern zugeschrieben werden. Die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Erforschung von archäologischen Kulturgütern ist ein wesentlicher Schutzgrund für diese. Immer wieder nehmen die kulturgüterschützenden Normen über die verschiedenen Ebenen hinweg Bezug auf den wissenschaftlichen Wert. Außerdem ist eine Aufgabe des Denkmalschutzes die wissenschaftliche Erforschung der Denkmale.676 Insofern hat der Denkmalschutz wiederum neben seiner identitätsstiftenden Funktion starken Bezug zur Wissenschaftsfreiheit. Hinzukommt, dass der Fundzusammenhang zwar notwendiger Weise zerstört wird, aber zugleich neue Erkenntnisse zu erwarten sind,677 die wiederum den Kulturstaat bereichern. Außerdem können erst dann archäologische Kulturgüter ihre identitätsstiftende Wirkung entfalten und damit Teil des Kulturstaats werden. Es ist mit der Wissenschaftsfreiheit nicht zu vereinbaren, dass eine Behörde darüber entscheiden soll, wann die Zeit (bzw. die Wissenschaft) bereit ist, für neue Erkenntnisse. Das gilt umso mehr für den bisweilen angenommenen Vorrang staatlicher Ausgrabungen vor wissenschaftlichen Ausgrabungen.678 Woraus sich ergibt, dass eine staatliche Behörde bei der Ausgrabung Vorrang
675 BVerfGE 35, S. 78, 113. 676 So ausdrücklich § 1 Abs. 1 DSchG Berlin, § 1 Abs. 1 DSchG Brandenburg, § 1 Abs. 1 DSchG Bremen, § 1 Abs. 1 DSchG Hamburg, § 1 Abs. 1 DSchG Mecklenburg-Vorpommern, § 1 DSchG Niedersachsen, § 1 Abs. 1 DSchG Nordrhein-Westfalen, § 1 Abs. 2 DSchG Rheinland-Pfalz, § 1 Abs. 1 DSchG Saarland, § 1 Abs. 1 DSchG Sachsen, § 1 Abs. 1 DSchG Sachsen-Anhalt, § 1 Abs. 1 DSchG Schleswig-Holstein. 677 Genau ist Voraussetzung für die Wissenschaftlichkeit der Grabung. 678 Kleine-Tebbe, in: Kleine-Tebbe/Martin (Hrsg.), Denkmalrecht, 2. Auflage, 2000, § 12, 2.2.4.4; Majocco, in: Strobl/Majocco/Sieche, Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg, 2. Auflage, 2001, § 21, Rn. 4, 5; Viebrock, Hessisches Denkmalschutzrecht, 3. Auflage, 2007, § 21, Rn. 3.
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vor dem Wissenschaftler haben soll, ist nicht ersichtlich. Ein staatliches Forschungsmonopol ist mit der Wissenschaftsfreiheit nicht vereinbar.679 Letztlich handelt es sich bei der Frage, wann die Methodik und Dokumentationsmöglichkeiten weit genug entwickelt sind, um den geeigneten Zeitpunkt für die Ausgrabung zu bilden, um nicht mehr (oder weniger) als ein wissenschaftsethisches Problem, das jeder Wissenschaftler für sich entscheiden muss. Das ist gerade jener Bereich, der die Eigengesetzlichkeit der Wissenschaftsfreiheit ausmacht. dd) Stellungnahme zum Erfordernis der Grabungsgenehmigung Bisher berücksichtigen die meisten Denkmalschutzgesetze für das Erfordernis der Grabungsgenehmigung die Wissenschaftsfreiheit nicht. Die Kommentarliteratur geht teilweise noch darüber hinaus, wenn sie einen Vorrang der staatlichen Nachforschungen vor wissenschaftlichen Grabungen postuliert.680 Im niedersächsischen Denkmalschutzgesetz ist sogar ausdrücklich der Vorrang staatlicher Ausgrabungen normiert (§ 12 Abs. 2 S. 1 NDSchG). In der Kommentarliteratur zum niedersächsischen Denkmalschutzgesetz wird sogar vertreten, dass privilegierte Forschungsvorhaben des Landes solche des Landesamtes für Denkmalschutz und anderer landeseigener Forschungsstellen (z. B. Institut für historische Küstenforschung) seien; ausdrücklich ausgenommen werden aber Universitäten.681 Ein solcher Vorrang staatlicher Forschungsvorhaben vor universitärerer Forschung ist verfassungswidrig. Die Wissenschaftsfreiheit hindert nicht die Festlegung strenger qualitativer Mindestanforderungen. Aber ein staatliches Forschungsmonopol verletzt Art. 5 Abs. 3 GG.682 Die Freiheit der Forschung umfasst insbesondere die Fragestellung und Methodik der Forschung; der Prozess der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist jeglichem staatlichen Einfluss entzogen.683 Archäologische Kulturgüter sind in situ stark gefährdet. Die Bewirtschaftung des Waldes, die Landwirtschaft, der Abbau von Bodenschätzen und jede Bau679 Oebbecke, Das Recht der Bodendenkmalpflege in der Bundesrepublik Deutschland, DVBl. 1983, S. 384, 388. 680 Viebrock, Hessisches Denkmalschutzrecht, 3. Auflage, 2007, § 21, Rn. 3; Kleine-Tebbe, in: Kleine-Tebbe/Martin (Hrsg.), Denkmalrecht Niedersachsen, 2. Auflage, 2000, § 12, 2.2.4.2.; Majocco, in: Strobl/Majocco/Sieche, Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg, 2. Auflage, 2001, § 21, Rn. 4, 5. 681 Kleine-Tebbe, in: Kleine-Tebbe/Martin (Hrsg.), Denkmalrecht Niedersachsen, 2. Auflage, 2000, § 12, 2.2.4.2. 682 So auch Backhaus, Denkmalrecht in Niedersachsen, 1988, S. 110; Oebbecke, Das Recht der Bodendenkmalpflege in der Bundesrepublik Deutschland, DVBl. 1983, S. 384, 388. 683 BVerfGE 35, S. 79, 112f.
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tätigkeit bedrohen die undokumentierten, ungelesenen Bodenurkunden.684 Ebenso sind archäologische Kulturgüter in ihrem Fundzusammenhang durch gezielte Raubgrabungen (z. B. durch Sondengänger) gefährdet. Daraus ergibt sich das Interesse der Landesarchäologen, die ungestörten Quellen im Boden zu schützen. Die Erhaltung der unverfälschten Bodenurkunde ist auch ganz im Sinne des oben beschriebenen historischen Wertes.685 Die wissenschaftlich durchgeführte Ausgrabung führt zwar zur Zerstörung des Fundzusammenhangs. Aber bei der wissenschaftlichen Grabung wird die Bodenurkunde gelesen. Damit kann das archäologische Kulturgut überhaupt erst seine identitätsstiftende Wirkung entfalten. Wann die wissenschaftlichen Methoden weit genug entwickelt sind, um die Grabung sinnvoller Weise vorzunehmen, ist vor allem eine Frage, die die Wissenschaft selbst beantworten muss. Daher sollten die Länder bei der Regelung für die Grabungsgenehmigung die wissenschaftlichen Gründe als öffentliches Interesse für die Grabung ausdrücklich berücksichtigen. Sinnvoll ist dabei eine Instanz, die die Wissenschaftlichkeit der Grabung beurteilt. Die Denkmalschutzgesetze der meisten Bundesländer kann man im Sinne der Wissenschaftsfreiheit verfassungsgemäß auslegen, in dem bei der Behördenentscheidung die Wissenschaftsfreiheit zu berücksichtigen ist. Die Regelung in Niedersachsen, die einen Vorrang staatlicher Ausgrabungen normiert, ist eindeutig verfassungswidrig und dringend zu überarbeiten. c)
Archäologische Kulturgüter als nachgelassene Werke
Im Zusammenhang mit der »Himmelsscheibe von Nebra« wurde die Frage relevant, ob an neu aufgefundenen archäologischen Kulturgütern ein Leistungsschutzrecht nach § 71 UrhG bestehen kann. Nach einer Betrachtung der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des nachgelassenen Werkes folgt eine Bewertung anhand der einschlägigen verfassungsrechtlichen Wertungen. aa) Das nachgelassene Werk in seiner einfachgesetzlichen Ausgestaltung Nach § 71 Abs. 1 S. 1, 2 UrhG soll derjenige, der ein nicht erschienenes Werk nach Erlöschen des Urheberrechts erstmals erscheinen lässt oder ein nicht erschienenes Werk, dessen Urheber länger als 70 Jahre tot ist, erscheinen lässt, das ausschließliche Verwertungsrecht für 25 Jahre (§ 71 Abs. 3 S. 1 UrhG) erhalten. Diese Vorschrift hatte in der Vergangenheit eine geringe Relevanz.686 In letzter 684 Trier, Teil I, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Auflage, 2010, S. 848, 851f. 685 Vgl. oben D. III. 2. a) bb). 686 Götting/Lauber-Rönsberger, Der Schutz nachgelassener Werke, GRUR 2006, S. 638. Lediglich BGHZ 64, S. 164ff. »Te Deum«.
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Zeit gab es einige vielbeachtete Entscheidungen zu nachgelassenen Werken. Insbesondere der durch alle Instanzen geführte Rechtsstreit um die VivaldiOper »Motezuma«687 sorgte für Aufsehen. Aber auch die »Himmelsscheibe von Nebra« als archäologisches Kulturgut war Gegenstand mehrerer Entscheidungen.688 Das LG Magdeburg sprach dem Land Sachsen-Anhalt das Leistungsschutzrecht aus § 71 UrhG zu. Das Land Sachsen-Anhalt begehrte mit seiner Klage die Einwilligung in die Löschung von zwei Wort-Bildmarken mit dem leicht stilisierten Bild der Himmelsscheibe und den Schriftzug »Himmelsscheibe von Nebra« bzw. »Himmelsscheibe Mittelberg Ziegelroda« und einer Bildmarke mit der stilisierten Himmelsscheibe. Diese Marken waren für mehrere Warengruppen (u. a. Juwelierwaren, Uhren, Papier, Büroartikel, Porzellan und Bekleidung) eintragen, die üblicher Weise Merchandising-Artikel darstellen.689 Gemäß § 13 Abs. 1 MarkenG kann die Eintragung einer Marke gelöscht werden, wenn ein anderer ein prioritätsälteres Recht hat, das ihn berechtigt, die Nutzung der Marke zu untersagen. Zu diesen Rechten zählen ausdrücklich auch Urheberrechte (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG). Im Ergebnis sprach das LG Magdeburg dem Land Sachsen-Anhalt das Leistungsschutzrecht aus § 71 UrhG zu. Damit besteht an der »Himmelsscheibe von Nebra« für die Dauer von 25 Jahren ein ausschließliches, dem Urheberrecht gleichgestelltes Verwertungsrecht an dem an sich gemeinfreien Werk.690 Soweit ersichtlich wurde noch nie vorher ein archäologisches Kulturgut über § 71 UrhG remonopolisiert.691 Wie weitreichend die Folgen der Rechtsauffassung des LG Magdeburg sind, wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass dann alle archäologischen Funde mit Werkcharakter der letzten 25 Jahre jeweils bei einer Person monopolisiert sind. Abgesehen davon, dass § 71 UrhG an sich bereits sehr umstritten ist,692 ergeben sich bei archäologischen Kulturgütern zahlreiche Spezialfragen, die im Folgenden erörtert werden.
687 BGH, ZUM 2009, S. 770ff.; zuvor OLG Düsseldorf, ZUM 2007, S. 386ff.; LG Düsseldorf, ZUM 2006, S. 654 ff; im Eilverfahren OLG Düsseldorf, ZUM 2005, S. 825ff. 688 LG Magdeburg, NJW 2004, S. 2988ff.; LG Magdeburg, Az. 7 O 703/05 vom 19. April 2005; Beschluss zur Löschung der Marke vom DPMA, AZ. S 211/09 Lösch vom 27. September 2010 wegen fehlender Unterscheidungskraft. 689 LG Magdeburg, NJW 2004, S. 2988, 2989. 690 Thum, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, 2014, § 71, Rn. 1. 691 Langer, Der Schutz nachgelassener Werke, 2012, S. 13. 692 Thum, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, 2014, § 71, Rn. 2.
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Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
(1) Werkcharakter Der Begriff des Werkes ergibt sich aus § 2 Abs. 2 UrhG und erfordert eine persönliche geistige Schöpfung. Bei archäologischen Kulturgütern dürfte es sich regelmäßig um Arbeiten handeln, die vor Inkrafttreten des UrhG im Jahre 1965 entstanden sind. Damit stellt sich die Frage, ob die heutigen Anforderungen an die Gestaltungshöhe zu stellen sind. Nach herkömmlichem Verständnis muss sich das Werk von der Masse des Alltäglichen und von lediglich handwerklichen oder routinemäßigen Leistungen abheben.693 Für die Beurteilung der Werkeigenschaft wird grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Werkschöpfung abgestellt.694 Die spätere Kunstentwicklung soll nicht zu einer Änderung des urheberrechtlichen Schutzes führen.695 Wird man bei der »Himmelsscheibe von Nebra« aufgrund der verwendeten Materialien noch davon ausgehen können, dass es sich nicht um alltägliche Massenware handelte, so kann bei anderen archäologischen Kulturgütern die Feststellung der ausreichenden Schöpfungshöhe durchaus Probleme bereiten. Zu denken ist hier an frühere Gebrauchsgegenstände wie Tongefäße oder Schmuckstücke. Bei archäologischen Kulturgütern wird es regelmäßig Schwierigkeiten bereiten, Maßstäbe festzulegen, was damals dem Durchschnitt entsprach und inwiefern sich das Kulturgut davon abhebt.696 Man müsste den bekannten Formenschatz und die durchschnittlichen handwerklichen Fähigkeiten zum damaligen Zeitpunkt kennen. Das mag für manche kunsthistorisch gut erforschte Periode möglich sein. Für Zeiträume für die bisher wenige Funde bekannt sind, bereitet es dagegen erhebliche tatsächliche Schwierigkeiten. Es ist dann schlicht unbekannt, was kulturelles Gemeingut im Entstehungszeitraum war.697 (2) Gemeinfreiheit des Werkes Voraussetzung für das Entstehen des Leistungsschutzrechts ist, dass das Werk gemeinfrei ist. Gemeinfrei ist das Werk, wenn das Urheberrecht entweder bereits erloschen ist (§ 71 Abs. 1 S. 1 UrhG) oder das Werk niemals im Geltungsbereich dieses Gesetzes geschützt war und der Urheber länger als 70 Jahre tot ist (§ 71 Abs. 1 S. 2 UrhG). Die erste Alternative dürfte für archäologische Kulturgüter weniger relevant sein, da hier vorausgesetzt wird, dass für das Werk ein Schutz 693 Schulze, in: Dreier/Schulze (Hrsg.), Urheberrechtsgesetz, 4. Auflage, 2013, § 2, Rn. 18. 694 BGH, GRUR 1961, S. 635, 638 – Stahlrohrstuhl I; Schulze, in: Dreier/Schulze (Hrsg.), Urheberrechtsgesetz, 4. Auflage, 2013, § 2, Rn. 35; Bullinger, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, 2014, § 2, Rn. 12. 695 Bullinger, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, 2014, § 2, Rn. 12. 696 Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 72. 697 Langer, Der Schutz nachgelassener Werke, 2012, S. 80.
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durch das Urheberecht bestand. Regelmäßig sind neu entdeckte archäologische Kulturgüter solche, die im Geltungsbereich des UrhG niemals geschützt waren und deren Urheber schon länger als 70 Jahre tot ist (§ 71 Abs. 1 S. 2 UrhG). Für § 71 Abs. 1 S. 2 UrhG ist umstritten, wie die Formulierung »nicht erschienene Werke, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes niemals geschützt waren« zu verstehen ist.698 Die Schwierigkeiten beruhen vor allem darauf, dass die deutsche Formulierung von Art. 4 der Schutzdauer-RL699 in der Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber bei der Neufassung von § 71 UrhG abweicht. Art. 4 Schutzdauer-RL Schutz zuvor unveröffentlichter Werke: Wer ein zuvor unveröffentlichtes Werk, dessen urheberrechtlicher Schutz abgelaufen ist, erstmals erlaubterweise veröffentlicht bzw. erlaubterweise öffentlich wiedergibt, genießt einen den vermögensrechtlichen Befugnissen des Urhebers entsprechenden Schutz. Die Schutzdauer für solche Rechte beträgt 25 Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem das Werk erstmals erlaubterweise veröffentlicht oder erstmals erlaubterweise öffentlich wiedergegeben worden ist. § 71 UrhG Nachgelassene Werke: (1) Wer ein nicht erschienenes Werk nach Erlöschen des Urheberrechts erlaubterweise erstmals erscheinen läßt oder erstmals öffentlich wiedergibt, hat das ausschließliche Recht, das Werk zu verwerten. Das gleiche gilt für nicht erschienene Werke, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes niemals geschützt waren, deren Urheber aber schon länger als siebzig Jahre tot ist. Die §§ 5 und 10 Abs. 1 sowie die §§ 15 bis 24, 26, 27, 44a bis 63 und 88 sind sinngemäß anzuwenden.
In Art. 4 der Schutzdauer-RL wird verlangt, dass der urheberrechtliche Schutz abgelaufen sein muss. Das setzt nach dem Wortlaut voraus, dass zuvor urheberrechtlicher Schutz bestanden haben muss. Die Formulierung wurde im Gesetzgebungsverfahren mehrfach geändert700 und offenbar mit Bedacht gewählt. Im ersten Entwurf heißt es noch »ein gemeinfreies Werk«.701 In der Begründung zum Regierungsentwurf der deutschen Umsetzungen wird ausgeführt, dass der »Sinn und Zweck … über den Wortlaut hinaus, dahin verstanden werden [kann], daß ein Anlaß zur Veröffentlichung auch solcher nachgelassener Werke gegeben werden soll, die historisch bedingt … im Geltungsbereich des UrhG niemals urheberrechtlich geschützt waren, deren Schutz
698 Umfangreiche Nachweise bei Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 38ff. und Langer, Der Schutz nachgelassener Werke, 2012, S. 81ff. 699 Richtlinie 93/98/EWG des Rates zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte vom 29. Oktober 1993, ABl. EG L 290/9. 700 Zur Entstehungsgeschichte: Langer, Der Schutz nachgelassener Werke, 2012, S. 82. 701 Vorschlag des Parlaments vom 19. November 1992, ABl. EG C 337/207.
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Rechtliche Konsequenzen für den Schutz archäologischer Kulturgüter
jedoch unter Anwendung des geltenden Rechts abgelaufen wäre.«702 Diese Auffassung wird zum Teil von der Literatur gestützt.703 Als Begründung dafür wird die Anreizfunktion des § 71 UrhG für die Herausgabe und öffentliche Wiedergabe bislang unbekannter Werke angeführt.704 Der Regelungszweck des § 71 UrhG ist aber wiederum seit jeher umstritten. Deshalb gibt es ebenso Stimmen in der Literatur, die die Anwendung des § 71 UrhG auf Werke begrenzen, bei denen einmal Urheberrechtsschutz bestanden hat.705 Zur Begründung wird neben dem Wortlaut der Schutzdauer-RL auf Beweisschwierigkeiten aufgrund der lange zurückliegenden Werkentstehung verwiesen. Beiden Auffassungen liegen Argumente zu Grunde, die nicht von der Hand zu weisen sind. Ob § 71 UrhG tatsächlich auf archäologische Kulturgüter anzuwenden ist, für die niemals urheberrechtlicher Schutz bestand, kann erst zum Schluss mit Hilfe der ratio von § 71 UrhG unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertungen festgestellt werden. (3) Nicht erschienenes Werk Weitere Schutzvoraussetzung ist, dass das Werk bisher nicht erschienen ist. Nach § 6 Abs. 2 S. 1 UrhG ist ein Werk erschienen, wenn mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht werden. Für Werke der bildenden Künste gilt die Besonderheit, dass das Werk auch dann erschienen ist, wenn das Original (oder ein Vervielfältigungsstück) bleibend der Öffentlichkeit zugänglich ist (§ 6 Abs. 2 S. 2 UrhG). Das Nichterscheinen führt gerade bei archäologischen Kulturgütern regelmäßig zu Problemen im Hinblick darauf, dass dieses Tatbestandsmerkmal aufgrund des regelmäßig hohen Alters von Artefakten schwer oder gar nicht nachweisbar ist. Letztlich handelt es sich insoweit um eine Beweisrechtsfrage. Grundsätzlich muss jede Partei die für sie günstigen Umstände beweisen. Wenn (wie beim Nichterscheinen) ein Tatbestandsmerkmal im Nichtvorhandensein eines tatsächlichen Umstands (sog. Negativbeweis) besteht, kehrt sich die Beweislast nicht um.706 702 BT-Drs. 13/781, S. 14. 703 Thum, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, 2014, § 71, Rn. 20; Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 78; Götting/ Laubner-Rönsberg, Noch einmal: Die Himmelsscheibe von Nebra, GRUR 2007, S. 303, 304. 704 Thum, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, 2014, § 71, Rn. 1; Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 79. 705 Langer, Der Schutz nachgelassener Werke, 2012, S. 13; Eberl, Himmelsscheibe von Nebra, GRUR 2006, S. 1009. 706 Prütting, in: Krüger/Rauscher (Hrsg.), Münchener Kommentar ZPO, 4. Auflage, 2013, § 286 Rn. 122.
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In der Entscheidung zur »Himmelsscheibe von Nebra« geht das LG Magdeburg davon aus, dass es dem Sinn und Zweck des § 71 UrhG widersprechen würde, wenn man vom Anspruchsteller den Nachweis verlangen würde, dass ein vermutlich mehrere tausend Jahre verschollenes Werk niemals zuvor der Öffentlichkeit zugänglich war. Allein aus dem offensichtlich sehr langen Zeitraum, den die Scheibe im Boden verborgen war, und der Behauptung, es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Himmelsscheibe früher einmal der Öffentlichkeit zugänglich war, wird das Nichterscheinen gefolgert.707 Letztlich vermutet damit das LG Magdeburg ein Nichterscheinen. Das ist in der Literatur auf Ablehnung gestoßen.708 Auch beim Negativbeweis werden die allgemeinen Beweislastregeln nicht außer Kraft gesetzt. Der BGH hat in seiner Entscheidung zu Vivaldis Oper »Motezuma« seine Auffassung zur Beweislast für Erscheinen oder Nichterscheinen eines Werkes gemäß § 71 UrhG dargelegt.709 Danach trifft auch beim Negativbeweis jede Prozesspartei die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der für sie günstigen Rechtsnorm.710 Allerdings ist den Schwierigkeiten, die sich aus dem Beweis des Nichtvorliegens einer Tatsache ergeben, dadurch Rechnung zu tragen, dass der Prozessgegner sich nicht mit dem bloßen Bestreiten begnügen darf. Vielmehr muss er substantiiert darlegen, welche Umstände für das Vorliegen der Tatsache sprechen.711 Dem ist in vollem Umfang zuzustimmen, da dieses Vorgehen sich an den allgemeinen Beweislastregeln orientiert und zu einer sachgerechten Lösung führt. Andernfalls würde § 71 UrhG aus beweisrechtlichen Gründen faktisch unanwendbar sein. Wendet man die dargestellten Grundsätze auf den Fall der »Himmelsscheibe von Nebra« an, so könnte für ein früher bereits erfolgtes Erscheinen sprechen, dass für die Himmelsscheibe eine praktische Verwendung, etwa zu religiösen oder astronomischen Zwecken, nahe liegt. Die in mehrfacher Hinsicht aufwendige Herstellung und die Verwendung kostbarer Materialien sprechen laut Eberl dafür, dass eine den damaligen Verhältnissen und Umständen entsprechende Bekanntgabe an eine Öffentlichkeit erfolgte.712 Es ist jedoch fraglich, ob das für ein Erscheinenlassen im Sinne von § 6 Abs. 2 UrhG ausreicht. Da bisher davon auszugehen ist, dass es sich bei der Himmelsscheibe um ein Einzelstück 707 LG Magdeburg, NJW 2004, S. 2988, 2989. 708 Eberl, Himmelsscheibe von Nebra, GRUR 2006, S. 1009; Rüberg, Mo(n)tezumas späte Rache, ZUM 2006, S. 122, 127; Götting/Lauber-Rönsberger, Der Schutz nachgelassener Werke, GRUR 2006, S. 638, 642; Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 97. 709 BGH, ZUM 2009, S. 770. 710 BGH, ZUM 2009, S. 770, 771. Zu anderen Auffassungen in der Literatur Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 84ff. 711 BGH, ZUM 2009, S. 770, 771f.; GRUR 2008, S. 625, 627. 712 So Eberl, Himmelsscheibe von Nebra, GRUR 2006, S. 1009.
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handelt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Vervielfältigungstücke der Öffentlichkeit angeboten wurden (§ 6 Abs. 2 S. 1 UrhG). Damit käme nur noch in Betracht, dass das Werk in der Bronzezeit der Öffentlichkeit bleibend zugänglich gemacht wurde (§ 6 Abs. 2 S. 2 UrhG). Für eine bleibende Veröffentlichung genügt jedoch eine nur vorübergehende Aufstellung im öffentlichen Raum nicht.713 Dafür, dass die Himmelsscheibe dauerhaft der damaligen Öffentlichkeit zugänglich war und nicht nur einzelne Personen permanenten Zugriff hatten, reichen die Anhaltspunkte nicht aus. Somit ist davon auszugehen, dass nicht ausreichend substantiiert vorgetragen werden kann, dass die Himmelsscheibe in der Bronzezeit erschienen war. Das würde für den Beweis des Nichterscheinens der Himmelsscheibe genügen. Für archäologische Kulturgüter führt die Lösung des BGH dazu, dass das Nichterscheinen immer dann vermutet wird, wenn die tatsächliche Verwendung aufgrund des Alters des Artefakts schlicht unbekannt ist. Da archäologische Kulturgüter vor ihrer Entdeckung im kulturellen Gedächtnis nicht (mehr) existent sind und durch Veröffentlichung wieder Teil desselben werden sollen, ist das sachgerecht. (4) Erstmaliges Erscheinenlassen Wie oben bereits dargestellt ist ein Werk nach § 6 Abs. 2 S. 1 UrhG erschienen, wenn Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht werden oder Werke der bildenden Künste bleibend der Öffentlichkeit zugänglich sind (§ 6 Abs. 2 S. 2 UrhG). Als Vervielfältigungsstücke kommen alle Verkörperungen in Betracht, die es ermöglichen, das Werk entweder direkt oder mittels technischer Geräte wahrzunehmen.714 Die »Himmelsscheibe von Nebra« wurde der breiten Öffentlichkeit erstmals durch einen Artikel im FOCUS am 25. Februar 2002 mit dem Titel »Die Jagd nach den Sternen« mit Lichtbild vorgestellt. Am 27. Februar 2002 veröffentlichte die Staatsanwaltschaft Basel auf ihrer Internetseite zwei Fotos der Himmelsscheide, die am nächsten Tag in der Basler Zeitung ebenfalls abgebildet waren. Am 25. September 2002 stellte das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie des Landes Sachsen-Anhalt die Scheibe der Öffentlichkeit in einer Pressekonferenz vor und verteilte Abbildungen über eine Pressemitteilung und eine CD-ROM an die Anwesenden.715 Das erstmalige Erscheinen liegt also am 25. Februar 2002 durch den Artikel im FOCUS vor.
713 Dreier, in: Dreier/Schulze (Hrsg.), Urheberrechtsgesetz, 4. Auflage, 2013, § 6 Rn. 18. 714 Dreier, in: Dreier/Schulze (Hrsg.), Urheberrechtsgesetz, 4. Auflage, 2013, § 6 Rn. 13. 715 LG Magdeburg, NJW 2004, S. 2988.
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(5) Erlaubter Weise Hinzukommen muss, dass dieses erstmalige Erscheinen »erlaubterweise« geschehen ist. Da es sich um gemeinfreie Werke handelt, kann es nicht um die Erlaubnis des Urhebers oder seiner Rechtsnachfolger gehen. Der Begriff fand durch die Umsetzung der Schutzdauer-RL Eingang in § 71 UrhG. Dabei sollte die Auslegung ausdrücklich den Gerichten überlassen sein.716 Daher ist die in der Literatur teilweise vertretene Auffassung, dass das Merkmal »erlaubterweise« bedeutungslos sei,717 abzulehnen. Soweit ersichtlich hat bisher das LG Magdeburg als einziges Gericht dazu Stellung bezogen.718 Das LG Magdeburg ging davon aus, dass der Eigentümer derjenige ist, der neben dem Urheber das stärkste Recht am Werk hat. Da bei einem gemeinfreien Werk der Urheber und dessen Rechtsnachfolger nicht mehr vorhanden seien, sei der Eigentümer der Einzige, der berechtigter Weise Einfluss auf das Werk nehmen könne. Der Anreiz, aus der Vermarktung finanziellen Nutzen ziehen zu können, solle verhindern, dass die Veröffentlichung an den Kosten scheitere. Die Eigentümerstellung des Landes Sachsen-Anhalt ergab sich für die »Himmelsscheibe von Nebra« aus dem dort geltenden Schatzregal (§ 12 DSchG Sachsen-Anhalt).719 Die Auffassung des LG Magdeburg ist auf Kritik gestoßen. Hier werde in unzulässiger Weise das Sacheigentum mit dem geistigen Eigentum vermischt.720 Einigkeit besteht insofern, als dass derjenige, der an das Werk als Dieb oder Raubgräber unter Verstoß gegen die Rechtsordnung gekommen ist, nicht in den Genuss des Leistungsschutzrechts kommen soll.721 Wenn das Merkmal »erlaubterweise« sich auf eine Zustimmung des Eigentümers beziehen sollte, dann wäre es für den Gesetzgeber ein leichtes gewesen, das auch so zu formulieren. Im Übrigen spricht dagegen, dass das deutsche
716 BT-Drs. 13/781, S. 14. 717 Nordemann, Axel, in: Nordemann, W./Nordemann, A./Nordemann, J. B. (Hrsg.), Urheberrecht, 10. Auflage, 2008, § 71, Rn. 24; Linstow, Motezuma, Himmelsscheibe und das System der Schutzrechte, in: Ahrens/Bornkamm/Kunz-Hallstein (Hrsg.), Festschrift für Eike Ullmann, 2006, S. 297, 308. 718 LG Magdeburg, NJW 2004, S. 2988, 2989. Das Gericht diskutiert die Frage anhand der Berechtigung zum Erscheinenlassen bei § 6 Abs. 2 UrhG. Dort geht es aber um die Zustimmung des Urhebers. Das ist bei einem gemeinfreien Werk verfehlt. 719 Zum Schatzregal: E. III. 2. a). 720 Götting, Laubner-Rönsberg, Noch einmal: Die Himmelsscheibe von Nebra, GRUR 2007, 303, 304; Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 136. 721 Dreier, in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Auflage, 2013, § 71 Rn. 8; Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 138; Götting/Lauber-Rönsberger, Der Schutz nachgelassener Werke, 2006, S. 56.
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Urheberrecht strikt zwischen den Persönlichkeits- und Verwertungsrechten des Urhebers und dem Eigentum an der Sache trennt.722 Inhaber des Schutzrechts (6) Die Vorschrift des § 71 UrhG benennt den Inhaber des Leistungsschutzrechts nicht konkret. In der Literatur ist die Lösung umstritten. Vertreten werden annähernd alle denkbaren Alternativen: der Finder,723 der Restaurator,724 der Eigentümer,725 der Verleger726 und der Herausgeber.727 Dabei wird regelmäßig Rückgriff auf den Schutzzweck des § 71 UrhG genommen. Eben jener Schutzzweck ist aber seit jeher umstritten.728 Die am häufigsten in der Literatur diskutierten möglichen Schutzrechtsinhaber sind der Verleger und der Herausgeber. Beide Begrifflichkeiten werden allerdings in aller Regel bei der Veröffentlichung von Druckerzeugnissen verwendet.729 Der Verleger ist der Unternehmer, der das Erscheinen und Verbreiten von Druckwerken bewirkt; der Herausgeber ist die Person, die beim Erscheinenlassen des Druckwerkes die geistige Oberaufsicht führt und somit die »geistige Richtung« des Druckwerkes bestimmt.730 Bei Werken der bildenden Kunst gibt es keinen Herausgeber und keinen Verleger.731 Die Frage nach dem Schutzzweck des § 71 UrhG und die Anwendbarkeit auf archäologische Kulturgüter lässt sich möglichweise durch die Anknüpfung an die verfassungsrechtlichen Werte beantworten. bb) Schutzzweck des § 71 UrhG Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 71 UrhG sind sehr umstritten. Das liegt wohl daran, dass über den Sinn und Zweck der Norm die Auffassungen 722 BGHZ 129, S. 66, 70; Wandtke/Grunert, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, 2014, Vor §§ 31ff., Rn. 54. 723 Tietze, VG Musikedition, in: Moser/Scheuermann (Hrsg.), Handbuch der Musikwirtschaft, 6. Auflage, 2003, S. 715, 719; Meckel, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel (Hrsg.), Urheberrecht, 2009, § 71 Rn. 13. 724 Langer, Der Schutz nachgelassener Werke, 2012, S. 150. 725 So offenbar LG Magdeburg, NJW 2004, S. 2988, 2989. 726 BGHZ 64, S. 164; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 5. Auflage, 2010, Rn. 740. 727 Thum, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, 2014, § 71, Rn. 32 m.w.N. 728 Zur historischen Entwicklung der verschiedenen Begründungsansätze Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 26ff. 729 Krakies, Verlagsverträge für Belletristik und Sachbuch, in: Berger/Wündisch, Urhebervertragsrecht, 2008, § 17 Rn. 26. 730 Wandtke/Grunert, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, 2014, § 38 Rn. 3. 731 So für die Himmelsscheibe von Nebra Ohly, Von einem Indianerhäuptling, einer Himmelsscheibe einer Jeans und dem Lächeln der Mona Lisa, in: Pahlow/Eisfeld (Hrsg.), Grundlagen und Grundfragen des Geistigen Eigentums, 2008, S. 203, 209.
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ebenfalls auseinandergehen. Je nachdem welchen Regelungszweck der jeweilige Autor annimmt, fällt dann auch das Ergebnis der teleologischen Auslegung unterschiedlich aus. (1) Stand der Literatur zum Regelungszweck des § 71 UrhG Nach § 71 UrhG hat derjenige, der ein gemeinfreies, bisher noch nicht erschienenes Werk erstmals erscheinen lässt, ein ausschließliches Verwertungsrecht für 25 Jahre. Damit hat er die gleichen umfassenden Verwertungsrechte wie der Urheber. An der schöpferischen Leistung hat er jedoch keinerlei Anteil. Solch ein umfassender Schutz an einem fremden Werk ist im UrhG im Bereich der Leistungsschutzrechte einmalig.732 Dazu kommt, dass es sich um ein gemeinfreies Werk handelt, dessen Verbreitung und Wiedergabe grundsätzlich jedermann freisteht. Die Norm führt zu einer Remonopolisierung gemeinfreier Werke. Der Schutzzweck des § 71 UrhG ist bis heute nicht abschließend geklärt.733 Verschiedene Theorien zur Begründung eines Schutzes der Erstausgabe nachgelassener Werke entwickelten sich schon Mitte des 19. Jahrhunderts.734 Tatsächlich eingeführt wurde es 1965 in das deutsche Urheberrecht. Selbst der Gesetzgeber scheint sich über den Grund für das Leistungsschutzrecht nicht im Klaren zu sein. In der Begründung zum Regierungsentwurf wird das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk einmal damit begründet, dass die Leistung zwar nicht als schöpferisch anzusehen sei, aber der Leistung des Urhebers nahestehe.735 An anderer Stelle heißt es, dass »das Schutzrecht […] nicht für eine der schöpferischen Leistung des Urhebers verwandte wissenschaftliche Tätigkeit gewährt wird, sondern lediglich die faktische Herausgabe des Werkes belohnen soll.«736 Als die Schutzfrist 1989 auf 25 Jahre verlängert wurde, wurde als Begründung angeführt, dass »diejenigen die die Ausgaben besorgen, wissenschaftliche Leistungen, die in ihren geistigen Anforderungen regelmäßig über einfache Bearbeitungen hinausgehen [erbringen].«737 In der Literatur wird zumeist eine Anreizfunktion von § 71 UrhG angenommen.738 Das Auffinden und die Herausgabe verursache einen erheblichen
732 Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 42; Stang, Das urheberrechtliche Werk nach Ablauf der Schutzfrist, 2011, S. 136. 733 Götting/Lauber-Rönsberger, Der Schutz nachgelassener Werke, 2006, S. 19. 734 Zur historischen Entwicklung der verschiedenen Begründungsansätze Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 26ff. 735 BT-Drs. IV/270, S. 86. 736 BT-Drs. IV/270, S. 88. 737 BT-Drs. 11/5744, S. 35. 738 Thum, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, 2014, § 71, Rn. 1; Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 53;
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Arbeits- und Kostenaufwand. Deshalb sei ein Investitionsschutz für den Herausgeber gerechtfertigt.739 Andererseits wird argumentiert, vorrangig solle das Interesse der Allgemeinheit und des einzelnen Rezipienten an der erstmaligen Zugänglichmachung eines bisher unbekannten Werkes bedient werden.740 Teilweise wird vertreten, dass die Vorschrift nicht den Fund als solchen, sondern allein die tatsächliche Herausgabe des Werkes honoriere.741 Dem ist entgegenzuhalten, dass eine Herausgabe eines bisher unbekannten Werkes denknotwendig nicht ohne sein vorheriges Auffinden möglich ist. Das Auffinden ist häufig mit einer wissenschaftlichen Leistung verknüpft.742 Deshalb wird auch vertreten, dass dem Wissenschaftler, der das Werk entdeckt und seinen Wert erkennt, das Leistungsschutzrecht aus § 71 UrhG als »Finderlohn« zustehen soll.743 Letztlich kommen für das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk als Schutzzwecke in Betracht: – der Investitionsschutz des Herausgebers, – das Interesse der Allgemeinheit Kenntnis von bisher unbekannten Werken zu erlangen und – eine »Belohnung« des Wissenschaftlers, der das Werk gefunden hat. Sicher nicht bezweckt war ein Leistungsschutzrecht für denjenigen, der widerrechtlich in den Besitz des Werkes gekommen ist (z. B. Raubgräber). (2) Verfassungsrechtliche Anknüpfung der verschiedenen Interessen Hier werden im Folgenden die relevanten Verfassungsrechtsgüter bei der Ermittlung von Sinn und Zweck der Norm mit einbezogen. Diese verfassungsorientierte Auslegung einer Norm mit Interpretationsspielraum soll den Grundentscheidungen der Verfassung Beachtung verschaffen.744 Von diesen Grundentscheidungen und damit vor allem von den Grundrechten gehen
739 740 741 742 743 744
Götting/Lauber-Rönsberger, Der Schutz nachgelassener Werke, 2006, S. 19; Loewenheim, in: Loewenheim (Hrsg.), Urheberrecht, 4. Auflage, 2010, § 71 Rn. 1. Thum, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, 2014, § 71, Rn. 1. Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 53. Götting/Lauber-Rönsberger, Der Schutz nachgelassener Werke, 2006, S. 62. Insbesondere bei archäologischen Kulturgütern, die im Rahmen wissenschaftlicher Ausgrabungen gefunden werden. Tietze, VG Musikedition, in: Moser/Scheuermann (Hrsg.), Handbuch der Musikwirtschaft, 6. Auflage, 2003, S. 715, 718f.; Thum, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, 2014, § 71, Rn. 2, 33. Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 7. Auflage, 2007, Rn. 448; Vosskuhle, Theorie und Praxis der verfassungskonformen Auslegung, AöR 2000, S. 177, 180.
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Richtlinien und Impulse für die Gesamtrechtsordnung aus.745 Die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen sind interpretationsleitend, so dass ihr »wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt.«746 (a) Investitionsschutz Das LG Magdeburg geht in seiner Entscheidung zur »Himmelsscheibe von Nebra« davon aus, dass es dem Eigentümer vorbehalten sei, Inhaber des Leistungsschutzrechts aus § 71 UrhG zu werden.747 Einen Urheber, dessen persönliche und wirtschaftliche Interessen es zu schützen gilt, gibt es beim nachgelassenen Werk nicht mehr. Daher stellt sich die Frage, ob jetzt dem Eigentümer das ausschließliche Verwertungsrecht zustehen soll. Schließlich schützt die Eigentumsfreiheit in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG neben der Herrschafts- auch die Nutzungsbefugnis an einem konkreten Gegenstand.748 Allerdings scheidet das deutsche Recht scharf zwischen dem Sacheigentum am Werkstück und dem Urheberrecht als Immaterialgüterrecht. Wer ein Werk fotografiert, greift nicht in das Sacheigentum ein, da die Sachsubstanz unberührt bleibt und der Eigentümer weder rechtlich noch tatsächlich in der Ausübung der eigenen Sachherrschaft behindert wird.749 Nachbildungen gemeinfreier beweglicher Kunstwerke stellen keine Verletzung des Eigentums am Originalwerkstück dar.750 Es besteht kein rechtlicher Schutz für das Interesse, ein Kunstwerk als »Unikat« zu besitzen.751 Es kann bei § 71 UrhG nicht auf die Erlaubnis des Eigentümers ankommen, da er die Veröffentlichung nicht verhindern kann.752 Das Werk darf nur nicht rechtswidrig erlangt worden sein.753 Ebenso wenig kann aus der Eigentümerstellung auf die Inhaberschaft für das Recht aus § 71 UrhG geschlossen werden. Der Gesetzestext knüpft allein an die Person an, die das Werk erscheinen lässt. 745 BVerfGE 7, S. 198, 205; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 1 III, Rn. 85. 746 BVerfGE 99, S. 185, 196. 747 LG Magdeburg, NJW 2004, S. 2988, 2989. 748 Papier, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 14, Rn. 8. 749 Anders aber, wenn zum Fotografieren von Bauwerken das fremde Grundstück betreten wird BGH, NJW 2011, S. 749ff. 750 So der BGH in seiner noch immer wesentlichen Apfel-Madonna-Entscheidung, BGHZ 44, S. 288ff. 751 Stieper, Geistiges Eigentum an Kulturgütern, GRUR 2012, S. 1083, 1085. 752 So auch für die beschlagnahmten Bilder aus der Sammlung Gurlitt: Raue, Die beschlagnahmten Gurlitt-Bilder, ZRP 2014, S. 2f. 753 Stieper, Geistiges Eigentum an Kulturgütern, GRUR 2012, S. 1083, 1089; Büscher, Concertino Veneziano, in: Jacobs/Papier/Schuster (Hrsg.), Festschrift für Raue, 2006, S. 363, 376; Stroh, Der Schutz nachgelassener Werke gemäß § 71 UrhG, in: Zollner/Fitzner (Hrsg.), Festschrift für Wilhelm Nordemann, 1999, S. 269, 278.
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Im Übrigen gibt es keinen grundgesetzlich abgesicherten Investitionsschutz. Auch das aus Art. 14 GG abgeleitete Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sichert keine situationsbedingten Erwerbschancen und -vorteile.754 (b) Interesse der Allgemeinheit Im Urheberrecht gilt es, das Individualinteresse des Urhebers mit dem Interesse der Allgemeinheit an möglichst ungehinderter Rezeption des Werkes in Ausgleich zu bringen. Hier handelt es sich aber um Werke, die gemeinfrei sind. Die Gemeinfreiheit beruht auf dem Wesen geistiger Schöpfungen als Mitteilungsgut. Nach Ablauf der Schutzfrist von 70 Jahren (§ 64 UrhG) muss die Verbreitung und Wiedergabe im allgemeinen Interesse jedermann freistehen.755 Das Individualinteresse des Urhebers wurde bei gemeinfreien Werken hinreichend berücksichtigt. Im modernen Kulturstaat ist es (auch) Aufgabe des Staates, diese gemeinfreien Kulturgüter einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.756 Eines weiteren besonderen Anreizes bedurfte es bei der »Himmelsscheibe von Nebra« offensichtlich nicht, um für das erstmalige Erscheinen zu sorgen. Sowohl FOCUS als auch die Staatsanwaltschaft Bern hatten sicher nicht im Sinn, dass ein Leistungsschutzrecht entstehen könnte, wenn sie Bilder der »Himmelsscheibe von Nebra« veröffentlichen. Im Übrigen verhält sich das Land Sachsen-Anhalt widersprüchlich, wenn es einerseits versucht die »Himmelsscheibe von Nebra« zu monopolisieren757 und andererseits für selbige erfolgreich die Eintragung in das UNESCO-Programm »Memory of the World« beantragt. Wesentliches Ziel dieses Programms ist der freie Zugang der Öffentlichkeit. (c) Anreiz für den Wissenschaftler Bleibt zuletzt noch die Frage, ob dem Wissenschaftler, der mit Erlaubnis eine wissenschaftliche Grabung durchführt, eine »Belohnung« für das erstmalige Erscheinenlassen des unbekannten Werkes zustehen sollte. Die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG erfordert Kommunikation. Die Auseinandersetzung mit der Fachöffentlichkeit ist Teil der Wissenschaftlichkeit. Die Publikation der Ergebnisse ist als Tätigkeit von der Wissen754 755 756 757
Papier, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2013, Art. 14, Rn. 8. BT-Drs. IV/270, S. 79. Stieper, Geistiges Eigentum an Kulturgütern, GRUR 2012, S. 1083. Das Land Sachsen-Anhalt beharrt nicht nur auf dem Leistungsschutzrecht aus § 71 UrhG, sondern hat außerdem drei Marken (unter anderem die schlichte Fotografie der Himmelsscheibe) beim Europäischen Markenamt angemeldet.
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schaftsfreiheit mit umfasst.758 Das Recht die Forschungsergebnisse zu veröffentlichen ist zentraler Gewährleistungsgehalt von Art. 5 Abs. 3 GG.759 Diese Veröffentlichungen im Rahmen von Monografien und Aufsätzen sind in der Regel selbst schutzfähige Werke, für die dem Wissenschaftler ein Urheberrecht zusteht.760 Ein darüberhinausgehendes Leistungsschutzrecht an dem gefundenen archäologischen Kulturgut ist nicht notwendig. Ziel der Wissenschaftsfreiheit ist in erster Linie der Erkenntnisgewinn und nicht dessen Vermarktung. Ganz im Gegenteil: Die Monopolisierung der archäologischen Kulturgüter würde die wissenschaftliche Auseinandersetzung über die Forschungsergebnisse behindern. Da vor der Entdeckung der »Himmelscheibe von Nebra« kein archäologisches Kulturgut als nachgelassenes Werk geschützt wurde und trotzdem zahlreiche Funde öffentlich wurden, scheint ein besonderer Anreiz nicht erforderlich zu sein. Insbesondere sollte der Anreiz für den Wissenschaftler, eine archäologische Ausgrabung durchzuführen, wissenschaftlicher und nicht finanzieller Natur sein.761 cc)
Stellungnahme zum Schutz archäologischer Kulturgüter als nachgelassenes Werk Es ist verständlich, dass in Zeiten knapper öffentlicher Mittel Museen versuchen, archäologische Kulturgüter aus ihrem Bestand möglichst umfassend als Werbeträger zu vermarkten. Museumsträger sind interessiert, ihre archäologischen Kulturgüter durch die Vergabe von Lizenzen für Merchandising-Artikel in klingende Münze zu verwandeln. Aber die Remonopolisierung steht im Widerspruch zur grundsätzlichen Gemeinfreiheit archäologischer Kulturgüter. Außerdem verhält sich der Kulturstaat widersprüchlich, wenn er sich gleichzeitig über das Schatzregal in den meisten Bundesländern das Eigentum sichert und andererseits die Kulturgüter für sich monopolisiert. Die Begründung für das Schatzregal ist schließlich das besondere öffentliche Interesse, das einerseits in der identitätsstiftenden Wirkung archäologischer Kulturgüter und andererseits in der wissenschaftlichen Bedeutung begründet ist. Für beides wirkt eine Monopolisierung hemmend. Die Museen sind nicht daran gehindert – so wie jeder andere Sacheigentümer – ihre Kulturgüter zu vermarkten. Sie stehen damit aber in Konkurrenz zu anderen Anbietern. Letztlich haben die Museen aber mit dem Originalwerk etwas, was weder ein Bild im Internet noch eine Nachbildung wirklich ersetzen kann. Die Objekte beziehen ihre Authentizität 758 759 760 761
Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, 1994, S. 86f. Pautsch/Dillenburger, Kompendium zum Hochschul- und Wissenschaftsrecht, 2011, S. 145. Schulze, in: Dreier/Schulze (Hrsg.), Urheberrechtsgesetz, 4. Auflage, 2013, § 2, Rn. 94. Vgl. Ausführungen zur Grabungserlaubnis E. III. 2. b).
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aus dem Umstand, dass sie physisch in der Gegenwart existieren, aber aus der Vergangenheit stammen.762 Eine Kopie kann nur die äußere Form, aber nicht den Vergangenheitsbezug reproduzieren. Welchen Reiz das Original nach wie vor hat, lässt sich an den wachsenden Besucherzahlen der Museen ablesen. Die Anwendung des § 71 UrhG auf archäologische Kulturgüter wirkt aufgrund der häufig nicht vorhandenen Erkenntnisse bezüglich des erstmaligen Erscheinens konstruiert. Der Gesetzgeber hatte offensichtlich keine archäologischen Kulturgüter im Sinn, als er das nachgelassene Werk in das Urheberrechtsgesetz aufgenommen hat. Seiner Vorstellung nach sollte das Sammeln und Herausgeben alter Märchen, Volkslieder oder Volkstänze, das Auffinden alter Schriften oder Kompositionen (editio princeps) erfasst werden.763 Die »editio princeps« ist die gedruckte Erstausgabe literarischer oder musikalischer Werke.764 Im Vordergrund steht bei archäologischen Kulturgütern zum einen die Möglichkeit ihrer Erforschung durch Wissenschaftler und damit auch die ungehinderte Möglichkeit der Veröffentlichung der Erkenntnisse. Zum anderen ist für archäologische Kulturgüter die ungehinderte Nutzung des Werkes als geistiges Gut durch die Allgemeinheit, um so ihre identitätsstiftende Wirkung frei entfalten zu können, besonders relevant. Eine schlüssige Begründung, warum die Gemeinfreiheit archäologischer Kulturgüter für 25 Jahre aufgehoben sein sollte, ist nicht ersichtlich. Die Rechte des Urhebers sind nicht mit dem Sacheigentum am Werkstück verknüpft.765 Die vermögenswerten Befugnisse des Urhebers sind vielmehr untrennbar mit der persönlich-geistigen Schöpfung verbunden.766 Die Leistungsschutzrechte schützen zwar keine persönlich-geistigen Schöpfungen des Inhabers, aber sie erfordern Leistungen anderer Art durch den Inhaber.767 Die Eigentümerstellung als solche ist keine Leistung, die das Urheberrecht honoriert. Eine Verknüpfung von Eigentum und Leistungsschutzrecht aus § 71 UrhG entspricht nicht dem System des deutschen Urheberrechts und ist deshalb abzulehnen. Nach Sinn und Zweck der Norm sind archäologische Kulturgüter nicht in den Anwendungsbereich von § 71 UrhG einzubeziehen.
762 Grütter, Zur Theorie historischer Museen und Ausstellungen, in: Blanke/Jaeger/Sandkühler (Hrsg.), Dimensionen der Historik, 1998, S. 179, 191. 763 BT-Drs. IV/270, S. 87. 764 Waitz, Das Leistungsschutzrecht am nachgelassenen Werk, 2008, S. 16. 765 Wandtke, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, 2014, Vor §§ 31ff., Rn. 54; BGHZ 129, S. 66, 70. 766 BVerfGE 31, S. 229, 328f. 767 Dreier, in: Dreier/Schulze (Hrsg.), Urheberrechtsgesetz, 4. Auflage, 2013, Vor §§ 70ff., Rn. 2; Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, 1999, S. 368.
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Ergebnis
Das Schatzregal ist eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Hier zeigt die Eigenschaft der Eigentumsfreiheit als normgeprägtes Grundrecht seine Wirkung. Im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ist Bezug zu nehmen auf die identitätsstiftende Wirkung archäologischer Kulturgüter und damit das Kulturstaatsprinzip. Hinzu tritt das öffentliche Interesse an der Erforschung archäologischer Kulturgüter und somit die Wissenschaftsfreiheit. Kulturstaatsprinzip und Wissenschaftsfreiheit verstärken sich insoweit gegenseitig. Fraglich ist, ob das Kulturstaatsprinzip eine taugliche Schranke für die Wissenschaftsfreiheit ist. Das dogmatische Problem liegt in der Frage, ob das allgemeinere Prinzip geeignet ist, das mit umfasste, speziellere Freiheitsrecht zu beschränken. Das Kulturstaatsprinzip wird vor allem aus grundrechtlichen Gewährleistungen abgeleitet. Dabei nimmt Art. 5 Abs. 3 GG eine zentrale Rolle im System der Kulturverfassung ein.768 Es erscheint bedenklich, das auch aus dem objektivrechtlichen Gehalt von Art. 5 Abs. 3 GG heraus begründete Kulturstaatsprinzip gegen die Wissenschaftsfreiheit als Schranke zu verwenden. Regelmäßig unterstützen sich Kulturstaatsprinzip und Wissenschaftsfreiheit wechselseitig. Beim nachgelassenen Werk hat sich gezeigt, dass das Kulturstaatsprinzip und die Wissenschaftsfreiheit dafür sprechen, archäologische Kulturgüter nicht in den Anwendungsbereich des § 71 UrhG einzubeziehen.
768 Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 5 Abs. 3, Rn. 7.
F.
Schlussfolgerungen für den Gesetzgeber
Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Fortentwicklung des Kulturgüterschutzes hat die Bundesregierung einen Bericht zum Kulturgüterschutz in Deutschland erstellt.769 Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass der Beitritt Deutschlands zum UNESCO-Übereinkommen politisch richtig und notwendig war.770 Allerdings bedürfen sowohl das Kulturgutschutzgesetz von 1955 als auch das Kulturgüterrückgabegesetz von 2007 der Überarbeitung und Anpassung an internationale und EU-Standards. Auf dieser Grundlage wird unter Federführung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien an einer umfassenden Novellierung des deutschen Kulturgutschutzrechts gearbeitet. Ein Entwurf der gesetzlichen Neuregelungen soll 2015 vorgelegt werden. Von dem Gesetzgebungsvorhaben wird nur der grenzüberschreitende Kulturguthandel erfasst, für den dem Bund gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 und 5a GG die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Vor dem Hintergrund der bisher ermittelten Werte archäologischer Kulturgüter und ihrer verfassungsrechtlichen Einordnung stellt sich die Frage, welche Vorgaben sich daraus für den Gesetzgeber ergeben. Es hat sich gezeigt, dass archäologische Kulturgüter als Teil des kulturellen Gedächtnisses eine wichtige Rolle für die kulturelle Identität spielen. Die kulturelle Identität wiederum ist die Grundlage für die Bildung und Stabilität des Staatsvolkes in freiheitlich demokratisch organisierten Staaten. Das ist letztlich ein Grundgedanke, der hinter dem Kulturstaat als Staatszielbestimmung steht.771 Das Kulturstaatsprinzip ist die verfassungsrechtliche Grundlage für den Schutz (archäologischer) Kulturgüter.772
769 770 771 772
BT-Drs. 17/13378. BT-Drs. 17/13378, S. 7. E. II. 1. Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 282; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 36ff.; Horn, Kulturgüterschutz als Staatsaufgabe, in: Gorning/Horn/Murswiek (Hrsg.), Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte, 2007, S. 121, 131f.
156
Schlussfolgerungen für den Gesetzgeber
Daraus folgt für den Bundesgesetzgeber die Verpflichtung zum Abwanderungsschutz für deutsches Kulturgut von nationaler Bedeutung. Möglicherweise ergibt sich aber auch eine Pflicht zum Schutz von Kulturgütern anderer Staaten.
I.
Abwanderungsschutz für deutsche archäologische Kulturgüter
1.
Einführung einer generellen Exporterlaubnis
Das bisher in § 1 KultgSchG verankerte »Listenprinzip« für den Abwanderungsschutz773 ist für archäologische Kulturgüter ein untaugliches Schutzinstrument. Es beachtet die Besonderheiten archäologischer Kulturgüter nicht. Zum einen können archäologische Kulturgüter, die durch Raubgrabungen entdeckt werden, mangels Kenntnis der Behörden in keinem Verzeichnis erscheinen. Das Problem der mangelnden Kenntnis gibt es durchaus auch bei anderen Kulturgütern, da es keine Meldepflicht gibt. Zum anderen berücksichtigt es nicht, dass archäologische Kulturgüter durch die illegale Ausgrabung ihren wesentlichen Informationsgehalt, der regelmäßig im Fundzusammenhang liegt, verloren haben. Ziel des Abwanderungsschutzes sollte es insoweit nicht nur sein, dass die Kulturgüter in Deutschland bleiben sondern auch, dass sie gar nicht erst ohne Genehmigung ausgegraben werden. Andernfalls ist sowohl die identitätsstiftende Wirkung als auch der wissenschaftliche Wert stark vermindert, wenn nicht gänzlich verloren. Der Abwanderungsschutz kann hier einen Beitrag für den Schutz archäologischer Kulturgüter leisten, indem der lukrative Verkauf ins Ausland zumindest erschwert wird. Als Lösung wäre es denkbar, für die Ausfuhr von Kulturgütern immer eine Ausfuhrgenehmigung zu verlangen. Damit würde Deutschland gleichzeitig seiner Verpflichtung aus dem UNESCO-Übereinkommen nachkommen, welches eine Ausfuhrbescheinigung und das Verbot der Ausfuhr ohne Ausfuhrbescheinigung verlangt (Art. 6 UNESCO-Übereinkommen). Das »Verzeichnis für national wertvolles Kulturgut« könnte weiterhin geführt werden. Es hätte dann aber vorwiegend nachrichtlichen Charakter, so wie die Denkmallisten beziehungsweise Denkmalbücher in vielen Bundesländern. Der Eigentümer könnte nach wie vor Interesse an einer Eintragung haben, da sich daran Steuervorteile knüpfen (§ 1 Abs. 3 KultgSchG). Das Verzeichnis sollte
773 C. III. 1. a).
Abwanderungsschutz für deutsche archäologische Kulturgüter
157
übersichtlicher gestaltet werden und durch genaue Beschreibungen und Fotos ergänzt werden. Für die Frage, welche Behörde über die Erteilung der Ausfuhrgenehmigung entscheidet, bietet sich eine Anknüpfung an § 2 KultgSchG an. Bisher entscheidet die jeweilige oberste Landesbehörde nach Anhörung eines Sachverständigenausschusses über die Eintragung in das »Verzeichnis für national wertvolles Kulturgut«. Durch die Einführung einer generellen Exporterlaubnis entsteht ein wesentlich höherer Verwaltungsaufwand. Aber ernstgemeinter Kulturgüterschutz ist nicht zum »Nulltarif« zu haben. Außerdem mussten von der öffentlichen Hand für Rückkäufe deutschen Kulturgutes aus dem Ausland zum Teil bis zu zweistellige Millionenbeträge aufgewendet werden. Dieser Umstand und die Abwanderung zahlreicher bedeutender Kulturgüter in den letzten Jahren haben gezeigt, dass bisher an der falschen Stelle gespart wurde.774 Dieser Lösungsweg wäre für den Zöllner bei der Ausfuhrkontrolle praktikabel, da er nicht mehr selbst prüfen muss, ob es sich um national wertvolles Kulturgut handelt. Außerdem haben die Behörden so wenigstens bei der Absicht der Ausfuhr, die Möglichkeit Kenntnis von den Kulturgütern zu erlangen und zu prüfen, ob diese national wertvoll sind. Die Einführung einer solchen Regelung muss sich an Art. 14 GG messen lassen. Da hier die Verfügungsbefugnis des Eigentümers eingeschränkt wird, handelt es sich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung.775 Da ein Verbot der Ausfuhr ohne Genehmigung an ein künftiges Ereignis anknüpft, entfaltet die Norm keine Rückwirkung.776 Die Inhalts- und Schrankenbestimmung müsste verhältnismäßig sein. Eine generelle Genehmigungspflicht ist geeignet, die Abwanderung von national wertvollem Kulturgut zu verhindern. Die Beibehaltung des Listenprinzips ist zwar ein milderes Mittel. Es hat sich jedoch gezeigt, dass es insbesondere für archäologische Kulturgüter wenig wirkungsvoll ist. Die Regelung müsste im Hinblick auf die Bedeutung des Eigentums angemessen sein. Hier ist die Sozialbindung aus Art. 14 Abs. 2 GG zu berücksichtigen. Es ist zwischen den Eigentümerinteressen und den Interessen der Allgemeinheit, unter Beachtung der Eigenart des vermögenswerten Rechts ein Ausgleich zu finden. Auf Seiten des Eigentümers wird nur das Verbringen des Kulturgutes ins Ausland durch das Erfordernis der Ausfuhrgenehmigung eingeschränkt. Die bisherige Regelung mit dem Listenprinzip ist mit Art. 14 GG vereinbar.777 Eingetragen werden danach alle national wertvollen Kulturgüter 774 BT-Drs. 17/13378, S. 63. 775 Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 14 , Rn. 66. 776 Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 20 Rn. 71. 777 Vgl. E. II. 3. b).
158
Schlussfolgerungen für den Gesetzgeber
(§ 1 Abs. 1 KultgSchG). Die Einführung des generellen Genehmigungserfordernisses stellt keine wesentliche Verschärfung der bisherigen Regelung dar, sondern verhilft den Behörden dazu, tatsächlich Kenntnis von den national wertvollen Kulturgütern zu erhalten und deren Ausfuhr zu verhindern. Das ist im Hinblick auf die identitätsstiftenden Wirkung und der daraus resultierenden besonders starken Sozialbindung gerechtfertigt.778 Auf der anderen Seite muss die Zumutbarkeit für den Eigentümer beachtet werden. Für den Bereich des Denkmalschutzes hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Inhalts- und Schrankenbestimmungen verfassungswidrig sind, wenn sie unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers nicht ausschließen und keinerlei Vorkehrungen zur Vermeidung derartiger Eigentumsbeschränkungen enthalten.779 Eine solche Zumutbarkeitsklausel ist bisher in Form einer Härtefallregelung (§ 8 KultgSchG) enthalten und sollte beibehalten werden.780 Im Hinblick auf die Berufsfreiheit der Kunst- und Antiquitätenhändler aus Art. 12 GG handelt es sich um eine Regelung des »Wie« der Berufstätigkeit und damit um eine Berufsausübungsregelung.781 Eine Regelung der Berufsausübung ist zulässig, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen und es sich nicht um übermäßig belastende und nicht zumutbare Auflagen handelt.782 Hier gilt das gleiche, wie bei der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf Art. 14 GG. Das besondere Interesse der Allgemeinheit an Kulturgütern begründet das Gemeinwohlinteresse und schränkt den Handel nicht unangemessen ein. Beachtet werden muss, dass die Notwendigkeit einer generellen Ausfuhrgenehmigung nicht den internationalen Leihverkehr zwischen Museen und ähnlichen Institutionen behindert. Der kulturelle Austausch zwischen den Staaten ist ein wichtiges Anliegen, um das gegenseitige Verständnis zu fördern. Dazu könnte von der Möglichkeit der allgemeinen offenen Genehmigung für die vorübergehende Ausfuhr von Kulturgütern, die Teil einer ständigen Sammlung
778 A. A. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 387f. Als Begründung wird angeführt, dass der freie Handel im Interesse eines als Auftrag zur Volksbildung verstandenen Kulturgüterschutzes liege. Dass der Antikenhandel ins Ausland der Volksbildung dient, darf getrost bezweifelt werden. 779 BVerfG, NJW 1999, 2877. 780 Vgl. E. II. 3. b). 781 Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 12 , Rn. 78. 782 BVerfGE 7, S. 377, 405f.; Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 12 Rn. 335; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Auflage, 2004, Art. 12 , Rn. 112.
Abwanderungsschutz für deutsche archäologische Kulturgüter
159
eines Museums oder einer anderen Einrichtung sind, Gebrauch gemacht werden (Art. 2 Abs. 3 Durchführungsverordnung zur AusfuhrVO)783.
2.
Definition des »national wertvollen Kulturgutes«
Wünschenswert wäre es darüber hinaus, dass der Gesetzgeber »national wertvolles Kulturgut« (§ 1 Abs. 1 KultgSchG) näher definiert und dabei ausreichend Rücksicht auf die Besonderheiten archäologischer Kulturgüter nimmt. Bisher richtet sich die Frage der Eintragung danach, ob eine Abwanderung einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde. a)
Nationale Zuordnung archäologischer Kulturgüter
Aufgrund der Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 5a GG kann nur deutsches Kulturgut vor Abwanderung geschützt werden. Darunter wird Kulturgut mit deutscher Belegenheit verstanden.784 Entstehungsgeschichtlich wird begründet, dass auch Kulturgut ausländischer Herkunft erfasst wird, wenn es sich bereits so lange im Geltungsbereich des Grundgesetzes befindet, dass es als Bestandteil des deutschen Kulturerbes angesehen wird.785 Die Frage der nationalen Zuordnung von Kulturgütern ist besonders relevant bei Rückgabeverlangen für kolonial- und fundteilungsbedingt verlorene Kulturgüter.786 Prominente Beispiele dafür sind die »Elgin Marbels«, die Griechenland von Großbritannien zurückfordert oder die Büste der Nofretete, deren Rückgabe Ägypten von Deutschland fordert.787 Teilweise gibt es Zweifel am Konzept der nationalen Zuordnung.788 Ihre Ursache hat die Diskussion im Phänomen der Globalisierung. 783 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1081/2012 der Kommission vom 9. November 2012 zu der Verordnung (EG) Nr. 116/2009 des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern. 784 Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 73 Rn. 131. 785 Empfehlung der Kultusministerkonferenz für Eintragungen in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes und das Verzeichnis national wertvoller Archive nach dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 29. 04. 2010), vgl. Anhang 4; Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 73 Rn. 131; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, 2. Auflage, 2006, Supplementum 2007, Art. 73 Rn. 34. 786 Fechner, Teil B., VI. Kulturgüterschutz, in: Martin/ Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz, 3. Auflage, 2010, S. 135, 141; Anton, Rechtshandbuch Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht, Band 1, 2010, S. 1253ff. 787 Anton, Rechtshandbuch Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht, Band 1, 2010, S. 1260ff.; Mußgnug, Wem gehört Nofrete?, 1977; Roellecke, Warum schützen wir Kulturgüter?, in: Mußgnug/Roellecke, Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes, 1998, S. 31, 43f. 788 Umfangreiche Nachweise bei Franke, Die Nationalität von Kunstwerken, 2011, S. 150ff.
160
Schlussfolgerungen für den Gesetzgeber
Welche Konsequenzen hat die Globalisierung für die Kultur? Zum einen wird angenommen, dass es zu einer wachsenden Vereinheitlichung der Kulturinhalte im Sinne einer »McDonaldisierung« komme. Als »McDonaldisierung« wird die Ausweitung der Prinzipien der Fastfoodrestaurants auf immer mehr Gesellschaftsbereiche weltweit bezeichnet.789 Die Gesellschaft werde durch transnationale wirtschaftliche Verflechtung und weltweit verankerte Konsumrituale homogenisiert. Durch die Globalisierung ökonomischen Handelns entstünden Wellen kultureller Transformation, die zu einer kulturellen Globalisierung führen. Es wird die These der Konvergenz der globalen Kultur aufgestellt. Die lokalen Kulturen und Identitäten würden entwurzelt und ersetzt durch kulturelle Symbole einer globalen Kulturindustrie. Als Beispiele seien (neben McDonald) amerikanische Fernsehserien, Jeans oder Marlboro genannt. Geradezu als Gegenthese wird der Begriff der kulturellen Identität ins Feld geführt. Motor der Globalisierung sind die neuen Computer- und Kommunikationstechnologien, die zu einer integrierten Massenkommunikation und der extremen Komprimierung von Zeit und Raum führen.790 Gleichwohl haben sich die lokal geprägten Erfahrungs- und Erinnerungswelten nicht aufgelöst, sondern sind vielmehr Bezugspunkte für eine Interpretation des Alltagserlebens. Selbst im globalen Markt, sind solche Produkte am erfolgreichsten, die die lokalen Bedürfnisse berücksichtigen.791 Es findet eine Verschränkung von Globalem und Lokalem statt. Beides sind sich bedingende Elemente.792 Der Globalisierungsprozess wird notwendig von Heterogenität und Fragmentierung begleitet.793 In der aktuellen Forschung im Bereich der cultural theory werden Globalisierung und Regionalisierung, Bindung und Fragmentierung, Zentralisierung und Dezentralisierung als zwei Seiten derselben Medaille angesehen.794 Deshalb wurde der Begriff »Glokalisierung« geschaffen. Es soll die Verflechtung zwischen Globalem und Lokalem symbolisieren, die in verschiedenen geografischen Regionen jeweils zu einzigartigen Ergebnissen führt.795 Deshalb führt Globalisierung nicht dazu, dass die Welt kulturell homogener wird. Es bedeutet, dass die globalen Kulturelemente aufgrund der lokalen Gegebenheiten neu interpretiert werden und sich letztlich die lokale Kultur in einem globalen Rahmen erneuert. Positiv formuliert führt die Globalisierung zu 789 Ritzer, Die McDonaldisierung der Gesellschaft, 4. Auflage, 2006, S. 15. 790 Deutsche UNESCO-Kommission, Unsere kreative Vielfalt, 2. Auflage, 1997, S. 24. 791 Ribeiro, Globalisierung und kulturelle Identität, TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Nr. 5, Juli 1998. 792 Backhaus, Hoffmann, Globalisierung und translokales Kulturverständnis, Geographica Helvetica 1999, S. 164, 171. 793 Wagner, Kulturelle Globalisierung, Aus Politik und Zeitgeschichte B 12/2002, S. 10, 18. 794 Beck, Was ist Globalisierung?, 2007, S. 54, 63. 795 Robertson, Glokalisierung: Homogenität und Heterogenität in Raum und Zeit, in: Beck (Hrsg.), Perspektiven der Weltgesellschaft, 1998, S. 192, 197ff.
Abwanderungsschutz für deutsche archäologische Kulturgüter
161
einer aktiven Auseinandersetzung mit Fremdem, die das Eigene bewusster macht. Das Eigene wird neu bewertet und reflektiert und nicht weil es ein immanenter (tradierter) Wert der eigenen Kultur ist, per se als Wert eingestuft.796 Das bedeutet, dass man sich mit dem »Warum« und »Wieviel« der eigenen Werte auseinandersetzen muss. Daraus ist zu folgern, dass die Globalisierung nicht zur Entbehrlichkeit der kulturellen Identität führt. Die moderne Gesellschaft hat vielmehr einen hohen Bedarf an kultureller Identität. Das steht in Übereinstimmung mit der Musealisierungsthese797 und lässt sich an der Entwicklung der Museumslandschaft nachvollziehen. Der Museums- und Ausstellungsboom der letzten Jahre hat auch zur Entstehung einer Vielzahl neuer Regional-, Stadt- und heimatgeschichtlicher Museen geführt, die die Möglichkeit zur kulturellen Identifikation mit dem direkten Umfeld bieten und die Wechselbeziehungen zwischen globaler Dynamik und lokaler Existenz erfahrbar machen.798 Gerade in Zeiten einer Pluralisierung der Lebenswelten ist eine Gesellschaft nur sinnvoll steuerbar, wenn ein Staat sich als gemeinsames Ganzes erfahren lässt.799 Es kommt zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit der eigenen kulturellen Identität. Gerade weil die Globalisierung die Souveränität des Nationalstaats zunehmend in Frage stellt, spielt Kultur als Fundierung von nationaler Identität eine wesentliche Rolle bei der Positionierung des jeweiligen Nationalstaates in einem Weltsystem. Mit dem Prozess der Globalisierung ist die Neudefinierung und Aufwertung von kultureller Identität untrennbar verbunden.800 Dieser Ansatz wird durch die These gestützt, dass sich die kulturelle Identität von Individuen aus mehreren »Teilidentitäten« zusammensetzt.801 Beispielhaft seien religiöse Identität, Geschlechteridentität, berufliche Identität und regionale Identität aufgezählt. Diese regionalen oder räumlichen Identitäten sind aufgebaut wie ineinander gesetzte Schachteln.802 So kann sich ein Individuum
796 Backhaus/Hoffmann, Globalisierung und translokales Kulturverständnis, Geographica Helvetica 1999, S. 164, 169. 797 D. IV. 4. b). 798 BT-Drs. 16/7000, S. 118 (Schlussbericht der Enquete-Kommission »Kultur in Deutschland«). 799 Weidenfeld, Die Identität der Deutschen – Fragen, Positionen, Perspektiven, in: drs. (Hrsg.), Die Identität der Deutschen, 1983, S. 13, 21. 800 Ribeiro, Globalisierung und kulturelle Identität, TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Nr. 5, Juli 1998. 801 Burke, Globale Identitäten aus Sicht eines Historikers, Aus Politik und Zeitgeschichte, B 12/ 2002, S. 26. 802 Weidenfeld, Die Identität der Deutschen – Fragen, Positionen, Perspektiven, in: drs. (Hrsg.), Die Identität der Deutschen, 1983, S. 13, 22f.
162
Schlussfolgerungen für den Gesetzgeber
beispielsweise gleichzeitig als Erfurter, Thüringer, Deutscher, Europäer und Weltbürger verstehen. Die Auseinandersetzung mit der Globalisierungsthese findet ihren Widerhall im juristischen Kulturgüterschutz. So gibt es die Vorstellung, dass die Kulturgüter einem einzelnen Staat zuzuordnen sind (kultureller Nationalismus) oder die Kulturgüter aller Nationen ein gemeinsames Erbe der Menschheit bilden (Common-Heritage-Prinzip oder kultureller Internationalismus).803 Dem kulturellen Nationalismus ist eine Vorschrift wie § 1 KultgSchG zuzuordnen. Internationale Abkommen (zum Beispiel Haager Konvention von 1954, UNESCOÜbereinkommen von 1970 zum Kulturgüterschutz und UNESCO-Übereinkommen von 1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes) wollen naturgemäß den kulturellen Internationalismus verwirklichen. Beide Grundsätze stehen sich aber nicht als Gegensätze gegenüber.804 Was oben zu der Verschachtelung regionaler Identität gesagt wurde, gilt auch für die Zuordnung von Kulturgütern. Das zeigt sich auch am UNESCO-Übereinkommen von 1970. Es betont auf der einen Seite in der Präambel die Verantwortung aller Staaten für das kulturelle Erbe insgesamt, nimmt aber andererseits in Art. 4 UNESCO-Übereinkommen eine nationale Zuordnung vor und verpflichtet die Vertragsstaaten zur Rückgabe von Kulturgut an den jeweiligen Ursprungsstaat (Art. 7 UNESCO-Übereinkommen). Deshalb ist die territoriale Bindung von Kulturgut an einen Nationalstaat, wie sie durch § 1 Abs. 1 KultgSchG vorgenommen wird, grundsätzlich legitim. Für archäologische Kulturgüter bietet sich für die nationale Zuordnung weniger der Belegenheitsort, als vielmehr der Fundort als Anknüpfungspunkt an. Das einzelne Artefakt kann damit nicht in seinen Fundzusammenhang zurückgeführt werden. Dieser ist mit der Ausgrabung unwiederbringlich zerstört. Aber es stellt zumindest eine Verbindung zur regionalen Herkunft und Kultur her.805 Etwas anderes kann in Übereinstimmung mit Art. 4 lit. c UNESCO-Übereinkommen für archäologische Kulturgüter aus rechtmäßigen Grabungen, die mit Zustimmung des Ursprungslandes erworben wurden, gelten.
803 von Schorlemmer, Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 560ff.; Fechner, Prinzipien des Kulturgüterschutzes, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 11, 33; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 16ff.; Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 631ff. 804 So auch Franke, Die Nationalität von Kunstwerken, 2011, S. 150; Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 632. 805 Ähnlich Weidner, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, 2001, S. 199; Franke, Die Nationalität von Kunstwerken, 2011, S. 122f.
Abwanderungsschutz für deutsche archäologische Kulturgüter
163
Beispiel »Himmelsscheibe von Nebra«: Die Himmelsscheibe ist die älteste, konkrete Himmelsdarstellung, die derzeit bekannt ist. Damit ist sie ein wichtiger Baustein für die Geschichte der gesamten Menschheit und deshalb seit 2013 als »Weltdokumentenerbe« bei der UNESCO eingetragen. Ihre Deutung erschließt sich erst im Zusammenhang mit ihrem Fundort.806 Deshalb ist es richtig und notwendig, sie in der Nähe ihres Fundortes aufzubewahren und auszustellen. Ausgestellt wird die »Himmelsscheibe von Nebra« im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (ca. 35 km vom Fundort entfernt). Außerdem gibt es am Fundort selbst eine Ausstellung und ein Planetarium (Besucherzentrum »Arche Nebra«). Die Eintragung der »Himmelsscheibe von Nebra« in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes verhindert eine dauerhafte legale Verbringung ins Ausland. Dadurch wird die Beziehung zum Fundort geschützt.
b)
Wesentlicher Verlust
Die Eintragung von Kulturgut in das »Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes« erfolgt nur dann, wenn seine Abwanderung einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde (§ 1 Abs. 1 KultgSchG). Nach der Gesetzesbegründung kann der wesentliche Verlust nach unterschiedlichen inhaltlichen Kriterien bestimmt werden, sofern nur die Objekte nach ihrer künstlerischen Eigenart, nach ihrem kulturellen Wert oder durch ihre Bedeutung für die kulturelle Entwicklung in Deutschland als dauernd besonders wertvoller Bestandteil deutschen Kulturbesitzes anzusehen sind.807 Die Merkmale eines national wertvollen Kulturgutes lassen sich abstrakt nicht abschließend bestimmen, sondern sind für jedes Objekt im Rahmen einer Gesamtschau zu ermitteln.808 Die Konferenz der Kultusminister hat einen Kriterienkatalog für die Eintragungsfähigkeit entwickelt.809 Einzutragen sind danach Kulturgüter, »wenn sie a) wichtige Objekte von Künstlerinnen und Künstlern mit internationalem Rang sind oder b) für die deutsche Kunst und Geschichte (einschließlich der Naturgeschichte) oder c) für die Landesgeschichte oder für die Geschichte historischer Regionen von herausragender Bedeutung sind.« 806 Schlosser, Die Himmelsscheibe von Nebra, in: Meller (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel, 2004, S. 44ff. 807 BT-Drs. II/76, S. 7. 808 BVerwGE 92, S. 288, 289. 809 Empfehlung der Kultusministerkonferenz für Eintragungen in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes und das Verzeichnis national wertvoller Archive nach dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 29. 04. 2010), vgl. Anhang 4.
164
Schlussfolgerungen für den Gesetzgeber
Bisher hat die Empfehlung der Kultusministerkonferenz nicht zu einer Vereinheitlichung der Eintragungspraxis geführt.810 Deshalb sollte der Gesetzgeber konkretere Vorgaben machen. Für archäologische Kulturgüter dürfte vor allem die Bedeutung für die Geschichte relevant sein. Von der Rechtsprechung wurde als weiteres Kriterium die Seltenheit des Objektes angenommen.811 Nicht erforderlich ist es dafür, dass es sich um einzigartige Stücke handelt, sondern es genügt, wenn nicht noch gleichartige Objekte in großer Zahl vorhanden sind.812 Kein geeignetes Kriterium ist der Marktpreis.813 Ein hoher Marktpreis kann lediglich ein Indiz für die Seltenheit eines Objektes sein. Umgekehrt kann ein archäologisches Kulturgut mit einem geringen Marktpreis trotzdem eine große Bedeutung für die Wissenschaft haben. So können beispielweise Bekleidungsreste viele wissenschaftliche Erkenntnisse liefern. Dafür wird es aber regelmäßig keine Kaufinteressenten geben. Ebenso hat das Alter eines Gegenstandes nur Indizwirkung. Ein besonders hohes Alter wird häufig auch zu einer Seltenheit führen. Andererseits können auch Objekte aus der jüngeren Vergangenheit besonders selten oder wissenschaftlich bedeutend sein. Es hat sich in den letzten 25 Jahren ein eigener Zweig der Archäologie – die zeitgeschichtliche Archäologie – entwickelt, die sich mit den menschlichen Hinterlassenschaften des 20. Jahrhunderts beschäftigt.814 Dazu zählen zum Beispiel die Schlachtfelder des ersten und zweiten Weltkriegs und die Überreste von Konzentrationslagern.815 Sogar an der Berliner Mauer finden seit 2007 Prospektionen und Ausgrabungen statt.816 Verschiedentlich wurde vorgeschlagen auf die »Museumseignung« eines Kulturgutes abzustellen.817 Aber auch dieses Kriterium kann nur ein Indiz sein. Alle Kulturgüter, die im Museum gezeigt werden, sind für die Allgemeinheit von Interesse. Es gibt aber auch Artefakte, die für die Wissenschaft einen großen Informationsgehalt haben, der sich mit einer Präsentation im Museum aber nicht für den Besucher erschließen lässt und die deshalb nicht in den Bestand eines Museums aufgenommen werden. 810 811 812 813 814 815
C. III. 1. a). BVerwGE 92, S. 288, 289. VGH Mannheim, NJW 1987, S. 1440, 1441; VG Hannover, NVwZ-RR, S. 643, 645. Vgl. D. IV. 3. Theune, Archäologie an Tatorten des 20. Jahrhunderts, 2014, S. 9. Z. B. Kramer, Das unterirdische Rüstungszentrum »Mittelwerk/Mittelbau-Dora«, AiD 2008, Heft 3, S. 34f.; Theune, Archäologie an Tatorten des 20. Jahrhunderts, 2014, S. 26ff.; Hirte, Offene Befunde, 1998. 816 Theune, Archäologie an Tatorten des 20. Jahrhunderts, 2014, S. 83ff. 817 von Schorlemmer, Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 81; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 19.
Abwanderungsschutz für deutsche archäologische Kulturgüter
165
Klar ist, dass nicht alle (archäologischen) Kulturgüter erfasst werden können, da Art. 36 AEUV nur für nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischen Wert Ausfuhrbeschränkungen zulässt. Allgemein wird den Mitgliedstaaten diesbezüglich ein weiter Beurteilungsspielraum zugestanden.818 Als Grenze wird ein Missbrauchsverbot angenommen, das ausschließen soll, dass Massengegenstände ohne überdurchschnittliche Prägung dem innergemeinschaftlichen Handel entzogen werden.819 Die Beurteilung ist ohne ein außerjuristisches Werturteil nicht möglich.820 Ausdrücklich aufgenommen werden sollte als Eintragungskriterium im Gesetzestext der archäologische/wissenschaftliche Wert von Kulturgütern, als Begründung für den wesentlichen Verlust. Dieses Kriterium wurde vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Schatzregal als hinreichend bestimmt angesehen.821 Das steht in Übereinstimmung mit Art. 36 AEUV und dem UNESCO-Übereinkommen. Damit würde dem Umstand Rechnung getragen, dass archäologische Kulturgüter vor allem Informationsträger sind und darin ihr eigentlicher Wert liegt, an den die identitätsstiftende Wirkung anknüpft.
3.
Substanzschutz für national wertvolle archäologische Kulturgüter
Aufgrund der fehlenden Verzahnung von bundesrechtlichem Abwanderungsschutz und landesrechtlichem Denkmalschutz kann es zu Schutzlücken bezogen auf den Substanzschutz für national wertvolles Kulturgut kommen.822 Das gilt zumindest für die Bundesländer, in denen die Eintragung in eine Denkmalliste (oder Denkmalbuch) für bewegliche Denkmale konstitutive Wirkung hat.823 Für eine bundeseinheitliche Regelung des Substanzschutzes von national wertvollem Kulturgut ist eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes erforderlich. Art. 73 Abs. 1 Nr. 5a GG erfasst ausdrücklich nur den Abwanderungsschutz. Eine ungeschriebene Gesetzgebungsbefugnis könnte sich aus der Kom818 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 6. Auflage, 2003, Art. 30, Rn. 66; Berndt, Internationaler Kulturgüterschutz, 1998, S. 144; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 228. 819 von Schorlemmer, Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 80; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 228; Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 6. Auflage, 2003, Art. 30, Rn. 66f. 820 Maurer, Ausfuhr von Kulturgütern in der Europäischen Union, 1997, S. 57; Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 6. Auflage, 2003, Art. 30, Rn. 67. 821 BVerfGE 78, S. 205, 212. Vgl. E. III. 2. a) cc) (3). 822 Vgl. C. III. 2. 823 Hamburg, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein.
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Schlussfolgerungen für den Gesetzgeber
petenz kraft Sachzusammenhangs oder aus der Annexkompetenz ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass die ungeschriebenen Kompetenzen die sinnvolle Nutzung einer dem Bund explizit zugewiesenen Kompetenz erst ermöglichen und für eine Wahrnehmung der Bundeskompetenz notwendig sind.824 Problematisch ist hier, dass der Substanzschutz gerade die Materie des den Ländern zugewiesenen Denkmalschutzes ist und die Bundeskompetenz ausdrücklich auf den Abwanderungsschutz beschränkt ist. Für eine Kompetenz des Bundes kraft Natur der Sache muss diese begriffsnotwendig sein und andere sachgerechtere Lösungen ausgeschlossen sein.825 Die Angelegenheit müsste ihrem Wesen nach nur einer Regelung durch den Bund zugänglich sein.826 Der Substanzschutz ist aber durch die Länder geregelt. In Baden-Württemberg (§ 12 Abs. 2 Nr. 3) und im Saarland (§ 2 Abs. 7 Nr. 2) enthalten die Denkmalschutzgesetze bereits spezielle Erstreckungsregelungen für national wertvolles Kulturgut. Danach gilt national wertvolles Kulturgut als im Denkmalbuch eingetragen und steht damit unter Schutz. Die Gesetzgebungsbefugnis für den Substanzschutz steht nicht dem Bund, sondern vielmehr den Ländern zu. Der Bund sollte deshalb bei den Ländern darauf hinwirken, dass auch die anderen Bundesländer solche Erstreckungsregelungen in ihre Denkmalschutzgesetze aufnehmen. Das hätte gleichzeitig einen geringeren Verwaltungsaufwand zur Folge.
II.
Rückgabe von archäologischen Kulturgütern an andere Staaten
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Einfuhr und die Rückgabe von Kulturgütern ergibt sich aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG. Deutschland ist aufgrund des Beitritts zum UNESCO-Übereinkommen im Jahre 2007 zur Umsetzung der dort enthaltenen Vorgaben völkerrechtlich verpflichtet. Diese Umsetzung erfolgte bisher mangelhaft.827 Auch die Bundesregierung kommt in ihrem Bericht zum Kulturgutschutz in Deutschland zu dem Schluss, dass »die derzeitige gesetzliche Ausgestaltung des Rückgabeanspruchs verhindert […], dass Deutschland seiner Verpflichtung aus dem UNESCOÜbereinkommen nachkommt.«828
824 825 826 827 828
Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 70 Rn. 65, 71. BVerfGE 11, S. 89, 99; 98, S. 218, 248. Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 2014, Art. 70 Rn. 75. Vgl. C. III. 1. b). BT-Drs. 17/13378, S. 31.
Rückgabe von archäologischen Kulturgütern an andere Staaten
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Auch aus anderen Erwägungen ergibt sich, dass Deutschland den Willen anderer Staaten, ihre Kulturgüter zu schützen, zu respektieren hat. Zum einen muss ein Staat, der sich als Kulturstaat versteht829, nicht nur die eigene Identität durch einen Abwanderungsschutz bewahren wollen, sondern im Gegenzug auch die Identität anderer Staaten durch Rückgabeansprüche für fremdes Kulturgut schützen. Nur durch solche Spiegelbildlichkeit kann Deutschland der außenpolitischen Kritik an der Umsetzung des UNESCOÜbereinkommens830 begegnen. Zum anderen enthält das Grundgesetz ein Friedensgebot gegenüber anderen Staaten.831 In der Präambel und in Art. 1 Abs. 2 GG wird Deutschland dem Frieden verpflichtet. Der Gedanke der Völkerverständigung wird in Art. 9 GG geschützt. Die Friedenspflicht wird von Art. 26 GG durch das Verbot des Angriffskrieges weiter untermauert. Den Frieden zu wahren, heißt nicht nur das Staatsgebiet anderer Staaten zu respektieren. Es muss ebenso bedeuten, das jeweilige Staatsvolk nicht seiner Identität zu berauben und so zu destabilisieren. Kulturgüter sind wesentlicher Bestandteil der kulturellen und nationalen Identität832 und deshalb kein Handelsgut, wie jedes andere. Abwanderungsschutz und Rückgabepflichten sind »zwei Seiten einer Medaille«.833 Für die Rückgabeansprüche anderer Staaten bedeutet das konkret, dass der deutsche Gesetzgeber auch hier Abschied vom Listenprinzip nehmen sollte. Entsprechend der vorgeschlagenen Änderungen beim Abwanderungsschutz sollte für die Einfuhr von Kulturgut immer eine Ausfuhrerlaubnis des Herkunftsstaates verlangt werden. Liegt eine solche nicht vor, handelt es sich um eine unrechtmäßige Verbringung von Kulturgut und dem Herkunftsstaat steht ein Rückgabeanspruch zu. Diese Regelung würde auch die Durchführbarkeit durch den Zoll erleichtern. Weiterhin sollte bei fehlender Ausfuhrerlaubnis des Herkunftsstaates, die Anhaltung zur vorläufigen Sicherung von etwaigen Rückgabeansprüchen durch den Zoll geregelt werden. Sollte das illegal ausgeführte Kulturgut nicht bei der Einfuhrkontrolle, sondern erst später im Bundesgebiet entdeckt werden, sollten die Landesbehörden ebenfalls die Möglichkeit der Sicherstellung bekommen. Damit Staaten ihr Rückgabeersuchen begründen können, sollte ihnen ein Anspruch auf Begutachtung eingeräumt werden. Bisher sollen die Landesbehörden lediglich die Überprüfung, ob der betreffende Gegenstand ein Kulturgut des ersuchenden Staates darstellt, erleichtern (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 KultGüRückG). Insbesondere bei archäologischen Kulturgütern ist die Frage der Identität, 829 830 831 832 833
BVerfGE 35, S. 79, 114. BT-Drs. 17/13378, S. 8. Detjen, Die Werteordnung des Grundgesetzes, 2009, S. 377ff. Vgl. D. V. BT-Drs. 17/13378, S. 62.
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Schlussfolgerungen für den Gesetzgeber
Echtheit und Herkunft nur durch aufwendige Gutachten zu klären. Die geografische Verbreitung alter Hochkulturen deckt sich nicht mit den Grenzen heutiger Nationalstaaten. Außerdem stellt sich bei der Begutachtung häufig heraus, dass es sich um Fälschungen handelt,834 an deren Rückgabe die Herkunftsstaaten naturgemäß kein Interesse haben. Die bisherige Regelung zur Fiktion des Zeitpunktes der Einfuhr (§ 6 Abs. 2 S. 4 KultGüRückG) sollte überarbeitet werden und ausdrücklich auch für den Ausfuhrzeitpunkt gelten, um so eine Auslegung durch die Gerichte entbehrlich zu machen.835 Die Aufzeichnungspflichten aus § 18 KultGüRückG sind zu konkretisieren. Die Wertgrenze von 1.000 Euro sollte gestrichen und der Händler verpflichtet werden bei unbekannter Herkunft des Kulturgutes, Nachforschungen anzustellen. Das ist auch im Interesse des seriösen Antikenhandels, da klare Sorgfaltspflichten das Vertrauen in den Kunsthandelsstandort Deutschland stärken. Die Erfahrungen der Schweiz mit solchen Regelungen stellen dies unter Beweis.836 Die Schweiz verzeichnet nach der Einführung des Kulturgütertransfergesetzes mit umfangreichen Dokumentations-, Informations- und Aufbewahrungspflichten ohne Wertgrenzen (Art. 16 Abs. 2 Kulturgütertransfergesetz) wachsende Umsatzzahlen im Kunst- und Antiquitätenhandel. Es darf dort nur Kulturgut übertragen werden, wenn nach den Umständen angenommen werden darf, dass das Kulturgut nicht abhandengekommen ist, nicht rechtswidrig ausgegraben oder rechtswidrig eingeführt wurde (Art. 16 Abs. 1 Kulturgütertransfergesetz). Weiterhin müssen von Deutschland die Vorgaben der neuen RückgabeRL umgesetzt werden.837 Damit ist die Verjährungsfrist von Rückgabeansprüchen, auf drei Jahre zu verlängern (Art. 8 Abs. 1 RückgabeRL). Ebenso sind die Entschädigungsregeln für den gutgläubigen Erwerber anzupassen (Art. 10 Abs. 2 RückgabeRL). Insgesamt sollte die Neuregelung des Rückgaberechtes durch den Bund, deutlich machen, dass es Deutschland mit der Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens ernst ist. Das würde auch zu einer Änderung der Rechtsprechungspraxis in Bezug auf zivilrechtliche Rückgabeansprüche führen.838
834 835 836 837 838
BT-Drs. 17/13378, S. 65. Vgl. C. III. 1. b) aa). BT-Drs. 17/13378, S. 60. Vgl. C. II. 2. Vgl. C III. 1. b) cc).
Ergebnis
III.
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Ergebnis
Die Überarbeitung der bundesgesetzlichen Regelungen zum Kulturgüterschutz ist dringend geboten. Der Abwanderungsschutz auf der einen Seite und die Rückgabeverpflichtungen auf der anderen Seite sollten in einem einheitlichen Gesetz geregelt werden. So können eine systematisch schlüssige Umsetzung internationaler Vorgaben und der Schutz vor Abwanderung deutschen Kulturgutes erreicht werden. Die Neuregelung des grenzüberschreitenden Verkehrs von Kulturgütern kann aber nur einen kleinen Beitrag zum Schutz archäologischer Kulturgüter leisten. Das archäologische Kulturgut ist im Moment des Grenzübertritts bereits seines Fundzusammenhangs beraubt und hat damit wesentliche Teile seines Informationsgehaltes eingebüßt. Die Regelungen können helfen, das bisher sehr geringe Risiko beim illegalen Handel zu erhöhen. Um das zu erreichen, ist eine effektive Umsetzung und Kontrolle der Vorschriften erforderlich. Erst langsam wird die Bedeutung einer Sensibilisierung der Bevölkerung in Bezug auf Raubgrabungen und den illegalen Handel erkannt. Welchen Erfolg solch ein Bewusstseinswandel haben kann, hat der Artenschutz gezeigt. Es ist allgemein bekannt und akzeptiert, dass beispielsweise der Handel mit Elfenbein verboten ist. Das Zurschaustellen von Skulpturen aus Elfenbein oder das Tragen von Pelzen bedrohter Tierarten sorgt nicht mehr für soziale Anerkennung, sondern stößt inzwischen auf breite Ablehnung. Derzeit bekommt das Thema Kulturgüterschutz in der Öffentlichkeit ein zunehmendes Gewicht. Dazu tragen ein verstärktes Medieninteresse und die Präsenz der Thematik in der Politik bei.839 Wenn die Nachfrage nach archäologischen Kulturgütern nachlässt, kann die Zahl der illegalen Ausgrabungen weltweit effektiv verringert werden.
839 Als Beispiel sei hier auf die Tagung des Auswärtigen Amtes »Kulturgut in Gefahr : Raubgrabungen und illegaler Handel« am 11. Und 12. Dezember 2014 in Berlin und die umfangreiche Berichterstattung darüber verwiesen.
G.
Thesen
1. Kultur ist ein primär außerrechtlicher Begriff. Die unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen haben eigene Definitionen entwickelt. Gemeinsam ist allen Definitionen der Bezug zum Menschen. Eine allgemeingültige Definition konnte jedoch nicht gefunden werden. Der offene Kulturbegriff hat sich durchgesetzt. Es wird das Prozesshafte und das Wandelbare betont. Eine Funktion von Kultur ist die Bereitstellung eines Orientierungsrahmens, der bestimmte Werte vorgibt. Immer neue Bereiche des menschlichen Handelns werden als Teil der Kultur angesehen. Die Ausweitung und Unschärfe des Kulturbegriffs führt dazu, dass für das Recht eine eigene Begriffsfindung notwendig ist. In der Archäologie wird ein fachspezifischer Kulturbegriff verwendet, der jeweils eine örtlich und zeitlich begrenzte Ordnungseinheit aufgrund materieller Hinterlassenschaften darstellt. 2. Das juristische Begriffsverständnis von Kultur variiert. Abstrakte Umschreibungen sind an den außerrechtlichen Kulturbegriff angelehnt und sind ebenfalls weit und unbestimmt. Die Definition von Kultur über die Abgrenzung bestimmter Lebensbereiche wirft wiederum neue Definitionsfragen auf und wird der Vielschichtigkeit von Kultur nicht gerecht. Eine überzeugende juristische Definition des Kulturbegriffs, die Zweifelsfälle klar abgrenzt, ist bisher noch nicht gelungen. Als zentrale Elemente von Kultur lassen sich der Bezug zum Menschen und die Werte ermitteln. 3. Der Begriff des Kulturgutes lässt sich auf allen Normebenen nachweisen. Das Völkerrecht und das Europarecht enthalten jeweils mehrere Definitionen für den Kulturgutbegriff, deren Anwendungsbereich jedoch auf die jeweilige Norm beschränkt ist. Dabei muss ein Objekt in der Regel eine abstrakte Definition erfüllen und sich in eine der aufgeführten Kategorien einordnen lassen. Die neue
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Thesen
Rückgaberichtlinie verzichtet auf eine eigene Definition und verweist auf die Einstufung eines Gegenstandes als Kulturgut durch den jeweiligen Mitgliedstaat. Das nationale Recht enthält keine eigenständige Definition des Kulturgutbegriffs.840 Insgesamt existiert auch im Recht kein einheitlicher Kulturgutbegriff, sondern es gibt für die jeweilige Norm am Normzweck orientierte eigenständige Definitionen. 4. Archäologie befasst sich als Wissenschaft mit den materiellen Zeugnissen vergangener Kulturen. Der kulturprägende Charakter von archäologischen Kulturgütern muss aus der heutigen Sicht beurteilt werden, da beispielweise historische Alltagsgegenstände zu ihrem Entstehungszeitpunkt reinen Gebrauchszwecken dienten, aber aus der aktuellen Perspektive interessante Einblicke in das damalige Leben bieten und forschungsrelevant sind. Die Archäologie nutzt als Quellen nicht nur die Funde selbst, sondern auch den Fundzusammenhang. Er umfasst die Beziehungen zwischen den Funden und zur Umgebung. Der Fundzusammenhang ermöglicht weitergehende Aussagen über die Geschichte, die die Funde allein nicht liefern können. So ist er für die Datierung von Funden von großer Wichtigkeit. Aufgrund seiner Bedeutung ist der Fundzusammenhang in den Begriff des archäologischen Kulturgutes einzubeziehen. Das steht in Übereinstimmung mit dem in den Denkmalschutzgesetzen der Länder verwendeten Begriff des Bodendenkmals, der den Fundzusammenhang ebenfalls miterfasst. Als archäologische Kulturgüter werden für diese Arbeit alle Sachen und Sachgesamtheiten verstanden, die sich im Boden befinden oder befunden haben, einschließlich ihrer Beziehung untereinander und zu ihrer Umgebung, die Auskunft über Ereignisse der Menschheitsgeschichte liefern. 5. Kulturgüterschützende Regelungen finden sich im Kriegsvölkerrecht und im Friedensvölkerrecht. Das UNESCO- Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut von 1970 hat Deutschland 2007 ratifiziert. Auf europarechtlicher Ebene findet der Kulturgüterschutz seine Grundlage in Art. 36 AEUV, der zu Gunsten von Kulturgütern Einschränkungen der Warenverkehrsfreiheit zulässt. Außerdem wird der Kulturgüterschutz durch die Ausfuhrverordnung und die Rückgaberichtlinie, die 2014 eine Neufassung erfahren hat, normiert. Auf bundesrechtlicher Ebene ist der Kulturgüterschutz auf den grenzüberschreitenden Verkehr von Kulturgütern beschränkt (Art. 73 Abs. 1 Nr. 5, 5a GG). Der 840 Lediglich das Steuerrecht enthält in § 10g EStG eine Aufzählung von Kulturgütern für Zwecke der Steuerbegünstigung.
Thesen
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Abwanderungsschutz wird durch das KultgSchG geregelt. Im KultgSchG fehlt eine Definition für national wertvolles Kulturgut. Das darin enthaltene »Listenprinzip« für den Schutz von national wertvollem Kulturgut ist für archäologische Kulturgüter kein geeignetes Schutzinstrument. Die Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens und der Rückgaberichtlinie in deutsches Recht erfolgte im KultGüRückG. Die Neufassung der Rückgaberichtlinie ist durch den deutschen Gesetzgeber noch nicht berücksichtigt. Die Hürden, die der deutsche Gesetzgeber für einen Rückgabeanspruch anderer Länder aufstellt, sind sehr hoch. Die Anforderungen gehen über das, was das UNESCO-Übereinkommen vorsieht hinaus. Außerdem wird durch die sehr restriktive Auslegung der Gerichte die Geltendmachung von Rückgabeansprüchen noch weiter erschwert. Der Substanzschutz für Kulturgüter ist in den Denkmalschutzgesetzen der Länder normiert. Diese enthalten spezielle Regelungen zum Schutz archäologischer Kulturgüter. Aufgrund der mangelnden Verzahnung von Bundes- und Landesrecht kann es zu Schutzlücken beim Substanzschutz für bewegliche Kulturgüter kommen. 6. In den kulturgüterschützenden Normen wird häufig Bezug auf den Wert der Kulturgüter genommen. Der Begriff des Wertes wird im allgemeinen Sprachgebrauch und in der Wissenschaft in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Ursprünglich stammt der Begriff Wert aus der Ökonomie und fand später u. a. Eingang in die Philosophie, Psychologie und Soziologie. Werte sind das, was ein Gut begehrenswürdig macht. Sie sind Bewertungsmaßstäbe, die im sozialen Verbund Geltung haben und durch Abstraktion selbst zu Werten werden. 7. Archäologische Kulturgüter haben einen wissenschaftlichen Wert. Sie sind die Quellen für die Wissenschaftsdisziplin Archäologie, die historische Gesellschaften als Ganzes rekonstruieren will. Die Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte Denkmalwerttheorie lässt sich auf archäologische Kulturgüter übertragen. Danach haben archäologische Kulturgüter als materialisierte Geschichte vor allem einen Erinnerungswert, der das Vergehen der Zeit sinnlich wahrnehmbar macht. Hinzu treten kann ein Gegenwartswert, wenn archäologische Kulturgüter das derzeitige ästhetische Empfinden ansprechen und eine Nutzung (z. B. durch Vermarktung) erfolgt. 8. Archäologische Kulturgüter sind auch Wirtschaftsgüter und haben als solche einen ökonomischen Wert. Die klassische Nationalökonomie ging davon aus, dass Preis und Wert für ein Wirtschaftsgut identisch sind und diesem objektiv anhaften. Archäologische Kulturgüter sind Seltenheitsgüter, da sie nicht ver-
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Thesen
mehrbar sind. Es konnte nicht erklärt werden, warum der tatsächliche Nutzen als Gebrauchswert und der Marktpreis als Tauschwert bei Seltenheitsgütern nicht übereinstimmen. 9. Die moderne Preistheorie versteht den Gebrauchswert als subjektive Nützlichkeit, die nicht exakt messbar ist. Durch den Erwerb von archäologischen Kulturgütern werden soziale Bedürfnisse und insbesondere Wertschätzungsbedürfnisse befriedigt. Bei archäologischen Kulturgütern hängt die Kaufentscheidung nicht nur von den inhärenten Eigenschaften des Gutes ab, da darüberhinausgehende Bedürfnisse befriedigt werden. Das Konsumverhalten wird vom Snobeffekt und Veblen-Effekt (Prestigeeffekt) beeinflusst. Beim Snobeffekt ist ausschlaggebend, dass das zu erwerbende Gut möglichst einzigartig ist und man sich durch den Kauf von der breiten Masse abheben kann. Der Prestigeeffekt beeinflusst die Kaufentscheidung dahingehend, dass ein Gut erworben wird, weil ein einen besonders hohen Preis hat und man auf diese Weise seine soziale Stellung demonstrieren kann. Hinzu treten als weitere wesentliche Antriebsfaktoren für den privaten Erwerb von archäologischen Kulturgütern das Sammelmotiv und das Gewinnmotiv. Die Preise für archäologische Kulturgüter steigen und machen diese als Anlageobjekte interessant. 10. Die daraus resultierende Nachfrage nach archäologischen Kulturgütern ist ein starker Anreiz für illegalen Handel. Archäologische Kulturgüter, die aus illegalen Grabungen stammen oder ohne Ausfuhrerlaubnis gehandelt werden, bieten bei vergleichsweise geringem Risiko eine Gewinnspanne, die höher liegt als beim illegalen Drogenhandel. Archäologische Kulturgüter sind nicht nur eine Handelsware, sondern lassen sich auch auf vielfältige Weise durch die Medien, die Museen und den Tourismus vermarkten und damit nutzbar machen. 11. Der Marktpreis spiegelt den Wert eines archäologischen Kulturgutes für die Wissenschaft nicht wider, da der Fundzusammenhang als hauptsächliche Erkenntnisquelle zerstört ist, wenn es gehandelt wird. Deshalb ist der Marktpreis allein kein geeignetes Merkmal für die Bestimmung des Wertes archäologischer Kulturgüter. 12. Archäologische Kulturgüter haben eine identitätsstiftende Wirkung. Sie sind Bestandteil der kulturellen Identität. Die kulturelle Identität ist das Bewusstsein einer bestimmten sozialen Gruppe anzugehören, die nach innen durch bestimmte Gemeinsamkeiten geprägt ist und sich nach außen von anderen Gruppen abgrenzt. Eine wesentliche Grundlage der Identität ist die Geschichte.
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Der Vergangenheitsbezug der kulturellen Identität wird auch als kulturelles Gedächtnis bezeichnet. Im Gegensatz zum kommunikativen Gedächtnis, das auf direkter Kommunikation mit Zeitzeugen beruht, kann das kulturelle Gedächtnis große Zeiträume überbrücken. Das kulturelle Gedächtnis lässt sich in Funktions- und Speichergedächtnis aufteilen. Das Funktionsgedächtnis ist der aktuell präsente Teil des kulturellen Gedächtnisses, das Bezugspunkt für die Gegenwart ist. Das Speichergedächtnis ist latent vorhanden und bildet den aktivierbaren Hintergrund für das Funktionsgedächtnis. Es hat eine höhere Kapazität und Stabilität als das Funktionsgedächtnis und ist ein Reservoir für kulturellen Wandel. Archäologische Kulturgüter sind durch ihre Materialisierung geeignet, Fixpunkte in der Vergangenheit (sogenannte Erinnerungsfiguren) zu bilden. Sie sind »Zeugen« der Vergangenheit. Je nach dem Grad ihrer aktuellen Rezeption können archäologische Kulturgüter Teil des Speicher- oder Funktionsgedächtnisses sein. Sie bieten die einzigartige Möglichkeit des materialen Bezuges zu vergangenen Kulturen. 13. Werte sind von grundlegender Bedeutung für das Recht. Jede Rechtsnorm beruht darauf, dass der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten als gut bewertet. Das spiegelt sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wider, nach der das Grundgesetz eine objektive Werteordnung bildet, die das gesamte Rechtssystem durchdringt. Die von Rechtsnormen geschützten Güter werden als Rechtsgüter bezeichnet. Hat die schützende Norm Verfassungsrang wird vom Verfassungsrechtsgut gesprochen. 14. Eine gemeinsame Identität ist Voraussetzung für die Bildung und Stabilität eines Staatsvolkes im freiheitlich demokratischen Staat. Eine Grundlage der Verfassung ist die Geschichte des jeweiligen Staatsvolkes. Die kulturelle Identität erzeugt die Gemeinsamkeit der Menschen innerhalb des Staatsvolkes und die Abgrenzung nach außen. 15. Die Verknüpfung von Kultur und Verfassung spiegelt sich in der Figur des Kulturstaats wider. Der Kulturstaat wird heute im Sinne einer Staatszielbestimmung verstanden. Dabei handelt es sich um eine Verfassungsnorm mit rechtlich bindender Wirkung, die sich in erster Linie an den Gesetzgeber wendet und Auslegungsrichtlinie für Exekutive und Rechtsprechung ist. Es handelt sich um eine ungeschriebene Staatszielbestimmung. Für das Kulturstaatsprinzip gibt es aber zahlreiche Anknüpfungspunkte im Verfassungstext. Zuerst sei hier Art. 5 Abs. 3 GG genannt, aber auch Art. 1 Abs. 1, Art. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2, Art. 7, Art. 73 Abs. 1 Nr. 5a, Art. 74 Abs. 1 Nr. 13, Art. 91b GG haben kulturellen Bezug.
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Der Kulturstaat ist zu verstehen als Verpflichtung des Staates, nicht nur Teil der Kultur zu sein, sondern auch die Voraussetzungen für deren Erhalt und Weiterentwicklung zu schaffen. 16. Archäologische Kulturgüter sind Repräsentationen einer gemeinsamen Kultur und Geschichte. Aus dieser Funktion für den Kulturstaat ergibt sich als Staatsaufgabe der Schutz von (archäologischen) Kulturgütern. Das wird dadurch unterstrichen, dass in den meisten Landesverfassungen sogenannte Denkmalschutzartikel ausdrücklich den Kulturgüterschutz zur Staatsaufgabe erklären. Es steht auch in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das den Schutz von Kulturdenkmälern für eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang befunden hat. 17. Die wissenschaftliche Erforschung archäologischer Kulturgüter wird durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt. Die Archäologie ist nach ihrem Selbstverständnis eine Wissenschaft und ist als solche anerkannt. Die Drittanerkennung wird beispielsweise sichtbar durch die Schaffung von Studiengängen »Archäologie« an Universitäten, die Gewährung von Fördermittel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder die Veröffentlichungen in anerkannten wissenschaftlichen Zeitschriften. Die Archäologie sucht nach neuen Erkenntnissen über vergangene Kulturen. Dabei kann es sich immer nur um eine Annäherung an die tatsächliche Vergangenheit handeln, da Geschichte immer aus der heutigen Perspektive konstruiert wird. In der Archäologie wird eine spezielle Methodik hinsichtlich Prospektion, Ausgrabung, Dokumentation und Auswertung verwendet, die teilweise auf Erkenntnisse anderer Wissenschaftsdisziplinen zurückgreift und diese für ihre Zwecke nutzbar macht. 18. Durch Art. 14 GG wird das Eigentum an archäologischen Kulturgütern geschützt. Davon umfasst ist die Nutzungs- und Verfügungsbefugnis des Eigentümers. Bei der Einschränkung der Handelbarkeit von archäologischen Kulturgütern durch die Eintragung in das Verzeichnis national wertvoller Kulturgüter handelt es sich um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung, die aus der besonders stark ausgeprägten Sozialbindung von Kulturgütern resultiert. 19. An archäologische Kulturgüter knüpfen verschiedene Verfassungsrechtsgüter an, die miteinander in Widerstreit treten können. 20. Die in den Denkmalschutzgesetzen der Länder (außer Bayern) enthaltenen Schatzregale sind verfassungsgemäß. Das Schatzregal weist das Eigentum an herrenlosem, beweglichem Kulturgut mit seiner Entdeckung dem jeweiligen
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Bundesland ohne weiteren Übertragungsakt zu. Diese Regelung überlagert die nach § 984 BGB vorgesehene Fundteilung zwischen Grundstückseigentümer und Finder. Diese sogenannte »Hadrianische Teilung« ist derzeit nur in Bayern anwendbar, da es dort kein Schatzregal gibt. Die Regelungen zum Schatzregal sind in den einzelnen Ländern sowohl hinsichtlich der einzelnen Voraussetzungen als auch der Rechtsfolgen unterschiedlich ausgeformt. Den Ländern steht die Gesetzgebungsbefugnis gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Art. 72 Abs. 1 GG. zu, da das Bürgerliche Gesetzbuch insoweit die Eigentumszuordnung nicht abschließend regelt. Vielmehr eröffnet Art. 73 EGBGB ausdrücklich die Möglichkeit landesgesetzliche Regalien zu normieren. Das Schatzregal verstößt nicht gegen Art. 14 GG. Da der Grundstückseigentümer und der Finder noch gar kein Eigentum an dem Fund vor seiner Entdeckung haben können, handelt es sich nicht um eine Enteignung, sondern vielmehr eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinn von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Diese ist in Anbetracht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung von Kulturdenkmälern, an ihrer Erschließung für die wissenschaftliche Forschung und an ihrer Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit zulässig. Aufgrund der im Detail stark divergierenden Regelungen in den einzelnen Ländern und dem immer noch vorhandenen Nebeneinander von landesrechtlichen Schatzregal und bundesrechtlicher Fundteilung nach § 984 BGB ist eine bundeseinheitliche Regelung zu befürworten. Das würde die Akzeptanz der Regelung erhöhen und den »Fundtourismus« nach Bayern als einzigem Bundesland ohne Schatzregal unterbinden. 21. In allen Bundesländern ist für die Grabung nach archäologischen Kulturgütern eine Genehmigung erforderlich. Die nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführte archäologische Grabung genießt den Schutz der Wissenschaftsfreiheit. Ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung für eine Grabung auf einem Grundstück in staatlichem Eigentum besteht nicht. Insoweit liegt kein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit vor, da ein Zugriff auf staatliche Ressourcen erfolgen soll. Bei der Erteilung oder Versagung einer solchen Genehmigung ist die Wissenschaftsfreiheit zu beachten und frei von Willkür zu entscheiden. Soll die nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführte Ausgrabung mit Zustimmung des Eigentümers auf einem Grundstück in Privateigentum erfolgen, so stellt die Verweigerung der Grabungsgenehmigung einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des betroffenen Wissenschaftlers dar. Als Schranken für die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG kommen nur kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte in Betracht. Die Forschungsfreiheit zukünftiger Wissenschaftler stellt keine taugliche Schranke für die Wissenschaftsfreiheit dar. Die Wissenschaftsfreiheit
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gegenwärtiger Wissenschaftler zugunsten der Wissenschaftsfreiheit unbestimmter zukünftiger Wissenschaftler einzuschränken, lässt sich dogmatisch nicht begründen und läuft der Eigengesetzlichkeit der Wissenschaft zuwider. In Bezug auf das Kulturstaatsprinzip ist festzustellen, dass die Wissenschaftsfreiheit selbst Bestandteil des Kulturstaatsprinzips ist. Art. 5 Abs. 3 GG enthält eine Wertentscheidung, die staatliche Eingriffe in den Eigenbereich der Wissenschaft verhindern soll. Gerade der Kulturstaat soll schützend und fördernd einer Aushöhlung dieser Freiheitsgarantie vorbeugen. Wenn das Kulturstaatsprinzip gerade dazu dient, die Wissenschaft zu schützen und zu fördern, so ist fraglich, ob das Kulturstaatsprinzip gleichzeitig dazu dienen kann, die Wissenschaftsfreiheit zu beschränken. Diese dogmatische Frage ist bisher nicht abschließend geklärt. Der im niedersächsischen Denkmalschutzgesetz ausdrücklich normierte der Vorrang staatlicher Ausgrabungen (§ 12 Abs. 2 S. 1 NDSchG) ist verfassungswidrig. Ein staatliches Forschungsmonopol entbehrt jeder Grundlage und ist mit der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG nicht vereinbar. 22. Ein Leistungsschutzrecht für nachgelassene Werke aus § 71 UrhG besteht für den Eigentümer von archäologischen Kulturgütern nicht. Die einfachgesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung von § 71 UrhG sind im Einzelnen sehr umstritten. Es ist das Interesse der Allgemeinheit und des Wissenschaftlers am ungehinderten Zugang zu archäologischen Kulturgütern als an sich gemeinfreien Werken zu berücksichtigen. Außerdem entspricht eine Verknüpfung von Eigentum und Leistungsschutzrecht aus § 71 UrhG nicht dem System des deutschen Urheberrechts. Aus Sinn und Zweck der Norm ergibt sich, dass archäologische Kulturgüter nicht in den Anwendungsbereich von § 71 UrhG einzubeziehen sind. 23. Anhand der konkreten Beispiele lässt sich zeigen, dass die identitätsstiftende Wirkung in Bezug auf die Eigentumsfreiheit einen starken Sozialbezug herstellt, der im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu berücksichtigen ist. Kulturstaatsprinzip und Wissenschaftsfreiheit können sich gegenseitig verstärken. Für die Wissenschaftsfreiheit stellt das Kulturstaatsprinzip keine Rechtfertigung für Eingriffe dar. 24. Die Neuregelung des Kulturgüterschutzes auf Bundesebene ist dringend geboten. Dabei hat der Gesetzgeber die sich aus dem Kulturstaatprinzip ergebende Staatsaufgabe des Schutzes von Kulturgütern zu berücksichtigen. Für archäologische Kulturgüter ist, stärker als bisher, auf die sich aus dem Fundzusammenhang ergebenden Besonderheiten Rücksicht zu nehmen. Der Abwanderungsschutz und die Rückgabepflichten für Kulturgut sollten in einem
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einheitlichen Gesetz geregelt werden, um die spiegelbildliche Ausprägung beider Bereiche zu erreichen. 25. Ein wirksames Instrument zum Schutz vor illegaler Ausfuhr von Kulturgut stellt die Einführung einer generellen Exporterlaubnis für Kulturgut dar. Dabei sollte der Gesetzgeber Abschied vom deutschen »Listensystem« nehmen. Die Voraussetzung der Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes führt für illegal ausgegrabene archäologische Kulturgüter zur Wirkungslosigkeit des Abwanderungsschutzes. 26. Der Gesetzgeber sollte national wertvolles Kulturgut im Gesetz definieren und dabei für archäologische Kulturgüter auf deren wissenschaftlichen Wert Bezug nehmen. Die nationale Zuordnung von Kulturgütern ist zulässig und weiterhin zeitgemäß, da die Globalisierung die Notwendigkeit des regionalen Bezuges noch verstärkt. Die Länder sollten den Anwendungsbereich ihrer Denkmalschutzgesetze ausdrücklich auf national wertvolles Kulturgut erstrecken, um so bestehende Schutzlücken zu schließen. 27. Der Bundesgesetzgeber sollte die Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens verbessern und die Änderungen durch die Neufassung der RückgabeRL beachten. Für die rechtmäßige Einfuhr von Kulturgut sollte immer eine Ausfuhrerlaubnis des Herkunftsstaates verlangt werden. Die Voraussetzungen für Rückgabeansprüche anderer Staaten sind eindeutig zu formulieren. Die Neuregelung sollte deutlich machen, dass Deutschland die unrechtmäßige Verbringung von Kulturgütern nicht schützt. Der Handel ist durch Aufzeichnungsund Nachforschungspflichten stärker als bisher in die Verantwortung zu nehmen. 28. Ein verbesserter Kulturgüterschutz ist nicht allein durch gesetzgeberische Maßnahmen zu erreichen. Nach dem Vorbild des Artenschutzes muss ein Bewusstseinswandel in der Bevölkerung in Bezug auf den Respekt vor der Bewahrung der Geschichte und Identität anderer Staaten erreicht werden.
Übersichten
Übersicht 1: Kulturstaatsklauseln in den Verfassungen der Länder Baden-Württemberg
Artikel 3c (1) Der Staat und die Gemeinden fördern das kulturelle Leben und den Sport unter Wahrung der Autonomie der Träger. Bayern Art. 3 (1) Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat. Er dient dem Gemeinwohl. Berlin Art. 20 (2) Das Land schützt und fördert das kulturelle Leben. Brandenburg Artikel 2 (Grundsätze der Verfassung) (1) Brandenburg ist ein freiheitliches, rechtsstaatliches, soziales, dem Frieden und der Gerechtigkeit, dem Schutz der natürlichen Umwelt und der Kultur verpflichtetes demokratisches Land, welches die Zusammenarbeit mit anderen Völkern, insbesondere mit dem polnischen Nachbarn, anstrebt. Bremen Art. 11 (3) Der Staat schützt und fördert das kulturelle Leben. Hamburg – Hessen – MecklenburgArtikel 16 (Förderung von Kultur und Wissenschaft) Vorpommern (1) Land, Gemeinden und Kreise schützen und fördern Kultur, Sport, Kunst und Wissenschaft. Niedersachsen Artikel 6 – Kunst, Kultur und Sport Das Land, die Gemeinden und die Landkreise schützen und fördern Kunst, Kultur und Sport. Nordrhein-Westfalen Artikel 18 (1) Kultur, Kunst und Wissenschaft sind durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern. Rheinland-Pfalz Artikel 40 (1) Das künstlerische und kulturelle Schaffen ist durch das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände zu pflegen und zu fördern. Saarland Artikel 34 (1) Kulturelles Schaffen genießt die Förderung des Staates.
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Übersichten
(Fortsetzung) Sachsen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen
Artikel 11 (1) Das Land fördert das kulturelle, das künstlerische und wissenschaftliche Schaffen, die sportliche Betätigung sowie den Austausch auf diesen Gebieten. (2) Die Teilnahme an der Kultur in ihrer Vielfalt und am Sport ist dem gesamten Volk zu ermöglichen. Zu diesem Zweck werden öffentlich zugängliche Museen, Bibliotheken, Archive, Gedenkstätten, Theater, Sportstätten, musikalische und weitere kulturelle Einrichtungen sowie allgemein zugängliche Universitäten, Hochschulen, Schulen und andere Bildungseinrichtungen unterhalten. Artikel 36 – Kunst, Kultur und Sport (1) Kunst, Kultur und Sport sind durch das Land und die Kommunen zu schützen und zu fördern. (2) Die heimatbezogenen Einrichtungen und Eigenheiten der einzelnen Regionen innerhalb des Landes sind zu pflegen. (3) Das Land und die Kommunen fördern im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten die kulturelle Betätigung aller Bürger insbesondere dadurch, daß sie öffentlich zugängliche Museen, Büchereien, Gedenkstätten, Theater, Sportstätten und weitere Einrichtungen unterhalten. Artikel 13 – Schutz und Förderung der Kultur (1) Das Land schützt und fördert Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre. (2) Das Land schützt und fördert die Pflege der niederdeutschen Sprache. (3) Die Förderung der Kultur einschließlich des Sports, der Erwachsenenbildung, des Büchereiwesens und der Volkshochschulen ist Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. Artikel 30 (1) Kultur, Kunst, Brauchtum genießen Schutz und Förderung durch das Land und seine Gebietskörperschaften.
Übersicht 2: »Denkmalschutzartikel« in den Verfassungen der Länder Baden-Württemberg
Bayern
Artikel 3c (2) Die Landschaft sowie die Denkmale der Kunst, der Geschichte und der Natur genießen öffentlichen Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden. Art. 141 (2) Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts haben die Aufgabe, die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft zu schützen und zu
»Denkmalschutzartikel« in den Verfassungen der Länder
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(Fortsetzung)
Berlin Brandenburg
Bremen Hamburg Hessen
pflegen, herabgewürdigte Denkmäler der Kunst und der Geschichte möglichst ihrer früheren Bestimmung wieder zuzuführen, die Abwanderung deutschen Kunstbesitzes ins Ausland zu verhüten. – Art. 34 (2) Das kulturelle Leben in seiner Vielfalt und die Vermittlung des kulturellen Erbes werden öffentlich gefördert. Kunstwerke und Denkmale der Kultur stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. (3) Das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände unterstützen die Teilnahme am kulturellen Leben und ermöglichen den Zugang zu den Kulturgütern. – – Artikel 62 Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und Kultur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden. Sie wachen im Rahmen besonderer Gesetze über die künstlerische Gestaltung beim Wiederaufbau der deutschen Städte, Dörfer und Siedlungen. –
MecklenburgVorpommern Niedersachsen – Nordrhein-Westfalen Artikel 18 (2) Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Kultur, die Landschaft und Naturdenkmale stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. Rheinland-Pfalz Artikel 40 (3) Der Staat nimmt die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft in seine Obhut und Pflege. Die Teilnahme an den Kulturgütern des Lebens ist dem gesamten Volke zu ermöglichen. Saarland Artikel 34 (2) Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates. Die Teilnahme an den Kulturgütern ist allen Schichten des Volkes zu ermöglichen. Sachsen Artikel 11 (3) Denkmale und andere Kulturgüter stehen unter dem Schutz und der Pflege des Landes. Für ihr Verbleiben in Sachsen setzt sich das Land ein. Sachsen-Anhalt Artikel 36 – Kunst, Kultur und Sport (4) Das Land sorgt, unterstützt von den Kommunen, für den Schutz und die Pflege der Denkmale von Kultur und Natur. Schleswig-Holstein –
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Übersichten
(Fortsetzung) Thüringen
Art. 30 (2) Die Denkmale der Kultur, Kunst, Geschichte und die Naturdenkmale stehen unter dem Schutz des Landes und seiner Gebietskörperschaften. Die Pflege der Denkmale obliegt in erster Linie ihren Eigentümern. Sie sind der Öffentlichkeit im Rahmen der Gesetze unter Beachtung der Rechte anderer zugänglich zu machen.
Übersicht 3: Schatzregal in den Denkmalschutzgesetzen der Länder Baden-Württemberg
Bayern Berlin
Brandenburg
Bremen
§ 23 Schatzregal Bewegliche Kulturdenkmale, die herrenlos sind oder die so lange verborgen gewesen sind, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten entdeckt werden oder wenn sie einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert haben. – § 3 Bodendenkmale (2) Bewegliche Bodendenkmale, deren Eigentümer nicht mehr zu ermitteln sind, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes Berlin. § 12 Schatzregal (1) Bewegliche Denkmale und bewegliche Bodendenkmale, die herrenlos sind oder die so lange verborgen waren, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes und sind unverzüglich an die Denkmalfachbehörde zu übergeben, wenn sie bei archäologischen Untersuchungen, in Grabungsschutzgebieten oder bei unerlaubten Nachforschungen entdeckt werden oder wenn sie für die wissenschaftliche Forschung von Wert sind. (2) Dem Entdecker zufälliger Funde, die nach Absatz 1 Eigentum des Landes werden, ist durch die Denkmalfachbehörde eine angemessene Belohnung in Geld zu gewähren, es sei denn, bewegliche Bodendenkmale sind bei unerlaubten Nachforschungen entdeckt worden. § 19 Schatzregal (1) Bewegliche Kulturdenkmäler, die herrenlos sind oder die solange verborgen waren, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten entdeckt worden sind oder wenn sie einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert haben.
Schatzregal in den Denkmalschutzgesetzen der Länder
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(Fortsetzung)
Hamburg
Hessen
MecklenburgVorpommern
Niedersachsen
(2) Das nach Absatz 1 erworbene Eigentum erlischt, wenn die obere Denkmalschutzbehörde nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem sie die entdeckte Sache in Besitz genommen hat, gegenüber der zuständigen Denkmalfachbehörde zur Eintragung in die Denkmalliste erklärt, das Eigentum behalten zu wollen. Ist das Eigentum des Landes erloschen, so fällt das Eigentum an die nach § 984 des Bürgerlichen Gesetzbuches Berechtigten. § 17 Funde (3) Denkmäler, die so lange im Boden verborgen gewesen sind, dass die Eigentümerin oder der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg. Der Fund ist unverzüglich der zuständigen Stelle anzuzeigen. § 24 Schatzregal (1) Bodendenkmäler, die als bewegliche Sachen herrenlos oder so lange verborgen gewesen sind, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit ihrer Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert haben oder bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten (§ 22) entdeckt wurden. Sie sind unverzüglich der Denkmalfachbehörde zu überlassen. Die Finderin oder der Finder wird von Kosten und Aufwand der Überlassung freigestellt. (2) Das nach Abs. 1 erworbene Eigentum erlischt, wenn die oberste Denkmalschutzbehörde nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem das Land die Sache in Besitz genommen hat, gegenüber der zuständigen Denkmalfachbehörde zur Eintragung in das Denkmalbuch (§ 10) erklärt, das Eigentum behalten zu wollen. Erlischt das Eigentum des Landes, so fällt das Eigentum an die nach § 984 des Bürgerlichen Gesetzbuches Berechtigten. (3) Erklärt das Land nach Abs. 2, das Eigentum behalten zu wollen, hat die Finderin oder der Finder Anspruch auf eine angemessene Belohnung, es sei denn, die Sachen sind bei unerlaubten Nachforschungen entdeckt worden. Über die Höhe entscheidet die oberste Denkmalschutzbehörde unter Berücksichtigung des Verkehrswertes und des besonderen kulturhistorischen Wertes. § 13 Schatzregal Bewegliche Denkmale, die herrenlos sind oder die so lange verborgen gewesen sind, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten im Sinne des § 16 entdeckt werden oder wenn sie einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert haben. § 18 Schatzregal Bewegliche Denkmale gemäß § 3 Abs. 5, die herrenlos oder so lange verborgen gewesen sind, dass ihr Eigentümer nicht mehr
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Übersichten
(Fortsetzung) zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes Niedersachsen, wenn sie bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten gemäß § 16 entdeckt werden oder wenn sie einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert besitzen. Der Finder soll im Rahmen der verfügbaren Mittel des Landeshaushalts eine Belohnung erhalten. Über die Höhe entscheidet das Landesamt für Denkmalpflege unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Das Land kann sein Eigentum an dem beweglichen Denkmal auf den Eigentümer des Grundstücks übertragen, auf dem der Fund erfolgt ist. Nordrhein-Westfalen § 17 Schatzregal (1) Bewegliche Denkmäler und bewegliche Bodendenkmäler sowie Funde von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung, die herrenlos sind oder die solange verborgen waren, dass das Eigentum nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes. Sie sind unverzüglich an die Untere Denkmalbehörde oder das Denkmalpflegeamt zu melden und zu übergeben. (2) Denjenigen, die ihrer Ablieferungspflicht nachkommen, soll eine angemessene Belohnung in Geld gewährt werden, die sich am wissenschaftlichen Wert des Fundes orientiert. Ist die Entdeckung bei unerlaubten Nachforschungen gemacht worden, sollte von der Gewährung einer Belohnung abgesehen werden. Über die Gewährung der Belohnung und ihre Höhe entscheidet im Einzelfall die Oberste Denkmalbehörde im Einvernehmen mit dem örtlich zuständigen Denkmalpflegeamt. Rheinland-Pfalz § 20 Schatzregal (1) Funde, die herrenlos sind oder die so lange verborgen waren, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung sind oder bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten (§ 22) entdeckt werden. (2) Der Finder soll im Rahmen der verfügbaren Mittel des Landeshaushalts eine Belohnung erhalten. Über die Höhe entscheidet die Denkmalfachbehörde unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Saarland § 14 Schatzregal Funde, die herrenlos sind oder die so lange verborgen waren, dass ihre Eigentümerin oder ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie bei staatlichen Nachforschungen, in Grabungsschutzgebieten oder bei nicht genehmigten Grabungen entdeckt worden sind oder wenn sie einen wissenschaftlichen Wert haben. Sachsen § 25 Schatzregal (1) Bewegliche Kulturdenkmale, die herrenlos oder so lange verborgen gewesen sind, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Frei-
Schatzregal in den Denkmalschutzgesetzen der Länder
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(Fortsetzung)
Sachsen-Anhalt
staates Sachsen und sind unverzüglich an die zuständige Fachbehörde zu melden und zu übergeben. (2) Der Finder hat Anspruch auf eine angemessene Belohnung. Über die Höhe entscheidet die Fachbehörde im Einvernehmen mit der obersten Denkmalschutzbehörde. § 12 Schatzregal, Ablieferungspflicht (1) Bewegliche Kulturdenkmale, die herrenlos sind oder die so lange verborgen gewesen sind, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten entdeckt werden oder wenn sie einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert haben. Denjenigen, die ihrer Ablieferungspflicht nachkommen, kann eine angemessene Belohnung in Geld gewährt werden, die sich am wissenschaftlichen Wert des Fundes orientiert. (2) Für alle übrigen Kulturdenkmale gilt: 1. Das Land und die kommunalen Gebietskörperschaften sind berechtigt, innerhalb von sechs Monaten nach der Entdeckung die Ablieferung eines in ihrem Gebiet zutage getretenen beweglichen Fundes gegen angemessene Entschädigung zu verlangen. Das Ablieferungsbegehren bedarf der Schriftform. 2. Die Ablieferung kann verlangt werden, wenn Tatsachen vorliegen, nach denen anzunehmen ist, dass sich der Erhaltungszustand des Fundes andernfalls wesentlich verschlechtern wird oder er der wissenschaftlichen Forschung verloren geht. 3. Das bewegliche Kulturdenkmal ist an die Körperschaft abzuliefern, die die Ablieferung als erste verlangt; haben mehrere die Ablieferung gleichzeitig verlangt, ist die Reihenfolge der Nummer 1 Satz 1 maßgebend. Im Ablieferungsverlangen ist auf diese Regelung hinzuweisen. Mit der Ablieferung erlangt die berechtigte Körperschaft das Eigentum an dem Fund. 4. Die Körperschaft, die in den Besitz des beweglichen Kulturdenkmals gelangt ist, hat die in der Reihenfolge nach Nummer 1 Satz 1 bevorrechtigte Körperschaft unverzüglich von der Ablieferung zu informieren. Die berechtigte Körperschaft kann dann innerhalb von einem Monat die Übereignung des Fundes verlangen. Der geleistete Aufwand für Entschädigung und Erhaltungsmaßnahmen ist auszugleichen. 5. Die Entschädigung ist in Geld zu leisten. Sie bemisst sich nach dem Verkehrswert des beweglichen Kulturdenkmals zum Zeitpunkt der Ablieferung. Im Falle der wissenschaftlichen Bearbeitung des beweglichen Kulturdenkmals durch das Denkmalfachamt ist der Zeitpunkt der Inbesitznahme maßgebend. Einigen sich der Ablieferungspflichtige und die berechtigte Körperschaft nicht über die Höhe der Entschädigung, so setzt die berechtigte Körperschaft die Entschädigung fest. Geht das Eigentum auf eine andere Körperschaft über, tritt diese an die Stelle der berechtigten Körperschaft. Die Entschädigung kann
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Übersichten
(Fortsetzung)
Schleswig-Holstein
Thüringen
mit Einverständnis des Ablieferungspflichtigen in anderer Weise als durch Geld geleistet werden. § 22 Schatzregal (1) Bewegliche Kulturdenkmale, die herrenlos sind oder die so lange verborgen gewesen sind, dass ihre Eigentümerinnen oder Eigentümer nicht mehr zu ermitteln sind, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten im Sinne des § 19 Abs. 3 entdeckt werden oder wenn sie einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert besitzen. Die Finderin oder der Finder hat Anspruch auf eine angemessene Belohnung. Über die Höhe entscheidet die oberste Denkmalschutzbehörde. (2) § 16 findet keine Anwendung. § 17 Schatzregal Bewegliche Kulturdenkmale, die herrenlos oder so lange verborgen gewesen sind, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie bei staatlichen Nachforschungen, in archäologischen Schutzgebieten oder bei ungenehmigten Nachforschungen entdeckt wurden, oder wenn sie einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert besitzen.
Übersicht 4: Grabungserlaubnis in den Denkmalschutzgesetzen der Länder Baden-Württemberg Bayern
§ 21 Nachforschungen Nachforschungen, insbesondere Grabungen, mit dem Ziel, Kulturdenkmale zu entdecken, bedürfen der Genehmigung. Art. 7 Ausgraben von Bodendenkmälern (1) Wer auf einem Grundstück nach Bodendenkmälern graben oder zu einem anderen Zweck Erdarbeiten auf einem Grundstück vornehmen will, obwohl er weiß oder vermutet oder den Umständen nach annehmen muß, daß sich dort Bodendenkmäler befinden, bedarf der Erlaubnis. Die Erlaubnis kann versagt werden, soweit dies zum Schutz eines Bodendenkmals erforderlich ist. (2) Die Bezirke können durch Verordnung bestimmte Grundstücke, in oder auf denen Bodendenkmäler zu vermuten sind, zu Grabungsschutzgebieten erklären.vIn einem Grabungsschutzgebiet bedürfen alle Arbeiten, die Bodendenkmäler gefährden können, der Erlaubnis. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 gelten entsprechend. Grabungsschutzgebiete sind im Flächennutzungsplan kenntlich zu machen.
Grabungserlaubnis in den Denkmalschutzgesetzen der Länder
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(Fortsetzung)
Berlin
Brandenburg
Bremen
Hamburg
(3) Absatz 1 und Absatz 2 Satz 2 gelten nicht für Grabungen, die vom Landesamt für Denkmalpflege oder unter seiner Mitwirkung vorgenommen oder veranlaßt werden. (4) Wer in der Nähe von Bodendenkmälern, die ganz oder zum Teil über der Erdoberfläche erkennbar sind, Anlagen errichten, verändern oder beseitigen will, bedarf der Erlaubnis, wenn sich dies auf Bestand oder Erscheinungsbild eines dieser Bodendenkmäler auswirken kann. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 gelten entsprechend. (5) Soll eine Grabung auf einem fremden Grundstück erfolgen, so kann der Eigentümer verpflichtet werden, die Grabung zuzulassen, wenn das Landesamt für Denkmalpflege festgestellt hat, daß ein besonderes öffentliches Interesse an der Grabung besteht. Der Inhaber der Grabungsgenehmigung hat den dem Eigentümer entstehenden Schaden zu ersetzen. § 3 Bodendenkmale (3) Das Graben nach Bodendenkmalen bedarf unbeschadet sonstiger Erlaubnisse der Genehmigung der zuständigen Denkmalbehörde. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn nicht Gewähr dafür gegeben ist, daß die Durchführung der Grabung dem Schutze und der Pflege der Bodendenkmale gerecht wird. § 10 Nachforschungen (1) Wer nach Bodendenkmalen zielgerichtet mit technischen Hilfsmitteln suchen, nach Bodendenkmalen graben oder Bodendenkmale aus einem Gewässer bergen will, bedarf der Erlaubnis der Denkmalfachbehörde. Dies gilt nicht für Nachforschungen, die von der Denkmalfachbehörde oder unter ihrer Mitwirkung vorgenommen oder veranlasst werden. (2) Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn Bodendenkmale oder Quellen für die Forschung nicht gefährdet werden oder ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Nachforschung besteht. § 16 Ausgrabungen (1) Wer nach Bodendenkmälern gräbt, bedarf hierfür der Genehmigung des Landesarchäologen. Wer ohne Genehmigung gräbt, hat auf Anforderung des Landesarchäologen unverzüglich den früheren Zustand wiederherzustellen. (2) Die Genehmigung kann unter Bedingungen oder Auflagen erteilt werden. Die Auflagen können insbesondere die Ausführung der Grabung, die Mitteilung von gefundenen und entdeckten Sachen und deren Sicherung und Erhaltung betreffen. Wer die Bedingungen oder Auflagen nicht erfüllt, hat auf Anordnung des Landesarchäologen den früheren Zustand wiederherzustellen. § 14 Genehmigungspflicht für Ausgrabungen (1) Wer Bodendenkmäler ausgraben, aus einem Gewässer bergen oder unter Einsatz von technischen Suchgeräten entdecken will, bedarf der Genehmigung der zuständigen Stelle. Die Genehmigung kann insbesondere gemäß § 7 Absatz 5 an Bedin-
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Übersichten
(Fortsetzung) gungen oder Auflagen hinsichtlich der Ausführung der Ausgrabungen, der Dokumentation, des Fundverbleibes sowie der Konservierung und Restaurierung der aufzufindenden Überreste, Sachen oder Spuren geknüpft werden. Hessen § 21 Nachforschungen Nachforschungen, insbesondere Grabungen mit dem Ziel, Bodendenkmäler zu entdecken, bedürfen der Genehmigung der obersten Denkmalschutzbehörde. § 20 Abs. 4 gilt sinngemäß. Mecklenburg§ 12 Nachforschungen Vorpommern Nachforschungen, insbesondere Grabungen oder der Einsatz von technischen Suchgeräten, mit dem Ziel, Denkmale, insbesondere Bodendenkmale, zu entdecken, bedürfen der Genehmigung der obersten Denkmalschutzbehörde. Niedersachsen § 12 Ausgrabungen (1) Wer nach Kulturdenkmalen graben, Kulturdenkmale aus einem Gewässer bergen oder mit technischen Hilfsmitteln nach Kulturdenkmalen suchen will, bedarf einer Genehmigung der Denkmalschutzbehörde. Ausgenommen sind Nachforschungen, die unter der Verantwortung einer staatlichen Denkmalbehörde stattfinden. (2) Die Genehmigung ist zu versagen, soweit die Maßnahme gegen dieses Gesetz verstoßen oder Forschungsvorhaben des Landes beeinträchtigen würde. Die Genehmigung kann unter Bedingungen und mit Auflagen erteilt werden. Insbesondere können Bestimmungen über die Suche, die Planung und Ausführung der Grabung, die Behandlung und Sicherung der Bodenfunde, die Dokumentation der Grabungsbefunde, die Berichterstattung und die abschließende Herrichtung der Grabungsstätte getroffen werden. Es kann auch verlangt werden, daß ein bestimmter Sachverständiger die Arbeiten leitet. Nordrhein-Westfalen § 13 Ausgrabungen (1) Wer nach Bodendenkmälern graben oder Bodendenkmäler aus einem Gewässer bergen will, bedarf hierzu der Erlaubnis der Oberen Denkmalbehörde. Ausgenommen sind Nachforschungen, die unter der Verantwortung des Landes, des Landschaftsverbandes oder der Stadt Köln (§ 22 Abs. 5) stattfinden. (2) Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn die beabsichtigte Grabung oder Bergung Bodendenkmäler oder die Erhaltung von Quellen für die Forschung nicht gefährdet. (3) Die Erlaubnis kann mit Auflagen und unter Bedingungen erteilt werden, die die Planung und Ausführung der Grabung oder Bergung, die Leitung durch vorgebildete Fachkräfte, die Behandlung und Sicherung der Bodenfunde, die Dokumentation der Grabungsfunde, die Berichterstattung und die abschließende Herrichtung der Grabungsstätte betreffen. Sie kann auch unter der Bedingung erteilt werden, daß die Ausführung nach einem von der Oberen Denkmalbehörde gebilligten Plan erfolgt.
Grabungserlaubnis in den Denkmalschutzgesetzen der Länder
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(Fortsetzung) Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
§ 21 Genehmigung von Nachforschungen, Anzeige von Arbeiten, Kostenerstattung (1) Nachforschungen, insbesondere Geländebegehungen mit Schatzsuchgeräten sowie Ausgrabungen, mit dem Ziel, Kulturdenkmäler zu entdecken, bedürfen der Genehmigung der unteren Denkmalschutzbehörde. Sie trifft die Entscheidung im Einvernehmen mit der Denkmalfachbehörde; wird kein Einvernehmen erzielt, kann die untere Denkmalschutzbehörde von der Stellungnahme der Denkmalfachbehörde abweichen, soweit die obere Denkmalschutzbehörde zustimmt. § 13 Abs. 3 Satz 1 bis 4 und § 13 a Abs. 4 gelten entsprechend. Nachforschungen in der Verantwortung der Denkmalfachbehörde bedürfen keiner Genehmigung nach diesem Gesetz. § 10 Ausgrabung, Veränderung und Veräußerung von Bodendenkmälern (1) Wer nach Bodendenkmälern graben, Bodendenkmäler aus einem Gewässer bergen oder mit technischen Hilfsmitteln zielgerichtet nach Bodendenkmälern suchen will, bedarf hierzu der Genehmigung. Der Genehmigung bedarf auch, wer zu einem anderen Zweck Erdarbeiten vornehmen will, obwohl sie oder er weiß oder annehmen muss, dass sich dort Bodendenkmäler befinden. § 22 Grabungsschutzgebiete (1) Die untere Denkmalschutzbehörde wird ermächtigt, Gebiete, die begründeter Vermutung nach Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung bergen, durch Rechtsverordnung zu Grabungsschutzgebieten zu erklären. § 21 Abs. 3 findet entsprechend Anwendung. (2) In Grabungsschutzgebieten dürfen Nachforschungen und Arbeiten, durch die verborgene Kulturdenkmale zutage gefördert oder gefährdet werden können, nur mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde vorgenommen werden. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 bis 5 und § 21 Abs. 2 Satz1 gelten entsprechend. § 14 Genehmigungspflichten (3) Wer Nachforschungen anstellen, insbesondere nach Kulturdenkmalen graben will, bedarf der Genehmigung der unteren Denkmalschutzbehörde. Die Genehmigung kann mit Auflagen verbunden werden. Ausgenommen sind Nachforschungen, die in der Verantwortung des Denkmalfachamtes stattfinden. § 18 Suche nach Kulturdenkmalen Wer auf dem Land oder auf dem Grund eines Gewässers nach Kulturdenkmalen sucht, insbesondere mittels Grabungen oder technischer Suchgeräte, bedarf der Genehmigung der oberen Denkmalschutzbehörde. Die Genehmigung kann versagt werden, soweit dies zum Schutz der Kulturdenkmale erforderlich ist.
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(Fortsetzung) Thüringen
§ 18 Nachforschungen Nachforschungen, insbesondere Grabungen mit dem Ziel, Bodendenkmale zu entdecken, bedürfen der Genehmigung der Denkmalfachbehörde. Die Grabungsgenehmigung kann bestimmen, wer Unternehmer der Grabung sein soll. § 16 Abs. 4 gilt sinngemäß.
Übersicht 5: Begriff »Bodendenkmal« in den Denkmalschutzgesetzen der Länder Baden-Württemberg Bayern
Berlin
Brandenburg
Bremen
Hamburg
– Art. 1 Begriffsbestimmungen (4) Bodendenkmäler sind bewegliche und unbewegliche Denkmäler, die sich im Boden befinden oder befanden und in der Regel aus vor- oder frühgeschichtlicher Zeit stammen. § 2 Begriffsbestimmungen (5) Ein Bodendenkmal ist eine bewegliche oder unbewegliche Sache, die sich im Boden oder in Gewässern befindet oder befunden hat und deren Erhaltung aus in Absatz 2 genannten Gründen im Interesse der Allgemeinheit liegt. § 2 Begriffsbestimmungen (2) Denkmale können sein: […] 4. bewegliche und unbewegliche Sachen, insbesondere Reste oder Spuren von Gegenständen, Bauten und sonstigen Zeugnissen menschlichen, tierischen und pflanzlichen Lebens, die sich im Boden oder in Gewässern befinden oder befanden (Bodendenkmale). § 2 Begriffsbestimmungen (1) Kulturdenkmäler im Sinne dieses Gesetzes sind […] 4. unbewegliche Bodendenkmäler, wie Hügelgräber, Steindenkmäler, Wurten, Burgwälle, Schanzen, Landwehre sowie in der Erde oder im Wasser verborgene unbewegliche oder bewegliche Sachen, Überreste und Spuren, deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen, technik- oder heimatgeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse liegt. § 4 Gegenstand des Denkmalschutzes (5) Ein Bodendenkmal ist ein Überrest, eine bewegliche oder eine unbewegliche Sache, der oder die von Epochen und Kulturen zeugt, für die Ausgrabungen und Funde eine der Hauptquellen wissenschaftlicher Erkenntnis sind und deren Erhaltung aus in Absatz 2 genannten Gründen im öffentlichen Interesseliegt.
Begriff »Bodendenkmal« in den Denkmalschutzgesetzen der Länder
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(Fortsetzung) § 19 Bodendenkmäler Bodendenkmäler im Sinne der folgenden Bestimmungen sind bewegliche oder unbewegliche Sachen, bei denen es sich um Zeugnisse, Überreste oder Spuren menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Lebens handelt, die aus Epochen und Kulturen stammen, für die Ausgrabungen und Funde eine der Hauptquellen wissenschaftlicher Erkenntnisse sind. Die Vorschriften des Naturschutzrechts bleiben unberührt. Mecklenburg§ 2 Begriffsbestimmungen Vorpommern (5) Bodendenkmale sind bewegliche oder unbewegliche Denkmale, die sich im Boden, in Mooren sowie in Gewässern befinden oder befanden. Als Bodendenkmale gelten auch – Zeugnisse, die von menschlichen und mit diesem im Zusammenhang stehenden tierischen und pflanzlichen Leben in der Vergangenheit künden, – Veränderungen und Verfärbungen in der natürlichen Bodenbeschaffenheit, die durch nicht mehr selbständig erkennbare Bodendenkmale hervorgerufen worden sind, sofern sie die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen. Niedersachsen § 3 Begriffsbestimmungen (4) Bodendenkmale sind mit dem Boden verbundene oder im Boden verborgene Sachen, Sachgesamtheiten und Spuren von Sachen, die von Menschen geschaffen oder bearbeitet wurden oder Aufschluss über menschliches Leben in vergangener Zeit geben und aus den in Absatz 2 genannten Gründen erhaltenswert sind, sofern sie nicht Baudenkmale sind. Nordrhein-Westfalen § 2 Begriffsbestimmungen (5) Bodendenkmäler sind bewegliche oder unbewegliche Denkmäler, die sich im Boden befinden oder befanden. Als Bodendenkmäler gelten auch Zeugnisse tierischen und pflanzlichen Lebens aus erdgeschichtlicher Zeit, ferner Veränderungen und Verfärbungen in der natürlichen Bodenbeschaffenheit, die durch nicht mehr selbständig erkennbare Bodendenkmäler hervorgerufen worden sind, sofern sie die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen. Rheinland-Pfalz – Saarland § 2 Begriffsbestimmungen (4) Bodendenkmäler sind 1. bewegliche und unbewegliche Kulturdenkmäler, 2. aus den in Absatz 1 Satz 1 genannten Gründen erhaltenswerte Überreste oder Spuren menschlichen, tierischen und pflanzlichen Lebens, die sich im Erdboden oder auf dem Grund eines Gewässers befinden oder befunden haben. Sachsen § 2 Gegenstand des Denkmalschutzes (5) Kulturdenkmale im Sinne dieses Gesetzes können insbesondere sein […] Hessen
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Übersichten
(Fortsetzung)
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen
g) unbewegliche und bewegliche archäologische Sachzeugen wie Reste von Siedlungs- und Befestigungsanlagen, Grabanlagen, Höhlen, Wüstungen, Kult- und Versammlungsstätten und andere Reste von Gegenständen und Bauwerken, […] § 2 Begriffsbestimmung (2) Kulturdenkmale im Sinne dieses Gesetzes sind: […] 3. archäologische Kulturdenkmale als Reste von Lebewesen, Gegenständen und Bauwerken, die im oder auf dem Boden, im Moor und unter Wasser erhalten geblieben sind und die von der Geschichte des Menschen Zeugnis ablegen. Insbesondere sind dies Siedlungen und Wüstungen, Befestigungsanlagen aller Art, Landwehren und markante Grenzverläufe, Produktionsstätten wie Ackerfluren und Werkplätze, Glashütten, Öfen, Steinbrüche, Pingen, Halden, Verkehrsanlagen, Be- und Entwässerungssysteme, Gräberfelder, Grabanlagen, darunter Grabhügel und Großsteingräber, Höhlen, Kultstätten, Denkmale der Rechtsgeschichte und Überreste von Bauwerken sowie Steinmahle und Schälchensteine; […] § 1 Denkmalschutz und Denkmalpflege (2) […] Archäologische Denkmale sind bewegliche oder unbewegliche Kulturdenkmale, die sich im Boden, in Mooren oder in einem Gewässer befinden oder befanden und aus denen mit archäologischer Methode Kenntnis von der Vergangenheit des Menschen gewonnen werden kann. Hierzu gehören auch dingliche Zeugnisse wie Veränderungen und Verfärbungen in der natürlichen Bodenbeschaffenheit sowie Zeugnisse pflanzlichen und tierischen Lebens, wenn sie die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllen. § 2 Kulturdenkmale (7) Bodendenkmale sind bewegliche oder unbewegliche Sachen, bei denen es sich um Zeugnisse, Überreste oder Spuren menschlicher Kultur (archäologische Denkmale) oder tierischen oder pflanzlichen Lebens (paläontologische Denkmale) handelt, die im Boden verborgen sind oder waren.
195
Auswertung der Länderverzeichnisse national wertvollen Kulturgutes
Übersicht 6: Auswertung der Länderverzeichnisse national wertvollen Kulturgutes841
BadenWürttemberg Bayern
Berlin
Brandenburg Bremen Hamburg Hessen MecklenburgVorpommern Niedersachsen
NordrheinWestfalen RheinlandPfalz Saarland Sachsen SachsenAnhalt SchleswigHolstein Thüringen
Bildende Kunst 54
Buch
507
549 (davon 401 vorläufig) – – 9 44 134 (davon 132 vorläufig) 189
32
Angewandte Kunst 19
Naturkunde –
62
114 (davon 1 vorläufig)
2
3
–
695
25 (davon 4 vorläufig) 1 – – 8 –
15
7 (davon 1 vorläufig) 25
–
–
–
614
3 17 1 99 139 (davon 136 vorläufig)
1 – – 2 –
– 1 – – –
– – – – 1
– – – – –
5 18 10 153 272
6 (davon 1 vorläufig) 3
15
–
4
1
–
215
4
–
1
42
3
85
7
Transport- Maschinen Dokumittel und Technik ment – – –
S 80
8 (davon 3 vorläufig) – 1
2
3
–
–
–
–
13
– 1
– –
– –
– –
– –
1 6
1
–
1 4 (davon 2 vorläufig) 11
8
–
–
–
20
24 (davon 1 vorläufig) 10 (alle vorläufig)
–
29
–
1
–
–
54
–
8
–
–
–
–
18
841 http://www.kulturgutschutz-deutschland.de/DE/3_Datenbank/Kulturgut/kulturgut_node. html; Abruf am 8. Juli 2013.
Anhang
Anhang 1: Haager Konvention von 1954842 – Auszug Art. 1 Begriffsbestimmung des Kulturguts Kulturgut im Sinne dieses Abkommens sind, ohne Rücksicht auf Herkunft oder Eigentumsverhältnisse: a) bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe der Völker von großer Bedeutung ist, wie z. B. Bau-, Kunst- oder geschichtliche Denkmäler kirchlicher oder weltlicher Art, archäologische Stätten, Gruppen von Bauten, die als Ganzes von historischem oder künstlerischem Interesse sind, Kunstwerke, Manuskripte, Bücher und andere Gegenstände von künstlerischem, historischem oder archäologischem Interesse sowie wissenschaftliche Sammlungen und bedeutende Sammlungen von Büchern, von Archivalien oder von Reproduktionen des oben umschriebenen Kulturguts; b) Gebäude, die in der Hauptsache und tatsächlich der Erhaltung oder Ausstellung des unter a umschriebenen beweglichen Guts dienen, wie z. B. Museen, große Bibliotheken, Archive sowie Bergungsorte, in denen im Falle bewaffneter Konflikte das unter a umschriebene bewegliche Kulturgut in Sicherheit gebracht werden soll; c) Denkmalzentren, das heißt Orte, die in beträchtlichem Umfange Kulturgut im Sinne der Unterabsätze a und b aufweisen.
842 Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954, BGBL. 1967 II S. 1235.
198
Anhang
Anhang 2: Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut [UNESCO-Übereinkommen] Paris, 14. November 1970 Inkrafttreten: 24. April 1972 Artikel 1 Im Sinne dieses Übereinkommens gilt als Kulturgut das von jedem Staat aus religiösen oder weltlichen Gründen als für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft besonders wichtig bezeichnete Gut, das folgenden Kategorien angehört: a) seltene Sammlungen und Exemplare der Zoologie, Botanik, Mineralogie und Anatomie sowie Gegenstände von paläontologischem Interesse; b) Gut, das sich auf die Geschichte einschließlich der Geschichte von Wissenschaft und Technik sowie der Militär- und Sozialgeschichte, das Leben nationaler Führer, Denker, Wissenschaftler und Künstler und Ereignisse von nationaler Bedeutung bezieht; c) Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen (sowohl vorschriftsmäßiger als auch unerlaubter) oder archäologischer Entdeckungen; d) Teile künstlerischer oder geschichtlicher Denkmäler oder archäologischer Stätten, die nicht mehr vollständig sind; e) Antiquitäten, die mehr als hundert Jahre alt sind, wie Inschriften, Münzen und gravierte Siegel; f) Gegenstände von ethnologischem Interesse; g) Gut von künstlerischem Interesse wie i) Bilder, Gemälde und Zeichnungen, die ausschließlich von Hand auf einem beliebigen Träger und aus einem beliebigen Material angefertigt sind (ausgenommen industrielle Entwürfe und handbemalte Manufakturwaren); ii) Originalwerke der Bildhauerkunst und der Skulptur aus einem beliebigen Material; iii) Originalgravuren, -drucke und -lithographien; iv) Originale von künstlerischen Zusammenstellungen und Montagen aus einem beliebigen Material; h) seltene Manuskripte und Inkunabeln, alte Bücher, Dokumente und Publikationen von besonderem Interesse (historisch, künstlerisch, wissenschaftlich, literarisch usw.), einzeln oder in Sammlungen; i) Briefmarken, Steuermarken und Ähnliches, einzeln oder in Sammlungen;
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j) Archive einschließlich Phono-, Foto- und Filmarchive; k) Möbelstücke, die mehr als hundert Jahre alt sind, und alte Musikinstrumente. Artikel 2 (1) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass die unzulässige Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut eine der Hauptursachen für das Dahinschwinden des kulturellen Erbes der Ursprungsländer darstellen und dass die internationale Zusammenarbeit eines der wirksamsten Mittel zum Schutz des Kulturguts jedes Landes gegen alle sich daraus ergebenden Gefahren ist. (2) Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vertragsstaaten, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln diese Praktiken zu bekämpfen, indem sie insbesondere ihre Ursachen beseitigen, im Gang befindliche Praktiken beenden und zu den erforderlichen Wiedergutmachungen beitragen. Artikel 3 Die Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut gelten als unzulässig, wenn sie im Widerspruch zu den Bestimmungen stehen, die von den Vertragsstaaten auf Grund dieses Übereinkommens angenommen worden sind. Artikel 4 Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Sinne dieses Übereinkommens das zu folgenden Kategorien gehörende Gut Teil des kulturellen Erbes jedes Staates ist: a) Kulturgut, das durch die individuelle oder kollektive Schöpferkraft von Angehörigen des betreffenden Staates entstanden ist, und für den betreffenden Staat bedeutsames Kulturgut, das in seinem Hoheitsgebiet von dort ansässigen Ausländern oder Staatenlosen geschaffen wurde; b) im Staatsgebiet gefundenes Kulturgut; c) durch archäologische, ethnologische oder naturwissenschaftliche Missionen mit Zustimmung der zuständigen Behörden des Ursprungslands erworbenes Kulturgut; d) Kulturgut, das auf Grund freier Vereinbarung ausgetauscht worden ist; e) Kulturgut, das als Geschenk entgegengenommen oder mit Zustimmung der zuständigen Behörden des Ursprungslands rechtmäßig gekauft wurde. Artikel 5 Um den Schutz ihres Kulturguts vor unzulässiger Einfuhr, Ausfuhr oder Übereignung sicherzustellen, verpflichten sich die Vertragsstaaten, je nach den Gegebenheiten ihres Landes in ihren Hoheitsgebieten zum Schutz des kulturellen Erbes eine oder mehrere Dienststellen einzurichten, soweit solche nicht bereits vorhanden sind, die mit qualifiziertem und zahlenmäßig ausreichendem Per-
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sonal ausgestattet sind, das in der Lage ist, folgende Aufgaben wirksam zu erfüllen: a) Mitwirkung bei der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen und sonstigen Rechtsvorschriften zum Schutz des kulturellen Erbes und insbesondere zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung wichtigen Kulturguts; b) auf der Grundlage eines nationalen Bestandsverzeichnisses des zu schützenden Gutes Aufstellung und Führung eines Verzeichnisses des wichtigen öffentlichen und privaten Kulturguts, dessen Ausfuhr das nationale kulturelle Erbe merklich verringern würde; c) Förderung des Ausbaus oder der Errichtung wissenschaftlicher und technischer Einrichtungen (Museen, Bibliotheken, Archive, Laboratorien, Werkstätten usw.), die zur Erhaltung und Ausstellung von Kulturgut notwendig sind; d) Einrichtung der Überwachung archäologischer Ausgrabungen, Gewährleistung der Konservierung bestimmten Kulturguts »in situ« und Schutz bestimmter Gebiete, die künftigen archäologischen Forschungen vorbehalten sind; e) Aufstellung von Vorschriften für die betroffenen Personen (Kuratoren, Sammler, Antiquitätenhändler usw.) entsprechend den ethischen Grundsätzen dieses Übereinkommens und Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften; f) Durchführung von Bildungsmaßnahmen, um die Achtung vor dem kulturellen Erbe aller Staaten zu wecken und zu entwickeln, und Verbreitung der Kenntnis der Bestimmungen dieses Übereinkommens; g) Vorsorge für eine ausreichende Bekanntmachung des Verschwindens von Kulturgut. Artikel 6 Die Vertragsstaaten verpflichten sich, a) eine geeignete Bescheinigung einzuführen, durch die der ausführende Staat bescheinigt, dass die Ausfuhr des betreffenden Kulturguts genehmigt ist. Jedes vorschriftsmäßig ausgeführte Kulturgut muss von einer solchen Bescheinigung begleitet sein; b) die Ausfuhr von Kulturgut aus ihrem Hoheitsgebiet zu verbieten, sofern die oben genannte Ausfuhrbescheinigung nicht vorliegt; c) dieses Verbot auf geeignete Weise in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, insbesondere bei Personen, die für die Ausfuhr oder Einfuhr von Kulturgut in Frage kommen.
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Artikel 7 Die Vertragsstaaten verpflichten sich, a) im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Museen und ähnliche Einrichtungen in ihrem Hoheitsgebiet am Erwerb von Kulturgut zu hindern, das aus einem anderen Vertragsstaat stammt und nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für die betreffenden Staaten widerrechtlich ausgeführt worden ist. Soweit möglich unterrichten sie einen Ursprungsstaat, der Vertragspartei ist, wenn solches Kulturgut angeboten wird, das nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für beide Staaten widerrechtlich aus jenem Staat entfernt worden ist; b) i) die Einfuhr von Kulturgut, das nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für die betreffenden Staaten aus einem Museum oder einem religiösen oder weltlichen öffentlichen Baudenkmal oder einer ähnlichen Einrichtung in einem anderen Vertragsstaat gestohlen worden ist, zu verbieten, sofern nachgewiesen werden kann, dass dieses Gut zum Bestand jener Einrichtung gehört; ii) auf Ersuchen des Ursprungsstaats, der Vertragspartei ist, geeignete Maßnahmen zur Wiedererlangung und Rückgabe solchen Kulturguts zu ergreifen, das nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für beide betreffenden Staaten eingeführt wurde, mit der Maßgabe, dass der ersuchende Staat einem gutgläubigen Erwerber oder einer Person mit einem gültigen Rechtsanspruch an dem Gut eine angemessene Entschädigung zahlt. Ersuchen um Wiedererlangung und Rückgabe sind auf diplomatischem Weg zu übermitteln. Der ersuchende Staat stellt auf seine Kosten die Unterlagen und Nachweise zur Verfügung, die zur Feststellung seines Anspruchs auf Wiedererlangung und Rückgabe erforderlich sind. Die Vertragsstaaten erheben auf das nach diesem Artikel zurückgegebene Gut weder Zölle noch sonstige Abgaben. Alle Kosten im Zusammenhang mit der Rückgabe und Zustellung des Kulturguts werden von dem ersuchenden Staat getragen. Artikel 8 Die Vertragsstaaten verpflichten sich, gegen jeden, der für einen Verstoß gegen die in Artikel 6 Buchstabe b und Artikel 7 Buchstabe b genannten Verbote verantwortlich ist, Kriminal- oder Ordnungsstrafen zu verhängen. Artikel 9 Jeder Vertragsstaat, dessen kulturelles Erbe durch Plünderung archäologischen oder ethnologischen Gutes gefährdet ist, kann sich an andere betroffene Vertragsstaaten wenden. Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens verpflichten sich, in diesen Fällen an einer konzertierten internationalen Aktion teilzuneh-
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men mit dem Ziel, die erforderlichen konkreten Maßnahmen festzulegen und durchzuführen, einschließlich der Überwachung der Ausfuhr, der Einfuhr und des internationalen Handels mit dem betreffenden spezifischen Gut. Bis zu einer Vereinbarung ergreift jeder betroffene Staat im Rahmen des Möglichen einstweilige Maßnahmen, um zu verhindern, dass dem kulturellen Erbe des ersuchenden Staates nicht wieder gutzumachender Schaden zugefügt wird. Artikel 10 Die Vertragsstaaten verpflichten sich, a) durch Erziehung, Information und aufmerksame Beobachtung den Verkehr mit Kulturgut, das aus einem Vertragsstaat widerrechtlich entfernt worden ist, einzuschränken und je nach den Gegebenheiten jedes Landes die Antiquitätenhändler unter Androhung von Kriminal- oder Ordnungsstrafen zu verpflichten, ein Verzeichnis zu führen, aus dem der Ursprung jedes einzelnen Kulturguts, Name und Anschrift des Lieferanten sowie die Beschreibung und der Preis jedes verkauften Gegenstands hervorgehen, und den Käufer des Kulturguts über das dafür möglicherweise bestehende Ausfuhrverbot zu unterrichten; b) sich zu bemühen, durch erzieherische Maßnahmen in der Öffentlichkeit das Verständnis für den Wert des Kulturguts sowie für seine Gefährdung durch Diebstahl, unerlaubte Ausgrabungen und unzulässige Ausfuhr zu wecken und zu entwickeln. Artikel 11 Die erzwungene Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, die sich unmittelbar oder mittelbar aus der Besetzung eines Landes durch eine fremde Macht ergeben, gelten als unzulässig. Artikel 12 Die Vertragsstaaten achten das kulturelle Erbe in den Hoheitsgebieten, deren internationale Beziehungen sie wahrnehmen, und ergreifen alle geeigneten Maßnahmen, um die unzulässige Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut in diesen Hoheitsgebieten zu verbieten und zu verhüten. Artikel 13 Die Vertragsstaaten verpflichten sich ferner im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung, a) mit allen geeigneten Mitteln Übereignungen von Kulturgut zu verhüten, durch die eine unzulässige Einfuhr oder Ausfuhr desselben begünstigt werden könnte;
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b) dafür zu sorgen, dass ihre zuständigen Dienststellen zusammenarbeiten, um eine möglichst baldige Rückgabe des unzulässig ausgeführten Kulturguts an den rechtmäßigen Eigentümer zu erleichtern; c) Verfahren zur Wiedererlangung verloren gegangenen oder gestohlenen Kulturguts zuzulassen, die vom rechtmäßigen Eigentümer oder in seinem Namen angestrengt werden; d) das unantastbare Recht jedes Vertragsstaats anzuerkennen, bestimmtes Kulturgut als unveräußerlich einzustufen und zu erklären, das daher ipso facto nicht ausgeführt werden darf, und die Wiedererlangung solchen Gutes durch den betreffenden Staat in Fällen zu erleichtern, in denen es ausgeführt worden ist. Artikel 14 Zur Verhütung der unzulässigen Ausfuhr und zur Einhaltung der aus der Durchführung dieses Übereinkommens entstehenden Verpflichtungen soll jeder Vertragsstaat im Rahmen seiner Möglichkeiten seine innerstaatlichen Dienststellen, die für den Schutz seines kulturellen Erbes verantwortlich sind, mit ausreichenden Mitteln ausstatten und, soweit erforderlich, zu diesem Zweck einen Fonds schaffen. Artikel 15 Dieses Übereinkommen hindert die Vertragsstaaten nicht, untereinander Sonderabkommen zu schließen oder bereits geschlossene Abkommen weiter anzuwenden, welche die Rückgabe von Kulturgut zum Inhalt haben, das aus irgendwelchen Gründen vor Inkrafttreten dieses Übereinkommens für die betreffenden Staaten aus dem Ursprungsland entfernt worden ist. Artikel 16 Die Vertragsstaaten geben in ihren regelmäßigen Berichten, die sie der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur zu den von der Generalkonferenz festzulegenden Zeitpunkten und in einer von ihr anzugebenden Weise vorlegen, Auskunft über die von ihnen erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und sonstige von ihnen zur Anwendung dieses Übereinkommens ergriffene Maßnahmen sowie ihre auf diesem Gebiet gewonnenen Erfahrungen. Artikel 17 (1) Die Vertragsstaaten können die technische Hilfe der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur in Anspruch nehmen, insbesondere in folgenden Belangen: a) Information und Erziehung;
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b) Beratung und Sachverständigengutachten; c) Koordinierung und gute Dienste. (2) Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur kann von sich aus über Fragen im Zusammenhang mit dem unzulässigen Verkehr von Kulturgut Forschungsarbeiten durchführen und Untersuchungen veröffentlichen. (3) Zu diesem Zweck kann sich die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur mit der Bitte um Zusammenarbeit auch an jede sachverständige nichtstaatliche Organisation wenden. (4) Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur kann von sich aus den Vertragsstaaten Vorschläge für die Durchführung des Übereinkommens unterbreiten. (5) Auf Ersuchen von wenigstens zwei Vertragsstaaten, zwischen denen eine Streitigkeit über die Durchführung des Übereinkommens entstanden ist, kann die Unesco ihre guten Dienste für eine Beilegung anbieten. Artikel 18 Dieses Übereinkommen ist in englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. Artikel 19 (1) Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation oder Annahme durch die Mitgliedstaaten der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur nach Maßgabe ihrer verfassungsrechtlichen Verfahren. (2) Die Ratifikations- oder Annahmeurkunden werden beim Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur hinterlegt. Artikel 20 (1) Dieses Übereinkommen liegt für alle Nichtmitgliedstaaten der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, die vom Exekutivrat der Organisation hierzu aufgefordert werden, zum Beitritt auf. (2) Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur. Artikel 21 Dieses Übereinkommen tritt drei Monate nach Hinterlegung der dritten Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde in Kraft, jedoch nur für die Staaten, die bis zu diesem Zeitpunkt ihre Urkunden hinterlegt haben. Für jeden anderen
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Staat tritt es drei Monate nach Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahmeoder Beitrittsurkunde in Kraft. Artikel 22 Die Vertragsstaaten erkennen an, dass das Übereinkommen nicht nur auf ihre Mutterländer anzuwenden ist, sondern auch auf alle Hoheitsgebiete, deren internationale Beziehungen sie wahrnehmen; sie verpflichten sich, nötigenfalls die Regierungen oder sonstigen zuständigen Behörden jener Hoheitsgebiete vor oder bei der Ratifikation, der Annahme oder dem Beitritt zu konsultieren, damit die Anwendung des Übereinkommens auf diese Gebiete gewährleistet ist, und dem Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur die Hoheitsgebiete zu notifizieren, auf die das Übereinkommen Anwendung findet; die Notifikation wird drei Monate nach ihrem Eingang wirksam. Artikel 23 (1) Jeder Vertragsstaat kann dieses Übereinkommen für sich selbst oder für ein Hoheitsgebiet, dessen internationale Beziehungen er wahrnimmt, kündigen. (2) Die Kündigung wird durch eine schriftliche Urkunde notifiziert, die beim Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur hinterlegt wird. (3) Die Kündigung wird zwölf Monate nach Eingang der Kündigungsurkunde wirksam. Artikel 24 Der Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur unterrichtet die Mitgliedstaaten der Organisation, die in Artikel 20 bezeichneten Nichtmitgliedstaaten der Organisation sowie die Vereinten Nationen von der Hinterlegung aller Ratifikations-, Annahme- und Beitrittsurkunden nach den Artikeln 19 und 20 und von den Notifikationen und Kündigungen nach den Artikeln 22 bzw. 23. Artikel 25 (1) Dieses Übereinkommen kann von der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur revidiert werden. Jede Revision ist jedoch nur für diejenigen Staaten verbindlich, die Vertragsparteien des Revisionsübereinkommens werden. (2) Nimmt die Generalkonferenz ein neues Übereinkommen an, das dieses Übereinkommen ganz oder teilweise revidiert, so liegt dieses Übereinkommen, sofern das neue Übereinkommen nichts anderes bestimmt, vom Tag des In-
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krafttretens des neuen Revisionsübereinkommens an nicht mehr zur Ratifikation, zur Annahme oder zum Beitritt auf. Artikel 26 Auf Ersuchen des Generaldirektors der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur wird dieses Übereinkommen nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen beim Sekretariat der Vereinten Nationen registriert.
Anhang 3: Europäisches Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes (revidiert)843 Valetta/La Valette, 16.I.1992 Präambel Die Mitgliedstaaten des Europarats und die anderen Staaten, Vertragsparteien des Europäischen Kulturabkommens, die dieses Übereinkommen unterzeichnen – von der Erwägung geleitet, dass es das Ziel des Europarats ist, eine enge Verbindung zwischen seinen Mitgliedern herbeizuführen, um insbesondere die Ideale und Grundsätze, die ihr gemeinsames Erbe bilden, zu wahren und zu fördern; im Hinblick auf das am 19. Dezember 1954 in Paris unterzeichnete Europäische Kulturabkommen, insbesondere auf dessen Artikel 1 und 5; im Hinblick auf das am 3. Oktober 1985 in Granada unterzeichnete Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes Europas; im Hinblick auf das am 23. Juni 1985 in Delphi unterzeichnete Europäische Übereinkommen über Straftaten im Zusammenhang mit Kulturgut; im Hinblick auf die Empfehlungen der Parlamentarischen Versammlung über Archäologie, insbesondere die Empfehlungen 848 (1978), 921 (1981) und 1072 (1988); im Hinblick auf die Empfehlung Nr. R (89) 5 betreffend den Schutz und die Förderung des archäologischen Erbes im Rahmen der Städteplanung und Raumordnung; eingedenk der Tatsache, dass das archäologische Erbe wesentlich zur Kenntnis der Menschheitsgeschichte beiträgt; 843 Amtliche deutsche Fundstelle: BGBl. 2002 II S. 2710.
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der Erkenntnis, dass das europäische archäologische Erbe, das von der frühesten Geschichte Zeugnis ablegt, durch die wachsende Zahl groß angelegter Planungsvorhaben, natürliche Gefahren, heimliche oder unwissenschaftliche Ausgrabungen und unzulängliches öffentliches Bewusstsein ernsthaft von Zerstörung bedroht ist; in Bekräftigung der Tatsache, dass es wichtig ist, geeignete verwaltungsmäßige und wissenschaftliche Überwachungsverfahren einzuführen, soweit sie noch nicht vorhanden sind, und dass es notwendig ist, den Schutz des archäologischen Erbes in Städtebau und Raumordnung sowie in der Kulturentwicklungspolitik fest zu verankern; unter Hinweis darauf, dass die Verantwortung für den Schutz des archäologischen Erbes nicht nur dem unmittelbar betroffenen Staat, sondern allen europäischen Staaten obliegen soll, damit die Gefahr der Zerstörung verringert und die Erhaltung durch Förderung des Austauschs von Sachverständigen und Erfahrungen verbessert wird; in Anbetracht der Notwendigkeit, infolge der Entwicklung der Planungspolitik in europäischen Ländern die in dem am 6. Mai 1969 in London unterzeichneten Europäischen Übereinkommen zum Schutz archäologischen Kulturguts niedergelegten Grundsätze zu vervollständigen – sind wie folgt übereingekommen:
Bestimmung des Begriffs archäologisches Erbe Artikel 1 (1) Ziel dieses (revidierten) Übereinkommens ist es, das archäologische Erbe als Quelle gemeinsamer europäischer Erinnerung und als Instrument für historische und wissenschaftliche Studien zu schützen. (2) Zu diesem Zweck gelten als Elemente des archäologischen Erbes alle Überreste und Gegenstände sowie alle aus vergangenen Epochen herrührenden sonstigen Spuren des Menschen, i) deren Bewahrung und Untersuchung dazu beitragen, die Geschichte des Menschen und seiner Beziehung zur natürlichen Umwelt zurückzuverfolgen; ii) für die Ausgrabungen oder Funde und andere Methoden der Erforschung des Menschen und seiner jeweiligen Umwelt als hauptsächliche Informationsquelle dienen; iii) die sich in einem beliebigen Gebiet unter der Hoheitsgewalt der Vertragsparteien befinden. (3) Das archäologische Erbe umfasst Bauwerke, Gebäude, Ensembles, erschlossene Stätten, bewegliche Gegenstände, Denkmäler jeder Art sowie ihre Umgebung, gleichviel ob an Land oder unter Wasser.
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Erfassung des Erbes und Schutzmaßnahmen Artikel 2 Jede Vertragspartei verpflichtet sich, durch die dem betreffenden Staat geeignet erscheinenden Mittel ein Rechtssystem zum Schutz des archäologischen Erbes einzuführen und dabei Folgendes vorzusehen: i) Sie führt ein Inventar ihres archäologischen Erbes und bezeichnet geschützte Denkmäler und geschütztes Gelände; ii) sie schafft archäologische Schutzzonen auch dort, wo auf der Erdoberfläche oder unter Wasser keine Überreste sichtbar sind, um die von künftigen Generationen zu untersuchenden Zeugnisse der Vergangenheit zu erhalten; iii) sie verpflichtet den Entdecker eines zufälligen Fundes von Elementen archäologischen Erbes, den Fund den zuständigen Behörden zu melden, und stellt den Fund zu Untersuchungszwecken zur Verfügung. Artikel 3 Zur Bewahrung des archäologischen Erbes und um die wissenschaftliche Bedeutung archäologischer Forschungsarbeit zu gewährleisten, verpflichtet sich jede Vertragspartei, i) Verfahren zur Genehmigung und Überwachung von Ausgrabungen und sonstigen archäologischen Tätigkeiten so anzuwenden, a) dass jede unerlaubte Ausgrabung oder Beseitigung von Elementen des archäologischen Erbes verhindert wird; b) dass archäologische Ausgrabungen und Erkundungen in wissenschaftlicher Weise und mit der Maßgabe vorgenommen werden, – dass soweit möglich zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden angewandt werden; – dass die Elemente des archäologischen Erbes nicht freigelegt werden oder während oder nach der Ausgrabung freigelegt bleiben, ohne dass für ihre sachgemäße Bewahrung, Erhaltung und Behandlung Vorkehrungen getroffen worden sind; ii) sicherzustellen, dass Ausgrabungen und andere möglicherweise zerstörende technische Verfahren nur von fachlich geeigneten, besonders ermächtigten Personen durchgeführt werden; iii) den Einsatz von Metalldetektoren und anderen Suchgeräten oder von Verfahren für archäologische Forschungsarbeiten von einer vorherigen Sondergenehmigung abhängig zu machen, soweit das innerstaatliche Recht des Staates dies vorsieht.
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Artikel 4 Jede Vertragspartei verpflichtet sich, Maßnahmen zum physischen Schutz des archäologischen Erbes zu ergreifen, indem sie je nach den Umständen Folgendes vorsieht: i) Erwerb oder anderweitiger geeigneter Schutz von Gelände seitens der Behörden, das für die Schaffung archäologischer Schutzgebiete vorgesehen ist; ii) Erhaltung und Pflege des archäologischen Erbes, vornehmlich an Ort und Stelle; iii) Schaffung geeigneter Aufbewahrungsorte für archäologische Überreste, die von ihrem Ursprungsort entfernt wurden.
Integrierte Erhaltung des archäologischen Erbes Artikel 5 Jede Vertragspartei verpflichtet sich, i) danach zu streben, die jeweiligen Erfordernisse der Archäologie und der Erschließungspläne miteinander in Einklang zu bringen und zu verbinden, indem sie dafür Sorge trägt, dass Archäologen beteiligt werden a) an einer Raumordnungspolitik, die auf ausgewogene Strategien zum Schutz, zur Erhaltung und zur Förderung der Stätten von archäologischem Interesse ausgerichtet ist, und b) an den verschiedenen Stadien der Erschließungspläne; ii) für eine systematische Konsultation zwischen Archäologen, Städteplanern und Raumplanern Sorge zu tragen, a) damit Erschließungspläne, die sich auf das archäologische Erbe wahrscheinlich nachteilig auswirken, geändert werden können; b) damit genügend Zeit und Mittel für eine geeignete wissenschaftliche Untersuchung der Stätte und für die Veröffentlichung der Ergebnisse zur Verfügung gestellt werden können; iii) sicherzustellen, dass bei Umweltverträglichkeitsprüfungen und den sich daraus ergebenden Entscheidungen die archäologischen Stätten und ihr Umfeld in vollem Umfang berücksichtigt werden; iv) dafür zu sorgen, dass im Zuge von Erschließungsarbeiten gefundene Elemente des archäologischen Erbes soweit praktisch möglich an Ort und Stelle erhalten bleiben; v) sicherzustellen, dass die Öffnung archäologischer Stätten für die Öffentlichkeit, insbesondere notwendige bauliche Vorkehrungen für die Aufnahme großer Besucherzahlen, den archäologischen und wissenschaftlichen Charakter der Stätten und ihrer Umgebung nicht nachteilig beeinflusst.
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Finanzierung der archäologischen Forschung und Erhaltung Artikel 6 Jede Vertragspartei verpflichtet sich, i) für die öffentliche finanzielle Unterstützung der archäologischen Forschung durch die gesamtstaatlichen, regionalen und kommunalen Behörden entsprechend der jeweiligen Zuständigkeit zu sorgen; ii) die materiellen Mittel für archäologische Rettungsmaßnahmen zu erhöhen, a) indem sie geeignete Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass die Deckung der Gesamtkosten etwaiger notwendiger archäologischer Arbeiten im Zusammenhang mit groß angelegten öffentlichen oder privaten Erschließungsvorhaben aus Mitteln der öffentlichen Hand beziehungsweise der Privatwirtschaft vorgesehen ist; b) indem sie im Haushalt dieser Vorhaben eine vorausgehende archäologische Untersuchung und Erkundung, eine wissenschaftliche Zusammenfassung sowie die vollständige Veröffentlichung und Aufzeichnung der Funde ebenso vorsieht wie die als Vorsorgemaßnahmen in Bezug auf Umwelt und Regionalplanung erforderlichen Verträglichkeitsprüfungen.
Sammlung und Verbreitung wissenschaftlicher Informationen Artikel 7 Zur Erleichterung des Studiums und der Verbreitung von Kenntnissen über archäologische Funde verpflichtet sich jede Vertragspartei, i) Vermessungspläne, Inventare und Karten archäologischer Stätten in dem Gebiet unter ihrer Hoheitsgewalt anzufertigen oder auf den neuesten Stand zu bringen; ii) alle durchführbaren Maßnahmen zu ergreifen, um nach Abschluss der archäologischen Arbeiten vor der notwendigen vollständigen Veröffentlichung der Spezialuntersuchungen eine zur Veröffentlichung geeignete wissenschaftliche Zusammenfassung zu erwirken. Artikel 8 Jede Vertragspartei verpflichtet sich, i) den nationalen und internationalen Austausch von Elementen des archäologischen Erbes für akademisch-wissenschaftliche Zwecke zu erleichtern und gleichzeitig geeignete Schritte zu unternehmen, um zu verhindern, dass der kulturelle und wissenschaftliche Wert dieser Elemente durch die Weitergabe beeinträchtigt wird;
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ii) die zentrale Erfassung von Informationen über bereits laufende archäologische Forschungs- und Ausgrabungsarbeiten zu fördern und zur Aufstellung internationaler Forschungsprogramme beizutragen.
Förderung des öffentlichen Bewusstseins Artikel 9 Jede Vertragspartei verpflichtet sich, i) bildungspolitische Maßnahmen mit dem Ziel durchzuführen, in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für den Wert des archäologischen Erbes zum Verständnis der Vergangenheit sowie für die Gefahren, die dieses Erbe bedrohen, zu wecken und weiterzuentwickeln, ii) den öffentlichen Zugang zu wichtigen Elementen ihres archäologischen Erbes, insbesondere Ausgrabungsstätten, zu fördern und die öffentliche Ausstellung ausgewählter archäologischer Gegenstände anzuregen.
Verhinderung der unerlaubten Weitergabe von Elementen des archäologischen Erbes Artikel 10 Jede Vertragspartei verpflichtet sich, i) den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden und den wissenschaftlichen Einrichtungen über festgestellte unerlaubte Ausgrabungen zu veranlassen; ii) die zuständigen Stellen des Herkunftsstaats, der Vertragspartei dieses (revidierten) Übereinkommens ist, von jedem angebotenen Gegenstand zu unterrichten, bei dem der Verdacht besteht, dass er aus einer unerlaubten Ausgrabung stammt oder bei einer amtlichen Ausgrabung entwendet wurde, sowie alle notwendigen Einzelheiten darüber zu beschaffen; iii) die notwendigen Schritte zu unternehmen, um zu verhindern, dass Museen und ähnliche Einrichtungen, deren Ankäufe staatlicher Aufsicht unterstehen, Elemente des archäologischen Erbes erwerben, bei denen der Verdacht besteht, dass sie aus unüberwachten Funden oder unerlaubten Ausgrabungen stammen oder bei amtlichen Ausgrabungen entwendet wurden, iv) in Bezug auf Museen und ähnliche Einrichtungen, die sich im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei befinden, deren Ankäufe jedoch nicht staatlicher Aufsicht unterstehen, a) diesen Museen und Einrichtungen den Wortlaut dieses (revidierten) Übereinkommens zu übermitteln;
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b) keine Mühe zu scheuen, um sicherzustellen, dass die genannten Museen und Einrichtungen die in Absatz 3 dargelegten Grundsätze beachten; v) so weit wie möglich durch bildungspolitische Maßnahmen, Aufklärung, Wachsamkeit und Zusammenarbeit die Übertragung von Elementen des archäologischen Erbes zu unterbinden, die aus unüberwachten Funden oder unerlaubten Ausgrabungen stammen oder bei amtlichen Ausgrabungen entwendet wurden. Artikel 11 Dieses (revidierte) Übereinkommen greift geltenden oder künftigen zwei- oder mehrseitigen Verträgen zwischen Vertragsparteien über die unerlaubte Weitergabe von Elementen des archäologischen Erbes oder deren Rückgabe an den rechtmäßigen Eigentümer nicht vor.
Gegenseitige technische und wissenschaftliche Hilfe Artikel 12 Die Vertragsparteien verpflichten sich, i) einander technische und wissenschaftliche Hilfe zu leisten durch den Austausch von Erfahrungen und Sachverständigen in Angelegenheiten betreffend das archäologische Erbe; ii) im Rahmen der einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der für sie verbindlichen internationalen Übereinkünfte den Austausch von Fachleuten auf dem Gebiet der Erhaltung des archäologischen Erbes, einschließlich der für Weiterbildung Verantwortlichen, zu fördern.
Überwachung der Anwendung des (revidierten) Übereinkommens Artikel 13 Für die Zwecke dieses (revidierten) Übereinkommens wird ein vom Ministerkomitee des Europarats nach Artikel 17 der Satzung des Europarats eingesetzter Sachverständigenausschuss die Anwendung des (revidierten) Übereinkommens überwachen und insbesondere i) dem Ministerkomitee des Europarats regelmäßig über den Stand der in den Vertragsstaaten des (revidierten) Übereinkommens verfolgten Politik zum Schutz des archäologischen Erbes und über die Anwendung der in dem (revidierten) Übereinkommen niedergelegten Grundsätze berichten; ii) dem Ministerkomitee des Europarats Maßnahmen zur Durchführung des (revidierten) Übereinkommens vorschlagen, darunter auch mehrseitige Tätig-
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keiten, eine Revision oder Änderung des (revidierten) Übereinkommens und die Information der Öffentlichkeit über den Zweck des (revidierten) Übereinkommens; iii) dem Ministerkomitee des Europarats Empfehlungen hinsichtlich der Einladung an Nichtmitgliedstaaten des Europarats zum Beitritt zu dem (revidierten) Übereinkommen unterbreiten.
Schlussklauseln Artikel 14 (1) Dieses (revidierte) Übereinkommen liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats und die anderen Staaten, die Vertragsparteien des Europäischen Kulturabkommens sind, zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt. (2) Ein Staat, der Vertragspartei des am 6. Mai 1969 in London unterzeichneten Europäischen Übereinkommens zum Schutz archäologischen Kulturguts ist, kann seine Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde nur hinterlegen, wenn er das genannte Übereinkommen bereits gekündigt hat oder gleichzeitig kündigt. (3) Dieses (revidierte) Übereinkommen tritt sechs Monate nach dem Tag in Kraft, an dem vier Staaten, darunter mindestens drei Mitgliedstaaten des Europarats, nach den Absätzen 1 und 2 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das (revidierte) Übereinkommen gebunden zu sein. (4) Wird im Einzelfall in Anwendung der Absätze 2 und 3 die Kündigung des Übereinkommens vom 6. Mai 1969 nicht gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des vorliegenden (revidierten) Übereinkommens wirksam, so kann der Vertragsstaat bei Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme oder Genehmigungsurkunde erklären, dass er das Übereinkommen vom 6. Mai 1969 bis zum Inkrafttreten dieses (revidierten) Übereinkommens anwenden wird. (5) Für jeden Unterzeichnerstaat, der später seine Zustimmung ausdrückt, durch dieses (revidierte) Übereinkommen gebunden zu sein, tritt es sechs Monate nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme oder Genehmigungsurkunde in Kraft. Artikel 15 (1) Nach Inkrafttreten dieses (revidierten) Übereinkommens kann das Ministerkomitee des Europarats durch einen mit der in Artikel 20 Buchstabe d der Satzung des Europarats vorgesehenen Mehrheit und mit einhelliger Zustimmung der Vertreter der Vertragsstaaten, die Anspruch auf einen Sitz im Komitee
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haben, gefassten Beschluss jeden Staat, der nicht Mitglied des Rates ist, und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft einladen, dem (revidierten) Übereinkommen beizutreten. (2) Für jeden beitretenden Staat oder für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, falls sie beitritt, tritt dieses (revidierte) Übereinkommen sechs Monate nach Hinterlegung der Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarats in Kraft. Artikel 16 (1) Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungsoder Beitrittsurkunde einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses (revidierte) Übereinkommen Anwendung findet. (2) Jeder Staat kann jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung die Anwendung dieses (revidierten) Übereinkommens auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken. Das (revidierte) Übereinkommen tritt für dieses Hoheitsgebiet sechs Monate nach Eingang der Erklärung beim Generalsekretär in Kraft. (3) Jede nach den Absätzen 1 und 2 abgegebene Erklärung kann in Bezug auf jedes darin bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Rücknahme wird sechs Monate nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam. Artikel 17 (1) Jede Vertragspartei kann dieses (revidierte) Übereinkommen jederzeit durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation kündigen. (2) Die Kündigung wird sechs Monate nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam. Artikel 18 Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarats, den anderen Staaten, die Vertragsparteien des Europäischen Kulturabkommens sind, sowie jedem Staat und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die diesem Übereinkommen beigetreten sind oder eingeladen wurden, dem (revidierten) Übereinkommen beizutreten, i) jede Unterzeichnung; ii) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde; iii) jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses (revidierten) Übereinkommens nach den Artikeln 14, 15 und 16;
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iv) jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit diesem (revidierten) Übereinkommen. Zu Urkunde dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses (revidierte) Übereinkommen unterschrieben. Geschehen zu Valletta am 16. Januar 1992 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Mitgliedstaaten des Europarats, den anderen Staaten, die Vertragsparteien des Europäischen Kulturabkommens sind, sowie allen Nichtmitgliedstaaten oder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die zum Beitritt zu diesem (revidierten) Übereinkommen eingeladen werden, beglaubigte Abschriften.
Anhang 4: VERORDNUNG (EG) Nr. 116/2009 DES RATES vom 18. Dezember 2008 über die Ausfuhr von Kulturgütern (kodifizierte Fassung) DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION – gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 133, auf Vorschlag der Kommission, in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Die Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern ist mehrfach und in wesentlichen Punkten geändert worden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit empfiehlt es sich, die genannte Verordnung zu kodifizieren. (2) Um den Binnenmarkt aufrechtzuerhalten, müssen im Warenverkehr mit Drittländern Vorschriften erlassen werden, die den Schutz von Kulturgütern gewährleisten. (3) Es erscheint angezeigt, insbesondere Maßnahmen vorzusehen, welche eine einheitliche Kontrolle der Ausfuhr von Kulturgütern an den Außengrenzen der Gemeinschaft sicherstellen. (4) Eine derartige Regelung sollte darin bestehen, dass vor der Ausfuhr der unter diese Verordnung fallenden Kulturgüter eine von den zuständigen Mitgliedstaaten ausgestellte Ausfuhrgenehmigung vorzulegen ist. Dies setzt eine genaue Festlegung des sachlichen Anwendungsbereichs dieser Maßnahmen
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einschließlich ihrer Durchführungsmodalitäten voraus. Die Durchführung der Regelung sollte so einfach und wirksam wie möglich gestaltet werden. (5) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbestimmungen erlassen werden. (6) Angesichts der eingehenden Erfahrungen der Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 515/97 des Rates vom 13. März 1997 betreffend die gegenseitige Unterstützung der Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission, um die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und der Agrarregelung zu gewährleisten sollte jene Verordnung auch auf diesen Sachbereich Anwendung finden. (7) Mit Anhang I dieser Verordnung sollen die Kategorien von Kulturgütern eindeutig festgelegt werden, die im Handel mit Drittländern eines besonderen Schutzes bedürfen; den Mitgliedstaaten bleibt es jedoch unbenommen, festzulegen, welche Gegenstände als nationales Kulturgut im Sinne des Artikels 30 des Vertrags einzustufen sind – HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN: Artikel 1 Definition Unbeschadet der Befugnisse der Mitgliedstaaten nach Artikel 30 des Vertrages gelten als »Kulturgüter« im Sinne dieser Verordnung die im Anhang I aufgeführten Güter. Artikel 2 Ausfuhrgenehmigung (1) Die Ausfuhr von Kulturgütern aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft darf nur erfolgen, wenn eine Ausfuhrgenehmigung vorliegt. (2) Die Ausfuhrgenehmigung wird auf Antrag des Beteiligten erteilt: a) von einer zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich das betreffende Kulturgut am 1. Januar 1993 rechtmäßig und endgültig befunden hat, b) oder, nach dem genannten Datum, von einer zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet es sich nach rechtmäßiger und endgültiger Verbringung aus einem anderen Mitgliedstaat oder nach der Einfuhr aus einem Drittland oder der Wiedereinfuhr aus einem Drittland nach rechtmäßiger Verbringung aus einem Mitgliedstaat in dieses Land befindet. Unbeschadet des Absatzes 4 ist jedoch der nach Buchstaben a oder b des Unterabsatzes 1 zuständige Mitgliedstaat ermächtigt, keine Ausfuhrgenehmigungen für die im Anhang I unter dem ersten und zweiten Gedankenstrich der
Anhang 4
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Kategorie A.1 aufgeführten Kulturgüter zu verlangen, wenn diese von archäologisch oder wissenschaftlich beschränktem Wert sind, vorausgesetzt, dass sie nicht unmittelbar aus Grabungen, archäologischen Funden und archäologischen Stätten in einem Mitgliedstaat stammen oder dass der Handel mit ihnen rechtmäßig ist. Die Ausfuhrgenehmigung kann im Hinblick auf die Ziele dieser Verordnung dann verweigert werden, wenn die betreffenden Kulturgüter unter eine Rechtsvorschrift zum Schutz nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert in dem betreffenden Mitgliedstaat fallen. Erforderlichenfalls tritt die unter dem Buchstaben b des Unterabsatzes 1 genannte Behörde mit den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, aus dem das betreffende Kulturgut stammt, in Verbindung, insbesondere mit den nach der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern zuständigen Behörden. (3) Die Ausfuhrgenehmigung gilt in der gesamten Gemeinschaft. (4) Unbeschadet der Absätze 1, 2 und 3 unterliegt die direkte Ausfuhr von nationalem Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert, das kein Kulturgut im Sinne dieser Verordnung ist, aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Ausfuhrmitgliedstaats. Artikel 3 Zuständige Behörden (1) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission ein Verzeichnis der Behörden, die für die Erteilung der Ausfuhrgenehmigungen für Kulturgüter zuständig sind. (2) Die Kommission veröffentlicht das Verzeichnis dieser Behörden sowie sämtliche Änderungen des Verzeichnisses im Amtsblatt der Europäischen Union, Reihe C. Artikel 4 Vorlegen der Genehmigung Die Ausfuhrgenehmigung ist der für die Annahme der Zollerklärung zuständigen Zollstelle bei der Erfüllung der Ausfuhrzollförmlichkeiten als Beleg für die Zollerklärung vorzulegen. Artikel 5 Beschränkung der zuständigen Zollstellen (1) Die Mitgliedstaaten können die Zahl der Zollstellen beschränken, die für die Erfüllung der Ausfuhrzollförmlichkeiten für Kulturgüter zuständig sind. (2) Machen die Mitgliedstaaten von der Möglichkeit nach Absatz 1 Gebrauch, so teilen sie der Kommission die ermächtigten Zollstellen mit.
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Die Kommission veröffentlicht diese Mitteilungen im Amtsblatt der Europäischen Union, Reihe C. Artikel 6 Zusammenarbeit der Verwaltungen Zur Durchführung dieser Verordnung gelten die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 515/97, insbesondere die Vorschriften über die Vertraulichkeit der Auskünfte, entsprechend. Über die in Absatz 1 vorgesehene Zusammenarbeit hinaus treffen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer gegenseitigen Beziehungen alle zweckdienlichen Vorkehrungen für eine Zusammenarbeit zwischen den Zollverwaltungen und den zuständigen Behörden nach Artikel 4 der Richtlinie 93/7/EWG. Artikel 7 Durchführungsvorschriften Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen, insbesondere die Vorschriften über den zu verwendenden Vordruck (z. B. das Muster und die technischen Einzelheiten) werden nach dem in Artikel 8 Absatz 2 genannten Verfahren erlassen. Artikel 8 Ausschuss (1) Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 3 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG. Artikel 9 Sanktionen Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen diese Verordnung zu verhängen sind und treffen alle geeigneten Maßnahmen, um deren Durchsetzung zu gewährleisten. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Artikel 10 Berichterstattung (1) Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über die zur Durchführung dieser Verordnung getroffenen Maßnahmen. Die Kommission teilt diese Informationen den anderen Mitgliedstaaten mit. (2) Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss alle drei Jahre einen Bericht über die Durchführung dieser Verordnung vor. Der Rat überprüft auf Vorschlag der Kommission alle drei Jahre die im Anhang I genannten Beträge und bringt sie gegebenenfalls entsprechend den wirtschaftlichen und monetären Daten in der Gemeinschaft auf den neuesten Stand.
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Artikel 11 Aufhebung Die Verordnung (EWG) Nr. 3911/92, geändert durch die in Anhang II aufgeführten Verordnungen, wird aufgehoben. Bezugnahmen auf die aufgehobene Verordnung gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung und sind nach Mabgabe der Entsprechungstabelle in Anhang III zu lesen. Artikel 12 In Kraft treten Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Geschehen zu Brüssel am 18. Dezember 2008. Im Namen des Rates Der Präsident M. BARNIER
ANHANG I844 Kategorien von Kulturgütern nach Artikel 1 A. 1. Mehr als 100 Jahre alte archäologische Gegenstände aus – Grabungen und archäologischen Funden zu Lande oder unter Wasser – archäologischen Stätten – archäologischen Sammlungen 2. Bestandteile von Kunst- und Baudenkmälern oder religiösen Denkmälern, die aus deren Aufteilung stammen und älter sind als 100 Jahre 3. Bilder und Gemälde, die nicht unter die Kategorien 4 oder 5 fallen, aus jeglichem Material und auf jeglichem Träger vollständig von Hand hergestellt(1) 4. Aquarelle, Gouachen und Pastelle, auf jeglichem Träger vollständig von Hand hergestellt(1) 5. Mosaike, die nicht unter die Kategorien 1 oder 2 fallen, aus jeglichem Material vollständig von Hand hergestellt, und Zeichnungen, aus jeglichem Material und auf jeglichem Träger vollständig von Hand hergestellt(1) 6. Original-Radierungen, -Stiche, -Serigraphien, und -Lithographien und lithographische Matrizen sowie Original-Plakate(1) 7. Nicht unter die Kategorie 1 fallende Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst und Kopien, die auf dieselbe Weise wie das Original hergestellt worden sind(1) 8. Photographien, Filme und die dazugehörigen Negative(1) 844 Vom Abdruck der Zolltarifnummern wurde abgesehen.
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9. Wiegendrucke und Handschriften, einschließlich Landkarten und Partituren, als Einzelstücke oder Sammlung(1) 10. Bücher, die älter sind als 100 Jahre, als Einzelstücke oder Sammlung 11. Gedruckte Landkarten, die älter sind als 200 Jahre 12. Archive aller Art, mit Archivalien, die älter sind als 50 Jahre, auf allen Trägern 13. a) Sammlungen(2) und Einzelexemplare aus zoologischen, botanischen, mineralogischen oder anatomischen Sammlungen b) Sammlungen(2) von historischem, paläontologischem, ethnographischem oder numismatischem Wert 14. Verkehrsmittel, die älter sind als 75 Jahre 15. Sonstige Antiquitäten, die nicht unter die Kategorien A1 bis A14 fallen a) zwischen 50 und 100 Jahre alte Antiquitäten Spielzeug, Spiele Kapitel Gegenstände aus Glas Gold- und Silberschmiedearbeiten Möbel und Einrichtungsgegenstände optische, photographische und kinematographische Instrumente Musikinstrumente Uhrmacherwaren Holzwaren keramische Waren Tapisserien Teppiche Tapeten Waffen b) über 100 Jahre alte Antiquitäten Die Kulturgüter, die unter die Kategorien A.1 bis A.15 fallen, wurden von der vorliegenden Verordnung nur erfasst, wenn ihr Wert mindestens den in Teil B aufgeführten Wertgruppen entspricht. (1)
Die älter sind als 50 Jahre und nicht ihren Urhebern gehören. Im Sinne des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache 252/84: »Sammlungsstücke im Sinne der Tarifnummer 9705 des GZT sind Gegenstände, die geeignet sind, in eine Sammlung aufgenommen zu werden, das heißt Gegenstände, die verhältnismäßig selten sind, normalerweise nicht ihrem ursprünglichen Verwendungszweck gemäß benutzt werden, Gegenstand eines Spezialhandels außerhalb des üblichen Handels mit ähnlichen Gebrauchsgegenständen sind und einen hohen Wert haben.« (2)
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B. Wertgruppen, die bestimmten in Teil A genannten Kategorien entsprechen (in Euro) Wert: Wertunabhängig – 1 (archäologische Gegenstände) – 2 (Aufteilung von Denkmälern) – 9 (Wiegendrucke und Handschriften) – 12 (Archive) 15 000 – 5 (Mosaike und Zeichnungen) – 6 (Radierungen) – 8 (Photographien) – 11 (gedruckte Landkarten) 30 000 – 4 (Aquarelle, Gouachen und Pastelle) DE 10. 2. 2009 Amtsblatt der Europäischen Union L 39/5 50 000 – 7 (Bildhauerkunst) – 10 (Bücher) – 13 (Sammlungen) – 14 (Verkehrsmittel) – 15 (sonstige Gegenstände) 150 000 – 3 (Bilder) Die Erfüllung der Voraussetzungen im Hinblick auf den finanziellen Wert ist bei Einreichung des Antrags auf Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung zu beurteilen. Der finanzielle Wert ist der Wert des Kulturgutes in dem in Artikel 2 Absatz 2 genannten Mitgliedstaat. Für die Mitgliedstaaten, in denen der Euro nicht die Währung ist, werden die in Anhang I aufgeführten und in Euro ausgedrückten Wertgruppen in die jeweilige Landeswährung umgerechnet und in dieser Währung ausgedrückt, und zwar zu dem Umrechnungskurs vom 31. Dezember 2001, der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurde. Diese Beträge in der jeweiligen Landeswährung werden mit Wirkung vom 31. Dezember 2001 alle zwei Jahre überprüft. Die Berechnung stützt sich auf das Mittel der Tageswerte dieser Währungen ausgedrückt in Euro, während der 24 Monate, die am letzten Tag des Monats August enden, der der Überprüfung mit Wirkung vom 31. Dezember vorausgeht. Diese Berechnungsmethode wird auf Vorschlag der Kommission vom Beratenden Ausschuss für Kulturgüter grundsätzlich zwei Jahre nach der ersten Anwendung überprüft. Bei jeder Überprüfung werden die in Euro ausgedrückten Wertgruppen und die entsprechenden Beträge in Landeswährung
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regelmäßig in den ersten Tagen des Monats November, der dem Zeitpunkt vorausgeht, zu dem die Überprüfung wirksam wird, im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
Anhang 5: RICHTLINIE 93/7/EWG DES RATES vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern DER RAT DER EUROPAISCHEN GEMEINSCHAFTEN – gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100a, auf Vorschlag der Kommission, in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament, nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, in Erwägung nachstehender Gründe: Laut Artikel 8a des Vertrages wird bis zum 1. Januar 1993 der Binnenmarkt errichtet, der einen Raum ohne Binnengrenzen umfaßt, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen des Vertrags gewährleistet ist. Aufgrund und im Rahmen von Artikel 36 des Vertrages werden die Mitgliedstaaten auch nach 1992 das Recht haben, ihre nationalen Kulturgüter zu bestimmen und die notwendigen Maßnahmen zu deren Schutz in diesem Raum ohne Binnengrenzen zu treffen. Deshalb muß eine Rückgaberegelung eingeführt werden, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, die Rückkehr von Kulturgütern in ihr Hoheitsgebiet zu erreichen, wenn diese im Sinne von Artikel 36 des Vertrages als nationales Kulturgut eingestuft und in Verletzung der obengenannten einzelstaatlichen Vorschriften oder der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern (4) aus ihrem Hoheitsgebiet verbracht wurden. Die Durchführung dieser Rückgaberegelung sollte so einfach und wirksam wie möglich sein. Um die Zusammenarbeit bei der Rückgabe zu erleichtern, sollte der Anwendungsbereich dieser Regelung auf Gegenstände beschränkt werden, die gemeinsamen Kategorien von Kulturgütern angehören. Der Anhang dieser Richtlinie bezweckt dementsprechend nicht, die Gegenstände zu definieren, die im Sinne von Artikel 36 des Vertrages als »nationales Kulturgut« anzusehen sind, sondern lediglich Kategorien von Gegenständen zu bestimmen, die als Kulturgüter eingestuft zu werden geeignet sind und somit Gegenstand eines Rückgabeverfahrens im Sinne dieser Richtlinie sein können.
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Diese Richtlinie sollte auch Kulturgüter erfassen, die als nationales Kulturgut eingestuft wurden und zu öffentlichen Sammlungen gehören oder im Bestandsverzeichnis kirchlicher Einrichtungen aufgeführt sind, jedoch nicht unter die gemeinsamen Kategorien von Kulturgütern fallen. Es empfiehlt sich, daß die Mitgliedstaaten auf Verwaltungsebene in Fragen ihres nationalen Kulturgutes zusammenarbeiten, und zwar in enger Verbindung mit ihrer Zusammenarbeit in bezug auf gestohlene Kunstwerke, wobei insbesondere verlorengegangene, gestohlene oder unrechtmäßig verbrachte Kunstgegenstände, der Teil des nationalen Kulturgutes und der öffentlichen Sammlungen der Mitgliedstaaten sind, bei Interpol und anderen qualifizierten Stellen, die gleichartige Listen erstellen, einzutragen sind. Die Einführung des Rückgabeverfahrens mit dieser Richtlinie stellt einen ersten Schritt auf dem Wege zu einer Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Schutzes der Kulturgüter im Rahmen des Binnenmarktes dar. Ziel ist eine gegenseitige Anerkennung der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften. Zu diesem Zweck ist unter anderem vorzusehen, daß die Kommission von einem Beratenden Ausschuß unterstützt wird. Die Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 führt zusammen mit dieser Richtlinie eine Gemeinschaftsregelung zum Schutz der Kulturgüter der Mitgliedstaaten ein. Der Zeitpunkt, zu dem die Mitgliedstaaten dieser Richtlinie nachzukommen haben, sollte möglichst nahe bei dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 liegen. Einige Mitgliedstaaten werden wegen der Eigenart ihres Rechtssystems und des Umfangs der zur Umsetzung dieser Richtlinie erforderlichen Änderungen ihrer Rechtsvorschriften einen längeren Zeitraum benötigen – HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: Artikel 1 Im Sinne dieser Richtlinie gilt als 1. »Kulturgut«: ein Gegenstand, – der vor oder nach der unrechtmäßigen Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Verwaltungsverfahren im Sinne des Artikels 36 des Vertrages als »nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert« eingestuft wurde und – unter eine der im Anhang genannten Kategorien fällt oder, wenn dies nicht der Fall ist, – zu öffentlichen Sammlungen gehört, die im Bestandsverzeichnis von Museen, von Archiven oder von erhaltenswürdigen Beständen von Biblio-
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theken aufgeführt sind. Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten als »öffentliche Sammlungen« diejenigen Sammlungen, die im Eigentum eines Mitgliedstaats, einer lokalen oder einer regionalen Behörde innerhalb eines Mitgliedstaats oder einer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gelegenen Einrichtung stehen, die nach der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats als öffentlich gilt, wobei dieser Mitgliedstaat oder eine lokale oder regionale Behörde entweder Eigentümer dieser Einrichtung ist oder sie zu einem beträchtlichen Teil finanziert; – im Bestandsverzeichnis kirchlicher Einrichtungen aufgeführt ist; 2. »unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht«: – jede Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entgegen dessen Rechtsvorschriften für den Schutz nationaler Kulturgüter oder entgegen der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 sowie – jede nicht erfolgte Rückkehr nach Ablauf der Frist für eine vorübergehende rechtmäßige Verbringung bzw. jeder Verstoß gegen eine andere Bedingung für diese vorübergehende Verbringung; 3. »ersuchender Mitgliedstaat«: der Mitgliedstaat, aus dessen Hoheitsgebiet das Kulturgut unrechtmäßig verbracht wurde; 4. »ersuchter Mitgliedstaat«: der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich ein Kulturgut befindet, das unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats verbracht wurde; 5. »Rückgabe«: die materielle Rückkehr des Kulturguts in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats; 6. »Eigentümer«: die Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut für sich selbst ausübt; 7. »Besitzer«: die Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut für andere ausübt. Artikel 2 Die unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgüter werden nach den in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren und Bedingungen zurückgegeben. Artikel 3 Jeder Mitgliedstaat benennt eine oder mehrere zentrale Stellen, die die in dieser Richtlinie vorgesehenen Aufgaben wahrnehmen. Die Mitgliedstaaten haben der Kommission die zentralen Stellen mitzuteilen, die sie gemäß diesem Artikel benennen. Die Kommission veröffentlicht die Liste dieser zentralen Stellen sowie spätere Änderungen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Reihe C.
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Artikel 4 Die zentralen Stellen der Mitgliedstaaten arbeiten zusammen und fördern eine Abstimmung zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Diese erfüllen insbesondere folgende Aufgaben: 1. auf Antrag des ersuchenden Mitgliedstaats Nachforschungen nach einem bestimmten Kulturgut, das unrechtmäßig aus seinem Hoheitsgebiet verbracht wurde, und nach der Identität seines Eigentümers und/oder Besitzers. Diesem Antrag sind alle erforderlichen Angaben, insbesondere über den tatsächlichen oder vermutlichen Ort der Belegenheit des Kulturgutes, zur Erleichterung der Nachforschungen beizufügen; 2. Unterrichtung der betroffenen Mitgliedstaaten im Fall des Auffindens eines Kulturgutes in ihrem Hoheitsgebiet, wenn begründeter Anlaß für die Vermutung besteht, daß das Kulturgut unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats verbracht wurde; 3. Erleichterung der Überprüfung durch die zuständigen Behörden des ersuchenden Mitgliedstaats, ob der betreffende Gegenstand ein Kulturgut darstellt, sofern die Überprüfung innerhalb von zwei Monaten nach der Unterrichtung gemäß Nummer 2 erfolgt. Wird diese Überprüfung nicht innerhalb der festgelegten Frist durchgeführt, so sind die Nummern 4 und 5 nicht mehr anwendbar ; 4. in Zusammenarbeit mit dem betroffenen Mitgliedstaat erforderlichenfalls Erlaß der notwendigen Maßnahmen für die physische Erhaltung des Kulturguts; 5. Erlaß der erforderlichen vorläufigen Maßnahmen, um zu verhindern, daß das Kulturgut dem Rückgabeverfahren entzogen wird; 6. Wahrnehmung der Rolle eines Vermittlers zwischen dem Eigentümer und/ oder Besitzer und dem ersuchenden Mitgliedstaat in der Frage der Rückgabe. In diesem Sinne können die zuständigen Behörden des ersuchten Mitgliedstaats unbeschadet des Artikels 5 zunächst die Einleitung eines Schiedsverfahrens gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchten Mitgliedstaats erleichtern, sofern der ersuchende Staat sowie der Eigentümer oder Besitzer ihre förmliche Zustimmung erteilen. Artikel 5 Der ersuchende Mitgliedstaat kann gegen den Eigentümer und ersatzweise gegen den Besitzer bei dem zuständigen Gericht des ersuchten Mitgliedstaats Klage auf Rückgabe eines Kulturguts erheben, das sein Hoheitsgebiet unrechtmäßig verlassen hat. Die Klage auf Rückgabe ist nur dann zulässig, wenn der Klageschrift folgendes beigefügt ist: – ein Dokument mit der Beschreibung des Gutes, das Gegenstand der Klage ist, und der Erklärung, daß es sich dabei um ein Kulturgut handelt; – eine Erklärung der zuständigen Stellen des ersuchenden Mitgliedstaats, wonach das Kulturgut unrechtmäßig aus seinem Hoheitsgebiet verbracht wurde.
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Artikel 6 Die zentrale Stelle des ersuchenden Mitgliedstaats setzt die zentrale Stelle des ersuchten Mitgliedstaats unverzüglich von der Erhebung der Rückgabeklage in Kenntnis. Die zentrale Stelle des ersuchten Mitgliedstaats unterrichtet unverzüglich die zentrale Stelle der anderen Mitgliedstaaten. Artikel 7 (1) Die Mitgliedstaaten sehen in ihren Rechtsvorschriften vor, daß der Rückgabeanspruch gemäß dieser Richtlinie ein Jahr nach dem Zeitpunkt erlischt, zu dem der ersuchende Mitgliedstaat von dem Ort der Belegenheit des Kulturguts und der Identität seines Eigentümers oder Besitzers Kenntnis erhält. In jedem Fall erlischt der Rückgabeanspruch 30 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem das Kulturgut unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats verbracht wurde. Handelt es sich jedoch um Kulturgüter, die zu öffentlichen Sammlungen gemäß Artikel 1 Nummer 1 gehören, sowie um kirchliche Güter in den Mitgliedstaaten, in denen sie nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften besonderen Schutzregelungen unterliegen, so erlischt der Rückgabeanspruch nach 75 Jahren ; hiervon ausgenommen sind die Mitgliedstaaten, in denen der Rückgabeanspruch unverjährbar ist, sowie bilaterale Abkommen zwischen Mitgliedstaaten, in denen eine Verjährungsfrist von über 75 Jahren festgelegt ist. (2) Die Rückgabeklage ist unzulässig, wenn das Verbringen aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klage erhoben wird, nicht mehr unrechtmäßig ist. Artikel 8 Vorbehaltlich der Artikel 7 und 13 wird die Rückgabe des Kulturguts von dem zuständigen Gericht angeordnet, wenn erwiesen ist, daß es sich dabei um ein Kulturgut im Sinne des Artikels 1 Nummer 1 handelt und die Verbringung aus dem Hoheitsgebiet unrechtmäßig war. Artikel 9 Wird die Rückgabe angeordnet, so gewährt das zuständige Gericht des ersuchten Mitgliedstaats dem Eigentümer in der Höhe, die es im jeweiligen Fall als angemessen erachtet, eine Entschädigung, sofern es davon überzeugt ist, daß der Eigentümer beim Erwerb mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist. Die Beweislast bestimmt sich nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats. Im Fall einer Schenkung oder Erbschaft darf die Rechtsstellung des Eigentümers nicht günstiger sein als die des Schenkers oder Erblassers. Der ersuchende Mitgliedstaat hat die Entschädigung bei der Rückgabe zu zahlen.
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Artikel 10 Die Ausgaben, die sich aus dem Vollzug der Entscheidung ergeben, mit der die Rückgabe des Kulturguts angeordnet wird, gehen zu Lasten des ersuchenden Mitgliedstaats. Gleiches gilt für die Kosten der Maßnahmen gemäß Artikel 4 Nummer 4. Artikel 11 Die Zahlung der angemessenen Entschädigung gemäß Artikel 9 und der Ausgaben gemäß Artikel 10 steht dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaats nicht entgegen, die Erstattung dieser Beträge von den Personen zu fordern, die für die unrechtmäßige Verbringung des Kulturguts aus seinem Hoheitsgebiet verantwortlich sind. Artikel 12 Die Frage des Eigentums an dem Kulturgut nach erfolgter Rückgabe bestimmt sich nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaats. Artikel 13 Diese Richtlinie gilt nur in Fällen, in denen Kulturgüter ab dem 1. Januar 1993 unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht werden. Artikel 14 (1) Jeder Mitgliedstaat kann seine Verpflichtung zur Rückgabe auf andere als die im Anhang aufgeführten Kategorien von Kulturgütern ausdehnen. (2) Jeder Mitgliedstaat kann die in dieser Richtlinie vorgesehene Regelung auf Anträge auf Rückgabe von Kulturgütern anwenden, die vor dem 1. Januar 1993 unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten verbracht wurden. Artikel 15 Diese Richtlinie steht zivil- oder strafrechtlichen Maßnahmen nicht entgegen, die dem ersuchenden Mitgliedstaat und/oder dem Eigentümer eines entwendeten Kulturguts aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen. Artikel 16 (1) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission alle drei Jahre und erstmals im Februar 1996 einen Bericht über die Durchführung dieser Richtlinie. (2) Die Kommission übermittelt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Wirtschafts- und Sozialausschuß alle drei Jahre einen Bericht mit einer Bewertung der Durchführung dieser Richtlinie.
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(3) Der Rat überprüft nach einem Anwendungszeitraum von drei Jahren die Wirksamkeit dieser Richtlinie und nimmt auf Vorschlag der Kommission die erforderlichen Anpassungen vor. (4) In jedem Fall überprüft der Rat auf Vorschlag der Kommission alle drei Jahre die im Anhang genannten Beträge und bringt sie gegebenenfalls entsprechend den wirtschaftlichen und monetären Daten in der Gemeinschaft auf den neuesten Stand. Artikel 17 Die Kommission wird von dem mit Artikel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 eingesetzten Ausschuß unterstützt. Der Ausschuß prüft alle Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung des Anhangs dieser Richtlinie, die ihm der Vorsitzende entweder aus eigener Initiative oder auf Antrag des Vertreters eines Mitgliedstaats unterbreitet. Artikel 18 Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechtsund Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie binnen neun Monaten nach ihrer Annahme nachzukommen ; für das Königreich Belgien, die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich der Niederlande beträgt diese Frist zwölf Monate. Die Mitgliedstaaten setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Wenn die Mitgliedstaaten Vorschriften nach Absatz 1 erlassen, nehmen sie in diesen Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme. Artikel 19 Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am 15. März 1993. Im Namen des Rates Der Präsident M. JELVED
ANHANG Kategorien nach Artikel 1 Nummer 1 zweiter Gedankenstrich, denen als »Kulturgut« im Sinne von Artikel 36 des Vertrages eingestufte Gegenstände für eine Rückgabe gemäß dieser Richtlinie angehören müssen
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A. 1. Mehr als 100 Jahre alte archäologische Gegenstände aus – Grabungen und archäologischen Funden zu Lande oder unter Wasser, – archäologischen Stätten, – archäologischen Sammlungen. 2. Bestandteile von Kunst- und Baudenkmälern oder religiösen Denkmälern, die aus deren Aufteilung stammen und älter sind als 100 Jahre. 3. Bilder und Gemälde, die vollständig von Hand auf und aus allen Stoffen hergestellt sind(1). 4. Mosaike, die nicht unter die Kategorien 1 oder 2 fallen, und Zeichnungen, die vollständig von Hand auf und aus allen Stoffen hergestellt sind(1). 5. Original-Radierungen, -Stiche, -Serigraphien und -Lithographien und lithographische Matrizen sowie Original-Plakate (1). 6. Nicht unter die Kategorie 1 fallende Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst und Kopien, die auf dieselbe Weise wie das Original hergestellt worden sind(1). 7. Photographien, Filme und die dazugehörigen Negative(1). 8. Wiegendrucke und Handschriften, einschließlich Landkarten und Partituren, als Einzelstücke oder Sammlung(1). 9. Bücher, die älter sind als 100 Jahre, als Einzelstücke oder Sammlung. 10. Gedruckte Landkarten, die älter sind als 200 Jahre. 11. Archive aller Art, mit Archivalien, die älter sind als 50 Jahre, auf allen Trägern. 12. a) Sammlungen(2) und Einzelexemplare aus zoologischen, botanischen, mineralogischen oder anatomischen Sammlungen, b) Sammlungen(2) von historischem, paläontologischem, ethnographischem oder numismatischem Wert. 13. Verkehrsmittel, die älter sind als 75 Jahre. 14. Sonstige, nicht unter den Kategorien 1 bis 13 genannte Antiquitäten, die älter sind als 50 Jahre. Die Kulturgüter, die unter die Kategorien A.1 bis 14 fallen, werden von dieser Richtlinie nur erfaßt, wenn ihr Wert mindestens den in Teil B aufgeführten Wertgruppen entspricht. B. Wertgruppen, die bestimmten in Teil A genannten Kategorien entsprechen (in ECU) Wert: 0 (Null) – 1 (Archäologische Gegenstände) – 2 (Aufteilung von Denkmälern) – 8 (Wiegendrucke und Handschriften) – 11 (Archive) 15 000
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– 4 (Mosaike und Zeichnungen) – 5 (Radierungen) – 7 (Photographien) – 10 (Gedruckte Landkarten) 50.000 – 6 (Bildhauerkunst) – 9 (Bücher) – 12 (Sammlungen) – 13 (Verkehrsmittel) – 14 (Sonstige Gegenstände) 150 000 – 3 (Bilder) Die Erfüllung der Voraussetzungen in bezug auf den finanziellen Wert ist bei Einreichung des Antrags auf Rückgabe zu beurteilen. Der finanzielle Wert ist der Wert des Gegenstands in dem ersuchten Mitgliedstaat. Zeitpunkt für die Umrechnung der in diesem Anhang in Ecu ausgedrückten Werte in Landeswährungen ist der 1. Januar 1993. (1)
Älter als 50 Jahre und nicht ihren Urhebern gehörend. Im Sinne des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache 252/84 : »Sammlungsstücke im Sinne der Tarifnummer 99.05 des GZT sind Gegenstände, die geeignet sind, in eine Sammlung aufgenommen zu werden, das heißt Gegenstände, die verhältnismäßig selten sind, normalerweise nicht ihrem ursprünglichen Verwendungszweck gemäß benutzt werden, Gegenstand eines Spezialhandels außerhalb des üblichen Handels mit ähnlichen Gebrauchsgegenständen sind und einen hohen Wert haben.« (2)
Anhang 6: RICHTLINIE 2014/60/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 15. Mai 2014 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (Neufassung) DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION – gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
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gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, in Erwägung folgender Gründe: (1) Die Richtlinie 93/7/EWG des Rates ist durch die Richtlinien 96/100/EG und 2001/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in wesentlichen Punkten geändert worden. Da nunmehr weitere Änderungen vorgenommen werden sollen, empfiehlt sich aus Gründen der Klarheit eine Neufassung. (2) Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleistet ist (AEUV). Gemäß Artikel 36 AEUV stehen die einschlägigen Bestimmungen über den freien Warenverkehr Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die zum Schutz des nationalen Kulturgutes von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischen Wert gerechtfertigt sind. (3) Aufgrund und im Rahmen von Artikel 36 AEUV haben die Mitgliedstaaten das Recht, ihre nationalen Kulturgüter zu bestimmen und die notwendigen Maßnahmen zu deren Schutz zu treffen. Dennoch spielt die Union eine wertvolle Rolle, indem sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten beim Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung fördert, zu dem das genannte nationale Kulturgut gehört. (4) Mit der Richtlinie 93/7/EWG wurde eine Rückgaberegelung eingeführt, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, die Rückgabe von Kulturgütern in ihr Hoheitsgebiet zu erreichen, die im Sinne von Artikel 36 AEUV als nationales Kulturgut eingestuft sind, das unter die gemeinsamen Kategorien von Kulturgütern gemäß dem Anhang dieser Richtlinie fällt, und die in Verletzung der nationalen Vorschriften oder der Verordnung (EG) Nr. 116/2009 des Rates aus ihrem Hoheitsgebiet verbracht wurden. Diese Richtlinie erfasste auch Kulturgüter, die als nationales Kulturgut eingestuft wurden und zu öffentlichen Sammlungen gehören oder im Bestandsverzeichnis kirchlicher Einrichtungen aufgeführt sind und nicht unter diese gemeinsamen Kategorien fallen. (5) Aufgrund der Richtlinie 93/7/EWG arbeiten die Mitgliedstaaten auf Verwaltungsebene in Fragen ihres nationalen Kulturgutes zusammen, und zwar in enger Verbindung mit ihrer Zusammenarbeit mit Interpol und anderen zuständigen Stellen in Bezug auf gestohlene Kunstwerke, wobei insbesondere verlorengegangene, gestohlene oder unrechtmäßig verbrachte Kulturgüter, die Teil des nationalen Kulturgutes und der öffentlichen Sammlungen der Mitgliedstaaten sind, zu erfassen sind. (6) Das in der Richtlinie 93/7/EWG vorgesehene Rückgabeverfahren stellte einen ersten Schritt auf dem Wege zu einer Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Schutzes der Kulturgüter im Rahmen des Binnenmarktes dar, mit dem Ziel der weiteren gegenseitigen Anerkennung der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften.
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(7) Die Verordnung (EG) Nr. 116/2009 – zusammen mit Richtlinie 93/7/EWG – führte eine Regelung auf Unionsebene zum Schutz der Kulturgüter der Mitgliedstaaten ein. (8) Das Ziel der Richtlinie 93/7/EWG bestand darin, die materielle Rückgabe der Kulturgüter an den Mitgliedstaat sicherzustellen, aus dessen Hoheitsgebiet sie unrechtmäßig verbracht wurden – ungeachtet der an diesen Kulturgütern bestehenden Eigentumsrechten. Die Anwendung dieser Richtlinie hat jedoch die Grenzen der Regelung zur Rückgabe dieser Kulturgüter aufgezeigt. Die Berichte über die Umsetzung der Richtlinie haben aufgezeigt, dass die Richtlinie insbesondere aufgrund ihres begrenzten Anwendungsbereichs, der auf die im Anhang dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen zurückzuführen ist, sowie aufgrund des kurzen Zeitraums für die Einleitung von Rückgabeverfahren und der mit diesen Verfahren verbundenen Kosten selten angewendet wurde. (9) Der Geltungsbereich der vorliegenden Richtlinie sollte auf jedes Kulturgut ausgeweitet werden, das von einem Mitgliedstaat nach den nationalen Rechtsvorschriften oder Verwaltungsverfahren im Sinne des Artikels 36 AEUV als nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert eingestuft oder definiert wurde. Die vorliegende Richtlinie sollte somit Gegenstände von historischem, paläontologischem, ethnographischem, numismatischem Interesse oder wissenschaftlichem Wert erfassen, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Teil einer öffentlichen oder sonstiger Sammlungen oder ein Einzelstück handelt und ob diese Gegenstände aus regulären oder unerlaubten Grabungen stammen, sofern sie als nationales Kulturgut eingestuft oder definiert sind. Des Weiteren sollten als nationales Kulturgut eingestufte oder definierte Kulturgüter nicht länger bestimmten Kategorien angehören und keine Alters- bzw. Wertgrenzen einhalten müssen, um für eine Rückgabe im Rahmen dieser Richtlinie in Frage zu kommen. (10) In Artikel 36 AEUV wird die Vielfalt der nationalen Regelungen zum Schutz der nationalen Kulturgüter anerkannt. Um gegenseitiges Vertrauen, Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Verständnis zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern, sollte die Bedeutung des Begriffs »nationales Kulturgut« im Rahmen des Artikels 36 AEUV definiert werden. Die Mitgliedstaaten sollten zudem die Rückgabe von Kulturgütern an den Mitgliedstaat, aus dessen Hoheitsgebiet diese Güter unrechtmäßig verbracht wurden, ungeachtet des Zeitpunkts des Beitritts jenes Mitgliedstaats erleichtern und dafür sorgen, dass die Rückgabe solcher Güter keine unverhältnismäßigen Kosten verursacht. Es sollte den Mitgliedstaaten möglich sein, die Rückgabe von Kulturgütern unter Einhaltung der betreffenden Bestimmungen des AEUV zu veranlassen, die nicht als nationale Kulturgüter des AEUV eingestuft oder definiert sind, sowie von Kulturgütern, die vor dem 1. Januar 1993 unrechtmäßig verbracht wurden.
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(11) Die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf der Verwaltungsebene sollte verstärkt werden, um eine wirksamere und einheitlichere Anwendung dieser Richtlinie zu fördern. Daher sollten die zentralen Stellen ersucht werden, wirksam untereinander zusammenzuarbeiten und Informationen über unrechtmäßig verbrachte Kulturgüter auszutauschen und hierzu das Binnenmarktinformationssystem (»IMI«) gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates zu nutzen. Im Hinblick auf eine bessere Umsetzung dieser Richtlinie sollte ein spezifisches Modul des IMISystems für Kulturgüter entwickelt werden. Es ist wünschenswert, dass auch die übrigen zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten sich gegebenenfalls dieses Systems bedienen. (12) Damit der Schutz personenbezogener Daten gewährleistet ist, sollten bei der administrativen Zusammenarbeit und beim Informationsaustausch zwischen den zuständigen Stellen die Regeln eingehalten werden, die in der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und, soweit das IMI eingesetzt wird, in der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 festgelegt sind. Die Begriffsbestimmungen der Richtlinie 95/46/EG und der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates sollten auch für die Zwecke der vorliegenden Richtlinie gelten. (13) Die Frist, innerhalb deren zu prüfen ist, ob das in einem anderen Mitgliedstaat aufgefundene Kulturgut ein Kulturgut im Sinne der Richtlinie 93/7/ EWG darstellt, wurde für die Praxis als zu kurz erachtet. Daher sollte sie auf sechs Monate verlängert werden. Eine längere Frist sollte den Mitgliedstaaten ermöglichen, die Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um das Kulturgut zu bewahren und gegebenenfalls zu verhindern, dass es dem Rückgabeverfahren entzogen wird. (14) Die Frist für eine Rückgabeklage muss ebenfalls auf drei Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem der Mitgliedstaat, aus dessen Hoheitsgebiet das Kulturgut unrechtmäßig verbracht wurde, von dem Ort der Belegenheit des Kulturgutes und der Identität seines Eigenbesitzers oder Fremdbesitzers Kenntnis erhält, verlängert werden. Die Verlängerung dieses Zeitraums sollte die Rückgabe erleichtern und der unrechtmäßigen Verbringung nationaler Kulturgüter entgegenwirken. Der Eindeutigkeit halber sollte klargestellt werden, dass die Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch die zentrale Stelle des Mitgliedstaats, aus dessen Hoheitsgebiet das Kulturgut unrechtmäßig verbracht wurde, läuft. (15) Gemäß der Richtlinie 93/7/EWG erlosch der Rückgabeanspruch 30 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem das Kulturgut unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbracht wurde. Im Fall von Kulturgütern, die zu öffentlichen Sammlungen gehören, sowie von Kulturgütern, die im Bestandsverzeichnis kirchlicher Einrichtungen in Mitgliedstaaten aufgeführt sind, in denen sie nach den nationalen Rechtsvorschriften besonderen Schutz-
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regelungen unterliegen, gilt allerdings unter bestimmten Umständen eine längere Frist für den Rückgabeanspruch. Da Mitgliedstaaten nach den nationalen Rechtsvorschriften möglicherweise besondere Schutzregelungen für religiöse Einrichtungen anwenden, die keine kirchlichen Einrichtungen sind, sollte diese Richtlinie auch für diese anderen religiösen Einrichtungen gelten. (16) In seinen Schlussfolgerungen über die Prävention und Bekämpfung des unrechtmäßigen Handels mit Kulturgütern vom 13./14. Dezember 2011 hat der Rat die Notwendigkeit von Maßnahmen zur wirksameren Prävention und Bekämpfung von Straftaten betreffend Kulturgüter anerkannt. Er empfahl, dass die Kommission zur Prävention und Bekämpfung des unrechtmäßigen Handels mit Kulturgütern die Mitgliedstaaten beim wirksamen Schutz von Kulturgütern unterstützt und gegebenenfalls ergänzende Maßnahmen fördert. Darüber hinaus empfahl der Rat, dass die Mitgliedstaaten die Ratifizierung des am 17. November 1970 in Paris unterzeichneten Unesco-Übereinkommens über die Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und des am 24. Juni 1995 in Rom unterzeichneten UNIDROIT-Übereinkommens über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter erwägen. (17) Es sollte daher sichergestellt werden, dass alle Marktteilnehmer beim Handel mit Kulturgütern die erforderliche Sorgfalt walten lassen. Der Erwerb eines Kulturgutes mit illegaler Herkunft hat nur dann wirklich abschreckende Folgen, wenn der Eigenbesitzer des Gegenstandes neben der Zahlung einer Entschädigung auch dazu verpflichtet ist, nachzuweisen, dass er mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist. Zur Verwirklichung der Ziele der Union auf dem Gebiet der Prävention und Bekämpfung des unrechtmäßigen Handels mit Kulturgütern sollte daher in dieser Richtlinie festgelegt werden, dass der Eigenbesitzer nur dann eine Entschädigung erhalten kann, wenn er nachweist, dass er beim Erwerb des Kulturgutes mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen ist. (18) Es wäre ebenfalls für jede Person und insbesondere für jeden Marktteilnehmer hilfreich, einen leichten Zugang zu den öffentlichen Informationen über die von den Mitgliedstaaten als nationale Kulturgüter eingestuften oder definierten Kulturgüter zu haben. Die Mitgliedstaaten sollten sich darum bemühen, dass der Zugang zu diesen öffentlichen Informationen vereinfacht wird. (19) Zur Erleichterung einer einheitlichen Auslegung des Begriffs der erforderlichen Sorgfalt sollten in dieser Richtlinie nicht erschöpfende Kriterien festgelegt werden, die bei der Entscheidung, ob der Eigenbesitzer beim Erwerb des Kulturgutes mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen ist, zu berücksichtigen sind. (20) Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Ermöglichung der Rückgabe von als »nationales Kulturgut« eingestuften oder definierten Kulturgütern, die unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht wurden, von
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den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen seines Umfangs und seiner Folgen auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem im demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus. (21) Da die Aufgaben des mit der Verordnung (EG) Nr. 116/2009 eingesetzten Ausschusses durch die Streichung des Anhangs der Richtlinie 93/7/EWG wegfallen, sind die Bezugnahmen auf diesen Ausschuss dementsprechend zu streichen. Um die Plattform für den Austausch von Erfahrungen und bewährten Praktiken mit bzw. bei der Umsetzung dieser Richtlinie zwischen den Mitgliedstaaten beizubehalten, sollte die Kommission eine Sachverständigengruppe einsetzen, die aus Experten aus den für die Umsetzung dieser Richtlinie zuständigen zentralen Stellen der Mitgliedstaaten besteht und unter anderem in die Entwicklung eines spezifischen Moduls des IMI-Systems für Kulturgüter eingebunden werden sollte. (22) Da der Anhang der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 eine Liste der Bestimmungen über die Verwaltungszusammenarbeit enthält, die in Rechtsakten der Union enthalten sind und mit Hilfe des IMI umgesetzt werden, ist dieser Anhang zu ändern und die vorliegende Richtlinie aufzunehmen. (23) Die Verpflichtung zur Umsetzung der vorliegenden Richtlinie in nationales Recht muss auf die Bestimmungen beschränkt bleiben, die inhaltliche Änderungen gegenüber den vorherigen Richtlinien darstellen. Die Verpflichtung zur Umsetzung der unveränderten Bestimmungen ergibt sich aus der früheren Richtlinie. (24) Die Pflichten der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Fristen zur Umsetzung der in Anhang I Teil B aufgeführten Richtlinien in nationales Recht dürfen durch diese Richtlinie nicht berührt werden – HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: Artikel 1 Diese Richtlinie findet Anwendung auf die Rückgabe von Kulturgütern, die von einem Mitgliedstaat als »nationales Kulturgut« im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 eingestuft oder definiert und unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats verbracht wurden.
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Artikel 2 Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck 1. »Kulturgut« einen Gegenstand, der vor oder nach der unrechtmäßigen Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats nach den nationalen Rechtsvorschriften oder Verwaltungsverfahren im Sinne des Artikels 36 AEUV von diesem Mitgliedstaat als »nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert« eingestuft oder definiert wurde; 2. »unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht« a) jede Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entgegen dessen Rechtsvorschriften für den Schutz nationaler Kulturgüter oder entgegen der Verordnung (EG) Nr. 116/2009 oder b) jede nicht erfolgte Rückgabe nach Ablauf der Frist für eine vorübergehende rechtmäßige Verbringung bzw. jeder Verstoß gegen eine andere Bedingung für diese vorübergehende Verbringung; 3. »ersuchender Mitgliedstaat« den Mitgliedstaat, aus dessen Hoheitsgebiet das Kulturgut unrechtmäßig verbracht wurde; 4. »ersuchter Mitgliedstaat« den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich ein Kulturgut befindet, das unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats verbracht wurde; 5. »Rückgabe« die materielle Rückgabe des Kulturgutes in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats; 6. »Eigenbesitzer« die Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut für sich selbst ausübt; 7. »Fremdbesitzer« die Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut für andere ausübt; 8. »öffentliche Sammlungen« diejenigen Sammlungen, die nach der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats als öffentlich gelten, und die im Eigentum dieses Mitgliedstaats, einer lokalen oder einer regionalen Behörde innerhalb dieses Mitgliedstaats oder einer im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats gelegenen Einrichtung stehen, wobei dieser Mitgliedstaat oder eine lokale oder regionale Behörde entweder Eigentümer dieser Einrichtung ist oder sie zu einem beträchtlichen Teil finanziert. Artikel 3 Die unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgüter werden nach den in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren und Bedingungen zurückgegeben. Artikel 4 Jeder Mitgliedstaat benennt eine oder mehrere zentrale Stellen, die die in dieser Richtlinie vorgesehenen Aufgaben wahrnehmen.
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Die Mitgliedstaaten haben der Kommission die zentralen Stellen mitzuteilen, die sie gemäß diesem Artikel benennen. Die Kommission veröffentlicht eine Liste dieser zentralen Stellen sowie spätere Änderungen im Amtsblatt der Europäischen Union Reihe C. Artikel 5 Die zentralen Stellen der Mitgliedstaaten arbeiten zusammen und fördern eine Abstimmung zwischen den zuständigen nationalen Behörden der Mitgliedstaaten. Diese erfüllen insbesondere folgende Aufgaben: 1. auf Antrag des ersuchenden Mitgliedstaats Nachforschungen nach einem bestimmten Kulturgut, das unrechtmäßig aus seinem Hoheitsgebiet verbracht wurde, und nach der Identität seines Eigenbesitzers und/oder Fremdbesitzers. Diesem Antrag sind alle erforderlichen Angaben, insbesondere über den tatsächlichen oder vermutlichen Ort der Belegenheit des Kulturgutes, zur Erleichterung der Nachforschungen beizufügen; 2. Unterrichtung der betroffenen Mitgliedstaaten im Fall des Auffindens eines Kulturgutes in ihrem Hoheitsgebiet, wenn begründeter Anlass für die Vermutung besteht, dass das Kulturgut unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats verbracht wurde; 3. Erleichterung der Überprüfung durch die zuständigen Behörden des ersuchenden Mitgliedstaats, ob der betreffende Gegenstand ein Kulturgut darstellt, sofern die Überprüfung innerhalb von sechs Monaten nach der Unterrichtung gemäß Nummer 2 erfolgt. Wird diese Überprüfung nicht innerhalb der festgelegten Frist durchgeführt, so sind die Nummern 4 und 5 nicht mehr anwendbar ; 4. in Zusammenarbeit mit dem betroffenen Mitgliedstaat erforderlichenfalls Erlass der notwendigen Maßnahmen für die physische Erhaltung des Kulturgutes; 5. Erlass der erforderlichen vorläufigen Maßnahmen, um zu verhindern, dass das Kulturgut dem Rückgabeverfahren entzogen wird; 6. Wahrnehmung der Rolle eines Vermittlers zwischen dem Eigenbesitzer und/oder Fremdbesitzer und dem ersuchenden Mitgliedstaat in der Frage der Rückgabe. Zu diesem Zweck können die zuständigen Behörden des ersuchten Mitgliedstaats unbeschadet des Artikels 6 zunächst die Einleitung eines Schiedsverfahrens gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersuchten Mitgliedstaats erleichtern, sofern der ersuchende Mitgliedstaat sowie der Eigenbesitzer oder Fremdbesitzer ihre förmliche Zustimmung erteilen. Im Hinblick auf die Zusammenarbeit und die Abstimmung untereinander nutzen die zentralen Stellen der Mitgliedstaaten ein auf Kulturgüter abgestimmtes spezifisches Modul des mit der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 eingeführten Binnenmarktinformationssystems (»IMI«). Sie können das IMI auch für die Verbreitung einschlägiger fallbezogener Informationen über Kulturgüter,
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die gestohlen oder unrechtmäßig aus ihrem Hoheitsgebiet verbracht wurden, nutzen. Die Mitgliedstaaten entscheiden, ob auch die sonstigen zuständigen Stellen das IMI für die Zwecke der vorliegenden Richtlinie nutzen. Artikel 6 Der ersuchende Mitgliedstaat kann gegen den Eigenbesitzer und ersatzweise gegen den Fremdbesitzer bei dem zuständigen Gericht des ersuchten Mitgliedstaats Klage auf Rückgabe eines Kulturgutes erheben, das sein Hoheitsgebiet unrechtmäßig verlassen hat. Die Klage auf Rückgabe ist nur dann zulässig, wenn der Klageschrift Folgendes beigefügt ist: a) ein Dokument mit der Beschreibung des Gutes, das Gegenstand der Klage ist, und der Erklärung, dass es sich dabei um ein Kulturgut handelt; b) eine Erklärung der zuständigen Stellen des ersuchenden Mitgliedstaats, wonach das Kulturgut unrechtmäßig aus seinem Hoheitsgebiet verbracht wurde. Artikel 7 Die zuständige zentrale Stelle des ersuchenden Mitgliedstaats setzt die zuständige zentrale Stelle des ersuchten Mitgliedstaats unverzüglich von der Erhebung der Rückgabeklage in Bezug auf das betreffende Gut in Kenntnis. Die zuständige zentrale Stelle des ersuchten Mitgliedstaats unterrichtet unverzüglich die zentrale Stelle der anderen Mitgliedstaaten. Der Informationsaustausch erfolgt über das IMI im Einklang mit den rechtlichen Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre, unbeschadet der Möglichkeit der zuständigen zentralen Stellen, neben dem IMI auf andere Informationsmedien zurückzugreifen. Artikel 8 (1) Die Mitgliedstaaten sehen in ihren Rechtsvorschriften vor, dass der Rückgabeanspruch gemäß dieser Richtlinie drei Jahre nach dem Zeitpunkt erlischt, zu dem die zuständige zentrale Stelle des ersuchenden Mitgliedstaats von dem Ort der Belegenheit des Kulturgutes und der Identität seines Eigenbesitzers oder Fremdbesitzers Kenntnis erhält. In jedem Fall erlischt der Rückgabeanspruch 30 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem das Kulturgut unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats verbracht wurde. Handelt es sich jedoch um Kulturgüter, die zu öffentlichen Sammlungen im Sinne des Artikels 2 Nummer 8 gehören, sowie um Kulturgüter, die im Bestandsverzeichnis kirchlicher oder anderer religiöser Einrichtungen in den Mitgliedstaaten aufgeführt sind, in denen sie nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften besonderen Schutzregelungen unterliegen, so erlischt der Rückgabeanspruch nach 75 Jahren; hiervon ausgenommen sind die Mitglied-
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staaten, in denen der Rückgabeanspruch unverjährbar ist, sowie bilaterale Abkommen zwischen Mitgliedstaaten, in denen eine Verjährungsfrist von über 75 Jahren festgelegt ist. (2) Die Rückgabeklage ist unzulässig, wenn das Verbringen des Kulturgutes aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klage erhoben wird, nicht mehr unrechtmäßig ist. Artikel 9 Vorbehaltlich der Artikel 8 und 14 wird die Rückgabe des Kulturgutes von dem zuständigen Gericht angeordnet, wenn erwiesen ist, dass es sich dabei um ein Kulturgut im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 handelt und die Verbringung aus dem Hoheitsgebiet unrechtmäßig war. Artikel 10 Wird die Rückgabe angeordnet, so gewährt das zuständige Gericht des ersuchten Mitgliedstaats dem Eigenbesitzer eine dem jeweiligen Fall angemessene Entschädigung, sofern der Eigenbesitzer nachweist, dass er beim Erwerb des Kulturgutes mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist. Bei der Entscheidung, ob der Eigenbesitzer mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist, werden alle Umstände des Erwerbs berücksichtigt, insbesondere die Unterlagen über die Herkunft des Kulturgutes, die nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaats erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen, die jeweiligen Eigenschaften der Beteiligten, der gezahlte Preis, die Einsichtnahme des Eigenbesitzers in die zugänglichen Verzeichnisse entwendeter Kulturgüter, alle einschlägigen Informationen, die er mit zumutbarem Aufwand hätte erhalten können, oder jeder andere Schritt, den eine vernünftige Person unter denselben Umständen unternommen hätte. Im Fall einer Schenkung oder Erbschaft darf die Rechtsstellung des Eigenbesitzers nicht günstiger sein als die des Schenkers oder Erblassers. Der ersuchende Mitgliedstaat hat die Entschädigung bei der Rückgabe zu zahlen. Artikel 11 Die Ausgaben, die sich aus dem Vollzug der Entscheidung ergeben, mit der die Rückgabe des Kulturgutes angeordnet wird, gehen zu Lasten des ersuchenden Mitgliedstaats. Gleiches gilt für die Kosten der Maßnahmen gemäß Artikel 5 Nummer 4. Artikel 12 Die Zahlung der angemessenen Entschädigung gemäß Artikel 10 und der Ausgaben gemäß Artikel 11 steht dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaats nicht entgegen, die Erstattung dieser Beträge von den Personen zu fordern, die für die
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unrechtmäßige Verbringung des Kulturgutes aus seinem Hoheitsgebiet verantwortlich sind. Artikel 13 Die Frage des Eigentums an dem Kulturgut nach erfolgter Rückgabe bestimmt sich nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaats. Artikel 14 Diese Richtlinie gilt nur in Fällen, in denen Kulturgüter ab dem 1. Januar 1993 unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht werden. Artikel 15 (1) Jeder Mitgliedstaat kann die in dieser Richtlinie vorgesehenen Regelungen auf die Rückgabe anderer als in Artikel 2 Absatz 1 definierter Kulturgüter anwenden. (2) Jeder Mitgliedstaat kann die in dieser Richtlinie vorgesehene Regelung auf Anträge auf Rückgabe von Kulturgütern anwenden, die vor dem 1. Januar 1993 unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten verbracht wurden. Artikel 16 Diese Richtlinie lässt zivil- oder strafrechtliche Maßnahmen unberührt, die dem ersuchenden Mitgliedstaat und/oder dem Eigentümer eines entwendeten Kulturgutes aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen. Artikel 17 (1) Bis zum 18. Dezember 2015 und anschließend alle fünf Jahre übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie. (2) Alle fünf Jahre legt die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht mit einer Bewertung der Anwendung und der Wirksamkeit dieser Richtlinie vor. Dieser Bericht kann erforderlichenfalls von geeigneten Vorschlägen begleitet sein. Artikel 18 Im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 wird folgende Nummer hinzugefügt: »8. Richtlinie 2014/60/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheits-
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gebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012(*) Artikel 5 und 7. (*)
ABl. L 159 vom 28. 5. 2014, S. 1.«
Artikel 19 (1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um Artikel 2 Nummer 1, Artikel 5 Absatz 1 Nummer 3, Artikel 5 Absatz 2, Artikel 7 Absatz 3, Artikel 8 Absatz 1, Artikel 10 Absätze 1 und 2 und Artikel 17 Absatz 1 dieser Richtlinie bis zum 18. Dezember 2015 nachzukommen. Sie übermitteln der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften. Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf die vorliegende Richtlinie Bezug. In diese Vorschriften fügen sie die Erklärung ein, dass Bezugnahmen in den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf die durch die vorliegende Richtlinie aufgehobene(n) Richtlinie(n) als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie gelten. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme und die Formulierung dieser Erklärung. (2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. Artikel 20 Die Richtlinie 93/7/EWG, in der Fassung der in Anhang I Teil A aufgeführten Richtlinien, wird unbeschadet der Verpflichtung der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang I Teil B genannten Fristen für die Umsetzung in nationales Recht mit Wirkung vom 19. Dezember 2015 aufgehoben. Bezugnahmen auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang II zu lesen. Artikel 21 Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Artikel 2 Nummern 2 bis 8, Artikel 3, Artikel 4, Artikel 5 Absatz 1 Nummern 1, 2 und 4 bis 6, Artikel 6, Artikel 7 Absätze 1 und 2, Artikel 8 Absatz 2, Artikel 9, Artikel 10 Absätze 3 und 4 sowie Artikel 11 bis 16 gelten ab dem 19. Dezember 2015. Artikel 22 Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
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Anhang
Geschehen zu Brüssel am 15. Mai 2014. Im Namen des Europäischen Parlaments Der Präsident M. SCHULZ Im Namen des Rates Der Präsident D. KOURKOULAS
Anhang 7: Anlage 1 zu § 48 Abs. 2 EinkommensteuerDurchführungsverordnung (gültig bis 31. Dezember 2006; ab 2007 gilt § 52 Abs. 2 Abgabenordnung845) Verzeichnis der Zwecke, die allgemein als besonders förderungswürdig im Sinne des § 10 b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes anerkannt sind Abschnitt A … 3. Förderung kultureller Zwecke: dies ist die ausschließliche und unmittelbare Förderung der Kunst, die Förderung der Pflege und Erhaltung von Kulturwerten sowie die Förderung der Denkmalpflege; 1. die Förderung der Kunst umfasst die Bereiche der Musik, der Literatur, der darstellenden und bildenden Kunst und schließt die Förderung von kulturellen Einrichtungen, wie Theater und Museen, sowie von kulturellen Veranstaltungen, wie Konzerte und Kunstausstellungen, ein; 2. Kulturwerte sind Gegenstände von künstlerischer und sonstiger kultureller Bedeutung, Kunstsammlungen und künstlerische Nachlässe, Bibliotheken, Archive sowie andere vergleichbare Einrichtungen; 3. die Förderung der Denkmalpflege bezieht sich auf die Erhaltung und Wiederherstellung von Bau- und Bodendenkmälern, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften anerkannt sind: die Anerkennung ist durch eine Bescheinigung der zuständigen Stelle nachzuweisen; …
845 Die jetzt geltende Vorschrift des § 52 Abs. 2 AO enthält nur noch die Begriffe Kunst und Kultur.
Anhang 8
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Anhang 8: § 10 g EStG – Steuerbegünstigung für schutzwürdige Kulturgüter, die weder zur Einkunftserzielung noch zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden (1) 1Der Steuerpflichtige kann Aufwendungen für Herstellungs- und Erhaltungsmaßnahmen an eigenen schutzwürdigen Kulturgütern im Inland, soweit sie öffentliche oder private Zuwendungen oder etwaige aus diesen Kulturgütern erzielte Einnahmen übersteigen, im Kalenderjahr des Abschlusses der Maßnahme und in den neun folgenden Kalenderjahren jeweils bis zu 9 Prozent wie Sonderausgaben abziehen. 2Kulturgüter im Sinne des Satzes 1 sind 1. Gebäude oder Gebäudeteile, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal sind, 2. Gebäude oder Gebäudeteile, die für sich allein nicht die Voraussetzungen für ein Baudenkmal erfüllen, aber Teil einer nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften als Einheit geschützten Gebäudegruppe oder Gesamtanlage sind, 3. gärtnerische, bauliche und sonstige Anlagen, die keine Gebäude oder Gebäudeteile und nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften unter Schutz gestellt sind, 4. Mobiliar, Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken oder Archive, die sich seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie des Steuerpflichtigen befinden oder in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes oder das Verzeichnis national wertvoller Archive eingetragen sind und deren Erhaltung wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt, wenn sie in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang der wissenschaftlichen Forschung oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, es sei denn, dem Zugang stehen zwingende Gründe des Denkmal- oder Archivschutzes entgegen. …
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Anhang
Anhang 9: Empfehlung der Kultusministerkonferenz für Eintragungen in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes und das Verzeichnis national wertvoller Archive nach dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 29. 04. 2010)
A.
Vorbemerkung
Nachfolgende Definitionen des »national wertvollen Kulturgutes« und des »national wertvollen Archivgutes« sollen dazu dienen, Eintragungen gem. § 1 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung (KultgSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juli 1999 (BGBl. I S. 1754), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. Mai 2007 (BGBl. I S. 757) in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes und in das Verzeichnis national wertvoller Archive in der Verwaltungspraxis länderübergreifend einheitlich zu gestalten. Die internationalen Vorschriften zum grenzüberschreitenden Verkehr von Kulturgut846 sowie die dazu ergangenen Ergänzungs- und Änderungsvorschriften lassen die Definitionen unberührt. Zum einen legen sie die Definition des »national Bedeutenden« in die Hände des jeweiligen Mitgliedsstaates, zum anderen werden die Schutzkategorien so weit gefasst, dass sie über die im Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung formulierten Begriffe weit hinausreichen. 846 – Verordnung (EG) Nr. 116/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Ausfuhr von Kulturgütern (Amtsblatt der EU Nr. L 39 vom 10. Februar 2009, S. 1) – Verordnung (EWG) Nr. 752/93 der Kommission vom 30. März 1993 zur Durchführung der Verordnung (EWG) r. 3911/92 des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern (Amtsblatt der EG Nr. L 77 vom 31. März 1993, S. 24). (Die Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 116/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Ausfuhr von Kulturgütern (Amtsblatt der EU Nr. L 39 vom 10. Februar 2009, S. 1) ersetzt – die Verordnung (EWG) Nr. 752/93 gilt derzeit weiter.) – Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern (Amtsblatt der EG Nr. L 74 vom 27. März 1993, S. 74) – UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 14. November 1970.
Anhang 9
B.
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Eintragung von öffentlichem Eigentum
Gemäß § 18 Abs. 2 KultgSchG kann in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes oder in das Verzeichnis national wertvoller Archive auch in öffentlichem Eigentum stehendes Kultur- und Archivgut eingetragen werden. Hierfür gelten die unter C.) genannten Kriterien gleichermaßen. Das gilt auch für kirchliches Eigentum nach § 19 Abs. 2 KultgSchG. Aufgrund der großen Zahl der Objekte und der Bestände sollte vorrangig geprüft werden, ob sie als Sammlungen oder Archive eingetragen werden können. Nach den internationalen Rechtsvorschriften ist die Eintragung Voraussetzung für den öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Rückgabe von abhanden gekommenem Kulturgut. Die Eintragung ist deshalb auch in den Fällen notwendig, in denen der Abwanderungsschutz bereits durch andere Rechtsvorschriften besteht.
C.
Für die Eintragung maßgebliche Kriterien
1. Eintragung von Kunstwerken und anderem Kulturgut (außer Archivgut) § 1 Abs. 1 des KultgSchG bestimmt, dass Kunstwerke und anderes Kulturgut – einschließlich Bibliotheksgut –, deren oder dessen Abwanderung aus dem Geltungsbereich des Gesetzes einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeutete, in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes einzutragen sind. Als Maßstab für das Kriterium »national wertvoll« ist deshalb anzunehmen, dass es sich um solche Objekte handelt, deren drohende Abwanderung, wären sie nicht in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes eingetragen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Intervention des Staates oder bedeutender, fachlich einschlägiger Institutionen zur Folge hätte oder haben müsste, um eine solche Abwanderung zu verhindern. Um den Abwanderungsschutz zu erreichen, sind Kunstwerke und andere Kulturgüter, ein-schließlich Sammlungen847, in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes einzutragen, wenn sie 847 Für das Vorliegen einer Sammlung sprechen insbesondere folgende Anhaltspunkte: – eine Gesamtheit zielgerichtet unter einer Themenstellung zusammengeführter und systematisierter Gegenstände, – die aus künstlerischen, wissenschaftlichen oder ästhetischen Grundprinzipien zusammengetragen wurden und – die mehr als nur die Summe ihrer einzelnen Bestandteile darstellen und dadurch einen besonderen kulturellen Wert gewinnen. Nicht erforderlich ist, dass jedes einzelne Teil der Sammlung selbst Kulturgut darstellt.
246
Anhang
a) wichtige Objekte von Künstlerinnen und Künstlern mit internationalem Rang sind oder b) für die deutsche Kunst und Geschichte (einschließlich der Naturgeschichte) oder c) für die Landesgeschichte oder für die Geschichte historischer Regionen von herausragen-der Bedeutung sind. Der Anwendungsbereich des Gesetzes kann sich auch auf Kulturgut erstrecken, das außerhalb Deutschlands entstanden ist, sich aber bereits so lange in Deutschland befindet, dass es auch als Bestandteil des deutschen Kulturerbes aufgefasst wird. Ein Anhaltspunkt dafür, dass zumindest eines dieser Kriterien erfüllt ist, stellt die Förderung des Ankaufs von Kulturgut durch den Bund, die Länder oder die Kulturstiftung der Länder dar. 2.
Eintragung von Archivgut
Ferner bestimmt § 10 Abs. 1 KultgSchG, dass Archive, archivalische Sammlungen, Nachlässe und Briefsammlungen mit wesentlicher Bedeutung für die deutsche politische, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte in das »Verzeichnis national wertvoller Archive« einzutragen sind. Um den Abwanderungsschutz zu erreichen, sind diese in das Verzeichnis national wertvoller Archive einzutragen, wenn a) entsprechendes Archivgut oder archivwürdige Unterlagen vorliegen, wobei deren Form unerheblich ist. Die Definition von Archivgut des jeweils geltenden Archivgesetzes kann deshalb bei der Auslegung der Regelung in § 10 Abs. 2 KultgSchG mit herangezogen werden, so dass beispielsweise auch elektronische Daten auf physischen Trägern erfasst sind. b) eine »wesentliche Bedeutung für die deutsche politische, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte gegeben ist. Bei der Auslegung der Begriffe ist das aktuelle Wissenschaftsverständnis zu berücksichtigen. Der Anwendungsbereich des Gesetzes kann sich auch auf Unterlagen erstrecken, die außer-halb Deutschlands entstanden, aber Bestandteil des deutschen Kulturerbes sind. Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Kriterien erfüllt sind, liegt insbesondere vor bei – in öffentlichen oder öffentlich geförderten Archiven verwahrten und als »archivwürdig« bewerteten Unterlagen, – Förderung des Ankaufes oder des Erhalts von Archivgut oder archivwürdiger Unterlagen durch den Bund, die Länder oder die Kulturstiftung der Länder.
Anhang 9
D.
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Zuständigkeit der Länder für die Eintragung
Die Regelungen in § 1 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 KultgSchG sind dahingehend zu verstehen, dass das Land für die Eintragung zuständig ist, in dem sich das Kultur- oder Archivgut zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens befindet. Ist der Aufbewahrungs- oder Standort des Kultur- oder Archivgutes nicht bekannt, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Geschäfts- oder Wohnsitz des Eigentümers oder Besitzers. In die Verzeichnisse können auch Kultur- und Archivgut eingetragen werden, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes in dessen Geltungsbereich gelangen oder gelangt sind.
E.
Gültigkeit
Dieser Beschluss ersetzt den KMK-Beschluss vom 22. 04. 2004 über die »Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Eintragung von Kulturgütern in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts«.
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Beiträge zu Grundfragen des Rechts Herausgegeben von Stephan Meder Die drei Grundfragen des Rechts, die vor gut zweihundert Jahren der Rechtsgelehrte Gustav Hugo formulierte – »Was ist Rechtens?«, »Wie ist es Rechtens geworden?« und »Ist es vernünftig, daß es so sey?« – stellen sich bis heute. Die Frage nach dem geltenden Recht zielt heute nicht nur auf dessen Prinzipien und Regeln, sondern auch auf das Verhältnis von Gesetz und Recht, juristischer Geltung und sozialer Wirklichkeit. Die Frage nach der Geschichte des Rechts betrifft auch das sich wandelnde Verhältnis zwischen den Rechtsquellen sowie das Verhältnis von Tradition und Gegenwartsbezug der Rechtsinhalte. Die Frage nach den richtigen Inhalten des Rechts bezieht sich heute vor allem auf das rechtliche Verhältnis zwischen der größtmöglichen Freiheit des Einzelnen und dem notwendigen Mindestmaß sozialer Gleichheit und Gemeinwohlbindung des Rechts. So sind die Grundfragen des Rechts niemals von lediglich theoretischer Bedeutung, sondern haben einen unmittelbar praktischen Bezug zur Rechtsentstehung, Rechtsauslegung und Rechtsanwendung. Antworten auf diese Fragen versuchen aus unterschiedlichen Perspektiven die Beiträge dieser Reihe zu geben.
Weitere Bände dieser Reihe: Band 16: Malte Wilke Staatsanwälte als Anwälte des Staates? Die Strafverfolgungspraxis von Reichsanwaltschaft und Bundesanwaltschaft vom Kaiserreich bis in die frühe Bundesrepublik 2016, 369 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8471-0463-6 Band 15: Bennet Lodzig Grundriss einer verantwortlichen Interpretationstheorie des Rechts Von der juristischen Methodik zum juristischen Postmodernismus 2015, 169 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8471-0462-9 Band 14: Tobias Roeder Das Notariat, sein Recht und seine Geschichte im ›Land Hannover‹ 2015, 391 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8471-0304-2 Band 13: Albert Janssen Die gefährdete Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland Beiträge zur Bewahrung ihrer verfassungsrechtlichen Organisationsstruktur 2014, 624 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8471-0280-9 Band 12: Simon Kanwischer Der Grenzbereich zwischen öffentlichem Strafanspruch und intimer Lebensgestaltung Verschiebungen in der historischen Entwicklung – aufgezeigt am Beispiel der Strafbarkeit des Inzests (§ 173 StGB) 2013, 194 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8471-0129-1
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