Der Genehmigungsanspruch: Über die Rechtsbeständigkeit des Anspruchs auf behördliche Erlaubnis [1 ed.] 9783428499045, 9783428099047


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Der Genehmigungsanspruch: Über die Rechtsbeständigkeit des Anspruchs auf behördliche Erlaubnis [1 ed.]
 9783428499045, 9783428099047

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BERND VOGLER

Der Genehmigungsanspruch

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 832

Der Genehmigungsanspruch Über die Rechtsbeständigkeit des Anspruchs auf behördliche Erlaubnis

Von Bernd Vogler

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Vogler, Bernd: Der Genehmigungsanspruch : über die Rechtsbeständigkeit des Anspruchs auf behördliche Erlaubnis / Bernd Vogler. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 832) Zugl.: Passau, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-09904-4

Alle Rechte vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsdienstleistungen Druck: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09904-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Θ

Meinen Eltern und Ursula Romania

Vorwort Erwirbt der Bürger bereits vor Erteilung einer behördlichen Erlaubnis eine gesicherte Rechtsposition, oder verliert er seinen Anspruch, wenn sich die Sach- oder Rechtslage ändert? Diese praktische Frage ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Im Ergebnis führt sie zu einem Abwägungsmodell, das die Rechtsbeständigkeit des Anspruchs an der Rechtsbeständigkeit der zu erteilenden Erlaubnis bemißt. Erlöschen des Anspruchs und Aufhebung der Genehmigung unterliegen gemeinsamen rechtlichen Grenzen. Daß die Rechtsbeständigkeit vielfach als Spezifikum des Verwaltungsakts betrachtet wird, ist bezeichnend für die nach wie vor bestehenden Dominanz dieser Handlungsform. Der Genehmigungsanspruch erscheint nicht zuletzt deswegen als ungesicherte Rechtsposition, weil die Problematik gemeinhin unter der Überschrift des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts für die verwaltungsgerichtliche Verpflichtungsklage behandelt wird. Deshalb galt es, die theoretischen Grundlagen für eine Dogmatik des Genehmigungsanspruchs fruchtbar zu machen und die Auswirkungen anhand exemplarischer Rechtsgebiete zu skizzieren. Das konkrete Gewicht der beschriebenen Grundsätze in der Vielzahl möglicher Anwendungsfälle muß sich freilich in der Praxis und in weiteren Untersuchungen erweisen. Die Arbeit wurde im Wintersemester 1998/99 von der Rechts wissenschaftlichen Fakultät der Universität Passau als Dissertation angenommen. Sie wurde im Februar 1999 abgeschlossen. Mein Dank gilt Herrn Professor Dr. Dirk Heckmann, der mich stets unterstützt und mir den nötigen inhaltlichen Freiraum gewährt hat. Herrn Professor Dr. Hartmut Söhn danke ich für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens, dem Verlag Duncker & Humblot, namentlich Herrn Professor Norbert Simon für die Aufnahme der Arbeit in die Schriften zum Öffentlichen Recht sowie Herrn Heiko Vogler für seine Unterstützung und die kritische Lektüre des Manuskripts. Vor allem aber danke ich meinen Eltern, Helga und Franz Vogler, die mir immer zur Seite gestanden haben. Ihnen und Ursula Romania, die mich mit viel Verständnis und Kraft begleitet hat, widme ich dieses Buch. Bernd Vogler

Inhaltsverzeichnis Einführung und Gang der Untersuchung

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Erstes Kapitel

Entstehung und Durchsetzung des Genehmigungsanspruchs § 1 Grundlagen: Der Anspruch im Verwaltungsrecht I. Der Anspruch 1. Anspruchsbegriff 2. Anspruch, Forderung und Schuld 3. Anspruchsinhalt 4. Der Anspruch als relatives Recht 5. Der Anspruch im Verwaltungsrecht - Anspruch und subjektives öffentliches Recht II. Der Anspruch als Ausschnitt des Verwaltungsrechtsverhältnisses III. Begünstigungsanspruch und Genehmigungsanspruch als verwaltungsrechtliche Ansprüche des Bürgers 1. Der Begriff des Begünstigungsanspruchs 2. Arten der Begünstigungsansprüche 3. Der Genehmigungsanspruch IV. Inhalt und Umfang des Genehmigungsanspruchs V. Anspruchsgläubiger und-Schuldner VI. Die Anspruchsgrundlagen des Genehmigungsanspruchs 1. Gesetzliche Anspruchsgrundlagen 2. Parteidispositive Anspruchsgrundlagen 3. Begründung von Ansprüchen durch Einzelakt § 2 Die Entstehung des Genehmigungsanspruchs I. Die Erfüllung der Anspruchs Voraussetzungen als Entstehungsgrund II. Anspruchsvoraussetzungen des Genehmigungsanspruchs 1. Die Genehmigungsvoraussetzungen als Anspruchstatbestand 2. Insbesondere: die Antragstellung als Entstehungsvoraussetzung 3. Insbesondere: zeitlich beeinflußte Anspruchsmerkmale III. Die eigenständige Bedeutung des Genehmigungsanspruchs 1. Die Irrelevanz der Genehmigungserteilung 2. Der entstandene Anspruch als eigenständige rechtliche Kategorie § 3 Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. Titulierung und Vollstreckung des Genehmigungsanspruchs I. Anspruch und Erkenntnisverfahren II. Die Vollstreckung des Genehmigungsanspruchs im System der dualen Vollzugsordnung

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Inhaltsverzeichnis

1. Die diagonale Trennlinie als Bindeglied in der Vollstreckungsordnung 2. Das Vollstreckungsverfahren im Überblick III. Einwendungen gegen die Vollstreckung 1. Einwendung und Anspruch-begriffliche Grundlagen 2. Die öffentlich-rechtliche Vollstreckungsgegenklage als Rechtsbehelf der Behörde 3. Urteil und Änderung - Die Vollstreckungsgegenklage als prozessualer Ausdruck einer rein materiell-rechtlichen Problematik

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Zweites Kapitel

Anspruch und Änderung

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§ 1 Erlöschen und Hemmung des Genehmigungsanspruchs 49 I. Die Erfüllung als anspruchsimmanenter Erlöschensgrund 49 II. Dispositionen über den Anspruch 49 1. Verzichtbarkeit des Genehmigungsanspruchs 50 2. Wechsel in der Aktivlegitimation 51 III. Anspruchshemmung 54 1. Verjährung 54 2. Allgemeine Schranken der Rechtsausübung 56 IV. Spezialgesetzliche Durchsetzungshindemisse 58 1. Die Umwandlung des Primäranspruchs nach § 42 Abs. 7 BauGB 58 2. Hemmung des Baugenehmigungsanspruchs nach §§ 14, 15 BauGB 60 V. Das Erlöschen aufgrund Unmöglichkeit 61 1. Unmöglichkeit aufgrund Unwirksamkeit der Genehmigung 63 2. Unmöglichkeit aufgrund schlichter Rechtswidrigkeit? 65 a) Rechtswidrigkeit als Verweis auf die Kernproblematik 65 b) Rechtswidrigkeit als Maß der Erfüllbarkeit des Anspruchsinhalts? 66 c) Die Irrelevanz von Aufhebbarkeit und Rechtswidrigkeit 67 VI. Exkurs: Erlöschensgründe für nichtgesetzliche Ansprüche 69 VII. Fazit-Die Erklärungslücke bei Änderungen der Sach- oder Rechtslage 71 §2 Die Änderungssituation 72 I. Einführende Überlegungen: „Das Recht auf der Zeitachse" 72 1. Änderung und Lebenswirklichkeit 72 2. Die Änderung in der Rechtsordnung 73 II. Typologie der Änderung 74 1. Änderungssituation, Änderungsgegenstand und Nachträglichkeit der Änderung 74 2. Rechtserheblichkeit und Änderungsrelevanz 75 3. Änderungsfolge und Änderungsnorm 75 4. Änderungsnorm und Gesetzesvorbehalt 76 5. Die Differenzierung der Änderungsnormen nach dem Änderungssachverhalt . 78 III. Die Illegalisierung des Anspruchs als Untersuchungsgegenstand 79 IV. Illegalisierung und Rechts- und Sachänderung 79 1. Änderungen der Rechtslage 80 a) Beispiele für Rechtsänderungen 80 b) Problempunkte der Rechtsänderung 81

Inhaltsverzeichnis 2. Änderungen der Sachlage 84 V. Zusammenfassung und Fortgang der Untersuchung 84 § 3 Der Grundsatz der Änderungsrelevanz. Änderungsrelevanz und Rechtsbeständigkeit in der bisherigen Behandlung 85 I. Der Grundsatz der Änderungsrelevanz 85 1. Der maßgebliche Entscheidungszeitpunkt im Prozeß als Ausgangspunkt für die Problemerkenntnis 85 2. Die Abkehr vom prozessualen Blickwinkel durch Verweis auf das materielle Recht 86 3. Der Grundsatz der Änderungsrelevanz 88 4. Die unzureichende Entwicklung von Maßstäben des materiellen Rechts 89 II. „Grundsatzkonforme" Rechtsgebiete 90 1. Die Änderungsbehandlung für Baugenehmigungsansprüche 90 2. Die Parallele im Umweltrecht 92 III. Abweichungen vom Grundsatz- Fälle der Rechtsbeständigkeit von Ansprüchen 93 1. Die „Statik" im Gewerbe-und Berufszulassungsrecht 93 2. Die „Statik" der Hochschulzulassung 95 3. Die Stellungnahmen in der Literatur 96 IV. Zusammenfassung und Fazit 97 § 4 Dogmatische Grundlagen der Änderungsbehandlung 98 I. Die rechtliche Behandlung von Rechtsänderungen 98 1. Intertemporales Recht als Grundlage der Änderungsbehandlung 98 2. Der Regelungsgehalt des intertemporalen Rechts 99 a) Die zeitliche Regelungskompetenz des Gesetzgebers 99 b) Übergangssituation und Inkrafttreten 100 c) Anwendungsvorrang und Geltungsbeendigung 101 3. Die Bestimmung des Anspruchsbestands durch das intertemporale Recht 103 4. Die Rechtsnatur des intertemporalen Rechts aus Anspruchssicht 104 a) Übergangsrecht als Erlöschensnorm 104 b) Übergangsrecht als Rechtmäßigkeitsbestimmung 104 5. Rechtliche Bindungen für ÜberleitungsVorschriften 106 a) Verfassungsrechtlich gebotene „Besitzstandswahrung" durch Grundrechte 107 b) Allgemeiner Vertrauensschutzgrundsatz 110 c) Die Rückwirkungsgrundsätze 112 aa) Der Inhalt der Rückwirkungsgrundsätze 113 bb) Die Rückwirkungsschranken bei Genehmigungsansprüchen 116 6. Das Berücksichtigungsgebot 117 a) Das Berücksichtigungsgebot als Anforderung der tatbestandlichen Rückanknüpfung 117 b) Das Berücksichtigungsgebot als gemeinsame Grundlage zeitlich wirksamen Verfassungsrechts 119 7. Die rechtliche Behandlung beim Fehlen von Überleitungsvorschriften 122 a) Die Schaffung „ungeschriebenen Übergangsrechts" durch Auslegung 122 b) Die Identität der Rechtsfolgen und der rechtlichen Bindungen 123 c) Änderungsrelevanz als Auslegungsgrundsatz - „Im Zweifel für das Neurecht" 124 d) Die Entsprechung zu den Derogationssätzen des intertemporalen Rechts . 125 e) Die Änderungsrelevanz als Auslegungsergebnis im Regelfall 127

12

Inhaltsverzeichnis

II. Die rechtliche Behandlung von Sachänderungen 1. Die Bestimmung des Anspruchsbestands durch die Anspruchsnorm a) Die Regelungskompetenz des Gesetzgebers im Normtatbestand b) Einfachgesetzliche „ Besitzstands Währung" als mögliche Folge zeitlicher Fixierungen im Tatbestand 2. Die Rechtsnatur zeitlicher Bestimmungen im Anspruchstatbestand 3. Rechtliche Bindungen 4. Änderungsrelevanz als Auslegungsgrundsatz - „Im Zweifel für den Neusachverhalt" III. Zusammenfassung § 5 Die „Herstellungsfälle" als Anlaß für Bedenken. Einwände gegen den Grundsatz der Änderungsrelevanz I. Die Pflichtwidrigkeit des Behördenhandelns als Ausgangspunkt II. „Systemkonforme" Lösungsansätze 1. Sekundäranspruch auf Geldersatz 2. Die Folgenbeseitigungslast 3. Die Behandlung nach Treu und Glauben und entsprechend § 162 BGB III. Der Ansatz von Fröhler IV. Der allgemeine Herstellungsanspruch 1. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch 2. Vertreter eines verwaltungsrechtlichen Herstellungsanspruchs 3. Einwände gegen einen Herstellungsanspruch V. Der Bestandsschutzanspruch von Kreßel 1. Der grundrechtliche Abwehranspruch 2. Bestandsschutz als Rechtsfolge des Beseitigungsanspruchs 3. Die Bedenken gegen die Rechtsfolge

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Drittes Kapitel

Grundsätze und Grenzen der Anspruchssicherung Grundrechtliche Anforderungen an die Änderungsbehandlung § 1 Die zeitliche Bedeutung der Grundrechtsverletzung I. Anspruchs Verletzung und Änderungsbehandlung II. Die Grundrechtsverletzung durch Nichterfüllung 1. Der Anspruch aus dem Recht - der Genehmigungsanspruch als eingriffsfähige Kategorie 2. Die Grundrechtsverletzung durch rechtswidrige Nichterfüllung a) Die rechtswidrige Ablehnung als Eingriff in den Anspruch b) Alternativ: Das Recht als Eingriffsgegenstand aa) Der Eingriff in das Recht bb) Zeitliche und sachliche Rechtfertigung III. Die zeitliche Bedeutung der Grundrechtsverletzung 1. Die Beseitigungspflicht als grundrechtliche Zukunftswirkung 2. Primäranspruch und die Irrelevanz staatshaftungsrechtlicher Fesseln 3. Die Grundrechtsverletzung als Rechtfertigungserfordernis IV. Zusammenfassung

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Inhaltsverzeichnis § 2 „Statik" und „Dynamik" des Verwaltungsakts als Erklärungsmodell. Der Maßstab für den zeitlichen Gehalt der Grundrechtsverletzung 164 I. Das Änderungssystem für Verwaltungsakte als Rechtfertigungsmodell

164

1. Das Gewicht der Grundrechtsverletzung in der Rechtfertigung 164 2. Die These: Rechtsbeständigkeit von Verwaltungsakten als Maßstab für die Erlöschenswirkung 165 3. Verbindung grundsätzlich unterschiedlicher Regelungsmodelle?

166

4. „Dynamik" und „Statik" des Bescheids als idealtypischer Regelungsgehalt des Änderungssystems 167 II. Die „Dynamik" des Bescheids als Maßstab für das Anspruchserlöschen

168

1. Aufhebungsvorschriften als Ausdruck der „zeitlichen Verletzbarkeit"

168

2. Die Übertragung auf den Anspruch

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3. Das Ergebnis der Übertragung

170

III. Die Bedeutung der „Statik" für die Anspruchssicherung

171

1. Handlungsformspezifischer Vertrauensschutz

171

2. Die Übertragbarkeit grundrechtlich gebotener Statik

173

3. Das Merkmal „öffentliches Interesse"

174

IV. Der verwertbare Gehalt der Aufhebungsvorschriften

176

§ 3 Die Änderungssysteme für erteilte Genehmigungen. Auslegungsrichtlinien für die Rechtsbeständigkeit des Genehmigungsanspruchs 176 I. Das System der Änderungsnormen im Überblick 177 1. Unwirksamkeit und Widerruflichkeit des Verwaltungsakts 177 2. Ergänzende Änderungsnormen für Verwaltungsakte 177 a) Nachträgliche Anordnungen oder Auflagen 178 b) Untersagungsverfügung 179 c) Neugenehmigungspflicht 180 II. Das Änderungssystem des Gewerbe- und Berufszulassungsrechts 180 1. Nachträgliche Anordnungen oder Auflagen 182 2. Untersagung der Berufsausübung 182 3. Widerruf der Berufszulassung 183 4. Die Bedeutung für den Genehmigungsanspruch 184 III. Die „Statik" der Hochschulzulassung 187 IV. Das Änderungssystem des Baurechts 188 V. Das Änderungssystem des Umweltrechts am Beispiel des Immissionsschutzrechts 190 1. Neugenehmigungspflicht bei Änderung der Anlage 191 2. Nachträgliche Anordnungen 191 3. Untersagungsverfügung 4. Widerruf der Genehmigung 5. Die Übertragung auf den Anspruch Schlußbemerkung

192 193 193 194

Zusammenfassung

195

Literaturverzeichnis Sachwortregister

201 226

Einführung und Gang der Untersuchung Zum gesicherten Kernbestand des Verwaltungsrechts zählen die Folgen der Rechtswidrigkeit und die Bestandskraft von Verwaltungsakten. Demgegenüber hat der gegen die öffentliche Hand gerichtete Anspruch des Bürgers auf Erteilung eines begünstigenden Bescheids nur im Schlagschatten der Handlungsform Verwaltungsakt Beachtung gefunden. Hier eine „anspruchsbezogene" Betrachtung vorzunehmen, die den Genehmigungsanspruch als eigenständige rechtliche Kategorie etabliert, ist Ausgangspunkt und Grundanliegen dieser Arbeit. Für den Bürger hat der Anspruch eine ähnlich ausschlaggebende Bedeutung wie im Zivilrecht: ausschließlich dessen Bestand entscheidet darüber, ob er in den Genuß der erstrebten Begünstigung kommt. Der Verwaltungsakt ist hierbei bloßer Anspruchsinhalt und Ziel der Bemühungen, nämlich der Erfüllung des Anspruchs durch Erteilung des Bescheids. Freilich setzt dies nicht nur die Entstehung, sondern auch den Fortbestand des Anspruchs bis zur Erfüllung voraus. Damit ist die Grundfrage nach seiner Rechtsbeständigkeit aufgeworfen: Welche Umstände führen zu einem nachträglichen Erlöschen des bereits entstandenen Anspruchs des Bürgers? Welche Änderungen der Sach- oder Rechtslage sind zu bedenken, die die erhoffte Genehmigungserteilung letztlich doch noch vereiteln? In Hinblick auf die oft lange und nur schwer kalkulierbare Dauer behördlicher und gerichtlicher Verfahren und der ökonomischen Notwendigkeit zur Finanzierungsplanung und Investitionssicherung sind dies praktisch drängende Fragen. Hier offene Probleme zu finden, verwundert in dreifacher Hinsicht. Zunächst kann der Anspruchsinhaber von der Rechtsordnung eine Antwort auf sein verständliches Anliegen erwarten, ob und unter welchen Umständen er mit einem Verlust seiner Rechtsposition rechnen muß. Im Zivilrecht als dem traditionellen „Recht der Ansprüche" existiert deswegen ein System von Erlöschenstatbeständen, die als fest umrissene Ausnahmen gleichzeitig den Bereich der Rechtsbeständigkeit des Anspruchs markieren. Entsprechende Vorschriften bestehen zwar für das Sozialrecht oder das Steuerrecht, fehlen aber für den Bereich des klassischen Verwaltungsrechts. Ein System der Rechtsbeständigkeit findet sich dort nur für die gesetzliche Balance zwischen Bestandskraft und Aufhebbarkeit von Verwaltungsakten. Eine vergleichbare Dogmatik des Anspruchserlöschens existiert hingegen nicht. Sie gilt auch als entbehrlich, scheint doch das Verwaltungsrecht eine Rechtsbeständigkeit von Ansprüchen grundsätzlich nicht anzuerkennen. Nach der gängigen Auffassung ist allein die erteilte Genehmigung eine gesicherte Rechtsposition. Der Anspruch hingegen erlischt nicht nur aufgrund fest umrissener gesetzlicher Tatbestän-

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Einführung und Gang der Untersuchung

de, sondern auch bei einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der Sach- oder Rechtslage. Damit erweist sich primär als eine Frage des Anspruchserlöschens, was herkömmlich unter dem Aspekt des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsklage behandelt wird. Es wird sich zeigen, daß eine anspruchsbezogene materielle Betrachtung des Anspruchserlöschen gleichzeitig die dogmatischen Grundlagen für den gerichtlichen Entscheidungszeitpunkt klärt. Das erste Kapitel stellt, nach einer materiellen Grundlegung des Anspruchs im Verwaltungsrecht, sein Entstehen und Erlöschen dar und geht anschließend auf die Durchsetzung im behördlichen und gerichtlichen Verfahren sowie in der verwaltungsgerichtlichen Vollstreckung ein. Das zweite Kapitel ist den Überlegungen zur Rechtsbeständigkeit von Genehmigungsansprüchen gewidmet und verbindet die Anspruchsdogmatik mit der Behandlung von Änderungen der Sach- oder Rechtslage. Auf dieser Grundlage ist es möglich, im dritten Kapitel die gesetzlichen Regeln für die Änderungsbehandlung bei Verwaltungsakten zur Beurteilung der Rechtsbeständigkeit des Genehmigungsanspruchs heranzuziehen. Dieses Ziel der vorliegenden Arbeit steht im Vordergrund; eine umfassende Behandlung sämtlicher mit dem Genehmigungsanspruch zusammenhängenden Probleme kann und soll nicht geleistet werden. Deswegen beschränken sich die Folgerungen auf gesetzliche, durch spezielle Freiheitsgrundrechte gewährleistete Genehmigungsansprüche; weitere Ansprüche werden lediglich gestreift. Auch kann es aufgrund der Vielfalt der spezifischen Ansprüche des besonderen Verwaltungsrechts nicht Ziel der Untersuchung sein, eine umfassende Darstellung für die jeweiligen Rechtsgebiete zu leisten. Die Systematik kann stets nur exemplarisch sein.

Erstes Kapitel

Entstehung und Durchsetzung des Genehmigungsanspruchs § 1 Grundlagen: Der Anspruch im Verwaltungsrecht I. Der Anspruch 1. Anspruchsbegriff Der Umgang mit Ansprüchen war stets eine Domäne des Zivilrechts. Bereits die Bemühungen des römischen Rechts waren zentral darauf ausgelegt, die rechtlichen Beziehungen der Rechtssubjekte untereinander auf den nucleus des Anspruchs zurückzuführen 1. Auch das moderne Zivilrecht wird zwar nicht ausschließlich, aber doch wesentlich von der Frage des Bürgers bestimmt, „Was er von Wem Woraus" verlangen kann2. Rechte gewinnen erst dann ihren praktischen Wert, wenn sich daraus ein Anspruch ergibt, i. e. das Recht, „von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen". Mit der Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB ist das zentrale Regelungsinstrument des Zivilrechts bezeichnet: die Normierung und Regelung von Anspruchsbeziehungen.

2. Anspruch, Forderung und Schuld Ebenso wie der Anspruch ist die Forderung ein subjektives Recht3. Der Unterschied liegt im Anspruchsinhalt: Die Forderung bezeichnet das Recht des Gläubigers, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern, §241 BGB. Damit erweist sich die Forderung lediglich als Konkretisierung des allgemeinen Anspruchsbegriffs 4. 1

Vgl. M. Käser, Das Römische Privatrecht I, § 5513 (S. 224). J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, S. 36 ff. etwa sieht im Anspruch ein zentrales Strukturelement; ebenfalls W. Schur, Anspruch, absolutes Recht und Rechtsverhältnis, S.49. 3 K. Larenz, AT, § 13 I (S. 211); L. Enneccerus/H. C. Nipperdey, AT 1/1, §§ 72 12, 73 I 2 (S. 431 f., 440). 4 J. Gernhuber, Schuldverhältnis, § 315 (S. 35). 2

2 Vogler

18

1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

Kurz: Die Forderung bezeichnet Leistungspflichten und ist damit der Anspruch des Schuldrechts5. Ein sachlicher Unterschied liegt darin allerdings nicht; jedenfalls für die Zwecke des Verwaltungsrechts besteht keine Veranlassung, zwischen Anspruch und Forderung zu differenzieren 6. Komplementär zum Begriff des Anspruchs steht die Schuld. Beschrieben ist damit dasselbe, nur aus unterschiedlicher Perspektive. Beide Begriffe sind jederzeit austauschbar, die Schuld ist dem Anspruch weder vorgeordnet noch nachgeordnet7.

3. Anspruchsinhalt Anspruchsinhalt kann jedes Tun, Dulden oder Unterlassen sein8. Diese Allgemeinheit macht den Anspruch zu einer universalen Kategorie, die jede Art der Verpflichtung umfassen kann. Begrifflich ist es kein Unterschied, ob eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Pflicht zur Zahlung von Geld oder zur Vornahme einer Tathandlung umfaßt wird. Der Anspruch spiegelt die Vielfalt möglicher Verpflichtungen und wirkt rechtsgebietsübergreifend. Ebenso aber ist es der Anspruchsinhalt, der ausschlaggebend die unterscheidenden Merkmale bestimmt. Nach dem Inhalt der Verpflichtung richtet sich die Zugehörigkeit zum öffentlichen oder privaten Recht, hierin gründet die Differenzierung verschiedener Arten der Ansprüche, die jeweils unterschiedliche rechtliche Behandlung erfahren. Wie sehr das rechtliche Schicksal des Anspruchs vom Anspruchsinhalt abhängt, zeigt sich in deren Bezeichnung als Geldzahlungs-, Herausgabe-, Vornahme- oder auch Genehmigungsansprüche, am deutlichsten aber in den nach dem Anspruchsinhalt differenzierten Vollstreckungsregelungen des Zivilrechts (§§ 803ff., 883ff. ZPO9) und des Verwaltungsrechts (§§ 167ff. ZPO 10 und die Verwaltungsvollstreckungsgesetze des Bundes und der Länder 11). 5

Vgl. F. Peters, in: Staudinger, BGB, § 194 Rn. 14. Pflichten anderer Art hat der Schuldner ebenfalls zu erfüllen, jedoch nicht durch Bewirken einer Leistung, J. Gernhuber, Schuldverhältnis, § 311 (S. 30). 6 Auch im Zivilrecht ist ein synonymer Gebrauch der Begriffe weit verbreitet, vgl. etwa M. Okuda, AcP 164 ( 1964), 541 [546] ; differenzierend nur auf der Grundlage einer prozessualen Anspruchsfunktion/?. Bruns, in: FS Ekelöf,S. 161 [174 ff., 176]. Füreine Gleichstellung von Anspruch und Forderung im öffentlichen Recht E. Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 158. 7 J. Gernhuber, Schuldverhältnis, § 311 (S. 30), § 412 (S. 64); für das Steuerrecht H. Söhn, Steuerrechtliche Folgenbeseitigung durch Erstattung, S. 30f.; P. Fischer, in: Hübschmann/ Söhn, AO/FGO, § 38 AO Rn. 2. 8 F. Peters, in: Staudinger, BGB, § 194 Rn. 8. 9 Dazu W.-D. Walker, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung, Vor §§ 883-898 Rn. 1 f. 10 Dazu R. Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 113 Rn. 66 Fn. 307; D. Heckmann, in: NKVwGO, Vorb. § 167 Rn. 20 u. passim sowie für den Genehmigungsanspruch unten §311. 11 Im Überblick M. Appi A. Wettlaufer, Verwaltungsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 11, 8; § 32 Rn. 2 ff.

§ 1 Grundlagen

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4. Der Anspruch als relatives Recht Der Anspruch ist grundsätzlich bipolar ausgerichtet. Er besteht zwischen zwei Rechtspersonen, Gläubiger und Schuldner. Die juristische Methodik legt damit die denkbar einfachste Schablone über Rechtsbeziehungen der Lebenswirklichkeit. Der Wandel vom Tauschhandel hin zu den stetig komplexer werdenden Verflechtungen der Moderne hat den Begriff des Anspruchs im Grunde nicht berührt 12. Methodisch werden auch komplexe Verhältnisse auf Zweierbeziehungen reduziert. Selbstverständlich liegt darin eine grobe Vereinfachung. Sie genügt aber für die Unterscheidung zu den absoluten Rechten. Während der Anspruch die Zweierbeziehung voraussetzt und nur relativ wirkt (relatives Recht)13, bestehen absolute Rechte nicht gegenüber einem einzelnen Anspruchsgegner, sondern allgemein gegenüber Jedermann14. Der Unterschied liegt also in der Relativität der Rechtsbeziehungen15. Absolute Rechte bilden häufig die Quelle relativer Ansprüche. Der Abwehranspruch etwa des § 1004 BGB hat seine Grundlage im Eigentumsrecht selbst16. Dennoch sind Recht und Anspruch nie identisch. Sobald sich die absolute Gewährleistung in Hinblick auf eine Person konkretisiert, verdichtet sie sich zum Anspruch, bleibt aber Ausfluß des zugrundeliegenden Rechts17. Diese Beziehung ist gemeint, wenn im folgenden die Begriffe „Recht" und „Anspruch" gebraucht werden. 5. Der Anspruch im VerwaltungsrechtAnspruch und subjektives öffentliches Recht Für das Zivilrecht sind Anspruch und Rechtsmacht des Einzelnen derart konstitutiv, daß die Subjektivität der Rechte regelmäßig als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann18. Für das Verwaltungsrecht hingegen sind Anspruch und subjek12 Der wesentliche Umbruch lag hier in der Abkehr von der gemeinrechtlichen actio hin zum materiellrechtlichen Anspruchsbegriff des § 194 BGB, vgl. F. Peters, in: Staudinger, BGB, § 194 Rn. 2f.; B. Winscheid, Die Actio des Römischen Civilrechts, S. 4 und unten § 31. 13 F. Peters, in: Staudinger, BGB, § 194 Rn. 6. 14 Zum Begriff der absoluten und relativen Rechten etwa E. Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 155 ff.; vgl. auch G.Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S.54f.; R. Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 178. 15 E. Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 175. 16 F. Baur, in: FS Sontis, S. 181 [182f.]; ders., AcP 160 (1961), 465 [477ff.]; //. Ρ Ipsen, AöR91 (1966), 86 [94]; vgl. auch E. Deutsch, MDR 1988,441 [442]; J. Aicher, Das Eigentum als subjektives Recht, S. 77; E. Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, S.49ff. 17 Vgl. etwa/. Gernhuber, Schuldverhältnis, § 114 (S. 3); D. Ehlers, DVB1. 1986,912 [913] sowie O. v. Gierke , Deutsches Privatrecht III, S. 54 Fn. 4; R. Bruns, in: FS Ekelöf, S. 161 [163]; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 54f. 18 Karl Larenz, AT, § 13 II (S. 214 ff.) faßt dementsprechend das gesamte Zivilrecht in eine umfangreiche Typologie subjektiver Rechte, in der er unterscheidet in Persönlichkeitsrechte, persönliche Familienrechte, Herrschaftsrechte an Sachen, Immaterialgüterrechte, Forderun-

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

tives Recht vergleichsweise neue Kategorien. Erst in neuerer Zeit hat sich die Gewichtung verlagert. Anstelle rein objektiver, nur im Allgemeininteresse ergangener „Selbstverpflichtungen" des Staates ist zunehmend die Anspruchsposition des Bürgers in den Vordergrund gerückt 19. Die Existenz des Anspruchs im Verwaltungsrecht fällt zusammen mit der Anerkennung der Kategorie des subjektiven öffentlichen Rechts. Grundlegend wirkte hier Georg Jellinek™. Auf ihn zurück geht die auch heute noch maßgebliche21 Definition Ottmar Bühlen. Subjektives öffentliches Recht ist demnach „diejenige rechtliche Stellung des Untertanen zum Staat, in der er auf Grund eines Rechtsgeschäftes oder eines zwingenden, zum Schutz seiner Individualinteressen erlassenen Rechtssatzes, auf den er sich der Verwaltung gegenüber soll berufen können, vom Staat etwas verlangen kann oder ihm gegenüber etwas tun darf' 22 . Moderner und kürzer gefaßt handelt es sich um „die dem Einzelnen kraft öffentlichen Rechts verliehene Willensmacht, vom Staat zur Verfolgung eigener Interessen ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können"23. Diese Willensmacht kann sich aus absoluten öffentlichen Rechten, insbesondere den Freiheitsrechten herleiten, die dem Bürger allgemein gegenüber dem Staat eingeräumt sind24. Aktuell wird ihre Subjektivität dann, wenn sich das Recht zum Anspruch verdichtet 25. Auch im öffentlichen Recht gibt er die subjektive Befugnis, von gen, Mitwirkungsrechte, Gestaltungsrechte, Aneignungsrechte, Anfalls- und Anwartschaftsrechte, Rechte an Rechten und schließlich Gegenrechte. 19 Vgl. etwa N. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20 Rn. 32; A. Scherzberg, DVB1.1988,129 [131 ]\J.Martens, DVB1.1970,260 [261 f.]; demgegenüber betont G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 53: „Kein rechtliches Einzelinteresse, das nicht in Beziehung zum Gemeininteresse stünde.... Überwiegend im Gemeininteresse anerkanntes individuelles Interesse ist Inhalt öffentlichen Rechtes". 20 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 41 ff.; instruktiv die Darstellung von 0. Bachof, in: GS Jellinek, S. 287 [292ff.] und eingehend H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen, S. 117 ff. 21 K. Stern, Staatsrecht III/l, § 65 II 3 b (S. 534). 22 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 224; ebenso ders., in: GS Jellinek, S. 269 [274]. 23 Maßgeblich O. Bachof, VVDStRL 12 (1954), 37 [72ff.]; ders., in: GS Jellinek, S. 287ff.; vgl. weiter E. Forsthoff, Verwaltungsrecht I, § 10 3 (S. 185); H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 2; H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 30. m. w. Nachw.; grundlegend für die Behandlung multipolarer Konfliklagen M. Schmidt-Preuss, Kollidierende Privatinteressen, S. 187 u. passim; außerdem W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, S. 1 ff.; kritisch zum Element der „Willensmacht" P. Preu, Subjektivrechtliche Grundlagen, S. 121 ff. Einen kurzen Überblick über die Lehre von den subjektiven öffentlichen Rechten bietet auch K. Westbomke, Anspruch auf Erlaß, S. 20ff. 24 H. J. Woljf/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rn. 5, 7 sprechen von Beherrschungsrechten und bilden die weitere Kategorie der Gestaltungsrechte, die wie das aktive Wahlrecht die unmittelbare Einwirkung auf eine Rechtslage ermöglichen. 25 Daß aus dem absoluten Recht ein Anspruch erwachsen kann, zeigen H. J. Woljf/O. Bachof! R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rn. 6 am Beispiel des Petitionsrechts, das auch einen An-

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der öffentlichen Hand ein konkretes Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen 26 . Der Anspruch ist integraler Bestandteil des subjektiven öffentlichen Rechts 27 .

II. Der Anspruch als Ausschnitt des Verwaltungsrechtsverhältnisses Der Anspruch bezeichnet nur einen Ausschnitt der Rechtsbeziehungen zwischen Rechtssubjekten. Das Zivilrecht spricht deswegen umfassend von dem Schuldverhältnis im weiteren Sinne als Rechtsverhältnis, aus dem relative Rechte und Pflichten zwischen zumindest zwei Personen erwachsen können 28 . Der Anspruch selbst wird unterscheidend als Schuldverhältnis i m engeren Sinne bezeichnet. Diese erweiternde Sichtweise läßt sich auf das Verwaltungsrecht übertragen. Auch dort ist der Anspruch nur ein Ausschnitt einer umfassenderen Pflichten- und Rechtebeziehung. Geprägt wurde hierfür der Begriff „Verwaltungsrechtsverhältnis" 2 9 der im vorliegenden Zusammenhang jedoch zu weit ist. Konstituiert sich dieses Rechtsverhältnis ganz allgemein aus der Gesamtheit der Rechtsbeziehungen zwischen zwei Rechtsträgern, die sich aus einer verwaltungsrechtlichen Regelung ergeben 30 , so muß man vom „Verwaltungsschuldverhältnis" als Quelle der konkreten verwaltungsrechtlichen Anspruchsbeziehung sprechen 31 . spruch auf Bescheidung gewährt; ebenfalls H.H.Rupp, Grundfragen, S. 171 f.; W. Henke, in: FS Weber, S. 495 [502], unterscheidet dementsprechend zwischen relativen abhängigen und relativen selbständigen Rechten, die aus der Beeinträchtigung absoluter Rechte folgen. Ansprüche aus der Verletzung von Beherrschungsrechten leitet her O. Bachof, in: GS Jellinek, S. 287 [294]. 26 H. J. Wolff 10. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rn. 6. 27 K. Westbomke, Anspruch auf Erlaß, S. 23. m. w. Nachw. der von ihm referierten Äußerungen; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 54. 28 Joachim Gernhuber, Schuldverhältnis, § 2 I 6 (S. 12); E. A. Kramer, in: MünchKomm BGB, Bd. II, Einl. Rn. 12; vgl. auch J. Schmidt, in: Staudinger, BGB, Einl. §§ 241 ff. Rn. 120. 29 Ausgehend von A. Hensels Begriff des Steuerschuldverhältnisses als Gegenentwurf zu O. Mayers Lehre vom steuerlichen Gewaltverhältnis, vgl. O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht 1,1924, S. 315 ff.; maßgeblich wirkten O. Bachof,\ VVDStRL 30 (1972), 193 [231 ff.] und sodann W. Löwer, Staatshaftung für unterlassenes Verwaltungshandeln, S. 455ff.; ders., NVwZ 1986, 793ff.; N. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht § 20 Rn. Iff., 12ff. m. w. Nachw.; ders., Theorie und Dogmatik des Öffentlichen Rechts, S. 135 ff.; M. Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 205 ff.; vgl. weiter P. Häberle, in: ders., Die Verfassung des Pluralismus, S. 248ff.; ders., in: Das Sozialrechtsverhältnis, S. 60 [67, 68ff.]; H. Ρ Ipsen, VVDStRL 25 (1967), 257 [300]; H. F. Zacher, VVDStRL 25 (1967), 308 [325ff.]; W. Henke, VVDStRL28 (1970), 149 [156ff.]; W.Rüfner, VVDStRL28 (1970), 187 [215fJ; W.Schmitt Glaeser, in: FS Β oorberg-Verlag, S. 1 [35 f.]; H.J. Wolff! Ο. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrech11, § 32 Rn. 35 ff. H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen, S. 167ff. 30 Klaus Otto, Nachfolge in öffentlich-rechtliche Positionen, S. 20 in Anlehnung an Karl Larenz, AT, § 181 (S.315 f.); N. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20 Rn. 14; vgl. auch W. Löwer, NVwZ 1986, 793 [794]; D. Ehlers, DVB1. 1986, 912. 31 So auch D. Ehlers, DVB1. 1986, 912 [913ff.]; für das Steuerrecht H. Söhn, Steuerrechtliche Folgenbeseitigung durch Erstattung, S. 30 m. w. Nachw. und H. W. Kruse, Lehrbuch des

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

Die Frage nach dem Gewinn einer solchen übergreifenden Kategorie wird i m Zivilrecht nicht gestellt. Sie dient dort nicht nur zu typologischen Zwecken, sondern unter anderem zur Begründung von Sekundäransprüchen. I m Verwaltungsrecht hingegen wird weithin eine nur deskriptive Funktion des Begriffs Verwaltungsrechtsverhältnis bemängelt 32 . Nur teilweise läßt sich die Forderung nach weiterer „Aufhellung", etwa im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Typologie der Schuldverhältnisse vernehmen 33 . In diesem Sinne könnte es durchaus hilfreich sein, das Verwaltungsschuldverhältnis im weiteren Sinne entsprechend zum Zivilrecht als eigenständigen Begriff zu etablieren. Dieses umfaßte dann nicht nur haftungsrechtlich relevante Beziehungen, die auch bislang als verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse bekannt sind 3 4 . Einzubeziehen wären die Grundlagen sämtlicher Anspruchsbeziehungen zwischen Staat und Bürger, seien es vertragliche oder gesetzliche. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung kommt der Kategorie des Verwaltungsrechtsverhältnisses allerdings nur geringe Bedeutung zu. Wenn damit ein Geflecht aufeinander bezogener Ansprüche behandelt werden soll, so liegt ihr Gewinn vor allem außerhalb der klassischen Ordnungsverwaltung, in den Bereichen der kooperierenden und leistenden Verwaltung 35 . Hier entstehen regelmäßig RechtsSteuerrechts, § 5 II (S. 93), der unter dem S teuerschuld Verhältnis als spezieller Ausprägung des Steuerrechtsverhältnisses nichts anderes beschreibt als die konkrete Anspruchsbeziehung. Eine ausdrückliche Parallele zum Schuldverhältnis des Zivilrechts ziehen H. J. Woljf/O. Bachof! R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 32 Rn. 35; N. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20 Rn. 40ff.; vgl. auch BGHZ 21, 214 [218]; B. Gries/E. Willebrand, JuS 1990, 193ff. und den Überblick bei B.Janson, DÖV 1979, 696 f. 32 P.-M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, S. 169; E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, 6 Rn. 43 (S. 257); ders., DVB1. 1989,533 [539f.]; W.Löwer, NVwZ 1986,793 [794f.]; H.Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 24; F. Mayer/F. O. Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3512 (2 330); vgl. auch D.Ehlers, DVB1. 1986,912. 33 So H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 7; ähnlich auch E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, 6 Rn.44 (S. 258); Vorarbeiten zu einer Typologie leisten etwa für die Subventions- und Vorsorgeverwaltung D. Ehlers, DVB1 1986, 912 [916ff.] und für den Bereich des Sozialrechts W. Löwer, NVwZ 1986,793 [793,795 ff]; P. Krause, in: Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 [15 ff.]. Zur einer Typologie der Begünstigungsansprüche vgl. unten III.2. und A. Scherzberg, DVB1. 1988, 129 [133f.]. 34 Vgl. etwaH.-J. Papier, Die Forderungsverletzung im öffentlichen Recht, S. 58 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 2; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 283 ff.; D. Ehlers, DVB1. 1086,912. 35 Vgl. deshalb auch W. Löwer, NVwZ 1986,793 [795 ff.]; D. Ehlers, DVB1.1986,912 [912, 914 ff.]; W. Schmitt Glaeser, in: FS Boorberg-Verlag, S. 1 [35f.]. Weiterführend zur Relevanz des Verwaltungsrechtsverhältnisses im Bereich der Leistungsverwaltung allgemein sowie zu speziellen Ausprägungen wie dem Subventionsverhältnis oder dem Nutzungsverhältnis öffentlicher Einrichtungen D. Ehlers, a. a. O., 912 [917 ff.] m. w. Nachw.; Rolf Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, § 111; W.Rüfner, VVDStRL28 (1970), 187 [215 f.]; P. Krause, VVDStRL45 (1987), 212ff.; Ρ Krause und P. Häberle, in: Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12ff., 60 [80ff.]; F. E. Schnapp, SGb. 1979, 200 [202ff.]; H. F. Zacher, VVDStRL 25 (1967), 308 [325ff.]; P. Badura, WiVerw. 1978, 137; S. Hertwig, Das Verwal-

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beziehungen, die mit einem einfachen Anspruchsverhältnis nicht angemessen bewältigt werden können 36 . Genehmigungsverfahren hingegen sind, trotz ihrer zunehmenden Komplexität 3 7 , nach wie vor einseitig auf die Erfüllung des Genehmigungsanspruchs und die Wahrung gesetzlicher Vorschriften durch die Behörde ausgerichtet. Zwar kann ein umfassenderer Begriff dazu dienen, Vorschriften wie § 42 Abs. 7 BauGB als Norm zur Umwandlung des Schuldverhältnisses zu begreifen 38 . Auch hier ist der Anspruch der Ausschnitt einer Schuldbeziehung, die daneben auch Sekundärfolgen kennt 3 9 . Darüber hinaus bleibt die Genehmigung und der darauf gerichtete Anspruch stets i m Mittelpunkt der Betrachtung 40 . Gleichwohl ist der Genehmigungsanspruch Regeln unterworfen, die sich in einem engeren Sinne als Schuldverhältnis bezeichnen lassen. Jeder Abstraktion vorgelagert sind die Grundlagen, nach denen sich Entstehung, Übertragung, Hemmung und Erlöschen des einzelnen Anspruchs bestimmen 41 . Eben dies ist der primäre Regelungsgehalt des Steuerschuldverhältnisses, das in den §§ 37 ff. A O den allgemeinen Rechtsverhältnisbegriff konkretisiert 42 und den einzelnen Anspruch von der Entstehung bis zu seinem Erlöschen begleitet 43 . Nicht anders verhält es sich mit den tungsrechtsverhältnis, S. 15 ff., 105 ff.; R. Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 119ff. Zum Rechtsverhältnis als Struktur- und Ordnungsrahmen nicht nur des öffentlichen Wirtschaftsrechts, sondern allgemein für schlichtes Verwaltungshandeln M. Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 214ff., 217 ff. 36 H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 6; vgl. auch P. Krause, in: Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 [14]; ders., VVDStRL 45 (1987), 212 [224ff.]; D. Ehlers, DVB1. 1986, 912 [916]; Β GHZ 54, 299 [303]. 37 Insbesondere umweltrechtliche Genehmigungsverfahren und Planungen sind zunehmend komplexer und kooperativer angelegt, sei es durch Umweltverträglichkeitsprüfungen, sei es im Rahmen des Öko-Audit. Zu den diesbezüglichen Entwicklungen und Verbesserungsbemühungen M. Ronellenfitsch, Verfahrensrechtliche Reformfragen, in: Blümel/Pitschas, Reform des Verwaltungsverfahrensrechts, S. 303 [309ff.]; A. Schink, NuR 1998,173; J.-P. Schneider, Verw. 28 (1995), 360 [363ff.]; vgl. auch H.-U. Erichsen, DVB1. 1983, 289 [292]. 38 Zur Funktion des § 42 Abs. 7 BauGB als Erlöschensnorm für den Anspruch und als Sekundäranspruch vgl. unten II § 1IV 1. 39 Geldersatzansprüche sind bei rechtswidriger Versagung der Genehmigung möglich, vgl. unten II §5 I I I . 40 Dies gilt auch dann, wenn der Begriff des Verwaltungsrechtsverhältnisses personal zum multipolaren Verwaltungsrechtsverhältnis ausgedehnt wird, M. Schmidt-Preuss, Kollidierende Privatinteressen, S. 20 ff. 84 ff. Für den Gläubiger des Genehmigungsanspruchs ist damit lediglich die Relevanz drittschützender Genehmigungsvoraussetzungen beschrieben, vgl. P. Preu, Subjektivrechtliche Grundlagen, S. 36. 41 Vgl. E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, 6 Rn. 43 (S.257) 42 H. W. Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, § 5 II (S. 93). 43 So bildlich H. W. Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, § 5 IV (S. 96); vgl. weiter K. Tipke/ J. Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 14 mit einer Parallele zu den Anspruchsregeln des Zivilrechts; allgemein zu Bedeutung und Inhalt des Steuerschuldverhältnisses dies., §§6, 7; K. Tipkel H. W. Kruse, AO/FGO, Vor § 33 Rn. 1; //. Boeker, in: Hübschmann/Söhn, AO/FGO, § 37 AO Rn. 4ff.

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

Normierungen, die das sozialrechtliche Schuldverhältnis konstituieren 44. Wenn deshalb im folgenden Entstehen, Durchsetzbarkeit und Erlöschen des Genehmigungsanspruchs untersucht werden, dann geht es um die Grundlagen eines genehmigungsrechtlichen Schuldverhältnisses.

I I I . Begünstigungsanspruch und Genehmigungsanspruch als verwaltungsrechtliche Ansprüche des Bürgers 1. Der Begriff des Begünstigungsanspruchs Wird der Begriff des Anspruchs im Verwaltungsrecht gebraucht, so ist damit häufig mehr ausgesagt als im Zivilrecht. Während dort Anspruchsberechtigter und -verpflichteter gleichgeordnet und austauschbar sind, liegt der Betrachtung im Öffentlichen Recht ein tendenziell subordinationsrechtlicher Blickwinkel zugrunde 45. Dies zeigt sich in der Unterscheidung zwischen Begünstigungen und Belastungen, die jeweils auf den Bürger bezogen sind46. Der Staat erscheint für gewöhnlich nicht als „Begünstigter", sondern als derjenige, der dem Privaten Belastungen auferlegt. Wird dagegen ein Anspruch verfolgt, so geht man vielfach davon aus, daß er sich gegen den Staat als Verpflichteten richtet und der Bürger eine Begünstigung erstrebt. Gleichwohl existieren auch Ansprüche der öffentlichen Hand. Während dies für fiskalisches Staatshandeln stets als Selbstverständlichkeit galt 47 , herrschen auf verwaltungsrechtlichem Gebiet durchaus Unsicherheiten, ist doch eine dezidiert subjektiv-rechtliche Komponente zugunsten des Staates noch keineswegs allgemein 44 Grundsätze für die sozialrechtlichen Leistungsansprüche enthalten die §§ 38 ff. SGB I; zum Schuldverhältnis des Sozialrechts etwa P. Krause, in: Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12ff.; W. Löwen NVwZ 1986, 793 [795ff.]; R. Stober, DVB1. 1987, 269 [277f.]; E. KreßeU Öffentliches Haftungsrecht, S. 261 f. m. w. Nachw.; W. Henke, VVDStRL28 (1970), 149 [156 ff.]; W.Rüfner, VVDStRL 28 (1970), 187 [215f.]. 45 Auf die Vorbehalte gegen eine von der Handlungsform Verwaltungsakt gelöste Anspruchsdogmatik des öffentlichen Rechts weist W. Schur, Anspruch, absolutes Recht und Rechtsverhältnis, S. 104 f. hin. 46 Vgl. etwa W. Krebs, in: FS Menger, S. 191 [208 f.]; Ernst Forsthoff,\ Verwaltungsrecht I, § 103 (S. 184f.); Ρ Krause, VVDStRL 45 (1986), 212 [221]; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, S. 167 f.; begrifflich offen demgegenüber//./. Wolff IO. Bachof IR. Stober, Verwaltungsrecht I, § 40 III 1. (S. 515) u. passim. 47 Die Fähigkeit der öffentlichen Hand, als juristische Person Inhaber subjektiver Zivilrechte sein zu können, stand zu keiner Zeit in frage, vgl. nur/. Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 55; ebensowenig wurde die Anspruchsberechtigung für finanzielle Interessen des Staates angezweifelt, wenngleich sich noch bis in unser Jahrhundert die Vorstellung hielt, es bedürfte dazu eines zivilrechtlichen, aus der Spätantike übernommenen Fiskusbegriffs, v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 2, § 88 IV (S. 272); E. Forsthoff,\ Verwaltungsrecht I, § 6 2 (S. 112f.); G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 61 f.

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anerkannt 48 . Nun ist zwar die öffentliche Hand weder grundrechtsfähig 49 , noch stehen ihr öffentliche Rechte als primär individuelles Eigeninteresse zu 5 0 . Sie verfolgt ihre Ansprüche, zumindest idealtypisch, ausschließlich im objektiven Allgemeininteresse. Dennoch ergibt sich hieraus kein grundsätzlicher Ausschluß oder eine Einschränkung der Anspruchsberechtigung des Staates 51 . Allgemeininteressen sind zwar bei der Frage relevant, ob ein Anspruch des Staates besteht. Ist ihm aber ein Anspruch eingeräumt, so kommt es nicht darauf an, ob eine Rechtsperson oder die Allgemeinheit als solche begünstigt wird. Insofern ist die Frage nach der Subjektivität irrelevant. Wenn der Staat aufgrund einfachen Rechts oder aufgrund einer Vereinbarung vom Bürger ein Tun, Dulden oder Unterlassen verlangen kann, so handelt es sich um einen vollwertigen Anspruch im Sinne des § 194 B G B 5 2 . Kann auch der Staat Anspruchsberechtigter sein, so wird eine begriffliche Abgrenzung notwendig. Für die Gesamtheit der Ansprüche des Bürgers gegen den Staat soll der Begriff „Begünstigungsanspruch" verwendet werden 53 . Er bezeichnet 48 Dezidiert dagegen P.-M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, S. 168; nur das gegen den Staat gerichtete subjektive Recht behandelt E. Forsthoff\ Verwaltungsrecht I, § 10 3 (S. 185ff.); ebenfalls O. Bachof in: GS Jellinek, S. 287 [292f.]; H. H. Rupp, Grundfragen, S. 148ff.; zu bestehenden Bedenken vgl. auch W.Krebs, in: FS Menger, S. 191 [209f.]; Dementsprechend vorsichtig gestaltet sich der Umgang mit dem Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts etwa bei H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 2 und Bleckmann, DVB1.1986,666; auch nach//.-£/. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 46 und A Scherzberg, DVB1. 1988,129 [131] liegt es lediglich nahe, dem Staat in gleicher Weise wie dem Bürger subjektive Rechte zuzubilligen. Uneingeschränkt dafür H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen, S. 166,172ff.; J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, S. 155 ff. und 172ff. zu den Konsequenzen im Bereich des Steuerrechts und Baurechts; W.-R. Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, S. 233 ff.; W. Henke, DÖV 1980, 621 [623 Fn. 12, 625ff.]. 49 H. D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 16 m. w. Nachw.; H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, S. 36 ff. Unumstritten ist dies freilich nur im Verhältnis des Staates zum Bürger, A. Bleckmann, Staatsrecht II, § 9 Rn. 31; G. Ulsamer, in: FS Geiger, S. 199 [208 f.]; durchaus uneinheitlich beurteilt wird hingegen der Umfang der Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts untereinander, vgl. zum Streitstand BVerfGE 61, 82 [100]; A. Bleckmann, a. a. O., § 9 Rn. 32ff. 50 Vgl. H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 46; W. Krebs, in: FS Menger, S. 191 [209]; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, S. 168; Ο. Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 104, 106f. und dazu H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen, S. 96ff.; vgl. auch G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 196ff.; J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, S. 154 f. 51 Vgl. für die Anspruchsberechtigung der öffentlichen Hand nur F. Peters, in: Staudinger, BGB, § 194 Rn. 12; Η. Söhn, Steuerrechtliche Folgenbeseitigung durch Erstattung, S.40;W. Hein, DStR 1990, 301 und bereits G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 60f. 52 Als Konsequenz folgt dies auch aus dem von J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, S. 155 ff.; W.-R. Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, S. 233ff.; W. Henke, DÖV 1980, 621 [623 Fn. 12]; H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen, S. 166f., 172ff. und vorsichtig auch H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 46 vertretenen umfassenden Verständnis des subjektiven Rechts (s. oben Fn. 48). 53 Ähnlich die Typologie von A. Scherzberg, DVB1. 1988, 129 [134].

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

den auf die Gewährung einer Begünstigung durch den Staat gerichteten Anspruchsinhalt und grenzt gleichzeitig ab zur bereits gewährten Begünstigung.

2. Arten der Begünstigungsansprüche Zur Charakterisierung der Begünstigungsansprüche bietet sich neben dem Entstehungsgrund54 der Anspruchsinhalt an55. Danach richtet sich nicht nur üblicherweise ihre Benennung, sondern auch ihre Durchsetzung in der Vollstreckung 56. Ansprüche auf behördliches Tun können nicht nur auf Geldzahlung, sondern auf jeglichen Realakt gerichtet sein, etwa auf den Widerruf ehrverletzender staatlicher Äußerungen 57. Unterlassungsansprüche gegen den Staat, beispielsweise der Abwehranspruch gegen hoheitliche Immissionen58, zählen ebenfalls zu den Begünstigungsansprüchen. Diese können die öffentliche Hand aber auch zur Erteilung eines Verwaltungsakts verpflichten. In dem zuletzt genannten Fall hat man es mit einer spezifisch verwaltungsrechtlichen Mischform zu tun. Klassisch-hoheitliches, dem objektiven öffentlichen Interesse verpflichtetes Handeln des Staates wird mittels subjektiver öffentlicher Rechte erzwungen. Dementsprechend sind auch nicht alle Verwaltungsakte von vornherein Inhalt eines Anspruchs. Insbesondere belastende Verwaltungsakte in Drittkonstellationen erfordern die selbständige Herleitung eines drittschützenden subjektiven öffentlichen Rechts59. Typisches Beispiel ist der Anspruch auf ordnungsrechtliches Einschreiten gegen Dritte 60 . Unter dieser Voraussetzung ist allerdings jeder Verwaltungsakt auch ein potentieller Anspruchsgegenstand61. Die Vielfalt der Regelungsinhalte spiegelt sich in den möglichen Anspruchsinhalten. So wird die Mehrzahl der Ansprüche auf Geldleistungen durch vorgängigen Verwaltungsakt gewährt. Dies gilt beispielsweise für 54

Die Anspruchsgrundlagen sind unten VI. beschrieben. Daneben kennt insbesondere das Zivilrecht eine Vielzahl von typologisierenden Unterscheidungen, vgl. dazu Karl Larenz, AT, § 13 II (S. 214ff.) (oben Fn. 18); F. Peters, in: Staudinger, BGB, § 194 Rn. 13. 56 Dazu bereits oben 13. 57 F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, § 34 2 c (S. 244). 58 Statt aller ders., a. a. O., § 34 2 b (S. 243 f.) m. w. Nachw. 59 Grundlegend zur hierfür herrschenden Schutznormlehre O. Bachof, in: GS Jellinek, S.287 [294ff.]; ebenfalls M. Schmidt-Preuss, Kollidierende Privatinteressen, S. 84ff.; H. Bauer, in: Heckmann/Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des öffentlichen Rechts, S. 113 ff. sowie etwa H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 31 ff. m. Nachw. auch der dagegen erhobenen Bedenken. 60 BVerwGE 11, 95 [95 f.]; Schmidt-Preuss, Kollidierende Privatinteressen, S. 222ff.; Sarnighausen, NJW 1993, 1623; H. J. Wolff Ο. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rn. 22 61 Eine andere Frage ist es, ob der Verwaltungsakt selbst ein derartiges subjektives Recht einräumt. Wird nur einen Anspruch auf einen weiteren Verwaltungsakt vermittelt, so handelt es sich um eine Zusicherung. Dazu und zu deren Rechtsnatur unten VI. 3. 55

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die sozialrechtlichen Ansprüche, sei es auf Gewährung von Wohngeld, Ausbildungsförderung oder Sozialhilfe 62, ebenso aber für den typischen Subventionsanspruch, der im Regelfall ebenfalls durch Bescheid umgesetzt wird 63 . Man hat es hier mit einem sog. Geldleistungsverwaltungsakt zu tun. Bemerkenswert ist dabei, daß der Verwaltungsakt die eigentlich erstrebte Leistung noch nicht endgültig gewährt, sondern lediglich „verspricht"; man kann von einer zweistufigen oder mittelbaren Art der Leistungsgewährung sprechen64, die ein verwaltungsrechtliches Spezifikum darstellt. Demgegenüber wird der Leistungserfolg direkt herbeigeführt bei rechtsgestaltenden Verwaltungsakten, die ein Rechtsverhältnis begründen, aufheben oder verändern 65. Beispiele sind etwa die Ernennung eines Beamten oder die Einbürgerung eines Ausländers. Hier tritt die rechtsgestaltende Wirkung durch den Regelungsgehalt des Verwaltungsakts selbst ein; ähnlich wie bei feststellenden Aussprüchen, die per se der Vollstreckung nicht fähig sind, bedarf es dann keiner weiteren Durchsetzung66. 3. Der Genehmigungsanspruch Praktisch von besonderer Relevanz sind diejenigen Begünstigungsansprüche, die auf Erteilung einer behördlichen Genehmigung gerichtet sind. Begrifflich kann man vom Genehmigungsanspruch als Unterfall des allgemeinen Begünstigungsanspruchs sprechen67. Die Rechts Wirkung einer Genehmigung, Erlaubnis oder Bewilligung ist es, ein Verbot aufzuheben und ein bestimmtes Verhalten oder Vorhaben zu gestatten68. So erlaubt die Baugenehmigung die Errichtung eines Bauvorhabens, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung den Betrieb bestimmter umweltrelevanter Anlagen, 62 Vgl. § 26 Abs. 1, 4 WoGG; § 50 Abs. 1 S. 1 BAföG und W. Ost/G. Mohr/M. Estelmann, Grundzüge des Sozialrechts, H III 1 a. (S. 468 f.). 63 Zu unterscheiden ist dies von der bloßen Abwicklung des Subventionsverhältnisses, die auch privatrechtlich gestaltet sein kann. Das Subventionsrecht ist der Ursprung der Zweistufentheorie, grundlegend H. Ρ Ipsen, VVDStRL 25 (1967), 257 [298f.]; H. Krüger, BB 1953, 565 [567]; A. Hamann, BB 1953, 865 ff. 64 Entsprechendes gilt für die Leistungspflicht des Bürgers, wenn dieser ein hoheitlicher Festsetzungsakt zwingend vorausgeht, H. Söhn, Steuerrechtliche Folgenbeseitigung durch Erstattung, S. 38, 40. 65 Vgl. H. J. Wolff Ο. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 46 Rn. 5; C. H. Ule/H.-W Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, §48 Rn. 17. 66 M. App/A. Wettlaufer, Verwaltungsvollstreckungsrecht, § 7 Rn. 10; H. J. Wolff Ο. Bachof! R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 46 Rn. 5; C. H. Ule/H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 56 Rn. 3. Für gerichtliche Titel vgl. die Nachw. unten Fn. 130. 67 Insofern bilden diese bei A. Scherzberg,OVBL 1988,129 [134] unterschiedslos genannten Ansprüche eine eigenständige Kategorie. 68 Statt aller H. J. Wolff Ο. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 46 Rn. 36; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 vor Rn. 51.

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

die wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung die Benutzung eines Gewässers. Dieselbe Wirkung haben Zulassungen zu bestimmten Berufen oder zum Hochschulstudium; auch hier ist die entsprechende Betätigung von dem Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts abhängig69. Rechtlich interessant ist diese Kategorie in mehrfacher Hinsicht. Vor allem sind in verstärktem Umfang Grundrechte im Spiel, die Natur und Behandlung der Genehmigungsansprüche determinieren. Der klassische Kernbestand öffentlich-rechtlicher Genehmigungen erlaubt nämlich ein Verhalten, das bereits grundrechtlich garantiert ist. Die Baugenehmigung etwa gestattet die Ausübung der durch Art. 14 GG gewährleisteten Baufreiheit 70. Das Verbot kann hier nur ein präventives sein, gekoppelt mit der Pflicht zur Gestattung des grundsätzlich erlaubten Tuns71. Stets handelt es sich um Maßnahmen der Eingriff s ver waltung, die gleichwohl in Form der Gestattung realisiert werden 72. Damit bildet die Gewährleistung einer bestimmten Betätigung durch spezielle Freiheitsgrundrechte mit der daraus vorgegebenen Genehmigungspflicht das charakteristische Merkmal einer sogenannten Kontrollerlaubnis und des entsprechenden präventiven Verbots 73. Nur außerhalb dieses grundrechtlichen Schutzes ist ein vollständiges oder auch nur grundsätzliches - repressives-Verbot möglich; die Gestattung ergeht dann aufgrund eines Befreiungsvorbehalts in 69 Vgl. R. Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, § 101 V 2. (S. 1054f.); Art. 58 Abs. 1 BayHSchG und A. Reich, Bayerisches Hochschulgesetz, Art. 58 Rn. 1. 70 M. Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rn. 7; H. Grziwotz, AöR 113 [1988], 213 [232f.] m. zahlr. Nachw.; Alfons Simon, BayBO, Art. 79 Rn. 3; R. Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 46; K. Nüßgens/K. Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 39; W. Leisner, HdbStR VI, § 149 Rn. 104ff.; H.-U. Erichsen, VerwArch. 69 (1978), 303 [309 f.] und H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 58,62ff. mit durchschlagenden Argumenten gegen die Versuche zur Exemtion der Baufreiheit aus dem Eigentumsrecht von R. Breuer, Die Bodennutzung, S. 158ff., 162ff.; dems., DÖV 1978, 189 [191]; H.D.Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 18; H. Schulte, DVB1. 1979, 133; weiter W. Bielenberg, DVB1. 1971, 441 [444]; Ρ Badura, AcP 176 (1976), 119 [139]. 71 H. Grziwotz, AöR 113 [1988], 213 [233] m. zahlr. Nachw.; Alfons Simon, BayBO, Art. 79 Rn. 3; B. Bender/R. Sparwasser/R. Engel, Umweltrecht, 1 Rn. 100 mit Fn. 151 ; K. Finkelnburg/ K.-M. Ortloff,; Öffentliches Baurecht II, § 81 c (S. 94); vgl. auch OVG Koblenz, BauR 1992,219. 72 Vgl. nur D. Ehlers, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 37; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 52, der deshalb von einem nur formell begünstigenden Verwaltungsakt spricht. 73 B. Bender/R. Sparwasser/R. Engel, Umweltrecht, 1 Rn. 100 mit Fn. 151 erkennen die speziellen Freiheitsgrundrechte zutreffend als konstituierendes Merkmal für präventive Verbote im eigentlichen Sinne, auf die dann ausnahmslos ein Vollanspruch besteht. Zur dementsprechenden Abgrenzung der Erteilung nach Ermessen auch für die atomrechtliche Genehmigung und zu Bemühungen, eine Kategorie der „Teilhabebewilligung" zu schaffen, vgl. unten Fn. 79; zur Bedeutung des Gewährleistungsumfangs spezieller Freiheitsrechte für die Rechtsbeständigkeit des Anspruchs noch eingehend unten III § 1. Für den Begriff Kontrollerlaubnis und die teilweise unterschiedliche Terminologie vgl. H. Maurer, in: FS Βoorberg-Verlag, S. 223 [230f.]; ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 51 und die Nachweise bei G. Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 149 Fn. 53.

§ 1 Grundlagen

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Ausnahmefällen 74. Es ist die Verbindung von Verbot, Gestattung und Grundrecht, die auch den Genehmigungsanspruch und seine Rechtsbeständigkeit kennzeichnet. Mit dem rechtlichen Schicksal des Genehmigungsanspruchs befaßt sich die weitere Untersuchung.

IV. Inhalt und Umfang des Genehmigungsanspruchs Seinem Inhalt nach ist der Genehmigungsanspruch auf die Erteilung des begünstigenden Verwaltungsakts gerichtet. Fehler der Behörde muß der Gläubiger nicht hinnehmen; er kann deswegen einen tatsächlich und rechtlich fehlerfreien, d. h. rechtmäßigen Bescheid fordern 75. Eine verwaltungsrechtliche Besonderheit bedingt allerdings eine Einschränkung. Ist dem Hoheitsträger nämlich auf der Rechtsfolgenseite einer öffentlich-rechtlichen Berechtigung Ermessen eingeräumt, so ist das Forderungsrecht des Bürgers entsprechend begrenzt. Der Anspruchsumfang reduziert sich vom Vollanspruch auf den Anspruch, eine ermessensfehlerfreie Entscheidung zu erhalten 76. Auch eine Ablehnung der Genehmigung kann dann den Anspruch erfüllen, sofern diese Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens wahrt 77. Eine derartige Gestaltung ist charakteristisch für repressive Verbote mit Befreiungsvorbehält 78; die fehlende Bindung spezieller Freiheitsgrundrechte ermöglicht hier einen Spielraum der Behörde 79. 74 Etwa nach § 16 VersG i. V. m. § 3 BannmeilenG, H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 55; vgl. auch U. Mager, Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten, S. 99f. und sogleich IV. 75 Vgl. Alfons Simon, BayBO, Art. 79 Rn. 12 und allgemein U. Mager, Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten, S. 91. Zur Bedeutung für die Frage der Unmöglichkeit unten II § 1 V c 76 Statt aller H. J. Wolff/ Ο. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 31 Rn. 54; M. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 136 m. w. Nachw. 77 U. Mager, Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten, S. 101; vgl. auch F. Ossenbühl, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 22; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 135 m. w. Nachw.; J. Pietzcker, JuS 1982, 106 [108]. 78 Typische Beispiele sind, neben dem bereits oben (Fn. 74) angeführten Beispiel der Ausnahmebewilligung nach § 16 VersG i. V. m. § 3 BannmeilenG, die Gestattungen nach §§ 28, 35 WaffG, §§ 7, 8 WHG. 79 Vgl. etwa U. Mager, Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten, S. 99f.; R. Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 181;£.De//iVm, DVB1.1969,303 [305 ff.]; K.A. Bettermann, DVB1. 1973,186; Κ. H. Friauf JuS 1962,422 [425]; W.Henke, DVB1. 1983,982 [984];BVerfGE8,71 [76]; 20,150 [155]; BVerwG, NJW 1988,1534 [1535] m. w. Nachw. Wenn O.Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht II, S. 123 f.; H.J. Wolff! O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 46 Rn.41; F. Ossenbühl, DÖV 1968,618 [624]; Schwabe, JuS 1973, 133 [134] Ermessen auch bei präventiven Verboten nicht für ausgeschlossen halten und U. Mager, a. a. O., S. 99 als Beleg die atomrechtliche Genehmigung anführt, so mag dem zwar mit BVerfGE 49, 89 [144]; B. Bender/R. Sparwasser/R. Engel, Umweltrecht, 7 Rn. 115 zuzustimmen sein; möglich ist Ermessen allerdings nur dann, wenn lediglich Art. 2 Abs. 1 GG betroffen ist, vgl. H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 46 Rn. 41 unter Bezugnahme auf

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

Damit erweist sich das, was gemeinhin als nur gradueller Unterschied im Umfang der Berechtigung verstanden wird 80 , als ein qualitativ anderer Anspruchsinhalt. Gefordert werden kann nicht die Genehmigungserteilung, sondern die Ermessensausübung, i. e. ein schlichtes Tätigwerden der Behörde. Im engeren Sinne handelt es sich nicht um einen Genehmigungsanspruch; die dafür getroffenen Folgerungen sind deswegen nicht bzw. nur eingeschränkt auf den Ermessensanspruch übertragbar. Begrifflich kann man allenfalls von einem Genehmigungsanspruch im weiteren Sinne sprechen. Die Genehmigung determiniert zwar auch den nicht gebundenen Anspruch, bildet sie doch das letztendlich erstrebte Ziel des Gläubigers. Allerdings wandelt sich der Ermessensanspruch erst durch die positive Ermessensausübung oder eine Reduzierung des Ermessens in den eigentlichen Genehmigungsanspruch. Er bildet dazu lediglich eine potentielle Vorstufe, abhängig von den Unsicherheiten des behördlichen Spielraums. Dies macht den Ermessensanspruch zu einer Mischform zwischen schlichtem Leistungsanspruch und Genehmigungsanspruch.

V. Anspruchsgläubiger und -Schuldner Der Blick auf den Staat als Schuldner ist nicht gängig. Nach klassischem verwaltungsrechtlichen Verständnis ist der Staat ein einseitig handelndes Subjekt, das rechtlichen Bindungen unterliegt. Die Rolle des Staates als Schuldner rückt allerdings in den Mittelpunkt, wenn das „objektive Staatswohl" in den Hintergrund tritt zugunsten einer Auffassung, die die Befriedigung der Ansprüche der Bürger betont 81 . Gerade im vorliegenden Zusammenhang dominiert die klassische HandH. J. Müller, DÖV 1969, 119 [121 f.]. Die nach h. M. (s. dazu die Nachw. unten Fn. 949) fehlende Rechtspflicht zur Erteilung erklärt sich zwanglos, wenn man die Genehmigung nach § 7 AtG entgegen H. Lecheler, ZRP 1977, 241 [244] nicht als Ausfluß eines speziellen Freiheitsgrundrechts begreift. Daß diese das konstituierende Merkmal für präventive Verbote im eigentlichen Sinne bilden, auf die dann tatsächlich auch ausnahmslos ein Vollanspruch besteht, wurde bereits festgestellt, oben IV. und B. Bender/R. Sparwasser/R. Engel, Umweltrecht, 1 Rn. 100 mit Fn. 151. //.Zutreffend erkennt Messer, Sondernutzung, S. 1194,196, daß deswegen auch die allein nach Art. 2 Abs. 1 GG zu behandelnde, nach Ermessen zu erteilende straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis nicht zu den präventiven Verboten zählt. Die Inkonsistenz des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt ist ein rein begriffliches Problem und macht lediglich deutlich, daß das Erwünschtsein oder Unerwünschtsein einer Betätigung kein taugliches Kriterium für den Anspruchsumfang darstellt, vgl. Schwabe, a. a. O. Was sich darin inhaltlich spiegelt, ist die fehlende Verankerung etwa des atomrechtlichen Genehmigungsanspruchs in speziellen Freiheitsgrundrechten. Um eine auch begrifflich trennscharfe Unterscheidung zu ermöglichen, sind Bemühungen zu begrüßen, eine Kategorie der „Teilhabebewilligung" zu schaffen, B.Bender/R. Sparwasser/R. Engel, Umweltrecht, 16 Rn. 103; vgl. auch I. Appel, DVB1. 1995, 399 [407]; R. Wahl, HdUR, Bd. I, Art. „Erlaubnis", Sp. 528 [529]. 80

So das Verständnis von H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rn. 51, 57 ff., die grundsätzlich zwischen der vollen Einräumungsberechtigung und der Destination als dem schwächsten Grad der Berechtigung unterscheiden. 81 A. Scherzberg, DVB1. 1988, 129 [131]; H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen, S. 48 ff., 95 ff., 167 ff.; vgl. auch J. Martens, DVB1. 1970,260 [261 ff.] und zusammenfassend H. Bauer, DVB1. 1986, 208 [209ff.]; DVB1. 1988, 129 [131]; W. Henke, DÖV 1980, 621 [622ff.].

§ 1 Grundlagen

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lungsform Verwaltungsakt (und die Frage nach seiner Rechtmäßigkeit ) die Betrachtung 83. Die Behörde ist das handelnde Subjekt, der Bürger der Genehmigungsadressat. Vor Erteilung der Genehmigung kann es allerdings nur um den Anspruch und dessen rechtliches Schicksal gehen. Hierbei ist der Bürger Inhaber des subjektiven Rechts, die öffentliche Hand Schuldner der Verpflichtung. Diese anspruchsbezogene Sicht weise wird im folgenden zugrundegelegt.

VI. Die Anspruchsgrundlagen des Genehmigungsanspruchs Anspruchsgrundlagen sind der Entstehungsgrund für den Anspruch 84. Die grundlegende Typologie des Zivilrechts 85 unterscheidet vertragliche und gesetzliche Anspruchsgrundlagen 86. Allgemeingültiger kann man von autonom durch die Parteien und heteronom gesetzten Anspruchsgrundlagen sprechen87. 1. Gesetzliche Anspruchsgrundlagen Die „klassische" heteronome Anspruchsgrundlage ist die gesetzliche88. Auch das Zivilrecht kennt eine Vielzahl gesetzlicher Anspruchsgrundlagen; ihre Bedeutung ist allerdings entschieden größer, wenn die öffentliche Hand als Schuldner verpflichtet wird. Die rechtsstaatliche Funktion des Gesetzesvorbehalts fordert für Leistungen des Staates eine normative Grundlage 89. Nur bei unwesentlichen Angelegenheiten sind gesetzliche Regelungen entbehrlich 90. Uneinigkeit herrscht zwar noch für die bloße Verteilung staatlicher Mittel mit wirtschaftspolitischer Zielsetzung91. Wird die Leistung allerdings nicht schlicht gewährt, sondern bereits zuvor 82

Dazu unten II § 414 b, 112. W. Schur, Anspruch, absolutes Recht und Rechtsverhältnis, S. 104f. 84 F. Peters, in: Staudinger, BGB, § 194 Rn. 12; für relative subjektiv-öffentliche Rechte E. Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 201. 85 Zu weiteren Typologisierungsansätzen etwa F. Peters, in: Staudinger, BGB, § 194 Rn. 13; Karl Larenz, AT, § 13 II (S. 214ff.); vgl. auch: W. Fikentscher, § 5 Rn. 18, §§ 8, lOff. 86 F. Peters, in: Staudinger, BGB, § 194 Rn. 12; Joachim Gernhuber, Schuldverhältnis, § 6 3 (S. 112). m.w. Nachw. 87 So Joachim Gernhuber, Schuldverhältnis, § 64 (S. 113f.). 88 Ders., § 67 (S. 116). 89 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 6, 10; W. Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, S. 119ff.; H. J. Wolff/ Ο. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 30 Rn. 16; F. Ossenbühl und H. J. Papier, in: Götz/Klein/Starck, Die öffentliche Verwaltung, S. 9,36 [57 ff.]; vorsichtig auch M. Kloepfer, JZ1984, 685 [688, 693]. 90 BVerfGE 47,46 [78f.]; 80, 124 [132]; BVerwGE 47, 194; 57, 130 [137]. 91 Für die Gewährung von Subventionen hält das überwiegende Schrifttum entgegen der Rechtsprechung (etwa BVerwGE6, 282 [287f.]; 58,45 [48]; BVerwG DVB1. 1978, 212; OVG Münster, NVwZ 1982, 381) die bloße etatmäßige Bereitstellung der Mittel für nicht ausreichend, so dezidiert H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 14; H.-U. Erichsen, 83

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

ein subjektives Recht eingeräumt, so bedarf es der Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit einer gesetzlichen Regelung92. Ausgeschlossen sind damit Begünstigungsansprüche, die ausschließlich auf VerwaltungsVorschriften beruhen 93. Dies gilt um so mehr für den Genehmigungsanspruch, denn die Gestattung setzt ein gesetzliches Verbot voraus 94. Für den Kernbestand öffentlich-rechtlicher Genehmigungen, die ein grundrechtlich garantiertes Verhalten erlauben 95, folgt die Normierungspflicht bereits aus dem Eingriffsvorbehalt 96. Dementsprechend beruhen Genehmigungsansprüche des Bürgers ausnahmslos auf einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage 97. 2. Parteidispositive Anspruchsgrundlagen Eine Genehmigungserteilung durch Verwaltungsvertrag ist möglich, dementsprechend kann sich die öffentliche Hand in einem Vertrag auch zur Genehmigungserteilung verpflichten 98. § 56 Abs. 2 VwVfG sieht Leistungen als Vertragsgegenstand vor, auf die ein Anspruch besteht. Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist dann Entstehungsgrund des relativen Rechts99. Allerdings tritt er nur als zusätzliche Anspruchsgrundlage zur Gesetzlichen hinzu. Zwingende gesetzliche Bindungen gelten ebenso für den vertraglichen Genehmigungsanspruch100. Eine Parteidisposition ist deswegen nur sehr eingeschränkt im Bereich des Ermessens möglich 101 . DVB1. 1983,289 [294]; ders., VerwArch. 69 (1978), 303 [303f.]; G.Haverkate, NVwZ 1988, 769 [770ff.]; vgl. auch W. Martens, in: FS Wolff, S. 429 [433ff.]. 92 Etwa H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 14; vgl. auch § 31 SGB I, der den Gesetzesvorbehalt ausdrücklich festschreibt. 93 H. J. Wolff/ Ο. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rn. 28. Es ist gerade das Erfordernis einer normativen Grundlage, das mit der mittelbaren Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften umschrieben wird, vgl. K. Stern, Staatsrecht II, § 38 I 5 c (S. 659ff.), Staatsrecht III/l, §7414 (S. 1328 ff.). 94 Ausdrücklich R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 65; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 vor Rn. 51; vgl. auch H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, §46 Rn.41. 95 Vgl. oben III 3. 96 Vgl. nur A. Bleckmann, Staatsrecht II, § 12 Rn. 75; J. Pietzcker, JuS 1979, 710 [711 f.]; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 19; BVerwG, NJW 1988, 1534 [1535] m. w. Nachw.; BVerfG, NJW 1989, 2614 [2615]. 97 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 65; vgl. auch H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 30 Rn. 17. 98 H. J. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 54 Rdnr. 116; C. H. Ule/H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 68 Rn. 11. 99 E.Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S.201. 100 Vgl etwa H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26 Rn. 9 m. w. Nachw.; A. Bleckmann, NVwZ 1990, 601 [602f.]. Nicht durchgesetzt hat sich die Auffassung J. Salzwedels, Die Grenzen der Zulässigkeit des öffentlichen Vertrages, S. 19, der bei „zwingenden vertragsfordemden Interessen" die Gesetzesbindung hintanstellen will. 101 H. Maurer, § 14 Rn. 32, der deswegen (a. a. O., Rn. 31) von bloßen „Normvollzugsverträgen" der gebundenen Verwaltung spricht; entsprechend für den Bereich des Sozialrechts W. Löwer, NVwZ 1986, 793 [797].

Entstehung des Genehmigungsanspruchs

3. Begründung von Ansprüchen durch Einzelakt Im Verwaltungsrecht kommt noch eine dritte Kategorie hinzu, nämlich der einseitige A k t - d . h . der Verwaltungsakt - als Anspruchsgrundlage 102. Die möglichen Anspruchsinhalte sind universal und umfassen nicht nur Geldleistungen oder sonstige schlichte Leistungen, sondern auch den Anspruch auf Erlaß eines weiteren Verwaltungsakts. Allgemein und in den erstgenannten Fällen spricht man von einer Zusage103. Das Instrument für die Gewährung einer Genehmigung hingegen ist die Zusicherung, § 38 VwVfG, die man insofern als schuldbegründenden Verwaltungsakt 104 bezeichnen kann. Möglich ist beispielsweise die Zusicherung, eine Baugenehmigung oder eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis zu erlassen105. Inhaltlicher Spielraum besteht allerdings ebenfalls nur bei Ermessen; zwingende gesetzliche Grenzen schlagen auf die Zusicherung ebenso durch wie auf den Vertrag 106.

§ 2 Die Entstehung des Genehmigungsanspruchs I. Die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen als Entstehungsgrund „Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen". § 40 Abs. 1 SGB I regelt die Entstehung des Anspruchs idealtypisch für den Bereich der Leistungsverwaltung: Gesetzliche Tatbestandsmerkmale umschreiben die Anspruchs Voraussetzungen; der Anspruch gelangt zur Entstehung, wenn die entsprechenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, an die das Gesetz die Leistungpflicht knüpft 107 . Dies läßt sich 102

E. Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 201, der außerdem noch die Kategorie der nach außen wirkenden behördeninternen Bindungen zu erkennen glaubt. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, daß es hierbei nur um die Verdichtung eines Ermessensanspruchs gehen kann, der seinerseits auf einer selbständigen Anspruchsgrundlage beruht. 103 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 59. 104 Allerdings ist die Rechtsnatur der Zusicherung als Verwaltungsakt nicht zweifelsfrei; jedenfalls handelt es sich um eine verwaltungsrechtliche Willenserklärung mit der genannten Wirkung, vgl. die Nachw. bei F. O. Kopp, VwVfG, § 38 Rn. 7; H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 33; C. H. Ule/H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, §49 Rn. 1. 105 Vgl. F. O. Kopp, VwVfG, § 38 Rn. 9; P. Stettens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 38 Rn. 20. 106 Etwa P. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 38 Rdnr. 54; H. J. Wolff/O. Bachof/ R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 53 Rn. 15. 107 In dieser Allgemeinheit E. Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 201. Eine entsprechende Regelung trifft § 38 AO für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, vgl. W. Hein, DStR 1990, 301; allerdings sind diese Ansprüche aufschiebend bedingt, wenn ein von der Erfüllung verschiedener hoheitlicher Festsetzungsakt zwingende Voraussetzung des Fordernkön3 Vogler

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

verallgemeinern: bei den gesetzlichen Begünstigungsansprüchen sind es stets die tatbestandlichen Begründungsvoraussetzungen, die konkrete Rechte und Pflichten erzeugen 108. Im Grundsatz nichts anderes gilt bei Ansprüchen, über die nach Ermessen entschieden wird; sie entstehen ebenso mit Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen, nur ist ihr Inhalt vom Vollanspruch verschieden 109. § 40 Abs. 2 SGBI steht hierzu nur scheinbar in Widerspruch; wenn die Entscheidung über die Leistung als grundsätzlicher Entstehungszeitpunkt normiert wird, so ist damit der Wandel in den unbeschränkten Leistungsanspruch gemeint110. Derselbe Mischcharakter ist dem Ermessensanspruch auf Genehmigungserteilung zu eigen. Der eigentliche Genehmigungsanspruch entsteht daraus tatsächlich erst mit positiver Ermessensausübung, genauer der Bekanntgabe der Entscheidung. Anders nur bei einer Reduzierung des Ermessens; der Entstehungszeitpunkt ist dann vorverlagert und fällt mit der Begründung des Ermessensanspruchs zusammen.

II. Anspruchsvoraussetzungen des Genehmigungsanspruchs Die Anspruchsvoraussetzungen des Genehmigungsanspruchs sind naturgemäß vielfältig, weil auf die jeweilige Genehmigung zugeschnitten. Allerdings lassen sich durchaus Gemeinsamkeiten erkennen und herausheben. 1. Die Genehmigungsvoraussetzungen als Anspruchstatbestand Was den Blick auf den Anspruchstatbestand verstellt, ist seine auf den Leistungsinhalt bezogene Fassung. So bestimmt § 6 BImSchG sinngemäß: die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten sind. Entsprechendes gilt etwa für die Genehmigungsvorschriften des Baurechts 111. Ihre ausschließliche Funktion scheint es zu sein, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts zu beschreiben. Geprüft werden kann allerdings nur die Rechtmäßigkeit eines fiktiven, weil noch zu erlassenden Verwaltungsakts; die eigentliche Bedeutung der Genehmigungsvoraussetzungen liegt darin, Anspruchsmerkmale und Anspruchsinhalt festzulegen. Die Genehmigungsnorm bildet deshalb die Anspruchsgrundlage des Genehmigungsanspruchs. Diese anspruchsbezogene Sicht wird für das Verhältnis nens und -dürfens ist, H. Söhn, Steuerrechtliche Folgenbeseitigung durch Erstattung, S. 55 f. und unten Fn. 122. 108 Dies betont Klaus Otto, S. 20; vgl. auch £. Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 174. für die Berechtigungen des Zivilrechts. 109 Dazu bereits oben IV. 110 Vgl. etwa P. Mrozynski,, SGB I, § 40 Rn. 15. 111 Vgl. etwa Art. 72 BayBO; § 59 Abs. 1 LBO BW.

§ 2 Die Entstehung des Genehmigungsanspruchs

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von Anspruchsbestand und Rechtmäßigkeit der Genehmigung noch bedeutsam werden 112 . Bei Genehmigungsansprüchen sind die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen typischerweise von der Anspruchsnorm getrennt. Der genannte § 6 BImschG gewährt nur den Anspruch als Rechtsfolge und verweist im übrigen auf die Genehmigungsvoraussetzungen, die im entsprechenden Gesetz oder in ergänzenden Normierungen geregelt sind. Im Baurecht verteilen sich die einzuhaltenden „öffentlich-rechtlichen Vorschriften" auf verschiedene gesetzliche Grundlagen des Bundes- und Landesrechts 113. Dies verdeckt zwar die Rechtsnatur als Anspruchsnorm zusätzlich, inhaltlich liegt darin jedoch kein Unterschied zu einer einzelnen Anspruchsnorm, wie sie für das Zivilrecht typisch ist. Die Genehmigungsvoraussetzungen in ihrer Gesamtheit bilden den Anspruchstatbestand, der über den Verweis in die Anspruchsgrundlage inkorporiert wird.

2. Insbesondere: die Antragstellung als Entstehungsvoraussetzung Genehmigungsansprüche sind durchweg antragsbedürftig 114. Im vorliegenden Zusammenhang interessiert nicht der Antrag in seiner verfahrensrechtlichen Funktion 115 , sondern als materielles Erfordernis 116. Ohne wirksame Antrags Stellung gelangt der Anspruch nicht zur Entstehung. Liegen zum Zeitpunkt der Antragstellung 112

Dazu unten II § 414 b, 112. BauGB, BauNVO, die Landesbauordnungen und ergänzende Vorschriften. 1.4 Eine Erteilung von Amts wegen ist durch § 22 S. 2 Nr. 2 VwVfG ausgeschlossen, P. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 22 Rn. 28; BVerwG, BauR 1977, 405 [407]; OVG Koblenz, NVwZ 1986,576 [577]; vgl. auch Bulling, DÖV 1962, 378; C. Gusy, BayVBl. 1985, 484 [489]; E Kirchhof, DVB1.1985,651 [656,659ff.] und H. Söhn, in: Hübschmann/Söhn, AO/ FGO, § 86 AO Rn. 6 für Antragsverfahren des Steuerrechts. Bei Genehmigungen wird dies nur ausnahmsweise als Mittel zur Durchsetzung einer mißachteten Antragspflicht zugelassen, zum Meinungsstand H. Hablitzel, BayVBl. 1974, 392 [397, 398f.] einerseits, W.Dölker, BayVBl. 1974, 400 [403] andererseits. Regelmäßig bleibt dann die Behörde auf eingreifende Maßnahmen beschränkt; als mildestes Mittel wird sie zunächst die Antragstellung anordnen, wozu etwa Art. 82 S. 3 BayBO ausdrücklich ermächtigt. Eine allgemein bestehende Pflicht zur Antragstellung ist allerdings nicht anerkannt, P. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 22 Rn. 26; W. Kluth, NVwZ 1990, 608 [613] und die Nachw. unten Fn. 203. 115 Also als notwendige Verfahrens Voraussetzung oder als formeller Akt, der einen Anspruch auf Einleitung und Durchführung eines Verwaltungsverfahrens mit abschließender Sachentscheidung vermittelt, P. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 22 Rn. 23f.; ders., Verwaltungsverfahren, Rn. 214; eingehend auch C. Gusy, BayVBl. 1985, 484 [486ff.]. 116 P. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 154f., § 22 Rn. 19. Diese grundsätzliche Unterscheidung ist unbestritten, wenn auch im einzelnen Uneinigkeiten bestehen, vgl. J. Martens, NVwZ 1986, 533 [533f.]; P. Stelkens, NuR 1985, 213 [214f., 218f.]; M. Schnell, Der Antrag im Verwaltungsverfahren, S. 25. Für das Recht der Ausbildungsförderung dezidiert BVerwGE 90, 37 [40]; Pietzner/Müller, VerwArch. 85 (1994), 603 [616]; für das Sozialversicherungsrecht BSGE 62, 143 [146]; 50, 21 [22]. 1.3

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

die übrigen Entstehungsvoraussetzungen vor, so bezeichnet der Antrag den Beginn der verfahrensrechtlichen Relevanz, gleichzeitig aber auch den frühestmöglichen materiellen Entstehungszeitpunkt des Genehmigungsanspruchs117. 3. Insbesondere: zeitlich beeinflußte Anspruchsmerkmale Den sachlichen Gehalt der Anspruchsmerkmale bestimmt das jeweilige Fachrecht. Verallgemeinerungsfähig ist hingegen die Gruppe der zeitlich beeinflußten Anspruchsmerkmale. Hier schlägt sich der Zeitfaktor direkt oder indirekt in den Genehmigungsnormen nieder. Ebenso selbstverständlich wie die sachliche Umschreibung der Anspruchsvoraussetzungen ist die Möglichkeit, Tatbestandsmerkmale zeitlich zu fixieren. Gängigstes Beispiel sind bestimmte Beurteilungszeiträume für Sozial- oder Subventionsleistungen118 oder das Steuerjahr 119. Für Genehmigungsansprüche finden sich derartige Normierungen kaum; lediglich § 1 Abs. 2 GewO stellt für die Tatbestandsvoraussetzungen auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung ab 120 .

I I I . Die eigenständige Bedeutung des Genehmigungsanspruchs 1. Die Irrelevanz der Genehmigungserteilung Aus den behandelten EntstehungsVoraussetzungen folgt: Bei den hier behandelten Genehmigungsansprüchen121 kann die Entstehung des Anspruchs nicht abhängen vom Erlaß des genehmigenden Bescheids. Relevant ist die Gestattung lediglich als Anspruchsinhalt, in ihrer Erteilung liegt bereits die Erfüllung 122 . Markierten 117

C. Gusy, BayVBl. 1985, 484 [489]. Vgl. § 24 BaföG, § 27 Abs. 1 WoGG; BVerwGE 84, 278 [281 f.]; 62, 1 [2f.] und die Nachw. unten § 4 II 1 b. 119 Etwa § 25 Abs. 1 EStG; bei der Besteuerung spielt deswegen das Zeitmoment eine entscheidende Rolle, H. Söhn, Steuerrechtliche Folgenbeseitigung durch Erstattung, S. 14. 120 § 1 Abs. 2 GewO schützt nicht nur die ausgeübte Berechtigung, sondern auch den Anspruchsinhaber nach Antragstellung, dezidiert//. Serieller, in: FS Fröhler, S. 209 [227]; vorsichtiger noch ders. y WiVerw. 1979,63 [67 f.]; vorbehaltlich einer rückwirkenden gesetzlichen Regelung auch Kahl, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 1 Rn. 41 m. Nachw. auch der abweichenden Auffassung; ebenfalls L. Fröhler/J. Kormann, GewO, § 1 Rn. 32; offengelassen von BVerwGE 24, 38 [42]. Zur Bedeutung zeitlicher Fixierungen in der Auslegung und für die Behandlung von Änderungen der Sachlage unten II § 4 II 1 b. 121 Solchen also, die nicht auf ermessensfehlereie Entscheidung, sondern vollumfänglich auf die Genehmigung gerichtet sind, vgl. oben § 1IV. 122 Darin liegt der wesentliche Unterschied zu schlichten Leistungsansprüchen, bei denen eine „zwischengeschaltete" hoheitliche Festsetzung lediglich als zusätzliches „Leistungsversprechen" oder, wie H. Söhn, Steuerrechtliche Folgenbeseitigung durch Erstattung, S. 55 f. für die Besteuerung darlegt, als aufschiebende Bedingung für die Erfüllungspflicht wirkt. Daß die 118

Entstehung des Genehmigungsanspruchs

nicht ausschließlich die Tatbestandsvoraussetzungen den materiell-rechtlichen Entstehungszeitpunkt, dann fielen Entstehung und Erfüllung stets zusammen. Ein Genehmigungsanspruch existierte dann allenfalls für eine logische Sekunde. Die Unterscheidung von Anspruchsinhalt und Entstehungsvoraussetzungen ist deshalb für Genehmigungsansprüche ebenso selbstverständlich wie bei Ansprüchen auf schlichte Leistung123. Daß die Entstehung des Genehmigungsanspruchs dennoch kaum betont und behandelt wird, zeigt die immer noch vorherrschende Fixierung des Verwaltungsrechts auf die Handlungsform des Verwaltungsakts. Wer grundsätzlich jede Änderung als relevant für die Rechtmäßigkeit der Genehmigung ansieht, wird zwangsläufig den entstandenen Anspruch vernachlässigen und sein Erlöschen voraussetzen. Dieser Frage wird noch ausführlich in den folgenden Kapiteln nachzugehen sein. Voraussetzung für die Überprüfung der Änderungsbehandlung ist jedoch eine strikte Trennung von Entstehung und Erlöschen des Anspruchs. 2. Der entstandene Anspruch als eigenständige rechtliche Kategorie Die Anspruchsentstehung bedeutet die rechtliche Existenz des Genehmigungsanspruchs; ein konkretes subjektives Recht ist damit begründet. Im Unterschied zur bloßen Aussicht ist damit ein Rechstatbestand gesetzt. Daraus folgt eine grundlegende Bindung: die Rechtsordnung muß sich mit dem weiteren Schicksal des Anspruchs befassen. Der Anspruch stellt eine eigenständige rechtliche Kategorie dar, die nicht ignoriert werden darf 2 4 . Zumindest insofern trägt die Entstehung den potentiellen Weiterbestand bereits in sich 125 . Ob dies zu einer Rechtsbeständigkeit des Anspruchs führt, die sich auch gegenüber Änderungen durchsetzt 126, ist damit noch obligatorische Steuerfestsetzung nicht nur nach § 218 Abs. 1 AO Voraussetzung der Vollstrekkung, sondern bereits des Fordernkönnens und -dürfens und damit des staatlichen Anspruchs ist, verkennen etwa W. Hein, DStR 1990,301; AT. Tipke/H. W. Kruse, AO/FGO, § 38 AO Rn. 3 f.; P. Fischer, in: Hübschmann/Söhn, AO/FGO, § 38 AO Rn. 17. Erst recht gilt dies für Erstattungsansprüche bei fehlerhaft festgesetzter Steuer, die bereits tatbestandlich von der Aufhebung des (Steuer-) Bescheides als Rechtsgrund der Leistung abhängen; H. Söhn, Steuerrechtliche Folgenbeseitigung durch Erstattung, S. 104, 75 ff. hat nachgewiesen, daß dazu entgegen der sogenannten materiellen Rechtsgrundtheorie die bloße Zahlung „sine causa legis" nicht genügt; unzutreffend deswegen P. Fischer, in: Hübschmann/Söhn, AO/FGO, § 38 AO Rn. 82; W.Hein, DStR 1990, 301 [304f.]. 123 Die Bedeutung des Entstehungszeitpunkts eines steuerrechtlichen Erstattungsanspruch betont H. Söhn, Steuerrechtliche Folgenbeseitigung durch Erstattung, S. 11 f.; für die Entstehung des Entschädigungsverhältnisses nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 27. 124 Eine Folge davon ist das unten II § 416. formulierte Berücksichtigungsgebot. 125 Vgl. die - freilich weitergehende - Folgerung von E. Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 23. 126 Von einer derartigen Bestandsschutzanspruch geht E. Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 30, 33 aus, ebenso S. Olbertz, Herstellungsanspruch, S. 142f., 218, die einen verwaltungsrechtlichen Herstellungsanspruch postuliert; dazu jeweils unten II § 5IV, V. Für Ansprü-

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

nicht gesagt. Die Berücksichtigung des Anspruchs bedingt jedoch die Untersuchung der Gründe für sein Erlöschen und die Hemmung seiner Durchsetzbarkeit.

§ 3 Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren Titulierung und Vollstreckung des Genehmigungsanspruchs

I. Anspruch und Erkenntnisverfahren Für die vorstehenden Ausführungen bedurfte es keines Rückgriffs auf das Prozeßrecht, denn die Entstehung des Anspruchs bestimmt sich ausschließlich nach materiellem Recht127. Für ein gerichtliches Vorgehen besteht nur dann Veranlassung, wenn die Entstehung des Anspruch ex jure bestritten wird. Ist das Ergebnis eines auf Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen gerichteten Verwaltungsverfahrens für den Gläubiger negativ, weil die Behörde die Erfüllung des Anspruchs ablehnt, so stehen sich Rechtsbehauptungen des Schuldners und Gläubigers konträr gegenüber. Diese gegensätzlichen Rechtsbehauptungen verbindlich zu klären und das materiell „Richtige" autoritativ festzustellen 128, ist Ziel des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens. An dessen Ende steht eine Entscheidung, die nicht zwangsläufig richtig ist, der aber vermittels Rechtskraft grundsätzliche Unangreifbarkeit zukommt 129 . Steht eine bestimmte Leistung im Streit, wird also eine Entscheidung über den Bestand des Leistungsanspruchs getroffen, so geht die Funktion des gerichtlichen Titels über die formalisierte Rechtserkenntnis hinaus. Es ergeht ein Urteil, das nicht nur den Anspruch bestätigt, sondern den Schuldner zur Leistung verpflichtet 130. Zum Anspruch tritt der Titel als weiterer Leistungsbefehl hinzu, allerdings ohne die Erfüllung herbeizuführen. Für zivilrechtliche Leistungstitel versteht sich dies mangels staatlicher Dispositionsbefugnis von selbst. Für verwaltungsgerichtliche Urteiche des Steuerrechts P. Fischer, in: Hübschmann/Söhn, AO/FGO, § 38 AO Rn. 32; K. Tipke/ H. W. Kruse, AO/FGO, § 38 AO Rn. 3. 127 Anders noch als die gemeinrechtliche actio, für die die prozessuale Geltendmachung konstitutiv war, B. Winscheid, Die Actio des Römischen Civilrechts, S. 4. 128 D. Heckmann, Sofortvollzug staatlicher Geldforderungen, S. 31 unter Hinweis auf H. F. Gaul, RPfleger 1971, 1. 129 Zur formellen Rechtskraft als Voraussetzung für die inhaltliche ΒindungsWirkung einer endgültigen Entscheidung gem. § 121 VwGO sowie im Überblick zur theoretischen Grundlegung der materiellen Rechtskraft Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rn. 6, 19f. m. w. Nachw.; vgl. auch Gottwald, in: MünchKomm ZPO, § 322 Rn. l f . m. w. Nachw. Zur rechtsstaatlichen Komponente der materiellen Rechtskraft vgl. auch Κ. H. Schwab! P. Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, S. 28 f. 130 Diese Funktion fehlt naturgemäß bei rein feststellenden Titeln und darüber hinaus bei rechtsgestaltenden Urteilen, für die es keiner Erfüllungshandlung des Schuldners bedarf und die deswegen nicht vollstreckungsbedürftig sind, R. Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, § 168 Rn. 8; vgl. auch BSGE 27, 31 [33]; OVG Lüneburg, DVB1. 1950, 248 [249].

§ 3 Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren

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le hingegen wäre es durchaus vorstellbar, daß das Verwaltungsgericht selbst den begehrten Bescheid erteilt 131 . § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO hält demgegenüber aus Gründen der Gewaltenteilung und nicht zuletzt aufgrund der größeren Sachnähe und Effizienz der Behörden an einem bloßen Verpflichtungsausspruch fest 132 . Bleibt also die Erfüllung des Genehmigungsanspruchs von einem Tätigwerden des Schuldners abhängig, so besteht auch dann ein Bedürfnis für die Durchsetzung des titulierten Anspruchs, wenn er sich gegen die öffentliche Hand als Schuldner richtet. Die Justizgewährpflicht des Staates beschränkt sich nicht auf die Bekräftigung der Leistungspflicht, sondern enthält als notwendiges Korrelat zum staatlichen Gewaltmonopol das Recht auf effektive Durchsetzung des Titels 133 . An die Seite des materiellen Anspruchs tritt ein Vollstreckungsanspruch, zu verwirklichen in einem nachfolgenden Vollstreckungs verfahren 134.

II. Die Vollstreckung des Genehmigungsanspruchs im System der dualen Vollzugsordnung 1. Die diagonale Trennlinie als Bindeglied in der Vollstreckungsordnung Vollstreckungsvorschriften sind zwingende Folge durchsetzbarer Ansprüche und finden sich dementsprechend in allen Rechtsgebieten135. Die vielfältigen Unterschiede und Besonderheiten, die hier im einzelnen bestehen, sind nicht durchweg sachdienlich und rechtfertigen den Ruf nach einem einheitlichen Vollstreckungsregime zumindest in Teilbereichen 136. Im vorliegenden Zusammenhang hingegen gilt es, bei allen im Anschluß darzustellenden Spezifika der Vollstreckung des Geneh131 So die Gestaltung in Österreich nach § 42 Abs. 5 VwGG i. V. m. Art. 132 B-VG, H. R. Klecatsky/T. Öhlinger, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, § 42 VwGG E 53. 132 Vgl. auch § 113 Abs. 2 S. 2 VwGO, dem die Überlegung zugrundeliegt, daß die Behörden mit den ihnen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln in der Regel reibungsloser und schneller ermitteln, BT-Drs. 11/7030 S. 29; 7. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 12. 133 BVerfGE 54,277 [292]; BVerwGE 33,230 [231]; D. Lorenz, in: FS Menger, S. 143 [156]; 0. Bachof y Verwaltungsgerichtliche Klage, S. 164 f.; O. R. M. Remien, Rechts Verwirklichung durch Zwangsgeld, S. 28, 233; W. J. Bank, Zwangsvollstreckung gegen Behörden, S. 65 f.; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 16ff.; W.-R. Schenke, in: BonnKomm GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 166. 134 Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vor § 167 Rn. 1, 3. 135 § § 704 ff. ZPO im Zivilrecht, § § 449 ff. StPO im Strafrecht, § § 167 ff. VwGO für das Verwaltungsrecht sowie die §§ 150 ff. FGO, 198 ff. SGG für den Bereich der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit. 136 H. F. Gaul, JZ1979,496 [503] spricht von einem „undurchsichtigen Dschungel", und bereits Rupp, JZ 1965, 370 hat eine „graue Rechtsschutzzone" beklagt; ähnlich kritisch äußert sich G. Arndt, Der Verwaltungsakt, S. 2. Zu Reformüberlegungen H. F. Gaul, JZ 1979, 496 [510 f.] und den Entwurf einer VwPO, vgl. dazu die Nachw. unten Fn. 151

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

migungsanspruchs, die grundlegenden Verbindungslinien zu beleuchten. Dies leistet die von Dirk Heckmann 137 vorgenommene Systembildung, die die Gesamtheit der Vollstreckungsregeln als Vollstreckungsordnung begreift und zu einer dualen Vollzugsordnung weiterentwickelt. Die einheitliche Grundstruktur der Vollstrekkung zivilrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Leistungsansprüche des Bürgers erklärt sich dann zwanglos damit, daß beide jenseits einer diagonal durch die Vollstreckungsordung verlaufenden Trennlinie anzusiedeln sind. Eine vertikale Trennung besteht zwischen zivilgerichtlichem Vollzug und dem Bereich der VerwaltungsVollstreckung, eine horizontale Linie verläuft zwischen Verwaltungszwang und verwaltungsgerichtlicher Vollstreckung 138. Trotz graduell unterschiedlicher Verknüpfungen 139 bildet in beiden Fällen das Prinzip der Selbsttitulierung und -Vollstreckung der Verwaltung 140 das trennende Merkmal. Im System der dualen Vollzugsordnung ist es die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 VwGO, die gleichwohl eine grundlegende Parallele offenbart: Für die Beteiligten ist weniger die Herkunft des Titels, sondern vielmehr die zeitliche Abfolge von Vollstreckung und Rechtsschutz bedeutsam. Den rechtsstaatlich-normativen Regelfall bildet dann ein Vollzug, der nach und aufgrund einer richterlichautoritativen Feststellung seiner Berechtigung erfolgt 141. Diesem Regelvollstrekkungsverfahren unterliegen die Ansprüche Privater gegen den Staat, die ebenso wie Ansprüche unter Privaten auf einen gerichtlichen Titel zu stützen sind. Ebenso ist aber bei der Vollstreckung von Verwaltungsakten nicht nur die richterliche Kontrolle der Vollstreckung vorgeschaltet, vielmehr wirkt das Gericht durch die Abweisung der Anfechtungsklage auch an der Schaffung der Vollstreckungsvoraussetzungen mit 1 4 2 . Diese Merkmale fehlen nur beim Sofortvollzug eines Bescheids, der unabhängig von gerichtlicher Mitwirkung und vorausgehender Kontrolle erfolgt. Begreift man die Rechtsverwirklichung als Prozeß, so wird der Zeitfaktor zum systembildenden Merkmal und offenbart einen Dualismus, der sich - als diagonale Trennlinie - quer durch die (Prozeß-) Rechtsordnung zieht 143 . Gleichzeitig stellt diese Abgrenzung des Sofortvollzugs den Regelfall der Verwaltungsvollstreckung in 137

D. Heckmann, Sofortvollzug staatlicher Geldforderungen, S. 38 u. passim. Ders., S.39ff., 4Iff. 139 Während Justiz- und Verwaltungsvollstreckung Parallelen in Mittel, Ziel und Struktur der Vollstreckung aufweisen, richtet sich die verwaltungsgerichtliche Vollstreckung gemäß § 169 Abs. 1 S. 1 VwGO insgesamt nach dem VwVG und zeigt, daß der Vollzug zugunsten des Staates auf die Verwaltungsvollstreckung zugeschnitten ist, D. Heckmann, Sofortvollzug staatlicher Geldforderungen, S. 39f., 41 f. Nichts anderes gilt für die Sozialgerichtsbarkeit gem. § 200 SGG, und auch die finanzgerichtliche Vollstreckung nach § 150 FGO verläuft letztlich parallel, weil § 5 VwVG seinerseits auf die AO verweist und diese im übrigen gleichlautende Vorschriften enthält, ders., a. a. O., S. 42. 140 Statt aller Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 167 Rdnr. 7, 19. 141 D. Heckmann, Sofortvollzug staatlicher Geldforderungen, S.47 mit 143ff. 142 Ders., Sofortvollzug staatlicher Geldforderungen, S.48. 143 Ders., a.a.O., S.47. 138

§ 3 Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren

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den Zusammenhang mit dem gerichtlichen Vollzug privatrechtlicher und öffentlichrechtlicher Ansprüche. Die diagonale Trennlinie wird damit auch zu einem Bindeglied in der Vollstreckungsordnung.

2. Das Vollstreckungsverfahren im Überblick Für die Vollstreckung gegen die Öffentliche Hand sah sich der Gesetzgeber der V w G O veranlaßt, spezielle Schutzvorschriften in den §§170, 172 V w G O vorzusehen. Stimmen gegen die grundsätzliche Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen gegen den Staat 1 4 4 ist damit der Boden entzogen 145 . Wird die titulierte Verpflichtung nicht erfüllt, so hat auch der private Gläubiger einen Anspruch auf Vollstreckung gegen die öffentliche Hand 1 4 6 . Die Durchsetzung klagestattgebender Verpflichtungstitel regelt § 172 V w G O 1 4 7 . Danach ist der titulierte Anspruch auf Erlaß eines Verwaltungsakts durch Zwangs144 Geäußert etwa von 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 381 f.; ebenfalls noch C. H. Ule, DVB1. 1959, 532 [540], der die Erzwingung hoheitlichen Handelns durch Zwangsgeld als „Bankrotterklärung des Rechtsstaatsgedankens" bezeichnet. 145 Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vor § 167 Rn. 9, § 172 Rn. 6; im einzelnen O. Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, S. 150ff.; W. Miedtank, Zwangsvollstreckung, S. 4ff.; W. J. Bank, Zwangsvollstreckung gegen Behörden, S. 63 ff. 146 Dies gilt entgegen dem Wortlaut des § 172 VwGO, der die Annahme gerichtlichen Ermessens nahelegt, W. J. Bank, Zwangsvollstreckung, S. 75; O. R. M. Remien, Rechts Verwirklichung durch Zwangsgeld, S. 233; Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 172 Rn. 42; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 172 Rn. 6; anders noch F. O. Kopp, VwGO, § 172 Rn. 6 und VG Köln, DVB1. 1968, 712 [714]; SG Düsseldorf, VersR 1992, 1112; unklar E.-G. Thomas, BayVBl. 1967, 335 [339fJ. 147 Darüber hinaus umfaßt § 172 VwGO neben Bescheidungstiteln auch Urteile über den Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch gem. § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO, P. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 172 Rn. 4. Umstritten ist hingegen die Anwendung der Vorschrift auf Urteile und einstweilige Anordnungen nach § 123 VwGO, die Ansprüche auf schlichtes Verwaltungshandeln titulieren (Leistungsurteile i. e. S.). Dagegen F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 172 Rn. 1 \K.Redeker/H.-J.\. Oertzen, VwGO, § 172Rn.3; O.R.M.Remien,Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, S. 29ff., die hier allgemein § 167 Abs. 1 S. 1 i. V. m. §§ 883ff. ZPO anwenden, dafür Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 172 Rn. 18 ff., 16 m. w. Nachw., differenzierend P. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 172 Rn. 4 f., 9, der ein ein solch weites Verständnis nur für einstweilige Anordnungen nach § 123 VwGO annimmt. Heckmann, in: NKVwGO, § 172 Rn. 30 ff. stellt das Vollstreckungsziel in den Vordergrund und wendet § 172 auf unvertretbare Verpflichtungen an. Eindeutig anwendbar ist § 172 VwGO jedenfalls für die Vollstreckung von Ansprüchen auf eine behördliche Handlung, Duldung oder Unterlassung aus öffentlich-rechtlichen Verträgen, sofern sich die öffentliche Hand der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, § 61 Abs. 2 S. 3 VwVfG. Für Geldleistungstitel hingegen ist stets § 170 VwGO die vorrangige Spezialvorschrift, auch wenn es um Folgenbeseitigung durch Erstattung geht, Ρ Schmidt, a. a. Ο., § 172 Rn. 3; F. Ο. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 172 Rn. 1; W. Miedtank, Zwangsvollstreckung, S. 124; Pietzner, a. a. Ο., § 172 Rn. 15 gegen F. O. Kopp, VwGO, § 172 Rn. 1. Zum Erstattungsanspruch als Unterfall des Folgenbeseitigungsanspruchs H. Söhn, Steuerrechtliche Folgenbeseitigung durch Erstattung, S. 10.

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

geld durchzusetzen 148 . Eine Begünstigung der öffentlichen Hand wird damit in zweifacher Hinsicht statuiert: zum einen durch eine summenmäßige Begrenzung des Zwangsgeldes, zum anderen durch die gesetzgeberische Entscheidung, die behördliche Amtshandlung nicht mit direktem Erfüllungszwang durchzusetzen 149 . Dem zugrunde liegt ein Verständnis, das in dem Erlaß des Bescheids eine aus Gewaltenteilungsgründen unvertretbare Handlung erblickt 1 5 0 . Eine wiederholte Anwendung des Zwangsmittels ist jedoch ebenso unbegrenzt möglich wie i m Rahmen des § 11 B V w V G . §§ 172 S. 1, 167 Abs. 1 S. 2 V w G O bestimmen nicht das Amtsgericht 1 5 1 , sondern regelmäßig das Verwaltungsgericht zum Vollstreckungsgericht 152 . A n allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen ist neben dem vollstreckungsfähigen Titel lediglich dessen Zustellung erforderlich. Einer Vollstreckungsklausel bedarf es nach richtiger Auffassung nicht. Hier ist eine teleologische Extension des § 171 auf die Fälle des § 172 V w G O angebracht 153 , denn es leuchtet nicht ein, die allgemeinen Vollstrekkungsvoraussetzungen von der Art der zu erzwingenden Leistung abhängig zu machen. Schließlich setzt die Vollstreckung einen Antrag des Gläubigers voraus. Für ein Tätigwerden von Amts wegen läßt § 172 V w G O ebensowenig Raum wie § 753 Abs. 1 Z P O 1 5 4 .

148 Die Zwangsvollstreckung des Privaten aus einem Verpflichtungstitel auf Erteilung einer baurechtlichen Genehmigung behandeln beispielsweise VGH Mannheim, NVwZ-RR 1993, 447; R. Sinhuber, MDR 1985, 631 [632]; vgl. auch BVerwG, DVB1 1985, 392. 149 Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 172 Rn. 11. 150 Vgl. O. Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, S. 163; H.H.Rupp, AöR 85 (1960), 301 [335]; W. Miedtank, Zwangsvollstreckung, S. 119; W7. Bank, Zwangsvollstreckung gegen Behörden, S. 82f., 86f. 151 So aber § 180 Abs. 2 S. 1 EVwPO mit Begründung BT-Drs. 10/3437 S. 167, wonach entsprechend dem Vorschlag Gauls (JZ 1979,496 [510]) die Vollstreckung für alle Gerichtszweige beim Amtsgericht als ortsnaher, sachkundiger und neutraler Instanz konzentriert werden sollte. Ebenfalls dafür W. Zeiss , ZRP 1982, 74. 152 P. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 12; K. Redeker/H.-J. v. Oertzen, VwGO, § 167 Rn. 2. Anders nur Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 167 Rn. 94 und im Ergebnis auch W. Miedtank, Zwangsvollstreckung, S. 119, die das Gerichts des ersten Rechtszugs nur in § 170 VwGO als Vollstreckungsgericht, in § 172 VwGO aber als Prozeßgericht angesprochen sehen. Zu dieser Differenzierung besteht nur dann ein Bedürfnis, wenn man der Ansicht Pietzners folgt und den Einwand der ordnungsgemäßen Erfüllung nicht mit der Vollstreckungsgegenklage, sondern im Rahmen der Beschwerde behandelt, s. dazu unten Fn. 178. 153 Ebenso A. Wettlaufer, Vollstreckung, S.68; Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 171 Rdnr. 12; anders offenbar VGH Mannheim, NVwZ-RR 1993,520 undE.-G. Thomas, BayVBl. 1967, 335 [339]; K. Redeker/H.-J. v. Oertzen, VwGO, § 172 Rn. 4 sowie für die entsprechende Vorschrift des § 153 FGO H. Schwarz, in: Hübschmann/Söhn, AO/FGO, § 153 AO Rn. 5; K. Tipke/H. W. Kruse, AO/FGO, § 153 FGO Rn. 1, die an dem aus unerfindlichen Gründen beschränkten Gesetzes Wortlaut festhalten. In diesem Fall wäre die Klausel lediglich bei einstweiligen Anordnungen nach §§123 Abs. 3 VwGO, 929 ZPO entbehrlich. 154 Adressat des Vollstreckungsantrages ist das Gericht, nicht der Vorsitzende wie im Rahmen der Vollstreckung zugunsten der öffentlichen Hand, vgl. § 169 Abs. 1 S. 2 VwGO und A. Wettlaufer, Zwangsvollstreckung, S. 99.

§ 3 Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren

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Kommt die öffentliche Hand ihrer titulierten Verpflichtung nicht oder nur unzureichend nach, so wird die Erzwingungsvollstreckung durch Androhung des Zwangsmittels eingeleitet 155 . Der Androhungsbeschluß hat eine Fristbestimmung zu enthalten, die so bemessen werden muß, daß dem Schuldner die Erfüllung unter den gegebenen Umständen möglich ist 1 5 6 . In einer Art Gesamtbetrachtung besteht hier Gelegenheit, die seit Zustellung des Titels verstrichende Zeit und die Gründe für mögliche Verzögerungen wertend zu berücksichtigen. Der Erlaß der Androhung hingegen hängt weder von einem Verschulden der Behörde ab 1 5 7 , noch bedarf es einer zusätzlichen ungeschriebenen Erfüllungsfrist in Form der „grundlosen Säumnis in der Erfüllung der vom Gericht auferlegten Pflichten" 1 5 8 . Der Umstand, daß es dem Vollstreckungsschuldner billigerweise zugemutet werden konnte, in der seit Zustellung des Titels verstrichenen Zeit zu erfüllen 1 5 9 , kann lediglich eine verlängerte Androhungsfrist rechtfertigen, nicht aber die zwangsbewehrte Aufforderung zur Erfüllung aufschieben 160 . Das Zwangsgeld ist, in Entsprechung zu § 13 Abs. 5 B V w V G , in bestimmter Höhe anzudrohen 161 . Hierbei besteht zwar gerichtliches Ermessen, das sich maßgeblich an der Bedeutung des Leistungsinhalts für den Gläubiger auszurichten hat 1 6 2 .

155

Einer durch zusätzlichen Beschluß anzuordnenden Aufforderung zur Erfüllung, wie sie W. J. Bank, Zwangsvollstreckung, S. 75 f. fordert, bedarf es dabei nicht. § 170 Abs. 2 VwGO sieht dies lediglich für die Vollstreckung von Geldforderungen gegen die öffentliche Hand vor, wo die Aufforderung an die Stelle der Androhung im Rahmen der Erzwingungsvollstreckung tritt. Eine zweifache Abwendungsaufforderung wäre überflüssig und dem Gläubiger nicht zuzumuten. Allerdings ist der Schuldner nach §§167 Abs. 1 S. 1 VwGO i. V.m. § 891 S. 2 ZPO vor Erlaß des Androhungsbeschlusses zu hören, R. Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 172 Rdnr. 43. 156 Zur Fristbestimmung vgl. VGH Kassel, NVwZ-RR 1989, 452 [453]. 157 P.Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 172 Rn. 12; Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, § 172 Rn. 2; unzutreffend deswegen F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 172 Rn. 6, denn diese Einschätzung bräche mit den im Rahmen des § 888 ZPO geltenden Grundsätzen; das Zwangsgeld enthält nämlich, anders als das Ordnungsgeld nach § 890 ZPO, keine strafrechtlichen und verschuldensabhängigen Elemente; es ist, ebenso wie das Erzwingungsgeld des Steuerrechts, ein reines Beugemittel, H. Söhn, Steuerrechtliche Folgenbeseitigung durch Erstattung, S. 186. 158 Eben dies fordert aber als Voraussetzung für den Erlaß der Androhung BVerwGE 33,230 [232]. 159 F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 172 Rn. 5 m. w. Nachw.; VGH Mannheim, DÖV 1976,606; ähnlich VGH Mannheim, NVwZ-RR 1993,447; NJW 1978,287; VGH München, BayVBl. 1985, 691 [692]. 160 Vgl. auch § 13 Abs. 1 S. 2 VwVG. Vorsichtig hinsichtlich einer zusätzlichen Erfüllungsfrist deswegen W. Miedtank, Zwangsvollstreckung, S. 120 und Pietzner, in: Schoch/SchmidtAßmann/Pietzner, § 172 Rdnr. 33 mit der zutreffenden Feststellung, nach Abschluß des Erkenntnisverfahrens bestünde kein Anlaß, die Durchsetzung der Entscheidung unnötig hinauszuzögern. 161 Heckmann, in: NKVwGO, § 172Rn. 74. 162 W. J. Bank, Zwangsvollstreckung, S. 76 Fn. 25; W. Miedtank, Zwangsvollstreckung, S. 121; E. G. Thomas, BayVBl. 1967, 335 [340].

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

Angesichts der fast symbolisch zu nennenden gesetzlichen Höchstgrenze, die den Streitwert für die entsprechende Genehmigung regelmäßig weit unterschreitet 163, wird allerdings, auch bei wiederholter Anwendung nach § 172 S. 2 VwGO, häufig nur die gesetzliche Höchstsumme angemessen sein164. Nach fruchtlosem Fristablauf hat das Vollstreckungsgericht das Zwangsgeld in der angedrohten Höhe durch Beschluß auf weiteren Antrag des Gläubigers festzusetzen165. Von Amts wegen erfolgt dann die Beitreibung des Zwangsgeldes als zweite Stufe des VollstreckungsVerfahrens. Bei der festgesetzten Summe handelt es sich um eine titulierte Geldforderung gegen die öffentliche Hand, die somit nach § 170 VwGO zu vollstrecken ist 166 .

I I I . Einwendungen gegen die Vollstreckung 1. Einwendung und Anspruch-begriffliche Grundlagen Einwendungen lassen sich als Komplementärbegriff zum Anspruch verstehen 167. Nach materieller Terminologie sind damit diejenigen Einreden im Sinne des Prozeßrechts bezeichnet168, mit denen Gegennormen aus dem materiellen Recht geltendgemacht werden 169. Mit einer rechtshindernden Einwendung wird bereits die Entstehung des Anspruchs bestritten, während die rechtsvernichtende Einwendung zum nachträglichen Erlöschen führt. Demgegenüber schließen rechtshemmende Einwendungen, i. e. Einreden im Sinne der materiellen Begrifflichkeit, lediglich die 163 Vgl. nur Nr. 7.1, 11.1, 14.1, 14.3, 15.1, 16.1.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt etwa in Eyermann, VwGO, Anhang 1) und § 13 Abs. 1 S. 2 GKG. 164 So auch Heckmann, in: NKVwGO, § 172 Rn.74. Zur Kritik an der Höchstgrenze des § 172 S. 1 VwGO Maunz, BayVBl. 1971, 399 [400]; K.A.B e nermann, DVB1. 1969, 121. 165 Κ. Redeker/H.-J. v. Oertzen , VwGO, § 172 Rn. 6; W. J. Bank , Zwangsvollstreckung, S. 76 gegen Miedtank, S. 121. 166 Dies ist ganz h. M., etwa OVG Lüneburg, DVB1. 1969,119; Κ Redeker/H.-J. v. Oertzen, VwGO, § 172 Rn. 7; F. O. KoppfW.-R. Schenke, VwGO, § 172 Rn. 6; W. J. Bank, Zwangsvollstreckung, S. 76; ebenfalls K. Tipke/H. W. Kruse, AO/FGO, § 154 FGO Rn. 2; anders nur Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 172 Rdnr. 47, der aufgrund der fehlenden Antragsbedürftigkeit die JBeitrO anwenden will. 167 F. Peters, in: Staudinger, BGB, § 194 Rn. 20. 168 Nach prozessualer Terminologie ist eine Einrede nur zu berücksichtigen, wenn sich der Schuldner auf sie beruft, im Unterschied zu den Einwendungen, die im Prozeß von amts wegen zu berücksichtigen sind, F. Peters, in: Staudinger, BGB, § 194 Rn. 20. Allerdings ist auch hier die Differenzierung nicht einheitlich; nach einem weiten Verständnis läßt sich die Einrede auch definieren als jede Behauptung des Beklagten, mit der dieser sich anders als durch Bestreiten der klagebegründenden Behauptungen des Klägers verteidigt; er macht eine Gegennorm geltend, die dem materiellen oder dem Prozeßrecht angehören kann, D. Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 731. 169 L. Rosenberg/K. H. Schwab/P Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 104 II 2 (S. 589 f.).

§ 3 Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren

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Durchsetzbarkeit des Anspruchs dauernd (dilatorisch) oder zeitweilig (perkutorisch) aus170. 2. Die öffentlich-rechtliche Vollstreckungsgegenklage als Rechtsbehelf der Behörde Für die Durchsetzung von Einwendungen gegen den rechtskräftig festgestellten Anspruch ist die Vollstreckungsgegenklage171 statthaft. Zweck des über § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO anwendbaren § 767 ZPO ist die prozessuale Verteidigung des verurteilten Schuldners gegen eine Vollstreckung, die sich materiellrechtlich nicht mehr rechtfertigt 172. Dabei präkludiert § 767 Abs. 2 ZPO alle Einwendungen, die innerhalb des Erkenntnisverfahren hätten geltendgemacht werden können173. Die Behörde muß also vortragen, der Grund für die Vollstreckung des Zwangsgeldes sei nachträglich entfallen 174. Dies nimmt rechtshindernde Umstände aus175 und beschränkt die Vollstreckungsgegenklage auf rechtsvernichtende und rechtshemmende Einwendungen176. Namentlich in Betracht kommen der Erlaß einer Veränderungssperre, ein erfolgreicher Zurückstellungsantrag oder das Inkrafttreten eines der Genehmigungserteilung entgegenstehenden Bebauungsplanes177, aber auch der häufig geltendgemachte Einwand, inzwischen sei man der fraglichen Verpflichtung aus dem Titel vollständig nachgekommen178. 170

J. Gernhuber, Schuldverhältnis, § 4 I V 1 (S. 82 m. Fn. 60); F. Peters, in: Staudinger, BGB, §194 Rn. 20. 171 Den Begriff Vollstreckungsgegenklage hat/. Kohler, AcP72 (1887), 1 [12] geprägt; synonym verwendet wird die Bezeichnung „Vollstreckungsabwehrklage", die sich auf H. Reichel, AcP 133 (1931), 19 [20] zurückführen läßt. 172 Vgl. Κ . Dreykluft, Die Zulässigkeit von Gestaltungseinreden, S. 1 ; K. Schmidt, in: MünchKomm ZPO, § 767 Rdnr.l, 58. 173 K. Schmidt, in: MünchKomm ZPO, § 767 Rdnr. 73. 174 Ε Ο. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 172 Rn. 8. 175 K. Schmidt, in: MünchKomm ZPO, § 767 Rdnr. 58; M. Geißler, NJW 1985,1865 [1867]. 176 Heckmann, m: NKVwGO, Vorb. § 167 Rn.46. K. Dreykluft, Die Zulässigkeit von Gestaltungseinreden, S. 1. Nach Wegfall einer rechtshemmenden Einwendung wie einer Veränderungssperre kann dann auch die Vollstreckung fortgesetzt werden, F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 172 Rn. 8 m. w. Nachw. 177 BVerwG, NVwZ 1985, 563; DVB1. 1985, 392 = BayVBl. 1985, 344; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1993, 447; ebenfalls BVerwG v. 26.10.1984 - 4C 53.80; vgl. auch P. Gielen, JR 1985, 143 [146]; R. Sinhuber, MDR 1985, 631 [632]; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, §172 Rn. 8. 178 Der Einwand der Erfüllung stellt eine nachträgliche Einwendung dar, die anerkanntermaßen mit der Vollstreckungsgegenklage zu verfolgen ist. Im Rahmen des § 172 VwGO wird dies allerdings bestritten und ausnahmsweise die Beschwerde nach § 146 VwGO für statthaft gehalten. Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 172 Rdnr. 55 m.w. Nachw. zum Meinungsstand stützt sich auf die grundlose Säumnis, die in § 172 VwGO als Vollstreckungsvoraussetzung ausgestaltet sei. Neben den bereits oben 112. dagegen angeführten Einwänden erheben sich bereits deswegen Bedenken, weil dieser Einwand nicht auf § 172 VwGO beschränkt ist. Eine gesonderte Behandlung im Rechtsbehelfsverfahren erscheint aber nicht gerechtfertigt.

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1. Kap.: Entstehung des Genehmigungsanspruchs

Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage ist demnach weder die Rechtmäßigkeit des Urteils, noch durchbrechen die genannten Einwendungen die Rechtskraft 179 . Sie betreffen lediglich die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung und sind geeignet, dem Titel durch das Urteil nach § 767 ZPO die Vollstreckbarkeit zu nehmen 180 . Der Rechtsnatur nach handelt es sich deshalb um eine prozessuale Gestaltungsklage181, deren Rechtshängigkeit noch keinerlei Auswirkungen auf das Vollstreckungsverfahren hat 182 . Aber auch nach einem abschließenden Urteil über die geltendgemachten Einwendungen bleiben Maßnahmen nach § 172 VwGO weiterhin zulässig und bereits erfolgte Vollstreckungsakte bis zu ihrer Aufhebung wirksam183. Die GestaltungsWirkung der Vollstreckungsgegenklage ist damit nur eine mittelbare, denn sie führt erst über §§775 Nr. 1 ZPO zur Einstellung der Zwangsvollstreckung 184.

3. Urteil und Änderung - Die Vollstreckungsgegenklage als prozessualer Ausdruck einer rein materiell-rechtlichen Problematik Wie gezeigt, kann der Anspruch auch nach einem rechtskräftigen Urteil noch vereitelt werden. Der Verpflichtungsausspruch bindet nur hinsichtlich der ihm zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage und steht gleichsam unter Änderungsvorbehalt 185 . Die Vollstreckungsgegenklage gewährleistet die prozessuale Geltendmachung nachträglicher Einwendungen und ist Ausfluß der zeitlichen Grenzen der Rechtskraft 186. 179

VGH Mannheim, NVwZ-RR 1993, 447 unter Bezugnahme auf BVerwG, NVwZ 1985, 563; Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 167 Rn. 22. Weiterführend H.-J. Musielak y in: FS Schwab, S. 349 [364]. Für Umstände, die sich gegen die Richtigkeit des Titels wenden, gewährt § 323 ZPO Rechtsschutz, K. Schmidty in: MünchKomm ZPO, § 767 Rdnr. 69; zur Abgrenzung vgl. M.Jakoby, Das Verhältnis der Abänderungsklage, S. 208 ff. und M. Kainz, Vollstreckungsabwehrklage, S. 171, der auf die abstrakte Möglichkeit der Geltendmachung durch beide Parteien abstellt. 180 K. Dreyklufty Die Zulässigkeit von Gestaltungseinreden, S. 1; K. Schmidty JuS 1992, 90. 181 K. Schmidt y in: MünchKomm ZPO, § 767 Rn. 3; P. Hartmann y in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, § 767 Rn. 1; K. Schreiben Jura 1992, 25 [29]; M. Geißler, NJW 1985, 1865 [1866] m. w. Nachw. Die Gegenauffassung sieht die Vollstreckungsgegenklage als Leistungsklage an, die nichts anderes als die Fortsetzung des Vorprozesses darstellt, A. Blomeyen AcP 165 (1965), 481 [491]; von einer Feststellungsklage geht aus 7. S.Janke y Vollstreckungsgegenklage, S. 132. 182 Dezidiert VGH Mannheim, NVwZ-RR 1993,447. 183 Vgl. § 776 S. 1 ZPO. Kritisch H. Kreiling, NJW 1963,888 [889], der in der Notwendigkeit zur gesonderten Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen eine unnötige Formalisierung sieht. 184 Statt aller Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 167 Rn.20. 185 VGH Mannheim, NVwZ-RR 1993, 447; BVerwG, NVwZ 1985, 563 [564]; BVerwGE 70, 227 [230f.]. 186 Schmidty in: MünchKomm ZPO, § 767 Rdnr. 69; vgl. auch S. Detterbecky Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen, S. 100 ff.; Arndt, Der Verwaltungsakt, S. 92.

§ 3 Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren

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Damit steht allerdings nur fest, daß das Prozeßrecht keinerlei Aussagen über den Bestand des Anspruchs trifft. Ob eine Änderung der Sach- oder Rechtslage zu berücksichtigen ist, bestimmt sich im Vollstreckungsverfahren ebenso wie im Erkenntnisverfahren 187 alleine nach materiellem Recht. Dies macht nicht hinreichend deutlich, wer Umstände wie einen neuen Bebauungsplan ganz allgemein als Einwendung im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage bezeichnet188. Warum nämlich der materielle Genehmigungsanspruch erloschen oder in seiner Durchsetzung gehemmt ist, während sich eine erteilte Genehmigung auch gegenüber Rechtsänderungen durchzusetzen vermag, ist damit nicht begründet, sondern schlicht vorausgesetzt189. Ebensowenig läßt sich damit klären, ob und unter welchen Voraussetzungen es gleichwohl zu einer Rechtsbeständigkeit des Anspruchs kommen kann. Im Prozeßrecht spiegelt sich lediglich die übergreifende Frage, der im folgenden nachgegangen werden soll, nämlich der nach dem Einfluß von Änderungen der Sach- oder Rechtslage auf den materiellen Bestand des Genehmigungsanspruchs.

187

Zur Frage des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts im verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisverfahren als Grundlage der bisherigen Änderungsbehandlung eingehend unten 2 § 3. 188 Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 167 Rn. 30, § 172 Rn.54; ebenso pauschal P. Schmidt, in: Eyermann, § 167 Rn. 17. 189 So bei BVerwGE 70,227 [230] und Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, 172 Rn. 56, der nur deswegen Unterschiede in der Beachtlichkeit von Gesetzesänderungen im Zivilrecht und öffentlichen Recht erkennt, weil er nicht den Anspruchsbestand als gemeinsame Beurteilungsgrundlage zugrundelegt. Tatsächlich sind es alleine die im folgenden Kapitel zu beschreibenden materiellen Determinanten des Anspruchserlöschens, die zu einer auch prozessual beachtlichen Einwendung führen.

Zweites Kapitel

Anspruch und Änderung Für den Gläubiger ist nicht nur die Entstehung des Anspruchs von Bedeutung; mindestens ebenso ausschlaggebend sind die Umstände, die seine Erfüllung zunichte machen. Die Betrachtung des Vollstreckungsverfahrens mit den möglichen Einwendungen im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage hat gezeigt, daß der Leistungserfolg selbst nach einem rechtskräftig zusprechenden Urteil noch vereitelt werden kann. Über diese grundsätzliche Labilität des Anspruchs besteht soweit Klarheit. Dem Anspruchsinhaber ist damit allerdings noch nicht gedient, will er sich doch auf fest umrissene potentielle Durchsetzungshindernisse einstellen können. Der Gläubiger einer zivilrechtlichen Forderung kann dies unschwer in Erfahrung bringen, zumeist genügt bereits ein Blick ins Gesetz. Im übrigen wird er die Forderung als gesicherte Rechtsposition betrachten und auf ihre fortbestehende Realisierungsmöglichkeit vertrauen. Eine solche Betrachtungsweise ist der verwaltungsrechtlichen Dogmatik noch weitgehend fremd. Bezeichnenderweise beläßt es die Behandlung von Einwendungen gegen öffentlich-rechtliche Ansprüche im Wesentlichen bei einer Parallele zum Zivilrecht 190 . Demgegenüber steht im Mittelpunkt der Betrachtung die zu erteilende Genehmigung, deren Rechtmäßigkeit und der hierfür zugrundezulegende Beurteilungszeitpunkt. Das rechtliche Schicksal des Anspruchs erscheint hierbei nur als Reflex, über den zwangsläufig mitentschieden wird. Der explizite Grund für sein Erlöschen oder seine Hemmung bleibt meist unausgesprochen. Sämtliche Umstände vor Erlaß der Genehmigung können nur den Anspruch betreffen. Ausschließlich dieser, nicht der zu erteilende Bescheid, ist der existente Rechtstatbestand. Grundlage der Untersuchung bildet deswegen eine anspruchsbezogene Sichtweise, i. e. der Blickwinkel des Gläubigers. Nähert man sich auf diese Weise Sachverhalten, in denen eine Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Umstände eintritt, so erscheint die Frage nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt richtigerweise nicht mehr als ein Problem der Verwaltungsaktsdogmatik, sondern als Erklärungslücke in den hergebrachten Erlöschensgründen für Ansprüche. Was zunächst nur als eine geringfügige Korrektur des Blickwinkels erscheint, bildet dann die Basis für eine veränderte Änderungsbehandlung mittels eines Brückenschlags zwischen den Handlungsformen. 190

Vgl. etwa J. Hüttenbrink, in: Kuhla/Hüttenbrink, I Rn. 55; J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 167 Rn. 16f.; Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 167 Rn. 30.

§ 1 Erlöschen und Hemmung des Genehmigungsanspruchs

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§ 1 Erlöschen und Hemmung des Genehmigungsanspruchs I. Die Erfüllung als anspruchsimmanenter Erlöschensgrund Ein Anspruch erlischt, wenn der Schuldner seiner Verpflichtung nachgekommen ist. Was § 362 Abs. 1 BGB für das zivilrechtliche Schuldverhältnis regelt, gilt ebenso für das Verwaltungsrechtsverhältnis 191 und die zugrundeliegenden öffentlich-rechtlichen Ansprüche. Auch ohne ausdrückliche Regelung wohnt diese Erlöschensfolge jedem Anspruch inne, erreicht doch der Anspruch mit Erfüllung sein vorgesehenes Ziel 192 . Wie untragbar ein Weiterbestand trotz Erfüllung wäre, zeigt sich am drastischsten bei Geldzahlungsansprüchen, könnte doch mehrfach Befriedigung erlangt werden. Wenn eine mehrfache Genehmigungserteilung demgegenüber nur sinnlos erscheint, ist dies ein nur gradueller Unterschied, der an der Erlöschensfolge nichts ändert. Die Erfüllung ist ein originärer und anspruchsimmanenter Erlöschensgrund. Ob Erfüllung eingetreten ist, bestimmt sich eindeutig und ausschließlich nach dem Anspruchsinhalt 193. Bei Genehmigungsansprüchen im weiteren Sinne spiegelt sich hier die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Vollanspruch und Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung194. Ist der Behörde Ermessen eingeräumt, so erlischt der Anspruch bereits mit der ermessensfehlerfreien Ablehnung der Begünstigung durch Erfüllung. Besteht hingegen ein Genehmigungsanspruch im eigentlichen Sinne, so kann er nur durch die Erteilung der Erlaubnis erfüllt werden.

II. Dispositionen über den Anspruch In ähnlicher Weise im Anspruch selbst angelegt ist die grundsätzliche Befugnis des Gläubigers, über seinen Anspruch zu disponieren. Er kann ihn, soweit zulässig, 191

H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 53. Für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis vgl. §§47, 224-225 AO. 192 Vgl. Karl Larenz, AT, § 13 V c (S. 242). 193 Die Vielfalt möglicher Anspruchinhalte spiegelt sich deshalb in den Erfüllungsmöglichkeiten; für das Zivilrecht kommen noch Erfüllungssurrogate hinzu, die wie die Aufrechnung grundsätzlich auch für gleichgeartete Ansprüche des öffentlichen Rechts gelten; dazu und zu den im Einzelnen gleichwohl bestehenden Besonderheiten vgl. etwa §§51 SGB I, § 19 BAföG, §§ 48, 226 AO und H. J. Woljf/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 47f.; H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 2; R. Pietzner, VerwArch. 73 (1982), 453 [461 ff.], VerwArch. 74 (1983), 59ff.; R. Buhmann, MDR 1984, 983; I. Ebsen, DÖV 1982, 395 ff.; H. Veitenthal, BayVBl. 1990, 615; BVerwG, VerwRspr. 23, 956; BVerwGE 66, 218; BFHE 139, 494 [495 f.]; 156, 392 [393]; H. W. Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, §911 (S. 187 f.). 194 Dazu oben I § 1IV. 4 Vogler

2. Kap.: Anspruch und Änderung

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auf Dritte übertragen (dazu unten 2.), oder aber selbst den Untergang des Anspruchs herbeiführen (sogleich 1.). 1. Verzichtbarkeit des Genehmigungsanspruchs Beruht das Erlöschen auf einer Vereinbarung mit dem Schuldner, so handelt es sich um einen Erlaßvertrag 195. Es genügt aber auch ein einseitiger Verzicht. Insofern läßt sich der Erlaß als besondere Ausprägung des Verzichts begreifen 196, hat doch beides seine Grundlage in der Dispositionsbefugnis des Anspruchsinhabers. Für verwaltungsrechtliche Ansprüche gilt nichts anderes. Der Erlaß einer verwaltungsrechtlichen Schuld wird durch verwaltungsrechtlichen Vertrag bewirkt 197 , der Verzicht durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung des Gläubigers 198, die in der Rechtsfolge zum Erlöschen des Anspruchs führt 199 . Diese Parallelen im Grundsätzlichen zeigen den Anspruch als übergreifende Kategorie, dessen Dogmatik in den Rechtsgebieten nur modifiziert ist. Besonderheiten zeigen sich bei der stets vorausgesetzten Verzichtbarkeit des jeweiligen Anspruchs. Das Zivilrecht kennt aufgrund der Privatautonomie kaum Einschränkungen der Dispositionsbefugnis 200. Im öffentlichen Recht hingegen unterliegt ein Berechtigungsverzicht deutlich engeren Voraussetzungen, bestehen doch regelmäßig Allgemein- oder Drittinteressen, die der Gestaltungsbefugnis des Gläubigers entzogen sind 201 . 195

Karl Larenz, AT, § 13 V c (S. 242). Zum Verhältnis von Erlaß und Verzicht etwa F. Peters, in: Staudinger, BGB, Vorb. § § 194 ff. Rn. 18., der wegen § 397 BGB einen Verzicht stets nur in Form eines Erlaßvertrags zuläßt; nach a. A. soll eine Pflicht zum vertraglichen Verzicht dann bestehen, wenn das Recht vertraglich begründet wurde; für einen solchen ,fictus contrarius" sprechen sich aus H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 54; W. Henke, Das Recht der Wirtschaftssubventionen als öffentliches Vertragsrecht, S. 414; ähnlich wohl auch C. U. Ule/ H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 71 /. Allgemein den Begriff Erlaß für den einseitigen Verzicht verwendet das Steuerrecht, vgl. § 227 AO und H. W. Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, § 9IV 1 (S. 195); BVerwGE 48, 166. 197 Vgl. H. J. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 54 Rdnr. 113. 198 BVerwG, NVwZ 1982, 196; OVG Münster, NJW 1987, 1964 [1965]; NJW 1985, 644; H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 54; A. Schink, Rechtsnachfolge bei Zuständigkeitsveränderung, S. 181 f.; Illian, Der Verzicht Privater im Verwaltungsrecht, S. 17; K. R. Wilde, Der Verzicht Privater auf subjektive öffentliche Rechte, S. 26. Dabei kann die Verzichtserklärung der Behörde auch in Forni eines Verwaltungsakts erfolgen, H.-U. Erichsen, a. a. O; zu eng demgegenüber P. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 53 Rdnr. 22, wenn er den Verzicht oder Erlaß auf die Handlungformen Vertrag und Verwaltungsakt beschränken will. 199 H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 54. Für das Zivilrecht vgl. K. Schmidt, in: MünchKomm ZPO, § 767 Rn. 62 200 Zur Frage der Verzichtbarkeit im Zivilrecht Karl Larenz, AT, § 13 V c (S. 240f.). 201 Zum Berechtigungsverzicht H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rn. 81 f. So ist ein Verzicht auf Rentenansprüche grundsätzlich ausgeschlossen, ebenso der Ver196

§ 1 Erlöschen und Hemmung des Genehmigungsanspruchs

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Für den Genehmigungsanspruch kommt ein isolierter Verzicht regelmäßig nicht in Betracht. Dies folgt aus der besonderen Akzessorietät der Genehmigung zum Verbot, das durch sie aufgehoben wird. Ohne Genehmigung bleibt das jeweilige Verhalten unzulässig, unabhängig davon, ob materiell ein Anspruch darauf entstanden ist. Die Behörde kann das Verbot durch selbständige Verfügung durchsetzen 202. Diese Akzessorietät bestimmt den Genehmigungsanspruch: „Verzichten" kann der Gläubiger lediglich auf die zu genehmigende Handlung, nicht aber isoliert auf Genehmigung und Genehmigungsanspruch. Die Antragsberechtigung bezeichnet nur diese Wahlfreiheit, begründet aber nicht ein Recht zum Verzicht. So betrachtet wird dann, wenn der Bürger das Verbot bzw. die Untersagung seines Handelns nicht hinnehmen will, die Antragsberechtigung zur Antragspflicht. Dementsprechend wird es vielfach zugelassen, den Bürger mittels durchsetzbarer Verfügung nicht nur zum Unterlassen des Verhaltens, sondern auch zur Antragsstellung anzuhalten203. Bei genauer Betrachtung stellt also ein „Verzicht" auf den Genehmigungsanspruch in keiner Hinsicht einen Rechtsakt des Gläubigers dar. Es handelt sich vielmehr um ein - erzwungenes oder freiwilliges-Unterlassen des verbotenen Verhaltens. Insgesamt besteht hier keine Dispositionsfreiheit, die mit dem Zivilrecht vergleichbar wäre. 2. Wechsel in der Aktivlegitimation Mit Aktivlegitimation oder Sachbefugnis ist die materiellrechtliche Anspruchsinhaberschaft bezeichnet204. Entsprechend dem Wechsel in der Passivlegitimation auf Schuldnerseite205 führt ein Anspruchsübergang einerseits zum derivativen Rechtserzicht auf Sozialhilfeleistungen, sofern damit der Lebensunterhalt von Familienangehörigen beeinträchtigt würde. Schließlich bleibt es trotz Verzichts auf Abwehransprüche bei der Unzulässigkeit eines emittierenden Vorhabens, wenn Leben und Gesundheit der betroffenen Nachbarn betroffen sind. Zu den Beschränkungen, denen der Staat als Gläubiger beim Abgabenverzicht/-erlaß unterliegt, vgl. § 227 AO und H. W. Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, § 9 IV 2 (S. 195); BVerwG, NJW 1984, 2113 [2114]; OVG Lüneburg, NVwZ 1986, 780. 202 Etwa Art. 81 BayBO, § 64 LBO BW, § 20 Abs. 2 BImSchG. 203 Ausdrücklich ermächtigt dazu Art. 82 S. 3 BayBO, Alfons Simon, BayBO, Art. 74 Rn. 1; VGH München, BRS 40 Nr. 224. Allgemein für eine Erzwingung der Antragstellung sprechen sich aus H. Fislake, NVwZ 1990, 1046 [1047 f.]; anders etwa OVG Münster, DÖV 1987, 601; UPR 1988, 229 [23