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German Pages 435 Year 1832
Johannes von Müllers ſ å mmtliche
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Herausgegeben
Rohann Georg Müller.
Dhe i l.
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Stuttgart und fübingen ,
in der . 6. Cotta'fden Buchhandlun g . "
1 8.3
2,
Der Geſchichten
Schweizeriſcher Eidgenoſſenſchaft Neunter Theil.
Bis aufdie Zeiten des burgundiſchen Kriegs.
Durdy
Johannes von Müller. Ihr Sinn war ſtark und ungezieret, Und all ihr Wiß war nur Perſtand. Saller.
Stuttgart und tubingen,
in der 3. g. Cotta'fe 1 8
3
2,
Bubandlung .
Inhaltsanzeige. Cap. 5. Zuſtand aller Gegenden
Viertes Buch
Helvetiens in den neunzehn Jahren von Buben bergs Spruch bis auf den Waldshuter Krieg ; 1450 — 1469.
2.Soilderung4. Š.līgungen berWaadt(undSavoyeng);6. Bes der Prinzen von Oranien ; 7. die Grafen von Greverz, 8. (Ganen ); die Biſmöfe zu lauſanne, 9. und Genf. 12. 2. von der Stadt Freiburg , ihrem Krieg
und wie ſie favoriſch wurde. 55. 3. Bon dem Hauſe Neufdater. 36. 4. Das Land Wallis. , 37. 5. Die alte Soweiz in den Waldſtätten . 11. Die Mais
I&ndiſchen Berhältniſſe (Urſprung der Sforza); 50. Das
und Chiavenna. 56. 6. Von Capitulat; 52. Baltellin liebt den
, wie
St. 65.7. Glaris . 66 .
und
Gallen. (67.71.75
Ulricy Reso ). 78. Vom Rheinthal. 85. Zoren : bürg erkauft. 88.9. Zürich. (90. Wädiſchtourer Kånz del). 93. 10. Zug. 95. 11. Luzern . 94. 12. Bern . 108. 13. Solothurn. ( 13. 14. Bafel. 116. Unis
verſitat dafelbft. 1: 1. 25. Bisihum Baſel.
Cap, 6. Eben dieſes Zeitraumsgemeineidgenöſfiſche Geſchichten mit Einſchluß des saldshuter Strieges. S. 124. Die Soweizer in Nürnberger Arieg. 128. Ver: håltniſſe init Montfort, Pfalz, Frankreich . 130. Von dem Bund mit Schaffha uſen. 158. Egliſau ers worben. 139. Sirsbrei. 140. Der Plappartfrieg .
112. Rapperro wyljerworben , 144. u . a . ausw.
Sachen. Erzherzog Sigmund zu oftang 148. Die Gradner.
449. Cardinal Suſan u 8.
161 .
Thurgau erobert. 166. Dieffenhofen . 169. Winters
VI
Juhalt 8 anzeige. thur. 172. Zug nach Kempten. 175. Vehmgerichte. 175. Geropåftsführung im innern Verhältniſſe mit Frankreich. 185. Ludewig XI. 486. Cod PHE li p P8 des Guten . 188. Mühlhauſer Krieg. 200. Waldshuter Krieg.
Cap. 7. Geſchichten bis auf den burgundiſchen Krieg von 1469_1474.
S. 805. Wie Erzherzog Sig in u nd rein Land verpfändet.
210. Grânzverhältniſſe mit Defts
reich. 210. Rhátien durch allgemeinen Bund vers einiget. 21h. Der Zwingherren Streit zu Bera. 344. Charakter £ udewig & XI., 249 Karls von Burgund. 258. Anfang der burgundiſden Hindel. 265. Bon dem Kaiſer. 271. Hagenbach. 274. Burgundiſde Geſandtroaft. 278. Gwige Rich tung. 282. Hagenbachs Nudgang. 292. Zuſtand der auswärtigen Gefoefte. 297. Erſte Feindſeligteiten. 500. franzöſiſcher Bund.
Cap. 8. Die erſten Feldzuge des burgundiſchen Kriegs.
$ . 805. Zug auf Hericourt und erſtes Treffen. 311 . Zractaten. 516. Zug nach Pontarlier. 319. Grana ſon. 621. Srbe. 524. Joigue. 526. Die Penſionen . 528. Lreuloſigkeiten . 528. Biſdof von Baſel. 330 . Blomonter Zug.
538. Savoyen .
339. Aelen .
341. Wallis eriger Bund. 349. Krieg mit Graf Romont. 361. Genf um Gerd geſtraft. 358. Wala tiſerkrieg. 362. Von Lothringen.
Der Geſchichten
Schweizeriſcher Eidgenoſſenſchaft ier te 6
Buch .
fünftes Sapitel. Schilderung der Städte und Länder und Bundesgenoſſen Faweizeriſcher Eidgenoſſenſoaft von dem Ende des ins
nerlichen bis auf die Veranlaſſung des burgundiſoen Krieges. (1450 – $469.)
Der Kampf, den der Schweizerbund nicht nur ge gen große und erbitterte Mächte, ſondern wider den furchtbarſten Feind , innere Parteiung , mit Glück und Ruhm beſtanden, machte ihn zu einem Haupt: .
augenmert großer Nachbaren , und gab ihm fo viel Muth und Anſehen , daß er von niemand ungeſtraft
beleidiget, und bereitwilliger Freund vieler Unter drůdten wurde. Der Geiſt der Freiheit belebte ihn. Die Regierungen ſuchten diere in unabhängigkeit
I des Vaterlandes von ausländiſcher Macht; die er: worbenen Lande fanden ſie in Abhängigkeit ihrer Regenten von feſter Ordnung und urkundlichem I. D. Mügers råmmti. Werke. XV.
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Johannes von Müllers ſ å mmtliche
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Berausgegeben
Rohann Georg Müller.
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Stuttgart und Tübingen, G. Cotta'roen Bullha u OTun g . J. in der 18. 3
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Der Geſchichten
Schweizeriſcher Eidgenoſſenſchaft Neu nter heil .
Bis aufdie Zeiten des burgundiſchen Kriegs.
Durch 1
Johannes von Múlle r. Ihr Sinn war ſtark und ungezieret, Und nur ihr Wiß war nur Perſtand. Saller.
Stuttgart und Tübingen,
in der I. o. Cotta'sden Bubandlung . 1 8
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Inhaltsanzeigé. Viertes Buch . Cap. 5. Zuſtand aller Gegenden Helvetiens in den neunzehn Jahren von Bubens
bergs Spruch bis auf den Waldshuter Krieg ; 1450 — 1469. IV
S.4. Schilderung 4. der Waadt(undSavoyeng); 5. Bes līgungen der Prinzen von Oranien ; 7. die Grafen von
Grenerz, 8. ( Sanen ); die Biſchöfe ju lauſanne, 9. uno Genf. 12. 2. von der Stadt Freiburg, ihrem Arieg und wie ſie favogiſch wurde. 64. 3. Bon dem Hauſe Neufchater.
36. & . Das Land Wallis.
37. 5. Die
alte Schweiz in den Waldſtätten . 44. Die Mats ländiſchen Berháttniſſe (Urſprung der Sforza ); 50. dab
Sapitulat; 52. Valtellin und Chiavenna. 56. 6.Von
den Bündnern,Staštund ,wie ſiezunahmen . 65.7.. Glaris. 66. 167.76.75. 3.Uppenzeu Ut St.Gallen uirid Reſc ) .
78. Vom Rheinthal. 85. Lorenz
bürg erfauft.88.9. Züric ( 90. WädiſchwulerHån: ber). 93. 10. Zirg . 95. 11. Luzern . 94. 12. Bern . 108. 13. Solothurni. €13. 14. Bafel. 116. Uni: verſitat dafelbft. 1 : 2. 25. Bisitum Baſel.
Cap, 6. Eben dieſes Zeitraums gemeineidgenöſſiſche Geſchichten mitEinſchlußdes Waldshuter Strieges. S. 121. Die Soweijer im Nürnberger Arieg. 128. Pers hältniſſe mit Montfort, Pfalz, Frankreich. 130. Von dem Bund mit S affha uſen. 158. Egliſau ers worben. 139. Szirsbrei. 440. Der Plappartérieg.
942. Rapperſaw ylįerworben , 144. u .a. ausw. Sachen . Erzherzog Sigmund ju Cofta nz 148. Die Gradner . 449. Cardinal Suſan u s . 161 . Zhurgau erobert. 166. Dieffenhofen . 169. Winters
Juhalt & angeige.
VI
thur. 112. Zug nachy Rempten . 175. Vehmgerichte. 175. Gefchaftsführung im iunera Verhältniſſe mit Frantreich. 183. Ludewig XI. 486. 200 Phi li p p 8 des Guten. 188. Mühlhauſer Krieg. 200. Waldshuter Krieg.
Cap. 7. Geſchichten bis auf den burgundiſchen Krieg von 1469 — 1474.
S. 805. Wie Erzherzog Sig in u n o rein Land verpfändet. 210. Grânzverhältniſſe mit Defts reich.. 210. Rhátien durch allgemeinen Bund vers einiget. 21h . Der Iwingherren Streit fu Bet 1.844. Charakter £ udewig & XI., 249 Raris von Buxgund. 258. Anfang der burgundiſden Sindel. 285. Bon dem Kaiſer. 271. Hagenbach. 274. Burgundiſde Geſandtſchaft. 278. Ewige Rich tung. : 82. Hagenbachs Ausgang. 292. Zuſtand der auswärtigen Geſchäfte. 297. Erſte Feindſeligteiten . 500. Franzöſiſder Bund.
Cap. 8. Die erſten Feldzüge des burgundiſchen Kriegs.
S. 805. Zug auf Sericourt und erſtes Treffen . 511. Zractaten . · 516. Zug nach Pontarlier. 519. Gran: ſon. 621. Orbe. 324. Joigue. 526. Die Penſionen .
328. Zreuloſigkeiten.
528. Biſchof von Baſel. 330 .
Blomonter Zug. 538. Savoyen . 339. Helen. 341. Wallis eroiger Bund. 342. Krieg mit Graf
Romont. 357. Senf um Gerd geſtraft. 358. Wala Viſerkrieg. 362. Von Lothringen.
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ni fort . II .
Gefotogte der Schweiz . IV . Budy.
Recht. Wir werden die Beſchreibung des Zuſtan : des jeder Gegend von der ſüdweſtlichen Gränze an
fangen und bei der nördlichen endigen , weil noch
während des Züricher Kriegs jene in merkwürdige Unruhen verfiel , auf dieſer aber ein óſtreichiſcher
Krieg entſtand, welcher den burgundiſchen veran laßte.
Kein Fürſt noch ſteter Senat iſt uns Leita
faden, die alten Schweizer , in allen Orten frei, erkannten keinen Mittelpunkt, als ihre Eidgenoffen :
Tchaft ,1 nur in Wirkungen ſichtbar, wie Gott in der Natur. (von der Waadt.)
Das romaniſche Land von dem Genfer bis an den Welſchneuenburger und Murtner See, von dem Jura bis an das Landwaſſer von Sanen, erkannte
die Oberherrſchaft von Savoyen , außer wo der Prinz von Oranien mehr burgundiſch , der Graf zu Greyers Halb teutſch , Lauſanne und Genf un ter Bifchofen fart fret, Freiburg aber dftreidiſ war.
(Von Savoyen .)
Herzog Ludewig von Savobën pflegte ſeiner Ges mahlin , Anna von Ruſignan , Prinzeſſin von TV pern , der ſchönſten Frau ihrer Zeit, von weldier et funfzehn Sinber hatte '), die Leitung der Geſchäfte
zu übertaſſen , die vornehmſten Stellen Cyprioten zu vertrauen ' ). Der Adel faßte Unwillen und wurde fühn . Als Offentlicher Mißmuth Hauptre: form ber Juſtiz ? ) erforderte, übte er an dem Cang
C. 5. Schilderung der Sidgenoſſenſchaft d. 1450 •
69.
5
ler, Wilhelmen von Bolomier , die durch Reich thum * ) und mißbrauchtes Vertrauen des vorigen
Fürſtens) gereizte Rache ; derfelbe wurde mit eis: nem ſchweren an den Hals gebundenen Stein in
den Genfer-See geworfen . Der Hof, nun durch den Feldherrn Johann von Compeys geleitet, nahm
Rache an Männern , die nicht ſowohl Feinde des Sanglers als eines jeden begünſtigten Miniſterst waren ). Da luchtert die Abeligen franzöfiſchen
Souß '). Hierauf ließ der Herzog ſich verleiten , dem Dauphin Ludewig ; Ser das benachbarte Dau:
phiné inne hatte, und einen Rügen ſuchte , ohne Borwiffen feines Vaters , Königs ftarl, der nicht ohne Grund mißtrauiſch war , feine Tochter ) zur
Che zu verſprechen. Die franzöſiſche. Macht bes. wegte sich ; Karl VII erſchien in dem obern fos rez r). Compens war todt " ). Der Herzog ergab
fich , und überließ der Entfcheidung des Königs, der feine Tochter dein Prinzen von Piemont verhers
rathete "), die Befriedigung des favorifchen Udels...). Ueber dieſe linterwerfung fafte der Dauphin , deffen: Heirath zwedlos wurde i) , folchen Unwillen , daß er verjáhrte delphinatifdhe Anfprüche zum Vorwano,
nabm , den Schwiegervater" mit Krieg zu über: giehen " ). Als dieſer für Savoyen unglüdlich ges führt ivurde 16) , fandte der Herzog feinen erſtgebor:
nen Sohn 7 ) zweimal ( erfahrue Unredlichkeit ers ſchwerte die Unterhandlung isy) um Hülfe an die
Stadt Bern , und erwarb, daß der Schultheiß Rus
4
Serdichte der Schweiz. IV . Buc.
dolf von Ringoltingen
breitauſend Mann unter
der Stadt Banner in die Gegend Genfs führte so).
Es iſt wahrſcheinlich, daß Karl VII nicht ohne Nud : ficht auf dieſe Cheilnehmung der Berner ſeinem
Sohn Friede gebot ''). Unter dieſen Umſtänden uber gab der Herzog die Freiherrſchaft Waadt " ), ſo weit
er ſelbſt ſie bisher verwaltet , dem Prinzen von Pie mont , Amadeus , ſeinem Sohn, Eidam von Frank: reich ). Die Boten der Stadte ſchwuren deffen Stellvertretern zu Moudon , auf Revers , daß der Prinz ihre Freiheiten auch beſchwören werde ; die
Herren und Ritter verſprachen zu ſchwören wenn er komme ). So wurde mehrmals für auszuſtattende
Prinzen oder Prinzeſſinnen " ) oder zu Belohnung der Verdienſte eines unehelichen Bruders 26) oder zu ſtandesgemäßem Unterhalt nachgeborner Söhne '?)
oder in Geldnóthen ) über die Nußnießung ver: ſchiedener Cheile der Waadt verfügt ; die Oberherr: lichkeit blieb dem Herrn des Lebens * ). Ludewig erneuerte , auch nach der Abtretur: , den Bund
mit Bern ), dieſen beſtätigte nach ſeinem Tod Ama deus 3') , und noch einmal , als der frånfliche Firſt
(nur wenn er wohlthat , glücklich 58; ) die Leitung der Geſchäfte ſeiner Gemahlin, Jolantha von Frant
reid, übergab 3). Der Hof dieſes Fürſten , wels der an Schwadhe ſelbſt ſeinen Water übertraf, war
ein Schauplaß von Parteien , vornehmlich beſeelt durch die leidenſchaftliche Herzogin und den un ruhigen Geiſt feines Bruders , Philipp Grafen von
6. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 4450 - 69.
5
Breſſe 34 ). [Schon der Vater hatte ich vor ihm nicht ſicher geglaubt ; Philipp hatte das Geld auf gefangen , welches reine Mutter in Kåſe verpact nach Cypern zu ſenden meinte 35) ; ihren Großhof meiſter *) hatte er eigenhandig erſtochen , feines Vaters Canzler *) gebunden über den Genferſee
seſandt. Daher König Ludewig XI , auf des Va ters Bitte , an ihm das Geleit brach , und ihn in die berüchtigten Kerker der Burg zu Loches bringen ließ 58) ; die Fürſprache und Verbúrgung der Ber :
ner trug bei , daß er nach des Waters Tod frei wurde 59). Dieſer unternehmende Prinz hatte die Liebe des Polls toj. ] Aber in den leßten Zeiten Philipps des Guten , Herzogs von Burgund , bildete ſich in dieſem Theil
Weſteuropens eine burgundiſche und eine franzöſiſche Partei ; die erſte ſuchte das Königthum und die
Macht Frankreichs danieder zu halten ; Jolantha, obwohl Schweſter des Stónigs, und Philipp von Breffe , welchen zu gewinnen Ludewig alles that ) , wurden burgundiſch " ) ; nicht allein weil der gebil
dete burgundiſche Hof und Karl , Sohn Philipps, in dem viel Großes und Edles war , beſſer gefiel als
die kalte finſtere Schlaubeit des Königs , ſondern weil für ſchwache Staaten , die keinen Ruđen bat: ten "), die Vereinigung des ganzen Galliens äußerſt
furchtbar war. Der vornehmſte Theil der Regie rung zu Bern“ ) hatte dieſe Rückſicht und jene Zu
neigung mit dem favoriſchen Hofe gemein. Dieſer
Gefdichte der Schweiz. IV. Buch. befeſtigte die guten Verhältniffe , ſo daß , als die
Leute von Uelen , hůlflos gegen druckende Herr fchaft favoytſcher Vafallen “ ), dieſe durch der Ber
ner Hülfe demüthigten “ ), der Friede hiedurch ſo wenig geſtört wurde, als durch die Waffen , wo
durch Bern gegen einen vornehmen Mann zu Ber (7) fich der Zahlung einer Geldſchuld verſicherte *). In der Waadt wurden hergebrachte Freihei
ten " ), felbſt in des Hofs Verlegenheiten ,geehrtso ). Man hatte einſt verſucht, in Sachen der Schirm
vogtei des reichen Kloſters zu Altenryff, den alten Urkunden 5 :) die Hausgeſeke 5) und neue Begriffe
von Landeshoheit55) entgegen zu leben ; aber das Eis genthum wurde durch Rechtsformen geſchüßt "4 ). Das Hauptſtud der Freiheit iſt Sicherheit. ( V on Chalons.
Der burgundifchen Freundſchaft hatte man zu
danken , daß fchwere Streitfragen uber Orbe und Granſon ohne Fehde entſchieden wurden . Mit Glück .
und Klugheit hatte der altePrinz von Oranien, der gute Ludewig 55), dieſen Fuß des Jura , Erbtheil ſeiner Gemahlin ), gegen die machtigſten Gegner an dem favoyiſchen und burgundijchen Hofe 5 ) be hauptet. Nun wußte er von beiden zu erhalten,
daß er (hierin mehr erzärnter Vater als vorſichti ger Fürſt 5b) ) wenigſtens die Nuknießung dieſer Gegenden €3) nachgebornen Söhnen derzweiten Ehe59)
zuwenden mochte6 ). Dieſe , Ludewig und Hugo6'), hielten ſich zu Granfon und Drbe ; dem Erſtgebor :
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft V , 1450 – 69. 7
nen , Wilhelm , wurde Erlach am Bielerſee, wel thes fein Haus von Savoyen zu Lehen trug 62), von Maria ſeiner Muhme 63), übergeben 6). So wurde
die oraniſche Klugheit von den zwei Hófen belohnt, durch welche das Haus Granfon , beffen unbiegſa mer Geiſt ihrer Macht hinderlich ſchien , bei zwei
Gelegenheiten geſtürzt worden wares). (von Grener 3.)
Dieſe hatten Höfe , die Grafen zu Sreyerz ihre Gläubiger zu fürchten. Es glänzte der Graf Franz 66) als Marſchall von Savoyen , als landvogt in der
Waadt an Höfen , auf Tagen , in Kriegen und wonn er den Freiburgern die Faſnachtfreude durch ſeine Gegenwart vermehrte ). Aber ſein Aufwand (wel
chen durch Erpreſſung zu beſtreiten er zu gerecht 63). und Flug war) nöthigte ihn , entferntere Herrſchaf
ten zu verpfanden 69) und ſeinem Volk altherge brachte Rechte nach und nach zu verlaufen " ) ; bei:
des nicht ohne Gefahr ; im Nichtbezahlungsfalle fielen die Gläubiger oder Bürgen ſelbſt einem Her gog .von Sapopen in die verpfändeten Lande ?!); was er dem Volk überließ, war unwiederbringlich . Aber fein land wurde je freier , deſto blühender , und
verehrte in dem Enkel der alten Eroberer und Herren den Beſchüßer und Vater ſo lieber, je wohl thätiger ſein Anſehen die inneren Handel ſchlich tete , und je mißtrauiſcher man Berns ſteigende
Sewalt betrachtete. Franz verſicherte die Grenerzer, ihren Mutb nie für fremde Kriege zu verſchwen
8
Geſchichte der Schweiz. IV . Budy.
den '). Den weiſen , beſcheidenen Leuten von Sa nen verkaufte er » ) alle aus der Zeit , wo ihr Ort nur Maierhof feiner Våter war , auf ihn geerbten Rechte " ), machte das Gut eines jeden wahrhaft? ) und auf ewig ) frei, ihre Gemeinde zu einem felbfta ſtandigen " ) 1, nur ſeinem oberſten Richteramte * ) zugethanen Volk, und ließ zu , daß ein biederer
Landmann den von ihm inne habenden Tranſitozoli dem Vaterland vergabte 79).
Da ergriff aud die Männer der Propſtei Rous gemont die Begierde der um fieh ) aufblúbenden
Freiheit , und ſchamten ſie ſich ) , ferners Knechte . der Pfaffen zu ſeyn “ ). Der Graf, deſſen Urtheil alles vertraulich überlaſſen wurde * ) , gab der Zeit nach , indem er ſie der todten Hand * ) entlud, und ſchüßte das Recht , ohne welches keine Freiheit be ſtehen kann , indem er dem Prior von Weiden, die er 8 ) unterhielt, von Gütern , die nicht losgekauft waren ) , und von Gerichten , welche er duro nichts verwirft * ) , das Billige zuſprach. Unſchuldig er : ſcheinen die Mittel der Freiheit unſerer Våter; fie hatten fie rechtmäßig ; darum war ſie ſo lange gea regnet. (von Lauſanne.)
Zu Lauſanne folgte auf Georgs von Saluzzo weiſe Verwaltung " ) die kurze des guten Greiſen Wilhelm von Varar29) ; worauf der Prinz Frang von Savoyen , deſſen Bruder als Kind den Biſchof
ſtuhl zu Genf beſeffens) , durch die Berner empfoh
6. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft 8. 1450
69.
9
len, und von ſeinem Bruder, Philipp von Breffe ),
nachdrüdlich unterſtüßt wurde.
Aber das Gefühl
der Gefahr eines Biſchofs von dieſem Namens ),
oder der Unſchidlichkeit , eine verwiđelte Verfaſſung der Leitung eines Knaben zu vertrauen 9) , machte das Domcapitel nachdenklich , und bewog den romís Ichen Hof9 ), einen Privatmann zu wählen , dem der Herzog nicht abgeneigt feyn könne , da er ſein Canzler geweſen s b). Die Syndike der Stadt und Unterſtadt Lauſanne , der Prieur Gouverneur der Stadt und des Thales Lútri , die große Gemeinheit Pilette und die übrigen Angehörigen sb) , Tchwuren Feinem Biſchof, ehe er ihnen die Rechte96) geſichert. Alsdann fekte er Landvogt und Gerichte 97).
Ein
Vertrag war über des Domcapitels Verhältniſſe,
Caſtellaneiens ), zerſtreute Gúter % ), Fagden ), Gerichte * ). Er war nicht ohne Zuziehung der Stadt geſchloſſen werden " ). Ueberhaupt wurden wichtige Verordnungen allem volt vorgelegt " ), auf daß jeder wiſſe , wozu und warum er wirken roll; jeder that williger, worüber aud er gefragt worden, (V on G en f .)
Ueberhaupt war in keiner Stadt mehr Betrieb Famkeit als zu Genf; urſprünglich wegen der Han delſchaft , welche aus den blühenden Städten der
Teutſchen 10 ) keinen beſſern Zug nach Lyon und Süd frankreich hatte , als durch das Thal des Rhodana fluſſes . Nur die Freiheit und Neutralitat Genfe
konnte dieſen Weg fichern
). Der Vortheil dieſer
10
Gedichte der Schweiz. IV , Buchen
Waarenniederlage 106) und der großen Genfer Mera fe ) war für Savonen ſelbſt ſo deutlich, daß nur der ſchwache Herzog Ludewig in blindem Zorn iha zu mißkennen vermochte. Als Philipp, fein Sohn , wie wir gemeldet, die lang aufChantemerle gehauf ten Schake, welche die Mutter zur Unterſtübung ihres Hauſes nach Cypern Fenden wollte 18), auf
der Freiburger Straße 9) entführt, kam er über Nion nach Genf, wo der Vater, am Podagra das 110
niederliegend , ſich vor ihm ſicher glaubte ' '). Be gleitet von vielen Freiburgiſchen und Neufcatelli ſchen Jünglingen , fand Philipp auch unter den jun
gen Genfern ., ja den Syndiks , Freunde ). Er wurde eingelaſſen , warf das Geld vor dem Vater
bin , erhob uber der Mutter unanſtändiges" ), ver derbliches 5 ) Betragen Klage, und ſuchte ſelbſt uns
ter ſeiner Bettſtelle die cypriotiſchen Lieblinge. Der Herzog begätigte den Soba " ). Dem Rath und Volt machte der Biſchof, qud Sohn des Herzogs,
über Philipps Einlaſſung Vorwürfe "S) und übers gab dem zúrnenden Vater die Urkunde der Genfer Mebfreiheiten 16 ).. Der Herzog begab ſich nach Chambery ,1 erklärte die Stadt rebelliſch , und kün=
digte alle Sicherheit des Handelsweges auf. Die Genfer , von einem weiſern water begúns
ftiget " ) , geftarkt durch die Aufnahme ſehr vieler Fremden '18) in ihre hochgefreiten Bürgerrechte 19), batten eine wohleingerichtete Verfaſſung. Den Stab führten jährlich vier Synbike 1). Vier von jedem
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft 8.1450 – 69. 11 ſich zugewählte Burger " ) und ihre nachſten Amts :
vorfahren "') hielten , nebſt dem Sådelmeiſter, Rath mit ihnen 125). Eine gedoppelte Zahl, mit Bei ziehung manchmal einer willkürlichen Menge ***) an geſehener Bürger und Gelehrten, machte den großen
Rath. Denn Handel , Freiheit und Geiſtesbildung ſchienen. ſo untrennbar , daß Genf ſchon gute Schu len hatte tas) , ( ieder Bürger konnte die Grundgeſete in der Landesſprache lefen 6) ) und vier rechtskun
dige Rathsconſulenten : ') , die ſchlecht bezahlt 18), aber ſehr geehrt 189) wurden. Den Gemeinderath ) o hielten bald nur Hausváter 150b ) , bald alle Búr ger 13.), ja mit Herbeirufung deren, die nur Stadt:
recht hatten 32).
Segen dieſe Stadt verleitete den Herzog un machtige Leidenſchaft zu einer ihm ſelbſt ſchädlichen that. Er übergab ihre Mebfreiheit Stönig Ludewig
dem Eilften . Dieſer ertheilte ſie der Stadt Bour ges * ), nachmals Lyon ; wobei die ſapopiſchen Unter thanen ſo viel als die Genfer einbußten . Unna von
Cypern hatte die unberechneten Folgen vorgeſehen '3 ) ; der Handel zwiſchen Savoyen und Genf wurde nach : mals hergeſtellt 135) , und der König von Frankreich um die Rückgabe der Urkunde gebeten 136). A1B dann ,“ fprach Ludewig XI. „ werde ich ſie zurückſtel ,,len , wenn Genf favopiſch ſeyn wird.“ Er wußte, daß die Senfer das nie leiden würden , und machte die Verwendung. Savopens hieburch weniger drin:
gend. Handelsfreiheit gab der König den Genfern
12
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
bald 187 ). Obwohl , folcher Nachbaren wegen , ihre Stadt nie werden konnte , wozu ihr Geiſt ſie hätte machen können , erhielt eigenthümliche Geſchidlich
keit ihnen allezeit Vorzüge in Arbeitſleiß 158). Zu derſelbigen Zeit 1) war Johann Rudewig,
Sohn Herzogs Ludewig , Bruder Biſchofs Peter von Genf, welcher geſtorben , ehe die jungen Jahre Ent
wiklung böſer oder guter Eigenſchaften erlaubten,
$
Biſchof zu Genf * ) , ein foldatiſcher Jüngling voll Feuer und Verſtand ; eines Ritters Rüſtung war fein Lieblingsrod *). Nach ſeines Vaters Tod ver
gaß er ſein Haus , um für Genf zu leben , welcher Stadt Freiheiten er als Biſchof nie gefrankt, und als Fürſt mit Gerechtigkeit behauptet "). ( Von Freiburg. )
Die Stadt Freiburg im Uechtlande (von der wir geſehen , wie ſie aus der Hand der Zåringiſchen Stif ter an Kiburgiſche Erben , von letteren laufsweiſe
an das Haus Deſtreid kam * ) ) hatte an dem Zu: richer Striege wenig oder keinen Cheil genommen, weil ſie weder ihren Bundesgenoſſen von Bern wi: ber ihre Herrſchaft beiſtehen , noch im Vertrauen duf entfernten ungewiffen Beiſtand machtige Nach baren beleidigen wollte. Die Freiburger waren von Alters her it) dem Hauſe Deſtreich von Herzen zu gethan ; feine Macht war ihre Sicherheit gegen das
aufſtrebende Bern ; rein Glanz entſchädigte für den, welchen die Berner durch große und glüdliche tha:
ten erwarben. Zu Bern fiel unangenehm auf, als
5.5. Schilderung der Eidgenoſſenſoaft v. 1450–69. 15
Freiburg zu ihrer Befaßung Soldaten werben zu müſſen glaubte, *45) und daß die Pfaufedern der Lieb
lingsſchmuc ihrer Jünglinge waren. Man - wurde unwilig , als ſelbſt gegen Armagnaken die Buna beshulfe abgeſchlagen wurde 16 ). Doch wurde es
überſehen. Damals war Wilhelm von Avenche 147), Ritter,
Schultheiß zu Freiburg, durch Abkunft, Verwandt ſchaften , Reichthum , Anhang und Muth , bei wei tem der måchtigſte Mann dieſer Stadt. Er trug viele Lehen vom Hauſe Savoyen, welches der Truch feß von Diefenhofen , einer der vornehmſten dſtrei: dilden Beamten , eben damals beleidigte , indem er einen Kammermeiſter 8) niederwarf und um viertauſend Gulden beraubte. Ser es über dieſen Handel 168 b ), oder wegen einer zwiſchen Rath und Gemeinde beſtehenden Spannung , oder aus Anlaß perſönlicher Verſehen, oder durch die Macht des Nets des , es geſchah , daß der Schultheiß eigennúßiger Handlungen angeklagt und in Verhaft genommen wurde 1 ). Ade reine Verwandten , viele Fürſten , Herren und Stadte , welchen er in Tagen ſeiner Große Freundſchaft erwieſen , bezeugten die warm ſte Cheilnahme " 9b ). Er felbſt , in der Ueberzeu gung, wenn nicht von ſeiner Unſchuld is ), doch von dem Eindruck gefallener Hoheit auf die Menge und von der Charakterloſigkeit ſeiner Gegner , entfagte .
den gerichtlichen Formen und ergab ſich dem Aus ſprud der Gemeinde., Die Widerpart vergaß, daß
14
Gefchichte der Schweiz.
IV . Bude :
Männer wie er , fo reich an Mitteln , fo genau uns terrichtet von den Schwächen der Stadt, nie gereizt, oder burdaus vernichtet werden müffen . Die Klage wurde aufgehoben ; man glaubte für die Sicherheit
hinreichend , von ihm , feinen Söhnen , Tochteru , Schwiegerſohnen und von den Bürgern zu Aven :
che 151) Eide zu nehmen , daß er zu Freiburg blei ben , fein Gut ihrer Gerichtsbarkeit nicht entfrems den und weder fremde Gerichte noch gewaltthätige Radie je ſuchen werde 157 b ). Ihm feien ungültig , was er fchwur , ohne frei zu ſeyn , und Freiburg nicht mehr das Baterland, fondern das Reich einer Partei, gegen die alles zu thun , die Ehre ihn auf forbere. Nudy der Leidenſchaftlichſte miskennt nicht,
daß man dem Vaterlande vergeben muß ; aber durdy Befreiungspflicht entſchuldigte er die blutigſte Ra dhe 15 ). Der Ritter Wilhelm von Avenche entram in das Savopiſdye. ,, Aus feinem romaniſchen Lande
,, entſproffen 153sy,11 ſtellte er dem Herzog vor, trage ,,er von ihm feine vorzüglichften lehen ; durch ſeinen ,,Effer für des Herzogs Recht habe er den gewalt
,,thátigen Eruchfes beleidiget, wofür er Freiburg ,,meidenmuffe ;die factiore Stadtfer fchwach ; ſchwach .
, hter zu lande Deftreich felbft, der Bund mit Bern ,,gleichfam vergeffen . " Heftiger forberte nun Sa
voyen , daß der Trudieb zur Senugthuung angehal ten werde, und betrachtigte ſich, pfändungsweiſe , ,
der nach Genf gefertigten Freiburgifchen Waaren . Als die Stadt auf des Schultheißen Güter griff,
5. 5. Schilderung der Eidgenoffenſajaft 5. 1450-69. 15 fandte er von Romont, feinem (nahen , feften ) Auf enthalt , ſtarke Kinechte , auf Dörfern und Straßen
ihm Entfühådigung zu ſuchen . Auf die Vorſtellun gen der Stadt, auf die Fürſprache Deſtreichs ant: wortete Herzog Ludewig ſo , daß er nicht nur die
Sache feines Reynmatnes zu feiner eigenen machte, ſondern Bern aufzureizen ſchien 14).
Die Berner hatten allen Unwillen über das Bea nehmen der Freiburger im Zürider- Krieg auf dem Friedenstage zu Coſtanz dem Anfehen des surfür: ften von der Pfalz aufgeopfert 55) ; fie ſuchten ku
be 956 ). allein der Friebe war Staatsbedürfnik, Krieg Privatintereffe, welches mehr entſcheidet, weil die Welt mehr durch Leidenſchaften als durch Grundſake regiert wird.
Rudolph von Ningoltingen , Ritter , Herr zu Landshut, einer der angefebenſten Rathsherren und endlich ) Schultheiß zu Bern , war ein an ſchonen Gutern ) und ſichern Capitalien 169) reicher , auf
ſeines Hauſes Olanz 160) und Glúc 61), wie für die Stadt Bern wachſamer, thétiger Mann ). Seine rechtmäßigen Weiber , deren er nad und nach meh rere hatte , gebaren ihm viele Ceinte Dirne ztvei nta túrlide) Kinder 16 ).
Als Petermann Ritfch , ein
retcher Freiburgiſcher Junker:4), mit Hinterlaſſung einer Eochter ſtarb , hefrathete der Schulthets def ſen Wittwe 16 ) , und beſchloß , die Jungfrau kuife dem Ritter Heinridy, ſeinem eigenen Sohn, zu ver
måhlen. Dieſer Abſicht widerſprach, unter Anfüh
16
Geſchichte der Schweiz. IV. Bucha
rung einer frühern Angelóbniß , Heinzmann Felga, Bürgermeiſter zu Freiburg 16 ) , deſſen Bruder 16 ), 2Bilhelm -Felga ,. Herr zu Liebiſtorf , nach Avence's Fall Schultheiß war. Als der Berner nicht nachges
ben wollte, erhob ſich die Feindſchaft mit ſolcher 1
Gefahr des Ausbrucs großer Fehde , daß beiderſei: tige Obrigleiten und die benachbarten Stådte kaum erhielten ,1 das Urtheil der Kirchenverſammlung ab: zuwarten. Es bekümmerte Luiſen , die Urſache der
größten Verdrießlichreiten zu ſeyn ; ſie benußte die Freiheit , welche zu Baſel der Stiefvater ihr laſſen
mußte , opferte dem Vaterland ibre Jugendfreude und nahm in einem Kloſter von ſtrenger Obſer
vang 1 ), genannt zu den Steinen , den Schleier. Als Ringoltingen dieſes hörte , eilte er und kaufte von den Kloſterfrauen um ſiebenzehnhundert Gul den Luiſens Güter. Hierüber wurde er durch Nu dolfen von Wippingen , Ritter, in Freiburg Raths
!
herrn , unzuläſſiger Uebervortheilung beſchuldiget.
8
Dieſer , nachſter Wetter ihres Vaters , wollte drei tauſend Gulden geben ; Ringoltingen behauptete den Stauf; es blieb unentſchieden , bis die Privatfeind-
l
Tchaft von dem Krieg verſchlungen wurde, zu deſſen
!
Ausbruch ſie beitrug 1 ). Ein anderer Zufall erbitterte die gemeinen Leu te. Peter Scharfrichter von Bern, welcher an dem blutigen Tage bei Greifenſee ſich ſo ungern brauchen ließ ) , wurde an einem Jahrmarkte zu Freiburg im Wirthshauſe über unbedeutende Wortwechſel und U11 :
6. 5. Schilderung der Eidgenoffenfohafto. 1450–69. 17 ungerechte Vorwürfe b ) erſtochen , und ſeine Ge: fåhrten Tower verwundet 7'). So viel Anlaß hatte Savoyen , ju dem Strieg
wiber die Freiburger Hülfe von Bern zu hoffen . Die Feindſeligkeiten zwiſchen Avenche'd Leuten
und Freiburg wurden fortgeſellt, ſo daß , wenn er: ftere gefangen wurden , die Stadt fie als Berråther .
tathaupten oder viertheilen ließ. Endlich wurde bei dem Herzog Albrecht von Deſtreich bewirft, daß,
nach fruchtloſen Vorſtellungen bei dem Herzog von Savonen , zuerſt unter Ludewig Meyer von Hus ningen , hieranf unter Peter von Mórsberg , Hülfe gefandt wurde 19). Die Stadt und Landſchaft hat te , ſehr herzlich , die ewige Creu neu beſchworen , und viele Rathsherren , zu Wien ſelbſt, ihre Lage .
dringend vorgeſtellt. Der Krieg mit Savoyen brach 108 * ) , worin zuerſt die Freiburger zu Pillarſel am Giblour mit Feuer und Schwert wütheten , bei
Montenach nicht ungerochen litten 17.b) , und bei St. Fodels Capelle auf der Mürtenſtraße von dem
nicht erreichten Siege auch dem Feind den Ruhm nicht ließen. Da erging von dem Herzog Mahnung um Bunbeshülfe zu Bern . Nad lang vergeblicher
Vermittlung fielen die Berner unter dem Schult
beiß Heinrich von Bubenberg , in Vereinigung mit Savoyen , von zwei Seiten "7 ) fo gewaltig ein " ), daß Freiburg auf etliche Tage beinahe eingeſchloſſen wurde 776).. Fröhlich folgten Murten und Peterlin :
gen 1) ; Biel, dießmal uneingedent des oft genoſſe . V. Müllers råmmtl. Werke. XV.
2
18
Geſchichte der Soweiz.
IV. Budy.
nen ältern Bündniſſes , wünſchte durch Neutralitat auch das Freiburgiſche zu erhalten " ) ; die munte: ren Bewohner des fchönen Hügellandes um Schwar: zenburg , zu deren Mitbeherrſchung Bern die Fress. burger zugelaſſen 9) , folgten Bern. Der Eingang ihrer Thåler war bei Plaferon durch eine hohe Schanze
perſperrt ; Peter von Greyerz , Burger von Bern (diefen Hauptmann bekam die Schaar , weil ſie ihn por andern liebte tho) ) hielt ſie mit Oberländern befekt; aber unbedachtfame stuhnbeit offenbarte, wo ſie erſteigbar war * ). Alſo wurde ſie eingenom men ; der Hauptmank fiel; und bald verkündigte dem Volk von Bern , zur Frübmette verſammelt, Widerſchein des Brandes der Dorfer , mehr als die
Zeichen der Hochwachten , welches Unglúd Schwar:
zenburg betroffen habe. In dieſem Augenblid machte der Schultheiß von Bubenberg ſich auf, 309, abwårts der Landſtraße ") über Laupen " ) , durch fieben
Fuhrten der Senſe und auf wenig gangbaren Pfa den in die Gegend bei Taffers * 3 b ) , wo er , un fenntlich durch Nachahmung rother Kreuje 6 ) und in vortheilhafter Stellung * b ) mit achthundert
Mann den zweimal ſtårkern Feind “ ) auf ſeinem Rüđzug erwartete. Mit vielem Vieh , ſchwer von Raub , tamen die Freiburger. Die hohe , welde Bubenberg befekt , ſeine Stellung als wenn er viel
ſtårker wäre 185 b ) , die Kraft und die Ueberraſchung feines Ungriffs , verwirrte felbſt Ludewig Meyern ; To daß auf ſchneller unordentlicher Flucht vierhuns
6. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450 - 69. 19
dert Mann , faſt ungerochen 186) , erſchlagen , und ein ſolcher Schreden in die Feinde geworfen wurde, daß einige die nahe Stadt von dem untern zu dem obern Thor wie verfolgt durchrannten !87). Buben berg , mäßig im Glück, überließ den Feind dem Entſeßen 108), zog nach Bern, und fandte den Schwar zenburgern die gerettete Beute. Es wurde verord:
net , Gott jährlich die Freude des Tages zu dan ken 19).
Nach dieſer ( von der neuen Matte oder dem Galternbach genannten) that verloren die Berner 190)
dreißig Mann , weil ſie über Theilung eines Rau bes zu nahe am Feind 19:), ohne Wachten zu ſtel len , verweilt,I und nicht beiſammengehalten ). Die Riſt , wodurch fie es richen wollten , verrieth ein Barbier 19 ). Was gemeinſchaftlich war '9 ), eig
neten ſie ſich zu ; Peter von Affry , Abt zu Alten ryff, mugte im grauen Alter ſeine Liebe zu Freiburg mit Verluſt ſeiner Einkünfte bußen ' ). Der Herzog von Deſtreich bewegte die vorderen Lande 196) , noch wurde um Rheinfelden geſtritten ,
und war der Züricher Bund nicht abgethan . Bai ſo gefahrvollen Umſtänden regte die Verwendung des Königs von Frankreich, des Herzogs von Burgund und der Eidgenoffen , den Frieden durch 197) , wel cher durch das Vertrauen auf die Gerechtigkeit und
Weisheit Graf Johanns zu Neufchatel erleichtert wurde. Ihn , der ohne Hinterliſt neutral zu feyn pflegte und für fid nichts fuchte , nahmen die Par
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
teien zum Schiedrichter. „ Wilhelm von Avenche, Nitter , der Rathsherr Anton Saliceti 48) und an:
videre Vertriebene 199) kommer in Vaterland und ,,Gigenthum - ), nicht ohne Erfaß des Erlittenen *) . Der Frau Schultheisin von Ringoltingen :) blei:
mben die Güter ihrer Tochter fuiſa Nitſch . Acht Mathsherren von Freiburg ziehen über das Gebir 103 wige sob), den Herzog von Savoyen mit bloßem Haupt wund gebeugten Knien um Vergebung zu-bitten .
er bekommtin vier Jahren vierzigtaufend Gulden für die Unkoſten ; der ungerechte Brand von Vil
w larſel undMontenach wird Gott abgebeten »). Der v Bund mitSavbyen und Bern iſt zu Ende. Die ,,Mitherrſchaft Freiburgs zu Schwarzenburg und Gumminen bat ein Ende.
Die faſtvogtei zu Al
wtenryff -s), die biſchöflich Laufanniſchen Rechte in der Landſchaft zur Flub 106), und der Stadt Münz mrecht 807) werden auf den Grafen von Neufchatel
vizu Recht gefeßt. “ Man wollte die Freiburger nifu diberzeugen , daß die Sage ihrer Stadt ihnen andere Maßregeln zum Gefeß mache , als die ſie im Ver :
trauen auf entfernte Herrſchaft bisweilen ſich zu er: tauben wagte 507 b ). Sobald ſie ſich zu nähern (chie Men , fanden fie Nachgiebigkeit 308 ), und Solothurn permittelte einen Vertrag zur Erhaltung des An fehens der Geſeke gegen den Troß und die. Nánke des Parteigeiſtes Roy).
In der Stadt brach feine Wuth los, da einerſeits
Die dem Hauſe Deſtreich ergebenſten die Venner und
?
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenfahafrv.1450-69.24 Landſchaft mit Mißmuth über den ſchlechten Frie: -
den erfüllten ; anderſeits der Schultheiß Wilhelm Felga und ein großer Theil desRathesjene befchuldiga
ten , durc Erregung des Kriegs Urheber des Une gluds zu ſeyn . Die Erbitterung ſtieg , als zu Vers.
zinfung der Schulden 10) , Beſoldung der dſtreichis idhen Hauptleyte - 10 b) und dufbringung der favori: den Selder Auflagen ) eingefit firt tvurden. Zorn und Noth machte alle Mißbrauche und Mangel der Verfaffung bemerklich, und ſiewaren unheilbar,weil das Bedürfniß des Vaterlandes demPrivathaßVor wand war.
Dieſe Gährung , welche tumultuariſch werbett und Freiburg in fremde Hånde liefern konnte, bez
ſchloß Herzog Albrecht perſönlicy zu ftillen . Thus ring von Halwyl begleitete ben Fürſten mit großem Gefolge " ).
Da wurde im Namen des Works vorgetragen , die Venner waren von der Gemeinde längſt vergeblich
angewieſen , auf den Heimlichen Sonntag , wo die Obrigkeit gewählt wird, alle , die durch Lehen frem :
der Herrſchaft Pflictig reyen , auszuſchließen ; aber eine hinterliſtige , heimliche Regierung entnerve
durch eigennúßige Maßregeln und parteitſches Zu ſammenhalten die Straft des gemeinen Weſens , unt : unterdrücke zu Stadt und Land. Er, wie die meis ſten , übel geſtimmt gegen Manner , die ebel und
machtig ohne ihn waren , begunſtigte die Menge. Zuerſt gab er einen beſtimmten offenen Laubz
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Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
brief 24 ). ,, Das ganze Land Freiburg von der Senſe „ bis an den Bach zu Maconens und von München : ,,wyler ?:) bis an die Plafepac), iſt mit allen Herr „, lichteiten und Gerichten , aus den alten Zeiten ber,
I
,,Wo bei der Burg noch keine Freiburg war *5), mit allen Pflichten des Tallens , des Reiſens 2:6) , un:
ſer , des Fürſten ; Hauptmann 27) , Schultheis „ oder Anwald *1188 ) walten darüber. Helfen mag „jeder Zinsherr ſeinem Zinsmann ; aber es un: ,,terſtehe ſich niemand , unſere Leute ir: feinen ,,Schirm oder fremde Burgrechte zu ziehen. Sie follen billiges , gleiches Recht :19) bei uns finden. „ Unſer Stadtrichter ſoll Amtleute feßen , welchen zu „ trauen iſt , und Aufſicht über ſie halten 0) ; jáhr „ lich ſenden wir Appellationsråthe nach Freiburg " ). ,,Das Grundgereß **) werbe gehalten ; was für ge ,,meines Wohl geordnet wird , werden wir be: , tráftigen ; das gemeine Weſen foll mit gemeins ,, famem Rath vor Hauptmann , Schultheiß , Rath 1
und Vennern *** ) und nicht in zweideutigem Ge: beimniß ). behandelt werden . “ Ferners ordnete Albrecht die Verhältniſſe der Erbpacte oder Grund : zinſen ſo, daß der Fleiß der Bauern ermuntert wur: de , und er fowohl als der Herr vor Unbill richer war 25 ). Das iſt Gleichheit , wenn ſeines Rechts jeder gleich ſicher iſt 16).
Dieſer Landbrief, gewiß eines weiſen Canzlers Wert "7), gab den Freiburgern die Ruhe nicht wie: der , weil der Herzog durch übertriebene Nadgie:
6. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69. 23 bigteit für Leidenſchaften einet partei, die andere für immer von ſich ſtieß , und Theilnahme für ihre Leiden erregte. Er berief den Schultheiß und Rath , und nöthigte ſie, zu ſchwören, auf der gewöhnlichen Rathſtube ſeine Befehle zu erwarten . Dieſe brachte, nach etlichen Tagen , der Marſhall von Hallwpl :
fido binden und in Kerker führen zu laſſen. Vier Wochen lag die Obrigkeit auf den Chúrmen , obne daß ihre Feinde Verbrechen auf fie bringen konnten .
Aber ſie ſchien ſo beleidiget, daß zur Sicherheit nos thig ſien , den Ritter Wilhelm Felga der Schult: heißen würde, und bis auf fünf den ganzen Rath zu entfeßen , jenen aber mit ſechs der oberſten Rå: the nach dem breisgauiſchen Freiburg zu verbannen . Sie lagen baſelbſt, in Kloſter vertheilt , ihre Un fchulb bezeugend su ) , bis jeder ſein foregeld auf bringen mochte, fechs Monate lang ). Den Mar: fchall von Hallwyl machte der Herzog zu der Stadt
Hauptmann * b ) , den Sundgauiſchen Ritter Diet: rich von Monſterol zum Schultheißen 9 c ) , und ei: hen Rath , welcher alles, was er wollte , in ſeinen 1
Gerdaftstreis zog. So viel Ungewohntes drůdte die Stadt , daß Ungeduld der Gegenwart und Ruđblid in die ſtille
Vergangenheit bei vielen den Parteihaß überwand, und der Hauptmann durch gewaltſame Anſtalten bloß Verzweiflung bewirkte 19 d ). Ueber dritthalb :
bundert angeſehene Manner 15 , welchen Dienſt:
barkeit am unerträglichſten im Vaterland ſchien ,
Geſchichte der Schireito IV . Budy.
24
entwichen zu Wilhelmen von Owenche , welcher bei Ankunft Albrechts wieder auf Romont entflohen war. Da wurde, wie gemeiniglich in Bewegungen , Recht und Unrecht vermiſcht; indem einerſeits die Freiheiten der Stadt und Mißbrauche verwechſelt , anderfeits für eine nicht unrechtmäßige Herrſchaft
tyranniſdhe Maßregeln genommen wurden. her häufiger Uebergang von einer Partei zu der an:
dern , wie einem diefes oder jenes Utebel verderblis cer fcien ; für Vaterland und Recht wohlgemeinte
Gide ; hinwiederum , wenn Leidenſchaft entbrannte, Treu und Glaube ohne Scheu verleßt 130 b ). Als der Marſchall von Haliwyl den Vorfiker des oberſten Gerichtes 31 mitten in der Stadt , wohin er auf Geleit gekommen , mit Gewalt anfheben und,
mit Verſagung des leßten Trofts der Chriſten , una weit Freiburg 34) an einen Baum hången ließ, ers klarten die Entwichenen, einer Obrigkeit, welche fo
etwas muiffe geſchehen laffen , keinen Gehorſam zu leiſten, und ſuchten Schuß bei Bern und Savoyen . Die Gefandten von Bern , unterſtüßt von den here zoglichen , rebeten drohend , und nöthigten Hallwyl zu Entfernung der gewaltubenden Krieger und Hers 1
ſtellung der Regierung , die den Frieden gemacht 1
hatte 18b).
Von dem an verfiel zu Freiburg die Gewalt Deft
reichs, welche der Marſchall zu weit getrieben, ohne zu berechnen , wie viel er behaupten fónne. Seine ganze Stärfe war in dem Neid der Bauern gegen
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft d . 1450–69 .
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die Regenten , welchem diefe mit Standhaftigkeit und Gulfe machtiger Nachbaren begegneten . Die Berner konnten unmöglich zulaſſen , daß Deſtreich
zu Freiburg allgewaltig werde; der Herzog von Sa dogen , welcher an die erfchöpften verſchuldete Stadt bei zweimalhunderttauſend Gulben ) zu fordern hatte, fing an , die Erwerbung der Oberherrſchaft als möglich zu betrachten. Als offenbar war , daß Freiburg dem öſtreichiſchen Fürſten entgehen muffe, fing ſelbſt der Hof an, mit Savoyen Unterhandluns gen zu pflegen. Hallwyl aber beſchloß, vorher eine
Nache zu nehmen , welche die Großen um die Mit tel bringe, ihren Zwed zu erreichen. war ,
Ihre Abſicht
die Stadt reichsfrei zu machen , und vermits
telft ewiger Verbindung mit Bern hiebei zu bes haupten. Soipohl jenes ***) , als die Befriedigung Savopens erforderte viel Geld. Die Külføquelle
war die Zahlung deſſen , was der Hof der Stadt ſchuldig war 26b) , das in großen Fäufern votrå thige Silber, und bei feſter Freiheit bald aufleben der Credit :35). Unverſehens benachrichtigte der Marſchall die Regierung von bevorſtehender Ankunft Herzog Alb
rechts. Als man beunruhiget fchien , verficherte er, das grúnbliche Ausführung und Verabredung über
herzuſtellenben offentlichen Wohlſtand die einzige Abſicht fer .
Zugleich bereitete er die Feter des
Einzugs , und bat die reichen Burger, ihm zu Ver: herrliázung des Feſtes ihr Silber zu leihen. Der
26
Gefchichte der Schweiz. IV. Budy.
Tag erſchien ; der Marſhall, mit dem Schultheiß
Felga und allen Großen, brach auf, den Herzog zu empfangen . Eine Stunde vor der Stadt zeigte fidh Rriteret. Hier wandte Hallwyl fein Pferd , übergab dem Soultheiß die Urkunde Jb ) , woburda
Herzog Albrecht der Herrſchaft entſagte. Hierbei erklärte er, daß die Schuldforderung der Stadt und das heimlich fortgebrachte Silber ess) der Preis der Freiheit fey. In denſelbigen Tagen ) verſchworen b ) fich Männer von der Landſchaft * c) , ſich der Stadt:
thore zu bemachtigen a), den Rath und die Sechs zig amzubringen , und ihre Häuſer in Belīß zu nehmen . Hiezu wåren vierhundert Mann der öſtreichiſchen Reiterei ihnen zu Handen geweſen ). Die Republik -59), in ſich uneins, von allen Mitteln
entblößt, von Schuldgläubigern verfolgt , war in der Gefahr des Unterganges. Håtte das Bauern
regiment, blutig und ungerecht, mehr Kraft gegen die Benachbarten gefunden , dem Fürſten mehr ge ben können ? Dieſem Augenblid half der friegs erfahrne, tapfere Mann, Ludewig Meyer von Hü
ningen, vormals óſtreichiſcher Hauptmann * o ), ſeit: her burd glüdliche Heirath Burger von Freiburg, Vater eines großen Geſchlechtes *.) . Nachdem Konrad Grauſer von Båriſchwyl die Verſchwörung entdeđt, ſtárkte er den Rath mit anbaften Re: den, und überfiel, in derNacht vor dem beſtimmten Lage, die im Vogelhauſe verſammelten Führer,
1
6.5 . Sdgirderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69 . 27
deren er, indeß die Menge auseinander lief, die vornehmſten acht gefangen nahm. Dieſes begeg nete auch Morgens b ) vielen , in boſer Abſicht
nach der Stadt gekommenen Bauern. Hierauf wurs den auf St. Georgen Plaß vor dem neuen Rathhauſe
die acht enthauptet*261 c), die übrigen mit Geldbußen entlaſſen *1d).
In der ſo unglu & lichen Zeit unternahmen *) die Freiburger den Bau des dreihundert fünf und Tech Szig Schuh * ) hohen Thurms der Hauptkirche, nach einem von den Vertriebenen aus dem breis
gauiſchen Freiburg mitgebrachten Plan ; damit bei dem Anblide des erhabenen Denkmals alle künfti:
gen Geſchlechter die Rückkehr folcher Begebenheiten durch Gebet abwenden *). Dieſe Menſchen waren
To leidenſchaftlich wie wir , ihre Entwürfe aber groß und auf Dauer ; ihre Furcht vor Einem , dem Allmachtigen .
Der Herzog von Savoyen ergriff die gewalt=' famſten Schuldbetreibungsmittel, wodurch der Han del mit eigener und die Förderung fremder Paare
abgeſchnitten wurde. Eben derſelbe ließ der Stadt von dem Ende aller Unruhe und Stränkung , von friedſamem Glúd , von vortheilhafter , guter , ges rechter Regierung ſehnſuchterregende Ausſicht er :
öffnen , wenn fie ſich gefallen laſſe , was viele in geringerer Verlegenheit weit machtigere , reichere,
ſieghafte Republiten oft gethan * ) , einen Heren ,
28
Geſchichte der Sdweiz.
IV . Budy.
nämlich ihn , über fich zu feßen.
Die Freiburger
waren dazu genöthiget. in dem zweihundert brei und fiebengigſten Fabre der Stadt, in dem hundert fünf und ſiebens
zigſten der öſtreichiſchen Oberherrſchaft, in dem Schultheißenamte Fannſen Pavillarbs , tam der hobe Mann *) , Franz , Graf zu Greyerz 1, der Stadt Freund, des Waadtlandes Gubernator und
Vogt , und der edle Mermet Chriſtin * ), des Her 2098 Secretår und der Waadt Procurator , welcher zu Murten an dem Frieben gearbeitet , nach Freis burg. Früh am zehnten Juni des tauſend vier:
hundert zwei und funfzigſten Jahres begab ſich der Schultheiß , der ganze Rath , die Sedozig, die Benner, die Zweihundert und die ganze Gemeinde
der Stadt und Landſchaft zu ihnen in St. Niclau: Ten Hauptkirche. Daſelbſt wurde durch einen, mit aufgehobener Hand , einhellig beſchwornen Brief
der zwiſchen dem bisherigen Fürſten und dem Ge: meinweſen der Freiburger beſtandene Grundber:
trag * ) wegen ſeinerſeits verſäumter Pflicht und verberblicher Verwaltung für erloſchen erklärt ; vorgeſtellt, wie durch einen Krieg , den Albrecht bes fohlen 19) und worin er ſie verlaffen 10)1, und nach einem Frieden , woran er Cheil hatte -51) und wo : für er ſie zu ſtrafen meinte €58), beſonders durd die graufam getauſchte Hoffnung, die man von ſeiner
Gegenwart hatte 353155),er Freiburg in unermeßliches Elends) gebracht ; endlich geäußert, daß , gleich 2
W
6. 5. Schilderung der Eisgenoſſenſchaft 8. 1450–69. 29 wie ſein Haus ohnehin ſie vertaufen wollte 5 ), fie, ale Freiburger, Herrn Ludewig und ſeine Nachfol
ger von Savoyen als rechtmäßige Schirmherren von beute auf ewig annehmen , ertennen und ihnen fchwdren 6 ). Tine Gefandtſchaft brachte die Urtunde dieſer
Handlung zu dem Herzog nach Seiffel in Val No mer. Er ertheilte folgende Gegenäußerung 251) : Sein fürftliches Baus habe durch liebreiche Re:
vigierung vielfältig zugenommen ); fröhlich gebe er den neuen Unterthanen von gleicher Geſinnung die erſte Probe auf dieſen Tag. Was der Stadt, ihren Worſtábten , ihrer Landſchaft, Staifer , stó:
,,nige , Fürſten und Frauen " ) für Freiheiten er: theilt, beſtåtige er ; fie mögen Pfarrer und Obrig feit wahlen wie fie mpollen ; dieſe mögen über ,,Umgeld -59 b ) , Steuer und alles Anbere , nach der „ Stadt Ordnung und in welcher Zahl es fer- ho),
ngemeingültig * ) verordnen . Er, gegen Fürften , Hauptlrute :) , + Gemeinden und Bünde 65) ihr treuer Schirmherr, begnüge ſich mit den vom „ Hauſe Deſtreich rechtmäßig erhobenen Einkünf:
iten ; die Einnehmer werden zu Freiburg feine meinzigen Beamten feyx * ) ; kein Schloß, keinen „;beſondern Zugang in dieStadtwerbe er bauen ). „Er mache ſeinen geliebten Freiburgern ein brei: wfaches Geſchenf : die große Schuldforderung an
„ ihre Stadt; eine geringere an Spital und Brus ,,berſchaft; die Kaſtvogtei zu Altenryff * ). Für
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Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
,, ihre Erleichterung *61) und Aufnahme beſorgt, ofende er ihnen zwanzig Jahre lang , jährlich, ..zwei und zwanzig hundert Gulden 166)."
So erwarb mäßigung und Weisheit , was durch Gewaltthätigteit verſcherzt wurde , und viels leicht andere erworben håtten , wenn ſie nicht zu bedachtlich geweſen waren 6 ). Als die Freiburger nicht mehr zu fürchten hat: ten , unter das sochy der Berner zu fallen ), er: neuerten beide Stådte um ro eifriger "7 ) das alte Bürgerrecht ),. da beide wünſchen mußten, daß die favopiſche Macht in gefeßlichen Schranten bleibe. Sie leiſteten dem Herzog freiwillig Beiſtand " ) ; hielten aber für alle vortheilhaft " ) , daß die Ver: faſſung und Ruhe dieſer Grånze vor dem Einfluſſe der Parteien ficher fey , welche oft den favopiſchen Hof erſchütterten . im ſo weniger durfte Ludewig hierüber Slagen auf das äußerſte treiben , da er
den Bernern funfzehntauſend Gulden bezahlen mußte , weil er die Stadt Freiburg, gegen die ver abredete Manier " ) , durch Liſt für ſich gewonnen hatte 6 ). Das neue Gleichgewicht gab der Stadt lang entbehrtes Anſehen , wodurch ſie wieder zu Oro:
nung und Aufnahme tam . Als Wilhelm von Avende und Anton Saliceti fie mit geiſtlichen Ge richten und Bann verfolgten *77) , durfte , ſelbſt als es mit Saliceti zu offener Febbe fam ) , der Her 30g nicht mehr wie vormals den Feinden der Stadt
6. 5. Schilderung der Gidgenoſſenſchaft u. 1450 – 69. 31
Teine Macht leihen . Als dieſe ſich nicht ſcheute, Saliceti in dem Lauſanniſchen Städtchen Avenche
zu überraſchen , erhielt er als Schirmherr bloß, daß derſelbe auf Urfeyde des harten Kerters 279) entlaf ſen wurde. Sobald Saliceti diere brach , wurde er enthauptet " b ).
Die Stadt vollzog der oft verſuchten Auslauf aller anerkannten und ſtreitigen ) Lebenrechte der
Grafen von Chierſtein ..) (uralter Lanbherren wie Neufchatel und Gregers) in ihren Gegenden , be: richtigte ſie 6 ), und verlieh ſie ſelbſt 8 ). Die Un ruhen hatten zu viel gewarnt , wie leicht Dienſt manne auswärtiger Fürſten ** ) det gemeinen We fen gefährlich werden. Als der Herr von Menthon eine Schuld nicht bezahlte , ſchußte weber die Furcht Savoyens, des gemeinſchaftlichen Herrn , noch die Stårte des bo hen Caſtells zu St. Denys , daß nicht dieres und Wippingen ) ihm abgenommen wurde , bis er ſich dem Recht fügte 1% ).
In der Stadt wurde der Churm der Båringis ſchen Burg , Denkmal der Grundherrſchaft * ) , in den Graben geworfen 8 ). Als die republicaniſche Denkungsart herrſchend wurde, gaben die Berner die eroberte Mitberridaft
über Gumminen und Graßburg freiwillig zurüd * %) (welche Weisheit verföhnten Eidgenoffen zu ewis gem Beiſpiel hätte dienen follen 29 ) ). Alsdann -91)
perglichen ſie ſich nach Grundråken der Sicherheit
52
Seſchichte der Schweiz. IV . Budy.
und Ordnung, daß über den Gúmminenpaß , dieſe Pforte Berns, nur Bern Heer rey , hingegen Bern die (wegen Laupen ) dahin gehörigen Dörfer jenſeits der Senſe Freiburg abtrete ) und mit Bevogtung des Hirtenlandes um die alte Graßburg ferners abgeweſelt werde. Die Landeshoheit betam bez
A
fimmte Grangen 8) , das Privateigentham der
!
Herren ), der Bürger, der Landleute95) blieb wie
N
es feyn ſoll, unverlegt. Zoll gab jeder , wo eine 1
Brüde zu unterhaiten war 5 ) ; für teutſche. Maa ten wurde , gu Belebung des Bandels , der fichere
Zug nach Lyon durch einen Tractat befeſtiget , wel den Freiburg zwiſchen Bern und Savoyen ver: .
mittelte 99) . ( Bon Neufchatel. )
zu Neufchatel erftarb mit jenem Flugen , wohl
meinen den Grafen Johann der Zweig des Fürſten bergiſchen Stamms , welcher durch Heirathen Au tach 98) , bas breisgauifde Freiburg ) und vor ſechszig Jahren die Grafſchaft Neufchateldoo) erwor : ben hatte. Noch vor wenigen Jahren erkannte er auf dem großen Saal der Burg zu Granſon die oraniſche Lebensherrſchaft Sol) ; er ſelbſt belehnte die unehelichen Enkel der urſprünglichen Grafen von Neufchatel tnit ihrem Erbtheile Son) und im Valen
gin das Haus Aarberg 50 ). Das Burgunbiſche tvar das Landesgereß 304), das Stadtrecht von Beſançon Urbilb des Neufchatelliſchen S ). Die Verfaſſung erinnerte an die alte Zeit, wo die Freiherren haus: vår
R
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69.
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våterlich mit den Leuten auf dem Hof um ihren Thurm zuſammen lebten. Es fand fich, daß Neuf datel Steuer ſchuldig rey , wenn der Graf Ritter wirde 306) oder ſeine Tochter verheirathe, oder über
Meer 507) fahre , oder gefangen werde , oder eine Herrſchaft taufe 58). Dieſes erleichterte ein Spruch der Berner durch die Beſtimmung 30g) , daß das Land nur für Eine Tochter , für Einen Kauf, für Gefangenſchaft in eigenem Strieg 310) und nicht auch fúr der Söhne Ritterſchaft und Wallfahrten ſteuert.
Uebrigens war auch Rechtens oder Sitte , daß die Fiſcher den Graf und die Seinigen vergebens fah ren , mit Fleiſch und Fiſchen zuerſt um den Markt preis verſehen , von Handwerkern feine Sachen zuerſt beſorgt werden und Boten 31') vor anderen ihm laufen ; daß die Stadt ihm einen Nachtwachter halte ; daß die Båder von jedem Immi ihm den
Pfennig erlegen , jeder Heirathende mit einem Halóviertel Wein ihn ehre , im Herbſt die Baun: warte 3 ) ihm tåglich Trauben und Nuſle , jeder Eigenthümer etwas Moſt 313), und auf den Weih
nachtstag die vier und zwanzig Burger, die Bader und Müller einen ſtarken Laib Brod 314) und ein Maß Wein verehren ; daß Federſpiel55) , Wildbahn und
Waſſerrünſen , die Appellationen , jeder drei Jahre ungebaut liegende Weinberg 36), jedes eben ſo lange unbededte Haus ,I und die Güter kinderloſer Ba ſtarde ihm gehören. Ueber ſolche Dinge urtheilte
die Schiebrichterin 511) , die Stadt Bern , 1o , daß 3. v. Müllers råmmtl. Werke. XV.
3
34
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch .
vom Alterthum das Paffende erhalten wurde ang , und nichts vor Alter Abgegangene 519) zu Std rung des guten Vernehmens mißbraucht werden mochte 3-0). Der ſterbende Graf fandte rein teſtament an
den Official zu Beſançon 3a) nnd nannte als Erben Rudolf, Sohn jenes Markgrafen :Wilhelm von Baden , von wegen feiner Großmutter , Schweſter von Johanns Vater und Nichte der lekten Gráfin
des urſprünglichen Hauſes Neufchatel 3* ). Unge fåumt erſchien der teutſche Fürſt, Erbe Feiner Klugheit , ſo wie ſeines Landes. Er gefiel den Neufchatellern , und begab ſich ſogleich in die ber bundeten ſchweizeriſchen Städte, in Gefchaften und
beim Freudenmahl sas) ihre perſönliche Freundſchaft zu gewinnen. Denn die Wittwe Maria machte
Anſprüche auf die Nußnießung der ganzen Hinter laſſenſchaft und auf das Eigenthum aller Kleino: dien , Mobilien und Capitalien ; auch verſagte der
Prinz von Oranien die Belehnung. Doch wollte Maria den lehten willen des Gemahls nicht eigent:
lich umſtoßen 3 ); bald wurde ſie durch Schiedrichter aus der reichen Verlaſſenſchaft wohl befriediget 3-6 ). Ihr Bruder , der Prinz von Oranien , ſuchte die
Neufchatelliſchen Rechtsgrundſäke 326) durch Unter :
(cheidungen 3 ) zu entfraften , und , wenn er ſein Haus von alten Senatoren Noms 518) oder durch Athanarich den Gothen von den Göttern 3.9) und
mütterlicherſeits din einem der frei Könige 3.0)
6.5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft 6. 1450–89. 35
herleitete , und ſeine großen Verwandtſchaften er : zählte, fáh man , daß er die Richter blenden wollte . Als die burgundiſchen Gerichtshofe fein fchon rei
dhes und machtiges Haus nicht noch großer machete zu wollen , und in Riudolf den Freund der Berner zu ehren Tchienen , brachte der Prinz dieſes Geſchäft an den Papſt. Ruborf Berchloß alſobald , felbft nad
Kom zu gehenssi). Pius Ber Zweite Fandte dieſes burgunbiſche Reichsafterlehensgeſchäft an den Stais
ſer 33 ).
Von dem Kaiſer 'wurde es mehrérn Gez :
richtshofen 333) aufgetragen , und nie entſchieden ,
der Markgraf brachte Neufchatel auf ſein Sez Tchlecht 55 ).
Mit Bern hatte ſein welfer Oheim3 ) ihn früb in Bürgerrechtsverhältniß gebracht ; er wur für
feine ganze LandmarE*336) , 'um Hülfe in jeder Noth ) , Handelſchaft 558) und gleiches Recht 1 ) , und mit Anerkennung des Schiebrichteramtes 5 ). Er erneuerte mit Solothurn 3 ) und Murten 3
ähnliche Verträge 45). In dem folgenden öſtreidi fchen Krieg wurde er nicht unbeſcheiden um zu zug ***), ſondern darum gebeten , daß er den Herzog von Burgund bei freundlicher Stimmung erhalte Ss) , und fein Wafall in dem Valengin nicht förmlio von der Stadt Bern , ſondern vertraulich von fet =
nem Schwiegerſohne, Adrian von Bubenberg , nu Hülfe erſucht36). Davon hielten die Berner ihn ab , die Zólle ſo hoch zu treiben , daß der Handels weg darunter litte * 1).
36
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch . ( Von Wallió. )
Das Land Wallis , deſſen Páſſe Italien , die Schweiz und Frankreich feindlichen Ueberfällen oder friedlichem Verkehr öffnen , wurde aufs neue mit der Stadt Bern verbundet 368). Auch dadurch ſuchte
Wilhelm von Raron , Biſchof zu Sitten, die Wun: den des Karoniſchen Kriegs zu heilen. Eben der felbe ſtellte die Wohnung der Biſchofe ber 349) und bewilligte eine Verfaſſung , welche der Stimmung des Volks gemäßer ſchien , als den Uebungen oder Anſprüchen des Hochſtifts 350). Dieſe der Fried
fertigkeit feines múden ulters abgetroßte Nadgie
bigkeit wurde durch das Domcapitel und durch des Nachfolgers Muth vereitelt. Jenes klagte bei dem
allgemein erkannten Schirmherrn auch weltlicher Intereffen der Kirche , dem Papſt. Nadbem der Biſchof perſónlich zu Nom feine unbefugte Chat " ) durch die Noth entſchuldiget, und auf der Heim reiſe geſtorben war 35) , wollte der Domdechant Heinrich Aſperling von Raron 353) die Biſchofs
würde nicht annehmen , bis erſt nach fünf Jahren dreihundert Volksausſchüſſe zugaben 5“ ) , daß geiſt liche Perſonen vom Laienzwang frei 355) , und er, 1
wie feit ſieben Jahrhunderten alle Bildoje ! ), des
Landes Wallis Graf rey. Dieſe Würde dient einein guten und klugen Biſchof, ein ſchwer zu bånbigens
des Volk zu leiten ; wenn dieſe Eigenſchaften ihm fehlen , ſo iſt ſie uunůß und unſchädlich.
Nach
Aſperlings frühem Tod 367) wurde nach alter Form
6. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft $.1450–69. 37
der Wahl 358) dem zahlreich verſammelten Volf 359) 360 Walther , aus den Fluhherren 56 ) , in beiden Spra
chen 361) als Biſchof und Graf genannt. In ge waltigen Dörfern 362) wie Städte , in wirthſchaftli cher Ordnung 363) , mit Bern , Savoyen 36 ) , Mai land im friedlichen Bund , blühete das Land Wal
lis. Franceſco Sforza , dem die Mannichfaltigkeit großer Eigenſchaften das Herzogthum zu Mailand gab und erhielt, machte auf fiinf und zwanzig Jahre eine Capitulation mit Wallis, wie ſie zwiſchen die Tem and benachbarten Landen ewig ſeyn ſollte 365): daß kein Theil den andern ſchadige oder dem Feinde
des andern Paß gebe , Peine Zollſteigerung den Handel, feine Juriſterei 366) die Juſtiz befchránke , daß aber im Nothfall dem Herzog dienen möge,
wen ſein Sold reizt 367). (Von den drei Waldſtätten .)
Die Hirtenvolker, von denen der Schweizer: bund ausgegangen iſt , lebten zwiſchen ihren Eids genoſſen ruhig , und , wie damals wenige , felbſt
von geiſtlicher Herrſchaft ſo frei als gemeines Wohi und Recht erforderten . Da bei ihnen feine Oliven wachſen , erlaubten fie ſich in der Faſtenzeit Butter und Milchſpeiſen , ehe der Papſt genehmigte, was er nicht hindern konnte 368) , und wofür andere ihm
Geld gaben 369).
Was ein Geiſtlicher ungeiſtlich
that, wurde in der Schweiz weltlich gerichtet. Die
Ernennung der Pfarrer, welche die alten Land eigenthümer und Fürſten in den von ihnen geftif
38
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch :
teten Kirchen anſehnlichen Kloſtern aus Fürſorge sufgetragen 5o) , und die Einkünfte dieſer Kirchen , welche die Kloſter mit großem Unrecht an ſich gezo : gen 370 ! ) , wurden ſelbſt. Ausländiſchen gelaſſen. ) :
Eigenthum , wenn auch nur Verjährung..es recht: fertiget , muß heilig ſeyn ; ſonſt iſt keine Ordnung der Geſellſchaft., kein Fortgang der Cultur, kein Lebensglud. Froh bedienten ſich die Interwaldner der guten Stimmung eines Abtes zu Engelberg 373 ), wachſam des Geldbedürfniſſe ſeiner Nachfolger 37 ) und des einmal gegebenen Beiſpiels 375) , um Aus tauf zu erwirken 375 b). Hierauf wählten die Ges meinden ; ferners bekam kein Fremder die Gaben
1
ihrer Andacht 56). Die geiſtliche Aufſicht ließen fie in den Händen , welchen , die Hierarchie ſie , gab3:7) : dieſe in der ganzen Chriſtenwelt gleichfór: mige Uebung der Religion unterhaltende Einrich tung blieb, To lang die Kenntniſſe der Kirchenhåup
ter und ihre Klugheit nicht unter dem Geiſte des Zeitalters waren. In dieſen alten Soweizern , wie in den alten
Griechen378) und Römern 379 ), war bei vielem Ver gtand , in ihren Sachen ungemeine Religioſitat.
Ueber die Weltlichkeiten ließen ſie die Schirmvogtei Tich nicht nehmen S380 ): Bor Gott , wie ſie in der Natur , in dem Troſt ihres Glaubens und in dem Geiſt, fortſchreitender Vervollfomninung ihn drei: faltig, erfannten , und vor Denkmalen derer , die Bure Tugend ſein Wohlgefallen verdient haben
1
5.5. Sahilderung der Eidgenoſſenſchaft v . 1450-69.
39.
muften , fielen ſie anbetend nieber , und verehrtent
audy in Lebenden , in dem oberwaldiſchen Landrath
Niclaufen von der Flúe, die vorzügliche Gottfelig keit. Als der Hauptfleden Sarnen von einer uns widerſtehlichen flamme verzehrt wurde, eilten Ab
geordnete um die Fürbitte dieſes Gerechten 3 ) ; er fam auf den Berg , und ſchrie zu ſeinem Gott für fein Wolf. Zu derſelbigen Stunde legte ſich das wüthende Element 58 ).
Geroid , aus den Freiherren von Sar , der Ein ſidlen Abt, ein Mann , welcher Pracht und Hoheit,
aber noch mehr fein verfallendes Gotteshaus liebte, nicht zufrieden des ewigen Ablaffes , womit Pius der Zweite es begnadigte 565), 308 felbſt nach Ita lien 5 ) , gefiel diefem Papft, und erwarb mehr als ſeine Vorfahren s5). Auch bekräftigte Pius die al: ter Sagen 386) göttlicher Weihung der Hauptca=
pelle , wo- ein uraltes Gnadenbild , wie zu Loretto, oder Altötting , Vertrauen gebot-387). Wo in ſo vielen Jahrhunderten Millionen der Sterblichen Ruhe fanden , den Ort weihete Gott. Nachmals
wurde die Gnadencapelle eingeafchert.383) , gebros chen389); aber Erhöhung der Seele an dem begeis ſternden Ort blieb wie über dem Schutt Jeruſa lems S5 ) . Die Manner von Schwyz , die Schirm
vógte , beſchloſſen die Herſtellung der verbrannten Sebåude ; fie begehrten aber genauere Einſicht des Bermögens , als dem unwirthſchaftlichen Abt lieb war. Da wollte Gerold lieber nicht, als mit Bes
40
Geſchichte der Schweiz. IV . Budy.
ſchránkung Fürſt reyn. Vierzehn Jahre blieb er zu St. Gerolden einſam , ein mäßiges Fahrgeld ) verzehrend ; die von Schwyz hoben Unſer Frauen Stift ehrenvoll aus der Aſche Spe).
Zu derſelbigen Zeit wurde der landammann Stal Reding der jungere, aus unbekannter Urſache, durch einen Auslander ermordet 595).. Kurz vorher bewegte die Ermordung Werners ab Iberg durch Hanns Ulrich das ganze Land Schwyz. Iberg war aus einem großen Geflechte der erſten Eidgenor
ſen 394) und Ulrich leitete feinen Stamm auf die im Alterthum aus Norden hieher gewanderten Pa ter 595). Uri, Unterwalden , Luzern, Zug und Gla
ris verordneten Geſandte auf den Landtag über dieſen Mord ; die Gemeinde von Schwy; nahm die ſchirmverwandten Landleute von Kúßnacht und Ein
ſidlen , aus der Mark und von den Höfen zu ſich . Denn lang und vergeblich wurde denen von Iberg die Blutrache abgebeten ; unmuthsvoll ſtanden vom Hauſe Ulrich zahlreiche Brüder , gewaltige , rauty behaarte356) Manner, Helben ; ſo daß landverderb
licher Zorn (höher als in allen anderen walte lei: denſchaftliches Gefühl von je her in Schwyzern ) dem öffentlichen Frieden drobete.
Doch weislich
redeten die grauen , ehrfürchtgebietenden Häupter ; ihr Wort båndigte. ulrich wurde nicht hingerich
tet, aber verwieſen. Er brach den Eid. Da ſchien den machtigen Jünglingen der Schuß des Ungehor
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69. 41
fams und meineides unziemlich , ſo daß er zu Uz nach enthauptet wurde 597). ( von mailand. )
Filippo Maria Anglo Viſconti, Herzog zu Mat
land 598 ), wider welchen die Schweizer bei Bellin
zona unglüclich, doch ehrenvoll 399) , ihre Waffen verſucht, und mit welchem ſie , wie in ähnlichen Fallen mit Frankreich too) , einen feſten vortheilhaf ten Frieden geſchloſſen ) , ſtarb , in dem hundert 1
ſiebenzigſten Jahr der Viſcontiſchen Hoheit 40 ), ohne männliche, ohne eheliche Erben , in einem wis der Benedig muthwillig erhobenen 403) und ſchlecht geführten ) Krieg. Unterrichtet durch das un glück der ſchweren Jahre ſeiner Jugend hatte Fi lippo mit Geiſtesgegenwart, Selbſtbeherrſchung, und nach Grundraßen den Stab geführt 405) ; aber oft erfahrne Untreue hatte ihn zu mißtrauiſch ge
macht , um die Anwartſchaft ſeiner Gewalt einem Nachfolger gehörig zu ſichern . So verfiel der Staat, welcher Mailandiſch genannt worden , in der Chat Viſcontiſch war. Freiheitsgebanken, aber
unvorbereitete 46) , erfüllten die Hauptſtadt. An dere Städte verſchmäheten , Unterthanen Mailán diſcher Bürger zu feyn . Der zum Erben eingeſette
König von Neapolis hatte weder genugſame land macht für einen Krieg in folcher Entfernung , noch
die Freundſchaft der Genueſer. Dem Herzog vont Orleans fehlte zu Behauptung ſeiner mutterlichen Rechte * 07) Heldenmuth, Geld und franzöſiſche Hülfe.
1
42
Gefchichte der Schweiz . IV . Budy
Herzog Ludewig don Savoyen war ein viel - zu fchwacher Geiſt. Gleichwie das Reich der Teutfchen , den alten Herren Viſconti nicht Macht ſondern Ti tel gab , ſo blieb auch ießt die kaiſerliche Einwir: kung bei Worten. Die Venetianer , welche in einer frühern Mailändiſchen Berwirrung durch Klug heit und Reichthum den großen Carrara 408) ges ſtürzt, auch die Scaliſche Erbſchaft fich zugeeignet,
thething
hierauf Breſcia und Bergamor erobert und bewuna derungswürdig vertheidiget batten, erhoben ſich zu
dem Gedanken der Herrſchaft der Lombardei. Da : machten die Leute von Urí ſich auf, über den Gotthard, in das Land Livinen, ein Gotthards thal.609). Die Leventiner (ohne Hülfe von Viſcona tiſchen Söldnern , die, nicht wiſſend für wen , Bela 家
linzona bewachten ; ohne Hülfe vom Ruſea , der aus. Viſcontiſcher Gnade Lugano beſaß.410 ) ; oder von dem Herrn des Palengerthales t'' ) , dem Jüngling Sante ; Hannibals Bentivoglio zweifelhaftem Er ben, der mit ungewiffem Schritt die größere Herr: ſchaft eben antrat*41) ) , freuten fich der Sicherheit wider die Parteienwuth , und erneuerten an Uri :
den ihren Vatern werthens) Eid. Vergnúgt bes ſchloß die Gemeinde son Uri* ), die rúftige Mann ſchaft von weiterer Einmiſchung in Welſche Fehden abzubalten * 5) ; fie foll das Vaterland beſchirmen . Muth und Verſtand hatten einen gemeinen ita-
lieniſchen Landmann ro hoch gebracht, daß die Ges : walt vieler Fürften von ſeiner Freundſchaft abhån =
6.5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450. - 69. 43 :
gig ſchien . Eine größere Entwidlung derſelben Eis genſchaften gab feinem Sohn die ganze Viſconti ſche Erbſchaft ſammt Mailand, und feßte ſein Haus den faiſerlichen und königlichen gleich 6). Weil die Fürſten gern vergeſſen , daß der Urſprung der Majeſtát eben dicſer und lein anderer iſt, ereignen
ſich zuweilen ſolche Dinge, um die Geiſteskraft in , ihnen aufgurufen , ohne welche ſie die Oberherr fchaft nicht behaupten können ).
Der große Jakob (io hieß er wegen ſeiner Sta:
tur:-) ) war aus dem Romagnoliſchen Orte Cotiga ." nuola , von ehrbaren und nicht unvermögenden El:
tern , deren Verwandtſchaft mit einem adeligen Hauſe des Ortes , den Attendoli, wie zu geſchehen. pflegt , nachmals entdeckt wurde."19). Der hochges ., wachſene, braune Jüngling, mit breiter Bruſt, ſchon gebaut, mit Augen voll Feuer , Ernſt in Ges: bárden und Gute im Herzen *) , verſchmábete die
Landarbeiten, welche des Kriegers Beute waren “ '). In der Nachbarſchaft glänzte als ein Herſteller des
italieniſchen Kriegsruhms "") Graf Alberich Voro Barbiano . Jakob redete mit ſeinem jüngern Brus der , dem Fúhnen Franz 43) ; ſie überredeten zwei der ältern und einen Vetter, zuſammen unter St. Georgen , Notte ( fo hieß . des . Grafen Trupp) zu : treten... Einſt zerfielen Kriegsgeſellen um eine Beute. Mit fürchterlichem Nadbrud behauptete Jakob gegen ſie, nicht beſcheidener vor dem Grafen , fein Recht; ſo daß Alberich ſprach : ,,Das heißt mir 5
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
44
„ Gewalt anthun ; du biſt Sforza ; Sforza roli dein ,, Name ſeyn , du Erzwinger 424 ) !"
Das iſt der
durch ſein ganzes Leben gerechtfertigte Name. Er ſekte durch, daß an der Spiße des ihm ganz erge ?
benen Heers Papſte , Stónige und Communen ihn fürchten mußten. Dieſes bewirkte er nicht durch Wuth , ſondern durch glücklichen Gebrauch ſeiner
guten Anlagen, die er durch keine Schulgelehrſam : keit verwirrt , wohl aber durch ſorgfältige Erler:
nung der Geſchichten und vieler Sprüche der Weis ſen gebildet hatte 425). Als Franceſco , rein Erft geborner (von dem er im achtzehnten Jahr vorſah , daß er der größte Fürſt Staliens ſeyn werde), zum
erſtenmal von ihm 30g , redete er beim Abſchiede vom Krieg , dem Studium und Geſchäft ihres Le bens weniger, als darüber mit ihm , daß Franceſco den allmächtigen Führer der Schickſale vor Augen
halte , weiſen Rath höre , die Völfer durch Gerecha 1
tigkeit feßle , nie eines Unterthand Ehebette be flede 445 b ) , feinen Leuten gútig rem , nie durch Schlage fie mißhandle , und , wenn er dazu gegen einen hingeriſſen worden , denſelben ſchicklich ent ferne 46). In dem vier und funfzigſten Jahr reis nes Alters 4e2) , als Sforza wider die allgemeine
Stimme ( ſeine Stunde war gekommen) durch die Mündung des Peſcara ritt , und um einem nothlei denden Krieger zu helfen, eine gewaltſame Bewegung 1
machte, ſchwand unter ſeinem Pferde der lockere Sand und eben warf ein Südwind das Meer in den Fluß.
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 4450 – 69. 45
Von dem an hielt alle Heerführer, die Schaa ren, die Städte die Kraft Franceſco's zuſammen * 8), und an ihm.
Die Königin von Neapolis , deren
Kriege ſein Vater geführt , beſtåtigte auch ihm , Sforza zu heißen 9). Nach Mailand fam er zuerſt in dem Jahr, als Agnes Maina dem lekten Herzog .
die Bianca Maria unehlich gebarso ), welche nach :
mals an Franceſco verheirathet wurde. An Behen: digkeit , Glanz und Glück der Unternehmungen übertraf er ſelbſt ſeinen Vater. Einmal eroberte er in wenigen Tagen die zahlreichen Städte " ) der
Anconitaniſchen Mark*3 ). In drei Tagen rettete er den Florentinern Piſa 45). Venedig hatte durch Mailándiſche Waffen das feſte Land faſt eingebüßt, als er durch unwegſame Orte an eben dem Tag in die Stadt Verona kam , wo zu Mailand ihre Er: oberung feierlich begangen wurde 434). Als der Mailandiſche Feldherr Niccolo Piccinini durch Kriegs
tunſt und liebermacht in ganz Toſcana Schrecken verbreitete , erhielt jener Coſimo , Vater des Va: terlandes , daß Franceſco , der ſeiner Weisheit viel
vertraute, für ganz Italien 435) eine Schlacht wage ; er gewann ſie bei Soncino 436 ). Als Filippo Viſconti durch unaufhörliches Mißtrauen dahin gekommen , daß er ſich relbſt kaum noch traute 431) und in der
größten Verlegenheit ſtarb , fuchte jede Partei den Sforza , und er das was alle , Mailand.
Zuerſt wurde er ſehr gern Feldherr des Mailán difchen Wolfs. Wer große Eigenſchaften mit gefal
46
Gefchichte der Schweiz . IV . Buch.
ligen vereiniget, hat vom Volt nichts zu fürchter und er kannte die Republik als zerbrechliches Kunſt
wert einiger Vornehmen . Als Pavia fich ihm er: gab, als er mit außerordentlicher Beharrlichkeit den Venetianern Piacenza entrif , und mehrere Mo inate fein Heer von der Beute unterhielt , als die
Herzen des Wolfs in dem ganzen Staat verehrungs poll ſich für ihn erklärten , erkannten die Matlandi: fchen Großen , daß er ihrem Plan gefährlicher fey als die Venetianer ſelbſt. Ihre Gedanken wurden
ihm angezeigt. Er bewirkte eine Volksbewegung, " Welche ſie nöthigte , der Stadt Banner feiner Hand anzuvertrauen .
Sofortflug er auf bem po und
in dem ſchweren und großen Treffen bei Caravaggio die Venetianer. Die Kaufleute , deren Berhålt niſſe ein eigenthümliches , ' von dem Staat verſchie: dentes , Gemeinweſen bilden , ſudyten Friebe mit Venedig , der Mutter des Handels. Allein der
fiegreiche Feldherr kam ihnen bei dem Senatezuvor. Von dem an wandte er die unbeſchäftigten Waffen gegen ſeine perſönlichen Feinde. Als zwiſchen ihm und der Stadt Mailand Krieg
ausbrach, erklärte ſich Franchino Nufca, Gerr zu ku gand und faſt-alle Anwohner des langen Sees fiir den Feldherrn . Bellinzona blieb feſt welfürch . Mais
land, entſchloſſen als für Freiheit das deußerſte zit unternehmen , zu leiden 638) und , von wem 1 ima mer439) , Hülfe zu ſuchen , machte Freundſchaft auch
mit itri ). Carlo Gonzaga , des erſten Markgra
8. 5. Schilderung der Eidgenoffenſ@ aftv.4450-69. 47 fen > von Mantua Sohn , Commandant don Mais land , im Gefühl der Wichtigkeitunmittelbarer Ber bindung mit dieſen tapfern Männern , bewog den
åltern Piccinino zu einer Unternehmung wider die zwiſchen ihnen und Mailand liegenden Ghibellinen . Piccinino gog uber Seprio , den Bergen 311 ; ihm 1
die Bellenzer , die Urner und viele Eidgenoſſen ent gegen ; ſie eroberten Caſtiglione" ), gingen über die Trefa und erkämpften über die Sforzeſiſchen fchwe ren Sieg ** );-woraufhier der lange See und ku gano, dort Vareſe und der Briangerberg durch gúns
ftige Erklärungen den Zweck derMailander erfüllte. Vergeblich. Denn fobald Franceſco Sforza die Par
meſaniſchen Lande gewonnen und beruhiget , ließ er dem Feind , welcher bei jedem Nachtheil feine
Partei in der Gtadt ſelbſt:zu fürchten hatte, keinen Augenblic. Indeß er wichtigere Pläße ſelbſt ein nahm , fandte er in das Luganeſiſche nebſt dem treu
gebliebenen Rufea den geſchickten Feldhauptmann Roberto di St. Severino, mit viertauſend Mann .
Sein Stoß brach die Schaar des Landvolks ; die Heerden wurden Beute ; kugano beugte ſich zum Gehorſam 463). Roberto zog nicht vor Bellinzona, wo die Schloffer ihn aufhaltenmochten. Dieſe Stadt
wurde von den Urnern ſelbſt belagert ***), weil (we gen des fchlechten Ausgangs !) der Preis der vori:
gen that " s) ihnen verſagt wurde. Eilends , ehe Sforza ihn gewinne , befriedigten die Mailander dieſen Feind, indem ſie den Urniſchen Schuß an
48
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
den Waaren der Leute von Livinen und Urſeren “6) durch Zollbefreiungen ehrten . Hiedurch erhielten ſie Bellinzona ſo lang als ſich ſelbſt. Zu Mailand herrſchte Unordnung und ihre Wir: kung, die Noth. Die Stifter der Freiheit, die Vor: nehmen waren durch Neid und Mißtrauen gefallen oder umgebracht. Savoyen und Orleans, die alles von
Verzweiflung hofften , ermunterten , um ſie auf das Aeußerſte zu treiben ; der venetianiſche Commiffarius Venieri erweďte durch falſche Briefe Hoffnung und Furcht. In dieſer Lage * b7) befolgte Franceſco Sforza den beſten Plan , da er eine Stadt nach der andern eroberte , alle feindlichen Feldherren ſchlug , und
durch die Majeſtát ſeiner Geſtalt *) , und ſeine außerordentliche Sute die Herzen ſich zueignete. So geſchah, daß, was Piero von der Puſterla långſt für das Beſte hielt , Guidone von Vimercato un ſchwer burdſette ; eine Vereinigung der vornehm ſten Burger, welche die Burg einnahm , die unfähige
Municipalität und den venetianiſchen Commiſſarius umbrachte , und Franceſco Sforza Viſconti auf den herzoglichen Stuhl von Mailand erhob ). Hiezu hatte er kein anderes Recht als die Vereinigung der vortrefflichſten Eigenſchaften eines Menſchen
und Feldherrn und Fürſten. Dieſem Titel und Glud huldigte in zwei Tagen auch Bellinzona “ so ). Daß zu Mailand Sforza herrſche , war am un: angenehmſten für die Venetianer, welche auf Schwa
chung durch Trennungen den plan einer großen Herr
S. 5. Schilderung der Sidgenoſſenſchaftř . 1450-69.
49
Herrſchaft gründeten . Daher umgaben ſie ihn mit * Feinden , und erfüllten feinen Staat mit Strieg, ehe 4 er ihn durch gute Regierung befeſtige. Aber Franceſco Fam ihnen durchaus zuvor. Sobald er
durch die Ghiara des addaſtroms in das Breffant fiche eingebrungen , ließ er ſelbſtWintersihnen keine Erholung * ).
Plóklich überfiel die ganze europáiſche Chriſten : heit der Schreden der Eroberung der Stadt Kons ftantinopel. In dem anderthalbtauſendſten Jahr, feit in den Gefilden bei Pharſalus Cafar die rómis
rohe Belt in die Gewalt eines Einigen gebracht; fiel, würdig altrómiſcher Größe ** ), der leßte Impera tor Konſtantinus. Der Padiſchah GaziMohammed el Fatih 3) , ein Herr voll Unternehmungsgeiſt und
kraftvollem Willen " ) , nachdem er dieſe Reſidenz, ben Hauptfin des levantiſchen Handels, den Schluſ fel zweier Meere , bezwungen , ſchredte wechſelweiſe die Inſeln ., Morea , Italien , Ungarn , die Gränze der Polen , der Ruſſen , der Perſer. Da vergaß der Senat von Venedig die muthwillige Herrſcha
ſucht , und verwünſchte den unſeligen Krieg . Von dem påpſtlichen Stuhl erging eine ehrwürdige Bot: ſchaft auch an die Landleute von Schwyz "53) , um durd das Anfehen der von ihnen genannten Eidges noſſenſchaft den fieghaften Sforza zu guten Frieden 456 zu vermdgen * 6). Sie fandten ; er gab ihn 456 6). Der wohlunterrichtete militari dhe Fürſt ſuchte die Freundſchaft der Schweizer 45 ) , welche durch
.
I. ». Müllere såmmtl. Berte. XV .
4
50
Geſchichte der Schweiz.
IV . Bucs.
Handelsverhältniſſe unterhalten oder geſtört würde. Die Landeshaupter bezeugten dem Geſandten An tonio Berana Bereitwilligkeit " ) ; aber in Fürſtens ländern wird das Zollſyſtem oft nach Willkür oder
Bedürfniß verändert ; und zwiſchen der italienis ſchen Abgeſchliffenheit und jener oft ſtórrigen Eins falt war Vertrauen ſchwer zu gründen. So ent ſtand oft mit einem einzigen , aus Troß oder Mif verſtand , ein Unwille, worüber er ſich nicht ſcheute, den machtigen Herzog zu fehden " ). Doch frans ceſco gab den Hauptmarkt zu Barere frei '60) ; frei zogen die ſchweizeriſchen Staufleute die Landſtraße bis an den Graben der Stadt Mailand 46 ') ; des Herzogs Gerechtigkeit, ſeine Süte , fein Anſehen , erhielten Verſtandnik. Uls nach ſeinem Tod Galeazzo Maria der weis ſen Mutter noch Gehdr gab 46 ), wurden die Mais ländiſchen Verhältniffe zu der Schweiz durch ge fchicte Unterhandlung Antons von Berana , auf dem Tage zu Luzern , durch den Grundvertrag be feſtigt, welcher das Sapitulat genannt wird 463). Das leventiniſche Thal , dieſe Rüdſeite des Gotthard paſſes , wurde auf ewig Uri überlaſſen . Aber uns ter dem Vorwand einer anſtändigen Rüdſicht für das Mailändiſche Domcapitel, die wahre alte Herr
ſchaft , wohl mehr um die Anſprüche nicht ganz auf zugeben , wurde das Thal durch den Fürſten von
der Kirche zu ſehen genommen , und unter dem Beding den Urnern übergeben , daß ſie jährlich
5. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft », 1950–69.
51
vier Habichte und eine Armbruſt 464) nach Mailand ,, liefern ſollen . Schiedrichter 465 ) rollen ausmachen , ,,welche Einkünfte bleiben 6) und was der Hof dem ,, Dom zu erſeßen habe. Die Zollfreiheit bis an der
„ Stadt Graben, nun auf jedem Wege 467), wird al
,,len Eidgenoſſen und ihren erweislichen Angehöri: ,, gen beſtåtiget. Sicherheit auch gegen Durchpaß „ fremder Feinde ; Handelsfreiheit 6 ); ſchnelles gu
,,tes Recht; im Nothfall freundliche Hülfe 69). Bu „Bellinzona , Como , Mailand follen über Schweiz „ gerſachen eigene Richter feyn ; zwiſchen den Regies
„ rungen wird in (dem leventiniſchen Hauptorte) Faido getaget, von einem Wallifer oder durrhati
„ ſchen Rathsherrn Endurtheil geſprochen.“ Die ſer Vertrag mißfiel den Bernern und Urnern. Je nen , weil die Hülfezuſage ſie mit alten Freunden , dem favoriſchen Hauſe, in Verlegenheit bringen
konnte "7). Die Urner , gegen alles Kiinſtliche 6 ) mißtrauiſch , und auf Ehre ungemein eiferſüchtig, frugen unwillig : ,,Was hier das Domcapitel ſoll ?
„ Ihr Urm habe Livinerthal über den Herzog er ,,obert ; er ſoll nicht beſorgt feyn , ob ſie ſich hiemit
„verſündiget haben “?") , er ſelbſt habe das Chal den „ Pfaffen långſt vorenthalten ; wer das Land Uri ,,Unrechts zeihe ? der , welcher im Namen einer Ba 1 ſtardin auf dem Stuhl der Viſconti figt!" ,,
Das
Mißtrauen vermehrte ſich , als von dem Vertrag mehr als Eine , nicht gleichlautende , Abſchrift (75) und eine hin und wieder nicht genaue (zweideuti
52
Gefchichte der Schweiz. IV, Bucha t'i
ge , mildernde ) Ueberſeßung 13 b) herumging.
Bes
Tana, in Beſorgniß der Vereitelung feines Werks, ließ es weder an emſigter Verwendung durch Bors ſtellungen , Erläuterungen , Berichtigungen , noch
an fonft :einem Mittel fehlen , bis nach mehr! als fünf Monaten das Capitulat mit nicht unbe deutenden Aenderungen 674) zu Luzern von dem ganzen großmachtigen Bunde gemeiner Eidgenoten
in der Schweiz förmlich angenommen wurde... Bald nach diefem ſtarb die Herzogin Mutter an
einem über die ungebührlichen Chaten ihres Sohns gebrochenen Herzen .175) ; doch feit kurzem nicht ohne
einige Hoffnung , feit Bona von Savoyen , eine Frau faſt wie fie , ſeine Gemahlin geworden 676).
Die Schweizer, wenn derHerzog ihre Treuherzig feit mißbrauchen wollte, fandten ihrer grauen ern:
ſten Helden einen 677); die Reiſe foſtete wenig 8) ; in ihm lag die entſcheidende Würde. ( von Valtellin und Chiavenna.)
Der italieniſche Theil des rhátiſchen Gebirges war faſt überall Mailandiſch. Wie wichtig er fey ,
erfuhr der lette Viſconti, als Feldherren der Be netianer , Sante Venieri und Giorgio Cornaro,
fein bitterſter Feind, 79), ſpåt im Jahre 480) , von dem Dofio des Camoniſchen Thales 480b ) die valtelli niiden påfie in acht Tagen eroberten , Como in uns
erwartete Gefahr brachten, und ſchon die Treu der Balſaſſina wanfte. Der Herzog in Verlegenheit ( 1) ovate Niccolo Piccinini, den beſten ſeiner Feld:
C. 5. Sajilderung der Eidgenoſſenſchaft 041 450 - 69. 55
hauptleute13%), welcher den mühſamen Marſch durch den Sieg bei Delebio krónte **b), wo die vornehms ften venetianiſchen Hauptleute gefangen wurden 18 ).
Froh ehrte der Fürſt die Madonna des Ortes 456 ) ; dankbar ( Valtellin half die Feinde vertreiben 485) ) erließ er der Commun Ponte die jährlichen hundert Pfund 4 ) und begünſtigte die Unternehmung deren
von Teglio gegen die verdächtige Burg über ihrem Ort"87). Sie erſchlugen die Herren 48) und brachen die Burg. Die von Chiavenna , deren faſt verſdymáhe ter Suzug 9) die weſentlichſten Dienſte geleiſtet , ehrte Herzog Filippo mit Freibeiten . **
Dieſer Krieg entwidelte den Geiſt und das Glúc einer jungen Baltellinerin auf denkwürdige Art. Bona Lombarda 690), klein, braun und nidyt
ſchön , armer Eltern Kind, "weidete Schafe. Peter: ***Brunor von Parma, einer der vortrefflichſten wir contiſchen Hauptleute hg ), bemerkte die Kraft und Munterfeit , welche ſie vor ihren Geſpielen aus
** zeichnete. : Er befahl, ſie zu entfiihren ; hierauf ließ er ſie unterrichten . Da blúbete ihr Verſtand To unvergleichlich auf , daß Bona in den größten Geſchäften des Lebens und ſelbſt in der Kriegstant
* ungemeine Einſicht bekam , ihren Freund aber, der = ſen Arbeiten und Erholungen ſie alle theitte , ihr Leben lang allein liebte. Sie bewies wie ſehr , da er
durch Hoffünfte zu Napoli in Gefangenſchaft tam ,
fie aber nicht nur die Höfe aller italieniſchen Fúr : ften , roubern felbſt Frankreich und Vurgund in Bes
54
Geſchichte der Schweiz. IV . Budy.
wegung bradyte, ihn losjubitten ; den Senat von
Venedig aber bewog , ihn mit großen Beſtallungen 1
in Dienſte zu nehmen. In dieſen ſtritt fie , ihm zur Seite , in Schild und Helm glúdlich ; ihrem Rath folgte Brunor in allem . Da er als Comman . dant auf Negroponte geſtorben , kam ſie nach Vene:
dig , nun ganz Mutter 49e) , bis der Tod fie ergriff. Sie unterlag ihm , nachdem ſie die Vollendung des Grabes geſehen , das ſie ſich bereitet hatte 493).
Als nach Ausſterben der Herzoge Viſconti die Mailander, ohne Rückſicht auf die Lage Italiens und auf fish , Freiheit und Herrſchaft möglich glaubten ,
brachte Baldaſſare Vertemate , der angeſehenſte Mann in der Grafſchaft Chiavenna 49 ), Namen und
Wappen der Freiheit 695) in ſein Land. Sie waren pon dem Senat beurkundet 495 b), Graf Johann Balo biani im Namen des Freiſtaates zum Landvogt er: naunt 46). : In Anſehung Valtellins wetteiferten Venedig und Mailand , Antonio Beccaria, den rei:
chen Erben der alten Capitanei, durch Macht, Scharf: ſinn und Entſchloffenheit den gewaltigſten Ritter, auf ihre Seite zu beſtimmen ; er hatte zu den Mailän dern mehr Vertrauen 197 ). Als der Schatte einer Mailändiſchen Republik anfing zu ſchwinden, ſuchte Balbiani , ſich dem Fürſten Sforza wichtig zu ma chen. Mitten in Chiavenna auf einem durch Natur und Kunſt 693) geſpaltenen Felſen lag eine den Paß beherrſchende Burg . Der Senat hatte ſie nicht ihm anvertraut. (Um ſo weniger glaubte er ſich dem
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69 .
55
felben verpflichtet, ſondern empfing das Land beim lich vom Kaiſer zu Lehen.) Bei nachtlicher Weile rannte der Graf eilig , ångſtlich hinauf, klopfte un
geſtum , als von Sforzeſiſchen verfolgt. Sobald er das Geklirre der Schlüſſel vernahm , gab er ver borgenen Leuten Zeichen ; worüber ſie den Caſtlan hinauswarfen , mit Balbiani hereindrangen und ihn zum Herrn der Veſte machten . So hatte Bals
biani dem Herzog Franceſco Chiavenna zu überge ben. Die Valtelliner vertrieben aus dem Puſclav
den Vogt von Måtſch, Herrn Ulrich 499), und run beten hiedurch die Mailändiſche Gránze Engadin zu. 1
Die Bündner, damals in großen Unruhen, begnúg ten fich , als günſtige Handelsverträge erneuert wurden so ).
Als bei wachſendem Verkehr dieſe unzureichend oder übertreten wurden , drohete der freie Rhå tier so ) , um die Zeit wo die Schweiz gegen Mailand mißmuthig war , und Franceſco, der größte Sforza, tarb. Allein ihr Bund war an ſich und durch all zugroße Unabhångigkeit einzeler Gemeinden unan Tehnlicher als die Schweiz. Mailand , um viel zu erhalten, bedurfte nur wenige wichtige Communen einigermaßen zu befriedigen . Gern verſprachen die Ammanne und Gemeinden von Vergell , Engadin, Oberhalb Stein , zu Schams und Avers 508) , die Alpenclauſen keinem Feinde der Mailandiſchen Fúr: ſten zu öffnen , und Verbrecher 503 ) auszuliefern .
Hiefür wurde ihren Abgeordneten 506) die zolfreie
56
Geſchichte der Schweiz. IV . Budy.
• Ausfuhr einer beſtimmten Meage Wein und Korn sos zugeftanden 56). : (Vom Bündneriande.)
Die Bündner ſelbſt waren unter noch vielen Hers ren , in vollem Streben, um Freiheit , aber (nach damaliger Art) inſofern ſie durch gerechten Krieg oder Kauf erhaltbar war. Jenes. Land auf Davos und die benachbarten Gerichte So7) , wie ſie von Way auf Cotenburg , dom lekten Friedrich ruhig auf feine Erben übergingen , ließen , geſichert durch ih ren Bund und einen mit den Gotteshausleuten von 臺
Chur58) , Wilhelmen von Montfort 50g) ſein land - ruhig Hugo ſeinem Better 5.) übertragen ; und er
tirkundete ihr gutes Recht 51 ). Um jabrlich acht Pfennige hatte ſich das herrſchaftliche Eintommen vermindert ; zwei Dórfer gaben dieſe Steuer ; diere
hatten ſich losgetauft 5 ). Jhr Bund mit dem Got teshauſe mißfiel dem Gerichte Maienfeld ; allein die Regierung von Zürich , auf deren Spruch fie es ans
kommen ließen , entſchied , daß eine Eidgenoſſens fchaft, wo die mindere der mehreren Stimmenzahl nicht folge , nicht wurde beſtehen tónnen - 3). Um zu beſtehen , muß die Freiheit ſich beſchránten .
Muth erforderte einen Vund mit den Gottes hausleuten , weil ſie ſowohl mit Deſtreich als dem '
Biſchof, und ihre Freunde vom grauen Bunde mit vielen großen Freiherren im verwickelten Verhalts nig waren .
Dieſen , den grauen Bund, ſuchte der berühmte
6.5. Shirderungder Eidgenoſſenſchaft6. 1450-69.57
Feind aller Wolfsverbindungen, Sraf Heinrich von Werdenberg zu Sargans , durch einen Verein der Edlen zu ſtürzen , der , wegen Kleiderfarbe feiner Anhänger oder eines Unterſcheidungszeichens, dywar : zer Bund hieß 5 ). Durch die Gebirge des obern Sarganſerlandes führte Hanns von Rechberg, jener Feldherr , durch den hohen Gungelspaß , bei nachts
licher Weile , die Schaar hinab, und über Tamins, Razúns , Domleſchg hinauf, an die wenigen , engen Zugänge der Scamſer, die er unterwerfenwollte5 ), hinein bis an die gewaltige Bavenburg , Rhein walde und Schamſerthals Baum , der wichtigſten 3
1
Bergpáfſe Schlüſſel. Mit ihm war (nicht ſo por: fíchtig wie ſein Vater 56), der vor fechs und zwanzig Jahren den grauen Bund mit ſchwur ) der Freiherr
Heinrich von Razúng 516b) ; es begünſtigte den An +
ſchlag Heinrich von Hewen , welcher Coſtanziſche Bi fchof bas Hodſtift Chur mit verpflegte." Wenn Olúc dabei war , fo wurde der graue Bund , von dem die
Herren ſich nicht gern beſchránfen ließen, geſprengt, und mit Mailand eine Verbindung möglich , wo durch die Schweiz im Rüden angegriffen werden könnte. Dadurch waren die Våter des helvetiſchen Bundes in Gefahr gebracht worden. Sorglos bór: ten die Razúnſer bet ſtiller Nacht auf ſteinigen Pfa :
den Hufeiſen klappen ; ihr Freiherr. hätte das Ge růcht einer, Jagdpartie verbreitet. Die Herren rit: ten rubig , am Heinzenberge bin ; Thal und Hütten
meidend , durch die Wieſen , einſame Gegenden ;
58
Geſchichte der Sdweiz. IV. Budy.
bis dåmmernder Morgen die ſorgſamen Hirten hin und wieder zum Vieh hinaus trieb. Derſelben Ge ( chrei weckte das land. Die Männer von Schams,
ſchon allenthalben abgeſchnitten und eingeſchloſſen, aber gewohnt auf alles gefaßt zu ſeyn, feitdem fie den Muth hatten ſich nicht alles gefallen zu laſſen , ergriffen die Waffen . Einer lief, den einzigen
Ausweg , zu ihren Brüdern in Savien. Mſogleich die Savier Mannſchaft, zornig, durch die vom Bla ren , vom Rufen widerhalende Wildnis. Geſchrei den Rheinwald hinauf; die Männer der hohen Wu ften an dem Urſprung der Flüſſe eilten zuſammen
für die Freiheit und Recht, ſo daß die Schaar vor der Bårenburg , von unwiderſtehlichem Schrecken ergriffen , hinter ſich , vor ſich , auf jenem trugen den Pfad , in dieſer Kluft ohne Ausgang, Rettung ſuchte und den Tod fand ; worauf der Strom der Menge ſich das Land hinab ergoß, und der Herr von Razúns , der nicht floh ( ſeiner Fettigkeit wegen un .
behulflich oder weil er ſeine Theilnahme verborgen glaubte) , gefangen wurde. Man führte ihn als einen bundbrud igen, mein
eidigen Mann vor ein großes Gericht nach Valen daun 5.7) , woſelbſt er zum Tod verurtheilt wurde. Als der Scharfrichter den Herrn für das , was er ihm thun múſe , nach alter Sitte um Vergebung bat, ſchien dieſer nichts zu fürchten als einen durch
Wiederholung der Hiebe ſchmerzlichen Tod. Jener
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v . 1450–69 .
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glaubte ihn zu tröſten , indem er ein Haar , in der Luft ſchwebend , entzwei bieb. Mit Entreten fah der Freiherr die Probe der Gewißheit ſeiner Hand und der Schårfe ſeines Schwertes ; die Schrecken des Todes fielen auf ihn. Aus dieſer Angſt am Rande der Ewigkeit rettete ihn die Geiſtesgegenwart eines Kinechts. Dieſer trat vor die Menge. ,,Herr Heinrich erfenne feine ſchwere Schuld, vergebe ſie
„ ſich ſelber nicht, ehre das Recht und wolle ſterben. „ Eine Bitte möchten fie ihm gewähren , vormals ,,ihrem Bundsgenoſſen . Sein Bater, ſeine Vorel: ,,tern , die Alten, haben mit dem biedern Bergvolk
,,allezeit ehrlich , landlich , zuſammengelebt ; man chen Krug edlen Weins habe man ſich zugetrun: ,,ken , oft auf Razúns , oft im Feld bor der Burg ,,bei traulichem Schmauſe fich das Herz geöffnet. „ Der Freiherr möchte ſterben , wie ſeine Våter ges „lebt , und ehe er in ihre Gruft ſteige , nur Eine
folche Stunde noch ſehen . Hier ſey Brod , Wein, I
,,Fleiſch. Die Landesbefreier ſollen ruhen und era fen. Er wolle fie froh ſeben , und dann getröſtet fdheiden.11 Den múden Striegern gefiel der Vors
fohlag. Zum Genuſſe ermunternd , ging der Na zúnfiſche Knecht um die Tafeln ; und nach und nach erwähnte er der Jugend des Herrn , der Verfüh
rungskünſte des Biſchofs , des immer gutmüthigen Sinns der Familie. Eben erſchien Heinrich in růh render Traurigkeit. Da ſtanden die Helden alle
auf, einmüthig Leben ihm zurufend. Thn trugen
* 60
Gefchichte der Schweiz. IV: Buch.
Teine Knie nicht mehr ; er fchwur den fchwarzen Bund ab , dem graueni auf ewig neue Ereu 518). Im Uebrigen brachte dieſer Tag nicht allein über Werbenberg Sargans, fondern auch im Gotteshaus: bunde über den verpflegenden Biſchof langverhalte * nen Unwillen zui wuthendem Ausbruch . Wilhelm und Georg die Jünglinge von Sargang ( ihren Vater fraß der Schmerz) vertrauten ihrem Schwa:
* ger von Rechberg die oberländiſche Berwaltung ;
aber ſeine Kriegserfahrung vermochte nicht,gut zu : machen , was allgemeines Mißtrauen und Abnei
gung verdarb. Seine Ernennung entflammte das Volt zu Vereinigung und Anſtrengung aller Kraft,
rund beraubte die Grafen der Vortheile des Land Techts mitGlaris und Schwyz , welche Länder un
möglich mit Rechberg fern konnten . Ehe die fchlecht: befekten Werdenbergiſchen Burgen geſtärkt und ver fehen wurden , eilte das Volf. Ortenſtein , der
ſchwer zugängliche,die alte Súns jufammt der Ca: nova 519) und die Heinzenbergs milde Flur beherr ſchende Burg , wurden gewonnen , die erſten drei gebrochen ; und fechzehn Freiwidige von Glaris , die
der Barenburg warteten so) , durch Hunger gend thiget, ſich Nachts an Striden hinab zu laſſen ; worauf dieſe Feſte ausgebrannt wurde :), Freudig fchwu -ren die Tumilſer von längſt beſchwerlicher Herr fchaft 5 ) in die Gemeinſchaft des obern Bundes ; vom erſten Rhátierſtamm iſt ihre Abkunft , von ih nen der Name des ſchönen Domleſchg 53). Wo die
E. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaftu .1450-69.
61.1
Albula dem Rhein die Waſſer Juliſcher Alpen zu : führt, hoch auf Baldenſteins Fels , hielt Hanns Rint die außerordentlich ſtarke Mauer für nicht.ro ficher als das Wohlwollen des Volls , und gab den Grafen feine Lehen auf,um die Freiheit, ruhig zu bleiben; dieſe Burg ſteht noch. Da unternahmen
!
>
die Rheinwaldleute , der Verbindlichkeit gegen Werbenberg fich zu entziehen .
Ferners weigerte
fich der Gotteshausbund, die Hochſtiftspflege an zuerlennen .
Dieſer Entfchloffenheit wußten die Grafen nichts Anderes als die Reichsgerichte 5* ) entgegenzu leben , deren Acht ſtatt zu helfen, ſo erbitterte , daß die
Miſvergnugten aus dem Gebirg hervor fich bis nach Sargans wagten . Eilendo rief die erfdyrodene Herrs
ſchaft ihre Freunde zu Vermittlung.
Der Friede
wurde am beſten Ort für die Bündner, im Feld bei Meils , im Angeſichte der Hauptburg des Feindes ,
verabredet 55). Verordnete des Domcapiteld , der Edlen 56) und Bürger pon Chur Say) , des Landes Olaris 518) und des Bundes der Gerichte Seg) bracha . ten 7, was unbeſtritten war, zurüc in die Ordnung vor den Tagen der Gewalt 55 ) ; Streitfragen wur: den taiferlichem Spruch anheimgegeben 55 ) ; die gea fährlichen Burgen blieben gebrochen . Dieſen guten
Frieden hatten die Bündner dem zu danken , daß die Funfzehn des obern Bundeg 534) und ihre Freunde in Bergell , in Bergún ., oberhalb Stein 55 ) und im
Engadin die Sache der Scamſer wie ihre eigene be
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Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
trieben . Der Landrichter Albrecht von Mont , Rus dolf von Rinkenberg , Hanns der Sohn Parcivals,
und Hartmann , beide Planta, von Alters her groß
in ihren Gemeinden , gaben ihnen dieſen Geiſt 53 ). Hiedurch nahm das gemeine Weſen zu, die Herr fchaft ſank. Da verkauften die Grafen von Wer: denberg 535) die in Sihams und Obervaz 536) von ih ren mütterlichen Altvordern , den Vaziſchen Frei herren , auf ſie geerbten 537) Herrlichkeiten 538) , um dreitauſend ſechshundert Sulden , dem Biſchof zu
Chur , von welchem die Gemeinden , wie es jeder erſchwinglich war, ganz oder zum Theil 539) fich frei kauften 5). Hauſer und Güter, wie ſie jeder haben kann , blieben den Grafen 54 ); Hoheit war nicht mehr. In jenen wurden ſie durch die Schweizer allezeit geſchüßt ) ; gegen das Revolutioniren 55) war die Schweiz geſtiftet worden.
Bald nach dieſem trug fich zu , daß zu Razúns 1
der Freiherr Ulrich 544) Brun , der lekte eines ehr würdigen Stamms, mit Schild und Helm begraben
wurde 545); worauf die váterliche Burg , der Boden
dabei , alle Gerichte und die Gemeinſchaft des obern Bundes dem Grafen Joſt Niclaus von Zollern, reis nein Neffen ) , und einem ſemperfreien Erbſchen ken von Limpurg S) zugefallen .
Das Domcapitel und die Gotteshausleute wei gerten ſich , den Pflegvorſtand Heinrichs von Hewen långer zu erkennen 548). Schon hatte Papſt Eugenius die Unterbrechung ordentlicher Biſchofsfolge mißbil :
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft 6. 1450–69.
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liget 549 ) ; deſto lieber benußte Nicolaus V die Stim
mung des Volks , und ernannte Antonio Toſabeni von Pavia zum Biſchof von Chur 55 ). Dieſer fand
ſolchen Widerſtand bei Heinrich, und bei den Dom herren (welche ſich die Wahl nicht nehmen ließen) eine ſo ungünſtige Stimmung , daß er ſich nicht ge trauete , die Felſenburg Realta zu verlaſſen . Als der Pfleger vertrieben worden 55 ) , hoffte Toja beni, gegen Leonhard Weißmayr, Canzler von The rol , welchen einige Domherren im Vertrauen auf
dſtreichiſchen Schuß gewählt, aufzukommen ; Kaiſer Friedrich würde nicht offenbar- dem Papſt entgegen
ſepn wollen . Aber es geſchah, daß Antonio an dem Tage feines Einzuges 55) ſtarb.
Weber lang noch
slånzend war Leonhards Verwaltung 553 ). Gewalt und Würde wurden unter feinem Nachfolger, Ort lieb Herrn von Brandis , durch deſſen Weisheit
hergeſtellt. Dieſer vermittelte zu Fürſtenau zwiſchen dem Erzherzog Sigmund , welcher Tyrol regiertes ), und den Landleuten zu Engadin 55 ). Die Sachen der: ſelben Gegend waren von Alters her , als noch En kel der Grafen des churiſchen Khátiens auf dem
Schloſſe Tyrol herrſchten 556) und unter ihren Erben aus dem Górziſchen Hauſe 557) , verwidelt.
Dieſes
nahm zu , feit Schweikher von Reichenberg dem Hauſe Tyrol die an ſich und durch Schirmvogteien 553 )
weitreichende Herrſchaft Tarafy verkauft hatte559), und nach Abgang der übrigen großen Grafen 56 ) al:
64
.
Geſchichte der Schweize - IV. Budy
les mehr und mehr unter Eine Hoheit Vereiniget wurde. Da war in ganz unterengadin bis hinauf nad Pontalt tyroliſche Herrſchaft 56). Von ihr trug
der Vogt von Metfch Taraſp 5). Ihr hielten die von Remus die Burg offen 563) ; es ehrte Steinss : s berg in dem Fürſten den angeſtammten Eigenthus
mer 56 ). Von ihm ertannten jene Mögte Federſpiel und Jago 565) , von ihm die planta die Bergwerke; .
Wälder und Waffer von der Martinsbrüde bis ::: Pontalt :6 ). Um fo mehr fuchte der Hof zu Innsbrud den Bifchof zu gewinnen ; ſeinem Bruder ulrich 567) gab : man :568) das Burgſtal zu Marſchlins 569) , " an der Pforte, wo die Lanquart aus dem Prátigau fich dem Rhein zu drångt. Landwirthſchaftlich behauptete er gute Uebungen der Båter 570) und was immer in der lekten Grafen von Toggenburg Uebung nicht ers weislich Unrecht war 57 ).
Die Burg batte vorzug
liche , nicht ausſchließliche Rechte 57 ) ; fonſt würden die Leute das raube land verlaffen , oder die Here ren vertrieben haben. Marſchlins war im Uebrigen für Deſtreich offen 513) und ulridy Vogt zu Felda kirch 5) .
Seine Nachbaren , die vier Dórfer 575) der alten Herrſchaft Aſpermont 56) , ſchwuren zu den Gottes hausleuten und in den grauen Bund 571) , und ord: neten mit Verſtar ein gemeines Weſen . Chur , die Hauptſtadt, welche, mit dem Biſchof
in ehrenhafter Verbindung , zu Zürich auf ein und : funf
S. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v . 1450–69 .
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funfzig Jahre ein Bürgerrecht angenommen 58) und nun ſchweizeriſch den alten Michel Clauſner zum
Bürgermeiſter gewählt 579 ), verbrannte faſt ganz so). In dieſem großen Verfall ihrer Sachen erhielt ſie von dem Kaiſer die wichtigſte Unterſtüßung durch Freiheiten , auf lange Zukunft ermunternd. Das
iſt der Freiheitsbrief dieſer guten Stadt 98.) : ,,Die „ Bürgermeiſter , die Rathe, Burger und alle ihnen ,,eibpflichtig Angehörigen ſind von allen auswärti: ngen Gerichten 58 ) frei, und bei ihnen gibt (als des
,,Reichs Stab 583) ) Vogt , Viztum und Stadtam ,,mann jedem , auch für Geachtete, die ſie aufneh
,,men , Recht. Ihre Náthe üben allerlei Recht, wie „ die ſonſt offenen Gerichte 58 ). Sie haben Bürgers ,,meiſter und Rath nebſt bürgerlichen Zünften , und ,,mogen von dem Biſchof das Reichspfand der Vog ,,tei um den Pfandſchilling Idren 58 ). Alle in ihrem „Gebiet, wenn auch in geiſtlicher Hand, befindlichen Zinſe und Güter mögen ſie wie ſich ſelbſt mit ,,Steuern belegen 586). Ihr iſt von dem Umgelde des Weins eine Hälfte. Eine Hälfte des Boden mzinfes der Häuſer iſt ihnen erlaſſen 5e7)." Nichts gab einem Stadtweſen mehr Schwung, als für ſich
Haushalten zu dürfen. (Von Grar i s.)
Die nächſten Schweizer, die Glarner , längſt von
Selingen frei, tapfere Männer, die bei Ragaz den Ruhm der Näfelſer Schlacht erneuert, da ſie wah rend faſt hundert Jahren in einem etwas ungleichen I. v. Müllers råmmti. Werke. XV.
5
66
Gefdichte der Schweiz. IV . Budy.
Bunde mit nur vier Orten 588 ) zu eidgenöſſiſchem Sinn gleichſam erzogen worden , erhielten nach dem Zúricher Krieg , da man herzlicher ſich zuſam men ſchmiegte, einen gleichen Bund 589) und mit al len Orten 590 ). In jener alten Eidgenoſſenſchaft war kein durch Umſtånde aufgekommenes Vorrecht für
immer ausſchließlich ; den Fehler hatte ſie, daß für gute Aenderungen kein beſtimmter Zeitpunkt 599 b ) , fondern Stürme nöthig waren , fie herbeizuführen . Der Siege , der Verträge, der Bündniſſe unge achtet , wurde in den Sekingiſchen Lehenbriefen über die Schirmvogtei ferners auch Glaris genannt 59 ) ; nach der faſt allgemeinen Eitelkeit , die Titel ver lorner Lånder beizubehalten , als bedürfte die Herr :
ſchaft veraltete Unſprüche, wenn ſie machtig genug iſt zu einer Weltverwirrung. Für Sicherheit und Bequemlichkeit des Handels:
weges aus Italien durch Bündnerland nach Zürich , welcher Wichtigkeit, Gewinn und Betriebſamkeit gab ,
waren die Glarner åußerſt aufmerkſam auf gute Verſtändniß 591) und genaue Speditionsordnung 593) . Beſtohlene 5s ) oder in Rechten gefränkte 595) wands ten ſich nicht vergeblich 596) an fie. Ohne Scheu
vor menſchlicher Uebermacht, fürchteten ſie den Herrn der Natur, ihre einzige Zuflucht, wenn ausbrechende Waſſerfammern des Hochgebirges dem ganzen Land plohlich den Untergang droheten ). (V on App e nje I I.)
Die Glarnerfreiheit war, wie der meiſten fchweis
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v . 1450–69,
67
zeriſchen Orte, die Frucht einiger großen Tage ; daß und wie die Stadt St. Gallen und das Land Appenzell neben dem Abt, daß und wie des Ubts alte und neue Landſchaft unter ihn frei ſeyn ſollte, iſt nach den erſten Appenzeller Siegen durch die lange wierigſten Streithändel ausgemacht worden. Es war
eine Haushaltung, wo der Vater die groß und reid gewordenen Söhne noch unter ſeine Zuchtruthe zu halten vermeint, ſie aber , einmal verunwilliget, auch unſchuldige Handlungen des Vaters für unbe:
fugte Einmiſchung halten. Im übrigen ſind Schwert: ſchläge erſchütternder, Handel, wo alles zur Sprache
kommt, unterrichtend. Wir betrachten den Abt in ſeinem Verhältniß zu der Stadt , alsdann zu dem lande , das er verlor 598 ), zu dem , welches ihm
blieb 599 ) , zu dem , ſo er erwarb 6oo) , und mit wels chem Glúc er ſich wechſelsweiſe an den Kaiſer und
an die Schweiz gehalten . Es brauchte für ihn ſo große Klugheit, und in ſeiner Lage, ſo zu ſagen obne Waffen , zu bleiben wer er war , als Anſtrengang für die anderen , zu werden , was ſie ſind. 1
(Abtei St. Gallen . )
Daß die Abtei St. Gallen in den ungünſtigen Zeiten gewaltiger und feſter als ſeit Jahrhunder ten wurde , das that eines Bäckers Sohn von Wangen im Allgau , Ulrich 6). Caſpar pon lana denverg zu der Breitenlandenberg , Furſt und übt, war mönchiſch gelehrt, genoß gernt und theilte gern
mit ; dem Stift ſtand,er ehrlich vor ; was nitza
68
Geſchichte der Schweiz.
IV . Buds.
hindern war , ließ er geſchehen. Ulrich , damals
Großfeller , einige zwanzig Jahre alt , ungemein erfinderiſch an Hülfsmitteln und von bewunde:
rungswürdiger Chatigkeit , fdhilderte den Conven: tualen dieſe Verwaltung als verderblich : „ Kaum „ war Saſpar unſer Abt , ſo verlor er die Stadt „S. Gallen . Unter dem Vorwande einer Ausein :
„ anderſeßung ſtreitiger Verhältniſſe verſagte ſie die leiſtung des unzweifelbar ſchuldigen Gides. Er,
„ durch ſein Recht und kaiſerliche Urkunden 50e) tart , ſtatt ſie zu bezwingen , verlor die Zeit in
„Conferenzen 603) , welche ſie zu Umſtimmung des ,,„ taiſerlichen Hofes benußte 604). Shre vierhundert „ Gulden rheiniſch in dem funſtreichen hölzernen ,, Becher , ihre vierzehn Stúd Leinwand , ihr gro:
„ ßer Schmaus und was heimlich mehr geſchah, „Wurde durch den Freiheitstrieb 605) wahrlich be: mahlt.
Dann ſoll uns zu Gunſten zu Feldkirá
„die neue Reichsſtadt vom Reich losgezählt worden „ feyn 66). Wie lautet die Urkunde ? und was half fie ?
Sie haben als ein Grundgeſeß beſchworen ,
„uns nicht mehr zu ſchwören 607). Schweizeriſche „ Orte hat man berufen , um einem Fürſten ein ,,Bolt unterthänig zu machen 68). Dieſen (war ,, es nicht vorzuſeben ?) dáuchten Fachwalteriſche „ Xusflüchte 609) und bürgerlicher Starrſinn 60) un
„überwindlich.
Wir (der Kaiſer ſchläft) waren
,,durch vernachläſſigung eigner Kraft ſo geſunken ,
,, daß dieſem fúrſtlichen Stift (von großen Monar:
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſoaft . 1450-69.
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,, chen geehrt , fechshundert Jahre ehe die Schweiz ,,genannt wurde) eine Art Schirmbund, ein wirklich
„ untergeordnetes Verhältniß mit vier Orten der ,,Schweiz 611) (wie foll man ſagen !) das einzige ,,Rettungsmittel oder die fanfteſte Anbahnung des
„ Untergangs wurde. Våter und Brüder , es wird
„ (wie die meiſten Ereigniſſe, wenn man dem Glück zu ,, gebieten verſteht) für uns ſeyn , was wir es „ſeyn laſſen . Die Biſchöfe von Sitten und Baſel ,, haben åbnliche Bündnife oft geſchloſſen , und ihre „ linder darum nicht verloren ; daß Wallis und „ Biel 311 gefährlicher Freiheit erwachſen , kam da ,,von , weil ſie die gleichen Verhältniffe frúber und ,, iuniger als ihre Herren unterhielten. Gleiches
„ haben wir zu fürchten . Im nächſten Jahr nach „unſerin Bund traten unſere Appenzeller , leider „ſchon ſeit dem alten Krieg Bürger und Landleute ,, der Schweiz, mit ſieben Orten als ewige Eid ,,genoſſen zuſammen 618) ; nach kaum anderthalb „ Jahren 615) mit fechs Orten die Stadt. Wie mag
,,ein Pfaff gegen des Landes Troß , gegen der ,,Stadt Geld , mit vier Orten gegen Rieben , be
ſtehen ? Er kann es , zweifelt nicht; Ihrer ſind „ viele, und ihre Vorſteher wechſeln ab ; den hemmt
„Parteigeiſt , dieſem fehlt Weltfenntniß , der wird „ geſchređt, der gewonnen , der eingeſchlafert. X „ lein zu ſtehen, iſt, wenn man Herr zu ſeyn weiß, ,,mehr als halber Sieg. Herr aber das , Brüder, ,,merfet ), Herr iſt ſo wenig der gewählte als det
Geſchichte der Schweiz . IV. Buch.
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geborne, wenn er ein gewöhnlicher Menſch iſt. Wer ,,in Friede und Ueberfluß , im Sturm und in To
,,desnoth ſich gleich , den unverwandten Blick auf die Fürſtenpflicht heftet ; wer die ganze volle Kraft „ von Land und Volf, durdi reinen Geiſt belebt und ,,dereint, dem Feind und Glúc entgegenſtellt; und
,, umgeben von den einſichtsvollſten Männern , alle „ leitet und übertrifft ; in Gebärden , in Worten, ,,vor dem Wolfe und unter den Seinigen allzeit 6 :4) ,,mit Hoheit gut und mit Würde einfach, der, Bru der , iſt Herr.“ Þorauf er leicht bewies , daß Caſpar, bloß ein guter Menſch , für die gefahrvolle Zeit nicht hinreiche. Dieſe Behauptung wurde durch Begebenheiten ge 1
rechtfertiget, wobei der Abt vermittelſt unbedacht: famer Mafregelit in immer größere Verlegenheit
kam . Nachdem er im Gefühl ſeiner Unvermögen heit65), mit Rath und Willen ſowohl des Convents als deren von Wyl 66) und anderer Gotteshausleu te , für alle zwiſchen dem Zúricher- und Bodenſee gelegenen Lande 67), Wyl, ſeine Fefte Iberg und das neuerkaufte Roſchadh; 618) mit den vier Orten ob gedachten ewigen Buud geſchloſſen 69), ſchien er durch Erlaffung einiger , dem Freiheitsſinn gehaffigen , Rechte 6 ) ſein oll gewinnen zu wollen . Hiebei roll aber ſelbſt auf Koſten der Ehre ſeines Wor: tes $ 1) , gegen Freunde der Stadt Parteilichkeit be: .
obachtet worden renn 64 ). Die Stadt St. Gallen , dard vorzügliche Anordnung der Leinwandfabrit 625)
6.5 , Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69 . 71
Hauptort einer weit umherliegenden Nachbarſchaft, ſtieg an Volksmenge 6s ), Reichthum und Muth ſo ,
daß fie Herrſchaften taufte65), Bürgerrechte ſchloß 66) und in vervollkommneter Verfaſſung 621) nicht nur nach der Unabhängigkeit, fondern auch nach gróferm
Gebiet ſtrebte. Sie empfand, was ihren Freunden geſchah , auf das lebhafteſte, und als wenn ſie zu den wichtigſten Schritten Veranlaſſung ſuchte . Beide Cheile beriefen ſich ( ungern 628) , aber keiner durfte
es auszuweichen ſcheinen ) auf einen von dem Kai fer auszubringenden Spruch. Da fuchten die mit dem Abt verbundeten vier Orte mit drei von ihnen beigezogenen ſchwäbiſchen Städten 6g), und Appen fell, fie zu vergleichen. Dieſes glúcte in fo fern , daß Abt und Stadt mit Klage und Antwort, Rede,
Widerrede und Nachrede auf den Schultheißen und Rath der Stadt Bern um gånzlichen Auskauf zu Minne oder Recht kommen wollten 630). Zu derſelbigen Zeit wurde die alte Freundſchaft
zwiſchen den drei erſten Städten der Schweiz, den Ländern Schwyz und Glaris und der Stadt St. Gallen 631) in ewiges Bündniß 638) von der Art ver wandelt , wie die Glarner es anfangs hatten 655): auf daß die Unparteilichkeit nicht weniger bewirkt als bewieſen, und St. Gallen Stadt bei ihrem Recht ſo beſchüßt als in Schranken gehalten werde 634). Bei Annäherung des entſcheidenden Tages wurde das Klofter von den vier Präſidenten der Burgfeldiſchen I
Benedictinercongregation 635) den Eidgenoffen em :
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Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
pfohlen , und lud Bern Geſandte faſt ber ganzen Schweiz 636) . Da ritt Caſpar, der fromme und ge lehrte Abt 632) , ſelbſt auf den Tag ; aber da er von Weltlichkeiten ungern hörte 658 ) , glaubte er ſeinen Freunden und brachte den Eidgenoffen bei, daß der Stadtregieruug über die fammtlichen fürſtlichen
Lande eine Vogtei übertragen werden könnte. Sein ganz auf Wahrheitforſchung, Seelſorge und Gottes dienſt gehender Sinn zweifelte nicht an dem Bei
fall der Bursfeldiſchen Ordensvorſteher.
Es gefiel
den Eidgenoſſen 639). Die Botſchaft dieſer Urkunde erfüllte die Stadt St. Gallen mit Jubel. Erſchro:
den verſammelten ſich die Conventualen. „ Dahin ,“ redete Ulrich, welchen der Abt von der Großfellerei entlaſſen 66 ), ,, dahin hat er uns gebracht (Er , deſs
„fen Wahl unſere Schmach mar 6) , deſſen Ver ,,Waltung unſere Zerſtörung iſt ), daß wir zwiſchen ,,der Selbſterhaltung und unſerer Mönchspflicht ſtes
„ hen. Doch nein ! Gehorſam bleibt , wo nur wir „Glück und Leben verlieren : fordern aber die Hei „ ligen durch deren Gebet , fordern die funfzig Aeb ,,te , durch deren achthundertjáhrige Sorge St. Gal „ len Stift ehrenvoll noch beſteht , auch für den, ,, der ihr Erbtheil den Söhnen ihrer Knechte vera
„ råth , unbedingten Gehorſam ?". Da verſagten die. Conventherren die Annahme der Verkommniß 64.) . Dieſer Entſchluß (wie Standhaftigkeit in jeder Noth) wurde init Ehrfurcht vernommen. Die Stadt Wy! ſcheute auch weit weniger den Fürſtenſtab als die
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft 8. 1450—69. 73 Oberhand einer Bürgerſchaft 643). Da erhob eine Tagſakung der ganzen alten Landſchaft ihre Stimme
für das fürſtliche Stift und ſchrieb ſelbſt Appenzell an die Ordensvorſteher 6) , die Rechte des ehrwür: digen Gotteshauſes zu fchirmen ; ſeine Zerrúttung
würde dem Gottesdienſt Abbruch , in das Land aber viele Verwirrung bringen 645). So viel beſſer ſchien die durch Alterthum und Würde geweihte Regie
rung, als die einer beneideten kaufmänniſchen Stadt. Die Erfahrung hat nie bewieſen , daß die Verwala
tung der Geiſtlichen weniger våterlich ſey als die der Kriegsmanner , der Sachwalter und Handels leute.
Die Bursfeldiſche Congregation, die noch im er ſten Eifer 646) fich oft verſammelte , hielt General capitel zu Erfurt. Die Präſidenten der oberlandi: fchen Kloſter , deren religioſe Einfalt in allgemei nen Ausdrucken vielleicht etwas gebilliget hatte 647), mußten feierlichſt proteſtiren 68) ; man ſchrieb an die Schirmorte und an Bern ; es wurde nach St. Gallen eine Viſitation verordnet. Sie fand Ulrich
Reſch im Kerker (zu ſpåt verſuchte Caſpar Strenge) und Verwirrung in dem ganzen Land ; ro daß die Verwaltung dem Abt einſtweilen abzunehmen und
ſie einem Pfleger 669) aufzutragen durchaus nöthig dien. Nichts emport unverföhnlicher , als wenn über eine Landesverfaſſung ohne Zuziehung der Ein wohner verfügt wird. Boten der ganzen Schweiz redeten mit der Stadt St. Gallen , bis der Vogteiz
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Gefchichte der Saweiz. IV. Buch.
brief ausgeliefert und vernichtet, die Landsverfaſſung
hergeſtellt 658) und gegen einſeitige Veränderung be feſtiget wurde 65). Hierauf, noch vor Beſtimmung der Verhältniſſe zwiſchen Stadt und Gotteshaus, entſchied Papſt Ea
lirtus, auf den Vortrag des Cardinals Aeneas Syl vius Piccolomini, über die Verwaltung des lek
tern 65). Es erkannte der welterfahrene Aeneas, dem die Unterſuchung aufgetragen war , unſchwer,
daß Caſpar ein beſſerer Religioſe, hier aber ein Fürſt wie Ulrich nöthig fev ; ließ jenem die Ehre 653) und gutes Auskommen ) ; alle Macht übertrug er len: term 655).
Dreißig Jahre alt war Ulrich Reſo , als er die Sanctgalliſche Pflege übernahm, und regierte als Pfleger ſieben Jahre , acht und zwanzig als Abt und
Fürſt ; ein Mann von majeſtátiſcher Geſtalt , voll Herrſchaft über ſich , denen die er hochachtete ein: nehmend , fonft ganz Herr , und wenn man ihn fürchtete, vor fchreckendem Ton. Neben ſeinem Bette hatte er eine Schreibtafel mit Kreide , damit kein guter Gedanke, deren die Nachtſtille in großen Seelen viele entwickelt , verloren gehe 656). Denn ſein ganzes Leben war That ; er hatte nur Eine Lei denſchaft, den Staat herzuſtellen. Er machte ſich nichts daraus ,I die Forderungen der Sinnlichkeit
zu erfüllen , da er fich von derſelben weder ſchwa chen noch beherrſchen ließ 657). Die kaum vermeid
lichen Streithandel hat er unaufhörlich mit größter
C. 3. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69. 75
Geſchidlichkeit geführt; neben einem weſentlichen Ar titel pflegte er viele geringe aufzuſtellen , und dieſe
nach und nach fallen zu laſſen , um von den Ermú: deten die Hauptſache zu erhalten ; Arbeit war ihm Luft 658). So genoß er vor andern feines Lebens 659), des größten Anſehens und des Ruhms, zweiter Stif ter von St. Gallen , ein größerer Fürſt als man: cher Konig zu feyn 66 ). Sobald er die Eide genommen * ), war' feine erſte Sorge die Auseinanderſeßung mit der Stadt. .
Ale Urkunden beider Theile wurden vor den Schult: heiß und Fath von Bern gebracht. Sie entſchieden, daß die Stiftiſchen Anſprüche das Recht für ſich ha
ben 66-) , die Stadt aber mit ſiebentauſend Gulden von dem Eid und allen Folgen der Oberherrlichkeit fich lostaufen möge " ). Alsdann fandten die Ber: ner ihren gelehrten Stadtſchreiber ) mit andern Rathsboten der Eidgenoſſen 665) zum Vergleich theils neuerregter oder auch ſolcher Forderungen , welche zwiſchen benachbarten Gutsherren , die einander ſonſt gleich ſind, entſtehen mögen. Da gaben die St. Galler um gånzliche Befreiung aller zwiſchen ihren vier Kreuzen wohnhaften Menſchen tauſend
Gulden 666) und einen vor der Mauer liegenden gros Ben Plaß , den Brüel 66 ), der nach den Jahrszei: ten Leinwandbleiche oder Viehweide war 668). Wet ter wurde ausgemacht, wenn der Abt erkauften Wein um Geld ausſchenke, daß er ihn wie ein Bür:
ger der Stadt verumgelde. 669); daß die Handelsge
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Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
båude auf ſeinem Boden 670) der Stadt , aber die Gefalle der Wage an rein Münſter zu Bau und Lichtern gehören ; daß fürſtliche Hofleute, außer des Kloſters Freiheit 671) wohnhaft, bürgerlichen Eiden, Dienſten und Steuern ſich nicht entziehen mögen : und ſo von dem Lehengerichte auf des Kloſters Pfalz, daß der Abt es mit ſo vielen Bürgern als er will,
nicht aber mit überſtimmender Mehrheit vom Lande beſetzen mag ; den zu feindlichen Anſchlagen miß: brauchten Gang aus des Kloſters Hölle 6 ) nie her:
zuſtellen ; wo der überhaupt enge Plaß von den Bür gern benußt worden 673) , mag es ferner geſchehen ; im übrigen ſollen Bürgerverhältniffe den Gottes: hausmann der Pflicht und ordentlichem Nichtsgang nicht entziehen 6 ). Zwar klagte auch die Stadt über viele beimliche
oder auswärtige Behandlung von Sachen , die auf die Pfalz vor offenes Gericht gehören 675) , manche Uebervortheilung und gefliffentliche Vernachläſſi gung des Baus der Straßen und Bricken 6,6 ); aber
ſie opferte den Eidgenoſſen alles auf 5,7). Die Si cherheit, welche ſie ihren Angehörigen ſchuldig war,
bewirkte fie bald nach dieſem durch einen billigen Vergleich 678 ).
Des Pflegers Thätigkeit (bald nahm er einen ohne Necht gefangen 679), bald fchien er das Vergli chene durch kaiſerliches Landgericht zu verwirren68) 680 )
erhielt ſie für die Freiheit, wie man ſeyn ſoll, wach fam . An Kirchen 681), an Thürmen 68-) , an großen
6. 5. Sahilderung der Eidgenoſſenſthaft v. 1450–69.
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Geſchlechtern 683) , an Edlen , die noch find 68 ) oder
nun anderswo blühen 685) , an Handelsgewinn 666) und Handelsanſtalten 67) war die Stadt in fortge hendem Wachsthum ; vor dem Pfleger ſicher, durch deſſen Rückſicht für die Schweiz , und Mitbewahre rin der Heiligthúmer 636) ohne ångſtliche Strenge in Beobachtung der römiſchen Saßungen 69).
Die Appenzeller waren im Frieden, wie im Krieg, auf die Freiheit bedacht. Wenn die Leute eines Dorfs einen Sparpfennig erarbeitet 6go), wurde der: felbe bald möglichſt verwendet , ſich von fremder Herrſchaften und Kirchen Recht loszukaufen Ege), oder das kleine Gemeinweſen mit einer Kirche bage) oder einer Waldung 695) zu verſehen , damit es im mer ſelbſtſtändiger werde. Hiebei fie zu fchußen, und auch darum wurden die Appenzeller von den Schweizern gern und ehrenvoll in ewigen Bund ge nommen ege) , damit ihr Freiheitsſinn die Schran ten des Rechts nicht überſchreite. Indeffen fie in ifrem Land 696 ) und Heer 656) auf Ordnung feſt hiel: 1
ten , ſcheuten ſie ſich nicht, benachbarte 6) , ja ent
fernte Gemeinden 698 ) , welche fie nicht angingen , die aber werden wollten wie fie , in Landrecht auf:
zunehmen. Solche Dinge ließ die ernſte ſchweizeri ſche Rechtlichkeit nicht zu : manchmal war Drohung nöthig 699). Alsdann zeigten die Appenzeller gró Bere Rúdſicht auf den Unwillen ihrer Eidgenoſſen, als auf eine Reidsacht.
In das Rothwyliſche Reichsachtbuch famen fie
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Geſchichte der Schweiz. IV._Buch .
durch die Peyer yon Hagenwyl, Pfandherren auf
Rheineck. Mit dieſen waren ſie zerfallen, weil ſie die Rheinthalleute bei rechten oder unrechten Dins gen eifrig fchúften . In einer der långſten Winter:
nachte zue) zogen die Appenzeller auf die Landmark, um morgen die Herren zu bezwingen. Dieſe , ge warnt, flohen über den Strom. Fruh um drei trug fid zu, daß der Buchfenmeiſter auf der obern Burg,
ein Appenzeller von Irnåſch, welcher in des Landes Ungnade war , aus Ungeſchidlichkeit 701fo') , oder in der Hoffnung ſich auszuſohnen ) , die anvertraute
Burg anzündete. Durch die weitleuchtende Flamme, die hinab in das untere Schloß und in die Bürger
häuſer fraß, aufgeregt , eilten die Challeute und Appenzeller, den hohen Thurm und die Stadtmauer niederzuwerfen . Aber ſo wenig erlaubte dieſen die Ehre, dem Verrather zu vergeben, daß er vielmehr verfolgt , und endlich zu Bern auch wegen dieſer That geviertheilt wurde 103 ).
Den Penern , die
hierauf die Acht ausbrachten , wurde ihre gange Pfandherrſchaft um ſechstauſend Gulden abgelauft ; die Acht getilgt 70') , Rheinthal Appenzeliſch. Am laſtigſten war die Auseinanderſebung mit dem Sanctgalliſchen Pfleger Ulrich ; die Marken was ren von der Zeit her, wo alles Ein Land war , un
ausgeſchieden, und weil in Kriegsnóthen der Friede übereilt worden , Recht und Mißbrauch häufig un beſtimmt gelaſſen. Ulrichs Eifer ſchien den Eidges noſſen löblich, weil er bejeugte, nur ſein Recht durch
6.5 . Shilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69 .
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aus wiſſen zu wollen . Vielwurde zu Einſidlen , zu St. Gallen und im Lande felbſt getaget , bis bald
hier , bald dort , Grånzen gefekt , und die Rechte nach und nachausgekauft oder erläutert wurden ros). Bald Thien den Appenzellern das ganze Schreibwe ſen für Männer von Wort unziemlich 706 ); bald wur den die ſtärkſten Verburgungen 707) und aller eidges noriſche Nachdruck 708) erfordert, um was billig ſchien durchzuſeßen . Durch revolutionäre Behandlung des
Abts , wozu Luſt , Kraft und Anlaß nicht fehlten , waren dieſe mühſamen , koſtbaren Händel erſpart worden , aber mit ungleich großerm Nachtheil einer Umkehrung der Begriffe von Recht , worauf die Si 1
derheit jedes Menſchen und der Geſellſchaft be ruhet.
Als oberwähntermaßen der junge Pener 709) feine Reichspfandſchaft auf dem Rheinthal berfaufte, und,
vielleicht wegen mannichfaltig vorbehaltener Rech ten ), dieſes Land Appenzell nicht wohl einverleibet
werden kounte , ſondern von da aus verwaltet wur: de , verſäumte Ulrich ſein Leben lang nichts , um dieſes Foone thal , worin er viele Guter hatte , an
fich zu bringen. Zu dem Ende brachte er , was nur immer den Appenzellern gehållig ſeyn mußte , unter dem Vorwand nicht erfüllter Bertrage ?" ), bei den
Schweizern dringend zur Sprache , und da er den Buchſtaben des Rechts für ſich haben mochte ) erſchien
er auf den Tagfazungen 719). Er hoffte , die Appen zeller zu bewegen , ihn durch Abtretung des Rhein
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Geſdichte der Schweiz.
IV. Buch .
thals zu befriedigen 13 ). Hiezu waren ſie nicht willig ; ſie waren vom Rhein und See abgeſchnitten worden ; hierauf hátte man ihre Bergfeſte einſdlie ßen und ſie durch Hunger bezwingen können ?"). An
derſeits war kein günſtiger Spruch zu erwarten, weil über Mein und Dein das Pergament am mei ſten ſpricht. Alſo wurden ſie dreimal vergebens ge mahnt '), bis endlich , bei ewigen Bünden beſchwo ren, ſie nicht das Aeußerſte verſuchen wollten , ohne zu vernehmen , ob der Eidgenoſſen Klugheit und Freundſchaft zwiſchen dem Viecht und ihren Wünſchen kein Auskunftmittel zu finden wußte. Schon war ihr Feind , in Lebensgefahr , wie er ſagte, vielmehr um Mitleiden zu erregen , pon St. Gallen gewis chen .
Der eibliche Spruch des Tages zu Luzern " ) war nicht ungerecht , nicht unbillig , aber eben ſo wenig ausſöhnend. „ Der Haberzehnte "!) ſoll weder, wie der Abt meinte, nach Verhältniß der zunehmen ,, den Cultur erhobet 18) , noc , wie ſie wollten , van Geld 119) , ſondern wie von Alters her entrich
,,tet werden. Die Reluition der Reichsſteuer 70) „ und vieler Feudalrechte haben ſie dem Abt nach
walter Währung Mes), nicht in jeħt landúblicher Münze m3u zahlen. Es klage der Abt, wie oft bei dem Tod
,,eines Familienhauptes ?") oder eines Hausvaters , „ und wie“ (da der ungebeugte Sinn freier Mån ner unwürdigem Schical oft ſeine Hand entge gengeſekt ) ,,bei Selbſtmord immer der Fall (das beſte Stúd
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450 – 69. 81
,, Stud Vieh 723) ) ihm entzogen werde; darin fol „ len fie thun was recht iſt, und nicht wehren, daß I
,, er Aufſeher habe 7*). Ihre Lehen ſollent fie neh
»,men, und die von Speicher die entwendeten Lebens ,,briefe zurüdſtellen. Die geiſtlichen Pfrunden ver rgebe herkömmlich der Abt. Weiter follen keine Ein ,,wohner der Stiftslande nach Appenzell verlandrech ,,tet ſeyn , und in des Herrn Gebiet fremde Haupt ,,leute haben , deren Weiſungen fie feinem Gefeß prvorziehen 7:59. Zuleßt , weil die Appenzeller den walten Spruch , den der Abt hatte åndern wollen 736), gewaltthätig gebrochen , ſollen fie , nicht, wie er ,,wollte,. zweitauſend , aber doch achthundert Guls den Koſten tragen." Dieſer Ausgang mißfiel beiden Parteien ; vor:
nehmlich den Appenzellern als zu gunſtig für den Abt ; ihm wäre ein Austauſd lieber geweſen . Sie
(chwiegen *) ; er fuhr fort, berechnete alle Forde: rung an das Land zu zwanzigtauſend Gulden 18),
und wollte rechstauſend fallen laſſen um die Rhein thaliſche Reichsvogtei. Als die Appenzeller hierauf fich nicht einlaſſen wollten , verminderten die Schirm orte , welche für den Abt waren , die Summe 729);
ohne Erfolg. Da erneuerte Ulrich Klagen, die Orte bei ihrer Ehre auffordernd, ihren Sprud; vollziehen zu machen ; hiezu mahnten ſie drohend.
Auf dieſes verſammelte ſich zu Appenzell die Ge meinde, das ganze land wie Ein Mann , in ihrem alten Geiſt, ohne Berechnung ihrer Kräfte und mög I. t. Müllerd råmmt. Werte, XV,
6
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Geſchichte der Schweiz. IV. Bud .
licher Folgen alles zu wagen für Freiheit und Ehre. Und das war ihr Schluß: „ den leßten Spruch durch ,, aus nicht anzunehmen, weil er ſie beſchuldige, die „ vorigen gebrochen zu haben und ſchmählich fie hie: „ für zu Unfoſten verurtheile ; und gar keinem Spruch ,, der ſieben Orte ſich zu unterwerfen , weil durch die „ vier Schirmorte des Abts das Mehr ihnen immer ,,ungünſtig werde.“ Dieſes erklärten ſie der Schweiz,
ohne zu ſagen , ob die Parteilichkeit jener Orte der mit dem Abt fruher geſchloſſenen Verbindung 750 ) oder ſeinem Reichthum zuzuſchreiben fer. Dieſer Schritt bewog alle Orte 131) , dem Abt Vorſtellun gen zu machen . Dieſer vermehrte ihre Verlegenheit. ,,An ihnen rey die Behauptung ihres Urtheils. Wenn ſtolzes Nein Urkunde vernichte , ſo verwerfe mit
größerem Recht Er jene alten Sprüche, wodurch ,,dieſe Rebellen der Herrſchaft des Gotteshauſes ent
„ riſſen worden. Er halte mit ſeineu Maßregeln zu
,,túc , bis er rehe , was er von dem Schirm , von ,,der Ehrliebe der Eidgenoſſen zu erwarten habe.“ Mit ſchweren Herzen ritten die Boten hinauf in das Land. Die Landsgemeinde fam zuſammen , und ſpracy : ,, Die herzliche Verwendung der Eidgenoſſen „ wollen ſie in allem , was in dem Spruch Gut und
,,Geld betrifft, ehren. Daß ihr bieberes Land ſpruce ,,brúchig und daher koſtenfállig erklärt werde, das ,, tonne und werde kein Appenzeller zugeben ; hie: wwider wagen ſie alles bis auf ihren gånzlichen ,
wwohl nicht ungerochenen Untergang.“ Dieſe Dena
C. 5. Sirberung der Eidgenoſſenſchaft y. 1450–69.- 83
fungsart wirkte , daß die Orte alle beleidigenden Ausdrude in dem Sprudybrief tilgten 73 ).
Zulent
wurde der Punkt wegen Entlaſſung åbtiſcher Ange hörigen von Appenzelliſchem Landeide 733 155,/ in fo fern er das Rheinthal betraf, rechtmäßig ſo entſchieden ), daß , wo der Abt nur Gerichtsherr war, der Vog teieid , welcher den Appenzellern zufam , ihnen ge: leiſtet werde. So wurde die Chåtigkeit des herrſch
begierigen Ulrichs und der Freiheitsſinn der Uppeu gelier durch die ſchweizeriſche Gerechtigkeit in fricos: liches Gleichgewicht gebracht. Sie , die Landleute , fuhren fort , fich loszukau :
fen 785 ). Die Stiftsrechte waren urſprünglich nicht ungerecht, aber nach und nach übertrieben 16), und unpaſſend , ſeit an die Stelle alter Haushaltungs einrichtung 3 ) Staatenverhältniß gekommen. Die
fes leştere wußten die Appenzeller durch kaiſerliche Freiheiten zu begründen . Bor feinen fremden, mit ihrer Landesart unbekannten , Gerichten , vor in :
ländiſchen ſoll der Landmann , und wenn es das Land angebe , por dem Rath einer Freundſchaftlicher
Stadt 738) antworten 189). Ihre Gemeine roll. fogar den Blutbann verleihen, im Rath oder an des Reichs offener Straße 940) über Berbrecher gefehlich zu richs
ten * ). Vor Auflöſung und Verwirrung der al ten Thurgauifden Landesverfafung ** ) batte der Landgraf oder ſein Unterlandrichter dieſe Gewalt. Mehr ſtarkte der unermüdete Abt ſeine Macht
in der alten Landſchaft. Er brachte im Namen fets
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Gefdichte der Schweiz.
IV. Buch.
ner Heiligen 742 b ) , unter dem Anſehen der Schirm :
orte und durch kluge Erfüllung verſprochener Ve: günſtigung ** ) , Angehörige wieder unter das Got: teshaus. Er faufte aus dem Preiſe abgelegener Güter ?* ) folche , die ihn ausrundeten 745). Er machte vortheilhafte Tauſchverträge 746) , ordnete durch Deffnungen den Gerichtsgang ) und die
Landpolizei * 8), und ermüdete die ſtarrſinnigſten * ). Wenn er nicht verbieten konnte was hergebracht war 750) , brach er durch eines der Schirmorte den
Muth der Widerfeßlichkeit, wo er am bedenklichſten reyn mochte 75) , und wußte ſeinen Vortheil dem
Vaterlande wichtig zu machen 752). Eben dieſer Ul rich , durch das Anſehen , welches ihm ſein Ver dienſt gab 758 ), erwarb von dem Reichsoberhaupt bereitwillige Unterſtufung , nicht nur zu der miß
(ungenen Löſung des Rheinthales 756) , ſondern zu Erwerbung Orei erheblicher Vogteien , die ihm blieben 75).
Er erhielt auch jene Befreiung von
auswärtiger Gerichtbarkeit , welche Landgerichten das Siegel der Selbſtſtändigkeit gab755b ) , und da ein Geiſtlicher , ohne irregular zu werden , Blut: bann nicht üben konnte) für Vögte, die er vorſtellte, Belehnung mit folchem 16). Dieſe und alle feine Gewalt übte er ſo , daß ihm die Leitung blieb 7%), und ſeinen Bürgern die Befriedigung , von ihres Gleichen gerichtet zu werden 958). Er ſorgte auch für den Flor759) , die Sicherheit und Erweiterung feines Landes ; beides ſowohl da er preger war,
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſthaft u. 1450–69.
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als nach dem Caſpar , um den Büchern und Geſells ſchaftsfreuden 760) ganz ungeſtört obzuliegen , gegen bundert Gulben mehr Jahrgeld endlich auch den Namen aufgegeben 76'). Inden Abt Ulrich zu Rom ſchwur 7 ) und ſich durch eintragliche Freiheiten für
die Reiſekoſten entſchädigen ließ.763), ſtarb rein Vor
weſer bei dem Coſtanziſchen Domdechant, ſeinem Bruder 764), Bald nach dieſem verdoppelte Ulrich das Gebiet ſeines Gotteshauſes.
Junfer 6) Petermann pon Raron war ſeit reis nes Bruders Tod einziger Freiherr 766) zu Token burg. Es waren die Tokenburger in jenem , nach Friedrichs Code, mit Schwyz und Glaris beſchwors nen Landrecht 767) ; aber ohne die erſte zutrauliche
Liebe. Die Männer von Glaris und Schwyz, mit welchen ſie auf die Weiſe der Appenzeller lands manniſch zuſammenzuleben gemeint , waren über Uznach , welches mit ihnen geſchworen , jeßt Her ren 76 ).
Die Totenburger ſcheuten fich ſo ſehr ihre
Unterthanen zu werden , daß das obere Amt769) viele Jahre lang das Landrecht nicht urkunden lar fen wollte , und ſelbſt einem Spruch von Bern 720 ) ungern und langſam ??') nachfam . Der Junker war alt , und die Erbtochter hatte einen welſchen Ge mahl 17") ; Cofenburgs Zukunft ſchien dunkel. Zu
ſelbiger Zeit war der Abt von St. Gallen der größte Gutbeſiker im Lande 273) , und mit ſeinem Schuß freigebig ; den Hauptort und andere wichtige Gu :
ter 77“) hatten ſchon die alten Grafen 775) pfändweiſe
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Geſchichte der Edweiz.
IV. Buc.
dom Kloſter; die Nonnen zu Magdenau waren dem Abt pflichtig 776). Paron, der Greis ,I wollte ſeiner
Tochter ein ruhiges Erbtheil fichern ; die Landleute fürchteten weniger Einen und einen geiſtlichen Herrn als Bevogtung durch ihres Gleichen . Der dſtreichiſche Krieg , welcher bei Waldshut geführt
wurde , beſchäftigte die Schweizer. In den lekten Tagen des tauſend vierhundert acht und ſechszigſter Fabres wurde auf dem Schloffe zu Futiſpurg durch
den Freiherrn von Raron das ganze Tokenburger Land 11) um vierzehntauſend und fünfhundert Gul: den dem Fürſten , Abt Ulrich zu St. Gallen , und deſſelben Gotteshauſe unwiderruflich verkauft 779).
Dieſes geſchah , wie es ſcheint, unverſehens 178b ). Ungeſäumt befeſtigte der neue Graf und Herr 779) den wichtigen Erwerb durch Verkommniſſe, mit der Schweiz, mit dem Lande, und durch kaiſerliche Be: fatigung. Das zwiſchen Naron, Schwyz und Gla: ris beſtehende Erblandrecht erneuerte Ulrich feier: fic ft auf ewig 79 b) , ſo daß fein gerechter Bunſch anbefriediget blieb. Den ländern wurde Tofen burg für althertómmlichen76 ) Waarenzug und in Kriegen offen , und war mit Deſtreich in jedesmal gleichem Verhältniß wie fie. Sie verſprachen, das Land in geſeşmäßigem 781) Gehorſam des Herrn, er daſelbe ihnen , und nur ihnen 782) verbunden zu balten . Dieſe Sander gänzlich zu beruhigen 785), tbaten Zürich und Luzera auf das Recht , welches
T. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450-69.
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der Bund mit dem Ubt ihnen auch in Tokenburg
gab , förmlich Verzicht 784), Die Chåtigkeit, Klugheit und Kraft des neuen Regenten ſchien dem Lande nicht unbedenklicher als die alte Verwirrung und Schwäche. Alſo verſam
melte Albrecht Miles , Schultheiß zu Lichtenſtaig, das ganze Voll auf die Pfaffenwieſe bei dem Flecken
Wattwyl ; es erneuerte den vor drei und dreißig Jahren zum Schirm der Freiheiten geſchwornen Landeid 785). Dieſe Wachſamkeit und Feſtigkeit (wie zu geſchehen pflegt, wenn ein voll zuſammenhalt) ehrte der Herr , gab Erneuerung rammtlicher Freis heiten zu Stadt 785) und Land 787), und ließ ſich gefal
len 188) , daß zu deren Sicherung auch das Volt fein Landrecht mit Schwyz und Glaris verbriefte 189). Ihm , dem Fürſt, gab der Kaiſer das Lehen der Grafſchaft 790). Nach den alten Reichsrechten kam das Landgericht hiedurch ihm zu ; die untern Ge richte wurden (wie es Karon eingerichtet), auf den
Vorſchlag der Landleute von ihm oder auf ſeinen Porſchlag von dieſen , aus ihrer Mitte beſert 79'). Beiſteuer zu ſo außerordentlichen Ausgaben hatte ulrich einer gerechten Handlung zu danken.
Der Jude Samuel Levi 79') , den die von Wyl um dreißig Ducaten auf zehn Jahre zum Beiſaſſen ge nommen , war durch ungeheuern Wucher 193) ein landverderblicher Mann , aber als kaiſerlicher Kam merknecht 796) und mehr noch durch Reichthum ro furchtbar 795) , daß der Fürſt weder ohne faiſerliche
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Gerdhichte der Schweiz. IV. Bud .
Erlaubniß74 ), noch, da er ſie hatte, ohne die Schirnt: orte über ihn richten mochta, Da mußte Levi tauſend Ducaten in Gold erlegen 797 ) , und auf Ur phede 798) das Land meiden 799). So ſtieg das Sanctgalliſche Fürſtenthum durch Einen ; das Unſehen der Schweiz ſtieg durch Ge
meingeiſt und Sitten. (Von 3 ü r i ch . )
Zürich , defen Rolfsmenge feit Rudolf Brun, jenem erſten Bürgermeiſter , unaufhörlich ab nahm 300 ) , hatte durd Peſt und Krieg die Hälfte
der Einwohner ser) und faſt in gleichem Verhältniß auch an Vermögen 809) eingebüßt. Ueber das Un= glück der Zeiten ſiegte der bürgerliche Sinn ; durch
Anſtalten und Ordnungen wurde Stadt und Land löblich regiert , und bei jedem Anlaß die kaum er
gånzte Herrſchaft ®3) ruhmwürdig ausgebreitet. Die Tchönen Freiheiten , womit Deſtreich die Mohuung der Habsburgiſchen Stamm -Mutter, die
Feſte Kiburg , in dem kurzen Augenblick hergeſtell ter Herrſchaft , beglückt 8of) (wodurch die Leute um die Burg zu einem Gemeinweſen geordnet 805) und für ſich und ihr Eigenthum mit feltener Sicher heit sob), Polizei 807) und mannichfaltigen Vorthei len 806) beſchenkt worden) beſtátigte Zurich. Wenn .
Herkommen , die läſtig ſcheinen Bog), dem Bauer noch nicht abgenommen wurden, ſo war für Billig keit gegen die Leute 816) , Gerechtigkeit felbſt gegen Fremde $ ), Begünſtigung der Anſiedler 8.) , und,
6.5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69. 89 ſo gut wie als das Dorf nur Maierhof war, durdy Gefeße 815) für deſſelben Haushaltung 8) geſorgt. Daß gute Verträglichkeit 6 ) , ordentlicher Gang
des Rechts auch bei gemiſchter Gerichtsherrlich feit 816) und in Offentlicher Noth gemeine Zuſam
menſeßung aller Streitfråfte 8 '?) und andern Ver : mógens 88) fey, darüber war manche Verkommnis. Indeß wurden Dorfſchaften von uraltem Bau, Tonſt Kleinod großer Herrengeſchlechter , bei deren Abgang durch die Stadt Zürich erkauft ; ſo , weit hinaus im Thurgau, in den fruchtreichen Gefilden
am Fuße des waldbekrångten Weinberges , beide Stammheim von einer Wittwe, welche die Stadt liebte 809). Im Hauſe Klingenberg waren ſie ſonſt (Sanctgaliſche) Lehen 8) ; aber dieſes , und ſeine Vettern von Klingen und auf der Hohenklingen ,
ſonſt Vógte und Herren der Stadt Stein und das bei liegenden Burg , frei8:') , oft machtig bei Hofe und im Land , fingen an , abzunehmen ; manches wurde durch Schwiegerſohne 8* ) veräußert , felbſt
die Hauptzierde die Stadt Stein um Geld fich ſelbſt gelaffen
). Stein , aus altrómiſchen Ruinen
erhoben , ordnete von dem an die Freiheit 824) und wurde zu deren Sicherheit ſchweizeriſch s ). Des Freiherrn von Seldenburen weiland glorreichen Siß , das liebliche Thal , die Dörfchen der Se
gend 8-6) , gab ein Bürger der Stadt Zürich zu Kauf 8-7).
Als nicht nur Kiburg abermals, ſondern , durch
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Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
unten erzählten Krieg, auch Thurgau von Deſtreich entfremdet worden , aber Winterthur 1, durch An
ſtrengung edler Treue bis zur Entfråftung er : ſchöpft und vom Züricher Gebiet ganz umgeben war, bedachte Erzherzog Sigmund das bei neubevor: ſtehendem ftrieg unvermeidliche Schical dieſer Alſo perpfändete er fie um zehntauſend
Gulden an die Züricher, mit Fürſorge um alle von den Kiburgiſchen und Habsburgiſchen Våtern aus
Gúte oder in Geldnoth ihr gegebene Freiheit 878). Von dem Pfandchillinge gab er einen großen Theil 809) der treuen Stadt ſelbſt um die Koſten in ſeinem Krieg. Wenn durch Ankauf der Herrſchaft
über eine benachbarte Gemeinde dieſe der Schweiz, einem damals ruhmvollen , ſichern , wohlgeordneten
- Land, beigezogen , und das ſchweizeriſche Gemein weſen durch Stärkung der Grånze und andere Rúdſicht hiedurch bevortheilt wurde, war fein Bür ger , der hiezu feinen Pfennig nicht freudig ſteuer 830 te Bo), und ließ gemeiniglich 851) die Landſchaft , was die Obrigkeit vorſtellte ( ſie wurde väterlich von al
lem belehrt 851) ) , ſich wohl gefallen . Als wegen Winterthur jeder Hausvater fünf Plapparte 855) zu geben hatte und eine vierjährige Landſteuer 834) an gelegt wurde, war unter den rechs und zwanzigtau ſenden 855) der Stadt Zürich niemand unwillig , als (gegen wiederholte Vorſtellung) die Wädiſchwyler und Richtiſchwyler.
Sie vermeinten als Leute des Johanniteror
5. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft 8. 1450–69 .
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dens der urkundlichen Schuldigkeit ſich entziehen zu
können 836). Dieſem eitlen oder eigennúßigen Be ginnen opferten ihre Führer den Frieden des Va terlandes auf. Als wegen bedenklicher Drohungen, Heinrich Schwend , Ritter , Bürgermeiſter , init
vierzig Mann zur Beobachtung auf die Burg Wå diſchwol gelegt wurde , erwarben ſie durch falſches Vorgeben 857) , daß das land Schw5; zehnmal ro viele Mannſchaft anrúden ließ. Dieſe Gefahr eines bürgerlichen Kriegs , in dem Augenblic da ein oſt
reichiſcher drobete, bewog Zug und Glaris zur Zwi: fchenkunft. Die Züricher beſeßten das unruhige Land mit mehr als anderthalbtauſend Mann 338); die Leute wichen auf Schwyzer Boden ; die Banner,
durch ein Bachtobel getrennt , lagen trokig338b ) ge gen einander ; þanns Meiß , voll des Vaterland ſinnes , deſſen Opfer fein Dheim geworden , hin derte Blutvergießen mit Mühe. Da zeigte ſich der Schweizerbund in Gerechtigkeit und Würde. Das Werk der Gewalt , freien Männern unziem lich , muß vermieden werden , ſo lang das Recht Stimme hat. Die Eidgenoſſen hielten die Wädiſch wyler an , vor einem Ort , welches Zurich wählen
wurde , der Stadt zu Recht zu ſeyn ; die Zuricher, daß ſie nicht verſchmåheten , vor dem Rath von Bern ( dieſen Richter wollten ſie) neben Machtboten /
der Ihrigen 859) zu erſcheinen . Schwyz trat nicht auf, ſobald Redyt eingeleitet war. Da nahmen die Berner die allerunverdächtigſten Orte Sto) zu fidh,
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Gefthichte der Schweiz. IV. Buch.
und ſprachen 86'), feſt und weiſe, zu Recht für die Stadt, zu Schonung für das Land ; fo daß es , der Ordnung nach ., gemeine Steuer gebe, um dieſen Streit aber nichts leide ; vielleicht weil Mißver ſtand, Verführung oder ſonſt ein Umſtand entſoul digend ſchien . Man wollte , daß die Obrigkeit bei rechtmäßiger Macht, der Landmann bei gutem Wil len bleibe. Er darf nicht niedergedrückt werden ; fein Muth iſt des Vaterlands Kraft.
Kraft, Frohſinn und , ohne Verläugnung alter Ordnung , Emporſtreben war zu Stadt und land. Noch wurde der Chriſtenbeit geiſtliches und weltli ches Oberhaupt geehrt *») ; auch der Adel , wenn
moraliſcher den der Geburt erhob 845 ). Noch fang der Landmann Abenteuer der Vorzeit 8 “ ) und ſchrie ben gute Burger vaterländiſche Geſchichten zuſam men 845).
Die teutſchen Bucher mehrten ſich 806)
und ihr freier Scherz reizte zum Leſen). Wir ſenſchaft erwarb Rechte 246) und Beförderung 849) ; die Ausbildung der körperlichen Geſchidlichkeit, ohne welche der weiſeſte und beherzteſte Mann un
behulflich iſt , wurde vornehmlich betrieben.
Zu
dem Ende wurden die vorzüglichſten Armbruſt Tchüßen , und wer im Laufen 850 ) , Springen 85'),
Steinſtoßen 859) es andern zuvorthat , von Stadt und Land und von benachbarten Städten und låna dern freundlich zuſammenberufen 853 ), Pferde 854), 356 Ochſen 855 ), filberne Becher 3) , goldene Ringe 857),
Lücher 88) und Geld als Preiſe beſtimmt ,, Kampf
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69.
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gefeße 859) und Kampfrichter wo) verordnet , und To .
nach altgriechiſcher Art 861) die Kunſt ſich ſelbſt zu
helfen (die erſte eines freien Mannes) durch Nach eiferung vervollkommnet.
Eben ro núßlich und
herrlich waren Tage des großen Spiels , das Nits ter und Herren ihren Freunden gaben *). Solche
Uebungen , wodurch Körper , Muth und Bruder: finn geſtärkt wurden , und die in den Lebenston Männlichkeit brachten , erhielten Vaterland und Menſchenwürde beffer , als das ſchläfrige Marchi nenwerf von Handgriffen , worin der gemeine Kaufe pon Befehlshabern das Weſen der Kriegskunſt fucht. Zwiſchen zwei Heeren, deren das eine mehr Seele hat, wird der Sieg nie lang zweifelhaft feyn . Im übrigen wurden Verbrechen auch damals
begangen 865) und unſáuldige Menſchen gefoltert ), indeß die Chåter den Raub verzehrten. ( 3 u g. )
Die Zuger , wenn Rechte frember Herren in ihrer Gegend abkauflich wurden , benutten die Ge legenheit 6). So andachtig fie den Frohnleichnam
verehrten, der im Brand der Pfarrkirche allein un verſehrt blieb 866), ſo wenig ließen ſie durch die ehr: würdigſten Gotteshauſer ihre Unabhängigkeit be: ſchránken 867). ( £ uier n . )
Die Stadt Luzern , erſt recht ſchweizeriſch, ſeit jene dem Hauſe Deſtreich vorbehaltenen Rechte 868)
durch ſein Schickſal erloſchen 569 ), verſchönerte fich
94
Gerdhichte der Schweiz. IV. Buch .
wie der Hauptſtadt eines freien Landes anſteht 87.). Sie erwarb 8' ') ; es wachten die Bürger für ihre Rechte gegen den Rath 87 ) , für die der Stadt ges
gen das Land 875). Zweifelhafte ließ man durch die Eidgenoſſen entſcheiden . Wenn Wággis , im Ver
trauen auf Wirthshäuſer -Geſchwáķ , die Polizei der Stadt verſchmábete , fuhren die Luzerner hin und brachten die hochmuthigen Bauern gefangen in ihre 1
Thürme , bis die Eidgenosſen Vergebung und See Damals ſcheuten die horſam vermittelten 874). Obrigkeiten eidgenöſſiſche Zwiſchenkunft nicht; fie befeſtigte; ſpätere Eitelkeit unabhängiger Staaten
iſt nach Erſchlaffung der Vunde aufgekommen. Zu derſelbigen Zeit kaufte das Entlibucher Hasli fich frei 875 ). Das Schirmſtadtchen Surſee fühlte ſich eidgenöſſiſch ; ro ſchrieb es in Herzlichkeit ſein Freis ſchießen aus 86). Unwillig ſchwur der Landmann Pfaffen sz) , und kaum vermochte Beronmünſter durch påpſtlichen Bann die koſtbaren Gefäße und Geråthſchaften zu fdirmen 878). Das reguläre Les ben hatte auch auf St. Leobegard Hofe zu Luzern lang aufgehört, ehe das einzige Rettungsmittel,
Umwandlung in ein Chorherrenſtift als Auskunft vom Papſt Calirtus genehmiget wurde w). Die Seele des Raths war Heinrich Haßfurter, erprobt als Feldherr und in Geſchäften , ait , aber nur nach Zahl der Jahre so), etwas lahm, doch daß
er dem Feldſtreit Herrlich vorſtand. Er überraſchte bei ſeiner Frau einen Mann , Ichlafend nach der
6. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft d. 1450–69. 95
That , welche von dem Ehemann jede Rache ent ſchuldiget ; beherrſchte fid ); ſeşte fein Licht und
hing rein Schwert an den Ort ; ließ hierauf dem
Recht ſeine Gewalt (der mådhtigſte roll ſich am we nigſten erlauben 88') ) . ( von Ber n. )
: Zu Bern wurden ungefähr ſiebenhundert Woha nungen 38 ) von eilf bis gegen zwölfhundert Haus vätern oder Eingemietheten 835) bewohnt und von Ausbürgern über dreitauſend Gulden ubel gege ben 8). In Kriege zog der zweite oder vierte Bür: ger 885), ſo daß beinahe der zehnte Mann des Heers aus der Stadt gebürtig war 886). Zum Vorſteher des gemeinen Weſens wurde der Soultheis jáhrlich (nie derſelbe eher als nach zwei Jahren 887) ) gewählt. Es war in der Stadt
eine obere und untere Gemeinde 88 ) , in zwei Vier theilen jede , jedem Viertheil ein Landgericht bei: geordnet ; über jedes wählten die Zünfte der Bå: der, Schmiede, Fleiſcher und Gerber einen Ven=
ner , auf nicht länger als vier Jahre sou) , ſo daß jährlich oben in der Stadt einer, und einer in den unteren Viertheilen geändert wurde 991). Venner: zünfte gingen der adeligen Geſellſchaft vor $9 ). Die
Zünfte waren keine Handwerksinnungen ; dieſe was ren in den Zünften , und hatten ihre , öffentlicher Polizei nuflichen Ordnungen ; ihre Unordnungen
wurden ſtreng beſtraft 854). Die höchſte Gewalt führte der große Nath , die Ráthe und Bürger
96
Geſchichte der Schweiz. IV , Buco .
oder die Gemeinde der Stadt Bern 895) vorſtellend 996), und , obwohl oft über dreihundert Mann ſtark 897),
nach altem Brauch die Zweihundert genannt. Ihn wählte der Schultheiß mit Sechszehn von den Viertheilen 99 ) und mit dem kleinen , täglichen, Rath 899), lang ohne ſonſt eine Regel als die Taug lichkeit eines Mannes für ber Stadt Beſtes 900 ) (wenn einer nicht Bürger war ,. fo wurde er es in vierzehn Tagen -901) ; endlich aus Bürgern , die zu Bern fünfgos) , oder Eidgenoſſen , die zehn Jahre daſelbſt haushåblich geweſen 903). Auf erworbene Herrſchaften wurden zur Burghut und Verwal:
_tung Landvogte von den Vennern aus den Råthen gewählt 90h) und mit etwa hundert Gulden 95 für Zeitverſäumniß fchadlos gehalten 96). Aber zu Bern
wurde den Landgerichten wöchentlich ge?) , entfern tern Ausbürgern alle Vierteljahre 998) gerichtet, damit feine Rechtsverfáumniß zwiſchenkunft frem
der Gerichtsbehörden veranlaſſe 99). Dieſe war ge gen der Stadt Freiheiten 9' ) ; nichts wurde eifriger geſucht als die Selbſtſtändigkeit; ohne ſie war Ord
nung, Ruhe, fortſchreitender Wohlſtand nicht mög lid . Alſo war in dem Landeide, fremder Herren Schirm , Burgerrechte und Kriege zu meiden 9 ). In den Räthen war immerwährendes Beſtreben ,
die Ewingherren ) zu ſolcher Auseinanderfeßung der Gerechtſame zu vermogen , wodurch allgemeine
Polizei ungehemmt bleibe. Denn in der Verwir : rung nach Abgang der Zaringifchen Herzoge , bei bald
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69 . 97 bald erfolgtem Fall der kaiſerlichen Macht, bei der Schwache des zweiten Hauſes Kiburg , hatte jeder fich ſo viel geben laſſen oder herausgenommen , als er mit feines Gleichen und in Verbindung mit
Bern behaupten mochte. Hiezu kam das unbe ftimmte des Herkommens und veralterter For: meln. Die Landesherrſchaft ſuchte ſich durch Sunda
Tchaft94) und gútliche Verträge 914) zu helfen , bis ausgeſchieden wurde, daß das Recht Landtage zu
halten , Verordnungen 95) zu geben , über Haupt verbrecher zu richten 916) , ihr allein , und wie viel ihr von zufälligem Erb 97) , Wildbahn 9') , Feder: ſpiel 9' ), Hochflug 9m ), Maulpieh 9") und Schaken 9" ) zukomme.
Die größten Schultheiße und Rathsherren von Bern waren ſelbſt Ewingherren , und hielten für feine Aufopferung was dem gemeinen Weſen dar: gebracht wurde. Für das Vaterland mehr als alle
zu thun , war ihr Stolz ; Burger von Bern zu ſeyn , ihre Belohnung. So Heinrich von Buben
berg , jener alte, oft Schultheiß 938 ), des Züricher Kriegs Vermittler, und Hadrian , fein Sohn, fruh unerichrodener Kriegsmann, und von Jugend auf, dem Vaterland alles aufzuopfern , gewohnt. Als
er dem Biſchof zu Straßburg in einer Fehde für Herzog Ludewig von Zweibrüden, ſeinen Bruder 934 ), guzog , und , um Bern in keine Verlegenheit zu
bringen 9-s) , rein Bürgerrecht für dieſelbe Zeit auf gegeben , serieth er mit dem Biſchof wegen des I. 5. Müllers ſåmmt!. Werte. XV.
7
98
Geſchichte der Sdweiz. IV. Buch .
Golds in folche Verbrießlichkeiten 916 ), daß er ihn fehdete. Obwohl die Regierung von Bern ſeine Obrigkeit jeßt nicht war 909) und höchſtens der Si cherheit des Handelsweges auf die Jahrmarkte 9 :8) fich anzunehmen hatte , doch folgte Hadrian von Bubenberg dem vermittelnden Ruf, legte die Waf fen nieder , und ſeine Sache in die Hände des Va= terlandes 9-9). Aus dem Hauſe Erlady fas Ulrich Herr zu Wyl , oft Feldhauptmann , oft Schults heiß 930 ) , über ein halbes Jahrhundert in dem
Rath 954). Caſpar aus dem alten ritterlichen Hauſe von Stein, auch Twingherr9 ), war zu Bern, und fein Bruder zu Solothurn , Schultheif.
Den
Schultheię Rudolf von Ringoltingen faben wir in den Zúricher und Freiburger Striegen . Sein gutes Haus 933) , inner der Stadt (welches ſelten ) mit Báumen und Gemüſegarten umgeben ; ſeine Herr: ſchaft Landshut , feine vielen Mannlehen , Manns
ſchaften 95 ) , Kirchenfäße, Weinberge955) und Wie: Ten 936) , dieſelben ſechs Poſtbaren Schalen , Dauphin Ludewigs Andenken 937), reine Harniſche , Waffen , Pferde, und vielen Städten 938) geliebene Gelder, waren auf Thüring ſeinen Sohn gekommen , der, bald auch Schultheiß 959), mit politiſdem und milis táriſchem Ruhm den ſeltenern des Fleißes in ſcho nen Wiffenſchaften vereinigte 94 ). 018 der ſterbende Vater für ſeine Seele 9h ) , ſein Andenken 9 ) , fein
Haus 943) , auch für die uneheliche Nachkommens
ſchaft 9**) und für feinen treuen Snechtº ), ſorgte,
6. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſtaft 8. 1450-69 . 99
vergaß er auch des gemeinen Werens nicht , fons dern verordnete , daß nach Abgang des Manns
ſtamms von Ringoltingen zwar die Nugung von Landshut geiſtlichen und armen Leuten 946) , die ho
hen Gerichte aber der Stadt Bern zufallen ſollen. Nicolaus von Scharnachthal, Nitter , Herr zu Oberhofen I, war auch ein ehrfurchtgebietender
Schultheiß von Bern 97). In ſeiner erſten Amts
verwaltung folgte ihm ein Jüngling git) von unge meinem Geiſt und Muth , Nicolaus von Dießz bach , Herr zu Worb , von dem wir ſehen werden , wie viel er beitrug , der Lage der ganzen Schweiz
und Europens eine neue Wendung 311 geben. Das zumal hatte er erſt noch , wie Bubenberg , eine Privatfehde dem willen der Stadt aufgeopfert. Sie betraf einen weſtphaliſchen Herrn von Ghe: men , Dienſtmann von Cleve , den er ohne Furcht vor dem Behmgerichte , deſſen Stuhlherr derſelbe war 949), wegen verſagter Zahlung einer Schuld ge fangen genommen . Es hatten die von Dießbad;
Familienverhältniſſe و950) in Niederteutſchland. Uber ro bald es das Vaterland wünſchte, ließ er ſich Aus gleidung gefallen 95 b). Den Freiherrn Andreas Rol von Bonſtetten 951) , einen reidhen 95a) tapfern Mann, welchem der Werth der Wiſſenſchaften nicht
fremde war 953) , brachte die Verſchwägerung mit Hadrian von Bubenberg nach Bern 956) , und ſeine .
Sinder in die größten Häufer der Stadt 955). Die ſer Noll von Bonſtetten war wegen ſeiner entfera
100
Geſtidhte der Edweiz. IV . Budy.
ten Güter 956) nie im Rath ; jene Twingherren , die Scharnachthal, Bubenberg , Dießbach , Ringoltin gen ſaßen in freundlicher Wurde bei Senatoren , wel: che Bollsgunſt oder Berdienſt aus niedrigen Stan: den erhoben 96) ; der Markgraf von Hochberg , die Grafen von Greperz, von Sulz, die geiſtlichen Her:
ren im Lande , die Hallwyl , Clermont, Vergy, Laſarra , Eſtavape und freie Landſchaften 958) fanden Sicherheit in dem Bürgerrechte mit ihnen . Senes
bürgerlidye Leben iſt weniger Lob der Tugend als der Weisheit dieſer Edlen. Sie herrſchen (auch hierin wie die Nómer 959) ) durch Unterwerfung unter Gott ; hiedurch ſo uner: ſchrocken und ehrwürdig ; und dadurch , das ſie die
Formen der Zeit ehrten, ſo wenig veráchtlid ais der Sieger bei Zama 960 ). Es war für dieſes alte Bern ein großes Geſcent, als der Diebachiſche Geſchäfts: mann im Kolniſchen 9 ) des Stadtheiligen 561) lang : erwünſchtes Haupt 3) durch frommen Diebſtahl.56 ) in das Vaterland brachte , und von Nom aus dem
Gebeine der zehntauſend Ritter 966) die Freude er: neuerte ; da befriedigten ſie ihn mit einem Amt , hundert Gulden werth 956 ). Großer aber als bei der Nachricht von Oeſtreichs, Savoyens und aller großen Grafen Vereinigung wider die Stadt, war der Schrecken der Berner des Morgens , als die Augen der Menge in St. Vin cenzen Múnſter den Gott vergeblich ſuchten 467). Ein Prieſter ( iterbend beichtete er es, für gefolterte
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69.. 101
Unſchuldige zu ſpät) hatte den hochwürdigen Frohn:
leichnam , das Geheimniß , das Sacrament des Al tars, in der Poſtbaren Monſtranz weggetragen . Daß kein Strahl des Allerheiligſten den Verbrecher nie der gedonnert , fchien Zeichen , daß der Gott Bern
gleichgültig verließ. Das vergútete nicht die aus arabiſchem Gold mit koſtbarein Edelſtein ſchöner her:
geſtellte Monſtranz96 ). Wenn ferner Spielſucht 969),
Hoffalrt 9:0), Flüche und unzuchtige Handlungen 97 ') reizten, Geſeke dawider. Der Mutter Gottes wurde. durch erneuerte Gebäude Verehrung bewieſen 974 ). Im übrigen ſorgten die Berner für die Ordnung
des Gottesdienſtes 975) , den Unterhalt feiner Die ner 974). Uber Steuern für das Gemeinweſen durf
ten Güter der Geiſtlichkeit ſich nicht entziehen 976). Die großen Gottesdienſte , einmal gethan , ließen ſonſt mancherlei Freiheit, beſonders wegen leicht er: baltlicher Sühnung der Fehltritte.
Genug , dan
Mittel waren , im Nothfal heftig zu rühren ! Durch vaterländiſche Freudentage machten fieden
Eindrud der Eidgenoſſenſchaft bleibend ; fowohl wenn
ein mit Blumen bekrånzter, mit Bändern geſchmúd : ter , wohlgemåſteter Ohre , oder ein reichbehangtes /
Pferd und koſtbar verbrámte Fahnen und Pocale in
einem Luſtlager vor Bern den Wetteifer der Schu : ken reizten 9 6), als wenn an einer Vorfaſtnacht 911) viele von der höchſten Gewalt, viele aus den Ge. meinden fchweizeriſcher Städte und Lånder und von der Stadt Ausbürgern und Angehörigen 98)
102
Geſchichte der Schweiz. IV . Budy.
in muthigem Jubel die Verbrúderung inniger macha ten .
Die Herrſchaft Berns , ihr Flor und Name wurde durch ſolche Sitten ohne Schaße gegründet. Nach den Kriegen mit Freiburg , Zürich , Frankreich und
Deſtreich , als die wohlverſehenen Burgen der Ber ner Bruſtwehre der Schweiz waren 979 ) , ſtieg die
Geldverlegenheit ſo , daß endlich ganz Unteraargau, I
ſo fern es Berniſch iſt, um zwanzigtauſend Gulden an die Gidgenoſſen verpfändet wurde gå ). Da fa men die Bürger und Angehörigen der Stadt Bern dem ruhmvollen Vaterland mit ſo edler Anſtrengung zu Hülfe, daß von vielen über die Schuldigkeit ge ſchah 981). Urban von Muhleren und Niclaus von
Scharnachthal waren ernannt , fünf Jahre lang den Wochenangſter 98 ) zu empfangen , und es war ih nen auf die Seele gebunden, keine Verwendung die fer ſchweren Steuer als zur Schuldentilgung zuzu
geben 985). So groß war das Zutrauen auf Redlich keit und Kraft, daß Gelder auch damals zu vier Pro centen zu haben waren 98) und für den Herzog von Savonen die Bürgſchaft Berns nicht verſchmähet wurde 985 ). Die Stadt bediente ſich ihres Anſehens , mit dem Herzog von Burgund und mit dem Prinzen von Oranien über den Salzhandel ſolche Verträge zu ſchließen , wodurch dieſe unentbehrliche Waare ih rem Volk in billigem P zugeſichert wurde , das gemeine Weſen aber geziemenden Vortheil hatte 986).
Es wurde ernſtlich darauf geſehen , das Zollweſen
8. 5. Sdirderung der Eidgenoſſenſthaft d.1450–69. 103 zu ordnen 987) , zu behaupten 988) und durch Sicher heit der Straße ergiebig zu machen ; daher man Feh den möglichſt vermied 989) , aber inländiſche sgo), und auch die italieniſchen Staufleute 99 ') gegen eigennú
kige Gewaltthátigkeit benachbarter Herren fraftig beſchirmte. Wo das Land ſich in den Alpen erhebt , ſuchte
Bern die zweite Grundfeſte ſeiner Macht (die erſte war in den Landgerichten ) , das muthige Oberlån der Volf mehr und mehr ſich zuzueignen. Es hal fen (unwillig 99 ) , weil faſt über Vermögen ) die Leute der Twingherren am Thunerſee die Laſten des gemeinen Werens tragen. Es folgten die manner von Ninkenberg und alle Interlachiſchen Gotteshaus leute vom Brienzer See, ießt unwiderſprechlich, für Bern dem Banner von Unterſeen 995). Nach der gro
Ben Feuersbrunſt empfand unterſeen die nie verſchlor fene Paterhand Verns 99 ). Es-ſtritt ſchon bei Laupen
die freudige Mannſchaft von Siebenthal ; ießt kam die Feſte Wimmis in des Landes Paß und alle Gewalt ein zeler Herren um Geld an das gemeine Weſen von Bern 995 ). In dem Oberſiebenthale war iiber den Siß
Mannenberg 996), der Grafen von Greyer: Lehen an Raron, bei Abgang dieſer Familie 997 ) Streit zwi fchen Schultheiß von Bubenberg und Heinzmann von Scharnachthar 998 ) : ob Mannenberg ein freies Mann:
lehen ſey oder nach welcher Art 999) es auch Töchtern
zufalle, und ob die hohe Obrigkeit von Bern 100) oder Greperz als Lebensherr in den Sachen zu rich
104
Gefdichte der Schweiz.
IV. Budy.
ten habe. Heinrich von Bubenberg war ein gefáli ger 10'), auf Ehre aber 1009) und Riecht ſehr feſter Mann, der geſchworen, nicht nachzugeben . Zu lang
batte er ſeinen Geguer in dem rechtloſen Befiß ge duldet. Allein der bittenden Vaterland wußte der Ritter fich nicht zu entziehen , übergab Hadrian, ſeinem Sohn, das Recht, und ro fand Vermittlung ſtatt 1003). Die Nube des Thals wurde durch Er neuerung der Geſeke befeſtiget 100 ). Durch die Kriege, deren Bern eben ſo viele für Bürger und Eidgenoſſen als unmittelbar zu führen hatte , wurde dem Hirtenvole zu Sanen das Burgs recht fo láſtig , daß es , uneingedent des wohlge noffenen Schußes 1005), die Verbindung zu löſen , und durch einen Bund mit Siebenthal und andern obers ländiſchen Gegenden ſeine Zugånge zu verwahren gea bachte. Da wurde in dem Freiburger Krieg die
offene Mahnung um Zuzug abgeſchlagen , und vor den Schiedrichtern 16) zweierlei behauptet , wobei ico
die Schweiz nie hátte können emporfommen : Ein mal, Sanen fey nicht ſchuldig , in Kriegen für ans dere Bürger des gemeinen Wefens zu den Waffen zu greifen 107). Zweitens, keine Verbindlichkeit habe långere Dauer als das Leben derer , welche ſie ge ſchloſſen sang ). Sie brachten auch Zweifel vor, ob das Berniſche Burgrecht ihrem Herrn von Greyerz gefalle cong ); fie forderten die Koſten der Kriege, wors in , wie ſie nun einſehen , ſie nicht hatten dienen
rollen * ). Hierin begünſtigte ſie der Graf , den
E. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft .1450 - 69.
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ſie nicht mehr zu fürchten hatten. Rechtsgelehrte (deren Kunſte den Volksſinn blenden) leiteten ihre Schritte ' ); Bern war in Gefahr des Verluſtes. von faſt ganz Oberland. Die Schiedrichter (wie meis
ſtens) zerfielen . Serpant , Stadtſchreiber zu Biel, wurde Obmann. Dieſer ſprach für die Erhaltung des Burgrechtes. Dann aber erſt wurde Folge gez
leiſtet , als Uri , Schwyz und Unterwalden , aller Eidgenoſſenſchaft Våter , zwiſchen Bern , der allge meinen Vormauer, und den von Sanen, Månneris
aus ihrem Geblüte 101 ), zu kuzern richteten , fie ſpra dhen ( für beide zuin Veſten ) das angeſtrittene Burg recht in allen Artikeln und auf ewige Zeit gültig.
In des Emmenthals milderm Gebirg benukte die Wadiſamkeit Berns die Verlegenheiten , worin viele Verwickelungen und unglückliche Kriege Herrn Wolfhard von Brandis gebracht. Die Hauptburg, die Gerichte und mancherlei Höfe :) mochte Bern ,
der Geldnoth wegen, ießt nicht behaupten ") ; die ol
Leute erhielten , daß ſie ſich frei kaufen mochten " ) ; in Kriegsnóthen blieb das hohe verſchönerte Schloß Bern offen 10 6). Von den Schirmvogteien 11) blieb
Truob 1018) , in engem Alpenthal mit Entlibuchs Landmarfen zuſammenfließend , und wo im herrli: chen Alpgelande zerſtreute Hütten Elchangnau ges nannt werden. Die Eidgenoſſen ſchieden die Grán ze 1019). Die Junker von Brandis blieben, mit gros 1020
Bem Nußen 1980) , Berner ; ſie , wie des teutſchert Ordens Leute in Sumiswald sti ) , wenn allgemeia
106
Gerdichte der Schweiz. IV . Budy.
ner Aufbruch war, bewahrten die Stadt Bern ; man wollte ſie nicht gegen óſtreichiſche Banner in Berle genheit bringen.
Wo in den Bergen und Auen um den Bieler See durch alte Striege, Sauf, oder urſprünglich, die
Berniſche Herrſchaft mit der Biſchofbaſelſcher. , mit +
den Rechten und Freiheiten Biels und der Neuen:
ftatt, und den Gewohnheiten bald jeder Gemeine und eines jeden Geſchlechtes verwickelt waren , er forderte der öffentliche Fortgang neue Verträge und Ordnungen : wie bergebrachte Feldfahrten , Holz gånge und Weidrechte mit Einſchlagung der Aumen
de , Forſtpolizei und Einſchränkung der Brache zu vereinigen 19), wie dem leibeigenen Landmann zu
erſt in die Freiheit, hierauf zu der Gleichheit, ohne Nachtheil offentlicher Anſtalten der Weg zu off nen 1048 ), wie dem Landwirthe bei Capitaliſten Cre dit zu machen 16s ), wie es mit Erbbürgern mehr als einer Herrſchaft zu halten fey, damit ſie weder über
vortheilt wurden, noch der Schuldigteit fich entzie hen fónnen 1095) und auf daß die Vermiſchung der Herr lidh feiten fein Freibrief für Verbrecher werde 1036 ). In Aargau war die Oberhand der Stadt Bern
unſtreitig. Doch noch neigten ſich die großen Ge ſchlechter aus alter Treue und nach des Adels Sitte
Habsburg zu , und ſuchten lehenrechte , oder veral terte Pfandſchaften, auf alle Weiſe zu erhalten. Die Erben von Grünenberg 1022, forderten ſeine Stamm burg zurúc 1098 ). Obwohl die von Baldeck der Stadt
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69 .
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mit mehr als Einer Pflicht 1099) und ihren Vorſte: hern mit Blut verwandt waren 1930), ritt Marquard bei dem erſten Anlaß wider ſie zu Deſtreichs Schaa
ren ; hieruiber verlor er Schenkenberg die hohe Burg und das ganze Amt an dem Bónberg 103 ). Thüring von Hallwyl, der alte , vielverſuchte unerſchütter:
tiche Freund Habsburgs (obwohl ſein Haus zu Bern und Solothurn in Burgerrecht 1051 ) ), war Landvogt der Herrſchaft 15 ) , wie feine Väter Marſchall und mit einem neuen lehen 1034) , und begab ſich nach Wien ., dem Kaiſer mit weiſem Rathſchlag beizu zuſteren 1035 15 ). Die von Müllinen , den Herzogen
mit Freundſchaft perſönlich ergeben 1636) , übergaben den Bernern ihre Burgen 1037), erſt als die Schwäche Erzherzog Sigmunds und die Verlegenheiten des Kaiſers den Aargauer Herren alle Hoffnung genom: men 1038). Da wurden ſie , dem Hauſe nicht fremd, aber zugleich Bürger und Ráthe von Bern , durch Heirathen in machtige Geſchlechter vermiſcht 1039 ).
Hingegen der von Rheinach wollte ſeine um Habs burg liegenden Güter eher verlieren , als Richter ehren , die nicht Sigmund geſekt 100) ; es behagte ihm nicht, daß Bern ſich des Volfs annahm 11),
und die Rheinach hatten Feindſchaft mit Buben: berg 1047). Von wegen einer Sunime, die ein alter Herzog einem Herrn von Mühlheim ) auf die Aargauer Stádte verſchrieb, wurden ſie (vergeblich) vor fremden Gerichten geſucht 104 ). Beru beſchirmte ſie gegen unzuläſſige Ladungen 5) und die grund
108
Geſchichte der Sdweiz. IV. Budy.
loſen Anſprüche der Herren 1016 ). Bei urkundlichen Recht blieb jeder 1047) ; die Berner erwarben durch Sauf den Thurm der alten Grafen von Lenzburg 1948 1-8). Als Bern der Mitwiſſenſchaft des Anſchlags einiger
Abenteurer auf den Stein zu Rheinfelden beſchul diget wurde , entbrannte das Ehrgefühl ro 1049), daß die Urheber der That ſtreng beſtraft 15e) und nicht geruhet wurde, bis durch förmliche Unterſuchung die Unſchuld der Råthe erwieſen war 1951). Die Ge meinſchaft über das alte Karlowingiſche Bipp Sk) und über das Erbe von Bechburg und einige aus der verwilderten Gegend 1053) an altrömiſcher Heerſtra Be r5t ſchön erwachſene Dörfer 1055) wurde zwiſchen Bern und Solothurn To getheilt , daß die Bequem lichkeit beobachtet, eintragliche Vortheile aber freund :
lich an Solothurn uberlaſſen wurden 56). ( Von Solothurn. )
Solothurn , diebſeits der wilden Clauſen des A
Hauenſteins die erſte Stadt, war in Sitten und Grundráßen ſo ſchweizeriſch , daß fie den Eidgenoſ fen ohne Sduldigteit 1057) in Kriegen zuzog. Wenn
die Eiferſucht zwiſchen Städten und Ländern nicht ſchon dainals beſtanden håtte , ſie ware ohne Zwei fel früh in die ewigen Vůnde aufgenommen wor: den 158). Der älteſte, engſte Bund war mit Bern.
Obwohl dieſe leştere Stadt nach ihrem eigenthům lichen Geiſt und beſſeren Gelegenheiten fich ſtårker vergrößerte , wurde doch auch Solothurns Freiheit, Würde und Flor vornehmlich durch dieſe Verbindung .
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft .1450-69 . 109 befördert. Am nächſten kam ihr die Freiburgi ſche. Auch Biel , und (nach dem Recht alter Frei
beit ) Burgdorf 1059 ) waren Solothurn verbún det. Straßburg ) und entferntere Städte auf der: ſelben Straßew61 ) erfuhren ihren Beiſtand fo rúhm lich , daß der Kurfürſt von der Pfalz um ihre Freund ſchaft warb 16 ). Ehrfam in allem , freute ſich So: lothurn den großen burgundiſchen Herzog zu bewir then 183) ; ihre Haupter 1064) widen bis Neufchatel
nicht von ihm . So genos in einem Feuerſchaben Bern mos), Augsburg zu einem foſtbaren Bau 1 ), der Solothurniſchen Freigebigkeit ; nicht aus Stoly, das Gleiche wurde geringern gethan 1067 ). Jener Zeit: raum des Emporſtrebens hatte einen gewiſſen Froh finn , bei Bewirthung und Geleitung verburgrech teter Großen 168 ),1 wenn benachbarte Freunde einen .
Ehrenbeſuch machten 169) oder von Solothurn Schult:
heiß und Ráthe bei andern Stådtén zu Faßnacht ritten 170 ) , oder wenn Schießgeſellen ein paar úber: ous große Odſen zu verkurzweilen gegeben wur:
den 17). Auch wurde etwa für die Bürgerſchaft im Stadtgraben ein Hirſch aufgejagt 107€) oder auf dem Rathhauſe , nicht ohne Weiber , nicht ohne Tanz, ein Fiſchmahl gegeben 1073) , oder bei allgemeinem Zulauf des Landes das Schauſpiel des Lebens einer heiligen Frau vorgeſtellt 1074 ). Hanns von Fleden
ſtein gab feine Pfründe , auf daß zu St. Urs die Feier der Gottesdienſte durch einen Organiſten er:
hohet werde - ). Unglüdliche ohne Vaterland 1876)
106
Geldjidite der Schweiz. IV . Budy.
ner Aufbruch war, bewahrten die Stadt Bern ; man wollte ſie nicht gegen óſtreichiſche Banner in Verle genheit bringen.
Wo in den Bergen und Auen um den Bieler See durch alte Kriege, Kauf, oder urſprünglich, die Berniſche Herrſchaft mit der Biſchofbarelſcher.,I mit den Rechten und Freiheiten Biels und der Neuen ftatt, und den Gewohnheiten bald jeder Gemeine
und eines jeden Şeſchlechtes verwickelt waren , er forderte der öffentliche Fortgang neue Verträge und Ordnungen : wie bergebrachte Feldfahrten ,
Holz
gånge und Weidrechte mit Einſchlagung der Aumen
de , Forſtpolizei und Einſchränkung der Brache zu vereinigen 10" ), wie dem leibeigenen Landmann zu erſt in die Freiheit, hierauf zu der Gleichheit, ohne
Nachtheil offentlicher Anſtalten der Weg zu off nen 1055), wie dem Landwirthe bei Capitaliſten Sre dit zu machen 1634), wie es mit Erbbürgern mehr als einer Herrſchaft zu halten fen, damit ſie weder uber vortheilt wurden, noch der Schuldigkeit fich entzie ben können 5) und auf daß die Vermiſchung der Herr lichkeiten kein Freibrief für Verbrecher werde 1016 ). In Aargau war die Oberhand der Stadt Bern unſtreitig. Doch noch neigten ſich die großen Ge: ſchlechter aus alter Treue und nach des Adels Sitte Habsburg zu , und ſuchten lehenrechte , oder veral:
terte Pfandſchaften , auf alle Weiſe zu erhalten. Die Erben von Grünenberg 1097) forderten ſeine Stamm burg zurück 1098 ). Obwohl die von Baldeck der Stadt
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69 .
107
mit mehr als Einer Pflicht 1039) und ihren Vorſte hern mit Blut verwandt waren 1930), ritt Marquard bei dem erſten Anlaß wider ſie zu Deſtreichs Schaa ren ; hierüber verlor er Schenkenberg die hohe Burg und das ganze Amt an dem Bónberg 13). Chúring von Hallwyl, der alte , vielverſuchte unerſchütter: liche Freund Habsburgs (obwohl ſein Haus zu Bern und Solothurn in Bürgerrecht 1051) ), war Landdogt der Herrſchaft 1055 ) , wie ſeine Väter Marſchall und mit einem neuen lehen 1936) , und begab ſich nach
Wien , dem Kaiſer mit weiſem Rathſchlag beizu zuſtehen 135). Die von Mulinen , den Herzogen
mit Freundſchaft perſónlich ergeben 1036 ), übergaben
den Bernern ihre Burgen 1037), erſt als die Schwache Erzherzog Sigmunds und die Verlegenheiten des Kaiſers den Aargauer Herren alle Hoffnung genom men 158). Da wurden ſie , dem Hauſe nicht fremd, aber zugleich Bürger und Räthe von Bern , durch Heirathen in machtige Geſchlechter vermiſcht 1039 ). Hingegen der von Rheinach wollte ſeine um Habs:
burg liegenden Gúter eher verlieren , als Kichter ehren , die nicht Sigmund geſekt 100) ; es behagte ihm nicht, daß Bern fich des Volks, annahm 1041),
und die Rheinach hatten Feindſchaft mit Buben: berg 104+). Von wegen einer Summe , die ein alter Herzog einem Herrn von Mühlheim 1045) auf die
Aargauer Städte verſchrieb, wurden ſie (vergeblich ) vor fremden Gerichten geſucht 15 ). Bern beſchirmte ſie gegen unzuläſſige Ladungen
) und die grund
108
Geſchichte der Sdweiz.
IV. Buch.
loſen Anſprüche der Herren 16). Bei urkundlichen Recht blieb jeder 1017) ; die Berner erwarben durch Kauf den Thurm der alten Grafen von Lenzburg ).
Als Bern der Mitwiſenſchaft des Anſchlags einiger Abenteurer auf den Stein zu Rheinfelden beſchul: diget wurde , entbrannte das Ehrgefühl To 9), dan die Urheber der That ſtreng beſtraft 10%o) und nicht geruhet wurde, bis durch förmliche Unterſuchung die Unſchuld der Räthe erwieſen war 105'). Die Ge meinſchaft über das alte Starlowingiſche Bipp 15 ) und über das Erbe von Bechburg und einige aus der verwilderten Gegend 1053) an altrömiſcher Heerſtra: Be rost ſchon erwachſene Dörfer 1055) wurde zwiſchen Bern und Solothurn ſo getheilt , daß die Bequem: lichkeit beobachtet, einträgliche Vortheile aber freund :
lich an Solothurn überlaſſen wurden 56). ( Von Solothurn. )
Solothurn , dießreits der wilden Clauſen des Hauenſteins die erſte Stadt, war in Sitten und
Grundfäßen ſo ſchweizeriſc , daß ſie den Eidgenor ſen ohne Schuldigteit 1057) in Kriegen zuzog. Wenn die Eiferſucht zwiſchen Städten und Ländern nicht fchon dainals beſtanden hatte , ſie wäre ohrie Zwei fel frúh in die ewigen Bünde aufgenommen wor :
den 1958). Der ålteſte, engſte Bund war mit Bern. Obwohl dieſe lektere Stadt nach ihrem eigenthům lichen Geiſt und befferen Gelegenheiten ſich ſtärker vergrößerte , wurde doch auch Solothurns Freiheit, Würde und Flor vornehmlich durch dieſe Verbindung
6.5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69. 109 befördert. Am nächſten fam ihr die Freiburgi: ſche. Auch Biel , und (nach dem Recht alter Frei: beit ) Burgdorf 1059 ) waren Solothurn verbún det. Straßburg ) und entferntere Städte auf der: ſelben Straße 161) erfuhren ihren Beiſtand fo rúlm lich, daß der Kurfürſt von der Pfalz um ihre Freund ſchaft warb 16 ). Ehrfam in allem , freute ſich So: lothurn den großen burgundiſchen Herzog zu bewir then why) ; ihre Häupter 105 ) wichen bis Neufchatel nicht von ihm . So genos in einem Feuerſchaden .
Bern robs) , Augsburg zu einem koſtbaren Bau 1066 ), der Solothurniſchen Freigebigkeit ; nicht aus Stoly, das Gleiche wurde geringern gethan 16 ). Sener Zeit: raum des Emporſtrebens batte einen gewiſſen Froh
finn , bei Bewirthung und Geleitung verburgred teter Großen 168 ),. wenn benachbarte Freunde einen Ehrenbeſuch machten 1069) oder von Solothurn Schult: heiß und Ráthe bei andern Stådten zu Faſnacht ritten 1* 70) , oder wenn Schießgeſellen ein paar úber: ous große Ochſen zu verkurzweilen gegeben wur: den 17 ). Auch wurde etwa für die Bürgerſchaft in Stadtgraben ein Şirſch aufgejagt ) oder auf dem Rathhauſe , nicht ohne Weiber , nicht ohne Tanz, ein Fiſchmahl gegeben 1073) , oder bei allgemeinem Zulauf des Landes bas Schauſpiel des Lebens einer heiligen Frau vorgeſtellt 1074). Hanns von Fleden ſtein gab feine Pfrúnde , auf daß zu St. Urs die Feier der Gottesdienſte durch einen Organiſten er :
hóhet werbe 15). Unglückliche ohne Vaterland 1976)
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1
Geſchichte der Schweiz.
IV. Buch.
oder durch Noth deffen beraubt 10: ) , wurden bei Durchzügen mit Brod geſtärkt. Verbrechen , inſofern fie nicht bloß eingebildet
waren 178) oder von einem aller Bosheit feilen un gebeuer 179) und im Geld 1080) verübt wurden , hat: ten jenen Muthwillen der Kinderjahre des Mens Tchen , der aus Leichtſinn grauſam iſt 108') , oder fie floffen aus einer zu Wolluſt 108t) und Rache 185) ge neigten Aufwallung , wie man ſie in der Jugend 1
zeit hat .
Fehden , Waffenthaten , wagte ein anſehnlicher Hauptmann 108k) oder eine Geſellſchaft 1085), ſelbſt ge gen Deſtreich 1986) , oft ohne obrigkeitliches Vorwiſ fen . Die Regierung ergriff die Waffen vielfältig
für verburgrechtete 13), auch gegen lúſterne Twing herren , wenn ſie die Menſchlichkeit verlegten 1998) ; für Sachen der Stadt trug man ſie bis nach Lothrin gen hinein 1989) ; doch war mit Rechberg 1 ), Món denſtein 19 ), Falkenſtein und Eptingen der meiſte , bitterſte und unverſöhnlichſte Hader. Es gefiel je
nem Thomas von Falkenſtein , deſſen Lafter wir ge: fehen haben ), in dem brei und zwanzigſten Jahr nach ſeiner That zu Brugk , zu deren Nache Solo thurn geholfen 109?) , diere Stadt unter gewiſſenhaf tem Vorwand für die Seelenruhe einiger damals Umgekommenen ing ) auf das trokigſte 1) zur Ge nugthuung aufzufordern. Dieſes wurde mit Ver achtung abgewieſen 196 ). Als aber die unruhigen
Leute Hanns Bernhards yon Eptingen zu Pratelen
C. 5. Schilderung der Eisgenoſſenſchaft v. 1950-19. 111 (deren einige mit Eigenſchaft nach Solothurn gehör: ten 199) ) , dieſe Stadt verleiteten , Pratelen eins zunehmen und ihm großen Schaden zuzufügen 1838 ), fam dieſem zu ſtatten , daß er , als ein verſtandiger
Ritter , in den großen Kriegen eine gegen Deſtreidy
entſchuldbare 1999 ), für die Schweiz unbeleidigende rin) Neutralitat hielt. Ebler Sitte nicht weniger als der Klugheit eingeben ), fuchte er eine Fehde ge
gen Solothurn durch manches große Rechtbot 119 ' ne ) und Aufforderung der ſchweizeriſchen Ehrlichkeit 1105) zu vermeiden. Der Anſchlag , einige Ortſchaften vergeltungsweiſe zu liberraſden , mibglúcte ibin
)
aber die Schweizer ) und die größten benachbar: ten Herrſchaften ) machten gemeine Sache für ſeine Herſtellung und Sicherheit **).
Die Vergrößerung des Gebietes war nie das Werk ungerechter Gewalt, ſondern búrgerlicher Zuſainmens ſteuer des ehrenhaften Sparpfenniges : fey es, daß unordentliche Haushaltung der lekten von Ram ſtein 1108) benußt wurde, um durch Kauf der Herr fchaft Gösgen ing) eine Strece der Ware zu ſichern , oder durch Ankauf Seewens ' 0) gefáhrlichen Hån =
deln vorzubeugen ; oder das Graf Oswald van Chier: ſtein , in große Geſchäfte verwidelt , feine verpfán :
dete Stammburg der Stadt uberließ " ); oder daß die furchtbaren Burgen in den Clauſen und auf den Höhen des Jura pon geldbedúrftigen Ewingher
ren " ') , oder eine ſchöne Herrſchaft von dem Edel: mann ' 3) der Stadt verkauft , oder um burgrecht:
Geſchichte der Soweiz. IV. Buch.
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lichen Schuß geöffnet wurde 1 ). Ihr Geld 5), ihre Mannſchaft "16) und Berbindung wurden geſucht.
In erneuerten Ringmauern ſtart "''') , durch koſt bare Thurme mühſam geſichert " ), vermittelſt kunſt: reicher Stadtuhren zu jedem Lebensgeſchäfte " ) ,
durch große Gloden zu ſchneller Verſammlung und
Aufbruch geordnet no) , lag die Stadt Solothurn, mit erleichtertem Zugang für Freunde *), den Fein: den trokig , mitten im Land.
Scultheiße hatte ſie, welche noch bei fraftvol: lem Alter gewåhlt , oft reich und wohlthätig " ' ), wie Wåter verehrt.15) , felbſt voll zutrauen ) ,
manchmal in den Jahren ihres Amtes ein Menſcens
aiter vorbeigehen Taben "'* ), und, bis in den Tod un ermüdet " 36 ), auch von Benachbarten betrauert wur den
). Solothurn forgte treu fuir hinterlaſene
Unmundige deſſen , welcher ſo lang der allgemeine I
Vater geweſen , ließ nicht geſchehen , das Hemmanns von Spiegelberg fchöne reiche Erbtochter nach der Paune der Mutter heimlich einem Fremden gegeben
werde , ſondern erhielt in Rechten , daß nach des 1
Baters Wunſch burd derſelben Heirath ſowohl der
Stadt Ehre und Nußen befördert , als die Ver: dienſte reines Nachfolgers am Schultheißamte Bern :
hards von alrein belohnt wurden ; Reinhard von Malrein bekam ſie " 8).
Die Einkünfte der Stadt waren an Geld keine fünftauſend Pfund 139) und pflegten unter der Aus
gabe zu ſeyn 11.). Nicht nur weil die Stadt Reute hielt,
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſdhaftv .1450–69 . 113
hielt, auf ihre Feinde zu gehen 131) , und für die 112 Bürgerſchaft Waffen beſorgte tus); es waren auch Speicher 1153) und Keller für unvorzuſehende Noth,
und um die Lebensmittel in billigem Preiſe zu hal ten ***). Augerordentliche Ausgaben wurden durch Steuern beſtritten , von welchen auch Geiſtliche 1135)
und Landleute 1136) nicht ausgenommen , und die, nach damals hohem Geldwerthe 957) , nicht unbe tráchtlich waren. Doch das Land wurde immer ber fer gebaut 1138 8 ), und ſchon fanden ruſtige Jünglinge
eine Hülfsquelle bei der Leibwache auswärtiger Für: ften 199 ). (Bou Bare 1.)
Aus dem Solothurniſchen führt über den obern
und untern Hauenſtein eine gedoppelte Straße an den Rhein , durch Landſchaften , welche vornehmlich
Baſeliſch wurden. Schon glaubte man , von Baſel Sicherung der Wege zwiſchen Waldenburg und lie ſtat fordern zu können 140). Verkleidete Räuber 30 gen mit heimlichen Waffen durch das Land ; dann
rief der Schall eines Horns die verborgene Rotte ; die Beraubten mußten auf ihr Leben ſchwören , nie
wieder hierher zu kommen " ). Für iingerechte Ge walt waren Große vereiniget ; ſie ſcheute nicht wurde
des Prieſters t ) , nicht eines Geſandten geheiligtes Amt 13). Oft war gar keine Polizei wegen eines unentſcheidbaren Streits um die Rechte weitläufti:
ger Verwandten oder entfernter Herren 148). Da ber kam , daß zu fieſtal zwei Rathsherren über die s. v. Müllerð rámmti. Werte. XV.
8
114
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
Thorwache gereßt wurden , und wie bei Tage ein Senecht auf dem Kirchthurm , ſo jede Nacht einer vom Rath in dem Schloß wachen mußte * ). Nes ben der Treuloſigkeit war in den Sitten eine ſolche
Rauhheit, daß, als das Weib eines Gefangenen nur ſein halbes Lóregeld zuſammen bringen konnte, die Leute auf der Farnsburg fie nöthigten 3:46 ), ſeine Hinrichtung zu ſehen. Als eine andere zehn Sul den brachte , damit ihrem Mann nur eine Hand abgehauen würde , gaben ſie ihr beide in ein Kórb
chen " ). Wilhelm von Runs, Herzog Albrechts Vogt auf der Farnsburg , hatte durch Martern ei nen zu der Ausſage gezwungen , daß die Baſeler
initten im Frieden durch ein Nebenpfórtchen is) die Burg einnehmen wollen ; als er zu Rheinfelder überwieſen und geviertheilt wurde, befahl der Vogt,
ihm ſogleich das Herz auszureißen , damit er nicht mehr reden fónne 189). In folchen Zeiten der Unſicherheit und rauhen
Gewalt bluhete durch Ordnung, Weisheit und Kraft Baſel empor. Vor allen Städten glänzten die Wafa fen und Männer , die Burkard von Rotberg, Rits
1452 ter , Bürgermeiſter von Baſel, zu Verherrlichung der Kaiſerkrónung nach Rom geführt; dafür bekam er die große Urkunde der Freiheiten , welde jähr lich vor Niath und Bürgern geleſen wurde "150 ). Ohne ihren Sturmzeug , ohne die Männer, welche Flachs land und Berenfels führten , wurden die gewalti gen Thurme und Mauern der Hohenfónigsburg auf
6. 5. Stiterung der Eidgenoſſenſchaft 8. 1450–69. 115
der ſchwer erſteigbaren Bergſpiße nie gebrochen und 1462 ferners durch Geſellſchaft der Udeligen von da herun: ter Räuberci getrieben worden ſeyn 15 ). Die größte Verlegenheit machte der Thierſteiniſche Graf
Oswald , ein Jüngling voll Thátigkeit, erfinderiſch, liber die Mittel gleichgültig , wenn er ſich nur die fer Stadt bemächtigen fonnte.
Zuerſt brachte er
Geld zuſammen '59) und verſorgte Pfeffingen, eine
ſeiner Vurgen an dem blauen Berge über der Birſe ob Baſel; aber er wurde am gefährlichſten durch fein Burgrecht und ſeine enge Freundſchaft mit Sos
lothurn und Bern '53) ; hiedurch wurden die Bare: ler zu Rúdfichten genothiget. A18 Oswald von ih nen ſiebenzehntauſend Gulden forderte (unfoſten einer von ſeinem Vater in öſtreichiſchem Dienſt wi der Baſel geführten Fehde , wofür die Stadt ihm nichts ſchuldig war 15) ) , half kein Rechtbieten ; er mufte mit Geld befriediget werden 55 ).
Hierauf
machte der Graf einen Anſchlag, während der Zunft mahlzeiten in der Neujahrsnacht durch einen pad :
Inecht in Vafel ein Wirthshaus anzunden zu laſſen ,
und unter dem Lárm durch zweihundert bereinge brachte Söldner das Eſchemerthor einzunehmen . Bei Entdedung ber Sache wurden die Söldner,
meiſt Schweizer , nur der Stadt verwieſen 16). Als er endlich mit Bewilligung der kaiſerlichen
Reichscanzlei (welche die Localverhältniffe nicht fen nen mochte "15 ) ) auf dem großen Handelsweg nabe
bei der Stadt einen Zoll errichtete '58) , drohete So
116
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
lothurn , wenn jemand ihn hindern wolle. Von dieſer Beſchwerde half den Bafelern jene Núcefícht für die Schweiz, welche zu erwidern die Eidgenoſ fen bei Solothurn veranlaßten , daß dieſem unruhi
gen Mann das Burgrecht aufgeſagt werde ; theils Kühnheit ; fie fuhren hinaus , verbrannten die Zoll ſtatte und führten die Einnehmer hinweg 59).
Nur ſolche Edelleute waren vertrieben worden, die der Stadt feind waren 16). Das Stadtweſen wurde mit Ordnung und Einſicht geführt. Der ge fáhrlichſte Theil der Menſchen, die weder Gut noch Ehre zu verlieren haben 1161), und gegen deren Kühn: heit , Liſt und Menge die Polizei der meiſten Lån: der in ewigem , ungleichem Kampf liegt 16- ), wurde
mit menſchenfreundlicher Weisheit zu einem gewiſ fen Rechtgefühl gebildet 1163) und für eine Obrigfeit, welche dieſen Leuten fo gut geſchehen ließ , ge wonnen 16 ).
Was aber Baſel vor allen ſchweizeriſchen Stád ten auszeichnet, war der Gedanke , für die auf blühende Welt eine Schule der Bildung zu veran ſtalten ; ein Verdienſt , nicht wie andere für den Augenblic und eine vorübergehende Verfaſſung, ſons dern , durch Einwirkung vieler dadurch beförderten Arbeiten und entwickelten Fähigkeiten, für alle Zei: ten und die Menſchheit. Das Werk des Themiſto Fles mochte bei Cháronea Ein Tag vernichten ; der in der Akademie , im Lyceum, in dein Theater aus: geſtreute Same half der Stadt Athen noch neun
6. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft o. 1450--69. 117
hundert Jahre 1965). Cinſt wird die unſterbliche Liebe für ihre Alten zu ihrer Herſtellung begeiſtern . Das
Werk des erſten Brutus mochte Ein Tag bei Phi lippí vereiteln. Als Rom nach der Freiheit auch : die Welt verlor , blieb ſie durch Erinnerungen, die kein Papſt auslöſchen und kein Eroberer anderswo hin tragen kann , die ewige Stadt. Wenn im Grauholz der alten Erlache Wert unterging, mógen Eraſmus, Gesner, Bernoulli und Haller an andere edie Wege der Auszeichnung erinnern. Des Geiſtes Werf geht nie verloren ; andere leben nur dadurch . Aeneas Sylvius Piccolomini von Siena , an
Verſtand, Geiſt, núßlicher Gelehrſamkeit und Edel finn einer der erſten Männer , der in Zeiten des Conciliums als ein armer Jüngling ohne Namen
in dieſe Stadt kam , bald aber alle Augen auf das, was in ihm war, 309 , wurde unter dem Namen
Pius der Zweite 1166) zu der oberſten Würde der abendländiſchen Chriſtenheit erhoben , und liebte auch als Papſt die Wiſſenſchaften 16 ) , die Luſt feia
ner Jugend , den Grund feines Glücks und reine Zier bei der Nachwelt. Als die Nachricht von Er höhung des geliebten , bewunderten Aeneas nach Baſel kam , erwogen die Vorſteher die dankbare
Achtung , welche er für den Biederſinn ihrer In Ers wagung , daß genoffene Wohlthaten und Freuden
guten Stadt in Schriften bewieſen .
ſo einem Mann unvergeßlich ſind, bedachten fie ,
welche feiner wurdige , ihnen wichtige Gnade fie
118
Geldichte der Soweiz .
IV. Budy.
erbitten möchten . Der Biſáof zu Baſel, Hanns von Venningen, war in Führung der geiſtlichen und weltlichen Geſchäfte, ſelbſt wenn die Umſtände Waf: feu erforderten , ein fluger Herr , dem Geld und Macht nur Mittel waren zur Emporbringung des Hochſtifts , Aufrichtung herrlicher Gebäude und als
len Arten von Wohlthåtigkeit; ein Mann von Würde, Ordnung und Glüc , deſſen Freude auch an den Wiſſenſchaften war 116 ). Gregori , aus uraltem
Ritterſtamm von Andlau 169), ein erfabrner und ge lehrter Greis 10), war Dompropſt.
Sanns von
Flachsland, Hanns von Berenfels und Petermann Rot von Rotberg , alle drei edle Ritter und welt: kundige Männer , waren Häupter der Stadt " "). Unter ihrem Vorfiß beſchloſſen die Ráthe und Búr:
ger von Baſel, von Pius nid)t Neliquien , Gnaden: bilder , Jubeljahre , Ablaſſe , Wallfahrten , ſondern das zu begehren, was er als Aeneas am fröhlichſten geben wurde , eine Univerſitat. Denu das Reich der wiſſenſchaften , deren die Religion eine höchſts wichtige , und wenn man ſie recht nimint, von allen
das Reſultat iſt, war auch unter Aufſicht des erſten Worſtebers jener großen moraliſchenAnſtalt, welche
Chriſtenthum heißt " ? ). Es wurde um eben dieſe Zeit auch zu Freiburg im Breisgau eine hohe Schule verſucht "vs). Sonſt war in fámmtlichen ſchweizeris ſchen und Rheinlanden , bis an den Nedar für die Gelehrſamkeit nirgends Offentlich geſorgt; Paris
und Bologna die Mütter des Wiſſens , denen in
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft 6. 1450–69. 119 Deutſchland Wien , Heidelberg , Erfurt , Köln und Wenn Spitfindigkeiten
Leipzig nacheiferten " ).
dem geiſtlichen oder weltlichen Schwaber ju Berwire rung des einfältigen Rechtsſinns und Verſtandes dienten , fo machte dagegen die Unwiffenheit in al
ten Sprachen die Früchte jener höchſten Ausbildung, welche unter den Griechen war , und die Urſchrif ten des Chriſtenthums unzugänglich) "75). Wohl erinnerte ſich Pius , wie miſtróſtlich ihni einſt war , in dieſen Landen von den Alten ,. den
1
Lieblingen aller gebildeten Menſchen , gar keine Istenntniß gefunden zu haben.
Mit Freuden ver:
nahm er zu Mantua mitten unter den größten Ge ſchaften " 76) die Botſchaft von Baſel. „Nichts Größe: 1459 pres,“ ſprach er 177 ) , „ iſt den Sterblichen gegeben , nos. .
mals die Perle der Wiſſenſchaft erarbeiten zu fón: mnen . Durch ſie wird der Sohn des armen Man: „ nes dem König nothwendig. Sie erhebt vom
„ Staube den ewigen unendlichen Geiſt. Sein Gut „ wird wie ſie durch die Mittheilung immer größer. Wie ſollte der apoſtoliſche Stuhl , der zu Beförde:
„rung des Guten iſt, ſolche Bitte unerfüllt laſſen! Ja , im Namen Gottes (möge es zu großem Vor:
11
,,theil des Glaubens, des Rechts und aller Geiſtes:
bildung fenn !) , die Bürgermeiſter , die Ráthe rund Bürger der ſchönen , geſunden, zu allem woll gelegenen Stadt Baſel erhalten hiemit auf ewige Zeiten eine univerſitát , wie Bologna , in al
,,ler göttlichen und menſchlichen erlaubten Wiffen
120
Gejšiúte der Soweiz. IV. Bucy.
„ [chaft und allerlei geiſtlichem und weltlichem Recht.
„Unſer ehrwürdiger Bruder , der Biſchof, uno „ wer zu Baſel Biſdof nach ihm ſeyn wird, rep üni „ verſitátseanzler ." . Aut Pirúnden Bajelicher und nahe gelegener Stifte weibete er für die Lehrer 1173). Alen bepfrúndeten Geiſtlichen erlaubte er ohne Ab bruch des Einfommens dieſe Schule zu beſuchen '79). Freudig ihieden die Geſandten ; Baſel erkannte fet nen deneas . 1460 4.
April.
früh, auf St. Ambroſius, des gelehrten, uner : [droctenen Bichofs Tag , jog der Biſchof Johann in feierlidem Kleide mit allen Domherren , Stiftern und Orden, und der Ritter Hanns von Flachsland, regierender Bürgermeiſter , mit allen Ráthen und
Bürgern und ganzer Gemeinde der Stadt Barel, hinauf in das große Múnſter ; woſelbſt nad der Un : dacht eines hohen Umtes der Bürgermeiſter dem Biſchof die Bulle úbergub, Johann die Einweihungs rede hielt und als Canzler den Domprovſt von Und lau zum Fiector fekte *). Hierauf erſchalte der Umbroſiide Lobgejang ; denn groß war der Tag fúr der Stadt Nußen und Würde, noch mehr wegen der
nicht zu bered nenden Entwiclungen und Entdedun gen , die durch ſo eine Unitalt geſchehen fónnen. Hierauf 181) wurden die afademiſchen Freiheiten, Ordnung und Beſoldungen verabredet. Univerſitá ten ſind Republiken meiſt fremder , immer wedſeln :
der , gewöhnlich junger Vúrger. Von ſeines Gleis den gerichtet zu werden ( freier Menſchen alte Sitte)
6.5 . Schilderung der Eibgenoſſenfahaft v. 1450-69 . 124
erhielten ſie durch Regenz, Gericht und Nector, der
ren Wahl mit ihrer Theilnahme geſchah . Die Stadt erklärte fie bürgerlicher Laſten 182) frei. Das Leben 3183 verſprach ſie zu erleichtern 85). Unberufenen , die nach unvollſtändigen , oft mißgedeuteten, unzuſam menhangenden Beobachtungen Arzneiweſen úben 1184 ),
wurde der gemeinſchádliche Betrieb unterſagt. Ein vergoldeter , filberner Stab , filberne Sigille und ?
ein großes Haus am Rhein , weiland der Edlen Schaler Siß 1185) , wurde der Univerſitát ' gegeben . Im übrigen lebten die Studenten geſellſchaftlich ,
wirthſchaftlich und anſtändig mit einander in Bór Ten 1126) , in Freiheit , Freundſchaft und Angewoh nung zu Fleiß und Regel 1187 ). Unterſchleif 1183 ), eis
gennukigen , ſittenloſen Mißbrauch der Priviles gien 1189 ) , freche, beleidigende manieren 1190) verbot ,
Andlau in dem erſten Programma. In kurzem ka men zweihundert und zwanzig Júnglinge zu der neuen Schule 119') ; die freundliche freie Stadt ge fiel großen Gelehrten ; wir werden Meldung derſela ben thun.
Es fonnte nicht fehlen, daß wachſame Weisheit,
auch in dem Lande der Stadt Oberhand gab. Die Farnsburg , wie ſie uiber der holden Sennerei aus Tannen und Buchen mächtig emporſtieg , der Vor våter Siß , der gegen die Schweizer gehalten, dieſe vermochte Thomas von Falkenſtein gegen Gläubiger nicht zu behaupten 692); Baſel verſorgte die ertaufte Feſte als Schußwehre des Landes 193 ), Immer
122
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
neue Geldnoth brachte Gók Heinrichen von Eptin gen zum Verkauf Siſſachs 1194) , welches noch nicht
groß , doch der fifganiſchen Landgrafſchaft Haupt Fleden war 1195). Der alten Fomberger Grafen Stammſit wurde auch Baſel verkauft 196). Eigene
Leute, ohne freie Wahl in der wichtigſten Handlung des Lebens 19) , die kauin vor Gericht wahre Kund
schaft geben durften 198) und um geringes Geld ver kauft werden mochten 1199 ) , bauten der Herren Gú ter ) ; doch mußten Menge und Wohlſtand nach und nach geehrt , Richter ihres Gleichen auch ihnen
gegeben 180 '), ihres Gleichen über die Rechte vernom: Men werben * ). Von ihren Einungsmeiſtern wurde die Wirthſchaft des Dorfes beſorgt 1805 ). Es war in feinem Etter wie eine geſchloſſene Republik tok), ihr Grund und Boden fremder Herrſchaft verboten '805). Die große Stadt brachte die Rechte der Herren an
fidh; die Söhne ihrer bitterſten Feinde bedurften ihres Geldes 1906 ), ihrer Hülfe Hor) und Vermitt (ung 16). (Vom Bisthum Bares.
Die Biſchöfe von Baſel , umgeben von einem Domcapitel , in welches nun teiner ohne vier un wordenklich) adelige Ahnen tam, in ſchönen und neuen Paláſten zu Baſel und Bruntrut ** le ), regier ten mit Mühe ein Land , wovon erſt Johann von
Venningen ein Theil zurückgebracht " '). Zu Biel hatte der Fürſt viele Hoheit in Worten " ) , in der Chat wenige Macht ). Arguel war im Geiſtli:
1
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450-69. 123 chen zwiſchen ihm und Lauſanne 1944) , in weltlichen
Dingen zwiſchen ihm und Biel 1215 ), der Teſlenberg zwiſchen ihm , Biel 6) und Bern "*"), die Neuſtadt zwiſchen ihren Pflichten für ihn und Neufchatelli ſche Nachbären "18), Münſterthal zwiſchen Solothurn 13
und ihm " 19 ), ſelbſt St. Urfiger ** ) , ja die Seeberr 122
ſchaft *) und ſein Eigenthum an jenſeitigen Leus ten * ) ungewig und ſchwankend. Daber die Ver legenheiten , wodurch bewogen Biſchof Arnold von Notberg dem Papſt Nicolaus die Anfrage that : ob er die (von dem Concilium unterſagten ) Annaten
und Sigilsgebühren heben dürfe ? Der Papſt gab zur Antwort : „wenn fie rechtmäßig , To brauchen „ lie teine Erlaubnis , wenn ungerecht, ſo fónne mer die Erlaubniß nicht geben.“ Arnold wußte
dieſe Sprache zu beurtheilen und hob ſo viel er ver mochte 1993 ).
Eben derſelbe erſtreckte biſchöfliche Be:
fugniß auf die Butterbriefe * ) , die nicht unbedeu:
tende Gelder eintrugen 1995 ). Hierin war Johann von Benningen beſcheidener 186); Indulgenzen erſe:
ten, was er der påpſtlichen Sanzlei zufließen ließ 1827) . .
Das Låndchen am See blieb fürſtlich, durch die zwi: fchen der Neuſtatt und Biel beſtehende Eiferſucht 1928)
und weil Biel mit Bern über Kleinigkeiten ſtritt "9) anſtatt für das Große zuſammenzuhalten .
Miß
trauen hemmt alles ; dadurch fällt nun das euro páiſche Staatenſyſtem . Den ſchwachen Hof der Herzoge von Savoyen ; den weiſen Sforza ; Oranien, Greyerg, Neufchatel,
124
Geſchichte der Schweiz.
IV. Budy.
durch Klugheit und nachgiebige Freundlichkeit ge fichert; Genf unruhig wachſam auf die Freiheit ; Freiburg , durch Unruhen unter nähere Herrſchaft gebracht; im Sanenland Freiheitsliebe mit Ehr ſucht ; die alten Schweizer in ſtillem Genuß ; die Bündner noch kämpfend ; den unternehmenden Abt von St. Gallen glúdlich , außer gegen Appenzelle Feſtigkeit und gegen die beharrlichen Plane der
Stadt ; die Städte voll Muth , erwerbend , in Ein: richtungen und Maßregeln fortſchreitend ; den lauf der Zeiten dem Adel , inſofern er ihn mißkannte, ungünſtig ; nichts Großeres als den alten ewigen Bund Hochteutſcher Lande, welcher ſelbſt Furſten , die fich fúgten , Sicherheit gab.
Das faben wir.
Seßt folgt, wie der Bund für die Vergrößerung des Namens und Landes , wie er für ſeine Freunde zu
Schaffhauſen und Mühlhauſen gewirkt , und in rol cher Maße furchtbar geworden, daß die außerordent lichſte Maßregel das einzige Rettungsmittel óſtrei chiſcher Herrſchaft in Oberteutſchland ſchien. Sechstes Capitel. Gemeinſame Geſchichten der Schweiz von dem Ende des in : nerlichen bis auf die Veranlaſſungen des burgundiſen Kriegs. ( 1450 — 1469.)
In dem tauſend vierhundert und funfzigſten
Jahr , in welchem die innerliche Unruhe durch den Bubenbergiſchen Spruch vollends getilgt worden, fandten die Schweizer achthundert auserleſene Krie
6.6 . Gemeinſame Geſc . der Sdjweiz 8. 1450–69 , 125
ger in die Fehde der Herren und Städte zu Schwa ben und Franken , welche man den großen Nürn: berger Krieg “) nennt. Die Herren haſten die Stådte, weil indeſſen ſie ſelbſt ſich gegen die tapfern
Keßer in Böheim
erſchöpft , Handelsbetrieb die
Stådte in ungemeine Aufnahme gebracht ") und eben
dieſelben in dem Schweizer Krieg :) durch heimliche Unterſtüßung meiſtens die Eidgenoſſen begünſtiget. Die Burger , trokig auf Reichthum , Volksmenge und Anſtalten , gaben deutlich zu verſtehen , daß die alte Scheidemauer zwiſchen verſchiedenen Standen
der Menſchen durch die Zeit untergraben worden“ ). Beide Cheile verblendete Neid über ihre verſchiedene Beſtimmung und Art , wornach fie hatten zuſam men beſtehen können ; welcher Menſch filhlt ſich nicht
mehr oder weniger als was er iſt! Die erſten Städte Schwabens waren Ulm und Augsburg , Nürnberg in Franken ; dort Wurtemberg , hier Brandenburg
Haupt ihrer Feinde ; das Haus Deſtreich war her riſch gefinnts). (Nürnberger Krieg.)
Die brandenburgiſchen Erblande zu Franken bez herrſchte Markgraf Albrecht , genannt Achilles, weil er an Große , Schönheit, Leibeskraft, an Verſtand und Feuer die meiſten Fürſten weit übertraf ; wie er denn in mehr Schlachten , als wovon jene geleſen hatten , der erſte und lehte geweſen , in allen Nits terſpielen , liebenzehnmal mit Schild und Helm be de&t , fonít aber nadend , feine Gegner niederge
114
Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
Thorwache gefekt wurden , und wie bei Tage eine
Senecht auf dem Kirchthurm , ſo jede Nacht einer vom Rath in dem Schloß waden mußte 1 ). Nes ben der Treuloſigkeit war in den Sitten eine ſolche Nauhheit, daß, als das Weib eines Gefangenen nur fein halbes Lóregeld zuſammen bringen konnte, die Leute auf der Farnsburg fie nöthigten 546), feine
Hinrichtung zu ſehen . Als eine andere zehn Oul den brachte, damit ihrem Mann nur eine Hand abgebauen wurde , gaben ſie ihr beide in ein Kórbs chen '' ).
Wilhelm von Runs, Herzog Albrechts
Vogt auf der Farnsburg , hatte durch Martern ei nen zu der Ausſage gezwungen , daß die Baſeler mitten im Frieden durch ein Nebenpfórtchen ins) die
Burg einnehmen wollen ; als er zu Rheinfelder überwieſen und geviertheilt wurde, befahl der Vogt ,
ihm ſogleich das Herz auszureißen , damit er nicht mehr reden fónne 119). In ſolchen Zeiten der Unſicherheit und rauben
Sewalt blúbete durch Ordnung, Weisheit und Kraft Baſel empor. Vor allen Städten glänzten die Wafs fen und Männer , die Burfard von Rotberg, Rit: 1452 ter , Búrgermeiſter von Baſel , zu Verherrlichung
der Kaiſerkrónung nach Rom geführt; dafür bekam er die große Urkunde der Freiheiten , welche jabr lich vor Niath und Bürgern geleſen wurde 150 ). Ohne
ifren Sturmzeug , obne die Nánner, welche Flachos land und Berenfeld führten , wurden ' die gewalti gen Thúrme und Mauern der Hohenfónigsburg auf
6. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft 8.1450-69. 115
der ſchwer erſteigbaren Bergſpiße nie gebrochen und 1462 ferners durch Geſellſchaft der udeligen von da herun: ter Räuberei getrieben worden ſeyn 11). Die grójte Verlegenheit machte der Thierſteiniſche Graf Oswald , ein Jüngling voll Chátigteit, erfinderiſd , liber die Mittel gleichgültig , wenn er ſich nur dies fer Stadt bemächtigen fónnte. Zuerſt brachte er Geld zuſammen 5 ) und verſorgte Pfeffingen , eine ſeiner Burgen an dem Bauen Berge über der Birſe ob Barel ; aber er wurde am gefährlichſten durch fein Burgrecht und ſeine enge Freundſchaft mit So lothurn und Bern 1153 ); hiedurch wurden die Baſe ler zu Rüdlichten genóthiget. A18 Oswald von ih:
nen ſiebenzehntauſend Guiden forderte (Unkoſten einer von ſeinem Vater in óſtreichiſchem Dienſt wi der Baſel geführten Fehde , wofür die Stadt ihm nichts ſchuldig war 154) ) , half fein Rechtbieten ; er s5 ). Hierauf mußte mit Geld befriediget werden 1155 machte der Graf einen Anſchlag, während der Zunft: mahlzeiten in der Neujahrsnacht durch einen pada
Inecht in Bafel ein Wirthshaus anzıinden zu laſſen , und unter dem Lärm durch zweihundert Bereinge : bradte Söldner das Efdemerthor einzunehmen . Bei Entdedung der Sache wurden die Sóldner , meiſt Schweizer , nur der Stadt verwieſen 1156). Als er endlich mit Bewilligung der kaiſerlichen Reichscanzlei (welche die Localverhältniſſe nicht fen nen mocyte 115 ) ) auf dem großen Handelsweg nahe
bei der Stadt einen Zoll errichtete " is) , drohete So
116
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
lothurn , wenn jemand ihn hindern wolle. Von dieſer Beſchwerde half den Bafelern jene Rückſicht für die Schweiz, welche zu erwidern die Eidgenof fen bei Solothurn veranlaßten , daß dieſem unruhi gen Mann das Burgrecht aufgeſagt werde ; theils Kühnheit ; fie fuhren hinaus , verbrannten die Zoll ſtåtte und führten die Einnehmer hinweg 1159). Nur ſolche Edelleute waren vertrieben worden , die der Stadt feind waren 16 ). Das Stadtweſen wurde mit Ordnung und Einſicht geführt. Der ge fährlichſte Theil der Menſchen, die weder Gut noch
Ehre zu verlieren haben 1161), und gegen deren Kühn: heit , Liſt und Menge die Polizei der meiſten Lán: der in ewigem ,1 ungleichem Kampf liegt 1161), wurde mit menſchenfreundlicher Weisheit zu einem gewiſ
ſen Rechtgefühl gebildet 1163) und für eine Obrigkeit, welche dieren Leuten ſo gut geſchehen ließ , ge wonnen 166).
Was aber Baſel vor allen ſchweizeriſchen Stad ten auszeichnet , war der Gedanke , für die auf blühende Welt eine Schule der Bildung zu veran ſtalten ; ein Verdienſt , nicht wie andere für den
Augenblic und eine vorübergehende Verfaſſung, ſon : dern , durch Einwirkung vieler dadurch beforderten
Arbeiten und entwickelten Fähigkeiten , für alle Zei: ten und die Menſchheit. Das Werk des Themiſto kles inochte bei Cháronea Ein Tag vernichten ; der in der Akademie , im Lyceum, in dein Theater aus geſtreute Same half der Stadt Athen noch neun:
6.5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450_69. 117
hundert Jahre 16). Cinſt wird die unſterbliche Liebe für ihre Alten zu ihrer Herſtellung begeiſtern . Das Werk des erſten Brutus mochte Ein Tag bei Phi
lippí vereiteln . Als. Nom nach der Freiheit auch : die Welt verlor , blieb ſie durch Erinnerungen, die kein Papſt auslöſchen und kein Eroberer anderswo hin tragen kann , die ewige Stadt. Wenn im 其
Grauholz der alten Erlache Wert unterging, mogen
Eraſmus, Gegner, Bernoulli und Haller an andere edle Wege der Auszeichnung erinnern. Des Geiſtes Werk geht nie verloren ; andere leben nur dadurch .. Aeneas Sylvius Piccolomini von Siena , an Verſtand, Geiſt, nůßlicher Gelehrſamkeit und Edel
ſinn einer der erſten Männer, der in Zeiten des Conciliums als ein ariner Jüngling ohne Namen in diere Stadt kam , bald aber alle Augen auf das, was in ihm war , 309 , wurde unter dem Namen Pius der Zweite 1166) zu der oberſten Würde der
abendländiſchen Chriſtenheit erhoben , und liebte auch als Papſt die wiſſenſchaften 116 ) , die Luſt feia ner Jugend ,1 den Grund feines Glücks und reine
zier bei der Nachwelt. Als die Nachricht von Er höhung des geliebten , bewunderten Aeneas nach Baſel kam , erwogen die Vorſteher die dankbare Achtung , welche er für den Biederſinn ihrer guten Stadt in Schriften bewieſen . In Ers wagung , daß genoffene Wohithaten und Freuden
ſo einem Mann unvergeßlich ſind, bedachten fie, welche ſeiner würdige , ihnen wichtige Gnade fie
118
Geľmichte der Soweiz.
IV. Buch.
erbitten möchten . Der Biſdof zu Baſel, Hanns von Venningen, war in Führung der geiſtliden und
weltlichen Geſchäfte, ſelbſt wenn die Umſtände Waf: fen erforderten , ein fluger Herr , dem Geld und Macht nur Mittel waren zur Emporbringung des Hochſtifts , Aufrichtung herrlicher Gebäude und al
len Arten von Wohlthåtigkeit ; ein Mann von Wurde, Ordnung und Glück , deſſen Freude auch an den
Wiſſenſchaften war 16 ).
Gregori , aus uraltem
Ritterſtamm von Andlau 169), ein erfabrner und ge lehrter Greis 17) , war Dompropſt. Hannd von
Flachsland , Hanns von Berenfels und Petermann Rot von Rotberg , alle drei edle Ritter und welt kundige Männer , waren Häupter der Stadt . ) . Unter ihrem Vorſik beſchloſſen die Räthe und Búr ger von Baſel, von Pius nicht Neliquien , Gnaden: bilder , Jubeljahre , Ablaffe , Wallfahrten , ſondern
das zu begehren, was er als deneas am fröhlichſten geben würde , eine Univerſität. Denu das Reich der Wiſſenſchaften , deren die Religion eine hódít: wichtige, und wenn man ſie recht nimint, von allen
das Reſultat iſt, war auch unter Aufſicht des erſten Worſtehers jener großen moraliſchen Anſtalt, welche Chriſtenthum heißt " ? ). Es wurde um eben dieſe Zeit auch zu Freiburg im Breisgau eine hohe Schule verſucht " ). Sonſt war in fámmtlichen ſchweizeris
ſchen und Rheinlanden , bis an den Neckar für die Gelehrſamkeit nirgends Offentlich geſorgt; Paris und Bologna die Mutter des Wiſſens , denen in
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450-69. 119 Deutſchland Wien , Heidelberg , Erfurt , Köln und Leipzig nacheiferten 17 ). Wenn Spitfindigkeiten dem geiſtlichen oder weltlichen Schwäßer zu Berwice rung des einfältigen Rechtsſinns und Verſtandes 1
dienten , fo machte dagegen die Unwiffenheit in al ten Sprachen die Früchte jener höchſten Ausbildung,
welche unter den Griechen war , und die Urſchrif ten des Chriſtenthums unzugänglich 175 ). Wohl erinnerte ſich Pius , wie miſtróſtlich ihm einſt war , in dieſen Landen von den Alten , den Lieblingen aller gebildeten Menſchen , gar keine i Stenntniß gefunden zu haben. Mit Freuden ver: nahm er zu Mantua mitten unter den größten Se ſchaften "76) die Botſchaft von Baſel. Nichts Große: 1459 1
wres ,“ ſprach er " ??) , wiſt den Sterblichen gegeben, nov. mals die Perle der Wiſſenſchaft erarbeiten zu fón: ,,nen. Durch ſie wird der Sohn des armen Man: „ nes dem König nothwendig. Sie erhebt vom „ Staube den ewigen unendlichen Geiſt. Stein Gut ,,wird wie ſie durch die Mittheilung immer größer. ,Wie ſollte der apoſtoliſche Stuhl , der zu Beförde: „rung des Guten iſt, folche Bitte unerfüllt laſſen !
w fa , im Namen Gottes (möge es zu großem Vor: ,,theil des Glaubens, des Rechts und aller Geiſtes :
vrbildung ſeyn !) , die Bürgermeiſter ; die Ráthe und Bürger der ſchönen , geſunden , zu allem wohl
gelegenen Stadt Baſel erhalten hiemit auf ewige
Zeiten eine univerſitát , wie Bologna , in al riler göttlichen und menſchlichen erlaubten Wiſſen
120
Geſčichte der Schweiz. IV. Buch.
Ichaft und allerlei geiſtlichem und weltlichem Recht. „Unſer ehrwürdiger Bruder , der Biſchof, und „ wer zu Baſel Biſchof nach ihm ſeyn wird, rey Uni „ verſitåtseanzler . . Acht Pfrúnden Baſelſcher und
nahe gelegener Stifte weibete er für die Lehrer 1178) . Aden bepfründeten Geiſtlichen erlaubte er ohne Ab bruch des Einkommens diere Schule zu beſuchen '79). Freudig ſchieden die Geſandten ; Baſel erkannte fets nen Aeneas . 1460 4. April.
Frih , auf St. Ambrofius, des gelehrten, uner ſchrocenen Biſchofs Tag , zog der Biſchof Johann in feierlichem Kleide mit allen Domherren , Stiftern und Orden, und der Ritter Hanns von Flachsland, regierender Bürgermeiſter , mit allen Rathen und Vürgern und ganzer Gemeinde der Stadt Baſel, hinauf in das große Münſter ; woſelbſt nach der An : dacht eines hohen Amtes der Bürgermeiſter dem Biſchof die Bulle übergab, Johann die Einweihungs
rede hielt und als Canzler den Dompropft von And lau zum Nector fehte 1 ). Hierauf erſchalte der Ambroſirche Lobgeſang; denn groß war der Tag für der Stadt Nußen und Würde, noch mehr wegen der
nicht zu berechnenden Entwiclungen und Entdeđun gen , die durch ſo eine Anſtalt geſchehen können. Hierauf 1 181) wurden die akademiſchen Freiheiten, Dronung und Beſoldungen verabredet. Univerſitas ten ſind Republiken meiſt fremder , immer wechſeln : der , gewöhnlich junger Bürger. Von ſeines Glei: chen gerichtet zu werden ( freier Menſchen alte Sitte)
E. 5. Stilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1950–69. 121
erhielten ſie durch Regenz , Gericht und Rector, des ren Wahl mit ihrer Theilnahme geſchah . Die Stadt erklarte fie burgerlicher Laſten 18 ) frei. Das Leben verſprac ſie zu erleichtern 1185). Unberufenen , die nach unvollſtändigen , oft mißgedeuteten, unzufam = menhangenden Beobachtungen Arzneiweſen úben "184 ) ,
wurde der gemeinſchádliche Betrieb unterſagt. Ein vergoldeter , filberner Stab, filberne Sigille und
ein großes Haus am Rhein , weiland der Edlen' Schaler Sitz 155) , wurde der Univerſitát' gegeben . Im übrigen lebten die Studenten geſellſchaftlich ,
wirthſchaftlich und anſtåndig mit einander in Börs ſen 1186 1:26) , in Freiheit , Freundſchaft und Angewoh nung zu Fleiß und Regel 1187). Unterſchleif 4183), eis gennukigen , ſittenloſen Mißbrauch der Priviles gien 1189) , freche , beleidigende Manieren 1190) verbot Andlau in dem erſten Programma. In kurzem ka men zweihundert und zwanzig Junglinge zu der neuen Schule 1196) ; die freundliche freie Stadt ge fiel großen Gelehrten ; wir werden Meldung derſel: ben thun.
Es konnte nicht fehlen , daß wachſame Weisheit, auch in dem Lande der Stadt Oberhand gab. Die
Farnsburg , wie ſie uiber der holden Sengerei aus Tannen und Buchen mächtig emporſtieg , der Vors váter Siß , der gegen die Schweizer gehalten , diere
vermochte Thomas von Falkenſtein gegen Gläubiger nicht zu behaupten 1.99); Baſel verſorgte die ertaufte Fefte als Schußwehre des Landes 1195 ).
Immer
122
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
neue Geldnoth brachte Gók Heinrichen von Eptin gen zum Verkauf Sifachstg ), welches noch nicht groß , doch der liggauiſchen Landgrafſchaft Haupt fleden war 1195 ). Der alten Homberger Grafen Stammſiß wurde auch Baſel verkauft 1196). Eigene
Leute, ohne freie Wahl in der wichtigſten Handlung des Lebens 1199) , die kaum vor Gericht wahre Kund daft geben durften 198) und um geringes Geld wer: kauft werden mochten '99 ) , bauten der Herren Gú terto ) ; doch mußten Menge und Wohlſtand nach und nach geehrt , Richter ihres Gleichen auch ihnen
gegeben 180'), ihres Gleichen über die Rechte vernom men werben **). Von ihren Einungsmeiſtern wurde die Wirthſchaft des Dorfes beſorgt 1805). Es war in
ſeinem Etter wie eine geſchloſſene Republik 1206), ihr Grund und Boden fremder Herrſchaft verboten
).
Die große Stadt brachte die Rechte der Herren an fich ; die Söhne ihrer bitterſten Feinde bedurften ihres Geldes 106 ), ihrer Hülfe 180) und Vermitt Lung ** ). (Vom Bisthum Baſel.
Die Biſchöfe von Baſel , umgeben von einem Domcapitel , in welches nun feiner ohne vier un
wordenklich ing) adelige Ahnen kam , in ſchönen und neuen Paláſten zu Baſel und Bruntrut ** ), regier ten mit Mühe ein Land ,1 wovon erſt Johann von
Venningen ein Theil zurückgebracht " '). Zu Biel hatte der Fürſt viele Hobeit in Worten * ) , in der Chat wenige Macht ) . Arguel war im Geiſtli:
C. 5. Schilderung der Eidgenoſſenſchaft v. 1450–69. 123 chen zwiſchen ihm und Lauſanne '?' ) , in weltlichen Dingen zwiſchen ihm und Biel 5 ), der Cellenberg zwiſchen ihm , Biel 1 ) und Bern " ), die Neuſtadt
zwiſchen ihren Pflichten für ihn und Neufchatelli ſche Nachbaren 18), Münſterthal zwiſchen Solothurn 13x
und ihm 9) , felbſt St. Urſiger 11 ) , ja die Seeberr:
ſchaft 1 !) und ſein Eigenthum an jenſeitigen Leus ten ' s ) ungewiß und ſchwankend. Daher die Ver legenheiten , wodurch bewogen Biſchof Arnold von Rotberg dem Papſt Nicolaus die Anfrage that : ob er die (von dem Concilium unterſagten ) Annaten und Sigillsgebühren heben dürfe ? Der Papſt gab zur Antwort : „ wenn fie rechtmäßig , fo brauchen „lie teine Erlaubniß , wenn ungerecht, ſo fónne
,,er die Erlaubniß nicht geben .“
Arnold wußte
dieſe Sprache zu beurtheilen und hob ſo viel er vers
mochte 1993). Eben derſelbe erſtreckte biſchöfliche Bez fugniſ auf die Butterbriefe 1 ) , die nicht unbedeu: tende Gelder eintrugen 1825 ). Hierin war Johann von Benningen beſcheidener 16); Indulgenzen erfen: ten, was er der påpſtlichen Sanzlei zufließen ließ ).
Das Låndchen am See blieb fürſtlich, durch die zwis ſchen der Neuſtatt und Biel beſtehende Eiferſucht " 18)
und weil Biel mit Bern úber Kleinigkeiten ſtritt 1 ) anſtatt für das Große zuſammenzuhalten. Miß trauen hemmt alles ; dadurch fått nun das euro páiſche Staatenſyſtem . Den ſchwachen Hof der Herzoge von Savoyen ;
den weiſen Sforza ; Oranien, Greyerz, Neufchatel,
124
Geſchichte der Schweiz.
IV. Budy.
durch Klugheit und nachgiebige Freundlichkeit ge fichert; Genf unruhig wachſam auf die Freiheit ; Freiburg , durch unruhen unter nähere Herrſchaft gebracót; im Sanenland Freiheitsliebe mit Ehr ſucht ; die alten Schweizer in ſillem Genuß ; die Búndner noch kampfend ; den unternehmenden Abt von St. Gallen glücklich , außer gegen Appenzells Feſtigkeit und gegen die beharrlichen Plane der Stadt ; die Städte voll Muth , erwerbend , in Ein richtungen und Maßregeln fortſchreitend ; den Lauf der Zeiten dem Abel , inſofern er ihn mißkannte ,
ungünſtig; nichts Großeres als den alten ewigen Bund hochteutſcher Lande , welcher ſelbſt Fürſten , die ſich fügten , Sicherheit gab. Das ſaben wir. Sett folgt, wie der Bund für die Vergrößerung des
Namens und Landes , wie er für ſeine Freunde zu Schaffhauſen und Mühlhauſen gewirkt , und in fol cher Maße furchtbar geworden, daß die außerordent
lichſte Maßregel das einzige Rettungsmittel óſtrei chiſcher Herrſchaft in Oberteutſchland ſchien.
NE
Sechste 8 Capitel. Gemeinſame Geſchichten der Schweiz von dem Ende des in :
nerlichen bis auf die Veranlaſſungen des burgundiſmen Kriegs .
(1450 — 1469.)
In dem tauſend vierhundert und funfzigſten fahr , in welchem die innerliche Unruhe durch den Bubenbergiſchen Spruch vollends getilgt worden, fandtex die Schweizer achthundert auserleſene Kries
he
C. 6. Gemeinſame Geſch, der Sdjweiz . 1450–69 . 125 ger in die Fehde der Herren und Städte zu Schwa
ben und Franken , welche man den großen Nürn Die Herren haften die Stádte, weil indeffen ſie ſelbſt ſich gegen die tapfern Keßer in Bóheim erſchöpft I, Handelsbetrieb die
berger Krieg “) nennt.
Stådte in ungemeine Aufnahme gebracht") und eben dieſelben in dem Schweizer Krieg 3) durch heimliche Unterſtützung meiſtens die Eidgenoſſen begúnſtiget.
Die Burger , 'trohig auf Reichthum , Volksmenge und Anſtalten , gaben deutlich zu verſtehen , daß die
alte Scheidemauer zwiſchen verſchiedenen Standen der Menſchen durch die Zeit untergraben worden “ ). Beide Theile verblendete Neið úber ihre verſchiedene Beſtimmung und Art , wornach fie hätten zuſam men beſtehen können ; welcher Menſch filhlt ſich nicht mehr oder weniger als was er iſt! Die erſten Städte Schwabens waren ulm und Augsburg , Nürnberg
in Franken ; dort Würtemberg , hier Brandenburg Haupt ihrer Feinde ; das Haus Deſtreich war her riſch geſinnt '). (Nürnberger Srieg.)
Die brandenburgiſchen Erblande zu Franken be
Herrſchte Markgraf Albrecht, genannt Achilles, weil er an Große , Schönheit , Leibeskraft , an Verſtand und Feuer die meiſten Fürſten weit übertraf ; wie er denn in mehr Schlachten , als wovon jene geleſen
hatten , der erſte und lehte geweſen , in allen Nit
terſpielen , fiebenzehnmal mit Schild und Helm be dedt , ſonſt aber nadend , ſeine Gegner niederge
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Gefdichte der Schweiz. IV. Buch.
worfen und relbſt nie von ſeinem Roß herunterge rannt worden ). Die benachbarten Städte bis nach
Schaffhauſen waren in einem dreijährigen , die für: ſten , Herren und Ritter in einem vierjährigen Bund ') ; was mehr iſt als Urfunden , alle , auch
nicht erklärte '), in unheilbarer Spannung. Da erhob der Markgraf gegen die Stadt Nürn berg mannichfaltige Anſprüche des Burggrafthuis und Landgerichts , deren Werth vor ulter dunkel geworden , und nach den Umſtänden geringer oder hóber geachtet wurde :). Die Veranlaſſung war wie gewöhnlich von fúrzlich begegneten Vorfallen ). Da ganzliche Ausgleichung aus vielen Gründen weder bezweckt wurde noch möglich war , wurde auf dem Vermittlungstage ") durch einen Dritten die Mels dung von hundert zwanzigtauſend Gulden hingewor:
fen , womit der Martgraf fich gegenwärtig begnú: gen wurde. Allein der Stolz der Bürger wurde zu viel Wenigerm ſich nicht verſtanden haben ' ). Da ritt Albrechts Herold , den Fehdebrief an einer Stange emporhaltend , in die Stadt Nürnberg *). Von ſiebengebn Kurfürſten und Furſten , den große ten des Reichs * ) , von funfzehn Biſchofen , von vierzig Grafen , von dem Landrichter des Burggraf: thums Hanns von Sedendorf und ſeinem Geſchlecht, Redwitz dem Bauernfeinde is ) , bem rúſtigen Rech
berg , Búnau , vier von Rotenban und allem Adel Frankens , wurde der Stadt Fehde angeſagt. Da fehdeten zwei und ſiebenzig Reichsſtädte den Mart
C. 6. Gerneinſame Geſts. der Schweiz 6. 1450–69. 127
grafen .
Nurnberger waren in der Stadt über
dreißigtauſend 6) , Polizei bei ihnen ") und an Pro
viant Ueberflus ). Da traf, wie zu geſchehen pflegt, der Jammer die Unſchuldigen . Verbrannt wurden zweihundert gute Dörfer, der Segen der Natur ver: wuſtet , muthige Landleute Opfer der Selbſtverthels digung ). Fu achtWaffenthaten war für die Geub
teren , die Herren , der Sieg * ) ; bis bei Pillercut Albrechts anfangs trokiger Spott ") durch der neuen Feinde , der Schweizer * ), unerſd utterliche Stands haftigkeit ) und unerbittliche Rauhheit ) gebrochen worden. Als bei Auflöſung der Schaaren ) der Held ſelbſt, um den lang hundert Schwerter drohend
geblinkt -6), endlich fortgeriffen widy., burgerliche Hande die lang ſiegreiche Hauptfahne faften , und
feine Kriegstrompete den Triumph ihres Núdzugs verherrlichte , entfiel dem Adel die Zuverſicht * ) . Da er mit ſeinen Waffen gegen die gewaltigen Schuß wehren der bürgerlichen Menge nichts Entſcheiden des 28) und mit feiner Armuth gegen ihren Reich : thum einen langen Krieg auszuhalten eben ſo we nig vermochte ,-hórte der Markgraf die Bitten des Papſtes und Kaiſers und ſeines weiſen Bruders mäßigenden Rath.
Das Ende der Feindſeligkeiten wurde zu Bam berg verabredet ) , die Anſprüche zu Lauf durch ei: nen Spruch Herzog Ludewigs von Bayern ohne Nachtheit der Stadt entſchiedens ). Freudig erkanna ten die Bürger durch Geſchenke ") die heldenmuthige
128
Geſchichte der Schweiz. IV , Buch .
Freundſchaft der Schweizer 5 ). In der That war zwiſchen Herren und Städten unentſchiedenes Gleich: gewicht. (Die Landleute hatten können den Augs
ſchlag geben , allein der Bürgerſtolz war ſo zurúct: ſtoßend als der adelige ; als die Entdeckung neuer Bege nach Indien die Handelsſtraße veranderte, kam
der Reichthum dieſer Städte in Abnahme , inde neuerwachſene große Mächte durch ſtehende Heere
dem Adel, Bürger und Landmann Zaum anlegten ). M ( ont for t.)
2453
Da ſandten Georg und Wilhelm Grafen zu Wer :
denberg , Herren von Sargans 33) , anſehnliche Bot: fchafts ) nach Schwyz und Glaris , wo ſie Landrecht hatten , um Recht wider ſchwäbiſche Reichsſtädte, welche ein Schloß 35) gebrochen , das ſie mit Hanns von Rechberg , ihrem Schwager , gemeinſchaftlich hatten. Faſt ungern , aber ernſtlid ( nach Ehre und Recht) unterſtüßten die Ränder die Herren, ro
daß die Städte vor Ulrich Grafen zu Würtemberg ih nen zu Recht ſtehen , und den Erweis geſtatten muß ten , daß dieſes gegen Warnung und ohne ende ge ſchehen 36 ); worauf ſie den Schaden erſeßen mußten 31). (Pf a 1 s.)
Das machte die Eidgenoſſen to ſtart , daß Freundſchaft und Recht ihnen über alles ging. Fried rich , Kurfürſt von der Pfalz, von ſeinen Feinden der Böre 38) , von der Geſchichte der Siegreiche gez nannt , durch Thátigkeit, Weisheit und alle großen Tugenden ſo hervorleuchtend, daß Teutſchland und gewiſ:
C. 6. Gemeinſame Geſch. der Schweiz v. 1450–69. 129
gewiffermaßen die Chriſtenheit auf ihn traute 19), liebte an den Eidgenoſſen " ) den ihm ſelbſt beiwohnen den Biederſinn und Muth. Als reine erſten Jahre von den Grafen zu kúzelſtein ) verwirrt wurden , zogen die Schweizer ihm H, bis die feindliche Burg , Stadt und Landſchaft erobert und (bis auf unſere
Zeit) pfälziſch geworden “). (F r a nere i ch .)
Sie ſuchten von Seite des franzöſiſchen Reichs
beiden Wölfern das Wunſchbarſte , Sicherheit. Hier über 3) trugen ſie freundſchaftliche Verſtändniſſe an, welche Karl der Siebente , der die Armagnaten wi der ſie gefandt " ) , fich gefallen ließ. Dieſer erſte franzöſiſche Bund * ), welcher von dem König auf rei
uem Luftſchloſſe Montils " ) beſtåtiget worden , ent bielt, wie ein echtes Grundgeſer , die Uebereinkunft guter Nachbarſchaft , mit Verſiderung, daß von ket:
ner Seite feindlicher Durchmarſch , noch bei dem freien Handel und Wandel Gefährde der Ordnung und Ruhe eines Theils oder ſeiner Bundesfreunde zu beſorgen ſeyn ſoll. Nachdem die altgalliſchen Hel:
vetier unter und mit den Römern ausgegangen , und unter oder mit den Karlowingen ") die frånkiſche
Herrſchaft erloſchen , war zwiſchen den Königen der Franzoſen und einer Eidgenoſſenſchaft, wodurch in Helvetien der Name eines Bolls neu entſtanden " ), dieſer Bund die erſte freundliche 49 ) Wiederbe rührung. I. 8. Mütlers lämmti. Perte. XV.
9
130
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch . (Bon Schaffhauſen.)
Bald nach dieſem wurde eine dem Schweizerbund wichtige Stadt 5 ) aus bisher zweideutiger Lage durch die Unbedachtſamkeit ſeiner Feinde herausgeriffen , und ſchweizeriſch. Die Stadt Schaffhauſen, auf dem rechten Rheinufer, unfern dem großen Fall , zwi: fchen den páfen des Hegaues und Kletgaues , in
ſanft lich erhebendem Thalgrunde, hatte jene Zeiten öſtreichiſcher Pfandherrſchaft mit großem Nachtheil ihres Vermögens 5 ), doch (wegen einer gewiſſen ehr: lichen Gute , die man ihr bewies) 5) geduldig aus: gehalten .
Kaiſer Sigmund nahm fie an das Reid
zurüd , erklärte fie unveräußerlich " ), zierte ſie mit großen Nechten * ). Eben dieſer Fürft, nach ſeiner Ausſohnung mit Deſtreich , begehrte von den Schaff
haurerit vergeblich, daß ſie die oftreichiſche Herrſchaft wieder annehmen und dieſem Hanſe die Lófung ver:
pfändeter Privatbeſikungen ") geſtatten möchten ). So wenig vermochte der Stairer ſie gereklich zu no thigen , daß Sigmunds Nachfolger aus dem Fanſe Deſtreich zwar derſelben Wunſch zu äußern® ), aber
die Beſtätigung wohlerworbener Reichsfreiheit, als man darauf beſtand63) , nicht abzuſchlagen wagten. Die Geſchäfte der Stadt, mannichfaltig und be:
denklich wegen der Nachbarſchaft vieler gewaltthäti gen Großen , wurden ohne Ausſchließung noc) Uus: zeichnung der Ellen , doch vornehmlich von burger: lichen Geſchlechtern 69) mit Weisheit und Kraft ge
führt. An und auf dem anden , dem hódfter
C. 6. Gemeinfame Geſc . der Schweiz v. 1450–69.
131
Berg des Landes , mißbraudten die Grafen von Lupfen einen zu unbeſchránften faiſerlichen Lebens brief über Jagd und hohe Gerichte 6 ). Die Stadt hatte viel zu thun , gegen dieſelben und ihre Kit tergeſellſchaft Landleute zu fchußen , welche ohne Recht gebrand chaßet worden und gegen die der Udel , ro lang es feyn konnte , von den Landgerich ten begünſtiget wurde 66). Die Erbtochter von Habsburg Laufenburg hatte die Landgrafſchaft Klet: gau an die Grafen von Sulz gebracht 6 ) ; ihr SIK pflegte anderthalb Stunden von Schaffhauſen auf der Burg Balm zu ſeyn 64 ). Dört fchloß ihr gutre Vater ſein Haus 6 ) ; dort lebte ſie mit ihrem Ge mahl in unfriedlicher Ehe 66) ; nun mit ihren Soh
nen den friedram vorbeiziehenden Kaufleuten ge fáhrlich . Schwarzer Wald füllte die Gegend , be: fonders des Volfenbachs wilde Tiefe.
In derſelben
warfen die Diener von Sulz ulmiſche Kaufleute nieder und raubten die Tücher , aus Muthwillen , Geiz, oder wegen ſtreitigen Zolls 67). Die von Schaffe hauſen , von welchen erwähnt worden , daß fie in dem Städtebund waren 63) , ohne zu berechnen , daß wegen des Nürnberger Kriegs fein Beiſtand zu hoffen war6) , wagten für entfernte Freunde den Kampf gegen des ungerechten Nachbars manních : 1449 faltige Macht " ). Nachdem ſie den Stadtheiligen Ge .
lübde gethan ?') , machten die Schaffhauſer bei ein : bredender Nacht ſich auf, erſchienen unerwartet , drangen in die Burg , nahmen Ulrſula , Rude !f und 1
132
Geldichte der Schweiz. IV. Buch,
Atwig , ihre Söhne, gefangen, plünderten Balm ? ), verbrannten es nachmals 73 ) , gogen hinüber und
brachen die Neuburg auf dem Ottersbúhel 74), herab und eroberten zu beinau der Grafen beſchwerliche Burg 75). Sąultheiß, Kath und Gemeinde wurden
genöthiget, ihnen zu ſchwören ). Froh empfing die Befreier Abt Eberhard , allen großen Häuſern von Schaffhauſen verwandt 1 ) ; fein Kloſter hatte zu
Schaffhauſen ein Haus ) und ein ſo enges Yür:
gerrecht, daß es einen Abt ſelbſt gegen geiſtliche Obern ficherte ) 19 . Triumphirend , mit der Glode pon Balm ( Zeichen oft böſer Anſchläge ) zog der
Stadt Banner wieder zu Schaffhauſen ein 8 ). Die Gefangenen wurden losgelaſſen.
Da war der erſte Gebrauch , den Urſula von der Freiheit madyte , Bann und Acht über Scaffhauſen
zu bringen. Als die Stadt hierdurch in Verlegen:
1450 heit fam , gebot der Kaiſer von rómiſchköniglicher Macht wegen , feſt und ernſtlich 8'), unter Deſtreich zurúd zu treten , und ſeinem Bruder Albredt , zu Schwaben und Elſaß regierendem Landesfürſten " ), zu ſchwören . Deſſen durchaus unwillig , beſchloffent
die von Schaffhauſen83) ein großes Geldopfer , um zu beſeitigen , was allein rechtlichen Anſpruch be 1453 gründen konnte. Die Gräfin und die Grafen von Sulz wurden mit mehr als zehntauſend Gulden )
zu der Zuſage bewogen , Balm nie wieder liber die Erde zu erheben 85).
Als der Rechtsporwand fiel, ſuchten Albrechts
C. 6. Gemeinſame Geſch , der Schweiz v. 1450–69 .
133
Ebelfeute , der Stadt zum Theil mit Burgrechten ,
ihrem Adel im Geblüte verwandt, mittelſt Parteiung Schaffhauſen zu gútlicher Uebergabe zu bewegen. Die Edlen von Kandenburg , das älteſte, in dieſer Gegend urſprünglich machtige Haus , in dem die Sdultheißenwürde uiber Schaffhauſen viele Jahre erblich geweſen 87), war vor kurzem ausgeſtorben . Die Regierung hatte ſeinen Churm in der Stadt getauft 88). Von der Stammburg, wo ſie von einer Spiße des Nandens viele Güter des Hauſes 89) ind weit hinaus das ſchwäbiſche Bergland úberſah , ſino unter Waldgeſtrůppe noch Mauern kenntlich go). Die von Tettingen , von Randed 9 ), die Im Thurn, feit
Jahrhunderten neben ihnen die Vornehmſten , erb
ten die Güter 9-) und ihren Rhein. (Denn wo gleich. unter der Stadt der Fluß in Klippen ſich brauſend bricht , aber dann wieder ſtill, tief und gewaltig dem großen Fall zueilt , waren die Waſſer Nanden burgiſch 9 ); von der Waag 9 ) hinauf bis an den Fels Plumpen jenſeits Kirchberg durch alte Kaiſer Kilo
ſtergut96), lang Privatedlen 96 ), hierauf dem Hauſe Deſtreich 97) , endlich der Stadt 98) Lehen von aller : heiligen.) Bald nach dem Glúd dieſer Erbſchaft wurde der reiche Wilhelm Im Thurn 99; von Wil
helmen am Stad, ſeinem Vetter, erſtochen loo ). Hier um wurde von dem Hofgerichte dieſem auferlegt, ſeinen Hof Berau ''') den Erben Im Thurns abzu:
treten ; er aber von Seite Schaffhauſens durch rei nes Bruders Anſehen geſichert o:), und weil auch die
134
Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
Cron , leitende Männer im Rath , für ſeine Geg ner nicht eifrig ſeyn wurden 105), erwarb Geleit und Begúnſtigung ſelbſt von dem Reich *). Uebrigens war Konrad von Fulach zu Schaffhauſen der grófa
Gutbeſiker 105) und ſein Haus , überhaupt reich 106), wagte , die Burg über dem Rheinfall gegen Deſt= reich zu behaupten " ) ; er ſelbſt wußte das Schwert wohl zu führen 108) ; war Gemahl der großen Frau von Fulach 19) , naher Vetter des im Kletgau reich begúterten Konrads von Mandach ' ). Hanns Fried bold (noch troßt der Zeit der thurm ſeiner Våter)
1454
und Hanns von Waldkirch ( für Deſtreid fiel ſein Großvater )") waren die vornehmſten Bürgermeis fter 't) ; dieſe grüßten am erſten Jánner die Zünfte ; fie wurden von der bürgerlichen Jugend begrüßt 3 ). Bilgeri von Howdorf ***) , Ritter , aus einem Hegauiſchen Geſchlechte , das des Burgrechts mit Schaffhauſen fonſt wohl genoffens) , war über das
Erbe , wie es ſcheint, der Maier von Wöhrd 116), mit dem Hauſe Futach zerfallen , welches wegen großer Dienſte bei der Stadt Schirm fand " ?).
Dieſer Mann , für den Herzog eifrig , den aber die Schaffhauſer nicht ohne Widerwillen und Mißtrauen ſehen konnten 18) , führte die Unterhandlung , Wo :
durch fie wieder öftreichiſch werden ſollten. mochte die geheimen Tractaten wiſſen , welche durch
Vermittlung Zúricho feit einiger Zeit ' 9) über ein Bündniß geführt wurden , wodurch Schaffhauſen
durch die Schweiz ficher , doch möglichſt neutral zu
C. 6. Gemeinſame Geſch. der Schweiz 6. 1450–69.
155
bleiben wünſchte. ( Faſt ganz umgeben von Oeſtrei dern und Deftreichiſchgeſinnten , ohne eine eigent lide Landſchaft, ja durch des nächſten Klefgau's mifs
trauiſche Freiheitsltebe ') von einer náhern Ber
einigung abgehalten , mußte dieſe Stadt behagliche Maßregeln den hochgefinnten vorziehen .)
Het:
dorf hoffte die fchwankende Denkungsart durch eine überraſchende That für Deſtreich zu entſcheiden . Daher fammelte er nach Waldshut fo viel reiſigen Zeug, als ohne Aufſehen möglich war. Stolz, wie
ba er zu Rom Ritter ward " ) , 30g Bilgeri Klet: gau hinauf, zeigte vergnügt auf Stúffenberg, reinen hohen großen Sik " ), und wo aus Roßbergs.Wald
vor kurzem noch ſeines Vaters Burg's) fich erhob, fprengte das fruchtbare Chal weiter hinauf , über Neukirch , Lóhningen vorbei , wo Seiftliche tuit fchwachem Zugel die Herrſchaft hielten '*) , unter der alten Hüne von Beringen Burg's) , der Enge zu , dem Paß auf ehemaligen Landmarken 16), von deſſen Vorfelfen die Stadt Schaffhauſen , derStrom und weit hinaus andere Gaue lachend erſcheinen . Wo die waldichte Hohe fich in Weinberge ſenkt, ficherte ein Graben die Borítádte gegen Ueberfall " ) ; der Löwenſtein 128) und andere Fugel waren durch
Schleichen der Schaffhaufiſchen Edlen geziert und
geſichert. Die Stadt wurde unverſehens aufgefor: dert ; nicht ſchmeichelhaft, ſondern drohend , nicht als zu freundlicher Wiedervereinigung, ſondern un
tertban zu ſeyn 9-9 ), ſo gebieteriſch , daß der Bür
136
Geldichte der Schweiz. IV. Budy.
germeiſter 150) kaum wagte , es dem Bolfe vorzutra gen ; ſeine Vorſtellung wurde mit den ſchimpflich
ften Worten zurückgewieſen.
1
In der Stadt war
zutrauliche alte Liebe für die gnådige Herrſchaft von Deſtreid ; Friede und Freundſchaft mit dem umlie genden Adel nicht zu verſchmåben ; ſo daß man an
ſtåndige Bedingniſe Rich håtte gefallen laſſen. Al lein der höhniſche Ton erweckte in den Edelleuten und Bürgern Selbſtgefühl, Erinnerung undankbar vergeſſener Chaten , und Beſorgniß für die Nach kommen. In dieſer großen Verlegenheit wußten fie sie manchmal heilfame Langſamkeit bürgerlicher Formen zu nuken , um Zeit zu gewinnen 13") , eil
ten, und gaben den Schweizern durch Zurich das lang verzögerte leßte Wort. Ungeduldig , doch zu:
verſichtlid ), erwartete Hewdorf die Schlüſſel, die Unterwerfung ; als eingmals die großen Gloden
vom Allerheiligen Münſter , auf dem St. Johann und allen andern Thurmen , Trompetenſchall und Freudengeſchrei alle Augen gegen die Stadt richte: ten . Da ſahen ſie über die Rheinbrúđe den Ein: zug der Botſchafter von Zúric , Bern , Luzern, Shwy, Zug und Glaris ; worauf Bilgeri hoch ge flucht, und Heinrich von Randed der trokigen Hers ren ſcharf geſpottet '36) , alle aber durch mannichfals tige Vorwürfe ro an einander gerathen , daß Thát : lichkeit faum vermieden werden mochte 185) und jes der den Rückweg in reine Heimath nahm.
Der Bürgermeiſter aber, die Ráthe und alle !
C. 6. Gemeinſame Geſch. Ser Soweiz v . 1450-69. 137
über rechszehn Jahr alten Bürger der Stadt , in St. Johannſen Kirche verſammelt , fchwuren mit
den Botſchaftern auf die fünf und zwanzig nådiſten Jahre einen ſchweizeriſchen Bund 154) : zu allem Recht 155) und wider alle Gewalt mit Rath und ge webrter Hand , freiem Durchzug und Markt , ein ander treulich beizuſtehen ; die Stadt begab fich
des Rechts , ohne die Eidgenoſſen mit Auswärtigen Verträge zu fchließen 136) oder Kriege zu führen . Die Freiheit wird am beſten geſichert durch Bes ſchränkung. Nicht unnuß war die Sorgfalt, Kriege möglichſt zu vermeiden . Sobald ſchweizeriſches Straftgefühl in die Schaffhauſer kam , redeten fie hoch mit Lu pfen - 3 ) , und wurden von den ſchwäbiſchen Buns
desſtadten als ein wichtiges Band mit der Schweiz perehrt 138). Es wetteiferte im Namen der Schweiz Zúrich 159) und beſonders freundlich Luzern " e) durd Leitung , Ermunterung , Verwendung den neuen Schweizern den Werth ihrer Verbindung zu get gen. Als aus Verbruß über die lektere oder über die Steuern zu Behauptung des gemeinen Wes rens , zwei Fulach und einer Im Churn ") durch
Austritt aus dem Bürgerrechte * ) Schaffhauſen in Berlegenheit brachten , wurden ſie beſonders
durch Zürichſche Verwendung zu Beobachtung ihrer Schuldigteit angewieſen 43). Die weiſeren Fuladh bea
haupteten durch Anſchließung " ) an die Schweig ihren angefochtenen Reichthum * ).
138
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch . (
on Eglira u . )
Den Herzog Albrecht entſchädigte die Einnahme von Hohenberg 146) für das Mißgeſchick bei Schaff hauſen ; bald wurde er durch die Unruhen in fei 2455 nem Hauſe beſchäftiget " 7). Um dieſelbige Zeit ge fiel Wilhelmen von Fridingen, in Verſtändniß mit Graf Hanns von Chengen und Allwig von Sulz , Straßburger , welche aus dem Pfaverſer Bade * 8) heimzogen , berauben und auf die Schloſſer Hohen : kráhen und Egliſau gefangen legen zu laſſen . Die Hohenfráben ( Fridingiſch ) liegen wenige Stunden von Schaffhauſen fchon auf einem Berg ; Egliſau , vier Stunden von jener Stadt , auf beiden Rhein ufern . Dieſer Ort und wo auf durren weiten Ge filden , oder zwiſchen der Tós und Glatt verwüſten : den Waffern kleine Dörfer und Höfe ( fünfmal ge
ringer als nun *** b ) ) ſparſam gelegen , war Herr: schaft der Grafen von Thengen , und dem Sulzi: fchen Klelgau benachbart 19). Das Gerücht von dem Raub, die Klage der Straßburger (mit brúderlicher Freundſchaft Zúrich 169 b ) verwandt ) erregte den
Unwillen der Schweizer. Dieſes vernahmen die Brüder und Freunde der Krieger , welchen dieſer Graf Hanns vor zehn Jahren unerbittlich gewe fen 15 ) , benußten die Stimmung , nahmen der
zehn , der zwanzig , rúſtige Geſellen , zogen mit Wagen wie Kaufleute nach Zurzach auf die Verena meſſe.
Hter , plóßlich , von den ſchweizeriſchen
Obrigkeiten gemißbilliget , von feiner öffentlich be
C. 6. Gemeinſame Gefd . der Schweiz 6. 1450–69. 139
günſtiget , nahmen fie Hallbarden von den Wagen und brachen zu einem Krieg der Blutrache auf.
Sie zogen in Hegau . Der Zorn brach los auf den feindlichen Hauptfit Chengen , der durch Ueberra
Fchung ohne Widerſtand eingenommen und mit Wuth von Grund aus verbrannt wurde 150 b) , da
mit niemand mehr einen Vortheit gegen Schweizer unmenſchlich zu nunen wage. Deren von Zürich Stadtbanner zog in geziemender Fehbe zu Rettung und Rache der Straßburger nach Eglifau , eroberte den Thurm , und das ganze Ort , nahm Rheinau in Beſik's ) , trug Feuer und Schwert in den Sul ziſchen Klefgau und auf die Fridingiſchen Güter 15 ). Da redeten die Im Thurn 55) , die Fulach 154) und andere dem Hauſe Chengen mit Blut oder Lehen
verwandte Edle mit Bürgermeiſter und , Kath von Schaffhauſen für die Erben der Stifter , der oft wohlthätigen Grafen von Nellenburg 15 ). Da ver:
mittelte Schaffhauſen Friede 156). Als Buße um den Raub und für die Koſten wurde Egliſau Zürich gegeben ") ; eine Geldſumme gab Zürich, damit
Graf Hanns dem verunglüdten Thengen aufhelfen möchte 158). Durch dieſe That wurde die Raubſucht auf dem Rafgerfelde gefchredt 59). Hierauf zeigte die Züricher Jugend den Straß : 1456
burgern die im Feld für ſie bewieſene Freudigkeit an einem feftlichen Tag der gemeinſamen Spiele .
Mit einem wohl eingebullten Topfe poll heißgekoch ten Hirsbrei und warmen Semmelbroden fuhren
140
Gefathichte der Schweiz.
IV. Budy.
fie von Zürich , Limmat , Aar und Rhein ſo ſchnell herunter , daß noch an gleichem Abende der Hirs und die Semmel warm zu Straßburg auf des Am meiſters Tafel erſchienen , und bei dem Cang vertheilt wurden : zu zeigen, wie ſchnell in großern Dingen die Städte einander zu Handen ſeyn wür ben ). Prangend mit Preiſen in Wettlauf, Stein ſtoßen und Sprung 161) zogen die Geſellen langſamer heim ; der Topf blieb erfindertſcher Freundſchaft Denkmal 16 ). ( Plappartkrieg. ) 1458
Einen andern Ausgang nahm das vornehmere
Schußenſpiel, zu welchem die Stadt Coſtanz viele Herren, Städte und auch die Eidgenoſſen lud. Als . nebſt den dreizehn Hauptpreiſen 163) der Stadt um
.
viele Privatgaben geſchoſſen wurde , weigerte ſich ein Coſtanziſcher Patricier von einem Luzerner ei:
nen Berner plappart 1 ) anzunehmen, und ver: warf ihn ſchimpflich
). Der Eidgenoffe, aufge:
reizter, weil viele hämiſch dem andern Beifall wink: ten , behauptete die Nationalehre , bis Gewalt ge braucht wurde : dieſe ſtieß er zurúc. Aber alle ſchweizeriſchen Schußen , gebrochenes Gaſtrecht an klagend , fuhren erbittert in ihre Städte und fån: der. Solchen Gemeinſinn hatten die Schweizer,
daß was Einem geſchah, die Sache von allen ſchien . Luzern , ohne Berathchlagung mit dem eigentlid
beleidigten Bern , fandte in alle Städte und lan
5. 6. Gemeinſame Geldh. der Schweig 0. 1450–69 . 141
der Mahnung; brach auf , ohne Antwort abzuwar ten , mit der Stadt Banner wider Coſtanz. Des
folgenden Morgens machten die Unterwaldher fich nach . Es folgten in wenigen Tagen die Männer von Uri , Schwyz , Glaris , Zug , die von Zürich.
Jadeß die Fehde der Berner erging 166) und der Schultheiß von Wengi dreihundert Solothurner
benſelben zuführte 161) , zogen viertauſend Eidgenoſ fen racheburſtig in den Thurgau , auf das Berder:
ben aller Coſtanziſchen Güter. Ein großer Ort jen Teits der Thur , Weinfelden , Gerichtsherrlichkeit eines Vetters des unbeſonnenen Coſtanzer Junge
lings 16 ), wurde eingenommen . Berwüſtung, wenn die Schweizer wollten , bis an die Stadtmauer von Coſtanz, war unaufhaltbar , fo verwirrt war Erz berzog Sigmunds Hof , ſo wantend ſeine Macht,
gegen die ſchwäbiſchen Herren aber die ſchweizeris
ſche Oberhand ſo entſchieden, daß die Stadt hůlflos für ihren Bürger bußen mußte. Die Eidgenoſſen beruhigten ſich mit dreitauſend Gulden 19); um zweitauſend gaben ſie Weinfelden zurůd. Hein rich von Hewen , der alte Biſchof, auch nun Ver mittler ), erkannte , daß die Schweizer bald auch im Thurgau Herren reyn würden , eilte , und machte für alle hochſtiftiſchen Herrſchaften '?') , des ren einige er ſelbſt erworben " ), Bund mit ihnen, zu Sicherung der Ruhe ſeiner abnehmenden Tage ' 5). Pflug, Sennhütte, Waffen, das kannten die Schwei zer ; über der Waffen Gebrauch entſchied bas Voll,
142
Geſchichte der Schweiz. IV. Bud .
ein ernftes Volf, voll Herzlichkeit und inniger Kraft, freimuthig , ohne Furcht; das gab ihm Würde. ( von Kapperfch w » 1. )
Die Eidgenoſſen zogen auf drei Straßen heim in ihr Land '7*). 218 -der Tag fich neigte , erſchie
nen Månner von Uri , Schwyz und Unterwalden am obern Chor der Stadt Rapperſchivyl, Durcjug und Nachtlager begehrend. Hundert Jahre 75), in ſchweren , langen Striegen , war dieſe Stadt unwan delbar óſtreichiſch: 16) ; nach den Kräften hatte keine To viel erlitten ; altgewohnte Ehrfurcht , Erinne: rung ſo vieler Opfer, ein gewiffes Ehrgefühl erhielt
fie in Hoffnung beſſerer Zeit ; aber fie fank unter der Laſt rühmlicher Sdulden , ohne Unterſtüßung umringt von der Schweiz, deren Untergang fie fo
oft vergeblich erwartet und geſucht. Endlich gerie then viele auf neue Gedanken : „ Wenn die Herr:
„ Ichaft nicht helfen könne , ſo dürfe man für ſich -1 ſelbſt ſorgen ; es ren nicht erlaubt, ſich und Nucha rekommen blinder Leidenſchaft aufzuopfern . Wenn ,,der Hof durch eigene Fehler falle , fo habe er ſich zuzuſchreiben. Von Zeit zu Zeit werbe eine ,,neue Ordnung durch unwiderſtehlichen Lauf der ,, Dinge herbeigeführt. Alsdann rede zu allen „ Menſchen das Schidfal vernehmlid); man rehe ,,eine Partei begeiſtert , die andere unbegreiftid
„ muthlos ; Gott nehme ihr den Sinn .“ Die ſo dachten , wurden Túrken genanut, vielleicht weil auch dieſe glauben , daß alle Menſchen und ihre
E. 6. Gemeinfame Gefch. der Schweiz v. 1450–69 .
143
Unſtalten ein beſtimmtes Maß der Dauer has ben 16b) ; fie genießen , fie ivagen , um fo freier. Die Aitgeſinnten wurden Chriſten genannt, welche
Erwartung von Wundern der Vorſehung gegen die Eindrücke der Gegenwart, und gegen alle Sicht barkeit der Gedanke der Zukunft emporhålt. Die
Túrken waren thátiger und (da fie unerſchrocken auf neues gingen ) ihre Art fühner. So gefährlich ( chlenen fie , daß der Erzherzog ') hundert Mann von Winterthur in die Stadt gelegt, und die Auf hebung der vornehmſten Cúrfen derſelben erſtes Geſchäfte fenn ließ. Wenn das Geheimniß der Scråche einmal zu Tage liegt, reizen gewaltſame Streiche zu Beſchleunigung des Verderbens. Die Schweizer (zu verſtandig um ihre Freunde zu vera laſſen ) erklärten , daß ihr Tod dem Erzherzog dieſe Stadt koſten ſoll. Die Bande dieſer Månner ent fremdeten ihm auch die chriſtlichen Rapperfchwoler , ungewohnt , in Meinungen , die der Drang der
Zeit entſchuldigte, Verbrechen zu finden . Da zeigte fich , daß der Hof nach einem Zuſammenhang ty $
ranniſcher Grundraße , fonderit darum fo gehandelt,
weil er nicht wußte , was zu machen war. Nachdem die Befaßung die treuen Winterthur rer noch mehr erſchöpfi 178) und Rapperſchwyl erbit tert hatte , wurde fie abgerufen , den Gefangenen die Freiheit ertheilt. Die Gefängnis hatte ffe
nicht überzeugt , und fic wergaßen dieſelbe nicht.
Weder gute noch böſe Worte zahlten der Stadt
144
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
Schulden '79). Sie ſchwiegen. Ein geheimer An trag um Schußbündniß mit Zürich , von und für welche Stadt ſie ſo viel ausgeſtanden , war von dem rechtlichen Vorort abgelehnt worden '). Als die
glúdlichen Banner von Schwyz, Uri und Unter walden zum Nachtlager in Rapperſchwyl einzogen, als ihre Mannſchaft, bald in die Gaſſen verbreitet,
ihre Freunde , die Türken , freudig und brüderlich umarmte , redeten der Schultheiß und Nath mit den Banner berren und Hauptleuten weislich über die Zeitlaufe. Mit jedem Augenblic ſtieg die Bes
gierde, traulich und ruhig , ewig wie jest mit ein ander zu leben. Die Schweizer unbekümmert was
Deſtreich ſage , ſtartten die Ueberzeugung , daß al lein dieſes der Stadt aufhelfen könne. In derſel bigen Nacht riffen alle urſprünglichen Bande. Die oft vergeblich belagerte Stadt , die oft feindſelige
Burg und oft ungangbare Brude wurden fchweize: tiſch bis auf dieſen Tag 8 ). ( A u 5 w årtige Sachen . )
Uuswärts und im Innern wurde durch den Bund die Sicherheit geſtarft. Die Verhältniffe der Landesherrlichkeit in der Grafſchaft Baden zu
dortigen hohen Gerichten des Biſchofs zu Coſtanz waren aus einander geſeßt 18 ). Ueber Leib und Leben , in Sachen der öffentlichen Ruhe und an großen Zurzacher Handelsmeſſen geſchah nichts ohne die höchſte Gewalt ; die gerichtsherrlichen Bes
fsigniſſe aber wurden von ihr geehrt. So genau , daß
C. 6. Gemeinſame Gefch. der Schweiz 6. 1450–59. 145 daß beim Schweigen der Urkunden und ungewiß beit des serkommens -die Eidgenoſſen feine Ent:
ſcheidung wagten 183) ; ſie überließen den Vergleich den Parteien . Das obrigkeitliche Amt ſollte nicht einſchreiten , wenn feine Störung Öffentlicher Ruhe es auffordert. Zur Unterbrúdung der Privatfeh den war Verſtändniß auch mit Deſtreich 8 ). Wenn ſelbſt in guten Städten Familienrúcſicht Ruheſtörer
zu begünſtigen ſchien º) , wurden folche Anſtalten getroffens) , ſolche Maßregeln verfügt 8) , daß al
ler Beunruhigung ſchweizeriſcher Schußverwandten vorgebeugt wurde. Dieſe Vortheile wurden von 188 lekteren bisweilen durch eine freiwillige ), ſehr
mäßige Steuer 189) erkannt. Die ungerechte Ge walt , welche die Schweizer von den Ihrigen ab hielten , erlaubten ſie den Ihrigen wider Fremde eben ſo wenig 190) , und waren hierin auch gegen derfonte Feinde billig ). 418 das Reichstam : mergericht 19") in Sachen Bilgeri's von Howdorf gegen die von Fulach 193) die Acht aus nichtigem Vorwand 19t) über die Stadt Schaffhauſen ſprach , unterſtúßten die Eidgenoffen ihre Appellation an
den Kaiſer 19 ). In furzem ſtartten die größten Orte ihre Verbindung mit dieſer Stadt 19 ). Der
König in Frankreich , Karl der Siebente , bewies für die Eidgenoſſen ſo viele Achtung , das er ſic über ſeinen Bund mit Savoyen durch förmliche
Erklärung beruhigte '97) , und ſeine Unterhanslua gen mit Bern den weiſen Herzog von Vurgund I. H. Müllers fåmmtl. Werke. XV.
10
Geſchichte der Schweiz. IV. Bucs.
146
aufmerkſam machten '98 ). Doch hatte Philipp bie Ehrfurcht und Liebe der Berner und ihrer Eidge
noſſen in neun feſtlichen Tagen daſelbſt geſehen , und vermehrt : das Herz der Bubenberge war fein ; er entließ auch den Schultheiß von Luis zern 199) und Stal Reding , duro edle Leutſeligkeit eingenommen. .
(Urſachen des Kriegs mit Erzherzog Sigmund.)
Die Rapperſchioliſche Nacht erfüllte winter: thur mit Schrecken , den Hof mit Erſtaunen . Als kurz vor Tages Anbruch ſchnelle Eilboten die Nady
richt nach Winterthur brachten ( die Herrſchaft hatte zu Niapperſchwyl noch Freunde 300 ) ) , waren viele der Meinung , alle Züricher , die zu Winter thur Nachtlager hatten , umzubringen , ehe auch lie dergleichen ausführen . Staum erhielten Männer von reiferm Urtheil , zuerſt mit ihnen zu ſprechen . Die Hauptleute wurden ſchlafend , alle Quartiere in harmloſer Stille gefunden ; die Nachricht fekte auch ſie in Verwunderung ; unter Geſprächen dar: tiber zogen ſie heim "'). Nachdem ſie die Krieger abziehen laſſen , ſperr
ten die Winterthurer den Jahrmarkt gegen die benachbarten Bauern und den Landvogt auf Ki burgs) . Dieſes Mißtrauen veranlaßte Gegenmas
regeln ; die Züricher hielten zu Tós den Markt des Landes.
Da 30g Erzherzog Sigmund mit ſeiner Gemah lin Eleonora Stuart," einer Tochter James des er :
C. 6. Gemeinſame Gefch.der Schweiz 8. 1450–69.
147
ſten , eines ( unglúdlichen ) Königs der Scoten 20kb), und mit ſeinem ganzen Hofſtaat , in dieſe vorderen Pande , welche der Kerzog Albrecht ihm unlängſt
abgetreten 103 ).
Eine bewunderungswürdig abge
richtete Reiterei » ) , er ſelbſt in der Mitte ohne friegeriſche Kauhheit prächtig 25) , gnädig und edel, die toroliſchen Herren und Rathe , die Schaar mit Blumen befrånzter langhaariger * ) Júnglinge, verherrlichten den Tag feines Einzugs zu Coſtanz.
wie gewann fein trauter Handſchlag die Herzen ) ! Vernünftig und freundlich war ſeine Rede ; er wufte nichts abzuſchlagen , und , wofür er beſon ders empfindlich , glůæliche Augenblice mit Schos nen des Landes lohnte er fürſtlich ; ). Mit Jubel wurde er den Bodenſee hinauf geführt , fab des
Thurgaus Fruchtgefild , kam nach Winterthur, hörte von Stapperfchwyl , von Berorguiffen , und ging nicht auf die hohe Kiburg ; noch , fagte man,
betrauern zúrnend Geiſter ſeiner Våter ihren Ver luſt ) , und ( Vorzeichen von Krieg !) es leuchten bei Nacht übernatürliche Flammen um die Thür me , die zinnen. Er aber hórte am liebſten des Biſchofs von Coſtanz friedramen Rath , und daß
aud die Schweiz Vermittelung einer franzöſiſchen Gerandiſchaft ſich gefallen liefe ). Der König von Frankreich fandte Hannſen von Finſtingen, in teut ſchen handeln ſeinen vertrauten Rathb) , die aufólühende Herrſchaft Sigmunds, der von Jugend auf rein Wohlwollen hatte * ) , mit väterlicher 310
-148
Geſchichte der Schweiz. IV, Buch.
Sorgfalt zu ſichern . Da Thurgau und benachbarte Gegenden ** ) Morgengabe der jungen Fürſtin wur den , ertheilte der König hierfür beſondern Soirm und empfahl den Eidgenoſſen Sigmund. Er wer: ſprach ihm zu Löſung der Pfandſchaftene) Geld ,
und gedachte durch enge Verbindung deſſelben mit Johann von Calabrien - Lothringen 10 f ) in Berúh: rung mit ihm zu bleiben . Die Stimmung ware auch in der Schweiz gut geworden ; unruhige Leute
verwirrten ſie. Bigulei * ) und Bernbard die Gradner , Brú:
der , Ritter, Herren zu Fanſtetten , Gygenwiz und Windiſchgráz, aus einem in óſtreichiſchen Dienſten wohlbekannten Geſchlecht » ), waren mit dieſem Erz berzog , der Bernharden liebte, von der Steper: mart , feinem Jugendaufenthalte , nach Tyrol ge zogen . So liebte ihn Sigmund , daß er , nach fei: ner Art, ihm alle Gewalt ließ. Der Sünſtling that , bald nach dieſem , eine reiche Heirath 25). Da er durch Sattheit übermüthig wurde , oder die unma sige Gunſt ſich endlich felbft verzehrte , oder in den
Unruhen des Erzhauſes Verdacht auf ihn fiel, oder gegen den Fremdling Neid machtig wurde ** ) wandte der Fürſt ſein Herz von ihm ab. In lei:
denſchaftlichen Gemüthern geſchieht nichts nach und nach . Als die Gradner Kålte und bald darauf Nach : ſtellung bemerkten -15), fammelte Bernhard von den beſten fúrſtlichen Schloſſern möglichſt viel Geldhús und Proviant auf das Tridentiniſche Bergilos Be
6. 6. Gemeinfame Gefch. der Sdweiz v . 1450–69. 149
ſeno , wo er ſich zu behaupten gedachte 36). Dieſes konnte nicht ſo geſchehen, daß nicht offenbarer Brud
dadurch beſchleuniget worden wäre. Er ſcheute fich nicht , den Fürſten zu Fehden ; aber der Biſchof zu Trident brach ſeinen Troß. So plóßlich kam die Gefahr, das Bernhards Frau mit Hinterlaſſung ei nes Kleiderſchmucks von außerordentlicher Pracht Innsbruck verließ '' ), und alle bei den Schweizern Sicherheit ſuchten. Sie kauften von den Zürichern das Bürgerrecht und die Herrſchaft Egliſau "8). Sie ſtarften ſich durch Kriegsgeſellen , als zu nothwen diger Sicherheit ; in der That ſuchten ſie Krieg, um ihren Feinden zu vergelten , und um dem Fürſten zu zeigen , wen er verloren.
Dieſe Abſidyt wurde durch die Verwi&lung Siga munds mit dein römiſchen Hofe begunſtiget. Claus Krebs , eines armen Fiſchers Sohn aus :
dem Dorfe Sus , an der Moſel, im Trieriſchen , Berncaftel gegenüber, am Fuße guterWeinberge ),
hatte von der Natur einen forſchenden , tief eindrin genden und vielumfaffenden Geiſt , womit er auf
dem Wege der Sachwalterei fein Slict machen wolls te .
Aber das rómiſche Recht , unbeleuchtet, wie es
war, von Geſchichte und Philoſophie, duro Diſtinc: tionen und Gloſſen weniger erklärt als verwirrt, befriedigte den Jungling nicht. Der erſte Proceß, den er , aus Vergeſſenheit einer Formel, zu Mainz
perlor 330 ), beſtimmte ihn zu der größern Laufbahn,
150
Geſchichte der Soweiß. IV . Buch.
welche den retten und ármſten des Pöbels zum Fúr: ſten und Herrn der Vólfer und Könige erheben mochte , dem geiſtlichen Stand. Deſſen weſentliche
Beſchäftigung mit den tiefſten und höchſten Geheim niffen góttlicher und menſchlicher Dinge , mit Er: klárung des alteſten , mannichfaltigſten und von vie len Seiten merkwürdigſten Buchs und mit einer lei tenden Kenntniß der Menſchen verband der Jung ling aus Cus mit einer ſcharfſinnigen , freien Be: trachtung der Natur des Himmels und der Erde, der mancherlei Religionswege , der in finſtern Zei ten entſtellten Geſchichte, unterſuchte , verglich und rekte feſt, worauf es ankomme " ). Dabei hatte er einſchmeichelnde Gewandtheit der Sitten , war un: gemein liſtig, ließ ſich nichts nehmen , und ſuchte
immer weiter zu kommen . Obwohl zu gelehrt und frei um von Kekermachern unangetaſtet zu bleiben " ), wußte er durch Verhüllung deſſen , was er nicht klar fagen durfte 15) , und ſeine Anhänglichkeit für die erſten Männer des Zeitalters jenen zu entgehen,
ohne bei der Nachwelt den Ruhm einzubüßen , daß über den Bau des Weltalls »*) , über die Quellen des geiſtlichen Rechts " ) und andere wichtige Mas
terien fer viber ſein Zeitalter hinausgeſehen. In feiner Jugend war er für die Theorie von dem vor: zúglichen Anſehen der Stirchenverſammlungen : dieſe 226 Partei verließ er anfangs heimlich 6 ); entweder ſchien die Abſetzung des Papſtes ein zu ſtarter Schritt, oder die Kirchengeſchichte und Erfahrung hatte ihm
6. 6. GemeinſameGeron. der Soweiz v. 1450–69. 151
den Geiſt und Gang ſolcher großen Convente anders gezeigt, als wie ſie haben ſollten . Alſo wurde er eine Hauptſtuße des påpſtlichen Stuhls, welchen Eu: genius, vom Hauſe der Condulmeri, in jener ſchwe: ren Zeit mit Klugheit und ernſter Majeſtát fül te " ). Nach deſſen Tod wurde ſelbſt im Conclave Niclauſen von Sus ruhmvoll gedacht * 8). Als der würdigſte, Nicolaus V. von Sarzana , ein gelehr ter, billiger und weiſer Mann, über die allgemeine
Kirche gefekt wurde, gab dieſer ihm den Cardinals but ; bald nach dieſem das Hochſtift Briren.
Briren , in dem rhátiſchen Alpgebirg , hatte in .
allen Ländern , woraus die gefürſtete Grafſchaft Tu: rol erwachſen , von Alters ber , wichtige Burgen, Güter , und , nach den Umſtänden , bedeutenden Einfluß. Die Schirmvogtei der Weltlichkeiten war von den meraniſchen Herzogen aus dem Hauſe An
beds in die Hände Graf Albrechts von Tyrol, an deſſen Erben vom Hauſe Górz und mit ganz Tyrol an die Habsburgiſchen Herzoge von Deſtreid úber: gegangen . Die Wahl des Biſchofs wurde, nach üb: lich gewordener Form , durch das Domcapitel vor:
genommen ; die Geſinnung des Erzherzogs war aber nicht gleichgültig. So wurde ſein Sangler und ge Heimer Rath , Leonhard Weißmayr, Pfarrer zu Ty rol und Domherr , kanoniſch Biſchof zu Briren * 9). Die Pápſte aber behaupteten das Recht außerordent: licher Proviſion , wenn man irgendwo nicht in ge böriger Zeit oder gar nicht ſich vereinigte, oder weil
152
Geſchichte der Schweiz. IV . Budy.
der Blick des Vaters der Chriſtenheit manchmal die
Bedürfniſſe einer Provinz beſſer als die Einwohner kennt , oder wenn Verdienſte um die ganze Kirche belohnt werden ſollten . So wurde , anſtatt leone
hard zu beſtätigen , von dem rómifchen Hofe der Cardinal Nicolaus von Cus zum Biſchof nach Bri: ren ernannt. Dieſe den zu Wien und Aſchaffenburg neuerlich verabredeten Concordaten 380 ) widerſpres chende Verfügung veranlaßte, vor ſeinerAnkunft *5 ), proteſtirende Appellation 13a ) an eine Kirchenvers ſammlung , wie ſie periodiſch gehalten werden ſoll:
ten » ). Aber der von Cus ergriff Beſik , und Sig mund bequemte ficy, von ihm die Schirmvogtei z# nehmen *5 ) ; der Kaiſer ſchien nicht geneigt, får die germaniſche Kirchenfreiheit in dieſem Falle aufzutre: ten. Aeneas Sylvius und Nicolaus Cuſanus was ren unter ſich und mit dem kaiſerlichen Hofe in dem vertraulichſten Verhältnis. Balb nach dieſem wurde
der Cardinal von dem Papſt nach Deutſchland ge fandt, mit Ablaß für gute Seelen ., welche das Jus
beljahr hatten verſäumen muffen , und mit vieler Macht über Kloſter von verdorbener Zucht 135). Er
roll durch mannichfaltige Geſchiclidſeit über zweimal: hunderttauſend Gulben zuſammengebracht haben 16). Nach dieſem vermochte er , von dem Erzherzog Tau
fers, eine Herrſchaft in dem Puſterthal pfandſchafts weiſe an das Hochſtift zu bringen »). Fertigkeit in Geiſtesübung -inacht nicht untauglich für Gefchaf
te : durch Betrachtung der Planeten wurde Cuſas
' S , 6. GemeinſameGeſch, der Saweiz o . 1450-69 . 153
nus von Unterſuchung der dunkeln Anſprüche Bris rens nicht abgehalten .
Die theils veralterten , theils unbeſtimmten Aus drůde der Urkunden bedürfen Erläuterung aus her: kömmlichen Uebungen, die der Ausländer ſelten weiß, worüber auch erfahrne Råthe ihre Meinung nach Umſtanden oder Leidenſchaft ándern . Der Sardinal von Briren , fichon unangenehm durch ſeine Ernens nung , fand in Aufbringung ſeiner Annaten , der Spende des Ablaffes und Unterſuchung der Kloſter von Seite des Hofs zu Innsbruck lauter Hinder niſſe 238). Sigmund wollte über die Frauen zu Sons nenburg in dem obern Puſterthal, deren Sitten ans geklagt wurden
), durchaus nichts verfügen laffen ;
es fam zu Chåtlichkeiten * ). Um ſo geneigter borte Cuſanus diejenige Deutung von Urkunden, welche auf den Markt Matray * ') , den Zoll in dem Paſſe Lueg 1, das Haus der Halliſchen Salzpfannen und
auf die Silberbergwerke- it) ſeine Anſprüche zu bez günſtigen ſchienen "). Die tyroliſchen Ráthe ſeks ten Entſchuldigung und Herkommen entgegen . Die mit Reform bedroheten Kloſter und die Stimme des Volfs *) war dem unruhigen Fremdling entgegen .
Seine Gelehrſamkeit war anerkannt 545), aber die ſpruchwortliche Lift ſeiner Wendungen *346 ) tieß tein Zutrauen auffommen. Manieren , die er glaubte ſeiner Würde ſchuldig zu ſeyn , ſchienen Stolz **) und fein Unternehmungsgeiſt Frechheit *). Sein
römiſcher Sinn paßte nicht in tyroliſche Landesart.
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Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
ein ernſtes Voff, voll.Herzlichkeit und inniger Kraft , freimuthig , ohne Furcht; das gab ihm Würde. ( von Kapperfch wyl. )
Die Eidgenoſſen zogen auf drei Straßen heim in ihr Land '74). Als der Tag fich neigte , erſchie
nen Månner von Uri , Schwoo ; und Unterwalden am obern Thor der Stadt Rapperſchwol, Durchzug und Nachtlager begehrend. Hundert Jahre ), in
ſchweren, langen Kriegen, war dieſe Stadt unwan delbar ſtreichiſch 75) ; nach den Kräften hatte keine fo viel erlitten ; altgelohnte Ehrfurcht , Erinne rung ſo vieler Opfer, ein gewiffes Ehrgefühl erhielt
fie in Hoffnung beſſerer Zeit ; aber ſie fank unter der Laſt rühmlicher Sculden , ohne Unterſtüßung umringt von der Schweiz, deren Untergang fie fo
oft vergeblich erwartet und geſucht. Endlich gerie then viele auf neue Gedanken : „ Wenn die Herr: u ſchaft nicht helfen könne , ſo dürfe man für ſich ſelbſt ſorgen ; es rey nicht erlaubt , ſich und Nüch kommen blinder Leidenſchaft aufzuopfern. Wenn der Hof durch eigene Fehler falle , ſo habe er es ſich zuzuſchreiben . Von Zeit zu Zeit werbe eine
r,neue Ordnung durch unwiderſtehlichen Lauf der ,, Dinge herbeigeführt.
Alsdann rebe zu allen
„ Menfchen das Schidſal vernehmlich ; man rebe ,,eine Partei begeiſtert , die andere unbegreiflich „11muthlos ; Gott nehme ihr den Sinn.“ Die ro dachten , wurden Türken genanut , vielleicht weil
auch dieſe glauben , daß alle Menſchen und ihre
C. 6. Gemeinſaine Geſch. der Schweiz 6. 1450–69.
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Unſtalten ein beftimmtes Maß der Dauer - bas ben 16b) ; fie genießen , fie wagen , um ſo freier. Die Aitgeſinnten wurden Chriſten genannt , welche Erwartung von Wundern der Vorſehung gegen
die Eindrüde der Gegenwart, und gegen alle Sicht barkeit der Gedanke der Zukunft emporhålt. Die Túrken waren thátiger und (da fie unerſchrocken auf neues gingen ) ihre Art fühner. So gefährlich ſchienen ſie, daß der Erzherzog ' ) hundert Mann von Winterthur in die Stadt gelegt , und die Auf hebung der vornehmſten Túrken derſelben erſtes
Geſchäfte feyn ließ.
Wenn das Geheimniß der
Samache einmal zu Tage liegt , reizen gewaltſame Streiche zu Beſchleunigung des Verderbens. Die Schweizer (zu verſtandig um ihre Freunde zu vera laſſen ) erklärten , daß ihr Tod dem Erzherzog dieſe Stadt koſten ſoll. Die Bande dieſer Männer ent frembeten ihm auch die chriſtlichen Rapperſchwyler, ungewohnt , in Meinungen , die der Drang der Zeit entſchuldigte, Verbrechen zu finden. Da jeigte fich , daß der Hof nach keinem Zuſammenhang ty ranniſder Grundraße, ſondern darum ſo gehandelt, weil er nicht wußte, was zu machen war.
Nachdem die Befaßung die treuen Winterthur rer noch mehr erſchöpft 178) und Rapperſchwyl erbit
tert hatte, wurde fie abgerufen , den Gefangenen die Freiheit ertheilt. Die Gefängniß hatte fie nicht überzeugt , und fie vergaßen dieſelbe nicht. Weder gute noch böſe Worte zahlten der Stadt
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Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
Schulden '79). Sie ſchwiegen. Ein geheimer An trag um Schußbündniß mit Zúric , von und für welche Stadt ſie ſo viel ausgeſtanden , war von dem rechtlichen Vorort abgelehnt worden ). Als die glücklichen Banner von Schwyz , Uri und Unter: walben zum Nachtlager in Rapperſchwyl einzogen , als ihre Mannſchaft, bald in die Gaſſen verbreitet, ihre Freunde , die Türken , freudig und brüderlich umarmte , redeten der Schultheiß und Rath mit den Banner berren und Hauptleuten weislich über die Zeitläufe. Mit jedem Augenblic ſtieg die Bes
gierde, traulich und ruhig , ewig wie jeßt mit ein: ander zu leben. Die Schweizer unbekümmert was Deſtreich fage , ſtartten die Ueberzeugung , daß al lein dieſes der Stadt aufhelfen könne. In derſel bigen Nacht riffen alle urſprünglichen Bande. Die oft vergeblich belagerte Stadt , die oft feindſelige Burg und oft ungangbare Brúde wurden ſchweize: riſch bis auf dieſen Tag si). ( A usw årtige Sachen . )
Auswärts und im Innern wurde durch den
Bund die Sicherheit geſtärkt.
Die Verhältniſſe
der Landesherrlichkeit in der Grafſchaft Baden zu
dortigen hohen Gerichten des Biſchofs zu Coſtang waren aus einander geſekt 18 ). Ueber Leib und Leben , in Sachen der öffentlichen Ruhe und an den großen Zurzacher Handelsmeſſen geſchah nichts
ohne die höchſte Gewalt ; die gerichtsherrlichen Be fugniſſe aber wurden von ihr geehrt. So genau, das
C. 6. Gemeinſame Gefch . der Schweiz v. 1450–69 .
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daß beim Sdweigen der Urkunden und ungewis: heit des Serfommens die Eidgenoſſen keine Ents
fcheidung wagten 183) ; ſie überließen den Vergleich den Parteien. Das obrigkeitliche Amt follte nicht einſchreiten , wenn keine Störung öffentlicher Rube es auffordert. Zur Unterbrúdung der Privatfeh
den war Verſtändniß auch mit Deſtreich 36 ). Wenn ſelbſt in guten Städten Familienrückſicht Ruheſtörer zu begünſtigen ſchien 85 ) , wurden folche Anſtalten getroffen * ) , folche Maßregeln verfügt 8 ) , daß al ler Beunruhigung ſchweizeriſcher Schuhverwandten vorgebeugt wurde. Dieſe Vortheile wurden von lekteren bisweilen durch eine freiwillige 88) , rebr mäßige Steuer 189) erkannt. Die ungerechte Ge talt , welche die Schweizer von den Ihrigen ab hielten , erlaubten ſie den 3hrigen wider Fremde eben ſo wenig 190) , und waren hierin auch gegen verſöhnte Feinde billig 19). Als das Reichskama mergericht 19") in Sachen Bilgeri's von Howdorf
gegen die von Fulach 193) die Acht aus nichtigem Vorwand 19t) über die Stadt Schaffhauſen ſprach , unterſtüßten die Eidgenoffen ihre Appellation an den Saiſer 9 ). In furzem ſtartten die größten
Orte ihre Berbindung mit dieſer Stadt 19 ). Der
König in Frantreich , Karl der Siebente , bewies für die Eidgenoſlen ſo viele Achtung , daß er ſie über ſeinen Bund mit Savoyen durch förmliche
Erklärung beruhigte 19 ') , und ſeine Unterhan5lun gen mit Bern den weiſen Herzog von Burgund W. Müllers fåmmtl. Werke. XY.
10
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch).
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aufmerkſam machten 19 ). Doch hatte Philipp die Chrfurcht und Liebe der Berner und ihrer Eidge noſen in neun feftlichen Tagen daſelbſt geſehen, und vermehrt : das Herz der Bubenberge war ſein ; er entließ auch den Schultheiß- von Luis zern 199 ) und 3tal Reding I, duro edle Leutſeligkeit eingenommen. (Urfachen des Kriegs mit Erzherzog Sigmund.)
Die Rapperſchwyliſche Nacht erfüllte Winter thur mit Schređen , den Hof mit Erſtaunen . Als kurz vor Tages Anbruch ſchnelle Eilboten die Nach richt nach Winterthur brachten ( die Herrſchaft
hatte zu Niapperſdwyl noch Freunde 300 ) ) , waren viele der Meinung , alle Züricher , die zu Winter: thur Nachtlager hatten , umzubringen , ehe auch fie
dergleichen ausführen . Saum erhielten Männer von reiferm Urtheil , zuerſt mit ihnen zu ſprechen .
Die mauptleute wurden ſchlafend , alle Quartiere in harmloſer Stille gefunden ; die Nachricht ferte auch fie in Berwunderung ; unter Geſprächen dar: tiber zogen ſie heim "'). Nachdem ſie die Krieger abziehen laſſen ,ſperr: ten die Winterthurer den Jahrmarkt gegen die benachbarten Bauern und den Landvogt auf Ki
burg ). Dieſes Mißtrauen veranlaßte Gegenmas regeln ; die Züricher hielten zu Tós den Markt des Landes.
Da zog Erzherzog Sigmund mit ſeiner Seman :
lin Eleonora Stuart, einer Tochter James des er:
C. 6. Gemeinſame Geſch. Der Schweiz u. 1450–69.
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ften , eines ( unglücklichen ) Königs der Scoten rok b), und mit ſeinem ganzen Hofſtaat , in dieſe vorderen lande , welche der Herzog Albrecht ihm unlängſt abgetreten 103). Eine bewunderungswürdig abge richtete Reiterei 30h) , er ſelbſt in der Mitte ohne friegeriſche Rauhheit prächtig 25) , gnädig und ebel, die toroliſchen Herren und Ráthe , die Schaar mit Blumen befránzter langhaariger ) Sunglinge, verherrlichten den Tag feines Einzugs zu Coſtanz. wie gewann fein trauter Handſchlag die Herzen m ) ! Vernünftig und freundlich war ſeine Rede ; er wußte nichts abzuſchlagen , und , wofür er beſon ders empfindlich , glückliche Augenblide mit Scho: nen des Landes lohnte er fürſtlich 38). Mit Jubel wurde er den Bodenſee hinauf geführt , fah des
Thurgaus Fruchtgefild , fam nach Winterthur, 1
hörte von Rapperſchwyl , von Beſorgniſſen , und ging nicht auf die hohe Kiburg ; noch , fagte man, betrauern zurnend Geiſter ſeiner Våter ihren Ver luſt 39) , und ( Vorzeichen von Sprieg !) es leuchten bei Nacht übernatürliche Flammen um die Thür me , die zinnen. Er aber hórte am liebſten des Biſchofs von Coſtanz friedſamen Rath , und daß
aud) die Schweiz Vermittelung einer franzöſiſchen 1
Gefandtſchaft ſich gefallen liebest ).
Der König von
Frankreich fandte Hannſen von Finſtingen, in teut ſchen håndeln reinen vertrauten Rath * 6) , die aufólühende Herrſchaft Sigmunds, der von Jugend auf fein Wohlwollen hatte 'e ) , mit väterlicher 31
310
148
Geſchichte der Schweiz. IV. Budy .
Sorgfalt zu ſichern. Da Thurgau und benachbarte Gegenden *:*d) Morgengabe der jungen Fürſtin wur den , ertheilte der Konig hierfür beſondern Schirm und empfahl den Eidgenoſſen Sigmund. Er ver : ſprach ihm zu löſung der Pfandſchaften ? e) Geld, und gedachte durch enge Verbindung deffelben mit Johann von Calabrien -Lothringen *310 ) in Berüh rung mit ihm zu bleiben. Die Stimmung ware auch in der Schweiz gut geworden ; unruhige Leute verwirrten fie.
Migulej * ) und Bernhard die Grabner , Brú: der , Ritter, Herren zu Fanſtetten , Gygenwiz und
Windiſchgráz , aus einem in oſtreichiſchen Dienſten wohlbekannten Geſchlecht ' '), waren mit dieſem Erz herzog , der Bernharben liebte, von der Steper : mart , ſeinem Jugendaufenthalte , nach Tyrol ge zogen . So liebte ihn Sigmund , daß er , nach fei: ner Art, ihm alle Gewalt ließ. Der Günſtling that, bald nach diefem , eine reiche Heirath 25). Da er durch Sattheit übermüthig wurde , oder die unma fige Gunſt fich endlich ſelbſt verzehrte , oder in den Unruhen des Erzhauſes Verdacht auf ihn fiel, ober gegen den Fremdling Neid machtig wurde ** )
wandte der Fürſt ſein Herz von ihm ab. In lei: denſchaftlichen Gemüthern geſchieht nichts nach und nad). Als die Gradner Kålte und bald darauf Nach ſtellung bemerkten 25), fammelte Bernhard von den beſten fürſtlichen Schloſſern möglichſt viel Geſchük und Proviant auf das Tridentiniſche Bergſchloß Be
C. 6. Gemeinſame Gefch, der Schweiz . 4450-69.
feno , wo er fich zu behaupten gedachte 16).
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Dieſes
konnte nicht ſo geſchehen , daß nicht offenbarer Brudy
dadurch beſchleuniget worden wäre. Er ſcheute fich nicht , den Fürſten zu febben ; aber der Biſchof zu Trident brach ſeinen Trok. So plönlich kam die Gefahr, das Bernhards Frau mit Hinterlaſſung ei: nes Kleiderſchmucks won augerordentlicher Pracht
Innsbruck verließ '' ), und alle bei den Schweizern Sicherheit ſuchten. Sie kauften von den Zúrichern
das Bürgerrecht und die Herrſchaft Egliſau 318). Sie ſtárkten ſich durch Kriegsgeſellen , als zu nothwen diger Sicherheit ; in der That ſuchten ſie Strieg, um ihren Feinden zu vergelten , und um dem Fürſten zu zeigen , wen er verloren. Dieſe Abſicht wurde durch die Verwiælung Sig munds mit dein römiſchen Hofe begunſtiget.
Claus Krebs , eines armen Fiſchers Sohn aus dem Dorfe Sus , an der Moſel, im Trieriſchen , Berncaſtel gegenüber , am Fuße guter Weinberge ), hatte von der Natur einen forſchenden, tief eindrin genden und vielumfaſſenden Seift , womit er auf
dem Wege der Sachwalterei ſein Slúc machen wol te. Aber das römiſche Recht, unbeleuchtet, wie es war, von Geſchichte und Philoſophie, durch Diſtinc: tionen und Gloſſen weniger erklärt als verwirrt, befriedigte den Jüngling nicht. Der erſte Proceß, den er , aus Vergeſſenheit einer Formel, zu Maing perlor *) , beſtimmte ihn zu der größern Laufbahn,
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Geſchichte der Soweiß. IV . Buch .
welche den lekten und armſten des Pobels zum Fúr: ſten und Herrn der Völker und Könige erheben
mochte , dem geiſtlichen Stand. Deſſen weſentliche Beſchäftigung mit den tiefſten und höchſten Geheim nilen göttlicher und menſdlicher Dinge , mit Er: Klarung des alteſten , mannichfaltigſten und von vie len Seiten merkwürdigſten Buchs und mit einer lei:
tenden Stenntniß der Menſchen verband der Jung ling aus Cus init einer ſcharfſinnigen , freien Be: trachtung der Natur des Himmels und der Erde,
der mancherlei Religionswege , der in finſtern Zei ten entſtellten Geſchichte, unterſuchte , verglich und rekte feſt, worauf es ankomme ."). Dabei hatte er einſchmeichelnde Gewandtheit der Sitten , war uns gemein liſtig, ließ ſich nichts nehmen , und ſuchte
immer weiter zu kommen . Obwohl zu gelehrt und frei um von Kebermachern unangetaſtet zu bleiben " ),
wußte er durch Verhüllung deſſen , was er nicht flar fagen durfte **5), und ſeine Anhänglichkeit für die erſten Männer des Zeitalters jenen zu entgehen,
ohne bei der Nachwelt den Ruhm einzubüßen , daß über den Bau des Weltalls ***) , úber die Quellen
des geiſtlichen Rechts 15) und andere wichtige Mas
terien fer liber ſein Zeitalter hinausgeſehen. In Feiner Jugend war er für die Theorie von dem vor: züglichen Anſehen der Kirchenverſammlungen : dieſe
Partei verlief er anfangs heimlich ** ); entweder ſchien die Abrehung des Papſtes ein zu ſtarker Schritt, oder die Kirchengeſchichte und Erfahrung hatte ihm
5. 6. Gemeinſame Geras. der Schweiz u. 1450–69. 151
den Geiſt und Gang ſolcher großen Convente anders gezeigt , als wie ſie haben ſollten. Alſo wurde er eine Hauptſtuge des påpſtlichen Stubis, welchen Eu: genius, vom Hauſe der Sondulmeri, in jener ſchwe: ren Zeit mit Klugheit und ernſter Majeſtát full te ?). Nach deſſen Tod wurde ſelbſt im Conclave Niclauſen von Cus rubmvoll gedacht »). Als der würdigſte , Nicolaus V. von Sarzana , ein gelehr: ter , billiger und weifer Mann, über die allgemeine Kirche geſekt wurde, gab dieſer ihm den Cardinals: but ; bald nach dieſem das Hochſtift Briren.
Briren , in dem rhátiſchen Alpgebirg , hatte in allen Ländern, woraus die gefürſtete Grafſchaft To: rol erwachſen , von Alters her , wichtige Burgen, Güter , und , nach den Umſtänden , bedeutenden Einfluß. Die Schirmvogtei der Weltlichkeiten war , von den meraniſchen Herzogen aus dem Hauſe An beds in die Hände Graf Albrechts von Tyrol , an deſſen Erben vom Hauſe Górz und mit ganz Tyrol an die Habsburgiſchen Herzoge von Deſtreich úber: gegangen . Die Wahl des Biſchofs wurde, nach úb: lich gewordener Form , durch das Domcapitel vor: genommen ; die Geſinnung des Erzherzogs war aber nicht gleichgültig. So wurde fein Sangler und ge Heimer Rath , Leonhard Weißmayr, Pfarrer zu Tys
rol und Domherr , kanoniſch Biſchof zu Briren 129). Die Papſte aber behaupteten das Recht außerordent:
licher Proviſion , wenn man irgendwo nicht in ge bdriger Zeit oder gar nicht ſich vereinigte, oder weil
152
Geſchichte der Schweiz. IV . Budy.
der Blick des Vaters der Chriſtenheit manchmal die Bedürfniſſe einer Provinz beſſer als die Einwohner: kennt , oder wenn Verdienſte um die ganze Kirche belohnt werden ſollten . So wurde , anſtatt Leona hard zu beſtätigen , von dem rómifchen Hofe der >
Cardinal Nicolaus von Cus zum Biſchof nach Bris ren ernannt. Dieſe den zu Wien und Aſchaffenburg neuerlich verabredeten Concordaten 150 ) widerſpres
chende Verfügung veranlaßte, vor ſeiner Ankunft *54), proteſtirende Appellation 3 ) an eine Kirchenvers ſammlung , wie ſie periodiſch gehalten werden ſolla
ten ). Aber der von Cus ecgriff Beſik, und Sig mund bequemte fich , von ihm die Schirmvogtei zuti nehmen 136) ; der Kaiſer ſchien nicht geneigt, für die germaniſche Kirchenfreiheit in dieſem Falle aufzutre: ten .
Aeneas Sylvius und Nicolaus Curanus was
ren unter ſich und mit dem kaiſerlichen Hofe in dem vertraulichſten Berbáltnie. Balb nach dieſem wurde
der Cardinal von dem Papſt nach Teutfchland ge fandt, mit Ablaß für:gute Seelen , welche das Jus beljahr hatten verfáumen müſſen , und mit vieler /
Macht über Kildſter von verdorbener Zucht 135). Er ſoll durch mannichfaltige Geſchiclid;feit über zweimals
hunderttauſend Gulden zuſammengebrachthaben 136). Nach dieſem vermochte er , von dem Erzherzog Tau fers, eine Herrſchaft in dem Puſterthal pfandſchafts weife an das Hochſtift zu bringen -). Fertigteit in Geiſtesübung inacht nicht untauglich für Gefchaf te : durch Betrachtung der Planeten wurde Cura
S, 6. Gemeinſame Geſch, der Sdweiz u. 1450–69 . 153
nus von Unterſuchung der dunkeln Anſprüche Bris rens nichtabgehalten.
Die theils veralterten, theils unbeſtimmten Aus drücke der Urkunden bedürfen Erläuterung aus her: kömmlichen Uebungen , die der Ausländer ſelten weiß, worüber auch erfahrne Ráthe ihre Meinung nady Umſtånden oder Leidenſchaft ändern. Der Cardinal von Briren , ſchon unangenehm durch ſeine Ernens nung , fand in Aufbringung ſeiner Unnaten , der Spende des Ablaffes und Unterſuchung der Kloſter von Seite des Hofs zu Innsbruck lauter Hinder niſſe -338). Sigmund wollte über die Frauen zu Son
nenburg in dem obern Puſterthal, deren Sitten ans geklagt wurden ), durchaus nichts verfügen laſſen ; es fam zu Châtlichkeiten ste). Um fo geneigter hörte Cuſanus diejenige Deutung von Urkunden , welche
auf den Markt Matray * ) , den Zoll in dem Paſſe .
Lueg , das Haus der Halliſchen Salgpfannen und aufdie Silberbergwerkeit) ſeine Anſprüche zu bez günſtigen ſchienen * ). Die tyroliſchen Ráthe fef= ten Entſchuldigung und Herkommen entgegen. Die mit Neform bedroheten Kloſter und die Stimme des
Volfs * ) war dem unruhigen Fremdling. entgegen . Seine Selehrſamkeit war anerkannt 345 **5 ) , aber die ſprůchwörtliche Liſt ſeiner Wendungen 36) tieß kein Zutrauen auffommen . Manieren , die er glaubte
ſeiner Wurde ſchuldig zu feyn , ſchienen Stolz **) und fein Unternehmungsgeiſt Frechheit * 8). Sein römiſcher Sinn pakte nicht in tyroliſche Landesart.
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Gefaidhte der Schweiz. IV. Bud .
Die freien lauten Stimmen ( hienen ihm lebensge fahr ; er entwich auf Budenſtein ." ). Hierüber er : ging von dem römiſden Hof Mahnung an den Erz
herzog es ). Cuſanus ſelbſt ſerte über die hochſtif: tiſchen Burgen ausländiſche Vögte 15'), und ſoll was
Sigmund nicht anerkennen wollte, fremden Fürſten angetragen haben ). Auch rab er mit zufriedenem Auge in der benachbarten Grafſchaft Górz faiſerliche Volter s ); er war in beſtem Vernehmen mit dem Staiſer , wider welchen die Erzherzoge zuſammen :
hielten.
In dieſer Lage der Dinge wurde ſein beſter Freund Papſt. Pius , Jahre lang einer der vertrauteſten Ráthe Kaiſer Friedrics , hatte Erzberzogen Siga mund , welcher bei demſelben erzogen wurde , als
beſonders hoffnungsvollen Jüngling e ) und wohl unterrichteten warmen Freund der Wiſſenſchaften 255) geliebt. Sigmund redete gern mit dem geiſtvollen Staliener. So ſehr gefielen ihm deſſen in dem be:
ften Geſchmad geſchriebene Briefe, daß er nicht nur viele ſich abſchreiben ließ 256 ), ſondern da er einſt ver :
liebt war , nicht ruhete , bis Aeneas ihm einen Lie besbrief aufſeßte; welche Gefälligkeit dieſer nicht un: gern erwies ; Aeneas wußte, daß Liebe wedt , ent: widelt und bildet * ). Obſchon ihm nadmals an
dem Erzherzog vieles nicht gefiel 15) , doch half er, als Papſt, einen Bruch mit den Soweizern ver
mitteln 39). Zu derſelbigen Zeit begab fich der Car: dinal Cuſanus nad Rom , und fein erhöheter Freund
5. 6. Gemeinſame Gefch. der Schweiz 6. 1450–69.
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fekte ihn über diere Stadt, als er ſelbſt nach Mantua zog. Pius hielt hier einen Convent über den groß ten Zweck feiner Regierung , die Sicherung Roms und der europäiſch - geſitteten Welt vor dem Schwerte SRahomeds , des größten Padiſchah der osmaniſchen
Türken : denn wenn er auch des neapolitaniſchen Don Ferrando, eines Königs , der Herr zu reyn wußte , ſich um ſo eifriger annahm , weil ſein Neffe deſſen Tochter hatte 6 ), und wenn er in ſeinem , Vaterland ſeinem Hauſe ein Andenken zu hinter laſſen ſuchte 361), ſo war Pius zu weiſe, um es nicht
zu wiſſen , auch die Piccolomini wurden nicht langer als Italien beſtehen 16 ). Da fuhr Erzherzog Sigs . mund , der ganze Innsbrucifche Hof, der tyroliſche Adel, vierhundert Mann zu Pferd, auch nach Man tua ; wo der påpſtliche Hofſtaat und hieraufin einer zierlichen Rede voll Erinnerung der Jugendjahre der Papſt den Erzherzog nach der Würde des Erzhauſes empfing 763 ). Da berief Pius eilends den Sardinal zu fich, und gab fid perſönlich und durch andere die größte Múhe zu Beilegung der Handel. Die Geſchäfte des Erzherzogs führte Doctor Gres
gorius Heimburg, aus dem Würzburgiſchen 26 ), ſeit 2
vielen Jahren Stadtconſulent zu Nürnberg 265 6 ), ge beimer Rath vieler teutſchen Fürſten 16), ein Mann von großer Statur, tahl , ſonſt ſchön , mit einem
freudigen Blic , voll Feuer in den Augen 56 ) , ro
beredt im Teutſchen und lateiniſchen , daß wo er war alles auf ihm rubete 16 ) , gelehrt, über alle
Gerdhichte der Schweiz. IV . Budy. freimuthig ), welſche Feinheiten durch teut Maße
156
fchen Muth niederzuſchlagen gewohnt, ein felbſtden kender » ) , an das Kirchenhaupt nicht ſehr gläubi ger Mann * ). Piuswarſeines Gleichen geweſen ") ; Enfanus hatte zu Mainz gegen ihn jenen Proceß ver :
loren . Es iſt begreiflich , daß die Unterhandlung ſich zerſchlug. Der Abſchied war mit verſteltter Höf lichkeit 275) ; der Grol wurde bitterer. Von dem
an trachtete der Cardinal nach der Stüße militaris ſcher Macht ; der Hof, im außerſten Fall ihm vor zufommen . Das Bolt war ungemein aufgebradt; es lag auf dem Lande ein Interdict. 274) ; alle geiſt: lichen und weltlichen Dinge waren durch Parteiung verwirrt. Da verſuchte der Hof eine , weder nach eigenen Kraften berechnete , noch mit dem Erzhauſe und andern Fürſten verabredete ſtarke Maßregel. 1460
Der Cardinal durch gute Leußerungen bewogen , wagte ſich nach Brunet ). Hier idurde durch Par: cifal von Annaberg , einen der vornehmſten erzher: 1
zoglichen Råthe, faſt alles, wenigſtens einſtweilen ** ) beigelegt. Es iſt ſchwer zu beſtimmen , ob Sufa nug nur Zeit gewinnen, Truppen in das Land brin: gen und auf ſeiner Reiſe nach Rom unlautere Abs Tichten ausführen wollte "). Auf den tillen Freis tag beſchrieb er den verföhnenden Martertod in ei nem rührenden Vortrag ; auf den Oſtertag hatte er den Sieg úber den Tod bearbeitet 78). Früh aber in den Stunden , wo der bor : erſtanden , Kriegs geldrei. Das Stadioen Brunet wurde eingenoms
E. 6. Gemeinſame Gefah. der Schweiz 4. 1450-69. 157
men , er gezwungen , in das Schloß auf dem Hügel zu fliehen. Da tam die Fehde $19 ) ; bald , mit drei: tauſend Mann zu Fuß und achthundert Pferden , Erzherzog Sigmund ſelbſt * ), Suſanus, uiberraſcht, wurde genöthiget , fich zu ergeben 18') ; da er dann
von Sigmund mit Anſtand behandelt wurde 18e), an bere Spott und Schadenfreude nicht geſpart haben mögen -85). Der ſchwerbeleidigte Prálat beherrſchte fid , ging für Freiheit alles ein, gab den Pfandbrief am Taufers und einen beträchtlichen Gúltbrief her: aus , ließ zehntauſend Gulden darzáblen * ), ſtellte den Gottesdienſt fo viel an ihm war her 185) , ver:
{prach die Ausföhnung des Papſtes zu verſuchen, ge nehmigte die Burgen von dem Capitel bereken zu -{aſſen 96), und fchien beiter , úber das verbrießliche Andenken erhaben * % ). Der Hof, zutraulich , ließ ihn unter den ſchönſten Worten * ) die Reiſe zu dem Papſt frei fortſeßen .
Unverleklich waren die Prieſter von jeher Re genten, welche die von ihnen geleitete Meinung und Moral der Nationen geehrt ; die Fürſten berrſchten
um fo feſter; die freien Predigten waren Troſt der Menge. Prieſter und Regenten håtten noch lang fu
ſammen beſtehen können, wenn die Unmaßung welt licher Größe und Reichthümer nicht zu viele Zuſam menſtoßungen veranlaſſet hatte , über welchen die eigenthümliche Würde in Gefahr kam. Es iſt an
sich ſchwer , daß in den Lauf der Zeiten , welcher Alles enthüllt und alle einander naher bringt , die
Geſchichte der Schweiz. IV . Burs.
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aus der Entfernung angebetete Heiligkeit und ma ieſtåt nicht verlieren ſollte ; das macht Umwälzun gen unaufhaltbar. Wie viet meir, wenn die auf dem Chron und die am Alter ihre Menſchlichkeiten ſich vor allem Volte in derber Straftſprache vorhalten !
Darin wird , wer das Uebel aufhalten will , unbe merkt laſſen , was er nicht åndern kann, oder Um ftande mit Geiſtesgegenwart benußen , wie daju mal Pius. Pius wußte, daß er dem Kaiſer eine Gefälligkeit erweiſen wurde, wenn er den Erzherzog in die größte Verlegenheit brachte. Nachdem Ladislaf, Stónig zu Ungarn und Böheim , Erzherzog zu Deſtreich , tin:
derlos geſtorben , hatten Könige von ſeltenem Gelft die throne von Ungarn und Böheim beſtiegen * ) ; I
die Zweitracht in dem Erzhaus hatte neue Nahrung bekommen so) ; der Saiſer, deſſen Weichlichkeit ver;
achtet wurde age, war in ſeinem Palaſt nicht ſicher ; indeß er weder für die Erhaltung noc Regierung
der Länder ſich Mühe gab , und wagte , war er um nicht weniger länderſichtig , welche Leidenſchaft in Ermanglung des Muthes er durch Liſt zu befriedigen fuchte.
Zuvor ſchon **) hatte Pius den Erzherzog 1, den
Tridentiniſchen Biſchof, den Heimburg 895 ), die vor: nehmſten Ráthe und Günſtlinge Sigmunds , und alle uebertreter des Interdicts, die größten Gemein den des Landes Tyrol »9 ) citirt , in zwei Monaten die steberei ihres Ungehorſams vor dem Haupt der
C. 6. GemeinſameGefch . der Schweiz 6. 1450–69 .
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einigen chriſtlichen Kirche zu- verantworten. Der Erzherzog fandte Meiſter Lorenz Blumenauer , fet nen Rath , zu dem Papſt nach Siena , mit entſchul digender Auskunft , und , wenn dieſe nicht befrie dige , eine Appellation ,1 wodurch Zeit getyonnen würde 995). Dieſen Mann, als er, nach vergeblichem Werbór 96) , lettere angeſchlagen , ließ der Papſt als einen unbevollmächtigten »97) Fremdling verfols gen , so daß er durch Nebenwege und allein faum
endlich in Tyrol wieder ankam 19 ). Auf den Erz herzog warf der Papſt den Bann 198 b ). „ Ungern,“ ,,feufzte er , ungern auf einen Fürſten ſeines ruhm
„vollen Hauſes 193), ungern in Erinnerung ſeiner ,,beſſeren Zeit , allein gebieteriſch rufe ihm Pflicht 1
uzu , er durfe jest nicht deneas reyn ; auch die Sers gier hatten einen Satilina , dem Ruhm des erſten „Sårar nahm Nero nichts." Da berief ſich der Erzherzog auf das Urtheil et: ner Verfammlung der ganzen Kirche ** ). „ Nody
fprach er ,, iſt der Papſt des an uns und unſerme
,,landeverübten unrechts nicht erſättiget s .); noch „ dichtet er Steßereien , welche con Eprol niemand
,,erwartet ; und ladet über hunderttauſend Men „ ſchen vor ſeinen Stuhl. Wovon kaufen die Brod ?
,,wer führt die Kinder , trågt die Kranten So»), leis „ tet die Blinden , nach Rom ? Wir haben Kühn
„ heit 363) und mörderiſche That von unſerm Volke abgetrieben ; hatten wir warten ſollen, bis der Pfaff ,,ein fremtes Keer zu Hauſe bringe ? Uns gebührt,
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Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
Sorgfalt zu ſichern. Da Thurgau und benachbarte Gegenden 2 * d ) Morgengabe der jungen Fürſtin wur 210
den , ertheilte der König hierfür beſondern Schirm
und empfahl den Eidgenoſſen Sigmund. Er ver: 210 ſprach ihm zu Löſung der Pfandſchaften ??º e) Geld,
und gedachte durch enge Verbindung deſſelben mit Johann von Salabrien - Lothringen 10 f) in Berúh rung mit ihm zu bleiben. Die Stimmung wäre
· auch in der Schweiz gut geworden ; unruhige Leute verwirrten fie.
Wigulej ? ) und Bernhard die Gradner , Brú: der , Ritter, Herren zu Fanſtetten , Gygenwiz und
Windiſchgråz , aus einem in óſtreichiſchen Dienſten wohlbekannten Geſchlecht » »), waren mit dieſem Erz herzog , der Bernharben liebte , von der Steper : mart , ſeinem Jugendaufenthalte , nach Tyrol ge zogen . So liebte ihn Sigmund , daß er , nach ſei: ner Art, ihm alle Gewalt ließ. Der Günſtling that,
bald nach dieſem , eine reiche Heirath 213). Da er durch Sattheit übermüthig wurde , oder die unma sige Gunft fich endlich ſelbſt verzehrte , oder in den Unruhen des Erzhauſes Verdacht auf ihn fiel, oder gegen den Fremdling Neid machtig wurde ) wandte der Fürſt rein Herz von ihm ab. In lei denſchaftlichen Gemüthern geſchieht nichts nach und nach . Als die Gradner Kålte und bald darauf Nach ſtellung bemerkten es), fammelte Bernhard von den beſten fúrſtlichen Schlöſſern möglichſt viel Geldhús
und Proviant auf das Tridentiniſche Bergſchloß Be
S. 6. Gemeinſame Gefch. der Schweiz6.1450–69.
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ſeno , wo er ſich zu behaupten gedachte 16). Dieſes konnte nicht ſo geſchehen , daß nicht offenbarer Brudy dadurch beſchleuniget worden wäre. Er ſcheute fich
nicht , den Fürſten zu Fehden ; aber der Biſchof zu Trident brach reinen Trok.
So plóklich kam die
Gefahr, daß Bernhards Frau mit Hinterlaſſung ei nes Kleiderſchmucs von außerordentlicher Pracht Innsbruck verließ ''), und alle bei den Schweigern Sicherheit ſuchten. Sie kauften von den Zúrichern
das Bürgerrecht und die Herrſchaft Egliſau 318). Sie ſtårften ſich durch Kriegsgeſellen , als zu nothwen diger Sicherheit; in der That fuchten ſie Strieg , um ihren Feinden zu vergelten , und um dem Fürſten zu zeigen , wen er verloren. Dieſe Abſicht wurde durch die Verwicklung Sig munds mit dein römiſchen Hofe begunſtiget.
Claus Krebs., eines armen Fiſchers Sohn aus. dem Dorfe Sus , an der Moſel, im Trieriſchen , Berncaftel gegenüber, am Fuße guter Weinberge 19), hatte von der Natur einen forſchenden , tief eindrina genden und vielumfaffenden Geift , womit er auf
dem Wege der Sachwalterei ſein (Slice machen wol te . Aber das rómiſche Recht,1 unbeleuchtet, wie es war, von Geſchichte und Philoſophie, durch Diſtincs tionen und Gloſſen weniger erklårt als verwirrt, befriedigte den Jüngling nicht.
Der erſte Proceß .
den er , aus Vergeſſenheit einer Formel, zu Mainz perlor * ) , beſtimmte ihn zu der größern Laufbahn,
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Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
welche den lekten und armſten des Pöbels zum Súr: ften und Herrn der Völker und Könige erbeben mochte, dem geiſtlichen Stand. Deſſen weſentliche
Beſchäftigung mit den tiefſten und höchſten Geheim niſen göttlicher und menſdlicher Dinge, mit Er: klárung des alteſten , mannichfaltigſten und von vie .
len Seiten merkwürdigſten Buchs und mit einer lei tenden Stenntniß der Menſchen verband der Jung ling aus Cus mit einer ſcharfſinnigen , freien Be :
trachtung der Natur des Himmels und der Erde,
der mancherlei Religionswege, der in finſtern Zei: ten entſtellten Geſchichte , unterſuchte, verglich und rekte feſt, worauf es ankomme ). Dabei hatte er .
einſchmeichelnde Gewandtheit der Sitten , war una gemein liſtig , lief ſich nichts nehmen , und ſuchte immer weiter zu kommen . Obwohl zu gelehrt und frei um von Sehermachern unangetaſtet zu bleiben ' ), wußte er durch Verhüllung deſſen , was er nicht klar fagen durfte **5), und feine Anhänglichkeit für die erſten Männer des Zeitalters jenen zu entgehen ,
ohne bei der Nachwelt den Ruhm einzubüßen , daß über den Bau des Weltalls 16) , über die Quellen des geiſtlichen Rechts " ) und andere wichtige Ma terien fer liber fein Zeitalter hinausgeſehen . In
Feiner Jugend war er für die Theorie von dem vor: zuglichen Anſehen der stirchenverſammlungen : dieſe Partei verlief er anfangs heimlich 6 ); entweder ſchien die Abſehung des Papſtes ein zu ſtarter Schritt,
oder die Kirchengeſchichte und Erfahrung hatte ihm
T. 6. GemeinſameGereg. der Schweiz 6. 1450–69. 151
ben Geiſt und Gang ſolcher großen Convente anders gezeigt, als wie ſie haben ſollten. Alſo wurde er eine Hauptſtüße des påpſtlichen Stubls, welchen Eu:
genius, vom Haufe der Sondulmeri, in jener ſchwe ren Zeit mit Klugheit und ernſter Majeſtát fú al te » ). Nach deſſen Tod wurde ſelbſt im Conclave Niclauſen von Cus ruhmvoll gedacht »). Als der würdigſte, Nicolaus V. von Sarzana , ein gelehr: ter, billiger und weiſer Mann, über die allgemeine Kirche geſekt wurde, gab dieſer ihm den Cardinals: but ; bald nach dieſem das Hochſtift Briren.
Briren , in dem rhátiſchen Alpgebirg , hatte in allen Ländern, woraus die gefürſtete Grafſchaft EN rol erwachſen , von Alters her , wichtige Burgen , Gúter , und , nach den Umſtänden , bedeutenden
Einfluß. Die Schirmvogtei der Weltlichkeiten war von den meraniſchen Herzogen aus dem Hauſe An bechs in die Hände Graf Albrechts von Tyrol , an deſſen Erben vom Hauſe Górz und mit ganz Tyrol
en die Habsburgiſchen Herzoge von Oeſtreid úber: gegangen. Die Wahl des Biſchofs wurde, nach üb:
lich gewordener Form , durch das Domcapitel vor: genommen ; die Geſinnung des Erzherzogs war aber nicht gleichgültig. So wurde fein Canzler und ge
Heimer Rath , Leonhard Weißmayr, Pfarrer zu Ty rol und Domherr , fanoniſch Bifchof zu Briren * ). Die Pápſte aber behaupteten das Recht außerordent: licher Proviſion , wenn man irgendwo nicht in ge
böriger Zeit oder gar nicht ſich vereinigte, oder weil
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Gelehichte der Schweiz. IV . Budy.
der Blick des Vaters der Chriſtenheit manchmal die
Bedürfnife einer Provinz beſſer als die Einwohner kennt , oder wenn Verdienſte um die ganze Kirche belohnt werden ſollten. So wurde , anſtatt leone hard zu beſtätigen , von dem römiſchen Hofe der Cardinal Nicolaus von Cus zum Biſchof nach Bris ren ernannt. Dieſe den zu Wien und Aſchaffenburg 330 neuerlich verabredeten Concordaten 15 ) widerſpres:
chende Verfügung veranlaßte, vor ſeiner Ankunft 25 ), proteſtirende. Appellation 23. ) an eine Kirchenver: ſammlung , wie ſie periodiſch gehalten werden foll
ten 253). Aber der von Cus ergriff Beſiß, und Sig mund bequemte fich , von ihm die Schirmvogtei zu nehnten 136) ; der Kaiſer ſchien nicht geneigt, für die germaniſche Kirchenfreiheit in dieſem Falle aufzutre ten. Aeneas Sylvius und Nicolaus Cuſanus was ren unter ſich und mit dem kaiſerlichen Hofe in dem vertraulichſten Verbáltniß. Balb nach dieſem wurde der Cardinal von dem Papſt nach Teutfchland ges fandt 1, mit Ablaß für gute Seelen , welche das Jus beljahr hatten verſäumen müſſen , und mit vieler
Macht über Kilóſter von verdorbener Zucht 135 ). Er roll durch mannichfaltige Geſchidlichfeit über zweimal: hunderttauſend Gulden zuſammengebracht haben 136 ). Nach dieſem vermochte er , von dem Erzherzog Tau: fers, eine Herrſchaft in dem Puſterthal pfandſchafts : weiſe an das hochſtift zu bringen w). Fertigkeit
in Geiſtesübung macht nicht untauglich für Geſchäf te : durch Betrachtung der Planeten wurde Cuſa
" E , 6. Gemeinſame Geſch, der Gdyweiz u. 1450-69 . 153
nus von Unterſuchung der dunkeln Anſprüche Bri rens nicht abgehalten .
Die theils veralterten , theils unbeſtimmten Auss
drücke der Urkunden bedürfen Erläuterung aus her: kömmlichen Uebungen , die der Ausländer ſelten weiß, worüber auch erfahrne Ráthe ihre Meinung nady Umſtånden oder Leidenſchaft ändern. Der Cardinal von Briren , fchon unangenehm durch ſeine Ernens nung , fand in Aufbringung ſeiner Unnaten , der Spende des Ablaffes und Unterſuchung der Kloſter von Seite des Hofs zu Innsbruck lauter Hinder
niſſe -238). Sigmund wollte über die Frauen zu Sons nenburg in dem obern Puſterthal, deren Sittenan: geklagt wurden
), durchaus nichts verfügen laſſen ;
es fam zu Chátlichkeiten so). Um fo geneigter borte Cufanus diejenige Deutung von Urkunden , welche
auf den Markt Matray * ) , den Zoll in dem Paſſe Lueg , das Haus der Halliſchen Salgpfannen und
auf die Silberbergwerke ***) ſeine Anſprüche zu bez gúnſtigen fchienen * ). Die tyrotiſchen Ráthe ſets ten Entſchuldigung und Herkommen entgegen . Die mit Reform bedroheten Kloſter und die Stimme des Volfs ***) war dem unruhigen Fremdling entgegen. Seine Gelehrſamkeit war anerkannt 345), aber die ſprichwortliche Lift ſeiner Wendungen * ) ließ kein Zutrauen auffommen. Manieren , die er glaubte feiner Würde ſchuldig zu feyn , ſchienen Stolz **)
und ſein Unternehmungsgeiſt Frechheit *). Sein römiſcher Sinn pafte nicht in tyroliſche Landesart.
151
Gefdichte der Schweiz. IV. Buch.
Die freien lauten Stimmen ſchienen ihm Lebensge fahr ; er entwich auf Buchenſtein 9). Hierüber er:
ging von dem römiſchen Hof Mahnung an den Erz herzog ).
Cuſanus ſelbſt fekte über die hochſtif:
tiſchen Burgen ausländiſche Vogte 15 ), und fol was Sigmund nicht anerkennen wollte, fremden Fürſten angetragen haben *). Auch fah er mit zufriedenem Auge in der benachbarten Grafſchaft Górz faiſerliche Vólfer 255); er war in beſtem Vernehmen mit dem Kaiſer , wider welchen die Erzherzoge zuſammen : hielten .
In dieſer Lage derDinge wurde rein beſter Freund Papſt. Pius , Jahre lang einer der vertrauteſten Räthe Kaiſer Friedrichs , hatte Erzherzogen Siga mund , welcher bei demſelben erzogen wurde , als beſonders hoffnungsvollen Jüngling 256) und wohl:
unterrichteten warmen Freund der Wiſſenſchaften 155) geliebt. Sigmund redete gern mit dem geiſtvollen Staliener. So ſehr gefielen ihm deſſen in dem be: ften Geſchmad geſchriebene Briefe, daß er nicht nur
viele fich abſchreiben ließ 256 ), ſondern da er einſt ver: liebt war , nicht ruhete , bis Aeneas ihm einen lie: besbrief aufſeßte ; welche Gefälligkeit dieſer nicht un : gern erwies ; Aeneas wußte, daß. Liebe wedt , ent widelt und bildet 22). Obſchon ihm nachmals an dem Erzherzog vieles nicht gefiel ) , doch half er , als Papſt, einen Bruch mit den Schweizeru ver
mitteln 19). Zu derſelbigen Zeit begab ſich der Car: dinal Cuſanus nach Rom , und fein erhöheter Freund
E. 6. Gemeinſarne Gefch. der Schweiz 8. 1450–69.
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ſeste ihn über dieſe Stadt, als er ſelbſt nach Mantua 309. Pius hielt hier einen Convent über den groß ten Zwed feiner Regierung , die Sicherung Roms
und der europåiſch - geſitteten Welt vor dem Schwerte Mahomeds , des größten Padiſchah der osmaniſchen Túrken : denn wenn er auch des neapolitaniſchen Don Ferrando, eines Königs , der Herr zu feyn
wußte , fich um ſo eifriger annahm , weil ſein Neffe defien Tochter hatte 6 ), und wenn er in ſeinem Waterland reinem þauſe ein Andenken zu hinter laſſen ſuchte 16), ſo war Pius zu weiſe, um es nicht zu wiſſen , auch die Piccolomini wurden nicht langer
als Italien beſtehen 16). Da fuhr Erzherzog Siga mund , der ganze.Innsbruciſche Hof, der tyroliſche Adel, vierhundert Mann zu Pferd, auch nach Man tua ; wo der påpſtliche Hofitaat und hierauf in einer gterlichen Rede you Erinnerung der Jugendjahre der Papſt den Erzherzog nach der Würde des Erzhauſes empfing 363). Da berief Pius eilends den Cardinal
zu ſich, und gab fidh perſönlich und durch andere die größte Mühe zu Beilegung der Handel. Die Geſchäfte des Erzherzogs führte DoctorGres : gorius Heimburg, aus dem Würzburgiſchen 36 ), ſeit vielen Jahren Stadtconſulent zu Nürnberg 165), gea
beimer Rath vieler teutſchen Fürſten 366), ein Mann von großer Statur , tahl , ſonſt ſchön , mit einem freudigen Blid , voll Feuer in den Augen ) , ro beredt im Teutſchen und Lateiniſchen , daß wo er
war alles auf ihm rubete 368) , gelehrt, über alle
156
Gefühichte der Schweiz. IV . Buch).
Maße freimuthig 36 ), welſche Feinheiten durch teut fdyen Muth niederzuſchlagen gewohnt, ein felbſtden kender » ) , an das Kirchenhaupt nicht ſehr gläubi ger Mann ). Piuswar ſeines Gleichen geweſen ") ; Suſanus hatte zu Mainz gegen ihn jenen Proceßver:
loren . Es iſt begreiflich , daß die Unterhandlung ſich zerſchlug. Der Abſchied war mit verſtettter Höf
lichkeit 75 ) ; der Grou "wurde bitterer. Von dem an trachtete der Cardinal nach der Stüße militaris
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ſcher Macht ; der Hof, im äußerſten Fall ihm vor zukommen. Das Bolt war ungemein aufgebracht ; es lag auf dem Lande ein Interdict * ) ; alle geiſt: lichen und weltlichen Dinge waren : durch Parteiung: verwirrt. Da verſuchte der Hof eine , weder nach eigenen Straften berechnete , noch mit dem Erzhauſe und andern Fürſten verabredete ſtarke Maßregel. Der Cardinal durd gute Leußerungen bewogen ,
wagte ſich nach Brunek » ). Hier wurde durch Par: cifal von Annaberg , einen der vornehmſten erzher
zoglichen Råthe, faſt alles, wenigſtens einſtweilen **) beigelegt. Es iſt ſchwer zu beſtimmen , ob Sufa nus nur Zeit gewinnen, Truppen in das Land brin: gen und auf ſeiner Reiſe nach Rom unlautere Ab
lichten ausführen wollte "). Auf den ſtillen Frei tag beſchrieb er den verföhnenden Martertod in ei nem rührenden Vortrag ; auf den Oſtertag hatte er den Sieg úber den Tod bearbeitet 73). Frůh aber in den Stunden , wo der er : erſtanden , Kriegs geldrei. Das Stadtchen Brunet wurde eingenoms
C. 6. Gemeinſame Gefah. der Schweiz u. 1450–69. 157
men, er gezwungen , in das Schloß auf dem Hügel zu fliehen . Da kam die Fehde 379) ; bald , mit dreis tauſend Mann zu Fuß und achthundert Pferden , Erzherzog Sigmund felbſt s .), Cuſanus, überraſcht, wurde genöthiget, ſich zu ergeben 18 '); da er dann
von Sigmund mit Anſtand behandelt wurde 18e), an dere Spott und Schadenfreude nicht geſpart haben
mögen 8 ). Der ſchwerbeleidigte Prálat beherrſchte fich , ging für Freiheit alles ein, gab den Pfandbrief im Taufers und einen beträchtlichen Gúltbrief her: aus , ließ zehntauſend Gulden darzahlen * ), ſtellte den Gottesdienſt fo viel an ihm war her 18 ) , ver ſprach die Ausſohnung des Papſtes zu verſuchen , ges nehmigte die Burgen von dem Capitel beſeßen zu
laffen ) , und ſchien heiter , über das verdriebliche Andenken erhaben " ). Der Hof, zutraulich , ließ ihn unter den ſchönſten Worten * ) die Reiſe zu dem Papſt-frei fortſeßen.
Unverleßlich waren die Prieſter von jeher Re genten, welche die von ihnen geleitete Meinung und Moral der Nationen geehrt; die Fürſten herrſchten
- um fo feſter ; die freien Predigten waren Troſt der Menge. Prieſter und Regenten håtten noch lang zu rammen beſtehen können, wenn die Unmaßung welt licher Große und Reichthümer nicht zu viele Zuſam menſtofungen veranlaſſet hátte , über welchen die eigenthümliche Würde in Gefahr fam . Es iſt an
fich ſchwer , daß in dem Lauf der Zeiten , welcher alles enthüllt und alle einander nåber bringt, die
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Geſchichte der Schweiz. IV. Burs.
aus der Entfernung angebetete Heiligkeit und ma
jeſtát nicht verlieren ſollte; das macht Umwälzun gen unaufhaltbar. Wie viel mehr, wenn die auf dem Chron und die am ulter ihre Menſchlichkeiten ſich vor allem Volte in derber Straftſprache vorhalten !
Dann wird , wer das Uebel aufhalten will ,
unbe
merkt laffen , was er nicht ändern kann, oder uma ſtånde mit Geiſtesgegenwart benußen , wie dazu: mal Pius.
Pius wußte, daß er dem Kaiſer eine Gefälligkeit erweiſen wurde, wenn er den Erzherzog in die größte Verlegenbeit brachte. Nad dem Ladislaf, Stónig zu Ungarn und Bóheim , Erzherzog zu Deſtreich , fin: derlos geſtorben , hatten Könige von ſeltenem Geiſt
die Chrone von Ungarn und Bóheim beſtiegen * ) ; die Zweitracht in dem Erzhaus hatte neue Nahrung bekommen 990 ) ; der Saiſer , deſſen Weichlichkeit ver; achtet wurde ! , war in ſeinen Palaſt nicht ſicher ; indeß er weder für die Erhaltung noc Regierung
der Länder ſich Mühe gab , und magte , war er um nicht weniger länderſichtig , welche Leidenſchaft in
Ermanglung des Muthes er durch Liſt zu befriedigen ſuchte.
Zuvor ſchon xo) hatte Pius den Erzherzog , den Tridentiniſchen Biſchof, den Heimburg 29 ), die vor: nehmſten Ráthe und Günſtlinge Sigmunds , und
alle uebertreter des Interdicts, die größten Gemein den des Landes Tyrol 396) citirt , in zwei Monaten die Stenerei ihres Ungehorſams vor dem Haupt der
C. 6. Gemeinſame Gefah. der Schweiz o. 1450–69.
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einigen chriſtlichen Kirche zu- verantworten . Der
Erzherzog fandte Meiſter Lorenz Blumenauer , fer nen Rath , zu dem Papſt nach Siena , mit entſchul digender Auskunft, und , wenn dieſe nicht befrie
dige , eine Appellation , wodurch Zeit gewonnen wurde 195). Dieſen Mann, als er, nach vergeblichem
Verhór 196) , lettere angeſchlagen , ließ der Papſt als einen unbevollmachtigten »9 ) Fremdling verfol: gen , ſo daß er durch Nebenwege und allein faum endlich in Tyrol wieder ankam 199). Auf den Erja
herzog warf der Papſt den Bann 198 b ). „ Ungern , “ , feufzte er, ungern auf einen Furſten ſeines ruhm „vollen Hauſes 193) , ungern in Erinnerung ſeiner
,,beſſeren Zeit , allein gebieteriſch rufe ihm Pflicht wfu , er dürfe jeßt nicht deneas reyn ; auch die Ser :
„ gier hatten einen Catilina , dem Ruhm des erſten ,, Safar nahm Nero nichts ." Da berief ſich der Erzherzog auf das Urtheil et:
ner Verſammlung der ganzen Kirche gue). „ Nody fprach er ,, iſt der Papſt des an uns und unſerme ,,lande verübten unrechts nicht erfáttiget * ) ; noch „dichtet er Keßereien , welche von Tyrol niemand
„ erwartet ; und ladet über hunderttauſend Men fchen vor ſeinen Stuhl. Wovon kaufen die Brod ? „ wer führt die Kinder , trägt die Stranten sos), lets
,,tet die Blinden , nach Rom ? Wir haben Kühns „ heit 33) und mörderiſche That von unſerm Volfe abgetrieben ; hätten wir warten ſollen , bis der Pfaff
„ ein fremdes Heer zu Hauſe bringe? Uns gebührt,
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Geſchichte der Schweiz.
IV . Budy.
die landſchaft zu fchußent. An das Credo halten ,,wir uns , und glauben das übrige der Chriſten: „beit ſo mit. Von der Doctoren hohem Sinn haben „viele Heilige nie gehört. Wie ſoll unſer Bauer wantworten, wenn der Papſt fragt, ob er die Stir: che oder an die Kirche glaubt5-4 ) ! Wie weiß er, ,,ob der Papſt ſich nicht irrt ? Die Bibel iſt ihm nicht ,,bekannt ; iſt nicht ihre Ueberſegung verboten ? Will der Cardinal , ſo halte er für das Bergvolk Sdu „len (doch daß es die Zeit für den Feldbau nicht ver: ,,liere). Warum hat der Papſt verboten , an Kirchen :
„ derſammlungen zu appelliren . Wer -gab ihm die ,,Macht, ſeinen Obern die Handzu verſchließen ? Doch „wer feinem Recht mißtraut , will kein Gericht!“ Heimburg nannte den Papſt einen galanten Schwa Ber ohne achte Stenntniß der Formen des Rechts 3 ). Schwer fiel der Donner des Bannes , daß aller Gottesdienſt und Troſt verſtumme, Handel und Wan: del ſtoce 30 ), Erzherzog Sigmunds Macht todt und
ab , und allen benachbarten Fürſten und Völkern
ſein land erlaubt rey. Zu hochgeſinnt, um ſeinem Wort Nachdruck fehlen zu laſſen , ermahnte Pius
den machtigen Franzeſco Sforza, Sigmunden , dem Saiſer zu gefallen 301), mit Heeresmacht zu über ziehen. Auch benachrichtigte er die ruſtigen Eidge: noſſen in der Schweiz von Aufhebung aller friedlichen Verhältniffe mit dem ehrloren Majeſtátsverbreder
Sigmund , weiland Herzog * ). Sforza unterhan delte ; die Schweizer eroberten einen großen und frudyt:
T. 6. GemeinſameGeſch.der Schweiz v. 1950-69. 161
fruchtbaren Gau des Habsburgiſchen Erbtheils, und baben ihn bis auf dieſen Tag. ( Thurgauer Srieg. )
Nach der Einnahme des Aargaues , nach dem
Züricher Krieg und noch in dem Kapperſchwyler Ge: ſchäft war der vor acht und vierzig Jahren auf ein halbes Jahrhundert verabredete Rechtsweg 50g) her: geſtellt worden . Aber ehe Sigmund mit Pius brach , batte er die- frommen Schweizer durch einen Bann brief aus Rom nachgiebig machen wollen 3io ). Alle Miſdung der geiſtlichen Madt in Belthåndel iſt
ein zweiſchneidiges Schwert, das den am blutigſten
verwundet , welcher es zuerſt in Bewegung brachte. Der Fürſt wurde durch die Wohlgeſinnten (Uusge: wanderten) von Rapperſchwol zu ſolchen Dingen ver: leitet 31) ; fie für ſeine (und ihre) Sache leidenſchaft lich , ohne andere Folgen zu berechnen , ſuchten bloß die oſtreichiſche Macht aufzubringen , um ſo vielleicht
ihre Feinde zu båndigen 5 ). Dieſer Bann erregte Zorn , und ſchreďte nicht. Die Gradner , welche, als waren ſie allezeit Schweizer geweſen , ihrem vo
rigen Herrn das eidgenöſſiſche Recht boten3-3), wur
den -jekt gehört. Er verſagte es ; fie freueten fich, griffen ihren Reichthum an, erwarben Gönner, ho
ben Söldner. Indeß die Biſchofe von Coſtanz und Baſel die aufgeregten Gemüther mit Mühe måßig ten , erſchien vom Papſt das Breve wider Sig mund 54). Auf den Tag der Einſidlenden Engelweihe 515), I. 0. Müllers fåmmti. Perfe. XV.
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Geſchichte der Soweiz. IV . Budi. |
der gewöhnlich viele tauſend Menſchen aus ihrem ruhigen Sit zur Wallfahrt bewegt, zogen die offenen
Feldzeichen der Unterwaldner und Luzerner und meh rere Kriegsleute von Uri und Schwyz in die Stadt
Rapperſchwol, erneuerten die Eide , verſchmåheten weitere Handlung auf Tagen 36), fehdeten den Erz herzog $ ). Da machte Bernhard Gradner ſich auf ; da lief von Zúrich, Zug und Glaris die kriegsluftige
Jugend herbei 38) , das Land hinab , über die Cós, vor die Stadt Winterthur , welche, treu und hůlf los , erklärte , ſich dem Beiſpiel des Thurgaues zu
fügen 319). Auf dieſen Gau war die Morgengabe der ſelbſt vom Papſt unſchuldig erklärten 5) Erz herzogin verſichert. Sie zogen uber die Murg .
Hug'en von Landenberg, Sigmunds Rath , vor ſeine fchöne Burg , den Sonnenberg , aus fruchtbarem
Gefilde , über mehrere weiland auch zierliche Burg ſtalle 5. ) erhoben. uls Hugo fab , daß der große Teich vor dem Schloß , feine Freude , und die La bung ſeiner Wieſen , gebrochen werden ſollte, idrie er laut, auch er wolle ohne Widerſtand dem Beiſpiel des Landes folgen 3 ). Dieſes (dwur auch Frauen:
feld, Hauptort des Gaues , und Diefenhofen , deffen Verluft bei Hofe ſchon ſo wahrſcheinlich war , daß des Erzherzogs Rath Werner von Zimmern das Pfandrecht auf dortige Gerrſchaftliche Súter noch vor erhaltener Fehde den Bürgern verkaufte 3-3).
In denſelbigen Tagen wurde der Erzherzog, un
ter Vorwand friedbrüchiger Handlungen 5:6) oder ver:
.
E. 6. Gemeinſaine Gefch. øer Schweiz v . 1450–69.
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fagtenRechts 3-5), von der ganzen Eidgenoſſenſchaft 336 ) und von den Grafen Wilhelm und Georg von Wer : denberg zu Sargans 347) befehdet.
Die Furcht be
wog lektere. Petermann von Raron , als der Ergs herzog ihm das Unrecht vorſtellte 323) , wagte nicht, ſich weiter einzulaſſen , als daß er den Orten , deren Landmann er war, das Schreiben mittheilte . Dem Boll fcheint ein erwünſchter Vorwand klares Recht ; Unrecht hat freilich , wer ſich verſäumt : der Menscy iſt nicht gemacht , auf dem Pergament zu fohlafen , fondern durch Wachſamfeit und mannhaften Sinn fidh ſicher zu ſtellen .
Die ſchweizeriſchen Schaaren mißtrauten dem Gradner , wegen Verſchiedenheit des Zweds , oder weil ihre Aufopferung ihn ausföhnen fónnte 319 ) .
Als Ganus Schweyger , Rathsherr von Zürich 36) , die Oberhauptmannſchaft übernahm, zogen fie Char gau hinauf, über den Rhein , und forderten der Junfer von Müllegg zur Uebergabe Fuſſachs auf. Es liegt an dem großen Ried oben am Bodenſee ; ſtarfe Achen 55t) durchſchneiden das Rieb ; es iſt volk
Sumpf und Schilf 5). Als die Schweizer zu dent Schloß traten , ſchoß der Junker. Achtzehn Bauernt hatte er. Die Eidgenoſſen , deren etliche umgetom meu , rannten vier Stunden lang Sturm, and la men herein , mit Gewalt , worüber fie vergesen , den Muth ihrer Feinde zu ehren , ſo daß viele kes
bendig von dem Thurm geſtürzt und der Iunter ME den Augen ſeines Weibes erſtochen wurde 33 ). En
164
Geſchichte der Schweiz. IV. Bud.
gab Torenbüren anderthals und Bregenz zweitau 334 Nachdem ſie den ſend Gulden Vrandſchakung 5). Vorarlberg geſchređt, wandten ſie ſich , heimzuzie
hen. Man hatte ihrentwegen gefürchtet 535) , ſo daß Uri, Schwyz, Glaris und unter Felir Deri dreihun
dert Mann von Zürich , fie zu verſtärken , bis in den Schanwald gekommen . Während dieſer Streiferei wurden die von
Frauenfeld, Stadt und Schloß, und die ganze thur gauiſche Landſchaft, gegen Urkunde und Verbúrgung aller bisherigen Freiheiten 36) und mit Vorbehalt ihrer gerichtlichen Verfaſſung 337) den ſieben ſchweis
zeriſchen Orten zu ſchwören vermocht ; ſo daß dieſe in die Stelle der Erzherzoge traten. In dieſer Gefahr ſeiner Stammherrſchaft inahnte
Sigmund alle Herren und Ritter , den immer treu erprobten Abel dieſer vordern Lande , zur Bewah
rung von Dieſſenhofen und Winterthur. Die EN: len kamen , Våter mit Söhnen 338), und wo mehrere
Brüder waren , die Landenberge und Hewdorf, die Hallwyl, die Bonſtetten , die Truchfeffe , die Reis chach, mit ihren Knechten . Lorenz von Saal, auch ein Edler , voll Jugendkraft 5 ) und Biederſinn, Soultheiß der Stadt Winterthur , und die ganze
Bürgerſchaft, voll Andenkens der Kiburgiſchen Stif ter und Rudolfs von Habsburg und der ſo oft ruhm vol behaupteten Treu , empfingen die Herren. · Die Landleute , welchen das ſchweizeriſche Weſen gefiel, hörten ihre Drohworte 5 ). Da kam mit Vortrupp
E. 6. Gemeinſame Gero . der Saweiz v. 1450–69.
165
deren von Zürich Felir Deri auf den Heiligenberg , deſſen Hohe über der Stadt liegt ; die Andelfinger: auf die Weltheimer Wieſen ; hierauf nach wenigen
Tagen Schwenger mit dem Hauptbanner bei Tos die Steige herab, und bald die öſtliche Gegend, und
Appenzell, Raron, der Abt von St. Gallen und alle inneren Orte der Schweiz, bis das weite Feld 341) mit rechzehntauſend Mann bedeckt war, die Macht. von Bern ſich bewegte und Schaffhauſen Theil nahm. Da warf der Zeug von dem Heiligenberg achtzig Pfund ſchwere Steine wider die Mauer , und die Stadt wurde an drei Orten von Feuerkugeln angezündet. Noch einmal vor dem Sturm wurde aufgefordert . I
Die Winterthurer ſprachen : Wir haben unſerm Herrn und ſeiner Frau geſchworen ; das wollen wir
halten , oder ſterben. Es beugte ſie nicht , dass die
Pfeile der Belagerer auf Adler Seelen Abend Be tende von den Gråbern ſcheuchten ; entſchloſſen, balt
auf dem Weg der Ehre und Pflicht zu den geliebten Schatten hinab zu ſteigen , waren alle Edlen und Birger und ihre Weiber und Kinder die neun ſchweren Wochen vot der Freudigkeit , welche aus
Verachtung des Todes entſpringt 3* ). Es ſchreckte fie nicht, als die große Karthaune der Züricher, von vier und zwanzig Pferden gefogen ( nie Cosbrüde brach unter der Laſt ), in drei Tagen endlich aus dem Waſſer gehoben , vor ihren Mauern erſchien : finas ben háuften Steine, jeden Bruch zu füllen ; es wurs den von Pferden getriebene Mühlen und eine Korn
166
Geſchichte der Saweiz . IV , Buch.
röfle veranſtaltet, wo in guter Ordnung ie drei Stun den , und unter einer Hauptmannin , zwanzig Wei: ber arbeiteten , indeß andere auf der Mauer dem Feind mit eifernen Gabeln , die Kinder mit ſieden: dem Waſſer , begegneten ; welches alles unter fro
hem Lautenſchlag bei hellem Geſang von Reichen und Armen Tag und Nacht unermüdet beobachtet wurde 343 ).
Aber nach Dieſſenhofen , mit welcher Stadt Neu
tralitåt in Verabredung war, führte Gref Hein .
ridy von Lupfen den tapfern Werner von Schynach mit einer für dieſen Ort beträchtlichen Berakung, die , des Landes fundig 3-4) , durch den Wald Scha ten das Dorf Oſſingen, einen wohlverſchanzten Vor poſten der Züricher , fofort gefährlich nedte. Auf Sowengers Bericht wurde vor Winterthur aus den
beſten Gründen die Belagerung Dieſſenhofens be Schloſſen. Durch dieſe wurde jene gegen Gefahr und Schimpf geſichert; glücklicher Ausgang mußte den Winterthurern die Hoffnung des Entfaßes nebthen ;
eine Theilung des ſtets wachſenden Heers erleich
terte die Verpflegung. Als die meiſten Banner 345) aufgebrochen , um jenſeit Rheins in dem Nellenbur gifchen Dorfe Gailingen , über deſſen Leute Schaff: hauſen das Meiſte vermochte 546) , den Hauptſtand
zu nehmen , eilte Hanns Schweyger, mit denen von
1
trí und Unterwalden , das Frauenkloſter St. Ka: tharinenthal, unterhalb Dieſſenhofen anmuthig lie
gend , voranis zu beſeken. Die Beſchäftigung, die 1
C. 6. Gemeinſame Geſch. Der Sqweiz v. 1450–69 .
167
er der Stadt gab , erleichterte den Uebergang des
Fluſſes , welcher nothwendig war , um dem feind lichen Heer zu begegnen , das bei Celle am Unter fee jich zuſammenzog. Jener Poſten war zur Unter I
haltung der Verbindung ſowohl der beiden Lager als mit Schaffhauſen nothwendig. Er , der Landam
mann Wirz , der alte Held Půntiner 367) , warfen den Feind, waren blinfchnell an des Kloſters Pforte. Die Reiſigen von Dieſſenhofen mit großem Rumor
zum Entfaß.
Im entſcheidenden Augenblick warf
man in die hölzernen Gebäude Feuer , wodurch das
ganze Gotteshaus, durch Alter , Stifter 342 ), Wun der vor andern ehrwürdig , in kurzem ergriffen wer den mußte. Da rührte den Rottmeiſter von Unter: walden , Niclauſen von der Flüe , der Jammer der verſchloſſenen Jungfrauen und die Wuth am ſchuld foſen Siß ſtiller Andacht 349) ſo , daß er , geſtärkt
vom Anblick des nahen Kreuzes , mit unwiderſteh licher Begeiſterung dem Uebel wehrte 35 ). Zugleich wurde die Pforte geöffnet ; vergeblich fchoß der zu
fpåte Entſaß. Da kam die Macht von Bern mit ei ner großen Anzahl Buchfen und mit ihren Mitbür:
gern von Solothurn und Freiburg. Von der an dern Rheinſeite wurde Dieſſenhofen aus den großen
Stüden deren von Schaffhauſen beſchoſſen. Vergeb lih , mit Verluſt unternahm die Hegauiſche Reite rei bei Tage und einmal des Nachts wider das las ger bei Gailingen ; ſo daß offenbar nur die erzher
zogliche Hauptmacht helfen konnte. Då ritten aus
168
Geſchichte der Saweiz. IV . Buch.
dem Hauptquartier Celle zweihundert Mann auf Re cognoſcirung. So forglos ( beherzte Männer machen dieſen Fehler ), ſo forglos ruhete das Lager der Schweiz
zer, daß die Partei herab bis an den Strom fam, der
Stadt gegenüber Muth einzuſprechen 35). Uebrigens übertraf die Stärke und Lage der Belagerer ihren Wunſch und ihre Erwartung. Von allen Seiten kam Nachricht von der kaum durch Obrigkeit aufhaltbaren
Kriegsluſt der eidgenöſſiſchen Jugend ; wie ſie denn ohne Befehl in Elſaß fiel 552). Alles war für Hegau zu fürchten , wo nicht nur die Schaffhauſer Hanns Ulrich von Stofflen aus Thayngen vertrieben 35 ) , ſondern ein Bundſchuh der Landleute die Herrſchaf ten fdredte 55 ). In dem Stampf mit einem ſehr unternehmenden Papſt , von ſeinem Hauſe hulflos ,
bei der Gåhrung der Bauern, war für Sigmuud ge
gen ſo einen Feind eine Schlacht nicht wohl zu wa gen. Dieſes merkten Vogt und Schultheiß, die
Náthe und Bürger der hartbedrängten Stadt ; die Befaßung fab die unmöglichkeit, langer zu halten. In dem zweihundert zwei und achtzigſten Jahr ſeit Oct. Graf Hartmann von Kiburg zwei Höfe in eine Stadt
Dieſſenhofen vereiniget , mit Rath und Willen der Beſaßung und ganzen Gemeinde , ergab ſich Schloß
und Stadt zu Handen der Städte und Lånder ge meiner Eidgenoſſenſchaft ( mit Einſchluß deren von Schaffhauſen 355 ) ) ihren vor der Stadt liegenden Hauptleuten und Vennern 356 ) als offenes Haus, mit allen altherrſchaftlichen Pfandſchaften und Niedy
5. 6. Gemeinſame Geld . der Schweiz 8. 1450—69.
169
ten, in treuen Schirm ; worauf die Beſakung freien Abzug erhielt.
Hierauf nach wenigen Tagen , als von dem Erz- 2Nov. herzog nichts zu befürchten ſchien , die Belagerung der Stadt Winterthur aber aus Verſchiedenheit der Abſichten mit mehr Aufwand als Ernſt fortgeſeßtwur de , ſchien beſſer , ihren Ausgang von der Zeit abzu warten , und ſie in eine Blofirung durch zwölfhun : dert Mann zu verwandeln. Die Züricher wünſch ten nichts weniger, als daß die Stadt zu Banden aller Eidgenoſſen erobert wurde. Ganz Oberteutſchland war in Verwirrung. Her
zog Ludewig von Bayern - Landshut und Markgraf Albrecht, der brandenburgiſche Helb , lagen mit Macht bald mit 357), bald wider einander 558); dieſer kaiſerlich , jener für die Erzherzoge 359 ); ſchweizeris fche Krieger wurden von dem Kaiſer wider ſeinen Bruder und Vetter 360), von Bayern für Erzherzog Albrecht geſucht. Sie zu erhalten, beförderten alle Parteien 3 ) in den eidgenöſſiſchen Landen Friede,
Dieſeu bewirkte mit Thåtigkeit und Klugheit Ludes wig von Bayern : er bewog die Stadte , ia die Bi ſchöfe von Baſel und Soſtanz, auch wider des Paps
ſtes Willen 36), hiefür zu arbeiten ; er erleichterte die Unterhandlung dadurch, daß er Sigmunden zu dies berlaſſung der die Schweiz berührenden Lande an Erg
herzog Albrecht vermochte 36 ). Die Gradner , Win : terthur , Marquard von Baldel , der durch feine
170
Gefithichte der Schweiz. IV. Bucts.
Treue Schenkenberg verlor 36x ) , die Geldforderung Berns an Sigmund 36s), die der Gläubiger von Rap perſawol , alle unerörterten alten Klagen blieben unberührt 366) oder ſpäterm Vergleich ausgeſekt, der
Beſik von Land und Leuten auf die nådſten funf
zehn Jahre 367) ſo vortheilhaft für die Schweiz, als die Waffen ihn gemacht 368). Zu Coſtanz wurde nicht in Hoffnung eines ewis
gen Vertrages , doch dſtreichiſcherſeits zu einiger Verwahrung ſchlafender Rechte, und von dem bare riſchen Faure , um die Schweizer ſich zu verbinden , mehr als Eine Tagfaßung theils gehalten 369), theils
angeſeßt 37 ), wo dann was zu Zeiten Wilhelm Cells kaum gefordert worden 372) , und die Sempacher
Schlacht, Aargau , Rheinthal " ), die Bündniſſe der ůchtländiſchen Freiburg, Schaffhauſens , Rapperſch: wyls,I die lenten Zeiten und neuerliche Kleiniga
Feiten 373) mannichfaltig vorgebracht , beantwortet und unentſchieden gelaſſen wurde. Dieſe, von den
größten Reichsfürſten perſönlich und von burgundi ſchen und franzöſiſchen Geſandten beſuchten Con greffe 57 ) dienten, vor Einführung beſtandiger Bot:
fchaften , die Länder und Stimmungen kennen zu lernen.
Die Schweizer , ein abgehärteter kriegeriſcher Volksſtamm , auf den Markſteinen Frankreichs, Teutſchlands und Italiens , wurden mehr geſucht, als an Gold und Leuten reichere Staaten. Selbſt:
verſäumniß , úbelverſtandene Religion und entner
6.6. Gemeinſame Geſch. der Sthweiz 8. 1450–69 . 171
vende Künſte des Sewinns haben ihre Nachkommen diefes Unſehens zum Theil beraubt; fo doch, daß der Bund nicht ſtarb , ſondern ſchlief, bis bei dem ,
Bruch des Gleichgewichtes von Europa eine altro:
miſche Präpotenz in die Hand eines einzigen fiel. Damals rief der Kaiſer bald als Fürſt von Deſt
reich 375), bald als Reichsoberhaupt376) fie wider fei nen Bruder , Bóheim und Bayern , um þúlfe an ; binwiederum zeigte der Herzog von Bayern , daß der Kaiſer ungerecht handle577) , wie folgenreich 578)
und pflichtwidrig 379) an einem Kaiſer die Eigen macht , und wo die Verfaffung das Gegenmittel
zeige 58380 ). Die Schweizer ließen ihre Kinechte dem Erzherzog Albrecht, Schwager 381) ihres bayeriſchen Freundes, zulaufen .
Sie gingen weiter. Als zwiſchen Kurfürſt Frie: drich von der Pfalz und Adolfen von Naſſau , ein= gedrungenem Kurfürſten von Mainz, Karl Mart grafen von Baden , Ulrich Grafen von Würtemberg und andern Håuptern der Partei des Kaiſers 382) ein
großer Krieg entſtand, und der Held Friedrich ſeine Ichwere Lage , ſeinen Nuth 585) und ſein Recht den Eidgenoſſen vorlegte 38 ) I, genehmigten ſieben Orte, daß Hanns Waldmann zweitauſend Freiwillige ihm zuführte. Dieſe , als er bei Sefenheim durch ge waltigen Stoß der Reiterei die uebermacht brach und warf, unterſtükten und vollendeten jenen Sieg, welcher drei Fürſten zu ſeinen Gefangenen machte 385). Durch dieſe Verhältniſſe blieben die Schweizer
172
Geſchichte der Schweiz.
IV. Buch.
um Rapperſchwy!, Stein 386) , Dieffenhofen und ganz Thurgau unangefodten ; Winterthur tiber's
ließ der Erzherzog Sigmund den Zürichern um Geld . Eben dieſer Fürſt erwarb durch Abtretung
ſeines Drittheils an dem Erbgute Königs Ladis lafs 387) die Gnaden des Kaiſers und geiſtlichen Frieden. Nach langem Umtrieb 328 ), als auch Su fanus tödtlich erkrankt 389 ) , und eine kaum glaub liche Demuthigung der faiſerlichen Majeſtát für
die tyroliſche Standhaftigkeit genug gethan 590), ab:
folvirte Sigmunden der Papſt. Dieſes verſchmå hete Georg von Heimburg , ungebeugt , auch unter Paul dem Zweiten 39') ; bis da in hulfloſem Alter die großen Huſſiten , Rokyczan der Erzbiſchof und
Georg König von Böheim , ihm durch den Tod entriffen worden , der müde fliehende Greis aus der Hand des Biſchofs von Meißen den Frieden
der Kirche anzunehmen kurz vor ſeinem Tode fich gefallert ließ 39"). ( Kempten Krieg. ) 1160
In dem Lauf dieſer größern Håndel fam von Seinpten in dem Allgaue des Kloſters Keller in dem Fleden legau 695 ), Georg Bed , in die Schweiz,
und ſuchte Hülfe gegen den Abt Gerwig. Schuß der Unterdructen iſt die Ehre tapferer Männer. Der geiſtliche Herr hatte ihn wegen einer Verun: treuung im Weinhandel geſcholten 59 ), er ſeine uns ſchuld erwieſen ; jener , ftatt Genugthuung , die
Rechnung unbezahlt gelaſſen , und , als Bed bei
C. 6. Gemeinſame Gefch. der Schweiz v. 1450 – 69.
173
den höchſten und furchtbarſten Rechtsbehörden klagte , reinen Vater in gefängliche Haft genom men 395). Als der arme Diener weder bei Papſt und Kaiſer Gehör , noch bei dem Reichsgericht 596) Eifer fand , und ſelbſt die zweideutige ſummariſche
Juſtiz in Weſtphalen für ſeine Sache zu ſchlafen ſchien 897) , reßte er auf den Biederſinn der Schweiz zer feine Hoffnung , und bewog dreihundert vier
und dreißig Mann , mit ihm zu ziehen. Dieſes vernahm der Abt , bot auf; er hatte dreizehnhun : dert Mann .
Mit den muthigſten , deren achthun
dert waren 598), und mit vielem Geſchuß, zog Wal ther von Hohenel, Ritter , Herr zu Wolfenberg 599 ), dem Feind entgegen. „ Meiner Leute ,“ ſagte der Abt, „find brei gegen einen ; wollen ſie ſich nicht „wehren, ſo gebe Gott , daß keiner davon komme! Zu Roſchach am Bodenſee wurden die Schweizer angeſchrien : „ Ziehet nicht an den Buchenberg ; da liegt ganz Adgau , an dem Wald.“ Deſſen erſchrace der rechtſuchende Mann , bebte , gab auf. Sie, durch Hanns Waldmann bro) , fehbeten. Becks ver ſicherten ſie fich , damit er nicht aus Furcht un überlegt handle. Ehrfurchtsvoll empfing die Krie ger Lindau. Sie die Holzleite hinan ; tiefer Schnee
deckte das Land. Iſny zogen ſie vorbei , welcher Stadt Bürgermeiſter manchen Ritt um Ausglei chung that , aber des Abts Leute waren zu ſtolfo ,, Sie wollen den rauhen Weg ,“ ſeufzte der Bür
germeiſter , und freuzte die Schweizer ' regnend.
174
Geſchichte der Somreiz. IV. Budy.
Jörg Bed war von Iſny 4). Sie hofften in dem Fleden an dem Buchenberg Markt; allein der Wirth fürchtete um ſeinen Wein . Da beſchloſſen ſie Gewalt. Auch die Allgauer hatten nicht gegers fen : ,, Sie ſollen , " ſprach der Abt, ihr Morgens
„ brod verdienen . “ (So ; rechnete er , werde die Portion 'der Todten erſpart.) Eilenos das Zeichen ; dreihundert Buchſen brannten -wider die Schweizer
los. Dieſe, aus Vorſicht, oder zum Schlachtgebet, lagen knieend ; es fuhr über ſie hin. Jeßt auf, in den Feind, wuthvoll, mit Schlag, Stich , Hieb, daß bald die Reihen gebrochen würden . Da fiel mit vielen Kriegsgeſellen * ) der ritterliche Jung
ling von Hohenet, der Feldhauptmann , und blut:
gefärbter Schnee entſtellte der langen Kaarloden goldgelben Slanz 603 ). Des Tages Hoffnung fiel mit ihm , da der Augauer Schaaren , alſobald aufgelöst, in dem Wuerlinger Wald und auf ſchneller Flucht Rettung ſuchten. Ihre Freundin war die Nacht; nicht ruhig dem Abt ; welcher, im Gefühl mehrfacher Schuld oder wegenHaß aller Parteien, entwich. Die Månner aus der Schweiz, ſobald Genugthuung ver fichert war , zogen heim ; zu Fuße durd, die Argen, da die Stadt Wangen aus úhlem Bewußtſeyn ſich ver
ſchloſſen hielt “) ; froh durch das nachbarliche Budha horn ; auf einen durch den Lindauiſchen Bürgermeis ſter und Rath veranlaßten Tag. Da war der Abt
von Kempten , erklärte Becks Ehre für unverleßt, gab ihm , gab ſeinen Beſchußern guten Erſak "" ), und,
6. 6. GemeinſameGeſch. Der Schweiz v. 1 450—69. 175 da nach ſo viel Troß und ſolchem Ausgang er nicht mit Würde Fürſt ſeyn konnte , legte er die Ver waltung nieder) ; zur Warnung andern Herren von Schwaben, wie weit ein Verſchmäheter es brin gen kann, wenn er an rechte Leute geht. ( Vehm geridte.)
Nach dieſem traten die Eidgenoſſen in den Ver: 1461 ein vieler oberländiſchen Fürſten und Stadte.607), jedermann Recht finden zu laſſen , aber Eide zu nehmen , daß niemand ſolches in Weſtphalen bei heimlichen Gerichten ſuche. Dieſe , deren ur
ſprung ins ), Natur, Gränzen und Regeln unzugång = liches Dunkel barg 409) , woraus bisweilen wie ein
Bliß die Zeitung einer plößlichen fürchterlichen Hins richtung fuhr ) , hatten in Zeiten, wo fein Recht
vor Gewalt auffommen mochte , eine wohlthårige Majeſtát. Als Städte und Länder beſtimmtere Redite durch populáre Verbindungen , als bald Reichsreformen und Landfriedsvorſchriften , bald aufſtrebende Landeshoheit jedem teutſchen Mann Leben und das Seinige ficherten , wurden ſie zwed
los, und das Geheimniß , nachdem die Würde von ihnen gewichen , gefährliches Werkzeug eigennúi: ger Bosheit ). ( Innere S a chen. )
Bei den Eidgenoſſen war nichts ſchwerer als das eigentliche obrigkeitliche Geſchaft, der Ordnung und dem Recht über Leidenſchaft Oberhand zu geben:
mancher ſuchte in der Stórrigfeit Ehre 19) ; die I
176
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
Jugend frug nicht wozu , ſondern wo für die Waf fen Spielraum ware ). Manchmal war bedenklich ,
auf Gerichtstage zu ziehen * ) ; die Geleitsgelder ertrugen faſt ro viel als die Stammgúter der Habs burgiſchen Grafen ). Deſto ernſtlicher wurde für Auseinanderſetung der Pflichten und Rechte ge ſorgt *6) ; Klarheit iſt das Ende des Haders; fie waren eben ſo fern, ihre Vögte gegen das Volf als des lettern Widerſeßlichkeit zu begünſtigen * ). Die Schirmverhältniſſe von Schwyz , Uri, un:
terwalden und Glaris zu der Stadt Rapperſchwyl wurden urkundlich befeſtiget 18). Hierdurch Fam
lektere zu den achttauſend Gulden , welche ſie für Deſtreich wider die Schweizer verwendet hatte, und , feit ſie ſelbſt ſchweizeriſch ward , Sigmund
nicht zu zahlen vermeinte.
Jene Orte gaben zu
verſtehen , daß Rapperſchwyl ſich ſelbſt helfen konnte. Daher als Graf Eberhard von Sonnenberg , vom Hauſe der Waldburgiſchen Truchfeffe , einen Ges
fchaftsritt nach Zúrich that , er als des Erzherzogs
Diener und Rath von den Rapperfchwylern aufge fangen wurde 19). So viel Rechtsbote er that * :0) und ſo friebewidrig es ſchien " ) , wurde er bis zur Bezahlung innebehalten . Dieſer Zufall eines durch
Reichthum * ) und Verbindung großen Herrn , Va: ters vieler fühnen Söhne , Schwiegervaters Graf
Georgen von Werdenberg Sargans , erregte in der Schweiz eine von Thåtlichkeiten kaum zurüd
zuhaltende Theilnahme 423); die Kraft von Uri und Unt
C. 6. Gemeinſame Gelo . der Schweiz v. 1450–69.
177
Unterwalden fette durch , daß die ſchweizeriſche Stadt gegen einen Fürſten nicht unrecht haben ſoll. Alles vermehrte bei dem Erudſeffen die Achtung des Helvetiſchen Bundes , bis er zulekt in jenen
vier Orten ſelbſt Landmann und vielmehr ſchweize riſch wurde als zuvor óſtreichiſch ** ). - Was hatte dieſes Volf nicht vermocht, wenn es immer gerecht und brüderlich håtte ſeyn wollen ! Aber wenn Menſchen ſich die Oberhand fühlen , er halten ſie ſich ſelten in reiner Tugend; ſie erobern, und verlieren hiefür den beſſern Nuhni, Vertrauen der Wölfer. Noch vor dem funfzehnjährigen Frie den erhob ſich Unwille über die Eroberungen. Schwyz und Glaris , die mit Hülfe Uri die Walen ſtatt eingenommen , hielten ſie für ein Theil ihrer Herrſchaft Windek 4-5) , indeſſen Zurich und drei andere Orte nach einer Verabredung Eroberungen
dieſes Kriegs gemeinſam zu verwalten meinten. Dieſer Zwiſt fand Ausgleichung in der Zwiſchen
kunft ſechs freundeidgenöſſiſcher unbetheiligter Stád te ) unter Heinrichs von Bubenberg ehrwürdi gem Vorfin “ 7) nach dem Wunſch der Mehrheit * 8).
Von dem an übten im Sarganſerland , manchmal an den gleichen Orten 429 ), ſieben eidgenöſſiſche Stande , der Graf, die Gerichtsherren 5 ) und ge freite Gemeinden 31 ) über die freien und eigenen
Leute und Walſer 438) beſtimmte herkömmliche Rechte. Bald 433) , Weiden *34) , Waſſer , Maße und Ges wicht 35) und Sachen der fremden (36) wurden hos I. 0. Müllers ſåmmtl. Werke. XV.
12
178
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
heitlich , das Landgericht und die Landwehre nicht ohne des Grafen vorzügliche Theilnahme 437) , alles
ſonſt nach Privatrecht 438) beſorgt. Im übrigen war der ſchweizeriſche Einfluß dem Unterthan günſtig , ohne die Herren zu berauben. So verglich Zurich den Junker von Bonſtetten " 9) mit ſeinen Leuten zu Gambs " o) , daß die Steuer mit Måßigung" ), die Zehnten wie es recht war ), der Hauptfall auf das billigſte 45) , die Frohnden zu gemeinnúßigem Werk " ) und die Bußen , wie ſie dem oberſten Richter gebühren " ), dem Junker, aber dem gemeinen Mann alle perſönliche Frei: heit 46) , freie Heirath, freie Wunn und Weide, freier Zug und behendes gutes Recht *) gefichert blieb. Wo Gewalt entſcheidet , iſt auch für den Stárkſten keine Sicherheit , Freiheit aber ohne Ge: feße fo unmöglich , als Geſek unhaltbar, wenn es feinen Grund nicht in dem , was war und iſt, ſon : dern in willkürlichen Vorſtellungen hat. Als der lekte von Raron Tokenburg dem Abte I
von St. Gallen verkauft, erwarben Schwyz und Glaris , daß er um einige Mehrung des Pfandſchil
lings die Herrſchaft Uznach ihnen eigen ließ "). Die Geſchlechter von Montfort, welche zu Sars gans , Werdenberg und in Prátigau die ange: ſtammte Herrſchaft führten 1, genoſſen als eidgenor: fiſche Landmanner wohlthätige Verwendung in den Streithändeln mit unruhigen Unterthanen 9), und
gegen ihres Gleichen. St. Georgen Schildes rit:
C. 6. GemeinſameGeſch,der Schweiz v. 1450–69. 179 terlicher Verein , welcher von vielen ſchwäbiſchen
Grafen, Herren, Rittern und Knechten auf die lob lichten Grundlage eingegangen war so), vermochte den Kampf nicht zu hindern , worin Hanns von Rechberg von ſeinen Feinden , der Klingenbergi fchen Partei , erſchoffen und viele Schloffer und
Flecken des Hegaues perwüſtet wurden 45 ). Als die Sache von Vaduz , ob das Haus Brandis dem Grafen von Sargans die Löſung zu geſtatten habe, von beiden Cheilen eidgenöſſiſchen Freunden 452) heimgeſtellt wurde , machten dieſe eine ſo ordent liche Form Rechtsss) , daß die von Brandis bald ohne unglúd bei iherem Gut beſtätiget wurden " ). Im Thurgaue benahmen die Schweizer fic ro ,
daß die Ungeneigten ſich ſcheuen , die übrigen fie ehren mußten , und ihrer Wohlthaten theilhaftig wurden. Der Biſchof zu Coſtanz Burkard von
Randek gab ſich die äußerſte Mühe, Verdacht einer Verbindung mit Deſtreich abzulehnen " s ). Biſdof Herrmann von der Breiten Landenberg machte mit
der Schweiz lebenslänglichen Bund 456); er, wie es auch ſeine Biſchofceller erfuhren") , ſuchte Ruhm und kuſt in Friebe und Ordnung . Das Berkom men der alten alemanniſchen Sitten wurde den
Dörfern durdy urkundliche Deffnung befråftiget *58). Als die Reichenauiſchen vier Flecken S9) in das Lands geſchrei von Thurgau 16 ) fchwören ſollten , hörten
die Orte gútig die Bitte des wohlwollenden Abts),
nach dem Beiſpiel anderer Herrſchaften , bei wela
180
Geraichte der Saweiz. IV . Buch .
shen er Güter habe16 ) , fie in ſtiller unſchuldiger Freiheit zu laſſen , damit er nicht hier oder dort in Kriegsunglúc fortgeriffen werde * 65). Die Dieſſen : Hofer , welche durch den Krieg in Geldnoth gekom:
men , erhielten Credit * ) und Begünſtigung 665) ; daher nicht löblich war , daß ſie an dem kaiſerlichen Hof Erneuerung der Freiheiten in dem Augenblic Heimlich betrieben , wo noch kein feſter Friede das vorige Verhältniß hergeſtellt oder das neue befeſti: get hatte 46 ). Die Orte bewilligten gern , daß It: tingen , alter Truchfeffe Stift , einſt von den gros
ßen Welfen begünſtiget , nun in äußerſte Armuth perſunken 46 ) , durch Carthäuſer emporgebracht
würde. Dem Johanniterhauſe zu Lútgern beſtå tigten ſie auf ewig den
im Krieg ertheilten
rm 46 ). g Albrecht , ein Herr von Tapferkeit SoiErzh erzo
sund Einſicht , welcher den Schweizerbund ehrte, weil er ihn von Jugend auf kannte , beſchloß gang
Vorderóſtreich mit den Schweizern in zwanzigiáb rige Verbindung zu bringen -69). Dieſen Gedanken ,
einen ſeiner beſten , vereitelte fein pldßlicher Tod 4 ). Das Land , ſo wenig eingele Edle fich zu gebieten wußten “?), blieb eine Zeit lang ruhig , auch unter Sigmund *7*) , fo daß die Schweizer ſelbſt bit: tere alte Feinde wohl empfingen ") , Frevler gegen
Landfrieden zutraulich bei Gerichten belangten **). De verkaufte Graf þanns von Thengen , durch Sriege 25) und Rechtshandel (76) verdorben , dem
C. 6. Geineinſame Gefch. der Schweiz v. 1450–69. 185
Erzherzog um beinahe acht und dreißig tauſend Gal: den * ) die der Schweiz nåchſtbiegende landgrafſchaft Nellenburg *78), das uralte weitläuftige Landgericht Nellenburg und Mabach , den zwiſchen Rhein und Donau herrlich ausgebreiteten Forſt, und viele dunkle
Rechte alter Zeit, welche die Auslegung nach den Umſtanden bekommen.
Um folche Dinge waren dieſelbigen Schweizer nicht ſehr beſorgt ; Landwirthe waren ſie und Krie
ger , welche Stånde die erſten der Menſchheit ſind, mit deren Geſchäft die Ausbildung des Geiſtes nicht nur vereiniget werden kann , ſondern. muß.
In Anſehung lekterer waren ſie nicht unter den benachbarten Vólfern ; wenn erborgte Wifenſchaft einzelnen Gelehrten im Auslande mehr Schein gabe To war bei ihnen die durch Erfahrung entwicelte , kraftvolle Natur gemeiner. Hierdurch haben ſie
ihre verwickelte Verfaſſung auf glückliche Jahrhuns derte hinaus gegründet ; die erſten großen Meiſter und Muſter neuern Kriegsweſens. Wie denn auch
in dem Krieg der Stadt Augsburg unter Leitung des brandenburgiſchen Albrechts eine kleine An zahl Schweizer als Kern des Heers betrachtet wurde 479). Nachdem zu Einnahme der Stadt Mainz
für Adolphen von Naſſau vierhundert Schweizer vornehmlich beigetragen , erfuhren die unglücklicher
. tröſtende Güte auch nur von ihnen 480 ). Es muß
auffallen , fchweizeriſche Krieger in geta gleicherm Jata ram பாரக் für und wider pfalzkanerifche Fürſten zu ſehen " ) .
182
Geſchichte der Soweiz. IV. Budy.
Aber der Bund , welcher, wie die allererſte menſch
liche Geſellſchaft , nur auf Sicherheit fab , ſobald folche außer Gefahr ſchien , ließ jedem zu, nach Nei gung oder Vortheil dem oder dieſem Waffen zu leihen ; das Baterland, nie Einer Partei ergeben , deſto unbeſorgter um die Glückwechſel, ſtand, wåh rend ſolcher Waffenübungen von allen geſucht, ruhig
in der Mitte. In dieſem Geiſt vermieden ſie förm: lichen Bund mit dem reichen Herzog 48 ), aber der Wechſel angebotener 483) und nachgeſuchter ** ) Ge fadigkeiten blieb freundſchaftlich beſtehen . Stádte, deren Verhältniſſe feſter ſind, als auch damals fürſt liche waren 485) , ließen ſie ſich eber gefallen . So,
Rottweil , eine gute Stadt am Neckar , durch das Hofgericht wohl bekannt , welche nach vieljábrigem Stampf gegen Gewaltſamkeit und Liſt benachbarter Edlen 85) , jeßt des Hauſes Würtemberg wachſende
Macht für ihre Freiheit fürchtete 68). Auch andere Stådte , wenn ſie wichtige Schritte machen ſollten , erforſchten die Meinung der Eidgenoſſen “s ). (Verhältniſſe mit Frankreich .)
Zu derſelbigen Zeit ſtarb Karl der Siebente, só
nig in Frankreich, der zuerſt mit den Schweizern einen Bund gemacht; Ludewig der Eilfte , der als
Dauphin die Armagnaken geführt, wurde König an ſeine Statt. Nicht wie einſt ſein Vater in einem durch die größten Parteiungen und furchtbarſten
Feinde zorriffenen , erſchöpften , kaum durch Wun der von Auflöſung zu rettenden Reich ; der hun
C. 6. Gemeinſame Geld . derSchweiz 8. 1450–69 .
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dertjáhrige Kampf über engliſche oder Nationalfónige
war entſchieden ; die Wunden von Crecy, Poitiers und Azincourtgeheilt ; Grundgereke "89), beſtimmte Abga ben 490 ), ſteter Kriegsfu $ 491) bereiteten Sicherheit und Ordnung. Doch war der Parteigeiſt nicht getödtet, er ſchlief. Jede Staatsreform ſtórt alte Verhältniſſe durch außerordentliche Maßregeln I, die anfangs
größere Uebel ſcheinen. Hierzu kam durch die große Verſchiedenheit in dem Charakter Starls und lude
wigs , und , wie zu geſchehen pflegt, beiderſeitige /
Fehler und eigennúßige Einwirkung , das der alte
und junge Hof in äußerſter Spannung , ja dieſer in fremdem Lande war. Glück und Weisheit hat 拿
ten in dem Hauſe Burgund einen Reichthum an
Land , Volt und Schaßen zuſammengebracht, wel chem Frankreich mit Mühe Gleichgewicht hielt, und welcher aus des alten Philipps ehrwürdiger Hand bald an ſeinen äußerſt unternehmenden Sohn uiber: sehen mußte. Dieſer haßte den König Ludewig bit: terlid.
Er , der König, in den erſten Tagen, folgte dem
Unmuth und den Rathgebern ſeiner Jugend, welche böſe Zeiten mit ihm getheilt , ſtúrzte den allvermo genden Marſchall vou Dammartin '9") , und verwarf die Miniſter und Einrichtungen ſeines Vaters.
Dieſes nicht unvorgeſehene Ereigniß , anſtatt die Herren zu beugen , erregte ſie zum Widerſtand.
Da die neuen das Glück ohne Zweifel unbeſcheiden benugten +93) , gab öffentliches Wohl den mißver:
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Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
gnügten guten Schein . Des Königs Bruder, von Berry genannt , lebenslänglich Werkzeug folcher
Dinge , gab ſich als Haupt hin ; der burgundiſche Erbprinz war die Seele der Partei. Wilig lieh Dünois der graue Held , und der edle Johann von Anjou , der von Calabrien den Namen trug , nebſt einigen großen Vafallen , verſchmähete Einſichten und Mittel den Feinden des Hof8. Ludewig hatte keine äußerliche Majeſtát ; feines Geiftes Kraft war noch unbekannt. Hierauf, da zwar die Reiterei
mit nicht unverdientem Ruhm glångte und das Fuß volt tapfer und ſchreckend ſchien , doch den Krieg als Freiftatte der Zügelloſigkeit betrachtete 694) , fühlten beide Parteien die Nothwendigkeit, ſich der Schweiz
jer , des Kerng der Infanterie, zu verſichern. Für franzöſiſche Geſchäfte in der Schweiz war
Bern Siß der Unterhandlungen und ihre Leitung Wenigen , den Großten und Silúgſten des Raths , mit unbeſchränktem Zutrauen aufgetragen *95). Es war weſentlich , auf der einen Seite das Gewicht, welches Frankreich vor allen Machten bekam 696), bei fort:
währender Gefahr óſtreichiſcher Kriege für das Va terland zu nußen ; anderſeits die Freundſchaft des unmittelbar benachbarten , einflußreichen , eben fo måchtigen , burgundiſchen Nebenbuhlers nicht zu verlieren. Die Erneuerung des Vereins mit Karl VII fand feinen Widerſpruch 197). Kriegsleute gab die
Obrigkeit feiner Partei. Man ließ zu, daß Hadrian, Heinrichs von Bubenberg Sohn , von den oberlán:
E. 6. Gemeinſame Geſch: der Schweiz 8. 1450–69.
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diſchen Herrſchaften und aus der Kriegsgeſellſchaft ,
tomit er ſchon ſonſt Fehden beſtand 9 ) , fünfhun dert Mann dem Grafen von Charolois , dem burs gundiſchen Erbfolger , zuführte.
Hartmann von
Stein , Sohn des Schultheißen von Bern und Neffe des Schultheißen von Solothurn, ein reicher Mann von großer Thätigkeit , zog mit rechshunderten zu dem calabriſchen Prinzen 99). Denn die weire Gute und der Glanz Philipps hatte Adel und Volk500) ro geſtimmt, daß für Burgund pon Herzen das Mög liche, dem König aber ſo viel geſchah, als politiſche Rúdficht forberte. Alſo an dem Tag bei Montlheri, an der Brüde von Charenton , leuchtete die ſchwei zeriſche Ordonnanz sur) und unerſchrockenheit ſo hers vor , daß die königliche Reiterei dieſe Piken sor) und Armbruſte nicht brechen mochte , und der tapfere Prinz Johann 55) , der fie 5 ) , die vollrúſtigen Burs gunder und Italiener 505) und die pfalzgråflichen Hallparteniere 506) zu Pferd führte, erwarb den Ruhm ,
aus Liebe zu Karl von Burgund eine Privatleiden: ſchaft 507) und hierauf den Feind bezwungen zu ha bens ). Im übrigen lieben ſeine Leute ſich nichts abgehen , wodurch Kraft in den Mann kommt sog),
hielten aber Anſtand 510) und bezahlten S"). Dem König half in großer Noth S ) der falte Verſtand, womit er ſeine leidenſchaftliden Gegner gemeinig
lich überliſtete ; er trennte ſie durch Zuſagen , die er nicht hielt , wenn ſie auseinander waren 515).
Seiner Feinde waren viele und wollten mancherlei; /
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Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
er hatte Einen Zwed , und fein geheimer Rath war in ſeinem Kopf. Die zurückkommenden Schweizer
wurden von der Obrigkeit um den unerlaubten Zug an Geld und mit Gefängniß nach den Gelegen be ſtraft 514).
Je mehr zwiſchen Frankreich und Burgund Haß und Untreu die Sachen verwidelte , als kaum noch Ehrfurcht vor dem alten Herzog Schein des Frie dens erhielt515 ), um ſo eifriger ſuchten beide Theile die Schweiz. Dieſe , beſonders Bern , war , vor
nehmlich dem Burgunder , zu jeder unſchädlichen Freundſchaft bereitwillig 516). In dieſem Sinn ſchloſ
fen die vornehmſten ſchweizeriſchen Städte mit Phis lipp und Karl einen , dem franzöſiſchen ähnlichen Verein 5i ). Viele Große der Schweiz glänzten mit Ritterorden von Burgund 518); in den Ritter ſpielen des Hofes die Edler von Aargau und Ober: land , neben Bubenberg Bonſtetten , die Vettern von Hohenſar , die Nachbaren Werdenberg , viel Adel der vorderen Lande.
Bald nach dieſem ſtarb zu Brügge in Flandern der Herzog von Burgund , Philipp der Gute , in
dem ein und ſiebenzigſten Jahr eines ſo edeln als genußreichen Lebens , nachdem er acht und vierzig Jahre in jedem Sinn der erſte Herzog der Chriſten heit 519 ) geweſen war ; kriegeriſcher meld in der Blut:
rache reines Vateřs , oder wenn Uebermuth planlo fer Flamingen, oder füttichs unruhiger Geiſt, Ver: wirrung drohete 520); dann an der Spike eines wohl
C. 6. Gemeinſame Geld . der Schweiz v. 1450 - 69.
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gewählten Raths ſeiner felbſt und der anderen Herr S*'); immer verehrt , geliebt, feſt , nicht un: erbittlich 5*2) ; in ganz Europa der freigebigſte , als
er ſtarb dennoch der reichſte Fürſt; weniger durch
die zwet und ſiebenzigtauſend Marf an Gefäßen von Silber , Gold und Edelgeſteinen , die prachtige Bú cherſammlung 5e ) und ſeinen vollen Schaß 5*) , als durch den in ſeinem wohlgeordneten Land verbreite ten Flor und Ueberfluß. Ein Garten Gottes , ein
Siß wie ihn der Allmächtige einem geliebten Volk Faum ſchöner geben konnte , lo ſchienen Philipps
Niederlande Ses). Sieben natürliche Tochter , acht Baſtarde, wohl ausgeſtattet, hinterließ der Fürſt. Das Herzogthum ſeiner Båter , fammt Hochbur 1
gundien , Artois , und Flandern , voll gewaltiger Stádte , und Mechelns Herrlichkeit ( ſein Erbgut), und was er erwarb , fein prächtiges Brabant und Limburg, das getreue , großer Kaiſer hohe Vater: ſtadt Luremburg , nebſt Namurs eiſenreichem Ge
birg , und Hennegau's unerſchöpflichen Fluren, Gel derns Schirm , das ungleiche Zutphen , Antwerpen,
Hauptſtadt der Handlung , und was in Seeland, Holland und bei den Weſtfrieſen tauſendjährige Múbe freier Menſchen über die Wellen erobert, jene Fühnen Schiffer , dieſe iftolzen wohlgenährten Bürger und Hirten , des größten Handels Weg und Siß , und die Ritter , welche rein Vließ geziert, oder die es verdienten , der Burgunder gehorſame Liebe , den im Teſtament aufgefriſchten Ruhm bis
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Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
an der Chriſtenheit äußerſte Gránze Seb) , das erbte
fein einziger ehelicher Sohn, der Graf von Charo lois , Karl , genannt der Kühne. Dieſe Veränderung begegnete zu der Zeit , als Bilgeri von Howdorf und andere unbedachtſame Rit : ter auf der vorderóſtreichiſchen Gränze den Schweis
zerkrieg entzündeten , welcher durch ſeine Folgen für Burgund, für Frankreich und Europa höchſt wichtig wurde. (Der Mühlhauſer Krieg. )
Es beſtand zwiſchen Howdorf und den Fulachen über die Burg Laufen die unverglichene Fehde,
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worüber jener auch in dem funfzehnjährigen Frie: den nicht ſeyn wollte 5 ) ; ferners büßten unſchul
dige Krieger durch Martern 58) und auf dem Ra de Sag) den grauſamen Eigenſinn . Parteigeiſt hatte die Stadt Schaffhauſen wider ihren Willen in dieſe Handel und unbillige Acht gebracht 55 ). Hierüber trug fich zu , daß der Bürgermeiſter Hanns am
Stad, ein in der Stadt Sachen vorzüglicher Mann 55'), auf einem Geſchåftsritte nach Engen in der Herr ſchaft Hówen , bei dem Dorf Anſelfingen in einer Hohlgaſſe von Howdorf mit úberlegener Zahl 5) an
gefallen und 'gefangen wurde. Sie brachten iha nach Villingen , wie einen Verbrecher, in ein fin : ſteres Thurmverließ , und legten ſeine Füße in ei
uen Blod. Die Mißhandlung vermochte, daß er fein ganzes Vermogen und mehr, als er hatte, zum
Lóregeld gab sø ). Da vermittelte der Biſchof zu Co
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C. 6. Gemeinſame Geſch. Der Schweiz o. 1450–69. 189 ſtanz die Rache; der Erzherzog úbernahm den er: fall 534 ). Als die Zögerung des leßtern abermals reizte , ergingen von Kaiſer und Papſt große Ge
bote allgemeinen fünfjährigen Friedens 53 ) ; weil die ungeſchwächte Macht der osmaniſchen Türken unter dem Eroberer von Konſtantinopel , Tarabo fan, Morea und Bosnien von mehr als Einer Seite auf die Abendländer zu drången ſchien .
Daß in einer Stadt , welche wegen ihrer den fchweizeriſchen Boden nicht berührenden Lage bis her kaum erwähnt worden ,. ein Müller mit ſeinem Suecht über den Handlohn zerfiel , das veranlaßte den großen Strieg.
In einer anmuthigen fruchtbaren Ebene , wo Sundgau und Elſaß ſich ſcheiden , war in alten Zei ten an der Ill , einem aus Hochburgund die Pfir ter Grafſchaft herabſtrömenden Flüßchen , eine Müble,
ein Haus und eine Capelle 536 ).
Hierbei, da die
Gegend Korn und Wein freigebig liefert, entſtand
ein Dorf 557), und im Lauf der Jahrhunderte ein Städtchen, mit Namen Mühlhauſen. Mauern und Graben ſind aus der Zeit , wo die Gewalt der gro Ben Hohenſtaufen påpſtlicher Kühnheit und Riſt und
der Untreu der Fürſten unterlag 538). Der Biſchof zu Straßburg , Herr der benachbarten Ruffacher Mundat 559), hielt Mühlhauſen unter vormundſchaft: lichem Schirm , dem die Bürger fich entwachſen glaubten . Da hielten ſie ſich an Rudolfs von Habs burg aufſtrebende Größe , die dem Bole günſtig
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Geſchichte der Schweiz. IV, Buch.
ſchien. Sie waren mit ihm ,I er mit ihnen, brachen die biſchöfliche Burg 5). Rudolf auf fóniglichem Stuhl vergaß die alten Freunde nicht, machte
Mühlhauſen zur Reichsſtadt , überwand das Gefühl eigenen Vortheils 5+1) und machte ihre Serichte felbſt: ſtåndig 54 ). Hierauf wurde Mühlhauſen , wie ein
von Rudolf ihrer Pflege vertrautes Gut , von al I
len Kaiſern mit Rechten 545), Einfünften 5), Sdult: heiß 545) , Bürgermeiſter 56) und Rathen vortrefflich beſorgt. Da die Bürger , welche ſich an dieſen Ort nach und nach zuſammenbegeben , ihr kleines Ge
meinweſen in brüderlicher Gleichheit zu verwalten meinten, die Edlen aber nicht nur die Erſten , ſon
dern alles ſeyn wollten , erhoben ſich viele blutige Unruhen 547). Hierüber zerſchlug ſich der altfrånfi ( che Gemeinſinn der Herren und Leute in under: föhnliche Parteiung , wobei die Stadt durch wach : fame Sorgfalt, Muth 5t) und Eidgenoſſenſchaft 59) ſich zu helfen ſuchte. Mehr und mehr entbrannte der Haß durch die Menge grauſamer Kriege 550), den Hohn vereitelter Unſchläge ssi) , den Kampf des Uebermuths gegen Verzweiflung 5 ) ; wobei die Mühlhauſer an Gut und Blut faſt unerfeßlich 555),
an Ehre und Freiheit nichts eingebußt. So, ruhm voll mit Wunden bedeckt und ari Gebiet vergro
Bert 554) , von allen Seiten bedrängt , ſo , daß die Vorſtådte abgebrannt worden sss) , auch vor unbe: fugten Gerichten durch Verråther umgetrieben 556 ),
für ihr Stadtweſen aber und die Freiheit entſchloſ:
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C. 6. Gemeinſame Gefdh. der Schweiz v. 1450–69. 191
ſen zu allem , fandten die von Mühlhauſen hinauf zu denen von Bern, den mächtigſten im Oberlande, um hulfreiche Hand. Die Baſeler, die Solothur
ner kannten ſie vorlängſt 557) und vertraulich 558). ,,Giner unſerer Müllermeiſter , trugen ſie den Bernern vor , glaubte ſich berechtiget, ſeinem Knecht jvon ſechs Plapparten Lohn etwas abzuziehen 559).
„Dieſer lief zu dem Bürgermeiſter , welcher über ,,großern Dingen die Schlichtung des Haders ver: /
cob. Sofort Morgens der Knecht aus der Stadt,
,,drohend , ihr ein Feuer anguzunden. Dieſes wie: ,, derholte er durch in das Thor geſteckte Briefe.
,,Wir , aller Bosheit ausgefekt, eine einſpånnige ,,Stadt“ ) , ließen uns zur Nachgiebigkeit herab. „ Er , zu Brunnſtatt in der Schenke , da er unſern „ Boten mit dem Geld erblicte , entlief , war nicht
„ zu finden , eilte und verkaufte dem Junker von ,, Regisheim , als rechtlos , ſeine Anſprache. Dieſe „ Junfer , ein obereljárliſcher Adel , ſind uns , von ,,Alters her, durch gute 561) , aber weit mehr
„und wichtigere boſe Dinge sér) bekannt. Der Re ,,gisheimer , alſobald , ſtellte als Freundſchaft vor, ,,daß er den Kerl zufriedengeſtellt, pergrößerte aber ,,die Forderung ſo ungeheuer , daß wir an ſeinem
„Zweck nicht zweifeln konnten. Ⓡr ſelbſt ließ uns „ nicht lang in Ungewißheit. Es wurden uns zwölf ,, Leute aufgehoben , noch ebe durch ein altes Weib
,,von ihm und ſeinen Freunden die Fehde tam ).
,,Er hat uns zu Enſisheim und Landesehre bei den
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Gefaidhte der Schweiz. IV .. Budy.
,,Hallwylern %) , Deſtreichs Vógten , verklagt ; gu ten Reichsſtadten fållt ſchwer , fich an die land y,vogtei zu wenden , die mit dem Kaiſer nicht einig
wiſt36 ) ; und der Städte Verein iſt durch Partei ,,geiſt und Schwache gelähmt 566). Wir , erſchöpft, mermüdet, verlaſſen , unſerer Vater und unſer ſelbſt ,,noc würdig , fliehen zu euch , rechtloſer Unſchuld gewaltige.Retter ; in euren Kriegen roll mitten ,,unter Feinden Mühlhauſen auch die Vorburg ſeyn ." Da machten die von Bern , Freiburg und Solo thurn 567) funfzehnjährigen Bund mit ihnen 568). An fangs zogen nur hundert Mann 569) ; der Name gab Nachdruc ; wie dann der Rheingraf, unterland: vogt 57 ) , fofort von Lúßelſtein heruntergefallen und
mit zweier Städte Mannſchaft Mühlhauſens Feinde geſucht (da wurde der Müllerknecht erſtochen 57') ), die Ráthe von Deſtreich aber den unvorſichtigen Adel durch Bermittlung zu retten gewußt 5 ) .
Erzherzog Sigmund , friedliebend 575) und fein Feind ſtádtiſcher Freuden 5 ) , und die Erzherzogin Eleonora , fanft , für liebliche Dichterei 575) , nicht für Verwirrung der Welt geſtimmt, wollten Friede ; der adelige Uebermuth verſchmähete den Zaum. Die Herren fuchten die Macht von Deſtreich für ihre Leidenſchaften ins Gefecht zu bringen ; ſchlechter Aus:
gang wurde zufälligen Fehlern zugeſchrieben , und Krieg mit Vorſaß beſſerer Führung hoffnungsvoll erneuert. Ein Knecht Hanns Erhards von Mas
münſter 578) ſcheute ſich nicht, an das Thor zu Mühl hauſen
€. 6. Gemeinſame Geſch. der Schweizo. 1450–69.
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hauſen eine heftige Fehde gegen die Stadt und ihre Eidgenoſſen anzuſchlagen 577). Alter Freundſchaft
uneingedent, als kaum der achtzigjährige Vater die Augen ſchloß 578 ), úberfielen und verbrannten die Junglinge von Klingenberg das ſtille Dörfchen Buch , nach Schaffhauſen gehörig , unfern Rander lieblich gelegen 579). Es war zu Schaffhauſen und Mühl hauſen für Bäume , Weinberge , Felder und Leute teine Sicherheit außer den Choren. Solothurn er fuhr Falkenſteins, Schaffhauſen Heudorfs Trois) ; weil aber Mühlhauſen abgeſchnitten in offener Ebene liegt, erfuhr für ihr zutrauen auf die Schweiz keine andere Stadt ſolchen Hohn ). Hieruiber entbrann ten die Herzen der Bürger und Landleute ; die Stadte wurden bereßt ; das Volf , Maßregeln vorgreifend, lief in die feindlichen Gaue hinaus , dem Feind vor ſeinen Hauptfigen trokend 53:). Deſſen erſchrat die Regierung der vorderen Lande ; da ſie wahrhaft 533 Zeit gewinnen wollte , machte Friede , oder doch 55) ſie zugleich Vorſchläge und Gegenanſtalten . Ehe der Ausgleichungstag zu Baſel gehalten wurde , verabredete der Schweizerbund 5) , alles Unentſcheidende für feindſelig zu halten , und mit wenigen beſcheidenen Worten zu erkennen zu ge: ben , daß man ſich nicht täuſchen laſſe. Mißtrauen erregte , daß der Erzherzog nicht ſelbſt fam ; er hatte
es verſprochen 5e ) , aber die Räthe fanden ihn zu of fen und gútig. Auf die Nachricht , daß Mühlhaus
fen beſchoſſen werde , ritten alle Boten heim , die 3. H. Müllers råmmtl. Werke. XV
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Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
von Bern und Solothurn in die Gegend , wo noch im Stillſtand ungeduldige Kriegsluſt 586) Blut ver : gos. Hierauf wurde von den Eidgenoſſen Aushe:
bung einer genugſamen Mannſchaft unter die Ban: ner und anſtändige Friſt für Kriegserklärung be fchloſſen say) ; ſchon trieb im Sundgau die Erbitterung an Werken der Natur und alten Vorſorge ihr zer ſtörendes Werf 5 ) , und es ſchirmte die Dörfer des
Adels fein feſter Kirchthurm , kein wohlbemauerter
1468 24.
Schloßhof und nicht der Anblick ländlichen Wohl ſtandes 5 ). Dieſem fchien die Nadhe, dem der Wein füßer 590); muthig warf ſich jeder herum , gegen Uebermacht ſeinen Raub z11 behaupten 59'). um St. Johannes des Täufers Tag erging von
Juni allen Städten und Ländern der Schweiz und von Schaffhauſen 592 ), Freiburg und Solothurn an den
Erzherzog Sigmund in Sachen deren von Schaff bauſen 593) und Mühlhauſen Fehde Sg ). Da erhoben
ſich die Banner in der Abſicht, Sundgau , und jen feit Rheins den Wald und Breisgau gewaltig zu überziehen . Siebentauſend Mann ftart zogen die Berner und ihrer Stadt Mitbürger sg ) unter sa drian von Bubenberg536) tiber den Hauenſtein ; ohne
genaue Abrede , wo nicht beſondere Freundſdyaft lie traf59) , zogen von den übrigen Orten , nachdem Schaffhauſen verſtårkt worden ), achttauſend Mann durch den Aargau ; alles ſchnell und ſtark; des Bun:
des Kraft hing von den Herzen ab , die feindliche von Vafallenpflicht und vielem Geld. So freuden
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6. 6. GeineinſameGeſch. der Schweiz v. 1459 – 69.
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voll das Land hinab , als die ſich Männer und Brüder fühlten 599). Die auf diefer Seite dazumal áußerſte fchweizeriſche Stadt , Solothurn , ftárfte
die Ankommenden mit Wein.6 ), gab den Schultheiß Ulrich Byro mit wohlgerüſtetem Zuzuge mit , und beſeßte die Burgen im Núcken des Heers. 601 Cory. Ba 1
fel hatte keinen Theil an dieſer Fehde 6ez). Indeß hatte ſich von Fremingen herab 605) cine .20 große Anzahl Feinde bei nachtlicher Weile in den Juni Theil des Brunnſtätter Amtes verbreitet, welcher zunächſt bei Múhlhauſen liegt. Sie lodten durch die Aufhebung der Weiber , die Morgens in das Storn gingen , achtzig von der Beratung in das Feld. Dieſe , unordentlich , fucyten den Feind.60 ). Er ., die Reiſigen voran, erſchien in wohlgeordneter Macht , ſo, daß einige überraſcht wurden. Da ord
neten die Schweizer ſich hinter die Buchſen , und ein reiſiger fiel. Inden fie deſſen Rüftung er : kämpften 60 ) , ſchloffen ſich der großen feindlichen Schaar zwei andere an ; ſo daß die Eidgenoſſen, ob fchon auch verſtärkt, durch Anſtufung an die 3 !! ſich zu erleichtern trachten mußten . Da ſie, wohl bedeckt von Geſchük , das Waſſer erreicht , war ih nen der Feind im Rücken und auf beiden Seiten ; jenſeits das Banner deren von Tanu. In dieſer augenſcheinlich großen Noth be war in den dreihun dert Mann kein anderer Gedanke , als ihr Leben ei ner fiir den andern und für den Ruhm der Vorel tern theuer genug zu verkaufen 60 ). Sie durch den
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Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
Fluß. Dreißig Feinde , zwanzig Pferde fielen und
ter dem Geſchüß und Arm derer , die den Ueber: gang dečten . Mit Verluſt von funfzehn Mann brangen fie unwiderſtehlich durch die entgegengeſen: ten Schaaren , welche ſie von der Stadt abzuſchnei den gehofft. Aus Mühlhauſen fam in der Hand eines tapfern Mannes die Fahne der Stadt und ei: nige Hülfe. Schnell wandten ſie ſich. Da warf der Feind ſich in die Flucht 68).
An drei langen Stangen trugen Laufer von Bern , Freiburg und Solothurn Thüringen von Hallwyl die Fehde wider Deſtreich. Er nannte Múhlhauſen unflug , von dem Herrn ſich abzuwer: fen , aus deifen land lie Brod habe bug ); init den Schweizern ſich zu meſſen , trug er Scheu . Die
ſtrafenden Banner der Berner , von Biozheim an den Marſch mit Flammen bezeichnend, erſchienen vor der hölzernen Stadt. So wurde das große
Dorf Habsheim 610) von den bretternen Wehren ge: nannt , wohinter , ehe der Feind fam , die Herren es zu behaupten vermeint. Nachdem ſie ſchnell ent: flohen , wurde nach dem Sinn der ſchweizeriſchen
Striegsrechte was um die Kirchen war, abgebrochen , ehe an die übrigen Häuſer Feuer gelegt wurde.
Dann wurden an der Brunnſtatt, au Zullisheim und Fremingen die Spottreden gerochen 6 ). Links zogen ſechszehnhundert Mann unter der Stadt Ban
ner von Zürich 611) mit Schwyz nun brúderlich , und ro unaufhaltbar, daß das Schloß Schweighauſen 6.5),
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C. 6. Gemeinſame Gefch. der Schweiz o. 1450–69.
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kaum erblidt, ohne Rüdſicht auf Mangel an Zeug 66), mit Verluſt sis) angerannt, und von der Berakung, welche Rache fürchtete, bei Nacht mit Erbitterung 66) verlaffen wurde. Die fünf übrigen Banner zogen . zwiſchen 30 und Rhein den großen altteutſchen
Wald Hart verheerend herunter. Der Wald, aller Landbau , Perſonen und Gebäude, die Gott , jenes Geſchlecht und alter , deſſen Schwache der Menſchs
heit heilig war, wurde geſchont, und hierin die Ehre ſorgſamer beobachtet 61) , weil die Feinde ge gen die Bürger ſie zu beobachten verſchmåhet 68). Alle Banner thatengierig, trafen endlich auf die, große Ebene , wo vor ſechshundert fünf und dreißig Jahren Karls des Großen zu guter Sohn von dem Heer an rebelliſche Söhne verrathen ward h19). Eine Stunde breit , in die lange zwei , erſtreckt ſich das Ochſenfeld. Unbedeckt, unangeſtúßt, fámmtliche Sriegszeichen in einen King zuſammengeſteďt 6 ),
erwartete man die adelige Reiterei , welche die Menge der Niederlagen dem Nachtheil des Berg landes zuzuſchreiben gewohnt war 6-0b ) ; vergeblich,
ro ſehr ſie auch gereizt wurde 64). Es wurden acht: zehn Dörfer und Schloffer 6+ ) und , nachdein die Sriegsleute deren bon Tann , trokig in Worten , von dem Staufen herabgeworfen worden, auch die anſehnlichen Vorſtådte dieſer Stadt63) verbrannt ;
ſo daß in dem Schreden des wehrloſen Landes Watt wyler die Erbarmung der Berner durch Uebergabe
wohlfeil zu erkaufen ſchien 6et); aber des Städtchens
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Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
Felmender Wohlſtand mußte dieſen Troft búßen, als Thüring von Hallwyl die Schweizer nicht mehr zu fürchten hatte 635) (als mußten die der Fürſt verlaßt, auch fich verlaffen ). Als die Herren keine Schlacht angedeihen lie
Ben 6*6), ſchien das Anſehen der eidgenöſſiſchen Waf fen , ſo viel die Sicherheit Mühlhauſens erforderte, behauptet. Erneuert oder verſtärkt wurde die Be
fakung 6-2); das Heer von der Stadt mit Proviant erfreut. Vierzig der angeſehenſten Krieger 6-8), welche die Wagen deckten , wurden eine Meile von
der Stadt von dreihundert Reitern angeſprengt ; jene fanden vortheilhaft, zu Fuß zu ſtreiten ; fo tödteten ſie viele Pferde , drei Reiſige ; glüdlich, wenn ſie nicht aus Jrrthum einen tapfern Mann von Glaris 6.9) , der zufällig ro ſtürzte, daß ſein weißes Kreuz von em Rock bedeckt vurde , um
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gebracht hatten . Da forgte manns Tichudi , des Landammanns Sohn , daß dieſer nicht ohne die
lekte Ehre blieb. Alle folgten , feſten Schrittes, die Pferde an der Hand , nicht ohne erbeutete Nú: Hierauf zogen ſtungen , zurück nach der Stadt. die Eidgenoſſen aus dem Sundgau in eine andere Gegend .
Die Stadt Schaffhauſen , wo der edle und reiche
Stonrad Schwager Bürgermeiſter 650 ) und Konrad von Dettifhofen mit fúrſtlicher Würde Allerheiligen übt war 65ı), batte bei den vielen ſtarken Thúrmen 65) 1
C. 6. Gemeinſame Geſch. der Schweiz v. 1450–69. 199 und guten Mauern keine Ueberraſchung zu fürchten : aber , wo von Schwaben kaum wegſame Pfade am Randen und endlich durch Merishauſens Wieren ſich durch die Berge fanfter der Stadt zuſchlängelten , und des Edlen Fulach Stammgúter ihren Feind
reizten , wurde oft jeder Fußbreit Land mit Blut Sobald ſchweizeriſche Beratzung Schaffhauſen werftárkt, gaben die Edlen das Land ſo preis , daß ein Unterwaldner Hauptmann bis Waldshut keine Feinde antraf 634) , und nach er:
behauptet 633 ).
klarter Fehde ganz Klefgau , wie auch Thuengen an der Wutach, dem Grafen von Sulz für die Eidge noſſenſchaft abgenommen wurde 655). Thủengen über: nahmen die Schaffhauſer 636). Als die Schweizer vom Ochſenfelde tauſend Mann gegen den Schwarzwald fandten , beffen Pakdie Hauenſteiner in einer Schanze bereßt hielten , überfiel Schaffhauſen den Feind von der andern Seite ; worüber , als die Schanze nach
ungemeinen Widerſtand 657) gebrochen worden, dem Abt von St. Vlaſien , Chriſtoph von Grüt , nichts übrig blieb , als mit anderthalbtauſend Gulden und einer eben ſo hochgehenden Zuſage die Herrſchafts leute zu retten 68). So ganz anders wirken gleiche Maßregeln nach dem ihre Urheber beſeelenden Geiſt, daß, indeß der Schweizerbund überall die Oberhand hatte, der Breisgauiſche 639) , bei aller Treu des mu thigen Volks , ſo wenig half, als des Erzherzogs
mit St. Georgen Schilds Ritterſchaft erneuerter Vereinwo).
Geſchichte der Sqweiz. IV, Buch.
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( Belagerung Walsshut. )
Am Wald ,2 bei Thủengen , wo die Wutach rei
ßend in den Rhein eilt, lagen die Eidgenoſſen , wel che den Schaffhauſer Krieg führten. In der nahen
Waldshut Bilgeri von Howdorf, großen liebels Ur - heber. Aus Laufenburg und Rheinfelden überfielen
ohne eigene Fehde 6+1) Falkenſtein und Rechberg die Aargauer Viehweiden ), ſo daß ihre Leute, wo ſie in feindliche Hand fielent,. wie Rauber bebandelt wurden 65) .
Sene Eidgenoffen wollten nicht beim
ziehen, bis fefter Friede rey 644). Als die Banner vom Od ſenfelde verheerend, in drei Schaaren , Sundgau hinauf, und (unwilig, Barel verſchlosſen zu finden )
den Bürgern ohne Schonung durch die Güter gezo gen 6s), trennten ſie ſich, bis das Weitere auf einem Tag verabredet werde. Dieſes fühlten die von fu: zern hio) und von Zúrich als. unſchidlich ; es war in der Hauptſache für Schaffhauſen nichts geſchehen 67).
Alſo nachdem Heinrich Schwend, Nitter, und Hanns Waldmann , Hauptmann der Spieße 64*) , die uns ter Eberhard Ottifon bei den Schaffhauſern liegen I
den Zúricher verſtärft , und Heinrich von Kunwpl, ein edler Greis, das Banner der Stadt Luzern, des ren Schultheiß er war, mit ihnen vereiniget, wurde
die Belagerung von Waldshut unternommen , und alle Orte mit Mannſchaft und Belagerungszeug auf gemahnt.
Waldshut liegt auf dem rechten, hier etwas ho ben tlfer des durch die Aar verſtärkten Rheins, der
C. 5. Gemeinſame Geſch. der Schweiz o. 1450–69.
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in einem engen , tiefen Bette fließt. Werner von Schynen, in ritterlicher Würde ergraut, war Com mandant , und gab den Edlen wahrer Cugend Bei ſpiel. ,,Warum ," klagten fie manchmal, warum „iſt Gott mit den Schweizern ? Wird ie, und wann, „das Glud ſich wenden ?' ,, Alsdann “ ſprach er, „ wenn
„ ihr beſſer ſend als die Schweizer 649 ). Da kam der Altſchultheiß Thüring von Ringoltingen mit andert:
halb tauſend Bernern und den beiden größten Buch ſen 65 ). Der Ort wurde in kurzem auf beiden Sei
ten des Rheins von allen Bannern belagert und beſchoffen. Als das Gerücht fam , wie Sigmund, nach mißglückter unterhandlung mit ſchwäbiſchen
Fürſten 6' ) , machtig verſtärkt aus Böheim durch Bayern 65b ) zum Entſaß im Unzuge rey , wurde das Belagerungsheer auf ungefähr funfzehntauſend
Mann gebracht 6s) , und in Uleberfluß mit Lebensmit teln verſorgt 6 ). Die Berniſchen Buchſen brachen
die Mauer 65*) , das Geſchůk der Stadt fing an zu ſchweigen ; Mangel drohete. Da verſuchten mehr
als zweitauſend, an dem linken Rheinufer hinaufzies hende Deſtreicher die Eidgenoſſen , welche von da aus die Stadt beobachteten, mehr als ſchädigten 6s), zu ſprengen , ſich hinein zu werfen und ſie zu ver feben . Aber die Nacht , auf die fie záhlten ., hilft denjenigen, welche die beſte Oronung haben ; fo baby
nicht ohne Verluſt, welchen ſie in der Verwirrung /
ſich ſelbſt zufügten 656) , Eaum ein zehnter Theil des
Zwecks 657) erreicht, und um ſo ſchwerer wurde, die:
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Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
fes mit Erfolg wieder zu verſuchen. Sie wurden ein andermal durch die Finſterniß beimgeſchredt, als die Schweizer auch ihrerſeits flohen. So viel mehr wurde durch die Meinung als durch Thaten
entſchieden , daß das ganze Heer des Erzherzogs, auf das Gerücht eines Aufbruchs der geſammten Schweiz unaufhaltſam aus einander ging 657b). Von dem anſtreiften Eidgenoſſen , beſonders nachdem
Felir Keller die Schanze bei Waldfirch 658 ) gebro chen , Stunden weit in Schwaben ; verbrannt wurde Bondorf , die Heerden , Fahne, Habſeligteit 69) in
das Lager gebracht , und von den Schaffhauſern in ganz klekgau und auf der Baar 66 ) nach Gutdůnfen verfahren . Einmal wurden eilf Mann, die ſich ent:
kleidet, um vor einer óſtreichiſchen Schanze Korn zu ernten , ein andermal fünf, die hart an den Boll
werfen ſchliefen , dieſe mit eigenen Waffen , umge: bracht w .). Die Belagerung von Waldshut wurde durch per: fönliche Verhältniſſe und Eiferſucht vereitelt: weil viele , wenn ſie mit Sturm erobert wurde, nicht ohne Grund für ihre Freunde in der Stadt fürchtes ten 66 ) , und weil nur Bern den Sinn und Muth hatte, fie fammt dem Schwarzwald wie ein Vorwerk zu Deckung der vaterländiſchen Gränze in Beſiß neh men zu wollen 663). Wäre das Gebirgland. eidgenör fiſch geworden ., ſo hatten alle Herren von Schwa
ben ihr Volf fichonen oder verlieren müſſen. Die Schweiz wäre auf der einzigen Seite, wo ſie Feinde
E. 5. Gemeinfame Geſth. der Schweiz8. 1450–69.
203
hatte, undurchdringlich verbollwerkt worden. Wåre das vortreffliche Waldvolt mit den Stämmen im Alp gebirg verbrüdert worden, die Klugheit Berns håtte ein Gemeinweſen grunden können , das nicht nur durch Eiferſucht der Machte beſtanden , ſondern zu Behauptung des Gleichgewichts bedeutend batte mit: wirken können .
Als die ſturmdúrſtige Mannſchaft zu allem be reit 66 ), Waldshut aber wider Hunger nur noch auf
kurze Zeit verſehen war 66 ), fandte Ludewig , Her zog zu Bayern Landshut, ipelcher den ererbten Zu namen des Reichen 666) auf ſeinenSohn fortgepflanzt, 1
Markgraf Rudolf von Baden Röteln, durch Neufcha
tels Vefik der Schweiz verwandt, Biſchof, Doincapitel und Stadt Baſel und die Stadt Nürnberg in das eidgenöffiſche Lager Vermittlungsgeſandte 66 ). Sie fanden die von Bern und alle Gleichgeſinnten 667 b ) für den Sturm entſchieden , Zürich wankend 668) , alle übrigen Berns Straft ziemlich günſtig 46 ). Sedoch
nur ſo weit durfte Bern den Frieden erſchweren , daß niemand fie der Fortfeßung des Kriegs beſchul digen könne. Deſtreich, indem die Forderungen ab gelehnt wurden , enthielt ſich übrigens aller Auss
drücke, welche Empfindlichkeit reizen konnten.670). So wurde für Schaffhauſen und Mühlhauſen fiche: .
rēr Friede ; für die Koſten , oder als Pfand, wolte Rern Waldshut und Hauenſtein ; hiervon wa ren ſie nicht abzubringen 67). Geld, ſprachen ſie,“ treue , liebe Eidgenoſſen , ,,Geld wird unſer Unter:
204
Gefdichte der Schweiz. IV. Budy.
,,gang reyn ; wen Geld befriediget , ein ſolcher iſt „ nie furchtbar 6 ). “ Die verſammelten gemeinen Berner Krieger erklärten , nicht ausgezogen zu
feyn, um Geld heimzubringen , ſondern um Städte „ und Schlöſſer für das gemeine Weſen zu erobern.“ Die Ráthe zu Bern bezeugten einem Geſandten 6 ), ,,die Bollmacht den machtigern und weiſern þaup
„ tern und Råthen im Felde zu laſſen , daß aber „auch der gemeine Mann Waldshut wolle.“ Wenn die Berner den Vorſtand über die Schweiz gehabt håtten , welchen Rom in Latium und über Hetru:
rien 675) , ſie wurden bald auf die allgemeinen Ger ſchafte der Staaten eingewirft haben . Aber die Eid:
genoffen , beſcheiden und bieber , berdloffen , dem Herkommen gemaß auch für Bern zu verſprechen 66). Da begnügten ſich die Berner , dringend zu begeh ren , ,,burch irgend einen Sturm auf dieſes Boll ,,wert , fene Schanze , dem thatenloſen Zug rühm:
,, liches Ende zu machen.“ Den andern ſchien die:
res liſt , in dem gemeinen Manne das Feuer anzu: flammen . Doch die Berner begnügten ſich, die Sa:
che Mühlhauſens und eine alte Geldforderung (77) anzuempfehlen . Hierauf fiegte ihre Weisheit über ihren Schmerz ; ſie hielten allem bei. Dadurch er: hielten ſie , daß alle Orte eine Kriegsthat beſchloſs
fen , wenn die Friedensannahme verzögert wúr: de 68).
Nach dieſem am zweiten Tag 679) wurde der Walds: huter Friede gemacht, wodurch nicht nur Schaffhau:
C. 7. Pom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg .
205
ren und Mühlhauſen ſicher geſtellt, ſondern zehntau
ſend Sulden , in zehn Monaten 6 ) zahlbar , den Eidgenoſſen für den Kriegsaufwand fo verſchrieben wurden , daß bei nicht erfolgender Zahlung Scult
heiß , Rath und Gemeinde zu Waldshut, die Ju
nungsmeiſter und Gemeinde auf dem Wald unter die Eidgenoſſen ſchwören ſollen .
Die Wohlfeile der
Kriegsbedürfniſſe ") , die Geringfügigkeit auch der Belohnungen 688) machte die Summe beträchtlich. Dem Bürgermeiſter von Schaffhauſen wurde ſein Lóregeld von dem Erzherzog erfekt 683).
Si e ben te s
E a pite l.
Die Geſchichte der Schweiz von dem Waldshuter Frieden bis auf den Burgundiſchen Arieg.
( 1468 – 1674.)
Einen Tag vor Unterzeichnung des Friedens machte der Erzherzog zu Willingen einen Verein mit St. Georgen Schilds Ritterſchaft , daß kein Theil
ohne den andern Friede machen roll '). Um ſo we niger nahm der Adel auf den Friedensſchluß Rück: licht '). Es wurde bald offenbar, daß nur Zeit und Mittel eines großern Kriegs geſucht wurden. Alſo lehnten die Schweizer Tagleiſtungen ab, deren Zweck Täuſchung ſchien :). Ihre Eidgenoſſenſchaft war fried fam ; die eigennúßige Gewalt, womit wenige Mách:
tige durch die Utebernahme fremder Forderungen oder
206
Geſchichte der Schweiz. IV . Budi.
beforderte Aufnahme unruhiger Fremden das Bas
terland in Verlegenheit brachten , mißfiel "). Ohne den vorländiſchen Adel wurde auch Sigmund , rus hig zu Innsbruck ) , anf Mittel gedacht haben, das Friedensgeld “) aufzubringen . Anſtatt deſſen bewog man ihn, mit ſchönen Worten auf Tagen um Hülfe teutſcher Fürſten zu werben ' ) ; die fünfhundert Reiter , die ſie ihn zuſagten ' ), wurden gereizt has ben, ohne Gewicht zu geben. Der Herzog von Bayern
Landshut, welcher bei den Schweigern das Meiſte vermochte, anders geſinnt als der Adel ihn wünſchte, war für Friede '). Da gedachten die Herren jenes Armagnakenzuge,
der die Schaar der Schweizer nicht überwand , aber doch erſchlug ; darüber ging ihr Haß hinaus , daß des Vaterlandes Schlüſjel zum zweiten Mal in die Hände der Franzoſen gelegt wurden ' ) ; ſie vermoch: ten den Erzherzog zu dem König zu reiſen , der als Dauphin jenes Heer geführt hatte.
Ludewig der Eilfte empfing ihn mit der Freund:
lidh feit eines anverwandten Fúrſten " ), bewilligte mit Vergnúgen ein Jahrgeld von zehntauſend Fran ken zur ,Emporhelfung ſeiner Finanzen ") , wußte
aber Theilnehmung an den Schweizerhandeln unter inancherlei Vorwand 9) auszuweichen. Sein Vater hatte in andern Zeiten die Gewährleiſtung für die Morgengabe der Gemahlin Sigmunds uibernom men " ) ; Ludewig ſah beſſer ein , wie wichtig die Schweiz ihm werden fónne. Jon unterrichtete die
C. 7.
Pom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg
207
Erfahrung , und Joſt von Sittinen , Propſt zu Be ronmünſter , welcher aus einem uralten Geſchlecht zu - Stufnach am Waldſtattenſee geboren , ſchweiges riſchen Verſtand mit rómiſder Feinheit verband 's). Der Mühlhauſer Krieg hatte den Eindruck erneuert,
womit Ludewig bei-St. Jakob die leichname der Hel den fah. Es war eine feiner Haupteigenſchaften ,
daß er die Menſchen , wer ſie immer ſeyn , ihrer .
Brauchbarkeit nach zu fchåben und zu benußen wuna te. Bon dem an bereitete er ohne Aufſehen , was er von den Eidgenoſſen wuinſchen mochte,und veranlaßte, daß Nikolaus und Wilhelm von Dießbach als Ge fandte nach Frankreich geſchickt wurden 1 ); feine ſchweizeriſchen Standeshaupter waren für ſeine Ab: fidyt geſchidter.
Sobald Sigmund merkte, daß auch fernerer Huf enthalt ſeinen Zweck ihn nicht näher bringen wür de , begab er ſich (ohne Zweifel mit Kath und Wil
len des Königs, der die Folgen vorfah) in die Stadt Arras zu Sarln von Burgund." ). Obwohl Sigmund , für Weiber und frohen Genuß geſtimmt, und Karl,
der gedankenvolle , ernſte , arbeitfame , einander perſönlich nidyt gefielett , fühlte der Burgunder Zu
friedenheit , nach einem Feſtin wie nur ſein Hof fie'gab 18), den Erzherzog auf einer Reiſe durch ſein glüdliches Land mit den höchſten Begriffen von der burgundiſchen Hoheit und Vermögenheit zu erfüllen . Als der erſte Antrag um Darleyn der Friedensgel der als unbedeutend ſofort bewilliget worden 9),
208
Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
faßten Sigmunds Råthe den Muth , eine , wenig ſtens fünfmal ſo ſtarfe Summe auf das Unterpfand aller óſtreichiſchen Herrſchaften im Elfas, der Wald
ſtåtte und des Waldes in Antrag zu bringen. ,,Was fehlt,“ ſprach einer, ,,des machtigen Karls vor allen ,,Nationen blühendem Adel und Volt , von allen I
Benachbarten gefürchtet , oder vergeblich beneidet. „ So laßt auch uns werden, und nicht långer Spott „ der Kühhirten reyn . Saget es an zu Schaffhau
„fen , verkündiget es an den Thoren Mühlhauſens. „ Wie wird der ſtolze Bár ſich verfriechen ! Wie er: „ bleichen die Helpler vor dem Donner des burgun
,,diſchen Zeugs ! Hat Karl das edle Werf vollbracht, „ihren Bund gelóst , ihren Muth gedámpft , wie wird uns alsdann reyn 1, wenn Erzherzog Mari:
,,milian ſeine Tochter nimmt ! Gerochen , geordnet, fallen die Lande au das Erzhaus zurück; indeß, „ während Karl Ruhe macht, wir zu Innsbruck mit „unſerm guten Herrn aus dem hubſchen Pfandſchil: „ ling manchen ſchönen Tag haben werden . “ Der
Herzog von Burgund , ſchon zu groß um ſicher zu Teyn , wenn er nicht noch größer würde , er , dem nichts über den Zuſammenhang und feſte Marken
der Länder ging, erkannte in dieſer freiwilligen Ab tretung der Schlüſſel Teutſchlands , der Schweiz und
Teines Hochburgunds das größte Glúc 19 b). Wie leicht war der lothringiſche Kinabe ro) zu vertreiben , zu verpflanzen ! Und dann vom ungewiſſen Ufer,
wo das Meer den Fürſten Land bald anſpült , bald nimmt,
E. 7. Pom Waldshuter Frieden biß burg .Krieg.
209
nimmt, hinauf die reichen Städte, den Garten der Niederlande , vorbei die gewaltige Luremburg 2 ),
über Wasgaus Höhen , weit hin am Jura , bis an die Rhone einſtweilen ") , Karl der Kühne einziger Herr ; warum nicht Konig 1 )! Den Tag vor Johann des Taufers Feſt wurden, wie der Friede es wollte , zehntauſend Gulden den Eidgenoſſen , dem Bürgermeiſter Am Stad achtzehn bundert von burgundiſden Commiffarienin derStadt Bern ausbezahlt * ). Das Uebrige blieb dem Erzher 30g * ). Hierauf nach wenigen Tagen kam der Mark: graf Rudolf aus dem Hauſe Baden, Herr zu Sau
ſenberg und Nóteln , Gruf zu Neufchatel , mit an dern burgundiſchen Commiſſarien 15 b) in die obere Landgrafſchaft Elſaß , und empfing zu Enſisheim * ) auf einem großen Tag die Huldigung der verpfán= ' 1
deten Lande. Unbedenklich ſchien der Vorbehalt der Wiedereinlöſung, wozu Sigmunds Wirthſchaft feine Ausſicht gab , und der herkömmlichen Verfaſſung ; ein Abſchiedsgruß an das treue Volf Althabsburgi ( cher Stammherrſchaften . Start hatte in machtigern
Communen den Freiheitsſinn zu brechen gewußt. Sogleich wurde die oberſte Juſtiz auf burgundiſden
Fuß gerichtet " ), die wenigen unverpfándeten Bur: gen mit anhänglichen Bógten befest ) , Herren ) Peter von Sagenbach), Ritter , des Herzogs Rath), Hofmeiſter Se ) und lang erprobtem Diener 31 ) die
Oberverwaltung mit ſolchem Zutrauen übergeben3'b ), bas der Herzog die Lande nicht eher befeben wollte , I. 8. Můlers ſåmmil, Werte. XV.
14
23.
Juni.
38.
Juni.
210
Geſdichte der Schweiz. IV. Budy.
bis jener fie nach ſeinem Sinne geordnet » ).
Die
Schweizer ſaben dieſe Veränderung ohne Furcht, nicht ohne Unruhe 33 ). Das Land erwartungsvoll, rubete, eine kleine Zeit.
Uns kommt vor , zu betrachten , wie die andern óſtreichiſchen Gränzen gegen die Schweiz geordnet worden , welche Männer die Negenten der Stadt
Bern waren , die auf alle Eidgenoſſen vornehmlich gewirkt , wie der Stónig Ludewig dachte , und wie Karl von Burgund. ( Deſtreichiſche Gränzen . )
Gegen Etſchland , wo das Tyroler Gebirge fich am höchſten erhebt, liefen die Güter und Rechte der Fürſten von Tyrol und der Biſchöfe von Chur un ter einander. Da that Graf Joft Niclaus von Zol
lern , Herr zu Razúns , als erbetener Schiedrich: ter , zu Meran einen Spruch , wie in Anerkennung
beiderſeitiger Behörden 3) , in Verleihung der Erb fälle 55) , in Zueignung der ſonſt weniger geachteten Bergrechte ) und unehelich erzeugter Kinder 5) alles ehrbar und billig zu halten ware : dieſer Sprud wurde zu Oluruns von einer Faiſerlichen Commiſſion beſtätiget 3 ). Im Uebrigen war das Bisthum Chur
von Alters her nach Zürich verburgrechtet ) , und gab jährlich einen udel 6 ). Gleich ro beſtanden mit
Glaris die alten Verhältniſſe des grauen Bundes " ). (Bűndte n . )
In dem rhátiſchen Irrgarten der Thåler des Alygebirges, wo ſechs und zwanzig Herren und Ge:
C. 7. Vom Waldshuter Frieden bis burg. Arieg.
211
meinden die hohen Serichte unabhängig übten , und
über anderthalb hundert Burgen zu Recht und Utrecht gewaltig waren ) , war Bündniß , deren die etwas zu verlieren hatten , und Anſchließung
an die Schweizer von je hér natürlich. Gleichwie der Gotteshausleute und der Graue , hierauf der zehn (oder eilf) Gerichte Bund , jeder , wie wir ſa hen , für ſich, und jene hierauf zuſammen , ſich ver :
einiget, ſo verglich , in eben dem Winter , wo die tyroliſche Ausgleichung verabredet worden , der Ge richte Bund ſich mit beiden erſten zu Einem Gemein weſen von drei Bünden.
Kaum daß der enge Pfad, welcher an den finſtern Abgründen, worin die Albula toſet, zwiſchen Felſen : wänden und Wald aus Domleſchg in das Belfortiſche fúhrt, ftir die Oberlander durch die Fahrszeit brauch
bar geworden “ 3), verſammelten ſich alle Boten "), mit Lebensmitteln weniger Tage , die ſie meiſt ſel: ber trugen , auf dem Hofe Vazerol ") , in der Feld
mark von Brienzól. „ Der Biſchof zu Chur , die ,,Gemeinden des Gotteshauſes , der Abt zu Diren :
„ tis , die Grafen zu Sar und von Zollern Razuns, „ der obere graue Bund, Prátigau und alle Gerichte
„ der Gegend , ſchwuren Freundſchaft, Friede und ,,Recht : ſo daß jeder Herr , jebes Land , jedes
e we
„richt , jeder Edle und Unabelige bei savo mein , was er „ iſt und hat , bleibt :6), und für Handel und Wan Ferie find"). In Streit „ del alle Wege offen und der „ fragen wählen die Münde , welchen Schiedrichter
212
Gefchichte der Schweiz.
IV . Budy.
ſie wollen " ) ; in Streitfragen wird zwei Bünden „ von dem dritten unparteiiſches Recht gefert; gegen
walle und gegen jeden Bund mag jede Gemeinde, je der Privatmann , zu Recht kommen 49 ). Ein Jahr ,,wird in Chur, ein Jahr zu Ilanz, wieder zu Chur, abermals zu Ilanz, alsdann auf Davos, eine Tag:
vifatzung verſammelt , und ihre Saßungen werden in ein Buch geſchrieben. Krieg darf fein Bund ohne
die übrigen anfangen , feiner nur für ſich Friede ,,machen , gemein iſt was man erobert. So wird ,,(wie von Alters her ) Landkrieg und jede gemeine ,,Sache durch Schniße 5o) in gewohnten Verhältniſ
„fen, auch von Geiſtlichens ), bezahlt. Keiner kommt in unſern Bund , den nicht alle wollen. Verbeſ ferlich iſt er , aber ewig ." Die große Stube , an deren mittlern Sáule ihre Brodſácke hingen , und
das Haus ſelbſt iſt nicht mehr 5) ; feine Eiche wie zu Truns , kein Brunn wie im Kütli 1, erinnert ; unbekannt, wo nicht verloren, iſt der Bundbriefs).
Aber hundert Stúrmen trokte die bündnerſche Re: publik , als des Biederſinns Tochter , welcher die Stimme der Natur iſt.
Die Urverträge der menſchlichen Geſellſchaft find
feine leeren Gedanken ; die ſchweizeriſchen Urkunden
zeigen , wie Geſchlechter zu Dörfern , dieſe zu Ge: meinden , Sensinden in Bündniſfe fich vereiniget,
und Staaten gebildri* haben , die, mit mehr Sorg falt für ihren erſten Geiſt, auch länger als das halbe Jahrtauſend hätten beſtehen tonen. Eine einfa
C. 7. ' Pom Waldslyuter Frieden bis burg. Arieg.
213
chere , reinere Entwickelung läßt ſich nicht denken , als der bundneriſchen , der altſchweizeriſchen , und ſelbſt ſolcher Gemeinden , die unter Herren erwach
ren waren , die endlich , wie Vormündern und El fern geſchieht, mit Recht oder Unrecht beſchwerlich fchienen .
In dem Sommer dieſes Jahrs verkaufte Wil helm , Sohn Heinrichs, von Montfort, acht vorhin ſchon ſeinem Obeim verpfändete Herrſchaften im Pras tigau dem Erzherzog Sigmund * ) , welcher ſie , zu
Bedeđung vermuthlich einer andern Schuld , dem Vogt von Metſch , Ulrich), Grafen von Kirchberg, Burggrafen von Tyrol , úbertrug. Ulrich gab ſie ſeinem Sohne , Gaudenz . Dieſes geſchah ( weil das
mals die Menſchen für etwas geachtet wurden 5 ) ) mit Vorwiſſen und mit Willen der Landleute. 56). Worauf, lieblich und tugendlich S , Gaudenz fich mit ihnen verglich , ihre altherfömmlichen Freiheiten 58 )
und ihre Bündniſfe zu ehren , feinen unbeliebigen Vogt über ſie zu reßen , unter ihnen zu wohnen 59) und nie ohne ihren Willen ſie von dem Haufe Metſch zu veräußern . So zártlich wurde der Unterthanges halten, vor der Zeit ſtehender Heere, und ſo konnte er Selbſtſorge und Pflicht vereinigen . Von dem Herrn von Höwen auf der Hohentrims wurden die Leute um Geld , auf die Dauer aber durch eine Feuersbrunſt ledig , worin die Wiederloſungs
reverſe verloren gingen6 ). Unſchuldig näherten ſich
der Heinzenberg und nio nito Tulia froienSrand 6),
214
Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
Wer über dieſe Alpen ging , freuete ſich der gaſt: freundlichen Sicherheit. ). ( Twingherren zu Bern . )
So natürlich die häuslichen Tugenden in Bund: ten dem Volk die Oberhand gaben, ſo gebührlich war
zu Bern die höchſte Leitung in der Hand hoher Se: ſchlechter.
Wie diere Stadt von dem Reichsregenten Bur: gundiens auf freiem Boden erbauet , von benachbar: ten freien Männern übernommen , von denſelben und andern ſich zugefellenden Leuten emporgebracht
worden und nebſt wohlbehaupteter Freiheit eine für jene Zeit beträchtliche Macht erwarb, iſt gezeigt wor: den ; auch wie die edlen Twingherren 6 ) dem Ge:
meinweſen vieles aufgeopfert.
Das vorbehaltene
(rein Werth mochte im Ertrag oder in der Meinung
ſeyn ) war ihr Eigenthum ; das iſt kein Gemeinweſen, wo der Thaler des Reichen weniger ſicher iſt als der Pfennig des Armen. Wo dieſer allen monarchi fchen , demokratiſchen und oligarchiſchen Tyrannen unliebliche Grundfaß nicht iſt, ſchläft der Caglöhner unter durchregnetem Dach ſo wenig ſicher als im foonverzierten Schlafgemach der Große.
Wenn
Freiheit nirgend wohnt als neben der Gerechtigkeit, To führte in folgender Sache nicht Stolz , ſondern
Verſtand die Twingherren von Bern. In den erſten Monaten des tauſend vierhundert und ſiebenzigſten Jahres trug fich zu, daß Gefeller, ein tbåtiaer . Filhner finalina , Freiweibel in dem
C. i . Vom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
215
Landgericht Konolfingen S ) , bei einer Bauernhoch zeit, wo in dem Dorfe Rychigen viel Volt zuſammen : tam , im Namen der Stadt Bern bei zehn Pfund Strafe den landfrieden ausrufen ließ * b). Frei
weibel waren feit funfzig Jahren 65) den Vennern zugegeben , um über die fünf Artifel 6 ) zu wachen , welche die meiſten Twingherren der Stadt vertrags: weiſe überlaſſen . Sie aber , junge Landleute, tro
big auf die Farbe der Stadt ), eifrig in Ausdeh I
nung anvertrauter Gewalt, und begierig ſich zu empfehlen, maßten oft ſich zu viel an. Deſſen wurde Gefeller von dem Amtmann der Twingherrſchaft Worb , in der jenes Dorf liegt , oft , und jeật be .
fchuldiget. Als er Grunde mit der Fauſt wider: legte und vor ſeinem Gericht nicht antworten woll te , wurde er mit Gewalt eingezogen. Als er, auf
Bürgſchaft frei, den Rath von Bern, deſſen die Sa che eigentlich fey , um Schirm anrief , offenbarte I
ſich Spaltung .
Peter Kiſtler, deſſelben Landgerichts Benner, ein Mann , welcher durch Mutterwiß und kühnes Re den ſich von der Fleiſchbank zu dieſer Würde erho ben , war mit allen , die er führte , für den Frei: .
weibel ; der Udel half Niclauſen von Dießbach für die althergebrachten Rechte des Twings zu Worb. Es verblendete jene ein dunkler Begriff; das Wohl einer Stadt beruhet nie auf unrecht ; feſte Geſelle machen ſtark. Aber , wie oft , Schein täuſchte die
mehreren Ráthe ), To daß Nicolaus von Dießbach
216
Geſchichte der Saweiz . IV . Büch .
gendthiget wurde , fich auf den großen Rath von mehr als zweihundert Bürgern zu berufen . ,,Als
„freie Männer" zeigte er „haben die alten Twing= ,, herren von Worb ) durch gemeinſame freiwillige
„Uebereinkünft ſich mit Bern verbunden , daß die ,,Stadt fie, fie jene, in Kriegen (dirme ), innern
„ Uebet durch rechtliches Urtheit zwiſchen Herren „ uno Leuten und jedem Verbrechen durch der Stadt ,,hohes Blutgericht abgeholfen werde. Seither feyen ,, Dienſte mit Fuhren , fey gemeine Kriegsſteuer, ¿weder von der Stadt befehlsweiſe gefordert, noch, ,, wenn Bedürfniſ vorgeſtellt wurde , von den her: viren verſagt worden. Es war ein edles freies Se:
„ meinweſen , dem jeder gern gab , weil keinem et: ,,was genommen wurde. An dieſem Sinn mache ,,euch fein Freiweibel irre ! “ Allein auf Antrieb Kiſtlers ermehrte die ijber alle Maßen ſtürmiſche Sitzung ") für den Gefeller, und ſchwür darauf. Deſſen ungeachtet wurde fein Bürge von dem worbiſchen Amtmann zu hoher Strafe angehalten '), und ſo viel vermochte urkundliches Recht über will: fürliche Grundlage, daß als Dießbach jenem ut : theil ſeinen Vertrag entgegenfeßte , der Freiweibel
von dem Rath felbſt an ſein Gericht verwiefen wurde. Hier erhob ſich die Frage , ob , da er ver : urtheilt worden, ihm, wie manchmal (ohne Schul digkeit) andern "s) , Appellation an Bern zu geſtat ten fey. Unnöthig , wenn Urkunde und Herfom men klar und vollſtändig ſprachen ; wie aber wenn
6. 7. Vom Waldshuter Frieden bis burg. Arieg.
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Parteigeift diefes nicht fehen wollte ? Es hatte der Senat (wie man oft in ſchweren Augenbliden durch
ein zweideutiges Wort hilft) die gebührliche
Appellation ihm vorbehalten 7 ).
Gebührlich ,
meinte der Ewingherr, durfte nicht ſeyn , das Bern feinen Vertrag durch willkürliche Anſprüche einſets
tig niederſchlage.
Hierüber verſammelte ſich der
große Rath. Die Sache wurde von Peter Kiſtler nach dem Grundſak populárer Machtvollkommens
heit, in der Chat revolutionsmapig, von den Swing herren aus dem Geſichtspunkt behandelt , welcher ohne Erſchütterung alles Eigenthums nie gelauga
net werden darf : daß nicht Menſchen , heute for morgen anders , wohl aber urkundlichen oder her:
kömmlichen Rechtstiteln das Urtheil zukomme. „ Wird nicht," ſprach Dießbach , dem Kaiſer
„ von ſeinem Gericht oft viel abgeſprochen ? Uuch j,der Papſt ſteht ſeinen Unterthanen zu Recht. Un:
„ parteiiſch richtet in Sachen des Königs das Par : ,,lament von Paris . Alle Tage gibt und nimmt
„ Burgund Recht vor den Vogteien der Graf uldhaft ? ) , vor dem zu Dijon fißenden Parlament, ,,vor dem oberſten Lehenhof zu Paris 78 ) , eben wie du Moudon , Chambery , Turin , der Herzog von ,,Savoyen. Es rede Caſpar von Scharnachthal,
der welterfahrne , ob in England , in Scotland, ,,in Danemark, Polen , Bóheim und Ungarn " ) ir:
irgend einer nicht unparteiiſches Recht wider die „Könige" findet ?!! So daß er für weniger un
218
Geſchichte der Soweiz. IV . Budy.
rühmlich hielt , vor den Richterſtuhl des - Kaiſers
zu treten , als Ungerechtigkeit für der Stodt Recht auszugeben. Doch empfahl er die Venetianiſche Manier eines im Vaterlande niederzuſeßenden un parteiiſchen Gerichtes. Dem Venner Kiſtler, der,
wie ſeines Gleichen pflegen , wildes Toben für Kraft, und Gemeinſprüche für Gründe hielt, rekte er , mit Bemerkung ſeiner Unwiffenheit , die Er:
fahrung entgegen . Hatte Bern nicht dem Hauſe Deſtreich , ja dem Junfer von Aarburg , an des Reichs Gericht geantwortet ') ? andern ladungen
burch Vergleich ausgewichen 9) ? ſeinen Burgdor: fern zu feiner Ungnade aufgenommen , als ſie auf
unparteiiſches Recht beſtanden % ) ? Im Uebrigen zeigte er, wie Bern durch Theilnahme freier Twing: Herren , welche den Landgrafen) zu nichts , als
wenn Landwehre eintrat, pflichtig waren , entſtan den , und weit umher die Lande bezwungen oder gefauft, und wie dieſe Herren ihre höchſten Rechte)
zur Erhaltung der übrigen dem Gemeinweſen auf: gaben . Wider die neuen Grundfäße habe er feine Urkunde, weil ſie unerhört reyen 83) ; wenn aber der Stadt Saßung nicht ſchon dreißigjähriges Herfomu men ehrte, 10 wurde er die Geſchichtfunde des Ben
ners Tſchachtlan 8 ) und des Sådelmeiſters Franklin rechszigjähriges Geſchäftsleben zum Zeugniß auf:
rufen. Nachdem er die Unvereinbarkeit einer dop: pelten Polizei erwieſen 8 ) und dem Gemeinweſen ,
welchem die Hauptſache aufgeopfert worden , die
E. 7. Pom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
219
1
Ueberbleibſel ſeiner Rechte empfohlen , trat Nico laus mit allen andern von Dießbach aus der Ver: ſammlung des großen Rathes.
Hierauf trug Peter Kiſtler vor , den regierenden Schultheißen , den halben Senat und einen betracht: lichen Theil des großen Raths, nämlich alle Twing
herren, von Berathſchlagung über dieſe Sache aus: geſchloſſen zu halten. Als wäre vernünftig und bilig, die Stifter und Stußen der Stadt wie eine Gegenpartei derſelben , und ſo ein Geſchäft wie ei: nen Proceß zu betrachten , worúber abzuſprechen , und nicht wie eine Staatsſache, über die ſich zu vergleichen wäre. Dieſes vorzuſtellen erhob ſich der Welteſte im Rath, Frånklin, Sådelmeiſter, und hielt eine Rede , welche beſſer als die Stadtchronik das alte Bern darſtellt.
,, Nach dem unruhigen Hochmuth eines jungen ,,Freiweibels die Entſchlüſſe zu ſtimmen , war nie ,,der weiſen Männer Sitte , welche vor Alters auf „dieſen Bånken ſaßen . Als die Grafen zu Aarberg ,,erarmten und Kiburg unfräftig wurde zum Krieg, „ der auch uns gedrůdt , befekten wir die erworbe: ,,nen Herrſchaften mit Amtleuten , deren erfahrnes ,,Alter handhabte , was jugendliche Frechheit gern ,,ungerecht vergrößert * ). Als auf des Herzogs von Zaringen Empfehlung die (niemanda ) oder nur
„ dem Reich pflichtigen ) Twingherren den Bau und „die Regierung der Stadt übernommen, ihre Vet: ,, tern pon großer Grafen Dienſt ) an das Ge:
220
Gerdichte der Schweiz. IV. Budy.
„meinweſen loďten , und ohne Blut, ohne viel
„ Geld: 59) ein großes Gebiet Bérniſch ward , wen „ fanden wir zu jeder That (Bern iſt nie lang ru:
„ hig) und in jeder Noth ? Den Fleiſcher , von dem „ der Venner abſtammt, oder meine Páter , die ,, Sturdiner ? Es zúrne niemand ; es täufche fich „ niemand: der Heldenſinn, die Befehlswiffenſchaft, „ war in denen , die wir heut austreten heißen. „ Sie , durch deren edlen Muth die Herrlichkeit der
„Stadt aufging g ) , ſie , nicht Geld , ſind unſere ,, Kraft ; und ihre Landgerichte unſerer Herrſchaft Herz.
Bor funfzig Jahren (wohl der te id's ;
,,vierzig Jahre alt war ich , und faß bei den Rathen ſchon zehn Jahre) wollten auch einige die zer „ ſtreute Regierung 9 ') für ungiemlich halten. Ber: „geblich. Ungerechtigkeit ſchien nicht der Stadt
Beſtes ; worauf die Herren , der Sicherheit froh, „nicht nur das Gewünſchte , ſondern mehr gaben , mals man zu begehren 'wagte9"); ſie haben ihre
„ leute zu den Laſten der Stadt angehalten 9 ). Jeßt „ in gutem Frieden ſoll um eines frevelhaften 36) ,, Freiweibels willen ihre Herrſchaft vernichtet wer : „ den ? Allein es iſt für Herr Niclauſen ein guter
„ Tag, da der Venner ihm fo viele Gefährten gibt, „ ,welche ſo gut wie ihre Väter gegen Gewalt das ,,Recht ausfechten werden. Man beziebt fich auf „die Macht, welche Kaiſer Sigmund uns über die
„Reichslehen gab ; als wenn er ihnen ihr Eigen: „ thum genommen hatte, um uns zu geben, was Er
C. 7. Boin Waldshuter Frieden biß burg. Arieg.
221
„ nie hatte 9 ). Man beruft ſich wider ſie auf ihre ,, Folgeleiftung zu unſern Kriegen 36), die wir aber ,,beimanchen finden , welchen wir niats zu befeh
„len haben 9). Sollte dergleichen Mißbrauch von „ Sigmunds (nie beſtätigter) Gnade vor den ober
ften lehenhof kommen , ſo bedenkt, liebe Herren, ,,,daß derjenige Kaiſer iſt, deſſen Großvater bei
i,Sempach erſchlagen worden. Ein einziges, wenn „auch untertretendes , Recht iſt den Freiweibeln ,,bequem ; und iſt geziemend98 ) , daß jeder bei ſei „ nem Recht bleibe. Leicht ragt wißige Unwiſſen : wheit ein ſchönes Wort ; aber einer weiſen Regie rrung dient was war zum Gefeß deſſen was iſt. Un unſern vor kurzem bitterſten Feinden , an de jnen von Hallwyl , werden die Rechte geehrt ; Warum an denen nicht, durch die wir ſind, was ,,wir ſind? Schirmten wir fie ? Sie , uns. ,,Einſt faßen an dieſem Rath gleichzeitig acht mách:
,,tige Herren . Wider uns hätten ſie leichter ge wſtritten als die Hegauiſchen Nitter gegen Oeſtreich v und Würtemberg. Ihr entfernet ſie , ſtatt euren Freiweibeln zu ſagen , wo wir ganz , wo wir wie
,,die vorigen Herren 9 ) , wo wir bedingsweiſe ) „ und worüber wir gar nicht oder durch die Twing ,,berren gebieten ") , durch unſere edelmuthigſten
,, Burger , welche ſo wenig dem Gemeinweſen eine ,, Bitte verſagen , als ſie je dem Troß weichen wer: ,, den . (Sie ließen ſich eher Haare und Barte aus:
raufen :-). Bergleicht euch , oder haltet Recht. “
222
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch .
Dieſer Meinung war der Venner Tſchachtlan mit allen grauen Hauptern von Rathen und Bürgern der Stadt Bern. Des Venner Kiſtlers Hand werfógenoſſen und viele tühne Junglinge feßten das Gegentheil durch. Da begehrten alle Ewing: berren Verhór in der gemeinen Sade.
Nun ſtieg der Zorn Peter Kiſtlers ſo , daß (in der nächſten Sißung er , der nichts zu verlieren hatte, die, welche ſich nichts abzwingen lieben , für nichtswurdige Bürger , die Bertheidiger ihres
Nechts für Schmeichler erklärte , und heftigere Maßregeln rieth. Als die Anwendung ſeiner Grundraße auch auf Signau und auf das urſprung
lid freie 103) Herrſchaften Rechten von colaus , die
Rotenbach ausgedehnt wurde , welde Dießbachs Voreſtern 1 ) mit andern der Stadt felbſt gekauft , bezeugte Ni Kaufbriefe hóber zu achten , als ein
Stimmenmehr, welches des Venners wildes Feuer
dem frevelnden Bauer durdſeßen helfe. Die Den: kungsart, welche den alten Rechten die neuen
Morte entgegenfeßt, hat feine ſchlimmern Feinde als Urkunden und Hiſtorie bos ), die man , weil ſie .
nicht können widerlegt werden , zu überſchreien
trachtet. So dazumal , bis um Chåtlichkeiten vor: zulommen, der mit allen Ewingherren abgetretene Schultheiß init der Stadt Knechten und vielem Volt in die Thür der großen Rathsſtube trat. ,,Meine Herren von beiden Råthen ," ſprach mit
ernſter wurde der Schultheis von Scharnachthal,
C. 7.
Pom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
223
,,handelt ehrbar ; ich bin euer Haupt. " Hiermit überließ er ſie ſich . Da wurden die Kiſtleriſchen
Grundfäße etwas anſtändiger durchgeſeßt. Nachdem die Twingherren um ihre Rechte ver:
urtheilt worden , redete für alle Hadrian von Bu benberg , Ritter , Altſchultheiß , Heinrichs Sohn,
der den Zúrichkrieg und viele andere Fehden aus gemacht, er ſelbſt durch Cugend , Muth , Geiſt, in Ráthen, im Feld , an Höfen , Regent und mann. „ Von den alten Geſchlechtern , welche dieſe Stadt von Anfang regiert und welche das Gebier er: ,,obert und erfauft haben , ſind nebſt meinem 16 „noch Muhleren 7) und Erlach vorhanden ; von „ dem durch ſie nach Bern gelo&ten Adel mögen
Jaußer den abgeſtorbenen vierzig blühende Namen ,, fích záhlen laſſen 18). Der Stadt Gut war ge „ ring 19) , der gemeine mann arm ; wie reich , wie „freigebig der Adel , das wiſſen die Kloſter , die ,,Alten , die Chronit. Doch nichts von alten ,, Opfern ,. die uns nicht reuen , manche aber , die von der Stadt leben , ießt vergeſſen . Auf die
,,Gegenwart fehet. Wer zahlt uns ") die koſtba: ,,ren Ritte nach Frankreid , Burgund und Sas ,,voyen ? Mir haben ſie , ſeit (es iſt noch nicht ,, lang) mein Vater ſtarb "), fünfhundert rheiniſche „ Gulben gekoſtet '). Sene muß die Stadt bezah „ len , wenn ſie bis nach Hochſtetten reiten "). Wir
„ der kaufen unſer Korn in der Stadt zwei Plap Parte wohlfeiler , als es die Bauern geben ; wobla
224
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
vefeil verkaufen wir in der Stadt unſern Wein und ovverohmgelden ihn '' ) ; aus unſern Gulten und „ Renten leben die Handwerker. Aber Meiſter Pea ter, Meiſter Rubi , Meiſter Hanns , feit drei Ca:
orgen grådige Herren , vor denen nian den Hut mabnehmen muß , wenn man ſie von weitem fiebt, maus Haß der edlen Namen , aus Neid alter Ver:
„ dienſte , wollen uns ausrauben , damit wir der viStadt nicht ferner dienen können .
Welchen
„ Uebermuth übten denn wir ? wem nahmen wir „das Seinige ? Der Bürger, der Landmann trete
mauf, dem wir ſein Weib oder ſeine Tochter geſchån: prdet "5). Thut nicht was ihr an Fürſten Tyran :
nei nennt ; gebt unparteiiſches Recht 16) , und
febønet dieſe Stadt, wie wir wünſchen , daß ihr wewig wohl gehe."
„Sollte die Stadt ," rief Kiſtler, wiedem zu Recht ſtehen , ihr Vermogen würde nicht hin: vreichen " ). "
,,Beſſer iſt , “ ſprach der Sådelmeiſier, „in ,,Rechten verlieren , als das Recht abſchlagen.
,,Großſprecherei verführe euch nicht; man fiſcht für „ die Stadt mit einem goldenen Nek ; größere, als
,,wir , hat Hochmuth geſtürzt. Wenn die Herren ,,die Stadt verlaſſen , und unſere Frohnden , un
„ ſere Kriegsdienſte und Steuern dem Landmann abnehmen , wird er für uns feyn ?"
Aber die
Kiſtleriſchen überſchrien das Recht. „ Móchten , “ rief Hadrian , „Feinde ro wider uns handeln ? " Ale
E. 7. Bom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
225
Alle Ewingherren baten durch den Schultheiß um fchriftliche Mittheilung des Spruchs. Dieſe wurde
einmüthig abgeſchlagen, weil Kiſtler den Mißbrauch eines Ausdruds fürchtete , und der Sådelmeiſter { prach : ,,Ginmal bin ich des Benners Meinung ; .
„ Wo das Urtheil hinkáme , würde es uns zum ,,Schimpf gereichen .“ Als am folgenden Tag der Altſchultheiß von Ringoltingen über landshut , welche Herrſchaft auf feine freien water frei gekommen 1) , der Schult: heiß von Scharnachthal um fein von der Stadt als frei erkauftes Oberhofen 19), und für Saſpar ſeinen Vetter wegen Brandis anfrug.ro) , und Hadrian
pon Bubenberg über ſeine Oberlander , deren Zei chen und Banner unter ſeinen Vätern die Striege
der Stadt mitgethan , in alten Rechten zu herrſchen vermeinte "") , wurde auch darüber ohne Rúdſicht Kiſtleriſch geſprochen .
Hierauf am Oſtermontag, wenn der Schultheiß 1470 23 . den Nåthen der Stadt Sigill zurüdgibt, und von, April. den Vennern der Vorſchlag reines Nachfolgers ge fchieht , forderte Peter Jreney , einer aus den Rá
then, von wenig berühmtem Geſchlect, auch den Penner Kiſtler in die Wahl zu nehmen. Da fielen hundert und fünf Stimmen auf einige- Herren von alten Geſchlechtern ** ) ; Stifler wurde erwåbit, weil die achtzig feines Anhangs auf ihn zuſammen ſtimmten . Sofort nach den Feiertagen ritten,
außer vier Beamten ' 5), alle Twingherren auf die I. b . Müllers ſämmtl. Werke. XV .
15
226
Geſchichte der Schweiz. IV. Budi.
Soloſſer , ihre Weiber und Kinder derließen die Stadt.
Dieſer Entídluß hatte noch eine andere Ver anlaſung, worin beide Theile unrecht hatten , weil ſie nichtsbedeutenden Dingen aus Vorurtheil und Leidenſchaft Wid ,tigkeit beilegten .
Das Weſen des Chriſtenthums iſt ruhige Freu digkeit in Geiſt und Herz ; daber iſt es urſprung
lich als fröhliche Botſchaft ) verkündiget worden. Aber gleichwie der hebräiſche Geſekgeber ſeinem roh ſinnlichen Ocſchlecht die hove Lebre von Gottes Ein heit und von des Menſchen Freiheit 's) durch viele vorbildliche Gebrauche erſt hatte miſſen ehrwürdis machen , ſo mußten unſere Váter duro mannidfala tige Vorſchriften gezuchtmeiſtert werden , ehe man frei fagen konnte, daß die Religion nur Wahrheit
und Liebe will '6). Bándigung der Sinnlichkeit wat die Hauptablicht ; unvernemlich iſt im Sturm die
Stimme des Gottes in uns " ). Es wurde dem Gelen nicht nur der Trieb ſelbſt , ſondern auch das
Kleidungsweſen und alles unterworfen , woduró er oft ungeſtiim erregt werden mochte. Die chriſtliche Religion und hierarchie, auf Mofis zuſammen :
hangende Vorarbeit gegründet , war in Erziebung der Menſchen genauer, als die heidniſchen , welde aus mangelhaften ſymboliſchen Uleberlieferungen der
álteſten Gottesdienſte und Sagen beſtanden . Mehr als dem alten Iſrael die Lade des Ban: des war den Bernern das unnennbare Hochwür:
6. 7. Pom Warssyuter Frieden bis burg. Krieg.
227
dige , aller Andacht Mittelpunkt , Gott. Alſo da vor einigen Jahren 128) das höchſte Gut in reiner ſilbernen Monſtranz bei Nacht aus der Hauptfirche entwendet worden , war der allgemeine Schreden dem Gefühl gleich , von Gott verlaffen zu feyn . Daher nebſt múbevoller und koſtbarer Unterſuchung (die lang vergeblich war) 19) der Schultheis , die Náthe und Birger durch ernſte Sittenbeſſerung
den göttlichen unwillen zu verföhnen geſucht, und vier Punkte beſchworen. Sein Meineidiger ſoll mit dem Leben begnadiget werden , kein gewöhnlicher Fluch ungebut bleiben
) : weil die Verehrung
des allerhöchſten Urhebers und Regierers alte Sitt: lichkeit am ſtärkſten zufammenhalt 131). Fleiſchliche Beiwohnung foll nur in ehelicher Verbindung er:
laubt repn ; auf daß der gewaltigſte Trieb fein Ge ren babe "S ). Bret : und Schachſpiel, die den Geiſt üben und Sinn haben 33 ), ſeyen erlaubt ; verboten Karten und Würfel, wodurch der Zufal viel gibt
und nimmt, und alle Geldſpiele, welche das Haus weſen in Unordnung bringen. Endlich ſollen allzu furze männliche Kleider, übermäßig lange Sdweife der weiblichen und zu lange Schnabel an den Schu hen als unnatürlich und unauſtándig verboten feyn . Seit nämlich Thomas Conecte , der fromme Carmeliter , zu Rom verbrannt worden , weil er auch im Weſentlichen zu ernſt war 5 ), hatten die Frauen den ellenhoben Kopfpuß 166 ), von dem breite Franſen hinten bis auf die Fuge reichten , wieder
228
Gemidhte der Schweiz. IV . Buch.
aufgelegt 136) , und bald die Schleppe der Kleidung
unmäßig verlängert " ) oder deren Saum auf das koſtbarſte geſtict oder mit Hermelin und anderm
feltnem Pelzwert is ) verbrámt . Gleich ſo hattea die manner , mehr bedacht auf Bequemlich leit als 1
auf das Ehrfurcht Einfloßende , ihre Kleider ſo ge ſtußt, daß alles , was Sinnlichkeit erregt, taum bedeďt erſchien % ). Zierlich trug das helmgewohnte Haupt einen ſehr hoben Hut , unter dem hervor
ſchonlodige Haare bis über die Augen hingen. Die Schnabelſchuhe (von des Ganges Ufern 140) bis an die Alpen und in England , und aus Latiums ur: alter Zeit") bis auf dieſe Twingherren , Muth: wille der Eitelkeit) wurden unerhört lang und oft reich verſekt. Hierzu fam , daß der Poſtbaren Me:
talle und Steine und mannichfaltigen Seide (alter Auszeichnung der Adeligen ) gemeine Leute und Bediente ſich anmaßten ") , welche manchmal ge: ſchwinder und angenehmer als durch erlaubte Ar beit ſie ſich zu verſchaffen ſuchten "s). Dieſe Unord nung wurde zu Bern auch verboten . Wie jede Wirkung augenblidlichen Eindrucs
bald gewohnten Sitten weicht , ſo entídlief nach funfzehn Monaten das Berniſche Sittengeret ; ver: geblich erſchallten die Kirchen von treueifrigem Ge tümmel der Sangelredner , bis Peter Kiſtler dieſes Gefeß als Mittel erkannte , die edten reichen Ges ſchlechter um die Liebe des Volfs zu bringen * ). Als Montags nad Oſtern der Stadt Saßung be:
6. 7. Pom Waroshuter Frieden bis burg. Krieg.
229
ſchworen wurde , forberten einige vom Rath , je
des Mandat, als auch Grundgeſek , in die Eide zu begreifen ; beſonders weil anns zur Kilchen , das
zumal Stadtſchreiber , ein ſehr alter Mann , in je: I
nem erſten Eifer durch den Zuſaß der Unablåf figkeit es feſter und bindender zu machen ge ſucht. Bei öffentlichem Unglúd wird vieles als Trauerzeichen verordnet , was zu verewigen zwed: los und unflug wäre 15). Die Edlen , meiſt ver heirathet (ehelos lebte dazumal noch Nicolaus von Dießbach ) , wurden von ihren Weibern bewogen,
die Schleppe nicht fallen zu lafen ; ſie unterſcheide den Adel 16). Aber die Kiſtleriſchen Heuchler reño
ten dieſem Kleiderſchnitte den Zorn des Allmächti: gen entgegen , als blickte der Adweiſe auf Schnei dermoden gefälliger als auf ein edles Herz. Die Menſchen ſchaffen Gott nach ihrem Ebenbild. Nachdem der Schultheiß Kiſtler die Ewingher ren als Feinde der Ordnung Gottes verſchrien , ver wandelte er muthiger ſeine Anmaßungen im Ge
felle " ) ; aber die gerichtlichen Bußen wurden meis ſtens durch Vergleiche vereitelt , und nicht viel Se :
nugthuung erhielt ein Freiweibel , dem der Twing herr , deffen Recht er verleßt , drei Rippen entzwei ſchlug * ).
Die geiſtlichen Herren , älter als Bern,
von jeher fehr nachgiebig , da ſie die Vernichtung
der Twinge erfuhren , gedachten der Superioren, ohne die ſie keine Schmålerung zulaffen können . Laut und allgemein wurde der Landleute Geſchrei
230
Geſchichte der Schweiz. IV. Euch.
und Ungehorſamn , ſo daß ſelbſt Gefeller Ausglei: chung rieth 149 ); hierüber wurde er von einem juna
gen Twingherrn 150) verſpottet, und Kiſtler war zu weit , um einzulenken. Er veranlaßte die Einbe: rufung der Herren , und meinte , ſie wurden nicht ausdrúdlich Gehorſam verſagen wollen . Aber ſie
erklärten ſich wider jede Erkenntniß, ehe ihre Sache durch Unparteiiſche gerichtet werde. Wie dem Un gebildeten die Fauſt gemeiniglich mehr als der Kopf
iſt, wollte Kiſtler ſie gefangen nehmen , weil ſie Recht begehrten ; aber die Furcht vor allgemeinem Aufruhr (im Lande entſchieden , und in der Stadt laut , wo immer der Schultheiß vorüber ging ) ſtimmte die meiſten für die ſchonende Meinung des
Sådelmeiſters. Höher ſtieg der Unwille des Lan: des ; bitter wurde in der Stadt der Spott auf den vielverſuchenden kraftloſen Mann 15 ). Aber in dem
Nath und in den Zweihunderten uberwog er ; uner fahrne leute is ) tauſchen ſich ſelbſt und andere, wenn ein wohlredender Mann durch Vorwand gemeinen
Beſtens ungerechte Maßregeln zu adeln weiß ; ro daß die gewiſſenhafte Weisheit Franklins von Ver:
ſtändigen verehrt , gemeiniglich aber úberſtimmt wurde. Eben derſelbe wurde vom Morgcubrode in
den Viath geholt , und als er die Verſammlung verlaſſen wollte , die Thür verſperrt , weil doch bis: weilen die Freimuthigkeit ſeines neunzigjährigen Ulters die Neuerung mäßigte. Die Revolutions: partei 153) hatte ihre Stärke in der Vermiſchung
5. 7. Vom Waldsijuter Trieden bis burg. Krieg.
234
verſchiedenartiger Dinge unter allgemeinen For: melns ), ſeine Erfahrung wußte den Urſprurg und Geiſt auseinander zu ſehen 155).
Dieſen Mann zu
gepinnen ſchilderte der Schultheiß Burger von Hand werken als einzige Eiferer für das nur Ihnen alles rey 156); „ ,, terbeſiger 15 ) , aus Furcht zu ,,Würden fern gehalten , und
das gemeine Weſen , lang hatten die Sus verlieren , jene von durch Eigennuß den
„ Abelſtolz dermaßen bezwungen , daß ſie ſelbſt die vadelige Stuve verlaſſen , um auf Handwerkszünf ,,ten Venner zu werden *58); wie denn vor ihm nur .. wei Handwerker dieſes Amt, höhere vor ihm und
,,Franklin keiner , erworben. Es ſey ihm leid, daß der Sådelmeiſter ſich ſelbſt ungleich werde ; er,
der Mann der Stadt , rehe wohl den Hohn des ,,Adels 15 ) , gehe aber unerſchütterlich nach der ,,Stadt Necht 6 ).“ Hierauf der Sadelmeiſter : ,, daß ein Fleiſcher e und ein Kürſchner den edlen Herren auszulegea what , was Vogelbeize und Wildbann iſt , mag ein
,,ſchönes Recht feyn ; mir liegen allgemeinere, per: „ fðuliche Erläuterungen ob. Hierin werde ich mymeinen dreißigjährigen Zunamen , der wunders .
sliche Franklin , der Prediger auf dem Rathhauſe,
der nie ungezankt heruntergeht, zu behaupten ſus chen . Ungleid) , das iſt wahr , bin ich mir ſelbſt ; „ hin iſt meiner Jugend Ruhm , in Tanz und Ges
„{ang 16.); beſchränkt iſt aber noch immer mein Ver: „ſtand , nod; fann er Unrecht und der Stadt Wohl..
220
Gefdichte der Schweiz.
IV. Bud .
,,meinweſen lodten , und ohne Blut , ohne viel
,,Geld 9) ein großes Gebiet Bérniſch ward , wen „fanden wir zu jeder That (Bern iſt nie lang ru
„ hig) und in jeder Noth ? Den Fleiſcher , von dem ,,der Venner abſtammt, oder meine Påter , die
,, Surfdiner ? Es zúrne niemand ; es täufche fich „ niemand: der Veldenſinn, die Befehls wiſſenſchaft,
„ War in denen , die wir heut austreten heißen. „ Sie , durch deren edlen Muth die Herrlichkeit der
„Stadt aufging go) , ſie ,' nicht Geld , ſind unſere ,,Kraft; und ihre Landgerichte unſerer Herrſchaft ,, Herz. Vor funfzig Jahren (wohl dente ich's ; „ vierzig Jahre alt war ich, und ſaß bei den Råthen „ ſchon zehn Jahre) wollten auch einige die zer: ſtreute Regierung 9') für ungiemlich halten. Bers „geblich. Ungerechtigkeit ſchien nicht der Stadt
Beſtes ; worauf die Herren , der Sicherheit froh, „ nicht nur das Gewünſchte , ſondern mehr gaben, als man zu begehren wagte9 ); ſie haben ihre
„ Leute zu den Laſten der Stadt angehalten 9 ). Jeßt „ in gutem Frieden roll um eines frevelhaften sk)
„ Freiweibels willen ihre Herrſchaft vernichtet wer: „ den ? Allein es iſt für Herr Niclauſen ein guter „ Tag, da der Venner ihm ſo viele Gefährten gibt, „ ,welche ſo gut wie ihre Våter gegen Gewalt das „Recht ausfechten werden. Man bezieht ſich auf „die Macht , welche Kaiſer Sigmund uns über die
„Reichslehen gab ; als wenn er ihnen ihr Eigen
„ thum genommen hatte, um uns zu geben, was Er
S. 7. Vom Waldshuter Frieden biß burg . Arieg.
221
,,nie hatte 95). Man beruft ſich wider ſie auf ihre „Folgeleiſtung zu unſern Kriegen96), die wir aber ,,beimanchen finden , welchen wir niáits zu befeh „len haben 9 ). Sollte dergleichen Mißbrauch von ,,Sigmunds (nie beſtätigter ) Gnade vor den ober
often Lebenhof kommen , ſo bedenkt, liebe Herren, ,, daß derjenige Kaiſer iſt, deffen Großvater bei
,,Sempach erſchlagen worden. Ein einziges, wenn ,, auch untertretendes , Recht iſt den Freiweibeln „ bequem ; und iſt geziemend98) , daß jeder bei ſe is „ nem Recht bleibe. Leicht ragt wißige Unwiſſen : wheit ein ſchönes Wort ; aber einer weiſen Regie wrung dient was war zum Gefeß deſſen was iſt. „ Un unſern vor kurzem bitterſten Feinden , an -de jnen von Hallwyl , werden die Rechte geehrt ; Warum an denen nicht, durch die wir ſind, was ,,wir ſind ? Schirmten wir rie ? Sie , uns. ,, Einſt faßen an dieſem Rath gleichzeitig acht mach: ,,tige Herren . Wider uns hatten ſie leichter ge
„ſtritten als die Hegauiſchen Ritter gegen Oeſtreich y und Würtemberg. Ihr entfernet ſie , ſtatt euren Freiweibeln zu ſagen , wo wir ganz , wo wir wie
,,die vorigen Herren 99) , wo wir bedingsweiſe too) . „ und worüber wir gar nicht oder durch die Ewing berren gebieten ), durch unſere edelmuthigſten „ Bürger, welche ſo wenig dem Gemeinweſen eine
,,Bitte verſagen , als ſie je dem Troß weichen wer: ,,den . (Sie ließen ſich eher Haare und Bärte aus: raufen ). Vergleicht eudy , oder haltet Recht. “
222
Geſchichte der Soweiz. IV. Bud.
Dieſer Meinung war der Penner Eſchachtlan mit allen grauen Häuptern von Rathen und Bürgern Des Venner siiſtlers Fand der Stadt Bern. werfsgenoffen und viele kühne Junglinge fekten das Gegentheil duro. Da begehrten alle Ewing
herren Verhór in der gemeinen Sache. Nun ſtieg der Zorn Peter Kiſtlers ſo , das in
der nächſten Sigung er , der nichts zu verlieren hatte, die, welche ſich nichts abzwingen ließen , für nichtswürdige Bürger , die Bertheidiger ihres A
Rechts für Schmeichler erklärte , und beftigere Maßregeln rieth. Als die Anwendung ſeiner Grundſåße auch auf Signau und auf das urſprung:
lich freie 103) Rotenbach ausgedehnt wurde , welche Herrſchaften Dießbachs Voreltern 196) mit andern Rechten von der Stadt ſelbſt gefauft , bezeugte Ni colaus , die Kaufbriefe hóber zu achten , als ein Stimmenmehr, welches des Venners wildes Feuer
dem frevelnden Bauer durdſeßen Gelfe. Die Den : kungsart, welche den alten Rechten die neuen Worte entgegenfekt, hat feine ſchlimmern Feinde
1
als Urfunden und Hiſtorie os) , die man , weil ſie nicht fönnen widerlegt werden, zu úberſchreien trachtet. So dazumal , bis um Chátlichleiten vor: zufommen , der mit allen Ewingherren abgetretene Schultheiß init der Stadt Knechten und vielem Volt in die Thür der großen Rathsſtube trat.
,,Meine Herren von beiden Räthen , " ſprach mit ernſter Würde der Schultheiß von Scharnachthal, 1
1
C. 7.
Pom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
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,,handelt ehrbar ; ich bin euer Haupt." Hiermit überließ er fie fich . Da wurden die Kiſtleriſchen
Grundfäße etwas anſtåndiger durchgeſeßt. Nachdem die Twingherren um ihre Rechte ver: urtheilt worden , redete für alle Hadrian von Bus benberg , Ritter , Altſchultheiß , Heinrichs Sohn,
der den Zürichkrieg und viele andere Fehden aus: gemacht, er ſelbſt durch Cugend , Muth , Geiſt , in Råthen, im Feld , an Höfen , Regent und Mann. ,,Von den alten Geſchlechtern , welche dieſe Stadt „ von Anfang regiert und welche das Gebiet er:
,,obert und erkauft haben , ſind nebſt meinem 16)
„ noch - Muhleren 1 ?) und Erlach vorhanden ; von „dem durch ſie nach Bern gelodten Adel mogen
Jaußer den abgeſtorbenen vierzig blühende Namen „ ſich zählen laſſen 8). Der Stadt Gut war ge „ ring 109 ) , der gemeine Mann arm ; wie reich , wie „freigebig der Adel , das wiſſen die Kloſter, die ,,Alten , die Chronit. Doch nichts von alten
,, Opfern , die uns nicht reuen , manche aber ,
die
„ von der Stadt leben , jeħt vergeſſen . Auf die ,, Gegenwart febet. Wer zahlt uns ") die koſtba: ,,ren Ritte nach Frankreich, Burgund und Sa „ doyen ? Mir haben ſie , reit (es iſt noch nicht ,,lang) mein Vater ſtarb "), fünfhundert rheiniſche „ Gulden gekoſtet '). Jene muß die Stadt bezah ,,len , wenn ſie bis nach Hochſtetten reiten "). Wir
der kaufen unſer Korn in der Stadt zwei Plap Parte wohlfeiler , als es die Bauern geben ; woble
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Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
,,feil verkaufen wir in der Stadt unſern Wein und qerohmgelden ihn ') ; aus unſern Gülten und ,,Renten leben die Handwerker. Aber Meiſter Pe: ter, Meiſter Rudi, Meiſter Hanns , ſeit drei Tas
„ gen grådige Herren , vor denen nian den şut ,,abnehmen muß, wenn man ſie von weitem fiebt, I
raus Haß der edlen Namen , aus Neid alter Ver:
,,dienſte , wollen uns ausrauben , damit wir der Stadt nicht ferner dienen können .
Welchen
viUebermuth übten denn wir ? wem nahmen wir „ das -Seinige ? Der Bürger , der Landmann trete
mauf, dem wir ſein Weib oder ſeine Tochter geſchån: pidet " ). Thut nicht was ihr an Furſten Tyran: nei nennt ; gebt unparteiiſches Recht 16) , und
febonet dieſe Stadt , wie wir wünſchen , daß ihr wewig wohl gehe. „Sollte die Stadt ," rief Stiftler , wiedem zu „Recht ſtehen ., ihr Vermögen wurde nicht hin: reichen " ). "
„ Beſſer iſt ," ſprach der Sådelmeiſter , in „ Rechten verlieren , als das Recht abſchlagen .
,, Großſprecherei verführe euch nicht; man fiſcht für ,,die Stadt mit einem goldenen Nek ; größere, als
,,wir , hat Hochmuth geſtürzt. Wenn die Herren ,,die Stadt verlaſſen , und unſere Frohnden , un „ fere Ariegsdienſte und Steuern dem Landmann mabnehmen , wird er für uns feyn ?“ Aber die Kiſtleriſchen überſchrien das Recht. ,,Móchten , "
rief Hadrian , „Feinde ro wider uns handeln ? " Ale
E. 7. Pom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
225
Alle Ewingherren baten durch den Schultheiß um ſchriftliche Mittheilung des Spruchs. Dieſe wurde
einmuthig abgeſchlagen , weil Kiſtler den Mißbrauch eines Ausbrucks fürchtete , und der Sådelmeiſter { prach : ,,Einmal bin ich des Venners Meinung ; „ Wo das Urtheil hinkáme , würde es uns zum
„Schimpf gereichen.“ Als am folgenden Tag der Altſchultheiß von Ringoltingen über landshut , welche Herrſchaft auf feine freien Vater frei gekommen
, der Schults
heiß von Scharnachthal um rein von der Stadt als frei erkauftes Oberhofen '9), und für Saſpar ſeinen Wetter wegen Brandis anfrug ) , und Hadrian
pon Bubenberg über ſeine Oberländer , deren Zei chen und Banner unter reinen Vätern die Kriege
der Stadt mitgethan , in alten Rechten zu herrſchen vermeinte " ) , wurde auch darüber ohne Rudlicht Kiſtleriſch geſprochen .
Hierauf am Oſtermontag, wenn der Schultheiß 1470 23 den Råthen der Stadt Sigill zurückgibt, und von April . den Bennern der Vorſchlag feines Nachfolgers ge ſchieht , forderte Peter Jreney , einer aus den Rå then , von wenig berühmtem Geſchlecht , auch den Venner Kiſtler in die Wahl zu nehmen. Da fielen hundert und fünf Stimmen auf einige- erren von alten Geſchlechtern **) ; Kiſtler wurde erwählt,
weil die achtzig feines Anbangs auf ihn zuſammen : ſtimmten . Sofort nach den Feiertagen ritten , außer vier Beamten 125), alle Twingherren auf die /
I. H. Müllers fåmmtl. Werte. XV .
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Geſchichte der Schweiz.
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IV . Buch.
Schlöſſer , ihre Weiber und Kinder verließen die Stadt.
Dieſer Entſchluß hatte noch eine andere Ver anlaſſung, worin beide Theile unrecht hatten , weil ſie nichtsbedeutenden Dingen aus Vorurtheil und Leidenſchaft Wichtigkeit beilegten.
Das Weſen des Chriſtenthums iſt ruhige Freu: digkeit in Geiſt und Herz ; daher iſt es urſprüng
lich als fröhliche Botſchaft " ) verkündiget worden. Aber gleichwie der hebräiſche Geſeægeber ſeinem rob ſinnlichen Geſchlecht die hohe Lehre von Gottes Ein: heit und von des Menſchen Freiheit "s) durch viele porbildliche Gebrauche erſt hatte muffen ehrwürdig machen , 10 mußten unſere Wáter durch mannichfal:
tige Vorſchriften gezuchtmeiſtert werden , ehe man frei fagen konnte , daß die Religion nur Wahrheit und Liebe will 66). Bándigung der Sinnlichkeit war die Hauptabſicht; unvernehmlich iſt im Sturm die Stimme des Gottes in uns " ). Es wurde dem
Geſeß nicht nur der Trieb ſelbſt , ſondern auch das Kleidungsweſen und alles unterworfen , wodurch er oft iingeſtiim erregt werden mochte. Die chriſtliche
Religion und Hierarchie , auf Moſis zuſammen: Hangende Vorarbeit gegründet ,. war in Erziehung der Menſchen genauer , als die heidniſchen , welche aus mangelhaften ſymboliſchen Ueberlieferungen der
älteſten Gottesdienſte und Sagen beſtanden . Mehr als dem alten Iſrael die Lade des Bun:
des war den Bernern das unnennbare Hochwür:
6. 7.
Pom Warsshuter Frieden bis burg. Krieg.
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dige , aller Andacht Mittelpunkt, Gott. Alſo da vor einigen Jahren 178) das höchſte Gut in ſeiner ſilbernen Monſtranz bei Nacyt aus der Hauptkirche entwendet worden , war der allgemeine Schreden dem Gefühl gleich , von Gott verlaffen zu feyn . Daher nebſt múhevoller und koſtbarer Unterſuchung (die lang vergeblich war ) g) der Schultheis , die Náthe und Bürger durch ernſte Sittenbeſſerung
den göttlichen unwillen zu verſöhnen geſucht, und . vier Punkte beſchworen. Stein Meineidiger roll mit dem Leben begnadiget werden , fein gewöhnlicher Flud ungebuft bleiben 150 ) : weil sie Verehrung des allerhöchſten Urhebers und Negierers alte Sitt: lichkeit am ſtärkſten zuſammenhalt 131). Fleiſchliche Beiwohnung ſoll nur in ehelicher Verbindung er: laubt repn; auf daß der gewaltigſte Trieb fein Ge ren babe's ). Bret- und Schachſpiel, die den Geiſt üben und Sinn haben 33) , fepen erlaubt ; verboten Karten und Würfel, wodurch der Zufall viel gibt und nimmt, und alle Geldſpiele, welche das Haus weſen in Unordnung bringen . Endlich follen allzu kurze männliche Kleider, übermäßig lange Schweife der weiblichen und zu lange Schnabel an den Schu: hen als unnatürlich und unanſtandig verboten feyn . Seit nämlich Thomas Conecte , der fromme Sarmeliter , zu Rom verbrannt worden , weil er auch im Weſentlichen zu ernſt war 5 ) , hatten die Frauen den ellenhoben Kopfput 4 ), von dem breite Franſen hinten bis auf die Fuge reichten , wieder
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Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
aufgeſeßt * ) , und bald die Schleppe der Kleidung unmäßig verlängert 1) oder deren Saum auf das koſtbarſte geſti & t oder mit Hermelin und anderm 5 ) verbrámt . Gleich ſo hatten feltnem Pelzwert 158 die Manner , mehr bedacht auf Bequemlichkeit als
auf das Ehrfurcht Einfloßende , ihre Kleider ſo ge: ſtußt, daß alles , was Sinnlichkeit erregt , kaum bedeďt erſchien 99). Bierlich trug das belmgewohnte
Haupt einen ſehr hohen Hut , unter dem hervor ſchonlodige Saare bis über die Augen hingen. Die Schnabelſchuhe (von des Ganges Ufern ho) bis an die Alpen und in England , und aus Latiums ur: alter Zeit." ') bis auf dieſe Twingherren , Muth wille der Eitelkeit) wurden unerhört lang und oft reid verfeßt. Hierzu fam , daß der Poſtbaren Me: talle und Steine und mannichfaltigen Seide (alter Auszeichnung der Abeligen ) gemeine Leute und Bediente ſich anmaßten ") , welche manchmal ge: chwinder und angenehmer als durch erlaubte Ar:
beit ſie ſich zu verſchaffen ſuchten " ). Dieſe Unord nung wurde zu Bern auch verboten . Wie jede Wirkung augenblicklichen Eindruds bald gewohnten Sitten weicht, ſo entſchlief nach funfzehn Monaten das Verniſche Sittengeſet ; ver: geblich erſchallten die Kirchen von treueifrigem Ge tümmel der Sangelredner , bis Peter Kiſtler dieſes Geſetz als Mittel erkannte , die edten reichen Ge ſchlechter um die Liebe des Volfs zu bringen *). Als Montags nach Oſtern der Stadt Saßung be:
C. 7. Vom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
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ſchworen wurde , forderten einige vom Rath , je des mandat, als auch Grundgeſeß, in die Eide zu begreifen ; beſonders weil Hanns zur Kilchen , das
zumal Stadtſchreiber, ein ſehr alter Mann , in je: nem erſten Eifer durch den Zuſaß der Unablár figkeit es feſter und bindender zu machen ge ſucht. Bei öffentlichem Unglück wird vieles als Trauerzeichen verordnet , was zu verewigen zweds
los und unflug wäre 45). Die Edlen , meiſt ver heirathet (ehelos lebte dazumal noch Nicolaus von
Dießbach ), wurden von ihren Weibern bewogen, die Schleppe nicht fallen zu laſen ; ſie unterſcheide den Adel " ). Aber die Kiſtleriſchen Heuchler feß = ten dieſem Kleiderſchnitte den Zorn des Admächti:
gen entgegen , als blickte der Allweiſe auf Schnei dermoden gefälliger als auf ein edles Herz. Die Menſchen ſchaffen Gott nach ihrem Ebenbild. Nachdem der Schultheis Kiſtler die Twingher
ren als Feinde der Ordnung Gottes verſchrien, ver wandelte er muthiger feine Anmaßungen im Ge :
Teke "7) ; aber die gerichtlichen Bußen wurden meis ftens durch vergleiche wereitelt, und nicht viel Ge:
nugthuung erhielt ein Freiweibel , dem der Twing herr , deſſen Recht er verleßt , drei Rippen entzwei fchlug 8) .
Die geiſtlichen erren , alter als Bern ,
von jeher ſehr nachgiebig , da ſie die Vernichtung der Twinge erfuhren , gedachten der Superioren, ohne die ſie feine Schmalerung zulaſſen können .
Laut und allgemein wurde der Landleute Geſchrei
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Geſchichte der Schweiz. IV . Budy.
und Ungehorſam , ſo daß ſelbſt Gefeller Ausgleis chung rieth 149 ); hierüber wurde er von einem juna gen Twingherrn 150) verſpottet, und Kiſtler war zu weit , um einzulenfen. Er veranlaßte die Einbe: rufung der Herren , und meinte , ſie wurden nicht
ausdrůdlich Gehorſam verſagen wollen . Aber ſie erklärten ſich wider jede Erkenntniß, ehe ihre Sache durch Unparteiiſche gerichtet werde. Wie dem Un gebildeten die Fauſt gemeiniglich mehr als der Kopf iſt, wollte stiftler ſie gefangen nehmen , weil ſie
Necht begehrten ; aber die Furcht vor allgemeinem Aufruhr (im Lande entſchieden , und in der Stadt laut , wo immer der Schultheiß vorüber ging )
ſtimmte die meiſten für die ſchonende Meinung des Sádelmeiſters. Hóber ſtieg der Unwille des Lan : des ; bitter wurde in der Stadt der Spott auf den vielverſuchenden kraftloſen Mann 15 ). Aber in dem Nath und in den Zweihunderten überwog er ; uner: fahrne Leute 15:) tauſchen ſich ſelbſt und andere, wenn ein wohlredender Mann durch Vorwand gemeinen Beſtens ungerechte Maßregeln zu adeln weiß ; 1o daß die gewiſſenhafte Weisheit Franklins von Ver: ſtandigen verehrt , gemeiniglich aber überſtimmt wurde. Eben derſelbe wurde vom Morgcubrode in den Rath geholt , und als er die Verſammlung verlaſſen wollte , die Thür verſperrt, weil doch bis:
weilen die Freimuthigkeit reines neunzigiáhrigen Alters die Neuerung mäßigte.
Die Revolutions.
partei 153) hatte ihre Stärke in der Vermiſchung
T.7 . Vom Waldshuter Trieden bis burg . Krieg.
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verſchiedenartiger Dinge unter allgemeinen For: melns) , ſeine Erfahrung wußte den urſprung und Geiſt auseinander zu ſehen 155). Dieſen Mann zu gewinnen ſchilderte der Schultheię Burger von Sand
werken als einzige Eiferer für das gemeine Weſen , das nur Ihnen alles rey 156); „ lang hatten die Gui „ terbeſikers) , aus Furcht zu verlieren , jene von ,,Würden fern gehalten , und durch Eigennut den
,,Abelſtolz dermaßen bezwungen , daß ſie ſelbſt die madelige Stuve verlaſſen , um auf Handwerkszünfs wten Venner zu werden * ) ; wie denn vor ihm nur fwei Handwerker dieſes Amt, höhere vor ihm und
,,Franklin keiner , erworben . Es ſey ihm leid, daß ,,der Sådelmeiſter ſich ſelbſt ungleich werde ; er, ,,ber Mann der Stadt , rehe wohl den Hohn des ,,Adels 15 ) , gehe aber unerſchütterlich nach der ,,Stadt Necht 6 ).“
Hierauf der Sadelmeiſter : ,, daß ein Fleiſcher und ein Kürſchner den edlen Herren auszulegea what, was Vogelbeize und Wildbann iſt, mag ein lchones Recht ſeyn ; mir liegen allgemeinere, per:
fduliche Erläuterungen ob. Hierin werde ich ermeinen dreißigjährigen Zunamen , der wunders ide Franklin , der Prediger auf dem Rathhauſe, der nie ungezanft beruntergeht, zu bebaupten fu chen. Ungleich , das iſt wahr , bin ich mir ſelbſt ; „ hin
meiner Jugend Ruhm , in Tanz und Ge
„ſang 6) ; beſchränkt iſt aber noch immer mein Ver „ſtand , noch kann er Unrecht und der Stadt Wohl .
232
Gerdichte der Schweiz. IV. Budy.
Juicht vereinigen ; furchtfam iſt noch jeßt mein Herz ,,dor den Folgen unweiſer Schlüſſe und vor dem „ Urtheil der Welt.
Aber auch meinem Gegner
muß ich bezeugen , daß er noch der Mann iſt, wel= ,,chem vor fo vielen Jahren vorgehalten wurde , in ,,der Stadt rey vor ihm niemand ſicher, hingegen ,,der Feind im Feld ."
„ Daß wie einige, ro alle Twingherren, und nicht „ in einzelnen , ſondern in allen , zu guter Re 1
,,gimentsordnung dienlichen Artikeln zu einem
„Vergleich gebracht werden , wer ſollte es nicht ,,wünſchen ? Schön iſt bequemlicher Gang der „ Verwaltung; Sicherheit aber die Grundfeſte ; .
„ ohne ſie hört die Stadt auf, die Räuberhöhle bez ginnt. Des erprobten Edelmuthes will ich nicht
,, gedenken , und nicht der Straft weifer Benußung. ,,begünſtigender Zeit ; und nicht mich auf die Er-. fahrung berufen , daß die Venner von Handwer
,,ken gar nichts erwirkt 16.); aber das bezeuge ich , ,,daß , wenn die Herren ausgeraubt werden , um „die öffentlichen Aemter zu bereichern 165 ), ich will „nicht ſagen die Ehre der Stadt (um die befúm= „ mert man ſich jeßt wenig 164 ) ) , ſondern alte Sit „ ten und Kenntniſſe , durch die Bern blühet , ber loren find.
Sorglore unwiffende Músiggånger ,
,, den Schulen fremd , in großer Welt unerfahren , ,, trokig , ſchwelgeriſch , und hierzu habfúchtig , wer: 1
den die redlichen Verner , die guten Eidgenoſſen , heißen , welchen man helfen , die man auf Landesa
€. 7. Bom Waldshuter Frieden bis burg. Arleg.
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,,koſten fett machen muß 16 ). Wehe der Stadt, für
„ deren Dienſt andere Locſpeiſen ſind als Ehre und ,,Pflicht 16 )! Ich höre murmeln : Hat der Sådet ,,meiſter nicht auch ſeine Aemter benußt ?
Auf
,,daß nicht mein Name Dedemantel (chåndlicher Dinge „ werde, will ich vor meiner Obrigkeit , treu wie ,,vor Gott, mein Leben erzählen ." „Ich mag in dieſer Verſammlung wohl der al „teſte reyn ; wer gedenkt meines Vaters ! Zwei i Jahre , von meinem zehnten an , unterhielt er 1
„mich zu Ravensburg in Erlernung meines Gewer ,, bes ; neun Jahre zu Augsburg , in Böhmen , in ,,Polen ,ich mich , aus meiner Hände Werk ; worauf 1
,,der Vater mich heim berief und mir ein Weit.
„ gab. Als ich in den großen und nach des Vaters
„ Tob in den kleinen Rath verordnet wurde 16'), wie „ war mir bei den alten weiſen vortrefflichen Mån „ nern ! Sie erlaubten mir Fortſegung des Gewer „ bes. Als aber Bernhard Wendſchaß, von berühm „ tem Geſchlecht 168) , wegen ungeſchickter Verwal ,,tung der Vogtei Lenzburg entfeßt und noch vor dem Frieden mit Deftreich und vor unter :
„ werfung des Aargauer Adels ich dahin gewählt ,,wurde 16g) , da bekümmerte ſich meine Seele ; bis,
I
.
,, da -ich ſechsmal abgebeten , der Leutprieſter , mein ,, Beichtvater , Gehorſam mir zur Pflicht gemacht . „ Zu Lenzburg lebte ich wie ein Edelmann , und
lernte einiges lennen , das mir Bedürfniß ward
234
Geſchichte der Sdweiz. IV. Bud .
maber um der Kinder willen trachtete ich jabrlich in ,,die Handwerksſtatte zurud. So gut wurde es ,mir nicht , bis die Marken der Grafſchaft mit den
Eidgenoſſen verglidhen waren. Da hatte ich von ,,Arbeit und Amt ſechstauſend Gulden erworben 'o). „ Ihr aber ludet mir die Rathsſtelle auf'' ) und
q ,überwältigtet mich zu der Sådelmeiſterei. Mit ,,Schmerzen fab ich auf die ſtille Werkſtatt , mit „Scham den Platz, den vornehme Männer vor mir geehrt ' ). Als auf Tagen die Eidgenoſſen mich
junferten, fagte ich ſchamroth : 3d bin ein Kurſch v ner ; ich blieb es ; meine Geſellen zogen (zwar ,,ohne mich , mit ſchlechtem Gewinn) auf Lyon , Frankfurt, Genf; hauptſächlich damit meine Söhne
,,arbeiten lernen 173). Die Sådelmeiſterei iſt-múh : safelig , fehr gefährlich) und trägt nichtviel ein "s).
Der ſchåndliche Gebrauch der Geſchenke iſt zu all gemein , als daß ich einem ehrlichen Mann von vsebn eines nicht hatte abnehmen müſſen ' 6). Er ,,innert euch , wie oft ich warnte, daß die Oberlån= der Mölfer helle Augen nicht blenden 176b ). Wenn ,,ich mehr hinterlaſſe als mein Haus , mein Gärt
uchen und was ich vor meinem Amt hatte , ſo iſt walles geſtohlen , und was ich habe, ſey der Stadt.“ Hierauf, nachdem er von Münſingen ( damaligen Rathſchlags Gegenſtand ) als einer weiland großen Stadt " ) und nachmals gewaltigen Herrſchaft '78) To geſprochen , daß Junfer Hartmann von Stein
bei der Vorweſer Verfaſſung beſchirmt werden ſolla
C. 7. Porn Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
faß der Greis.
235
Um nur drei Stimmen war die
Mehrheit wider ihn. Die unterdrúdung der Geſchlechter, welche feit
hundert und achtzehn Jairen auf Tagen die Ge Tchafte geführt, wurde von den Eidgenoſſen mit brú derlichem Schmerz bemerkt. Alſo ließen ſechs Orte '? )
den Räthen und Bürgern von Bern folgendes er: klåren : „ Sie haben von den Alten vernommen, „ wie oft große Regierungen durch innerliche Un=
„ ruhen untergangen. Sie bitten gutherzig, ihnen ,,Vermittlung anzuvertrauen ; wenn ihre Perſo qnen zu geringe reyen , ſo bitten ſie in der Stadt „ luzern darüber gemeinſam zu tagen .“ Dagegen rieth Peter Kiſtler ſo , daß wenn Rechtliebe, doch nicht Klugheit , ihm abgeſprochen werden kann.
,, Die Eidgenoſſen lieben den Adel und beneiden die ,,Stadt. Wie oft haben ſie durch das Lob der
,,kriegserfahrnen reiſigen Junker mich gefránkt ). Fußvolt haben ſie , und Geld achten ſie nicht * ). 1
whene Großen haben mit ihrer Freundlichkeit ſie geehrt und geblendet. Wer beſteht gegen den Vore
trag ., wer gegen die Urkunden der Junker ? Sie, ,,die lang allein herrſchenden , haben keinen Man: ,,gel an leßtern. Ich ſehe niemand unter uns (ver:
laſſet euch auf mich ſelbſt nicht), welchen ſie vor peiner Tagraßung nicht ſchamroth machen würden.
,Unerweislich mag unſere Forderung reyn ; aber e,das Beſte der Stadt erfordert ſie; was ungerecht cheint, iſt nicht immer unbillig. Würden gegenz
236
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
,, unſere vormals ſtårfere Gemeinde 18 ) , wurden in
,,den Schweizerkriegen 185) die Twingherren beſtan ,, den haben, wenn ſie nicht zu uns getreten wären ? ,, Dadurch herrſchen ſie zu Stadt und Land , daß fie „ unſeres Arms fich verſichert. Sie, an Zahl fünf
,,und dreißig , ſchmeicheln der ſchweizeriſchen Ver: ,,meſſenheit, um ſich gegen eine Regierung zu be: „ haupten , welche durch den Ruhm des Gehorſams fich auszeichnet. Das iſt's , was der Neid will;
,,das Herz uns aus dem Leibe reißen. Vorhin ,, wurde Oberland aufgeſtiftet 194) ; jeßt wollen ſie
,, uns die Landgerichte nehmen. Bergeblid. Nur ,,beharren dürfen wir 18 ). So hat Bern die Jahr:
,,hunderte der großen Grafen , deren von Aarberg, „ deren von Kiburg , ausgelebt. Ueber die Erwar: ,,tung viel iſt geſchehen, und nicht unntiß war euch ,, der Fleiſchbader als Schultheis. Wenn ihr die nfchweizeriſche Zwiſchenfunft , als wäre die ganze ,,Sade eine Kleinigkeit 56) , ablehnet , ſo wird ſich ,,noch einiges durchreben laſſen . Hierauf wählet an
„Oſtern Herrn Niclaus von Dießbach, den ehrgeizi ,,gen, ſonſt flugen Mann, oder Serrn Kadrian von
,, Bubenberg,vornehmund tapfer, zum Schultheißen, wro werden alle befriediget werden .
Aber wie der
andern Schweizer aufbrauſende Kriegsluſt oft von der Berniſchen Klugheit in Schranken gehalten wur: de 18 ) , ſchien masigende Vermittlung dieemal doc To dienlich , daß Kirtlers entgegengeſeşte Meinung kaum durch zwei Stimmen ermehrt wurde. Frei:
5. 7. Bom Waldshuter Frieden bis burg. Srieg.
237
lich Bern , eiferſüchtig auf hausväterliche Weisheit,
entſchied innere Rechtsfragen auch ſonſt lieber durch Berner ' ). Um ſo leichter war dem Schultheißen ,
Ewingherren von Freiburg, Verwandten und Freun den deren von Bern 19) , auf einen ähnlichen An trag ablehnend antworten zu laſſen. Bald nach dieſem verleşte der Schultheiß die per: ſönliche Freiheit an Landleuten, ſo wie vielen feines
Gleichen die Rechte des Volls nicht heiliger ſind als die des Adels.
Peter Dietrich, welcher als Jüngling in den Oberlander Unruhen die Haslileute zum Aufſtand ermuntert und hierüber Eigenthum und Vaterland meiden müſſen 190) , kam durch einſame Bergpfade
bei nachtlicher Weile in die Hütte eines Verwand ten zurúd, ging beimlich nach Brieng, beobachtete, durch ſtreifte die Gegend bis nahe an Bern. Er
hatte von Mächtigen zu Unterwalden die Entfer nung der großen Geſchlechter vernommen, und hoffte durch eine Partei Begnadigung zu verdienen. Del
ſen erſchrat der Schultheiß, welcher die Grundfe ften der Macht des Vaterlandes erſchüttert hatte. Er verlegte fich , nach Art feiger Borſteber , auf geheime Forſchungen 191) , worin er von gerechten
Månnern mißbilliget ige ), von gedungenen Leuten ſo bedient wurde, daß er des Mannes Aufenthalt in eis nem Bauernhauſe zu Worb leicht in Erfahrung brachte. Allein auch des Landmanns Wohnung war
heilig , und heimliche Anzeige nicht hinreichend, ef
238
Geſchichte der Sdweiz. IV. Buch.
nen Mann in Bande zu bringen. Die Gewaltigen , wenn ſie durften , griffen durc ) ; des Volks Gefühl fchüßte die Sitte. Als Peter Kiſtler vier Stadt Inechte , ben Freiweibel Gefeller und einen Burger Nachts in verſtellten Kleidern nach 20orb fandte, fie die Chúr der Hütte einſtießen , und indeß Peter Dietrich entſprang , der Bauer und ſein Kinecht ge griffen wurde , rafften ſich alle ſeine Nachbaren aus dem Schlaf und behandelten die Polizeifnechte ſo, daß Pfarrer und Amtmann ihnen kaum das Leben retten konnten. Morgens waren ſie außer Stand in Bern zu klagen. Der Schultheiß , Gereß und Volt wider fich habend , in außerter Verlegen heit '93), ſchlug vor, die Dorfkirche während der Mere zu umringen ,1 um alle Theilhaber in die Stadt zu
" bekommen . Da ſprach der Sackelmeiſter von den Schranken der obrigkeitliden Rechte über ein freies
Voll. „ Niemand ," ſagte er , „ſey ſtrafbar als der ,, Rath , welcher unberlegte Dinge um fo weniger
..zulaſſen ſollte , da ſie nie geglúdt.
Wie , als der
,,Herr von Toffen 196) ſelbſt guthieß , daß Stadtdie ,,ner , vermummt und Nachts , einen verdächtigen ,, Oberlander im Wirthshauſe aufheben :
Haben
,,die Toffener ſie nicht ſtundenweiſe verfolgt ? Wie
„ redete das Landgericht Seftigen 'g) vor unſerm „ Rath ? Wie zu dem Twingherrn ? Schlechten Mann ,,nannten ſie ihn , weil er es zuließ. So daß der „ Rath ihn mit ſeiner Chorheit g) und ſich mit eis
,,ner unbedachtſamkeit entſchuldigte, und perhief,
6. 7. Boin Waldshuter Frieden bis burg. Strieg.
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van der Stadt Buch zu ſchreiben , nie mehr eine ,, folche Gefangennehmung zu verſuchen. Billig. ,,Man gedachte der Zeit, wo in einem Aufbruch ge= „ meiner Eidgenoſſenſchaft der Stadt Bern Banner iftid ſtehen mußte, weil die Landgerichte nicht mehr ,,mit denjenigen zieben wollten , welche in Uebung
,,willkürlicher Gefangennehmung waren. Des „ Twigherrn Burg , die wir vertheidigten , war,
fagten fie, ſein Siß und unſer Schuß ; ihr ſchleppt juns im Kriege und nach dem Krieg , wegen Re
, den , wegen Kleinigkeiten 19) , in Serker. Wir geben das nicht mehr zu, euren Srieg machen wir „nicht , bis wir wiſſen , ob die Twingherren euch „ über uns nicht mehr geſtattet, als wozu ſie be y rechtiget waren 198 ). Was iſt nicht verſprochen ,,worden ? Ohne Dießbachs würdigen Amtmann , auf den wir durch gerechtes Lob feinen Herrn ſtolt gemacist , würden einige zwanzig Landboten bereits an die Rathſtube klopfen. Mit Gewahrung , mit I
,, guter Zehrung , mit Wein und Erfaß würden wir fie entlaſſen müſſen 99). In dem Volt iſt unſere 7, Kraft, wider das Voll hat niemand Straft , als
,,die von ihm felbſt bezahlte." Da ſchloß der Sadel: meiſter : ,,Nicht Feuerlarm zu fchlagen , wo es nicht
,,brennt, ſondern erſt nachzuſehen , ob Feuer ein: ,,gelegt rey ; hierüber wäre der Amtmann von Worb uzu hören ; " welchem Vortrag jedermann beifiel. Der Neuerungsgeiſt , welcher Freiheit heuchelt und Sicherheit raubt, verlor von dem an ; durch
240
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch. 1
Herkommen und Verſtand , Hauptſtúßen freier Re: gierungen , wurde der unruhige Schultheiß in tåg liche Verlegenheit gebracht; ſo daß er im Rathe
ſelbſt ſich Cåſar und Berns Tyrann mußte nennen laſſen " ). Hierzu half die Klugheit Niclauſen con Dießbachs, womit er Verſammlungen der Land Leute *) verhinderte , auf daß die Stadt ſebe, daß
er das ungleiche Gefecht von ihr abzuwenden ſuche. Dadurch war der Adel den Revolutioniſten zu macha tig , weil er durch Gegenwart und edle Sitten die Herzen der Leute ſich erworben 20 ). Auch war das Volt der Natur zu nahe , es hatte zu geſunden Sinn und Muth , um einem Vorſteher das Recht zu geſtatten , aus grundloſem Verdacht einen Mann ohne Unterſuchung um die Freiheit zu bringen ).
und noch fapte man die Rede Rudolf Hofmeiſters, jenes vieljährigen Schultheißen : Beſſer zehn Schul dige entgeben , als das Einer umſchuldig leide ,
Durch trauliche Liebe des frohen Volls iſt eine Obrigkeit ſtart ; Maßregeln des Mißtrauens machen auf die Regenten mißtrauiſch , und bahnen Ber :
führern den Weg. Nie iſt in folchen Rathſchlagen Liebe des Fürſten , ſondern wie bei dieſem Schult: Heiß , der Neid und Eigennuß eines durch unver: hofftes Glúd geblendeten Manns ). um dieſe Zeit ) glaubte der Adel, das Anſehen
des Schultheißen auch in der Sache verſuchen zu dürfen , durd die er die unter der Bürgerſchaft
perhaft machen wollen ; ſo , daß auf Einen Tag alle in
$ . 1. Bom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg. 241
in verbotenen Kleiderformen dem Gottesdienſt bei wohnten . Der Stampf der Eitelkeit gegen das obrig Feitliche Anfehen mißfiel guten Bürgern 26) , doch wurde , da ſie behaupteten rechtskräftig zu handeln, auf ihr Begehren 17) von Ráthen und Bürgern ein
außerordentliches Gericht 208) verordnet. Vor die fem klagte der Gerichtsſchreiber zuerſt auf Niclauſen Baſtard von Erlach 9 ) , der nach mehrjährigem Kriegsdienſt im Auslande die Vogtei zu Burgdorf
verwaltete. Da trug der Baſtard vor , wie durch Gottes Schickung ein Unterſchied der Stände auf: tam, der in allen rómiſchen ., teutſchen und auch dieſer Stadt Seſeßen ) anerkannt worden und außerliche Zeichen erfordere I, über deren Geſtalt fo wenig, als über andere Nedite ohne gemeinſamen Rath verordnet werden könne. Hierauf erinnert et , wie die Kleiderſabung ohne Theilnahme der pornehmſten Ráthe " ) eingeführt , und bei der Er:
neuerung die Clauſel der Unabänderlich feit getilgt worden ſey "'). Doch ,, da ſie durch die meiſten Stimmen Gefeßkraft erhalten , wurde Erlach, nicht mit Unrecht :13 ), in die Strafe verfällt. Hadrian von Bubenberg und andere vornehme Ritter ? ),
( prachen von den ewigen * ), unantaſtbaren 16) Frei Heiten ihrer Ritterſchaft ) in dem Gefühl , nie durch eine niedrige That ſie entweihet zu haben, ro, baß man ſo große Seelen ungern mit ſo gering ſchei
nender Sache -18) beſchäftiget ſieht. Doch weder ſie noch Heinrich von Bubenbergs ehrwürdige Witt I. 1. Můlers råmmti. Werte. XY.
16
242
Gerdichte der Schweiz. IV . Budy.
we 219 ::9) , die mit Kadrians frau , ihrer Schwieger: tochter 3 0) , vor dem Gericht erſchien , vergaßen über
ihrer Beleidigung den Anſtand, welchen kein Mann, der ſich ſelbſt ehrt , gegen ſeine Obrigkeit aus der Augen feßen wird. Sie und alle ihre Geuoſſen " gehorchten dem ungünſtigen Urtheil , und verließen
die Stadt auf ſo lang das Gefeß es forderté. Zwei abweſende Edle "s ), da ſie das Geſchehene bei ihrer Heimkunft vernahmen , eilten , ſo ſtrafbar wie die
übrigen zu werden , um ihr Schickſal zu theilen. Durch nichts wurde für die Twingherren mehr ge wonnen , als daß ſie dem Geſek wichen in einer Sache, wo die Volksſtimme für das Gefeß war ; Pe
ter Kiſtlers Macht wurde durch nichts mehr gebro: chen als durch ihr Nachgeben mit Wurde. Hierauf fam eine große Geſandtſchaft aller Eið :
genoſſen und verburgrechteten Stände und Länder zur Ausmittlung eines Vergleichs »). Geantwor:
tet wurde von dem Nath in dem Sinn des Sådel meiſters , welcher Anſtand , Nedyt und Nußen ver
einigte : ,, die twingherrlichen Jrrungen werden ges „ meinſam , als ein häusliches Geſchäfte, rechtlich „ unterſucht und gútlich beigelegt werden ; man hoffe „ von des Adels Dentungsart, er werde , dem ge
,,meinen Weſen zu lieb , die Kleiderſagung, wie „ſie nun rey , bis an die öſterliche Zeit , wo man ,,Saßungen åndert , ſich gefallen laſſen , und eis
„ nem ihn ehrenden Vaterland, und Ráthen, deren „ Zierde er rep , ſeine Gegenwart nicht langer ent:
C. 7. Vom Wardshuter Frieden bis burg. Krieg .
245
„ ziehen. Die Stadt Bern werde zu Freundſchaft ,,vermerfen , was der Eidgenofen Treu und Weis: „heit hierzu vermoge." Da wurden alle Twing: herren von den Eidgenoſſen auf einen Tag in dem teutſchen Hauſe zu König , unweit Bern, verſama melt, und ſo viel rebeten ſie") (altgewohnte Freunde in Striegen und Geſchäften) , daß Rückunft und al les Gütliche verabredet wurde. Auf der heil. drei Könige Feſt in dem vierzehn- 1474 6.
hundert ein und ſiebenzigſten Jahr ritten die von Jan. Bubenberg , die von Erlach, von Scharnachthal und alle großen Geſchlechter in allgemeiner Freude des Wolfs295) wieder nach Bern , ohne Kiſtlers Entfer
nung zu begehren. Hierauf, nach wenigen Tagen, als die Regierung Uusſohnung 26) , die Twingher ren aber den Ruhm edelmüthiger Denkungsart
ſuchten , wurde dem Adel feine Kleidungsart frei geſtellt " ), über die Herrſchaftsrechte aber verglichen , daß die meiſten Herren die hohen Gerichte nebſt den fünf Artikeln der Stadt überließen 8) ; aber die
Gränzen derſelben wurden anders beſtimmt, als nach der babſuchtigen unerfahrenheit Peter stift
lers 9). In allem wurde das Unſehen der Regie rung erhoben 150). Als Peter Kiſtler rein Jahr voll bracht 954), wurde Petermann von Wabern , Ritter,
Herr zu Belp und Wabern , in eidgenöſiſchen Sa chen und Kriegen mit Nuhm erfahren, Schultheiß der Stadt Bern.
Das iſt Revolution , wenn Gefeße gegeben
244
Geſchichte der Schweiz. , IV. Buch.
werden ohne Núcſicht auf die Verhältniffe ; das Recht eines jeden iſt in ſeinen Berhältniffen ; von dieſen
dürfen Gefeße nur Erklärung und Gewährleiſtung ſeyn. Die Revolutionspartei dichtet Verhältniſſe , die politiſche Weisheit urtheilt nach denen , die ſind. So war die alte Freiheit Befeſtigung , nicht
Umfehrung .
Dadurch ihres Eigenthums ficher ,
lebten dieſe manner für das allgemeine frei ;
durch Edelmuth im Rath und auf Tagen groß ; als Führer der Eidgenoſſen wichtig den Stónigen . ( Ludewig II . )
König Ludewig der Eilfte , durch deffen Heer bei St. Jakob die Helben gefallen , iſt von vielen ůbel beurtheilt worden , welche ſeine Lage und ihn
nicht faſſen konnten . Nachdem das große Reid der Franken unter ben Merowingiſchen Furſten und ihren unmittel baren Nachfolgern in dem Geiſt einer militäriſchen Demokratie ungefähr vierhundert Jahre machtig und in hinreichender Ordnung beſtanden , gelabah durch die Schwache und Leidenſchaften der Könige,
daß die Verfaſſung eines gemeinſamen Vaterlan : des durch die Gewalt und Liſt der Großen aufges lóſet wurde , und kaum in dem Königsnamen Er innerung des ehemaligen Mittelpunkts blieb. Als der Nord endlich rich erſchöpfte , das Reich der Moslemin zerfiel und Ungarn gezähmt wurde, ver:
for ſich mit der Noth alles Nationalgefühl, ſo , daß
6. 7.
Poin Waldshuter Frieden bis burg. Krieg .
245
ohne Rücſicht auf urſprünglichen Zweck das König thum ſelbſt und die ganze Verfaſſung nach be: fchránften Begriffen eines Privatrechts (des les benwelens) beurtheilt wurde.
Hiervon fam fleißi
gere Benußung der vereinzelten Ländereien ; das aber für gemeinſame Leitung und Vildung nur
von Geiſtlichen in ihren Sachen etwas geſchehen konnte. Auch trug fich zu , daß durch bloße -Pri:
vatverhältniſſe, Heirathen oder Unternehmungen , große Lånder , ohne der Einwohner Willen , verei niget , und vermittelſt befoldeter Privatmacht ge
gen Könige behauptet wurden. So unregelmäßig war der Urſprung faſt aller Staaten ; nur die lange
Arbeit der Zeit und Natur, welche die Auswud)ſe
wegſtreift, nähert ſie nach und nach der Einfalt ih res Zweds wieder.
Vierfach war in Frankreich
der Kampf der oberſten Nationalwurde gegen das
lebermaß feudaliſcher Macht.
Erſtlich gegen die
großen Hauſer Normandie und Anjou , da ſie die Krone Englands erworben. Zweitens gegen die innere Gefeßloſigkeit und Entkraftung des oberſten Anſehens. Zum dritten wider die neue Verwir: rung , die durch das engliſche Kriegsglüc hervorges bracht wurde. Viertens als unweiſe Vaterliebe, glúdlide Heirathen , die wachſame Chátigkeit eini
ger , die Regentenweisheit Eines Fürſten das burs gundiſche Haus föniglichen gleichſtellte.
Aber die
normanniſche Macht brach , einen Augenblick benu Bend , Philipp Auguſt ; im Innern half durch Ge
246
Gerdichte der Soweiz. IV . Buch.
rechtigkeit Ludewig der Neunte , bald ſchlau , bald
fühn Philipp der Schöne ; Karl der Siebente hatte das Glúd , daß die Engländer durch unfälle und
Fehler um die Frucht ihrer Siege tamen. Zu Ludewigs des Eilften Zeit war Karl von Burgund an ſich ſo mächtig als der König ; máchri: ger durch die Blüthe ſeines Landes , den Geiſt ſei: nes Volfs und als Haupt und Führer aller Miß vergnügten in Frankreich, des Königs Bruder mit begriffen . Aber der Ausgang bewies die Ueberle: genheit des Berſtandes über wilde Straft ; der só nig ſiegte ohne Waffenglück durch ſeine perſönlichen Eigenſchaften.
Den thron beſtieg Ludewig nach mannichfalti: ger Erfahrung der Menſchen und des Glücks , mit einem durch ſchwere Zeit beugſam gemachten Geiſt, welchen er nicht mit Schulſpißfindigkeiten ver: wirrt ), aber durch Kenntniß der Geſchichten und Rechte mehr als andere Könige gebildet hatte 355 ). Da er ſich nicht als den Herrn , ſondern als ober: ſten Beamten betrachtete "3) , und kein geringeres
Beiſpiel als Karl den Großen ſich vorbildete ='), weibete er ſeine ausgezeichneten Geiſtesgaben 36) und ſein ganzes Leben der Berufspflicht). Hier: zu erhöhete er ſeinen Sinn (der ware kein König,
dem Privattugenden genügten). Alſo erfüllte er ſich , wie alle großen Menſchen 258) , mit dem Glau: ben der allerbeſonderſten Vorſebung , fürchtete
Gott ) und wollte, daß ganz Frankreich dieſes
€. 7. Bom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg. wiffe * ).
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Im übrigen waren ſeine Religionsbe:
griffe den Zeiten gemäß , wo die Fürbitte frommer , und mancherlei Verehrung heiliggeſprochener Per: fonen viel galt sob) : man glaubte , Gott rene mil der auf unſere Schwäche , wenn ſie größerer Voll tommenheit fich gleichſam angeklommen hålt. Wei: ter hatte der König eine ruhige Unerſdrođenheit ** '),
Obwohl er ſich meiſt mit einer Vorſicht benahm, welche ſeine Feinde Furchtſamkeit nannten " ), hatte er den Fürſtenſinn , ſich nie durch Zufálle ſchređen zu laſſen ; ro daß mit der Noth rein Geiſt ſich ents wickelte 43). Da er , wie ein großer König roll,
nach der ihm beiwohnenden , allgemeinen Ueberſicht alles Wichtige ſelbſt führte 4) und bei der man nichfaltigen Untreu ſeiner factioſen Zeit nicht im
mer die Abſicht ſeiner Befehle erklären konnte 45), forderte er púnktlichen Gehorſam 6). Eben der felbe hielt für unziemlich , neue Auflagen oder
Kriege anzuordnen , ohne dem Volk die Gründe begreiflich zu machen *). Unermüdet war er in Erforſchung der Denkungdart und perſönlichen Uma ſtånde aller bedeutenden Männer in ſeinem Reich -und in auswärtigen Ländern ; unermüdet , wen er
wollte, und beſonders wen er durch freien Scherz 268) oder auf andere Art beleidiget hatte , durch gute
Worte -9) , Herablaſſung und Geſchenke zu gewin nen. Mit dem ſchlechterzogenen , unwiſſenden, eis teln Adel 150) redete er nicht von Geſchäften ,. ſon :
dern bediente fich ſolcher Leute, die alles ihm ſchul
248
Geſchichte der Schweiz.
IV . Buch.
dig waren 151) und welche er ; wenn ſie undankbar wurden, ohne Beleidigung einer großen Verwandt ſchaft wieder vernichten konnte. Denn ſo vertrau
lich er mit ſeinen Leuten lebte 15 :) und, wie andere, manchmal von ihnen betrogen wurde 155) , dennoch
zitterte felbſt fein geliebter Creſſol 156 ), die Köni I
gin *55 ) , das ganze Haug 156) und Volk »52) vor reis nem Geiſt und willen . Dieſer gewaltige König
ſtórte in bürgerlichen Dingen den Lauf der Gerecha tigkeit nicht -58 ), verehrte , wenn er ſich geirrt , ge wiſſenhafter Obrigkeiten treuen Widerſtand-59), und
indeß er durch Vergleichung fremder Gefeße die franzöſiſchen vervollkommnen wollte , war er von Prahlerei damit ro fern , daß er es geheim behan delte , um das Anſehen beſtehender Gefeße nicht zu erſchütterns ). So wenig er anfangs auf Stoſt *) und Kleidung *) hielt, ſo gut wußte er ſeine Paris fer am Gaſtmahl zu gewinnen 36 ) und , wenn es feyn mußte , erſchien er majeſtátiſch 36 ). Die Steuern , ſo ungern er daran wollte 265) ; mußten
erhöhet werden * 5); er gab aber leidenden Bezirken vieljáhrige Freiheit, ſelbſt von álteren Abgaben " ) ;
dabei forgte er für billige Brodpreiſe :68). Zwed mäßige Ausgaben (parte er nicht 269 ), mit Freund lichkeit gab er ſeinen Dienern "/") und überfah Rech
nungsfehler , wenn Verdienſte ſie bedecten " ). Er war nichts weniger als verſchwenderiſch mit dem Leben ſeiner Kriegsleute " ) , und erwartete, was andere von Schlachten , von den Fehlern ſeiner
6. 7. Pom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
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Feinde 73). Dieſe wußte er eben ſo wohl zu vers anlaisen als zu benußen. Ueberhaupt fuchte er nicht ro wohl Vergrößerung als freie Hand e74 ).
Man kann ſagen , daß das Königthum in Frank: reich Er hergeſtellt hat 75), ( Karl der Kühne. )
Karl von Vurgund war um eilf Jahre jünger
als der König "76 ); von mittlerer Große , fehr ſtar +
Fem Bau, brauner Geſichtsfarbe ???) , mit ſchwarzen
Haaren und Augen , der Habichtsnare , einem ets was långlichen Geſicht , breiter Stirn und etwas hervorſtehendem Kinn , in allen Zügen voll kriegeri fchen Ernſts. Er hatte viel von der Gemüthsart
Johann des Furchtlofen , feines Großvaters , der Frankreich vorzüglich verwirrte 8). Sein unauf hörlich arbeitender Geiſt ( Ivie er denn Morgens um Fecho ihr immer feine Geſchäfte anfing 79))
hatte ſeine Luſt an jenen Wundern des Alterthums, dem glúdlichen Sohn des macedoniſchen Philipps, dem Sannenſiſchen Sieger, dem einzigen Cafar ),
und entwarf mit größter Kühnheit 23.) weitausſes hende Plane 18 ) , die er nicht ſowohl fich deutlich dachte , als mit Feuer ergriff. Beharrlich die Schwierigkeiten zu überwinden , verwickelte er ſich immer mehr *83). Nachdem er in früher Jugend gegen den herrlichſten Ritter im Waffenſpiel 28 ) und an der Seite reines Vaters zweimal in Schlach ten geſtritten 335) , alsdann zn Montlhery über den
König ben Frieden pon Conflans erkämpft , Dia
Geſchichte der Schweiz.
950
IV. Buch .
nant vertilgt286) und den Stolz von Gent gebro chen 189 ), hielt er nichts für unmöglich , folgte nur fidh **), gab feinen Willen zum Geſen 289) und hielt einen allezeit kriegeriſchen Stand 290). Mit ſeinem Muth war verbunden , daß er meiſt mit Offenheit yandelte 89 ) ; feine Art war ſo , daß niemand Hin: terliſt von ihm argwohnte : doch hat aus Vergro Berungsabſichten auch er in Cractaten ſich dieſelbe erlaubt "9), und einen Mann aufgeopfert , welcher fich auf ihn berlaſſen hatte 93). Einige ſind über: wieſen worden, daß ſie auf ſeinen Antrieb den Kos nig Ludewig und den Dauphin haben wollen ver: giften 996) ; welches der Herzog ſich erlaubt haben mochte , weil er karln von Guienne , des Königs .
Bruder , deffen Schwache das Hauptwerkzeug der
Verwirrung Frankreichs geweſen , durch den König eben ſo von der Welt gebracht glaubte 595). Voll der größten Projecte, für deren ſyſtematiſche Behand: lung feine Faſſungsfraft nicht groß genug war ), wußte er , bei Aufwallung ſeiner Leidenſchaften, fích öfters nicht zu helfen 597) ; dann warf er ſich in das Geſchäft, welches er håtte führen ſollen 396) ; dazu gab langes Slůck ihm den Muth 199).
In
Friedenszeiten war er in Andachtsübungen Mor: gens und Abends ziemlich genau 300 ) ; doch ſeiu feu: riger Geiſt hierin ſich nicht gleich 30). Reliquien führte er mit 3o ) , wie der König , nach damaligem Blauben , oder weil die prachtigen Sapſeln zum
Schmuc gehörten.
Die Faſten (Uebungen der
C. 7. Pom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
251
Enthaltſamkeit , eines Mannes wohl würdig) hielt er genau 5 ). Hingegen iſt getabelt worden ,. daß er alles ſeiner Einſicht zuſchrieb, ohne zu erkennen ,
wie entſcheidend die von der erſten Urſache geführte Zuſammenordnung der Umſtände iſt 36 ). Almoſen betrachtete er wie der König 305) als durch die chriſt liche Religion vorgeſchriebene Pflicht 3.6 ), worin den Regungen des Herzens zu folgen rey 307): ſonſt
war er in Freigebigkeiten ohne Zurudhaltung 303) bedachtlich 30 ). Er ehrte ſich zu ſehr ., um ſich mit Speiſen oder Wein zu überfüllen 5 ). So wenig
er auf Tanz und weiblichen Umgang hielt 5' ') , ſo gut wußte er, wo es reyn mußte, mit zu halten 3 ) ; einem Fürſten , der die Gemüther gewinnen roll, darf nichts fremde , und was er thut , nie unge
fchickt reyn. Daher, da er eine muſikaliſche Stimme ſich nicht geben konnte, er den Mangel durch Theo rie der Kunſt bedeckte 313) und ſeine Hofmuſik eine der erſten blieb 3 ). Uebrigens war ſeine Luſt an Wildſchweingjag835), Reigerbeizes6) und mannich faltiger Waffenúbung ) , worin er wie in allem
unermüdet war313). Auch übertraf er die meiſten feiner Zeit im Schachſpiel, das er nach dem Geiſt ſeiner Erfindung mehr wie Verſtandsübung als
wie Spiel anſal) 39). Verdacht war 320), und ſeine Feinde haben ihm vorgehalten 5 ) , Keuſchheit bei Weibern 5 ) rey ihm leicht angekommen , weil er , wie die griechiſchen und römiſchen Helden , lieber mit Männern Wolluſt genollen .
252
Geſchichte der Sdweiz. IV. Budy.
Un den Alten liebte er alles außerordentlich, und verſtand nicht nur nebſt fünf andern , auch die la: teiniſche Sprache wohl 5) , fondern (von ſeiner Ju gendlecture, den Rittergeſchichten 3** ), unverdorben) ließ er täglich zwei Stunden die Hiſtorien von
Rom ſich vorleſen 52s ). Aleranders erhabenes Bild batte er unaufhörlich vor Augen 386). Denn es war ſein hoher Plan 3" ) , wie dieſer an den Perſern die Griechen und ihre Götter gerochen 58), ro, wenn einſt (was nicht allzuſchwer ſchien ) Er ſeine Herr: ſchaft von der Nordſee an das Mittelmeer verbrei tet 1, an der Spige der abendländiſchen Chriſtenheit
mit aller Macht von Burgund eine größere Unter: nehmung , die Befreiung des óſtlichen Europa von
den Türken , auszuführen 3-9). Er hielt prachtigen Hof, ſtrenges Recht , vor: treffliche Miliz und Ordnung der Finanzen. Meiſt fah man den Herrn glänzend mit großem Gefolge
von Fürſten, Grafen , Herren und Rittern 55 ) , ro daß an Zahl , Herrlichkeit") und Ordnung des Ho
fes fein Fürſt ihm gleich kam 334). Bei Feierlich feiten trug er ein Kleid , welches an Gold und Edelgeſteinen über hunderttauſend Soldgulden ge
fchåßt wurde 133). Die Såle und Capellen waren mit den ausgefuchteſten Tapeten und nie geſehenem Ueberfluſſe filberner und goldener Geſchirre ge: ziert 5 ). Uuf achthundert Gulden war der tägliche Aufwand der Tafel berechnet 835): wovon er ſelbſt
nicht viel genoß 336 ) ; aber er hielt für fürſtlich,
C. 9. Pom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
253
Vergnügen und Ueberfluß um ſich zu verbreiten 55 ).
Nach dem Eſſen und nach den Geſchäften ließ er ſich durch die Kammerjunker beluſtigen 338) ; wie er auch im Felde manchmal den geſpannten Geiſt durch die Einfälle des Jünglings , der die Standarte
trug , ſich erheitern ließ 339 ). Wenn er, umgeben von allen Großen, Montags und Freitags auf dem
Stuhl der Gerechtigteitfaß sie) , empfing er die Bitten und Beſchwerden ſeiner Diener und Unter
thanen auf das freundlichſte 34) ; er gab auch al Tein jedem Zutritt 342) und (was man bei Fürſten rucht) ſchnelle Hülfe , oft in der Maße , daß der
Sanzler während der Audienz zu reſcribiren hatte sis). Daber, wenn man ausnimmt, was wegen beſondes ter Verhältniſſe in Oberelfaß unbeſtraft blieb , ro fang und iveit Karl geherrſcht , alle Familienfeh den und Eigengewalt vornehmer über gemeine Leute aufgehört haben 54 ) und an den Beamten miß brauchte Macht ohne Gnade gerochen worden *).
Lang gedachte das Land an der Moſel, bei dem Nußbaume zu St. Marimin, wie er den geringſten Diebſtahl unerbittlich ſchnell beſtraft ). Ueberzeugt von dem Nußen , feiner von Natur und Alters ber tapfern belgiſchen und burgundia
Miliz durd- einen in Handgriffen und Wendungen geübten Kriegsfuß Haltung und Muſter zu geben, felbſt aber gegen fremde Liſt und innern Aufſtand
gefaßt zu ſeyn, errichtete er eine Ordonnan; *).
Aot- , nachmals zwölfhundert reiſige Kriegsmasa
254
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
nen 3 ) I, jeder mit einem Schildknappen und Waf fentrager 549) , viertauſend Schußen , deren drei
Viertheile zu Pferd , zweitauſend Pikeniers , bei den Buchſen fechshundert 550) und eben ſo viele bei den Feldſchlangen 55 ) war der erſte Fuß und Stern, dem , nach den Umſtänden , größere oder geringere Abtheilungen der Landmiliz oder engliſcher und ita
lieniſcher Hülfsvolter angeſchloſſen wurden 5 ). Befehligt wurden ſie von den Großen des Landes ; häufig ſchimmerte auf der Hauptleute Bruſt das gols dene Vlief ), welder Orden wie nicht viele an: dere aus ro alter Zeit den Glanz noch erhält. Es trugen die Striegsmanne ihren vollen Cuiras , die gewaltige Lange , das breite kurze Schwert, einen
Streitkolben , den ſchönprangenden Helm und an dere, nur ungewöhnten ſchwere, übrigens probhal tige Bedeđungswaffen "s). Zuerſt war das Corps in Rotten getheilt , jede in Decurien 385). Hierauf
bekam eine jede aus hundert Lanzen beſtehende Compagnie, der die Pikeniers und Schußen zu geordnet waren , unter einem Hauptmann 356 ) , die Untertheilung in vier Schwadronen , deren jede
vier Kammern 367) hatte. Vielfältig wantten die Schöpfer des neuern Kriegsweſeus, ob die Bewaff
nung und Einrichtung der Phalanx oder der Legion nach dem neuern Gewehr vorzuziehen fey ; bis Kriege in mancherlei Landern große Feldherren be: lehrten , daß nach den Umſtänden die Geſchmeidiga
keit lekterer oder die Feſtigkeit jener den Vorzug
C. 7. Pom Waldshuter Frieden bis burg. Rrieg.
255
verdient , und das zu jeder Form geſchikteſte das volkommenſte Heer ſer.
Der Artilleriepark war zu
dreihundert Stúden berechnet; es folgen zweitau
ſend Wagen mit Pulver , Armbruſten , Bogen, .
Pfeilen und Piken ; tauſend größere 358), eben ro viele gemeine Zelte. Vieles bei Belagerungen wurde nach alter Art an Ort und Stelle gebauet 359 ). Die
mauerfeſt ſtehenden Pikeniers wußten mit geſenkter Pife ſchnell niederzufallen , um die von ihnen be beaten Sdüßen 360) wie über eine Mauer fchießen zu laſſen. Auf beiden oder von allen Seiten Fronte
zu machen , das Viereck, den Keil, die Rúndung, hatte man von den Alten. Für die Abhärtung und für die Bereithaltung auf jeden Augenblick war ges ſorgt 351) ; und im Ganzen, nebſt verſtandiger Mic ſchung der Waffen , lóblicher Zweck, den Schaaren Gelbſtgefühl und Gemeingeift zu geben. Verge hungen wurden mit empfindlichem Verluſt, nicht
leicht auf entehrende Weiſe geſtraft 36. ). Vollkom mene Unparteilichkeit war vorgeſchrieben , auf daß Gefühl der Gleichheit alle Cameradſchaften gleidy
feurig für den Fürſten , der ſie ſein Haus nannte 363), gegen alle reine (ihre eigenen) Feinde zu höchſter Anſtrengung entflamme 363 b).
Das Fluchen war
verboten : der Soldat muß den Gott ehren , bei bem er ſchwur 36 ). Das Würfelſpiel , denn es macht habfüchtig , bringt Haß oder Zorn , macht
immer Einen mißmuthig. Bei der Unmöglichkeit,
kraftvollen Jünglingen ſtrenge Enthaltſamkeit an:
256
Geſchichte der Schweiz. IV , Buch .
zugewöhnen , ftrafte er die, welche ſelbſt in erober: ten Städten durch Muthwillen eheliche Bande zer:
riſſen 36 ) , ließ aber bei jeder Compagnie dreißig Weiber , deren keine eines einzigen reyn durfte 36 ), und überfah allerhand Dinge 567). Wo kein Feind nahe war, geſtattete er , wie Cåſar, viel. Er liebte
ſeine Leute 368); waren ſie frant oder verwundet, ſo ſorgte er für ſie wie ein Vater 569). Mit ſo viel großerm Necht war er gegen Treuloſigkeit ſtreng ; und forderte im Krieg um ſo ernſthafter von jedem
die Pflicht, da täglich er der erſte auf war , die wichtigern Poſten ſelbſt in Augenſchein nahm 5 ),
der lekte und unausgekleidet ſich dem Schlaf uber ließ 5/1). Da die Ordonnanz eine balbe Million Tha ler 378) und jeder Feldzug zwei Millionen Franken 373) Aufwand erforderte , und feine Länder , nicht aus Unmacht, aber weil ſie es nicht gewohnt waren,
murreten , bemühete er ſich die neue Laſt núßlich und möglichſt leicht zu machen. (So hart er jeden Aufruhr niederſchlug 37 ) , ſo nadigebend hörte er
Vorſtellungen ) 575). Alſo hielt er in ſeinem ganzen Land Ordnung , Gerechtigkeit und Rube 576) von innern und , wenn er nicht ſelbſt ſie ſich zuzog, auswärtigen Feinden . Was der Kriegsmann im
Quartier zu fordern habe 37') , die Nahrungs preiſe 5 ) , die unausbleibliche Schuldenzahlung 5 ),
alles hatte ſo genau ſeine Beſtimmung , daß wenn Gardeofficiers Unordnung übten oder zuließeu, als die Scander ihrer eigenen Ehre 3ho) und Mörder der
S. 7. Vom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
267
der fúrſtlichen , als unwürdig unter Ehrenleuten
zu erſcheinen und über tapfere Männer zu com mandiren , caſſirt wurden. Selbſtaufopferung für Pflicht und Ruhm und für Feſthaltung öffentlicher Ordnung, das iſt militariſche Ehre . Karl von Burgund hatte Feuer, Muth , Ar
beitſamkeit, Feſtigkeit, in allen ſeinen Zeiten . So lang der weife Bater in ungeſchwächter Kraft Herr blieb , wich der unbeugfame Sinn der Slugheit 38 )
oder wurde gebrochen durd, des ehrfurchtgebieten den Fürſten Zorn 36 ). Das Glück bei Montihery hat Sarln (doch nicht bis zu Vergeſſenheit ſeiner Pflich ten ) 385) verblendet. Uebermüthig wurde er durch des Herrſchens und Siegens Gewohnheit, entfrem dete ſich den mit ihm erwachſenen Råthen , hørte italieniſche Schmeichler , und warf ſich in die teut:
fchen Handel, die er nicht kannte. Weil ſie nicht glanzten , mochten die Teutſchen berächtlicher ſchei: nen . Das Unglüd verhärtete ihn ; er unterlag ihm nicht , aber er fiel.
Dieſen brachte fein Schickſal mit Ludewig dem Eilften in ein Gefedt, welches allezeit im Frieden am gefáhrlichſten war. Man fagte von dem König,
daß er im Krieg nur mit Einem Auge fohlief, im Frieden jederzeit beide offen hielt. Karl ſtrengte alles an , der erſte zu feyn ; feine Tugenden leuch ten berrlich hervor. Nie verlor der König reinen Zweck weniger aus dem Geſicht als wenn er ihn auf zugeben ſchien , und nachdem er durch viele geheime . milers Tämmtl. Werke. XV.
17
258
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
Mittel die Erreichung ſich möglichſt geſichert, ſtürzte
er den Herzog vornehmlich dadurch , daß er Friede mit ihm hielt 3). ( Anfang der burgundiſchen Händel.)
mit Frankreich und Burgund waren die ſchwei geriſchen Eidgenoſſen in gutem Frieden , bis Peter von Hagenbach , burgundiſder Bogt in den von Deſtreich verpfändeten Landen , auf der Berniſchen Herrſchaft Schenkenberg , durch Dietrich von Had: bain 5e) , Vogt unter ihm zu laufenburg , burgun diſche Fahnen aufſteden ließ 136). Der stónig war damals in großer Berlegenheit, weil ſein Bruder und der Herzog von Bretagne offenbar burgundiſch
waren, und ſelbſt bei Hofe folche, die am wenigſten es ſollten * ), die Verwirrung vermehrten. Mit Vergnügen empfing er Wilhelmen von Dießbach, einen zu den größten Geſchäften aufgelegten Jung ling , durch den Hagenbachs üble Nachbarſchaft ihm
zuerſt gemeldet wurde 588 ). Alſo fandte er Ludewig von Senecille und Johann Briconnet mit Auftra sen in die Schweiz , durch die eine engere Vereini gung begründet werden ſollte. Die Unterhandlung
wurde durch damalige Entfernung der Ewingher: ren ſchwer ; andere Eidgenoſſen , bekannter mit Deſtreich und Mailand , bedurften in franzöſiſden Sachen der Berner Kenntniß von Sprachen und Hófen. Dieſes vermehrte ihre Theilnehmung an dem Vergleiche des Ewingherrenſtreits 5 ).
She
dieſes glúdte , wurde durch Hadrian von Buben :
C. 7. Pom Wardjyuter Frieden tis burg. Krieg.
259
berg (der , wenn das Vaterland rein bedurfte, per fönliche Rucficht immer vergaß) die Eidgenoſſen dhaft bewogen , Bern zu einem den Umſtänden ge maßen Verein mit Frankreich zu ermächtigen 39 ). Er beſtand in der Wechſelweiſen Zuſage , dem Her:
30g von Burgund wider einander nicht beizuſte hen 391). Dieſes beraubte den Herzog der Hoffnung, durch ſchweizeriſche Kriegsvolfer ſich zu ſtarten 392); der König verſpracy, was die geſunde Bernunft ihm vorſchrieb 595). Der burgundiſche Bogt lies ab. Als Siarl dieſe Bearbeitung erfuhr , mochte er nicht für gut halten , die Schweizer dem König noch näher .
zu bringen. 1149
Hoher ſtieg zwiſchen Ludewig und Karl Pars
teiung und Haß durch die engliſchen Handel, worin jener Heinrich dein Sechsten, dieſer feinem Schwa: ger , Edward , dem Vierten , günſtig ſchien. Es
war zwiſchen Frankreich und Burgund ſo wenig Friede als Strieg ; Untreu, Wankelmuth, Gährung herrſchten. Dine Berns rauhen Ernſt ware die
Schweiz früher verwidelt worden ; verführt, gewon -nen , wollten viele dem König , andere wider ihn, dienen 39 ). Dem verburgrechteten Grafen Johann von Aarberg Valengin , dem berühmten Ritter 59 ),
half das Volt (und mehr das Anſehen) von Bern zu Beaufremont, dem Erbtheil ſeiner Mutter in dem Herzogthum Bar 596). Der Kaiſer berief auch die Eidgenoſſen auf den
260
Gerojichte der Schweiz. IV. Bud.
Reichstag zu Regensburg 59 ). Seit Bosnien unter Mohammed fiel, ſtreiften die Türfen verwüſtend , plündernd , entvolfernd , lángshin der dinariſchen und juliſchen Alpen bis Windiſchgráz , bis in des Kai: ſers Jagdrevier 398). Prachtig , umringt mit Rit:
tern, Råthen und Knappen 599 ), mit mehr als neun tauſend Pferden too) zogen Kurfürſten , Fürſten und Boten der Stadte, auch die burgundiſden , auch
däniſche, venetianiſche “e), pápſtliche Geſandte , und für die Sdweiz Heinrich Goldli, einer der größten im Rath von Zürich, und der Altſchultheiß Nicolaus von Scharnachthal, in ſeiner Fürſtengeſtalt *** ) mit des Biſchofs von Baſel bewunderter Schönheit sos)
wetteifernd , alle freudig: ſich zu zeigen , viele init Privatwünſchen , viele für gemeine Chriſtenheit eif rig 604 ), auf den Reichstag. Da war für die Sinn lichkeit alle Befriedigung ***), nie genug für die aus: ſchließliche Natur der Eitelkeit , welche die Sigun : gen mannichfaltig ) und lang tor) verwirrte . Dar: in fuchten ſie Stolz , wo jeder ſige , nicht in dem, was er wirke. Nachdem der gelehrte Tridentiniſde Viſchof Johann Hinterbacher hos) mit einem gelehr: ten Vortrag , aber kaum hörbarer Stimme 4) , die Berathſchlagungen eröffnet , wurde , ungefähr wie
nun , deputationsweiſe **") und nach den Collegien , ausgemacht , wie durch eine Landfriedensproclama:
tion die teutſche Macht zu vereinigen wäre * ' ) , wie viel zu einem zehntauſend Mann ſtarken Obſer: vationscorps jeder ſtellen roll 6 ) und wie ein ge
C. 7.
Pom Waldshuter Frieden biz burg . Strieg.
261
meiner Pfennig zuſammengebracht werden könnte *i3). Volle uebereinkunft wurde auf Beibringung nach
tråglicher Entſchlüſſe verſchoben ***), und über Mig
trauen , Selbſtſucht «is) und Parteiung 66) die ge meinchriſtliche Sache vergeſſen . Der Kaiſer, unwillig
(er hatte es ernſtlich gemeint “s?) ) , wollte nun auch den Schweizern , obwohl das Haus Würtemberg ſie unterſtüşte , die Freiheitbriefe voriger Kaiſer
nicht beſtätigen *). Viel wurde verabſchiedet '9), aber bald auch von dieſem Reichstage geſagt, es habe der Kaiſer viel refolvirt , was Friedrich nicht volle ziehen könne 4s ). Bilgeri von Hówdorf, Bernhard von Eptingen und andere Feinde der Eidgenoſſen mochten ungeru ſehen , daß Karl die verpfändeten lande in das dritte
Jahr beſaß , ohne den erwarteten Krieg zu erheben. Daher ſuchten ſie durch gewaltſame Thaten die Schwei zer zu erbittern “ ) ; bei Hofe wurden , wohl durch
Hagenbach, die Vorſtellungen wiederholt “ ). Karl, argwöhniſch auf den König " ) , und nicht gleichgül tig bei England3 Unruhen , trachtete durdy Unter handlungen Zeit zu gewinnen 4 *), jene Ungeduid und die Wünſche Deſtreichs “ ) zu Durchſetzung fei: ner Abſichten auf königliche Würde mit Dieídysvica riat úber das linfe Rheinufer der Erfüllung naber zu bringen 46). Nachdem in England die lente Hoffnung der ro then Roſe in traurigem Dunkel verſchwunden ( ?), Lu
262
Geſqichte der Soweiz. IV. Buch.
bewig aber nicht ohne Einſchluß der Herrſchaft von Bern und gemeiner Eidgenoſſen des großen Bun
des von Hochteutſchland * 18) ) die Waffen wider Karl, in der That auf immer, niedergelegt " 9), wagte Ha
genbach im Lande und jene Herren gegen die Schweiz nach und nach mehr.
Von Zürich , Bern , Luzern und Schwyz zogen Tuchhåndler 430) ( Tuchhandel wurde in der Schweiz 431 eben emporgebracht 15:) ) nach Frankfurt auf die Meie. Dieſe wurden von Bilgeri von Howdorf,
der in burgundiſchen Dienſten an den Eidgenoſſen fich rachen wollte 45 ) ,. unweit Breifach uberwalti: get 45), ausgeraubt “34) und nach Schuttern gebracht. Dieſes dazumal feſte Städtchen hatte einer von mo:
hengeroldsek verwaltungs- oder pfandweiſe inne +36). Nicht ohne Verſchreibung von zehntauſend Gulden wollte man ſie loslaſſen. Da tamen die von Straß burg mit aufgeworfenem Banner, ihren Hauptbúch: fen und ganzer Macht , nothigten Schuttern ſich zu ergeben , brachen die Thürme , die Mauern , und führten die Staufleute ehrenvoll nach Straßburg, wo ſelbſt Ammeiſter und Rath , nad Prüfung der von
Howdorf felbſt verleßten Verſchreibung ** ) , dieſe vernichtet, und die Unglüdlichen getroffet entlaſſen wurden. Dieſes und daß fie Hohengeroldset demú thigten , thaten die Straßburger ohne Schuldigteit, 437 ). freundſchaftlidy 63% Die elſaffiſchen Städte , der
Freiheit hold , auch das verpfändete land , vorhin von Oeſtreich ſcówach , doch mit ehrlicher Gúte per:
6. 7.
Pom Hardshuter Frieden bis burg. Krieg.
263
waltet , von der ernſtern Herrſchaft gedrückt oder
bedrohet , fing an , fehnende Blicke auf den Schweiz zerbund zu richten .
Denn Peter von Hagenbach , Ritter , ein Pfir: tiſcher Edelmann, welcher (ſagt man) ſein Vaterland
früh verließ, um bei Herzog Starl freier zu leben und
höher zu ſteigen “38), wurde iu der Verisultung, wo zu Creu und ritterliche Tapferkeit ihn erhob % ), mit und ohne eigene Schuld bald ſo verhaßt wie Geß
ler bei jenen Alten zu uri und Schwyz. Die Feld zuge nach Frankreich forderte er auf Befehl; höhere
Schabungen auf den Verbrauch " ) nach der llebung des burgundiſchen Staates , und weil die landes fúrſtlichen Dominien meiſt verpfändet waren ") (die Tes hatte der Erzherzog aus Gute oder Scheu ge
than , um keine Auflagen zu machen ). Der bur gundiſchen Regierung höherer Ton ſchien unerhör ter Stolz, die neue Ordnung der Inſtanzen Rechts.
weigerung ; an einem Landsmann alles am uner träglichſten . Dieſes ſchabete Hagenbachen beſonders, und daß, wenn Hinwegſehen über altgewohnte Form
erbitterte , gehorſamgebietender Ernſt der Sitten ihm fehlte. Harte wird von Bedürfniß entſchuldi get ; Ehrgeiz drückt, blendet aber durch Schein der
Große ; das können die Wölfer nicht leiden , daß der furchtbare Herr Sklav der Wolluſt rey , und ,
unvergnügt mit ihrem Gut und Leben , auch håus: licher Liebe Troſt ihnen raube.
Das Hagenbach die
Sitten höhnte, und dafür betannt ſeyn wollte, war
264
Geſqichte der Saweiz. IV. Buch.
die Schwäche eines Manns, welcher der anvertrau: ten Gewalt und Hoheit nicht gewachſen war ). Karl , ohne Feindſchaft gegen die Schweiz, ließ
vor und nach der Begebenheit bei Schuttern , durch den Abt von Neuhaus * ) , den er auf ihre Tagla kungen fandte * ), fie der alten Freundſchaft ver Tichern , mit dem Erzherzog (bem Howdorf eigent:
lich angehöre 445 ), Bermittlung , und auf das an gelegentlichſte eine enge Vereinigung anbieten . Sei:
nes Lebens großer Zweck , die gemeine Sache des chriſtlichen Namens 46) , worüber er mit dem nea
politaniſden Hofe bereits Verabredung habe, erfor: dere vorláufig, was am beſten geſchehen könne durch
fie und Benedig, die Bezwingung des treuloſen Her: 209 $ Galeazzo Sforza "7) ; er werde hierzu ihnen Geld geben 4). Hagenbach hatte ſich auf dem Tag
zu Coſtanz dermaßen zu iußern , daß man fieht, Star! wollte mit der Schweiz gutes Vernehmen " 9). Bald nach dieſem wurde von dem Kaiſer eine Vergleich Shandlung über die Howdorftſche Sache ver anſtaltet is). Deſtreid bediente fich dieſes Anlaiſes zu den erſten Eröffnungen für einen Bund, welder von Frankreich nicht weniger als von den verpfän
deten Landen gewünſcht und betrieben wurde "s ). Lehtere beſeufzten die unbehagliche Lage ;, nur dann
aber wollte Ludewig Löſungsgeld vorſchleßen , und Subſidien geben 65 ) I, wenn Vereinigung mit der Schweiz Sigmunden Mittel der Behauptung ver:
S. 7 .
Vom Waidshuter Frieden bis burg. Krieg. 265.
fichere. Alfo berathſchlagten die Eidgenoffen "53) über eine treue ewige Richtung aller mit dem Erzhaufe obgewalteten misverſtanbniffe " ), die Sicherung dies fer Srånje * 55), die Freiheit Handels und Wandels , und ob man , wenn der Erzherzog über die Landes
löſung mit Stari zerfiel, kriegluſtiger Mannſchaft nicht erlauben foll , ihm die Sache ausfechten zu helfen 56). Dem Kaiſer, des Erzhauſes Haupt, ſchien der Klugheit gemäß , dieſe Geſinnung zu unterhal ten, die endlichen Schlüſſe aber nicht eher zu faſſen , als nachdem er uber die größern Vortheile , welche er für ſeinen Sohn hoffte , mit Karl fich perfönlicy beſprochen.
Dieſer , der Herzog , in Landerwerb fortſchrei= tend , gewann das Herzogthum Geldern , die Graf fdhaft Zutphen 45 ). Sein Glüd erhob den Muth
Hagenbachs , nichts für unmöglich , und übelige fo wenig als Bürger Rücficht würdig zu halten ; ſo daß er, mit Verſchmåhung der Pfandbriefe des vo
rigen Fürſten , Thüringen von Hallwyl von Landesehre vertrieb +58) und deren von Mühlhauſen ſchul denbelaſtetes Gemeinweſen dermaßen drängte , daß Behauptung der Freiheit ihnen unmöglich fcheine.
Da ſchmähete er ihren Schweigerbund, und verſprach , wenn die Stadt burgundifch werde , ſie dem gan zen burgundiſchen Elſaß als Hauptſtadt vorzufe Ben 59). ( Von demn saiſer.)
um dieſelbe Zeit 459b) ſtarb Nikolaus von Anjou , 1
266
Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
genannt von Calabrien , Herzog zu Lothringen 6 ), welcher durch vorzügliche Eigenſchaften in jugend:
lichem Alter Verehrung und Liebe erworben , und von Karl durch die Hoffnung der Heirath ſeiner Erb tochter gewonnen war 461). Sein Tod erneuerte die Hoffnung des Staiſers. Scheinbarlich aufgehalten durch die langſamen Reichshandel , aufmerkſamer
auf die burgundiſchen , kam er , in den erſten Sep tembertagen , auf Einladung , in die Stadt Baſel. Mit Marimilian , feinem in dem funfzehnten Jahr zu der größten Hoffnung aufblühenden Sohn , mit
Kurfürſt Adolphen , der Mainz unterwarf, dem Biſchof zu Eichſtadt 6 ) I, einem frohen treuen für: ſten 6) , Herzog Albrechten von Bayern :München , feinem nachmaligen Schwiegerſohn , mit Herzog
Ludwig , Vater des Hauſes Zweibrüđen , und un: gefähr rechshundert Pferden , wurde er, an der Brú: de des Wieſenflußchens, von Hannſen von Vennin: gen dem Biſchof, und Hannſen von Berenfels, Rit: ter,. Bürgermeiſter von Baſel, ſtattlich empfangen .
Sie führten ihn in das große Münſter , hierauf in den biſchöflichen Hof. Er wurde , nach der Sitte, mit Gold in vergoldetem Trinkgeſchirre, Ehrenwein
und Faber ehrlich beſcentt *). Die Stadt, durch Karls Låndergier bewogen , hatte mit den Schwei
zern Verabredung, aufBegehren achthundert Mann Beſaßung , und im Nothfall, mit aller Macht Ent:
faß zu erhalten "). Jekt war die Burgerwache mit vierhundert landleuten verſtärkt. Bertraulich , um
6. 7.
Pom Waldshuter Frieden bis burg. Arieg. 267
ſie zu gewinner , redete der Kaiſer mit den Häup tern . Freudig tanzten auf der Mugge die Herren,
und aßen im weitreichenden Schatten der Eiche auf dem Petersplaß 166). Da kam der burgundiſche Land
vogt Peter von Hagenbach , mit achtzig Mann , in weiß und grau, auf deren Aermeln das Glücksſpiel, Würfel und ein Wort geſtict war, das weitgehende
Plane oder niederwerfende Kraft andeutete 66 ). Zúr nenddaß in vielem die Schweizer ſich vermaßen, ihm
hinderlich zu feyn 46 ) , redete der Vogt, beſonders von Bern , mit verachtenden Drohworten 16 ). Sol
che Aeußerungen ſind dem Volk mehr als der Ge fandtſchaftsberichte nicht ſo verſtändliche Kunſt. Der
Kaiſer, von Hagenbach geleitet, von den Reichsſtan den verſtårtt"7 ), fam , zu verabredeter Zeit, an die Mo: ſel, wo , mit vieler Jahrhunderte Denkmalen pran gend, anſehnlich und maleriſch , in anmuthigen frucht .
reichen Gefilden , Trier ſich erhebt. Nabe liegt St.
Marimins , durch jeden Glanz hochwürdiges Klo ſter , woſelbſt , am zweiten Tag als der Kaiſer nach .
Trier gekommen , mit mehr als achttauſend Pfer: den , rechstauſend Mann zu Fuß und jener zahlrei
chen Leibwache in goldgeſtidten ſeidenen Kleidern starl von Burgund eintraf; mit ihm die erhabene Margareta 7 ) ; die Erbprinzeſſin ihr zur Seite, auserleſenen : Schmuck durch ihre Schönheit ver
dunkelnd ; es folgte der Hof, die edelſte Pracht von Burgund. Bald nach dieſem wurde die Erneuerung des Stos
268
Gefaidyte der Schweiz. IV. Budy.
nigreichs Burgundien miteinem von den Rheinmüns dungen das Land hinauf über die Alpen bis jenſeit
Mailand ſich erſtređenden Reichsvicariate 472) (def fen Kammergericht in Beſançon ſißen werde) durch das Geriicht mit ſolcher Zuverläſſigkeit verbreitet, daß der Krónungstag angegeben wurde *73). Wer follte zweifeln , da Karl die Anſtalten traf 47 ).
,,Dieſe große und merkwürdige Chat“ ſchrieben die von Bern, ,,bedenke die Eidgenoffenſchaft wohl, um zur Erhaltung alterworbener Freiheit und Ehre rů:
ſtig zu ſeyn 574 b)." Aber der Kaiſer , deſſen herr: fchender Zug Vorſicht war 475), fand Urſache zu zwei feln , ob , wenn Karl den Zweck erreicht hatte, auch die Heirath folgen würde , und fühlte, daß dieſer
!
Glanz , dieſe Macht und Ordnung , demſelben uber das Erzhaus druckendes Gewicht geben wurde. Er mag für die Wurde des teutſchen Namens wohl auch beſorgt worden ſeyn 15 b ). Nachdem er mündlich alles , was beſtimmte Gegenäußerungen håtte ver:
anlaſſen ſollen *76), vergeblich erſchöpft ; früh bei der Morgendämmerung des dritten Tags vor dem , wo
die Strónung ſeyn ſollte, faß der Kaiſer zu Schiff und fuhr nach Köln ohne von dem Herzog Abſchied zu nehmen "r). Dieſe Zuſammenkunft endigte wie die meiſten , wo machtige Fürſten fich perſönlich fehen ; Eiferſucht und Haß pflegen die Folgen zu ſeyn 76).
Nach dieſem begab ſich der Herzog in die obern Lande von Elſaß, die er noch nicht geſehen . Als an:
6. 7. Vom Wardbhuter Frieden bis burg. Krieg. 269
geſagt wurde , wie stark mit fünftauſend Pferden , funfzehnhundert lanzknechten, dritthalbhundert Wa gen und großem Zeug " 79) aus dem lothringiſchen
Gebirg , Weilerthal herab , auf Colmar ziehe , er: .
ſchrak alles Volk ; viele flohen mit ihrem Vermo
gen ; der Landmann ſah auf die Städte, ſie zuſam men alle auf den Schweizerbund. Colmar, als die Welſchen zu allen Thoren herein ritten und viele durch Pfade im Geſträuch ſich der Stadt heimlich näherten, ſchloß in ånglicher Eile die Thore. Sechs Tage drůdte die Breiſacher die fürſtliche Gegenwart ; Hierauf hårter die zurüdgelaſſenen Flamingen und
Picarden. Dieſe, ficher von Hagenbach nicht ange geben zu werden , überließen ſich allem unerlaubten
Genuß • ). Der Herzog, über den Kaiſer unmu thig , war in folcher Stimmung , daß er weder um die Freundſchaft der Fürſten") , noch um das Volk ſich bekümmerte. Bei Enſisheim hielt er Muſterung ; fuhr nach Beſançon. Der Nuncius , der Cardinal
Rolin von Autun , der Kurfürſt von Söln , Ge: ſandte von Arragonien und von Venedig, des Stur fürſten von der Pfalz , des Herzogs pon Bretagne, umgaben ihn. Unterwegend fand er zu Tann zwei 1474
Altſchultheißen von Bern, Nicolaus von Scharnach- 8 Jár. thal, Herrn zu Oberbofen , Ritter, und Petermann von Wabern, Herrn zu Belp 8) : ,,Die Stadt Bern ,,und gemeine Eidgenofen von Städten und lan
„ dera , von ſeinen Vätern an Gnade und Freund orſchaft gewohnt , betrachten ſeine Ankunft in dieſe
270
Geſchichte der Schweiz. IV . Budo.
,,Oberlande als das Mittel , einige Beſchwerden zu „feiner Senntniß zu bringen , und ihre Abhülfe zu ,,erhalten. Es habe Bilgeri von Howdorf, in ſeis „ nem Dienſte und auf ſeinem Boden , beigelegte
„Feindſeligkeiten erneuert 18 ). Es habe der Land ,, Vogt von Hagenbach die Mühlhauſer einerſeits aller ,,Gefälle und einzunehmenden Zinſe , ia bes freien
,,Handels , beraubt , und anderſeits ihre Paſſiv „ ſchulden mit unbilliger Strenge eingefordert. Sie, ,,gewiß , daß über die fchweizeriſchen Vorſtellungen der Herzog nur ungünſtig berichtet worden * ),
,,empfehlen ſeiner Billigkeit eine Stadt , welche ih: „ nen bundsverwandt rey , und in feines Freundes, ,, des Pfalzgrafen), Schirm ſtehe; ſie bedürfe nur ,,einige Friſt. Endlich bitten ſie, daß dem Landvogt
feine (dmachvollen Drohungen wider die Schweiz ,,unterſagt werden.“ Beweglich, beſcheiden , ſprach die Geſandtſchaft , und wurde in beſſeren Stunden
gehört worden ſeyn. farl, von ihren Feinden um: ringt , empfing ſie talt ; jener Gebrauch ſeines Ho:
fes , fich auf ein Anie niederzulaffen , wurde nicht nachgefehen , nicht abgekürzt 086); Karl zuleßt mit wenigem : ,,Sie rollen ihm nachreiten." Von Dijon zogen fie ohne Antwort heim. 10.
In denſelbigen Tagen verabredete Ludewig der
Jän. Eilfte mit Niclauſen von Dießbach, Geſandten von 1
Bern (welche Stadt ſich aller Eidgenoſſen ermåde:
tigte) , einen Bund " ) , welcher auf burgundiſde Striege berechnet war **). Der König wollte die
C. 7.
Pom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
271
Schweiz ermuntern ; ihr ſchien reine Unterſtüßung weſentlich. Jedem Theil wurde was er bedurfte, dem König eine genügende Menge Soldaten 189) um
fünftehalb rheiniſche Gulden Monatſold
) ; von
ihm den Schweigern jáhrliche zwanzigtauſend Frans teng), in Kriegszeiten vierteljährlich ſo viele tau fend rheiniſche Gulden 698) , verſprochen ; alles auf
das zutrauligſte "93), und auf ſo lang der König lebe. Dieſe Dinge wurden zwiſchen ſehr wenigen , in große ter Geheim , verhandelt. (
agen ba ch . )
Peter von Hagenbach , nachdem er den Herzog beredet , nur fremde Kriegsmacht und ſtrenge OC I
walt fónne teutſche Widerſpenſtigteit båndigen '9 )
und nun achthundert Niederländer nebſt dem Ver ſprechen lombardiſcher Kriegsleute zur Bededung 15. erhalten , feierte zu Cann ſeine Vermählung mit ei- Jan. ner vielen großen Häuſern verwandten "9 ) Gráfin
von Thengen. Auf die Freudentage luð er die Ed= len und Städte 196 ) , doch daß er Hochzeitgeſchenke
zur Schuldigkeit machte ' ). Ueberhaupt vermehrte
er die Auflagen , auf daß das Land , welches unter Deſtreid ſich ſelbſt geſchirmt, das welfche Striegos volt , feine Unterbrüder , nåbre. Die Jagd , der
Edlen Luſt, eignete er dem Fürſten zu. Um deit
Verbrauch der Truppen zu erleichtern , verbot er die Ausfuhr , ſo , daß er bem Bürgermeiſter Peter Rot von Baſel die Früchte reines eigenen Landgutes
nicht ließ 498). Dieſe ungewohnten Dinge und der
Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
272
Muthwille mit Weibern bewog viele Städte, unter
eigenen Hauptleuten für ſich zu ſorgen (99 ). Endlich wurde mit Freiburg in Breisgaut verabredet , ihn
zu Breiſach bei nachtlicher Weile zu überraſchen : welches verſäumt und verrathen, Vielen Urſache gro: Ber Martern, ihm zu größerer Vorſicht Beweggrund wurde. Schrecken ſchien ihm die beſte Gewahrſame,
der Größe Starls die anſtändigſte. Da er vernom mer , man wolle in dem Städtchen Tann den Se: borſam nicht nach ſeinem Gebot , fondern gewiffen .
Freiheiten , abmeſſen , beſchloß er , dem Lande zu zeigen , was pon ſolchem Benehmen zu erwarten
fey , und regte einen Landtag nach Tann. Früh als wenige dem Schlaf rich entwunden , erhielt er durch Zuſage die Deffnung der Thore. Nicht wegen
Straßenraub , den er vortrefflich hinderte 5 ), Ton : dern aus Furcht vor ſeiner Gewalt waren die Städte
verſchloſſen . Hierauf wurden alle anſehnlichen Búr: ger zu eilendem Geſchäfte auf das Rathhaus genó: thiget , entwaffnet, verſchloſſen , dreißig zum Tode I
auf den Plaß geführt. Alle Anweſenden feſſelte Ent:
feßen . Ein Weib , deren Mann der fünfte unter dem Beil fallen ſollte , fie , deren Blick vor ſeiner Noth die Welt entfchwand , brach mit ſolchem Ge: ſchrei durch die Reihen , daß plóßlich allgemein die Stimme der Natur die Scheu unterdrüdte und mit und ohne des Landvogts Willen die Männer logge:
bunden wurden 501). Die Semordeten ließ er tang auf dem Plak, die Geretteten büßte er um ihr Ver: mo :
5. 7.
Bom Walbahuter Frieden bis burg. Trieg.
273 4
mögen. Die Fürſten der Teutſchen , an Formen gebunden , und Städten die Wahl ihrer Obrigkeit laffend , wiſſen (meinte er) nicht zu herrſchen ; die Ammeiſter , die Bürgermeiſter muſen ſeine Leute oder gar nicht ſeyn 5 ) ; der dem gewaltigen Gent mit Hohn die erſtrittenen Freiheiten zerriß 503),
werde Breiſach zu zwingen wiſſen ! Dieſes bedachten die Städte und Herren , und ob rathram ſey , den ungleicheu Kampf in Zeiten aufzugeben , oder Kraft zu demſelben zu ſuchen ; wel ches lektere eine Verwandlung der mehr als andert:
halbhundertjáhrigen Erbitterung in thátige Freund ſchaft mit der Schweiz erforderte. Weniger in den
guten Fürſten von Oeſtreich , weniger in dem tyro liſchen und vorländiſchen Volf, in Sitten halb ſchwei geriſch und ſelbſt gern frei, als in den Adeligen war der Haß. Dieſe beugte der Landvogt gewaltig. Der erſte Schritt, welcher Deſtreich und die Sd)weiz weſentlich näherte , geſchah durch den Biſchof 311
Baſel Johann von Venningen , Pfalzgraf Ruprech :
ten, Biſchofzu Straßburg, Markgrafen Karl, Schwa ger des Staiſers , die Städte Straßburg , Schlett ſtatt , Colmar und Baſel, die mit beiden Theilen
in gutem Vernehmen ſtanden. Sie und nebſt Mühl hauſen die ſchweizeriſche Eidgenoſſenſchaft verabrede ten auf zehn Jahre eine ſolche Vereinigung, bei der biedere Treu genaue Beſtimmung entbehrlich mach
te so ), doch die Abtragung der Mühlhauſiſchen Schul den und, wenn Sigmunds Herrſchaften geldſet wur: 3. V. Müller: rämmtl. Werte. XY.
18
974
Ceſchichte der Schweiz.
IV. Bud .
den 5o5) , Vorſchuß des Pfandchillings verſprochen wurde. Um dieſelbige Zeit wurde ein altes Mißver: háltniß deren von Rapperſchwol mit vorländiſchen Stádten Sb) durch die Züricher berichtiget. Ber Weis: heit ſucht, ſprach das Volk, der gehe nad Zúrich ). ( Geſandtſchaft Burgund . )
Alles dieſes , in allem die Hand Ludewigs, und
Gerüchte von einem Bund deffelben mit der Schweiz und von einer Vereinigung dieſes Boltsmitder oftreis
chiſchen Macht vernahm Karl zu Dole , da er eber in Vereinigung mit England 567b) einen großen Plan
wider den König vorhatte. Beunruhiget , eitte er sos) , Wilhelmen de la Baume, welcher in den
6. größten Sachen der obern Lande ſein Vertrauen hatte, März. nach Bern und Freiburg und mit folgendem Auf trage an den Grafen von Romont zu ſenden song) :
„ daß, und wie die Anhänglichkeit an ſein Haus durch „ franzöſiſche Liſt bei den Eidgenoſſen untergraben ,, tverde , wife der Herzog , und wünſche zu ergrun:
„ den , ob es wirklich bis zu einem Búndnis ſchon gekommen fer. Alſo wolle der Graf under : zuglich durch Herrn Heinridy von Colombier, Nits
„ ter , und Johann ulard , in allen Städten und „ Låndern vortragen laſſen : ,, Zwiſchen ſeinen und ,, ihren Vatern , zwifchen Burgund, Savopen und
„ Schweizerland, fer trauliche Freundſchaft alther:
,, kömmlich ; man höre, es ſuchen gewiſſe Reute durch das Vorgeben fie zu ſtören , daß die Pfandſchaft „ * pu Pfirt und Deſtreichiſch - Elias 5 ) zum Nach:
6. 7. Vom Waldshuter Frieden bis burg. Firieg.
275
„ theil der Eidgenoſſen dibernommen worden . Wenn „der Herzog ſie hätte ablehnen wollen , ſo würden dieſe Länder zu feinen großen Schaden in gefähr: ,, liche Hände gekommen ſeyn 51 ). Ob die Ausfuhr „ Weins und Getreides ſeither unterbrochen , ob -an
„ Zollſtåtten die Schweizer anders als einheimiſche ,, behandelt worden 5. ) ? Db , ftatt Anſprüche auf
ufuwärmen, der Herzog nicht beirufet geweſen , den ,,Erzherzog zu ihrem guten Nachbar zu machen? Sollte ,, der Vogt sagenbach ſie beleidiget haben 55) , fo
fer es ohne des Herzogs Wiſſen begegnet ; das „ werden ſie aus der Veſtrafuug ſolcher Mißbrauche feben 54)." Die Geſandten , da ſie zuerſt nach Freiburg rit ten , wurden durch Herrn Roll von Wippingen , Schultheiß , ehrenhaft und gaſtfrei empfangen sis). Es gedachten die Alten im Katly viel guter Freund ſchaft aus der Zeit Herzogs Pyilipp 516); jedermann wußte, wie storn , Wein, Giren und Salz aus Bur gund bequem und ungehindert zugeführt wurde.
Die Geſandtſchaft wurde ohne Klage freundlicyſt ents laſſen . Zu Bern ag auf dem Schultheißenſtuhl Nicolaus
pon Dießbach 513), in der Blüthe der Jahre 518) und der Wohlredenheit , reich und gaſtfrei, durch Sit ten und Gaben der Bürgerſchaft lieb , fühner als man in einer freien Stadt ſollte rern dürfen ; ent ſchieden für den König. Fünf Altdultheisen um ihn ,
fünf Ritter, ſieben andere Junfer und von búrger:
276
Geſichte der Saweiz . IV. Buch .
lichem Namen zwölf Ráthe; Máuner , deren viele ehrenvoll im Andenken der Nadywelt geblieben 519).
Die großen alten Geſchlechter, der Altſchultheiß Ha brian pon Bubenberg an ihrer Spiße, verehrten mit Liebe den burgundiſchen Hof. Viele aber, die durch eigenes 520) oder durch ſein Unſehen bei Náthen und
Bürgern das große Wort hatten , meiſt neuere Fa: milien , welde wie er dem gemeinen Mann freunds licher zuthaten 5 ), hielten dem regierenden Schult: heißen bei.
Von ihm wurde aufgebracht, ſowohl
vor den Sihungen ſich in geheim zu verabredeli, als unter ( dem gewöhnlidien Dedmantel unlauterer Dinge) dem Vorwand von Staatsheinlichkeit, über die größte Sadie wenige für alle zu ermádytigen 5 ).
Damals in ſeiner Abweſenheit überwog dieſe Partei noch nicht völlig den Willen der Mehrheit, aber uns ternehmende Junglinge wurden mehr und mehr ge
wonnen ; man verſöhnte dein König den geiſtreiden Rathsherrn Heinrich Matter , deſſen Water an der Virs durch die Armagnaken fiel 543) ; der Stadt Vern Sterndeuter , deilen 20infe nidyt ohne Einfluß wa ren , nahm von den Burgundern Geld 543 b). Die burgundiſche Geſandtſchaft erhielt eine Zu ſammenberufung der Ráthe und Bürger s ) , vor
welcher ſie mit anſcheinendem Beifall 536) ihren Auf: trag vollzog . Da ſie abgetreten , verlangten die Búr:
ger 526) das Gutachten Peter Kiſtlers, der Statthal:
ter des Schultheißenamtes war, des Sadelmeiſters Frankli 5 " ) und wen Tugend und Weisheit ſonſt
6. 7.
Bom Waloshuter Frieden bis burg. Krieg.
277
auszeichnete, und freuten ſich der liebereinſtimmung
zu befriedigender Antwort. Hiermit wurde der Altſchultheiß von Bubenberg , der edle Ritter , der drei und neunzigjährige Sadelmeiſter und andere
vornehme Rathsherren in die Herberge zu den Ge: ſandten verordnet 528). Nachdem ſie , unter ſchönen Worten für Karl,1 den Entſchluß erklärt, ſo wenig ihn als den ftónig beleidigen zu wollen ,I fügten ſie den Wunſch bei, daß dem Vogt Hagenbach eine mil
dere Behandlung und in Worten und Werken Bes fcheidenheit vorgeſchrieben wurde. Sie erzählten, wie er die von Straßburg und Baſel, ihre Freunde, und ihre Eidgenoffen die Mühlhauſer brúde , und über alle Eidgenoſſen !, über Bern zumal , veracht:
liche Aeußerungen beg) fich ro öffentlich erlaube, daß er fie durch Scherz zu entſchuldigen ſuche, doch nicht wagen dürfe zu läugnen. Nach möglichſter Entſchuldigung begab ſich die Geſandtfdhaft in die Orte, wo der Einfluß Foſt's von
Sillinen am widrigſten wirken mochte 55 ). Die leis tenden Männer waren meiſt abweſend , denn alles verwidelte ſich, ſo daß ungemein viele Tagfatzungen
gehalten wurden. Von dem Luzerniſchen Kath wur de , ohne Verſammlung der Gemeinde 55 ), übri gens beruhigende Antivort ertheilt. Sehr ehrerbie: tig wurde die Geſandtſchaft von der Landsgemeinde der Unterwaldner 63+) empfangen : ,,Und erfreut nicht
„ wenig, daß der mächtige Herr von Burgunden un fer armes , einfaltiges Landwefen auch nicht vers
278
Geſchichte der Salreiz. IV. Suc.
gibt.533 ). Unſere Waare iſt Vieh und was zu ma ,,chen iſt vom Vieh 554). Der Handel geht beſſer, walles iſt wohlfeiler, ficherer 555), ſeit euer Herr die ,, lande hat. Gott ſey mit ihm !" Die Geſandten, in Begleit eines Nathsherrn von Stanz, gogen in
das Land uri. Schon waren die Hirten zu Alp, die Herren auf Tage gefahren . Doch war der Em pfang eyrenvoll , und liebreich der Beſcheid. Die männer von Schwyz übernahmen , denen von Gla ris zu ſchreiben , und eine Tagfaßung aller Eidge: noſſen zu veranlaſſen . Nachdem ſie freundlich zu
Zug , von der ehrwurdigen Verſammlung des gro Ben Rathes der Stadt Zürich 536) mit Auszeichnung
und Bereitwilligkeit gehört worden , beſuchten die Geſandten zuleßt Solothurn . Sie wurden mit Chrfurcht und herzlich empfangen 53) , und wenn nur Peter Hagenbach gegen Mühll)auſen billig und
in Reden vorſichtiger fer 553) , alles Guten ver: ſichert. (Ewige Richtung .)
Aber auch der Kaiſer und der König waren von der Nothwendigkeit einer Beſchránkung der bur: gundiſchen Fortſchritte To überzeugt, als , daß die
Schweizer am geſchickteſten dazu ſeyen, und bearbei: teten die Eidgenoſenſchaft. Friedrich batte ſchon zu Baſel durch gute Worte viel eingeleitet und ge
gen Hadrian von Vubenberg fich nachmals deutlich geaußert 59). Doch , dag nach Morgarten, Laupen, Sempach , Nafels , dem Concilium , dem Züricher,
6. 7.
Pom Waldshuter Frieden bis burg. Strieg. 279
dem Thurgauer , dem Waldshuter Kriege die Her: ten von Deftreidy feſten Frieden und gute Freunde ſchaft wollen , Tchien den Häuptern der Schweiz noch damals unglaublich , als der Adminiſtrator von Gres noble , Foſt von Sillinen Sto) , auf einer Durchreiſe
nach ſeiner Propſtei Beronmünſter 5 ) das Gegen theil fagte 542). Dem erzherzoglichen Hofe , welchen er hierauf beſuchte , ſchien auch noch unwahrſchein lich , daß die Schweizer dem udel, dem Pfauenſchweif, den rothen Streugen gut werden könnten , und un klug, daß das Erzhaus die Anſpruithe aufgebe. ,, Die
verlornen Länder " erwiederte der Prálat find wewig verloren . Aber neuer Krieg wird neuen ,,Verluſt herbeiführen ; inde wahre Ausfóbnung ,, Deftreich ſichert, und gute Freundfchaft Gewinn
,,möglich macht. Ich , ein Schweizer , kenne das ,, Boll ; es würde ſich berbeilaffen .
Die Ausſicht
ſchien betrachtungswürdig. Es kam zu Tagen ; wie
wir oben erzählt.
Solchen , die über alten Haß
die gebieteriſche Gewalt der Umſtände vergeſen , fchien guter Erfolg lang unwahrſcheinlich. Den Herren und Städten wurde Hagenbachs Foch uner:
träglich ; ſo daß alle dem Erzherzog fehr anlagen. Endlich kam Joft von Sillinen mit Graf Hanns von Eberſtein als franzöſiſcher Botſchafter auf ei nen Tag zu Coſtanz, dem der Herzog felbſt beis wohnte.
In dem hundert neun und funfzigſten Jahr nachdem die Schweizer von Morgartens Höhe zum
280
Geſchichte der Soweiz. IV . Buď .
erſten Mal wider die Deſtreicher geſtritten , acht und achtzig Jahre nachdem bei Sempach Sigmunds
Großvater den Heldentod nahm, in den erſten April: tagen des tauſend vierhundert vier und ſiebenzigſten Jahres ſchwur Erzherzog Sigmund bei fürſtlichen Würden und Ehren , ſchwuren alle Städte und Lån
der der ſchweizeriſchen Eidgenoſſen, unter. Gewähr: leiſtung ludewigs des Eilften , Stónigs in Frant: reich, zu Soſtanz die ewige Richtung* ) . „Adler Krieg und.Sroll iſt abgethan ; jedem
„ Theil bleibt was er hat ; hierin wird er von den ,, leuten des andern , die er beſoldet, behauptet; ,,alle Bücher , Urbarien und Regiſter , welche die
„ eingenommenen lande nicht betreffen , werden „ dem Fürſten überliefert S). Außer in denſelben ,, fanden und in uneingelóſeten Pfandſchaften bleibt ,, dem Firſten ſeine Herrlichkeit und Lebenſchaft. ,,Die Biſchöfe , die Stadte , zu Soſtanz und Barel, „richten alle Kriegsforderungen S) , Rechtloſigtei ,,ten 46 ) und Staatsfragen 547) ohne Appellation .
,,Nur die Haushåblichen ſind Bürger und Land ,,leute 48). Kein Theil gibt Feinden des andern „ Theils Aufenthalt noch Durdypaß. Es ift , ohne ,,alle Zollerhöhung , Handel und Wandel frei. Das
dworen die Waldſtätte, der Wald, und die Herr: fchaft Rheinfeldensb) ; jene, die vier Waldſtatte, ,, find in Gefahren der Schweiz ihre offenen Hauſer . „Alles dieſes wird von zehn zu zehn Jahren öffent: „lich verfündiget.“
6. 7. Pom Waldshuter Frieden bis burg. Arieg. 281
Sofort nach dem Schwur der ewigen Richtung
unterſchrieben die Städte der niedern Vereinigung519) unter Gewährleiſtung des Königs in Frankreich den Porſchuß des burgundiſchen Pfandgeldes.
In der
allgemeinen Freude des Landes und der Geſandten aller benadybarten Fürſten 550 ) machte Erzherzog Sigmund ſich auf, ritt mit Karl von Baden und vielen vorderóſtreichiſchen Herren 55) in die Stadt Zúrich , fuhr den See hinauf, beſtieg den vielbe tretenen Weg zu Unſer Lieben Frauen in den Ein
ſidlen , Oſtern alda zu halten. Da ſah er von der Höhe des Egels den ganzen Brüel , bedeckt von den Waldleuten , und Männer von Schwyz, die bald mit ſtattlichen Reden und einer Schenkung
nach Landesart ihn und die Rathsboten von Zürich freundlich empfingen. So bald fund geworden, die Herren von Deſtreich wollen von nun an herzlich gut
den Eidgenoſſen halten , verſchwand in zutraulicher Freude alles Andenken der vorigen Zeit ſo ., daß in der nächſten Schlacht 5515 ) Landleute und Ritter brüderlich mit einander wetteiferten 55 ). Als der
Erzherzog am Oſtermontag fich wieder nach Zürich begab , wurde er auf dem See von ( chóngezierten
Schiffen aller anwohnenden Gemeinden und von den Bürgern der Stadt unter hohem Jubel ema pfangen ( wie einſt rein Urvater, der erſte Ge
krónte von Habsburg , wenn er , noch Hauptmann von Zurich, mit der Beute von uzenberg den
See herabfuhr), Sigmund , fehr frohlich bewira
Gefühichte der Schweiz.
282
IV . Bucy.
thet 55 ) , pon Ráthen und Bürgern bis Winter thnr begleitet, ritt kaum je ſo zufrieden in fein Land; nach Frankreich Joſt von Sillinen und der Schultheiß von Bern Nicolaus von Dießbach 5 *), demKönig die ewige Riďtung zu bringen . So eil:
ten die Stadte , daß dem Herzog von Burgund in wenigen Tagen angeſagt wurde , der Pfandídilling zur Löſung liege zu Baſel. (Hag er ba ch .)
Auf die Nachricht von dem Tag zu Coſtanz, beim Unblick des erwachenden Muthes , fand Peter von Hagenbad , naher Verſtärkung ſicher sss) , nothwen dig, ſich eines haltbaren Plaßes zu verſichern. Dazu .
wählte er die von der Natur ausgezeichnete Lage Breiſachs, einer am Rhein zwiſchen zwei freiſteben den Hügeln und an denſelben ſich erhebenden Stadt. Er hatte auch zu Tann ſchon und feſt gebauet , und
an bequemen Orten für ein Heer Proviant nieder: gelegt. Nur fehlte ihm , wie ſeinem Herrn , die Ueberzeugung, daß Waffen und Geld nichts ver mögen , wenn man verſchmåht die Gemüther zu gewinnen , oder zu tauſchen . Nachdem am Palmenſonntage die ewige Rich : 1
tung beurkundet worden , erſchien am ſtillen Frei: tag der Vogt mit lármender Kriegsmufif 556) zu Brei: fach , unterbrach die Predigt von den verſöhnenden Leiden , und nöthigte den Pfarrer, ihm eine voll: ſtandige Meſſe zu halten s ). In denſelbigen Tagen
ordnete er den Stadtrath aus Leuten ſeines
6. 7.
Boin Waloshuter Frieden bis burg. Krieg.
Ginns 558 ).
283,
Nach den Gefdaften uberließ er ſich
dem Genuß , auf Koſten der Ehre eines verheira theten Bürgers 559). In der Oſternacht, wo damals viele in der Kirche den Anbruch des Auferſtehungs tages erwarteten Soo), unternahm er , mit Lombar:
den die Stadt Enſisheim , die widerſpenſtig war, zu erſteigen. Nicht leicht bleibt geheim , was wider Willen des Landes iſt , ſo daß dieſer Anſchlag mit Verluſt vereitelt wurde 561). An dem Tag, wo die Chriſten ſich freuen , daß der Herr den Cod
10 .
April
überwand, ſtórte er die Feier durch das Gebot, mit Ablegung der Waffen , von welchen umgurtet ſie die Kirche beſucht, ſollen alle Breiſacher von jedem Stand und Geſchlecht an Befeſtigung des Brüden
kopfs arbeiten 56- ). Seine Feinde haben vorgegeben, daß er die Stadt ihren Einwohnern zu verſchließen und mit ausländiſchen Truppen
zu halten ge
dacht 563). Unwilig , zwiſden Entſchlüſſen wankend, ſtanden die Burger auf dem Plat. Da hörte Frieb
rich Vögelin , deſſen Muth Vertrauen gab ,
der
,,Vogt habe ſeinen Bruber , der ſich nicht entwaff ,,nen wollen , gefangen . “ Dieſen Anlaß ergriff
er , mit vielen ſeiner Freunde zu ihm zu gehen. Hagenbach verſagte Loslaſſung, weil der Mann keine Rieu zeigte. Vögelin , ergrimmt , fiel über den Vogt her. In dem Getümmel , da Vorſichtigere Mord hinderten , wurde Hagenbach die Treppe hinunter geworfen . Er eilends auf den Plak , zwei felsohne, um Soldaten zu rufen. Da wurde er
284
Geſchichte der Schweiz. IV. Brio .
von zuſammengelaufenen Bürgern gefänglich zu dem
Bürgermeiſter gebracht56 ). Alles zeigte Verſtand niß des Erzherzogg 565) und Könige. So war noch die Stimmung Burgunds und ſo war in der Schweiz der Stand der Parteien, daß ( wie in ähnlichen Fål: len) eine beleidigende That geſchehen mußte , um den Krieg unvermeidlich zu machen . Als der Vogt unter entfeßlichem Geſchrei ver : haftet worden , ganz Breiſach voll Wuth und in
Waffen war , die achthundert Lombarden und Fran: zofen aber , ohne Kenntniß der Sprache und des An:
ſchlags und ohne Commando , jeder in ſeiner Her: berge alles zu fürchten hatten , ließen dieſe ſich be:
wegen , durch ſchnellen Abzug für ſich zu ſorgen ). Alles wurde in wenigen Stunden zu Freiburg und Baſel tund gethan . Da wurde Hagenbach zuerſt von den Vaſelern und andern Städten, deren Bür: ger Forderung an ihn hatten , zu Recht verboten 56). Alſo wurde er aus des Bürgermeiſters Hauſe in den Sterker auf einem Thurme des Stadtthors ge:
bracht und in Bande gelegt 56 ). Als die Ráthe Sig: munds hörten , der burgundiſche Vogt rey zu Brei:
fach gefangen , und fónne dem rechtmäßigen Herrn für die übertretenen Bedingniffe der Uebergabe des Landes bußen , beſchloſſen ſie, nichts ohne die Eid:
genoſſen zu thuns ). Der Erzherzog, ehe Karl von Burgund über die Pfandauffúndung Maßregeln er: 20 .
greife , fam ſtart begleitet 570) nach Baſel. Bon da
April ſandte er Herrmann von Eptingen mit zweihun :
E. 7.
Pom Waroshuter Frieden bis burg. Krieg. 985
dert Pferden als Vogt in die lande zu Erneuerung ber Pflicht. Sie wurde durchgehends freudig be: fchworen . Anton von unſterol übergab das feſte
Haus zu Tann , wider alles Volk zu ſchwach "'). Dieſe Wendung der Sachen wurde ſelbſt von Stin dern wie ein Sieg beſungen 5.) .
Der Herzog von Burgund ſchrieb liber die Pfandauffindung dem Erzherzog folgendes : „Nicht geſucht , ſondern empfangen habe er dieſe Lander ,
zu der Zeit als Sigmund ſie gegen die Schweizer „ nicht mehr behaupten konnte. Die Einlóſung rey ,,nicht förmlich in Beſançon vertúndiget worden 5 ). ,,Der Erzherzog rolle bedenken , daß bei gewaltſa ,,mer Eiunahme er mehr von ihm , als zuvor von „ den Schweizern zu fürchten habe.“ Es wurden mehrere Truppen gegen die Lande beordert; indeß
- Peter von Hagenbach , um los zu kommen , alles verſprach 5 ). Wenig rüyrt die Todesnoth des ge fangenen Dieners , wenn ſein Blut Rache zu ent ſchuldigen ſcheint. Nachdem der Ritter bei vier. Wochen 5) durch
die ungewohnte Begegnung mannichfaltigen Tod er litten , erſchien das Landgericht. Seit mehrern Ca gen verſammelten ſich auf Mahnung der erzher zoglichen Kåthe die Boten aller anſehnlichen Ges meinden von Sundgau und Breisgau , der ober
elſaſſiſchen Städte, die von Solothurn, Baſel, Bern und Luzern, und eine in die tauſend gebende, durdo Haß und Neugier aus Nachbarſchaft und Ferne zu
Geſchichte der Schweiz.
288
IV. Buch.
digung in des Herzogs Gegenwart unbedingt ge: „ ,weſen . Von dem an habe er Geld nach Bedürf
,,niß gehoben , und Wohlgeſinnte über die Städte gefeßt , Rebellen beſtraft. Von legterm habe die ,,Nothwendigkeit der Herzog , ja der Kaiſer , er: ,, kannt. Welche Obrigkeit ihm zum Verbrechen ,,deute , was er zu Behauptung der Obrigkeit habe ,,muffen verfügen ? Dieſer Tag fer zu groß , zu
,, ernſt, um bei dem lekten Vorwurf fich aufzuhal „ ten ; die vielen Umſtehenden , welche ſinnliches
,, Vergnügen wie er als Lebensfreude genießen, wer: ,, den aus Erfahrung beurtheilen , ob er andere „Zwangsmittel bedurft als gegenſeitigen Reiz oder ,,burgundiſche Chaler 585). “ Der Ritter antwortete den ganzen Tag wie ein fidy bewußter Mann vor ei nem Gericht , welchem Verbrechen war, was er Pflicht nannte , und Miſſethat was jeder ſich felbſt vergibt ; wie er denn , auch gefoltert 5:6), nichts aus: geſagt , als was , wenn Teutſchen noch ſo ſchreck: lich , doch feinem Herrn eigentlich zu verantworten ſtand 587). Nach der liebenten Stunde des Abends ( lichter brannten) , als der vierte Fürſprecy , ben agent: bach aufgerufen 5e ) , ausgeredet, urtheilten die Rich ter , daß ihnen in der Sache zu ſprechen gebubre 5* ), ſprachen , verurtheilten den Ritter zum Tod. Er, unerſtaunt Sgo) , bat und erwarb, nur enthauptet zu .
werden 59 ). Unter acht Scharfrichtern , die den Tr: fannen des Landes vom Leben zu bringen wett: cifer :
C. 7.
Pom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg. 289
eiferten , ſtellte der Fleinſte , der Colmarer, mit ei
nem kurzen Schwerte, rich als der geſchickteſte dar 59 ). Voraus bat er , daß der Gefangene ritterlicher Würde , welche aller Verunehrung zu hoch iſt, ofs
fentlich entkleidet wurde 593 ). Worauf,1 nach ge nommener Meinung der ſechszehn unter den Kich tern ſikenden Ritter , Kaſpar Hurter , Kaiſerlicher Herold , auftrat und ſprach : Peter von Hagen : „ bach , es iſt mir leid , daß Deine Chaten ritterli: cher Ehre und des Lebens Dich verluſtig machen . ,,Mir iſt befohlen , die glorwürdigen Zeichen von „Dir zu nehmen. Ich finde ſie nicht. Alſo im Na ,,men des Himmliſchen Schirmherrn St. Georg und „in Kraft jener auch von Dir beſchwornen Eide, er ,,Flåre ich , vor aller Welt, hier öffentlich , Did, Pes ter von Hagenbach , ritterlicher Ehren , Würde und Hoheit entgürtet und unwerth. Strenge ,,Ritter , edle zur Ritterſchaft aufwachſende Snap open, gedenket eurer Pflicht und dieſes Beiſpiels 594). “ Da erhob ſich der Marſchall des Gerichts , redete zu dem Scharfrichter : ,, thue nach dem Recht ;" alle Rid:
ter aber zu Pferd, und der Vogt in einem King, von großen Fadeln 595) umleuchtet, umgeben von der unzäh= ligen Menge, zogen aus der Stadt. Aufdem Richtplaß erhob ſich Peter von Hagenbach , und ſprach : ,,Mein
7, Leben habe ich oft gewagt ; des Codes Schreden ſebe ich gleichgültig. Um das Blut iſt mir leid,
,,das meinetwegen fließen wird. Mein Herr wird dieſen Tag råden . Ihr, denen ich als Vogt viert: 3. H. Müllers rimmtl. Wexfe. XV .
19
1
290
Geſchichte der Schweiz. IV . Budy.
,,halb Jahre vorgeſtanden 56), vergebet, was un:
„ ;weislich, was übel geſchah ; ich war Menſch ; be: ,,tet für mich.“ Hierauf, nachdem er gebeten, daß der Erzherzog feine goldene Stette und feine prád tigen fechszehn Hengſte 59 ) der Kirche zu Breifad angedeihen laſſe , erfüllte ſich der Unglüdliche mit
feinem Muth ) , faß 599) und wurde entbauptet. Der leichnam kam nach Hagenbach in das Grab ſei: ner Våter.
So weit entfernt war Herzog Karl von der Vor: ſtellung ſolcher Dinge, daß, nachdem er einigen von ſeinen Geſandten hinterbrachten Klagen der Schweiz zer abhelfen laſſen 6oo ), er auf die Nachricht von dem
Frieden mit Sigmund und von Ludewigs geheimer Arbeit noch aus dem Niederland an die Eidgenoſ fenfor) fdhrieb: „ den alten Freund , welcher nur geztoungen ihr Feind werden könne, einem neuen ,,erzwungenen Freunde nicht aufzuopfern ; der Hers ,, den an der Birs zu gedenken , welche Ludewig in „den Tod gebracht, und nicht zu vergeſſen die ſchöne Freibeit Handels und Wandels, und daß bei ihm , „ dem Ariegstugend über alles gehe, fie , duro „ Kriegstugend alle Volter übertreffend , in der ,, Achtung böher ſtehen als alle andern Fürſten und „ Gemeinden. “
Als Karl , ganz voll der Unternehmung wider Frankreich , des Unwillens über den Kaiſery and ei nes neuen Zorns úber die Kölner, den Tod Hagen :
bachs (den er geliebt , welcher allein Ihm gelebt,
E. 7. Bom Waldshuter Frieden bis burg. Aries. 291 lebend und ſterbend auf Ihn ſich verlaſſen ) , Lude: wigs Fortſchritte bei den Schweizern , und Gefahr für Burgund vernahm , zeigte Ein Blick ihm die Größe des Uebels 6.) ; Beſtürzung und Jugrimm brachten ihn ſo auser fich , daß er eher das Leben als die Rache aufzugeben ſchwur. Um unerträglich
ſten war , daß er ſie verſchieben mußte. Da er den unweifen Rurfürſten von Köln , Ruprecht , pfalzi Ichen Hauſes , der wegen verlekter Erblandesverei nigung abgefert worden, zu behaupten beſchloß, und duro Glúd hierbei den Saiſer vom Tyrone zu fto
Ben vermeinte 603) , fchien dieſe Sadie zu groß, um nicht vor allen andern ſie durchzuſeken . Eines verübte er , halb im Unwillen, halb aus einer Staatsabſicht I, an einem unſchuldigen Jungs ling. Heinrich von Wirtemberg, Sohn des reichen
Srafen Ulrichs , auf Mömpelgarð wohnhaft , war in frühern Jahren bei Karl unter Hagenbachs Auf
ficht erzogen worden , bis der Vater in Rückſicht .
anf Hagenbadhs Sitten ihn zurüdnabm Gok). Jeßt ließ Start ihn bei Luremburg aufheben , theils weil ſein Vater der niedern Vereinigung der Schweizer Feitrat Cos), theils weil für Pfirt und Hochburgand, für die Schweiz und Lothringen nichts wichtiger iſt
als der Beiß von Mómpelgard . Dieſes erwogen die Vafeler , erriethen warum Heinrich gefangen
fer und fandten Verſtärkung. Heinrich Matter und Hanns von Şallwyl waren im Anzug mit Hülfe yon Bern, Bald erſchien vor der Burg Olivier de
292
Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
la Marche, burgundiſcher Vogt im Lande Amont65b ), einer der größten und beſten des Kofes ; mit ihm der junge Graf in Banden , zitternd : ſterben, hieß
€3, foll er, wenn Mómpelgard nicht geöffnet werde.“ Die Burg ſchwieg. Da wurde ein Stud Sammt aus: gebreitet, und Heinrich (durch dieſen Schrecen auf Tein Leben lang erblodet) 66) niederzutnien genothi: get ; indem das Schwert über ihm gezogen wurde, wiederholte der Burgunder die Aufforderung. Da ſprach Marquard von Stein , Ritter , der Burg Hauptmann ub): ,,Mein Herr iſt wider Ehrbarkeit „ und Recht in euren Banden ; ihn könnet ihr „ tódten , das Haus Würtemberg nicht; ich bin al ,,Ion Grafen pflichtig ; alle werben ihn råden ." Da ließen ſie ab. Der Graf wurde einige Monate herumgeführt.67), endlich entlaſſen ; faſt ein halbes Jahrhundert lebte er noch ; von ihm das Haus sur temberg bis auf dieſen Tag. (AN6wärtige Bermåfte. )
Die Partei, welche der Schweiz die Freundſchaft sterlo entzogen , benußte die Zeit, alle andern Srán :
gen zu ſichern. Unlångſt war zwiſchen Mailandiſchen Rebsorden
und Pferbehandlern von Schwyz eine verdrieblide Verwidlung entſtanden . Da Galeazzo Maria , deí: Ten Regierungsart unordentlich war , die Jahrget:
der unrichtig bezahlte , und dem Recht in jener Sache capitulatmáßigen Gang verſagte bu ), rurbe
von Schwyf und Uri das Geſchäft gemeineidgenoſ:
T. 7 .
Pom Waldshuter Frieden ble burg . Krieg .
293
fiſch gemacht. Sirtus IV. beförderte die Erbitterung, auf daß der Herzog die Vergrößerung ſeiner Nepo ten weniger hindern könne. Viele aus den Wald ſtåtten waren aufgebrochen. Bern aber , und alle , die Burgund gereizt hatten oder fürchteten , erhiel: ten durch die Mühe vieler Tage 60g), daß, bei hoher Geldſtrafe 616) oder Aufhebung des Sapitulates, das
gewöhnliche Recht ſchleunig wieder in Gang gebracht werde 611). Der gute Herzeg Amadeus von Savonen , dem feine Unſchuld den Beinamen des Seligen erwarb,
hatte, wenn er je anfing , zu regieren vor ſeinem Tode aufgehört. Eine Parteiung ſeiner Bruder 6 )
hatte Jolanten von Frankreich, feine, Savoyen durch ihn beherrſchende Gemahlin entfernt, Chambery die Hauptſtadt , Montmelian , des Landes Schlüffel, bereht. Dieſe Sewaltthat erregte den Unwillen des Königs ihres Bruders, des Herzogs von Burgund,
ihres Freundes 613) und inehr noch von beiden und Mailand und Vern politiſche Aufmerkſamkeit. Es wurden folche Anſtalten getroffen , daß den Gefand, ten der Berner und Freiburger auf der Perouſe bei Montmelian die Feſtrebung vorläufiger Artikel 6 ),
nachinals zu Chambery die Vermittlung eines Haupts vertrags 615 ) überlaſſen ward. Amadeus , múde
einer Welt , worin er nur litt 66) , reich an Wer: ken der Andacht und Liebe 61) , ſtarb 68).
Die Brüder abermals wider die Wittwe , die
294
Gefdichte der Schweiz. IV. Buc.
nach ſeinem legten willen für ihren ſiebenjährigen Erſtgebornen die Regentſchaft ubernahm ; bis nad mannichfaltigem Kampf der Leidenſchaften und A6 ſichten für die Herzogin , doch fo entſchieden wurde,
daß ſie nichts Wichtiges ohne den Biſchof zu Genf unternehme. Johann Ludewig von Savoyen , Fúrſt,
Biſchof zu Genf 69) , in Tarantaiſe Erzbiſchof , Bi roof auch in Maurienne, zu Peterlingen und über
neun andere Kloſter Abt oder Propſt 60) , war des verſtorbenen Herzogs jủngſter Bruder , ein Herr voll Geiſt , Straft, flug fich nad Umſtänden zu fü gen , übrigens auf ſein Anſehen haltend ( inſofern er über finnlichen Lebensgenuß es nicht etwa ver:
gaß) 620 b). Montchenu , ein Untoniter Comthur, und ein Edelmann mit Namen Chifiy , waren ſeine allvermogenden Lieblinge 1, die er wider ſeine Bru : der zu behaupten wußte. Der Comthur ſtufte lice
auf den König , Chiſty war burgundiſch. Durch dieſe oder eine andere Eiferſucht entzweit , wagte Montchenu , den Chiffy , der ihn ganz mit Weibern
beſchäftiget glaubte , in des Biſchofs Zimmer und Bette gefangen zu nehmen , und im bloßen Hemde, auf ein Pferd gebunden , fortzuführen. Vergeblidh; ſein eigener Bruder, welcher in Weibergeſchwáß die
Zeit verlor , wurde bei plößlichem Aufſtande der Genfer zwiſchen den Thoren gefangen ; ihn zu ld:
fen , wurde Chiliy dem Viſchof zurückgegeben. Es I
vergaß Johann Ludewig die Nache des beſchimpftea Lieblings nicht , begab ſich , er der vierzigſte, von
E. i. Bom Waldshuter Frieden bis burg . Strieg. 295
Genf insgeheim nach Piemont , fand den Gegner unter Damen bei Tafel , gab ihm den Tod 6.).
Als die Schweiz mit Burgund in Mißhelligkeit tam , erinnerte Bern die Herzogin der durch wech Felsweiſe Wohlthaten befeſtigten Freundſchaft6). Jos lante , ihres Bruders Künſte durchſchauend ,, aber
mit Karl in vertrautem Briefwechſel, und ſelbſt für ihre Kinder Erhaltung des Gleichgewichts wünſchend,
bot Bermittelung 65) ; wenn dieſe unmöglich , ſo bat fie , außer Theilnahme zu bleiben.
Dieſer Wunſch der Herzogin mochte ernſtlich feon 6 ). Ihr Schwager, Jakob von Savoyen, Graf zu Romont , Herr der Waadt 1, wodurch die favopis
foe Herrſchaft an ſchweizeriſche Lander gränzte, war durch unmäßige Striegesluſt hoch in der Gnade Karls
von Burgund 6:5). In ſeinem Namen führte An ton von Avenche die Regierung der Waadt. Her fömmliche Rechte wurden geſchirmt 66), Freiheits
briefe nach ihrem Sinn beurtheilt 6). Peterlingen , welche Stadt neben der Abtei nicht wenig blühete, wurde von den Bernern und Freiburgeru 68) wie ihres Gleichen geehrt69). Die Würde des Lauſanni Foen Stuhls batte Erniedrigung erlitten : Als das
Domcapitel , durch die Ablehnung der Wahl eines Prinzen 65o), das herzogliche Haus beleidiget , ſchien Sirtus dem Vierten die Gelegenheit für Bereiches rung eines Nepoten gunſtig. Dieſer, damals Cars
dinal, nach langen Jahren der große Papſt Julius, kam dadurch zur Nußnießung , daß er Burkarden
296
Geſchichte der Soweiz. IV . Buch.
Stór, in geiſtlichen Geſchäften zu Bern höchſt ans geſehen , das Generalvicariat perſprach . Sobald die Furcht vor Bern von den Lauſannern Unter: werfung erzwungen “s ) , reßte er zum Generalvicar einen ſeinem Privatintereſſe ergebenern ItalienerS3 ). Die ganze Regierung der Waadt war ſchwach, zwei
deutig die Geſinnung des Herrn, offenbar in allem das Uebergewicht von Bern. Graf Rudolf zu Neufchatel, aus dem Suſenbergis fchen Hauſe der Markgrafen von Baden, Sohn Wil helms , der Zürich einſt für Oeſtreich inne gehabt,
war den Fortgang reines Glüds dem Herzog von Burgund 633), aber den Anfang den Bernern ſchul dig 63*), ohne die er viber die Neufchateller ſelbſt nicht viel Anſehen behauptet haben würde ess). Da er
bei entſtehendem Krieg von beiden zu fürchten batter blieb er den Bernern ergeben , ſein Soha Philipp in des Herzogs Dienſt.
zu derſelbigen Zeit war der Jüngling von Loth ringen, Herzog Réné, den Karl (als aus Theilnah
me) einſt ſeiner Mutter entführt , und welchem er zu (unnöthigen) Sdu Truppen in das Land ge
legt, in der größten Verlegenheit ; ſowohl weger Lothringen, das Karin wegen och burgund nothis war , als wegen der Erbſchaft ſeines mütterlichen Großvaters, um die Karl ſein Mitwerber war. Der
König von Frankreich, der Kaiſer, die niedere Ver: einigung , die Schweizer , der Herzog von Bur: gund, frangen auf ſeine Entſchließung. Zwiſchen
8. 7 . Pom Waldsh ute Frieden bis burg. Krieg . 297 r
franzöſiſcher Untreu und burgundiſcher Gewalttha tigkeit war die Wahl nicht angenehm. Da nöthigte
Karl den Réné zu einem ausſchließlichen Bund, welcher den Durchmarfch ihm ſo ſichere , daß René
die Plaßcommandanten ernenne , aber Karl ſie bes ſtåtige, beeidige, beſolde 636). Da kam von dem Ko nig der Herr von Craon , la Tremouille : ,, Der
, Mónig warne ihn ; Karl habe vor, den hohen Stamm ,,von Lothringen ganz und gar zu untertreten ; die ,,unerfåttliche Ländergier , der höhniſche Stolz ma
che ihn gegen Recht und Gefühle taub ; esiſoll ihm „nicht glüden ; den König rühre der edle Name,
„ die húlfloſe Jugend ; in feine Arme rufe er den „Fürſten , und wollte ihn groß machen ; hier das ,,franzöſiſche , dort (Lothringen doch Halb teutſd )) ,,das teutſche Reich ; von oben her die Eidgenoſſen , „tapfer und bieder ; was Réné zu fürchten ha ,,be ? 637)." In Lothringen war die Verehrung und Liebe des Kaiſers und der Teutſchen von jeher groß ; der burgundiſche Bundchien unedel ; bei dieſen Prin
zen vermag Ehre meiſt mehr als die Ueberlegung. Alſo daß René , nach ſorgſamer Berathung mit der
Herzogin Mutter, mit den Großen und den Náthen, über die Gefahr wegſehend, von Karl zurúdtrat und vorerſt mit Ludewig ſchloß, nach dieſem der niedern Bereinigung zu dem großen Bund hochteutſcher Lande beitrat 638). ( Erſte Feindſeligkeiten .)
Sobald der König pernahm, das Karls Zorn 2Aug.
298
Gefahichte der Schweiz. IV. Buch.
den erſten Ausbruch nahe fen , in denſelbigen ta:
gen, damit nicht Schreden Ausſöhnung mache, ver
ordnete er in die Schweiz eine Geſandtſchaft
),
welche ehrerbietig og b ) und mit jenem Schein von
Herzlichkeit antrus , Freunde und Feinde von nun an gemein zu haben 60). Zugleich kam nach Baſel und Bern diere Nachricht, und das Stephan, Peters
von Hagenbach Bruder, mit rechstauſend Mann Sa: valerie von Picarden und Lombarden und mit Fußvolt von Burgund 641) ohne alle Fehde in Sundgau gefal 27. len 6 ) ; Damerkirch , ein unweit Hagenbach im Amte aug. Tann gelegenes Dorf 63), und viele andere ") úber fallen , ausgeraubt und verbrannt habe ; wobei nidt
nur auch Menſchen im Brande eines Kirchtyurmes den Tod gefunden , ſondern troßig das höchſte Heilig thum verſchüttet, Säuglinge todtgeworfen , finder
von drei und vier Jahren an Bäume aufgehangen wor: den 6 ). Hierauf nach kurzer Berathung 6) legten fic fechshundert Bafeler auf die Landwehre bei Dat:
tenried 62) , Bern aber lud alle Eidgenoſſen auf ei: nen Tag nad Lugernt 6 ). Indeß unternahmen dreihundert verſchiedentlich bewaffnete Landleute aus dem Amte Pfirt einſeitig , bei dem ungünſtigſten Wetter , eine Streifreiſe auf Blamont big ). Sie wurden von achthundert Burgundern ereilt , ver : ließen den ſie bedeckenden Graben , wagten mit Ge wehren , som Regen durchnaßt, im weiten Felde .
einen Streit, worin ſie ſofort angerannt, verſprengt, beinahe vernichtet worden 6).
5. 7. Pom Waldshuter Frieden bis burg. Arieg . 299
Der Herzog von Burgund lag mit ſechzigtauſend Mann 6 !) vor dem damals feſten Orte Nuys, vier Meilen unter Sóln , mit ſeiner Reichsvogtei dem
Erzbisthum angehörig. Wenn Feſtungen ganz an derer Art in unſern Tagen ohne Aufenthalt fielen ,
ſo iſt zu ſehen , daß die lebenden Mauern die beſten find. Karl hat in eilf Monaten 6 ) rechs und funf
zigmal und mit Aufopferung von funfzehntauſend Mann 653) Nuys vergeblich geſtürmt; weil fieben zehn gebrochene Chürme, dreihundert zerſchmetterte
Häuſer und Hunger , der lang zu Pferdefleiro zwang 654 6 ) , den Muth Kurfürſt Herrmanns des
Heffen und der Männer der Stadt nicht zu beu gen vermocht. Der Kaiſer , der das ganze Reich aufbot (um , wenn es glúde, den Herzog zu reis nem Willen zu nöthigen , oder , wenn das Reich I
Täume, hierdurch eigene Unthätigkeit zu entſchule digen ) , erließ auch an die Eidgenoſſen Mahnung. Man ſah den allergrößten Krieg , der von den Schweizern je geführt worden, mit faum noch zwei
felbarer Eile ſich nähern. Billig trugen die Weiſe ften Scheu , in dem entſcheidenden Augenblic ganz auf mächtige Höfe zu trauen ; weniger vielleicht weil ſie wußten, daß Recht und Unrecht bei den mei: ften finnloſe Namen find , als weil ſie ihre eigene Unanſtelligkeit im Tractatenweren fannten. Daher
zu ſo ſchweren Sachen die meiſten, theils der Spra che, theils der Sitten und Kenntniſſe wegen den Bernern Vollgewalt gaben. Zu Bern wurde Bus
300
Geſchichte der Schweiz. IV. Budo.
benberg , der erhabene, durch die Ulebermacht , wel: che Niclauſen von Dießbach des Königs und ſein Geld gab , feines Einfluſſes dermaßen beraubt , daß Geſchäfte faum noch zu ſeiner Stenntniß tamen 65). ( Franzöſiſcher Bund . )
Auf die Nachricht von dem Anzug der franzöſiſchen Botſchaft beſchloſſen alle Orte , ſobald Bern ihre Ankunft melde, mitten im Lande, zu Luzern ehren:
voll zu tagen 6). Sie tam. Auf das einnehmendſte trug fie vor : ,, Wie bedauerlich die aller chriſtlichſte
,, Majeſtát vernommen , daß der Herzog von Bur: „ gund auch ſie nicht in Ruhe laſe; des Königs
,,Rath , ſeine Hülfe an Bolt , an Geld , foll nie „fehlen ; er bitte jedes Ort 6)) ; von nun an jáhr: „lich zweitauſend Pfund als eine freundlide Sabe anzunehmen 65 ). Ihre tapfern Krieger werde der
,,König nur in einem Nothfalle, dann auch nur ,,wenn die Schweiz nicht Strieg habe , in ſeinen „ Sold begehren.“ Der Schultheiß von Dießbach war
bei den Geſandten . Die ſchönen Ueußerungen und was den Vornehmſten heimlich geſagt war, feſſelten die Tagherren. Sie ſtellten die Verhandlung den Bernern heim . Verſchiedene, denen die Geſchente des Königs gefielen , getrauten ſich nicht die An träge vor das Volt zu bringen ; es wußte , wie por kurzem ein Eid , wie die ewigen Bunde ro bei:
lig , Geſchenke und Gehalte fremder Fürften für unzuläſſig erflárte ). Wenige, glaubten ſie, muf
ſen ſo ein Geſchäft führen ; Herrn Niclauſen pon
E. 7. Bom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg.
301
Dießbach Staatsflugheit werde den beſten Weg zu finden wiſſen.
Bei ſeiner Zurúdkunft nach Bern wurde für
und wider dieſe Sachen geſprochen . „Unſer biede ,,tes , mannhaftes Volt , arm und gaſtfrei, mit „ Weichlichkeit unbekannt ) , ſeinem Vaterland
ohne Gehalt ehrſam dienend 661) , wollen wir um Geld in des Königs Verbindlichkeit bringen ? ,,Welchen Königs ? Der nicht iſt wie ſein Vater, ,,weiſe und gut ; ſondern der Feind ſeiner Fúr:
,, ſten ), Zerſtörer der Ordnungen ſeines Reichs, „ und wo 662nicht Brudermörder , doch der Tyrannei
,,Urheber 43) , welchem Wort und Recht nichts , ,,Volt und Geld alles iſt , aller leichtfertigen Leute ,,Freund , Urheber der Werderbniß ! Wozu ſeinen
,, Padefeln unſer Alpengebirg öffnen * ) ? Dazu, „,um die Schmach zu tragen , daß freie Eidgenoſſen „ Die Freiheit Frantreichs unter ſein Joch beugen
,,Delfen " ). Wozu das Geld ? Womit haben unſere ,, Báter den fürftlichen Bau des Münſters vollen
,, det ; Banner von Reiſigen gehalten , Oberland, „ Iſelgau , Aargau erobert ? Doch ; fie wohnten 666
,,klein
), und nur das Vaterland ward groß ; fie
afen mit ihren Freunden , was Feld und Heerde
,, bot') ; werden wir aus dem Blutgeld der Könige Jauch ſo froh ſchwelgen ?" Uber andere ſuchten darzuthun , daß der hauptſadiliche Vortheil nicht in dem Geld und daß wegen Sittenverderbniß feine
Gefahr rep : ,,UnſereMannheit, unſere Creu macht
302
Gerdaidhte der Schweiz. IV . Buch.
,, ein großer König zur Hauptgrundfeſte der innern „Ordnung und außern Sicherheit eines Reids, das von dem an auch unſere Schußwehre wird 6 ). „ Wer wie wir die Waffen führt , wird nie knech
„ tiſch dienen. Wer nothwendig wird ), dem wird ,, Achtung nie mangeln , und fremder Reichthum
ſteuerbar feyn . Der Grund von allem iſt in unſerer Tugend. Weil wir ein freies , ein frie
ngeriſches 670 ) , ein kraftvolles und ein bieberes „ Volt 671) vor allen andern ſind , buhlen Kaiſer „ und Könige , der Papſt und die Communen um ,,Schweizer 67 ). Jrret euch nicht. Sollte je stra: „ merei, ſollten Gewerbe , Reichthum , heilloſes ,,Stadtleben , und angſtlide ſcheue Verwaltung ,,uns berweichlichen , unſere Hand ofter den
„ Griffel oder die Feder als die Hallbardeu und „ Schlachtſchwerter führen , die Natur in Stuben fich verkrüppeln , und unſer gerades Weſen ver: ,,künſtelt werden , ſofort wird jedermann uns zu
„ theuer finden . Dann werden die Penſionen von ,,ſelbſt aufhören ; alle Freiheit, Würde, Sicherheit, „Ruhm , warum nicht auch das Geld, warum nicht
eauch der Lebensgenuß, oberuhet auf unſerm Werth. „ Unſinn ware , ihn ſinten laſſen ; Thorheit , ſeiner „nicht genießen. Ule Welt iſt des militariſchen
„Manns, für ihn alle Herzen der Menſchen, wenu „ſeine Redlichkeit offenbar iſt wie ſein Muth."
Die Rede gefiel; auch ſeien die Penſion unver : werflich ). Alſo wurde die Leitung des Geſchäftes
6. 7.
Bom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg. 303
dem regierenden Schultheiß Niclauſen von Die =
bach zutrauensvoll überlasſen ; dieſes geſchah durch den Rath und einen Ausſchuß der zweigundert , welcher aus jenen ihm ergebenen zwei und zwanzig
Männern beſtand €7 ). Sie ſchwuren alle, ſo heilig als jeden hohen Donnerstag auf die Grundgeſeke der Stadt Bern , den Eid der Verſchwiegenheit, und das feiner dem andern feine Meinung in die: fen Sadyen je vorrüden moge.
Nach wenigen Tagen wurde im Namen der 2.De. Stadt Bern den franzöſiſchen Geſandten zu erken: nen gegeben : ,,Bern übernehme, dem Stónig, wenn
„je er Hülfe bedürfe , fechstauſend Schweizer von „ ben Eidgenoffen aufzubringen 6 ) ; er der König ,, werde nie als in außerſtem Nothfall gemahnt wer: den der Schweiz zuzuziehen , und fónne in bura
,,gundiſchen Kriegen die Bundespflicht mit Geld njerfüllen 68b ); im Namen aller Eidgenoſſen von ,,Stadten und fandern perſpreche Bern den ,, Bund-6 ). "
zu Freiburg , unter dem Vorlik Herrn Rolls von Wippingen , beſchloſſen der Rath und dic Sed78:
zig 6 ): ,,Bündniſſe nur mit ſchweizeriſchen Eidge: „ noffen zu haben ; unſere Landſchaft iſt klein , des „ Volls nicht viel ; follen wir es um Geld Fremden „,liefern 678) ?"
Alſobald ritten aus der ganzen Schweiz und 9.Det. von dem niedern Bunde Botſchafter zu den Erz
herzog in die Stadt Feldkirch , von wegen der bur:
304
Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
gundiſchen Sachen 679). Da wurden ſie von einer kaiſerlichen Geſandtſchaft bei den Reichspflichten hoc gemahnt , und Sigmund verſprach Theilnahme fo wohl als Unterſtüßung 6 ). Sie nad Luzern ; ab zuſchließen. Dienſtags alſo vor Simon Judå in dem tau: Tend vierhundert vier und ſiebenzigſten Jahr erging
von der Stadt Bern, die von allen Eidgenoſſen er : mächtiget ſchien 6 ), an den Herzog von Burgund, reine Statthalter , Amtleute und Unterthanen die Ankündigung des Kriegs. ,,wir die Bürgermeiſter , Schultheißen , Land:
,,ammann , Råthe und Gemeinden des großen robern Bundes in Kochteutſchland Ger) , in der Stadt Luzern gegenwärtig verſammelt, von wegen hoher Mahnung des Allerdurdlauchtigſten * ), ,,unſere Herrn , Kaiſer Friedrichs , dem wir , des
wheil. Reichs Glieder , von Rechts wegen , zu ge horchen haben ) , des Durchlauchtigſten Herrn ,,Sigmunds Herzogen zu Deſtreid , und anderer un: „ſerer zugewandten Fürſten , Herren und Stadte,
„ ,welche von den Ewern mit ſchredlicher Wuth ge: ,,ſchadiget worden , erklären Ew. durchlauchtigſten „ Herrlichkeit und allen den Ew. , von unſertwegen wund für die unſeren , eine ehrliche, offene Fehde, ,, und wollen in Anſehung Mord, Brand , Raub,
,,und allerlei Unglück bei Tage und Nacht, unſere „ und der unſeren Ehre hiermit wohl verwahret
,,haben. Sigill der Stadt Bern.“ Die
8. 8.
Die erſten Feldzüge des burgund. Strieges.
305
Die Febbe von Bern erging auf Blamont an den herzoglichen Amtmann . Die des Erzherzogs, die der niedern Vereinigung , trug ein alter welt: kundiger Parzifal68 ), der Herold Kaſpar Hurter , in das Lager vor Nuys , wo er auf das geſchidteſte die Gelegenheit ergriff, fie dem Herzog eigenhån dig zu überantworten , und mündlich vor ihm aus zuſpreden 6 ). „ Bern !" rief Starl; ,,Bern !" als der beftige Grimm ihn zu einem Wort kommen ließ ; er -knirſchte 68 ). 1
Ach tes Capitel Die erſten Feldzüge des burgundiſden Krieger.
Sobald ſie die Ehre verwahrt, machten die Eid
25 .
genoſſen ſich auf ; die Altſchultheiße Nicolaus von Oct. Scharnachthal und Petermann von Wabern ') mit dreitaufend Mann von Bern und mit ihren ver: burgrechteten von Freiburg ' ) , von Solothurn'b ), von Biel , die Biſchofbafelſchen Chåler hinab und
über Bruntrut und Nómpelgard , in Hochburgund einzufallen. Vom Wald und aus den Waldſtats ten'c) taufend Mann , die þegauer , eine ehrens bafte Zahl von Schaffhauſen ) , Hauptmann Felix
steller der ältere mit anderthalbtauſenden von Zu rich), das Volt der Waldſtåtte '), Zug und Glaris, und von St. Gallen ein einförmig fchon gekleideter Ausſchuß der Bürger ), unter Hannfen Berenfels , Ritter, der Stadt Banner von Baſel zweitauſend 3. b. Müllers fammtl. Werte, XY.
20 .
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Geſchichte der Schweiz. IV . Bucs.
,,ein großer König zur Hauptgrundfeſte der innern ,,Ordnung und aufern Sicherheit eines Reids,
das von dem an auch unſere Schußwehre wird 668). „ Wer wie wir die Waffen führt , wird nie knech ,, tiſch dienen . Wer nothwendig wird 669), dem wird ,,Adytung nie mangeln , und fremder Reichthum ſteuerbar feyn . Der Grund von allem iſt in „ unſerer Tugend. Weil wir ein freies , ein frie:
ngeriſches 670) , ein kraftvolles und ein bieberes „ Volt 671) vor allen andern ſind , buhlen Kaiſer
„ und Könige , der Papſt und die Communen um ,,Schweizer 672 ). Irret euch nicht. Sollte je Srá: ,,merei, ſollten Gewerbe , Reichthum , beillores ,,Stadtleben , und angſtliche ſcheue Verwaltung
,,uns verweichlichen , unſere Hand ofter den „ Griffel oder die Feder als die Hallbarben und ,,Schlachtichwerter führen , die Natur in Stuben fich verfrúppeln , und unſer gerades Wefen ver:
,,fünftelt werden , ſofort wird jedermann uns zu „ theuer finden . Dann werden die Penſionen von
felbſt aufhören ; alle Freiheit, Würde, Sicherheit, Ruhm , warum nicht auch das Geld, warum nicht ,, auch der Lebensgenus, -berubet auf unſerm Werth. ,,Unſinn wäre , ihn ſinten laſſen ; Thorheit, ſeiner nicht genießen. Alle Welt iſt des militariſchen „ Manns, für ihn alle Herzen der Menſchen , wenn feine Redlichkeit offenbar iſt wie fein Muth ."
Die Rede gefiel; auch ſdien die Penſion unver: werflich (s). Alſo wurde die Leitung des Geſchäftes
6. 7.
Bom Waldshuter Frieden bis burg. Krieg. 303
dem regierenden Schultheis Niclauſen von Diena
bach zutrauensvoll überlaſſen ; dieſes geſchah burch den Rath und einen Ausſchuß der Zweihundert, welcher aus jenen ihm ergebenen zwei und zivangig Mannern beſtand 6 ). Sie fcheuren alle , ſo heilig als jeden hohen Donnerstag auf die Grundgeſeke der Stadt Bern , den Eid der Berſchwiegenheit, und daß feiner dem andern feine Meinung in die: fen Saden je vorrúđen moge. Nach wenigen Tagen wurde im Namen der 2.0 ...
Stadt Bern den franzöſiſchen Geſandten zu erken nen gegeben : ,,Bern übernehme, dem Stonig , wenn
„ ie er Hülfe bedürfe , fechstauſend Schweizer von den Eidgenoſſen aufzubringen 65) ; er der König „ werde nie als in äußerſtem Nethfall gemahnt wer : den der Schweiz zuzuziehen I, und könne in burs
ngundiſchen Kriegen die Bundespflicht mit Geld verfüllen 645b ) ; im Namen aller Eidgenoſſen von ,,Stadten und Landern perſpreche Bern den ,, Bund-676). “ Zu Freiburg , unter dem Borlik Herrn Rolls
von Wippingen , beſchloſſen der Nath und dic Sechs zig 6 ): ,,Bündniſſe nur mit ſchweizeriſchen Eidge ,,noffen zu haben ; unſere Landſchaft iſt klein , des „ Volls nicht viel ; follen wir es um Geld Fremden
„ liefern67 ) ?" Alſobald ritten aus der ganzen Schweiz und 9.08 . von der niedern Bunde Botſchafter zu dem Erz herzog in die Stadt Feldkirch , von wegen der bur:
304
Geſchichte der Odhweiz. IV. Budy.
gundiſchen Sachen 679). Da wurden ſie von einer
Kaiſerlichen Geſandtſchaft bei den Reichspflichten hode gemahnt , und Sigmund verſprach Theilnahme fos
wohl als Unterſtüßung 6 ). Sie nach Luzern ; ab zuſchließen . Dienſtags alſo vor Simon Judå in dem tau fend vierhundert vier und ſiebenzigſten Jahr erging von der Stadt Bern, die von allen Eidgenoſſen er:
mächtiget ſchien 68 ) , an den Herzog von Burgund, Teine Statthalter , Amtleute und Unterthanen die Antúndigung des Kriegs.
„ Wir die Bürgermeiſter , Schultheißen , land ,,ammann , Råthe und Gemeinden des großen „obern Bundes in Hochteutſchland e ) , in der ,,Stadt Luzern gegenwärtig verſammelt, von wegen
hoher Mahnung des Allerdurchlauchtigſten * ), ,, unſers Herrn , Kaiſer Friedrichs , dem wir , des wheil. Reichs Glieder , von Rechts wegen , zu ge
„horchen haben “ ) , des Durchlauchtigſten Herrn „ Sigmunds Herzogen zu Deſtreich, und anderer un ſerer zugewandten Fürſten , Herren und Stadte, „welche von den Ewern mit ſchredlicher Wuth ge:
,, ſchadiget worden , erklären Ew. durchlauchtigſten ,, Herrlichkeit und allen den Ew. , von unſertwegen „ und für die unſeren , eine ehrliche , offene Fehde, ,,und wollen in Anſehung Mord , Brand , Raub, „ und allerlei Unglück bei Tage und Nacht, unſere
wund der unſeren Ehre hiermit wohl verwahret ,,haben. Sigill der Stadt Bern .“ Die
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Die erſteu Ferozüge des burgund. Krieges.
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Die Fehde von Bern erging auf Blamont an den berzoglichen Amtmann . Die des Erzherzogs, die der niedern Vereinigung , trug ein alter welt: kundiger Parzifal ) , der Herold Staſpar Kurter, in das Lager vor Nuys , wo er auf das geſchickteſte die Gelegenheit ergriff, fie dem Herzog eigenhan
dig zu überantworten , und mündlich vor ihm aus: zuſprechen 66). „ Bern !" rief Starl; ,,Bern !" als der heftige Grimm ihn zu einem Wort kommen
ließ ; er- knirſchte €87). A dh te $
S Ap it e l.
Die erſten Feldzüge des burgundiſden Krieges.
Sobald ſie die Ehre verwahrt, machten die Eid 25 . genoſſen ſich auf ; die Altſchultheiße Nicolaus von Det. Scarnachthal und Petermann von Wabern ) mit dreitauſend Mann von Bern und mit ihren ver: burgrechteten von Freiburg ' ) , von Solothurn'b ), von Biel , die Biſchofbaſelfchen Chåler hinab und
über Bruntrut und mömpelgard , in Hochburgund einzufallen . Vom Wald und aus den Waldſtats ten'c) taufend mann , die Gegauer , eine ehren Hafte Zahl von Schaffhauſen ) , Hauptmann Felir steller der altere mit anderthalbtauſenden von Zů rich '), das Volt der Waldſtåtte '), Zug und Glaris, und von St. Gallen ein einförmig ſchon gekleideter Ausſchuß der Bürger '), unter annen Berenfels, Ritter , der Stadt Banner von Baſel zweitauſenb I. 8. Müllers såmmti. Werte, XY.
20 .
306
Gefdichte der Schweiz. IV. Buch.
ſtart ") , die Luzerner , die Appenzeller, unb (nun
Freunde) die Ritter aus dem Schwabenland '), die niedere Vereinigung , mit den Schweizern als in eigener Sache wetteifernd ), mit Buchſen ziem : lidh "),. init Proviant Tchlecht ") , mit freudigem Muth vortrefflich verſehen, alle auf Hericourt. An Bald und Bach im Lande Amont auf der Freigraf: fchaft Burgund liegt Hericourt , und war die Bes figung Diebolds von ( burgundiſch ) Neufchatel, der des Herzogs Marſchall war "). Die , welche unab : geſagt Sundgau verwüſtet, lagen mit einem Haupt: banner in dem Ort " b ). Die Stöße der Mauerbrecher , die Würfe der
Buchſen, vermochten nicht durchzudringen ; es tam heftige Kälte ; das Volt ungeduldig begehrte Sturm ; am dringendſten die Oberlander von Interlachen , die Erſten an den Sturm zu ſeyn (ein tapferer,
beſonders ſchöner Stamm ; Gotteshausleute , aber die Undacht des Kloſters war für ſinnliche Kraft nicht drüdend " )).
Vergeblich , den Schweizern,
hier Hülfsvölfern Deſtreichs , ſchien anſtändig, dem Willen des Erzherzogs zu folgen " ). Próblich verfündigten die Nachtfeuer oder Brand von Dörfern "s) die bevorſtehende Antunft feindli:
cher Schaaren. Der Marſchall von Burgund , mit fünftauſend Mann, wollte die belagerte Stadt ent: Teßen oder verſehen " ) ; indeb der Graf zu Romont,
Jakob von Savopen in möglichſter Stille " ) , mit Achttauſenden zu Fuße und zwölftauſend Pferden (8),
C. 8. Die erſten Feldzüge des burgund. Krieges.
307
die Eidgenoſſen " ) überraſche und beſchäftige. Aus
den obern Paſſen, die die Waadt von der Freigraf
fchaft ſcheiden , kam ein Theil ; der Graf zog ſie an fich ; jie fammelten ſich zu Paſſavant.
Daß die
obern Påſe nicht vorher befekt worden , ſoll durch Beſtechungs) verhindert worden reyn ; der Marſch
auf die Landmarken Sundgaus und Lothringens wurde für edler und rechtlicher ") ausgegeben ; der úver Joigne mochte der beſſere reyn " ). Sonntags um die Mittagszeit an dem drei: Nov. 13. zehnten Wintermonats war Graf Romont an den
Borpoſten der Zuricher , deuen er fünf Mann er: ſchlug " b ). Die Schweizer , auf jeden Kriegsfall geubt und bereit * c), nach kurzem Rath, überließen der niedern Vereinigung '3) das Lager , zu wachen auf die Stadt und wenn von derſelben Seite etwas .
begegnes). Sie ſelbſt, in Vorhut, Schlachthaufen und Nachhut geordnet , mit langen Spießen und Hallbarden bebedt *) , machten zwei Treffen : finte:
mal einerſeits Felir Keller als der nächſte den gró Bern Theil in Schlachtordnung dem Feinde ro ent: gegen führte , daß er an Teich und Wald geſtúßt, ſchwer zu überflügeln war ; anderſeits der Schultz heiß von Scharnachthal mit Bern, Luzern 6), Frei burg, Solothurn und Biel durch die unwegſamſten
Pfade des Waldes ") eiusmals dem Feind, welcher alle zu ſehen vermeint, auf einem unbebeaten lin
fen Flügel zu Roß ) und Fuß drobend erſchien b ). Nach dem furchtbaren Augenblid Stille, wo die
!
308
Gerdichte der Schweiz. IV. Buch.
Schweizer beteten , erhob ſich ſo pldklich und un aufhaltbar 28c) das junge Volk der Berner und aus
doppeltem Hinterhalte die Budſenſchußen ) , daß kein Commandowort gehört wurde so), ſondern him:
melhohes Geſchrei des Angriffs , des Wetteifers, des Siegs Sob ). Denn , die italieniſche Reiterei, das niederländiſche Fußvolt , alltäglichen Kriegs gewohnt, nicht der unwiderſtehlich umwerfenden Wuth, wurde mit Entfehen, mit Angſt, und (nach: dem die Reiterei, 321 Bebedung des Fußvolls, mehrmals vergeblich gehalten) mit Berzweiflung erfüllt ; beſonders da durch Nadhrúden und Schre:
den die Eidgenoſſen immer zahlreicher erſchienen. Sobald die Burgunder fich wandten , rief die lie:
gende Vorhut hinter ſich , wo die Reiterei , nicht untermengt , nicht auf den Flügeln , fondern (wie meiſt am beſten ) im Rüden hielt : „Wir fónnen „fie nicht ereilen !" Worauf die Reiterei von Deſt:
reich und vom niedern Bunde , Schweizermuths zum erſtenmal froh , begeiſterungsvoll hervorgebro 1
chen , das Fußvolt freudig rufend : Hauet ein ,
liebe Herren , wir verlaſſen euch nicht ," pollen Laufs nachgerannt, bis Paſavant in das feindlide Lager ., durch und iiber daſſelbe der Weg mit Tods ten bedeđts) , und der Feind ro verſprengt, daß er
( froh der Nacht3 )) rich nicht wieder zu ſammeln vermochte. Viele Proviantwagen , die nicht fort: zubringen waren , und was das Dorf Paſſavant fonſt verberg , wurde verbrannt;.viel Wein wer:
6. 8. Die erſten Feldzlige des burgund. Ariegez.
309
goſſen , auf daß man bei Beſinnung bleibe. . Mit
mancherlei Munition fuhrte Scharnachthal , fieg prangend, eine ſelbſt eroberte Hauptbüchſe zurüc "). -Es glángte in der Hand Benedict Konrads von Solothurn das Banner von Lille in dem Doubs 3 ) ; aber das wurde aufmerkſamer geſehen , welches
achthundert Landleute von Faucogney , die tapfera ſten 5 ) der Freigrafſchaft , behauptet hatten , bis nur noch achtzig ubrig waren. In dieſer Schlacht
(To viel vermag Behendigkeit und Schređen ) ver: loren die Sieger nicht einen Mann 36 ). Sehr miß
vergnügt waren ſie , daß die Reiterei fiebenzig Mann gefangen genommen 57); fie pflegten in der
Schlacht niemand ſein Leben zu ſchenken , auf daß Entreken vor ihren Schaaren herwandle ; und weil (von Miethstruppen verſchieden ) ein felbſtfriegens des Volf den Feind wirklich baßt. Endlich wurde pon Vurgundern , Picarden und Savoyern Lóſe:
geld genommen s ) , achtzehn lombardifdye Soldaten wegen Kirchenraub , Sacramentſchåndung 39) und geivaltthátiger und ſodomitiſcher unzucht ") nach fieben Wochen " ) zu Baſel verbrannt , um ihres
Gleichen vor Uebertretung der Sitten des Landes zu warnen “ ). SolcheUnmenſchlichkeit iſt aber nicht, wie man glauben módte , bon Seelenfraft unzer: trennlich ; ein edler Held iſt , welcher niemanden Leid thut als dem Feind in der Schladt. Nach dem Sieg hielten die Schweizer die Wache
fo , als wenn ſie noch alles zu fürchten hatten .
310
Geſchichte der Schweiz. IV. Bud.
Die Beratung fuhr in der Bertheidigung fort, bis nach drei Tagen gewiſſe Nachricht von dem Uus: gang der Schlacht alle Hoffnung auf Entfaß oder Verproviantirung benahm . Da gab ſie Hericourt
auf. Dieſe viertehalbhundert Mann wurden zwis ſchen den leichnamen über die Wahlſtatt abgeführt.
Die Begräbniß der Todten war von Freunden und Feinden verfáumt ") ; diesmal wurde die Menſch
heit durch die Natur gerochen, die Verweſung ver: peſtete die Luft " ). Faucogney, búlflos da die Mán ner gefallen , wurde feindlich heimgeſucht " ). Aber falte Regentage , verdorbene Luft und Mangel an Zufuhr bewogen die Gidgenoſſen, nachdem ſie heri I
court dem Erzherzog úbergeben und nebſt feinen mit ihren Truppen befekt " ) , aus einander zu ge hen. Der erſte Zug in dem burgundiſchen Sirieg, welcher den Herzog warnen konnte , nahm dieſes Ende.
Die Befaßung von Hericourt, zur Waffenübung und um ſich zu verſehen , bemachtigte ſich der gan : zen Landſchaft hier bis Lureuil , hier bis an den Freiberg hinein “) ; faſt ſo viele wie jene Schlast fraß ihr Schwert im Winter "9). Der Baſeliche Biſchof Johann von Venningen eroberte in drei Tagen die Burg Franquemont k) ; fie mochte vor
den Montfaucons weiland erbauet ſeyn s) ; die Burgunder hielten ſie befekt; ſie liegt in der hos
hen Landſchaft an dem Doubs , welche durch Vor: Techte des Volts der Freienberg ift" ). Von den
S. 8. Die erſten Ferszüge des burgund. Krieges. 311 Bernern wurde Erlach an dem Bielerſee darum
eingenommen, weil der Herzog die mannichfalti gen Verhältniſſe der Herren von Chalons ss) be: außen konnte , dieren Ort mit großem Nachtheil der Benachbarten zu bereken. Unverändert blieb
was der Prinz von Oranien daſelbſt hattesk) ; Rus dolph von Erlach, des großen Raths von Bern , zu Frlach der vorigen Herrſchaft Vogt , blieb an der Verwaltung ") .
Die Eidgenoſſen , die vom niedern Vund und alle Cheilhaber tageten zu Luzern über die Kriegs ordnung, die nach dem Sempacher Krieg wohl ent
worfen 56 ), allein im Heer der Berner üblich ge: blieben ") . Alſo, ,, um die Siege zugleich zu ſichern und vollkommen zu machen , und feindlicher Liſt erowohl als eigener Zweitracht vorzubeugen, wurde meinem Theil der Nachbut befohlen , diejenigen zu ,,er ſtechen , welche vor der Vollendung fic Beute jueignen wurden ; ſie foll gemeinſam vertheilt
werden. Freiheitsbuben 58 ), unnúß zur Schlacht, 1
- Feinde der Ordnung, nicht ſelten Verråther, alle: mjeit raubgierig, follen fern gehalten werden. Auf „dieſes ſchwören die Eidgenoſſen und wer ihren Strieg mit führen will." (Tractat e n . )
Hierauf trat im Namen des Königs Georg la Trimouille Herr von Craon in die Verſammlung und außerte : ,,Wie der König den Herren Eidge
noſſen , ſeinen allerliebſten Freunden , die er für
Geſchichte der Schweiz. - IV. Budy.
312
,,die getreueſten auf dem Erdboden und für das
,,männlichſte Bolt in der Chriſtenheit halte , über die verabredete Verſtändniß und Erläuterung ) fein Vergnügen bezeuge , und in feine Tractaten ,,mit dem rómiſchen Staiſer 59 b ) fie eingeſchloffen habe. Wenn der Herzog nach aufgehobener Be: lagerung von Nuys wider ihn und den Kaiſer
12
miehen oder in Lothringen einfallen fodte, ſo bitte „ und erwarte der König Hülfe von denen , für die auch er Leib und Gut wagen würde , entſchloſſens ,,zu leben und zu ſterben mit den Herren Gidge: noſſen 6 ). " Jahrgelder 6 ) , Kriegsgelder 6) wur: den tåglich erwartet ; und wenn unrichtigkeit war in Zahlungen an die Orte , fo floffen die Gelber ge= nau , welche die Häupter der Orte für fich beka I
men “ ) ; die Beute von Hericourt gefiel den Gemei: nen. Der Herr von Craon fand den Tag bereits willig.
Da tibergab Markgraf Rudolph fein hulfs
loſes Alter , reine Herrſchaft Neufchatel, reine Stammgüter im Reich ) eidgenöſſiſchem Schuß * ). Der Krieg wurde eifriger gerüſtet 6 ). Ob die Schweiz die Gewalt Burgundiens brechen ,. oder ob, durch Uebermacht Sieger, der Herzog alle Nach :
baren unter fein Joch beugen werde , erwartete Deutſchland , Frankreich und Italien mit unruhi ger Unfmerkſamkeit. Der Winter brach ein ; der Strieg ruhete nicht. 1475
In den erſten Tagen des Jänners ) zogen die von Freiburg mit Hülfe der Stadt Bern das Land
E. 8. Die erſten Feldzüge Ses burgund. Arieges.
313
hinauf und legten ſich vor die feſte Burg zu Flin gen an der Sane.
Sie war mit Arconciel , ein
Stammgut jenes uralten Hauſes , deſſen Enkel auf Greperg, Neufchatel , Thierſtein 68) vornehme Gras fen zum Theil noch waren ; Geldnoth hatte dieſe Herrſchaft in andere Hande gebracht 6 ). Peter de la Baume, damals ihr Herr, ein Mann, wie man glaubte , von Lift und Kühnheit o) , war mit ſeis nem ganzen Hauſe dem Herzog von Burgund er :
geben ?). Darum und weil die Herrſchaft Illingen der Stadt um Geld verſchrieben war , wurde ſie
von den Freiburgern und Vernern erobert ; dor : nehmlich durch den Muth Petermanns Gottrau, der unter unaufhörlichem Schießen die Burg zuerſt
erſtieg 79. Die Beſaßung wurde gütig behandelt ; das Bolt ſchwur den Städten 78). Sie hinuber, wo am Eingang der Alpenwildniß zerſtreute Dór:
fer und Höfe das Plafeyenland bauen , welches alsbald ichwur. Die Burg Slingen 7 ) wurde in Schutt gebrannt. Alſo bewilligte der Graf zu Greperz , Franz , Marſchall von Savoyen " ), und: Þanns von Greyerz Montſalvans 76) allen Caſtla neien und Bannern bis an den Paß , welcher uns ter feiner Burg in Sanenland führt ? ) , burgers
rechtliche Verbindung mit Freiburg 18 ). Es war dem Grafen Franz, wie allen von Greyerz , die Liebe des Polls Stuße des Hauſes , und fie achtes ten auf ſeine Stimme. Auch folgten die Männer pon Greyerz '9) und Sanen 80) über die Gränze , als
314
Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
die Zerſtörung von Orúningen den Freiburgern zu erleichtern war ).
In denſelbigen Tagen wurden die Eidgenoſſen
von dem Kaiſer gemahnt , Karl vor Nuys zu be gegnen. Dahin erhob er ſelbſt ſich langſam , und bot die Reichsmacht zuſammen.
Der Bund mit
Frankreich war geſchloſſen 8 ). Die Eidgenoſſenhielt der Kaiſer , nicht ohne altes Mißtrauen 8 ) , für nothwendig. Zu Chaten kam es nicht , weil ro we: nig Er als der Stónig um die Reichsangelegenheit fich befünmerte , ſondern wie er die burgundirme Erbſchaft ſeinem Sohn fichern könne. Die Eidge: noſſen fchidten eine Geſandtſchaft nach Andernach, vorzuſtellen , wie viel nachdrüdlicher ſie oben im
Lande den Krieg führen wurden 6 ). Daſelbſt hing alles von ihnen ab ; ſie blieben dem Vaterland nahe.
Friedrich , nicht unzufrieden wenn Schwierigkeiten die unthätigkeit entſchuldigten , ließ die Schweizer zu luzern mit ſcheinbarem Ernſt noch einmal mah: nen8s). Da ließ er auch vortragen , daß unfriege riſche Reichsſtånde fich loskaufen könnten ; aus dies
rem Geld würde er die Schweizer beſolden.
End
lich ſchien den Bernern edel , dem Reich guten Wil len zu zeigen ) ; doch , nicht unkundig der mannich faltigen Liſt , wollten ſie in Einem , aus zehn,
zwölftauſend Mann beſtehenden Schlachthaufen , wel: cher Selbſtſtändigkeit habe 87), beiſammen ſeyn . Die:
fer Ernſt reßte die Geſandtſchaft in Verlegenheit ;
o ein Schweizerheer , andere mitbegeiſternd, wäre
Die erſten Feldzüge des burgund . Striegeb. 315 nicht für die halben Maßregeln ; man würde ſchnel ler und weiter gehen muſſen. Alſo ſagten ſie nicht mehr ſo viel von der Mahnung , als daß jene Sold aufbringung doch immer eine vorläufige und weit: Iduftige Einleitung erfordern werde ; die Zahlungen dürften auch wohl unrichtig fließen ; taiſerlicheMa S. 8 .
jeſtát befinde fich ſelbſt in größter Verlegenheit ). Die Eidgenoſſen verſtanden es, und ſprachen : ,,He: „ ricourt beweiſe , daß fie es ernſtlich meinen ; fo ,, wollen ſie den gemeinſchaftlichen Krieg ferners „führen auf ihre Art. Nach dieſem begehrte der Staiſer die gänzliche Einnahme Hochburgundiens für das Reich 89 ), und das Wort, nie ohne ihn den Krieg zu endigen ; auf ſie wolle dieſelbe Núckſicht auch er nehmen 90). Es wurde ein Striegsplan verab 11
redet 91 ). Ginige Städte fandten ihre Reichshülfe zu dem
taiſerlichen Heer s). Vergeblich ſprach Konig Ed: ward mit dem Herzog über die unnuße Belage rung 93); vergeblich ſuchten treue Hochburgunder: daß er die Eidgenoſſen zu Friede bringe 94). Durch Großſprecherei hatte er ſeine Ehre an die Sache ge Gångt ; Verwirrung und Ingrimm brachten ihn um
die Beſonnenheit 95) ; mit Flammen , mit Verwu ftungszeichen füllte er die Banner , anzukünden , was er vorhabes ). Seine Leidenſchaft wußte er al
len ſeinen Freunden , beſonders den Italienern , die er vorzüglich liebte , mitzutheilen. Dieſe Sprache (Freiburg und Bern zu verbrennen , und
316
Geſchichte der Schweiz. IV . Bud .
auf die Trimmer ein Denkmal zu bauen 9') ) wurde zu Mailand geführt, als Galeazzo mit Karl einer
Bund beſchloß 9e) , als ein Heer verabredet wurde, das unter Wilhelm von Montferrat Karın helfen ſoll den teutſchen Eigenſinn zu brechen 99). (Pontarlier Zug.)
Die Berner aber , die Solothurner und Bieler nebſt der Beratung von Hericourt úbten auf Bur gund immer gleich glüdliche Streifereien 00). Die ſes ermunterte dreizehnhundert Mann von Bern , Loo
Luzern und Solothurn , in eben nicht der beſten Nu ſtung ) und Ordnung ) durch die Jurapáffe wi der Pontarlier zu ziehen. Dieſes 7, durch langen
Frieden blühende, an Mauern vernachläſſigte, Stadt: chen an der Doubs hatte eine haltbare Burg zu ſei
ner Bewahrung. Jenes wurde ohne vielen Wi derſtand mit unbedeutendem Gewinn früb, vor Ca: ges Unbruche , dem Feind abgelaufen 102b ) , dieſe nac hartem vierſtundigem Streit mit großem Reich thum turmweiſe erobert 15). Da jechten die Krie
ger , hielten Raſt und verſáumten die Erkundung des Landes. Alſo an dem fiebenten Tag erſchien
vor Pontarlier der Graf von Rouſſy , Marſhall von Burgund 10 ), mit Ludewig von Chalons Herrn
von Chateau Guyon , des Prinzen von Oranien Bruder , Inhaber verſchiedener Paffe, worin er den Schweizern den Rudzug erſchweren mochte ), und mit ungefähr zwölftauſend mann. Die Schweizer, elend verſehen 6), erlegten den Mangel burd Muth,
5. 8. Die erſten Feldzüge des burgund. Krieges. 317 liefen von der Burg , trohten dem Feind auf einer niedern baufälligen Stadtmauer , warfen Steine
ficher und kräftig, ſtießen den Chateau Guyon in den Graben 16b ) , hoben Reiſige von ihren Pferben auf und über die Mauer und erlegten viele hundert Manne) , worauf der Feind erſchroden floh. So gewarnt, hielten die Sieger für unvorſichtig ., den großen Raub und fich ferners gegen Ueberzahl in Gefahr zu bringen , nahmen den Raub in die Mitte, und , nachdem ſie Pontarlier an einigen Orten in flammen gefeßt, ihren Rudmarſch. Die Nachricht von dieſem Entſchluß erregte zu
Bern den allergrößten Unwillen : Schweizern rey Ichåndlich , Mißtrauen in ſich und ihr Glúc merken zu laffen. Daher alſobald Freiburg, Solothurn und Biel, hierauf, als in der Ehrenfache des Namens alle Eidgenoſſen aufgefordert 1 ) , und ohne ihre
Antwort abzuwarten, der Stadt Banner von Bern unter dem Ritter von Dießbach 108) mit ungefähr
dritthalbtauſend Mann 109) mit ſtarken drohenden Verweiſen ' 0) den Zuriidziehenden entgegengeſandt worden . Die innere Schweis, die um jeden Auf
wand in Berlegenheit kam , war nicht behende "') ; Freibnrg fandte eine Schaar nach der andern " ) ; von Solothurn , von Biel kam ſchöne Hülfe, auch mit Búchſen ' 3). Der von Dießbach begegnete den Wiederkehrenden ; zwei eroberte Banner, viele Fah
nen, reiche Beute zierten den Zug. Da ſie Mig bidigung vernahmen, war ihr Eifer zu neuem Kampf
318 看
Geſqichte der Soweiz .
IV. Buc.
kaum zu måßigen " ) ; er , feſten Schritts , mit ih nen zurück nach Pontarlier. Die ganze Gegend flob ; er, mit Feuer und Schwert , vermehrte das Ent: reken . Da er nun glaubte, bewieſen zu haben, daß
die Schweizer den Feind nicht fürchten , wandte er ſich , heim zu ziehen, als plóßlich auf einer weiten Ebene die feindliche Reiterei in fünf Schaaren , jebe
pon zweitauſend Mann , ſich vor ihm entwickelte. Er, ohne Bedenken , fidyerte durch eine Wagenburg ſeine offenen Seiten , marſchirte auf und bot Feld: ſtreit ſo herzhaft an " ) , daß der Uebermacht rath
ſamer ſchien, auf das eiligſte zu verſchwinden . Da fie unerreichbar froh ") , 30g Dießbach wieder nach bem Jura , und begegnete dem Altſchultheiß Peter: mann von Wabern , Ritter , welcher mit zweitau 1
fend Mann von Bern , einem Zuzug von Frei burg") und der Fulfe von Baſel "8) zu ſeiner Ber: ſtårkung im Anzuge tvar. Nachdrucſam ' 9) war Barel , nicht ohne Mißmuth 120) Graf Oswald vor Chierſtein , der óſtreichiſche Landvogt in Elſaß zu ſchneller Verſtärfung ſowohl des Heerd als der Påſe") von den Bernern aufgemahnt worden. Da beſchloſſen Hauptleute und Räthe die Ueber: wältigung des vortrefflichen Paſſes, den mit größter
Gefahr für die Schweiz Ludewig und Hugo , Brů: der , von Shalons - Chateau Guyon , dem Feinde offen hielten .
Durch das Neufchatelliſche zogen ſie ruhig. Marl
grafRudolfwar zu Friedensvermittlung in des Her:
S. 8. Die erſten Feldzüge des burgund. Krieges.
313
30gs Lager ; Karl verſchmåhete die Erfahrung des Alten " ), So waren die Burger der Stadt Neuf datel , fo das Chalvole , daß weder der Markgraf noch in dem Valengin der Graf Johann von Aars berg ohne Bern ſich zu behaupten vermochte. Saunz daß jenem in der Gefeßgebung fein gebührliches
Recht lieb 13) , und er mußte nicht nur vor dem Berner Senat , wo ein Fürſt Gunſt finden mochte, ſondern vor den Råthen und Bürgern , die etwa populárer dachten , ſeinen Bürgern Recht halten *). Kaum aber durch einen Spruch der Berner behaup tete Graf Johann, daß die Leitung des Militärwe fens in Valengin ihm blieb ' ) ; man hatte ſich hin und wieder verſammelt, und der Gehorſam wanfte, bis die Berner dadurch ein Gleichgewicht einführ: ten , daß die freien Männer ':6) von Valengin und Valderůj (auf dem Wege nach Pontarlier) wie ihr Herr Burger von Bern reyn und ihre Sprüche eh
ren ſollten ' ). Auf dieſe Art wußten die Berner in dem Augenblic des furchtbarſten Kriegs durch Wohlthaten gereklicher Freiheit und milde Rudlich ten auf die Umſtande , bald neue;'8) , bald alte )
bürgerrechtlich ) oder eigenthümlich :) Angehörige für die Regierung einzunehmen. (
r A 11
o n.
Sie , über fünftauſend Maun ſtart -st) , jogerz das Land hinauf; mehr und mehr folgten aus der innern Schweiz verſtärkende zuzuge ' ). Die Hera
ren von Chateauguyon waren por Nuys bei dena
320
Geſdichte der Schweiz. IV. Budy.
Herzog 15 ). Auf dem Schloffe Granfon 13b), unter dem die Stadt und vor ihr ein Kloſter an dem See gelegen iſt, lag mit einer Beratung Peter von Joigne , der durch eine Abtheilung von Reiterei ihre Ankunft erkundigte 135). Diefe mögen ſich in der Barfüßer Stloſter geworfen haben, beffen ſtarte Mauer alſobald ohne Erfolg , nicht ohne Verluſt
geſturmt worden. Hierauf (Stadt und Schloß wa ren ſehr feſt) beſchloſſen die Hauptleute , die große Buchre und andern Zeug von Bern zu erwarten. Vergeblich . Denn in dem Glauben , daß gegen tapfern Muth keine Mauer hody , keine ſtart genug iſt, rannte das Kriegsvoll Sturm . Selbft Leitern fehlten . Aber die furchtbare Entſchloffenheit , mit welder ein Kriegsgeſelle den anbern hob, hinauf
zu tlettern , Feuer in die Stadt zu werfen , die Thore einzuſprengen , und womit gegen alles Henri
Vögeli von Freiburg "S ) Rath fand und Hülfe ſchuf, brachte die Burger in eine ſolche Beſtürzung , daß jeder mit ſeinem beſten Eigenthum in eines der vier
Chore der an dem andern Ende der Stadt in feſter Bollwerfen liegenden Burg 58) , oder in Schiffe fide
zu drången bemühet war. Alſo famen die Sowei der in die Stadt Granfon , conten die erſchrodene Menge der Bauern 59) , und , da ſie alles , aud jene Sciffe, eingenommen , ließen ſie ſich kaum abhalten , an gleichem Tag der Burg zuzuſetzen. Die Hauptleute verboten es. Der Commandant aber, Peter von Joigne, für ſo viele nicht verſehen , oder
Die erſten Feldzüge des burgund. Arieges. ' 321
C. 8.
aber durch den Zufall geſchređt, oder Untreu ober die Wunder feindlichen Muthes fürchtend , hielt für gut , die feſte Burg am zweiten Tag aufzuge: ben . Freien Abzug " ) erhielt er ; mit fehr vielen Sriegsleuten , Ellen und Bürgern zog er von dem Schloß ; die landésfürſtlichen Rechte Savoyens wur den von den Eidgenoffen geehrt **b). Da nahm Georg Freiburger der Jüngere, Groß weibel von Bern * ) , den tapfern Vögeli und von anbern freudigen Ariegern etliche " ) , 30g hinuber, Wo Montagni le Corboz nod als Feſte fich erhob,
nach dem altburgundifchen Champvent, großer Pra laten Stammhaus * ) und bis auf uns von ſeiner +
1
Höhe weit über das Land hin prangend. Erobernd tam er , nicht ohne Flammen 4 ). 7
(
+ 6 e .)
Als Rauch und bald Feuer aus den gewaltigen Mauern Champvents aufſtieg , und nun die Erobe irer Granſons in großer Ordnung mit ſchweren Büch fen , Sverdun vorbei, oben an den Moráſten , durch
die Felder einherzogen , da erſchrafen die von Orbe. Uus althelvetiſcher Zeit lag ihre Stadt zwiſden den Klüften , worin der Fluß ihres Namens aus den Jurathålern brauſend herrauſcht, und einer ſtun ideaweiten moraſtigen Ebene auf ciner Höhe, deren Spiße eine Burg hatte , manchmal Siß der alten Merwingen , glänzend in Karls des Großen Zeit alter ; von der fällt die Stadt eine ziemlich ſteile Hébe hinab. Die Burger , heimlich unterrictet, 7
I. W. Müllers fåmmtl. Werke. XV.
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Geſchichte der Schweizo · IV. Buch.
Die Befaßung fuhr in der Bertheidigung fort, bis nach drei Tagen gewiſſe Nachricht von dem Nus:
gang der Schlacht alle Hoffnung auf Entraß oder Verproviantirung benahm. Da gab ſie Hericourt auf. Dieſe vierteharbhundert Mann wurden zwi: fchen den leichnamen über die Wahlſtatt abgeführt.
Die Begräbniß der Todten war von Freunden und Feinden verfáumt" ; dieſmal wurde die Menſch heit durch die Natur gerochen, die Verweſung ver:
peſtete die Luft"). Faucognen, hulflos da die Mán: ner gefallen , wurde feindlich heimgeſucht 46). Uber falte Regentage , verdorbene fuft und Mangel an Zufuhr bewogen die Eidgenoſſen , nachdem ſie heri
court dem Erzherzog úbergeben und nebſt feinen mit ihren Truppen befekt “?) , aus einander zu ge hen. Der erſte Zug in dem burgundiſchen Krieg, welcher den Herzog warnen konnte , nahm dieſes Ende.
Die Befaßung von Gericourt, zur Maffenübung und um ſich zu verſehen , bemächtigte ſich der gans zen Landſchaft hier bis lureuil , hier bis an den
Freiberg hinein ") ; faſt ſo viele wie jene Schlacht fraß ihr Schwert im Winter 69). Der Bareliche Biſchof Johann von Benningen eroberte in dret
Tagen die Burg Franquemont so); ſie mochte von den Montfaucons weiland erbauet ſeyn 5 ) ; die
Burgunder hielten ſie befekt; ſie liegt in der ho her Landſchaft an dem Doubs , welche durch Vor:
echte des Volks der Freienberg iſt “ ). Von den
E. 8. Die erſten Feldzüge des burgund. Krieges .
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Bernern wurde Erlach an dem Bielerſee darum
eingenommen , weil der Herzog die mannichfalti: gen Verhältniſſe der Herren von Chalons ") be außen konnte , dieſen Ort mit großem Nachtheil der Benachbarten zu bereken . Uuverändert blieb was der Prinz von Oranien daſelbſt hatte 54) ; Rus dolph von Erlach , des großen Raths von Bern , zu
Erlach der vorigen Herrſchaft Vogt , blieb an der Verwaltung 55 ).
Die Eidgenoſſen , die vom niedern Bund und alle Cheilhaber tageten zu Luzern über die Kriegs ordnung, die nach dem Sempacher Krieg wohl ent: worfen so) , allein im Heer der Berner üblich ge blieben 5) . Alfo,
um die Siege zugleich zu ſichern
„ und vollkommen zu machen , und feindlicher Liſt
fowohl als eigener Zweitracht vorzubeugen , wurde meinem Theil der Nachhut befohlen , diejenigen zu
,, erſtechen , welche vor der Vollendung fich Beute vigueignen wurden ; ſie ſoll gemeinſam vertheilt werden. Freiheitsbuben 58), unnúß zur Schlacht, ,, Feinde der Ordnung, nicht ſelten Verråther, alle:
„ Jeit raubgierig, rollen fern gehalten werden. Auf ,, dieſes ſchworen die Eidgenoſſen und wer ihren ,,Krieg mit führen will." ( I r a ct ate n . )
Hierauf trat im Namen des Königs Georg la Trimouille Herr von Craon in die Verſammlung und außerte : ,, Wie der König den Herren Eidge :
,,noſſen , ſeinen allerliebſten Freunden , die er für
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Geſchichte der Schweiz. IV . Budy.
wie wenig Bern ihr Unglüc wolle, fandten die Sok fel. Nicht ſo der Hauptmann der Burg. Aufc- for: dert antwortete Nicolaus von Jour " ) ; „ Buchſex , Pulver , Blei, Proviant haben wir ; was noch mehr iſt, Entſchloffenheit zu ſterben , eher als dem ehr:
,,lofen Beiſpiel Granfons zu folgen .“ Das Herz der Krieger war mit ihm ; die Burg war ſtark, am allermeiſten der Hauptthurm , aus rómiſer oder altfränkiſcher Zeit , alem troßend. Alſo befahl der von Jour Anzündung ber nådſten Häuſer , deren der Feind fich bedienen mochte.
Bon Dad zu Dach
fuhr die ganz Orbe bedrobende Flamme ; bis , ba fie adtzein Hauſer gefteffen , unſágliche Mühe der
Schweizer das Feuer überwältigte. : Sie alsdann úthend an die Pforten der Burg . Die Burg ant
wortete mit Steinen , Pfeilen , Feuergeſchoß, ak len Waffen. Die gange Garniſon , die Edlen und 5b) , wohl nicht zweis Gemeiner, vierhundert Mann 145 feind, daß dieſer Tag ihr leßter fepn dürfte, hielten alle Kunſt ſich gegenwärtig " ), zu jeder Kühnheit freudig. Sie hatten den Feind alles Guten , die Todesfurcht , bezwungen . Einsmals wurden die I
Zinnen hinüber von dem Thurm der Stadtkirche bes ſchoffen ; funfzehn Mann fielen ; es war die Haupt büchſe der Berner. In dieſem Augenblia brad un " b ) mit andern der Scharf: ten durch ein Burgthor 146
richter von Bern. Vollzieher der Gerechtigkeit was ren damals nicht egrlos ; mancher duro Chaten *),
durch Menſchlichkeit ") , dieſer als ein ſtarker , der
C. 8.
Die erſten Feldzüge des burgund. Krieges. 323
wandter, freudiger Kriegsgeſedle ſo ausgezeichnet, dass als er hier den elrenvollen Tod fand, er von den Bernern ſehr betrauert wurde Hog). Da famen die Eidgenoſent allenthalben herein ; tvorauf die Be farung , nidit für das Leben , aber für die Rache, auf allen Treppen , in den Gången , im großen Saal , auf Zinnen und Speichern unerſchrođen gee ftritten , der Freiherr von Chateau Belin 15 ), Herr Nicolas von Jour , die Herren von Adel und ihre Nächſten ſich in den Hauptthurm geworfen. Da war von deſſen hoher Wehre und aus noch uneinges nommenen Thürmen , offenbar und aus unbemert ten Winkeln , der mannichfaltigſte Streit, bald in Naud und Flammen verwickelt. Es lagen in den
Gången liber hundert und zwanzig Erſchlagene ; Eidgenoſſen unter ihnen *5) ; viel mehrere wurden von den Siegern durch die Fenſter und von Zinnent
die Felſen herunter oder in die ſich verbreitende Flamme geſturgt. Nachdem der von your die Wehre über eine Stunde nicht ohne Schaden der Feindes) behauptet, tamen durch eine vergeſſene geheime Chur Eidgenoſſen in den Churm , bemachtigten ſich eines hervorſtehenden Erfers I, fhoffen und warfen in
die Wehre hinab 13). Als der Thurm gewonnen, als in die Wehre gebrochen worden , ſpaltete das erſte Schwert des tapfern Coinmandanten Haupt * ) ; fofort wurde von der Menge Chateau Velin bezwuns
gen und mit allen Edlen hinabgeführt 15 b) ; wie denn Schwert und Spieß und Feuer und Felſen der
Geſchichte der Schweiz. IV . Budi. ganzen Beragung 155) den Tod gebracht. Man kann
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die nicht unglücklich nennen , welche im Augenblic des böchſten Gefühls unüberwindlicher Selbſtſtán digteit , was allen unvermeidlich iſt , in Geſellſchaft
ihrer Freunde ruhmvoll gefunden haben . ( 9 0 i gnc. )
Sofort nach dieſem fandte Gallens die unter:
werfung 56). Petermann von Wabern , Altſchult: heiß von Bern , gog mit einer Schaar won tauſend Mann , durch die wohldurchforſchten Clauſen des Jura wider die Burg Joigne ) , welche, Herrn Lu:
dewig von Chateau Guyon zuſtändig, wenn man aus dem waldichten Paſſe kommt, auf der Freigtaf: ſchaft der erſte Ort iſt. Seine Lage iſt wichtiger ; ſie Öffaete Burgund , Savoyen, den Weg der Schweiz ;
Orbe und Granſon waren nicht ſo ſtart wie dieſe Burg 15 ). Da ſie in die paſſe tamen, begegnete den Bernern der Herr von Lafarra , dem Grafen von Romont ergeben , aber Hadrian von Bubenberg hatte feine Tochter 1886 ) ; ſie nahmen ihn zu Freundſchaft auf. Als ſie Joigne aufforderten , wurde Bedent: zeit begehrt, und ſintemal Herr Ludewig den Leuten Borhin erllárt, gegen die Eidgenoſſen ſie nicht fchúßen zu können '59) , " ließen ſie Fich hinten ge: gen den Wald an Striden hinunter oder wagten Sprunge. Das blieb den Schweigern unverborgen ; worauf ſie geſtürmt, an den langen Spießen hinauf: geklommen und einander gehoben 16 ), bis Joigne ges wonnen ward. Die Befaßung wurde niedergemacht.
E. S.
Die erften Ferszüge des burgund. Arieges. 325
Sechshundert Mann blieben in der Burg 16 ) , Halo for viel in Orbe , nicht weniger wurde Granſon verſorgt.
Da brachte die Stadt Iverdun Brob und Wein . Sie , den Berg hinauf. Nun trug erſchrođeni auch
Eſtavane Speiſe. Einen Tag , eine Nadit , lagen die Banner zu Peterlingen freudig ; trennten ſich; worauf die von Freiburg einen Tag die luzerner und Berner bewirthet , Murten die Solothurner
freihielt 1626). Aber die von Bern baten auf das dringendſte, der Stadt Banner von Luzern , das
noch nie in ihren Mauern war , näci Bern zu be gleiten. Zu Frauen Capellen 363) an dem Forſt, zwei Stunden von der Stadt, wurden ſie bewirthet, orda
neten ſich, zogen kriegsmåßig einher. Zu Bumpliji eine Stunde von Vern , in einer der anmuthigſten
Gegenden ſchweizeriſcher Landesart, begegnete ihnen der Schultheiß Nicolaus von Scarnachthal, die
Ráthe und Bürger, und vierhundert zierlich bewaff: nete kleine Sinaben , die , fobald jene nabe waren, in findiſchen Reimen ) fo herzlichen Willkomm rie:
fent, daß von den rauhen Wangen Chránen zärtli cher Freude floffen. Die Helden aber , die Schult:
heißen , Scharnachthal und Haßfurter , redeten un geldmåđt und freudig von der alten ewigen Treu
und Liebe, den Schlachten , dieſem Zug, der Unver brúchlichkeit des brüderlichen Bundes. Das Heer, pon den Knaben mit lautem Jubel umringt I, 30g in die Stadt, wo in allen Zunfthäuſern und Woh:
326
Geſchichte der Schweiz. IV , Buty.
nungen der Bürger gaſtfreundliche Tafeln warte ten. Morgens wurden ſie gendthiget , auf noch Einen Tag. Die Herzen feſſelten fich ; niemand fürchtete den Krieg. Nachdem jedes Vergnügen auf offentliche Unkoſten wohl genoſſen worden 65) , zogen die Luzerner in ihr Land. Da ließ der Schultheiß Haßfurter in ſeiner Stadt Buch ſchreiben von den frohen Tagen in Bern 166). (Die Penſionen.)
In denſelbigen Tagen kam nach Bern der ult: fchultheiß Nicolaus von Dießbac , Ritter , des Kó nigs Kammerherr und Rath 162), mit dem franzöſi Tchen Geſandten Gervais Faur 163). Da wurde die Berniſche Läuterung über den Bund förmlich, nicht ohne Zuſah nach des Königs Wunſch 16g) , beurtun det, und über die öffentliche '7 ) und geheime' ) Ver: theilung der verſprochenen Gelber ein Plan verab: redet. Einem jeden Mann von Einfluß wurde nach
deſſen Maß, aber auch den beſten , damit ſie es zu: laſſen , mehr oder weniger verordnet. Wo der gó: nig , wo die Partei übermächtig war ,1 ſchien Ableh: nung nicht ohne einen Bruch möglich. In Låndern ohne Gemeincafe '71) oder wo Jahrgelder ( chándlich chienen , wurden ſie , für ſich oder zum Gebrauch , Häuptern gegeben. Ausgaben zu Beförderung núk: licher Geſchäfte haben auch Edle über das Zweideu :
tige beruhiget '7 ) ; ſo daß in wohl alleü freien Ver: faſſungen , ſo lang Månner von Unternehmungsgeiſt
ihren guten Willen dem Nachbar wichtig machten ,
C. 8. Die erſten Feldzüge des burgund. Krieges. 327
dieſer Gebrauc nie weber gebilliget noch unterlaſ fen worden , fondern bloß durch die Verwendung
boſe, gleichgültig oder entſchuldigungswerth geſdie nen hat. Schwachen iſt vieles gefährlich , was der Mann von Selbſtſtändigkeit ohne Schaden und mit Vortheil genießt. Eine über alles erhabene Große, das Theil don Wenigen , die einzig wahre , iſt das
Ziel der Edlen ; aber die Menſchen , wenn ſie ſonſt brauchbar ſind, muß man auch mit Unvollkommen 基
heiten ſich gefallen laffen . Damals gab der König Niclauſen von Dießbach tauſend Pfund und eben ſo viel Wilhelm , feinem nächſten Wetter , damit fie die Eidgenoſſen ihm zu Freunden erhalten ). Um debwillen hien er nicht
einer Partei unverſöhnlich , und verkauft, Krieg zu verewigen ). Auch die Burgunder gaben Hadrian
von Bubenberg , ihrem Freund, ein Geſchenk 76), und dieſer entåußerte ſich nicht, von dem König etwa ein Drittheil ſo viel als der von Dießbach an zunehmen " ) ; welchem Beiſpiel ſeine Freunde ge folgt ' ). Man betrachtete fürſtliche Gaben wie eine Erkenntlichkeit für Arbeiten oder nicht unrúhmliche Ehrenbezeugung , die , wie Bubenberg und andere gezeigt, nicht verpflichtet , auf des Vaterlands Ko
ſtea gefällig zu ſeyn . Unter den Luzerneti wurdeil die Verdienſte 3oſts von Gillinen und ſeines Bru
ders reichlich '79 ), die der übrigen in der Maße er: tannt , wie es nach geringern Gludsumſtånden
oder Begierden genug ſchien 19 ),
Die Zürichſche
328
Geſchichte der Schweiz. IV : Buty
Beſcheidenheit war mit weniger als dem neunter ? Theil der Berniſchen , dem vierten der Luzerniſchen Gabe vergnügt). Eben ſo viel wurde fünf Haupa
tern von Uri , Schwyz und Unterwalder 4 ); mit et was wurden auch ein paar Månner von Zug 183) und Solothurn bedacht 184 ). Eine anſtändige Unters
ſtúßung bekam das gemeine Stadtweſen zu Bern , zu kuzern , Zürich und Biel 165). ' Die Freiburger
mogen nichts genommen haben, die Glarner , das Voll der Waldſtåtte mit ſolchen Dingen noch nicht vertraut geweſen ſeyn. ( Creuloſigkeiten .) **
Bald nach diefem brach der Kaiſer, an der Spiſe
vonaachtzigtaufend. Måna 16) , den Bund mitFrant: reich und ſein Wort an den Schweizern :"87) , und machte , mit Aufopferung des Herzogs von Lothrin gen und Erzherzogs Sigmunden ; Verein mit Karl, auf daß er feinem Sohn ſeine Erbtochter gebe ).
Diefen Frieben vermittelte der Markgraf zu Neufa chatel , der Eidgenoſſen Freund 188b ). Hierauf ſchloß der König mit Karln von Burgund einen lana gen Stillſtand ), worin er die niedere Vereinigung ihm preis gab ) , Bern aber und die Eidgenoffent, denen er verfprochen wider ihn beizuſtehen 19 ), nicht vorbehielt, ſondern dem Herzog Durchpaß gegen ffe
gab 19) ; er hoffte fürden DauphinbteHeiratb ſeiner Erbto er ºgs). ( Bifchof Bafel. )
Die Schweiger , auf ficy felbſt getroft unb'lentes
C. 8.
Die erſten Feldzüge des burgund. Arleges.
329
lich ſicher , daß die Fürſten unter ſich einander nodi weniger Wort halten würden als ihnen, ſekten den burgundifchen Strieg fort und erhoben den favorie foen .
Der Feind ſchien von dem Glúd begünſtiget; er eroberte, plünderte und verbrannte dem Biſchof zu Bafel das von Bruntrut, ſeinem Siß , nicht weit
entfernte Schloß Stalenberg 196 ). Es war der Biſchof Johann von Venningen , ein Herr von Einſicht, welcher auf Ordnung hielt 19 ), auf feine Einfünfte achtete, aber in Ausgaben , beſonders für nufliches
fürſttiches Bauweſen 196); groß war , in Germaften und Kenntniſſen wohlerfahren : 97)1, klug dem Krieg 19
auszuweidsen 996) , muthig wenn es ſeyn mußte 199). Aber das Volt tadelte , daß er von striegsbeute ein ; die Stadt Baſel , durdy Drittheit für fid nahm eine Verordnung des Domcapitels mit Recht belete diget , verließ ihn jekt. Die Capitularen , durch tein Gefety, doch herz kömmlich meiſt aus altadeligen Gefchlechtern * ), hatten allen Bürgerlichen auf einmal den Zutritt verſchloſſen rok ), unb fich der Gemeinſchaft mit ihnen
durdaus entáußert 705).. Bon dieſem Statut), wel dhes die Domherren längſt wünſchten 204 ) und nun auch anderswo aufbrachten ), iſt ſchwer zu ſagen , ob es ungerechter oder unweifer ware. Die wenigs ſten Weltlichkeiten waren Familienſtiftungen ', bet weiten die meiſten und wichtigſten von Staifern und
andera Fürſten , felbft von bußfertigem udel, fúrs
330
Geſchichte der Schweiz. IV . Budo.
die große moraliſche Anſtalt, welche man Stitche nennt, und nicht für die Gemächlichkeit müßiger Enkel ver gabet. Es kam hinzu, daß die Bürgerſchaften , aus deren doos die meiſten Tongeber der öffentlichen
Meinung entſtehen , zum Unwiden gereizt wurden, wodurch bald nach dieſem 26), und vollends nun, der Untergang der Domcapitel befördert worden. >
Sie trosten der Stimme des Volls und hatten keine Waffen : boc felbſt die Strieger ſind Wolf.
Damals, ehe Stalenberg eingenommen ward, kus Berten die Baſeler , die Perfechtung des Bisthums bleibe denen beimgeſtellt, welche deflen Einkommen ausſchließlich verzehren wollen . Das Glück machte die Burgunder ſo fühn , daß nicht nur der Biſchof um ſeine prächtige Reſidenz, die er ſelbſt erbauet wt), in Furcht gerieth , fondern in der Nachbarſchaft vier: zig Dörfer verbrannt wurden * ). Hierauf kam die Nachricht von des Kaiſers Frieben , von der Gefahr des Herzogthums Lothringen , von dem bevorſtehen : den Ueberzug dieſer oberen lande mit aller Macht Karls von Burgund. ( Biomonter Zug. )
Da kam nach Bern in Eile der Stadt Straßburg .
Ammeiſter Peter Schott: der öſtreidiſche Vogt, alle Herren und Ståbte der niedern Vereinigung ma chen fich auf , die mitternachtlichen Lande der Freis grafſchaft, wo der Herzog berkommen folle, einzu nehmen ; Volt feble nicht, aber der Eidgenoffen furat
barer Name sy) um vjerhundert Mann bitte er .
6. 8.
Die erſten Feldzüge des burgund . Arieges .
331
Sogleich ſchrieb Bern an Solothurn , an Freiburg,
reşte Niclauſen von Dießbach über tauſend Mann, und nahm den Sold für nur pierhundert : ,,Ulte
Freundſchaft wolle es ſo ; Freunde rechnen nicht mit einander. “ Es eilten hundert Freiburger herbei 109gb).
Zu Solothurn traten anderthalbhundert Manu zu ihnen 209 c ) ; die Baſeler mit fünfhundert in ihrem Sold ſtehenden Schweizern 26 ). So kam der Ritter von Dießbach zu dem Heer * ).
Da es oberhalb Lille erſchien , welche Stadt von dem Doubs faſt umfloſſen und ſonſt feſt war, ſobald es den Sturm anlegte, Moh das Woll die Unterſtadt binaus ; weldes einige Schweizer bemerkten . Dieſe
zogen ihre Kleider aus , und fchwammen mit Spieß und Scwert duró den Stromb ) , ſo daß die flies hende Schaar mit Verluſt zurudgetrieben wurde. Sie fand die Stadt erſturmt, in allen Saſſen , über alle Waffenfähigen , den Tod, niemand verſchont als wen Geſchlecht, Alter oder Geiſtlichreit empfahl. Da wurden im Burgverließ zwanzig dem Hungertod nahe Kriegsgefangene errettet. Ueber alles eigenthümliche oder hingeflüchtete Geråthe und andere Beute, ſelbſt
aus dem Strom gefiſcht, wurde regelmäßige Ver: theilung angeordnet, und vollkommen beobachtet"). Ein óſtreichiſcher Krieger, der einen Selch geſtohlen ,
wurde, damit nicht Meineid Unglúd über das Heer bringe '13), ſogleich enthauptet; der Schucfrichter ,
weil er üblen Willen oder Ungeſchicklichkeit bewies, von den Umſtehenden erſtochen .
332
Geſchichte der Schweiz. IV. Büdi.
Als denen von Granges verliindiget wurde, im Schatten des nahen Waldes fammle der Feind Kräfte zum Sturm , fandten ſie wer Scheu oder Erbarmung erweđen mochte, und erhielten das Leben ; vom Vers mogen wurde geraubt. kille wurde verlaſſen , doch brennend. Aus dem erbeuteten Storn wurde von
Baſel aus Mehl und Brod ungeduldig erwartet, Verheerungskriege ftrafen fich felbft ; die Mübten 54 ) , der Markt ver : ftanden gebrochen , verlaffen 314 ſdheucht; ein Aufenthaltwürde Hungersnoth gebracht
haben . Aber wie ſelbſt Winters feine Woche ohne That verfloſſen " ) , ſo war ießt fein Tag ohne Unternehmung *6). Da fant Monbi, Nan und
Nanla - Roche in Ardhe si?). Mißgeſchic trafdieEL faßer vor Grammont » ), aus Mangel der la meije: riſchen Drbnung und alles gutmachenden Beharra lichkeit.19)
Die niedere Vereinigung , indem ſie den hocha burgundiſchen Krieg eifrig betrieb , wurde von Her: zog Réné dringend gemahnt , Lothringen zu bewah:
ren :). Das war völlig der Sinn des öftreichiſchen Vogts , Graf Oswalds von Thierſtein . Aber wez nige konnten glauben , daß er der ungeſchwachten Hauptmacht Starts mit einem ſo geringen Heer in einem lande würde begegnen wollen , wo leicht war, ihm den Rugjug abzuſchneiden " ') : eher, daß er die Verbundeten widerBlomont nicht unterſtüßen wolle. Blomont an dem blauen Berg , eine feſte Burg,
unter der ein Städtchen unter allen auf der Fret:
. 8. Die erſten Feldzüge des burguns. Krieges.
333
grafſchaft vorzüglich ſchon emporblúbete ***) , lag für Múmpelgard und Bruntrut, für die Verbindung der Vereinten , für mehrere wichtige Straßen 425) gefährlid). Aber der Marſchall von Neufchatel, Herr
Des Ortes, war dem Grafen von Thierſtein befreun det. Kaum vermochte der Graf , :lich dem Unwillen
des Volfs zu entziehen » ). Als der Kriegsrath ſeinen Zug nach Lothringen genehm hielt, weiger ten ſich dieSdaaren zu Fuse, ihrem Feldherrn da:
hin zu folgen " ). Die Vieiterei zog mit ihm ; Hart mann von Eptingen führte das Fußvolt vor Blo mont *). Mauern achtzehn Schuh dick es?), gewaltige Bolle werle, alle Waffen der Bertheidigung, viel Proviant,
eine geſchickte ſtandhafte Beſaßung, war die Kraft der weit umher leuchtenden ) Burg, Belagert 128
wurde ſie von viertauſend Mann *9 ) mit vier un
gemein großen Belagerungsſtúden 156) und anderm Zeug.
Nachdem ſie die Gelegenheit mit ungemei :
aer Porſicht erforſcht » ) , erkannten pie Sturm.
Hier führte die Berner Hanns Thüring von Bütti - ton, Ritter , Petermanns von Wabern Schwieger: fobnº ) ; und Hanns Rudolf von Erlach , dem er mit ſchönen Hoffnungen ſeine Tochter gegeben -83) ;
Staſpar Barpfennig, der Straßburger Hauptmann , gog mit zwei Söhnen vor dieſen her. Die andere Seite wurde von Deſtreich und Baſel geſtürmt.
Was Muth und alte Kunſt eingab , wurde beider: ,
ſeits aufgeboten : Haten , Fußeiſen, hielten die Be
334
Geſchichte der Schweiz. IV. Budy.
wegung der Sturmrennenben auf; Bienenförbe wur : den geworfen , deren Bewohner , ſobald ſie Luft be: tamen * ), ihnen in das Antliß fuhren ; Bollwerfe
zum Schweigen gebradt ; erſtiegen, nicht behauptet. In der drúdenben hibe des Tages, in der großern des Kampfs , werſagten dem Muth endlich die Kór: per ihre Kraft. Man ließ ab. Da ſchoß die Be
fakung trokiger ; Soreden verbreitete ſich von los thringen ber ; ein Gerücht verkündigte nahen Ent: faß durch ein magtiges Heer des großen Baſtar: den *). Alſo foien einigen der Abzug rathram , an:
dern hodiſt gefährlich, Verluſt ungerode und eine Unternehmung unausgeführt zu laſſen . Der Rit:
ter Nicolaus von Dießbad ), an einer Wunde 136) gefährlich frant , aber unerſchütterlich , ſchrieb (um andere zu beruhigen) in das Waterland, ob nicht Ver: ſtårkung zu hoffen ware. Da eilte an der Spike von dritthalbtauſend Mann der Schultheiß Nicolaus von Scharnadthal; mehr noch der Stadt Bern lau fer mit folgendem Brief: „ Jeder ſoll der Voreltern ,,eingebent feyn , die für Ebre nie den Tod gefürch ,,tet; auf den Ruhin der Standhaftigleit ſtehe der
ernſtliche Wille von Bern ; wer der immer fer, ,, tvelcher aus Gemachlichkeit oder argem willen w *) ,, dieſes weniger erwage, den ſollen ſie von dem Geet ,,entfernen ; mar sverde Leute ſenden ,I die mehr
„ liebe tragen zu Anſtrengung und Ehre 188).“ Solche Geſinnungen der Stadt Bern erheiterten
die leßte Stunde Niclauſen von Dießbach ; eine an:
6. 8.
Die erſten Feldzüge des burgund . Krieges .
335
ſtedende Krankheit vergiftete fein Ulebel ; da entzog er fich der Unruhe des Heers und ſtarb zu Bruntrut. Be
trauert wurde er herzlich von den Bundesgenoſſen , von allen Kriegern , die er mit Weisheit und Hels denmuth führte. Segen den Ehrgeiz eines umfiches greifenden Fürſten hatte er das Vaterland in Ver:
bindung eines uralten mächtigen Königreichs, alle Eidgenoffen mit Deſtreich zu friebe gebracht; in
Råther, im Heer der erſte; bei Königen groß, und was in den größten Zeiten der Schweiz oft gefehlt, ein Staatsmann. Er ſtarb in dem fünf und viers zigſten Jahr feines Alters ; die Verwaltung reines Reichthums , die Führung der Partei , hinterlies
er (da ſeine Söhne unmündig waren 33 b) Bilhels men, der, wåre er ihm nicht in Verwandtſoaft der nächſte geweſen , durch Eigenſchaften fein beſter Freund
geworden ſeyn würde 199). Der Ritter wurde zu
Bern in St. Vincenzen Munſter in ſeiner eigenen Capelle ehrenvoll beigefeßt *).
Die Krankheit , an der er ſtarb , fam in die bes lagerte Stadt. Nadidem der Commandant *), viele von der Beratung , viele des Bolls , geſtorben ; als Niedergeſchlagenheit und Mißmuth beſonders den Willen der lombarden gebrochen ; die Haupt
büchſe von Straßburg aus einer die Stadt beherrs fchenden Stellung linficherheit in alle Gaffen se
bracht * ) , hingegen die Schwadee und Ferne des Entraßes *) und die Macht der Berniſchen Vera ſtårkung bekannter geworden , ergab ſich Blomont,
336
Geſchichte der Schweiz.
IV . Budy.
die ftarefte Burg in ganz Burgund . ). Heraus gogen zu Roß und Fuß vierhundert Kriegsleute, fehr zufrieden , der Peſt und rache zu entkommen " ) ; viele von Adel, die Burger , alle Beiber und Kin
der, Koſtbarkeiten ſchleppend , laut weinend um die done Baterſtadt; aber neuer Ausſicht ins Leben froh , vierzig durch langen barten Kerler verunſtal tete Striegsgefangene. Die heranziehenden fchweis
geriſchen Banner 3* ), unwillig, ohne that heimzu : tehren , beſchleunigten den Marſch . Su Blomont
wurden die Zierben der Burg , die ſechszehnweitglán : zenden goldenen Anópfe heruntergenommen *26 ; ) , acht Connen Pulver , die Buchfen 348**) , Proviant auf zwei Jahre ) weggeführt, alsdann Thürme, Zinnen , Mauern , fo viel es möglich , gebrochen ,
untergraben , unterbrannt, die ganze Stadt ange zündet und unter großem Geſchrei von Grund aus zerſtört 15 ). Die Banner, Chaten fudend, nachdem fie deren von Straßburg Fußvolt zu Bewahrung der eigenen
Stadt entlaſſen, brachten vor Grammont Begierde .
nach Deute und Rache. Es lag auf der Freigraf ſchaft in der Bergvogtei *S), hoch, befekt, feſt. Frút nach der Meſſe tamen ſie, vom Frúbſtúd erfriſcht; die Berakung der Qulfe gewiß , lachte, Sie , die
Eidgenoſſen, beſonders die Handbuchſenſchußen, rie fen einander zu einer Kühnbeit auf, erſtiegen den Berg , warfen die ſtarten Chore des Borbofes nie :
der. Da fank der Mutb ; fintemal die Krieger mit ſtars
6. 8.
Die erffen Écrôzüge des burgund. Ariéges. 337
ſtarkem Arm vermittelft ihrer Halbarden und Spieße gelorete Steine aus der Mauer riffen , wo ſie nach dem Kellerhalſe weniger feſt reyn mochte. Als der
Keller gewonnen war und Wein die Wuth) erhob -s ), das Heer aber von außen nachdrüdte, gedachten die Lombarden , die verhafteſten , ant Beichte mehr als
Widerſtand.
Der Baſtard von Grammont ſudste
Sicherheit in dem Thurm . Da fand der Tod viele zu den Füßen des Prteſters; anderer, die in Weibs Kleidern flohen , erbarmte man fich ; wenigen half
ein ſchnelles Pferd und Landeskenntniß 953 ) , dem Baſtard und drei ſeiner Geſellen , daß ſie alles auf: I
richtig angaben *).
In demſelben Augenblick die Eidgenoſſen den Berg hinunter ; der Schreden von Grammont lieferte das Schloß Valant. Bloß in Hemden, jeder mit einem weißen Stab, 303 , des Lebens froh , die Beſaßung hinweg ). Grammont und Valant, gewonnen in vier Stunden , mit Verluſt eines Mannes, den im Gebráng der Zufall traf 6 ), wurden verbrannt ; gebrochen Varambon , Stammburg eines der Gro:
Ben , Elerival , Clemont ; in ſechs Wochen 151) zwölf Schloffer *58), drei Stadte 15 ). Cheurung aber und Krankheit lagen auf dem Lande ; darum ging das
Heer aus einander. Nicht ſo viel durch Geſchenk des zehnten theils der Kriegskoſten ) als durch den Dank ehrte Straßburg die Berner , womit die Folgen der Gegenwart ihres glüdlichen ehrwürdigen Banners und ihrer mannhaftigen Sởaaren aner: I. v. Můlers fåmmtl. Berte. XV.
92
333
Geſchichte der Schweiz. IV . Budy.
kannt wurden 361); wie auch bei dem Abſchiede die
Herzen der Männer ſich in Schwüre thåtigſter Freundſchaft ergoſſen 362). ( Sa Doge n . 2
Seit Starl mit Sforza Bund gemacht, verviel fältigten ſich die in Lombardei und Italien für den burgundiſden Dienſt geworbenen Schaaren ,
und nahmen ihren Zug durch Savoyen als mitver: bündetes Land. Jolante begunſtigte denFeind in: res Bruders , des Königs , und ſcheute nicht die Vorſtellungen der Stadt Bern ; in allen Sachen des Hauſes 6 ) und in Landesgeſchäften **) war für jie Karls Meinung entſcheidend. Bald gingen die kome barden über den Mont Cenis ) , bald úber den Bernhardsberg, in Vergleich des italiſchen Fürſten
glanzes die transalpiniſche Armſeligkeit hähnend ; welches in der Waadt auf die Teutſchen gezogen und in Reden und Malereien ſoimpflich vorgeſtellt
wurde 16 ). Das verdroß die freudigen Hirten von Oberſibenthal, ſo daß ſie vereint mit Nachbaren herab
zogen , und Feindſeligkeiten laum durch die Berner, die einen zweiten Strieg nicht wollten , verbindert wer:
den mochten 16). Da kam nadz Bern Graf Frais von Gregerz, Marſchall von Savoyen , mit fünf der Edlen , und machte Zuſagen , die in ſeinem Sinne reyn mochten 6 ); einige favopiſche Prinzen, Dheime
des Herzogs , waren mit Jolantens Benehmen un zufrieden 16 ). Sie, ganz burgundiroh, (donte keine
Mühe, durch Verſprechungen " ), durch Geſchenfe " ),
6. 8 .
Die erſten Ferëzüge des burgund. Krieges .
539
durch alle Verunglimpfungen " ) , die Eidgenoſſen
von Frankreich , eben dieſelben von Bern zu trens men ; an die ſieben Orte, die niedere Vereinigung ), den Kaiſer , die machtigſten Kurfürſten ") , ſchrieb
fie , als von dem Herzog zu Burgund bevollmächtis get , alles auszugleichen ; fie bot den ſieben Orten I
Bund. Als der Graf zu Romont, ihr gleichgefinna ter Schirager, zu Karl zu ziehen ſich vorgenommen , fcheute er ſich nicht , vorher nach Bern zu geben. Was er als burgundiſcher Feldherr mit burgundi:
fchen Truppen wider ein dſtreichiſches Feer beim Entraß von Hericourt vorzukehren ſcheinen müſſen, dieſes wußte er zu entſchuldigen * 5) ; von den Bund
niſen ſeines Hauſes mit Bern, ſeiner Hochſchåßung , ſeiner Freundſchaft, einen ſo einnehmenden Vortrag zu machen , und fein Land (weil er eine Reiſe vor: habe) Bern fo zutraulich anzuempfehlen , daß er die beſte Hoffnung erregte , und ehrenhafter als andere Freunde der Stadt befchenft wurde 16). ( a ele n. )
Bern beſchloß , den lombardiſchen Schaaren zu begegnen. Die Männer von Deſch und von Sanen, Angehörige von Greperz, verbürgerrechtet nach Bern,
erkundigten , daß zweihundert Lombarden zu dem von Correns , Herrn zu Uelen , gekommen und er fie dem Herzog zuzuführen gebenfe. Sie , auf An
ordnung und mit Hülfe von Bern "? ), verfainmel: ten rich Nachts zu Deich , zogen durch das Gebirge in die untern Ormonds 78 ), eine einſame Waldſtatt,
340
Geſchichte der Gaweiz. IV. Buc.
welche ihnen beitrat ; fie , weiter ; tamen ohne Dro:
nung , nicht ohne Geräuſch nach Aelen. Die Frem ben aufgeſchređt, eilten hinauf in die fchöne alte Burg 979 ) , wo Torrens die angeſtammte Herrſchaft nicht mit ſeiner Båter Weisheit 280 * berwaltete.
Fünf, am Chor ereilt, wurden erſchlagen ; die Burg, für ſolche Dinge außer Faſſung, angerannt ; To das
Torrens Geleit erbat , herunter kam und auf Zu Tage von Schonung die Auslieferung angelobte. In
dem er ſo aufhielt , und ſobald er wieder fam, ſtah len die Lombarden ſich hinten hinaus ; er mit ihnen. Das merkten die Krieger, gewannen die Burg, er:
ſtachen die noch da waren , pliinderten , verbrannten. Nachdem ſie die Herrſchaft als erobert eingenom men , und ihren Rúdmarſch angetreten , fam mit
vierhundert Pferden 11) der Biſchof Johann Lude wig von Genf, die Lombarden durch die Waadt zu geleiten oder zu einer Chat zu unterſtüßen :). Bei dem Anblid der rauchenden Trümmer, ungewiß der Stärke der Schweizer und wie weit ſie gehen woll ten , ließ er ihnen durch einen Herold ſagen : „ Die lombarden renen auch ihm verhaßt; ſehr leid auch rihm, daß ſie ſich des Durchzugs erfrechen ; er danke den Eidgenoſſen ; zum Beweis werde er zwölf ihm vorgekommene Lombarden in das Waſſer werfen
„ laſſen , die Gegend aber zu fünftiger Vorſorge in ,,Eid nehmen 183).“ Die Männer von Sanen gaben türzlich zu erfennen , daß er ſie nicht tauſche. Aelen,
den Schlüſſel des gangbarſten Pafies auf den Bern:
C. 8. Die erſten Feldjúge des burgund. Krieges.
341
hardsberg, vermeinten ſie zu behalten. Aber Bern, da die Sanenleute nicht für ſich, ſondern als Hulfsa polfer , dieſe Waffen geführt, und eine ſo wichtige Lage durch ſich auch wohl nicht behaupten konnten ,
blieb Darauf und fekte durch , daß die Männer pon Sanen und Deſch mit einem Drittheile der herr
fchaftlichen Einkünfte vergnügt 284 **) , die politiſche und militariſche Gewalt in Aelen und in den Or:
monden den Bernern überließen 85). (Wa Ili b. )
Die Straße Staliens zieht ſich von Aelen nach
.
per Clauſe , durch die der Fluß Rhodan ſich drángt ; ſie und ganz Unterwallis war dem Hauſe Savoyen unterthan ; die oberen Wallirer hielten ſich an Bern 19 ) , an die Waldſtatte 187) , und auch nach al ter Art
an die Bündner, ihres Gleichen. Die Ge
fahr der Zeit erforderte beſtimmte Verabredung. Wenige Tage nach der Begebenheit bei Aelen verord :
nete Bern den Schultheiß Niclauſen von Scharnach
thal, eben zurud von dem Blomonter Zug , und den Stadtſchreiber Doctor Thüring Fritard 288) über den Gemmi nach Leuk , woſelbſt Walther uff der .
Fluh , Biſchof zu Sitten , mit gemeiner Landſchaft Hauptmann Anshelm auf der Eggen , und einer großen Anzahl Boten der Zenten ) und Gemeinden von Wallis 190) einen großen Tag hielt. Die beſorg lichen Umſtände , die Frechheit der Lombarden , die Zweideutigteit Savoyens, die Bündniſſe der Våter,
der freundliche Wille zwiſchen Wallis und den Ber:
ind den B
342
Geſchichte der Schweiz. IV . Budy.
ner Oberlanden , bewogen leicht die meiſten zu einem ewigen Bund 9) : ,, Offener Handel und Wandel ,,ohne Erhöhung der Zólle und Geleite. Gleiches ,,billiges Recht, und Hülfe dazu 59 ). Wenn Unge:
,,wifheit wäre, ſo wählt der Biſchof zwei-Rathsmit: I
glieder von Bern , zwei Männer von Wallis , zu wſchiedrichterlichem Austrage -9 ). Wird Strieg eines „ der Theile mit einem áltern Bundesfreunde des wandern Cheils , welcher dieſen zu mahnen bat, ſo ,,wird dieſer erſtlich warnen , zugleich Vermittlung „ ſuchen , zulegt freilid thun müſſen was Pflicht und
,,Ehre wollen 5 ). Uebrigens hilft man einander ,,beſtmöglichſt » ). Sollte (was Gott wende) frie: geriſche Unruhe entſteben zwiſchen der Stadt Bern
und dem Hauſe Savoyer , jene dieſem Recht bieten auf den Biſchof und die Landſchaft Wallis , aber ,,(wo Gott vor rep ) der Hof in gewaltthåtigem Ueber: ,,muth beharren , ſo wird Wallis die Stadt Bern „ mit Macht zu den Rechten handhaben 196). Bei ,,Eroberungen roll jeder Theil den andern ſchůken. ,,Wenn , dem Hauſe Savoyen zuzuziehen , Bern „ dur . Ehre fich verbunden fühlte , ſo vertheidigte „dieſer Zuzug nur die favopiſche Landmark 19 ) ; die I
manderweiten Tritte und Påffe zwiſchen Bern und 11
„Wallis bleiben in Friede 398).“ ( Krieg mit Graf Romont. )
Die eroberten Burgen auf dem Paß in die Frei grafichaft waren bereßt. Auf einem Streifzug in ein
bisher unbeſuchtes Ebal wurde Georg von Stein,
C. 8. Die erſten Feldzüge des burgund. Krieges. 343 Hauptmann zu Joigne, durch Ludewig von Chateau Guyon mit Macht 199) überzogen. Zu frühe (der
Muth war unaufhaltbar) brach der verordnete Hin terhalt hervor ; doch Ludewig ward mit Verluſt ver
trieben ; Stein verlor wenige, denen Beute lieber als Ehre war 36 ). Uebrigens wurden die Beſaßun gen abgelöſet ) , die Burgen in wehrhaftem Bau gehalten ko ) , mit Pulver b ) and Proviant St) ver : ſorgt und alle Sachen ſowohl des Rechts als des Cameralweſens 35) geordnet , wie es ziemt ., wenn man ein Land behalten will. Nach dieſem wurde von den Behörden des Grafen von Romont den Be fahungen von Granſon , Drbe und Joigne der Markt
abgeſchlagen ; zum Theil wegen der ſavopiſchen Ans ſprüche auf Granſon 306), theils auch weil die Prin :
zeſſin in das Haus Chateau : Guyon heirathete; beſonders , weil Romont , nun Marſchall von Bur: gund 20 ) , größere Hoffnungen zu nähren begonn. Dieſes wurde in der Waadt , gemaß der Eiferſucht
gegen Deutſche, begierig aufgefaßt; es offenbarte fic Erbitterung in prahlendem Hohn ; man glaubte, nicht frühe genug ſich alles erlauben zu können. Ob
rigkeitliche Perſonen von Bern und Freiburg , die von Joigne beimritten , wurden von ungebundenen
Soldaten 38),welche Nomont in der Clauſè von les Clés hielt, hinterliſtig angefallen und zum Theil ermordet. Andern widerfuhr folche Mißhandlung
zu Baume , an jener fahlen Felſenwand des Jura,
durch den Caſtlan von St. Croir , welches große PO
Gefchichte der Schweiz. IV . Bud .
344
Dorf hinter Granfon auf einer hohen Ebene des Berges Jura weit ſichtbar gelegen iſt 39). Die Cha: ten und Reden des póbelhaften Trobes, durch welche
Bern vor der Zeit gereizt wurde , mißfielen den Råthen des abweſenden Grafen ſo, daß die Hinrich tung etlicher unbebeutenden leute, als Genugthuung, nicht zu großes Opfer ſchien , öffentlichem Unglúd I
porzubeugen. Aber der Friede mit Frankreich , das erſte Olud in Lothringen und die burgundiſche Groß ſprecheret blendete'den Grafen .
Gewöhnlich ( ein
Glud für die Welt !) mißbrauchen die machtigen eine unfehlbar ſcheinende Macht , ehe ſie derſelben
redt gewiß find ; mit unvorſichtiger ungeduld ver fuchen ſie, wie weit ſie gehen dürfen , ohne ihr Glúd
zu ermüden. Der Graf von Romont , das Miaß ſeiner Kräfte vergeſſenb, fcheute ſich nicht, gegen die Schweiz feindſelig zu verfahren. Der Graf im Bollgefühl der Macht feines Herrn ,
die ihm die reine und gegenwärtig ſchien , beſchloß, Alle Rudlicht aufzugeben . Man erfuhr zugleid Teine
Ankunft und dag er aus geringem Anlasso) bei
Morges am cenferſee " ) zwei oder drei teutſche Kaufmannsfuhren habe niederwerfen , die Eigen: thümer 3
durch Peter von Gingins gefangen neh
nten und wegführen laffen $8) ; das , was jener zu Vaume that , rein Befehl war sik); daß Schweizer, welche zu Jverdun Wein faufen wollten " ), bet
; bab
plótlicher Ankunft des Grafen mit Berluſt des Geld
des durch einen Sprung von der Mauer ſich retten mus
C. 8. Die erſten Feldzüge des burgund. Krieges. 345 mußten ; daß er mit Kriegern , in Rauber vermummt, aus den Wåldern um Romont die Freiburgiſchen Unterthanen überfallen , und durch Verſtümmelung, Sdlage und Aufhängen an Bäume umgebracht has
be 315 b) ; Drohworte Sub), Rüſtungen, mit jedem Au : genblic bevorſtehenden Krieg. Die Berner , zu dieſem Krieg , To lang er ver meidlich fdien , ungeneigt "1 ) , nun die Gefahr ents
ſchieben boren Willens betrachtend 2), faßten ihren Schluß nach dem Sinn ihrer Våter, die ſich nicht gern zuvorkommen ließen 319). „ Dem durchlauchti ,,gen hochgebornen Fürſten Herrn Jalob von Savoyen
,,Grafen zu Romont wir , der Schultheiß, die nas y,the und die Gemeinde yon Bern 35). Der treue ,,Ernſt , womit wir euer Land oft beſchirmt, wird mit Undant erwidert : Unſere Botſchaften und Strieger 3 ) habt ihr gefangen , ermordet, alle menſch lidhen Verhältniſſe geſtört, gebrochen 53 ) , uns be wlchimpft. Darum fintemal Gewalt Gewalt aufruft, mwollen wir , zwar ungern, zu unſerm Schirm die
felbe gegen euch gebrauchen ; womit wir unſere ,,Chre verwahrt und euch genugſam abgeſagt haben ,,tvollen . An demſelbigen Morgen erging die Fehde und (ichon waren alle Eidgenoſſen zu treuen Auf ſehen 343 ), ſchnell wurde das Land Wallis in die Waffen gemahut) 5 *) die Mannung an Freiburg, Solothurn, Biel , Neufchatel 375 ) , für Ehre , Land und Leute und Vertreibung des welchen Volfs 56).
Peter
mann aber von Wabern, Nitter, Altſchultheiß , mit I. $. > ůlers jammti. Kerke. XV.
23
346
Geſchichte der Sdweiz. IV. Buch.
der Stadt Banner 3-7), zog durch die Berge des Güm minenpaſſes vor die Romontiſche Stadt Murten. Da kam zu ihm das Banner von Freiburg unter dem
Schultheißen Roll von Bippingen, Ritter 5:6), und entzündete der Anblick der Waffenbrüder den frieg luſtigen Nuth ). Bei Unbruch einer dunkeln regneriſchen Nacht wurde Murten aufgefordert ; la Vignières lag mit etwas fremdem Volk in der Stadt ; in der Gemeinde
erhob ſich wildes Getümmel 319 b) , da die Welſchen durchaus von feiner Uebergabe , die meiſten Teut: fchen nur von anſtändiger Uebereinkunft hören, und
ohne Unterſchied Alters und Geſchlechts 330) jeder ſeinen Willen mit lautem Lärm durchfeßen wollte. Als endlich um ehrenhaften Aufſchub gebeten wurde,
erwiderten die Schultheißen der Stadte : ,,die von „ Murten ſollen ſich augenbliclich ergeben , fonft „ werde es ihnen übel bekommen an Leib und Gut.“
Die Bógte brachten dieſes vor die Gemeinde ; da wechſelte Entfeßen und Wuth ; bis Furcht und Nei: gung die Oberhand bekamen. Das ſah ein Edler , Richard Roſe; fein Herz war ganz für Burgund 350b ) ;
Grimm , Trauer erſtidten ſeine Lebenskraft, fo das er todt hinfiel. La Vignières, vollgerüſtet, ſchwang Tich auf ein Pferd ; rief ,, Gott ſey vor , daß ich mets
„ nen Fürſten aufgebe; laßt mich 331) !“ und verlies Weib und Kinder in der Stadt. Hierauf ſchwuren die Vogte , Ráthe und Gemeinde von dem Grafen von Romont und von allen ſeinen Nachkommen au
C. 8. Die erſten Feldzüge des burgund . Krieges .
347
ewig an Bern und Freiburg 32 ). Dieſe beſtätigten
die hertómmlichen Freiheiten , deren Vermehrung .
fie fich forbehielten 13) ; im übrigen traten fie in
alle Nußung und Macht der vorigen Herrſchaft " ). Wie von den Gerichten zuvor an den Obergerichts hof der Waadt, nach Moudon , von da nach Cham bern , an die höchſte rechtliche Behörde Savoyens,
alſo werde von einem Freiburgiſchen Landvogte fünf tig nach Bern , wenn der Landvogt ein Berner iſt, nach Freiburg appellirt. Woaus den Trümmern der althelvetiſchen Haupt: ſtadt unter Unſer Lieben Frau von Lauſanne verehr tem Schirm Avenche fich erhob, [ chonten die Schwei
zer 335). In der fruchtbaren Ebene, wo an der Broye um der alten Bertha töniglichen Bau Peterlingen
wieder erſtanden 336 ), begegnete ihnen zu Pferd und zu Fuße der Prior , die Religioſen , die Obrigkeit
und alles Volt der Stadt, willig , mit den Schlüſſeln. Da hielten ſie Raſt. Auf eigene Rechnung zechten die Krieger , den Nachzug erwartend , welcher aus allen Landen von Bern, und, kaum begehrt 3?;), von Zürich und andern ſchweizeriſchen Orten im Unmar ſche war . Des Ruhens bald mude , liefen einige Krieger durch das Miſtelach 336), Cubrefin aufzu : fordern . Die Männer des Orts (er liegt anmuthig blühend am Neufchatellerſee) die kleine Sdaar ver
Tchmähend , in der Hoffnung , daß die Banner ih: rentweger: nicht umkehren, hingegen tiefer im Lande genug zu thun bekommen wiirden 359), wagten , Cut
348
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
brefin zu verſchließen . Da famen die von der Neuſtadt am Bielerſee , das Amt Nidau , die neuen Berner
aus dem Amte Erlach, die tapfern Männer von den Sanderen 30) , zu rächen ,I daß ſo ein Ort Bern ge troht , brachen ein , liefen plündernd durch 341) und führten die Heerde hinweg ; worauf die Leute zit: terno nur den Vorbehalt ihrer Freiheiten erbaten ).
Von andern wurde Montenach bezwungen ; andern mußte Grandcourt ſich ergeben 33). Unweit von da lag an dem Ufer des Neufchateller Sees die Stadt Eſtavaye ; tauſend Jahre , ſo ſagte man , der Siß eines großen Geſchlechts 34) ; dort
erhob ſich das alte Stammhaus , höher die Burg Chenaur, am herrlichſten der favoyiſche Thurm ; die Bürger waren in Verfertigung der Tücher ausneh mend geſchickt; ueberfluß herrſchte; dreihundert Mann unter dem Banner der Stadt Nion 3* b) ver
ſtarkten den Ort ; alſo war er die Freiſtåtte alles Reichthums, der in langem Frieden zu Cubrefin
und in der ganzen Gegend gehauft worden. Dieſer Stadt Herr , der Befaßung Hauptmann, Claudius von Eſtavayé , ein großer, ſchöner , hochgemuther
Mann 3 ) , dem der Graf Romont vertraute und den er zu bereichern verſprochen 36 ) , da er die
Annäherung der Eidgenoſſen vernahm , griff zu dem Banner und ritt mit allen Führern der .
Schaaren furch die Saffen und auf die Plate , zu verkundigen , daß die erſte Meldung eines nachgie
bigen Gedankens mit ſchmählichem Tode beſtraftwer
E. 8. Die erſten Feldzüge des burguns, Arieges.
349
den folle. Die Aufforderung erwiderte er folgen : dermaßen : „ Es habe dieſe Stadt an der Grafen
von Romont einen guten Herrn , der bald mit Macht fie entfeßen werde.“ Die wiederholte Aufforderung wurde mit Souſſen und Geſpótt beantwortet w ). Die Krieger faum aufhaltbar , voll Begierde nach Beute und Ruhm , nun gereizt , fchwuren dieſer Stadt den Untergang * b ). Che die Banner, ebe der Heerhaufe angekommen , da ſchon viele durch
Geſchür die Zinnen zu leeren mit Verluſt und ver geblich verſudit 518) , atle ilmſtånde der Thore und Mauern aber erforſcht 38 b) ; machten ſie den An ſchlag , welchen Kraftgefühl und Kühnheit eingab. Sie liefen auf eine Hobe , die gewaltigen Mannen hielten die Hallbarden und Spieße mehrerer Reihen
vor fich hin, und wie Einer, der die Leibeskraft von Hunderten hatte , rannten ſie in vollem Lauf mit Feldgeſcrei herunter auf ein Thor zu, brachen eine Deffnung 349); ſie drangen in die Stadt ; ingewon ,,nen , gewonnen , Ståfis iſt gewonnen 350) ;" das
Wort übergoß mit Paltem Schreden Herrn Claudius und ganz Eſtavayé. Es hatten zu gleicher Zeit in
einer verlaſſenen Gegend , wo kein Feind vermu thet wurde , und ivo , zu Rettung im Nothfall % ), einige Stride herunter bingen , Schweizer an den: felben die Stadtmauer erklommen . Alſo ein ver
miſchter Tumult des Angſtgeſchreies deren , die mit Verlaſſung alles Vermögens burc Flucht in die
Burg noch das Leben friſten wollten , des Rufens
350
Geſchichte der Schweiz. IV. Buch.
der Schweizer, die mit der größten Anſtrengung, un sermogend die Riegel zu brechen , Chore aus den
Ungeln hoben , des Lärms beraneilender Banner, des in der ganzen Stadt anfangenden Cobtſchlags, der Wuth wider die Burg , wider den favopiſchen
Thurm 55351 ). Alles erſtürmt; überſturmt waren die Gemüther , ro daß , indeſſen Claudius um ſein Leben vergeblich großen Reichthum bot 351 c ) , alle Nioner, die ſo von Cubrefin hier Sicherheit geſucht, und bis auf kaum zwanzig alle Bürger von Eſtavape durch das Schwert der Sieger fielen 35), Viele ohne Unterſchied Alters und Geſchlechts den Tod im Waſſer ſuchten , und andere ihu ungeſucht fanden , weil zu viele auf die Schiffe geflohen . Menſchlich keit , Striegszucht 555) , Altare 354 ) , felbſt Geld ver mochte nichts über den Grimm ; denn die Elenden, auf Romont trokig, hatten gereizt 356). Indeß viele Weiber der Eblea und Bürger erſchlagene Gatten und Söhne wehklagend auf geweihtes Erdreich zu:
ſammenſchleppten, wurde von den Siegern, von vie len aus der Nachbarſchaft , von der Stadt Solo:
thurn eben beranziehendem Banner 35), der ganze langerworbene oder zuſammengeflüchtete Reich: thum , ohne Ordnung , wie einer eines Hauſes oder Waarenlagers oder Speichers oder einer Sapelle ſich bemachtigte , auf Wagen geladen 35 ). Bei die Tein Nachſuchen wurden eilf ausländiſche Solda ten 35b ) gefunden , und um ihres Gleichen Schwei
zerkriege zu verleiden, dem Smarfrichter von Bern,
354
C. 8. Die erſten Feldzüge des burgund. Krieges.
einem blutgierigen, grauſamen Mann, übergeben, fie,
an einen Strick gereihet, in den See zu ſenken. Laut weinten die Jünglinge ; bas Seil brach , unb, wen eine Lange nicht ſogleich getroffen , wurde be: gnadiget. Jener, dem ſein Amt mißlungen, wurde erſtochen , bedauert von keinem ; wer aufgehört hat, Menſch zu ſeyn ., iſt würdig, ohne Erbarnung zu
leiden. Aber die Krieger , der Rache erſättiget, bei dem Anblick der Chránen , des furchtſamen Win felns 358) , öffneten dem Mitleid ihr Herz und gaben
den übrigen von Eſtavané Brod und Geld. Sie war teten vergeblich, daß der Graf von Nomont Entſak oder Rache wage 359 ). Da perbrannten ſie das In nere der unzerſtörbaren Burg 359b ), nicht die Wohn hauſer der Bürger.
In das ganze Romontiſcheland verbreiteten ſich Schaaren von Freiburg und Bern. Da ergab ſich die ſtarte Moliere auf dem weitausſehenden Hu:
gel 36 ) ; Rúe , fammt der Burg auf dem nahen Fels :6 ), und , nachdem der alte Thurm unten an dem Berge bezwungen war, bald der Hauptort Ro mont auf der ſchönen Höhe ſelbſt 36 ) ; worauf Peter
de la Baume, jener , dem glingen unterging , At I
talens auch eingebüßt 36 ). Die Hauptſtadt der Baadt, Moudon, als Botſchafter deren von Bern , Freiburg und Solothurn , mit hundert Kriegsman:
nen , im Anzuge waren , ihren Eid zu begehren, I
randte anderthalb Stunden weit die Schlüſſel ent gegen 3 ).
352
Geſchichte Ser.Soweiz. IV . Bud..
. : Die Banner, die Schreden des Tages Eſtavaye
vor ihnen her 36 ) , zogen wider Jverdun. Dieſe Stadt bedeckte hier der See , dort eine lange un fichere moraſtige Ebene , durd welche unter dem
Namen der Chietle 5 ) die Waffer der Jura - Seen oft init ungemeiner Gewalt und Fúde auf ſie zu :
ſtromen.
Jverdun war nach einer Feuersbrunſt
ſchoner erſtanden , ſtark, von dreihundert Mann
unter Peter von Blay befekt367), ihrem Herrn , den fie neulich fah, dankbar 36 ) und aus Haß der Teut fden ergeben. Nachdem die Bortruppe vergeblich getrachtet, mittelft einer langen Stette, welche über
die in vollen Ufern fließende Thielle ging , der Brüde und eines Thors fich zu bemachtigen , er: fchienen die Banner in der Vorſtadt und in den umliegenden Garten ; unmuthig , weil jedermann dieſer Stadt ubel wollte , und Bern , bes untlugen
Croßes múde , fie zu ftrafen befahl. Das war die Art von Bern, den Stolz zu züchtigen , Schuldlofe zu fchonen sk ). Die Jverduner , der Gefahr be wußt , hatten in das Walangin an Grafen Hanns gefchiæt, um Vermittelung ; er eilte herbei. Es
zürnten die Krieger ; die Stadt zu erobern, ſchien leicht. Einige der vornehmſten , entweder voll des grauenvollen Eindrucks von Ståfis , ober aus Rückſicht auf den Serra von Walangin , oder
ſonſt gefänftiget , renten durch , daß Petern von
Blay der Abzug erlaubt, Jverdun aber von den Städten in Eid genommen und um eine Geld
6. 8. Die erſten Feldzüge des burgund. Krieges.
355
fumme 370) vor Unfug 37:) und Plünderung bewahret wurde.
Die Regierung von Bern pflegte denen im Felde weniger vorzuſchreiben als zu rathen . Billig über :
låßt man wohlgewählten Hauptleuten , die den zwed wiffen , die Mittel nach Umſtänden zu wab: len ; große Königreiche ſind gefallen , wenn Striegse
befehlshabern weder der Plan vertraut noch Fret: heit gelaffen wurde , nach Gutbunten zu handeln . Der Vertrag mit Iverdun wurde von Bern weder genehmiget noch aufgehoben dr ), den Hauptleuten aber zu verſtehen gegeben , wie wenig auf Eid
ſchwüre zu achten , To lang dem Feind möglich bleibe, fie mit Erfolg zu brechen 873) und daß abſchre denbe Rache in einem Straffriege zweđmaßig rey).
Die Banner zogen nach Orbe * 5) ; Streifparteien erforſchten , reinigten, plünderten bis Aubonne 56). Einige fah man von dem hohen Thurm , der in den Clauſen über Burg und Städtchen Les Clés
fich erhob. Sofort auf Befehl des Commandanten Herrn Peters von Soffonay wurde lekteres als
unhaltbar in Brand geſtedt; alle Leute und ihre guten Sachen zogen in die Burg hinauf, welche durch vier ſtarte Chore , hinter deren jederr eine
Wehre war , gegen alles feſt fchien.
Als der
Kriegsrath zu Drbe dieſes bernahm und daß die
Mörder jener Berner und Freiburger Commiffa: rien da ſeyen , fandte er unter drei ausgezeichneten Hauptleuten 077) tauſend mann. Sie , freudig hin.
Geſchichte der Schweiz. IV . Budy.
354
Früh nach Gottesdienſt und Morgenbrod nahmen ſie zu den Ballbarben viele Bauen und Aerte , be deďten ſich mit breiten langen Brettern , welche zu einer Staße zu machen Zeit und Ort nicht erlaubte,
legten Leitern an den Fels , und kamen , unter ſte: tem Schießen und Werfen der Feinde , an die sálfte des Berges , den Fuß der erſten Mauer. Vergeblich ; bis ſie ihre Hauptbedeđung ſtårker ge .
macht, und ihre Schußen die Zinnen mehr und mehr leerten . Als die Belagerten merkten , daß durch die Mauern in die Burg leichter als in die Höfe durch die Chore zu kommen ſeyn möchte ,
ſuchten einige , da der Feind an einem Ort mit al: ler Kraft ſtürmte , von einer andern durch kühne Sprünge ſich zu retten , welches durch die ſcharfen .
Eden des ſchroffen Felſens tódtlich wurde. Da man fah, daß Cofſonay mit ſeinen Leuten und den Odlen ſich in den Hauptthurm 30g , wurde dieſes Beiſpiel von ſo vielen ſo eilig befolgt , das in der /
engen Thür mehrere erdrückt wurden. Die Eidge: nofſen brachen die Schloßmauer durch, erſchlugen .
den Burgvogt und alle feine Reute. Da fingen ſie an , mit unterbrennen und mit Rauch und Flam men den Thurm zu ångſtigen , bis die Uebergabe auf die Bedingniß freien Abzuges angeboten wor:
den ; welches die Schweizer abſchlugen , erbittert durch vormaligen Troß. lang vergeblich bot Coflo uay viel Silber und Gold , nicht mehr um ſein Leben , ſondern daß erſt nach Beidhte ihnen der Tod
C. 8.
Die erften Feldzüge des burgunó. Strieges.
355
angethan werde. Da riefen gefangene Schweizer 378) von dem Thurin , daß ſein Ruin auch der ihrige reyn würde. Auf dieſes wurde der lekte Troſt fa tholiſcher Chriſten zugeſagt.
Alſo ging Peter von
Collonay heraus , ein großer ſehr ſchöner Mann , mit ſeinem eben ſo ſchönen Kinecht ; es folgte der Hauptmann von St. Croir , mit einer ſcharfen Kopfwunde 579); andere Unglüdliche, bei ſiebenzig ).
Deſſelben Abends , da ſie nach Orbe gelommen , wurde der von St. Croix mit vier andern , deren Feindſchaft fich vor dem Strieg ausgezeichnet 2.),
verurtheilt, und von Corfonay's Knecht enthauptet.
Man rief unter die 6efangenen , daß, wer fie tóbte, leben ſoll38 ), und wählte unter der Menge , die es
wollten , dieſen Jüngling** ). Neunzehn Mann er: ſtidten bei Nacht von ungelöſchtem Stald , der zu:
fållig in dem Thurm ihrer Verwahrung war. Hierauf wurde mit vier andern Coflonap hingerich tet. Man ſchonte die übrigen. Von Les Clés ſte hen gebrochen gewaltige Mauern. Wie dieſe Burg an dem helvetiſchen , ſo ber
brannten ſie Joigne an dem burgundiſchen Eingang des Hauptpaſſes , der dem Feind hierdurch geöffnet blieb , ſo daß er nachmals Bern und Freiburg nahe kommen mochte. Der Sinn der alten Schweizer ging -auf Hauptíolachten mit ganzer Macht; wer
ſich theilt , um alles zu perfechten , wird ſchwerlich
in die Långe das Glid allenthalben für ſich haben, und Mißgeſchic , wenn es auch nicht beugt , macht
Gefeichte der Schweiz. IV. Buit .
356
Lücken . Striege , kurz und kräftig , Tage , wo die allerhódyfte Erhöhung des Heldenmuthes lange ruhmvolle Sicherheit erſieger tann , das war ihre Art.
Nachdem Les Clés und auch zu St. Croir das Solos ) gefallen , und an der großen Burg bei
la Sarra die Zweideutigteit der Befiger nicht ohne Widerſtand ** ) mit Feuer gerochen worden (manches Denkmal kiter Sitten * ) ging in Berwüſtungen unter), erhoben ſich die Banner an den Genferſee zu ziehen. Es tamen die Herren , die Städte 24 ), vornehmlich Lauſanne, die größte , wohin die umé liegende Gegend geflüchtet ; alle begütigend, mit
Gelb , Proviant. Sie über ka Sarra ( noch brannte 1
die Burg) freundſchaftlich nach Aubonne; die ku:
zerner kamen zu dem Heer. Abends da die Schweiz zer auf den Koben gefeben wurden , von welchen mit allen ſeinen holben Umgebungen der ganze les maniſche See und in größerer Ferne weit über die Wege der Menſchen empor die Gipfel der damalis
gen Welts * ) noch goldroth erſchienen , war von der ſtarten Beratung , die der von Romont zu Morſee hielt , nicht einer fo fühn , die Abendmahlzeit zu vollenden 3 ).
Sobald die Krieger zu Pferbe, zu
Fuß, zur See , nach Savoyen , nach Genf und in das land entkommen, eilten Schloß und Stadt mit den Schlüſſeln . Solches Grauen verfolgte die Flie: henden , das nicht nur Wohnungen , Gaffen , die
Landſtraße pou weggeworfener Waffen lagen , ſon:
5.8. Die erſten Feldzüge des burgund. Krieges. 357
dern viele über Nion , über Copet, in die Stadt Genf, St. Gervais berab, ſo gedrångt und unor: dentlich hohen , daß ſie von den Brücken der Inſel in die Rhone geſtürzt S ). Aber nach Lauſanne kam, anderthalbtauſend Mann ſtarf , unter Fannſen Waldmann, das Banner von Zürich 29 ) ; Tag und
Nacht eilten aus der ganzen Schweiz Krieger , ein zeln 59 ) und in Geſellſchaft herbei. Der Wille alles Volls war die Einnahme und
Strafe der Stadt Genf, weil die Einwohner , ſa voriſch und burgundiſdy, berniſche Geſandte an den Stónig auf der Heimreiſe ſchimpflich behandelt 39. b )
und Syndife und Nath auf des Biſchofs. Antrag neulich rechshundert Mann in der That wider die Eidgenoſſen bewaffnet hattens ). So hoch war die Erbitterung und ſo vertheidigungslos Genf, daß Zerſtörung zu fürchten ſchien ; auch für teutſche
Stådte , die Waarenlager dort hattensk), und für das Zollweſen der Berner wegen des Handelswegs
ein großer Verluſt. In dieſer Noty kam von Genf eine Geſandtſchaft ſowohl der Geiſtlichkeit als der Stadt, mit beſcheidener Würde 3,5 5 ). Es glückte, die Hauptleute günſtig zit ſtimmen 56). So tiber: trieben waren die erſten Forderungen, daß der gros sere Theil des Privatvermögens aller Genfer kaum
Hinzureichen ſchien 397). Zuleßt wurden ſie un bei: nahe drei Viertheile herabgeſtimmt 5 ) und leident: liche Zieler verordnet. Die Genfer brauchten auf s erſte Ziel, nicht mit Unredyt, Kirchen [daße 299) ;
368
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
durch den Biſchof waren ſie in die Verlegenheit ge bracht. Endlich ' ) mußte jeber Bürger einen zwölf
ten Theil ſeines Vermögens geben , und aus dem
Ertrag einer zehnjährigen Auflage Entſchädigung erwarten.
Petermann von Wabern mit allen zu Morſee
gelegenen Bannern, die Krieger von Raub roweró ), das Schloß in Flammen , brach auf nach Lauſanne, welche Stadt für die Sicherheit aller aufgenomme nen sabe und Leute ho?) Geld gab 403). Nachdem faſt die ganze Waadt mit rechs und vierzig Stadten und Schlórfern ) in weniger als drei Wochen auf:
genommen oder erobert worden , zogen die Krieger auf den Dom zu fauſanne, zum Dankgebet. Hier: auf, nachdem ſie unter Petermann Etterlin von Luzern eine Befaßung nad Iverðun verordnet, unter Branddolfen von S die von Granſoir
perftártto), und zu Lútry, bei fortwährender Per wirrung des Lauſanniſchen Biſchofamtes 406), die Pfarren des Ryffthales 107) in Eid genommen +08 ), zogen ſie den Berg hinauf, empfingen 311 Rue, jit Romont, was mehr Furcht als liebe gab 409), ver: gaben dieſem Ort endlich« ), daß der Feind der
Schweiz von ihın genannt wurde , machten ſich zu Freiburg einen frohen Tag ; von da zogen ſie in ihre Städte und Länder ár). ( * 3allirer Krieg. )
Der Graf von Romont war entflohen ; der ge fürchtete Baſtard fand ſich nicht ). Sdirecken und
6. 8. Die erſten Feldzüge des burgund. Strieges.
359
Uneinigteit war in den Rathſchlagen , weil viele
Råthe das Benehmen des Grafen von Anfang miß billigten *15) , und weil, durch des Königs Veran:
ſtaltung * ") der Prinz Philipp , Romonts Bruder , ganz anders geſinnt, nach Savoyen gekommen * ). Schon dann ſuchte Jolante Sicherheit und Hülfe in Italien ). Jest unternahm Johann Ludewig , Fürſt -Biſchof zu Genf, zugleich lombardiſcher Hülfe die Alpen zu öffnen , die Chaten der Berner zu ſtören , und , wenn von Abend und Mitternacht Romont ober Karl felbſt gewaltig einbreche, ihnen
von einer andern Seite beizukommen. Balther uff der Fluh , Bifchof und Graf zu Wallis , gebürtig von Arnen , einem großen Dorf auf einem ſchönen grünen Hügel des Sombrer Zens
ten *' ), in allen ſchweren Zeiten våterlicher Führer des Walliſer Bolest), hatte (wir faben es) ewigen Bund mit Bern und andern Eidgenoſſen . Uuf deren Mahnung ſtreiften Walliſer mit einigen Sa:
nenleuten und Sibenthalern bei Gondis, einer uns fern Sitten gelegenen favopiſchen Burg, und ſonſt
umher, auf daß den lombarden dieſe Påffe unſicher würden * ). Dem abzuhelfen , und , während an
derer Geſchäfte Berns, fie mit Krieg zu überziehen, dazu gab die Wiederaufwedung des alten Raron fchen Parteiweſenso) dem Hauſe Savoyen einen Vorwand.
Es lebte in ganz andern Gegenden Petermann ,
Wiſchards Sohn , der leßte Freiherr von Raron,
360
Geſchichte der Schweiz. IV . Buch.
in hochbetagtein friedlichem Alter *:). Anſprüche auf die verlornen Süter zu Wallis erbte vorhin durch Beirath ***) Banus zur Lauben , aus dem Hauſe Antons von Churn zu Geſtelenburg , der
früher und mit gleichem Haß wie das Haus Raron vertrieben war 423). Hanns , unvermögend oder zu
weife um ſie durchzufeten , übertrug die Rechte um Geld an Ruffen Aſperling, deſſen Geſchlecht, im Karonſchen Zenten das größte 4 ) , durch Gunſt
Heinrichs Aſperling , der am Bisthum Walthers Vorfahre geweſen 5 ) , fie am beſten nußen konnte. Als Biſchof Heinrich nach furzer Verwaltung vor ausgemachtem Geſchäft geſtorben , Walther aber,
mehr für das Land als die Großen , in dem Thale Enfiſch 6) die Freiherrlichkeit nicht wieder auffom : men ließ , rief Aſperling die Savoyarden .
Dieſes Anlaſſes froh , hob Johann Ludewig, Bifchof zu Genf, gewiſſermaßen der Herzogin Mit regent " ), ſo viel Volt als er aus den favoriſchen Provinzen *8) , und unter Peter von Gingins aus der Waadt verſammeln mochtete ) , nahm Truppen des Baſtards von Burgund 43") , brach auf an der
Spiße von mehr als zehntauſend Mann (3). Vier Tage unbemerkter Marſch durds mannich faltige Krümmungen des Hochgebirges *5) ; Unter: wallis hinauf. Noch lagen die Firnen in grauer
Nacht; fruih Sonntags nach St. Martins Feſt *33), brachten Slúchtlinge der kleinen ſtreifenden Schaar *5) in die Stadt Sitten die Nachricht anruckender Macht. 10:
C. 8. Die erſten Feldzüge des burgund. Grieges. 361
Johann Ludewig, ſchon Sieger , ſtürmte mit anbres denbem Eag. Sturm für die Landwehre ging mal lis hinauf; ausgenommen Aſperling und wer mit ihm fic trennte , ſonſt lief aus allen Zenten die Menge der Hauptſtadt zu. So tamen viertauſend Walliſer €35) , einige Berner Oberländer und eine
Dahl Bündner , die durch den Schnee des Criſpalten . und Urſerenthal die Furten herab den alten Freun den zu Hülfe geeilt 436) , willige , ſchlechtgerüſtete Strieger mit zweimal ſtarterm geübten Heer eines
Iriegeriſchen Fürſten in ungleiches Gefechte ; worin , übermannt, fie traurig weichen und aus dem Raud brennender Dorfer das Unglüd ermeſſen mußten . In dieſer Landesnoty , als einige verloren gaben , andere zitternd hofften , erſchien von den Bergen , welche ſich dem Sanetſch anſchließen , und bald an der Morgia nábern Ufern , Hülfe von Oberland,
Bern , Solothurn. Unhinreichend, wie Geſchrede ten w ) chien , aus dieſe dreitauſende w ) dem auf achtzehntauſend gefchårten Feind. Die Schweizer,
die nicht ſo zu rechnen pflegten , widerlegten die Furchtſamkeit nach ihrer Kriegszucht mit Spies Ben " ). Das gab denen die Oberhand , welche alles zeit alles für das Land wagen wollten . Sie wand ten ſich , furchtbarer durch Entſchloſſenheit , als durch die Verſtärkung. Der Feind , welcher , auf
Schreden und Parteigeiſt rechnend , ſich der Unord nung überlaſſen , da er Muth, Einigkeit und ſchwei geriſche Banner fah , wurde von Erſtaunen ergrif I. Y. Müllers fåmmtl. Werke. XV .
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Gerohichte der Schweiz. IV. Buds.
fen . In der Schlacht fielen breihundert tapfete Edle Savoyens, tauſend gemeine Krieger " .). Mit
ſolchem Entreten floh Johann Ludewig und (für ewig aus dem Vaterland) Rurf Aſperling * ) , daß alle vortheilhaften Stellungen , Telbſt zu St. Mort
zen die befeſtigte Klauſe, inhaltbar ſchienen . Dens
ſelben Abend wurden die prachtigeu Noffe " ), Zier; den und Rüſtungen der favopiſchen Herren, mit fünf eroberten Fahnen freudig und ftolg nach Sits ten gebracht ; worauf in folgenden Tagen Unter:
walis mit Schwert und Fadeln durchrannt und fie: benzehn Schlöffer , das ganze land , eingenommen worben ; ſo daß nicht Gundis die wichtigkeit bet
Eage fo nahe bei Sitten , nicht Scharchon , nicht
Schallon " ) die Dicke der Mauern ', oder Marti 1
nach die Gåſars Heer furchtbare Stellung, noch St. Moriz die Felſenburg “ ), alter Könige Zuflucht ge rettet und Entremonts hinein "S) bis an St. Bern
Hards Paß und hinaus bis an Anzeindaz Bergwei den , wo einſt unſinniger Krieg das Blut der Mens ſchen und Thiere vermiſcht ) , alles in Belir ges nommen worden. Daher der Tag , deffen Sieg fo
viel gegeben , auf ſpåte Geſchlechter Landesfeſt ward "y). Bald nad dierem hielt MartgrafRudolf zu Neuf datel einen Tag des obern und niedern Bundes,
mit Geſandten von Burgund * ). Stillſtand der Waffen wurde bis auf neun Jahre verabredet ). Verlangerung verſagten die Eidgenoſſen 45o), als de
C. 8. Die erſten Feldzüge des burgund. Arieges. " 363
ten Separatfriede chándlich " ), unb Stillſtand nur ein Kunſtgriff ſchien , Zeit zu gewinnen. (Von fothringen .)
Herzog Réné von Lothringen , von dem Könige,
wie die Eidgenoſſen , zu Fehbung Starls von Bur: gund vermocht , wurde nach dem Separatfrieben
des Kaiſers und des Königs , in welchen er fo wes nigals die Schweiz eingeſchloffen war ) , son bem
burgunbiſchen Beer mächtig überzogen . Die nie dere Vereinigung bewies ihren Willen edelmus
thig 5s) , aber die Eidgenoffen , ihre Kraft , waren in den oberen Randen, Karl , wie viel immer er por Nuys litt ) , erſchien To gewaltig '5 ) , daß den Jünglingen bei ihm5) Spiel ſcheinen mochte, das
Herzogthum Lothringen im Durchmarſch wegzuneh men , Romont ; die Chateau -Guyons ( jie waren bei thm " ) ) und ſich ſelbſt zu rächen und die größten
Plane durchzufeßen .
Durch das Luremburgiſche
brad er in das Land. Den Schreden , der ihm alle kleinen Orte unterwarf, erhöhete er dadurch ,
daß er weder Erbàrmung noch Gerechtigkeit hörte. Als eine Anzahl Teutfche oder Eidgenoſſen 's ) Bry an der Orne ihm auf Beding freien Abzugs über
gab , ließ er ſie einholen und forderte die Waffen , deren Beibehaltung nicht verſprochen regn mochte . Sobald ſie wehrlos waren , Iteß er die Unabeligen fåmmtlich aufhängen " ). Seit einigen Jahren ), je mehr der Krieg ihn hart, Aufenthalt und Wider:
ſtand zornig machte, verbrannte er Städten ): mit
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Gefahichte der Schweizo IV . Budh.
Ausrottung der Bürgerſchaften " ) und mit Wort bruch an den Befaßungen " ). Wenn die Gewaltis gen dem Vollerrecht Hohn ſprechen , ſollten ſie er: wagen, daß von dem an auch ſie kein Recht ſchuft. Der Alerfurchtbarſte hat Urface zu zittern , wenn er zur Verzweiflung bringt.
Seit Karl ſich über alles erhaben glaubte, wurde er von den Beſſern verlaſſen ; ſowoht ſeiner finſtern Launen und Wuth wegen , als weil tein weiſer 1
Mann an das Glud deſſen glaubt, welcher fich det
Glüds überhebt " ). Sofort wurde er von andern ges ſchmeichelt und verrathen '65),, bis die Stunde des Unglüds tam , die ihn allein fand.
Der Kriegsrath von Lothringen beſchränkte die
Vertheidigung auf die haltbaren plaße; da bat der Herzog perſönlich den König , ſeinen Bundesgenofs fen , auf das dringendſte um Unterſtukung. „Uns ,,möglich !" fagte Ludewig. ,,Solite Sarl in Lothrin
igen reyn ? Wahrhaftige ), ich ſelbſt würde wider ihn ausziehen .!'. Als zu viel reitende Boten das Unglüd beſtätigten , gab der König achthundert lans
zen . Lothringen freute ſich des Anfangs der Theil nahme. Über die Franzoſen waren beſtimmt anges wieſen , wider die Burgunder nichts feindſelig zu unternehmen ; ſo dak , bis auf Nancy , das ganze Land eingenommen wurde ; dem Herzog gab man
deutlich zu verſtehen , daß des Königs Dienſt und das Wohl des Staats vor der Hand nicht erlaube, auf ihn Rücficht zu nehmen . In der That ſuchte
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C. 8. Die erſten Feldzüge des burgund. Krieges.
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Ludewig von Karln die Auslieferung des Sonnetable pon St. Pol , der mit ſicherm Geleit in ſeine Lån der geflohen ; endlich brach Karl das Wort und lies ferte den Mann zum Tod um eine Stadt46). Um diefelbe Zeit benahm Herzog René der Stadt Nancy .
die Hoffnung des Entraßes *66). Da hielt Karl pracht: poll den Einzug. Nie lachte ſein Glúč ihm froher als zum lekten Mal ; er ſah in ſeinem Geiſt Nancy ver
großert, geſchmüct, feine. Reſidenz in der Mitte der obern und niedern Lande , wo Deutſche und Franzoſen ſeinen Willen erforſchen , um ſeine Gunſt buhlen , wohl von ihm das Geſek annehmen wür: den 69). Als die Lothringiſchen Stande ihn erkannt , fo fort , unangeſehen des Winters, erließ er an alle Hauptleute der Kriegsmacht ein Gebot , auf den 1
ſechsten Jänner mit ihm aufzubrechen wider die Soweiz (ro).
S. 6. Můlers fåmmtl. Werke. XV.
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