Der Richter im Staatenkonflikt: Eine Untersuchung am Beispiel des Völkerrechtsverkehrs der amerikanischen Republiken [1 ed.] 9783428419111, 9783428019113


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German Pages 125 [126] Year 1969

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Der Richter im Staatenkonflikt: Eine Untersuchung am Beispiel des Völkerrechtsverkehrs der amerikanischen Republiken [1 ed.]
 9783428419111, 9783428019113

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VOLKMAR GESSNE.R

Der Richter im Staatenkonflik t

Schriften zum Völkerrecht

Band 8

Der Richter im Staatenkonflikt Eine Untersuchung am Beispiel des Völkerrechtsverkehrs der amerikanischen Republiken

Von

Dr. Volkmar Gessner

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1969 bei Buchdruckerei Br uno Luck, Ber lin 65 Printed in Germany

© 1969 Duncker

D6

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde von Prof. Dr. H. U. Scupin und Prof. Dr. N. Luhmann als Dissertation angenommen, wofür ich mich an dieser Stelle bedanken möchte. Beide Herren haben, jeder von sehr verschiedenen Standpunkten ausgehend, meinen Bemühungen viel Verständnis entgegengebracht. Die Arbeit wäre jedoch auch nicht geschrieben worden, wenn mir nicht von institutioneller Seite Hilfe zuteil geworden wäre. Hier möchte ich dankend die Ibero-Amerika-Stiftung, Hamburg, erwähnen, die mir im Jahre 1964 einen längeren Lateinamerika-Aufenthalt und insbesondere ein Studium der Organisation der Lateinamerikanischen Freihandelszone (ALALC) ermöglichte. Aus dieser Zeit stammt mein Interesse für die Probleme und Konflikte des amerikanischen Kontinents, die ich auch zum Ausgangspunkt dieser Untersuchung gemacht habe. Weiter bedanke ich mich beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag und dort insbesondere Herrn Prof. Dr. B. Landheer für die Gelegenheit, in der dortigen Bibliothek fern von der Not deutscher Universitäten unter in jeder Beziehung idealen Bedingungen arbeiten zu dürfen. Für die Finanzierung meines Aufenthalts in den Niederlanden schulde ich schließlich der Stiftung Volkswagenwerk besonderen Dank. Münster, im März 1969 Volkmar Gessner

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

I. Teit:

Die Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen der amerikanischen Republiken 1. Kapitet: Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

A. Begriffliche Klärung

14

Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

B. Das Erfordernis bindender Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

C. Unter$uchu,ngszeitraum

18

~nd

2. Kapitet: Das institutionelle System internationaler Rechtsprechung in

Ame11ika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

1. Abschnitt: Institutionelle Seiliedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

A. Selbständige Schiedsverträge

..................................

19

I. Multilaterale Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

1. Verträge im Rahmen der panamerikanischen Bewegung . .

19

2. Verträge außerhalb der panamerikanischen Bewegung . . . .

27

II. Bilaterale Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Seiliedsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Besondere und allgemeine Schiedsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . .

313

II. Die Seiliedsklauseln der lateinamerikanischen Wirtschaftszonen 37 2. Abschnitt: Internationale

... .......................

42

A. Der Zentralamerikanische Gerichtshof vom 20. Dezember 1907 . .

42

Gerichtsba~keit

B. Der Zentralamerikanische Gerichtshof gemäß Art. 14-16 der Charta der Organisation zentra>lamerikanischer Staaten vom 12. Dezember 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

8

Inhaltsverzeichnis

3. Kapitel: Teilnahme der amerikanischen Republiken an überregionalen

Institutionen internationaler Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Abschnitt: Überregionale Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Abschnm: Überregionale

Gerichtsba~rkeit

46

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

4. Kapitel: Überblick über die Lösung von Konkurrenzfragen

1. Abschnitt: Materielles Konkurrenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 48

I. Das Bestehen einer Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 II. Die konkurrierenden Vertragsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Die Lösung der Konkurrenzfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Abschnitt: Formelles Konkurrenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. Entscheidungsinstanz für Konkurrenzfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

II. Verfahren zur Prüfung von Konkurrenzfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

5. Kapitel: Stellung des für Amerika in Geltung gekommenen Vertragssystems internationaler Rechtsprechung im Rahmen des Systems friedlicher Regelung von Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Amerikanische Vereinbarungen

51

II. Überregionale Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 6. Kapitel: Zusammenfassende Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

2. Teil:

Staatenpraxis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 B. Konfliktsfälle im amerikanischen Völkerrechtssystem . . . . . . . . . . . . . . . .

59

I . Konflikte vor Schiedsgerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Konflikte vor internationa·len Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 III. Konflikte vor neutralen Instanzen ohne Entscheidungsbefugnis . . 70 IV. Konflikte ohne neutrale Schlichter

81

C. Quantitative Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Inhaltsverzeichnis

9

I. Konflikte, bei denen es zu einem Sachurteil eines internationalen Rechtsprechungsorgans kam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Inanspruchnahme

der institutionalisierten Rechtsprechungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Inanspruchnahme der institutionalisierten Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Inanspruchnahme der Internationalen Gerichtsbarkeit . . . . 88

2. Inanspruchnahme von ad-hoc-Schiedsgerichten . . . . . . . . . . . . . . 89 II. Konflikte, bei denen es nicht zu einem Sachurteil eines internationalen Tribunals kam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Einverständliche Annahme der Vermittlertätigkeit eines Dritten

89

2. Konflikte ohne einverständliche Hinzuziehung eines Dritten . . 89 3. Zahlenkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 III. Ergebnis der quantitativen 'Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

3. Teil: Einige Kriterien zur Bewertung des dargestellten Staatenverhaltens A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

B. Faktoren mit Einfluß auf zwischenstaatliches· Konfl,iktverha.Jten . . . . . .

94

I. Bindung zu richterlicher Streiterledigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Bindung zur Streitschlichtung nur auf richterlichem Wege . . . .

94

2. Bindung zur Streitschlichtung auf einem bestimmten institutionalisierten Rechtsweg neben der Zulassung anderer friedlicher Schlichtungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3. Bindung.en der beklagten Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Existenz materiellen Völkerrechts zur Regelung des Konflikts . . . . 96 1. Nichtinanspruchnahme der Gerichte wegen mangelnder Ent-

scheidungsnormen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

2. Nichtinanspruchnahme der Gerichte wegen mangelnder Spezialität der Entscheidungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. Nichtina•nspruchnahme der Gerichte wegen mangelnder Anpassung der Entscheidungsnormen an Veränderungen innerhalb der Staa·tengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

10

Inhaltsverzeichnis III. Konfliktsobjekt ........ .. ................................ , . . . . . 103 1. Bedeutung des Konflikts ........... .-~., ..................... 103

2. Subsumierbarkeit unter Art. 36 Abs. II der Sta~tuten . des Internationalen Gerichtshofes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 IV. Struktur der zwischenstaatlichen Beziehung . . .............. . ... 105 1. Machtunterschiede

. .. .................... , . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

2. PsychologiS'che Einstellung der Parteien zueinander . , .. .. ... .. 111 3. Grad der Teilhabe am gleichen Wertsystem

113

V. Innere Struktur der Staaten .............................. . . . .. . 114 1. Ausmaß interner Konflikte ......... .. .. .. ................. . . 114

2. Individuene Besetzung der Entscheidungspositionen

116

C. Der Richter im Staatenkonflikt ........... . . . .............. ........ . 117 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

Einleitung Die Themenstellung dieser Arbeit mutet beim ersten Betrachten etwas antiquiert an. Es kommt einem die Überfülle von Publikationen der 20er und 30er Jahre über das internationale Gerichts- und Schiedsgerichtswesen zum Bewußtsein, und es liegt nahe anzunehmen, daß dem eigentlich nichts hinzuzufügen sei. So ist es in der völkerrechtlichen Literatur der Nachkriegszeit auch tatsächlich stiller geworden um die internationale Rechtsprechung, die Euphorie, die bei der Behandlung dieses Themas im ersten Drittel dieses Jahrhunderts vorherrschte, ist einer Skepsis gewichen. Weder mit Euphorie noch mit Skepsis war man aber in der Lage, der Problematik der Rolle des internationalen Richters im Staatenverkehr wesentlich näher zu kommen. Unter der Faszination juristisch perfekter Vertragssysteme gab es kaum ein Bedürfnis, in nüchterner Weise die geleistete juristische Arbeit einer Selbstkontrolle zu unterziehen. Unter der Enttäuschung über die gewaltsame Wiederholung eines Weltkonflikts geriet die richterliche Tätigkeit bei der zwischenstaatlichen Streitlösung in Vergessenheit und fast in Verachtung1 • In der vorliegenden Arbeit soll demgegenüber versucht werden, die Fruchtbarkeit eines anderen Weges zu überprüfen. Unter Vermeidung der Nachteile vorschneller Bewertung ist die Aufgabe gestellt, ein ganzes System richterlicher Institutionen einzuordnen in neben ihm bestehende andere Systeme friedlicher Lösung von Staatenstreitigkeiten, um sodann ihrer jeweiligen Funktion bei der Regelung zwischenstaatlicher Konflikte nachzugehen und sie zu interpretieren. Es handelt sich dabei um eine im Grunde selbstverständliche Kontrolle der juristischen Arbeit: wenn Normen gesetzt werden, muß auch ihre Wirkungsweise im sozialen Kontext geprüft werden. Diese in anderen Wissensbereichen, wie den Natur- und Wirtschaftswissenschaften, als unentbehrlich angesehene Methode wird heute noch im Bereich des Rechts einer nichtjuristischen Disziplin überlassen, der Rechtssoziologie2 • Eine solche Trennung erscheint nachteilig, insbesondere, als es an einer Kommuni1 Z. B. van Eysinga in Varia Juris Gentium, 1959, S. 100-102, der annimmt, daß es heute sogar den gutnachbarlichen Beziehungen im Staatenverkehr widerspräche, auftretende Streitigkeiten durch die Institutionen der internationalen Rechtsprechung beilegen zu lassen. 1 Vgl. Hirsch in Hirsch und Rehbinder, S. 24 f.

12

Einleitung

kation zwischen beiden Arbeitsbereichen fehlt 3• Die vorliegende Untersuchung will daher die u. E. zusammengehörenden Disziplinen in einer einheitlichen Darstellung verbinden, ohne daß dabei die unterschiedlichen Denkweisen von Rechtswissenschaft und Soziologie miteinander vermengt werden sollen. Als Objekt der Untersuchung wurde der amerikanische Völkerrechtsbereich ausgewählt, dem alle nord-, mittel- und südamerikanischen Republiken angehören. Außerhalb dieser Region stehen Kanada und die kolonialen und semikolonialen Gebiete des amerikanischen Kontinents. Diese Wahl empfahl sich aus mehreren Gründen. Einmal rücken regionale Völkerrechtsentwicklungen heute zunehmend in den Vordergrund, was auch bei der Institutionalisierung internationaler Rechtswege unschwer bemerkt werden kann4 • Als Musterbeispiel für die Eigenständigkeit einer Völkerrechtsregion dient nun gerne der Bereich des Staatenverkehrs zwischen den amerikanischen Republiken5• Besonders interessant wird der amerikanische Raum für unser Thema aber dadurch, daß in ihm seit der Loslösung der ihm angehörenden Staaten vom jeweiligen Mutterland daran experimentiert wird, wie die Staatenbeziehungen einer Jurisdiktion unterworfen werden können. Diese Versuche, die schon im 19. Jahrhundert die hervorragensten Juristen des Kontinents beschäftigten, dauern bis zum heutigen Tage an: im Jahre 1962 setzte die neue Charta von San Salvador für die Mitgliedsstaaten der Organisation Zentralamerikanischer Staaten den juristischen Rahmen für einen Internationalen Gerichtshof in Kraft, im Jahre 1963 kam der Generalvertrag für die Mitgliedsstaaten des Zentralamerikanischen Marktes in Geltung, der für die juristischen Fragen der zentralamerikanischen Wirtschaftsverträge obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit begründet, und Ende 1967 berieten die Vertragsstaaten der Lateinamerikanischen Freihandelszone über die Unterwerfung bestimmter Sachbereiche unter die Entscheidungsgewalt eines internationalen Schiedsgerichts. Den ganzen Kontinent unter ein Jurisdiktionssystem zu stellen, ist schließlich eines der Ziele des Paktes von Bogotä (1948). In Anbetracht dieser unermüdlichen Experimente ist es um so erstaunlicher, daß in dieser ganzen Zeit kein Versuch unternommen wurde, wissenschaftlich ihren Erfolg oder Mißerfolg zu überprüfen. Die 3 Vgl. Stone, Social Dimensions, S. 31, der berichtet, daß in den USA heute wenigstens die Notwendigkeit einer solchen interdisziplinären Arbeit gesehen wird. 4 Vgl. die Konstituierung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, die Entstehung des Zentralamerikanischen Gerichtshofs und die Diskussionen um die Bildung eines Gerichtshofs der arabischen Staaten und eines interamerikanischen Gerichtshofs. S. Jenks in AJIL 37 (1943) S. 314-320, Foda S. 159 ff., Haas in Int. Org. XII (1958), S. 440-58. 5 Vgl. Alvarez, ICJ Reports 1950, S. 294, Puig, S. 32.

Einleitung

13

vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, hierzu einen ersten Beitrag zu leisten. Gleichzeitig ist beabsichtigt, auf diese Weise in die allgemeine Problematik des internationalen Richters etwas Einblick zu bekommen. Es wird sich zeigen, daß der amerikanische Völkerrechtsverkehr trotz seiner Besonderheiten nichts so Ungewöhnliches enthält, daß sich aus ihm nicht Erkenntnisse ableiten lassen, denen auch zwischen anderen Staaten Gültigkeit zukommen kann.

Erster Teil

Die Gerichts· und Schiedsgerichtsbindungen der amerikanischen Republiken Erstes Kapitel

Allgemeines A. Begritflidte Klärung und Abgrenzung

1. Sprachliche Abgrenzung

Entsprecllend dem allgemeinen Sprachgebrauch1 verwenden wir die Begriffe ,.Internationale Rechtspflege" oder "Institutionen richterlicher Streiterledigung" als Oberbegriffe für die Rechtsinstitute .,Internationale Gerichtsbarkeit" und .,Internationale Schiedsgerichtsbarkeit". Diese Institutionen der internationalen Rechtspflege haben die Fähigkeit gemeinsam, für die Parteien bindende Entscheidungen zu fällen. Die Internationale Gerichtsbarkeit wird von auf Dauer bestellten Gerichten ausgeübt. Die Bestellung ihrer Richter und das Prozeßverfahren sind- jedenfalls zum Zeitpunkt der Vorlage des Streitfalles- unabhängig vom Willen der Parteien. Internationale Schiedsgerichte sind mit Richtern besetzt, die - mit Ausnahme der eventuellen Sicherungen gegen Prozeßsabotage - von den Parteien oder mit ihrem Willen ausgewählt werden. Das Prozeßverfahren kann kraft Vereinbarung weitgehend frei gestaltet werden, wobei diese Regelungen meist nicht im Schiedsvertrag selbst, sondern in einer später gesondert zu vereinbarenden Schiedsordnung, dem Kompromiß, zu treffen sind2• Auf Sonderfragen3 bei der Abgrenzung zwischen Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit muß für die vorliegende Problemstellung nicht eingegangen werden. Vgl. Morgenthau, Die internationale Rechtspflege, S. 6; Heise, S. 6. Vgl. statt vieler Dahm Il, S. 455, 459; Berber III, S. 40. 3 Etwa die Fragen, ob bei der internationalen Gerichtsbarkeit die Durchsetzung des geltenden Völkerrechts, bei der Schiedsgerichtsbarkeit die Streiterledigung im Vordergrund stehen (so Schlochauer in Wörterbuch des VR, Stichwort Internationale Gerichtsbarkeit), ob sich hinsichtlich der Qualifika1

2

1. Kap.:

Allgemeines

15

Die Internationale Schiedsgerichtsbarkeit unterliegt zwe1 m ihren praktischen Auswirkungen sehr unterschiedlichen Konstitutionsmöglichkeiteh: Einmal kann die Unterwerfung unter ein Gericht für einen speziellen Streitfall nach dessen Ausbruch erfolgen ("isoliertes Schiedsgericht"), oder die Verpflichtung zur richterlichen Regelung ergeht für zukünftig etwa auftretende Streitfälle bestimmter oder unbestimmter Art ("institutionelles Schiedsgericht"). Diese Verpflichtung wiederum kann entweder in einem generellen Schiedsvertrag oder als sogen. kampromissarische Klausel oder Schiedsklausel in einem sonst andere Fragen regelnden Vertrag abgegeben werden. Die genannten Rechtsinstitute lassen sich also gegenseitig folgendermaßen zuordnen: Organe internationaler Rechtspflege

Merkmal: Bindende Streitentscheidung durch Anwendung von Völkerrecht.

I

Internationale Schiedsgerichte

Internationale Gerichte

Merkmal: Verfahren und Richter sind von den Parteien bestimmbar.

Merkmal: Verfahren und Richter bebestehen unabhängig vom Willen der Parteien

Isolierte Schiedsgerichte

Institutionelle Schiedsgerichte

Merkmal: Unterwerfung für einen bestimmten Streitfall nach dessen Entstehung

Merkmal: Unterwerfung für alle vorher bestimmten Arten von in Zukunft auftretenden Streitigkeiten, a) mittels selbständigem Schiedsvertrag b) mittels Schiedsklausel Hieraus ergibt sich letztlich eine Dreiteilung der Organe internationaler Rechtspflege: die beiden institutionellen Formen des Internationalen Gerichts und des Institutionellen Schiedsgerichts und die ad-hocBildung des Isolierten Schiedsgerichts. Um, wie hier bezweckt, ein abstraktes völkerrechtliches Normensystem dem konkreten Staatenverhalten im Konfliktsfall gegenüberstellen zu können, wird die Isolierte Schiedsgerichtsbarkeit nicht im Rahmen des Systems internationaler Rechtsprechung (1. u. 2. Kapitel) behandelt. Dort sind vielmehr nur die institutionellen Formen einer Prüfung unterzogen, während die Isolierte Schiedsgerichtsbarkeit als eine der Formen internationaler Streiterledigung in Teil 2 dargestellt wird. tion, Zahl und Unabhängigkeit der Richter grundsätzliche Unterschiede ergeben (s. Dahm II, S. 459 ff). Vgl. hierzu auch Morgenthau, Die Internationale Rechtspflege, S. 6 ff. und S. 16 ff.

16

1.

Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen 2. Sachliche Abgrenzung

Die oben umschriebenen Rechtspflegeorgane handeln dann als echte Gerichtskörper des internationalen Rechts, wenn sie über Konflikte zwischen Staaten entscheiden', nicht aber, soweit Privatpersonen als Parteien zugelassen sind. Die letztere Form ist verwaltungsgerichtlicher Art und interessiert hier nicht5 • Um Konflikte zwischen Staaten handelt es sich nach herrschender Meinung auch dann, wenn Ansprüche von Privatpersonen von einem Staat im Rahmen des diplomatischen Schutzrechts gegen einen anderen Staat geltend gemacht werden. Nach dieser Ansicht8 (Eigenrechtstheorie) nimmt der Schutzstaat ein eigenes Recht im eigenen Namen wahr, was damit begründet wird, daß eine Rechtsverletzung, die dem einzelnen zugefügt wird, zugleich auch eine solche des Staates enthalte. Die Folge ist dann, daß ein Tribunal, vor dem über solche Rechte entschieden wird, als echtes internationales Rechtspflegeorgan anzusehen ist7. Die Gegenmeinung8 (Vertretungstheorie) vertritt, daß der Staat den Entschädigungsanspruch seines Staatsangehörigen als dessen Prozeßvertreter geltend macht. Der anhängige Streitfall ist dann nicht als Staatenkonflikt anzusehen, das Tribunal ist kein internationales Rechtspflegeorgan. Die Eigenrechtstheorie stößt heute zunehmend auf Kritik', sie ist wohl als eine nützliche Fiktion zu werten, um dem einzelnen die oft schwierige Rechtsverfolgung gegen einen fremden Staat zu erleichtern10• Die Vertretungstheorie andererseits kann man nur als eine Anregung für das Völkerrecht der Zukunft werten, sie findet in der bisherigen Staatenpraxis keine Stütze. Wir schließen uns hier einer in den letzten Jahren überzeugend vertretenen Mittelmeinung11 an, nach der der Staat kraft seines Schutz4

Berber III, S. 47.

Der Zentralamerikanische Gerichtshof von 1907 ließ auch Klagen von Privatpersonen zu, wird aber insoweit im folgenden nicht behandelt. 8 StiGH im Mavromatis-Fall (Serie A Nr. 2, S. 12); Hudson, S. 192; u. a. 7 So z. B. Berber Ill, S. 47. 8 Garcia Amador, Rec. 1958 II, S. 462. • Vgl. neben dem bereits angeführten Garcia Amador auch Parry, Rec. 1956 II, S. 686. 10 Der politische Hintergrund des Streites ist der, daß es sich im allgemeinen um Entschädigungsansprüche (etwa aus Enteignung) von ausländischen Investoren gegen die investitionsnehmenden Staaten handelt. Der Einwand dieser Staaten erscheint nun sehr berechtigt, daß der Investor ja von vornherein die evtl. größere Rechtsunsicherheit einkalkuliert und nicht besser gestellt zu werden braucht, als der einheimische Investor. 11 Dahm III, S. 256; Harvard Preliminary Draft Nr. 11, 1960 (zit. n. Berber III, S. 22). 5

1. Kap.: Allgemeines

17

rechtes in Form einer Prozeßstandschaft den Entschädigungsanspruch seines Angehörigen im eigenen Namen geltend macht. Der Schutzstaat ist danach nur im formalen Sinn Partei, vom Streitgegenstand aus betrachtet, also materiell-rechtlich gesehen, ist Partei die geschädigte Privatperson. Dies hat für unsere Abgrenzung der hier allein behandelten völkerrechtlichen Rechtspflegeorgane zur Folge, daß wir ein Tribunal, das, vom Streitgegenstand her gesehen, über den Anspruch einer Privatperson zu entscheiden hat, nicht als echtes internationales Tribunal, sondern als Rechtspflegeorgan eigener Art ansehen. Es ist dies nichts Ungewöhnliches, ein und dasselbe Organ je nachdem, welche Tätigkeiten es ausübt, rechtlich verschieden einzuordnen. So wird z. B. auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften je nach der eingereichten Klage tätig als normales völkerrechtliches Gericht, Verwaltungsgericht, internationales Schiedsgericht, Verfassungsgericht, Zivilgericht, Strafgericht, Disziplinargericht u. a. 12. Ähnliches galt für den Zentralamerikanischen Gerichtshof v. 1907. Die vorliegende Arbeit umfaßt daher im ersten Teil nicht die Verträge, mit denen gerichtliche Verfahren zur Behandlung privater Ansprüche im Rahmen des diplomatischen Schutzrechtes eingesetzt werden13. Bei der Auswahl der richterlich entschiedenen Streitfälle für den zweiten Teil wurde jeweils darauf geachtet, daß allein staatliche Ansprüche oder zumindest auch staatliche Ansprüche Gegenstand des Verfahrens waren14• Entsprechendes gilt für die Auswahl der übrigen Konflikte. B. Das Erfordernis bindender Vertriire

Da es im Völkerrecht keinen Gewohnheitsrechtsatz gibt, daß alle Staatenstreitigkeiten vor Schiedsorgane zu bringen seien15, kann die Institutionalisierung rechtsprechender Schlichtungsstellen nur mittels völkerrechtlicher Verträge vor sich gehen. Die folgende Darstellung völkerrechtlicher Tribunale stützt sich daher ausschließlich auf die entu Berber III, S. 244 f.

Derartige Verträge wurden in großer Zahl zwischen den USA und den übrigen amerikanischen Staaten geschlossen. Auch die Interamerikanischen Konferenzen einigten sich auf mehrere solcher Abkommen, z. B. in den Jahren 1902, 1910. 14 Die umstrittene Tätigkeit der "Mixed Claims Commissions" ist daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Ebensowenig z. B. die Urteile des Ständigen Schiedshofs über die kaliforniseben Kirchengüter (1902) und die Orinoco-Dampfschiffahrtsgesellschaft (1910). 15 Es ist unrichtig, wenn Toro (S. 189) und ihm zustimmend Urrutia (S. 125) derartiges für den amerikanischen Raum behaupten. Wenn dies nicht allein schon aus der Tatsache des Vorhandenseins vieler Schiedsverträge hervorgeht, so doch jedenfalls aus der im zweiten Teil dieser Untersuchung dargestellten Staatenpraxis. 13

2 Gessner

18

1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

sprechenden, von den amerikanischen Staaten abgeschlossenen Verträge. Diese Verträge müssen nach den Verfassungen der amerikanischen Staaten ratifiziert sein, um für die Parteien bindend zu werden. Diese Bindungswirkung ist für die vorliegende Untersuchung entscheidend. Es geht hier nicht darum, eine Entwicklung des Schiedsgedankens in Amerikau1 oder die Weiterführung der panamerikanischen Friedenskonzeptionen Bolivars 17 darzustellen, wofür es genügen mag, unratifizierte Vertragssysteme oder sogar einseitige Erklärungen der Staaten aufzuführen. Um eine Rolle der Gerichts- und Schiedsgerichtsbarkeit im zwischenstaatlichen Verkehr der amerikanischen Republiken nachprüfen zu können, ist es erforderlich, daß diese Institute gültig, d. h. durch bindende Verträge entstanden sind. C. Untersuchungszeitraum Die Lostrennung der lateinamerikanischen Republiken von Spanien erfolgte im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Schon in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit wurde, insbesondere von Bolivar, der Versuch gemacht, ein amerikanisches Sicherheits- und Streitregelungssystem aufzubauen (Kongreß von Panama 1826). Obwohl dies nicht zum Erfolg führte, wurden diese und ähnliche Versuche in der Folge fortgesetzt. Für die vorliegende Untersuchung bedeutete dies, daß mit der Suche nach gültig gewordenen Gerichts- und Schiedsgerichtsverträgen bereits sehr früh begonnen werden mußte. Es stellte sich jedoch heraus, daß erst im späten 19. Jahrhundert die ersten Ratifikationen selbständiger Schiedsverträge erfolgten. Die Darstellung von Verträgen beginnt daher erst mit dem Jahre 1880. Die weitere Entwicklung wurde dann bis zum Jahresende 1967 verfolgt.

Zweites Kapitel

Das institutionelle System internationaler Rechtsprechung in Amerika Erster Abschnitt Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit Wir haben die institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit dadurch von der isolierten Schiedsgerichtsbarkeit abgehoben, daß mit ihr eine Rechts18 Dazu Eisenbach, Internationale Schiedssprechung in Amerika; Urrutia, La evoluci6n del principio de arbitraje en America; Maillart, Die Schiedsidee in der panamerikanischen Bewegung. 17 Dazu Yepes, Del Congreso de Panama a la Conferencia de Caracas 1826-

1954.

2. Kap.: Amerikanische Rechtsprechungsorgane

19

institution zur Anwendung auf eine unbestimmte Vielzahl von Fällen geschaffen, während sie sich von der Internationalen Gerichtsbarkeit dadurch unterscheiden, daß das Entscheidungsorgan selbst jeweils ad hoc gebildet wird. Ihre Institutionalisierung kann durch einen selbständigen Schiedsvertrag oder durch spezielle oder generelle Schiedsklauseln erfolgen. A. Selbständige Schiedsverträge

Selbständige Schiedsverträge sind allein darauf gerichtet, ein Schiedssystem zwischen den Vertragspartnern zu begründen. Vielfach sind sie Teil von Vertragssystemen, die zusätzlich auf die Regelung anderer Formen friedlicher Streitschlichtung gerichtet sind. I. Multilaterale Verträge 1. Verträge im Rahmen der panamerikanischen Bewegung

Der Panamerikanismus 1 als eine Organisation der unabhängigen Staaten Amerikas hatte eine spanisch-amerikanische Periode2 (18261889) und eine kontinentale Periode3 (seit 1889). a) In der spanisch-amerikanischen Periode wurden ihrer Zeit weit vorausgreifende Verträge über schiedsgerichtliche Regelung internationaler Streitigkeiten abgeschlossen. Ihr Inkrafttreten scheiterte jedoch in allen Fällen an der ausbleibenden Ratifizierung durch die nationalen Parlamente'. b) In der zweiten Periode seit 18895 gelang es, wichtige Abkommen zur Institutionalisierung der Schiedsgerichtsbarkeit in Geltung zu bringen. 1

Vgl. Kunz im Wörterbuch des VR, Stichwort "Panamerikanismus".

z Die USA hatten in dieser Zeit noch kein wirtschaftliches und den Rah-

men der damaligen Interpretation der Monroe-Doktrin übersteigendes politisches Interesse an der lateinamerikanischen Staatenwelt. Vgl. Berner, S. 13. Brasilien war während dieser Zeit die den anderen amerikanischen Staaten gemeinsame Abwehrstellung gegenüber dem Mutterland fremd und sah sich einem verschieden begründeten Mißtrauen der spanisch-amerikanischen Staaten gegenüber, vgl. Berner, S. 24. 3 Ausgenommen sind die völkerrechtlich abhängigen Gebiete. Ausgeschlossen ist heute die revolutionäre Regierung Kubas wegen ihres nicht westlich-demokratischen Charakters. ' Vgl. Eisenbach, S. 16; Berner, S. 18, 19, 21; Maillard, S. 9. s Zeitpunkt des Beginns der Ersten Panamerikanischen Konferenz in Washington.

20

1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

aa) Schiedsvertrag vom 29. Januar 19028 • Dieser Vertrag trat für folgende Staaten in Kraft: Dominikanische Republik, EI Salvador, Guatemala, Mexico, Peru, Uruguay. Die ebenfalls unterzeichnenden Staaten Argentinien, Bolivien und Paraguay ratifizierten nicht7. Neben der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit (Art. 1-5 und 20) regelt der Vertrag die völkerrechtliche Vermittlung, die Guten Dienste (Art. 6-12) und die internationalen Untersuchungskommissionen (Art. 13-19). Die Schiedsgerichtsbarkeit ist wie folgt festgelegt: (1) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof, Den Haag (Haager Konvention v. 1899), oder ein anderes Tribunal, über dessen Einsetzung und Verfahren ein Kompromiß zu schließen ist. (2) Zuständigkeit: obligatorisch für alle gegenwärtigen oder zukünftigen Streitigkeiten. Vorbehalte: Streitfragen betreffend die nationale Unabhängigkeit und Ehre. Dazu gehören nicht: Streitfragen über diplomatische Vorrechte; Grenzen; Schiffahrtsrechte; Gültigkeit, Auslegung und Erfüllung von Verträgen. (3) Konkurrenzen: weitergehende Schiedsverträge bleiben in Kraft. Schwebende Schiedsverfahren werden nicht berührt. Der Vertrag berücksichtigt viele der in den damaligen Diskussionen8 um die Schiedsgerichtsbarkeit aufgetretene Streitfragen. So hat man sich vor allem bemüht, die Vorbehalte der Unabhängigkeit und nationalen Ehre durch Aufzählung "justiziabler" Streitfragen einzuschränken und das Verfahren bei der Aufstellung eines speziellen Schiedsgerichtes zu regeln. Trotzdem bleibt für die Parteien genügend Raum, Schiedsurteile zu verhindern8 • Es steht ihnen frei, Streitfälle unter die Vorbehalte zu subsumieren und die Mitwirkung bei der Zusammenstellung des Spruchorgans - eine solche Mitwirkung ist ja auch für die Konstituierung des Haager Schiedshofs erforderlich- zu verweigern10• 1 Text: Panamerican Union, Inter-American Peace Treaties and Conventions, 1954, S. 1. 7 Unrichtig insofern die Angaben bei Maillard, S. 23; ungenau Eisenbach, S. 18; s. Pan American Union, Inter-American Treaties and Conventions, Washington 1957. 8 Insbesondere die Erste Haager Friedenskonferenz (1899) hatte die Problematik offen gelegt. 8 Dies ist nicht etwa eine notwendige Eigenschaft von Schiedsverträgen. Wir werden im Verlauf der Untersuchung auf Schiedsverträge stoßen, die dagegen Vorsorge treffen. to Dies ist ein Fall von "Prozeßsabotage", vgl. das Rechtsgutachten des IGH über die Auslegung der Friedensverträge mit Bulgarien, Ungarn und Rumänien (ICJ Reports 1950, S. 221, insbesondere 230). Der IGH sah keinen Ausweg, als die drei Staaten sich weigerten, ihre Kommissionsmitglieder zu

2. Kap.: Amerikanische Rechtsprechungsorgane

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bb) Allgemeiner Interamerikanischer Schiedsvertrag vom 5. Januar

1929 11 • Dieser Vertrag wurde von 20 amerikanischen Staaten auf einer

Konferenz in Washington, die speziell zur Ausarbeitung eines Schiedsund Vergleichsvertrages abgehalten wurde, unterzeichnet. Nur Argentinien, das weitergehende Vorstellungen über internationale Schiedsgerichtsregelungen vertrat1z und sich von dieser Konferenz nichts versprach, blieb fern. In den folgenden Jahren wurde der Vertrag von 16 Staaten ratifiziert: Brasilien, Chile, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Haiti, Honduras, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Nicaragua, Panama, Peru, USA, Venezuela13• Bis auf Brasilien, Haiti, Kuba, Nicaragua, Panama und Peru machten alle Staaten jedoch z. T. sehr weitgehende Vorbehalteu. So wurde die völkerrechtliche Verpflich:tung der USA praktisch wertlos durch den Vorbehalt der Zustimmungsbedürftigkeit des Kompromisses durch den Senat dieses Staates15• Die Schiedsverpflichtungen lassen sich folgendermaßen zusam:rnenfassen: (1) Schiedsgericht: Zusammenstellung durch einen Kompromiß oder bei dessen Fehlschlagen durch von den Parteien ausgewählte d'ritte Personen. (2) Zuständigkeit: obligatorisch für alle gegenwärtigen und zukünftigen internationalen Rechtsstreitigkeiten. Als solche werden insbesondere angesehen: Streitigkeiten über Vertragsauslegungen, völkerrechtliche Streitfragen, Tatfragen, die gegebenenfalls die Verletzung einer internationalen Verpflichtung bedeuten würden, Art und Umfang eines völkerrechtlichen Schadensersatzanspruches. Vorbehalte: Streitfragen, die ausschließlich der innerstaatlichen Jurisdiktion der Parteien unterliegen und solche,· die ein Verhalten oder das Interesse von Drittstaaten berühren. benennen. Die Brandmarkung dieses Verhaltens als Völkerrechtsverletzung (so in diesem Fall die UNO-Vollversammlung) führt jedenfalls auch nicht zur Konstituierung des Schiedsorgans. Vgl. Dahm II, S. 466 mit der Erwähnung eines ähnlichen Falles zwischen Frankreich und Tunis 1956. 11 Text: Pan American Union, Inter-American Peace Treaties and Conveniions, Washington 1954, S. 15 ff. 1! Diese Vorstellungen werden dargestellt bei Saavedra Lamas, La conception Argentine de rarbitrage et de l'intervention a l'ouverture de la conference de Washington, Paris 1928. 13 Pan American Union, Inter-American Treaties and Conventions, Washington 1957, S. 55. 14 Aufführung sämtlicher Vorbehalte bei Unterzeichung und Ratifizierung in: Pan American Union, Inter-American Peace Treaties and Conventions, Washington 1954, S. 17 ff. 15 Vgl. die ausführliche Diskussion dieses Vorbehalts bei Berner S. 117 und die weitere dort angeführte Literatur.

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1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

(3) Verfahren: Festlegung durch Kompromiß, sonst durch das Gericht selbst. (4) Konkurrenzen: bestehende Untersuchungs- und Vergleichsabkommen behalten ihre Gültigkeit. Schlagen diese Verfahren fehl, so bleibt es bei der Schiedsverpflichtung.

Eine Interpretation der Vertragsbestimmungen führt, wie im vorangehend behandelten Vertrag, zu dem Urteil, daß einer zum Schiedsverfahren nicht bereiten Partei genügend Möglichkeiten offen gehalten sind, sich der Schiedsverpflichtung zu entziehen. Die wichtigste derartige Möglichkeit ist die Kompetenz der Streitparteien, über die Anwendbarkeit der Vertragsverpflichtungen auf den jeweiligen Streitfall nach eigenen Vorstellungen zu entscheiden. Ihnen obliegt die Bestimmung, ob es sich um eine RechtsstreitigkeW~ handelt oder um eine Angelegenheit der innerstaatlichen Jurisdiktion17 und ob Interessen dritter Staaten18 berührt sind. Denn zwar ist es geltendes Völkergewohnheitsrecht, daß Internationale Tribunale über ihre Zuständigkeit selbst entscheiden können (Kompetenz-Kompetenz)19, dieses Tribunal kommt hier durch die Notwendigkeit des voraufgehenden Kompromisses aber überhaupt erst zur Entstehung, wenn die Parteien über die Anwendbarkeit des Schiedsvertrages eine positive Entscheidung getroffen haben. In seiner Bedeutung übersteigt der Vertrag daher kaum die Wirkung einer fakultativen Schiedsvereinbarung20• Er war jedoch auch von vornherein nur als ein Minimalkonsens der amerikanischen Staaten gedacht, um nach den vielen Diskussionen der Panamerikanischen Konferenzen über das Schiedsprinzip endlich einmal ein praktisches Ergebnis vorzuweisen21. Um eine Erweiterung der Schiedsverpflichtungen zu begünstigen, wurde ein "Protokoll progressiver Arbitrage" 22 unterzeichnet, das die 18 Der Streit über die objektive Bestimmbarkeit des Vorliegens einer Rechtsstreitigkeit ist bis heute nicht entschieden; s. neuerdings insbes. Wengler, Foda S. 38, Stone, Legal Controls, S. 146 f. Entscheidend erscheint, daß auf jeden Konflikt Rechtsnormen angewandt werden können, es aber auf die subjektive Haltung der Parteien ankommt, ob sie sich mit einer rechtlichen Regelung zufriedengeben. Siehe u. 3. Teil B III 2. 17 Vgl. über deren Abgrenzung besonders gründlich neuerdings Heise, bes. s. 11 ff. 18 Berber III, S. 58 nennt diesen Vorbehalt, allerdings wohl etwas weitgehend, eine Generalklausel der Exemption. 19 Berlia, Rec. 1955 II, S. 105; Politis, S. 78. 20 Ebenso Berner, S. 116; Dupuy, S. 167. ! 1 Das Ausmaß dieses Konsensus rechtfertigt kaum die Ansicht lateinamerikanischer Autoren dieser Zeit, daß die Schiedsgerichtsbarkeit in diesem Raum schon zu einer "ley comun" geworden sei, s. z. B. Urrutia, S. 233. ! 2 Text: Pan American Union, Inter-American Peace Treaties and Conventions, Washington 1954, S. 22.

2. Kap.: Amerikanische Rechtsprechungsorgane

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Vertragsstaaten berechtigt, jederzeit die vertraglich festgelegten allgemeinen oder die erklärten besonderen Vorbehalte ganz oder zum Teil zurückzuziehen. Von dieser Möglichkeit ist jedoch kein Gebrauch gemacht worden2s. cc) Pakt von Bogota vom 30. April 194824• Dieser Vertrag wurde in Ausführung der Artikel 20-23 der Charta der Organisation der Amerikanischen Staaten (ebenfalls vom 30. April 1948)25, wo nur allgemeine Bestimmungen über friedliche Streiterledigung getroffen sind, von allen 21 Mitgliedsstaaten dieser Organisation unterzeichnet. Neun von ihnen nahmen die erforderlichen Ratifizierungen vor. Er ist daher gegenwärtig nur zwischen Costa Rica, der Dominikanischen Republik, El Salvador, Haiti, Honduras, Mexiko, Nicaragua2t, Panama und Uruguay in Kraft. Der Vertrag geht von der Verpflichtung aus, bei der Lösung von Konflikten auf Gewalt zu verzichten {Art. I). Zur friedlichen Streiterledigung werden folgende Methoden zur Verfügung gestellt: Vermittlung und Gute Dienste (Kapitel II), Untersuchung und Vergleich (Kapitel III), Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes (Kapitel IV), Schiedsgerichtsbarkeit (Kapitel V) und Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes (Kapitel VII). Hinsichtlich der hier interessierenden rechtsentscheidenden Konfliktslösung enthält der Vertrag folgende Regelungen: (1) Entscheidungsinstanzen: a) Die Vertragsstaaten unterwerfen sich gegenüber allen anderen amerikanischen Staaten ipso facto dem Obligatorium des Internationalen Gerichtshofs (IGH)27 in den Streitfragen des Art. 36 Abs. II seiner Statuten28• Darüber hinaus ist die Unterwerfung unter die Entscheidungsgewalt des IGH obligatorisch, wenn ein Vergleichsverfahren einen Streitfall nicht beilegen konnte und eine Schiedsvereinbarung nicht getroffen wurde28• n Dupuy, S. 167. u Text: Archiv d. VR 1 (1948/49), S. 488 ff. 25 Text: ebenda, S. 475. Die Charta wurde am 27. Februar 1967 geändert. Die Art. 20--23 wurden inhaltlich unverändert zu Art. 23-26; s. The American Society of International Law, International Legal Materials, Vol. VI Nr. 2, S. 310 ff. !& Dieser Staat mit dem Vorbehalt, daß die übernahme der Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht frühere Einwände gegen Schiedsurteile (gemeint ist das Urteil des Königs v. Spanien v. 23. Dezember 1906) präjudiziere. ! 7 Die etwas unsystematische Erwähnung des IGH empfiehlt sich hier, um den Bogotä Pakt einheitlich darstellen zu können. !s Art. XXXI. !I Art. XXXII Eine Diskussion dieser Vorschrift findet sich weiter unten im Text.

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1.

Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

b) Die Anrufung eines ad hoc zu bildenden Schiedsgerichts bedarf der vorherigen Einigung beider Parteien30, sie ist jedoch obligatorisch, wenn sich der IGH aus irgendeinem anderen Grund, als unter Berufung auf die vertraglichen Vorbehalte (s. u.), für unzuständig erklärt31. (2) Zuständigkeit: Neben den bereits erwähnten Fällen obligatorischer Vorlage sind beide Entscheidungsorgane fakultativ für alle schwebenden oder zukünftigen Streitfälle zuständig. Vertraglich vorbehalten sind jedoch Streitfälle im Rahmen des diplomatischen Schutzes bei ungenügender Möglichkeit innerstaatlicher Rechtsverfolgung32, Streitfälle, die schon durch Schiedssprüche, Gerichtsurteile oder Vertragsabmachungen abgeschlossen sind33 oder die ihrer Natur nach in einen Bereich innerstaatlicher Jurisdiktion fallen. Ist das Vorliegen der letztgenannten Ausnahme strittig, so entscheidet darüber der IGH34 • (3)

Konkurrenzen: Hinsichtlich der Abkommen zur rechtlichen Streitentscheidung verlieren für die ratifizierenden Staaten der Allgemeine Interamerikanische Schiedsvertrag und das Protokoll progressiver Arbitrage, beide vo:-- 5. Januar 1929, ihre Gültigkeit35•

(4)

Erzwingung: Im Falle der Nichterfüllung gerichtlicher oder schiedsgerichtlicher Entscheidungen durch eine Partei soll deren Gegner vor Anrufung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen eine Konsultationskonferenz der amerikanischen Außenminister vorschlagen, um über geeignete Maßnahmen zur Erzwingung der Entscheidung übereinzukommen".

Das Vertragswerk ist, zumindest für den amerikanischen Bereich, das umfassendste Instrument rechtlicher Streitschlichtung. Über den Umfang der vertraglichen Bindung besteht allerdings in einem wichtigen Punkt keine Einigkeit. Nach der hier in Übereinstimmung mit Meyer- Lindenberg37 vorgenommenen Textinterpretation enthält er die Verpflichtung, bis auf die ausdrücklich vorbehaltenen Streitfälle alle Konflikte, die anderweitig nicht beendet wurden, zur rechtlichen Entscheidung dem IGH oder einem Schiedsgericht vorzulegen. Die herrschend vertretene Gegenmeinung will diese Verpflichtung für "politische" Streitigkeiten nicht anerkennen. 30

31

31 33

u 85

38 17

Art. XXXVIII. Art. XXXV. Art. VII. Art. VI. Art. V.

Art. LVIII. Art. L. ZaöRVR, XVII (1956/57) S. 549.

2. Kap.: Amerikanische Rechtsprechungsorgane

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Die Unklarheit ergibt sich aus der Bestimmung Artikel XXXII. Drei Interpretationen erscheinen möglich: einmal kann darin eine Einschränkung der vorangehenden Bestimmung, die das Obligatorium festlegt, gesehen werden. Die Parteien haben danach nur dann eine Klagebefugnis in den in Artikel XXXI bestimmten Streitfällen juristischer Natur, wenn die Voraussetzungen des Art. XXXII vorliegen. Für diese Auslegung spricht der Wortlaut des Art. XXXII Satz 1 (engl.: "shall be entitled to have recourse to the International Court of Justice"), die Stellung hinter der Festlegung des Obligatoriums und schließlich die bei den Vertragsstaaten zu vermutende Zurückhaltung, sich der Entscheidungsgewalt des IGH zu unterwerfen. Unterständlich wäre aber bei dieser Auslegung Art. XXXII Satz 2 (Hinweis auf Art. 36 Abs. I der IGH-Statuten). Eine zweite Interpretationsmöglichkeit ist genau umgekehrt auf eine Erweiterung des Obligatoriums des Art. XXXI gerichtet und gibt den Vertragsparteien unter den Voraussetzungen des Art. XXXII eine zusätzliche Klagebefugnis, wobei aber wiederum strittig ist, ob dies nur für "juristische" Streitigkeiten gilt, wie Fenwick38, Foda39 und Kunz40 meinen, oder auch gerade für "politische" Streitigkeiten gelten soll, was Meyer- Lindenberg41 vertritt. Diese letztere Auffassung, die allerdings die Vertragsstaaten für sehr weitgehend gebunden erklärt, erscheiht zutreffend. Die Verweisung in Art. XXXII Satz 2 auf Art. 36 I der IGHStatuten wird dann sinnvoll, es soll damit ausgedrückt werden, daß der Gerichtshof innerhalb des ganzen Bereiches seiner Zuständigkeit, also auch in Streitigkeiten, die nicht zu den in Art. 36 Abs. Il der Statuten umschriebenen juristischen gehören, unter den Voraussetzungen der Art. XXXII bindend für die Vertragsparteien des Paktes entscheidet. Weiter spricht für diese Auslegung das in Art. 23 der OAS-Charta erklärte Ziel des Paktes, ein lückenloses Streitregelungsinstrument zu schaffen. Die hier bekämpfte Auffassung der genannten Autoren ließe aber eine erhebliche Lücke offen, nämlich für alle "nicht-juristischen" Konflikte, für deren Schlichtung kein Schiedsverfahren zustandekommt. Kunz führt in seinen Aufsätzen von neuem die Unterscheidung zwischen "juristischen" und "nicht-juristischen" Konflikten ein, die der Pakt von Bogotä gerade vermeiden wollte. Wenn Kunz in den angegebenen Publikationen und auch noch im Wörterbuch des Völkerrechts, Stichwort "Bogotä-Pakt", gegen den Bogotä-Pakt einwendet, er zeraa AJIL 1954, S. 124. 38

S. 60.

The Arbitration Journal 3 (1948), S. 153. Dieser Autor gibt aber in einer späteren Veröffentlichung - ÖZöR 1950, S. 501 - zu, daß der Wortlaut der Bestimmung auch nichtjuristische Streitigkeiten erfassen kann. 41 ZaöRVR XVII (1956/57) S. 549. 'o

26

1.

Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

störe die bisherige Einheit von gerichtlichen und schiedsgerichtlichen Verfahren dadurch, daß er jenen allein die juristischen, diesen aber auch die politischen Streitfragen zuweise, so geht er gegen eine im Vertragstext gar nicht enthaltene Problematik vor. Der Satz in Art. XXXVIII: "submit to arbitration differences of any kind, whether juridical or not" findet in Art. XXXII seine Entsprechung durch die Verweisung auf Art. 36 Abs. I der IGH-Statuten, wo es heißt: "The Jurisdiction of the Court comprises all cases which the parties refer to it ... ". Eine unrichtige Interpretation findet sich auch bei Thomas (S. 290 ff.). Der IGH kann niemals seine Zuständigkeit mit der Begründung verneinen, es handle sich nicht um eine juristische Streitigkeit, wenn er gern. Art. 36 Abs. I angegangen wird. Der Gerichtshof weigert sich nur, z. B. im Haya-de-la-Torre-Fall (s. Reports 1951, S. 79 ff.), rechtsgestaltend, "politisch", tätig zu werden oder politische Fragen bei der Entscheidung über eine Streitigkeit auch nur in Erwägung zu ziehen (s. Maritime-Safety-Committee-Fall, Reports 1960, S. 153). Die Probleme der Gerichtskompetenz und des Entscheidungsmaßstabes sind also streng auseinanderzuhalten. Halten wir mit diesen Argumenten die Vertragspartner auch hinsichtlich "nicht-juristischer" Streitigkeiten für gebunden, so sehen wir sie auch nicht frei, ihre Konflikte ungeschlichtet zu lassen. Dies spricht schon Art. 23 GAS-Charta aus ("so that no dispute between American States shall fail of definite settlement within a reasonable period") und wird in Art. li Abs. li des Paktes auf die Weise geregelt, daß es den Parteien selbst überlassen bleibt, welche Schlichtungsmethoden sie in Anspruch nehmen wollen, nicht aber, ob sie überhaupt an eine Beseitigung des Konflikts gehen wollen4!. Die Parteien haben also einen Spielraum zwischen nicht-erlaubter Gewaltanwendung und nicht-erlaubtem Bestehenlassen des Konfliktszustandes. Der Pakt schließt ferner zwei sonst häufige Vertragslücken: Einmal überläßt er die Bestimmung, ob ein Streitfall der innerstaatlichen Jurisdiktion eines Staates unterfällt, nicht diesem Staat selbst, sondern dem IGH. Weiter ist die Gefahr der Prozeßsabotage durch ein kompliziert geregeltes Verfahren (Art. XLV) für den Fall, daß die Mitwirkung bei der Zusammenstellung eines Schiedsgerichts verweigert wird, ausgeschieden.

41 Ebenso Fenwick, AJIL 1954, S. 125, der es aber für bedenklich hält, in jedem Fall Konfliktslösungen erzwingen zu wollen. Unrichtig Kunz, ÖZöR, 1950, S. 495, der annimmt, die Parteien könnten ihre Konflikte auch ungelöst lassen.

2. Kap.: Amerikanische Rechtsprechungsorgane

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2. Verträge unabhängig von der panamerikanischen Bewegung Einige Versuche, außerhalb der kontinentalen Zusammenarbeit selbständige multilaterale Schiedsverträge abzuschließen, scheiterten an den ausbleibenden Ratifikationenn.

Ratifiziert wurden jedoch zwei Verträge: a) Friedens- und Schiedskonvention v. 20. 1. 190244 • Vertragspartner sind Costa Rica, EI Salvador, Honduras und Nicaragua. Die Konvention ist ein Glied in der langen Kette von völkerrechtlichen Vertragsbindungen, die die mittelamerikanischen Staaten seit der Befreiung aus der spanischen "Capitania General de Guatemala" (15. September 1821) bis heute mit mehr oder weniger Erfolg, aber immer mit Mut zu Experimenten, geschaffen haben, um die frühere Integration wiederherzustellen45• Die Schiedsgerichtsbarkeit ist auf folgende Weise instituiert: (1) Schiedsgericht: Das Tribunal wird ohne Mitwirkung der Parteien aus einer ständigen Richterliste zusammengestellt. Die Staatsangehörigen der Parteien sind dabei ausgeschlossen. Bei Grenzstreitigkeiten besteht die Möglichkeit, durch Kompromiß einen amerikanischen Schiedsrichter außerhalb Zentralamerikas zu bestimmen. (2) Zuständigkeit: obligatorisch für alle Streitigkeiten ohne Vorbehalt. (3) Verfahren: Das Gericht bestimmt sein Verfahren selbst. Der Streitfall kann auch von unbeteiligten Vertragsstaaten vorgelegt werden. Die Schiedsbindung ist umfassend und lückenlos, der Vertrag geht damit weiter, als alle späteren multilateralen Schiedsverträge im amerikanischen Raum. Sein Außerkrafttreten ist nirgends bestimmt, es muß aber angenommen werden, daß er durch die Verträge vom 20. Dezember 1907, durch die der Zentralamerikanische Gerichtshof gegründet wurde, ersetzt worden ist. b) Konvention zur Errichtung eines Internationalen Schiedshofs Zentralamerikas v. 7. Februar 19234Al. Dieser in Washington und unter Betreiben der USA von den fünf zentralamerikanischen Republiken unterzeichnete allgemeine Schiedsvertrag wurde von Nicaragua, Costa Rica, 43 Zuletzt der Vertrag der zentralamerikanischen Staaten v. ·12. April 1934. Text dieses Schiedsabkommens s. UN, Systematic Survey 1928-1948, S. 1069. u Text: Martens, 3, 3, 241. 45 Vgl. die ausgezeichnete Darstellung der zwischenstaatlichen Beziehungen in Mittelamerika bei Moreno. 48 Text : Hudson, International Legislation II, S. 909.

1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

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Honduras (12. März 1925, Tag des Inkrafttretens) und Guatemala ratifiziert. EI Salvador ratifizierte nicht. Der Schiedshof47 wurde in Anlehnung an den Raager Schiedshof konzipiert: (1) Schiedsgericht: Der aus drei Richtern bestehende Spruchkörper wird aus einer ständigen Richterliste zusammengestellt. Dieser Liste gehören dreißig, in der Mehrzahl von den Vertragsstaaten, zum Teil aber auch von den USA ernannten, Richter an. Grundsätzlich ist bei der Bildung des Gerichts die Mitwirkung der Parteien erforderlich, einer Prozeßsabotage ist jedoch vorgebeugt. (2) Zuständigkeit: obligatorisch für alle Streitigkeiten, soweit sie nicht die souveräne und unabhängige Existenz der Staaten berühren. (3) Verfahren: sehr genau in zwei Annexen geregelt, davon eines entsprechend der I. Raager Konvention v. 1907 (Art. 63-84). (4) Geltungsdauer: bis 1934. Dieser Vertrag48 stellt den Versuch dar, nach dem Scheitern des Zentralamerikanischen Gerichtshofs von 190749 ein neues internationales Tribunal in Mittelamerika zu schaffen. Da jenem zu weitgehende Kompetenzen und zu starre Organisation vorgeworfen worden waren, ging man jetzt mit größerer Vorsicht vor, machte Vorbehalte bei der Zuständigkeit und gab den Parteien die Möglichkeit, die Zusammenstellung des Gerichts zu beeinflussen. Immerhin ist die vertragliche Bindung sehr weitgehend, im Rahmen der Zuständigkeit ist die Schiedsgerichtsbarkeit obligatorisch, gegen prozeßfeindliches Verhalten einer Partei gibt es detailliert ausgearbeitete Vorkehrungen. Da die Richterliste nie erstellt wurde, bestand allerdings während der Geltungsdauer des Vertrages keine Möglichkeit zur Konstituierung des Tribunals50• 11. Bilaterale Verträge

Im folgenden werden möglichst vollzählig51 die allgemeinen bilateralen Schiedsahkommen in Amerika aufgeführt. Sie sind alle ratifiziert. Soweit ihr Außerkrafttreten ersichtlich ist, wird es erwähnt. Vgl. Hudson, AJIL 26 (1932), S. 783. Ausführliche Kritik findet sich bei Bernal Jimenez, S. 202 und Moreno, S. 442. Letzterer hält den Vertrag in Anbetracht des Besteheus der Haager Institutionen für überflüssig und im Vergleich zu ihnen rückschrittlich. Seine politische Kritik richtet sich gegen die Beteiligung der USA am Richterkollegium. «o Vgl. 2. Abschnitt A. 50 Vgl. Konflikt zwischen Guatemala und Honduras im Jahre 1930, unten 2. Teil B. I. st Es gilt hier derselbe Vorbehalt, wie ihn schon Wehberg (S. 113) und Clad 47

«B

2. Kap.: Amerikanische Rechtsprechungsorgane

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Für den Zweck der Untersuchung genügt eine knappe schematische Wiedergabe der wichtigsten Bestimmungen. Die Fundstellennachweise für die Vertragstexte verweisen möglichst auf die allgemein zugänglichen Sammlungen von Martens (Nouveau Recueil General de Traites) und der Vereinten Nationen (Systematic Survey of Treaties for the Pacific Settlement of Disputes). 1. Kolumbien -

El Salvador v. 24. 12. 188051

a) Ratifikation: 7. 1. 82 b) Schiedsgericht: Grundsätzlich Konstituierung durch Kompromiß. Kommt er nicht zustande, so ist Schiedsrichter der Präsident der USA c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten 2. Brasilien - Chile v. 18. 5. 189953

a) Ratifikation: 7. 3. 1906 b) Schiedsgericht: Grundsätzlich Konstituierung durch Kompromiß. Verweigert eine Partei den Abschluß, so ist der von der anderen Partei Ernannte Schiedsrichter. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten. 3. Argentinien- Uruguay v. 8. 6. 189954

a) Ratifikation: 18. 1. 1902 b) Schiedsgericht: Zusammenstellung durch Kompromiß. Die Regelung bei Verweigerung des Abschlusses verhindert keine Prozeßsabotage. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten mit Ausnahme von Verfassungsangelegenheiten und schon geregelten Konflikten. 4. Argentinien- Paraguay v. 6. 11. 189955

a) Ratifikation: 5. 6. 1902 b) Schiedsgericht: Zusammenstellung durch Kompromiß. Die Regelung bei Verweigerung des Abschlusses verhindert keine Prozeßsabotage. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten, mit Ausnahme von Verfassungsangelegenheiten und schon geregelten Konflikten. 5. Bolivien- Peru v. 21. 11. 190155 a) Ratifikation: 29. 12. 1903 b) Schiedsgericht: Das von der Panamerikanischen Konferenz in Mexiko zu bildende Ständige Schiedsgericht. Wird es nicht gebildet, so ist Schieds(S. 3) machen mußten: eine Gewähr für Vollständigkeit kann nicht gegeben werden. Eine solche könnte nur durch Umfrage bei allen Staaten erzielt werden. 51 Text: Martens 2, 14, 206. 53 Text: Martens 3, 1, 21. 54 Text: Martens 2, 30, 237. 55 Text: Martens 2, 31, 17 n Text: Martens 3, 3, 47.

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1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

richter die Regierung Argentiniens, bei deren Verhinderung die Spaniens, bei deren Verhinderung die Mexikos. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten. 6. Argentinien- Bolivien v. 3. 2. 190217 a) Ratifikation: 27. 1. 1903 b) Schiedsgericht: Zusammenstellung durch Kompromiß. Die Regelung bei Verweigerung des Abschlusses verhindert keine Prozeßsabotage. c) Zuständigkeit: Obligatorisch alle Streitigkeiten mit Ausnahme von Verfassungsangelegenheiten und bereits geregelten Konflikten. 7. Argentinien- Chile v. 28. 5. 190258 a) Ratifikation: 22. 9. 1902 b) Schiedsgericht: König von England c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten mit Ausnahme von Verfassungsangelegenheiten und bereits geregelten Konflikten. 8. Argentinien- Brasilien v. 7. 9. 190558 a) Ratifikation: 7. 12. 1908 b) Schiedsgericht: Zusammenstellung durch Kompromiß. Keine Regelung für den Fall der Verweigerung des Abschlusses. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten mit Ausnahme von Verfassungsangelegenheiten und bereits geregelten Konflikten. 9. Kolumbien - Peru v. 12. 9. 190580 a) Ratifikation: 6. 7. 1906 b) Schiedsgericht: Der Papst, bei seiner Verhinderung der Staatspräsident Argentiniens. Eine Klageerhebung ist ohne vorangehenden Kompromiß möglich. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten, ausgenommen solche, die die nationale Unabhängigkeit und Ehre berühren oder die bereits geregelt wurden. 10. Mexiko - USA v. 24. 3. 190881 a) Ratifikation: 27. 6. 1908 b) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof im Haag. Abschluß eines Kompromisses für das Verfahren notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. d) Vertragsende: 27. 6. 1913 51 68 58 8o

81

Text: Martens 2, 31, 264. Text: Martens 2, 35, 297. Text: Martens 3, 2, 274. Text: Wehberg, S. 43. Text: Martens 3, 2, 716.

2. Kap.: Amerikanische Rechtsprechungsorgane

31

11. Peru - USA v. 5. 12. 190862 a) Ratifikation: 29. 6. 1909 b) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof im Haag. Abschluß eines Kompromisses für das Verfahren notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. 12. El Salvador -USA v. 21. 12. 190863

a) Ratifikation: 3. 7. 1904 b) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof im Haag. Abschluß eines Kompromisses für das Verfahren notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. d) Vertragsende: 3. 7. 1919 13. Ecuador- USA v. 7. 1. 190904

a) Ratifikation: 22. 6. 1910 b) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof im Haag. Abschluß eines Kompromisses für das Verfahren notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. 14. Haiti -

USA v. 7. 1. 190965

a) Ratifikation: 15. 11. 1909 b) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof im Haag. Abschluß eines Kompromisses für das Verfahren notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. 15. Uruguay- USA v. 9. 1. 190968

a) Ratifikation: 14. 11. 1913 b) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof im Haag. Abschluß eines Kompromisses für das Verfahren notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. 62 Text: Martens 3, 2, es Text: Martens 3, 2, 84 Text: Martens 3, 3, 65 Text: Martens 3, 3, 8& Text: Martens 3, 8,

730. 732. 757. 211.

151.

32

1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen 16. Costa Rica - USA v. 13. 1. 190967

a) Ratifikation: 20. 7. 1909 b) Schiedsgericht: Ständiger Seiliedshof im Haag. Abschluß eines Kompromisses für das Verfahren notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Ur.abhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. d) Vertragsende: 20. 7. 1919 17. Brasilien- USA v. 23.1.190988 a) Ratifikation: 26. 7. 1911 b) Schiedsgericht: Ständiger Seiliedshof im Haag oder andere Schiedsrichter. Kompromiß notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. 18. Paraguay- USA v. 13. 3. 190988 a) Ratifikation: 2. 10. 1909 b) Schiedsgericht: Ständiger Seiliedshof im Haag. Abschluß eines Kompromisses für das Verfahren notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. d) Vertragsende: 2. 10.1914 19. Brasilien - Mexiko v. 11. 4. 190970 a) Ratifikation: 26. 12. 1911 b) Schiedsgericht: Ständiger Seiliedshof im Haag oder andere Schiedsrichter. Kompromiß notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. 20. Brasilien- Honduras v. 26. 4. 190971 a) Ratifikation: 24. 4. 1914 b) Schiedsgericht: Ständiger Seiliedshof im Haag oder andere Schiedsrichter. Kompromiß notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. 87

es 68

70

71

Text: Text: Text: Text: Text:

Martens 3, 2, 735. Martens 3, 5, 5. Martens 3, 2, 740. Wehberg, S. 64. Martens 3, 8, 700.

2. Kap.: Amerikanische Rechtsprechungsorgane

33

21. Brasilien - Venezuela v. 30. 4. 19097z a) Ratifikation: 8. 1. 1912 b) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof im Haag oder andere Schiedsrichter. Kompromiß notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren, ferner solcher, die der innerstaatlichen Jurisdiktion unterliegen. 22. Brasilien - Ecuador v. 13. 5. 190971 a) Ratifikation: 12. 2. 1912 b) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof im Haag oder andere Schiedsrichter. Kompromiß notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. 23. Brasilien - Kuba v. 10. 6. 1909u a) Ratifikation: 2. 8. 1911 b) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof im Haag oder andere Schiedsrichter. Kompromiß notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. 24. Bolivien- Brasilien v. 25. 6. 190976 a) Ratifikation: 10. 5. 1912 b) Schiedsgericht: Nicht geregelt. Konstituierung durch Kompromiß. c) Zuständigkeit: Für alle Streitigkeiten, ausgenommen solche, die die Lebensinteressen, die territoriale Integrität, die Unabhängigkeit, die Souveränität oder die Ehre eines der Staaten berühren oder die schon geregelt sind. 25. Argentinien - EI Salvador v. 3. 9. 190978 a) Ratifikation: 12. 11. 1913 b) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof im Haag oder andere Schiedsrichter. Kompromiß notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. 26. Brasilien- Peru v. 7. 12. 190977 a) Ratifikation : 13. 1. 1912 b) Schiedsgericht: Nicht geregelt. Konstituierung durch Kompromiß. n Text: Martens 3, 6, 20. 73 Text: Martens 3, 6, 352. 74 Text: Martens 3, 5, 13. 75 Text: Martens 3, 15, 479. 76 Text: Martens 3, 8, 341. 77 Text: Martens 3, 6, 355. 3 Gessner

34

1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten, ausgenommen solche, die die Lebensinteressen, die territoriale Integrität, die Unabhängigkeit, die Souveränität oder die Ehre eines Staates berühren oder die schon geregelt sind. 27. Brasilien - Haiti v. 25. 4. 191078 a) Ratifikation: 21. 11. 1912 b) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof im Haag oder andere Schiedsrichter. Kompromiß notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. 28. Brasilien - Dominikauische Republik v. 29. 4. 191079 a) Ratifikation: 31. 3. 1912 b) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof im Haag oder andere Schiedsrichter. Kompromiß notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten, mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit, die Ehre der Parteien oder die Interessen Dritter berühren. 29. Brasilien - Paraguay v. 24. 2. 1911 80 a) Ratifikation: 6. 9. 1914 b) Schiedsgericht: Ständiger Schiedshof im Haag oder andere Schiedsrichter. Kompromiß notwendig. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten, ausgenommen solche, die die Lebensinteressen, die territoriale Integrität, die Unabhängigkeit oder die Ehre eines Staates berühren. 30. Argentinien- Venezuela v. 22. 7. 1911 81 a) Ratifikation: 24. 5. 1924 b) Schiedsgericht: Nicht geregelt. Konstituierung durch Kompromiß. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten, ausgenommen solche, die der innerstaatlichen Jurisdiktion unterliegen oder Verfassungsangelegenheiten berühren. 31. Peru- Venezuela v. 25. 1. 191282 a) Ratifikation: 9. 6. 1914 b) Schiedsgericht: Nicht geregelt. Konstituierung durch Kompromiß. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten, ausgenommen solche, die der innerstaatlichen Jurisdiktion unterliegen oder Verfassungsangelegenheiten berühren. 78 79

8o 81 82

Text: Martens 3, 8, 153. Text: Martens 3, 8, 156. Text: Mar tens 3, 9, 48. Text: Martens 3, 14, 426. Text : Martens 3, 9, 51.

2. Kap.: Amerikanische Rechtsprechungsorgane

35

32. Peru- Uruguay v. 18.7.191783

a) Ratifikation: 15. 2. 1922 b) Schiedsgericht: Nicht geregelt. Konstituierung durch Kompromiß. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten, ausgenommen solche, die schon geregelt wurden. 33. Bolivien -

Kolumbien v. 13. 11. 191884

a) Ratifikation: 19. 2. 1923 b) Schiedsgericht: Nicht geregelt. Konstituierung durch Kompromiß. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten, ausgenommen solche, die der innerstaatlichen Jurisdiktion unterliegen. 34. Uruguay -Venezuela v. 28. 2. 192385

a) Ratifikation: 15. 6. 1925 b) Schiedsgericht: Nicht geregelt. Konstituierung durch Kompromiß. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten, ausgenommen solche, die schon geregelt wurden. 35. Kolumbien- Mexiko v. 11. 7. 19288e

a) Ratifikation: 1. 7. 1937 b) Schiedsgericht: Nicht geregelt. Konstituierung durch Kompromiß. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten, ausgenommen solche, die die Unabhängigkeit oder Souveränität der Staaten berühren, solche über Akte, zu denen eine Verfassung der Staaten unmittelbar ermächtigt und solche über Interessen und Handlungsweisen eines Drittstaates. Ein eventuell gegebener innerstaatlicher Rechtsweg muß ausgeschöpft werden. 36. Dominikanische Republik- Haiti v. 20. 2. 192987

a) Ratifikation: 1. 7. 1929 b) Schiedsgericht: Nicht geregelt. Konstituierung durch Kompromiß. Das Verfahren kann mangels Festlegung im Kompromiß vom Gericht bestimmt werden. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Rechtsstreitigkeiten mit Ausnahme solcher, die der innerstaatlichen Jurisdiktion unterliegen. 37. Kolumbien- Venezuela v. 17. 12. 193988

a) Ratifikation: 12. 9. 1941 b) Schiedsgericht: Ein Kompromiß kann den Streitfall dem IGH vorlegen oder ein Schiedsgericht einsetzen. Vor Urteilserlaß können einstweilige Verfügungen ergehen. 83

Text: Societe des Nations, Arbitrage et Securite, s. 88.

e' Text: Martens 3, 15, 483. 85 Text: Martens 3, 14, 675. 88 Text: UN, Systematic Survey, S. 413. 87 Text: UN, Systematic Survey, S. 531. 88 Text: UN, Systematic Survey, S. 1121.

,.

1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

36

c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten gern. Art. 36, Abs. li der IGH-Statuten mit Ausnahme solcher, die die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit oder die territoriale Integrität der Staaten berühren und solcher, die schon geregelt sind. Angelegenheiten innerstaatlicher Jurisdiktion sind nur bei Rechtsverweigerung klagbar. 38. Brasilien- Venezuela v. 30. 3. 194089

a) Ratifikation: 9. 1. 1941 b) Schiedsgericht: Ein Kamprarniß kann den Streitfall dem IGH vorlegen oder ein Schiedsgericht einsetzen. Vor Urteilserlaß können einstweilige Verfügungen ergehen. c) Zuständigkeit: Obligatorisch für alle Streitigkeiten gern. Art. 36, Abs. li der IGH-Statuten, soweit sie noch nicht geregelt sind. Angelegenheiten innerstaatlicher Jurisdiktion sind nur bei Rechtsverweigerung klagbar90 • B. Scbiedsklauseln

I. Besondere und allgemeine Schiedsklauseln Neben den aufgeführten selbständigen Schiedsverträgen besteht eine völkerrechtliche Schiedsbindung der amerikanischen Staaten in einer nicht recht zu übersehenden Zahl91 von besonderen oder allgemeinen Schiedsklauseln. Die besonderen Schiedsklauseln sind Teil von Verträgen und bestimmen, daß Streitigkeiten über deren Auslegung einem Schiedsgericht vorzulegen sind. Um sie aufzufinden, wäre es notwendig, sämtliche zwischenstaatlichen Verträge der amerikanischen Staaten durchzusehen, ein wenig sinnvoller Aufwand, da die Schiedsbindung jeweils nur einen kleinen Bereich möglicher Streitigkeiten umfaßt. Allgemeine Schiedsklauseln enthalten eine Schiedsbindung für einen weiteren Bereich, als die Auslegungsstreitigkeiten über den Vertrag, dem sie angehören. Sie finden sich vielfach in den sogen. "Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsverträgen" 92 , die im 19. Jahrhundert häufig im amerikanischen Raum abgeschlossen wurden. Die Schiedsverpflichtung ist hier jedoch immer nur als Prinzip festgelegt, die mehr oder weniger detaillierten Regelungen, denen sich die Parteien in den selbständigen Schiedsverträgen von vornherein unterwerfen, finden Text: UN, Systematic Survey, S. 1126. Berner. S. 33, erwähnt unter Berufung auf Äußerungen auf der 5. Lateinamerikanischen Konferenz in Santiago, 1923, bis 1909 seien nahezu 100 89

90

zweiseitige Schiedsverträge abgeschlossen worden. Sollten damit ratifizierte selbständige Schiedsverträge gemeint sein, so zeigt sich, daß diese Zahl wesentlich zu hoch gegriffen ist. 91 Toro, S. 177, nennt die Zahl der Schiedsklauselverträge schon im Jahre 1898 "unzählbar". Eine von vornherein nicht als vollzählig konzipierte Liste besonderer Schiedsklauseln findet sich bei La Fontaine, S. XII-XIV. 92 Vgl. Toro, S. 76 ff.

2. Kap.: Amerikanische Rechtsprechungsorgane

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sich hier nicht. Man kann deshalb nicht davon sprechen, daß durch diese allgemeinen Schiedsklauseln die Schiedsgerichtsbarkeit institutionalisiert worden sei. Sie sind daher hier auch nicht darzustellen93• Weder in die Definition der besonderen noch in die der allgemeinen Schiedsklausel wollen sich die Schiedsklauseln der beiden Wirtschaftszonen in Lateinamerika, Lateinamerikanische Freihandelszone :(Asociaci6n latinoamericana de libre comercio, ALALC) urid Gemeinsamer zentralamerikanischer Markt (Mercado comun centroamericano, MCC) einordnen. Sie enthalten einerseits keine allgemeine Schiedsbindung, gelten aber doch andererseits für ein so umfängliches Vertragssystem, daß sie dem Wesen der besonderen Schiedsklauseln nicht mehr entsprechen. Sie bringen beide - wenn auch in sehr unterschiedlicher juristischer Vollkommenheit- Schiedsinstitutionen zur Entstehung und werden ihrer Bedeutung entsprechend im folgenden behandelt.

11. Die Schiedsklauseln der lateinamerikanischen Wirtschaftszonen 1. Das Protokoll zur Lösung von Streitigkeiten der Lateinamerikanischen Freihandelszone (ALALC) 94

Diesem Protokoll stimmte der Ministerrat der Gemeinschaft in der 3. außerordentlichen Sitzungsperiode der Konferenz der Vertragsstaaten vom 7.-12. Dezember 1966 mit Entscheidung vom 12. Dezember 1966 zu. Die Arbeiten daran sind noch nicht abgeschlossen. Der jedes Jahr zusammentretende Ministerrat hat noch über eine Liste von Streitfragen zu beschließen, hinsichtlich derer die in dem Vertragswerk niedergelegte obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit zur Anwendung kommt. Es bleibt dann abzuwarten, wieviele ALALC-Mitgliedsstaaten sich zu einer Ratifizierung entschließen können95• Der Umstand, daß das Protokoll selbständig beraten und ratifiziert ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich dabei um eine- mit 40 Artikeln allerdings sehr umfängliche- Schiedsklausel zum Vertrag von Montevideo vom 18. Februar 196098 handelt. Das wird daraus deutlich, daß dem Protokoll gemäß Art. 1 nur Streitigkeiten in Bezug auf diesen Vertrag und auf Rechtsnormen, die zu seiner Ausführung erlassen werden, unterliegen, es gemäß Art. 37 nur zusammen mit diesem 93 Hinweise auf derartige Schiedsklauseln finden sich bei La Fontaine, S.X-XII. 94 Text: ALALC- Resolucion 172 (CM-I/III-E) Anexo. 95 Die Zahl der Ratifikationen wird einen guten Gradmesser abgeben können für den Stand der Integration dieser Freihandelsvereinigung. 96 Eine Darstellung dieses Vertrages findet sich in der eingehenden Untersuchung von Wehner, Die Lateinamerikanische Freihandelsvereinigung.

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1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

Vertrag gekündigt werden kann und gemäß Art. 38 der Beitritt zum Vertrag von Montevideo ipso iure den Beitritt zum Schiedsprotokoll mit umfaßt97• Nach der Normierung einer der rechtlichen Streitschlichtung vorauslaufenden Verhandlungsphase, bei der eine Mitwirkung des Ständigen Exekutivkomitees der Zone vorgesehen ist, ist die schiedsrichterliche Konfliktsregelung wie folgt festgelegt: a) Schiedsgericht: Der Spruchkörper besteht aus 3 Mitgliedern und wird entweder im Einvernehmen der Streitparteien, sonst in einem Rotationsverfahren aus einer ständigen Richterliste ad hoc zusammengestellt. Staatsangehörige der Parteien sind ausgeschlossen98• Das Prozeßverfahren ist festgelegt, Zweifelsfragen regelt das Gericht selbst99• Ein Versäumnisurteil ist vorgesehen100• b) Zuständigkeit: Für alle Streitfragen, die in einem ausschließlichen und direkten Verhältnis zur juristischen Struktur der Lateinamerikanischen Freihandelszone stehen tot. aa) Im Rahmen dieses Gesamtbereiches ist die Schiedsgerichtsbarkeit fakultativ102, sie kann jedoch auf Gegenseitigkeit obligatorisch werden durch einseitige Erklärung gegenüber dem Ständigen Exekutivkomitee1o3 • bb) Aus dem Gesamtbereich wird noch eine Liste von Konfliktsarten zusammengestellt und jährlich nach möglichen Ergänzungen hin überprüft, hinsichtlich derer die ratifizierenden Staaten obligatorischer Schiedsgerichtsbarkeit unterliegen104 • In den gern. Art. 16 Buchst. b des Vertrages von Montevideo zulässigen Ergänzungsabkommen sollen die beteiligten Parteien die Sachbereiche bestimmen, die sie hinsichtlich dieser Abkommen dem Obligatorium unterwerfen105. c) Erzwingung: Die Nichtbeachtung eines Schiedsurteils kann von der Konferenz der Vertragsstaaten ohne Stimmrecht der Streitparteien mit geeigneten Maßnahmen beantwortet werden. Unabhängig davon 07 Auf diese Weise kommt eine wahrscheinlich ungewollte Diskriminierung beitretender Staaten zustande, denn während diese in jedem Fall dem Protokoll unterworfen sind, trifft dies für die gegenwärtigen Mitglieder nur zu, wenn sie sich zu einer Ratifikation bereitfinden. 08 Art. 18. n Art. 20-34. 100 Art. 25. 101 Art. 1. 102 Art. 16 Abs. II. 103 Art. 17 (Fakultativklausel entspr. Art. 36 Abs. II der IGH-Statuten). 10' Art. 16 Abs. I. 105 Art. 16 Abs. I.

2. Kap.: Amerikanische Rechtsprechungsorgane

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ist die Nichterfüllung vom Prozeßgegner mit Aufhebung oder Einschränkung der zweiseitigen Zollzugeständnisse sanktionierbar108• Diese ALALC-Schiedsklausel ist zwar hinsichtlich des Umfangs der schiedbaren Streitigkeiten wesentlich begrenzter, als der Pakt von Bogotä. Das Schiedsverfahren ist aber klarer und vollständiger geregelt als bei diesem. Die ständige Richterliste entsprechend der Regelung beim Raager Schiedshof und das Rotationsverfahren beim Fehlschlagen einer einverständlichen Auswahl sichern das Zustandekommen des Gerichts. Die übrigen Verfahrensfragen sind einer Einwirkung der Parteien von vornherein entzogen. Das Protokoll beseitigt also das Erfordernis des Kompromisses und macht damit seit dem Vertrag v. 20. 1. 1902 der vier zentralamerikanischen Staaten hinsichtlich multilateraler Abkommen erstmalig wieder den Beginn eines Schiedsverfahrens nicht vom guten Willen beider Streitparteien abhängig107• Die ständige Revision der unter das Obligatorium fallenden Sachbereiche ermöglicht eine Anpassung an den jeweiligen Integrationsstand der Gemeinschaft. Obwohl dem Wortlaut des Protokolles nach nur Erweiterungen des Obligatoriums vorgesehen sind, können die Vertragsstaaten bei ihrer jährlichen Überprüfung selbstverständlich auch Sachbereiche aus ihnen einverständlich wieder herausnehmen - eine ideale Institutionalisierung von Versuchen, die Grenzen obligatorischer Gerichtsbarkeit abzutasten. Im Vertrag findet sich keine dem Art. 36 Abs. VI der IGH-Statuten entsprechende Bestimmung, die dem Tribunal die "Kompetenz-Kompetenz", also die Entscheidungsbefugnis über die eigene Zuständigkeit, einräumt. Aus Art. 26 des Protokolls, der dem Tribunal die Entscheidungsbefugnis in Verfahrensfragen gibt, läßt sich seine KompetenzKompetenz nicht herleiten, da es sich hier um keine Verfahrensfrage, sondern um eine Verfahrensvoraussetzung handelt1°8• Die KompetenzKompetenz internationaler Tribunale ist jedoch eine Regel des VölkerArt. 34. Betrachtet man die am Anfang dieses Kapitels angegebenen Abgrenzungskriterien zwischen internationalen Gerichten und internationalen Schiedsgerichten, so zeigt sich, daß das ALALC-Schiedsgericht weit eher unter die erstgenannte Institution zu subsumieren ist. Die einzig verbleibende Schiedsgerichtseigenschaft ist die Möglichkeit der Parteien, auf die Zusammensetzung des Gerichts Einfluß zu nehmen, falls man sich einigen kann. Die durch das Rotationsverfahren auch ohne Einflußnahme der Parteien ständig wechselnde Zusammensetzung des Spruchkörpers würde nicht gegen die Kennzeichnung als "Gericht" sprechen, denn auch beim IGH ändert sich die Zusammensetzung durch periodische RichterneuwahL 108 Der genannte Art. 36 findet sich in den IGH-Statuten dementsprechend auch unter dem Titel "Kompetenz des Gerichtshofs" und nicht im Kapitel über das Verfahren. 108

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1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindun gen

gewohnheitsrechts, die, wenn auch gelegentlich bestritten109, überwiegend anerkannt ist und in der Praxis internationaler Rechtsprechung allgemein zur Anwendung kommt110• Die Gefahr dieser Übung ist allerdings, daß dadurch der unterliegenden Partei ein letzter Ausweg verbleibt, mit dem Einwand des "Exces de pouvoir" 111 die Nichtanerkennung eines Urteils zu rechtfertigen. Eine Ermächtigung für das Gericht, einstweilige Verfügungen zu erlassen, wie sie etwa in Art. 41 der IGH-Statuten und in vielen Schiedsverträgen112 enthalten ist, findet sich nicht. Ohne eine solche ausdrückliche Ermächtigung ist ihre Zulässigkeit aber zu verneinen. Die Verpflichtung der Staaten, sich einem nach Überprüfung aller Sach- und Rechtsfragen ergangenen Urteil zu unterwerfen, enthält nicht auch das Einverständnis, sich den Anweisungen aufgrund eines summarischen Verfahrens zu beugen. Das ALALC-Gericht kann sich demnach diese Befugnis auch nicht mit Hilfe seiner Entscheidungskompe tenz in Verfahrensfragen (Art. 26) selbst zugestehen. Nicht sehr effektiv erscheint die den Vertragsstaaten unabhängig von den Beschlüssen der ALALC-Konferenz eingeräumte Sanktionsbefugnis gegen nicht urteilsgetreue Partner. Die Regelung, daß zweiseitige Zollzugeständnisse zurückgezogen werden können, ist gegenwärtig unpraktisch. Diese in den sog. "Länderlisten" 113 enthaltenen Konzessionen werden nur gegen entsprechende Gegenleistung gewährt114, der nicht urteilsgetreue Partner wird nach Anwendung dieser Sanktion seine eigenen Zollzugeständnisse unter Berufung auf dieses Gegenseitigkeitsprinzip ebenfalls zurückziehen, so daß ihn letztlich kein Schaden trifft. Eine Regelung dahingehend, daß diese nach dem Vertrag von Montevideo ja zulässige Retorsion für unzulässig erklärt wird, hätte diese Folge vermieden. Für die Zukunft scheidet diese Sanktionsmöglichkei t aber sogar ganz aus. Ist einmal die Freihandelszone verwirklicht, was für das Jahr 1972 109 Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Stichwort ,.Internationale Gerichtsbarkeit" will sie nur Gerichten und nicht Schiedsgerichten zubilligen. Der h. M. entsprechend aber unter dem Stichwort ,.Schiedsgerichtsbarkei t, Internationale." 110 Politis, S. 78; Berlia in Rec. 1955 II, S. 105 ff.; Kuneralp, S. 66. 111 Dieser Einwand wird nur in Fällen offensichtlicher Zuständigkeitsanmaßung oder -Überschreitung anerkannt, also bei willkürlichen, nicht aber schon bei fehlerhaften Entscheidungen, die innerhalb des immerhin noch Möglichen liegen. Vgl. Dahm II, S. 557 f. 112 Vgl. UN, Systematic Survey 1928-48, S. 281 ff. und Guggenheim in Rec. 1932 II, S. 660 ff. 113 Vgl. Art. 4 des Vertrages v. Montevideo. m Vgl. das in Art. 10 des Vertrages v. Montevideo niedergelegte Gegenseitigkeitsprinzip.

2. Kap.: Amerikanische Rechtsprechungsorgane

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vorgesehen ist115, so gibt es kaum mehr zweiseitige Zollzugeständnisse. Die Liberalisierungsvorschriften für den wesentlichsten Teil des gesamten ALALC-Handelsaustausches116 müssen nämlich dann in einem multilateralen Vertrag ("lista comun") enthalten sein. Soweit noch bilaterale Konzessionen bestehen dürfen, müssen sie untergeordneter Bedeutung sein, ihre Aufkündigung wird- auch ohne Retorsion- nicht als Sanktion empfunden werden. 2. Artikel XXVI des Generalvertrages über die lateinamerikanische Wirtschaftsintegration vom 13. Dezember 1960117

Der Generalvertrag bindet heute die Signatarstaaten Guatemala, EI Salvador, Honduras, Nicaragua und das im Jahre 1964 beigetretene Costa Rica. Er vereinheitlicht die verschiedenen Abkommen über den Gemeinsamen Markt in Zentralamerika. Die Schiedsregelung findet sich in einem einzigen Artikel: a) Schiedsgericht: Die zahlenmäßig entsprechend der Anzahl der Vertragsstaaten zusammengesetzte Kammer wird durch Auslosung von Richtern der höchsten Staatengerichte gebildet. b) Zuständigkeit: obligatorisch für alle Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Vertragsbestimmungen. c) Rechtskraft des Urteils: Die im Urteil vorgenommene Vertragsauslegung bindet alle Mitgliedsstaaten der Wirtschaftszone. Die juristische Ausarbeitung dieser Schiedsklausel unterscheidet sich wesentlich von der ALALC-Regelung. Als Besonderheit ist lediglich die Rechtskraftwirkung des Urteils für alle Vertragspartner hervorzuheben. Zwar sind in der Praxis internationaler Gerichte frühere Entscheidungen Hilfsmittel für die Bestimmung von Rechtsregeln118, die angelsächsische Präjudizwirkung (stare decisis) ist dem Völkerrecht aber fremd 110• Die Regelung des Generalvertrages bringt ein Element der Statik in die Vertragsinterpretation, die bei einem in Entstehung begriffenen und ständig neue Bereiche umfassenden Wirtschaftsorganismus unglücklich erscheint. Zur Berücksichtigung aller die Vertragsparteien berührender Gesichtspunkte hinsichtlich Auslegung und AnwenVgl. Art. 2 des Vertrages von Montevideo. ue Art. 7 des Vertrages von Montevideo: "lo esencial de ese comercio". 117 Text: UN, Treaty Series 455, S. 3 ff. 118 Vgl. Art. 38 Abs. I (d) der IGH-Statuten. 110 Dies ist Völkergewohnheitsrecht, das aber z. B. in Art. 59 der IGH-Statuten auch positiv normiert ist. Vgl. auch Art. 84 des I Haager Abkommens von 1907, wo die Geltung dieser Regel auch für den Beginn der Periode internationaler Rechtsprechung deutlich gemacht ist. 115

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1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

dung des Vertrages hätte es sich zumindest empfohlen, interessierten Staaten einen Streitbeitritt zu gestatten120. Zweiter Abschnitt Internationale Gerichtsbarkeit Die internationale Gerichtsbarkeit gilt als höchste Form im institutionellen System internationaler Rechtsprechung. Im amerikanischen Raum wurde verschiedentlich versucht, das schon dichte Netz von Verträgen über richterliche Streiterledigung mit dieser Institution zu vervollkommnen. Fast jede der Interamerikanischen Konferenzen befaßte sich mit einem solchen Plan, doch wurde das Projekt eines Interamerikanischen Gerichtshofes, dem für den gesamten amerikanischen Kontinent Jurisdiktion zukommen sollte, bisher noch nicht verwirklicht1 21 . Wesentlich weiter kam man in Zentralamerika. Es gelang hier, einen Gerichtshof - und zwar den ersten Internationalen Gerichtshof der Völkerrechtsgeschichte - einzusetzen und während zehn Jahren tätig werden zu lassen. Für einen zweiten Gerichtshof kam in jüngster Zeit der juristische Rahmen in Geltung, ohne daß bisher eine Einsetzung erfolgte. A. Der Zentralamerikanische Gerichtshof vom 20. Dez. 1907

Der den Gerichtshof einsetzende, in Washington unterzeichnete Vertrag122 wurde Anfang des Jahres 1908 von allen fünf beteiligten Staaten, Costa Rica, Guatemala, Honduras, Nicaragua und EI Salvador, ratifiziert. Sein Inhalt läßt sich, soweit er die Regelung der zwischenstaatlichen Streitigkeiten betrifft123, folgendermaßen skizzieren: a) Gericht: Eine Kammer mit fünf Richtern, je einer aus jedem Vertragsstaat, die für fünf Jahre gewählt sind. Die Zusammensetzung bleibt unverändert, so daß die Richter auch bei Verfahren, an denen ihr Heimatstaat beteiligt ist, teilnehmen. Entscheidungen ergehen mit einfacher Mehrheit. Das Verfahren ist festgelegt, Zweifelsfragen werden vom Gericht entschieden. Einstweilige Verfügungen sind vorgesehen. 120 Hinsichtlich des Verhältnisses dieses Schiedsgerichtes zum neuen Zentralamerikanischen Gerichtshof siehe weiter unten im Text. 121 Über die bisherigen Diskussionen s. Warren, S. 141 ff. m Text: Martens 3, 3, 105. 1!3 Der Vertrag gibt darüber hinaus auch Privatpersonen ein Klagerecht gegen die Vertragsstaaten, wenn die Verletzung internationaler Abmachungen behauptet wird und der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft ist oder verweigert wird.

2. Kap.: Amerikanische Rechtsprechungsorgane

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b) Zuständigkeit: Die zwischen den Vertragsstaaten auftretenden Konfliktsfälle unterliegen ohne Ausnahme der obligatorischen Gerichtsbarkeit. Konflikte eines Vertragsstaates mit einem Drittstaat können nach Abschluß eines Kompromisses vorgelegt werden. c) Geltungsdauer: Zehn Jahre ab der letzten Ratifikation 124• Die Abmachungen werden ipso facto hinfällig, wenn einer der Vertragsstaaten seine Staatsform ändert125 • Soweit die Diskussionen126 um diesen ersten Internationalen Gerichtshof seine juristische Struktur betreffen, werden vor allem die ausnahmslose obligatorische Zuständigkeit, die Abhängigkeit der Richter von ihren Heimatstaaten, das unzureichend geregelte Prozeßverfahren und die fehlende Möglichkeit, die Urteile zu erzwingen, als Mängel aufgeführt. Die Diskussionen sind insoweit abgeschlossen und sollen hier nicht fortgesetzt werden. B. Der Zentralamerikanische Gerichtshof gemäß Art. 14-16 der Charta der Organisation zentralamerikanischer Staaten vom 12. Dezember 1962117

Die neue Charta der Organisation zentralamerikanischer Staaten (Organizaci6n de Estados Centroamericanos, ODECA), die die in San Salvador am 14. Oktober 1951 abgeschlossene ersetzte und wie diese den Namen "Charta von San Salvador" erhielt, trat am 30. März 1965 mit der letzten Ratifikation für die Staaten Costa Rica, Guatemala, Honduras, El Salvador und Nicaragua in Kraft128• Panama ist der Beitritt freigesteil t. Die Artikel 14-16 setzen einen "Zentralamerikanischen Gerichtshof" ein, der folgendermaßen ausgestaltet ist: a) Gericht: 5 Richter, bestehend aus dem "Präsidenten der Justizgewalt" der Vertragsstaaten, womit die Präsidenten der obersten Ge124 Der Gerichtshof stellte dementsprechend am 12. März 1918 seine Tätigkeit ein. m Diese Klausel ist die rechtliche Formulierung einer im Jahre 1907 abgegebenen programmatischen Erklärung des Außenministers von Ecuador, Tobar, der von den amerikanischen Republiken verlangt, auf ihrem Kontinent nur solche Regierungen anzuerkennen, die in Übereinstimmung mit der verfassungsmäßigen Ordnung an die Macht gelangt sind ("Tobar-Doktrin"). Als Gegengewicht gegen diese interventionistische Praxis entstand im Jahre 1930 die "Estrada-Doktrin", mit der der mexikanische Außenminister Estrada ein solches Verhalten als Verletzung der Souveränität anderer Staaten verurteilt. Vgl. Schaumann in Wörterbuch des VR, Stichwort "Estrada-Doktrin". 128 Vgl. z. B. Eyma; Politis S. 13·9 ff.; Hudson S. 24 f., ders. in AJIL 26 (1932 S. 759-86; Kunz in Wörterbuch des VR, Stichwort "Zentralamerikanischer Gerichtshof". 127 Text: engl. in AJIL, Vol. 58 (1964) S. •134 ff. 128 Sand, Journal du droit international, 1966, Nr. 1, S. 85.

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1.

Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

richtshöfe gemeint sein werden. Sie treten bei Bedarf oder nach Einberufung durch den Exekutivrat der ODECA zusammen. b) Zuständigkeit: Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten, welche fakultativ vorgelegt werden können. Erstellung von Gutachten hinsichtlich der Rechtsvereinheitlichung Zentralamerikas auf Ersuchen der Außenministerkonferenz oder des Exekutivrates der ODECA. Die näheren Gerichtsverfassungs- und Verfahrensbestimmungen, die nach Art. 26 der Charta vom Gericht selbst ausgearbeitet werden sollen, liegen nach Auskunft der ODECA bisher noch nicht vor, da das Organ noch nicht zusammengetreten ist. Die Bezeichnung des Organs als Internationales Gericht ist insofern etwas zweifelhaft, als nach der Regelung der Charta eine Einflußmöglichkeit auf die Zusammensetzung des Tribunals gegeben ist. Alle Vertragsstaaten können zu jeder Zeit, also auch unmittelbar vor oder sogar während eines Verfahrens die personelle Besetzung der Präsidien der eigenen obersten Gerichte, von denen die internationalen Richter gestellt werden, verändern. Die Unabhängigkeit der Richter, die ja in jedem Fall hohe Beamte der Parteien sind, ist nicht garantiert. Auch setzt ihre Bewährung im innerstaatlichen Gerichtsdienst keine Kompetenz in Völkerrechtsfragen voraus. Engel' 29 weist zurecht darauf hin, daß die stark unterschiedlichen beiden Aufgaben des Gerichts eine sehr vielseitige Qualifikation der Richter erfordert. Die Problematik des Ausdrucks "Rechtsstreitigkeiten" ist in der Literatur hinlänglich diskutiert. Allerdings wird sie hier kaum zu Schwierigkeiten führen, da Konflikte, die von den Parteien, wie hier erforderlich, freiwillig einem Gericht vorgelegt werden, immer Rechtsstreitigkeiten sein werdentso. Der Ansicht Sands 131 kann nicht zugestimmt werden, daß dem Gerichtshof bald mit dem gern. der Übergangsbestimmung des Generalvertrages vom 13. Dezember 1960132, der dieselben Staaten verbindet, zu erwartenden Abkommen über die Angliederung der Organe des Gemeinsamen Marktes Zentralamerikas an die der ODECA auch die AufAJIL, Vol. 58 (1964), S. 130. Vgl. die neuere Auffassung, z. B. bei Wengler, S. 27, daß eine Rechtsstreitigkeit gerade eben dann nicht gegeben ist, wenn derjenige, der von dem anderen ein Tun oder Unterlassen oder einen Verzicht begehrt, selbst zugibt, daß er keinen auf Völkerrecht gestützten Anspruch hat. 131 Journal du droit international, 1966, Nr. 1, S. 87. 132 Text: UN Treaty Series, 455, 3 ff. 129

130

3. Kap.: Teilnahme am überregionalen Rechtsprechungssystem

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gaben des dort vorgesehenen Schiedsgerichts133 übertragen werden. Die im Generalvertrag geschaffenen und zur Zusammenlegung mit der ODECA vorgesehenen Organe sind die des Kapitels IX, also der Zentralamerikanische Wirtschaftsrat, der Exekutivrat und das ständige Sekretariat. Das gern. Art. XXVI ad hoc zusammenkommende Schiedsgericht ist kein Organ der Wirtschaftsgemeinschaft. Die Auffassung Sands hätte auch die von den Vertragsstaaten kaum beabsichtigte Folge, daß die Streitigkeiten, die gern. Art. XXVI obligatorisch einem Schiedsgericht vorzulegen sind, plötzlich vor einem ganz anderen Entscheidungsorgan zu verhandeln wären134•

Drittes Kapitel

Teilnahme der amerikanischen Republiken an überregionalen Institutionen internationaler Rechtsprechung Die Bindungen der amerikanischen Republiken an Gerichts- und Schiedsgerichtsinstitutionen sind nicht auf den regionalen Völkerrechtsbereich, dessen Darstellung wir abgeschlossen haben, beschränkt. An entsprechenden überregionalen Einrichtungen kommen in Betracht: der Haager Schiedshof, der Ständige Internationale Gerichtshof, dessen Nachfolger, der Internationale Gerichtshof, und die Genfer Generalakte in den beiden Fassungen vom 26. September 1928 und 28. April 1949. Die Generalakte wird hier nicht behandelt, sie kann für den Völkerrechtsverkehr in Amerika keine Rolle spielen, da ihr nur ein amerikanischer Staat, Peru, im Jahre 1931, beigetreten istl. Dagegen stehen die anderen genannten Organe für die Schlichtung amerikanischer Konflikte zur Verfügung. Da sie jedoch hinreichend bekannt und besprochen sind, genügt für den Zweck der vorliegenden Untersuchung eine knapp gehaltene Darstellung der entscheidenden Vertragsgedanken, verbunden mit der Aufführung derjenigen amerikanischen Staaten, für die das jeweilige System in Geltung kam. Vgl. die Darstellung am Ende des vorangehenden Abschnitts. Daß Konflikte der Wirtschaftszone nicht an den Zentralamerikanischen Gerichtshof gehen sollen, liegt auch einem interessanten Vertragsentwurf eines mittelamerikanischen Juristen zugrunde. Diesem Entwurf zufolge soll dem Zentralamerikanischen Gerichtshof ein ständiges Gericht für Fragen des Zentralamerikanischen Marktes ("Sala Permanente de Justicia") angegliedert werden. Offen bleibt natürlich auch hier, ob die Vertragsstaaten ihre Verpflichtung zur Schiedsgerichtsbarkeit in eine Verpflichtung zur Vorlage an ein ständiges Gericht umzuwandeln bereit sind. Vgl. Emilio Maza. 1 16th Report of the PCIJ, S. 45. 138 184

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1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

Erster Abschnitt Oberregionale Schiedsgerichtsbarkeit

Ständiger Schiedshot im Haag, eingesetzt durch die beiden I. Haager Konventionen vom 29. 7. 1899 und 18.10. 19072 a) Schiedsgericht: Die fünf Mitglieder des Tribunals werden unter Mitwirkung der Parteien ad hoc aus einer Richterliste ausgewählt. Das Verfahren ist festgelegt, aber nur subsidiär gegenüber Parteivereinbarungen. b) Zuständigkeit: Alle Streitfälle, die fakultativ vorgelegt werden. Diesem Schiedssystem, sei es in der Form der Ersten Raager Konferenz von 1899, sei es in der der Zweiten Konferenz von 1907, gehört die Mehrzahl der amerikanischen Republiken an. Der jüngste Beitritt ist der von Honduras im Jahre 1961. Lediglich Costa Rica blieb fern3 • Zweiter Abschnitt Oberregionale Gerichtsbarkeit

Ständiger Internationaler Gerichtshof (errichtet 1920) und sein Nachfolger, Internationaler Gerichtshof (errichtet 1946)' Die Struktur der beiden Organe ist identisch: a) Gericht: Ständiges Richterkollegium mit 15 Mitgliedern. Hat einer der Richter die Staatsangehörigkeit einer Partei, so kann die andere Partei einen Richter hinzuwählen (Art. 3, 31 Stat.). Das Verfahren ist festgelegt (Art. 39-64 Stat.). b) Zuständigkeit: fakultativ für alle Streitigkeiten. Es besteht die Möglichkeit, sich für genau bezeichnete Rechtsstreitigkeiten einem Obligatorium zu unterwerfen (Art. 36 Stat.). 1. Der Ständige Internationale Gerichtshof stand allen Mitgliedsstaaten des Völkerbundes offen. Amerikanische Mitglieder5 waren:

Argentinien, Bolivien, Brasilien (bis Juni 1928), Chile (bis Juni 1940), Costa Rica (bis Januar 1927), Ecuador (ab September 1934), Guatemala 2 Für Text- und Literaturquellen s. Schlochauer, Wörterbuch des VR, Stichwort: .,Ständiger Schiedshof". 3 Rapports du Conseil Administratif de la Cour Permanente d'Arbitrage; Higgins, S. 527 ff.; Stone, Legal Controls, S. 79. 4 Für Text- und Literaturquellen s. Schlochauer, Wörterbuch des VR, Stichwort : .,Internationaler Gerichtshof". 5 Alle Daten: Walters, Vol. I, S. 64 f.

3. Kap.: Teilnahme am überregionalen Rechtsprechungssystem

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(bis Mai 1938), Haiti (bis April 1944), Honduras (bis Juli 1938), Kolumbien, Kuba, Mexiko (ab September 1931), Nicaragua (bis Juni 1938), Panama, Paraguay (bis Februar 1937), Peru (bis April 1941), El Salvador (bis August 1939), Uruguay, Venezuela (bis Juli 1940). Einige dieser Staaten hatten das Unterzeichnungsprotokoll der Gerichtsstatuten unterzeichnet und ratifiziert. Ihnen stand dadurch der Gerichtshof auch während ihres Fernbleibens vom Völkerbund offen6 : Brasilien (1921), Chile (1928), Haiti (1921), Paraguay (1933), Peru (1932), El Salvador (1930), Venezuela (1921). Von den Staaten, denen der Gerichtshof offenstand, unterwarfen sich dem Obligatorium7 : Bolivien 1936 für 10 Jahre Brasilien 1921 für 15 Jahre Costa Rica 1920-1927 Dominikanische Republik 1933 Haiti 1921 Kolumbien 1937 Nicaragua 1935 Panama 1921 Paraguay 1933 Peru 1932 für 10 Jahre El Salvador 1930 Uruguay 1921

-

auf Gegenseitigkeit, mit Vorbehalt, auf Gegenseitigkeit, auf Gegenseitigkeit,

-

mit Vorbehalt,

- auf Gegenseitigkeit, - -- mit Vorbehalt, - mit Vorbehalt, - auf Gegenseitigkeit,

2. Der Internationale Gerichtshof steht allen amerikanischen Staaten als Mitgliedern der Vereinten Nationen offen8 • Dem Obligatorium unterwarfen sich9 : Bolivien 1948 für 5 Jahre Brasilien 1948 für 5 Jahre Dominikanische Republik 1933, gilt noch fort Guatemala 1947 für 5 Jahre Haiti 1921, gilt noch fort Honduras 1948, 1954, für je 6 Jahre, 1960 undeterminiert Kolumbien 1937, gilt noch fort Mexiko 1947 Nicaragua 1935, gilt noch fort Panama 1933, gilt noch fort Paraguay 1933, gilt noch fort

auf Gegenseitigkeit, auf Gegenseitigkeit, mit Vorbehalt, auf Gegenseitigkeit, mit Vorbehalt, mit Vorbehalt, auf Gegenseitigkeit,

8 Alle Daten: 16th Report of the PCIJ, S. 50 f. In Klammern das Datum der Ratifikation des Protokolls. 7 Alle Daten: 16th Report of the PCIJ, S. 338 ff. Die Jahreszahlen geben den Zeitpunkt der Ratifikation an, soweit diese nicht notwendig den Zeitpunkt der Unterzeichnung. 8 Art. 93 UN-Charta, Art. 35 Abs. I IGH-Statuten. u Alle Daten: CIJ Annuaire.

48

1. Teil: Gerichts-.und Schiedsgerichtsbindungen

El Salvador 1930, gilt noch fort USA 1946 Uruguay 1921, gilt noch fort

mit Vorbehalt, mit Vorbehalt, auf Gegenseitigkeit,

Viertes Kapitel

Überblick über die Lösung von Konkurrenzfragen

Im Verlauf der nun abgeschlossenen Darstellung des amerikanischen Vertragssystems sind mehrfach, wo es besonders naheliegend erschien, Konkurrenzfragen angeschnitten worden. Die Problematik, die bei der Anwendung der Verträge auftreten kann, ist damit jedoch keineswegs erschöpft. Viele der Abkommen enthalten Überschneidungen, regeln also denselben Sachverhalt zwischen denselben Parteien auf verschie-dene Weise. Wir beabsichtigen nun in diesem Kapitel nicht, diese Kon~ kurrenzprobleme im einzelnen zu lösen, es wäre dies eine juristischmathematische Aufgabe, für deren Bearbeitung die Anwendung elektronischer Rechengeräte versucht werden könnte1• Vielmehr wollen wir durch ein kurzes Eingehen auf die völkerrechtliche Konkurrenzlehre eine allgemeine Orientierung .für die Zuordnung der Verträge vermitteln2 • Erster Abschnitt Materielles Konkurrenzrecht I. Das Bestehen einer Konkurrenz Die Normenkonkurrenz kann auf verschiedenen Ebenen bestehen: 1. Im Sachbereich der Bindung zu rechtlicher Streitschlichtung.

z. B.: Staat A ist mit Staat B gebunden: a) in Vertrag

I: für alle Streitigkeiten

b) in Vertrag II: für alle Rechtsstreitigkeiten c) in Vertrag III: für Grenzfragen 1 Jeder mögliche Streitfall zwischen den 21 amerikanischen Republiken wäre unter die jeweiligen Vertragsbindungen zu subsumieren. Zudem wären dabei einseitige Vorbehalte zu berücksichtigen, die auf Gegenseitigkeit wirken. 2 Wir folgen im wesentlichen Kuneralp. Ferner Klein, Wörterbuch des VR, Stichwort: "Vertragskonkurrenz". Da die Frage nur am Rande des Untersuchungsthemas liegt, beschränken wir uns auf die grundlegenden Fragen. In eine nähere Auseinandersetzung mit Literatur und Rechtsprechung treten wir nicht ein.

4. Kap.:

Konkurrenzprobleme

49

2. In der Intensität der Bindung z. B.: die Streitparteien sind gebunden: a) in Vertrag I: obligatorisch ohne Notwendigkeit eines Kompromisses b) in Vertrag II: obligatorisch mit Notwendigkeit eines Kompromisses c) in Vertrag III: fakultative Schiedsregelung 3. In der Entscheidungszuständigkeit z. B.: die Streitparteien sind gebunden: a) in Vertrag I: zur Vorlage an den IGH b) in Vertrag II: zur Vorlage an Schiedsgericht X c) in Vertrag III: zur Vorlage an Schiedsgericht Y 11. Die konkurrierenden Vertragsformen

Folgende Kombinationen sind denkbar: 1. Konkurrenz zweier bilateraler Schiedsverträge.

2. Konkurrenz zweier multilateraler Schiedsverträge. 3. Konkurrenz eines bilateralen Schiedsvertrages mit einem multilateralen. 4. Konkurrenz eines bilateralen Schiedsvertrages mit einer Schiedsklausel. 5. Konkurrenz eines multilateralen Schiedsvertrages mit einer Schiedsklausel. 6. Konkurrenz zweier Schiedsklauseln. 111. Die Lösung der Konkurrenzfrage 1. Grundsatz der Spezialität

a) Der bilaterale geht dem multilateralen Vertrag vor. b) Die intensivere geht der weniger intensiven Bindung vor. c) Das besonders angepaßte geht dem allgemeineren Verfahren vor. Überschneiden sich diese Spezialitätskriterien, so gelten folgende Prioritäten: Das wichtigste Kriterium ist die Intensität der Bindung. Der die Parteien am strengsten bindende Vertrag geht daher immer vor, dem bilateralen, wenn es sich um eine multilaterale Bindung han4 Gessner

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1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

delt, dem besonders angepaßten, wenn es sich um einen allgemeinen Vertrag handelt. Bei gleicher Intensität der Bindung geht der bilaterale dem multilateralen Vertrag vor, handelt es sich jedoch bei letzterem um ein Abkommen, das besonderen Zwecken dient und ihnen besonders angepaßt ist, so hat dieses Priorität. 2. Grundsatz der Subsidiarität Vertragsregelungen etwa der Art, daß eine Instanz nur nach Nichtzustandekommen der Entscheidung einer anderen Instanz anzugehen ist, finden sich im amerikanischen System mehrfach, werfen aber keine Probleme auf. Eine Regelung, daß erst den Bindungen eines Vertrages entsprochen werden muß, bevor andere Bindungen in Anspruch genommen werden dürfen, findet sich innerhalb des Systems richterlicher Streitschlichtung nicht, wohl aber im Verhältnis des gesamten OAS-Streitregelungssystems zum UNO-Schlichtungssystem. Sie wird daher erst im folgenden Kapitel behandelt. Schließlich könnte eine Bindung derart lauten, daß eine Entscheidungsinstanz einen Streitfall erst beurteilen darf, wenn keine andere richterliche Instanz zuständig ist. Dafür findet sich in Amerika kein Beispiel. 3. Grundsatz der Prävention Nach diesem Grundsatz geht das zuerst angegangene Gericht einem später mit dem Rechtsfall befaßten vor, wenn es sich für zuständig erklärt hat. Zweiter Abschnitt Formelles Konkurrenzrecht

Unter diesem Titel interessiert, durch welche Instanz und in welchem Verfahren über die Frage der Vertragskonkurrenzen entschieden wird. I. Entscheidungsinstanz für Konkurrenzfragen Drei Möglichkeiten bestehen: 1. Die Parteien entscheiden selbst

2. Das Tribunal entscheidet 3. Eine dritte Instanz entscheidet Die heute allgemein vertretene Meinung gibt, wenn sich die Parteien die Entscheidung dieser Frage nicht selbst vorbehalten haben, die Ent-

5. Kap.: Rechtsprechung und nicht-richterliche Streitschlichtung

51

Scheidungskompetenzen auch ohne ausdrückliche Regelung dem richterlichen Spruchkörper. II. Verfahren zur Prüfung der Konkurrenzfragen

Die Prüfung kann erfolgen 1. ex oficio 2. auf Einrede

Die Prüfung nur auf Einrede ist heute geltendes Völkerrecht. Stillschweigende Verhandlung ohne Einrede wird in der Wirkung einem entsprechenden Kompromiß gleichgestellt. Fünftes Kapitel

Stellung des für Amerika in Geltung gekommenen Vertragssystems internationaler Rechtsprechung im Rahmen des Systems friedlicher Regelung von Streitigkeiten Das bis jetzt dargestellte Vertragssystem betrifft die Konfliktsbeilegung durch bindende Entscheidung nach rechtlichen Normen. Daneben bestehen nach allgemeinem Völkerrecht und Vertragsrecht die Streiterledigungsmittel durch Diplomatie oder unter ihrer Mitwirkung, wie Verhandlungen, gute Dienste, Vermittlung, Untersuchungs- und Ausgleichsverfahren. Zur richtigen Einordnung unseres Untersuchungsgegenstandes soll ein kurzer Überblick gegeben werden über diese weiteren Streiterledigungsmittel, soweit sie in Amerika besonderen vertraglichen Regelungen unterworfen sind, sich also nicht schon unmittelbar aus dem allgemeinen Völkerrecht ergeben. I. Amerikanische Vereinbarungen 1. Bindungen, die die richterliche Kompetenz begrenzen

Sämtliche Verträge, die rechtliche Streitbeilegungsverfahren institutionalisieren, stehen unter dem Vorbehalt, daß zuerst eine Regelung auf diplomatischem Wege zu versuchen sei. Das Fehlschlagen dieser Versuche muß als Zuständigkeitsvoraussetzung des jeweiligen Gerichts und Schiedsgerichts angesehen werden1• 1 Vgl. die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Problem der Ausschöpfung der diplomatischen Verhandlungsmöglichkeiten im Urteil des Zentralamerikanischen Gerichtshofes vom 30. September 1916 (Prozeß Costa Rica - Nicaragua); s. a. Eyma S. 116 ff.

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1. Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

2. Bindungen ohne Einfluß auf die richterliche Kompetenz Nicht berührt wird die sachliche Zuständigkeit der Gerichte durch vertragliche Vereinbarungen über gute Dienste und Vermittlung2 und über die Einschaltung von Untersuchungs- und Ausgleichskommissionen. Diese letzteren Einrichtungen, die die Möglichkeit einer objektiven Prüfung des Streitfalls (so die Untersuchungskommissionen) und die Unterbreitung eines Streitbeilegungsvorschlages (so die Ausgleichskommissionen) vorsehen, waren in Amerika vielfach Objekt besonderer Verträge, besonders der sog. Bryan-Verträge3, des Gondra-Vertrages von 1923 4, des Allgemeinen Interamerikanischen Vergleichsvertrages von Washington 19295 und des Interamerikanischen Vermittlungsvertrages von Buenos Aires 19366 • Auch der Pakt von Bogotä stellt neben den bereits behandelten Streitbeilegungsregelungen den Vertragspartnern ein Untersuchungs- und Ausgleichssystem zur Verfügung7 • Im Interamerikanischen System entstanden nach dem 2. Weltkrieg drei ständige nicht-richterliche Streitschlichtungsorgane, das OASAußenministertreffen als Konsultationsorgan8 , der OAS-Rat als vorläufiges Konsultationsorgan unter der Geltung der OAS-Charta von 19489 und als Vermittlungsorgan mit eigenem Zuständigkeitsbereich nach der geänderten Charta von 196710, schließlich die Interamerikanische Friedenskommission als Untersuchungs- und Ausgleichsorgan11 • Vgl. z. B. Pakt von Bogotfl Art. IX-XIV. Dies waren bilaterale Verträge über die Einschaltung von Untersuchungskommissionen, die von den USA in den Jahren 1913/14 abgeschlossen wurden; s. Schlochauer, Wörterbuch des VR, Stichwort: "Byran-Verträge". Ferner insbes. Lange, S. 11 ff. und 23 ff. 4 Es handelt sich hier um einen multilateralen Vertrag im Rahmen der Panamerikanischen Bewegung, in dem sich die Parteien mangels schiedsgerichtlicher Möglichkeiten zur Einsetzung von Untersuchungskommissionen verpflichten. Vgl. Kunz, Wörterbuch des VR, Stichwort: "Gondra-Vertrag" und Berner, S. 66 ff. 5 Dieser Vertrag wurde zusammen mit dem auf S. 21 behandelten Interamerikanischen Schiedsvertrag auf einer Sonderkonferenz der Panamerikanischen Bewegung in Washington beschlossen und erweitert die Aufgaben der "Gondra-Kommission" durch eine Vergleichstätigkeit. Yepes, Bd. II, S. 47 nennt diesen Vertrag den einzigen, der sich von allen vor dem Pakt von Bogotil abgeschlossenen Verträgen zu erhalten lohnt. Vgl. a. Berner, S. 94 ff. und Kunz, Wörterbuch des VR, Stichwort: "Gondra-Vertrag". 6 Nach diesem Vertrag haben die Streitparteien die Möglichkeit, aus einer Liste hervorragender amerikanischer Juristen einen Vermittler zu wählen. An den Sitzungen nehmen außer dem Vermittler als Vorsitzendem jeweils ein bevollmächtigter Vertreter der Parteien teil. Vgl. Berner, S. 216 f. 7 Art. XV bis XXX. 8 Art. 39 OAS-Charta, nach deren Anderung im Jahre 1967 Art. 59. 8 Art. 52. 10 Art. 82-84. 11 Die Friedenskommission hatte bis 1967 als Rechtsgrundlage Resolution XIV der 2. Konsultationskonferenz von Havanna (1940) und Resolution IV der 2

3

5. Kap.: Rechtsprechung und nicht-richterliche Streitschlichtung

53

II. Oberregionale Vereinbarungen 12 1. I. Raager Konvention Den Partnern der Verträge von 1899 und 190713 waren die Institute der guten Dienste, der Vermittlung und der Untersuchungskommissionen bereitgestellt14• 2. Völkerbund und Vereinte Nationen

Den Mitgliedern des Völkerbundes15 standen der Völkerbundsrat für alle Streitigkeiten, die zu einem Bruch zwischen den Parteien führen konnten 16, und die Völkerbundsversammlung für Vertragsrevisionen zur Verfügung17• Den Vereinten Nationen gehören alle amerikanischen Staaten an, Sicherheitsrat18 (allgemein) und Vollversammlung19 (peaceful change) erfüllen hier Streitschlichtungsfunktionen, ihre Kompetenz in amerikanischen Streitigkeiten ist aber umstritten. Art. 20 20 der OAS-Charta und Art. II des Bogotä-Paktes sehen vor, daß vor Anrufung des Sicherheitsrates der UNO die OAS-Schlichtungsmethoden, die im Pakt normiert werden, ausgeschöpft sein müssen. Da die letzteren aber so eingerichtet sind, "daß keine wie immer geartete amerikanische Streitigkeit ohne friedliche Lösung in absehbarer Zeit bleiben kann, sollte der Fall einer Unterbreitung unter den Sicherheitsrat nie eintreten können"21. Demgegenüber vertritt Arechaga22 die Ansicht, daß OAS-Mitglieder direkt den Sicherheitsrat anrufen können. Der Sicherheitsrat selbst 5. Konsultationskonferenz von Santiago (1956). Vgl. Meyer-Lindenberg, ZaöRVR (56-57), S. 549 f. und Fenwick, AJIL 1954, 469. Seit Änderung der OAS-Charta im Jahre 1967 ist die Kommission als

"Interamerikanisches Komitee zur friedlichen Streiterledigung" ein Unterorgan des OAS-Rats, s. Art. 83-90 OAS-Charta 1967. 12 Keine von ihnen schränkt richterliche Kompetenzen ein. 13 Vgl. o. 3. Kapitel. u Vgl. Art. 2-36 der I. Haager Konvention von 1907. 15 Amerikanische Mitglieder s. o. 3. Kap. 2. Abschn. 18 Art. 12 VBS. 17 Art. 19 VBS. 18 Vgl. Art. 37 UNS. 19 Art. 14 UNS. 20 Jetzt Art. 23. 21 Kunz, Archiv VR 1, 414. Wie Kunz auch Puig S. 77. Diese Interpretation entspricht m. E. nicht nur dem klaren Wortlaut der genannten Bestimmungen, sondern auch dem Sinn des ganzen Vertragswerkes von Bogota, der offenbar darauf hinausläuft, die amerikanischen Konflikte im regionalen Bereich zu lösen und als einziges nicht-amerikanisches Organ den IGH mitwirken zu lassen. 22 Rec. 1964 I, S. 429-440.

54

1.

Teil: Gerichts- und Schiedsgerichtsbindungen

hat in einem Streitfall zwischen Guatemala und den USA (1954) seine Kompetenz verneint, später die Diskussion von Streitfällen zwischen dem revolutionären Kuba und den USA, Haiti und der Dominikanischen Republik und zwischen Panama und den USA aber immerhin zugelassen, ohne sich klar über seine Zuständigkeit auszusprechen. Die richtige Lösung dürfte darin zu sehen sein, daß zwischen OASStaaten, die den Pakt von Bogot