Das Schriftformerfordernis bei langfristigen Mietverträgen: Untersuchung des § 550 BGB und Reformvorschlag auf der Grundlage eines Rechtsvergleichs mit dem englischen Recht [1 ed.] 9783161623387, 9783161623615, 316162338X

Bereits seit vielen Jahren wird über eine Reform des § 550 BGB diskutiert. Die Formvorschrift für langfristige Mietvertr

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einleitung
A. Problemstellung
B. Methodik und Gang der Untersuchung
I. Motivation für den Vergleich mit dem englischen Recht
II. Funktionaler Rechtsvergleich
III. Soziales Problem als Ausgangspunkt des Rechtsvergleichs: Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber und der Mietvertragsparteien
IV. Gang der Untersuchung
§ 2 Länderbericht Deutschland
A. Doppelter Normzweck des § 550 BGB
I. Schutzfunktion zugunsten potenzieller Erwerber
II. Beweis- und Warnfunktion zugunsten der Mietvertragsparteien
1. Historische Betrachtung
2. Schutzbedürftigkeit der Mietvertragsparteien
3. Bestätigung durch Mietrechtsreformgesetz 2001
4. Vergleich mit anderen formlosen Rechtsgeschäften
5. Typische Schutzzwecke von Formvorschriften
6. Keine Verwechslung von Zweck und Wirkung
III. Fazit zum doppelten Normzweck des § 550 BGB
B. Schutz der Mietvertragsparteien
I. Anforderungen an die Schriftform
1. Anwendungsbereich
a) Ausdehnung auf Gewerberaummiet- und Pachtverträge
b) Laufzeit von mehr als einem Jahr
c) Mögliche strengere Anforderungen nach § 311b BGB
2. Schriftformbedürftige Vertragsabsprachen
a) Wesentlichkeit als Abgrenzungskriterium
b) Kritik am Abgrenzungskriterium des Bundesgerichtshofs
c) Hinreichende Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts
3. Unterschriften der Vertragsparteien
a) Allgemeine Anforderungen an die Unterschrift
b) Besonderheiten bei juristischen Personen und Personenmehrheiten
aa) Gesellschaft bürgerlichen Rechts
bb) Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaft
cc) Kritik an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur AG
dd) Offene Handelsgesellschaft/Kommanditgesellschaft
4. Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen und Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs
a) Mietzinsänderung
b) Änderung der Mietvertragsparteien
5. Zusammenfügung mehrerer Dokumente
a) Auflockerungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs
b) Anlagen
aa) Voraussetzungen für die Einbeziehung von Anlagen
bb) Wesentlichkeit des Inhalts von Anlagen
c) Nachtragsvereinbarungen
II. Rechtsfolge bei Formfehlern und Heilungsmöglichkeiten
1. Rechtsfolge: Ordentliche Kündbarkeit
2. Heilungsmöglichkeit von Formmängeln
a) Formgerechter Nachtrag
b) Irrelevanz nach Zeitablauf
3. Formfehler speziell in Vertragsänderungen/ Nachtragsvereinbarungen
4. Umgang mit opportunistischem Verhalten
a) Absenkung der Formanforderungen
b) Möglichkeiten der Kautelarpraxis
aa) Anspruch auf Heilung
bb) Schriftformklauseln
cc) Schriftformheilungsklauseln
dd) Mieterdienstbarkeit
(1) Inhalt einer Mieterdienstbarkeit
(2) Wirksamkeit einer Mieterdienstbarkeit unter § 550 BGB
(3) Fazit zur Mieterdienstbarkeit
ee) Dauernutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 WEG
ff) Vollmachtbeschränkungsklausel
gg) Pauschaler Schadensersatz oder Vertragsstrafe
hh) Finanzielle Anreize für Mieter
c) Grenze von Treu und Glauben
aa) Anerkannte Fallkonstellationen der Rechtsprechung
bb) Schlechthin untragbares Ergebnis
III. Fazit zum Schutz der Mietvertragsparteien
C. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber
I. Bindung des Erwerbers an Mietverträge
II. Gesetzlicher Schutz des Informationsinteresses
1. Formvorschrift des § 550 BGB
a) Priorisierung innerhalb des doppelten Schutzzwecks
b) Kein umfassender Schutz des Informationsinteresses
aa) Aufhebungsvertrag
bb) Wirksamkeit des Mietvertrags
(1) Zugang der Willenserklärung
(2) Stellvertretung
cc) Liberalisierungstendenz des Bundesgerichtshofs
dd) Erforderliche Nachforschungen
(1) Ausübung von Optionsrechten
(2) Ungewisser Übergabezeitpunkt
(3) Änderung der Mietvertragsparteien durch zweiseitigen Vertrag
c) Fazit zum Schutz des Informationsinteresses durch § 550 BGB
2. Vorvertragliche Pflichten des Verkäufers und weiterer Schutz des Käufers
a) Culpa in contrahendo
b) Gewährleistungsrechte
aa) Mietverträge als Sach- oder Rechtsmängel der Immobilie
bb) Abweichender Inhalt der Mietverträge
(1) Längere Laufzeit
(2) Niedrigere Miete
c) Konkurrenz der Gewährleistungsrechte und culpa in contrahendo
d) Arglistige Täuschung über Mietvertragsinhalt
3. Vertragliche Absicherung
III. Fazit zum Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber
D. Zusammenfassung
§ 3 Länderbericht England
A. Vorbemerkungen zum englischen Mietrecht
I. Feudaler Ursprung
1. Eigentumsverständnis
2. Estates
3. Rangniedrigere interests
II. Verhältnis der Mieter und Vermieter
1. Entwicklung des Verhältnisses
2. Leases als proprietary rights
3. Leases im englischen Recht heute
4. Abgrenzung lease und license
5. Erwerb der reversion bei (unter-)vermieteten Immobilien
6. Unterscheidung zwischen legal und equitable rules
B. Schutz (nur) der Vertragsparteien durch mietrechtliche Formvorschriften
I. Beweis- und Warnfunktion zugunsten der tenants und landlords
1. Abschluss von (schuldrechtlichen) lease agreements
2. Bestellung von (dinglich wirkenden) leases
II. Keine Schutzfunktion zugunsten potenzieller Erwerber
III. Fazit zum Schutz (nur) der Vertragsparteien durch mietrechtliche Formvorschriften
C. Schutz der Mietvertragsparteien
I. Anforderungen der mietrechtlichen Formvorschriften
1. Anforderungen des Schriftformerfordernisses für lease agreements
a) Anwendungsbereich
b) Schriftformbedürftige Vertragsabsprachen
c) Unterschriften der Vertragsparteien
aa) Allgemeine Anforderungen an die Unterschrift
bb) Besonderheiten bei companies
d) Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen
e) Zusammenfügung mehrerer Dokumente
2. Anforderungen an eine deed zur Bestellung einer lease
a) Kenntlichmachen des Willens zur Errichtung einer deed
b) Ordnungsgemäße Ausfertigung als deed
aa) Signature
bb) Mitwirkung von Zeugen
cc) Delivery
dd) Modifizierte Anforderungen an die Ausfertigung bei companies
ee) Elektronische Erstellung von deeds
II. Rechtsfolge bei Formfehlern
1. Verstoß gegen Schriftformerfordernis für lease agreements
a) Heilungsmöglichkeit von Formmängeln
b) Formfehler in Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen
c) Umgang mit opportunistischem Verhalten
aa) Absenkung der Formanforderungen
bb) Equitable remedies vor conveyance
(1) Proprietary estoppel
(2) Constructive trust
(3) Einschränkungen im gewerblichen Geschäftsverkehr
2. Verstoß gegen die Anforderungen einer deed
a) Entstehung einer equitable lease
b) Implied lease
c) Konkurrenz zwischen equitable leases und implied leases
III. Fazit zum Schutz der Mietvertragsparteien
D. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber
I. Bindung des Erwerbers an leases
1. Unterschiede zwischen legal und equitable leases
2. Verschiedene Fallkonstellationen
a) Lease mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren
b) Lease mit einer Laufzeit von mehr als drei bis maximal sieben Jahren
c) Fazit
3. Bedeutung von covenants
a) Bindung von Erwerbern an covenants
aa) Leases vor 1996
bb) Leases ab 1996
cc) Zusammenfassung: Bindung der Erwerber an dingliche covenants
b) Formbedürftigkeit von covenants
4. Fazit zur Bindung des Erwerbers an leases
II. Kein gesetzlicher Schutz des Informationsinteresses
1. Kein Schutz des Informationsinteresses durch land register
a) Überblick
aa) Registrierungssystem für titles
bb) Registerpublizität
cc) Land register maßgeblich für Berechtigung an title
dd) Alteration, rectification, indemnity
b) Funktionen der Eintragungen von leases in das land register
aa) Publizitätselement und Vereinfachung von Grundstücksgeschäften
bb) Keine umfassende Eintragung von covenants
cc) Zwischenergebnis
2. Pre-contract enquiries als Informationsquelle
a) Keine duties of disclosure wegen des Grundsatzes caveat emptor
b) Open contract rules und implied term of vacant possession
c) Pre-contract enquiries zu den lease terms
aa) Commercial Property Standard Enquiries
bb) Spezielle Anfragen zu leases und deren Inhalt
d) Haftung für fehlerhafte Antworten
aa) Misrepresentation
(1) Dimmock v Hallett
(2) Remedies
bb) Möglichkeit der Haftungsbeschränkung
(1) Vertraglicher Ausschluss
(2) Relativierende Zusätze und vage Antworten
(3) Fazit zur Möglichkeit der Haftungsbeschränkung
3. Vertragliche Absicherung
a) Standard Conditions of Sale
b) Haftungsbeschränkungen des Verkäufers
III. Fazit zum Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber
E. Zusammenfassung
§ 4 Rechtsvergleich
A. Einheitlicher Lösungsansatz oder Trennung der Schutzzwecke
B. Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien
I. Anforderungen der mietrechtlichen Formvorschriften
1. Anwendungsbereich
a) Erfasste Rechtsgeschäfte
b) Laufzeit der formbedürftigen Mietverhältnisse
2. Anforderungen an Mietverträge und lease agreements
a) Schriftformbedürftige Abreden
b) Unterschriften der Vertragsparteien
aa) Allgemeines zur Unterschrift
bb) Companies, juristische Personen oder Personenmehrheiten
c) Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen
d) Zusammenfügung mehrerer Dokumente
3. Anforderungen an eine deed
II. Rechtsfolgen eines Formverstoßes
1. Divergierende Rechtsfolgen
2. Heilungsmöglichkeiten
3. Formfehler in Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen
4. Umgang mit opportunistischem Verhalten
a) Liberalisierung der Formanforderungen
b) Möglichkeiten zur Durchsetzung des ursprünglich Vereinbarten
5. Unterschiedliche Rechtsfolgen bei deed und § 550 BGB
6. Parallele in bestimmter Fallkonstellation
III. Fazit zum Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien
C. Vergleich des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber
I. Bindung der Erwerber an Mietverhältnisse
II. Lösungsansätze der Rechtsordnungen
1. Gesetzlicher Schutz im deutschen Recht im Unterschied zum englischen Lösungsansatz
2. Begründung für den gesetzlichen Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber im deutschen Recht
a) Geringes Vertrauen auf Verlässlichkeit der Auskünfte des Verkäufers
b) Historisches Relikt des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten
c) Fazit
3. Unterschiedliche Bedeutung von sekundärrechtlichen Ansprüchen
III. Rechtspraxis
IV. Fazit zum Vergleich des Schutzes des Informationsinteresses der Erwerber
D. Bewertung der nationalen Lösungen
I. Effektiverer Schutz der Mietvertragsparteien im englischen Recht durch Nichtigkeitsrechtsfolge
II. Rechtspraktische Auswirkungen der Lösungsansätze
1. Aufwändige Anfragen in England und Gefahr eines geringen Schutzes des Informationsinteresses
2. Gefährdung der Planungssicherheit in Deutschland
a) Auswirkungen auf die Planungssicherheit
aa) Auswirkungen der deutschen Rechtsprechung
(1) Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs
(2) Abgrenzungskriterium der Wesentlichkeit
(3) Formalistische Anforderungen an Schriftform
(4) Begünstigung von opportunistischem Verhalten
bb) Immobilienrechtliche Praxis: Schriftformkündigungen vor allem von Mietern
b) Höhere Planungssicherheit in England durch effektivere Durchsetzung des ursprünglich Vereinbarten
3. Fazit zu den rechtspraktischen Auswirkungen der Gegensätze
III. Probleme des einheitlichen Lösungsansatzes im deutschen Recht
1. Doppelter Schutzzweck als Grund für Planungsunsicherheit
2. Kontraintuitive Schriftformanforderungen
3. Gewichtung der Schutzzwecke schwierig vorherzusagen
4. Nur eingeschränkter Schutz der Mietvertragsparteien
5. Fazit zu den Problemen des einheitlichen Lösungsansatzes im deutschen Recht
E. Zusammenfassung
§ 5 Reform des § 550 BGB
A. Reformbedarf
B. Bisherige Reformvorschläge
I. Vorschläge aus der Literatur und Rechtspraxis
1. Aufhebung des § 550 BGB
2. Anspruch auf Einhaltung/Nachholung der Form
3. Schutz des Erwerbers durch ein neu einzurichtendes öffentliches Register
4. Beschränkung des § 550 BGB
a) Reduktion des Anwendungsbereichs auf das Wohnraummietrecht
b) Rechtsfolgenseite: Kündigungsrecht nur für Erwerber
II. Gesetzesinitiative des Bundesrats
1. Wortlaut des neu einzufügenden § 566 Abs. 3 BGB-E
2. Beweggründe des Bundesrats
3. Kündigungsrecht nur für Erwerber und Widerspruchsrecht der Mieter
4. Stellungnahme der Bundesregierung
a) Kein Reformbedarf für Wohnraummietrecht
b) Kein adäquater Interessenausgleich und Umgehungsmöglichkeit
c) Erweiterter Schutzzweck und stärkere Inanspruchnahme der Gerichte
5. Kritische Würdigung der Gesetzesinitiative
a) Aufgabe des Schutzes der Mietvertragsparteien
b) Kein Erwerberschutz bei Share Deals
c) Einseitige Benachteiligung der Mieterseite
aa) Einseitiges Widerspruchsrecht ineffektiv
bb) Keine Planungssicherheit für den Mieter
cc) Mieter kann Einhaltung der Schriftform kaum durchsetzen
dd) Umgehungsmöglichkeit für Vermieter
d) Fazit zur Gesetzesinitiative
III. Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums
1. Mehrere Schutzzwecke
2. Neuerungen nur für Vertragsänderungen
3. Kritische Würdigung des Diskussionsentwurfs
a) Geringfügig höhere Planungssicherheit
b) Textformerfordernis
c) Systematische Besonderheiten des § 578a BGB-E
d) Drohende Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB und Rückabwicklung
e) Fazit zum Diskussionsentwurf
C. Eigener Reformvorschlag
I. Trennung der beiden Schutzzwecke
II. Kein Schutz des Informationsinteresses durch Formvorschrift
1. Wertung des englischen Rechts zur Verlässlichkeit von Auskünften
2. Gesetzlicher Schutz des Erwerbers
3. Ausreichende vertragliche Schutzmöglichkeiten für Erwerber
4. Anreize zur Vorlage einer Mietvertragsurkunde
III. Schutz der Mietvertragsparteien durch eine Formvorschrift
1. Konstitutives Schriftformerfordernis
a) Heilungsmöglichkeit durch Übergabe
b) Formbedürftigkeit aller Absprachen
c) Änderungsvereinbarungen
d) Heilung von formwidrigen Änderungsvereinbarungen
e) Ausschluss von § 139 BGB
f) Bedeutung von § 242 BGB
2. Schutzbedürftigkeit ab einer Laufzeit von einem Jahr
3. Erstreckung auch auf das Wohnraummietrecht
4. Formulierungsvorschlag für die neu einzuführende Formvorschrift
IV. Mögliche Einwände gegen den eigenen Reformvorschlag
1. Geringerer Schutz potenzieller Erwerber
a) Gegebenenfalls keine schriftliche Informationsquelle für Erwerber
b) Rückgriff auf Veräußerer möglicherweise nur selten realisierbar
c) Geringer Schutz durch Aufklärungspflichten
2. Möglicher Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG
V. Fazit zum eigenen Reformvorschlag
§ 6 Schluss
Literaturverzeichnis
Entscheidungen
Sachverzeichnis
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 9783161623387, 9783161623615, 316162338X

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Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung herausgegeben von der Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V.

91

Hans Trageser

Das Schriftformerfordernis bei langfristigen Mietverträgen Untersuchung des § 550 BGB und Reformvorschlag auf der Grundlage eines Rechtsvergleichs mit dem englischen Recht

Mohr Siebeck

Hans Trageser, geboren 1993; Duales Studium zum Diplom-Rechtspfleger (FH) an der Hessischen Hochschule für Finanzen und Rechtspflege in Rotenburg an der Fulda; Studium der Rechtswissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und der Graduate School of International Corporate Strategy Hitotsubashi University in Tokyo; 2020 Erste Juristische Prüfung; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationales und Europäisches Privatrecht und Rechtsvergleichung der Goethe-Universität in Frankfurt am Main; 2022 Promotion; Rechtsreferendariat am Landgericht Frankfurt am Main. orcid.org/0000-0003-1537-2088

D30 ISBN 978-3-16-162338-7 / eISBN 978-3-16-162361-5 DOI 10.1628/978-3-16-162361-5 ISSN 1861-5449 / eISSN 2569-426X (Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde Laupp & Göbel in Gomaringen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und dort gebunden. Printed in Germany.

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Meinen Eltern

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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main im Wintersemester 2022/2023 als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur konnten bis einschließlich August 2022 berücksichtigt werden. Mein herzlicher Dank gilt in erster Linie meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Moritz Bälz, LL.M. (Harvard). Er hat bereits meine Ausbildung in vielfältiger Weise geprägt und unterstützt, nachdem ich bereits während des Studiums als studentische Hilfskraft an seinem Lehrstuhl gearbeitet habe. In meiner sich anschließenden Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter hat er die Entstehung dieser Arbeit in jeder erdenklichen Hinsicht gefördert und so zu ihrem Gelingen beigetragen. Dies im Besonderen auch durch die Unterstützung bei einem Forschungsaufenthalt am Institute of European and Comparative Law an der University of Oxford. Daneben konnte ich durch einen weiteren Forschungsaufenthalt an der Bibliothek des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg auf eine Vielzahl einschlägiger juristischer Literatur zugreifen, wofür ich dankbar bin. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Felix Maultzsch, LL.M. (NYU) für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und für die hilfreichen konstruktiven Anregungen während der Entstehung der Arbeit. Ein besonderer Dank gebührt auch vielen weiteren Personen, ohne deren Hilfe diese Arbeit nicht entstanden wäre. Zu nennen sind dabei vorrangig meine Eltern Gabriele und Klaus Trageser, denen diese Arbeit gewidmet ist. Sie haben mir nicht nur das Studium, sondern auch ein Auslandssemester ermöglicht und so erheblich dazu beigetragen, dass mein Interesse an der Rechtsvergleichung geweckt wurde. Zudem danke ich Judith Trageser für ihre bedingungslose moralische Unterstützung während der Anfertigung der Doktorarbeit. Ein besonderer Dank gilt auch Florian Franz für die zahlreichen Diskussionen und wertvollen Anregungen, die diese Arbeit bereichert haben. Außerdem danke ich Dr. Annika Ruhmann und Julien Schickling, die diese Arbeit gelesen und mit hilfreichen Anmerkungen versehen haben. Schließlich bin ich der Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V. für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung dankbar. Frankfurt am Main, im Februar 2023

Hans Trageser

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Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI

§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Methodik und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

§ 2 Länderbericht Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

A. Doppelter Normzweck des § 550 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

Schutz der Mietvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

C. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber . . . . . . . . . . .

45

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

§ 3 Länderbericht England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

A. Vorbemerkungen zum englischen Mietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

B.

B.

B.

Schutz (nur) der Vertragsparteien durch mietrechtliche Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

C. Schutz der Mietvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

D. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber . . . . . . . . . . .

92

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117

§ 4 Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119

A. Einheitlicher Lösungsansatz oder Trennung der Schutzzwecke . . . . . .

119

Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . .

120

C. Vergleich des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135

E.

B.

000010

X

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Inhaltsübersicht

D. Bewertung der nationalen Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

148

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

158

§ 5 Reform des § 550 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

A. Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

Bisherige Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164

C. Eigener Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

183

§ 6 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

201

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

207

Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

217

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

219

E.

B.

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Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI

§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Methodik und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motivation für den Vergleich mit dem englischen Recht . . . . . . . . . . Funktionaler Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziales Problem als Ausgangspunkt des Rechtsvergleichs: Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber und der Mietvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4 4 6

9 11

§ 2 Länderbericht Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

A. Doppelter Normzweck des § 550 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzfunktion zugunsten potenzieller Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beweis- und Warnfunktion zugunsten der Mietvertragsparteien . . . . 1. Historische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzbedürftigkeit der Mietvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestätigung durch Mietrechtsreformgesetz 2001 . . . . . . . . . . . . . . 4. Vergleich mit anderen formlosen Rechtsgeschäften . . . . . . . . . . . . 5. Typische Schutzzwecke von Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Keine Verwechslung von Zweck und Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit zum doppelten Normzweck des § 550 BGB . . . . . . . . . . . . . . . .

13 13 14 14 16 17 17 18 19 19

Schutz der Mietvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an die Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausdehnung auf Gewerberaummiet- und Pachtverträge . . . . b) Laufzeit von mehr als einem Jahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 20 20 20 20

B. I. II. III.

B. I.

000012

XII

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Inhaltsverzeichnis

c) Mögliche strengere Anforderungen nach § 311b BGB . . . . . . 2. Schriftformbedürftige Vertragsabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wesentlichkeit als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik am Abgrenzungskriterium des Bundesgerichtshofs c) Hinreichende Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts . . . . . . . . . 3. Unterschriften der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Anforderungen an die Unterschrift . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten bei juristischen Personen und Personenmehrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kritik an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Offene Handelsgesellschaft/Kommanditgesellschaft . . . . 4. Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen und Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . a) Mietzinsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Änderung der Mietvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfügung mehrerer Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auflockerungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . b) Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen für die Einbeziehung von Anlagen . . . . bb) Wesentlichkeit des Inhalts von Anlagen . . . . . . . . . . . . . . c) Nachtragsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolge bei Formfehlern und Heilungsmöglichkeiten . . . . . . . . . 1. Rechtsfolge: Ordentliche Kündbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Heilungsmöglichkeit von Formmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formgerechter Nachtrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Irrelevanz nach Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Formfehler speziell in Vertragsänderungen/ Nachtragsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umgang mit opportunistischem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Absenkung der Formanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Möglichkeiten der Kautelarpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anspruch auf Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schriftformklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schriftformheilungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mieterdienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inhalt einer Mieterdienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wirksamkeit einer Mieterdienstbarkeit unter § 550 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fazit zur Mieterdienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 22 22 23 24 24 24 25 25 26 27 28 28 29 29 29 29 30 30 31 32 32 32 33 33 33 34 34 34 35 35 36 37 39 39 40 40

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XIII

ee) Dauernutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 WEG . . . . . . . . . . . ff) Vollmachtbeschränkungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Pauschaler Schadensersatz oder Vertragsstrafe . . . . . . . . hh) Finanzielle Anreize für Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenze von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anerkannte Fallkonstellationen der Rechtsprechung . . . bb) Schlechthin untragbares Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit zum Schutz der Mietvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 41 42 42 43 43 44 44

C. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber . . . . . . . . . . . I. Bindung des Erwerbers an Mietverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzlicher Schutz des Informationsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formvorschrift des § 550 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Priorisierung innerhalb des doppelten Schutzzwecks . . . . . . . b) Kein umfassender Schutz des Informationsinteresses . . . . . . aa) Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirksamkeit des Mietvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zugang der Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Liberalisierungstendenz des Bundesgerichtshofs . . . . . . . dd) Erforderliche Nachforschungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausübung von Optionsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ungewisser Übergabezeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Änderung der Mietvertragsparteien durch zweiseitigen Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit zum Schutz des Informationsinteresses durch § 550 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorvertragliche Pflichten des Verkäufers und weiterer Schutz des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewährleistungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mietverträge als Sach- oder Rechtsmängel der Immobilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abweichender Inhalt der Mietverträge . . . . . . . . . . . . . . . (1) Längere Laufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Niedrigere Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konkurrenz der Gewährleistungsrechte und culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Arglistige Täuschung über Mietvertragsinhalt . . . . . . . . . . . . 3. Vertragliche Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit zum Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

45 45 47 47 47 48 48 49 49 50 51 52 52 53

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54 54 54 55 56 56 57 57 58 58 59 59 60 61

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XIV

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§ 3 Länderbericht England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Vorbemerkungen zum englischen Mietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Feudaler Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigentumsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Estates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rangniedrigere interests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis der Mieter und Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung des Verhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leases als proprietary rights . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leases im englischen Recht heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abgrenzung lease und license . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erwerb der reversion bei (unter-)vermieteten Immobilien . . . . . . . 6. Unterscheidung zwischen legal und equitable rules . . . . . . . . . . . .

63 63 64 65 65 66 66 67 67 68 69 69

B.

Schutz (nur) der Vertragsparteien durch mietrechtliche Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beweis- und Warnfunktion zugunsten der tenants und landlords . . . 1. Abschluss von (schuldrechtlichen) lease agreements . . . . . . . . . . . 2. Bestellung von (dinglich wirkenden) leases . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine Schutzfunktion zugunsten potenzieller Erwerber . . . . . . . . . . . III. Fazit zum Schutz (nur) der Vertragsparteien durch mietrechtliche Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schutz der Mietvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anforderungen der mietrechtlichen Formvorschriften . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen des Schriftformerfordernisses für lease agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schriftformbedürftige Vertragsabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterschriften der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Anforderungen an die Unterschrift . . . . . . . . bb) Besonderheiten bei companies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen . . . . . . . . . . . e) Zusammenfügung mehrerer Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen an eine deed zur Bestellung einer lease . . . . . . . . . a) Kenntlichmachen des Willens zur Errichtung einer deed . . . . b) Ordnungsgemäße Ausfertigung als deed . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Signature . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mitwirkung von Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Delivery . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Modifizierte Anforderungen an die Ausfertigung bei companies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Elektronische Erstellung von deeds . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70 70 70 71 72 72 73 73 73 73 74 74 74 75 76 76 77 77 78 78 78 79 79 80

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XV

II. Rechtsfolge bei Formfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verstoß gegen Schriftformerfordernis für lease agreements . . . . . a) Heilungsmöglichkeit von Formmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formfehler in Vertragsänderungen/ Nachtragsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umgang mit opportunistischem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . aa) Absenkung der Formanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Equitable remedies vor conveyance . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Proprietary estoppel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Constructive trust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Einschränkungen im gewerblichen Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verstoß gegen die Anforderungen einer deed . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehung einer equitable lease . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Implied lease . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konkurrenz zwischen equitable leases und implied leases . . . III. Fazit zum Schutz der Mietvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80 80 81

D. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber . . . . . . . . . . . I. Bindung des Erwerbers an leases . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterschiede zwischen legal und equitable leases . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschiedene Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lease mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren . . . . . . . . . . . b) Lease mit einer Laufzeit von mehr als drei bis maximal sieben Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung von covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bindung von Erwerbern an covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Leases vor 1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leases ab 1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung: Bindung der Erwerber an dingliche covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formbedürftigkeit von covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit zur Bindung des Erwerbers an leases . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kein gesetzlicher Schutz des Informationsinteresses . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein Schutz des Informationsinteresses durch land register . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Registrierungssystem für titles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Registerpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Land register maßgeblich für Berechtigung an title . . . . . dd) Alteration, rectification, indemnity . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Funktionen der Eintragungen von leases in das land register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92 92 92 93 93

83 83 83 85 85 86 88 89 89 89 90 91

93 94 94 95 96 96 96 97 97 97 98 98 98 98 99 99 100

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aa) Publizitätselement und Vereinfachung von Grundstücksgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine umfassende Eintragung von covenants . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pre-contract enquiries als Informationsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine duties of disclosure wegen des Grundsatzes caveat emptor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Open contract rules und implied term of vacant possession c) Pre-contract enquiries zu den lease terms . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Commercial Property Standard Enquiries . . . . . . . . . . . . bb) Spezielle Anfragen zu leases und deren Inhalt . . . . . . . . . d) Haftung für fehlerhafte Antworten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Misrepresentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Dimmock v Hallett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Remedies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Möglichkeit der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . (1) Vertraglicher Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Relativierende Zusätze und vage Antworten . . . . . . . (3) Fazit zur Möglichkeit der Haftungsbeschränkung 3. Vertragliche Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Standard Conditions of Sale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftungsbeschränkungen des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit zum Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

104 105 105 106 107 108 108 109 110 110 111 113 114 114 114 115 116

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117

§ 4 Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119

A. Einheitlicher Lösungsansatz oder Trennung der Schutzzwecke . . . . . .

119

Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen der mietrechtlichen Formvorschriften . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfasste Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Laufzeit der formbedürftigen Mietverhältnisse . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen an Mietverträge und lease agreements . . . . . . . . . a) Schriftformbedürftige Abreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterschriften der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines zur Unterschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Companies, juristische Personen oder Personenmehrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen . . . . . . . . . . . d) Zusammenfügung mehrerer Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anforderungen an eine deed . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

120 121 121 121 122 124 124 125 125

E.

B. I.

100 102 102 103

126 127 127 128

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II. Rechtsfolgen eines Formverstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Divergierende Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Heilungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Formfehler in Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen . . . 4. Umgang mit opportunistischem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Liberalisierung der Formanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Möglichkeiten zur Durchsetzung des ursprünglich Vereinbarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Unterschiedliche Rechtsfolgen bei deed und § 550 BGB . . . . . . . . 6. Parallele in bestimmter Fallkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit zum Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien . . . . . . . . C. Vergleich des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bindung der Erwerber an Mietverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Lösungsansätze der Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzlicher Schutz im deutschen Recht im Unterschied zum englischen Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begründung für den gesetzlichen Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geringes Vertrauen auf Verlässlichkeit der Auskünfte des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Historisches Relikt des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterschiedliche Bedeutung von sekundärrechtlichen Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit zum Vergleich des Schutzes des Informationsinteresses der Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Bewertung der nationalen Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Effektiverer Schutz der Mietvertragsparteien im englischen Recht durch Nichtigkeitsrechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtspraktische Auswirkungen der Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . 1. Aufwändige Anfragen in England und Gefahr eines geringen Schutzes des Informationsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gefährdung der Planungssicherheit in Deutschland . . . . . . . . . . . a) Auswirkungen auf die Planungssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auswirkungen der deutschen Rechtsprechung . . . . . . . . . (1) Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs (2) Abgrenzungskriterium der Wesentlichkeit . . . . . . . . . (3) Formalistische Anforderungen an Schriftform . . . . .

XVII 128 129 129 130 131 131 132 133 134 134 135 136 137 137

140 141 142 143 143 145 147 148 149 150 150 151 151 151 152 152 152

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XVIII

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(4) Begünstigung von opportunistischem Verhalten . . . . bb) Immobilienrechtliche Praxis: Schriftformkündigungen vor allem von Mietern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Höhere Planungssicherheit in England durch effektivere Durchsetzung des ursprünglich Vereinbarten . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit zu den rechtspraktischen Auswirkungen der Gegensätze III. Probleme des einheitlichen Lösungsansatzes im deutschen Recht . . . 1. Doppelter Schutzzweck als Grund für Planungsunsicherheit . . . . 2. Kontraintuitive Schriftformanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewichtung der Schutzzwecke schwierig vorherzusagen . . . . . . . . 4. Nur eingeschränkter Schutz der Mietvertragsparteien . . . . . . . . . 5. Fazit zu den Problemen des einheitlichen Lösungsansatzes im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

158

§ 5 Reform des § 550 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

A. Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

Bisherige Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorschläge aus der Literatur und Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufhebung des § 550 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspruch auf Einhaltung/Nachholung der Form . . . . . . . . . . . . . 3. Schutz des Erwerbers durch ein neu einzurichtendes öffentliches Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beschränkung des § 550 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reduktion des Anwendungsbereichs auf das Wohnraummietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgenseite: Kündigungsrecht nur für Erwerber . . . . . II. Gesetzesinitiative des Bundesrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wortlaut des neu einzufügenden § 566 Abs. 3 BGB-E . . . . . . . . . . 2. Beweggründe des Bundesrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kündigungsrecht nur für Erwerber und Widerspruchsrecht der Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stellungnahme der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein Reformbedarf für Wohnraummietrecht . . . . . . . . . . . . . b) Kein adäquater Interessenausgleich und Umgehungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erweiterter Schutzzweck und stärkere Inanspruchnahme der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kritische Würdigung der Gesetzesinitiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufgabe des Schutzes der Mietvertragsparteien . . . . . . . . . . . b) Kein Erwerberschutz bei Share Deals . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164 164 164 165

E.

B. I.

152 153 153 154 154 155 155 156 157

165 166 166 167 168 168 168 169 169 170 170 170 170 171 172

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Inhaltsverzeichnis

c)

Einseitige Benachteiligung der Mieterseite . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einseitiges Widerspruchsrecht ineffektiv . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Planungssicherheit für den Mieter . . . . . . . . . . . . . cc) Mieter kann Einhaltung der Schriftform kaum durchsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Umgehungsmöglichkeit für Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit zur Gesetzesinitiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mehrere Schutzzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neuerungen nur für Vertragsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritische Würdigung des Diskussionsentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . a) Geringfügig höhere Planungssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Textformerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Systematische Besonderheiten des § 578a BGB-E . . . . . . . . . . d) Drohende Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB und Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit zum Diskussionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Eigener Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Trennung der beiden Schutzzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kein Schutz des Informationsinteresses durch Formvorschrift . . . . . 1. Wertung des englischen Rechts zur Verlässlichkeit von Auskünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzlicher Schutz des Erwerbers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausreichende vertragliche Schutzmöglichkeiten für Erwerber . . . 4. Anreize zur Vorlage einer Mietvertragsurkunde . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutz der Mietvertragsparteien durch eine Formvorschrift . . . . . . . 1. Konstitutives Schriftformerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Heilungsmöglichkeit durch Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formbedürftigkeit aller Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Änderungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Heilung von formwidrigen Änderungsvereinbarungen . . . . . e) Ausschluss von § 139 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Bedeutung von § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzbedürftigkeit ab einer Laufzeit von einem Jahr . . . . . . . . . . 3. Erstreckung auch auf das Wohnraummietrecht . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formulierungsvorschlag für die neu einzuführende Formvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Mögliche Einwände gegen den eigenen Reformvorschlag . . . . . . . . . 1. Geringerer Schutz potenzieller Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegebenenfalls keine schriftliche Informationsquelle für Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückgriff auf Veräußerer möglicherweise nur selten realisierbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIX 173 173 174 174 175 175 176 176 176 177 177 178 181 181 183 183 183 184 185 185 186 187 188 188 188 190 190 191 193 193 194 194 195 195 195 196 197

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XX

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Inhaltsverzeichnis

c) Geringer Schutz durch Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . 2. Möglicher Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit zum eigenen Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

197 197 199

§ 6 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

201

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

207

Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungsverzeichnis a. A. a. D. a. F. A.C. A.J.C.L. AcP AG AGB AGBG ALR Alt. App.Cas. Ariz.St.L.J. BAG BAGE BB BeckFormB ZivilR BeckOF Vertrag BeckOGKBGB BeckOKBGB BeckOKMietrecht BeckRS Begr. BFW BGB BGH BGHZ BMJV Brook.J.Int’l.L. BT-Drs. Bus. L.R. BVerfG BVerfGE C.L.J. CA 2006 Ch. Ch. D.

anderer Ansicht außer Dienst alte Fassung Law Reports, Appeal Cases (Third Series, 1891-date) The American Journal of Comparative Law Archiv für die civilistische Praxis Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingung(en) Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Alternative Law Reports, Appeal Cases (Second Series, 1875–1890) Arizona State Law Journal Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Betriebs-Berater Beck’sches Formularbuch Zivil-, Wirtschafts- und Unternehmensrecht Beck’sche Online-Formulare Vertrag beck-online.GROSSKOMMENTAR BGB Beck’scher Online-Kommentar BGB Beck’scher Online-Kommentar Mietrecht Beck-Rechtsprechung Begründer Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Brooklyn Journal of International Law Bundestagsdrucksache The Business Law Reports Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts The Cambridge Law Journal Companies Act 2006 Law Reports, Chancery Division (Third Series, 1891–date) Law Reports, Chancery Division (Second Series, 1875–1890)

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XXII Colum. L.Rev CPSE DAV De Gex & Jones DMT DNotZ DStR E.R. e.V. E.W.C.A. Civ. E.W.H.C. (Ch) eid ErfK Fn. FS GB GbR GdW

GG GmbH GO BT GRUR GS Harv.Int.L.J. HDE HKK HM Land Registry Hrsg. HS. i. A. i. V. i. V. m. IBR IMR InsO JURA JZ KG krit. L.R. Ch.App. L.R. Ex. L.R. Q.B. Law Com. LG LPA 1925 LPMPA 1989

Abkürzungsverzeichnis Columbia Law Review Commercial Property Standard Enquiries Deutscher Anwaltsverein e.V. De Gex and Jones’ Chancery Reports Deutscher Mietgerichtstag e.V. Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Steuerrecht English Reports eingetragener Verein England and Wales Court of Appeal (Civil Division) High Court of England and Wales (Chancery Division) Evangelischer Immobilienverband Deutschland e.V. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Fußnote Festschrift Großbritannien Gesellschaft bürgerlichen Rechts Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (ursprünglich Gesamtverband deutscher Wohnungsunternehmen) Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift Harvard International Law Journal Handelsverband Deutschland Historisch-kritischer Kommentar zum BGB Her Majesty’s Land Registry Herausgeber Halbsatz im Auftrag in Vollmacht in Verbindung mit Immobilien & Baurecht Immobilien- und Mietrecht Insolvenzordnung Juristische Ausbildung Juristenzeitung Kammergericht/Kommanditgesellschaft kritisch Law Reports, Chancery Appeals Law Reports, Exchequer Cases Law Reports, Queen’s Bench Case Law Commission Landgericht Law of Property Act 1925 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989

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Abkürzungsverzeichnis LRA 2002 LRR 2003 LS LTCA 1995 Ltd m. w. N. M.L.R. MittBayNot MüKoBGB NJOZ NJW NJW-RR NK-BGB No. NZA NZBau NZG NZM OHG OLG P. & C.R. p. a. para. Prakt. Komm. Q.B. Q.B.D. RabelsZ RG RGZ Rn. RNotZ S. sec. sog. St.Rspr. StGB TzBfG U.K.S.C. UCTA 1977 Utah L.Rev. v W.L.R. WEG WM WuM

XXIII

Land Registration Act 2002 Land Registration Rules 2003 Leitsatz Landlord and Tenant (Covenants) Act 1995 Limited mit weiteren Nachweisen The Modern Law Review Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht NomosKommentar BGB Number Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Planning (Property) and Compensation Reports per annum paragraph Praktischer Kommentar Law Reports, Queen’s Bench Division Law Reports, Queen’s Bench Division (1875–1890) Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer(n) Rheinische Notar-Zeitschrift Seite(n)/Satz section(s) sogenannt(e/en) Ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch Teilzeit- und Befristungsgesetz United Kingdom Supreme Court Unfair Contract Terms Act 1977 Utah Law Review versus Weekly Law Reports Wohnungseigentumsgesetz Wertpapier Mitteilungen: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wohnungswirtschaft und Mietrecht

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XXIV ZEuP ZEV ZfIR ZIA ZMR ZPO ZVG

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Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Immobilienrecht Zentraler Immobilien Ausschuss Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung

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§ 1 Einleitung Das Mietrecht ist ein Gebiet, das sich mehr als andere Teile des Schuldrechts wandelt und das wegen seiner hohen sozialen sowie wirtschaftlichen Bedeutung politisch sehr umstritten ist. Ein großes Problem für die Immobilienpraxis stellt sich dabei im Zusammenhang mit der auf den ersten Blick unscheinbar anmutenden Vorschrift des § 550 BGB, über deren Reform seit mehreren Jahren intensiv diskutiert wird.

A. Problemstellung § 550 S. 1 BGB klingt lapidar, besagt er doch zunächst nur, dass Wohnraummietverträge über ein Jahr schriftlich geschlossen werden müssen und andernfalls für unbestimmte Zeit gelten. Seine Brisanz ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel mit anderen Normen. Schließen Vermieter1 und Mieter einen befristeten Mietvertrag, hat dies zur Folge, dass dieser während der Vertragslaufzeit nicht ordentlich gekündigt werden kann, § 542 Abs. 2 BGB. Dieser von den Parteien übereinstimmend gewollte Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit wird durch § 550 BGB im Falle eines Formmangels ausgehebelt. Durch die angeordnete Fiktion eines unbefristeten Mietvertrags kann dieser nach § 542 Abs. 1 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften, also ordentlich, gekündigt werden. § 550 BGB ist dabei keine exklusive Vorschrift des Wohnraummietrechts, sondern findet nach § 578 Abs. 1, 2 BGB entsprechende Anwendung in der Gewerberaummiete. Der Zweck der Norm erschließt sich erst aus dem Zusammenspiel mit § 566 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift tritt der Erwerber einer vermieteten Immobilie in alle (wirksamen) Mietverträge ein. Seinem ursprünglichen Zweck nach dient § 550 BGB dem Schutz eines Erwerbers, der durch die schriftliche Vertragsurkunde in die Lage versetzt werden soll, sich über die Absprachen im Mietvertrag zu informieren.2 Da § 550 S. 1 BGB – anders als die meisten Formvorschrif1 Bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit in dieser Arbeit lediglich die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung. 2 Achilles/Spahn/Gebhard, Bd. II, 1898, S. 149; Mugdan, Bd. II, 1899, S. 825; MüKoBGB/Bieber, § 550 Rn. 2; Grüneberg/Weidenkaff, § 550 Rn. 1. Genaueres dazu siehe § 2 A. I.

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§ 1 Einleitung

ten – unmittelbar die Rechtsfolge für Formfehler anordnet, wird § 125 S. 1 BGB als allgemeine Norm für Formverstöße verdrängt. Ein Schriftformfehler hat keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit eines Mietvertrags und ein Erwerber tritt auch in Mietverträge ein, bei denen die Form nicht eingehalten wurde. Dem Erwerber steht in diesem Falle keine verlässliche Informationsquelle über die ihn bindenden Absprachen zur Verfügung. Durch die nach § 550 S. 1 BGB vorgesehene Fiktion eines unbefristeten Mietvertrags hat er die Möglichkeit, den Mietvertrag vor Ablauf der von den ursprünglichen Mietvertragsparteien vereinbarten Laufzeit ordentlich zu kündigen, wenn auch gem. § 550 S. 2 BGB frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung der Mieträume.3 Nach seinem weiten Wortlaut gibt § 550 BGB aber nicht nur einem Erwerber, sondern auch den ursprünglichen Vertragsparteien die Möglichkeit, sich vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit von dem Vertrag zu lösen. In der Praxis nutzen vor allem diese die Möglichkeit einer sog. Schriftformkündigung. Dies legen Breiholdt/Breiholdt anschaulich dar: Von 30 ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu § 550 BGB zwischen Juli 2002 und September 2010 hatte dieser in nur einem Fall über die Kündigung eines Erwerbers zu entscheiden (in zwei Fällen war nicht erkennbar, wer gekündigt hatte).4 § 550 BGB führt – insbesondere zwischen den ursprünglichen Mietvertragsparteien – zu zahlreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen.5 Dies wird dadurch verstärkt, dass die Einzelheiten des Schriftformerfordernisses nur schwer zu überblicken sind. So ist es beispielsweise eine Wertungsfrage, welche Vertragsabreden der Schriftform überhaupt unterliegen und welche auch in einer formlosen Nebenabrede getroffen werden können.6 Vorzeitige Kündigungen können schwerwiegende Folgen haben. Für Vermieter bedeuten lange Vertragslaufzeiten einen beständigen Cashflow und damit eine langfristige Planbarkeit.7 Für Erwerber sind die Laufzeiten der Mietverträge neben der Miethöhe ein entscheidender Faktor für den Immobilienwert und damit die Kalkulationsgrundlage für Investitionsentscheidungen.8

3 Im Gewerberaummietrecht beträgt die Kündigungsfrist nach § 580a Abs. 2 BGB sechs Monate bis zum Ende eines Kalendervierteljahres, im Wohnraummietrecht nach § 573c Abs. 1 S. 1 BGB drei Monate bis zum Ende eines Kalendermonats, wobei sich die Frist für den Vermieter nach einer gewissen Mietdauer gemäß § 573c Abs. 1 S. 2 BGB verlängert. 4 Breiholdt/Breiholdt, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 391, 391. 5 Vgl. etwa die zahlreichen zitierten Gerichtsentscheidungen in: BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 43–446; Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 12–71. 6 Siehe dazu § 2 B. I. 2. a). 7 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 1 f. und 7; Bangert, JZ 2021, 193, 193; Günter, NZM 2019, 561, 562; Häublein, JZ 2018, 755, 755; Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 897, 898. 8 BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 1; Bangert, JZ 2021, 193, 193; Günter, NZM 2019, 561, 562; Häublein, JZ 2018, 755, 755; Schweitzer, NJW 2019, 198, 198; Söhnchen/Zentis/Berka/ Eichler/Huperz, BB 2018, 1090, 1095.

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A. Problemstellung

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Durch eine ordentliche Kündigung vor Ablauf der Laufzeit werden das Vertrauen der anderen Vertragspartei auf den Bestand des Mietvertrags bis zum vereinbarten Zeitpunkt enttäuscht und bisherige Planungsentscheidungen zunichte gemacht. In der Gewerberaummiete bestehen für Mieter außerdem große Unsicherheiten bezüglich der Betriebsorganisation und Planung etwaiger Umbaumaßnahmen, da diese maßgeblich von der langfristigen Verfügbarkeit der Geschäftsräume abhängig sind.9 Die Kautelarpraxis hat zwar versucht, die Schriftformproblematik zu entschärfen, indem sog. Schriftformheilungsklauseln in langfristige Mietverträge aufgenommen wurden, die Schriftformkündigungen verhindern sollten. Im Jahre 2017 hat der Bundesgerichtshof solche Schriftformheilungsklauseln allerdings für wirkungslos erklärt.10 Die Problematik um § 550 BGB wirkt sich dabei stärker im Gewerbe- als im Wohnraummietrecht aus. Dies liegt zum einen daran, dass befristete Wohnraummietverträge wegen der hohen Voraussetzungen für eine wirksame Befristung (vgl. etwa § 575 BGB) nicht die Regel sind. Zum anderen ist die ordentliche Kündigung durch den Vermieter oder Erwerber nach § 573 BGB nur eingeschränkt möglich und bedarf eines berechtigten Interesses. Außerdem kann der Mieter der Kündigung durch den Vermieter widersprechen, §§ 574 ff. BGB. Da im Gewerberaummietrecht regelmäßig langjährige Mietverträge geschlossen und Schriftformkündigungen ohne berechtigtes Interesse wirksam erklärt werden können, kann § 550 BGB dort seine Sprengkraft frei entfalten. Die aktuelle Rechtslage und die immobilienrechtliche Praxis führen dazu, dass sich Mieter und Vermieter – vor allem im Gewerberaummietrecht – nicht auf die vereinbarte Laufzeit verlassen können. Unter dem Vorwand eines Schriftformmangels können als lästig empfundene Mietverträge vorzeitig ordentlich gekündigt werden – auch von den ursprünglichen Parteien, die ihn einvernehmlich als befristet und damit nicht ordentlich kündbar geschlossen haben. Häufig werden im Immobilienrecht tätige Juristen damit beauftragt, in lästig gewordenen Mietverträgen gezielt nach Schriftformverstößen zu suchen.11 Am 05. Februar 2020 wurde eine Gesetzgebungsinitiative des Bundesrats in den Bundestag eingebracht, um die Fehlentwicklung des § 550 BGB zu korrigieren.12 Mit dieser positionierte sich der Bundesrat in der seit mehreren Jahren geführten Diskussion um die Reformierung des § 550 BGB, in welcher viele Autoren bereits eigene Reformvorschläge unterbreitet haben.13 Die seinerzeitige

9 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 7; Bangert, JZ 2021, 193, 193; Günter, NZM 2019, 561, 562; Schweitzer, NJW 2019, 198, 198. 10 BGHZ 216, 68 Rn. 33 f.; bestätigt durch eine weitere Entscheidung im Jahre 2018: BGH NJW-RR 2018, 1101 Rn. 25. Genaueres dazu siehe § 2 B. II. 4. b) cc). 11 Ähnliche Beobachtungen wurden auch dem Bundesrat zugetragen, vgl. BRDrs. 469/19(B) v. 20.12.2019, Anlage S. 3 f. 12 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020. 13 So unter vielen: Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 68; Bork, BB 2020, 1481,

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§ 1 Einleitung

Bundesregierung hielt die Gesetzesinitiative des Bundesrats allerdings für ungeeignet und verweigerte ihre Unterstützung.14 Zwischenzeitlich hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (noch unter der Leitung der Bundesjustizministerin a. D. Christine Lambrecht) am 26. Oktober 2021 einen eigenen Diskussionsentwurf zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses begrenzt auf das Gewerberaummietrecht veröffentlicht.15 Ein Ende der Reformdiskussion ist indes nicht in Sicht, sodass sich an der aktuell unbefriedigenden Rechtslage kurzfristig nichts ändern dürfte. Es fehlt an einem mehrheitsfähigen Reformvorschlag, der die kollidierenden Interessen in einen Ausgleich bringt und die Planungssicherheit für Mietvertragsparteien sowie das Vertrauen in den Bestand von gewerblichen Mietverträgen stärkt. Dieses Dissertationsvorhaben verfolgt das Ziel, einen Beitrag zur gegenwärtigen Reformdiskussion zu leisten, indem die deutsche Regelung des § 550 BGB einem Rechtsvergleich mit dem englischen Recht unterzogen und so aus einer anderen Perspektive auf die hiesige Schriftformproblematik ein Reformvorschlag entwickelt wird. Das englische Recht findet bekanntlich außer in England auch in Wales Anwendung, während in den beiden anderen Ländern des Vereinigten Königreichs, Schottland und Nordirland, eigene Rechtsordnungen gelten. Wird im Folgenden von „England“ gesprochen, schließt dies infolgedessen regelmäßig das Land Wales mit ein.

B. Methodik und Gang der Untersuchung I. Motivation für den Vergleich mit dem englischen Recht Ein Rechtsvergleich mit dem englischen Recht ist bereichernd für die Reformdiskussion um § 550 BGB. Dies liegt zunächst daran, dass das englische Recht einen völlig anderen Ansatz verfolgt, das Informationsinteresse potenzieller Erwerber zu schützen. Dadurch können wichtige Impulse für eine Neuregelung des § 550 BGB gewonnen werden. Die vom historischen Gesetzgeber des BGB vertretene Auffassung, wonach der Erwerber zwingend durch eine schriftliche Vertragsurkunde über die Mietbedingungen informiert werden müsse,16 teilt der eng1488 ff.; Conradi, ZIA Immobilienwirtschaft 2018, 52, 54; Günter, NZM 2019, 561, 569; Häublein, JZ 2018, 755, 760 f.; Hübner, ZfIR 2020, 125, 129 f.; Krüger, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 410, 417; Lindner-Figura/Reuter, NJW 2020, 1039, 1042; Neumann, ZMR 2020, 174, 178; Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 169 ff.; für eine ausführliche Darstellung der Reformvorschläge siehe § 5 B. I. 14 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12. 15 BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021. Mittlerweile wird das Bundesministerium der Justiz durch Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann geleitet. Um Missverständnisse wegen der unterschiedlichen Bezeichnung des Ministeriums zu vermeiden, wird in dieser Arbeit allgemein von „Bundesjustizministerium“ gesprochen. 16 Achilles/Spahn/Gebhard, Bd. II, 1898, S. 150; Mugdan, Bd. II, 1899, S. 825.

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B. Methodik und Gang der Untersuchung

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lische Gesetzgeber nicht. In England wird es den Erwerbern überlassen, sich über den Inhalt von sie bindenden dinglichen Mietrechten (sog. leases) beim Verkäufer zu informieren.17 Daher sind vorvertragliche Anfragen (sog. pre-contract enquiries) des Käufers an den Verkäufer bei Grundstücksgeschäften in England mittlerweile fester Bestandteil der Immobilienpraxis.18 Diese ermöglichen den Käufern, sich durch Auskünfte des Verkäufers über die mit den leases verbundenen Rechte und Pflichten zu informieren. Geben die Verkäufer unrichtige Antworten auf diese vorvertraglichen Anfragen, machen sie sich unter Umständen gegenüber dem Erwerber schadensersatzpflichtig.19 In diesem Fall bleibt der Erwerber also bis zum Ende der Vertragslaufzeit an die ihm zunächst unbekannten Vereinbarungen gebunden, kann sich aber – sofern erforderlich – beim Veräußerer schadlos halten. Darüber hinaus ist es gängige Praxis, dass sich Erwerber vertraglich absichern, dass der Verkäufer ihnen alle Informationen über bestehende leases offengelegt hat.20 Über die Antworten der pre-contract enquiries und die Abreden im Kaufvertrag stellen die Erwerber sicher, dass sie die inhaltlichen Ausgestaltungen der leases kennen. Allerdings existieren auch in England Formvorschriften für Mietverhältnisse über Immobilien. So sieht sec. 2(1) Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 vor, dass Verträge mit Bezügen zu Grundstücken (und damit auch lease agreements) schriftlich abgeschlossen werden müssen. Ebenso bedarf die Verfügung und damit die Bestellung einer lease einer sog. deed nach sec. 52(1) Law of Property Act 1925. Ferner werden in England manche leases in das dortige Grundbuchäquivalent, das land register, eingetragen und sind damit für einen Erwerber ersichtlich, der sie gegen sich gelten lassen muss. Dies ist eine mögliche Lösung, die in der bisherigen Reformdiskussion um § 550 BGB mehrfach diskutiert wurde, um Erwerbern eine verlässliche Informationsquelle über den Inhalt von Mietverträgen zu bieten.21 Das englische Recht sanktioniert auch regelmäßig Formfehler bei

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Siehe dazu § 3 D. II. Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 951; Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 4.01; Silverman/Hewitson, Conveyancing Searches and Enquiries, S. 3; Kopp, MittBayNot 2001, 287, 289; Wilsch, ZEV 2011, 458, 461. 19 So etwa im Fall First Tower Trustees Ltd and another v CDS (Superstores International) Ltd [2018] E.W.C.A. Civ. 1396, vgl. § 3 D. II. 2. d) aa); Silverman/Hewitson, Conveyancing Searches and Enquiries, S. 15; NK-BGB-Sachenrecht/Odersky, Länderbericht GB, Rn. 41. 20 Klausel 3.3.2 lit. (a) der Standard Conditions of Sale und Klausel 5.1.2 der Standard Commercial Property Conditions der Law Society, die üblicherweise bei Kaufverträgen verwendet werden, vgl.: Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 954; Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 12.92; Silverman/Hewitson, Conveyancing Searches and Enquiries, S. 8 beschreibt die Musterverträge der Law Society als „[t]he commonly used form of contract“; siehe dazu näher § 3 D. II. 3. a). 21 Krüger, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 410, 417; BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 5; BR-Drs. 469/19(B) v. 20.12.2019, Anlage S. 6; Bangert, JZ 2021, 193, 196 Fn. 36; Günter, NZM 2019, 561, 566 f. 18

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Mietverhältnissen nicht mit einer vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit, sodass die Planungssicherheit aller Beteiligten nicht beständig untergraben wird.22 Ein Vergleich mit dem englischen Recht ist schließlich auch deshalb naheliegend, weil der deutsche und der englische Immobilienmarkt in Europa zudem als die zwei bedeutendsten Immobilienmärkte angesehen werden können, da sie mit Abstand die höchsten Investitionsvolumina in nahezu identischer Höhe aufweisen.23 Dies legt nahe, dass eine vom englischen Recht inspirierte Reform den Bedürfnissen des deutschen Immobilienmarkts entsprechen könnte. So könnte eine wünschenswerte Rechts- und Planungssicherheit erreicht werden, die allen Beteiligten an langfristigen Mietverträgen – nicht zuletzt Immobilieninvestoren, aber auch Unternehmen, die planen, Geschäftsräume in Deutschland langfristig anzumieten – helfen könnte.

II. Funktionaler Rechtsvergleich Als Erkenntnisquelle für die Erarbeitung eines eigenen Reformvorschlags soll vorliegend ein funktionaler Rechtsvergleich dienen. Maßgeblich geprägt wurde diese Methode durch die „Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts“ von Zweigert und Kötz,24 der in der Rechtsvergleichung weiter eine hohe Bedeutung zugeschrieben wird.25 Nach dem Ansatz der funktionalen Rechtsvergleichung sollen nur Rechtsinstitute miteinander verglichen werden, die funktionsäquivalent sind.26 Dem liegt die Annahme zugrunde, dass alle Gesellschaften mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind und diese – meist durch ihre Rechtsordnung – einer Lösung zuführen.27 Im Mittelpunkt der Untersuchung steht damit eine gesellschaftsrelevante Problematik, die sich rechtsordnungsübergreifend stellt.28 Nachdem diese herausgearbeitet wurde, sollen die nationalen Lösungsansätze der zu vergleichenden Rechtsordnungen ermittelt werden. Bei der Ermittlung des ausländischen Lösungsansatzes soll nicht etwa die Dogmatik oder „äußere Form“29, sondern allein die zu untersuchende Funktion entscheidend sein.30 Es sollen daher nicht nur 22

Für die Rechtsfolgen von Formmängeln siehe § 3 C. II. Barbiroglio, Property Week. 24 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts. 25 Basedow, 62 A.J.C.L. 2014, 821, 831 Fn. 29; Kischel, Rechtsvergleichung, § 3 Rn. 3; Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, S. 345, 346. 26 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, S. 33; Kischel, Rechtsvergleichung, § 3 Rn. 3. 27 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, S. 33; Kischel, Rechtsvergleichung, § 1 Rn. 14. 28 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, S. 33; Kischel, Rechtsvergleichung, § 3 Rn. 3; Wilson, in: McConville/Chui (Hrsg.), Research Methods for Law, S. 87, 92. 29 Piek, ZEuP 2013, 60, 62. 30 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 23

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dogmatisch mit dem deutschen Recht vergleichbare Lösungsansätze der englischen Rechtsordnung untersucht werden. Ganz im Gegenteil ist es mit den Worten von Zweigert und Kötz erforderlich, dass man sich „von seinen eigenen juristisch-dogmatischen Vorurteilen radikal befreien muß.“31 Dieser Ansatz legt es nahe, zunächst die Lösungsansätze der zu vergleichenden Rechtsordnungen zu ermitteln und diese in einem zweiten Schritt gegenüberzustellen und so miteinander zu vergleichen.32 Auch wenn diese Lösungen auf verschiedenen Wegen erreicht werden, gehen Zweigert und Kötz davon aus, dass die jeweiligen nationalen Lösungsansätze bei vergleichbar weit ausgebildeten Rechtsordnungen im Ergebnis ähnlich sein werden.33 Damit ist allerdings nur gemeint, dass sich die gefundenen Lösungen hinsichtlich der ihr dienenden Funktion gleichen müssen, nicht aber, dass sie auch im Übrigen, vor allem auf dogmatischer Ebene, übereinstimmen.34 Da sowohl in England als auch in Deutschland vermietete Immobilien veräußert werden, werden in beiden Ländern ähnliche Probleme auftreten, die als Grundlage des funktionalen Rechtsvergleichs dienen können. Die funktionale Rechtsvergleichung35 sieht sich, auch wenn sie weiterhin die bedeutsamste und überwiegend verwendete Methodik der Rechtsvergleichung darstellt,36 einiger Kritik ausgesetzt. Diese Kritik soll an dieser Stelle nur umrissen werden.37 So wird ihr vorgeworfen, dass eine rein funktionale Betrachtung den Kontext nationaler Normen unzureichend berücksichtige, insbesondere die S. 33 f.; Kischel, Rechtsvergleichung, § 3 Rn. 3; Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, S. 345, 347; Piek, ZEuP 2013, 60, 62; Wilson, in: McConville/Chui (Hrsg.), Research Methods for Law, S. 87, 91. 31 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, S. 34. 32 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, S. 42 f. 33 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, S. 39, insofern sprechen sie von der „praesumptio similitudinis“, also „einer Vermutung für die Ähnlichkeit der praktischen Lösungen“. 34 Klarstellend dazu Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, S. 345, 376 f., der in diesem Zusammenhang von „functional equivalence“ anstelle von „similarity“ spricht. 35 Zu beachten ist, dass eine bestimmte, konkret festgelegte Methodik der funktionalen Rechtsvergleichung nicht existiert, sondern es verschiedene Ausprägungen davon gibt, die auf der Grundlage einer funktionalen Betrachtung aufbauen, siehe dazu Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, S. 345, 347 f. 36 Brand, JuS 2003, 1082, 1086; Haase, JA 2005, 232, 235; Kischel, Rechtsvergleichung, § 1 Rn. 14 und § 3 Rn. 3; Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, S. 345, 346; Piek, ZEuP 2013, 60, 60 und 86 f.; Wilson, in: McConville/ Chui (Hrsg.), Research Methods for Law, S. 87, 92; Basedow, 62 A.J.C.L. 2014, 821, 836 leitet deren Berechtigung auch aus dem praktischen Bedürfnis der „clients“ der Rechtsvergleichung ab. 37 Für eine ausführliche Darstellung siehe: Kischel, Rechtsvergleichung, § 3 Rn. 6 ff.; Piek, ZEuP 2013, 60.

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§ 1 Einleitung

für eine Rechtsordnung prägende Verflechtung mit der Kultur des Landes.38 Kritisch wird ebenfalls der formalistische Blick auf Normen und Gesetze, also positives Recht, gesehen, der die Rechtswirklichkeit nicht ausreichend beleuchte.39 Eine rein auf Funktionsäquivalenz und nicht auf Vielfalt ausgerichtete Rechtsvergleichung kann – so die aufgeworfene Kritik – ferner dazu verleiten, rechtliche und außerrechtliche Lösungen gleichzusetzen, obwohl es durchaus bedeutend sein kann, dass eine Gesellschaft eine außerrechtliche Bewältigung bevorzugt.40 Schließlich können Rechtsordnungen gesellschaftliche Probleme auch auf eine andere Weise, etwa durch außerrechtliche Normen, bewältigen.41 Außerdem wird kritisiert, dass die Untersuchung einer fremden Rechtsordnung nicht frei von jeglichen Prägungen durch die eigene Rechtsordnung und daher nur ethnozentrisch erfolgen könne.42 Eine unvoreingenommene Perspektive wird allerdings dann nicht als zwingend erforderlich angesehen, wenn eine problematische Regelung der eigenen Rechtsordnung mit dem Rechtsvergleich genauer untersucht werden soll.43 Daher wiegt die Kritik der fehlenden Unparteilichkeit für die vorliegende Arbeit nicht sehr schwer, da mit ihr die problemträchtige Norm des § 550 BGB näher untersucht und ein Beitrag zur Reformdiskussion geleistet werden soll. Dennoch wird sich in dieser Arbeit um eine möglichst unvoreingenommene Darstellung des englischen Rechts bemüht, weshalb diesem vor dem eigentlichen Rechtsvergleich ein in sich abgeschlossener Länderbericht gewidmet wird. In diesem wird nicht nur näher beleuchtet, welche Lösungsvorschläge die Rechtsordnung bereithält, sondern auch ein besonderer Fokus auf die Rechtspraxis gelegt, um auch diese mit in die Untersuchungen einzubeziehen. Kulturelle Verschiedenheiten fallen bei einem Rechtsvergleich zwischen Deutschland und England nicht so sehr ins Gewicht. Auch sind die deutsche und englische Rechtsordnung insbesondere hinsichtlich ihres Professionalisierungsgrads miteinander vergleichbar, die kontextualen Unterschiede sollten daher ebenfalls nicht überbewertet werden. Ohne Frage bestehen bedeutende dogmatische Unterschiede zwischen dem deutschen – schuldrechtlich geprägten – und dem englischen – dinglich geprägten – Mietrechtsverständnis. Letzteres macht eine Auseinandersetzung mit dem eng38 Gerber, 46 A.J.C.L. 1998, 719, 722; Husa, RabelsZ 67 (2003), 419, 428; dazu auch: Kischel, Rechtsvergleichung, § 3 Rn. 11; Piek, ZEuP 2013, 60, 75. 39 Frankenberg, 26 Harv.Int.L.J. 1985, 411, 438; siehe dazu auch Kischel, Rechtsvergleichung, § 3 Rn. 17. 40 Brand, 32 Brook.J.Int’l.L. 2007, 405, 419; Hyland, in: Patterson (Hrsg.), A Companion to Philosophy of Law and Legal Theory, S. 184, 190; siehe dazu auch Kischel, Rechtsvergleichung, § 3 Rn. 15. 41 Kischel, Rechtsvergleichung, § 3 Rn. 226. 42 Demleitner, 31 Ariz.St.L.J. 1999, 737, 741 ff.; Frankenberg, 26 Harv.Int.L.J. 1985, 411, 421; Frankenberg, 259 Utah L.Rev. 1997, 259, 270; dazu auch: Kischel, Rechtsvergleichung, § 3 Rn. 11 f.; Piek, ZEuP 2013, 60, 76 ff. 43 Tschentscher, JZ 2007, 807, 812.

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B. Methodik und Gang der Untersuchung

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lischen Immobiliarsachenrecht erforderlich. Auf diesem Gebiet zeigen sich (nicht nur deutsche) Juristen generell eher zurückhaltend mit einem Rechtsvergleich, da von völlig unterschiedlichen nationalen Strukturen ausgegangen wird.44 Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu zeigen, dass durch eine funktionale Betrachtungsweise auch auf dem Gebiet des Mietrechts die wesentlichen, inhaltlichen Unterschiede der jeweiligen Lösungsansätze herausgearbeitet werden können, ohne Gefahr zu laufen, dogmatische Verschiedenheiten überzubewerten.45 Durch eine funktionale Rechtsvergleichung können auch die Grundlagen der jeweiligen nationalen Lösungen erforscht werden,46 was ermöglicht, die Problematik im deutschen Recht tiefgründiger als in der bisherigen Reformdiskussion anzugehen. Auf diese Weise können wichtige Impulse für eine Reformierung des § 550 BGB gewonnen werden. Im Wissen um die erhobene Kritik gegen die verwendete Methode soll wegen ihrer Vorteile für das Ziel der vorliegenden Arbeit ein funktionaler Rechtsvergleich erfolgen. Da ein konkretes Problem untersucht werden soll, handelt es sich um einen Mikrovergleich.47

III. Soziales Problem als Ausgangspunkt des Rechtsvergleichs: Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber und der Mietvertragsparteien Für einen funktionalen Rechtsvergleich muss zunächst das rechtsordnungsübergreifende Regelungsproblem in seiner sozialen und wirtschaftlichen Dimension herausgearbeitet werden, die den Ausgangspunkt des Rechtsvergleichs bilden soll.48 Die zu vergleichende Problematik in dieser Dissertation knüpft an die wirtschaftliche Bedeutsamkeit langfristiger Mietverhältnisse für Mieter, Vermieter und auch potenzielle Erwerber an. Bei der Veräußerung vermieteter Immobilien treten – anders als noch im römischen Recht49 – sowohl in England als auch in Deutschland Erwerber in bestehende Mietverhältnisse ein. In England ist dies Folge des dinglichen Mietrechtsverständnisses, bei dem Erwerber an die dinglich wirkende lease des Mieters gebunden werden,50 während in Deutschland § 566 44 So ein Erklärungsversuch für die Zurückhaltung bei der Rechtsvergleichung in sachenrechtlichen Themen nach van Erp, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Oxford Handbook of Comparative Law, S. 1031, 1032. 45 Diese Vorteile einer funktionalen Betrachtung nennt auch Wilson, in: McConville/Chui (Hrsg.), Research Methods for Law, S. 87, 92. 46 Wilson, in: McConville/Chui (Hrsg.), Research Methods for Law, S. 87, 92. 47 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, S. 4 f.; Brand, JuS 2003, 1082, 1086; Haase, JA 2005, 232, 235 f. 48 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, S. 33; Kischel, Rechtsvergleichung, § 1 Rn. 14 f. 49 Ausführlich dazu Hattenhauer, NZM 2003, 666, 666 f. m. w. N. 50 Bevan, Land Law, S. 333; Gardner/MacKenzie, An Introduction to Land Law, S. 232; siehe näher dazu § 3 D. I.

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Abs. 1 BGB („Kauf bricht nicht Miete“) anordnet, dass Erwerber in bestehende Mietverträge eintreten. Erwerber müssen sich damit an Vereinbarungen festhalten lassen, die ohne ihre Mitwirkung durch die bisherigen Mietvertragsparteien getroffen wurden. Erwerber haben daher ein hohes Interesse daran, sich über den Inhalt dieser Vereinbarungen verlässlich informieren zu können, um nicht an unbekannte Mietbedingungen gebunden zu sein. Gegenstand der Untersuchung ist daher zunächst, wie in den jeweiligen Ländern sichergestellt wird, dass potenzielle Erwerber Kenntnis vom Inhalt von bestehenden Mietverhältnissen51 erlangen können. Davon abzugrenzen ist die Frage, wie Erwerber den Bestand von Mietverhältnissen erkennen können, an die sie im Erwerbsfall gebunden wären. Für das deutsche Recht sieht § 566 Abs. 1 BGB vor, dass Erwerber von Immobilien nur dann in bestehende Mietverträge eintreten, wenn die Mieträume an den Mieter überlassen wurden. Die für einen Eintritt in den Mietvertrag erforderliche Überlassung an den Mieter soll sicherstellen, dass Erwerber die bestehenden Mietverträge erkennen können, an die sie gebunden werden.52 Die vorliegende Arbeit soll damit nicht vertiefen, wie Erwerber überhaupt erkennen können, dass die zu erwerbende Immobilie vermietet ist. Im Fokus der Untersuchung soll vielmehr stehen, wie Erwerber, die von der Vermietung wissen, Kenntnis über die ihnen unbekannten Mietmodalitäten bzw. inhaltliche Ausgestaltung der Mietverhältnisse erlangen können. Neben einer naheliegenden Lösung des Problems auf kaufvertraglicher Ebene (etwa durch vorvertragliche Schadensersatzansprüche bei falschen Informationen über den Inhalt der Mietverträge oder Gewährleistungsrechte) wird im deutschen Recht mit § 550 BGB intendiert, potenziellen Erwerbern zudem eine schriftliche Informationsgrundlage für die mietvertraglichen Absprachen zu bieten. Andernfalls können sie sich vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit durch eine Kündigung von dem Mietvertrag lösen. Allerdings soll die Norm darüber hinaus – zumindest nach Ansicht des Bundesgerichtshofs – auch die Vertragsparteien vor unbedacht eingegangenen Verpflichtungen schützen und die Beweisbarkeit der getroffenen Abreden über die langjährige Laufzeit sicherstellen.53 In der Literatur ist dieser weitergehende Schutzzweck umstritten und wird vielfach verneint.54 Die Frage danach, inwie51 Der neutrale Begriff Mietverhältnis wird verwendet, um zu berücksichtigen, dass im deutschen Recht ein Erwerber in den schuldrechtlichen Mietvertrag eintritt, in England dagegen der Erwerber an die dingliche lease gebunden wird. 52 BGHZ 223, 106 Rn. 29: „Erst die zum Erwerbszeitpunkt vom Besitz eines Mieters ausgehende Publizitätswirkung ist es, die einem Erwerber ermöglicht, bereits aus der Besitzlage abzulesen, in welche Mietverhältnisse er eintreten muss“. 53 St.Rspr. des BGH, vgl. etwa BGHZ 200, 98 Rn. 26. 54 MüKoBGB/Bieber, § 550 Rn. 2; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 5; Krüger, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 410, 416; Lammel, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 418, 427. Ausführlich zum Schutzzweck des § 550 BGB siehe § 2 A.

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weit das deutsche Recht die Vertragsparteien langfristiger Mietverhältnisse schützt und dies auch sollte, ist für einen Reformvorschlag zu § 550 BGB besonders relevant, da sich dieser an den Normzwecken orientieren muss. Aus diesem Grund soll der Rechtsvergleich in dieser Arbeit auch das Problem beleuchten, inwiefern das deutsche und das englische Recht – angesichts der langen Bindung und hohen wirtschaftlichen Bedeutung – die Vertragsparteien bei langfristigen Mietverhältnissen schützen. Dem liegt die Problematik zu Grunde, dass Vermieter und Mieter durch auf mehrere Jahre abgeschlossene Mietverhältnisse erhebliche wirtschaftliche Verpflichtungen eingehen und insoweit das Risiko besteht, sich diesen beim Vertragsschluss nicht ausreichend bewusst zu sein. Mietverhältnisse sind wegen des hohen Konfliktpotenzials außerdem überaus streitanfällig, sodass sichergestellt werden muss, dass die ursprünglich getroffenen Absprachen über die Laufzeit von mehreren Jahren beweissicher festgehalten werden. Da in beiden Ländern langfristige Mietverhältnisse geschlossen werden, stellt sich diese Problematik ebenfalls rechtsordnungsübergreifend. Zusammenfassend soll in dieser Arbeit rechtsvergleichend untersucht werden, (1.) wie die jeweiligen Rechtsordnungen oder Rechtspraxen sicherstellen, dass potenzielle Erwerber Kenntnis über den Inhalt der Mietverhältnisse erlangen, in die sie durch den Erwerb einer Immobilie eintreten. Ferner (2.) inwieweit Mieter und Vermieter in den jeweiligen Rechtsordnungen vor der übereilten Eingehung langfristiger Mietverhältnisse gewarnt werden und sichergestellt wird, dass die getroffenen Absprachen während der langen Vertragsdauer beweissicher festgehalten werden.

IV. Gang der Untersuchung Die Arbeit gliedert sich nach dieser Einleitung in fünf Hauptteile. Diese sind die beiden Länderberichte, der Rechtsvergleich, der Reformvorschlag und anschließend die Zusammenfassung. Dem Vorschlag von Zweigert und Kötz folgend,55 werden zunächst in sich geschlossene Länderberichte (§ 2 und § 3) verfasst, innerhalb derer detailliert auf die jeweiligen Lösungen der deutschen und englischen Rechtsordnung für das dargestellte Sachproblem eingegangen wird. Dazu wird in den Länderberichten herausgearbeitet, auf welche Weise bei langfristigen Mietverhältnissen der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber einerseits und der Schutz der Mietvertragsparteien vor Übereilung und Beweisschwierigkeiten andererseits erreicht werden. Innerhalb der Länderberichte werden rechtsordnungsübergreifende Kategorien gebildet, um einen Vergleich zu ermöglichen. Für das deutsche Recht soll zunächst der Schutzzweck des § 550 BGB näher untersucht werden. Auch im englischen Recht gibt es mietrechtliche Formvor-

55 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, S. 42.

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§ 1 Einleitung

schriften, deren Zwecke zunächst beleuchtet werden sollen. Anschließend soll zunächst auf den Schutz der Mietvertragsparteien eingegangen werden. Ferner soll der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber untersucht werden, der in Deutschland durch § 550 BGB bezweckt wird. Daneben können auch Ansprüche des Erwerbers gegen den Verkäufer bestehen, wenn dieser den Erwerber falsch oder unvollständig über den Inhalt der Mietverträge informiert hat. Diese drohenden Ansprüche können Verkäufer dazu motivieren, Erwerber umfänglich und richtig über die Mietverträge zu informieren. Eine besondere Rolle beim Schutz des Informationsinteresses in England nehmen die pre-contract enquiries und die vertraglich vereinbarten Offenbarungspflichten im Kaufvertrag ein. Zudem soll die Eintragung von leases in das englische Grundbuchäquivalent näher auf ihre Funktionen untersucht werden, um zu prüfen, inwieweit diese ebenfalls dem Schutz des Informationsinteresses dient. Im Anschluss erfolgt der eigentliche Rechtsvergleich (§ 4), in dem die beiden Lösungsmodelle gegenübergestellt und miteinander verglichen werden. Dieser Rechtsvergleich soll dazu dienen, die Parallelen und Unterschiede der gewählten Lösungen herauszuarbeiten. Dabei soll auch zwischen dem Schutz der Mietvertragsparteien und dem Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber unterschieden werden. Es schließt sich eine kritische Bewertung der jeweiligen Lösungsansätze an, in der im Besonderen auf die Schwächen und Reformbedürftigkeit des deutschen Regelungsmodells eingegangen werden soll. Ein Schwerpunkt soll dabei auch auf der Rechtspraxis liegen. Daraufhin werden die bisherigen Vorschläge aus der Reformdiskussion um § 550 BGB dargestellt und kritisch gewürdigt (§ 5), insbesondere auch die Gesetzesinitiative des Bundesrats und der Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums. Die aus dem Rechtsvergleich gezogenen Erkenntnisse sollen abschließend als Impulse für die Erarbeitung eines eigenen Reformvorschlags fruchtbar gemacht werden (§ 5. C), bevor die Ergebnisse der Untersuchung abschließend zusammengefasst werden (§ 6).

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§ 2 Länderbericht Deutschland A. Doppelter Normzweck des § 550 BGB Die Kritik an einer Norm und ein Vorschlag für eine Reform müssen vom Normzweck ausgehen. Für die vorliegende Arbeit werden daher zunächst die Schutzzwecke des § 550 BGB herausgearbeitet.

I. Schutzfunktion zugunsten potenzieller Erwerber Es besteht Einigkeit darüber, dass mit § 550 BGB der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber bezweckt wird.1 Dies ergibt sich bereits aus den Erwägungen des historischen Gesetzgebers des BGB. Das Mietrechtsverständnis war Ende des 19. Jahrhunderts schuldrechtlich geprägt und hätte wegen der Relativität der Schuldverhältnisse den Erwerber einer Immobilie grundsätzlich nicht an die vom Veräußerer geschlossenen Mietverträge gebunden.2 Bestandsmieter waren daher gegenüber einem Erwerber nur unzureichend geschützt.3 Der Gesetzgeber entschied sich auf Druck der Öffentlichkeit dafür, Erwerber von Immobilien in bestehende Mietverträge eintreten zu lassen und somit den Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ in das BGB aufzunehmen.4 Es wurde dabei erkannt, dass Mietverträge wegen ihrer im Einzelfall komplizierten Ausgestaltung eine ähnliche Wirkung haben können wie dingliche Rechte, die das Eigentumsrecht an einem Grundstück belasten.5 Dennoch konnten Mietverträge als schuldrechtliche Rechtsverhältnisse nicht in das Grundbuch eingetragen werden.6 Gewissermaßen als Grundbuch-Ersatz sollte die Schriftlichkeit eines Mietvertrags potenziellen Erwerbern ermöglichen, sich über den Inhalt der Mietverhältnisse zu informieren, in die sie eintreten würden.7 Man war 1 St.Rspr. des BGH, vgl. etwa BGHZ 200, 98 Rn. 26; unter vielen: MüKoBGB/Bieber, § 550 Rn. 2; Grüneberg/Weidenkaff, § 550 Rn. 1; Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 3. 2 HKK/Oestmann, §§ 535–580a Rn. 137 f. 3 HKK/Oestmann, §§ 535–580a Rn. 137. 4 Mugdan, Bd. II, 1899, S. 814 f., wobei – wie der historische Gesetzgeber selbst anmerkt – die soziale Bedeutung von „Kauf bricht nicht Miete“ wegen der ohnehin kurzen Laufzeiten der damaligen Mietverhältnisse tatsächlich gering war; vertiefend dazu HKK/Oestmann, §§ 535–580a Rn. 138 f. m. w. N. 5 Achilles/Spahn/Gebhard, Bd. II, 1898, S. 150; Mugdan, Bd. II, 1899, S. 825. 6 Achilles/Spahn/Gebhard, Bd. II, 1898, S. 149 f.; Mugdan, Bd. II, 1899, S. 825. 7 Achilles/Spahn/Gebhard, Bd. II, 1898, S. 149 f.; Mugdan, Bd. II, 1899, S. 825.

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§ 2 Länderbericht Deutschland

der Auffassung, dass sich Kaufinteressenten nicht durch Nachfragen über den Vertragsinhalt informieren könnten und daher eine verlässlichere Informationsquelle nötig sei, die in schriftlichen Vertragsurkunden gesehen wurde.8

II. Beweis- und Warnfunktion zugunsten der Mietvertragsparteien Ob mit § 550 BGB auch der Schutz der Mietvertragsparteien bezweckt wird, ist umstritten. Zunächst wurde in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Jahre 1969 vertreten, dass der Vorgängernorm des § 550 BGB (§ 566 BGB a. F.) neben dem Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber keine weitere Funktion zukomme und sich die Auslegung der Norm daher nur danach richte.9 Im Jahre 1981 erwog der zur Entscheidung berufene Senat des Bundesgerichtshofs zunächst, dass sich der Zweck von § 566 BGB a. F. nicht allein auf den Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber beschränken könne, da die Norm wegen ihres offenen Wortlauts auch den ursprünglichen Vertragsparteien die Möglichkeit zur vorzeitigen ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses einräume.10 Im Jahre 1997 merkte der Bundesgerichtshof an, dass soweit § 550 BGB auch eine Warn- und Beweisfunktion zukomme, diese dem Erwerberschutz als primärem Zweck jedoch untergeordnet sei.11 Kurz darauf – im Jahre 1998 – wurde der Bundesgerichtshof konkreter und sprach § 550 BGB ausdrücklich eine Beweis- und „eine gewisse Warnfunktion“12 zugunsten der Mietvertragsparteien zu. Mittlerweile erkennt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Beweis- und Warnfunktion des § 550 BGB an, wenn auch nachrangig gegenüber dem Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber.13 Die Annahme dieser weiteren Schutzzwecke stößt in der Literatur teilweise auf Kritik:14 1. Historische Betrachtung Vielfach wird an dem Schutzzweckverständnis des Bundesgerichtshofs kritisiert, dass in den Protokollen des historischen Gesetzgebers eine Beweis- oder Warnfunktion des Schriftformerfordernisses nicht dokumentiert sei.15 In diesen Pro8

Achilles/Spahn/Gebhard, Bd. II, 1898, S. 150; Mugdan, Bd. II, 1899, S. 825. BGHZ 52, 25, 28; dieses enge Schutzzweckverständnis vertrat auch schon das Reichsgericht, vgl. RGZ 86, 30, 35. 10 BGHZ 81, 46, 51. 11 BGHZ 136, 357, 370. 12 BGHZ 139, 123, 130. 13 Vgl. etwa: BGHZ 220, 235 Rn. 26; BGHZ 224, 370 Rn. 21; BGH NJW-RR 2021, 1524 Rn. 2. 14 MüKoBGB/Bieber, § 550 Rn. 2; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 5; Krüger, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 410, 416; Lammel, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 418, 427. 15 MüKoBGB/Bieber, § 550 Rn. 2; Bangert, JZ 2021, 193, 194; Günter, NZM 2019, 561, 9

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tokollen wird nur der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber ausdrücklich erwähnt.16 Dies spricht dafür, dass der historische Gesetzgeber lediglich einen Ausgleich zwischen dem Bestandsinteresse des Mieters und dem Informationsinteresse potenzieller Erwerber erreichen wollte.17 Der Zweck einer Norm wird jedoch nicht durch dokumentierte Überlegungen des historischen Gesetzgebers begrenzt, vielmehr kann er sich im Laufe der Zeit ändern, verengen oder auch erweitern.18 Darüber hinaus ergeben sich auch Anhaltspunkte, dass der historische Gesetzgeber mit der Schriftform ebenfalls den Schutz der Mietvertragsparteien bezweckte, auch wenn dies nicht ausdrücklich dokumentiert wurde. So hätte sich der historische Gesetzgeber dafür entscheiden können, das Kündigungsrecht ausdrücklich nur auf Erwerber zu beschränken und dieses nicht auch den Mietvertragsparteien einzuräumen. Daraus, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Formulierung nicht gewählt hat, kann geschlussfolgert werden, dass der historische Gesetzgeber auch die Vertragsparteien schützen wollte.19 In den Protokollen wurde ferner festgestellt, dass ein langfristiger Mietvertrag das Eigentum des Vermieters an dem Grundstück ähnlich wie oder sogar noch stärker als ein dingliches Recht belasten kann.20 Es ist plausibel – aber keineswegs zwingend –, dass der historische Gesetzgeber dadurch zum Ausdruck gebracht hat, dass er mit der Formvorschrift ebenfalls den Schutz der Vertragsparteien in Anbetracht der Schwere der Belastung eines Mietvertrags bezweckte.21 Die Schwere der Belastung eines Grundstücks durch ein Mietverhältnis fällt nämlich nicht nur hinsichtlich eines Erwerbers, sondern auch im Hinblick auf die Mietvertragsparteien und

567; Krüger, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 410, 414; Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 6 und 82. 16 Achilles/Spahn/Gebhard, Bd. II, 1898, S. 149 ff. und 155; Mugdan, Bd. II, 1899, S. 825 ff.; vertiefend dazu Häublein, JZ 2018, 755, 758 f. 17 Häublein, JZ 2018, 755, 758. 18 Hübner, ZfIR 2020, 125, 128; Michalski, WM 1998, 1993, 1995; Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 73. 19 BGHZ 81, 46, 51; BGHZ 176, 301 Rn. 16; Franke, ZMR 1998, 529, 530; Haase, WuM 1995, 625, 628; Michalski, WM 1998, 1993, 1996; Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 6; krit. Schlemminger, Die gesetzliche Form der langfristigen Mietverträge über Grundstücke und Räume, S. 47 f. 20 Achilles/Spahn/Gebhard, Bd. II, 1898, S. 150; Mugdan, Bd. II, 1899, S. 825: „Ein[e] [Informationsquelle wie das Grundbuch] sei für Miethverhältnisse mindestens ebenso unentbehrlich wie die Eintragung für die sonstigen Grundstücksbelastungen, da es sich bei der Miethe nicht selten um ein ungleich verwickelteres Rechtsverhältniß handle als bei jenen Belastungen“. Ferner in Achilles/Spahn/Gebhard, Bd. II, 1898, S. 156; Mugdan, Bd. II, 1899, S. 829: „Das Formerforderniß für Miethverträge von längerer Dauer rechtfertige sich auch durch die Erwägung, daß durch solche Verträge das Grundstück unter Umständen viel stärker belastet werde als durch die Bestellung einer Grundgerechtigkeit, während für diese im Entw. allgemeine Eintragung in das Grundbuch gefordert werde“. 21 So auch Haase, WuM 1995, 625, 629; Michalski, WM 1998, 1993, 1996; Schlemminger, Die gesetzliche Form der langfristigen Mietverträge über Grundstücke und Räume, S. 45.

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dort insbesondere für den – sein Grundstück belastenden – Vermieter ins Gewicht. 2. Schutzbedürftigkeit der Mietvertragsparteien Das heutige Schutzbedürfnis von Mietvertragsparteien ist ungleich höher als noch bei der Einführung des Schriftformerfordernisses im Jahre 1900. Mietverhältnisse sind im Laufe der Zeit komplexer und vielschichtiger geworden.22 Während der historische Gesetzgeber mit den gesetzlichen Vorschriften zu Mietverträgen (§§ 535 ff. BGB) den Regelungsbedarf für die Vertragsparteien geringhalten wollte, werden diese mittlerweile – meist zum Vorteil des Vermieters – abbedungen und durch umfassende vertragliche Regelungen ersetzt.23 Moderne Mietverträge setzen sich aus vielfältigen Abreden zusammen, so beispielsweise zur Miethöhe, Reparaturpflichten, Nebenkosten oder Nutzungsbestimmungen der Mietsache. Da diese in einer mehrjährigen Vertragslaufzeit in Vergessenheit geraten und daher Zweifel über die Vereinbarungen entstehen können, besteht das Bedürfnis, gesetzlich auf eine Dokumentation hinzuwirken, um dauernde Rechtsstreitigkeiten über den Vertragsinhalt zu vermeiden.24 Außerdem sind die Vertragsparteien bei langfristigen Mietverhältnissen wegen der wirtschaftlichen Bedeutung für Mieter und Vermieter sowie der langen Mindestlaufzeit besonders schutzbedürftig. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses müssen die Vertragsparteien entscheiden, sich für eine Zeitspanne von bis zu 30 Jahren (§ 544 S. 1 BGB) zu binden, ohne den Vertrag ordentlich kündigen zu können. Die mit einem solchen Vertragsschluss verbundenen Auswirkungen für die Vertragsparteien sollten nicht unterschätzt werden. Es handelt sich häufig um einen wirtschaftlich sehr bedeutenden Vertrag für den Mieter, der sich über viele Jahrzehnte auswirken und Unternehmen in wirtschaftliche Existenznot bringen kann.25 Auch die rege Ausübung des derzeitigen Kündigungsrechts von den ursprünglichen Mietvertragsparteien zeigt, dass viele von ihnen die wirtschaftlichen Folgen unterschätzen.26

22 So auch Hübner, ZfIR 2020, 125, 128; vertiefend hierzu Schlemminger, Die gesetzliche Form der langfristigen Mietverträge über Grundstücke und Räume, S. 49 ff. 23 Schlemminger, Die gesetzliche Form der langfristigen Mietverträge über Grundstücke und Räume, S. 50 ff. 24 Franke, ZMR 1998, 529, 531; Haase, WuM 1995, 625, 628; Michalski, WM 1998, 1993, 1996. 25 BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 467; Jacoby, NZM 2011, 1, 7; Leo/Ghassemi-Tabar, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S 428, 433 f. 26 BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 467; Leo/Ghassemi-Tabar, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S 428, 433.

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3. Bestätigung durch Mietrechtsreformgesetz 2001 In seinem seit Ende der 1990er Jahre vertretenen weiten Schutzzweckverständnis des § 550 sieht sich der Bundesgerichtshof auch durch die Mietrechtsreform des Jahres 2001 bestätigt. Der Gesetzgeber habe vor dem Hintergrund der Tendenz in der Rechtsprechung ab dem Jahre 1997, der Norm des § 550 BGB weitere Schutzzwecke zuzuschreiben, mit dem Mietrechtsreformgesetz von 2001 zwar den Wortlaut von § 550 BGB, aber nicht dessen Inhalt ändern wollen und damit zum Ausdruck gebracht, die Ansicht des Bundesgerichtshofs zu teilen.27 An dieser Schlussfolgerung wird kritisiert, dass nicht dokumentiert sei, dass sich der Gesetzgeber des Mietrechtsreformgesetzes mit den Schutzzwecken auseinandergesetzt habe.28 Zudem sei die Beweis- und Warnfunktion von § 566 BGB a. F. bei Verabschiedung des Mietrechtsreformgesetzes umstritten gewesen.29 Hätte der Gesetzgeber jedoch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichen und den Schutzzweck anderweitig festlegen wollen, wäre eine explizite Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich gewesen. Diese ist nicht erfolgt. Daher ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber des Mietrechtsreformgesetzes 2001 ebenfalls die Schutzbedürftigkeit der Vertragsparteien beim Abschluss langfristiger Mietverträge erkannt und diese als schutzwürdig bewertet hat. Die Auffassung, dass § 550 BGB eine Beweisund Warnfunktion zugunsten der Mietvertragsparteien zukommt, entspricht damit zumindest heute auch dem Willen des Gesetzgebers. 4. Vergleich mit anderen formlosen Rechtsgeschäften Kritiker der Auffassung, dass § 550 BGB auch eine Beweis- und Warnfunktion zugunsten der Mietvertragsparteien zukommt, ziehen Vergleiche mit unbefristeten Wohnraummietverhältnissen oder anderen Dauerschuldverhältnissen, bei denen die Vertragsparteien ebenfalls schutzwürdig seien und die dennoch keiner Schriftform bedürften.30 Derartige Vergleiche zwingen nicht zu dem Schluss, dass der Schutzzweck des § 550 BGB keine Beweis- und Warnfunktion umfasst. Von anderen Dauerschuldverhältnissen unterscheiden sich langfristige Mietverträge 27 BGHZ 176, 301 Rn. 17 mit Verweis auf BT-Drs. 14/4553 v. 09.11.2000, S. 47, wonach vom Gesetzgeber keine inhaltliche Abweichung des § 550 BGB von § 566 BGB a. F. bezweckt war. 28 Himmen, JURA 2021, 872, 877; Lammel, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 418, 426; auch Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 82 sieht in der Übernahme der vorherigen Rechtslage keine Bestätigung der Beweis- und Warnfunktion. 29 Krüger, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 410, 414 führt an, dass eine Beweis- und Warnfunktion von § 566 BGB a. F. trotz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überwiegend abgelehnt wurde. 30 DAV, Stellungnahme, S. 4; Günter, NZM 2019, 561, 568; Haßfurter, Form und Treue, S. 446 f.; Häublein/Jacoby/Lehmann-Richter, ZMR 2022, 265, 266; Heile, NJW 1991, 6, 11; Krüger, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 410, 415.

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zunächst durch ihre Sachnähe zu Immobilien, die der Gesetzgeber im BGB formellen Regelungen unterworfen hat.31 Ferner kommt dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, welche Rechtsgeschäfte einem Schriftformerfordernis unterworfen werden sollen und welche nicht. Indem der Gesetzgeber langfristige Mietverhältnisse für formbedürftig erklärt hat, hat er von seiner Einschätzungsprärogative Gebrauch und damit deutlich gemacht, dass er diese Dauerschuldverhältnisse für riskanter als andere Rechtsgeschäfte hält.32 5. Typische Schutzzwecke von Formvorschriften Formvorschriften sollen üblicherweise vor Beweisschwierigkeiten und übereilten Vertragsschlüssen mit weitreichenden Folgen schützen, sodass ihnen typischerweise eine Beweis- und Warnfunktion zum Schutze der Vertragsparteien zukommt.33 Es gibt keine offensichtlichen Gründe, weshalb nicht auch § 550 BGB eine Beweis- und Warnfunktion zukommen sollte.34 Allenfalls könnte dies im Hinblick auf die ungewöhnliche Rechtsfolge bedenklich sein.35 Grundsätzlich führen Verstöße gegen Formvorschriften zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 125 S. 1 BGB. § 550 BGB bestimmt hingegen, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit gilt und so vorzeitig ordentlich gekündigt werden kann. Lammel sieht in der Rechtsfolge des § 550 BGB, die (indirekt) die ordentliche Kündbarkeit anordnet und damit die Beendigung des Mietvertrags zur Disposition der Vertragsparteien stellt, eher ein Indiz für einen bezweckten Schutz der Vertragsparteien.36 Würden ausschließlich Interessen Dritter geschützt werden, läge es näher, die Nichtigkeit des Vertrags unabhängig vom Parteiwillen anzuordnen.37 Auch ein Vergleich mit einer arbeitsrechtlichen Vorschrift bestätigt dieses Ergebnis. Die Befristung eines Arbeitsvertrags bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform nach § 14 Abs. 4 TzBfG. Bei einem Schriftformfehler ist die Befristungsabrede unwirksam und der Arbeitsvertrag bleibt wirksam, gilt aber auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 16 TzBfG). Dass § 14 Abs. 4 TzBfG eine Beweisund Warnfunktion zukommt, wird von dem Bundesarbeitsgericht und der Literatur übereinstimmend angenommen.38

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Haase, WuM 1995, 625, 629. Haase, WuM 1995, 625, 629. 33 Haase, WuM 1995, 625, 628; Michalski, WM 1998, 1993, 1996; a. A. Haßfurter, Form und Treue, S. 450 f. 34 So auch Michalski, WM 1998, 1993, 1996. 35 Diese Bedenken äußern: Günter, NZM 2019, 561, 567; ZIA, Stellungnahme, S. 10. 36 Lammel, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 418, 427, wobei er das Vorliegen einer Beweis- und Warnfunktion im Ergebnis dennoch ablehnt. 37 Lammel, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 418, 427. 38 BAG NZA 2018, 507 Rn. 58; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rn. 117. 32

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6. Keine Verwechslung von Zweck und Wirkung Ein weiterer, häufig vorgetragener Kritikpunkt ist, dass der Bundesgerichtshof den Unterschied zwischen dem Schutzzweck und der Wirkung der Schriftform nicht hinreichend berücksichtige.39 Werde für einen bestimmten Vertrag die Schriftform vorgeschrieben, so die Kritik, werde zwangsläufig die unterzeichnende Person als „Rechtsreflex“40 vor den Rechtsfolgen gewarnt und die Vereinbarungen können auch über eine längere Zeit leichter bewiesen werden. Nach Ansicht der Kritiker knüpfe der Bundesgerichtshof an diese (üblichen) Folgen eines Formerfordernisses an und erkläre diese fälschlicherweise zum Zweck der Norm. Diese Kritik lässt unberücksichtigt, dass der Wortlaut, die Systematik und die Historie des § 550 BGB (insbesondere vor dem Hintergrund des Mietrechtsreformgesetzes) belegen, dass ein Schutz der Mietvertragsparteien tatsächlich beabsichtigt und dieser nicht nur eine in Kauf genommene Nebenfolge ist.

III. Fazit zum doppelten Normzweck des § 550 BGB Die Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass § 550 BGB auch die Beweisbarkeit der Vertragsbestimmungen über die gesamte Laufzeit sowie einen Übereilungsschutz für die Mietvertragsparteien bezweckt, überzeugt. Bereits in den Gesetzesmaterialien zur Entstehung des BGB finden sich Anhaltspunkte für die Annahme weiterer Schutzzwecke neben dem Informationsinteresse potenzieller Erwerber. Außerdem besteht ein hohes Bedürfnis sowohl für den Mieter als auch den Vermieter, vor übereilten Abschlüssen langfristiger Mietverträge und Beweisschwierigkeiten während der Vertragsdauer geschützt zu werden. Auch lässt der Gesetzgeber durch die Gesetzesmaterialien zum Mietrechtsmodernisierungsgesetz erkennen, dass er die vom Bundesgerichtshof geäußerte Auffassung über die verschiedenen Formzwecke des § 550 BGB teilt. Schließlich stützen ebenfalls die typischen Zwecke von Formvorschriften und ein Vergleich mit § 14 Abs. 4 TzBfG dieses Ergebnis. In der Literatur wird nunmehr ebenfalls überwiegend davon ausgegangen, dass § 550 BGB auch eine Beweis- und Warnfunktion zukommt.41

39 MüKoBGB/Bieber, § 550 Rn. 2; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 4; Günter, NZM 2019, 561, 568; Haßfurter, Form und Treue, S. 447; Himmen, JURA 2021, 872, 877; Krüger, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 410, 414; Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 85. 40 Krüger, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 410, 414. 41 Unter vielen: BeckOKBGB/Herrmann, § 550 Rn. 1; BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 9; Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, § 550 Rn. 2; Grüneberg/Weidenkaff, § 550 Rn. 1; Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 4.

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B. Schutz der Mietvertragsparteien Der Länderbericht widmet sich zunächst dem Schutz der Mietvertragsparteien. Diese sollen nach dem Vorstehenden durch § 550 BGB vor übereilten Vertragsschlüssen und auch Beweisschwierigkeiten während der langen Vertragslaufzeit geschützt werden. Es soll daher auf die Formvorschrift und auf die Rechtsfolgen bei Formfehlern eingegangen werden. Um ein Bild davon zu vermitteln, mit welchen Schwierigkeiten die Rechtspraxis bei der Einhaltung der Schriftform konfrontiert ist, müssen deren Voraussetzungen detailliert dargestellt werden. Unsicherheiten können insbesondere bezüglich der Fragen bestehen, welche Absprachen überhaupt formbedürftig sind, wie die Schriftform gewahrt werden kann, ferner aber auch im Hinblick auf spätere Vertragsänderungen und das Zusammenfügen mehrerer Dokumente. Wegen des doppelten Schutzzwecks des § 550 BGB ist eine strikte Trennung vom Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber nicht möglich, da dies Einfluss auf die Anforderungen an die Schriftform hat.

I. Anforderungen an die Schriftform § 550 S. 1 BGB verlangt die schriftliche Form für Mietverträge, die für eine längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs muss zur Einhaltung der Schriftform nach § 550 S. 1 BGB grundsätzlich eine von beiden Parteien unterzeichnete Urkunde oder es müssen zwei inhaltsgleiche Urkunden, die je von einer Partei unterzeichnet sind, vorliegen und diese müssen alle wesentlichen Vertragsbedingungen enthalten.42 Die Einhaltung der Schriftform stellt sich in der Rechtspraxis schwieriger dar, als man vermuten könnte: 1. Anwendungsbereich a) Ausdehnung auf Gewerberaummiet- und Pachtverträge § 550 BGB gilt systematisch unmittelbar für die Wohnraummiete. Über § 578 Abs. 1, 2 BGB findet die Norm ferner Anwendung im Gewerberaummietrecht. Daneben ordnet § 581 Abs. 2 BGB die Anwendbarkeit auf Pachtverträge an. Auch Untermiet- und Unterpachtverträge unterfallen § 550 BGB.43 b) Laufzeit von mehr als einem Jahr § 550 S. 1 BGB gilt für Mietverträge, die für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden. Berechnet wird die Laufzeit ab dem vertraglich vereinbarten Beginn des Mietvertrags (und nicht etwa ab Vertragsunterzeichnung oder Übergabe der

42 43

BGH NJW-RR 2018, 1101 Rn. 17. BGHZ 81, 46, 50 f.

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B. Schutz der Mietvertragsparteien

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Mieträume).44 Dies wird damit begründet, dass sich der tatsächliche Übergabezeitpunkt nicht aus der Vertragsurkunde entnehmen lässt und das Datum der Unterzeichnung keinen Rückschluss auf die Vertragsdauer zulässt.45 Außerdem hat der Gesetzgeber für § 550 S. 2 BGB in den Gesetzesmaterialien zum Mietrechtsreformgesetz 2001 deutlich gemacht, dass die Kündigung ein Jahr „nach dem (vertraglich bestimmten) Zeitpunkt der Überlassung“46 möglich sein soll, sodass auf diesen Zeitpunkt auch für § 550 S. 1 BGB abzustellen ist.47 Nicht erforderlich ist, dass der Vertrag ausdrücklich eine Dauer von mehr als einem Jahr vorsieht. Maßgeblich ist die faktische Dauer der Bindung an den Mietvertrag ohne die Möglichkeit, sich einseitig davon lösen zu können. So sind Mietverträge formbedürftig, bei denen die Kündigungsfristen so geregelt sind, dass sie eine Vertragspartei über ein Jahr binden48 oder die ordentliche Kündbarkeit für längere Zeit als ein Jahr ausgeschlossen ist49. Ebenso verhält es sich mit Verlängerungsoptionen, durch die der Vertrag über ein Jahr hinaus verlängert werden kann.50 c) Mögliche strengere Anforderungen nach § 311b BGB Möglich ist, dass eine strengere Form durch eine andere Norm angeordnet wird. Insbesondere praxisrelevant ist dabei § 311b BGB. So unterliegt ein Mietvertrag dem Formerfordernis von § 311b Abs. 1 S. 1 BGB, wenn dieser nach dem Willen der Parteien mit einem Rechtsgeschäft über einen Eigentumserwerb an einem Grundstück derart verknüpft wird, dass beide Rechtsgeschäfte „miteinander ,stehen und fallen‘ sollen“51. Beide Rechtsgeschäfte müssen dabei zu einer Einheit verknüpft werden, wozu ausreicht, wenn eine Vertragspartei einen solchen Willen erkennbar äußert und die andere Vertragspartei ihn akzeptiert oder ihm zumindest nicht widerspricht.52 Praxisrelevant sind insbesondere Fälle, in denen dem Mieter ein Vorkaufsrecht eingeräumt wird.53 Die strengere Form und Rechtsfolge des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB verdrängen insoweit § 550 BGB.54 44 BeckOGKBGB/Dittert, § 550 Rn. 37; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 18; Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 9; Bub/Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2450; Lindner-Figura/ Opre´e/Stellmann/Lindner-Figura, Kap. 6 Rn. 14; Michalski, WM 1998, 1993, 1998. 45 BeckOGKBGB/Dittert, § 550 Rn. 37; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 18. 46 BT-Drs. 14/4553 v. 09.11.2000, S. 47. 47 BeckOGKBGB/Dittert, § 550 Rn. 37. 48 Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 8; Bub/Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2451; Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 10. 49 BGH NJW 1960, 475, 475 f.; BGH NJW-RR 2008, 1329. 50 BGH NJW-RR 1987, 1227, 1228; BGH NJW 2019, 990 Rn. 21. 51 BGHZ 101, 393, 396. 52 BGH NJW-RR 1991, 1031, 1032 m. w. N., vertiefend Bub/Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2473. 53 Bub/Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2473. 54 Bub/Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2462 und 2473; Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 17.

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2. Schriftformbedürftige Vertragsabsprachen Welche Vertragsbestandteile dem Schriftformerfordernis unterliegen, ergibt sich nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz. § 550 S. 1 BGB spricht schlicht davon, dass „der Mietvertrag“ schriftlich geschlossen werden muss. Der Wortlaut des § 550 S. 1 BGB spricht dafür, dass der gesamte Vertrag, also alle Vereinbarungen der Parteien über das Mietverhältnis, schriftlich festgehalten werden müssen.55 Der Bundesgerichtshof hat den Kreis der schriftformbedürftigen Abreden jedoch eingegrenzt: a) Wesentlichkeit als Abgrenzungskriterium Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen nur wesentliche Vertragsbestandteile schriftlich vereinbart werden, also jedenfalls die essentialia negotii (Parteien, Mietgegenstand, Mietzins und Dauer).56 Nicht schriftformbedürftig sind Vereinbarungen „von nur nebensächlicher Bedeutung“57. Wie das Merkmal der Wesentlichkeit konkretisiert werden soll, ist umstritten. Überwiegend wird angenommen, dass dies objektiv bestimmt werden muss.58 Die Formbedürftigkeit soll sich entsprechend des primären Schutzzwecks des § 550 BGB danach richten, ob die Abrede aus der Sicht eines Erwerbers wesentlich ist.59 Vereinzelt wird die Entscheidung darüber, ob eine Abrede wesentlich sein soll oder nicht, den Vertragsparteien überlassen.60 Diese Auffassung ist allerdings nicht mit dem drittschützenden Charakter des § 550 BGB vereinbar.61 Die Formbedürftigkeit richtet sich somit maßgeblich danach, ob aus der objektivierten Sicht eines potenziellen Erwerbers ein Interesse an der Kenntnis der Regelung besteht. So sind beispielsweise – aus teleologischen Erwägungen mit Blick auf den primären Schutzzweck der Norm – keine Zusatzabreden im Mietvertrag vom Schriftformerfordernis erfasst, in die ein Erwerber nach § 566 Abs. 1 BGB nicht eintritt.62 Beispielhaft kann dazu eine vom Mietvertrag gesonderte Vereinbarung genannt werden, die die Bereitschaft zur Eingehung des Mietvertrags durch eine Einmalzahlung entlohnt.63 Unwesentlich in diesem Sinne sind 55 So im Ergebnis auch: RGZ 118, 105, 108; BGHZ 40, 255, 262; BGH NJW 1954, 425, 426 zu einem Pachtvertrag; Bub/Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2487; Lindner-Figura/Opre´e/Stellmann/Lindner-Figura, Kap. 6 Rn. 21. 56 Vgl. etwa: BGHZ 176, 301 Rn. 18; BGHZ 200, 98 Rn. 14; BGH NJW 2009, 2195, 2196; BGH NJW 2010, 1518 Rn. 13; BGH NJW 2014, 52 Rn. 22. 57 BGHZ 142, 158, 161; BGHZ 176, 301 Rn. 18; BGHZ 205, 99 Rn. 15; BGH NJW 2016, 311 Rn. 12; BGH NJW-RR 2018, 1101 Rn. 17. 58 BGHZ 142, 158, 165 f. sieht den subjektiven Willen der Parteien als unbedeutend an; KG NZM 2018, 607 Rn. 61; Bub/Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2487. 59 MüKoBGB/Bieber, § 550 Rn. 8. 60 BeckOGKBGB/Dittert, § 550 Rn. 89. 61 MüKoBGB/Bieber, § 550 Rn. 8 Fn. 21; Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 100 f. 62 BGH NJW-RR 1992, 654, 655; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 35. 63 RGZ 123, 171, 173 f.; BGH NJW 1958, 2062, 2063.

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B. Schutz der Mietvertragsparteien

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ebenfalls Vereinbarungen, die für eine Zeit von maximal einem Jahr gelten.64 Auch sind Vereinbarungen, die für das Mietverhältnis unerheblich sind oder nur eine untergeordnete Rolle spielen, nicht schriftformbedürftig, wie beispielsweise der Anhang einer Hausgemeinschaftsordnung an einen Gewerberaummietvertrag, die im Wesentlichen nur Verhaltensregeln von Wohnraummietern betrifft und sich daher nicht auswirkt.65 b) Kritik am Abgrenzungskriterium des Bundesgerichtshofs Das Abgrenzungskriterium der Wesentlichkeit ist naturgemäß unscharf, sodass in Einzelfällen weiterhin Unsicherheiten darüber bestehen, welche Vertragsbedingungen der Schriftform überhaupt unterliegen. Lammel fordert eine Abgrenzung nach den von § 311b BGB bekannten Kriterien, wonach alle Abreden der Schriftform bedürfen, um hervorzuheben, dass § 550 BGB als Grundbuch-Ersatz dienen soll.66 Dies wäre insbesondere dann konsequent, wenn man der Beweis- und Warnfunktion des § 550 BGB eine höhere Bedeutung beimessen würde. Die Vorschrift des § 311b BGB verfolgt allerdings primär eine Warn- und Beratungsfunktion und bei Formverstößen droht die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 125 S. 1 BGB, sodass eine Heranziehung dieser Abgrenzungskriterien dem primären Zweck und der Rechtsfolge des § 550 BGB nicht gerecht würde.67 Neben diesen systematischen Zweifeln bestehen auch rechtspolitische Bedenken. Wären alle, auch für den Erwerber völlig irrelevante, Absprachen von dem Schriftformerfordernis erfasst, würde dies das Schriftformerfordernis sehr weit ausdehnen.68 Die Eingrenzung der Schriftformbedürftigkeit auf wesentliche Abreden wird als Auflockerung des Formerfordernisses und Korrektiv der Rechtsprechung verstanden, um vorzeitige Kündigungen bei langfristigen Mietverträgen im Einzelfall zu vermeiden.69 Mit seiner Entscheidung, nicht alle Vertragsabreden von dem Schriftformerfordernis zu erfassen, versucht der Bundesgerichtshof, die Planungssicherheit der Vertragsparteien zu stärken. Es erscheint jedoch durchaus problematisch, dass nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden kann, welche Vertragsabreden der Schriftform bedürfen und welche nicht. Mittlerweile hat sich, wie durch die Beispiele angedeutet, eine Kasuistik herausgebildet, anhand derer in der Regel abgeschätzt werden kann, ob eine Abrede der Schriftform bedarf oder nicht.70 Der Verlust an Rechtssicherheit ist somit verkraftbar. Im Zweifelsfall bleibt den Mietvertragsparteien allerdings nur, auf der Verschriftlichung aller Abreden zu bestehen. 64

BGHZ 163, 27, 30; Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 42; Huneke, NZM 2015, 478, 479. BGHZ 142, 158, 162 f.; hierzu auch MüKoBGB/Bieber, § 550 Rn. 8. 66 Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 5 und 33. 67 Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 99. 68 Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 99. 69 Huneke, NZM 2015, 478, 478. 70 Vgl. etwa die zahlreichen zitierten Gerichtsentscheidungen in: BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 46–135. 65

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c) Hinreichende Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts Aus der schriftlichen Urkunde muss sich der wesentliche Inhalt des Vertrages ergeben. Umfassende Bestimmtheit des Vertragsinhalts ist hierzu nicht erforderlich, es genügt vielmehr, wenn der Wille der Vertragsparteien in der schriftlichen Urkunde angedeutet wird und sich durch Auslegung ermitteln lässt, er also hinreichend bestimmbar zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist.71 In der Praxis und Rechtsprechung besonders relevant ist dabei, dass der Mietbeginn, die Mietdauer und die Mietsache hinreichend bestimmbar sein müssen.72 Auch hier ist nicht die Perspektive der Vertragsparteien maßgebend. Vielmehr muss ein Erwerber anhand des Mietvertrags die Mietsache zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eindeutig bestimmen können.73 Nicht ausreichend ist beispielweise die Angabe, dass sich die Mieträume im vierten Stock befinden, ohne Konkretisierung, um welche der Mieteinheiten im vierten Stock es sich handelt.74 3. Unterschriften der Vertragsparteien Im Hinblick auf die Einhaltung der Schriftform wendet die h. M. § 126 Abs. 1 BGB an.75 Daraus ergibt sich das Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung oder der Unterschrift mittels eines notariell beglaubigten Handzeichens.76 a) Allgemeine Anforderungen an die Unterschrift Die Unterschrift muss eigenhändig, also insbesondere nicht durch Anbringen eines Unterschriftsstempels oder einer gedruckten Unterschrift,77 erfolgen. Die Unterschrift soll das Ende eines Vertrags verdeutlichen und den Willen des Un71 BGHZ 142, 158, 164; BGH NJW 1999, 3257, 3259; BGH NJW 2006, 139, 140; BGH NJW 2009, 2195, 2196; BGH NJW 2010, 1518 Rn. 11; BGH NJW 2013, 3361 Rn. 21; BGH NJW 2014, 2102 Rn. 23; BGH NJW 2015, 2648 Rn. 42; BGH NJW-RR 2021, 12 Rn. 18; BGH NJW-RR 2021, 266 Rn. 14; BGH NJW-RR 2021, 801 Rn. 13. 72 Zur Bestimmbarkeit des Mietbeginns und der Mietdauer bei zunächst ungewissen Übergabezeitpunkt siehe § 2 C. II. 1. b) dd) (2); vertiefend zur Bestimmbarkeit von mietrechtlichen Absprachen allgemein siehe Lindner-Figura/Opre´e/Stellmann/Lindner-Figura, Kap. 6 Rn. 23 ff. 73 BGH NJW 2014, 2102 Rn. 23; BGH NJW-RR 2021, 266 Rn. 14. 74 BGH NJW 2006, 140, 141. 75 Zunächst offen gelassen bei BGH NJW 2006, 140, 141; mittlerweile wird § 126 BGB herangezogen in: BGH NJW-RR 2021, 12 Rn. 19; BGH NJW-RR 2021, 801 Rn. 14; zustimmend: Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, § 550 Rn. 30; Grüneberg/Weidenkaff, § 550 Rn. 8; MüKoBGB/Bieber, § 550 Rn. 11; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 24; Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 2; A.A. Eckert NZM 2001, 409, 410. 76 Alternativ könnte nach § 126 Abs. 3 BGB die Unterschrift durch die elektronische Form ersetzt werden. Dazu müsste nach § 126a Abs. 2 BGB von beiden Vertragsparteien ein gleichlautendes Dokument qualifiziert elektronisch nach § 126a Abs. 1 BGB signiert werden, siehe hierzu vertiefend Lindner-Figura/Opre´e/Stellmann/Lindner-Figura, Kap. 6 Rn. 116 ff. 77 BGHZ 24, 297, 298 zur Übermittlung einer unterschriebenen Bürgschaft per Fax; Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, § 550 Rn. 64; Staudinger/Hertel, § 126 Rn. 133; Bub/ Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2479.

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terzeichnenden ausdrücken, sich an den Text über seiner Unterschrift gebunden zu fühlen, weshalb eine Unterzeichnung über oder neben dem Vertragstext nicht ausreicht.78 b) Besonderheiten bei juristischen Personen und Personenmehrheiten Die Anforderungen, die die Rechtsprechung bei der Beteiligung von Personenmehrheiten oder juristischen Personen an die äußere Form der Urkunde stellt, unterscheiden sich je nach Organisationsform. Die Personenmehrheit bzw. juristische Person muss dabei zum einen bezeichnet werden. Wer für diese unterzeichnen muss, kann problematisch sein. Kritisch ist im Besonderen die Unterzeichnung durch die organschaftlichen Vertreter, da die Rechtsprechung – aus am primären Schutzzweck des § 550 BGB orientierten Erwägungen – lediglich auf die äußere Erscheinung der Urkunde und nicht auf tatsächliche Vertretungsverhältnisse abstellt: aa) Gesellschaft bürgerlichen Rechts Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts muss zunächst mit allen Mitgliedern oder alternativ mit dem Namen, mit dem sie im Rechtsverkehr auftritt, bezeichnet werden.79 Zu der Unterzeichnung im Falle von Personenmehrheiten lässt sich zunächst allgemein festhalten, dass alle in der Urkunde angegebenen Personen unterzeichnen müssen, sofern ein Mitglied nicht erkennbar stellvertretend für alle unterzeichnet.80 Unterschreiben nicht alle genannten Personen oder ist der Vertretungswille des Unterzeichners nicht erkennbar, kann anhand der Vertragsurkunde nicht gesagt werden, ob bereits ein Vertragsschluss von allen Beteiligten gewollt war oder ob die übrigen Unterschriften noch ausstehen.81 Auch bei der GbR müssen alle in der Urkunde genannten Gesellschafter unterzeichnen. Erklären lässt sich dies mit den gesetzlichen Vertretungsregeln, die in §§ 709 Abs. 1, 714 BGB eine Gesamtvertretungsmacht anordnen.82 Die tatsächlichen Vertretungsverhältnisse, die durch den Gesellschaftsvertrag modifiziert sein können, sind dagegen unerheblich. Ausschlaggebend ist, ob sich aus dem 78 Zu einer Unterzeichnung oberhalb des Vertragstexts siehe BGHZ 113, 48, 51 f. und zu einer Unterzeichnung neben dem Vertragstext siehe BGH NJW 1992, 829, 830 (in beiden Entscheidungen ging es nicht unmittelbar um § 126 BGB, sondern um § 440 Abs. 2 ZPO und § 416 ZPO); BGH NJW-RR 1990, 518, 518; BGH NJW-RR 2000, 1108; BGH NJW-RR 2021, 12 Rn. 19; BGH NJW-RR 2021, 801 Rn. 14; allgemein dazu Staudinger/Hertel, § 126 Rn. 127 m. w. N. 79 Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 20. 80 BGHZ 176, 301 Rn. 25; BGHZ 183, 67 Rn. 13; BGHZ 205, 99 Rn. 16; BGH NJW 2003, 3053, 3054; BGH NJW 2004, 1103, 1103; BGH NJW 2005, 2225, 2226. 81 BGHZ 176, 301 Rn. 25; BGHZ 183, 67 Rn. 13; BGHZ 205, 99 Rn. 16; BGH NJW 2003, 3053, 3054; BGH NJW 2004, 1103, 1103. 82 BGH NJW-RR 2021, 244 Rn. 14; Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 21.

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Mietvertrag eine andere Vertretungsregelung ergibt. Jacoby kritisiert an dieser Auffassung, dass die bloße Nennung der Gesellschafter im Mietvertrag nicht den Schluss zulassen sollte, dass – wie im Gesetz dispositiv vorgesehen – nur eine Gesamtvertretungsmacht und keine Einzelvertretungsmacht des Unterzeichners besteht.83 Speziell im Zusammenhang mit der GbR hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass auch ein Gesellschaftsstempel neben der Unterschrift ausreichend zum Ausdruck bringen kann, dass für die ganze Gesellschaft und damit auch für die anderen Gesellschafter gehandelt wird.84 Allerdings darf diese Rechtsprechung nicht so verstanden werden als wäre ein solcher Stempelaufdruck ein Garant für die Wahrung der Schriftform. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass nicht der Stempelaufdruck, sondern der Eindruck der Vollständigkeit der Unterschriften auf der Vertragsurkunde maßgeblich ist.85 Wird also trotz eines Stempels der Eindruck erweckt, dass noch Unterschriften fehlen, beispielsweise durch ein für eine andere Person extra eingefügtes, aber leer gebliebenes Unterschriftsfeld,86 liegt dennoch ein Schriftformmangel vor. bb) Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaft Zweifelsfrei lassen sich eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaft durch ihre Firma (§ 17 Abs. 1 HGB) und – wegen des Grundsatzes der Firmenausschließlichkeit nach § 30 Abs. 1 HGB – auch durch Angabe ihres Sitzes bestimmen. In der Regel reicht die Nennung der Firma aus.87 Größeres Aufsehen erregten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur AG. Diese ließen erneut die tatsächliche Vertretungsmacht außer Acht, indem der äußeren Form der Urkunde die maßgebliche Bedeutung für die Beurteilung der Schriftform beigemessen wurde. Werden Vorstandsmitglieder im Rubrum des Mietvertrags nicht benannt (beispielsweise Mieter ist die X-AG, vertreten durch den Vorstand), ist danach die Schriftform erfüllt, wenn nur ein Vorstandsmitglied unterzeichnet, auch wenn dieses nicht einzelvertretungsberechtigt ist.88 Der Bundesgerichtshof begründet dies damit, dass eine Einzel- oder Alleinvertretungsberechtigung des einen Vorstandsmitglieds nach §§ 76 Abs. 2, 78 Abs. 3 AktG möglich sei.89 Werden dagegen Vorstandsmitglieder angegeben (beispielsweise Mieter ist die C-AG, vertreten durch die Vorstände A und B), müssen alle genannten Personen auf dem Vertrag unterzeichnen oder einzelne Unterschriften erkennen lassen, 83

Jacoby, NZM 2011, 1, 4 f. BGHZ 205, 99 Rn. 25; BGHZ 224, 370 Rn. 24; BGH NJW 2013, 1082 Rn. 14; BGH NJW-RR 2021, 244 Rn. 10. 85 BGHZ 224, 370 Rn. 24 f.; BGH NJW-RR 2021, 244 Rn. 10. 86 So lag der Fall bei BGHZ 224, 370. 87 So Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 18. 88 BGHZ 205, 99 Rn. 22. 89 BGHZ 205, 99 Rn. 22. 84

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dass sie auch in Vertretung für die anderen Personen abgegeben werden, unabhängig von der tatsächlichen Vertretungsmacht.90 Der Bundesgerichtshof stützt diese Entscheidung darauf, dass nach der dispositiven Regel des § 78 Abs. 2 S. 1 AktG alle Vorstandsmitglieder die AG gemeinsam vertreten.91 Solange sich aus dem Mietvertrag (und nur aus diesem) nichts anderes ergebe, müssen in diesem Fall auch alle unterzeichnen – oder eben Vertretungsvermerke genutzt werden. Andernfalls könne nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob noch eine Unterschrift ausstehe oder bereits ein Vertragsschluss gewollt sei.92 Eine entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs wurde zur GmbH noch nicht getroffen, allerdings sieht das Gesetz auch für diese eine Gesamtvertretung der Geschäftsführer in § 35 Abs. 2 S. 1 GmbHG vor. Daher ist davon auszugehen, dass der Bundesgerichtshof den gleichen Maßstab für die Unterschriften der Geschäftsführer einer GmbH ansetzen würde. cc) Kritik an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur AG Diese Entscheidungen des Bundesgerichtshofs stoßen in der juristischen Literatur teilweise auf Unverständnis. So sieht Emmerich in der Unterschrift eines Mitglieds eines gesetzlich nur gemeinschaftlich vertretungsberechtigten Kollegialorgans erkennbar den Willen zum Handeln als alleiniger Vertreter.93 Zudem wird kritisiert, dass sich die Vertretungsmacht – anders als bei der GbR – aus einem öffentlichen Register ergibt, auch wenn im Mietvertrag mehrere Mitglieder des Vertretungsorgans aufgeführt sind.94 Da die Vertragskonditionen des Mietvertrags in der Urkunde festgehalten sind (und damit dem bezweckten Erwerberschutz eigentlich entsprochen wird), ist es eine bloße Förmelei, dass die Schriftform an einem fehlenden Vertretungszusatz scheitern soll.95 Der Bundesgerichtshof legt mit seinen Entscheidungen zum Schriftformerfordernis bei der Beteiligung von Kapitalgesellschaften einen starken Fokus auf den Erwerberschutz, was im Ergebnis zu sehr formalistischen Anforderungen führt. So nimmt der Bundesgerichtshof die Perspektive eines – gesetzes- aber nicht registerkundigen – potenziellen Erwerbers ein, um zu überprüfen, ob die Vertragsurkunde den Eindruck vermittelt, dass alle nötigen Personen unterzeichnet haben. Eine solche Auslegung des § 550 BGB ist indes, wie sich anhand der vorgebrachten Kritikpunkte zeigt, nicht zwingend.

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BGHZ 183, 67 Rn. 17 ff. BGHZ 183, 67 Rn. 17. 92 BGHZ 183, 67 Rn. 18. 93 Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 19. 94 Fritz, NJW 2010, 1050, 1050. 95 Timme/Hülk, NZG 2010, 177, 178. 91

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dd) Offene Handelsgesellschaft/Kommanditgesellschaft Die Personenhandelsgesellschaften können durch ihre Firma und ihren Sitz im Mietvertrag zweifelsfrei bezeichnet werden. Legt man die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der AG zu Grunde, kann aus der Einzelvertretungsmacht in § 125 Abs. 1 HGB (i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB) geschlossen werden, dass nur eine Unterschrift für die Wahrung der Schriftform ausreicht – unabhängig davon, welche (persönlich haftenden) Gesellschafter im Vertragsrubrum stehen.96 4. Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen und Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs Das Schriftformerfordernis greift nicht nur für den ursprünglichen Vertrag, sondern auch für spätere Vertragsänderungen.97 Allerdings gilt auch insoweit, dass nur wesentliche Änderungen – aus der objektivierten Sicht eines potenziellen Erwerbers – nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs formbedürftig sind.98 Dies jedoch nur, sofern sich die vereinbarte Änderung für eine längere Zeit als ein Jahr auswirkt, wie sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs aus dem Schutzzweck des § 550 BGB ergibt.99 Nachtragsvereinbarungen werden allerdings häufig ohne vorherige juristische Beratung geschlossen. Sie stellen in der Praxis daher eine häufige Fehlerquelle für Schriftformverstöße dar.100 Dies liegt daran, dass Formmängel in schriftformbedürftigen Nachtragsvereinbarung regelmäßig auf einen ursprünglich formgerechten Vertrag durchschlagen, wodurch dieser insgesamt ordentlich kündbar wird.101 In diesem Zusammenhang wird auch von der „Infektionsrechtsprechung“102 des Bundesgerichtshofs gesprochen. Schließen die Vertragsparteien eine wesentliche Änderungsvereinbarung, ohne die peniblen Vorgaben der Rechtsprechung zur Schriftform des § 550 BGB zu beachten, kann dies das gesamte Mietverhältnis vorzeitig kündbar machen.

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So auch Jacoby, NZM 2011, 1, 5 für die OHG. BGH NJW 2016, 311 Rn. 12; BGH NJW-RR 2018, 1101 Rn. 17; Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, § 550 Rn. 52. 98 Vgl. etwa: BGH NJW 2016, 311 Rn. 12; BGH NJW-RR 2018, 1101 Rn. 17; BGH NJWRR 2021, 1524 Rn. 3; zur Frage, inwieweit Änderungen langfristiger Mietverträge formbedürftig sind, die nicht nur § 550 BGB, sondern auch § 311b BGB unterliegen, siehe Schütz, ZMR 2021, 291. 99 BGH NJW-RR 2021, 1524 Rn. 3; ähnlich bereits BGHZ 163, 27, 30. 100 So auch: Bangert, JZ 2021, 193, 194; Schweitzer, NJW 2019, 198, 198. 101 BGHZ 50, 39, 43; BGHZ 65, 49, 54; BGHZ 99, 54, 58; BGHZ 125, 175, 181; BGH NJW-RR 1992, 654, 655. 102 Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 110. 97

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a) Mietzinsänderung Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass jede vertragliche Mietzinsänderung – unabhängig von ihrer Höhe – wesentlich ist, wenn sie sich über ein Jahr auswirkt und die Vermieterseite nicht das Recht hat, diese einseitig zu widerrufen.103 b) Änderung der Mietvertragsparteien Die Person des Mieters ist aus der Erwerberperspektive insbesondere wegen dessen Liquidität und seiner sonstigen Eigenschaften nach Ansicht des Bundesgerichtshofs wesentlich.104 Eine Änderung der Mietvertragsparteien bedarf der Form des § 550 BGB. Die gesetzliche Grundlage für die Änderung der Vertragsparteien bildet § 311 Abs. 1 BGB und diese kann durch eine Übernahme des Mietvertrags oder einen Beitritt zum Mietvertrag erreicht werden.105 Ein dreiseitiger Vertrag zwischen den Vertragsparteien und dem neuen Vermieter/Mieter, der auf den Wechsel einer Partei gerichtet ist, bedarf der Form des § 550 BGB.106 5. Zusammenfügung mehrerer Dokumente § 126 Abs. 2 S. 1 BGB schreibt vor, dass die Vertragspartner „auf derselben Urkunde“ unterzeichnen müssen. Daraus lässt sich der Grundsatz ableiten, dass eine einheitliche Vertragsurkunde erforderlich ist, in der alle wesentlichen Vertragsabreden aufgeführt sind und die von beiden Parteien unterzeichnet ist.107 Da sich Mietverträge in der Regel über mehrere Seiten erstrecken, häufig Anlagen beigefügt und auch Nachtragsvereinbarungen getroffen werden, stellt sich daher die Frage, wie die Einheitlichkeit der Vertragsurkunde gewahrt werden kann. a) Auflockerungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs Nach früherer Rechtsprechung musste eine derart feste körperliche Verbindung zwischen mehreren Vertragsdokumenten bestehen, dass diese nur durch starke Beschädigung der Dokumente oder des verwendeten Bindematerials (z. B. bei einer Klebe- oder Fadenbindung) oder durch Einsatz von Gewalt (z. B. nach einer Verbindung durch Tackernadeln) getrennt werden konnte.108 Diese Anforderungen an die Einheitlichkeit der Urkunde wurden allerdings als zu hoch und 103

BGHZ 163, 27, 29 f.; BGH NJW 2016, 311 Rn. 17. BGHZ 65, 49, 53. 105 Staudinger/Emmerich, § 540 Rn. 64. 106 Zu dem Beitritt eines Mieters siehe BGHZ 65, 49, 52 f.; vertiefend dazu Staudinger/Emmerich, § 540 Rn. 69; die Mietvertragspartei kann ebenfalls durch einen Übernahmevertrag ausgetauscht werden, der zwischen zwei Parteien mit Zustimmung der dritten Partei geschlossen wird, siehe dazu § 2 C. II. 1. b) dd) (3). 107 BGHZ 136, 357, 359; BGHZ 161, 241, 244; BGHZ 176, 301 Rn. 18; BGH NJW 2005, 2225, 2227; MüKoBGB/Einsele, § 126 Rn. 9; Bub/Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2496; Lindner-Figura/Opre´e/Stellmann/Lindner-Figura, Kap. 6 Rn. 40. 108 BGHZ 40, 255, 263 f.; BGHZ 50, 39, 41 f. 104

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nicht praxisgerecht angesehen, sodass der Bundesgerichtshof – zunächst nur für Verlängerungsverträge – das Erfordernis der festen körperlichen Verbindung gelockert hat.109 Eine ausreichende Unterrichtung potenzieller Erwerber über die Vertragsbedingungen sah der Bundesgerichtshof auch ohne feste körperliche Verbindung als gewährleistet an, wenn sich die Einheit der Vertragsurkunden aus anderen Anhaltspunkten ergibt.110 Später entschied der Bundesgerichtshof, dass auch die einzelnen Seiten eines Mietvertrags nicht zwingend körperlich miteinander verbunden sein müssen.111 Es genüge vielmehr, wenn sich die Einheit der Vertragsurkunde aus äußerlichen Merkmalen (etwa durch ein einheitliches Layout oder fortlaufende Ziffern der Vertragsklauseln und Vertragsseiten) oder nur aus inhaltlichen Gesichtspunkten (beispielsweise bei aufeinander aufbauenden Textpassagen) ergebe.112 Diese Entscheidungen, durch die das Erfordernis der festen körperlichen Verbindung vollständig aufgegeben wurde, werden vom Bundesgerichtshof selbst als „Auflockerungsrechtsprechung“113 bezeichnet. b) Anlagen Problematisch sind außerdem Anlagen zu einem Mietvertrag. Üblicherweise handelt es sich um Lagepläne, Skizzen oder Grundrisse, um die Mieträume genauer zu beschreiben. aa) Voraussetzungen für die Einbeziehung von Anlagen Auch die Anforderungen an die ordnungsgemäße Einbeziehung von Anlagen wurden weitgehend liberalisiert. Zunächst wurde durch den Bundesgerichtshof entschieden, dass keine feste körperliche Fixierung mehr nötig ist, sofern die Verbindung des Mietvertrags und der Anlage auch anderweitig eindeutig sein könne – in dem zu entscheidenden Fall dadurch, dass der Mietvertrag auf die Anlage verweist und alle Seiten der Anlage ebenfalls unterzeichnet waren.114 Nach einer weiteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind die Unterschriften der Vertragsparteien nicht auf allen Seiten der Anlagen zwingend erforderlich, eine Paraphierung auf jeder Seite genüge danach.115 Der Bundesgerichtshof stellte außerdem klar, dass nicht jede Seite der Anlage paraphiert sein müsse, um dem Schriftformerfordernis zu genügen.116 Ausschlag-

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BGHZ 42, 333, 338 f.; BGHZ 52, 25, 27 f. BGH 52, 25, 29; BGH NJW 1992, 2283, 2284. 111 BGHZ 136, 357, 361 f. 112 BGHZ 136, 357, 365; BGHZ 142, 158, 160 f.; BGH NJW 2003, 1248, 1248; BGH NJW 2020, 334 Rn. 19. 113 Vgl. etwa: BGHZ 136, 357, 361; BGHZ 205, 99 Rn. 18; BGH NJW 2020, 334 Rn. 19. 114 BGH NJW 1999, 1104, 1105. 115 BGH NJW 2000, 354, 357. 116 BGH NJW 2003, 1248, 1248 f. 110

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gebend sei vielmehr, dass der Hauptmietvertrag einen Verweis auf die Anlage enthalte.117 Zudem müsse die Anlage nicht auf den Hauptmietvertrag zurückverweisen, insofern sei eine einseitige Verweisung ausreichend, da ein Erwerber lediglich auf das Vorhandensein einer Anlage aufmerksam gemacht werden müsse.118 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Seiten der Anlage nicht paraphiert oder unterzeichnet sein müssen, um formwirksam in einen Mietvertrag einbezogen zu werden. Es genügen ein ausdrücklicher Verweis im Mietvertrag und eine entsprechende Bezeichnung der Anlage. Eine physische Fixierung der Anlage mit dem Mietvertrag ist nicht erforderlich, nach den Worten des Bundesgerichtshofs genügt eine „gedankliche Verbindung, die in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss“119. bb) Wesentlichkeit des Inhalts von Anlagen In der Praxis stellt es häufig ein Problem dar, dass Anlagen, auf die im Mietvertrag verwiesen wurde, vergessen oder nicht ordnungsgemäß einbezogen wurden. In vielen Fällen führt dies allerdings nicht zu einem Schriftformverstoß. Anlagen sind nur schriftformbedürftig, wenn sie wesentliche Abreden beinhalten, die nicht bereits in dem Hauptmietvertrag enthalten sind.120 Formverstöße bei Anlagen mit unwesentlichen Vertragsbestandteilen, z. B. bloße den Mietvertrag erläuternde Erklärungen oder eine Wiederholung des Gesetzestexts, führen nicht zu einem Schriftformverstoß und damit einer vorzeitigen Kündbarkeit.121 Ist der Mietgegenstand im Mietvertrag derart detailliert beschrieben, dass er hinreichend bestimmbar ist, und wird dennoch überobligatorisch auf eine Anlage verwiesen, wirkt sich folglich ein Formmangel bei der Einbeziehung der Anlage nicht auf den Mietvertrag aus. Unerheblich ist dabei, ob ein Lageplan die Bestimmung der Mietsache erleichtern würde.122 Bei vergessenen Anlagen ist daher zunächst zu prüfen, ob sie überhaupt dem Schriftformerfordernis unterliegen, bevor ein Schriftformmangel angenommen wird.

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BGH NJW 2003, 1248, 1249. BGH NJW 2000, 354, 357; BGH NJW 2003, 1248, 1249. 119 BGHZ 205, 99 Rn. 27; BGHZ 216, 68 Rn. 17; BGHZ 224, 370 Rn. 19; BGH NJW 2008, 2181, 2182; BGH NJW 2009, 2195, 2196; a. A. Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 38. 120 BGHZ 142, 158, 163 ff.; BGH NJW 1999, 2591, 2591 f.; BGH NJW 1999, 3257, 3258; Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 30 f.; Lindner-Figura/Opre´e/Stellmann/Lindner-Figura, Kap. 6 Rn. 48. 121 BGHZ 142, 158, 162 f.; BGHZ 154, 171, 178; BGH NJW 1999, 2591, 2592; BGH NJW 1999, 3257, 3258; BGH NJW 2000, 354, 357 f.; BGH NJW-RR 2002, 1377. 122 BGHZ 142, 158, 164. 118

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c) Nachtragsvereinbarungen Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss eine Nachtragsvereinbarung auf die bisherigen Vertragsurkunden verweisen, die neuen Vereinbarungen auflisten und erklären, dass daneben die bisherigen Abreden fortgelten sollen.123 In der Nachtragsvereinbarung muss grundsätzlich auf den Hauptmietvertrag und auch auf alle bisherigen Nachtragsvereinbarungen Bezug genommen werden, die der Schriftform bedürfen.124 Eine konkludente Bezugnahme reicht dazu aus. So hat der Bundesgerichtshof die Schriftform bei einem zweiten Nachtrag als gewahrt angesehen, der nur auf den Hauptmietvertrag ausdrücklich verwiesen hat, mit der Begründung, dass aus der Bezeichnung als zweiter Nachtrag und auch durch eine inhaltliche Anknüpfung an den ersten Nachtrag eine Bezugnahme auf diesen eindeutig werde.125

II. Rechtsfolge bei Formfehlern und Heilungsmöglichkeiten 1. Rechtsfolge: Ordentliche Kündbarkeit Rechtsfolge eines Formfehlers ist, dass der Mietvertrag nach § 550 S. 1 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Dies gibt den Vertragsparteien die Möglichkeit, den Mietvertrag nach § 542 Abs. 1 BGB unabhängig von der vereinbarten Vertragsdauer ordentlich zu kündigen, wenn auch frühestens ein Jahr nach Überlassung (§ 550 S. 2 BGB). Bei Vorliegen eines Schriftformfehlers müssen die Mietvertragsparteien also nicht das Ende der Laufzeit abwarten, sondern können vorzeitig durch eine ordentliche Kündigung vom Vertrag Abstand nehmen. Dabei sind die gesetzlichen Kündigungsfristen zu beachten (§ 580a BGB im Gewerberaummietrecht und § 573c BGB im Wohnraummietrecht). So wird erreicht, dass Vermieter und Mieter nicht über mehrere Jahre an unbedacht geschlossene Mietverträge gebunden werden oder Vertragspartei in einem Mietvertrag sind, dessen Inhalt sie nicht durch eine schriftliche Vertragsurkunde beweisen können. § 550 BGB stellt zwingendes Recht dar und kann daher auch nicht abbedungen werden,126 wodurch der bezweckte Schutz sichergestellt ist. Allerdings gehen mit der vorzeitigen Kündbarkeit auch die genannten Probleme einher, insbesondere für die Planungssicherheit der Vertragsparteien.127

123 BGHZ 160, 97, 101 f.; BGHZ 205, 99 Rn. 18; BGHZ 216, 68 Rn. 17; BGH NJW-RR 1992, 654, 655; BGH NJW 1992, 2283, 2284; BGH NJW-RR 2000, 744, 745; BGH NJW 2013, 1083 Rn. 22. 124 BGH NJW 2008, 2181, 2183; BGH NJW 2013, 1083 Rn. 22; Blank/Börstinghaus/Blank, § 550 Rn. 52; Lindner-Figura, NJW 2009, 1861, 1862 mit einem Formulierungsbeispiel für eine Bezugnahme auf alle bisherigen Vertragsurkunden. 125 BGHZ 205, 99 Rn. 28. 126 BT-Drs. 14/4553 v. 09.11.2000, S. 47. 127 Siehe § 1 A.

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2. Heilungsmöglichkeit von Formmängeln a) Formgerechter Nachtrag Schriftformmängel im ursprünglichen Mietvertrag können jederzeit durch einen formgerechten Nachtrag geheilt werden.128 Eine solche Heilung führt ex tunc dazu, dass alle in Bezug genommenen Abreden die Schriftform wahren und damit keine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit mehr gegeben ist.129 Voraussetzung ist, dass durch den Nachtrag die ursprüngliche Vereinbarung nunmehr formgerecht getroffen wird, etwa durch die Einbeziehung von vergessenen Anlagen.130 Außerdem kann auch im Einzelfall eine ordnungsgemäß unterzeichnete Anlage einen Schriftformmangel heilen, wenn sie wie eine Nachtragsurkunde auf den Hauptmietvertrag verweist und die Parteien erklären, dass die dort getroffenen Abreden Anwendung finden sollen.131 b) Irrelevanz nach Zeitablauf Bisher nicht höchstrichterlich bestätigt hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main angenommen, dass ein bestehender Schriftformmangel in dem Moment entfällt, in dem die schriftformwidrige Vereinbarung durch Zeitablauf keine Wirkungen mehr entfaltet und für einen potenziellen Erwerber irrelevant geworden ist.132 Dabei legt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main das Schriftformerfordernis vor allem im Hinblick auf den Schutz des Erwerbers aus. Landwehr kritisiert an der Entscheidung, dass die Warnfunktion des § 550 BGB die Einhaltung der Schriftform gebiete und ein Formfehler daher nicht unbeachtlich werden könne.133 Der Anwendungsbereich dieser Rechtsprechung erfasst nur Modifizierungen des Mietvertrags für eine gewisse Zeit. Das entscheidende Kriterium für die Unbeachtlichkeit ist danach, ob die temporäre Änderung noch für das aktuelle Mietverhältnis relevant ist. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main erachtete eine zeitlich begrenzte Reduzierung der Miete auch nach Zeitablauf für relevant, da noch Zahlungsrückstände denkbar seien, die weiterhin bestehen können.134 Da auch die nur vorübergehende Änderung wesentlicher Vertragsinhalte für mehr als ein Jahr wohl in den meisten Fällen noch Auswirkungen auf das aktuelle Mietverhältnis haben wird, dürfte der Anwendungsbereich dieser Rechtsprechung sehr begrenzt sein. 128 BGHZ 160, 97, 101; BGH NJW-RR 1988, 201, 202; BGH NJW 2007, 3273, 3275; BGH NJW 2009, 2195, 2196; BGH NJW-RR 2021, 12 Rn. 20; BGH NJW-RR 2021, 266 Rn. 15; BGH NJW-RR 2021, 801 Rn. 15. 129 BGHZ 160, 97, 101; Lindner-Figura/Opre´e/Stellmann/Lindner-Figura, Kap. 6 Rn. 109. 130 Lindner-Figura/Opre´e/Stellmann/Lindner-Figura, Kap. 6 Rn. 109. 131 BGH NJW-RR 2021, 12 Rn. 20; BGH NJW-RR 2021, 801 Rn. 15; a. A. BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 187 f. 132 OLG Frankfurt ZMR 2017, 882, 883; a. A. Bub/Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2502. 133 Bub/Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2502. 134 OLG Frankfurt ZMR 2017, 882, 883.

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3. Formfehler speziell in Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen Um die Bedeutung von Nachtragsvereinbarungen für die Schriftformproblematik darzulegen, wurde die Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits aufgegriffen. Formfehler in Nachtragsvereinbarungen schlagen auch auf ursprünglich formgerecht geschlossene Mietverträge durch und machen diese insgesamt vorzeitig kündbar.135 Zu dieser infizierenden Wirkung gibt es zwei von der Rechtsprechung anerkannte Ausnahmen. So etwa die bloße Verlängerung des Mietvertrags, weil sich eine solche Vereinbarung nicht während der Laufzeit des ursprünglichen Vertrags auswirkt und die bisherige Schriftform noch alle Vereinbarungen bis zum Ende der ursprünglich vereinbarten Laufzeit abbildet.136 In einem solchen Fall kann der formgerechte Mietvertrag bis zum Ende seiner Laufzeit nicht ordentlich gekündigt werden, wohl aber die formwidrige Verlängerungsvereinbarung. Die zweite Ausnahme besteht in dem bloßen Beitritt eines weiteren Mieters, der ebenfalls die ursprünglichen Vereinbarungen zwischen Vermieter und Mieter nicht modifiziert. Sollte dieser Beitrittsvertrag einen Schriftformmangel aufweisen, kann nur das zwischen dem beigetretenen Mieter und Vermieter bestehende Mietverhältnis vorzeitig ordentlich gekündigt werden.137 4. Umgang mit opportunistischem Verhalten Das praktische Hauptproblem von § 550 BGB besteht darin, dass die vorzeitige Kündbarkeit langfristiger Mietverträge einen Anreiz darstellt, Schriftformfehler als Schlupfloch zu nutzen, sich lästigen Verträgen zu entziehen. Wegen der hohen wirtschaftlichen Bedeutung der Laufzeit von Mietverträgen besteht ein starkes praktisches Bedürfnis, einer vorzeitigen Kündigung entgegenzuwirken. Deshalb verdient die Frage einer eingehenden Betrachtung, ob und inwieweit der zweckwidrigen Instrumentalisierung des § 550 BGB ein Riegel durch das Gesetz oder die Rechtsprechung vorgeschoben wird. a) Absenkung der Formanforderungen Eine Möglichkeit, opportunistisches Verhalten zu verhindern, ist die Absenkung der Formanforderungen. So können Schriftformfehler begrenzt und damit Schriftformkündigungen vermieden werden. Der Bundesgerichtshof lockerte die zur Einhaltung der Schriftform notwendigen Anforderungen explizit im Rahmen seiner Auflockerungsrechtsprechung für die körperliche Verbindung von mehreren Dokumenten.138 Anhand weiterer Entscheidungen des Bundesgerichtshofs

135

Siehe § 2 B. I. 4. BGHZ 50, 39, 43 f.; BGHZ 125, 175, 181. 137 BGHZ 65, 49, 54 f.; OLG Düsseldorf ZMR 2013, 794, 794; Blank/Börstinghaus/Blank/ Börstinghaus, § 550 Rn. 82. 138 Zur Auflockerungsrechtsprechung siehe § 2 B. I. 5. a). 136

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ist eine zunehmende Liberalisierung der Schriftformanforderungen erkennbar. So wird auch die Beschränkung des Formerfordernisses auf lediglich wesentliche Vertragsabreden als Lockerung des Schriftformerfordernisses gesehen.139 Indem der Bundesgerichtshof nunmehr eine bloße Bestimmbarkeit und keine abschließende Bestimmtheit fordert, führen unpräzise Benennungen der Mietvertragsparteien nicht mehr zwangsläufig zu einem Schriftformverstoß.140 Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die die Schriftformanforderungen lockern, werden als Korrektiv verstanden, um der fortschreitenden Rechtspraxis Einhalt zu gebieten, wonach lästig gewordene Mietverträge unter Berufung auf einen Formmangel gekündigt werden.141 b) Möglichkeiten der Kautelarpraxis Die Praxis und vor allem die beratenden Anwälte haben sich bei der Entwicklung neuer Strategien erfinderisch gezeigt, um Schriftformkündigungen bereits im Voraus die Grundlage zu entziehen: aa) Anspruch auf Heilung Hat eine Mietvertragspartei einen Anspruch auf Mitwirkung an der Heilung eines Schriftformmangels gegen den Vertragspartner, würde eine durch diesen dennoch erklärte Kündigung gegen Treu und Glauben verstoßen, § 242 BGB.142 Daher wurde bei Bestehen eines Formverstoßes ein genereller Anspruch auf Heilung des Schriftformmangels durch einen neuen – formgerechten – Mietvertrag in Erwägung gezogen, aber letztlich abgelehnt.143 Da ein solcher Anspruch regelmäßig nicht ausdrücklich vereinbart wird, könnte er sich allenfalls aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben.144 Nähme man einen solchen Anspruch an, würde die Warnfunktion des § 550 BGB bedeutungslos.145 Zudem würde die in § 550 S. 2 BGB explizit vorgesehene Kündbarkeit des Vertrags umgangen.146 Auch eine salvatorische Klausel in einem Mietvertrag begründet keinen solchen Anspruch.147

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Huneke, NZM 2015, 478, 478. BeckOGKBGB/Dittert, § 550 Rn. 55.2 f. 141 Huneke, NZM 2015, 478, 478; Leo, NZM 2005, 688, 691 spricht von einem „Kampf gegen die Vertragsreue“. 142 BGHZ 216, 68 Rn. 38. 143 RGZ 104, 131, 133; so auch: BeckOKBGB/Herrmann, § 550 Rn. 20; Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 59. 144 Auch der Bundesgerichtshof hatte in einem Fall einen Anspruch auf Nachholung der Schriftform im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung hergeleitet, vgl. BGH NJW 2005, 2225, 2227. 145 BeckOKBGB/Herrmann, § 550 Rn. 20. 146 Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 59. 147 Zunächst offen gelassen bei BGH NJW-RR 2002, 1377; im Ergebnis aber abgelehnt bei BGH NJW 2007, 3202, 3203 f. 140

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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommen Ansprüche auf Heilung vor allem in zwei Fallkonstellationen in Betracht. Zum einen kann ein solcher Anspruch durch einen Vorvertrag gerichtet auf Abschluss eines langfristigen Mietvertrags begründet werden.148 Vorverträge mit einer Verpflichtung zum Abschluss eines schriftformkonformen Mietvertrags werden in der Praxis wegen des vergleichsweise hohen Aufwands vor allem bei besonders wichtigen Mietern genutzt, beispielsweise im Rahmen von gewerblich genutzten Single-TenantObjekten, bei denen ein einzelner Mieter eine ganze Immobilie anmietet.149 Wenn einmal ein schriftformgemäßer Vertrag geschlossen wurde, erlischt in der Regel der Anspruch beider Parteien auf Einhaltung der Form durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB. Bei Schriftformmängeln in Nachtragsvereinbarungen besteht aus dem Vorvertrag folglich kein Anspruch auf Nachholung der Schriftform.150 Zum anderen kann die Heilung eines konkret erkannten oder befürchteten Schriftformmangels individualvertraglich vereinbart werden.151 Beispielsweise ist das der Fall, wenn eine noch zu entwerfende und zur Identifizierung der Mietsache nötige Skizze gezeichnet werden muss, die als Anlage wirksam in den Mietvertrag einbezogen werden soll.152 bb) Schriftformklauseln Durch die Aufnahme von Schriftformklauseln wurde versucht, eine Kündbarkeit des Mietvertrags infolge eines Verstoßes gegen § 550 S. 1 BGB im Voraus zu vermeiden. Solche Schriftformklauseln sind in unterschiedlicher Form denkbar: Zum einen gibt es die einfache Schriftformklausel, nach der eine Änderung des Mietvertrags, um wirksam zu sein, schriftlich erfolgen muss. Ziel ist es, eine (gewillkürte) Schriftform nach § 127 BGB zu vereinbaren, wodurch schriftformwidrige Vereinbarungen keine Wirkungen entfalten (vgl. § 125 S. 2 BGB) und daher den ursprünglich formgerechten Mietvertrag nicht infizieren können. Die Schriftformklauseln werden häufig als AGB vereinbart, wobei noch nicht abschließend entschieden ist, ob der Bundesgerichtshof eine solche Klausel vor dem Hintergrund des § 307 Abs. 1 BGB als wirksam erachtet.153 Allerdings kommt es im Ergebnis auch nicht darauf an. Durch nachträgliche nicht schriftliche Vereinbarungen äußern die Parteien den Willen, von der Schriftformklausel abweichen zu wollen.154 Diese individualvertragliche Vereinbarung geht einer einfachen Schriftformklausel stets nach § 305b BGB vor, und zwar unabhängig davon, ob

148

BGHZ 200, 98 Rn. 18; BGHZ 216, 68 Rn. 26; BGH NJW 2007, 1817 Rn. 15. Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 897, 899. 150 Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 897, 899. 151 BGHZ 200, 98 Rn. 18; BGHZ 216, 68 Rn. 26; BGH NJW 2005, 2225, 2227. 152 Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 897, 899. 153 Offen gelassen bei BGHZ 164, 133, 136. 154 BGHZ 164, 133, 136. 149

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die Mietvertragsparteien sich wissentlich oder unbewusst der Schriftformklausel widersetzen.155 Zum anderen wurden doppelte, bzw. qualifizierte Schriftformklauseln als AGB eingesetzt, bei denen nicht nur die Änderung des Mietvertrags, sondern auch die Änderung der Schriftformklausel nur schriftlich erfolgen kann. Der Bundesgerichtshof erstreckte seine Entscheidung über die einfache Schriftformklausel auch auf solche Klauseln.156 So hat er die bisher ungeklärte Frage nach deren Wirksamkeit offengelassen, entschied aber, dass alle nachfolgenden individualvertraglichen Vereinbarungen Vorrang hätten.157 Dies gelte unabhängig davon, ob die Parteien wissentlich oder unbewusst gegen die Klausel verstießen.158 Wird eine qualifizierte Schriftformklausel individualvertraglich vereinbart, hat der Bundesgerichtshof offen gelassen, ob eine Abbedingung der gewillkürten Schriftform für Vertragsänderungen auch formlos möglich ist.159 In einer vorherigen Entscheidung hatte er dies noch in einem Fall bejaht, in welchem die Mietvertragsparteien Kaufleute waren.160 Vom überwiegenden Teil der Literatur und vom Bundesarbeitsgericht wird vertreten, dass die Aufhebung von individualvertraglichen doppelten Schriftformklauseln schriftlich erfolgen muss, da andernfalls § 125 S. 2 BGB keine eigenständige Bedeutung mehr hätte.161 Ob sich der Bundesgerichtshof dieser Auffassung anschließen wird, bleibt abzuwarten. Zudem ist die „Zuflucht des AGB-Verwenders zur Individualvereinbarung“162 mit hohen Hürden versehen und wird daher häufig scheitern. cc) Schriftformheilungsklauseln Ein weiteres Mittel waren in der Vergangenheit sog. Schriftformheilungsklauseln. Ziel einer solchen Klausel war es, einen Anspruch der Mietvertragsparteien auf Nachholung der Schriftform zu begründen.163 Den früher weit verbreiteten Schriftformheilungsklauseln wurde durch die Rechtsprechung bereits 2014 eine Wirkung gegenüber Erwerbern abgesprochen.164 Ein Erwerber konnte also wirksam kündigen, da die Klausel ihn nicht wirksam zur Nachholung der Schriftform verpflichten konnte. Offen war wei-

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BGHZ 164, 133, 136 f. (zur Vorgängerregelung in § 4 AGBG). BGH NJW 2017, 1017 Rn. 18. 157 BGH NJW 2017, 1017 Rn. 16 ff. 158 BGH NJW 2017, 1017 Rn. 19. 159 BGH NJW-RR 1991, 1298, 1290. 160 BGHZ 66, 378, 382. 161 BAGE 106, 345, 351; Grüneberg/Ellenberger, § 125 Rn. 19; vertiefend dazu Bub/ Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2540. 162 Kappus, NJW 2016, 33, 33, der sich vertieft mit der Abgrenzung einer AGB zu einer Individualvereinbarung auseinandersetzt. 163 BGHZ 216, 68 Rn. 38. 164 BGHZ 200, 98 Rn. 24 f. 156

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terhin, ob nicht zumindest die ursprünglichen Mietvertragsparteien daran gebunden sind, mit der Folge, dass diese während der Vertragslaufzeit zur Nachholung der Schriftform verpflichtet wären. Im Jahre 2017 hat der Bundesgerichtshof den Schriftformklauseln eine umfassende Absage erteilt – unabhängig davon, ob sie als AGB oder individualvertraglich vereinbart wurden.165 Damit beendete der Bundesgerichtshof den jahrelangen Streit um die Wirksamkeit derartiger Klauseln. Die diesem Urteil zugrundeliegende Klausel steht beispielhaft für die in der Praxis oftmals verwendeten Klauseln: Den Parteien ist bekannt, dass dieser Mietvertrag, der eine Laufzeit von mehr als einem Jahr hat, […] der Schriftform bedarf. Die Parteien wollen diese Schriftform einhalten. Sie verpflichten sich deshalb gegenseitig, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um den gesetzlichen Schriftformerfordernissen Genüge zu tun. Das gilt sowohl für den Mietvertrag als auch für sämtliche Nachtrags-, Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen.166

Der Bundesgerichtshof begründet die Unwirksamkeit der Schriftformheilungsklausel damit, dass § 550 BGB eine nicht abdingbare Vorschrift sei, die durch eine solche Klausel umgangen werden könne.167 Ferner untergrabe eine solche Klausel die Warnfunktion des § 550 BGB, indem ein Anspruch auf Heilung von möglicherweise unbedacht eingegangenen Verpflichtungen mit weitreichenden Folgen begründet wird.168 Die Entscheidung ist aus mehreren Aspekten bemerkenswert. Zunächst wegen der weitverbreiteten Verwendung von Schriftformheilungsklauseln in gewerblichen Mietverträgen, die danach nicht den erhofften Schutz vor Schriftformkündigungen bieten können. Aber auch der Fokus auf die nachgeordnete Warnfunktion ist ein Novum in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Norm des § 550 BGB bisher vor allem mit Blick auf den Schutz potenzieller Erwerber ausgelegt hat. In der Literatur wurde die Entscheidung zu den Schriftformheilungsklauseln als „Paukenschlag“169 gewertet. Vor allem für die Praxis bedeutete die Entscheidung das Aus für die regelmäßig eingesetzten Schriftformheilungsklauseln. Die Entscheidung wird auch als nicht praxis- und interessengerecht kritisiert.170 Die starke Betonung der nur nachrangigen Warnfunktion des § 550 BGB sei nicht nachvollziehbar.171 Nach vielen Jahren der Ungewissheit hat sich der Bundesgerichtshof in dieser wichtigen Streitfrage nun positioniert, auch wenn das Ergebnis der beratenden Praxis Schwierigkeiten bereitet. Seit der Entscheidung werden verstärkt Alternativen in Erwägung gezogen. 165

BGHZ 216, 68 Rn. 33 f.; bestätigt durch BGH NJW-RR 2018, 1101 Rn. 25. BGHZ 216, 68 Rn. 4. 167 BGHZ 216, 68 Rn. 36. 168 BGHZ 216, 68 Rn. 36. 169 Neuhaus, IBR 2017, 708. 170 Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 75. 171 Häublein, JZ 2018, 755, 759. 166

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dd) Mieterdienstbarkeit In der Literatur wird die Bestellung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit in Form einer Mieterdienstbarkeit diskutiert, um die Mietvertragsparteien vor einer vorzeitigen Kündigung zu schützen.172 Völlig neu ist diese Überlegung nicht: Schon in der Rezeptionszeit, als der Erwerber eines Grundstücks den Mieter – nach römisch-rechtlichem Vorbild – fristlos vertreiben konnte, versuchten Mieter durch eine dingliche Absicherung (in Form einer Hypothek) Bestandsschutz auch gegenüber Erwerbern zu erlangen.173 (1) Inhalt einer Mieterdienstbarkeit Eine Mieterdienstbarkeit berechtigt den dinglich Berechtigten, also den Mieter, zu der Nutzung der Mietsache auch nach Beendigung des Mietvertrags. Für den Fall, dass das schuldrechtlich eingeräumte Recht zum Gebrauch der Mietsache durch die Kündigung wegfällt, soll dem Mieter ein dingliches Nutzungsrecht zustehen, das im Sicherungsfall seine Wirkungen entfaltet.174 Ursprünglich diente eine Mieterdienstbarkeit vor allem der Absicherung gegen Sonderkündigungsrechte eines Erwerbers aus § 57a ZVG nach einem Zuschlag in der Zwangsversteigerung oder aus § 111 InsO nach einem Erwerb der Immobilie aus der Insolvenzmasse.175 Nunmehr wird in der Literatur zunehmend überlegt, eine Mieterdienstbarkeit auch gegen auf § 550 BGB gestützte vorzeitige Kündigungen einzusetzen.176 Die inhaltliche Ausgestaltung des Nutzungsrechts korrespondiert dabei üblicherweise mit den Bestimmungen des Mietvertrags.177 Im Rahmen der Bestellung einer Mietdienstbarkeit müssen sich die Parteien über die Höhe des Entgelts einigen, sollte das dingliche Recht in Anspruch genommen werden. Dieses richtet sich – in der Regel – nach der zuletzt gezahlten Miete.178 Oftmals muss eine Mieterdienstbarkeit dabei den Interessen dreier Beteiligter gerecht werden: dem Vermieter, dem Mieter und regelmäßig auch der finanzierenden Bank. Ob Banken bereit sein werden, von den Standards der Vereinigung der Deutschen Pfandbriefbanken e.V. zur Bestellung von Mieterdienstbarkeiten abzuweichen, die bislang nur einen Schutz vor Beendigungen durch die Sonderkündigungsrechte aus § 57a ZVG und § 111 InsO vorsehen, bleibt abzuwarten.179

172

Ausführlich dazu Horst, NZM 2018, 889, 891. HKK/Oestmann, §§ 535–580a Rn. 134. 174 Krüger, NZM 2012, 377, 378. 175 Nemzov/Aspar, ZfIR 2016, 293, 294. 176 Horst, NZM 2018, 889, 891; Krüger, NZM 2012, 377, 379; Krüger, NZM 2018, 42; Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 897, 899; Nemzov/Aspar, ZfIR 2016, 293, 295; Nemzov/ Aspar, ZfIR 2019, 73, 78 ff. 177 Krüger, NZM 2012, 377, 378. 178 Nemzov/Aspar, ZfIR 2016, 293, 294; Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 79. 179 Zumindest nach den Beobachtungen von Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 79 akzeptieren Banken eine solche Abweichung häufig. 173

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§ 2 Länderbericht Deutschland

(2) Wirksamkeit einer Mieterdienstbarkeit unter § 550 BGB Ein weiterer Nachteil ist, dass bisher nicht gerichtlich geklärt ist, ob eine Mieterdienstbarkeit als Schutz gegen Schriftformkündigungen nach § 550 BGB wirksam ist. Dies darf bezweifelt werden. Durch eine Mieterdienstbarkeit könnte ein Erwerber an für ihn unbekannte Konditionen, die durch die Ursprungsparteien mündlich vereinbart wurden, faktisch gebunden sein.180 So beispielsweise, wenn die Parteien bestimmen, dass die zuletzt vereinbarte Miete das Entgelt für die Inanspruchnahme der Mieterdienstbarkeit darstellt und sie sich anschließend mündlich auf eine geringere Miete einigen.181 Für die Wirksamkeit einer Mieterdienstbarkeit wird vor allem die Abstraktheit der Grunddienstbarkeit, also die Unabhängigkeit von dem (schuldrechtlichen) Mietvertrag angeführt sowie, dass § 550 BGB auf Sicherungsrechte keine Anwendung finde.182 Außerdem muss § 550 BGB im Zusammenspiel mit § 566 BGB betrachtet werden. § 550 BGB soll dem Erwerber nur für den Fall eine Lösungsmöglichkeit geben, dass er infolge des Erwerbs in einen Mietvertrag mit unbekannten Konditionen eintritt und an diesen über mehrere Jahre gebunden ist. Der Rechtsgrund für die Bindung des Erwerbers liegt bei einer Mieterdienstbarkeit allerdings nicht darin, dass der Mietvertrag infolge des Erwerbs nach § 566 Abs. 1 BGB übergegangen ist, sondern allein in dem dinglichen Nutzungsrecht. Zudem muss eine Mieterdienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden, um wirksam zu sein (§ 873 BGB). Ein Erwerber kann in die Grundakten Einsicht nehmen, um das Risiko einer Bindung an unbekannte Absprachen abschätzen zu können. Eine Mieterdienstbarkeit kann damit wirksam als Schutz vor Schriftformkündigungen bestellt werden. (3) Fazit zur Mieterdienstbarkeit Unabhängig von der bisher gerichtlich ungeklärten Frage nach ihrer Wirksamkeit kann eine Mieterdienstbarkeit allenfalls dem Mieter einen Schutz vor Schriftformkündigungen bieten – nicht aber dem Vermieter.183 Zudem ist eine Mieterdienstbarkeit mit Nachteilen für den Vermieter verbunden. So wird der Vermieter auch dinglich an den Mieter gebunden und mindert den Wert seines Grundstücks.184 Daher dürfte diese nur selten von der Mieterseite in den Vertragsverhandlungen durchsetzbar sein.185 Insgesamt stellt die Mieterdienstbarkeit damit kein Allheilmittel zur Bekämpfung von Schriftformkündigungen dar.186 180

Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 79. Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 79. 182 Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 79. 183 Günter, NZM 2019, 561, 565; Himmen, JURA 2021, 872, 875; Krüger, NZM 2018, 42, 181

42. 184

Horst, NZM 2018, 889, 891. So auch: Günter, NZM 2019, 561, 565; Himmen, JURA 2021, 872, 875; Krüger, NZM 2012, 377, 379. 186 So auch Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 1060, 1061. 185

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B. Schutz der Mietvertragsparteien

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ee) Dauernutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 WEG Zudem wäre die Absicherung eines langfristigen Mietvertrags durch die Bestellung eines Dauernutzungsrechts nach § 31 Abs. 2 WEG möglich.187 Bei einem Dauernutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 WEG wird der Vermieter von jeglicher Nutzungsmöglichkeit ausgeschlossen und kann nicht kündigen, sondern allenfalls bei Vertragsschluss eine Rücknahmemöglichkeit oder einen Heimfall vereinbaren.188 Ein solches Dauernutzungsrecht wäre nur bei Wohnungs- oder Teileigentum möglich. Außerdem würde ebenfalls einseitig der Mieter geschützt werden, sodass es den gleichen Bedenken hinsichtlich der Durchsetzbarkeit in Verhandlungen wie die Mieterdienstbarkeit begegnet. ff) Vollmachtbeschränkungsklausel Ebenfalls vorgeschlagen wird die Aufnahme von Klauseln, die die Vollmacht zur Änderung des Mietvertrags auf wenige – auf die Schriftformproblematik besonders geschulte – Mitarbeiter begrenzt.189 So sollen schriftformwidrige Nachtragsvereinbarungen vermieden werden, indem andere als die genannten Personen keine verbindlichen Erklärungen abgeben können.190 Zunächst ist umstritten, ob eine solche Klausel wirksam als AGB vereinbart werden kann,191 eine höchstrichterliche Entscheidung dazu steht aus. Vor allem aber stößt eine solche Klausel schnell an ihre Grenzen und kann Schriftformmängel nicht verlässlich verhindern. Zum einen betrifft sie lediglich Nachtragsvereinbarungen und nicht den ursprünglichen Mietvertrag selbst. Zum anderen kann die Vertretungsmacht von gesetzlichen/organschaftlichen Vertretern gegenüber Dritten nicht wirksam beschränkt werden.192 Die Vollmachtsbegrenzungsklausel müsste dann hinter einem von ihnen abgeschlossenen Vertrag nach § 305b BGB zurücktreten.193 Ebenfalls umstritten ist, ob durch eine solche Klausel mögliche Duldungs- und Anscheinsvollmachten wirksam ausgeschlossen werden können.194 Selbst wenn man derartige Klauseln für wirksam erachtet, bieten sie insgesamt keinen ausreichenden Schutz vor Schriftformmängeln.195

187

Horst, NZM 2018, 889, 893. Horst, NZM 2018, 889, 893. 189 Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 897, 899; Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 1060, 1061; Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 77. 190 Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 897, 899; Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 77. 191 Vertiefend hierzu: NK-BGB-Schuldrecht/Kollmann, § 305b Rn. 15 m. w. N.; Nemzov/ Aspar, ZfIR 2019, 73, 77 m. w. N. 192 NK-BGB-Schuldrecht/Kollmann, § 305b Rn. 15; Cramer, Mietrecht, B Rn. 110; Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 897, 899. 193 Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 77. 194 Ablehnend: Lindner-Figura/Opre´e/Stellmann/Lindner-Figura, Kap. 7 Rn. 166 m. w. N.; Cramer, Mietrecht, B Rn. 110; unter gewissen Voraussetzungen bejaht von NKBGB-Schuldrecht/Kollmann, § 305b Rn. 15. 195 So auch Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 1060, 1061. 188

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gg) Pauschaler Schadensersatz oder Vertragsstrafe Auch die Vereinbarung einer Klausel, die der Abschreckung dient und dem Kündigungsempfänger einen pauschalen Schadensersatzanspruch für den Fall einer Schriftformkündigung zusprechen soll, wurde diskutiert.196 Denkbar wäre auch eine Vertragsstrafe für den Fall einer Kündigung vor Ablauf der Festlaufzeit wegen eines Schriftformfehlers. Auch Leo schlägt vor, dass der Mieter zur Zahlung der Bruttomiete bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit verpflichtet werden könne, sollte er den Mietvertrag infolge eines Schriftformmangels kündigen und im Gegenzug verpflichtet sich der der Vermieter zur Zahlung einer vereinbarten Summe, wenn er wegen eines Schriftformmangels kündigt.197 Beide Institute scheitern bereits an grundsätzlichen Überlegungen. Die Pauschalisierung eines Schadensersatzes setzt zunächst voraus, dass die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gegeben sind.198 Bereits das Vorliegen einer Pflichtverletzung ist fraglich. Für eine Vertragsstrafe muss eine Vertragsverletzung vorliegen,199 die ebenso fraglich ist. Da keine allgemeine Pflicht zur Einhaltung der Schriftform besteht, sind die Mietvertragsparteien in der Regel nicht verpflichtet, an der Heilung eines Schriftformmangels mitzuwirken. Daher wird häufig bereits keine Pflicht- oder Vertragsverletzung vorliegen.200 Außerdem würde zwar nicht die Kündigungsmöglichkeit selbst ausgeschlossen werden, allerdings die einschneidenden wirtschaftlichen Sanktionen dazu führen, dass das Kündigungsrecht aus § 550 BGB faktisch doch abbedungen wird, was dem zwingenden Charakter der Norm widerspräche.201 Ein pauschaler Schadensersatz oder eine Vertragsstrafe bieten ebenfalls keinen Schutz vor Schriftformkündigungen. hh) Finanzielle Anreize für Mieter Während sich Mieter durch eine Mieterdienstbarkeit oder das Dauernutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 WEG vor vorzeitigen Kündigungen des Vermieters – zumindest theoretisch – schützen können, kann ein Vermieter allenfalls finanzielle Anreize für den Mieter setzen, damit dieser den Mietvertrag nicht vorzeitig kündigt. So beispielsweise durch eine Klausel, die eine Mietvorauszahlung der gesamten Vertragslaufzeit oder nur für die letzten drei Monate der Vertragslaufzeit vorsieht, nach der ein Mieter die überzahlte Miete im Falle einer ordentlichen Kündigung durch ihn nicht zurückerhält.202 Vor einer vorzeitigen Schriftform-

196

Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 77 f. BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 475. 198 BGHZ 162, 294, 301. 199 Ostendorf, JuS 2015, 977, 978. 200 So auch Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 78 bezüglich einer Pflichtverletzung. 201 Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 78. 202 Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 82 f. mit Formulierungsbeispielen. 197

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B. Schutz der Mietvertragsparteien

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kündigung können diese Vertragsgestaltungen allerdings nicht schützen. Zudem muss von Seiten des Vermieters auf die genaue Formulierung der Klausel geachtet werden, da ein Verstoß gegen § 308 Nr. 7 BGB (im Unternehmerverkehr indiziell über § 307 Abs. 1, 2 BGB)203 drohen kann.204 Zudem begegnen derartige Vertragsklauseln Bedenken, da eine faktische Abbedingung des § 550 BGB droht. Die Wirksamkeit derartiger Vertragsklauseln wurde bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden. Dies mag vor allem auch daran liegen, dass sie – zumindest bisher – eine große Ausnahme darstellten. Insgesamt kann ein Vermieter die ordentliche Kündbarkeit vor Ablauf der Festlaufzeit nicht effektiv verhindern und ihm steht keine ähnliche dingliche Absicherungsmöglichkeit wie einem Mieter durch eine Mieterdienstbarkeit zu. c) Grenze von Treu und Glauben Wurde eine Schriftformkündigung erklärt, so steht deren Empfänger einzig das scharfe, aber nur selten erfolgreiche, Schwert des Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB zur Verfügung. Die Rechtsfolge von § 550 BGB ist nur die Kündbarkeit des Mietvertrags vor Ablauf der Laufzeit und nicht die Nichtigkeit, sodass der ohnehin nur in Ausnahmefällen einschlägige § 242 BGB sehr restriktiv angewendet werden muss.205 Die Voraussetzung für ein Berufen auf § 242 BGB ist stets, dass der Kündigungsempfänger schutzwürdig ist, woran es u. a. mangelt, wenn er den Formmangel (bei Vertragsschluss) kennt oder ihn wegen grober Fahrlässigkeit nicht kennt.206 aa) Anerkannte Fallkonstellationen der Rechtsprechung Die Rechtsprechung erkennt nur wenige Fälle an, in denen eine Schriftformkündigung treuwidrig ist. Eine Kündigung wird dann als treuwidrig angesehen, wenn eine Partei einen Anspruch auf die formgerechte Nachholung des Mietvertrags hat.207 Ebenso, wenn ein Formmangel bei einer Änderungsvereinbarung vorliegt, die ausschließlich dem Vorteil der kündigenden Partei dient.208 Zuletzt wird eine Treuwidrigkeit angenommen, wenn den Kündigenden eine sonstige gewichtige Treuepflichtverletzung trifft oder dieser seinen Vertragspartner in vorwerfbarer Weise an dem Einhalten der Schriftform gehindert hat oder die Existenzgrundlage des Kündigungsempfängers durch die Kündigung gefährdet wird.209 203

BGHZ 174, 1 Rn. 12. Für die Nichtrückzahlung der im Voraus entrichteten Miete siehe Nemzov/Aspar, ZfIR 2019, 73, 83. 205 Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 63. 206 OLG Brandenburg NZM 2008, 406, 407; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 67; Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 69. 207 Siehe dazu § 2 B. II. 4. b) aa). 208 BGHZ 65, 49, 55; BGHZ 216, 68 Rn. 41; BGH NJW 2008, 365, 366; BGH NJW 2016, 311 Rn. 27. 209 BGHZ 200, 98 Rn. 16; BGHZ 216, 68 Rn. 24; BGH NJW 2006, 140, 141; BGH NJW 204

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Eine Treuwidrigkeit liegt daher nicht schon dann vor, wenn sich der Kündigende lediglich von einem für ihn lästig gewordenen Vertrag lösen möchte. Auch ist das Berufen des Gekündigten auf eine Treuwidrigkeit nach § 242 BGB mit der Begründung aussichtslos, dass sich derjenige, der die Schriftformkündigung erklärt, bisher stets vertragsgemäß verhalten hat (wozu er schließlich auch verpflichtet war) und so ein vermeintliches Vertrauen des Vertragspartners auf den Fortbestand des Vertrags enttäuscht hat.210 bb) Schlechthin untragbares Ergebnis Für möglich hält die Rechtsprechung eine Berufung auf § 242 BGB nur, wenn die Schriftformkündigung „zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde“211. Dafür dürften aber auch Ansprüche, durch die der Gekündigte möglicherweise einen Ausgleich erhalten kann, zu berücksichtigen sein, die ein untragbares Ergebnis abwenden können.212

III. Fazit zum Schutz der Mietvertragsparteien Nach der vorherrschenden und auch hier vertretenen Auffassung dient § 550 BGB zwar primär dem Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber, aber daneben auch dem Schutz der Mietvertragsparteien. Die Schriftform soll die Parteien wegen der hohen wirtschaftlichen Bedeutung langfristiger Mietverträge davor schützen, unbedacht derart folgenreiche Bindungen einzugehen (Warnfunktion). Zudem soll durch die Schriftform gewährleistet werden, dass die getroffenen Abreden während der langen Vertragsdauer beweissicher festgehalten werden, um den Vertragsparteien Rechtssicherheit zu geben und Streitigkeiten über den Vertragsinhalt zu vermeiden (Beweisfunktion). Bei Vorliegen eines Schriftformfehlers müssen die Mietvertragsparteien nicht die lange Laufzeit abwarten, sondern können vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit von dem Mietvertrag durch eine ordentliche Kündigung Abstand nehmen. Die deutsche Rechtsprechung versucht einerseits, opportunistisches Verhalten zu verhindern, indem sie die Anforderungen an die Einhaltung der Schriftform lockert. Andererseits hat die Rechtsprechung jedoch den intensiven Bemühungen der Kautelarpraxis zur Beschränkung von Schriftformkündigungen eine Absage erteilt, sodass es kaum möglich ist, Schriftformkündigungen vor-

2007, 3202, 3203; BGH NJW 2014, 2102 Rn. 27; BGH NJW 2016, 311 Rn. 25; BGH NJWRR 2021, 266 Rn. 28; wobei der Bundesgerichtshof in keiner dieser Entscheidungen eine Treuwidrigkeit angenommen hat. 210 BGH NJW 2004, 1103, 1104. 211 BGHZ 200, 98 Rn. 16; BGHZ 216, 68 Rn. 24; BGH NJW 2013, 1083 Rn. 26; BGH NJW 2014, 2102 Rn. 27; BGH NJW 2016, 311 Rn. 25. 212 Siehe im Einzelnen: BGH NJW-RR 1986, 944, 945; vertiefend Bub/Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2568.

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C. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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zubeugen. Wurde eine Schriftformkündigung erklärt, kann ihr schließlich nur im Ausnahmefall gemäß § 242 BGB die Treuwidrigkeit entgegengehalten werden. Die Beweis- und Warnfunktion ist zudem gegenüber dem Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber untergeordnet. Dies zeigt sich daran, dass bei Auslegungsfragen zunächst vorrangig das Informationsinteresse potenzieller Erwerber berücksichtigt wird. Spricht dieser Schutzzweck gegen die Anwendung des § 550 BGB, aber die Beweis- und Warnfunktion dafür, so wird regelmäßig der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber stärker gewichtet. Insgesamt erscheint die Rechtsprechungslinie des Bundesgerichtshofs in sich nicht widerspruchsfrei: So wird einerseits eine Einschränkung des Erwerberschutzes im Rahmen der Auflockerungsrechtsprechung in Kauf genommen, während andererseits bei der Unterzeichnung durch organschaftliche Vertreter zwingend an einer formalisierten Betrachtung zum Schutz der Erwerber festgehalten wird. Während der Bundesgerichtshof vorrangig auf den Schutz potenzieller Erwerber in Auslegungsfragen zu § 550 BGB abstellt, sprach der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zu den Schriftformklauseln von der „wichtige[n] Warnfunktion“213 des § 550 BGB, die nicht bedeutungslos werden dürfe. Ob die Beweis- und Warnfunktion weiter an Bedeutung gewinnen und bei der Auslegung des § 550 BGB stärkere Berücksichtigung finden wird, kann derzeit nur schwer abgeschätzt werden. Trotz zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen ist das Schriftformerfordernis des § 550 BGB weiterhin mit Abgrenzungsfragen belastet und die Rechtsfolge der Formvorschrift ermöglicht den Vertragsparteien, einen langfristigen Mietvertrag vorzeitig ordentlich zu kündigen. Die Kautelarpraxis kann dem kaum etwas entgegensetzen, was das Bedürfnis nach einem Eingreifen des Gesetzgebers unterstreicht.

C. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber I. Bindung des Erwerbers an Mietverträge Nach dem Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse wirkt ein Mietvertrag lediglich zwischen den Parteien, also Vermieter und Mieter. § 566 Abs. 1 BGB statuiert eine Ausnahme von diesem Grundsatz, für den Fall, dass vermieteter Wohnraum veräußert wird. Die Vorschrift findet nach § 578 Abs. 1, 2 BGB auch bei Mietverträgen über Gewerberaum Anwendung. Sofern die Mietsache dem Mieter bereits überlassen wurde, ordnet § 566 Abs. 1 BGB an, dass „der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietvertrag ergebenden Rechte und Pflichten ein[tritt].“ Die Überlassung der Mietsache setzt voraus, dass der Mieter den

213

BGHZ 216, 68 Rn. 36.

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unmittelbaren Besitz daran vom Vermieter eingeräumt bekommen hat.214 Weitere Voraussetzung des § 566 Abs. 1 BGB ist, dass der Vermieter mit dem Verkäufer identisch ist.215 Erwerber treten in den Mietvertrag durch Veräußerung der Immobilie ein, also durch die rechtsgeschäftliche Verschaffung des Eigentums daran.216 Es ist dabei unerheblich, welcher schuldrechtliche Vertrag die kausale Grundlage dafür bildet.217 Die Überschrift des § 566 BGB, die auf eine zentrale Bedeutung des Kaufvertrags schließen lässt („Kauf bricht nicht Miete“), ist daher irreführend.218 Liegen die Voraussetzungen des § 566 Abs. 1 BGB vor, tritt der Erwerber in das Mietverhältnis ein. Der Bundesgerichtshof wertet die Rechtsfolgen der Norm so, dass der Erwerber nicht in den bestehenden Vertrag eintritt, sondern zwischen Mieter und Erwerber ein neuer Mietvertrag begründet wird, dessen Inhalt sich aber nach dem Mietvertrag zwischen Mieter und Verkäufer richtet.219 Als Folge dieser Auslegung des § 566 Abs. 1 BGB greift – in Ermangelung einer Rechtsnachfolge – die Schuldnerschutzvorschrift des § 404 BGB im Verhältnis zwischen Mieter und Erwerber nicht.220 Der Erwerber tritt gem. § 566 Abs. 1 BGB „in die sich […] aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein“. Er tritt daher nicht zwangsläufig in alle zwischen Vermieter und Mieter getroffenen Abreden ein, sondern lediglich in „solche Rechte und Pflichten, die als mietrechtlich zu qualifizieren sind oder die in untrennbarem Zusammenhang mit dem Mietvertrag stehen.“221 Da sich der Inhalt des nach Auffassung des Bundesgerichtshofs neu entstehenden Mietverhältnisses nach den Abreden zwischen Verkäufer und Mieter richtet, haben Erwerber ein hohes und nachvollziehbares Interesse daran, über

214 BGHZ 223, 106 Rn. 29; BGH NJW-RR 2016, 784 Rn. 22 m. w. N.; MüKoBGB/Häublein, § 566 Rn. 14. 215 BGHZ 154, 171, 175; BGHZ 215, 236 Rn. 15; BGH NJW 1974, 1551, 1551; BGH NJW-RR 2004, 657, 658; BGH NJW-RR 2010, 1095 Rn. 15; BGH NJW-RR 2012, 237 Rn. 12; BGH NJW-RR 2022, 233 Rn. 25; dazu auch MüKoBGB/Häublein, § 566 Rn. 20. 216 Staudinger/Emmerich, § 566 Rn. 38. 217 MüKoBGB/Häublein, § 566 Rn. 17 m. w. N.; Staudinger/Emmerich, § 566 Rn. 39 m. w. N. 218 MüKoBGB/Häublein, § 566 Rn. 17; Weitemeyer, in: Börstinghaus/Eisenschmid (Hrsg.), FS Blank, S. 445, 445; Börstinghaus, NZM 2004, 481, 482; Schön, JZ 2001, 119, 119 f. m. w. N.; Streyl, NZM 2010, 343, 343 f. 219 BGHZ 166, 125 Rn. 14; BGHZ 202, 354 Rn. 10; BGHZ 215, 236 Rn. 15; BGHZ 223, 106 Rn. 24; BGH NJW 1962, 1388, 1390; BGH NJW 2000, 2346; BGH NJW 2012, 3032 Rn. 25; BGH NJW 2017, 254 Rn. 17; BGH NJW-RR 2022, 233 Rn. 25; krit. gegenüber der Neubegründung eines Mietvertrags und für eine Rechtsnachfolge im bestehenden Mietvertrag unter vielen: Staudinger/Emmerich, § 566 Rn. 5 m. w. N.; Streyl, NZM 2010, 343, 347. 220 BGHZ 166, 125 Rn. 15; BGH NJW 1962, 1388, 1390; BGH NJW 2000, 2346. 221 BGH NJW 2012, 3032 Rn. 26; BGH NJW 2017, 254 Rn. 18; wie bereits dargestellt, tritt ein Erwerber beispielsweise nicht in eine Vereinbarung ein, die die Eingehung des Mietvertrags durch eine Einmalzahlung entlohnt, siehe dazu § 2 B. I. 2. a).

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diese Abreden informiert zu werden. Insbesondere auch deshalb, da bestehende Mietverträge großen Einfluss auf den Wert der Immobilie haben können.222

II. Gesetzlicher Schutz des Informationsinteresses Die deutsche Rechtsordnung erkennt dieses Bedürfnis potenzieller Erwerber und nimmt sich dessen auf verschiedenen Wegen an. 1. Formvorschrift des § 550 BGB Primär schützt das geltende deutsche Recht das Informationsinteresse potenzieller Erwerber durch das Formerfordernis des § 550 BGB. Die Vorschrift zielt darauf, dass eine schriftliche Vertragsurkunde als Informationsquelle geschaffen wird.223 Konnte sich ein Kaufinteressent nicht verlässlich durch eine schriftliche Vertragsurkunde über den Vertragsinhalt informieren, tritt er zunächst dennoch in das Mietverhältnis nach § 566 Abs. 1 BGB ein. Er kann sich aber vorzeitig lösen. So kann vermieden werden, dass Erwerber über Jahre an Mietverträge, deren wesentlichen Inhalt sie nicht kennen, gebunden sind. Insofern findet ein Gleichlauf mit dem Schutz der Mietvertragsparteien durch die Formvorschrift des § 550 BGB statt. a) Priorisierung innerhalb des doppelten Schutzzwecks Da das deutsche Recht sowohl den Schutz der Mietvertragsparteien als auch des Informationsinteresses potenzieller Erwerber über § 550 BGB bezweckt, müssen diese in ein Rangverhältnis zueinander gesetzt werden. Es hat sich gezeigt, dass der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber Vorrang vor dem Schutz der Mietvertragsparteien genießt.224 Dies wird beispielsweise daran deutlich, dass die Wesentlichkeit und damit die Formbedürftigkeit einer Abrede aus der Sicht eines potenziellen Erwerbers und nicht aus der Perspektive der Vertragsparteien beurteilt wird.225 In einigen Fallkonstellationen stehen die beiden Schutzzwecke in Spannung zueinander. Dies vor allem dann, wenn die Mietvertragsparteien bei einer Abrede schutzbedürftig sind, diese Abrede jedoch für einen Erwerber keine Relevanz hat. Dies zeigt sich eindrucksvoll am Beispiel des Mietvorvertrags. Ein Mietvorvertrag, also ein Vertrag durch den sich beide Parteien verpflichten, in Zukunft einen Mietvertrag einzugehen, bedarf nach Ansicht des Reichsgerichts, der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat, nicht der Form des § 550 BGB (seinerzeit § 566 BGB a. F.).226 Hier trete der Erwerber in diesen nicht gemäß § 566 Abs. 1 222

Siehe § 1 A. Siehe § 2 A. I. 224 Siehe § 2 B. III. 225 Siehe § 2 B. I. 2. a). 226 RGZ 86, 30, 32 ff.; BGH NJW 1954, 71 (LS); BGH BB 1961, 1027; BGH NJW 2007, 1817 Rn. 14. 223

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BGB (seinerzeit § 571 Abs. 1 BGB a. F.) ein und müsse mithin nicht über dessen Vertragsinhalt informiert werden. Die Begründung des Reichsgerichts beruhte auf der Auffassung, dass § 550 BGB (§ 566 BGB a. F.) nur dem Informationsinteresse des Erwerbers diene.227 Da der Bundesgerichtshof mittlerweile auch die Beweis- und Warnfunktion des § 550 BGB akzeptiert hat, wird das Festhalten an der Auffassung des Reichsgerichts kritisiert und angeführt, dass konsequenterweise auch Mietvorverträge, aus denen auf die Eingehung eines Mietvertrags geklagt werden kann, dem Schriftformerfordernis unterliegen müssten.228 Durch einen Mietvorvertrag verpflichten sich Vermieter und Mieter bereits, einen langjährigen Mietvertrag zu bestimmten Konditionen einzugehen, sodass sie schutzbedürftig sind. Der Schutz der Vertragsparteien muss sich jedoch unterordnen und wird verdrängt. b) Kein umfassender Schutz des Informationsinteresses Obwohl § 550 BGB primär den Schutz der potenziellen Erwerber beabsichtigt, bedeutet dies nicht, dass dieser Schutz grenzenlos ist. Im Gegenteil, durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wurde deutlich, dass der Schutz potenzieller Erwerber durch § 550 BGB spürbar eingeschränkt ist. aa) Aufhebungsvertrag So bedarf die vollständige Aufhebung eines Mietvertrags nicht der Schriftform des § 550 BGB, da ein Erwerber in diesen nicht mehr nach § 566 Abs. 1 BGB eintritt und dieser für ihn daher nicht mehr von Interesse ist.229 Es verwundert zunächst, dass ein Erwerber kein Interesse daran haben soll, ob langfristige Mietverträge weiterhin bestehen oder aufgehoben wurden, da diese einen großen Teil des Immobilienwerts ausmachen.230 Allerdings soll die Norm des § 550 BGB – nach dem Verständnis des Bundesgerichtshofs – Erwerber lediglich davor schützen, dass sie infolge von § 566 Abs. 1 BGB über Jahre an unbekannte Vertragsbedingungen gebunden werden.231 Dieses eingeschränkte Schutzzweckverständnis wird mit der systematischen Verknüpfung zu § 566 Abs. 1 BGB begründet und ferner damit, dass andernfalls das Gesetz neben dem Vertragsschluss auch die Aufhebung eines langfristigen Mietvertrags dem Schriftformer-

227

RGZ 86, 30, 32 ff. BeckOKBGB/Herrmann, § 550 Rn. 3; Michalski, WM 1998, 1993, 1997; Schlemminger, Die gesetzliche Form der langfristigen Mietverträge über Grundstücke und Räume, S. 71 ff. 229 BGHZ 65, 49, 55; MüKoBGB/Bieber, § 550 Rn. 5; Grüneberg/Weidenkaff, § 550 Rn. 15; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 39; Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 50; Blank/ Börstinghaus/Blank, § 550 Rn. 55; Bub/Treier/Landwehr, Kap. II Rn. 2461; Lindner-Figura/ Opre´e/Stellmann/Linder-Figura, Kap. 6 Rn. 67. 230 So auch Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 91. 231 BGHZ 154, 171, 180; BGHZ 200, 98 Rn. 26; zustimmend Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 91. 228

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fordernis unterworfen hätte.232 Das Risiko der jahrelangen Bindung an unbekannte Vertragsbedingungen droht nicht, wenn ein langfristiger Mietvertrag aufgehoben wird. Die in diesem Fall enttäuschten Gewinnerwartungen des Erwerbers sind vom Schutzzweck des § 550 BGB nicht umfasst. § 550 BGB soll keine umfassende Informationsquelle für potenzielle Käufer darstellen, sondern nur gewährleisten, dass Erwerber die Bedingungen der Verträge kennen, in die sie nach § 566 Abs. 1 BGB eintreten.233 bb) Wirksamkeit des Mietvertrags Ein Formfehler lässt den Mietvertrag gerade nicht nach § 125 S. 1 BGB nichtig werden, sondern dieser ist nur ordentlich kündbar.234 Der Bundesgerichtshof unterscheidet daher strikt zwischen materieller Wirksamkeit des Mietvertrags und der Einhaltung der Schriftform. Zudem betont der Bundesgerichtshof, dass § 550 BGB nicht dazu dienen soll, dass ein Erwerber die Wirksamkeit des Vertrags beurteilen kann.235 Praxisrelevant sind dabei insbesondere Fallkonstellationen, die den Zugang von Willenserklärungen oder die Stellvertretung betreffen. (1) Zugang der Willenserklärung Eine Willenserklärung auf Abschluss eines Mietvertrags muss einer abwesenden Partei zugehen, um nach § 130 Abs. 1 BGB wirksam zu werden. Dies ist insbesondere wichtig, wenn die Parteien jeweils nur auf dem für die andere Partei bestimmten Exemplar unterzeichnen i. S. v. § 126 Abs. 2 S. 2 BGB. Damit der Vertrag wirksam wird, muss das für die jeweilige Partei bestimmte Exemplar ihr auch zugehen.236 Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass dieses Zugangserfordernis keine Voraussetzung für die Schriftform nach § 550 BGB ist, vielmehr genügt die bloße Existenz zweier gleichlautender Dokumente, die jeweils von einer Vertragspartei unterzeichnet wurden.237 Das Zugangserfordernis wird als bloße Wirksamkeitsvoraussetzung angesehen, die sich auf die Form der Urkunde nicht auswirkt.238 Auch die Frage, ob ein Mietvertrag, dessen Vertragsurkunde erst nach Ablauf der Annahmefrist unterzeichnet wurde und dem Erklärenden zugegangen ist, die Schriftform des § 550 BGB wahrt, musste der Bundesgerichtshof entscheiden.

232

BGHZ 154, 171, 180. BGHZ 154, 171, 180; BGHZ 200, 98 Rn. 26; Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 91. 234 Zur Begründung, weshalb Formfehler zu einer ordentlichen Kündbarkeit führen, siehe § 1 A. 235 BGHZ 160, 97, 104 f.; BGHZ 176, 301 Rn. 14; BGH NJW 2007, 3346, 3347; BGH NJW 2009, 2195, 2196; BGH NJW 2010, 1518 Rn. 14. 236 BGHZ 218, 70 Rn. 23. 237 BGHZ 218, 70 Rn. 22 ff. 238 BGHZ 218, 70 Rn. 24. 233

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Problematisch ist, dass der schriftliche Mietvertrag materiell rechtlich unwirksam ist und ein konkludenter Mietvertrag erst durch die Überlassung der Mietsache zustande kommt. Der Mietvertrag wurde also nicht durch die schriftliche Vertragsurkunde geschlossen. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs liegt in diesem Fall kein Schriftformverstoß vor, da eine Mietvertragsurkunde mit dem identischen Inhalt vorliegt.239 Es ist daher unerheblich, ob der Mietvertrag durch die Unterschriften auf der Vertragsurkunde oder erst zu einem späteren Zeitpunkt (konkludent) zustande kommt. Der Bundesgerichtshof begründet dies damit, dass eine schriftliche Vertragsurkunde vorliege, aus der sich der potenzielle Erwerber über die Vereinbarungen informieren könne und dem Schutzzweck des § 550 BGB damit Genüge getan sei.240 Auch die nachrangige Beweis- und Warnfunktion sei erfüllt, wenn beide Vertragsparteien eine Vertragsurkunde unterzeichnen, aus der sich die Vereinbarungen ergeben.241 (2) Stellvertretung Das Verhältnis von materieller Wirksamkeit zur Schriftform wird ebenfalls bedeutsam, wenn sich eine der Mietvertragsparteien bei Vertragsschluss vertreten lässt. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretung ergeben sich aus § 164 BGB. Für die Schriftform nach § 550 BGB ist dagegen nur auf die äußere Form der Vertragsurkunde abzustellen. Handelt ein Vertreter für eine der Mietvertragsparteien, muss dessen Vertretungswille anhand der Urkunde hinreichend erkennbar sein.242 Das Vorliegen von Vertretungsmacht ist keine Voraussetzung der Schriftform und es muss auch nicht dargelegt werden, worauf der Unterzeichner seine Vertretungsmacht stützt.243 Auch ein vollmachtloser Vertreter kann danach die Schriftform wahren.244 Zur Kenntlichmachung der Vertretung kann ein Vertretungszusatz (z. B. „i. V.“) bei der Unterschrift angebracht werden, allerdings ist dies nicht zwingend, wenn sich aus der Urkunde auch anderweitig der Vertretungswille ergibt.245 So liegt beispielsweise der Fall, wenn eine völlig andere Person als die im Mietvertrag angegebene unterzeichnet, da in diesem Fall nur eine Vertretung gewollt sein kann.246 Von einer Unterzeichnung mit dem Kürzel „i. A.“ sollte nach einer Entscheidung des Landgerichts Berlin eher abgesehen werden, da nach Auffassung des Gerichts so kein

239

BGH NJW 2010, 1518 Rn. 24; BGH NJW 2015, 2648 Rn. 33. BGH NJW 2010, 1518 Rn. 25; BGH NJW 2015, 2648 Rn. 33. 241 BGH NJW 2010, 1518 Rn. 27; BGH NJW 2015, 2648 Rn. 33. 242 BGHZ 176, 301 Rn. 15; BGH NJW 2015, 2648 Rn. 37. 243 BGHZ 176, 301 Rn. 15; BGHZ 183, 67 Rn. 10; BGH NJW 2005, 2225, 2226; BGH NJW 2007, 3346, 3346. 244 BGHZ 160, 97, 105; BGHZ 176, 301 Rn. 29; BGHZ 183, 67 Rn. 10; BGHZ 205, 99 Rn. 24; BGH NJW 2005, 2225, 2226; BGH NJW 2007, 3346, 3346; BGH NJW 2010, 1518 Rn. 14. 245 BGHZ 176, 301 Rn. 27; BGHZ 183, 67 Rn. 15. 246 BGHZ 183, 67 Rn. 16; BGH NJW 2005, 2225, 2226; BGH NJW 2007, 3346, 3346 f. 240

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Vertretungswille, sondern vielmehr nur der Wille, als Bote zu handeln, deutlich werde und die Schriftform daher nicht gewahrt sei.247 Eine Vollmacht sowie eine Genehmigung bei fehlender Vertretungsmacht unterliegen nicht dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB, was aus §§ 167 Abs. 2, 182 Abs. 2 BGB geschlossen wird.248 cc) Liberalisierungstendenz des Bundesgerichtshofs Wie ausgeführt, begegnet der Bundesgerichtshof opportunistischem Verhalten, welches die Rechtsfolge des § 550 BGB für sich nutzen will, indem die Anforderungen an die Schriftform gelockert werden.249 An der Liberalisierungstendenz des Bundesgerichtshofs wird Kritik geübt, insbesondere im Hinblick auf den Schutz potenzieller Erwerber. So befürchtet Michalski, dass durch das Aufweichen des Schriftformerfordernisses potenzielle Erwerber von Veräußerern leichter betrogen werden könnten, wenn nicht ausnahmslos alle Vertragsbedingungen in einer Vertragsurkunde zusammengefasst werden, deren Seiten fest miteinander verbunden sind.250 Der Bundesgerichtshof begegnet solchen Bedenken mit einem Berufen auf den eingeschränkten Schutzzweck des § 550 BGB. Die Norm solle danach nicht vor betrügerischen Machenschaften des Veräußerers schützen.251 Auch der historische Gesetzgeber des BGB hat deutlich gemacht, dass das Schriftformerfordernis keinen Schutz für potenzielle Erwerber bieten könne, wenn der Verkäufer die schriftliche Vertragsurkunde – möglicherweise aus zu missbilligenden Motiven – dem Erwerber nicht zur Verfügung stellt.252 Die Liberalisierungstendenz des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Formanforderungen und insbesondere die Auflockerungsrechtsprechung sieht sich zudem weiterer Kritik ausgesetzt. Leo wendet gegen diese ein, dass durch die fortwährende Herabsetzung der Schriftformanforderungen der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber immer weiter zurückgedrängt werde, da dieser am Ende den wirtschaftlichen Schaden zu tragen habe, wenn nicht alle zur Kaufentscheidung nötigen Informationen über das Mietverhältnis rechtzeitig vorliegen.253 Dieser Kritik muss man zugeben, dass durch die Auflockerungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs anstelle von klaren Kriterien nun eine Prüfung im Einzelfall nötig ist, um feststellen zu können, ob die Schriftform gewahrt ist. Dies erhöht die Rechtsunsicherheit, insbesondere für Erwerber. Die

247 LG Berlin ZMR 2019, 337, 338; zustimmend Burbulla, ZMR 2019, 338, 338; a. A. OLG Rostock, ZMR 2018, 828, 828 mit Verweis auf OLG Brandenburg MDR 2011, 1032 Rn. 22, wonach durch das Kürzel i. A. sehr wohl ein Vertretungswille deutlich werde. 248 OLG Düsseldorf ZMR 2006, 35; Jacoby, NZM 2011, 1, 3; Lindner-Figura/Opre´e/Stellmann/Lindner-Figura, Kap. 6 Rn. 26. 249 Siehe § 2 B. II. 4. a). 250 Michalski, WM 1998, 1993, 2003. 251 BGHZ 52, 25, 28; BGHZ 136, 357, 370 f. 252 Achilles/Spahn/Gebhard, Bd. II, 1898, S. 150; Mugdan, Bd. II, 1899, S. 825. 253 BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 11; Leo, NZM 2005, 688, 689.

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Lockerung der Schriftformanforderungen führt jedoch auch dazu, dass die Möglichkeit von vorzeitigen Vertragsbeendigungen wegen Schriftformmängeln eingeschränkt wird, was im Ergebnis die Planungssicherheit der Mietvertragsparteien und Erwerber erhöht. Eine Liberalisierung der Schriftformanforderungen hat damit eine höhere Planungssicherheit, aber daneben auch einen geringeren Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber zur Folge. Die Tendenz des Bundesgerichtshofs zur Schaffung von Formerleichterungen bewegt sich daher in einem Spannungsfeld zwischen dem Zweck des § 550 BGB, das Informationsinteresse potenzieller Erwerber zu schützen, und der Eindämmung von Schriftformkündigungen.254 Kritisiert wird an der Auflockerungsrechtsprechung ferner, dass auf dem ursprünglichen Mietvertrag kein Hinweis auf Nachtragsvereinbarungen erfolgen muss.255 Mangels körperlicher Verbindung und Verweisen auf die Nachträge in dem Hauptmietvertrag könnten potenzielle Erwerber, so die Kritik, nicht verlässlich erkennen, ob Nachträge vorliegen oder nicht.256 So muss der Erwerber den Veräußerer fragen, ob alle Unterlagen (und insbesondere alle Nachtragsvereinbarungen) des Mietverhältnisses offengelegt wurden. Im Gegenzug wird die Vertragspraxis erleichtert und die Anforderungen an die Schriftform herabgesetzt, wodurch vertragsreuigen Mietvertragsparteien weniger Möglichkeiten zu einer Schriftformkündigung geboten werden. Die einem potenziellen Erwerber auferlegten Nachforschungen erscheinen daher als hinnehmbar. Die Tendenz der Rechtsprechung zur Liberalisierung hinsichtlich der Formanforderungen ist daher trotz der Einschränkungen des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber im Ergebnis als positiv zu bewerten.257 dd) Erforderliche Nachforschungen Erwerber müssen, um sich zu schützen, nicht nur erfragen, ob alle schriftlichen Vereinbarungen vorgelegt wurden. Es gibt noch weitere Informationen, die für einen Erwerber relevant sind, die sich jedoch nicht aus der Mietvertragsurkunde ergeben müssen. (1) Ausübung von Optionsrechten Regelmäßig sehen vor allem Verträge im Gewerberaummietrecht Optionsrechte vor, durch die die Mietverträge einseitig verlängert werden können. Es stellt sich dabei die Frage, ob die Ausübung eines solchen Optionsrechts schriftformbe-

254

Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 126. Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 44. 256 Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 44. 257 So auch Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 127. 255

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dürftig ist. Während die Oberlandesgerichte diese Frage unterschiedlich beantworteten258, verneinte sie der Bundesgerichtshof259. Ausschlaggebend für den Bundesgerichtshof war das Argument, dass nach § 550 BGB nur Vertragsschlüsse schriftformbedürftig sind, aber die einseitige Ausübung eines zuvor vertraglich gewährten Optionsrechts keinen (Änderungs-)Vertrag darstellt.260 Dieses formalistische Argument überrascht zunächst in Anbetracht des von § 550 BGB bezweckten Erwerberschutzes. Insbesondere bei Verlängerungsoptionen hat ein potenzieller Erwerber wegen ihrer Auswirkungen auf die Vertragslaufzeit ein hohes Interesse daran, zu erfahren, ob diese ausgeübt wurden. An dieser Stelle werden weitere Grenzen des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber in § 550 BGB aufgezeigt. Nach dem Schutzzweckverständnis des Bundesgerichtshofs genügt es, dass ein potenzieller Erwerber im schriftlichen Mietvertrag auf das Bestehen eines Optionsrechts hingewiesen werde und bei den Vertragsparteien anschließend erfragen könne, ob davon Gebrauch gemacht wurde.261 Die Einräumung von Optionsrechten muss daher schriftlich im Mietvertrag vereinbart werden.262 Dass die Ausübung von Optionsrechten nicht schriftlich erfolgen muss, wird aus Erwerberschutzaspekten kritisiert.263 (2) Ungewisser Übergabezeitpunkt Die Mietdauer und damit auch der Mietbeginn müssen im Mietvertrag hinreichend bestimmbar sein, damit die Schriftform gewahrt ist.264 Problematisch ist dies in den Fällen, in denen ein Mietvertrag erst mit Übergabe der Mietsache beginnen soll. Bei einem ungewissen Übergabedatum ist sowohl der Beginn des Mietverhältnisses als auch dessen Ende zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht sicher bestimmbar. Die Rechtsprechung sieht in einem solchen Fall allerdings keinen Formfehler.265 Der Bundesgerichtshof begründet dies damit, dass es genüge, dass potenzielle Erwerber durch eine entsprechende Klausel im Mietvertrag hinreichend gewarnt seien und bei den Mietvertragsparteien nachfragen können, wann die Mietsache übergeben wurde.266

258 Für die Formbedürftigkeit: OLG Frankfurt am Main NZM 1998, 1006, 1006; OLG Köln NZM 2006, 464, 464; OLG Köln ZMR 2013, 884, 885; dagegen: OLG Dresden NZM 2017, 442 Rn. 22; KG ZMR 2018, 209, 211. 259 BGHZ 220, 235 Rn. 22; BGH NJW 2014, 1300 Rn. 28; BGH NJW-RR 2018, 1101 Rn. 20. 260 BGHZ 220, 235 Rn. 24. 261 BGHZ 176, 301 Rn. 15; BGHZ 200, 98 Rn. 26; BGHZ 220, 235 Rn. 27; BGH NJW 2007, 3273, 3275; BGH NJW 2014, 1300 Rn. 28. 262 BGHZ 220, 235 Rn. 23; BGH NJW-RR 2018, 1101 Rn. 20. 263 BeckOGKBGB/Dittert, § 550 Rn. 122; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 12. 264 Siehe zum Erfordernis der hinreichenden Bestimmbarkeit § 2 B. I. 2. c). 265 BGH NJW 2006, 139, 140; BGH NJW 2007, 1817 Rn. 12 f.; BGH NJW 2007, 3273, 3274; BGH NJW 2013, 3361 Rn. 22 f.; BGH NJW 2014, 1300 Rn. 22. 266 BGH NJW 2013, 3361 Rn. 25.

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(3) Änderung der Mietvertragsparteien durch zweiseitigen Vertrag Es wurde bereits erörtert, dass ein Wechsel der Mietvertragsparteien eine für Erwerber wesentliche und damit formbedürftige Vertragsänderung darstellt.267 Neben der Möglichkeit, einen dreiseitigen Vertrag zwischen den bisherigen Vertragsparteien und der neuen Vertragspartei zu schließen, ist ein Wechsel oder Beitritt auch dadurch möglich, dass zwei Parteien einen Übernahmevertrag mit Zustimmung der dritten Partei schließen.268 Bei einem zweiseitigen Vertrag muss der Übernahmevertrag die Form des § 550 BGB wahren, wenn die Laufzeit unberührt bleiben soll.269 Die Zustimmung des Dritten ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs dagegen formlos möglich.270 Dazu beruft sich dieser erneut – ähnlich wie bei der Ausübung eines Optionsrechts – darauf, dass § 550 BGB nicht bezwecke, dass sich alle für den Erwerber relevanten Informationen aus dem schriftlichen Mietvertrag ergeben.271 Es bleibt dem Erwerber also überlassen, bei den Vertragsparteien nach der nötigen Zustimmung zu fragen. c) Fazit zum Schutz des Informationsinteresses durch § 550 BGB Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Schutz potenzieller Erwerber durch § 550 BGB beschränkt. Die Norm soll nicht gewährleisten, dass sich alle für einen Käufer relevanten Informationen aus der Vertragsurkunde ergeben oder Erwerber die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vereinbarungen überprüfen können. Vielmehr sollen Erwerber sich nur über die wesentlichen Abreden des Mietvertrags informieren können, in die sie tatsächlich eintreten werden. Bestimmte, für den Erwerber relevante Informationen müssen sich daher nicht aus der Vertragsurkunde ergeben, sondern sind vom Erwerber im eigenen Interesse von dem Verkäufer zu erfragen. 2. Vorvertragliche Pflichten des Verkäufers und weiterer Schutz des Käufers Der Schutz des Informationsinteresses des Erwerbers wird durch vorvertragliche Pflichten des Verkäufers flankiert. Rechtsgrundlage hierfür sind die Regelungen zur culpa in contrahendo. Für den Fall, dass der Verkäufer den Erwerber falsch oder unvollständig über die Absprachen des Mietvertrags informiert hat, sind ebenfalls Gewährleistungs- und Anfechtungsrechte relevant.

267

Siehe § 2 B. I. 4. b). BGHZ 95, 88, 93 f.; BGH NJW-RR 2008, 97, 98; Staudinger/Emmerich, § 540 Rn. 64; für die Formbedürftigkeit eines dreiseitigen Vertrags siehe § 2 B. I. 4. b). 269 BGH NJW 2013, 1083 Rn. 23 und 25 m. w. N.; vertiefend Staudinger/Emmerich, § 540 Rn. 67. 270 BGHZ 154, 171, 180; BGH NJW-RR 2005, 958, 959; BGH NJW 2013, 1083 Rn. 25. 271 BGHZ 154, 171, 180; BGH NJW-RR 2005, 958, 959. 268

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a) Culpa in contrahendo Hat der Verkäufer den Käufer vor Kaufvertragsschluss über den Inhalt des Mietvertrags unrichtig informiert, kommen zunächst Ansprüche aus vorvertraglichen Schutzpflichtverletzungen nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB in Betracht.272 Ein Verkäufer kann sich darüber hinaus auch dadurch schadensersatzpflichtig machen, dass er gegenüber dem Erwerber Absprachen aus dem Mietverhältnis verschweigt.273 Es können daher Aufklärungspflichten des Verkäufers hinsichtlich des Mietvertragsinhalts bestehen. Aufklärungspflichten entstehen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, „wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für seine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind“274. Der Bundesgerichtshof hält Schadensersatzansprüche des Erwerbers für möglich, wenn der Verkäufer für den Erwerber nachteilhafte Vereinbarungen in einem Mietvertrag im Kaufprozess nicht preisgibt.275 Das Bestehen von Aufklärungspflichten ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig.276 Pauschale Aussagen, welche Abreden eines Mietvertrags der Verkäufer offenlegen muss, können daher nicht getroffen werden. Einen Anspruch des Käufers aus vorvertraglicher Schutzpflichtverletzung bejahte der Bundesgerichtshof beispielsweise, als der Verkäufer dem Käufer eine nachträglich vereinbarte Verlängerungsoption des Mieters nicht offenlegte und der Erwerber daher länger als angenommen an den Mietvertrag gebunden war.277 Auch dürften Herabsetzungen oder gar der Erlass der Miete für einen nach dem Erwerb liegenden Zeitraum zu einer Aufklärungspflicht des Verkäufers führen, insbesondere bei finanzierten Renditeobjekten. Dem getäuschten Käufer steht nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang der Anspruch des Erwerbers auf Aufhebung des Kaufvertrags. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs setzt ein solcher Anspruch auf Befreiung von den vertraglichen Pflichten an und für sich einen Vermögensschaden voraus.278 Ein Schaden kann nach der Differenzhypothese darin liegen, dass der Käufer keine adäquate Gegenleistung für den geschuldeten Kaufpreis erhält.279 Aber

272 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 9; Häublein, JZ 2018, 755, 761; Michalski, WM 1998, 1993, 1994. 273 Michalski, WM 1998, 1993, 1994. 274 Jeweils allgemein zu Aufklärungspflichten bei Vertragsverhandlungen: BGH NJW-RR 2016, 859 Rn. 12; BGH NJW 2017, 3586 Rn. 14; nahezu wortlautgleich auch BGH NJW 2010, 3362 Rn. 22 m. w. N. 275 BGHZ 200, 98 Rn. 27; BGHZ 216, 68 Rn. 29. 276 BGHZ 96, 302, 311; BGH NJW 1970, 653, 655; BGH WM 1977, 394, 396; BGH NJW 1987, 909, 910. 277 BGH NJW 2001, 2875, 2876. 278 BGH NJW 1998, 302, 303; BGH NJOZ 2007, 2044, 2045. 279 BGH NJW 1998, 302, 304.

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auch wenn der Kaufvertrag nicht wirtschaftlich nachteilhaft für den Käufer ist, nimmt der Bundesgerichtshof einen Schaden an, wenn „der von dem schuldhaften Pflichtverstoß Betroffene in seinen Vermögensdispositionen beeinträchtigt ist.“280 Dies ist der Fall, wenn die Kaufsache für den Käufer und „seine Zwecke nicht voll brauchbar ist“281 trotz wirtschaftlich ausgeglichenem Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Erfüllt ein Vertrag danach die Voraussetzungen eines Schadens, kann dieser im Wege der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) über eine Vertragsaufhebung behoben werden.282 b) Gewährleistungsrechte Auch Gewährleistungsrechte können Erwerbern einen Schutz vor falschen Informationen bieten. Bei Asset Deals erwerben die Käufer das Eigentum an der Immobilie, sodass die Gewährleistungsrechte unmittelbar gelten. Share Deals, bei denen der Käufer die Anteile an Gesellschaften erwirbt, in deren Eigentum die Grundstücke stehen, stellen grundsätzlich Rechtskäufe i. S. v. § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB dar, sodass keine Gewährleistungsrechte für Mängel an den Immobilien geltend gemacht werden können.283 Gewährleistungsrechtlich werden Share Deals nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Asset Deals aber gleichgestellt, wenn nach dem Willen der Parteien der Käufer das gesamte Unternehmen erwerben soll und diesem alle – oder nahezu alle – Gesellschaftsanteile verkauft werden, sodass Dritte nur noch eine so unbeträchtliche Beteiligung an der Gesellschaft halten, dass sich diese nicht auf die Verfügungsmacht des Käufers auswirkt.284 Liegen diese Voraussetzungen vor, kann auch der Käufer eines Share Deals Gewährleistungsrechte bei Mängeln an der Immobilie geltend machen. Es soll untersucht werden, ob Sach- (§ 434 BGB) oder Rechtsmängel (§ 435 BGB) und damit Gewährleistungsrechte des Käufers einer vermieteten Immobilie bestehen können, wenn er falsch oder ungenügend über die Abreden des Mietvertrags informiert wurde. aa) Mietverträge als Sach- oder Rechtsmängel der Immobilie Zunächst stellt sich die Frage, ob der Bestand von Mietverträgen überhaupt Sachoder Rechtsmängel der Immobilie begründen können. Der Bundesgerichtshof vertritt ein weites, subjektives Sachmängelverständnis, wonach sich Beschaffenheitsvereinbarungen nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB nicht nur auf die physischen Merkmale einer Kaufsache beziehen müssen.285 Wird als Beschaffenheit der Im280

BGH NJW 1998, 302, 304. BGH NJW 1998, 302, 304; insoweit verweist der Bundesgerichtshof auch auf die unter dem Schlagwort „subjektiver Schadenseinschlag“ bekannte Problematik bei § 263 StGB. 282 MüKoBGB/Emmerich, § 311 Rn. 232. 283 BGHZ 220, 19 Rn. 8. 284 BGHZ 220, 19 Rn. 8; ausführlich dazu Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2 Rn. 19 f. 285 BGHZ 224, 195 Rn. 37 m. w. N.; BGH NJW 2016, 2874 Rn. 10 f. m. w. N. 281

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mobilie vereinbart, dass diese nicht vermietet ist, dann würde ein dennoch bestehender Mietvertrag, der einen Erwerber bindet, einen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB darstellen. Rechtsmängel i. S. v. § 435 S. 1 BGB stellen insbesondere alle auf der Kaufsache lastenden dinglichen Rechte Dritter dar.286 Aber auch Mietverträge, die nach § 566 Abs. 1 BGB Erwerber binden, den Mietern ein Besitzrecht einräumen und damit eine Nähe zu dinglichen Rechten aufweisen, begründen ebenfalls Rechtsmängel i. S. v. § 435 S. 1 BGB.287 Nach § 435 S. 1 HS. 2 BGB stellen einzelne Rechte Dritter dann keine Rechtsmängel dar, wenn der Käufer sich im Kaufvertrag mit deren Übernahme einverstanden erklärt. In der Rechtspraxis werden Mietverträge üblicherweise im Kaufvertrag genannt und von den Erwerbern übernommen.288 Selbst, wenn die Mietverträge nicht im Kaufvertrag vom Käufer übernommen werden, wird diesen zumindest bekannt sein, dass die Immobilie vermietet ist, sodass die Gewährleistungsrechte zumindest nach § 442 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen sein werden.289 bb) Abweichender Inhalt der Mietverträge Das Vorstehende betrifft nur den Bestand von Mietverträgen und gerade nicht deren Inhalt. Genauer beleuchtet werden soll daher, ob Gewährleistungsrechte bestehen können, wenn der Mietvertrag offengelegt wird, aber dieser einen anderen als den vom Verkäufer dargestellten Inhalt hat. Dies soll anhand zweier praxisrelevanter Fallkonstellationen gezeigt werden. (1) Längere Laufzeit Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein Rechtsmangel vor, wenn das Mietverhältnis länger andauert, als der Verkäufer behauptet hat.290 Außerdem liegt ein Rechtsmangel vor, wenn eine Nachtragsvereinbarung verschwiegen wird, nach welcher dem Mieter eine weitere Verlängerungsoption eingeräumt wurde.291 Ein Rechtsmangel liegt auch vor, wenn eine Verlängerungsoption – entgegen den Angaben des Verkäufers – durch den Mieter ausgeübt wurde.292 Haben die Vertragsparteien die Laufzeit eines Mietvertrags als Be286 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 435 Rn. 12; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2 Rn. 91. 287 BGH DNotZ 1972, 485, 485; BGH NJW-RR 1988, 79 zu einem Pachtvertrag, auf den § 566 BGB nach § 581 Abs. 2 BGB ebenfalls Anwendung findet; ebenso BGH NJW 1991, 2700, 2700; BGH NJW-RR 1992, 201, 202; BeckOKMietrecht/Lehr/Schultheiß, § 566 Rn. 46; Jauernig/Berger, § 435 Rn. 5; MüKoBGB/Westermann, § 435 Rn. 7; Staudinger/MatuscheBeckmann, § 435 Rn. 15; Pahlow, Jus 2006, 289, 290. 288 BeckOGKBGB/Gutzeit, § 435 Rn. 37. 289 BeckOGKBGB/Gutzeit, § 435 Rn. 37. 290 Jeweils zu einem Pachtvertrag: BGH NJW 1991, 2700, 2700; BGH NJW-RR 1992, 91, 92. 291 BGH NJW 2001, 2875, 2875; NK-BGB-Schuldrecht/Büdenbender, § 435 Rn. 6. 292 BGH NJW 1998, 534, 534 f.

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schaffenheit der zu erwerbenden Immobilie vereinbart, was zumindest in Verbindung mit den Mieteinnahmen als überwiegend möglich angesehen wird,293 so kann eine tatsächlich längere Dauer auch einen Sachmangel darstellen. Gewährleistungsrechte können nach § 442 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen sein, wenn der Käufer die Mängel bei Vertragsschluss kennt. Allerdings führt die Kenntnis des Käufers von dem Bestand eines Mietvertrags nicht zum Gewährleistungsausschluss nach § 442 BGB, wenn der Mietvertrag eine längere als die angegebene Laufzeit aufweist.294 Es ist daher für § 442 Abs. 1 S. 1 BGB entscheidend, Kenntnis vom Inhalt des Mietvertrags zu haben (und nicht bloß von dessen Bestand). (2) Niedrigere Miete Ferner kann die Miete niedriger sein als der Verkäufer gegenüber dem Käufer behauptet hat. Haben Verkäufer und Käufer bestimmte Mieterträge als Beschaffenheit der Kaufsache vereinbart, liegt ein Sachmangel vor, wenn die tatsächlichen Mieteinnahmen niedriger ausfallen.295 In der Literatur wird überwiegend vertreten, dass ein tatsächlich geschuldeter, niedrigerer Mietzins eine schlechtere als die erwartete Rechtsstellung für den Erwerber bedeutet und damit einen Rechtsmangel begründet.296 Gleiches soll gelten, wenn Mieterhöhungen nicht in dem Maß erfolgen können, wie von einem Veräußerer in Aussicht gestellt.297 Der Bundesgerichtshof hat bisher die Frage unbeantwortet gelassen, ob eine im Mietvertrag enthaltene Mietpreisbindung, die eine Erhöhung der Miete nach den gesetzlichen Vorschriften ausschließt, einen Rechtsmangel an der Immobilie begründet.298 c) Konkurrenz der Gewährleistungsrechte und culpa in contrahendo Grundsätzlich verdrängen die Gewährleistungsrechte sämtliche sachmängelbezogenen Ansprüche aus vorvertraglichen Pflichtverletzungen nach dem Gefahrübergang, um die besonderen kaufrechtlichen Regelungen nicht zu unterlaufen.299 Der Bundesgerichtshof nimmt allerdings dann eine Ausnahme an, wenn der Verkäufer arglistig gehandelt hat und damit nicht schutzwürdig ist.300 Teilt er 293 BGH NJW-RR 1990, 970, 972; MüKoBGB/Westermann, § 434 Rn. 59; krit. BeckOKBGB/Faust, § 434 Rn. 16. 294 Zur Vorgängerregelung in § 439 BGB a. F.: BGH DNotZ 1972, 485, 485; BGH NJW 1991, 2700, 2700 zu einem Pachtvertrag; BGH NJW-RR 1992, 201, 202. 295 BGH NJW 2011, 1217 Rn. 12 f.; dazu auch MüKoBGB/Westermann, § 434 Rn. 59. 296 BeckOGKBGB/Gutzeit, § 435 Rn. 37; BeckOKBGB/Faust, § 435 Rn. 11; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 435 Rn. 15; Lindner, RNotZ 2018, 69, 74; a. A. Erman/Grunewald, § 435 Rn. 8. 297 BeckOKBGB/Faust, § 435 Rn. 11; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 435 Rn. 15. 298 BGH NJW 1998, 445, 447. 299 BGHZ 180, 205 Rn. 19. 300 BGHZ 180, 205 Rn. 19 und 24.

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C. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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arglistig falsche Informationen über den Inhalt eines bestehenden Mietvertrags mit oder verschweigt er arglistig für den Erwerber nachteilhafte Vereinbarungen aus dem Mietvertrag, kommen neben den Gewährleistungsrechten auch Ansprüche aus culpa in contrahendo in Betracht. d) Arglistige Täuschung über Mietvertragsinhalt Täuscht der Verkäufer den Erwerber arglistig über die Mietvertragsbedingungen, kann dem Erwerber auch ein Anfechtungsrecht nach § 123 Abs. 1 BGB zustehen. Dies gilt auch dann, wenn der Verkäufer arglistig seine Aufklärungspflichten verletzt.301 Bei arglistigem Handeln des Verkäufers können außerdem Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB und nach § 826 BGB bestehen. Das Anfechtungsrecht aus § 123 Abs. 1 BGB verdrängt dabei Schadensersatzansprüche aus Deliktsrecht oder culpa in contrahendo, die auf die Aufhebung des Kaufvertrags gerichtet sind, nicht.302 Ferner wird das Anfechtungsrecht aus § 123 Abs. 1 BGB nicht wie § 119 Abs. 2 BGB nach Gefahrübergang von den speziellen kaufrechtlichen Regelungen verdrängt, sondern der Käufer kann wählen, ob er den Kaufvertrag anficht oder Gewährleistungsrechte geltend macht.303 3. Vertragliche Absicherung In Deutschland sieht die Rechtsordnung zwar Gewährleistungsrechte, Ansprüche aus culpa in contrahendo bei unrichtigen Informationen und zum Teil Aufklärungspflichten vor, allerdings verlassen sich die Käufer von vermieteten Immobilien in der Praxis zumeist nicht auf diesen Schutz. Dies liegt zum einen daran, dass in Deutschland die Gewährleistungsrechte des Käufers beim Kauf von Immobilien regelmäßig vertraglich eingeschränkt werden, insbesondere hinsichtlich etwaiger Sachmängel.304 Da es sich bei Grundstücken nicht um bewegliche Sachen handelt und ein Verbrauchsgüterkauf nach § 474 Abs. 1 S. 1 BGB ausscheidet, steht selbst einem Ausschluss der Gewährleistungsrechte auch § 476 Abs. 1 S. 1 BGB nicht entgegen. Ein Haftungsausschluss ist nach § 444 BGB aber nicht für Mängel möglich, die der Verkäufer arglistig verschwiegen hat.

301 BGH NJW-RR 1998, 1406, 1406; BGH GRUR 2003, 702, 703; BGH NJW-RR 2005, 1082, 1083; BeckOKBGB/Wendtland, § 123 Rn. 11. 302 St.Rspr. des BGH, vgl. BGH NJW 1998, 302, 303; dazu auch MüKoBGB/Armbrüster, § 123 Rn. 103 m. w. N. 303 BGHZ 178, 16 Rn. 39. 304 Einen Formulierungsvorschlag für einen gängigen Gewährleistungsausschluss findet sich bei BeckOF Vertrag/Salzig, Form. Nr. 8.1.1 (§ 5 Abs. 1 des Formulars); Haftungsausschlüsse sind bei Nichtneubauten gängig und im Interesse beider Parteien, vgl. Lindner, RNotZ 2018, 69, 70; vertiefend zu Haftungsausschlüssen in Grundstückskaufverträgen Drescher/Anker, NZBau 2017, 583.

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Zum anderen ist es üblich, dass Verkäufer Garantien über den Inhalt der Mietverträge abgeben.305 Daneben erwarten Käufer bei Renditeobjekten regelmäßig auch Garantien unter anderem über nicht ausgeglichene Mietausfälle, bestehende Rechtsstreitigkeiten mit Mietern, die aktuellen Miethöhen und etwaige Kautionen von Mietern.306 Es empfiehlt sich außerdem, dass Abschriften der Mietverträge dem Kaufvertrag als Anlage beigefügt werden.307 Häufig wird der Verkäufer hierzu vertraglich verpflichtet.308 Üblicherweise werden die Mietverträge auch im Kaufvertrag aufgelistet und der Verkäufer garantiert (§ 443 BGB) auf Verlangen der Käufer, dass die Aufzählung abschließend ist, darüber hinaus kein weiteres Mietverhältnis besteht und keine Nebenabreden getroffen wurden.309 Damit sichern sich Erwerber auch vertraglich ab, dass die Verkäufer alle Abreden eines Mietvertrags offengelegt haben. Mit Unterzeichnung des Kaufvertrags wird dem Verkäufer zudem regelmäßig untersagt, die Immobilie neu zu vermieten, Mietverträge zu kündigen oder Änderungen zu bestehenden Mietverträgen zu vereinbaren, wenn der Käufer nicht schriftlich zugestimmt hat.310

III. Fazit zum Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber Um potenzielle Erwerber über die Vertragsbedingungen, in die sie mit dem Erwerb nach § 566 Abs. 1 BGB eintreten, zu informieren, sieht das deutsche Recht ein Schriftformerfordernis für langfristige Mietverträge in § 550 S. 1 BGB vor. Insoweit besteht ein Gleichlauf mit dem Schutz der Mietvertragsparteien, wobei der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber Vorrang genießt. Das Informationsinteresse potenzieller Erwerber wird allerdings nicht grenzenlos geschützt. Dies liegt zum einen am eng verstandenen Schutzzweck des § 550 BGB, der sich nur im Zusammenhang mit § 566 Abs. 1 BGB erklären lässt. § 550 BGB soll potenzielle Erwerber nur die Möglichkeit geben, sich über die Modalitäten eines langfristigen Mietvertrags zu informieren, in den sie nach § 566 Abs. 1 BGB tatsächlich eintreten werden. Die Schriftform soll dem Erwerber nicht ermöglichen, den Bestand oder die Wirksamkeit langfristiger Mietverträge beurteilen zu können. Auch bezweckt die Norm nicht, Erwerber vor betrügerischen Absichten des Verkäufers zu schützen. 305

Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 3175a. BeckFormB ZivilR/Zöpfl, Form. C.1, Rn. 20; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 3175a. 307 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 3175a. 308 Einen Formulierungsvorschlag für eine entsprechende Klausel findet sich in BeckFormB ZivilR/Zöpfl, Form. C.1 (§ 6 Abs. 1 des Formulars). 309 Einen Formulierungsvorschlag für eine entsprechende Klausel findet sich in BeckFormB ZivilR/Zöpfl, Form. C.1 (§ 6 Abs. 2a–c des Formulars); ein weiterer Formulierungsvorschlag findet sich bei Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 3175a. 310 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 3175a; für einen Formulierungsvorschlag siehe BeckFormB ZivilR/Zöpfl, Form. C.1 (§ 6 Abs. 5 des Formulars). 306

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D. Zusammenfassung

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Zum anderen müssen sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs aus der Vertragsurkunde nicht alle Modalitäten des Mietvertrags ergeben. So müssen beispielsweise die Ausübung von Optionsrechten nicht schriftlich festgehalten oder Nachtragsvereinbarungen nicht auf der ersten Mietvertragsurkunde vermerkt werden. Potenzielle Erwerber müssen vielmehr nachfragen, wenn sie das genaue Ende eines Mietvertrags mit einseitiger Verlängerungsoption oder das Vorliegen von Nachtragsvereinbarungen erfahren wollen. Mit § 550 BGB ist daher nicht bezweckt, einem Kaufinteressenten eine allgemeine Informationsquelle über die Mietverhältnisse für die Kaufentscheidung bereitzustellen. Einen weiteren Schutz des Informationsinteresses sieht die deutsche Rechtsordnung vor, indem Verkäufer Erwerber über bestimmte Abreden aufklären müssen, die für sie nachteilhaft sind. Es existieren verschiedene Ansprüche und Rechte des Erwerbers gegen den Verkäufer, wenn dieser ihn unzureichend oder falsch über den Inhalt von Mietverträgen informiert hat. Erwerbern von Grundstücken steht damit in diesen Fällen grundsätzlich der Weg offen, gegen Verkäufer vorzugehen. Diese Ansprüche oder Rechte haben jedoch grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Möglichkeit eines Erwerbers, den Mietvertrag wegen eines Schriftformmangels vorzeitig nach § 550 BGB zu kündigen.311

D. Zusammenfassung Die deutsche Rechtsordnung schützt über das Schriftformerfordernis in § 550 BGB das Informationsinteresse potenzieller Erwerber, in die diese nach § 566 Abs. 1 BGB eintreten. Ebenso sollen nach der vorherrschenden und auch hier vertretenen Auffassung über diese Norm auch die Mietvertragsparteien geschützt werden, sodass § 550 BGB für diese eine Beweis- und Warnfunktion zukommt. Der Schutz wird dadurch erreicht, dass sich sowohl Erwerber als auch die Vertragsparteien vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit lösen können, wenn kein schriftlicher Mietvertrag vorliegt. Die Rechtsfolge des § 550 BGB kann die Vertragsparteien dazu verleiten, Schriftformfehler zweckwidrig zu instrumentalisieren, um sich vorzeitig von lästigen Verträgen zu lösen. Dem kann die Kautelarpraxis kaum etwas entgegensetzen, da sämtliche bisherige Versuche von der Rechtsprechung kassiert wurden. Es liegt daher nunmehr am Gesetzgeber, diesen Missstand zu beheben. Die Anforderungen an die Schriftform richten sich de lege lata insbesondere nach dem Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber, da diesem ein Vorrang gegenüber dem Schutz der Mietvertragsparteien eingeräumt wird. Gleichwohl wird auch dieses Interesse nicht grenzenlos geschützt. Durch die schriftliche Vertragsurkunde soll sich ein potenzieller Erwerber über den Inhalt der von Mieter und Vermieter vereinbarten Mietbedingungen informieren kön-

311

BGHZ 200, 98 Rn. 27; BGHZ 216, 68 Rn. 29. Siehe dazu auch § 4 C. II. 3.

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§ 2 Länderbericht Deutschland

nen, in die er nach § 566 Abs. 1 BGB tatsächlich eintritt. Ein darüberhinausgehender Schutz potenzieller Erwerber wird mit § 550 BGB nicht bezweckt. Insbesondere soll die Norm nicht über den Bestand oder die Wirksamkeit von Mietverträgen informieren oder vor Betrug schützen. Daneben können Erwerber unter Umständen auch Ansprüche oder Rechte gegen den Verkäufer geltend machen, sollte dieser den Erwerber falsch oder unvollständig über die Abreden des Mietvertrags informiert haben. In der Praxis sichern sich Erwerber vorrangig vertraglich durch Garantien des Verkäufers über die Modalitäten der Mietverträge ab.

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§ 3 Länderbericht England A. Vorbemerkungen zum englischen Mietrecht Um der Frage nachgehen zu können, wie die englische Rechtsordnung das Informationsinteresse potenzieller Erwerber und auch die Mietvertragsparteien vor übereilten Vertragsschlüssen und Beweisschwierigkeiten bei langfristigen Mietverhältnissen schützt, sind zunächst einige Vorbemerkungen erforderlich. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Mieter (tenant) und dem Vermieter (landlord) einer Immobilie in England ist nicht rein schuldrechtlicher, sondern vor allem auch dinglicher Natur. Aus diesem Grund soll einführend zumindest in Grundzügen auf das englische Immobiliarsachenrecht eingegangen werden.

I. Feudaler Ursprung Das englische Immobiliarsachenrecht lässt sich am besten anhand des geschichtlichen Hintergrunds erläutern. Beginnend mit seiner Machtergreifung im Jahre 1066 erhob Wilhelm der Eroberer Eigentumsansprüche hinsichtlich des gesamten Landes, sodass von nun an dem neuen König das Eigentum an allen Grundstücken zustand.1 Dieses Eigentumsrecht wurde vor allem als Mittel eingesetzt, um die Gefolgschaft der Untertanen zu sichern. An dem königlichen Eigentumsrecht konnten rangniedere Rechte für die direkten, adligen Untergebenen (tenants in chief) bestellt werden – als Gegenleistung für einen Treueschwur gegenüber dem König.2 Dieser behielt dabei sein formales Eigentumsrecht durchgehend,3 die tenants in chief leiteten ihre Rechte von dem des Königs ab. Im Range unterhalb des eigenen Rechts konnten diese nun ebenfalls ihren Untertanen (den sog. tenants) gegen einen Treueschwur ein Nutzungsrecht einräumen, sodass sie ihrerseits deren lords wurden.4 Der König hielt dabei immer das ranghöchste und unentziehbare Recht an dem Land, die tenants in chief die zweit-

1 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 242; Bevan, Land Law, S. 17; Kischel, Rechtsvergleichung, § 5 Rn. 171. 2 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 242 f.; Kischel, Rechtsvergleichung, § 5 Rn. 171. 3 Bevan, Land Law, S. 17. 4 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 243; Kischel, Rechtsvergleichung, § 5 Rn. 171.

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§ 3 Länderbericht England

höchsten und die tenants die rangniedrigsten Rechte. Das Resultat war eine für das Lehnswesen typische pyramidenförmige Herrschaftsstruktur mit dem König an der Spitze und den tenants an unterster Stelle.5 1. Eigentumsverständnis Diese Strukturen wirken sich bis heute auf das englische Verständnis von „Eigentum“ (ownership) an Grundstücken aus. So gehören weiterhin alle Grundstücke der englischen Krone.6 Das „Eigentum“ an land – nach dem Verständnis eines deutschen Juristen – kann daher nicht erworben werden, sondern nur einzelne dingliche Rechte, sog. interests.7 Interests werden auch estates genannt, wenn der Berechtigte das land besitzen darf.8 Mit dem Begriff land werden im englischen Recht Grundstücke bezeichnet, wobei dies auch die Gebäude auf einem Grundstück einschließt.9 Anders als in Deutschland können folglich keine absoluten Rechte an Grundstücken erworben werden, sondern nur relative Rechte zum Besitz daran (title), die in unterschiedlichen Rängen zueinander stehen.10 Ein title beschreibt nicht den Inhalt des dinglichen Rechts, sondern ist vielmehr ein daraus resultierendes relatives Besitzrecht, das anderen entgegengesetzt werden kann.11 Damit beschreibt der title nicht die Beziehung zu der Sache selbst, sondern zu anderen Personen und ist folglich relativ. Verglichen mit absoluten Rechten der deutschen Rechtsordnung stellt ein title daher lediglich die Ausschließlichkeitskomponente dar, die allerdings nicht absolut, sondern nur relativ wirkt. Bei einem Rechtsstreit um die Einräumung von Besitz an land müssen sich englische Gerichte daher mit der Frage beschäftigen, welche Partei den stärkeren title hat.12

5 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 243; Kischel, Rechtsvergleichung, § 5 Rn. 171; Kopp, MittBayNot 2001, 287, 287. 6 Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 12 f.; van Erp, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, S. 1031, 1045. 7 Kischel, Rechtsvergleichung, § 5 Rn. 172. 8 Kischel, Rechtsvergleichung, § 5 Rn. 172. 9 Sec. 205(1)(ix) LPA 1925; sec. 132(1) LRA 2002; vertiefend Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 6 ff. 10 Lees, The Principles of Land Law, S. 52; Häcker, Consequences of Impaired Consent Transfers, S. 36 f. 11 Fox, 65 C.L.J. 2006, 330, 333. Ferner sollte erwähnt werden, dass ein title nicht zwingend ein dingliches Recht voraussetzt, vielmehr kann sich auch aus dem Besitz an land ein Besitzrecht und damit ein title ergeben, vgl. Häcker, Consequences of Impaired Consent Transfers, S. 37. 12 Fox, 65 C.L.J. 2006, 330, 333; Lees, The Principles of Land Law, S. 52.

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A. Vorbemerkungen zum englischen Mietrecht

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2. Estates Im englischen Recht gibt es zwei Formen der estates, nämlich fee simple absolute in possession (kurz fee simple) und term of years absolute.13 Das Recht mit dem höchstmöglichen Rang (unterhalb des Eigentums der Krone) ist das fee simple. Dieses unterliegt keiner zeitlichen Höchstgrenze und erlischt auch nicht mit dem Tod des Berechtigten, sondern ist vererblich.14 Es wird auch als freehold estate bezeichnet.15 Als solches wird es als Funktionsäquivalent zum deutschen, römisch-rechtlich geprägten, absoluten Eigentumsverständnis angesehen.16 Die in England bestehende formale Eigentümerstellung der Krone wirkt sich in der Praxis nicht aus.17 Sie wird nur in einem Fall relevant, nämlich wenn nach dem Tod eines Berechtigten keine Erben vorhanden sind und das fee simple an die Krone zurückfällt.18 Das zweite estate, das term of years absolute, meint ein zeitlich beschränktes Nutzungsrecht. Es wird auch als leasehold estate (kurz lease) bezeichnet.19 3. Rangniedrigere interests Der Berechtigte des fee simple kann anderen Personen rangniedrigere estates oder interests bestellen. Bestellt er eine lease für einen Dritten, spricht man nicht mehr davon, dass er Berechtigter eines fee simple ist. Er hält während der Laufzeit der lease stattdessen ein future interest auf Rückerlangung der lease, welches auch reversion genannt wird.20 Eine reversion erstarkt erst zum fee simple, wenn die lease des Dritten endet. Die Inhaber eines interest oder estate im Rang unter einem fee simple können anderen Personen wiederum weitere dingliche Rechte im Rang unter ihrem eigenen einräumen, die eine kürzere Dauer als ihr eigenes Recht haben, sodass eine lange Kette an abgeleiteten dinglichen Rechten möglich ist, was zu sehr komplizierten Rechtsfragen führen kann.21

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Sec. 1(1) LPA 1925. Bevan, Land Law, S. 18; Smith, Property Law, S. 41; Kischel, Rechtsvergleichung, § 5 Rn. 172. 15 Bevan, Land Law, S. 18. 16 Bevan, Land Law, S. 18; Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 13; NK-BGB-Sachenrecht/Odersky, Länderbericht GB, Rn. 5; Kopp, MittBayNot 2001, 287, 287; Schünemann, Die Veräußerung von Grundstücken nach deutschem und englischem Recht, S. 35. 17 Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 12 f.; van Erp, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, S. 1031, 1045; Lees, The Principles of Land Law, S. 53. 18 Bevan, Land Law, S. 17. 19 Bevan, Land Law, S. 19. 20 Bevan, Land Law, S. 336; Lees, The Principles of Land Law, S. 278; Kischel, Rechtsvergleichung, § 5 Rn. 173. 21 Bevan, Land Law, S. 336; Kischel, Rechtsvergleichung, § 5 Rn. 173. 14

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§ 3 Länderbericht England

II. Verhältnis der Mieter und Vermieter Die feudalen Ursprünge zeigen sich im Mietrecht eindrücklich bereits an der heute noch üblichen Bezeichnung des Vermieters als (land)lord und des Mieters als tenant. Auf dieses Verhältnis soll nun näher eingegangen werden. 1. Entwicklung des Verhältnisses Das Verhältnis zwischen lord und tenant war zu Beginn des feudalen Systems rein schuldrechtlich.22 Damals handelte es sich vor allem noch um besagte Lehnsverträge, die auf Lebenszeit abgeschlossen wurden. Mietverhältnisse über einen bestimmten Zeitraum haben sich dagegen außerhalb der Lehnspyramide entwickelt.23 Es wurden zeitlich beschränkte Nutzungsrechte an Grundstücken eingeräumt, die sich von den damaligen Lehnsverträgen und heutigen Mietverhältnissen vor allem durch ihre wirtschaftliche Funktion unterschieden. Derartige Nutzungsrechte wurden überwiegend als Sicherheiten für Darlehen eingesetzt, wobei dem Gläubiger der Besitz am Grundstück bis zur Tilgung der Forderung eingeräumt wurde.24 Im Laufe der Jahre zeigte sich die schwache Stellung des Nutzungsberechtigten gegenüber Dritten und die damit verbundene eingeschränkte Brauchbarkeit als Sicherungsmittel. Einzig und allein gegen Besitzstörungen seitens des Vertragspartners – also des Sicherungsgebers – konnte der Sicherungsnehmer Unterlassung oder Herausgabe bei Entzug des Besitzes verlangen.25 Wenn ein Dritter ihn in seinem Besitz störte, so konnte er – in Ermangelung eines dinglichen Rechts (proprietary right) – nur Schadensersatzansprüche (damages) geltend machen.26 Nur der lord als Inhaber eines proprietary right konnte gegen Besitzstörungen durch Dritte vorgehen.27 Nachdem im Jahre 1290 Lehnsverträge zwischen Vermieter und Mieter durch das heute noch gültige Gesetz Quia Emptores abgeschafft wurden,28 änderte sich die Funktion von Mietverträgen. Inhaber von dinglichen Rechten überließen vor allem im Bereich der Landwirtschaft den Mietern gegen eine wiederkehrende Geldzahlung die Nutzung des Grundstücks.29 Die Bedeutung von Land als

22 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 243; Bright, Landlord and Tenant Law in Context, S. 27. 23 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 318. 24 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 318 und 330. 25 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 318. 26 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 318; Bright, Landlord and Tenant Law in Context, S. 27. 27 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 318. 28 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 263 und 319; Kischel, Rechtsvergleichung, § 5 Rn. 171. 29 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 319; Bright, Landlord and Tenant Law in Context, S. 27.

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A. Vorbemerkungen zum englischen Mietrecht

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Sicherungsmittel wurde geringer und die Bedeutung als Einkommensquelle für Vermieter und als Nutzungsmöglichkeit für Mieter ohne Eigenkapital größer.30 2. Leases als proprietary rights Das Problem der fehlenden Besitzschutzrechte von Mietern gegenüber Dritten bestand weiterhin. Geändert wurde dies durch die Rechtsprechung des zur damaligen Zeit letztinstanzlichen Gerichts Court of King’s Bench im Jahre 1499, das den Mietern ähnliche Rechte wie dem Vermieter als Inhaber eines proprietary right zusprach.31 Dies hatte zur Folge, dass ein Mietrecht an Grundstücken nunmehr als dingliche Rechtsposition anerkannt wurde.32 Dies war die Geburtsstunde des dinglichen Mietrechtsverständnisses im englischen Recht. 3. Leases im englischen Recht heute Die rechtliche Beziehung von tenant und landlord umfasst einerseits die schuldrechtliche Vereinbarung, aber andererseits – und vor allem auch – die historisch bedingte dingliche Komponente. Um es mit den Worten von Lord Browne-Wilkinson auszudrücken: „A lease is a hybrid, part contract, part property“33. Es muss zwischen dem schuldrechtlichen Vertrag (lease agreement) und der Einräumung der lease (grant of lease) unterschieden werden. Deutsche Juristen dürften mit dieser Unterscheidung von schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäften vertraut sein, die sich so nur im englischen Immobiliarsachenrecht, nicht aber auch im Mobiliarsachenrecht beobachten lässt.34 In der jeweiligen Ausgestaltung der lease kann sich diese funktional eher der Miete oder dem Erbbaurecht annähern, abhängig davon, für welchen Zeitraum sie bestellt wurde.35 Einerseits sind sehr kurze oder periodisch wiederkehrende Zeiträume denkbar. Andererseits können leases auch für einen sehr langen Zeitraum bestellt werden, wobei in diesen Fällen regelmäßig eine Laufzeit zwischen 99 und 125 Jahren vereinbart wird.36

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Baker, An Introduction to English Legal History, S. 319. Baker, An Introduction to English Legal History, S. 320. 32 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 320. 33 Linden Gardens Trust Ltd v Lenesta Sludge Disposals Ltd [1994] 1 A.C. 85, 108. Auch Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 182 und Bright, Landlord and Tenant Law in Context, S. 25 beziehen sich in ihren Grundlagenwerken zum englischen Immobiliarsachen-/Mietrecht auf dieses Zitat, um das dualistische Mietrechtsverständnis zu erklären. 34 Häcker, ZEuP 2011, 335, 343; zu einem Vergleich mit dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip des deutschen Rechts siehe auch Stürner, DNotZ 2017, 904, 919 f. 35 NK-BGB-Sachenrecht/Odersky, Länderbericht GB, Rn. 6; Kopp, MittBayNot 2001, 287, 287. 36 Bracke/Pinchbeck/Wyatt, Staff Working Paper No. 621, S. 4; Kopp, MittBayNot 2001, 287, 287; Schünemann, Die Veräußerung von Grundstücken nach deutschem und englischem Recht, S. 30 f. 31

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§ 3 Länderbericht England

An einer lease können ebenfalls untergeordnete subleases mit kürzerer Dauer als die „Haupt“-lease bestellt werden, sodass ein Untermietverhältnis entsteht.37 Der Hauptmieter hält dann lediglich eine reversion, die erst nach Beendigung des Untermietverhältnisses wieder zu einer lease erstarkt. Eine Untervermietung ist abzugrenzen von einer vollständigen Übertragung der lease für die gesamte restliche Dauer an einen Dritten (assignment).38 4. Abgrenzung lease und license Zu unterscheiden sind leases von licenses. Licenses haben einen weiten Anwendungsbereich und entstehen dann, wenn der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks einem Dritten die Erlaubnis erteilt, das Grundstück zu einem bestimmten Zweck zu nutzen oder zu betreten.39 Ein Beispiel dafür ist die Einladung in das Haus des Gastgebers für ein gemeinsames Abendessen.40 Licenses werden auch als rechtliches Minus zu leases oder anderen dinglichen Nutzungsrechten (easements) verstanden und häufig dann angenommen, wenn die Voraussetzungen von leases oder easements nicht gegeben sind.41 Will A beispielsweise ein Wegerecht in Form eines easement für B an ihrem Grundstück bestellen und scheitert dies an der Einhaltung der Formvorschriften, so kann sich B zumindest auf die Vereinbarung einer nicht formgebundenen license berufen und betritt das land nicht unbefugt (trespass).42 Die Abgrenzung zwischen einer lease und einer license erfolgt rein objektiv, d. h. allein anhand der getroffenen Vereinbarungen – ohne Berücksichtigung des Parteiwillens.43 Eine lease hat drei Wesensmerkmale, die sie von einer license abgrenzen. Diese wurden in Street Respondent v Mountford Appellant zusammengefasst, wonach dem Mieter (1.) alleiniger Besitz (exclusive possession) an dem Grundstück (2.) für eine gewisse – ggf. periodisch wiederkehrende – Zeitdauer (3.) entgeltlich eingeräumt werden soll.44 Das entscheidende Unterscheidungskriterium zwischen einer lease und einer license ist exclusive possession, wonach der Mieter während der Mietdauer berechtigt sein muss, den Vermieter und jeden Dritten vom Gebrauch der Mieträume auszuschließen.45

37 Bevan, Land Law, S. 336; Lees, The Principles of Land Law, S. 327; NK-BGB-Sachenrecht/Odersky, Länderbericht GB, Rn. 9. 38 Bevan, Land Law, S. 336; Lees, The Principles of Land Law, S. 327; NK-BGB-Sachenrecht/Odersky, Länderbericht GB, Rn. 9. 39 Bevan, Land Law, S. 274. 40 George/Layard, Thompson’s Modern Land Law, S. 528. 41 Bevan, Land Law, S. 276; George/Layard, Thompson’s Modern Land Law, S. 527. 42 Bevan, Land Law, S. 276. 43 Lees, The Principles of Land Law, S. 291. 44 Street Respondent v Mountford Appellant [1985] A.C. 809, 818; ausführlich dazu: Bevan, Land Law, S. 336 ff.; George/Layard, Thompson’s Modern Land Law, S. 325 ff.; Lees, The Principles of Land Law, S. 292 ff. 45 Bevan, Land Law, S. 337.

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A. Vorbemerkungen zum englischen Mietrecht

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Licenses begründen kein proprietary interest und binden damit auch nicht die Käufer von estates in land.46 Für das zu untersuchende Informationsinteresse eines Erwerbers spielen licenses daher keine Rolle. 5. Erwerb der reversion bei (unter-)vermieteten Immobilien In England können beide Formen der estates, also ein fee simple oder eine lease, verkauft und an Erwerber übertragen werden. Im Jahr 2013 machten leases an allen Veräußerungen von Immobilien einen Anteil von ca. 20–30 % aus, wobei deren Anteil in Central London auf mehr als 80 % anstieg.47 Ist die Immobilie vermietet oder untervermietet, erwirbt der Käufer allerdings nicht das estate – zumindest nicht unmittelbar. Der Verkäufer kann nur die reversion an einen Käufer übertragen.48 Zum Vollrecht erstarkt diese erst, wenn die darauf lastende (sub-)lease endet. 6. Unterscheidung zwischen legal und equitable rules Die englische Rechtsordnung unterscheidet zwischen zwei Arten von leases, nämlich legal und equitable leases. Die Voraussetzungen einer legal lease ergeben sich aus den legal rules und die der equitable leases aus den equity rules. Die Unterscheidung von legal und equity rules findet ihren Ursprung in unterschiedlichen Gerichtszweigen, die seit dem Supreme Court of Judicature Act 1873–75 vereint wurden, sodass englische Gerichte heute sowohl legal als auch equity rules anwenden.49 Trotz der Vereinigung der Gerichtszweige sind die equity rules materiell-rechtlich weiterhin von den legal rules zu trennen.50 Der Grundgedanke hinter den equity rules ist es, Gerechtigkeit zu erreichen und unbillige Härten zu vermeiden, die durch die Strenge und Unzulänglichkeiten der legal rules entstehen können.51 Die equity rules können daher als Korrektiv der legal rules verstanden werden. Darüber hinaus ergänzen die equity rules auch die legal rules, indem sich aus den equity rules weitergehende Ansprüche (claims) und Rechtsbehelfe (remedies) ergeben können.52 So können unter den

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Bevan, Land Law, S. 347; Stevens/Pearce, Land Law, Rn. 9.04. Bracke/Pinchbeck/Wyatt, Staff Working Paper No. 621, S. 4 f. 48 Bevan, Land Law, S. 336; Rüfner, in: Basedow/Hopt/Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, S. 1061, 1063. 49 Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 14; Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 3; Häcker, ZEuP 2011, 335, 343. 50 Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 14; Haley/ McMurtry, Equity & Trusts, S. 2; Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 3; Häcker, ZEuP 2011, 335, 343. 51 Gardner/MacKenzie, An Introduction to Land Law, S. 16; Haley/McMurtry, Equity & Trusts, S. 1; Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 1; Smith, in: Austin/Klimchuck (Hrsg.), Private Law and the Rule of Law, S. 224, 225. 52 Siehe Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 6 für eine exemplarische Darstellung der unterschiedlichen claims und remedies unter den legal rules und den equity rules. 47

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§ 3 Länderbericht England

legal rules nur Sekundäransprüche gerichtlich eingefordert werden, etwa damages.53 Unter den equity rules kann ferner ein order for specific performance von den Gerichten ausgesprochen werden, wonach die Partei zur Vornahme der geschuldeten Leistung verurteilt wird.54 Häcker bezeichnet die equity rules zusammenfassend „als eine dem Common Law nachgelagerte Ebene ergänzender, modifizierender und manchmal inhaltlich abweichender Regelungen“55. Ein Prinzip der equity rules ist, dass die beiden Vertragsparteien die Rechtsposition erlangen sollen, die sie bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung erlangt hätten („Equity regards as done that which ought to be done“).56 Bei lease agreements liegt die geschuldete Handlung in der Bestellung einer lease. Durch die equity rules wird eine pflichtgemäße Vertragsdurchführung fingiert (sofern das lease agreement der specific performance zugänglich ist57), was dazu führt, dass der tenant mit Abschluss des lease agreement so gestellt wird als hätte er die geschuldete lease bereits erhalten, allerdings keine legal lease, sondern eine equitable lease.58 Da der Vertrag damit bereits zu einer dinglichen Rechtsänderung in equity führt, durchbrechen die equity rules das bei den legal rules vorherrschende Trennungsprinzip.59

B. Schutz (nur) der Vertragsparteien durch mietrechtliche Formvorschriften Nach dieser kurzen Einführung soll, wie im deutschen Länderbericht, zunächst auf die Zwecke der mietrechtlichen Formvorschriften eingegangen werden.

I. Beweis- und Warnfunktion zugunsten der tenants und landlords 1. Abschluss von (schuldrechtlichen) lease agreements Grundsätzlich können Verträge in England formfrei geschlossen werden.60 Nach sec. 2(1) Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 (kurz LPMPA 53 Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 7; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 20; Häcker, ZEuP 2011, 335, 343 f. 54 Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 7; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 20 f. 55 Häcker, ZEuP 2011, 335, 343. 56 MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 21 und 197; Häcker, ZEuP 2011, 335, 344. 57 Dies ist bei Verträgen über Grundstücke üblicherweise anzunehmen, vgl. Häcker, ZEuP 2011, 335, 345. 58 Walsh v Lonsdale (1882) 21 Ch. D. 9, 14 f.; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 197; Genaueres zu equitable leases und der Unterschiede zu legal leases siehe § 3 D. I. 1. 59 Häcker, ZEuP 2011, 335, 343 f. 60 Rock Advertising v MWB Business Exchange Centres Limited [2018] U.K.S.C. 24, Rn. 7; Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 959; Whittaker, Chitty on Contracts, Rn. 7-001.

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B. Schutz (nur) der Vertragsparteien durch mietrechtliche Formvorschriften

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1989) müssen alle Verträge, die auf den Verkauf oder sonstige Verfügungen von interests in land gerichtet sind, schriftlich erfolgen.61 Diese werden im Folgenden zusammenfassend als Grundstücksverträge bezeichnet. Lease agreements verpflichten den landlord, eine lease zu bestellen, sodass sie schriftformbedürftig sind. Eine Ausnahme kann für lease agreements mit einer Dauer von höchstens drei Jahren bestehen.62 Bei der Auslegung englischer Gesetze und dort insbesondere bei der Herausarbeitung des Gesetzgeberwillens spielen in England die Bekanntmachungen der Law Commission eine zentrale Rolle.63 Die Law Commission ist ein staatliches Gremium zur Förderung von Gesetzesreformen in England.64 Seiner ursprünglichen Bedeutung nach sollten Grundstücksverträge nach der Statute of Frauds aus dem Jahre 1677 schriftlich geschlossen werden, um Fälschungen und Betrug zu verhindern.65 Davon ist die Law Commission mittlerweile abgekommen, sodass diese Funktionen für sec. 2(1) LPMPA 1989 nur noch einen Nebenzweck darstellen.66 Vielmehr dient die Formvorschrift nunmehr vorrangig anderen Zwecken. So solle sie zu mehr Rechtssicherheit führen, indem die Vertragsabreden beweissicher festgehalten und damit Streitigkeiten über den Inhalt des Vertrags vermieden werden.67 Eine weitere Funktion sei, dass potenzielle Käufer und Verkäufer wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen vor der unbedachten oder gar ungewollten Eingehung von Grundstücksverträgen geschützt werden.68 2. Bestellung von (dinglich wirkenden) leases Nach sec. 52(1) Law of Property Act 1925 (kurz LPA 1925) bedarf die Bestellung einer lease einer deed, solange ihre Laufzeit nicht drei Jahre oder weniger betragen soll.69 Das Urkundenerfordernis betrifft die dingliche Ebene, es geht also um die Bestellung einer lease.70 Sec. 52(1) LPA 1925 bezieht sich nicht nur spezifisch auf die Bestellung von leases, sondern auf alle Verfügungsgeschäfte (conveyances) über interests in land.71 Nach Ansicht der Law Commission dient die Norm dem 61 Sec. 2(1) LPMPA 1989 lautet: „A contract for the sale or other disposition of an interest in land can only be made in writing and only by incorporating all the terms which the parties have expressly agreed in one document or, where contracts are exchanged, in each“. 62 Sec. 2(5a) LPMPA 1989 i. V. m. sec. 54(2) LPA 1925; dazu müssen bestimmte weitere Voraussetzungen vorliegen, die in § 3 C. I. 1. a) dargestellt werden. 63 Scherpe, RabelsZ 78 (2014), 361, 380. 64 Sec. 1(1) Law Commissions Act 1965. 65 Smith, Property Law, S. 138; Whittaker, Chitty on Contracts, Rn. 7–013. 66 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 2.8. 67 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 2.7. 68 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 2.10. 69 Die Ausnahmen vom Erfordernis einer deed sind in sec. 54(2) LPA 1925 festgehalten und werden näher in § 3 C. I. 1. a) behandelt. 70 Lees, The Principles of Land Law, S. 107: „[U]nlike a written contract, it is not a promise to do something: it is actually doing it“. 71 Sec. 52(1) LPA 1925 lautet: „All conveyances of land or of any interest therein are void for the purpose of conveying or creating a legal estate unless made by deed“.

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Schutz vor Übereilung, dem beweissicheren Festhalten der Abreden und dazu, für Dritte erkennbar zu machen, dass es sich um eine deed handelt und welche Folgen sich aus ihr ergeben.72 Zu beachten ist dabei jedoch, dass die Bestellung einer lease einem lease agreement nachgelagert sein kann oder mit diesem zumindest gleichzeitig erfolgt. Der Warnfunktion einer deed kommt nur eine untergeordnete Rolle zu, sofern bereits ein lease agreement geschlossen wurde, da der Erwerber bereits einen Anspruch auf Bestellung der lease hat. Dies ist beispielsweise anders, wenn eine lease schenkungsweise bestellt werden soll oder die Parteien aus sonstigen Gründen auf ein schriftliches lease agreement verzichten und direkt die lease bestellen.73 Dann kommt der Warnfunktion von sec. 52(1) LPA 1925 eine umso größere Bedeutung zu.

II. Keine Schutzfunktion zugunsten potenzieller Erwerber Trotz umfassender Formzweckerwägungen der Law Commission finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Schriftformerfordernis in sec. 2(1) LPMPA 1989 auch den Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber bezweckt.74 Auch in der englischen Literatur wird der Formvorschrift kein entsprechender Zweck zugesprochen.75 Auch das Erfordernis einer deed für die Bestellung von leases mit mehr als drei Jahren nach sec. 52(1) LPA 1925 dient nach der Law Commission nicht dazu, Erwerber verlässlich über den Inhalt der leases zu informieren.76 Das Informationsinteresse potenzieller Erwerber wird somit nicht über Formvorschriften geschützt.

III. Fazit zum Schutz (nur) der Vertragsparteien durch mietrechtliche Formvorschriften Die Law Commission schreibt den Formvorschriften damit, ebenso wie viele Autoren,77 eine Beweis- und Warnfunktion zum Schutz der Vertragsparteien zu. Der englische Gesetzgeber will daher zum einen das Interesse der Vertragsparteien 72 Law Commission, Working Paper No. 93, Rn. 3.2; Law Commission, Law Com. No. 386, Rn. 2.11. 73 Lees, The Principles of Land Law, S. 109. 74 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 2.7 ff. 75 Eine detaillierte Auseinandersetzung zu den Schutzzwecken des Schriftformerfordernisses findet sich beispielsweise bei Lees, The Principles of Land Law, S. 82 ff., die keine Überlegungen zu einem Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber durch das Schriftformerfordernis anstellt. 76 Law Commission, Working Paper No. 93, Rn. 3.2; Law Commission, Law Com. No. 386, Rn. 2.11. 77 Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 1000; Lees, The Principles of Land Law, S. 81; Whittaker, Chitty on Contracts, Rn. 7–001; so auch bereits Fuller, 41 Colum. L.Rev. 1941, S. 799, 800 allgemein zu Formvorschriften.

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C. Schutz der Mietvertragsparteien

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schützen, beweissichere Abreden bei einem langjährigen Mietverhältnis zu treffen. Außerdem sollen sie vor der übereilten Eingehung langfristiger Mietverhältnisse bewahrt werden. So ist mit einem solchen Mietverhältnis eine bedeutende wirtschaftliche Disposition des Vermieters verbunden. Ebenso verhält es sich mit der Eingehung der Verpflichtung für den Mieter, die rent während der gesamten Laufzeit zu entrichten.

C. Schutz der Mietvertragsparteien Der englische Gesetzgeber schützt tenants und landlords also über zwei Formvorschriften. Deren Anforderungen und Rechtsfolgen sind nachfolgend näher zu untersuchen. Diese Arbeit widmet sich dabei zunächst dem Schriftformerfordernis für lease agreements in sec. 2(1) LPMPA 1989 und anschließend demjenigen für die Bestellung von leases in sec. 52(1) LPA 1925.

I. Anforderungen der mietrechtlichen Formvorschriften 1. Anforderungen des Schriftformerfordernisses für lease agreements a) Anwendungsbereich Sec. 2(1) LPMPA 1989 schreibt die Schriftform für alle Grundstücksverträge vor. Das Gesetz sieht nur wenige Ausnahmen von diesem Grundsatz vor, insbesondere jedoch für lease agreements mit kurzer Laufzeit.78 Es müssen drei Voraussetzungen nach sec. 54(2) LPA 1925 erfüllt sein, damit eine lease formfrei möglich ist: (1.) die Laufzeit muss drei Jahre oder weniger betragen, (2.) die lease darf erst mit Überlassung an den tenant Wirkungen entfalten („taking effect in possession“) und (3.) die Parteien müssen die „best rent which can be reasonably obtained without taking a fine“ als Miete vereinbaren. Der Begriff best rent meint die marktübliche Miete.79 Eine fine ist eine Vorauszahlung des Mieters bei Mietbeginn, die mit der zu zahlenden Miete während der Vertragslaufzeit verrechnet wird.80 Nur, wenn diese drei Voraussetzungen gegeben sind, ist eine lease nach sec. 54(2) LPA 1925 von dem Erfordernis einer deed ausgenommen und auch das lease agreement muss nach sec. 2(5) LPMPA 1989 nicht schriftlich geschlossen werden.

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Sec. 2(5) LPMPA 1989 i. V. m. sec. 54(2) LPA 1925. Fitzkriston LLP v Panayi [2008] E.W.C.A. Civ. 283, Rn. 23. 80 Walsh, A Guide to Landlord and Tenant Law, S. 21. 79

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b) Schriftformbedürftige Vertragsabsprachen Greift diese Ausnahme nicht, müssen nach sec. 2(1) LPMPA 1989 alle Bedingungen schriftlich in das lease agreement aufgenommen werden („all the terms which the parties have expressly agreed“). Diese müssen entweder in der Vertragsurkunde selbst oder auf einem Schriftstück enthalten sein, auf das die Vertragsurkunde verweist.81 Nach der englischen Rechtsprechung müssen nur solche Vereinbarungen in die Vertragsurkunde aufgenommen werden, von denen das Grundstücksgeschäft insgesamt abhängig sein soll.82 Vereinbaren die Parteien beispielsweise, dass der Erwerber neben dem estate auch die Teppiche und Vorhänge des Veräußerers übernehmen soll, ist Letzteres nur schriftformbedürftig, wenn das Grundstücksgeschäft ohne den Verkauf der Teppiche und Vorhänge gar nicht stattfinden soll.83 c) Unterschriften der Vertragsparteien Nach sec. 2(3) LPMPA 1989 setzt die Schriftform voraus, dass alle Vertragsparteien oder deren Vertreter die Mietvertragsurkunde unterzeichnen, bzw. zumindest, wenn Vertragsurkunden ausgetauscht werden, das für die Gegenseite vorgesehene Exemplar. Eine etwaige Vollmacht muss nicht schriftlich erteilt sein.84 aa) Allgemeine Anforderungen an die Unterschrift Eine handschriftliche Unterschrift mittels eines Stifts auf Papier (eine sog. „wet ink signature“85) ist nicht nötig, auch das maschinelle Drucken eines Namens in ein dafür vorgesehenes Feld kann als signature gewertet werden.86 Im Fall Firstpost Homes Ltd v Johnson wurde entschieden, dass es zur Formwahrung nicht genügt, wenn der Verkäufer auf der Vertragsurkunde und der Käufer auf einem der Vertragsurkunde beigefügten Lageplan unterzeichnet.87 Da die Vertragsurkunde zugleich einen Brief an den Käufer darstellte, argumentierte der Verkäufer, dass der Käufer sehr wohl auf der Vertragsurkunde unterschrieben habe, da er zuließ, dass sein Name in die Empfängerzeile gedruckt wurde.88 Das Gericht musste entscheiden, ob das Drucken des Namens des Empfängers in die Empfängerzeile als dessen signature anzusehen ist. Das Gericht stellte dazu

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Sec. 2(2) LPMPA 1989. Grossman v Hooper [2001] E.W.C.A. Civ. 615, Rn. 19 ff.; North Eastern Properties Ltd v Coleman [2010] 1 W.L.R. 2715, Rn. 46 und 54; krit. Keay v Morris Homes (West Midlands) Ltd [2012] 1 W.L.R. 2855, Rn. 27. 83 Dieses Beispiel wird in Grossman v Hooper [2001] E.W.C.A. Civ. 615, Rn. 21 angeführt. 84 McLaughlin v Duffill [2009] 3 W.L.R. 1139, Rn. 23 f. und 27. 85 Law Commission, Law Com. No. 386, S. vii. 86 Lees, The Principles of Land Law, S. 93. 87 Firstpost Homes Ltd v Johnson [1995] 1 W.L.R. 1567, 1573. 88 Firstpost Homes Ltd v Johnson [1995] 1 W.L.R. 1567, 1572. 82

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auf die Sicht eines Durchschnittsbürgers ab.89 Danach könne in der bloßen Nennung des Adressaten eines Briefs nicht dessen Unterschrift gesehen werden.90 Sehr liberal zeigt sich das englische Recht bei der Formwahrung durch digitale Vertragsabschlüsse. So wurde entschieden, dass die Schriftform bei Grundstücksgeschäften auch durch eine E-Mail gewahrt sein kann, da sie das elektronische Äquivalent zu einem unterzeichneten Brief an den Empfänger sei.91 Es kann nach einer neueren Entscheidung sogar genügen, dass der Absender einer E-Mail seinen Namen nicht händisch eintippt, sondern sich dessen Identität aus der Signatur am Ende der E-Mail ergibt, da diese in dem Willen programmiert wurde, den Absender identifizieren zu können.92 bb) Besonderheiten bei companies Sind Gesellschaften (companies) an dem Vertragsschluss beteiligt (sog. company contracts), müssen diese die Vorgaben der sec. 43 ff. Companies Act 2006 (kurz CA 2006) beachten.93 Nach sec. 43(2) CA 2006 gilt das Schriftformerfordernis aus sec. 2(1) LPMPA 1989 auch für company contracts. Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten für companies, einen Vertrag schriftlich abzuschließen. So können – was den Regelfall darstellt – company contracts nach sec. 43(1)(b), 44(2, 3) CA 2006 von zwei authorised signatories ohne Zeugen oder alternativ von einem director in Anwesenheit eines Zeugen unterzeichnet werden. Unter den im Gesetz definierten Begriff der authorised signatories fallen alle directors und, falls vorhanden, auch die (ggf. joint) secretaries of the company.94 Es ist nicht erforderlich, dass die Unterzeichner ausdrücklich im Namen der company unterzeichnen, der Unterschrift muss daher kein Hinweis vorausgehen, dass die Unterzeichner für oder im Namen der company handeln.95 Zum anderen kann ein common seal nach sec. 43(1)(a), 44(1)(a) CA 2006 auf der Vertragsurkunde angebracht werden. Dabei handelt es sich um einen offiziellen Firmenstempel nach den Voraussetzungen von sec. 45 CA 2006. Das common seal muss in Gegenwart von zwei directors oder zumindest einem director und einem secretary der company angebracht werden, was auf der Urkunde auch 89

Firstpost Homes Ltd v Johnson [1995] 1 W.L.R. 1567, 1576. Firstpost Homes Ltd v Johnson [1995] 1 W.L.R. 1567, 1576. 91 Green v Ireland [2011] E.W.H.C. 1305 (Ch), Rn. 45. 92 Neocleous & Anor v Rees [2019] E.W.H.C. 2462 (Ch), Rn. 57. 93 Dies betrifft companies, die unter den Anwendungsbereich des CA 2006 fallen, vgl. sec. 1 CA 2006; siehe sec. 3 ff. CA 2006 für die verschiedenen Arten der companies. 94 Sec. 44(3) CA 2006. Directors sind die geschäftsführenden Organe einer company, vertiefend hierzu Just, Die englische Limited in der Praxis, Rn. 137 ff. Bei company secretaries handelt es sich um – zumindest für private companies – fakultative Organe (vgl. sec. 270(1) CA 2006), die vor allem verwaltende Aufgaben wahrnehmen, aber nach entsprechender Bevollmächtigung auch die company vertreten können, vertiefend hierzu Just, Die englische Limited in der Praxis, Rn. 202 ff. 95 Redcard Ltd and others v Williams and others [2011] Bus. L.R. 1479, Rn. 25. 90

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vermerkt und mit einer Unterschrift der beiden Personen versehen werden muss.96 d) Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen Englische Gerichte sehen in der Änderung eines bestehenden Vertrags den Abschluss eines neuen Vertrags, der grundsätzlich ebenfalls die Voraussetzungen von sec. 2(1) LPMPA 1989 erfüllen muss.97 Der Änderungsvertrag selbst muss allerdings nur dann die Form von sec. 2(1) LPMPA 1989 wahren, wenn ein material term, also eine wesentliche Vertragsbedingung, geändert werden soll.98 In der Leitentscheidung McCausland v Duncan Lawrie Ltd wurde nicht genauer definiert, ab wann eine Vereinbarung wesentlich ist, aber die Änderung des Fertigstellungdatums einer zu erbauenden Immobilie als wesentlich angesehen.99 Den Vertragsparteien steht es im Übrigen frei, im gegenseitigen Einverständnis die Schriftform für Vertragsänderungen zu vereinbaren. Der Supreme Court hat 2018 in Rock Advertising v MWB Business Exchange Centres Limited entschieden, dass sich Schriftformklauseln (no oral modification clauses) gegen mündliche Nachtragsvereinbarungen durchsetzen.100 Die Klausel lautete: „All variations to this [contract] must be agreed, set out in writing and signed on behalf of both parties before they take effect.“101 e) Zusammenfügung mehrerer Dokumente Sec. 2(1) LPMPA 1989 verlangt grundsätzlich, dass die getroffenen Abreden „in one document“ zusammengefasst werden. Indem das englische Recht in sec. 2(1) LPMPA 1989 fordert, dass die Vereinbarungen sich einem Dokument entnehmen lassen müssen, geht es insoweit über die bloße Anordnung der Schriftform hinaus.102 Dadurch soll den Vertragsparteien in einer Vertragsurkunde (oder durch Verweis auf andere Urkunden) vor Augen geführt werden, an welche Verpflichtungen sie sich binden, also insbesondere der Warnfunktion entsprochen werden.103 Gleichzeitig dürfte so auch die Beweisbarkeit erleichtert werden, indem nicht mehrere Schriftstücke auf Absprachen untersucht werden müssen, sondern sich alle Vereinbarungen aus einer Vertragsurkunde – ggf. zuzüglich in Bezug genommener Dokumente – ergeben.104 96

Sec. 74(1) LPA 1925. Keay v Morris Homes (West Midlands) Ltd [2012] 1 W.L.R. 2855, Rn. 31. 98 McCausland v Duncan Lawrie Ltd [1997] 1 W.L.R. 38, 49. 99 McCausland v Duncan Lawrie Ltd [1997] 1 W.L.R. 38, 48 f. 100 Rock Advertising v MWB Business Exchange Centres Limited [2018] U.K.S.C. 24, Rn. 17. 101 Rock Advertising v MWB Business Exchange Centres Limited [2018] U.K.S.C. 24, Rn. 2. 102 Lees, The Principles of Land Law, S. 92. 103 Lees, The Principles of Land Law, S. 92. 104 Lees, The Principles of Land Law, S. 92. 97

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Das Erfordernis, alle Erklärungen in „one document“ zusammenzufassen, wird jedoch durch sec. 2(2) LPMPA 1989 gelockert, wonach joinders of documents zulässig sind. Es reicht aus, wenn in der Hauptvertragsurkunde auf andere Dokumente Bezug genommen wird, aus denen sich die weiteren Vertragsbedingungen ergeben. Unterzeichnet werden muss in diesem Fall nur der Hauptvertrag, nicht auch die in Bezug genommenen Anlagen.105 Vereinbarungen können daher auch dann Bestandteil des Vertrags werden, wenn sie in der Vertragsurkunde nicht explizit genannt werden, sondern nur auf sie verwiesen wird. Bei digitalen Vertragsschlüssen per E-Mail werden Vereinbarungen als in one document geschlossen angesehen, wenn die Antwortfunktion für die Annahme genutzt und diese nicht in einer neuen E-Mail erklärt wird.106 2. Anforderungen an eine deed zur Bestellung einer lease Sec. 52(1) LPA 1925 verlangt, dass alle Verfügungen mit Bezug zu land und damit auch die Bestellung von leases durch eine deed erfolgen müssen. Nach sec. 54(2) LPA 1925 sind leases von bis zu drei Jahren unter den genannten Voraussetzungen davon ausgenommen.107 Eine deed wird als privater Akt ohne die Beteiligung einer öffentlichen Amtsperson errichtet. Die Anforderungen an eine deed ergeben sich aus sec. 1 LPMPA 1989. Danach gibt es zwei zentrale Voraussetzungen für eine deed. Zum einen muss sie den Willen des/r Beteiligten erkennen lassen, eine deed zu errichten, und zum anderen muss sie von dem/n Beteiligten ordnungsgemäß als deed ausgefertigt werden.108 a) Kenntlichmachen des Willens zur Errichtung einer deed Der Wille, eine deed errichten zu wollen, muss nach sec. 1(2)(a) LPMPA 1989 in dem Schriftstück ausreichend deutlich („clear on its face“) zur Geltung kommen. Dies stellt für die Praxis keine allzu große Hürde dar, da diese Voraussetzung üblicherweise dadurch erfüllt wird, dass das Dokument in der Überschrift als deed bezeichnet wird.109

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Firstpost Homes Ltd v Johnson [1995] 1 W.L.R. 1567, 1573. Green v Ireland [2011] E.W.H.C. 1305 (Ch), Rn. 45; da hier allerdings nicht alle Vereinbarungen in der E-Mail genannt wurden, scheiterte der Vertragsschluss, siehe Green v Ireland [2011] E.W.H.C. 1305 (Ch), Rn. 48. 107 Siehe dazu § 3 C. I. 1. a). 108 Sec. 1(2) LPMPA 1989. 109 Law Commission, Working Paper No. 93, Rn. 8.3(ii); Lees, The Principles of Land Law, S. 107. 106

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b) Ordnungsgemäße Ausfertigung als deed Ferner muss das Schriftstück nach sec. 1(2)(b) LPMPA 1989 ordnungsgemäß als deed ausgefertigt werden. Dazu sind drei verschiedene Schritte nötig. aa) Signature Zunächst muss das Schriftstück unterschrieben werden.110 Die Ausführungen zur signature im Rahmen von sec. 2(3) LPMPA 1989 gelten auch hier.111 bb) Mitwirkung von Zeugen Diese Unterschrift muss in Anwesenheit von Zeugen, die die Unterschrift beglaubigen, abgegeben werden.112 Dies soll insbesondere dazu dienen, dem Unterzeichner die Bedeutung und Tragweite seiner Erklärung bewusst werden zu lassen.113 Ein Zeuge genügt, wenn dieser die Unterschrift einer Person beglaubigt, die im eigenen Namen handelt.114 Zwei Zeugen sind dagegen nötig, wenn ein Vertreter unterschreibt, wobei in diesem Fall auch der Vertretene anwesend sein muss.115 Da das Gesetz nur einen „witness who attests the signature“ verlangt, besteht Unklarheit darüber, ob Zeugen ebenfalls auf der deed unterzeichnen müssen und welche Personen als Zeugen in Frage kommen.116 Die Law Commission hat sich dafür ausgesprochen, dass ein Zeuge nicht nur bei der Unterschriftsleistung anwesend sein soll, sondern dieser darüber hinaus auch einen entsprechenden Beglaubigungsvermerk auf dem Schriftstück anbringen und selbst unterzeichnen muss.117 Ein bestimmter Beglaubigungsvermerk wurde von der Law Commission bewusst nicht vorgegeben, um nicht Gefahr zu laufen, dass ein Fehler im Beglaubigungsvermerk dazu führt, dass die gesamte deed formnichtig ist.118 In der Praxis bestätigen die Zeugen die vor ihnen vollzogene Unterschrift schriftlich, gefolgt von einer Unterschrift der Zeugen und den Kontaktdaten, um diese im Bedarfsfall kontaktieren zu können.119 Die Law Commission sprach sich überdies nicht dafür aus, den Personenkreis der Zeugen zu beschränken, sodass nach ihrer Ansicht auch der Vertragspartner oder eine andere, dem Erklärenden nahestehende Person die Unterschrift beglaubigen könne.120 Die Registrierungsbehörde 110

Sec. 1(3)(a) LPMPA 1989. Siehe § 3 C. I. 1. c). 112 Sec. 1(3)(a) LPMPA 1989. 113 Law Commission, Working Paper No. 93, Rn. 8.3(i); Law Commission, Law Com. No. 368, Rn. 5.16. 114 Sec. 1(3)(a)(i) LPMPA 1989. 115 Sec. 1(3)(a)(ii) LPMPA 1989. 116 Vertiefend dazu Lees, The Principles of Land Law, S. 108. 117 Law Commission, Law Com. No. 163, Rn. 2.13 Fn. 18 m. w. N. 118 Law Commission, Law Com. No. 163, Rn. 2.13 f. 119 Lees, The Principles of Land Law, S. 108. 120 Law Commission, Law Com. No. 163, Rn. 2.13. 111

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HM Land Registry vertritt dagegen in ihren Practice Guides unter Berufung auf die Entscheidung Seal v Claridge121 die Auffassung, dass Vertragsparteien ihre Unterschrift nicht gegenseitig bezeugen können.122 cc) Delivery Zuletzt ist eine delivery as a deed nötig.123 Diese stellt das nötige Publizitätselement dar, durch das die dingliche Rechtsänderung für den Rechtsverkehr deutlich gemacht werden soll.124 Heute ist eine physische Übergabe des Schriftstücks keine zwingende Voraussetzung mehr.125 Die Law Commission beschreibt eine delivery vielmehr so: „Since delivery no longer requires any physical handing over, a deed may be taken as delivered even when kept with the grantor’s own papers if there is evidence that he evinced an intention to be bound by it.“126 Es geht also darum, nach außen kenntlich zu machen, sich an die Erklärungen binden zu wollen. In der Praxis fügen solicitors dazu üblicherweise zunächst noch kein Datum ein und ergänzen dieses erst, wenn die bereits unterzeichnete deed Wirkungen entfalten soll, sodass darin die delivery zu sehen ist.127 Eine weitere Möglichkeit ist, eine Klausel aufzunehmen, wonach die delivery zu einem bestimmten Zeitpunkt als vollzogen anzusehen ist.128 Während die Law Commission das Erfordernis der delivery zunächst abschaffen wollte,129 sprach sie sich letztlich doch weiterhin dafür aus, da mit der delivery der Zeitpunkt bestimmt werden kann, ab welchem die Urkunde Wirkungen entfalten soll.130 Andernfalls würde eine deed bereits mit einer Unterschrift zu einer Rechtsänderung führen, sodass sie nicht im Voraus erstellt und insbesondere unterzeichnet werden könnte.131 dd) Modifizierte Anforderungen an die Ausfertigung bei companies Deeds von companies müssen ebenfalls den Willen zur Erstellung einer deed erkennen lassen.132 Die Anforderungen an die Ausfertigung werden aber durch 121 Seal v Claridge (1881) 7 Q.B.D. 516, 519, dort wird angeführt: „[N]o doubt the common sense of mankind has always rejected the notion that the party to a deed could also attest it“. 122 HM Land Registry, Practice Guide 8, Rn. 2.1.2. 123 Sec. 1(3)(b) LPMPA 1989. 124 Lees, The Principles of Land Law, S. 108 f. 125 Law Commission, Working Paper No. 93, Rn. 4.4 m. w. N.; Law Commission, Consultation Paper No. 237, Rn. 8.61; Law Commission, Law Com. No. 368, Rn. 5.38. 126 Law Commission, Working Paper No. 93, Rn. 4.4. 127 Davys, Land Law, S. 283. 128 Law Commission, Law Com. No. 368, Rn. 6.80, wobei auch andere Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie die delivery durchgeführt werden kann. 129 Law Commission, Working Paper No. 93, Rn. 8.2(iv). 130 Law Commission, Law Com. No. 163, Rn. 2.7 f. 131 Law Commission, Law Com. No. 163, Rn. 2.8. 132 Sec. 1(2)(a) LPMPA 1989.

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sec. 44, 46(1)(a) CA 2006 modifiziert. So sind, wie bei company contracts auch, die Unterschriften zweier authorised signatories oder eines directors in Anwesenheit eines Zeugen erforderlich. Alternativ kann auch das common seal, sollte die company ein solches haben, in Gegenwart von zwei directors oder zumindest einem director und einem secretary der company angebracht werden, die ebenfalls unterzeichnen müssen.133 Die auch nach sec. 46(1)(b) CA 2006 nötige delivery ist bei companies kein Bestandteil der Ausfertigung, aber dennoch erforderlich. Sie richtet sich nach den allgemeinen Anforderungen, wird allerdings mit ordnungsgemäßer Ausfertigung des Schriftstücks vermutet, sofern kein entgegenstehender Wille erkennbar ist.134 ee) Elektronische Erstellung von deeds Aktuell wird in England darüber diskutiert, ob der Zeuge auch bei einer elektronischen signature physisch bei dem Unterzeichner anwesend sein muss oder auch „remote forms of witnessing, such as by video link or other types of technology“135 ausreichen. Hintergrund der Diskussion ist, dass das Gesetz in sec. 1(3)(a) LPMPA 1989 und sec. 44(2)(b) CA 2006 derzeit zwar vorschreibt, dass die Unterschrift in Anwesenheit („in presence“) des Zeugen erfolgen muss, nicht aber, dass diese Anwesenheit auch zwingend physisch sein muss.136 Das Bedürfnis nach einer Beglaubigung per Videoübertragung dürfte in der Coronapandemie an Bedeutung gewonnen haben. Die Law Commission sieht die physische Anwesenheit des Zeugen beim Unterzeichner allerdings auch während der Abgabe einer elektronischen signature als erforderlich an.137

II. Rechtsfolge bei Formfehlern Auch für die Darstellung der Rechtsfolgen bei Formfehlern ist zwischen sec. 2(1) LPMPA 1989 und sec. 52(1) LPA 1925 zu unterscheiden. 1. Verstoß gegen Schriftformerfordernis für lease agreements Ein Grundstücksvertrag, der im Anwendungsbereich von sec. 2(1) LPMPA 1989 liegt, kommt erst zustande, wenn die erforderliche Schriftform eingehalten ist. Ohne Beachtung der Formvorschriften kann kein wirksamer Vertrag entstehen.138 Es handelt sich damit um ein konstitutives Schriftformerfordernis. 133

Siehe zum Unterschriftserfordernis auch § 3 C. I. 1. c) bb). Sec. 46(1)(b) CA 2006. 135 Law Commission, Law Com. No. 368, Rn. 5.30. 136 Siehe Law Commission, Law Com. No. 368, Rn. 5.30 ff. für eine Darstellung der Ansichten. 137 Law Commission, Law Com. No. 368, Rn. 1.29. 138 Firstpost Homes Ltd v Johnson [1995] 1 W.L.R. 1567, 1571; Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 966; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 40; Smith, Property Law, S. 109. 134

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Damit unterscheidet sich die Vorschrift von ihrer Vorgängernorm. Nach sec. 40(1) LPA 1925 waren formwidrige Grundstücksverträge zwar wirksam, aber nicht durchsetzbar (unenforceable).139 Es war möglich, dass formwidrige Grundstücksverträge nachträglich enforceable wurden, jedoch in einigen Fällen nur zugunsten einer der beiden Vertragsparteien, was die Law Commission als sehr schwer nachvollziehbar kritisierte.140 Stattdessen wollte die Law Commission eine „simple, straight forward rule“141, weshalb sie für die Einführung von sec. 2 LPMPA 1989 plädierte, die nicht schriftlich geschlossene Verträge schlicht für unwirksam erklärt. Neben einer gesteigerten Rechtsklarheit sollte die Neuregelung zudem ungerechte Ergebnisse verhindern. Die Law Commission verwies auf den Fall Tiverton Estates Ltd v Wearwell Ltd.142 Dort einigten sich zwei Geschäftsleute mündlich über den Verkauf einer lease, allerdings bereute der Käufer im Nachhinein den Vertragsschluss.143 Das Gericht ermöglichte dem Käufer, sich seinen vertraglichen Pflichten zu entziehen, da der Vertrag mangels Schriftform unenforceable war.144 Die Law Commission kritisiert an diesem Ergebnis, dass sich die Vertragsparteien inhaltlich auf ein bestimmtes Verhalten geeinigt hatten und so ein wirksamer Vertrag geschlossen wurde, aber ein Vertragspartner sich wegen einer bloßen Förmelei seinen vertraglichen Pflichten entziehen konnte.145 Daher sollte bei Formmängeln erst gar kein Vertrag entstehen.146 a) Heilungsmöglichkeit von Formmängeln Vor der Einführung des LPMPA 1989 konnten formlos geschlossene Verträge über die equity rules im Falle einer teilweisen Erfüllung der Vertragspflichten im Vertrauen auf das Versprechen des Vertragspartners (part performance) dennoch in equity durchgesetzt werden.147 Die Law Commission sprach sich 1989 bei der Einführung eines konstitutiven Schriftformerfordernis für die Abschaffung der Heilungsmöglichkeit durch part performance aus.148 Diese Empfehlung übernahmen die englischen Gerichte,149 sodass diese doctrine für Verträge unter sec. 2(1) 139 Sec. 40(1) LPA 1925 lautete: „No action may be brought upon any contract for the sale or other disposition of land or any interest in land, unless the agreement upon which such action is brought, or some memorandum or note thereof, is in writing, and signed by the party to be charged or by some other person thereunto by him lawfully authorised“. 140 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 4.2. 141 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 4.2. 142 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 1.4 und 4.2 Fn. 4 mit Verweis auf Tiverton Estates Ltd v Wearwell Ltd [1975] Ch. 146. 143 Tiverton Estates Ltd v Wearwell Ltd [1975] Ch. 146, 154 f. 144 Tiverton Estates Ltd v Wearwell Ltd [1975] Ch. 146, 161. 145 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 1.4 und 4.2. 146 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 4.1 f. 147 MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 52 f. 148 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 4.13. 149 Firstpost Homes Ltd v Johnson [1995] 1 W.L.R. 1567, 1571; United Bank of Kuwait Plc. v Sahib and Others [1997] Ch. 107, 140; Yaxley v Gotts and Another [2000] Ch. 162, 172.

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LPMPA 1989 keine Rolle mehr spielt.150 Eine Heilung durch part performance ist für Formverstöße gegen sec. 2(1) LPMPA 1989 damit nicht mehr möglich. Für Verwirrung sorgte jedoch folgende Passage aus dem Urteil zu Tootal Clothing Ltd v Guinea Properties Management Ltd: However, section 2 [LPMPA 1989] is of relevance only to executory contracts. It has no relevance to contracts which have been completed. If parties choose to complete an oral land contract or a land contract that does not in some respect or other comply with section 2, they are at liberty to do so. Once they have done so, it becomes irrelevant that the contract they have completed may not have been in accordance with section 2.151

Die Deutung dieser Ausführungen war zunächst unklar. So wurde teilweise angenommen, dass der Court of Appeal eine Heilungsmöglichkeit für formnichtige Grundstücksverträge eingeführt habe, wenn die land elements des Vertrags umgesetzt wurden.152 In einer späteren Entscheidung stellte der Court of Appeal – allerdings durch einen anderen Richter als im Ausgangsfall – fest, dass eine solche Heilungsmöglichkeit keine Grundlage im englischen Recht habe und daher nicht beabsichtigt gewesen sein könne.153 Ein formnichtiger Grundstücksvertrag wird damit durch Erfüllung nicht wirksam. Allerdings wird in Tootal Clothing Ltd v Guinea Properties Management Ltd deutlich, dass zumindest ein Rückforderungsausschluss eintritt, wenn ein formnichtiger Grundstücksvertrag erfüllt wird.154 Dieser Rückforderungsausschluss beinhaltet die Wertung der englischen Rechtsordnung, dass der Schutz der Vertragsparteien Einschränkungen erfährt, wenn die Verträge trotz eines Formmangels erfüllt werden.155 In diesen Fällen soll das Interesse an dem Fortbestand der durch den unwirksamen Vertrag veranlassten Verfügungen überwiegen.156 In einem lease agreement schuldet der landlord die Bestellung einer lease. Er kann die Erfüllung ablehnen, wenn ein formloser Vertrag geschlossen wurde. Den Bestand der einmal bestellten lease kann er wegen eines Formfehlers im lease agreement allerdings nicht mehr angreifen. Treffend resümiert daher Heiss: „Das Gesetz mißbilligt also den Zwang zur Leistung, nicht hingegen die Aufrechterhaltung erfüllter Verträge.“157 150

So auch MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 54. Tootal Clothing Ltd v Guinea Properties Management Ltd [1992] 64 P. & C.R. 452, 455. 152 Eine Zusammenfassung dieser Interpretation findet sich bei Keay v Morris Homes (West Midlands) Ltd [2012] 1 W.L.R. 2855, Rn. 40 und 44 mit Verweis auf Kilcarne Holdings Ltd v Targetfollow (Birmingham) Ltd [2005] 2 P. & C.R. 105, Rn. 198. 153 Keay v Morris Homes (West Midlands) Ltd [2012] 1 W.L.R. 2855, Rn. 47: „The proposition that a void contract can, by acts in the nature of part performance, mature into a valid one is contrary to principle and wrong“. 154 Heiss, Formmängel und ihre Sanktionen, S. 251; Schünemann, Die Veräußerung von Grundstücken nach deutschem und englischem Recht, S. 53 f. 155 Heiss, Formmängel und ihre Sanktionen, S. 252. 156 Heiss, Formmängel und ihre Sanktionen, S. 252; Schünemann, Die Veräußerung von Grundstücken nach deutschem und englischem Recht, S. 54. 157 Heiss, Formmängel und ihre Sanktionen, S. 252. 151

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b) Formfehler in Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen Die Änderung eines material term bedarf, wie gezeigt,158 ebenfalls der Schriftform der sec. 2(1) LPMPA 1989. Wird eine solche Vertragsänderung nicht schriftlich vereinbart, führt dies nach den allgemeinen Regelungen zur Unwirksamkeit des Änderungsvertrags. Welche Auswirkungen dies auf den ursprünglich formgerechten Vertrag hat, ergibt sich aus British & Beningtons Ltd v North West Cachar Tea Co Ltd. Danach bleibt der ursprüngliche Vertrag grundsätzlich in Kraft, es sei denn, dass die Vertragsänderung derart umfassend ist, dass in ihr eine konkludente Aufhebung des ursprünglichen Vertrags zu sehen ist.159 Bereits formgerecht geschlossene Vereinbarungen gelten im Falle der Unwirksamkeit einer Nachtragsvereinbarung unverändert fort. c) Umgang mit opportunistischem Verhalten Die Law Commission versuchte mit der scharfen Rechtsfolge der sec. 2(1) LPMPA 1989 Opportunisten daran zu hindern, Formfehler zweckwidrig zu instrumentalisieren, um sich von lästigen Verträgen zu lösen.160 Ob die Law Commission dies erreichen konnte, wird von englischen Gerichten bezweifelt.161 Auch die Rechtsfolge von sec. 2(1) LPMPA 1989 kann nach der aufgeworfenen Kritik vertragsreuige Parteien dazu motivieren, nach Abschluss des Vertrags aber vor der Bestellung der lease gezielt nach Formfehlern zu suchen, um mit diesen zwar nicht die Durchsetzbarkeit, aber die Wirksamkeit des Vertrags zu bestreiten.162 Inwieweit englische Gerichte oder die englische Rechtsordnung dem einen Riegel vorschieben, soll näher betrachtet werden. aa) Absenkung der Formanforderungen Im Fall Rabiu v Marlbray Ltd wollte ein Ehepaar gemeinsam eine 999-jährige lease erwerben. Allein der Ehemann unterzeichnete den Vertrag, sowohl für sich als auch für seine Ehefrau, obwohl sie ihm keine Vertretungsmacht erteilt hatte.163 Die Eheleute versuchten, sich ihren unter dem Vertrag eingegangen Pflichten zu entziehen, indem sie anführten, dass neben der Vertretungsmacht auch die Unterschrift der Frau fehle und damit kein formgerechter Vertrag vorliege.164 Das Gericht sah in dem nur durch den Mann unterschriebenen Vertrag einen wirk158

Siehe § 3 C. I. 1. d). British & Beningtons Ltd v North West Cachar Tea Co Ltd [1923] A.C. 48, 62. 160 Siehe § 3 C. II. 1. 161 North Eastern Properties Ltd v Coleman [2010] 1 W.L.R. 2715, Rn. 43; ebenso im Urteil zu Keay v Morris Homes (West Midlands) Ltd [2012] 1 W.L.R. 2855, Rn. 9, bei dem die gleiche Passage aus dem vorgenannten Urteil zitiert wird. 162 North Eastern Properties Ltd v Coleman [2010] 1 W.L.R. 2715, Rn. 43; Keay v Morris Homes (West Midlands) Ltd [2012] 1 W.L.R. 2855, Rn. 9. 163 Rabiu v Marlbray Ltd [2016] 1 W.L.R. 5147, 5147. 164 Rabiu v Marlbray Ltd [2016] 1 W.L.R. 5147, 5147. 159

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samen Vertrag, allerdings nur zwischen dem Veräußerer und dem Ehemann.165 Das Gericht lehnte es ab, sec. 2(1) LPMPA 1989 rein formalistisch auszulegen, um es dem Ehemann zu ermöglichen, sich seinen vertraglichen Pflichten zu entziehen.166 Diese Entscheidung wird heute auch noch so verstanden, dass englische Gerichte nur sehr zögerlich eine rein formelle Auslegung des Schriftformerfordernisses aus sec. 2(1) LPMPA 1989 akzeptieren werden, insbesondere dann, wenn eine Vertragspartei sich dadurch ihrer vertraglichen Pflichten entledigen will.167 In einigen Fällen haben Vertragspartner eingewendet, dass nicht alle Vereinbarungen in die Vertragsurkunde aufgenommen wurden und beriefen sich auf eine Formnichtigkeit des gesamten Vertrags. Auf diesem Wege erhoffte man sich die Lösung von Verträgen, die sich im Nachhinein als lästig herausgestellt haben.168 Dies billigten englische Gerichte ebenfalls nicht. Zunächst sah die Rechtsprechung mündliche Absprachen, die nicht in die Vertragsurkunde aufgenommen wurden, als separate Verträge (collateral contracts) an, die nicht der Form der sec. 2(1) LPMPA 1989 unterlägen.169 Die gleichen Überlegungen stellten die Richter im Fall Tootal Clothing Ltd v Guinea Properties Management Ltd170 an. Dort einigten sich die Parteien in einem lease agreement darauf, dass der Mieter die Mieträume umbauen und der Vermieter sich an den Kosten hierfür beteiligen sollte, was jedoch nicht in die Mietvertragsurkunde aufgenommen, sondern erst in einer am gleichen Tag von beiden Parteien unterzeichneten Nachtragsvereinbarung ergänzt wurde.171 Der Vermieter versuchte, sich seiner Zahlungspflicht zu entziehen, indem er argumentierte, dass die entsprechende Klausel nicht in der Vertragsurkunde des ursprünglichen lease agreement aufgeführt und damit gemäß sec. 2 LPMPA 1989 unwirksam sei.172 Während er sich damit in der ersten Instanz durchsetzen konnte, unterlag er in der zweiten Instanz. Der Court of Appeal sah in der Vereinbarung der Zahlungspflicht einen separaten Vertrag, der nach der Auffassung des Gerichts nicht dem Schriftformerfordernis der sec. 2 LPMPA 1989 unterlag.173 Die englische Rechtsprechung erreichte durch die Auslagerung der formwidrigen Abrede in einen nicht formbedürftigen collateral contract, dass die Vertragsparteien gleichwohl ihre vertraglichen Pflichten aus dem lease agreement erfüllen mussten.

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Rabiu v Marlbray Ltd [2016] 1 W.L.R. 5147, Rn. 70 f. Rabiu v Marlbray Ltd [2016] 1 W.L.R. 5147, Rn. 72. 167 McFarlane/Hopkins/Nield, Text, Cases, and Materials, S. 258 f. 168 So die Beobachtungen von MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 41; ebenso North Eastern Properties Ltd v Coleman [2010] 1 W.L.R. 2715, Rn. 43; ebenso Keay v Morris Homes (West Midlands) Ltd [2012] 1 W.L.R. 2855, Rn. 9. 169 Record v Bell [1991] 1 W.L.R. 853, 853 f. 170 Tootal Clothing Ltd v Guinea Properties Management Ltd [1992] 64 P. & C.R. 452. 171 Tootal Clothing Ltd v Guinea Properties Management Ltd [1992] 64 P. & C.R. 452, 452. 172 Tootal Clothing Ltd v Guinea Properties Management Ltd [1992] 64 P. & C.R. 452, 455. 173 Tootal Clothing Ltd v Guinea Properties Management Ltd [1992] 64 P. & C.R. 452, 455 f. 166

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Mittlerweile sind englische Gerichte dazu übergegangen, den Kreis der formbedürftigen Vertragsabsprachen einzugrenzen, indem nur noch die Abreden als formbedürftig angesehen werden, von denen der Bestand des Vertrags insgesamt abhängen soll.174 bb) Equitable remedies vor conveyance Liegen Formfehler vor, so z. B. bei einem bloß mündlichen Vertrag, oder verstoßen die Vertragsparteien gegen die herabgesetzten Formanforderungen der Rechtsprechung, sehen die legal rules die Nichtigkeit des Vertrags vor.175 Allerdings können equity rules, die bekanntermaßen ein Korrektiv für die Härte des common law darstellen, herangezogen werden, um Opportunisten daran zu hindern, die strengen Rechtsfolgen für sich zu nutzen.176 Die Law Commission hat bei der Einführung der neuen Formvorschriften im Jahre 1989 auch ausdrücklich betont, dass die equity rules bei formnichtigen Grundstücksverträgen anwendbar sein sollen.177 In Betracht kommen dazu vor allem die doctrine of proprietary estoppel und die doctrine of constructive trust.178 Eine umfassende Darstellung dieser doctrines würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.179 Es sollen vielmehr deren Rechtsnatur, Voraussetzungen und Rechtsfolgen umrissen werden, um aufzuzeigen, wie die Vertragsparteien dennoch an ihren Versprechen festgehalten werden. (1) Proprietary estoppel Es gibt verschiedene Bedeutungen des Begriffs estoppel, sodass eine Übersetzung ins Deutsche nicht möglich ist. Grundsätzlich ist ein estoppel als ein Verteidigungsmittel des Anspruchsstellers zu verstehen, durch das der Anspruchsgegner daran gehindert sein kann, die Richtigkeit einer Tatsache oder einer rechtlichen Einschätzung zu bestreiten.180 Ein proprietary estoppel dient dagegen nicht als Verteidigungsmittel, sondern durch diesen sollen Ansprüche erst begründet werden.181 Die Voraussetzungen für einen proprietary estoppel sind, dass der Berechtigte eines dinglichen Rechts an land einen Dritten glauben lässt, dass dieser ein Recht an dem land hat oder haben wird und dieser im Vertrauen darauf zu seinem

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Siehe § 3 C. I. 1. b). Siehe zu der strengen Rechtsfolge für Formmängel § 3 C. II. 1. 176 Smith, in: Austin/Klimchuck (Hrsg.), Private Law and the Rule of Law, S. 224, 225; siehe auch § 3 A. II. 6. 177 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 5.2 und 5.4. 178 Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 974. 179 Für eine detaillierte Darstellung siehe MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, Kap. 18 und 19. 180 McFarlane/Hopkins/Nield, Text, Cases, and Materials, S. 344. 181 MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 400. 175

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eigenen Nachteil handelt, indem er beispielsweise Aufwendungen tätigt.182 Eine zentrale Voraussetzung für einen proprietary estoppel ist ferner, dass bei Betrachtung aller Umstände ein unsittliches (unconscionable) Verhalten des Täuschenden zu erkennen ist.183 Liegen die Voraussetzungen eines proprietary estoppel vor, muss das Gericht entscheiden, welche remedies angemessen sind, da keine bestimmte Rechtsfolge vorgeschrieben ist.184 Die gewählten remedies sollen verhältnismäßig zu dem erlittenen Nachteil und den enttäuschten Erwartungen des vermeintlichen Käufers sein.185 So kann der Erwerbserwartung des vermeintlichen Käufers entsprochen und ihm das in Aussicht gestellte dingliche Recht in equity zugesprochen werden.186 Steht der Geldbetrag, den er im Vertrauen auf den Erhalt des Rechts ausgegeben hat, in keinem Verhältnis zum Wert des dinglichen Rechts, kann auch der Ersatz des Geldbetrags ausreichen.187 Das Entstehen von proprietary estoppels und die remedies richten sich nach den equity rules, deren Anwendung ohnehin in einem weiten Ermessen des Gerichts liegen.188 (2) Constructive trust Bei trusts handelt es sich um Treuhandverhältnisse, die den equity rules zuzuordnen sind, bei denen der Treuhänder (trustee) der Berechtigte nach den legal rules ist, der Treugeber/Begünstigte (beneficiary) ein dingliches Recht in equity hält und der trustee dem beneficiary Treuepflichten (fiduciary duties) schuldet.189 Über die Konstellation eines trust kann der trustee gegenüber Dritten als der Berechtigte auftreten und das Treuhandvermögen verwalten, während der beneficiary der wahre, wirtschaftliche Berechtigte ist.190 Anders als im deutschen Recht entfalten trusts im englischen Recht regelmäßig dingliche Wirkungen.191 Es gibt verschiedene Formen von trusts, die entweder rechtsgeschäftlich oder kraft Gesetzes entstehen.192 Constructive trusts entstehen kraft Gesetzes durch ein bestimmtes unsittliches Verhalten, das Bezüge zu land aufweist.193 Um eine mög182 Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 125 ff.; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 401. 183 Cobbe v Yeoman’s Row Management Ltd [2008] 1 W.L.R. 1752, Rn. 92. 184 Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 128 f.; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 410. 185 Jennings v Rice [2002] E.W.C.A. Civ. 159, Rn. 38 und 56. 186 Jennings v Rice [2002] E.W.C.A. Civ. 159, Rn. 50. 187 Jennings v Rice [2002] E.W.C.A. Civ. 159, Rn. 50; Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 129 f. 188 MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 24 f. 189 Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 13 und 17 f. 190 Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 17 f. 191 Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 17 und 26; für einen Vergleich mit dem deutschen Treuhandverhältnis siehe Häcker, ZEuP 2011, 335, 344. 192 Eine Übersicht findet sich bei Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 22 f. 193 Hudson, Understanding Equity & Trusts, S. 22 und 104.

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lichst hohe Einzelfallgerechtigkeit zu erzielen, sind die Voraussetzungen und Grenzen eines constructive trust bewusst offen formuliert.194 Bei formnichtigen Grundstücksverträgen wird häufig der common intention constructive trust195 herangezogen. Gerichte haben gewisse Voraussetzungen aufgestellt, unter denen ein solcher constructive trust in Betracht kommt. Dabei wird die Ähnlichkeit zur doctrine of proprietary estoppel hervorgehoben und die schwere Abgrenzbarkeit der beiden doctrines angeführt.196 In welchem Verhältnis die Rechtsinstitute des proprietary estoppel und des constructive trust zueinanderstehen, ist nicht abschließend geklärt.197 Die grundsätzlichen Voraussetzungen unterscheiden sich nicht wesentlich von denen eines proprietary estoppel.198 Der wohl bedeutendste Unterschied in den Voraussetzungen liegt darin, dass es bei einem proprietary estoppel ausreicht, wenn ein bestimmter Sachverhalt dargestellt oder etwas versprochen wird, während bei einem constructive trust eine beidseitige Willensübereinstimmung in Form einer Vereinbarung erforderlich ist.199 Die Abgrenzung eines Versprechens oder der Darstellung eines bestimmten Sachverhalts von einer Vereinbarung kann im Einzelfall schwierig sein.200 Auch die Law Commission hatte bei der Einführung des LPMPA 1989 die doctrine of estoppel im Sinn, um die strenge Nichtigkeitsrechtsfolge abzumildern.201 Jedoch haben nur constructive trusts den Einzug in das LPMPA 1989 gefunden: Nach sec. 2(5) LPMPA 1989 haben die gesetzlichen Formvorschriften im LPMPA 1989 keine Auswirkungen auf die Entstehung von constructive trusts. Diese können mithin entstehen, selbst wenn die von sec. 2(1) LPMPA 1989 vorgeschriebene Form nicht gewahrt ist. Das Rechtsinstitut der proprietary estoppel findet dagegen keine Erwähnung im Gesetz. Dieser Widerspruch und die zunächst noch ungewisse Abgrenzbarkeit der beiden doctrines sorgten auch bei englischen Gerichten für Unklarheiten. So auch in Yaxley v Gotts and Another: Das erstinstanzliche Gericht verurteilte den Beklagten zur Einräumung einer 99-jährigen lease, obwohl das lease agreement nicht schriftlich geschlossen war und begründete dies mit einem proprietary estoppel.202 Die Richter am Court of

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Carl-Zeiss Stiftung v Herbert Smith & Co. (No. 2) [1969] 2 Ch. 276, 300. Für eine bessere Lesbarkeit wird im Folgenden nur der Begriff constructive trust verwendet. 196 Yaxley v Gotts [2000] Ch. 162, 180: „A constructive trust [...] is closely akin to, if not indistinguishable from proprietary estoppel“. 197 Vertiefend MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 418 ff. 198 Zu den Voraussetzungen eines constructive trust siehe Kinane v Mackie-Conteh [2005] E.W.C.A. Civ. 45, Rn. 32. 199 Smith, Property Law, S. 219. 200 Smith, Property Law, S. 219. 201 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 5.2 und 5.4. 202 Yaxley v Gotts and Another [2000] Ch. 162, 162 f. 195

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Appeal wiesen das eingelegte Rechtsmittel im Ergebnis zurück, begründeten dies aber mit dem Vorliegen eines constructive trust.203 Im Fall Kinane v Mackie-Conteh erklärte das Gericht, dass ein proprietary estoppel in Anbetracht des Wortlauts von sec. 2(5) LPMPA 1989 nicht ausreichend sei, sofern nicht die weitere Voraussetzung eines constructive trust vorliegt.204 Dabei handelt es sich um das bereits erwähnte Element der Einigung oder des Ausdrucks eines gemeinsamen Willens.205 (3) Einschränkungen im gewerblichen Geschäftsverkehr Die doctrine of proprietary estoppel und die doctrine of constructive trust können im gewerblichen Geschäftsverkehr Einschränkungen erfahren. Dort wird angenommen, dass die Vertragspartner fachkundiger sind und die gesetzlichen Formanforderungen für Grundstücksverträge kennen. In Cobbe v Yeoman’s Row Management Ltd and another206 hatte der Kläger, ein erfahrener Bauträger, einen lediglich mündlichen Vertrag mit einer Gesellschaft geschlossen. Danach sollte der Kläger zunächst auf eigene Kosten die Erteilung einer Baugenehmigung beantragen und anschließend die Immobilie zu festgelegten Konditionen erwerben können.207 Die Beklagte wollte sich nach einem aufwändigen und kostenintensiven Baugenehmigungsverfahren nur noch zu geänderten Konditionen auf einen Verkauf einlassen, woraufhin der Bauträger Klage erhob und sich auf die doctrine of proprietary estoppel und die doctrine of constructive trust berief.208 In den ersten Instanzen obsiegte der Kläger, unterlag aber im House of Lords209. Dort argumentierten die Richter vor allem mit dem Wissen beider Parteien um die Formnichtigkeit des Vertrags und, dass der Kläger die damit verbundenen Risiken in der Aussicht auf ein lukratives Geschäft freiwillig akzeptiert hat.210 Dogmatisch wurden equitable remedies abgelehnt, da das Verhalten der Beklagten nicht unconscionable war, weil der Kläger genau wusste, dass ihm kein Anspruch aus dem formnichtigen Vertrag zustand.211 Die equity rules sind folglich nicht dazu gedacht, finanzielle Risiken im gewerblichen Rechtsverkehr abzufangen, die ein Unternehmer mit offenen Augen („with his eyes open“212) eingeht.

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Yaxley v Gotts and Another [2000] Ch. 162, 193. Kinane v Mackie-Conteh [2005] E.W.C.A. Civ. 45, Rn. 45. 205 Kinane v Mackie-Conteh [2005] E.W.C.A. Civ. 45, Rn. 51. 206 Cobbe v Yeoman’s Row Management Ltd [2008] 1 W.L.R. 1752. 207 Cobbe v Yeoman’s Row Management Ltd [2008] 1 W.L.R. 1752, 1752. 208 Cobbe v Yeoman’s Row Management Ltd [2008] 1 W.L.R. 1752, 1752. 209 Dessen Zuständigkeit in Zivilsachen wird seit dem 01.01.2009 durch den Supreme Court of the United Kingdom wahrgenommen. 210 Cobbe v Yeoman’s Row Management Ltd [2008] 1 W.L.R. 1752, Rn. 91. 211 Cobbe v Yeoman’s Row Management Ltd [2008] 1 W.L.R. 1752, Rn. 92. 212 Cobbe v Yeoman’s Row Management Ltd [2008] 1 W.L.R. 1752, Rn. 91. 204

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2. Verstoß gegen die Anforderungen einer deed Erfüllt ein Schriftstück nicht die Anforderungen an eine deed, ergibt sich die Rechtsfolge unmittelbar aus sec. 52(1) LPA 1925: „All conveyances of land or of any interest therein are void for the purpose of conveying or creating a legal estate unless made by deed.“ Damit sind die Erklärungen nicht gänzlich unwirksam, sondern es konnte nur keine legal lease begründet werden. a) Entstehung einer equitable lease Zunächst kann der Käufer bereits durch den Abschluss eines wirksamen lease agreement wegen des Grundsatzes „Equity regards as done that which ought to be done“ bereits Inhaber einer equitable lease sein.213 Das setzt voraus, dass das lease agreement wirksam ist.214 Insbesondere muss die Formvorschrift sec. 2(1) LPMPA 1989 beachtet werden. Liegt kein wirksames lease agreement vor, kann auch eine nicht formgerechte deed in ein solches umgedeutet werden, wenn sie die (insbesondere formellen) Voraussetzungen eines lease agreement erfüllt.215 Dann steht dem Mieter ebenfalls eine equitable lease zu.216 b) Implied lease Auch wenn die Vertragsparteien notwendige Formalitäten nicht beachten, kann dennoch eine implied lease entstehen. Hierbei handelt es sich um ein Institut nach den legal rules.217 Die Voraussetzungen für eine implied lease ergeben sich nicht aus dem Gesetz, sondern wurden von der englischen Rechtsprechung aufgestellt. Danach wird eine implied lease angenommen, wenn der Mieter den Besitz an einer Immobilie erlangt hat und in periodisch wiederkehrender Weise Miete entrichtet, die der Vermieter akzeptiert.218 Die Dauer der lease richtet sich nach den geschuldeten Mietzahlungsintervallen, aber auch nach den Absprachen zwischen den Parteien oder den üblichen Geschäftsgepflogenheiten.219 Die konkludente 213 Siehe § 3 A. II. 6 zu dem Grundsatz „Equity regards as done that which ought to be done“. 214 Bevan, Land Law, S. 366; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 197. Ferner muss das lease agreement auch der specific performance zugänglich sein, siehe dazu § 3 A. II. 6. 215 Parker v Taswell (1858) 2 De Gex & Jones 559, 570 f. Diese Entscheidung erging vor der Einführung des LPA 1925, allerdings wird sie auch auf die derzeitige Rechtslage unter sec. 52(1) LPA 1925 übertragen, vgl. George/Layard, Thompson’s Modern Land Law, S. 348; dazu auch MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 22. 216 George/Layard, Thompson’s Modern Land Law, S. 348; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 23. 217 MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 201. 218 Martin v Smith (1873–4) L.R. 9 Ex. 50, 51 ff.; dazu auch: Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 205; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 201. 219 Ausführlich dazu MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 202.

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und damit formlose Bestellung einer solchen periodischen legal lease ist möglich, da sie wegen der kurzen Zeitperioden unter die Ausnahme der sec. 54(2) LPA 1925 fallen und damit nicht formbedürftig sind.220 Damit handelt es sich bei implied leases um legal leases (und nicht bloß equitable leases).221 Im Übrigen werden die Vereinbarungen als Mietbedingungen impliziert, auf die sich die Vertragsparteien zuvor (formwidrig) geeinigt hatten.222 Die Parteien können die implied lease jeweils am Ende eines Zeitintervalls kündigen.223 Die Kündigungsfrist beträgt in diesen Fällen regelmäßig sechs Monate zum Ende einer Zeitperiode.224 Eine Schwäche der implied lease ist damit, dass die Parteien nicht an die ursprünglich vereinbarte Laufzeit gebunden werden, sondern sie sich frühzeitig lösen können. c) Konkurrenz zwischen equitable leases und implied leases Die parallele Anwendbarkeit von equity und legal rules macht es erforderlich, sich mit Konkurrenzfragen zu beschäftigen. Es ist ein allgemeiner Grundsatz, dass sich equity rules im Kollisionsfall gegenüber den legal rules durchsetzen.225 Hält ein Mieter (beispielsweise infolge eines wirksamen lease agreements) eine equitable lease, setzt sich diese gegen eine implied lease durch. Dies ist insbesondere bedeutend für die Mietdauer, da sich die Laufzeit einer equitable lease nach den Absprachen richtet, während implied leases zum Ablauf eines jeden Zeitintervalls gekündigt werden können. Lord Jessel MR ging in Walsh v Lonsdale noch weiter und nahm überdies an, dass zwischen den Parteien eine implied lease erst gar nicht entstehen könne, wenn der tenant bereits Inhaber einer equitable lease ist.226 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich equitable leases gegenüber legal leases durchsetzen.

220 Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 212; George/ Layard, Thompson’s Modern Land Law, S. 347; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 202; Walsh, A Guide to Landlord and Tenant Law, S. 21. 221 MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 202. 222 Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 208. 223 Prudential Assurance Co Ltd v London Residuary Body [1992] 2 A.C. 386, 394; Hammersmith and Fulham LBC v Monk [1992] 1 A.C. 478, 490; Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 212 und 335. 224 Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 335 ff. Handelt es sich um eine implied lease mit einer kürzeren Zeitperiode, beträgt die Kündigungsfrist die Dauer einer Zeitperiode (beispielsweise kann eine monthly implied lease mit einer Monatsfrist gekündigt werden), siehe dazu Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 337 f. 225 Walsh v Lonsdale (1882) 21 Ch. D. 9, 14; sec. 49(1) Senior Courts Act 1981. 226 Walsh v Lonsdale (1882) 21 Ch. D. 9, 14: „There are not two estates as there were formerly, one estate at common law by reason of the payment of the rent from year to year, and an estate in equity under the agreement. There is only one Court, and the equity rules prevail in it. The tenant holds under an agreement for a lease“.

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III. Fazit zum Schutz der Mietvertragsparteien Das englische Recht schützt tenants und landlords durch die Formvorschriften sec. 2(1) LPMPA 1989 und sec. 52(1) LPA 1925 vor der übereilten Eingehung langfristiger Mietverhältnisse und stellt sicher, dass die Abreden beweissicher getroffen werden. Diesen Formvorschriften kommt insofern eine Beweis- und Warnfunktion zu. Sec. 2(1) LPMPA 1989 gilt dabei für den Abschluss eines lease agreement und sec. 52(1) LPA 1925 für die dingliche Bestellung der lease. Wird ein formbedürftiges lease agreement nicht schriftlich geschlossen, führt dies zu dessen Nichtigkeit. Der Schutz vor opportunistischem Verhalten, das darauf abzielt, aus dieser Rechtsfolge Vorteile abzuleiten, ist insgesamt effektiv. Dies gilt insbesondere für den Rückforderungsausschluss, der durch die Bestellung der lease eintritt. So können Formfehler im lease agreement nur bis zu diesem Zeitpunkt geltend gemacht werden. Das englische Recht erlaubt es dem tenant und dem landlord zwar, die Erfüllung eines formnichtigen lease agreement zu verweigern. Erfüllen sie dennoch den Vertrag, wirkt sich die Formunwirksamkeit auf die Wirksamkeit der lease nicht aus. Allerdings kann die Nichtigkeitsrechtsfolge der sec. 2(1) LPMPA 1989 bis zur Bestellung der lease vertragsreuige Parteien motivieren, Formfehler zu nutzen, um sich lästigen Verträgen zu entledigen. Die englischen Gerichte treten einem solchen Verhalten effektiv durch eine liberale Auslegung der Formanforderungen und durch die equity rules entgegen. Ob dazu eher auf die doctrine of proprietary estoppel oder constructive trusts zurückgegriffen wird, ist noch nicht abschließend geklärt.227 Gerichte zeigen darüber hinaus die Tendenz, dass equitable remedies im gewerblichen Geschäftsverkehr eher restriktiv anzuwenden sind und keine Abhilfe schaffen können, wenn durch sie kaufmännische Risiken abgefedert werden sollen. Der Schutz vor opportunistischem Verhalten ist daher nicht grenzenlos. Das Gesetz ordnet in sec. 52(1) LPA 1925 an, dass nur eine legal lease nicht wirksam entstehen kann. Eine formwidrige deed kann daher – sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen – in ein formwirksames lease agreement umgedeutet werden, sodass eine equitable lease entsteht. Ferner kann durch den Einzug und die Zahlung der vereinbarten rent eine implied lease entstehen. Diese hat jedoch regelmäßig eine kürzere Laufzeit als eine equitable lease und kann landlord sowie tenant nicht über die gesamte ursprünglich vereinbarte Laufzeit binden. Eine entstandene equitable lease verdrängt eine implied lease.

227 Lees, The Principles of Land Law, S. 105 und MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 57 beobachten eine Tendenz der Rechtsprechung, eher die doctrine of constructive trust heranzuziehen, während Schünemann, Die Veräußerung von Grundstücken nach deutschem und englischem Recht, S. 53 von einer Präferenz für die doctrine of proprietary estoppel spricht.

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D. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber Im Folgenden soll betrachtet werden, inwieweit das englische Recht potenzielle Erwerber schützt, die ein Interesse daran haben, die Konditionen bestehender leases zu kennen, an die sie im Fall des Erwerbs gebunden sind. Dazu soll zunächst herausgearbeitet werden, an welche Absprachen zwischen tenant und landlord ein Erwerber gebunden wird, bevor der Frage nachgegangen wird, auf welche Weise die englische Rechtsordnung sicherstellt, dass er über diese Absprachen informiert wird.

I. Bindung des Erwerbers an leases Regelmäßig entfalten leases dingliche Wirkungen. Nur im Ausnahmefall entstehen im modernen englischen Recht zwischen Mietern und Vermietern leases, die keine dinglichen Wirkungen entfalten.228 Als dingliches Recht binden leases grundsätzlich auch Käufer von estates in land, die diese mitsamt aller dinglichen Belastungen erwerben.229 Ob eine lease tatsächlich einen Erwerber bindet, hängt aber zunächst davon ab, ob eine legal oder eine equitable lease vorliegt. 1. Unterschiede zwischen legal und equitable leases Zwischen equitable und legal leases bestehen einige Unterschiede.230 Für die vorliegende Arbeit ist relevant, inwiefern die leases einem Erwerber entgegengehalten werden können. Legal leases sind ohne Weiteres in der Lage, Erwerber zu binden.231 Equitable leases können dies nur in zwei Fällen: Zum einen, wenn diese in das land register eingetragen wurden.232 Zum anderen, wenn sie overriding interests darstellen.233 Als overriding interests werden zusammenfassend solche 228 So etwa die tenancy at will, bei der keine feste Mietdauer vereinbart wird, siehe MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 175. Ferner ist die tenancy by sufferance zu nennen, bei der ein Mieter nach Ablauf der Mietdauer ohne Zustimmung und ohne Widerspruch des Vermieters im Besitz der Mieträume bleibt, siehe MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 202. Diese eher faktischen Mietverhältnisse können jederzeit von beiden Parteien fristlos gekündigt werden, sodass ihnen keine dingliche Wirkung zukommen soll, siehe Smith, Property Law, S. 374. 229 Bevan, Land Law, S. 333; Gardner/MacKenzie, An Introduction to Land Law, S. 232. 230 Für eine detaillierte Darstellung der Unterschiede siehe MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 199 ff. 231 Davys, Land Law, S. 112; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 199 f. 232 Ausführlich dazu: Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 219 f.; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 199 f. Die jeweiligen Anforderungen an die Eintragungen unterscheiden sich, je nachdem, ob das der lease übergeordnete estate im land register eingetragen ist oder nicht. 233 Das setzt voraus, dass das der lease übergeordnete estate im land register eingetragen ist, vgl.: Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 220; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 200.

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Rechtspositionen bezeichnet, durch die Erwerber auch dann gebunden werden, wenn sie keine Möglichkeit haben, den Bestand dieser Rechtspositionen über das land register zu erkennen.234 Eine equitable lease stellt dann ein overriding interest dar, wenn der Berechtigte in actual occupation ist.235 2. Verschiedene Fallkonstellationen Es soll nunmehr anhand von Fallkonstellationen dargestellt werden, an welche leases Erwerber gebunden werden. Es werden zwei Fallkonstellationen untersucht: Landlord und tenant wollen eine lease mit einer Dauer von (1.) bis zu drei Jahren und (2.) mehr als drei bis maximal sieben Jahren bestellen. Es wird jeweils davon ausgegangen, dass die lease mit Besitzerlangung des Mieters wirksam werden soll und eine marktübliche rent vereinbart wurde (mithin also die Voraussetzungen von sec. 54(2) LPA 1925 gegeben sind). a) Lease mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren Weder das lease agreement noch die Bestellung einer lease mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren bedürfen einer Form, wenn die Voraussetzungen von sec. 54(2) LPA 1925 gegeben sind. Es entsteht daher eine legal lease, unabhängig von der Form der Vereinbarungen. Auch muss die lease nicht im land register eingetragen werden, da eine Registrierung erst ab einer Laufzeit von mehr als sieben Jahren vorgeschrieben ist.236 Da die lease als legal lease dennoch Erwerber bindet, stellt sie ein nicht aus dem land register ersichtliches overriding interest dar.237 b) Lease mit einer Laufzeit von mehr als drei bis maximal sieben Jahren Ein lease agreement über eine lease mit einer Laufzeit von mehr als drei bis maximal sieben Jahren bedarf der Schriftform nach sec. 2(1) LPMPA 1989 und die Bestellung der lease muss gemäß sec. 52(1) LPA 1925 mittels einer deed erfolgen.238 Fehlt eine solche deed, ist keine wirksame legal lease mit der gewünsch-

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Smith, Property Law, S. 262. Sec. 29(2)(a)(ii), schedule 3 para. 2 LRA 2002. Vertiefend dazu: Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 1107 ff.; MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 113 ff., die insbesondere darstellen, was englische Gerichte als person in actual occupation ansehen. 236 Sec. 27(2)(b)(i) LRA 2002, wenn das übergeordnete estate bereits im land register eingetragen ist (registered estates) und sec. 4(1)(c) LRA 2002 für nicht registrierte übergeordnete estates (unregistered estates). 237 Sec. 11(4)(b), 12(4)(c) LRA 2002 i. V. m. schedule 1 para. 1 LRA 2002 für leases an unregistered estates und sec. 29(2)(a)(ii), 30(2)(a)(ii) LRA 2002 schedule 3 para. 1 LRA 2002 für leases an registered estates. 238 MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 199 f. besprechen diese Fallkonstellation anhand einer fünfjährigen lease. 235

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ten Laufzeit von fünf Jahren entstanden.239 Möglich ist aber, dass eine equitable lease entstanden ist, wenn die Parteien ein wirksames lease agreement geschlossen haben, also zumindest sec. 2(1) LPMPA 1989 eingehalten ist.240 Equitable leases binden Erwerber jedoch nur, falls sie im Register eingetragen sind oder der Mieter in actual occupation ist.241 Sollte eine equitable lease nicht entstanden sein oder zwar entstanden sein, aber nicht die Voraussetzungen erfüllen, um den Erwerber zu binden, ist ein tenant regelmäßig aber nicht völlig schutzlos gegenüber dem Erwerber gestellt. Der tenant kann auch durch eine implied lease geschützt sein, die durch die Inbesitznahme der Immobilie und regelmäßige Zahlung der rent entstehen kann.242 Zu beachten ist allerdings, dass sich der term der lease dann nach den geschuldeten Mietzahlungsintervallen richtet und gerade nicht die beabsichtigte lease mit einem term von fünf Jahren entsteht.243 An eine solche implied lease werden keine Formanforderungen gestellt, sodass diese wirksam als legal lease entstanden ist.244 Als legal lease bindet sie nicht nur landlord und tenant, sondern auch den Erwerber, aber eben für den kürzeren term. Wie erwähnt hat zwar Lord Jessel MR in Walsh v Lonsdale entschieden, dass neben einer equitable lease keine implied lease entstehen kann, auf die sich der tenant berufen kann.245 Dies betrifft aber nur das Verhältnis zwischen ursprünglichem landlord und tenant. Der tenant kann sich gegenüber einem Erwerber sehr wohl auf eine implied lease berufen, wenn dieser nicht an eine zwischen landlord und tenant bestehende equitable lease gebunden wird.246 c) Fazit Die Bindung des Erwerbers hängt zunächst davon ab, welche Art von lease gegeben ist. Liegt eine legal lease vor, werden Erwerber immer daran gebunden. Equitable leases binden Erwerber nur, wenn diese aus dem land register ersichtlich sind oder der Mieter in actual occupation ist. 3. Bedeutung von covenants Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob Erwerber, die an die leases gebunden werden, auch die von landlord und tenant vereinbarten Mietbedingungen (lease terms) beachten müssen. Insofern sind covenants von Bedeu-

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Siehe § 3 C. II. 2. Siehe § 3 C. II. 2. a). 241 Siehe § 3 D. I. 1. 242 Zu den Voraussetzungen der implied lease siehe § 3 C. II. 2. b). 243 Siehe § 3 C. II. 2. b). 244 Siehe § 3 C. II. 2. b). 245 Walsh v Lonsdale (1882) 21 Ch. D. 9, 14; siehe dazu § 3 C. II. 2. c). 246 So auch Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 220 und 222. 240

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tung. Das sind Vereinbarungen, die die Rechte und Pflichten beider Parteien festlegen.247 Die Parteien können sich ausdrücklich auf diese einigen, allerdings werden bestimmte Rechte und Pflichten ohne abweichende Vereinbarung impliziert.248 Durch covenants werden leases inhaltlich ausgefüllt.249 Darin unterscheidet sich eine lease auch von einem fee simple, dessen Inhalt die Parteien nicht beliebig verändern können.250 a) Bindung von Erwerbern an covenants Covenants können schuldrechtlich oder dinglich vereinbart werden.251 Durch diese dualistische Rechtsnatur muss zwischen der Vertragsbeziehung (privity of contract) und der dinglichen Beziehung aufgrund der Rechtsinhaberschaft (privity of estate) unterschieden werden.252 Nach der privity of contract entfalten vertragliche covenants zwischen den Vertragsparteien grundsätzlich über die gesamte Vertragslaufzeit Wirkungen.253 Folglich dauert die Vertragsbeziehung auch dann, wenn der Vermieter seine reversion oder der Mieter seine lease an einen Dritten übertragen hat, zwischen dem ursprünglichen Vermieter und Mieter zunächst an.254 Erwerber treten nicht in die privity of contract ein. Zwischen dem jeweiligen Inhaber der reversion und der lease besteht die privity of estate, also eine Rechtsbeziehung, die dinglicher Natur ist.255 Die Rechte und Pflichten der jeweiligen Parteien innerhalb der privity of estate werden durch dingliche covenants festgelegt. Die Rechtslage, welche covenants dingliche Wirkungen entfalten und damit auch Erwerber verpflichten (und berechtigen), hat sich für leases, die ab dem 01.01.1996 bestellt wurden, durch die Einführung des Landlord and Tenant (Covenants) Act 1995 grundlegend geändert.256 247 Bevan, Land Law, S. 336; Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 223; die Pflichten werden dadurch festgelegt, dass die jeweilige Partei deren Einhaltung gegenüber der anderen Partei verspricht. 248 Bevan, Land Law, S. 336 und 497. 249 Bevan, Land Law, S. 336 und 497. 250 Schünemann, Die Veräußerung von Grundstücken nach deutschem und englischem Recht, S. 33. 251 Bevan, Land Law, S. 499; Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 223. 252 Bevan, Land Law, S. 499. 253 Bevan, Land Law, S. 499. 254 Bevan, Land Law, S. 499; das Prinzip der privity of contract hat durch eine Gesetzesänderung im Jahre 1996 starke Einschränkungen erfahren, nachdem es als ungerecht empfunden wurde, dass der ursprüngliche Mieter nach einem assignment der lease für Verfehlungen aller Nachmieter bis zum Ende der ursprünglichen Vertragslaufzeit einstehen musste, siehe MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 251. 255 Bevan, Land Law, S. 499; Gardner/MacKenzie, An Introduction to Land Law, S. 262. 256 Wie bereits in § 3 Fn. 254 angedeutet, wurden die den covenants zugrunde liegenden Regelungen umfassend geändert. Für diese Arbeit ist diesbezüglich nur bedeutsam, welche Auswirkungen diese gesetzliche Änderung auf die dingliche Wirkung von covenants und

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aa) Leases vor 1996 Bei leases, die vor 1996 bestellt wurden, müssen dingliche und rein vertragliche covenants aufwändig voneinander abgegrenzt werden.257 Im englischen case law wurde konkretisiert, welche covenants Bezüge zu land aufweisen und dingliche Wirkungen entfalten. Nach einer Aufstellung von Bevan258 haben u. a. Verpflichtungen zur Zahlung der Miete259, Vornahme von Reparaturen260 und Optionsrechte für die Verlängerung einer lease261 Bezüge zu land und binden damit Erwerber. Wird eine reversion an einen Erwerber übertragen, kann dieser aufgrund der privity of estate vom jeweiligen Inhaber der lease die Rechte aus den dinglichen covenants geltend machen, wird aber auch an die durch sie begründeten Pflichten gebunden.262 bb) Leases ab 1996 Ab dem 01.01.1996 hat der englische Gesetzgeber die Rechtslage deutlich vereinfacht. Gemäß sec. 3(1) LTCA 1995 entfalten grundsätzlich alle covenants dingliche Wirkungen. Davon ausgenommen sind covenants, die ausdrücklich nur eine bestimmte Person binden sollen.263 Damit entfällt die Abgrenzung, ob covenants bei der Bestellung der lease nur vertraglich oder auch dinglich wirken. Erwerber werden grundsätzlich an alle nicht-höchstpersönlichen Verpflichtungen zwischen landlord und tenant gebunden. cc) Zusammenfassung: Bindung der Erwerber an dingliche covenants Die Erwerber einer reversion erhalten damit nicht nur ein estate, das mit der lease belastet ist, sondern werden auch an die dinglichen covenants gebunden. Sie nehmen damit regelmäßig die Stellung ein, die auch der vorherige Vermieter innehatte. Bei leases, die ab dem 01.01.1996 bestellt wurden, gilt dies umso mehr, als dass Erwerber an nahezu alle Absprachen bei Bestellung der lease gebunden werden.

damit auf die Bindung von Erwerbern hatte. Für eine detaillierte Darstellung der Änderungen siehe MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 259 ff. 257 Für eine Darstellung der Abgrenzungskriterien siehe P&A Swift Investments v Combined English Stores Group Plc [1989] A.C. 632, 642. 258 Bevan, Land Law, S. 505. 259 Parker v Webb (1693) 90 E.R. 939, 940. 260 Matures v Westwood (1597) 78 E.R. 842. 261 Phillips v Mobil Oil Co Ltd [1989] 1 W.L.R. 888, 891 f. 262 Dies wird auch gesetzlich über sec. 141(1), 142(1) LPA 1925 angeordnet. 263 Sec. 3(6)(a) LTCA 1995.

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D. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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b) Formbedürftigkeit von covenants In dem Fall Elliott v Johnson wurde 1866 entschieden, dass rein mündliche Absprachen zwischen den ursprünglichen Parteien bei leases keinen Erwerber binden können.264 Daraus wurde die Regel gebildet, dass nur solche covenants dingliche Wirkungen entfalten können, die in einer deed vereinbart wurden.265 Bei leases mit einer Laufzeit von mehr als drei Jahren muss die Bestellung ohnehin durch eine deed erfolgen.266 Alle Vereinbarungen in der deed werden als covenants der lease angesehen.267 Problematisch ist die Urkundsform für leases mit einer Laufzeit bis einschließlich drei Jahren, da diese regelmäßig formlos bestellt werden können.268 Die im Rahmen der Bestellung festgelegten covenants würden – wenn man an dem strikten Urkundenerfordernis für covenants aus dem Jahr 1866 festhielte – keine dinglichen Wirkungen entfalten und könnten keine Erwerber binden.269 Dieses Urkundenerfordernis wurde 1953 gelockert, als ein Gericht entschied, dass auch nur schriftlich vereinbarte covenants dingliche Wirkungen entfalten können.270 Ob dies auch für covenants von mündlich bestellten leases gilt, wurde bisher nicht entschieden, gleichwohl ist davon auszugehen, dass Gerichte dies annehmen würden.271 4. Fazit zur Bindung des Erwerbers an leases Bindet eine lease einen Erwerber, tritt dieser zwar nicht in die vertraglichen (privity of contract), aber in die dinglichen covenants mit dem tenant ein (privity of estate), sodass letztere auch für ihn gelten. In diesen Fällen haben Erwerber daher ein hohes Interesse daran, sich zuverlässig über die dinglichen covenants und damit die lease terms informieren zu können.

II. Kein gesetzlicher Schutz des Informationsinteresses Das englische Recht schützt das Informationsinteresse potenzieller Erwerber nicht durch eine § 550 BGB vergleichbare Vorschrift. Es muss daher auf andere Weise sichergestellt werden, dass potenzielle Erwerber die covenants der leases erfahren, die sie binden werden.

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Elliott v Johnson (1866–67) L.R. 2 Q.B. 120, 127. MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 256 f. 266 Sec. 52(1) LPA 1925. Die Ausnahme von sec. 54(2) LPA 1925 greift wegen der Laufzeit nicht. 267 MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 228. 268 Sec. 54(2) LPA 1925, für die Voraussetzungen der Norm siehe § 3 C. I. 1. a). 269 MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 228 und 256 f. 270 Boyer v Warbey [1953] 1 Q.B. 234, 245 ff. 271 MacKenzie/Nair, Textbook on Land Law, S. 257. 265

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1. Kein Schutz des Informationsinteresses durch land register Ab einer Dauer von mehr als sieben Jahren müssen leases in das englische Grundbuchäquivalent (land register) eingetragen werden.272 Zunächst liegt es nahe, dass das öffentlich einsehbare273 land register eine Informationsquelle über die lease terms für potenzielle Erwerber darstellen soll. Dies ist jedoch nicht der Fall: a) Überblick Zunächst ist in England schon nicht jedes land überhaupt im land register eingetragen, sondern derzeit etwa 87 %.274 aa) Registrierungssystem für titles Der Begriff des land register ist etwas missverständlich. Im Mittelpunkt der Registrierung stehen nämlich die titles. Diese werden dort unter einer title number auf einem eigenen Registerblatt eingetragen.275 Dies gilt auch für leases mit einer Laufzeit von mehr als sieben Jahren.276 Da an einem fee simple eine lease und daran eine sublease bestellt werden kann, können pro land mehrere Registerblätter bestehen. Damit steht in England nicht das land, sondern die titles im Vordergrund der Registrierung. Insoweit wäre „register of title“277 zutreffender278 – ein Begriff, den auch das Gesetz in sec. 1(1) Land Registration Act 2002 (kurz LRA 2002) verwendet. bb) Registerpublizität Durch eine Registrierung der titles müssen die deeds der (teilweise weit) zurückliegenden dinglichen Rechtsgeschäfte von Erwerbern nicht mehr kosten- und arbeitsintensiv geprüft werden, um die Verfügungsbefugnis des Veräußerers überprüfen zu können.279 Um eine solche title investigation überflüssig zu machen, wird die Richtigkeit (conclusiveness) des land register gesetzlich garan-

272

Siehe § 3 Fn. 236. Vgl. sec. 66(1) LRA 2002. 274 Die von der Registrierungsbehörde HM Land Registry veröffentlichten Zahlen sind abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/publications/registering-local-authority-l and-and-property-with-hm-land-registry/register-local-authority-land-and-property (letzter Abruf: 01.02.2023). Ein Grund dafür, dass nicht jedes land im land register erfasst ist, dürfte die Einführung des land register erst im 19. Jahrhundert sein, vertiefend hierzu Schünemann, Die Veräußerung von Grundstücken nach deutschem und englischem Recht, S. 90 ff. 275 Bevan, Land Law, S. 45; Schünemann, Die Veräußerung von Grundstücken nach deutschem und englischem Recht, S. 93. 276 Bevan, Land Law, S. 45. 277 Sparkes, in Schmoeckel (Hrsg.), Übertragung von Immobilienrechten im internationalen Vergleich, S. 265, 274. 278 So auch Sparkes, A New Land Law, Rn. 1.04. 279 Law Commission, Consultation Paper No. 227, Rn. 2.12. 273

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tiert.280 Dabei ist zwischen der positiven und der negativen Registerpublizität (positive and negative warranty) zu unterscheiden.281 Zum einen darf ein potenzieller Erwerber positiv auf die Verfügungsberechtigung des Eingetragenen vertrauen.282 Zum anderen sollen sich potenzielle Erwerber negativ darauf verlassen können, dass nicht eingetragene interests oder Verfügungsbeschränkungen auch nicht bestehen.283 Das sog. mirror principle des land register besagt, dass die materielle Rechtslage umfassend und korrekt im land register „widergespiegelt“ werden soll.284 cc) Land register maßgeblich für Berechtigung an title Im englischen Recht müssen für die Wirksamkeit der Übertragung von dinglichen Rechten auf den Erwerber grundsätzlich eine deed des Veräußerers285 und die Eintragung in das land register286 erfolgen. Es entscheidet jedoch allein die Eintragung darüber, ob ein Erwerber das dingliche Recht an dem Grundstück erwirbt oder nicht. In sec. 58(1) LRA 2002 wird die conclusiveness des land register garantiert.287 Käufer erwerben die estates daher trotz einer unwirksamen deed, solange sie nur im land register eingetragen werden.288 dd) Alteration, rectification, indemnity Dies ist allerdings nicht so zu verstehen, dass die Berechtigung an einem title, die im land register fehlerhaft eingetragen wurde, dem Buchberechtigten nun unentziehbar zusteht. Das englische Recht sieht eine Möglichkeit zur Änderung (alteration) des land register u. a. dann vor, wenn dieses fehlerhaft oder veraltet ist.289 Ein Sonderfall der alteration stellt eine rectification des land register 280

Law Commission, Consultation Paper No. 227, Rn. 2.12; vgl. sec. 58(1) LRA 2002. Law Commission, Consultation Paper No. 227, Rn. 2.13 Fn. 14 f. 282 Law Commission, Consultation Paper No. 227, Rn. 2.12 f. 283 Law Commission, Consultation Paper No. 227, Rn. 2.12 f.; vgl. sec. 29 LRA 2002. 284 Nach den Worten der Law Commission, Consultation Paper No. 227, Rn. 2.17: „[T]he idea that the register provides an accurate and complete reflection of property rights in relation to a piece of land“. 285 Sec. 52(1) LPA 1925. 286 Sec. 27(1) LRA 2002 für registered estates. 287 Sec. 58(1) LRA 2002 lautet: „If, on the entry of a person in the register as the proprietor of a legal estate, the legal estate would not otherwise be vested in him, it shall be deemed to be vested in him as a result of the registration“. 288 Goymour, 72 C.L.J. 2013, 617, 618 und 625 f. 289 Diese kann durch englische Gerichte angeordnet oder durch die Registrierungsbehörde selbst vorgenommen werden, vgl. schedule 4 para. 2(1) und schedule 4 para. 5 LRA 2002. Als Vergleichsmaßstab für die Fehlerhaftigkeit des Registers soll nach der Law Commission und der Rechtsprechung die Frage dienen, ob die Registrierungsbehörde die Eintragung genauso vorgenommen hätte, wenn sie die wahren Umstände im Eintragungszeitpunkt gekannt hätte, siehe dazu Law Commission, Consultation Paper No. 227, Rn. 13.79 m. w. N.; bestätigt wurde diese Rechtsauffassung vom Court of Appeal in NRAM Ltd v Evans [2018] 1 W.L.R. 639, Rn. 51 f. m. w. N. 281

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dar.290 Diese liegt vor, wenn eine Eintragung im land register geändert wird und sich dies nachteilig auf den title eines Buchberechtigten auswirkt.291 Eine rectification führt – anders als eine bloße alteration – zu einem Anspruch auf Entschädigung (indemnity) gegen die öffentliche Hand.292 Dabei handelt es sich um das registerrechtliche insurance principle, wonach jeder, der infolge eines Fehlers im land register einen Schaden erleidet, diesen ersetzt verlangen kann.293 b) Funktionen der Eintragungen von leases in das land register Damit ist noch nicht gesagt, inwieweit das land register auch das Informationsinteresse von potenziellen Erwerbern bezüglich der lease terms schützen will. Betrachtet man zunächst die dokumentierten Erwägungen der Law Commission zum land register allgemein, soll dieses die nahezu alleinige Informationsquelle für Kaufinteressenten sein, sodass darüber hinaus möglichst keine weiteren Maßnahmen zur Informationsbeschaffung erforderlich sein sollen.294 Außerdem soll das land register Grundstücksgeschäfte vereinfachen und die Rechtssicherheit erhöhen.295 Auch in der Literatur wird dem land register allgemein die Funktionen zugesprochen, Verkäufer zu informieren und Grundstückgeschäfte zu vereinfachen.296 Für diese Arbeit ist bedeutsam, ob leases ins land register eingetragen werden, um den Erwerbern zu ermöglichen, sich über die Mietkonditionen zu informieren. aa) Publizitätselement und Vereinfachung von Grundstücksgeschäften Rechte, die Dritten entgegengehalten werden können, müssen diesen gegenüber auch ersichtlich sein.297 Leases können als dingliche Rechte Dritten entgegengesetzt werden und müssen daher für Außenstehende erkennbar sein, also ein Publizitätselement aufweisen. Die Erkennbarkeit von dinglichen Rechten gegenüber Dritten wird dabei entweder durch Besitz oder eine Eintragung in ein Register gewährleistet.298 Das land register dient vor allem dazu, sicherzustellen,

290

Goymour, 72 C.L.J. 2013, 617, 629; siehe auch schedule 4 para. 1 LRA 2002. Schedule 4 para. 1 LRA 2002. 292 Sec. 103 LRA 2002 i. V. m. schedule 8 para. 1(1)(a) LRA 2002. 293 Law Commission, Consultation Paper No. 227, Rn. 2.19. 294 Law Commission, Law Com. No. 271, Rn. 1.5. 295 Law Commission, Consultation Paper No. 227, Rn. 2.7. 296 Erwägungen zu den allgemeinen Funktionen des land register finden sich bei: Bevan, Land Law, S. 39; Lees, The Principles of Land Law, S. 59; Simpson, Land Law and Registration, S. 3. 297 Van Erp, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, S. 1031, 1048 spricht in diesem Zusammenhang von einem Transparenzgebot. 298 So aus rechtsvergleichender Sicht van Erp, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, S. 1031, 1048: „[T]hat right must be visible to third parties. Visibility can result either from the exercise of factual power (possession) or from registration“. 291

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dass Erwerber den Besitz von leases erkennen können, insbesondere wenn der tenant nicht im Besitz der Mieträume ist. Dies ist etwa der Fall bei reversionary leases, bei denen zwischen Bestellung der lease und Übergabe der Mieträume mehr als drei Monate liegen.299 Diese müssen – unabhängig von ihrer Laufzeit – in das land register eingetragen werden.300 Andernfalls wären für potenzielle Erwerber bei einer Besichtigung keine Anhaltspunkte für das Bestehen dieser lease gegeben.301 Daneben besteht eine Eintragungspflicht auch für discontinuous leases, bei denen der tenant nicht dauerhaft im Besitz der Mieträume ist.302 Ist das Mietverhältnis darauf ausgerichtet, dass der Mieter von Beginn an und durchgehend im Besitz der Mieträume ist, richtet sich die Eintragungspflicht einer lease nach ihrer Laufzeit. Leases müssen erst ab einer Laufzeit von mehr als sieben Jahren im land register eingetragen werden.303 Die Eintragungspflicht für leases wurde im Jahre 2002 signifikant ausgeweitet. Zuvor bestand eine Registrierungspflicht erst ab einer Laufzeit von mehr als 21 Jahren.304 Leases können ab einer Dauer von mehr als drei Jahren im land register vermerkt werden,305 dies hat aber keine Auswirkungen auf deren Wirksamkeit.306 Leases mit einer Laufzeit von bis einschließlich drei Jahren können gar nicht im land register eingetragen werden. Die Law Commission führt dazu aus, dass dies zu aufwändig wäre und: „short leases […] are likely to be occupational leases which are easily discoverable by a purchaser of the reversion, so there is therefore arguably no need for them to be on the register.“307 Unter Zugrundelegung dieser Überlegungen scheint es überflüssig zu sein, dass leases ab einer Laufzeit von mehr als sieben Jahren auch dann ins land register eingetragen werden müssen, wenn diese bereits durch den Besitz des tenant ein Publizitätselement aufweisen. Der Grund für diese Eintragung ist lediglich die Vereinfachung von Grundstücksgeschäften, insbesondere dadurch, dass aufwändige title investigations überflüssig werden. Erst ab einer Laufzeit von mehr als sieben Jahren werden leases in der Praxis verkauft und belastet, sodass sich nur diesbezüglich der Aufwand „lohnt“, die Eintragung in das land register vorzunehmen und ein eigenes Registerblatt anzulegen.308 Leases ab einer 299 Die Obergrenze, bis zu der der Anfangszeitpunkt (commencement date) der lease in der Zukunft liegen darf, ist gesetzlich auf 21 Jahre festgelegt worden, siehe sec. 149(3) LPA 1925. 300 Siehe sec. 4(1)(d) LRA 2002 für leases an unregistered estates und sec. 27(2)(b)(ii) LRA 2002 für leases an registered estates. 301 Smith, Property Law, S. 245; Walsh, A Guide to Landlord and Tenant Law, S. 22. 302 Smith, Property Law, S. 245; vgl. auch sec. 27(2)(b)(iii) LRA 2002 für leases an registered estates. 303 Siehe § 3 Fn. 236. 304 Law Commission, Law Com. No. 271, Rn. 3.16 und 8.9. 305 Sec. 32, 33(b)(i) LRA 2002. 306 Vertiefend Bright, Landlord and Tenant Law in Context, S. 105. 307 Law Commission, Consultation Paper No. 227, Rn. 3.90. 308 Smith, Property Law, S. 248; siehe dazu auch Law Commission, Consultation Paper No. 227, Rn. 3.88.

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Dauer von mehr als sieben Jahren werden daher nur eingetragen, weil bei diesen häufigere Verfügungen über das Recht zu erwarten sind, die durch die Eintragung im land register vereinfacht werden sollen. Dass dies lediglich eine Maßnahme zur Vereinfachung von Grundstücksgeschäften ist, zeigt sich auch daran, dass diese langjährigen leases nicht lediglich in das charges register des übergeordneten Rechts, also die Abteilung des land register, die dingliche Belastungen enthält, eingetragen werden, sondern auch ein eigenes Registerblatt angelegt wird. bb) Keine umfassende Eintragung von covenants Dass das land register Erwerber nicht umfassend über Mietkonditionen informieren soll, zeigt sich auch daran, dass nicht sämtliche dinglich wirkende covenants überhaupt in das land register eingetragen werden, durch die ein Erwerber gebunden wird. Diese sind regelmäßig gar nicht eintragungsfähig.309 Nach rule 6(1) LRR 2003 sollen die Informationen zu leases im property register, also dem Pendant zum deutschen Bestandsverzeichnis, dazu dienen, die lease identifizieren zu können. Nach rule 6(2) LRR 2003 finden Verfügungsbeschränkungen Erwähnung im land register. Bei leases wird beispielsweise häufig vereinbart, dass diese nicht ohne Zustimmung des Vermieters übertragen werden dürfen,310 wobei es sich insoweit um covenants handelt, die ausnahmsweise eintragungsfähig sind. So sind aus dem land register nicht alle covenants ersichtlich, die die Erwerber binden werden, sondern nur solche, die für die Durchführung von Grundstücksgeschäften relevant sind. Die Eintragungen im land register dienen daher nicht dazu, potenzielle Erwerber über sämtliche covenants zu informieren. Es geht vielmehr um die Identifizierung der lease und die Erkennbarkeit von Verfügungsbeschränkungen, die einer assignment der lease entgegenstehen könnten. cc) Zwischenergebnis Es werden nicht alle leases in das land register eingetragen. Besteht eine Eintragungspflicht, dient dies dazu, dass Erwerber den Bestand von leases erkennen können oder Grundstücksgeschäfte vereinfacht werden. Erwerber können bei Mietverhältnissen unter sieben Jahren regelmäßig keine Informationen zu den leases im land register finden. Erwerber könnten sich über viele leases daher überhaupt nicht aus dem land register informieren. Aber auch wenn leases eingetragen werden, werden nicht sämtliche covenants registriert. Das land register soll daher nicht die Funktion erfüllen, Erwerber über die inhaltliche Ausgestaltung der leases zu informieren. Es braucht daher für den Rechtsvergleich hier nicht weiter berücksichtigt zu werden.

309 310

NK-BGB-Sachenrecht/Odersky, Länderbericht GB, Rn. 33. Davys, Land Law, S. 120; NK-BGB-Sachenrecht/Odersky, Länderbericht GB, Rn. 9.

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2. Pre-contract enquiries als Informationsquelle Weder die Formvorschriften für langfristige Mietverhältnisse noch die Eintragung der leases in das land register dienen also dem Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber. Die englische Rechtsordnung sieht daher keinen spezifischen Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber am Inhalt von leases vor. Bei einem funktionalen Rechtsvergleich darf die Ermittlung von Lösungsansätzen nicht auf das geschriebene Recht beschränkt werden, sondern es müssen auch in der Gesellschaftsordnung oder Rechtspraxis gefundene Lösungsansätze berücksichtigt werden.311 Soll eine Immobilie verkauft werden, durchlaufen der Verkäufer und ein Kaufinteressent einige aufwändige Verfahrensschritte.312 Dazu zählt auch die gängige Praxis, dass potenzielle Käufer bzw. in den meisten Fällen deren Anwälte (solicitors)313 vor Abschluss eines Kaufvertrags umfassende Nachforschungen über das land anstellen. Dies beinhaltet, dass Verkäufern bzw. deren solicitors Fragen gestellt werden, die sog. pre-contract enquiries.314 Um alle möglichen Risiken bei den Voranfragen abzudecken und der Gefahr vorzubeugen, wichtige Fragen nicht zu stellen, sind vorformulierte Fragenkataloge üblich. Anwälte von potenziellen Erwerbern haben auch ein eigenes Interesse an der Durchführung möglichst umfangreicher Nachforschungen. Es droht ihnen nämlich eine Haftung für Schäden ihres Mandanten, die durch angemessene Nachforschungen hätten vermieden werden können.315 Darüber hinaus trifft solicitors auch die Pflicht, die erhaltenen Antworten auszuwerten und ggf. weitere Rückfragen zu stellen.316 In gewerblichen Kaufprozessen haben sich standardisierte Fragenkataloge etabliert, in denen alle für potenzielle Erwerber relevanten Informationen abgefragt werden. Dabei handelt es sich um die Commercial Property Standard En-

311 Wilson, in: McConville/Chui (Hrsg.), Research Methods for Law, S. 87, 92; Haase, JA 2005, 232, 235. 312 Eine Übersicht dieser Schritte findet sich bei Richards, A Practical Approach to Conveyancing, S. 4. 313 Anders als in Deutschland wird bei Grundstücksgeschäften zur vorsorgenden Rechtspflege nicht ein unparteiischer Notar herangezogen, sondern sowohl Käufer als auch Verkäufer mandatieren in der Regel eigene solicitors, die die Wahrung ihrer Interessen sicherstellen sollen, vgl. Sparkes, European Land Law, S. 287; Kopp, MittBayNot 2001, 287, 289; Stürner, DNotZ 2017, 904, 920. Anstelle von solicitors können auch sog. licensed conveyancers mandatiert werden, was bisher allerdings nur selten der Fall war, vertiefend dazu Schünemann, Die Veräußerung von Grundstücken nach deutschem und englischem Recht, S. 50 Fn. 54. 314 Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 951; Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 4.01; Silverman/Hewitson, Conveyancing Searches and Enquiries, S. 3; Kopp, MittBayNot 2001, 287, 289; Wilsch, ZEV 2011, 458, 461. 315 Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 4.03; vertiefend Silverman/Hewitson, Conveyancing Searches and Enquiries, S. 13. 316 Silverman/Hewitson, Conveyancing Searches and Enquiries, S. 13.

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quiries, die von der London Property Support Lawyers Group317 erstmals im Jahre 2002 entworfen und seitdem mehrmals überarbeitet wurden. Diese sind sehr umfangreich: So umfasst der Fragenkatalog, der bei jedem gewerblichen Kaufprozess eines freehold eingesetzt wird, bereits 34 Seiten.318 a) Keine duties of disclosure wegen des Grundsatzes caveat emptor Es stellt sich die Frage, weshalb Käufer überhaupt pre-contract enquiries einsetzen. Im englischen Recht werden vorvertragliche Aufklärungspflichten nur höchst ausnahmsweise geschuldet.319 Immobilienrechtliche Verträge (land contracts) stellen keine Ausnahme zu dieser Regel dar, auch für diese gilt der Grundsatz caveat emptor (möge sich der Käufer in Acht nehmen).320 Den Verkäufer einer Immobilie trifft daher keine generelle Pflicht, Mängel an dem Objekt offenzulegen.321 Es obliegt somit potenziellen Käufern, die Immobilie vor Vertragsabschluss genauestens auf etwaige Mängel zu untersuchen. Der Grundsatz caveat emptor lässt sich ökonomisch damit erklären, dass besonders gründliche und gewissenhafte Erwerber bessergestellt werden, da sie die Mängel der Kaufsache kennen und dementsprechend bessere Konditionen verhandeln können.322 So werden Anreize gesetzt, möglichst viele Informationen zu sammeln, um eine informierte Kaufentscheidung treffen zu können. Weiterer Ausfluss des Caveatemptor-Grundsatzes ist, dass keine Pflicht für den Verkäufer besteht, auf die Fragen der Käuferseite zu antworten.323 Die Verkäuferseite lässt sich jedoch üblicherweise darauf ein,324 da sich eine gewisse Marktroutine etabliert hat und andernfalls niemand an einem Kauf interessiert wäre.325

317 Dabei handelt es sich um einen informellen Zusammenschluss mehrerer Anwälte aus internationalen Kanzleien. Für eine Übersicht der beteiligten Kanzleien siehe https://uk.pract icallaw.thomsonreuters.com/9-101-3380 (letzter Abruf: 01.02.2023). 318 British Property Federation, CPSE.1. 319 Beatson/Burrows/Cartwright, S. 272; Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 950; Clarke/Cooper, Emmet and Farrand on Title, Rn. 1036; Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 265; Milanin, Die informationelle Fahrlässigkeitshaftung in England und in Deutschland, S. 39. 320 Bogusz, 65 M.L.R. 2002, S. 556, 558; Brown, in: Rechtsfragen, S. 24, 24; Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 950 f.; Clarke/Cooper, Emmet and Farrand on Title, Rn. 1036; Gray/Gray, Elements of Land Law, Rn. 8.1.10; Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 4.01; Kopp, MittBayNot 2001, 287, 289. 321 Brown, in: Rechtsfragen, S. 24, 24; Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 4.01; Kopp, MittBayNot 2001, 287, 289. 322 Beatson/Burrows/Cartwright, S. 355 m. w. N. 323 Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 4.63; Silverman/Hewitson, Conveyancing Searches and Enquiries, S. 33. 324 So auch die Beobachtungen von Kopp, MittBayNot 2001, 287, 289. 325 Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 4.63; Silverman/Hewitson, Conveyancing Searches and Enquiries, S. 33.

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D. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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b) Open contract rules und implied term of vacant possession Im Kaufvertrag werden Verkäufer trotz des Grundsatzes caveat emptor regelmäßig offenlegen, ob leases bestehen oder nicht. Hintergrund sind die sog. open contract rules, die als über viele Jahre entwickeltes „allgemeines Vertragsrecht“ durch implied terms eingreifen, wenn die Parteien einzelne Aspekte im Kaufvertrag nicht regeln.326 Die open contract rules sind dispositiv und können durch eine abweichende Vereinbarung im Kaufvertrag abbedungen werden. Weisen Verkäufer nicht auf bestehende leases hin, können Käufer davon ausgehen, dass keine leases bestehen und der Veräußerer ihnen die Einräumung des Besitzes (vacant possession) an dem land schuldet.327 Ein implied term der open contract rules ist daher, dass der Verkäufer ohne abweichende Vereinbarung die Einräumung von vacant possession schuldet.328 Ist die Immobilie vermietet und sollen die leases über den Verkauf hinaus bestehen bleiben, hat der tenant auch nach Veräußerung das Recht zu exclusive possession und der Verkäufer kann die Immobilie nicht mit vacant possession an den Erwerber übergeben.329 Daher muss der Verkäufer etwaige leases im Kaufvertrag offenlegen, um nicht Gefahr zu laufen, bei der Erfüllung des Kaufvertrags vertragsbrüchig zu werden. Hinweise darauf, dass neben dem Bestand der leases auch die lease terms offengelegt werden müssen, finden sich in der Rechtsprechung nicht.330 Diese müssen die Erwerber erfragen. c) Pre-contract enquiries zu den lease terms Bei den vorvertraglichen Anfragen handelt es sich um eine noch recht junge Entwicklung der englischen Rechtspraxis. So wurden sie 1944 zum ersten Mal in der englischen Literatur erwähnt und zunächst nur zögerlich angenommen,331 sie konnten sich im Laufe der Zeit dennoch durchsetzen. Hat ein potenzieller Erwerber Interesse an einem Objekt bekundet und ein Gebot abgegeben, mit dem der Verkäufer grundsätzlich einverstanden ist, über-

326 Bridge/Cooke/Dixon, Megarry & Wade, Rn. 14–001; Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 953; Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 3.27. 327 Cook v Taylor [1942] Ch. 349, 352; Pagebar Properties Ltd v Derby Investment Holdings Ltd [1972] 1 W.L.R. 1500, 1503; ähnlich auch schon Hughes v Jones [1861] 45 E.R. 897, 899. 328 Bridge/Cooke/Dixon, Megarry & Wade, Rn. 14.088; Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 1051; Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 3.67; Silverman/Hewitson, Conveyancing Searches and Enquiries, S. 4. 329 Exclusive possession an der Immobilie ist ein Merkmal einer lease, siehe dazu § 3 A. II. 4. 330 Cook v Taylor [1942] Ch. 349, 352 und Pagebar Properties Ltd v Derby Investment Holdings Ltd [1972] 1 W.L.R. 1500, 1503 sprechen nur davon, dass die leases, aber nicht auch die lease terms offenbart werden müssen, um nicht vacant possession bei Übergabe zu schulden. 331 Silverman/Hewitson, Conveyancing Searches and Enquiries, S. 3.

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sendet die Verkäuferseite einen Vertragsentwurf an den Kaufinteressenten.332 In diesem Vertragsentwurf werden Vermieter bestehende leases erwähnen, die Erwerber binden. Andernfalls wird wie gezeigt unterstellt, dass der Verkäufer dem Käufer vacant possession an der Immobilie verschaffen wird.333 Sofern der Verkäufer nicht bereits offengelegt hat, dass die Immobilie vermietet ist, kann der Käufer dies regelmäßig zumindest anhand des übersandten Vertragsentwurfs erkennen. Bei der Vorbereitung der pre-contract enquiries wissen die solicitors des Käufers daher, ob die Immobilie vermietet ist, und können entsprechende Anfragen zu den leases an den Verkäufer vorbereiten. Der Umfang der zu stellenden vorvertraglichen Anfragen variiert je nach Grundstücksgeschäft. So sind bei großen Transaktionen andere Fragen erforderlich als bei kleineren Verkäufen (etwa eines Einfamilienhauses). Bei gewerblichen Grundstücksgeschäften haben sich jedoch standardisierte Fragenkataloge etabliert, durch die veranschaulicht werden kann, welche Informationen bei vermieteten Objekten abgefragt werden: aa) Commercial Property Standard Enquiries Es handelt sich bei den CPSE um frei zugängliche Fragenkataloge, die auf die Bedürfnisse von Kaufinteressenten bei gewerblichen Grundstücksgeschäften zugeschnitten sind. Die CPSE können entgeltfrei genutzt werden, sofern der Wortlaut der vorformulierten Fragen nicht verändert, auf das bestehende Copyright hingewiesen und das Logo der British Property Federation eingefügt wird.334 Um in möglichst vielen verschiedenen Grundstücksgeschäften einsetzbar zu sein, decken die in die CPSE aufgenommen Fragen lediglich das absolute Minimum an notwendigen Nachfragen ab.335 Da der Wortlaut der Fragen nicht verändert werden darf, müssen weitergehende Fragen in einem gesonderten Dokument aufgelistet werden und erkennen lassen, dass es sich nicht um Fragen aus den CPSE handelt.336 Die CPSE sind wie ein „Baukastensystem“ aufgebaut, bei dem es einen Fragenkatalog gibt, der bei jedem Grundstücksgeschäft eingesetzt wird (CPSE.1337). Dieser wird als ausreichend angesehen, wenn ein freehold erworben wird und der Erwerber auch vacant possession an der Mietsache erhalten soll.338 In anderen Konstellationen, insbesondere wenn die Immobilie vermietet ist, müssen weitere Fragenkataloge ergänzend beigefügt werden. Dies ist beispielsweise der Fall, 332

Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 3.01. Siehe § 3 D. II. 2. b). 334 Für die genauen Bedingungen für die Verwendung siehe British Property Federation, Guidance notes on CPSE. 335 British Property Federation, Guidance notes on CPSE; die solicitors von Kaufinteressenten sind daher gehalten, weitere Nachfragen zu stellen. 336 British Property Federation, Guidance notes on CPSE. 337 British Property Federation, CPSE.1. 338 Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 4.86. 333

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D. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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wenn zu Gewerbezwecken vermietete Immobilien erworben werden (CPSE.2339). Einen gesonderten Fragenkatalog gibt es für Immobilien, die zu Wohnzwecken vermietet sind (CPSE.6340). Diese Arbeit behandelt lediglich den Teil der Anfragen näher, die potenzielle Erwerber nutzen, um Informationen hinsichtlich etwaiger leases zu erlangen. Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die CPSE.2 und CPSE.6. Dort werden zunächst Angaben zu dem Verkäufer, potenziellen Käufer und Objekt abgefragt. bb) Spezielle Anfragen zu leases und deren Inhalt Der Fragenkatalog CPSE.2 ist – wie auch die übrigen CPSE – in verschiedene Abschnitte, bzw. Frageblöcke, gegliedert. Im ersten Frageabschnitt wird nach Leerständen und den Gründen dafür gefragt. Frageblock zwei und drei thematisieren Gemeinschaftsflächen, Hausordnungen und die verbleibende Fläche, die weder vermietet ist noch der gemeinschaftlichen Nutzung dient. Für diese Arbeit besonders bedeutsam ist der vierte Frageblock. Dort werden die Informationen zu Mietverhältnissen abgefragt. In Frage 4.1 wird nach den Mietunterlagen gefragt, sofern diese noch nicht zur Verfügung gestellt wurden. In Frage 4.2 wird eine Übersicht aller Mietverhältnisse gefordert. Zu diesen Mietverhältnissen werden diverse Informationen abgefragt, die in einen Anhang aufgenommen werden sollen, sofern sie sich nicht aus den zur Verfügung gestellten Mietunterlagen ergeben. Dazu soll die Mieteinheit genau bezeichnet, die Namen des Mieters und des tatsächlichen Besitzers angegeben, die derzeitige Nutzung benannt und schließlich mitgeteilt werden, ob die Mietverhältnisse schriftlich abgeschlossen wurden oder nicht. Im Anschluss daran wird in Frage 4.3 nach weiteren Informationen gefragt, die sich nicht aus den Mietunterlagen ergeben, wie informelle Absprachen, Verzichtserklärungen oder Anträge des Mieters, die derzeit geprüft werden. Der fünfte Fragenabschnitt beschäftigt sich mit den Mietzahlungen und Anpassungen der Miete (rent review). In Frage 5.1 wird u. a. nach der Höhe der zu zahlenden Miete oder der Zahlungsart (Überweisung oder Lastschriftverfahren) gefragt. Des Weiteren wird um eine Auskunft zu etwaigen Ermäßigungen, Stundungen oder sonstigen Vergünstigungen (Frage 5.2) sowie eine Übersicht der ausstehenden Mietzahlungen und aller Mieteinnahmen der letzten drei Jahre (Frage 5.3) gebeten. Ferner werden Fragen zu Mietanpassungen gestellt, insbesondere, ob diese nach den vereinbarten Bedingungen durchgeführt wurden (Fragen 5.4–5.5). Zuletzt wird gefragt, ob wertsteigernde Umbaumaßnahmen stattgefunden haben oder sonstige Umstände vorliegen, die der Mieter angezeigt hatte und die den Mietwert der Immobilie reduzieren (Frage 5.6).

339 340

British Property Federation, CPSE.2. British Property Federation, CPSE.6.

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§ 3 Länderbericht England

Es werden darüber hinaus Einzelheiten zu durchgeführten oder geplanten Renovierungen (Frageblock 6) und zu der Durchsetzbarkeit der covenants des Mieters (Frageblock 7) abgefragt. Zudem sollen Informationen über noch ausstehende Pflichten sowohl des Vermieters als auch des Mieters sowie etwaige Änderungen der leases oder lease agreements offengelegt werden (Frageblock 8). Es werden Einzelheiten zu den Mietsicherheiten (Frageblock 9), den Verwaltungsund Instandhaltungskosten und der Hausverwaltung (Frageblock 10) sowie diversen Versicherungen (Frageblock 11) abgefragt. Frageblock 12 dient der Offenlegung von Einzelheiten zu Vertragsbeendigungen. Dazu sollen Kündigungen oder sonstige Erklärungen nach dem Landlord and Tenant Act 1954 zur Verfügung gestellt werden (Frage 12.1). Es wird auch danach gefragt, ob ein Mieter den Willen geäußert hat, auszuziehen (Frage 12.3), oder ob es Verhandlungen über die Aufhebung, Erneuerung oder Änderung einer lease gibt und diesbezüglich bereits Bedingungen vereinbart wurden (Frage 12.4). Im 13. Frageblock wird nach möglichen Streitigkeiten oder Beschwerden von Mietern gefragt und um entsprechende Auskunft gebeten, unabhängig davon, ob sie gelöst wurden oder nicht. Auch (ggf. nur angebliche) Vertragsverletzungen sollen angezeigt werden und erklärt werden, ob auf Maßnahmen dagegen verzichtet wurde. Der Fragenkatalog CPSE.6 für zu Wohnzwecken vermieteten Immobilien enthält ähnliche Fragen, ist darüber hinaus aber noch um einige Fragen angereichert, die durch weitergehende Rechte von Wohnraummietern bedingt sind. d) Haftung für fehlerhafte Antworten Potenzielle Käufer können sich auf die Antworten der Verkäufer allerdings nur verlassen, sofern letztere auch für deren Richtigkeit einstehen müssen. Bedeutsam ist daher, welche Rechte einem potenziellen Erwerber im Falle von unrichtigen oder missverständlichen Antworten zustehen. aa) Misrepresentation Verkäufer müssen, wie gezeigt, nicht auf die vorvertraglichen Anfragen antworten.341 Tun sie dies dennoch, so müssen ihre Antworten wahrheitsgemäß und dürfen nicht irreführend sein.342 Andernfalls kommen gegen den Verkäufer vorrangig Ansprüche und Rechte wegen Falschdarstellung (misrepresentation) in Betracht, die ihre gesetzliche Grundlage in sec. 2 Act of Misrepresentation 1967 haben. Die Voraussetzungen einer misrepresentation sind, dass (1.) eine falsche Äußerung des Verkäufers über eine Tatsache vorliegt, (2.) der Käufer auf die Äußerung vertraute und diese ihn zur Eingehung des Vertrags veranlasste und (3.) der Käufer einen Schaden infolge des Vertragsschlusses erlitten hat.343 341

Siehe § 3 D. II. 2. a). Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 265. 343 British Property Federation, Guidance notes on CPSE; für eine Übersicht und detail342

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D. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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(1) Dimmock v Hallett Ein Beispiel für eine misrepresentation findet sich im Fall Dimmock v Hallett344, bei dem der Käufer ein estate an einem weitläufigen Grundstück erwarb, auf dem sich mehrere Farmen mit unterschiedlichen Flächenanteilen befanden. Über die im Verkaufszeitraum nicht vermiete Farm mit der größten Anbaufläche behauptete der Verkäufer, dass diese zuletzt an Mr. R. Hickson für eine jährliche rent in Höhe von £ 290 vermietet wurde.345 Tatsächlich zahlte Mr. R. Hickson für die ersten drei Monate nur £ 1, sodass er für eine Mietzeit von 15 Monaten eine rent von insgesamt £ 291 entrichtete.346 Nach Ende des Mietverhältnisses mit Mr. R. Hickson versuchte der Verkäufer, diese Farm weiter zu vermieten, wobei nur eine annual rent von £ 225 erzielt werden konnte. Der Nachmieter wurde gegen eine Zahlung von £ 20 auf eigenen Wunsch aus dem lease agreement entlassen, sodass dieses nie vollzogen wurde. Das Gericht sah in der Beschreibung der Immobilie daher eine zweifache Falschdarstellung: Zum einen zahlte Mr. R. Hickson effektiv keine annual rent von £ 290 und zum anderen wusste der Verkäufer durch die Suche nach einem Nachmieter, dass sich eine annual rent von £ 290 nicht erzielen ließe.347 Ein Schweigen stellt grundsätzlich keine geeignete Grundlage für eine misrepresentation dar.348 Der Verkäufer im Fall Dimmock v Hallett teilte wahrheitsgemäß mit, dass auch andere Farmen auf dem land vermietet waren, verschwieg jedoch, dass zwei Mietverhältnisse infolge einer Mieterkündigung demnächst enden werden. Der Erwerber durfte nach Auffassung des Gerichts davon ausgehen, dass diese beiden Mietverhältnisse noch ungekündigt fortbestehen, zumal der Verkäufer bei anderen Mietverhältnissen explizit angegeben hatte, wenn diese bereits gekündigt wurden.349 Das Gericht wertete das Verschweigen der Kündigung der Mietverhältnisse hier ebenfalls als misrepresentation.350 Das Gericht bejahte daher eine misrepresentation sowohl hinsichtlich der übertriebenen Darstellung der Ertragsfähigkeit des Grundstücks als auch hinsichtlich des Verschweigens der Kündigung der Mietverhältnisse.351 Kötz merkt zu diesem Fall an, dass der Verkäufer möglicherweise eine Haftung für misrepresentation hätte vermeiden können, wenn er sich nicht näher zu den leases eingelassen, sondern stattdessen insgesamt geschwiegen hätte.352 lierte Darstellung der Anspruchsvoraussetzungen siehe Cartwright, Misrepresentation, Kapitel 3. 344 Dimmock v Hallett (1866) L.R. 2 Ch.App. 21. 345 Dimmock v Hallett (1866) L.R. 2 Ch.App. 21, 27. 346 Dimmock v Hallett (1866) L.R. 2 Ch.App. 21, 30. 347 Dimmock v Hallett (1866) L.R. 2 Ch.App. 21, 28. 348 Cartwright, Misrepresentation, Rn. 7-07; NK-BGB-Sachenrecht/Odersky, Länderbericht GB, Rn. 41. 349 Dimmock v Hallett (1866) L.R. 2 Ch.App. 21, 28 f. 350 Dimmock v Hallett (1866) L.R. 2 Ch.App. 21, 28 ff. 351 Dimmock v Hallett (1866) L.R. 2 Ch.App. 21, 28 ff. 352 Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 266 Fn. 46.

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§ 3 Länderbericht England

(2) Remedies Im Falle einer misrepresentation durch den Verkäufer stehen dem Käufer verschiedene remedies zu. Nach sec. 2(2) Act of Misrepresentation 1967 kann der Getäuschte die rescission erklären. Mit einer rescission kann dabei die rückwirkende Aufhebung des Kaufvertrags (nicht des Mietvertrags) erreicht werden.353 Eine rescission setzt keinerlei Verschulden des Verkäufers voraus.354 Auch eine unverschuldete (innocent) misrepresentation des Verkäufers hat zur Folge, dass der Erwerber den Kaufvertrag rückwirkend beseitigen kann. Ebenso kann der Käufer damages for misrepresentation gemäß sec. 2(1) Act of Misrepresentation 1967 geltend machen. Auch hier ist ein Verschulden kein Tatbestandsmerkmal – das Wort negligent wird im gesamten Act of Misrepresentation 1967 nicht genannt.355 Allerdings eröffnet das Gesetz dem Täuschenden eine Exkulpationsmöglichkeit in sec. 2(1) Act of Misrepresentation 1967, wonach er für Schäden infolge einer misrepresentation haften muss, „unless he proves that he had reasonable ground to believe and did believe up to the time the contract was made the facts represented were true.“ Der Getäuschte muss daher nur die Voraussetzungen einer misrepresentation beweisen, für die Exkulpation ist der Täuschende beweispflichtig.356 Damit sieht das englische Recht eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Erwerbers vor, der nicht beweisen muss, dass den Veräußerer hinsichtlich der Falschinformation ein Verschulden trifft.357 Ansprüche aus sec. 2(1) Act of Misrepresentation 1967 kommen vor allem bei fahrlässigen Falschinformationen in Betracht, da sich die Haftung bei vorsätzlichen Täuschungen nach der Vorsatzhaftung tort of deceit richtet.358 bb) Möglichkeit der Haftungsbeschränkung In gewissem Umfang kann der Verkäufer seine Haftung beschränken.

353 Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 987; Cartwright, Misrepresentation, Rn. 4–06. 354 Lord Herschell in Derry v Peek (1889) 14 App.Cas. 337, 359: „Where rescission is claimed it is only necessary to prove that there was misrepresentation; then, however honestly it may have been made, however free from blame the person who made it, the contract, having been obtained by misrepresentation, cannot stand.“; so auch zitiert von Cartwright, Misrepresentation, Rn. 4–04 der in Rn. 4–02 ff. die historische Entwicklung der rescission im englischen Recht darstellt. 355 Cartwright, Misrepresentation, Rn. 7–24. 356 Cartwright, Misrepresentation, Rn. 7–24. 357 Dazu auch Milanin, Die informationelle Fahrlässigkeitshaftung in England und in Deutschland, S. 135 f. 358 Milanin, Die informationelle Fahrlässigkeitshaftung in England und in Deutschland, S. 135; vertiefend zur Vorsatzhaftung tort of deceit siehe Cartwright, Misrepresentation, Rn. 5–01 ff.

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D. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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(1) Vertraglicher Ausschluss Häufig versuchen Verkäufer dies durch entsprechende Klauseln im Kaufvertrag zu erreichen. Zwar sind die aus einer misrepresentation resultierenden Rechte des Getäuschten dispositiv, aber im Falle eines vertraglichen Ausschlusses muss geprüft werden, ob dieser fair und angemessen ist.359 Entsprechende Klauseln müssen sich daher an sec. 3(1) Act of Misrepresentation 1967 i. V. m. sec. 11(1) Unfair Contract Terms Act 1977 (kurz UCTA 1977)360 messen und einen Angemessenheitstest (test of reasonableness) bestehen. Zunächst muss geprüft werden, ob die entsprechende Klausel tatsächlich Rechte des Käufers infolge von misrepresentation ausschließt. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nicht ausdrücklich die Haftung des Verkäufers begrenzt wird, etwa wenn vertraglich vereinbart wird, dass keine von dem Verkäufer getätigten Aussagen den Käufer zur Eingehung des Vertrags veranlasst haben (non-reliance clause).361 Durch derartige Klauseln sollen die zweite Voraussetzung einer misrepresentation und die daraus resultierenden Rechte des Käufers ausgeschlossen werden.362 Die Entscheidung, ob eine Klausel, die die Rechte des Käufers infolge von misrepresentation ausschließen will, angemessen i. S. v. sec. 11(1) UCTA 1977 ist, ist einzelfallabhängig. Die Gerichte haben gewisse Kriterien festgelegt, die für die Beurteilung herangezogen werden. Für die Angemessenheit einer solchen Klausel sprechen Gleichgewichte in der Verhandlungsmacht, wenn es sich bei beiden Vertragsparteien um gleich erfahrene Marktteilnehmer (also beispielsweise zwei Kaufleute) handelt, beide Parteien von Anwälten beraten wurden und die Klausel zur Disposition gestellt wurde.363 Darüber hinaus haben die Gerichte ein weiteres Kriterium aufgestellt, das stärker als alle übrigen bei der Beurteilung der Angemessenheit berücksichtigt wird. Danach ist entscheidend, ob die Klausel Ausnahmen für Auskünfte vorsieht, die die Anwälte des Verkäufers (schriftlich) an die Anwälte der Käuferseite erteilt haben.364 So werde nach Auffassung der 359 First Tower Trustees Ltd and another v CDS (Superstores International) Ltd [2018] E.W.C.A. Civ. 1396, Rn. 104; vgl. auch sec. 3(1) Act of Misrepresentation 1967. 360 Unfair Contract Term Act 1977 ist ein Gesetz, durch das vertragliche Haftungsausschlüsse beschränkt werden sollen. Es geht damit gerade nicht – wie etwa bei der AGB-Richtlinie in Bezug auf Verbraucherverträge – um missbräuchliche Klauseln insgesamt. 361 Cartwright, Misrepresentation, Rn. 3-58; beispielsweise lautete die Klausel in First Tower Trustees Ltd and another v CDS (Superstores International) Ltd [2018] E.W.C.A. Civ. 1396, Rn. 14: „The tenant acknowledges that this lease has not been entered into in reliance wholly or partly on any statement or representation made by or on behalf of the landlord“. 362 First Tower Trustees Ltd and another v CDS (Superstores International) Ltd [2018] E.W.C.A. Civ. 1396, Rn. 67. 363 FoodCo LLP v Henry Boot Developments Ltd [2010] E.W.H.C. 358 (Ch), Rn. 177; Lloyd v Browning [2013] E.W.C.A. Civ. 1637, Rn. 34; Hardy v Griffiths [2014] E.W.H.C. 3947 (Ch), Rn. 74; First Tower Trustees Ltd and another v CDS (Superstores International) Ltd [2018] E.W.C.A. Civ. 1396, Rn. 69. 364 FoodCo LLP v Henry Boot Developments Ltd [2010] E.W.H.C. 358 (Ch), Rn. 177; Lloyd

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Gerichte sichergestellt, dass der Kaufinteressent die Möglichkeit hat, eine Haftung des Verkäufers herbeizuführen, wenn eine Auskunft für seine Kaufentscheidung besonders wichtig ist.365 Außerdem kann der Käufer dann prüfen, ob der Verkäufer bereit ist, die Haftung für diese Auskunft zu übernehmen oder ob er in dieser Sache selbst Nachforschungen anstellen muss.366 Ein genereller Ausschluss der Haftung durch eine non-reliance clause wie in First Tower Trustees Ltd and another v CDS (Superstores International) Ltd scheiterte am letzten Kriterium, da die Klausel keine Ausnahmen für Auskünfte des Anwalts des Verkäufers vorsah. Dies erachtete das Gericht als unangemessen.367 Ein Aspekt, den das Gericht in seiner Begründung besonders betonte, war, dass sich andernfalls Verkäufer durch eine solche Klausel sehr einfach einer Haftung für vorvertragliche Anfragen entziehen könnten.368 Dadurch würden die Voranfragen wertlos, obwohl ihnen bei Grundstücksgeschäften eine elementare Bedeutung zukomme.369 Diese Argumentation verdeutlicht die Bedeutung der pre-contract enquiries für das Informationsinteresse von potenziellen Erwerbern in England. Da nur der Verkäufer die relevanten Informationen über das Grundstück hat, muss es für den Käufer die Möglichkeit geben, verlässliche Informationen zu erlangen. Wenn die Klausel vorsieht, dass zumindest die von den Anwälten des Verkäufers an die Anwälte des Käufers schriftlich erteilten Informationen verlässlich sind, kann die Käuferseite auf diese Weise versuchen, eine verlässliche Antwort zu erhalten.

v Browning [2013] E.W.C.A. Civ. 1637, Rn. 34 fordert eine Ausnahme für ausdrücklich schriftliche Antworten der Anwälte der Verkäuferseite; Hardy v Griffiths [2014] E.W.H.C. 3947 (Ch), Rn. 74; First Tower Trustees Ltd and another v CDS (Superstores International) Ltd [2018] E.W.C.A. Civ. 1396, Rn. 69. 365 FoodCo LLP v Henry Boot Developments Ltd [2010] E.W.H.C. 358 (Ch), Rn. 177; Lloyd v Browning [2013] E.W.C.A. Civ. 1637, Rn. 34; Hardy v Griffiths [2014] E.W.H.C. 3947 (Ch), Rn. 74; First Tower Trustees Ltd and another v CDS (Superstores International) Ltd [2018] E.W.C.A. Civ. 1396, Rn. 69. 366 FoodCo LLP v Henry Boot Developments Ltd [2010] E.W.H.C. 358 (Ch), Rn. 177; Lloyd v Browning [2013] E.W.C.A. Civ. 1637, Rn. 34; Hardy v Griffiths [2014] E.W.H.C. 3947 (Ch), Rn. 74; First Tower Trustees Ltd and another v CDS (Superstores International) Ltd [2018] E.W.C.A. Civ. 1396, Rn. 69. 367 First Tower Trustees Ltd and another v CDS (Superstores International) Ltd [2018] E.W.C.A. Civ. 1396, Rn. 72, 75 und 77. 368 First Tower Trustees Ltd and another v CDS (Superstores International) Ltd [2018] E.W.C.A. Civ. 1396, Rn. 72 f. und 75. 369 First Tower Trustees Ltd and another v CDS (Superstores International) Ltd [2018] E.W.C.A. Civ. 1396, Rn. 72 f. und 75.

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D. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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(2) Relativierende Zusätze und vage Antworten Die Verkäufer oder deren Anwälte sind bestrebt, die Antworten möglichst vage zu formulieren oder mit relativierenden Zusätzen zu versehen, beispielsweise „but the Buyer must satisfy itself“370. Auf ähnliche Weise versuchten die Verkäufer in Morris v Jones and others erfolglos durch den Zusatz „but caveat emptor must apply and the purchasers should rely entirely upon their own inspection and survey“371 die vorangegangene Antwort auf eine Frage zu relativieren. Dahinter steckt die Motivation, möglichst für die gegebenen Antworten nicht haftbar gemacht zu werden. Ähnlich erfolglos sind die Versuche mancher Verkäufer, bestehende Probleme zwar zu erwähnen, diese aber zu verharmlosen oder zu beschönigen, um eine vermeintliche misrepresentation zu verhindern. So wurde im Fall Greenridge Luton One Ltd and another v Kempton Investments Ltd trotz andauernder Streitigkeiten über die Zahlung der service charge in zunächst fünfstelliger Höhe auf die Frage nach Beschwerden oder Streitigkeiten über die service charge (Frage 10.8 in CPSE.2) geantwortet: „There have been no complaints or disputes as such. From time to time [the tenants] have raised queries on mainly historic issues. [The tenants] have recently raised further enquiries“372. Die beschönigende Darstellung der Rechtsstreitigkeiten wertete das Gericht als misrepresentation.373 Verkäufer sind daher gut beraten, wenn sie in Zweifelsfällen keine Antwort auf Fragen geben, die sie nicht mit Sicherheit beantworten können oder wollen. Auch die Antwort „Not so far as the vendor is aware“374 bedeutet nicht bloß, dass der Veräußerer keine Kenntnis hat, sondern auch, dass er entsprechende Nachforschungen angestellt hat, die vernünftigerweise von einem sorgfältigen Verkäufer erwartet werden können, also etwa die Sichtung von title deeds, die Besichtigung des Grundstücks und die Inanspruchnahme von Rechtsberatung.375 Die vagen Auskünfte schränken den Informationsgehalt ein. Weigern sich Verkäufer, Antworten auf Fragen zu geben, werden nicht risikobereite Käufer von einem Kauf absehen376 oder beim Kaufpreis entsprechende Risikoabschläge vornehmen.

370 First Tower Trustees Ltd and another v CDS (Superstores International) Ltd [2018] E.W.C.A. Civ. 1396, Rn. 7. 371 Morris v Jones and others [2002] E.W.C.A. Civ. 1790, Rn. 5. 372 Greenridge Luton One Ltd and another v Kempton Investments Ltd [2016] E.W.H.C. 91 (Ch), Rn. 24. 373 Greenridge Luton One Ltd and another v Kempton Investments Ltd [2016] E.W.H.C. 91 (Ch), Rn. 66. 374 Diese Antwort gab der Verkäufer in William Sindall Plc. v Cambridgeshire County Council [1994] 1 W.L.R. 1016, 1025 auf die Frage, ob der Verkäufer weitere dingliche Rechte kennt. 375 William Sindall Plc. v Cambridgeshire County Council [1994] 1 W.L.R. 1016, 1025. 376 Siehe § 3 D. II. 2. a).

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§ 3 Länderbericht England

(3) Fazit zur Möglichkeit der Haftungsbeschränkung Vorvertragliche Anfragen sind wichtig, um dem Käufer zu ermöglichen, Informationen über Mietverhältnisse und das zu erwerbende land zu erlangen. Verkäufer haben selbst ein Interesse daran, potenziellen Käufern die Informationen zu den Objekten offenzulegen, um einen höheren Preis zu erzielen und Risikoabschläge zu vermeiden. Ein Käufer, der in Ermangelung von Informationen mit dem Schlimmsten rechnen muss, wird entweder nicht kaufen oder entsprechend wenig bieten. Gleichwohl sehen viele Verkäufer die sehr umfassenden vorvertraglichen Anfragen auch vor allem als Haftungsrisiko an – zu dem sie auch werden können, wenn die Fragen nicht mit großer Sorgfalt beantwortet werden. Verkäufer versuchen sich einer möglichen Haftung zu entziehen, indem sie definitive und substanzielle Antworten möglichst vermeiden. Die englische Rechtsprechung hat vielen dieser Versuche jedoch eine Absage erteilt und eine misrepresentation des Verkäufers bejaht. Die Haftung des Veräußerers für misrepresentation hilft potenziellen Käufern, sich auf gegebene Antworten zu verlassen und ist daher elementar für den englischen Grundstücksverkehr. Diese Haftung für misrepresentation kann daher vertraglich zwar eingeschränkt, aber nicht vollständig ausgeschlossen werden. 3. Vertragliche Absicherung Die Antworten der Verkäufer auf die pre-contract enquiries helfen den Käufern, eine Kaufentscheidung treffen zu können. In den meisten Fällen begnügen sich die Käufer jedoch nicht mit den möglicherweise vagen Antworten der Verkäufer. Neben den pre-contract enquiries sichern sich Käufer auch vertraglich ab. Kaufverträge über vermietete Immobilien in England enthalten regelmäßig Klauseln, nach denen der Verkäufer alle Details zu den leases im Kaufvertrag offenlegen muss. So wird eine Verpflichtung des Verkäufers begründet, den Kaufinteressenten umfassend über die lease terms zu informieren. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann der Käufer gegen ihn vorgehen. So stellen Käufer sicher, dass sie vollständig über den Inhalt der leases informiert werden. a) Standard Conditions of Sale In Kaufverträgen bei Grundstücksgeschäften wird häufig Bezug auf die von der Law Society entworfenen Standardverträge genommen.377 Für den Verkauf von Wohnimmobilien und kleinen Gewerbeimmobilien wurden Standard Conditions of Sale vorformuliert.378 Speziell für gewerblich genutzte Immobilien, insbeson377 Bridge/Cooke/Dixon, Megarry & Wade, Rn. 14.047; Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 954; Clarke/Cooper, Emmet and Farrand on Title, Rn. 2053; Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 12.92; Silverman/Hewitson, Conveyancing Searches and Enquiries, S. 8; Kopp, MittBayNot 2001, 287, 289. 378 The Law Society, Standard Conditions of Sale; siehe auch Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 954.

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D. Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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dere wenn diese an einen Gewerbetreibenden vermietet sind, wurden Standard Commercial Property Conditions von der Law Society entworfen.379 Bei der Law Society handelt es sich um die „Standesorganisation“380 der solicitors. Die Parteien vereinbaren die Standard Conditions of Sale oder die Standard Commercial Property Conditions als general conditions des Kaufvertrags, um die open contract rules abzubedingen.381 Der Grund dafür ist wohl darin zu sehen, dass die open contract rules als äußerst kompliziert und verkäuferfeindlich angesehen werden.382 Im Zusammenhang mit dem Informationsinteresse potenzieller Erwerber an dem Inhalt von leases sind insbesondere Klausel 3.3.2 lit. (a) der Standard Conditions of Sale und Klausel 5.1.2 der Standard Commercial Property Conditions bedeutsam. Danach bestätigt der Verkäufer, dem Käufer alle Details zu etwaigen leases oder sämtliche diesbezüglichen Unterlagen bereitgestellt zu haben. Der Käufer wird im Gegenzug so gestellt, als kenne und akzeptiere er die Vereinbarungen. Die Klausel soll die Verkäufer dazu zwingen, im Kaufvertrag sämtliche Informationen über die leases offenzulegen und auch für diese einzustehen. Die Details zu den leases sollen in den special conditions offengelegt werden, die den general rules nachfolgen, und die individuell auf das jeweilige Grundstücksgeschäft zugeschnitten sind. Auch für special conditions hält die Law Society Musterformulierungen bereit. Diese sind auf der letzten Seite der Standard Conditions of Sale oder der Standard Commercial Property Conditions zu finden. Darüber hinaus steht es den Parteien frei, in den special conditions weitere Absprachen zu treffen, die den vorformulierten general rules der Law Society vorgehen.383 b) Haftungsbeschränkungen des Verkäufers Die Standardverträge von der Law Society sehen entsprechende remedies des Erwerbers vor, sollte der Verkäufer seinen Pflichten nicht nachkommen.384 Für misrepresentations des Verkäufers ist zu beachten, dass die special conditions der Standard Conditions of Sale und die Standard Commercial Property Conditions jeweils eine Klausel enthalten, wonach sich die Vertragsparteien nur auf

379 The Law Society, Standard Commercial Property Conditions; siehe auch Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 12.92. 380 Wörlen, JA 2006, 78, 79. 381 Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 3.61; Schünemann, Die Veräußerung von Grundstücken nach deutschem und englischem Recht, S. 69; siehe zu den open contract rules § 3 D. II. 2. b). 382 Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 3.61. 383 Klausel 1.1.4 der Standard Conditions of Sale und Klausel 1.1.4 lit. a) der Standard Commercial Property Conditions. Siehe dazu auch: Bridge/Cooke/Dixon, Megarry & Wade, Rn. 14.047. 384 Siehe Klausel 7.1.1 der Standard Conditions of Sale und Klausel 10.1 der Standard Commercial Property Conditions.

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§ 3 Länderbericht England

representations verlassen haben, die der Verkäufer oder dessen Rechtsanwalt schriftlich erteilt haben.385 Die Musterverträge enthalten weitere Einschränkungen für remedies des Käufers. Damages stehen dem Käufer nur dann zu, wenn ein material difference zwischen der Beschreibung des Verkäufers und den tatsächlichen Begebenheiten oder dem Wert der Immobilie vorliegt.386 Eine rescission ist – außer in Fällen von fraud or recklessness387 – nur möglich, „where the buyer would be obliged, to its prejudice, to accept property differing substantially (in quantity, quality or tenure) from what the error or omission had led it to expect.“388 Sowohl damages als auch ein Recht zur rescission setzen damit voraus, dass die Nicht- oder Fehlinformation des Verkäufers über den Inhalt der leases material oder significant war. In Pagebar Properties Ltd v Derby Investment Holdings Ltd hatte der Verkäufer eine andere lease als die tatsächlich bestehende genannt und die entsprechenden Unterlagen der falschen lease dem Erwerber vorgelegt. So war eine der zu erwerbenden Wohnungen nicht wie angegeben an J.R. Morton für sieben Jahre ab 1964 zu £ 275 p. a., sondern mittlerweile an Mr. Mitchell für drei Jahre ab 1971 zu £ 350 p. a. vermietet.389 Das Gericht sah darin jedoch keinen ausreichenden material effect auf den Wert der Immobilie, der einen Anspruch des Käufers auf damages gerechtfertigt hätte.390

III. Fazit zum Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber Im englischen Recht muss beim Erwerb einer vermieteten Immobilie zunächst genau geprüft werden, welche lease der tenant hält. Im zweiten Schritt muss geklärt werden, ob ein Erwerber an diese lease gebunden wird. Legal leases binden Erwerber immer, equitable leases nur, wenn sie im land register eingetragen sind oder der Mieter in actual occupation ist. Wird der Erwerber an die lease gebunden, tritt der Erwerber in eine privity of estate mit dem tenant ein, die durch die dinglichen covenants geprägt ist. Daher hat er ein hohes Interesse daran, über diese informiert zu werden. Das englische Recht sieht keinen gesetzlichen Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber vor. Zwar soll durch das land register sichergestellt werden, dass leases auch dann ersichtlich sind, wenn der tenant nicht im Besitz

385 Klausel 6 der special conditions in Standard Conditions of Sale und Klausel 2 der special conditions in Standard Commercial Property Conditions. 386 Klausel 7.1.1 lit. a) der Standard Conditions of Sale und Klausel 10.1 lit. a) der Standard Commercial Property Conditions. 387 Klausel 7.1.1 lit. b)(i) der Standard Conditions of Sale und Klausel 10.1 lit. b)(i) der Standard Commercial Property Conditions. 388 Klausel 10.1 lit. b)(ii) der Standard Commercial Property Conditions; mit nahezu identischer Formulierung so auch in Klausel 7.1.1 lit. b)(ii) der Standard Conditions of Sale. 389 Pagebar Properties Ltd v Derby Investment Holdings Ltd [1972] 1 W.L.R. 1500, 1502 f. 390 Pagebar Properties Ltd v Derby Investment Holdings Ltd [1972] 1 W.L.R. 1500, 1505.

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E. Zusammenfassung

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der Mietsache ist, eine Informationsquelle für Kaufinteressenten hinsichtlich der lease terms stellt es jedoch nicht dar. Vielmehr wird die Lösung dieses Problems der Rechtspraxis überlassen. Wegen des Caveat-emptor-Grundsatzes haben sich mittlerweile pre-contract enquiries etabliert. Mit diesen kann ein Erwerber die für ihn relevanten Informationen zu den lease terms erfragen. Im Falle von falschen Antworten kann ein Veräußerer sich ggf. schadensersatzpflichtig machen oder der Käufer erhält das Recht, sich von dem Vertrag zu lösen. Die vorvertraglichen Anfragen und die drohende Haftung eines Veräußerers für seine Antworten sind für das Informationsinteresse potenzieller Erwerber essenziell. Dies haben auch die Gerichte erkannt und daher vollumfassende Haftungsausschlüsse für die gegebenen Antworten für unwirksam erklärt. Gleichwohl begnügen sich die Erwerber regelmäßig nicht mit den Antworten auf die pre-contract enquiries, sondern sichern sich zusätzlich auch vertraglich ab, indem die Verkäufer verpflichtet werden, alle Details zu den leases und damit auch die lease terms offenzulegen.

E. Zusammenfassung Das englische Recht schützt tenants und landlords vor der übereilten Eingehung langfristiger Mietverhältnisse und vor Beweisschwierigkeiten über Formvorschriften. Diese dienen allerdings nicht auch dem Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber. Ebenso wenig erfüllt diese Funktion das land register, in das leases ab einer Laufzeit von mehr als sieben Jahren und auch insoweit nicht sämtliche Mietkonditionen eingetragen werden müssen. Vielmehr wird es den Vertragsparteien selbst überlassen, sich über die lease terms zu informieren. Betrachtet man zunächst die mietrechtlichen Formvorschriften, muss man zwischen dem Schriftformerfordernis für lease agreements in sec. 2(1) LPMPA 1989 und dem Erfordernis einer deed für die dingliche Bestellung von leases nach sec. 52(1) LPA 1925 unterscheiden. Verstoßen die Mietvertragsparteien gegen das Schriftlichkeitserfordernis von lease agreements, sind diese nichtig. Damit wird sichergestellt, dass Mietvertragsparteien nicht an ihre möglicherweise übereilten oder nur schwer zu beweisenden Abreden gebunden werden. Der Schutz der Vertragsparteien wird jedoch durch das Interesse an dem Fortbestand der durch den unwirksamen Vertrag veranlassten Verfügungen überlagert, sobald die lease bestellt wurde. Die equity rules sehen Schutzmechanismen vor, um opportunistisches Verhalten zu verhindern, durch das die strenge Rechtsfolge von sec. 2(1) LPMPA 1989 zum eigenen Vorteil ausgenutzt werden soll. Durch die equity rules können so unter bestimmten Umständen die formnichtigen Vereinbarungen dennoch Wirkungen entfalten. Erfüllen die Vertragsparteien bei der Bestellung einer mehrjährigen lease nicht die Anforderungen an eine deed, kommt zunächst keine legal lease zustande. So erreicht die englische Rechtsordnung, dass dinglich Berechtigte nicht übereilt

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§ 3 Länderbericht England

legal leases bestellen, deren Inhalt nicht sicher bewiesen werden kann. Die formwidrige deed kann jedoch – wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen – in ein lease agreement umgedeutet werden. Hatten die Vertragsparteien bereits ein lease agreement wirksam geschlossen, besteht zwischen ihnen ohnehin eine equitable lease. Zudem kann auch eine implied lease entstehen, wenn der tenant die Mieträume bezieht und rent entrichtet. Dem Informationsinteresse potenzieller Erwerber in England wird vorrangig durch pre-contract enquiries entsprochen. Hintergrund ist, dass bei englischen Grundstücksgeschäften der Grundsatz caveat emptor gilt und vorvertragliche Aufklärungspflichten grundsätzlich ausgeschlossen sind. Zwar können Erwerber nicht die Beantwortung ihrer vorvertraglichen Anfragen mit rechtlichen Mitteln erzwingen, ihnen steht jedoch zumindest das Druckmittel zu, jederzeit von einem Kauf Abstand zu nehmen. Regelmäßig lassen sich die Veräußerer auf die Anfragen ein, die mittlerweile fester Bestandteil von Grundstücksgeschäften geworden sind. Für falsche Antworten droht eine Haftung wegen misrepresentation, sodass Verkäufer in Anspruch genommen werden oder Erwerber den Kaufvertrag rückwirkend zu Fall bringen können. Regelmäßig sichern sich Erwerber darüber hinaus auch vertraglich ab, dass ihnen alle Informationen zu leases und deren covenants offengelegt wurden. Entsprechende Klauseln finden sich in den gängigen Standardverträgen der Law Society.

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§ 4 Rechtsvergleich A. Einheitlicher Lösungsansatz oder Trennung der Schutzzwecke Die bisherigen Darstellungen in den Länderberichten sollen nun einer vergleichenden Betrachtung unterzogen werden. Nach dieser Einleitung setzt sich der Rechtsvergleich aus drei verschiedenen Komplexen zusammen. Zunächst werden die nationalen Lösungsansätze gegenübergestellt und verglichen, wobei zwischen dem Schutz der Vertragsparteien und des Informationsinteresses potenzieller Erwerber unterschieden wird, bevor diese anschließend einer kritischen Bewertung unterzogen werden. Die Vertragsparteien langfristiger Mietverhältnisse, die meist eine hohe finanzielle Bindung auf lange Zeit eingehen, benötigen ein hohes Maß an Rechtssicherheit und müssen vor unbedachten Vertragsschlüssen geschützt werden. Die deutsche und die englische Rechtsordnung haben dieses Schutzbedürfnis erkannt und versuchen, die Mietvertragsparteien vor der übereilten Eingehung langfristiger Mietverhältnisse und vor Beweisproblemen während der langen Laufzeit zu bewahren. Dazu setzen beide Rechtsordnungen Formvorschriften ein. In der englischen Rechtsordnung müssen bei leases mit einer Laufzeit von mehr als drei Jahren sowohl die lease agreements als auch die Bestellung der leases förmlich erfolgen. Das Schriftformerfordernis für lease agreements ergibt sich aus sec. 2(1) LPMPA 1989, das Erfordernis einer deed für die Bestellung der leases aus sec. 52(1) LPA 1925. Diese Formvorschriften dienen diversen Schutzzwecken, aber die Hauptstoßrichtung heute ist, dass tenants und landlords die Abreden rechts- und beweissicher festhalten und vor übereilten Vertragsschlüssen geschützt werden.1 Auch der deutsche Gesetzgeber schlägt diesen Weg ein, um die Mietvertragsparteien zu schützen. Nach der Rechtsprechung und der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung kommt dem Schriftformerfordernis für Mietverträge von mehr als einem Jahr in § 550 BGB eine Beweis- und Warnfunktion zugunsten der Vertragsparteien zu.2 Dem historischen Gesetzgeber ging es bei § 550 BGB vorrangig um den Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber, denen eine verlässliche Informationsquelle über den Inhalt der Mietverträge zur Verfügung gestellt werden sollte.3 Auch wenn die Fälle in der deutschen Gerichtspraxis deutlich überwiegen, 1

Siehe dazu § 3 B. I. Siehe § 2 A. II und § 2 A. III. 3 Siehe § 2 A. II. 1. 2

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§ 4 Rechtsvergleich

in denen ursprüngliche Vertragsparteien langfristige Mietverträge wegen eines Formfehlers vorzeitig kündigen, wird auch heute noch mit § 550 BGB primär der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber bezweckt.4 Anders dagegen in der englischen Rechtsordnung. Diese sieht keinen besonderen Schutz des potenziellen Erwerbers durch das Gesetz vor, insbesondere nicht durch die mietrechtlichen Formvorschriften.5 Es wird potenziellen Erwerbern vielmehr selbst überlassen, sich über die lease terms zu informieren.6 Ein grundlegender Unterschied der beiden Lösungsansätze ist damit, dass in der deutschen Rechtsordnung sowohl der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber als auch der Schutz der Mietvertragsparteien durch die Formvorschrift des § 550 BGB bezweckt wird. Man könnte sagen, dass sich der deutsche Gesetzgeber damit für einen einheitlichen Lösungsansatz der beiden zu untersuchenden Fragestellungen entschieden hat. Die englische Rechtsordnung hat dagegen voneinander unabhängige Lösungsansätze zum Schutz der Mieter und Vermieter einerseits und potenzieller Erwerber andererseits entwickelt. Für den Schutz des Mieters und des Vermieters werden Formvorschriften eingesetzt. Der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber wird hingegen nicht über gesetzliche Schutzmechanismen bezweckt, sondern ist in die Rechtspraxis ausgelagert. Das englische Recht führt damit die beiden zu untersuchenden Fragestellungen jeweils eigenständigen Lösungen zu. Es sollen zunächst die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beim Schutz der Mietvertragsparteien näher beleuchtet werden. Im Anschluss wird der Fokus auf die Lösungsansätze zum Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber gelenkt, bevor die nationalen Lösungsansätze bewertet werden. Der Rechtsvergleich endet durch eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse.

B. Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien Im deutschen Recht bezweckt § 550 BGB den Schutz der Mietvertragsparteien und im englischen Recht bezwecken sec. 2(1) LPMPA und sec. 52(1) LPA 1925 den Schutz der tenants und landlords. Insoweit verwenden das deutsche und englische Recht mit Formvorschriften grundsätzlich das gleiche Schutzinstrument. In England dienen jedoch zwei Formvorschriften dem Schutz der Mieter und Vermieter, in Deutschland dagegen nur § 550 BGB. Dies ist auf das dualistische Mietrechtsverständnis des englischen Rechts zurückzuführen, wonach Mietverhältnisse sowohl durch eine schuldrechtliche als auch eine dingliche Rechtsbeziehung geprägt sind.7 Das englische Recht verlangt das Einhalten von Form4

Siehe § 2 A. I. Siehe § 3 B. II. 6 Siehe § 3 D. II. 7 Siehe § 3 A. II. 3. 5

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B. Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien

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vorschriften sowohl für die Begründung der Vertragsbeziehung als auch für das Eingehen der dinglichen Rechtsbeziehung. Schließen die Parteien zunächst ein lease agreement und bestellen anschließend eine (legal) lease, werden sie daher zweistufig durch Formvorschriften geschützt. In dieser Konstellation kommt der Warnfunktion durch die deed eine entsprechend geringere Rolle zu, da der Anspruch des tenant bereits durch das schriftliche lease agreement begründet wurde und dieser durch die Bestellung der lease erfüllt wird.8 Allerdings werden tenants und landlords in England nicht zwangsläufig zweistufig geschützt. Die Parteien können einerseits eine legal lease mittels einer deed bestellen, ohne zuvor ein lease agreement geschlossen zu haben.9 Dann bietet allein das Erfordernis einer deed nach sec. 52(1) LPA 1925 Schutz, da kein vertraglicher Übereilungsschutz vorgeschaltet war. Andererseits können die Vertragsparteien auch nur ein lease agreement schließen, wenn ihnen eine equitable lease ausreicht.10 In diesen beiden Fallkonstellationen ist der Schutz der tenants und landlords nicht zweistufig, sondern nur einstufig ausgestaltet. Im deutschen Recht ist durch § 550 BGB stets nur ein einstufiger Schutz der Mietvertragsparteien vorgesehen. Welche weiteren Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Schutz der Mietvertragsparteien aufweist, soll nachfolgend näher beleuchtet werden. Dabei wird zwischen den Anforderungen der Formvorschriften und den Rechtsfolgen bei Formmängeln unterschieden.

I. Anforderungen der mietrechtlichen Formvorschriften Einleitend zu den Anforderungen der mietrechtlichen Formvorschriften soll der Anwendungsbereich der Formvorschriften miteinander verglichen werden. 1. Anwendungsbereich a) Erfasste Rechtsgeschäfte Während das Schriftformerfordernis in § 550 BGB als spezielle Vorschrift nur für Mietverträge über Wohnraum (bzw. über § 578 Abs. 1, 2 BGB auch im Gewerberaummietrecht) gilt, sind die Formvorschriften der englischen Rechtsordnung in allgemeinen, nicht spezifisch mietrechtlichen Normen geregelt. So sieht sec. 2(1) LPMPA 1989 für alle Grundstücksverträge die Schriftform vor. Nach sec. 52(1) LPA 1925 müssen alle conveyances über land oder interests in land mittels einer deed erfolgen. Die Formvorschriften gelten in beiden Ländern nicht ausnahmslos. In Deutschland sind Mietverträge mit einer Laufzeit von maximal einem Jahr form-

8

Siehe auch § 3 B. I. 2. Siehe § 3 B. I. 2. 10 Lees, The Principles of Land Law, S. 106. 9

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§ 4 Rechtsvergleich

frei möglich. Die Formbedürftigkeit von Mietverträgen richtet sich damit rein nach deren Laufzeit. Sobald diese mehr als ein Jahr beträgt, ordnet § 550 S. 1 BGB die Schriftform für diesen Mietvertrag an. Im englischen Recht sind leases mit einer Laufzeit von maximal drei Jahren, die mit Überlassung an den tenant beginnen und als Gegenleistung eine market rent vorsehen, von sämtlichen Formvorschriften ausgenommen.11 Die Formbedürftigkeit ist damit nicht rein laufzeitabhängig, sondern richtet sich auch nach dem Inhalt der vereinbarten lease. Dass eine lease, die nicht mit Überlassung an den Mieter beginnt oder keine marktübliche Miete vorsieht, auch bei nur kurzer Laufzeit formbedürftig sein soll, liegt allerdings nicht etwa daran, dass die Vertragsparteien in diesen Fällen besonders schutzbedürftig sind. Hintergrund ist vielmehr der Schutz eines Erwerbers, der den Bestand einer formfreien lease durch den Besitz des Mieters erkennen können soll.12 Zudem soll sichergestellt werden, dass er eine Mietzinszahlung in angemessener Höhe verlangen kann, wenn er an die formlose short lease gebunden wird.13 Leases mit einer kurzen Laufzeit sind damit nur dann formfrei möglich, solange ihr Bestand für Erwerber durch den Besitz des tenant erkennbar ist und ein Erwerber eine marktübliche Mietzinszahlung als Kompensation erhält. b) Laufzeit der formbedürftigen Mietverhältnisse Mit § 550 BGB verlangt das deutsche Recht, Mietverträge ab einer Laufzeit von mehr als einem Jahr schriftlich abzuschließen. Im englischen Recht wird bei leases mit einer Laufzeit von bis einschließlich drei Jahren, die die Voraussetzungen der sec. 54(2) LPA 1925 erfüllen, von short leasesgesprochen, bei denen weder das lease agreement noch die grant of lease formbedürftig sind.14 Gemeinsam haben beide Rechtsordnungen daher, dass kurze Mietverhältnisse von den Formvorschriften ausgenommen werden. Dies erscheint im Hinblick auf die Formzwecke sinnvoll. Bei kurzzeitigen Mietverträgen werden die Vertragsparteien nicht besonders lang gebunden, sodass die wirtschaftlichen Folgen überschaubar sind und durch den Gesetzgeber nicht auf ein beweissicheres Festhalten der Absprachen hingewirkt werden muss. Dass sowohl das deutsche als auch das englische Recht keine Formvorschriften für kurze Mietverhältnisse vorsehen, bedeutet aber nicht, dass diese Mietverträge in der Rechtspraxis nur mündlich geschlossen werden. So beobachtet Lees, dass lease agreements über short leases in der englischen Rechtspraxis üblicherweise gleichwohl verschriftlicht festgehalten werden, wenn auch nicht zwin-

11 Sec. 54(2) LPA 1925, bei lease agreements i. V. m. sec. 2(5)(a) LPMPA 1989, siehe näher dazu § 3 C. I. 1. a). 12 McFarlane/Hopkins/Nield, Land Law, Rn. 7.61. 13 McFarlane/Hopkins/Nield, Land Law, Rn. 7.61. 14 Siehe zum Begriff short leases sec. 2(5)(a) LPMPA 1989.

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B. Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien

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gend in Schriftform nach sec. 2(1) LPMPA 1989.15 Gleiches lässt sich auch in Deutschland beobachten: Auch wenn ein Großteil der geschlossenen Mietverträge – insbesondere im Wohnraummietrecht – nicht schriftformbedürftig ist, so werden die meisten Mietverträge bereits aus einem allgemeinen Beweisinteresse schriftlich festgehalten, wenn auch nicht immer unter Wahrung aller Schriftformvoraussetzungen des § 550 BGB. Zwischen den Rechtsordnungen bestehen unterschiedliche Auffassungen davon, ab welcher Laufzeit Mietverhältnisse formbedürftig sein sollen. Während die Schwelle in Deutschland bereits bei mehr als einem Jahr Laufzeit liegt, greifen die Formvorschriften im englischen Recht häufig erst ab einer Laufzeit von mehr als drei Jahren. Weshalb Verträge in Deutschland bereits ab einer Laufzeit von mehr als einem Jahr schriftlich geschlossen werden müssen, ist historisch bedingt. So bestand im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten eine Formvorschrift für Mietverträge (ALR I, 21, § 269), die anordnete, dass die Laufzeit von formbedürftigen Mietverträgen, die nicht schriftlich geschlossen wurden, auf ein Jahr begrenzt wurde.16 Nach Lammels Worten wurde „[i]n Umkehrung des Vorbildes in ALR, I, 21, § 269“17 im BGB ein Schriftformerfordernis für Mietverträge ab einer Laufzeit von mehr als einem Jahr geschaffen. Ein weiterer Grund für die kürzere Frist könnte der mit § 550 BGB zugleich bezweckte Erwerberschutz sein, da Erwerbern bei unbekannten Mietvertragsbedingungen keine längere Bindung als ein Jahr zugemutet werden sollte. Die Schwelle des englischen Rechts liegt ungleich höher. Die Law Commission hat die Festsetzung der Schwelle auf drei Jahre bei lease agreements in sec. 2(1) LPMPA 1989 schlicht damit begründet, dass die dingliche Bestellung einer solchen lease ebenfalls formfrei sei.18 In England werden leases mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren als nicht so folgenreich angesehen, dass zum Schutz der Vertragsparteien die lease terms förmlich festgehalten werden müssten.19 Lees spricht sogar von einem drohenden „regulatory overkill“20, wenn auch lease agreements mit einer noch kürzeren Laufzeit zwingend schriftlich i. S. v. sec. 2(1) LPMPA 1989 geschlossen werden müssten. Zudem nehmen implied leases traditionell eine große Rolle im englischen Recht ein und diese würden faktisch abgeschafft werden, wenn man auch short leases einem Formerfordernis unterwerfen würde.21

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Lees, The Principles of Land Law, S. 95. Siehe weitere Ausführungen zu ALR I, 21, § 269 in § 4 C. II. 2. b). 17 Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 18. 18 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 4.10. 19 Lees, The Principles of Land Law, S. 95. 20 Lees, The Principles of Land Law, S. 95. 21 Smith, Property Law, S. 114. 16

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§ 4 Rechtsvergleich

2. Anforderungen an Mietverträge und lease agreements Da § 550 BGB eine Formvorschrift für den Mietvertrag darstellt und insoweit einige Parallelen mit dem Schriftformerfordernis für lease agreements in sec. 2(1) LPMPA 1989 bestehen, sollen diese beiden Vorschriften zunächst näher miteinander verglichen werden. Erst anschließend werden Vergleiche mit den Anforderungen an eine deed nach sec. 52(1) LPA 1925 gezogen. a) Schriftformbedürftige Abreden Sowohl in Deutschland als auch in England müssen grundsätzlich alle Abreden der Vertragsparteien in die schriftliche Vertragsurkunde aufgenommen werden. Für England ergibt sich dies sogar ausdrücklich aus dem Gesetz in sec. 2(1) LPMPA 1989: „by incorporating all the terms which the parties have expressly agreed“.22 In beiden Rechtsordnungen sieht die Rechtsprechung jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz vor, sodass nicht sämtliche Abreden von den Schriftformerfordernissen erfasst sind. Gemeinsam haben beide Rechtsordnungen, dass die Rechtsprechung das Schriftformerfordernis auf bedeutsame Absprachen begrenzt und nebensächliche Vereinbarungen davon ausnimmt. Dadurch soll vermieden werden, dass Vereinbarungen von geringer Bedeutung für das Mietverhältnis, die außerhalb der schriftlichen Vertragsurkunde getroffen wurden, die weitreichenden Rechtsfolgen für Formmängel auslösen. Insbesondere soll so opportunistisches Verhalten verhindert werden, durch das diese Rechtsfolgen ausgenutzt werden sollen. Dabei ziehen die Gerichte unterschiedliche Kriterien heran, um schriftformbedürftige von formlos möglichen Vereinbarungen abzugrenzen. So wird im deutschen Recht zwischen wesentlichen und nicht wesentlichen Abreden unterschieden.23 Nach der englischen Rechtsprechung ist dagegen entscheidend, von welchen Abreden der Mietvertrag nach Ansicht der Vertragsparteien insgesamt abhängig sein soll und nur diese bedürfen der Schriftform.24 Die englische Rechtsprechung zieht damit den Kreis an schriftformbedürftigen Absprachen noch etwas enger, da nur die allerwichtigsten Absprachen schriftformbedürftig sind. Grundlegend unterscheidet sich allerdings die Perspektive für die Beurteilung der Bedeutsamkeit einer Abrede in den beiden Rechtsordnungen. Im deutschen Recht richtet sich die Beurteilung der Wesentlichkeit nach der objektivierten Perspektive eines potenziellen Erwerbers.25 Die Vertragsparteien können sich daher bei der Erstellung der Vertragsurkunde nicht bloß von ihren eigenen Interessen leiten lassen, sondern sie müssen die Interessen eines potenziellen Erwerbers berücksichtigen. Dies auch dann, wenn ein Verkauf während der Laufzeit des

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Für die deutsche Rechtslage siehe § 2 B. I. 2. Siehe § 2 B. I. 2. a). 24 Siehe § 3 C. I. 1. b). 25 Siehe § 2 B. I. 2. a). 23

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B. Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien

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Mietvertrags höchst unwahrscheinlich ist. Im englischen Recht ist dagegen allein die Sichtweise der Vertragsparteien maßgeblich. So hängt es von deren subjektiven Willen ab, ob eine Abrede derart bedeutsam ist, dass von ihr der Bestand des gesamten lease agreement abhängen soll.26 Diese unterschiedliche Perspektive, die die Gerichte einnehmen, um die Bedeutsamkeit einer Vertragsabrede zu beurteilen, ist auf die unterschiedlichen Schutzzwecke der Normen zurückzuführen. Da im deutschen Recht die Norm des § 550 BGB primär dem Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber dient, richtet sich auch die Auslegung der Schriftformanforderungen vorrangig nach diesem Zweck. Sec. 2(1) LPMPA 1989 sind derartige Erwägungen dagegen fremd.27 Daher lassen sich die englischen Gerichte von den Interessen der Parteien leiten und stellen diese in den Mittelpunkt der Auslegung der Vorschrift. b) Unterschriften der Vertragsparteien In beiden Rechtsordnungen ist zudem die Unterschrift des Vermieters und des Mieters auf der Vertragsurkunde erforderlich. In England ordnet dies sec. 2(3) LPMPA 1989 an und im deutschen Recht § 126 Abs. 1 BGB. Es reicht sowohl in Deutschland als auch in England aus, wenn zwei Vertragsurkunden identischen Inhalts vorliegen, die jeweils von einer Partei unterzeichnet wurden.28 aa) Allgemeines zur Unterschrift Die Anforderungen an die Unterschrift sind allerdings sehr unterschiedlich. In Deutschland ist nach § 126 Abs. 1 BGB eine eigenhändige Unterschrift erforderlich, nach englischem Verständnis also eine wet ink signature.29 Eine Unterschrift kann nicht durch einen Faksimilestempel erbracht werden oder durch das maschinelle Drucken des Namens.30 In England kann dagegen eine Unterschrift auch dadurch geleistet werden, dass der eigene Name digital eingegeben oder als Unterschrift auf die Vertragsurkunde gedruckt wird.31 Das englische Recht zeigt sich so liberaler als das deutsche Recht gegenüber digitalen Vertragsabschlüssen. So können beispielsweise lease agreements formgerecht per einfacher E-Mail abgeschlossen werden, sogar dann, wenn der Unterzeichner seinen Namen nicht eintippt, sondern sich dessen Name nur aus der E-Mail-Signatur ergibt.32 Im deutschen Recht ist ein elektronischer Vertragsabschluss nur dann formgerecht denkbar, wenn beide Parteien ein gleichlautendes 26

Siehe § 3 C. I. 1. b). Siehe § 3 B. II. 28 Für das deutsche Recht siehe § 126 Abs. 2 S. 2 BGB und für das englische Recht siehe sec. 2(3) LPMPA 1989. 29 Siehe zur wet ink signature § 3 C. I. 1. c) aa). 30 Siehe § 2 B. I. 3. a). 31 Siehe § 3 C. I. 1. c) aa). 32 Siehe § 3 C. I. 1. c) aa). 27

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§ 4 Rechtsvergleich

Vertragsdokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 126a Abs. 2 BGB versehen. Im Vergleich zum englischen Recht ist dies mit einem höheren Aufwand verbunden und nicht ähnlich flexibel. Die liberale Entwicklung in Bezug auf elektronische Vertragsabschlüsse ist in England auf die Rechtsprechung zurückzuführen.33 Es gab zwar Reformbestrebungen, eine neue Formvorschrift als sec. 2A LPMPA 1989 einzuführen, die elektronische Vertragsschlüsse ausdrücklich ermöglichen sollte, allerdings wurde dieser Vorschlag nie vom englischen Gesetzgeber umgesetzt.34 Damit hat die englische Rechtsprechung diese Rechtsfortbildung übernommen. bb) Companies, juristische Personen oder Personenmehrheiten Im deutschen Recht besteht bei der Beteiligung von juristischen Personen oder Personenmehrheiten ein hohes Risiko, die hohen Anforderungen des § 550 BGB zu verletzen. Die genauen Anforderungen an die Einhaltung der Schriftform unterscheiden sich je nach äußerer Gestaltung der Urkunde und Art der Personenmehrheit oder juristischen Person.35 Die Rechtsprechung stellt allein auf die äußere Form der Vertragsurkunde aus Sicht eines potenziellen Erwerbers ab, während die Vertretungsmacht des Unterzeichners unerheblich ist.36 Mitunter ist es erforderlich, dass zwischen den Organisationsformen und ihren gesetzlichen Vertretungsregelungen unterschieden werden muss, um überprüfen zu können, ob aus Sicht eines potenziellen Erwerbers der Eindruck entsteht, dass alle nötigen Personen unterzeichnet haben.37 Nur dann wahren diese Mietverträge die Schriftform. Im englischen Recht ist dagegen durch statutory rules detailliert geregelt, welche Personen company contracts oder deeds zu unterzeichnen haben. So verlangt das Gesetz, dass zwei authorised signatories unterzeichnen, wobei es sich um directors oder secretaries handelt.38 Wenn die company ein common seal hat, kann dieses in Anwesenheit von zwei directors oder einem director und einem secretary angebracht werden, die das Dokument ebenfalls unterzeichnen müssen.39 Die sehr differenzierten und einzelfallabhängigen Anforderungen im deutschen Recht, die eine rein formelle Betrachtung der Vertragsurkunde erfordern, sind erneut auf den doppelten Schutzzweck und die hohe Stellung des Informationsinteresses potenzieller Erwerber zurückzuführen.40 33 So beispielsweise die richtungsweisenden Entscheidungen in Green v Ireland [2011] E.W.H.C. 1305 (Ch) und Neocleous & Anor v Rees [2019] E.W.H.C. 2462 (Ch), siehe § 3 C. I. 1. c) aa). 34 Ausführlich dazu Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 972 f. 35 Siehe § 2 B. I. 3. b). 36 Siehe § 2 B. I. 3. b). 37 Siehe § 2 B. I. 3. b). 38 Sec. 44(2, 3) CA 2006, siehe vertiefend hierzu § 3 C. I. 1. c) bb) und § 3 C. I. 2. b) dd). 39 Siehe zum Unterschriftserfordernis auch § 3 C. I. 1. c) bb). 40 Siehe § 2 B. I. 3. b) cc).

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B. Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien

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c) Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen In beiden Rechtsordnungen gilt das Schriftformerfordernis auch für Vertragsänderungen. Allerdings gibt es auch hier Einschränkungen in beiden Rechtsordnungen, sodass nicht jede Vertragsänderung auch tatsächlich formbedürftig ist. Welche Vertragsänderungen schriftformbedürftig sind, richtet sich im englischen wie auch im deutschen Recht nach dem Merkmal der Wesentlichkeit/ materiality.41 Nur, wenn eine wesentliche Abrede oder ein material term geändert werden sollen, ist dies schriftformbedürftig. Damit wenden englische und deutsche Gerichte ein sehr ähnliches Abgrenzungskriterium an. Allerdings unterscheidet sich erneut die Perspektive, die zur Beurteilung der Wesentlichkeit/materiality eingenommen wird. Während im deutschen Recht wegen des doppelten Schutzzwecks des § 550 BGB vorrangig auf die objektivierte Sichtweise eines potenziellen Erwerbers abgestellt wird, spielen derartige Erwägungen im englischen Recht keine Rolle.42 Daneben unterscheiden sich die Möglichkeiten der Vertragsparteien, freiwillig die Schriftform für sämtliche Änderungen zu vereinbaren. Im englischen Recht sind no oral modification clauses zulässig und diese setzen sich gegen mündliche Änderungsvereinbarungen durch.43 Im deutschen Recht ist zwischen einfachen und doppelten Schriftformklauseln zu unterscheiden. Einfache Schriftformklauseln sind nicht in der Lage, formlose Änderungen unwirksam werden zu lassen.44 Doppelte Schriftformklauseln auch nicht, wenn sie per AGB vereinbart wurden.45 Ob individualvertraglich vereinbarte doppelte Schriftformklauseln in der Lage sind, sich gegenüber formlosen Änderungen durchzusetzen, wurde vom Bundesgerichtshof bisher offengelassen.46 Dass das Treffen einer individualvertraglichen Abrede in vorformulierten Mietverträgen an hohe Anforderungen geknüpft ist, ist ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor. Während die Vereinbarung der Schriftform für Änderungsvereinbarungen in England kein Problem darstellt, können Schriftformklauseln in Deutschland keinen effektiven oder sicheren Schutz vor Schriftformfehlern in Nachtragsvereinbarungen bieten. d) Zusammenfügung mehrerer Dokumente Nach § 126 Abs. 2 S. 1 BGB müssen die Vertragsparteien „auf derselben Urkunde“ unterzeichnen, ebenso schreibt das englische Recht in sec. 2(1) LPMPA 1989 vor, dass die Vereinbarungen „in one document“ dargestellt werden müssen. Damit ordnen das deutsche und englische Recht nicht nur an, dass die Mietverträge/lease agreements schriftlich geschlossen, sondern darüber hinaus auch in 41

Für das deutsche Recht siehe § 2 B. I. 4; für das englische Recht siehe § 3 C. I. 1. d). Für das deutsche Recht siehe § 2 B. I. 4; für das englische Recht siehe § 3 C. I. 1. d). 43 Siehe § 3 C. I. 1. d). 44 Siehe § 2 B. II. 4. b) bb). 45 Siehe § 2 B. II. 4. b) bb). 46 Siehe § 2 B. II. 4. b) bb). 42

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§ 4 Rechtsvergleich

nur einer Vertragsurkunde festgehalten werden müssen.47 Da so die Vertragsparteien alle Abreden aus einer Vertragsurkunde ersehen können, wird sowohl die Beweis- als auch die Warnfunktion der Vorschriften gestärkt.48 Während der Bundesgerichtshof die Anforderungen an die Zusammenfügung mehrerer Dokumente im Rahmen seiner Auflockerungsrechtsprechung liberalisiert hat, sieht in England bereits das Gesetz eine wichtige Ausnahme zu dem Grundsatz einer einheitlichen Vertragsurkunde vor. So ist es gemäß sec. 2(2) LPMPA 1989 zulässig, auf andere Dokumente zu verweisen, um sie in den Hauptvertrag einzubeziehen. Auch im deutschen Recht ist es zulässig, dass im Hauptvertrag auf andere Dokumente verwiesen wird, die als Anlage dienen sollen.49 Weder sec. 2(2) LPMPA 1989 noch das deutsche Recht verlangen dabei eine physische Verbindung zwischen Hauptvertrag und Anlage.50 Auch müssen in beiden Ländern nur der Hauptvertrag, nicht aber auch die Anlagen unterzeichnet werden.51 3. Anforderungen an eine deed Während sich die Schriftformerfordernisse von § 550 BGB und sec. 2(1) LPMPA 1989 ähnlich sind, gehen die Anforderungen an eine deed nach sec. 1 LPMPA 1989 über die der Schriftform hinaus. So muss beispielsweise der Wille, eine deed errichten zu wollen, ausreichend deutlich werden, ein bis zwei Zeugen müssen die Unterschriftsleistung bestätigen und auch die Voraussetzungen der delivery als Publizitätselement müssen erfüllt sein.52 Insbesondere die Unterschriftsleistung vor den Zeugen soll den Parteien deutlich vor Augen führen, dass sie eine rechtserhebliche Erklärung mit weitreichenden Folgen abgeben.53

II. Rechtsfolgen eines Formverstoßes Während sich die Anforderungen an die Schriftform in den untersuchten Rechtsordnungen als ähnlich herausstellen, unterscheiden sich die Rechtsfolgen eines Formverstoßes in den beiden Ländern erheblich. Es sollen zunächst die Rechtsfolgen eines Formverstoßes gegen das Schriftformerfordernis von langfristigen Mietverträgen/lease agreements verglichen werden. Zur besseren Nachvollziehbarkeit soll dazu zwischen Formfehlern im ursprünglichen Mietvertrag/lease agreement und solchen in Nachtragsvereinbarungen differenziert werden. Da47

Siehe dazu auch § 3 C. I. 1. e). Siehe § 3 C. I. 1. e). 49 Siehe § 2 B. I. 5. b). 50 Das deutsche Recht zumindest seit der Auflockerungsrechtsprechung, siehe § 2 B. I. 5. a). 51 Für das deutsche Recht siehe § 2 B. I. 5. b) aa); für das englische Recht siehe § 3 C. I. 1. e). 52 Zu den genauen Voraussetzungen einer deed siehe § 3 C. I. 2. 53 Siehe § 3 C. I. 2. b) bb). 48

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B. Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien

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neben soll auch auf den Umgang mit opportunistischem Verhalten eingegangen werden, durch das die Rechtsfolgen zweckwidrig instrumentalisiert werden sollen. Im Anschluss daran soll ein kurzer Vergleich zu den Rechtsfolgen eines Formfehlers in sec. 52(1) LPA 1925 gezogen werden. 1. Divergierende Rechtsfolgen Ein Schriftformmangel hat im deutschen Recht nach § 550 S. 1 BGB keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Vertrags. Er gilt lediglich als unbefristet geschlossen und ist vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit ordentlich kündbar.54 So wird erreicht, dass der Mietvertrag zwar zunächst wirksam entsteht und die Vertragsparteien daran gebunden werden, diese sich aber vor Ablauf der langen Vertragslaufzeit davon lösen können. Das englische Recht sieht einen anderen Sanktionsmechanismus für Formfehler vor. Danach kommt ein formbedürftiges lease agreement erst gar nicht zustande, wenn es nicht schriftlich geschlossen wurde.55 So können übereilte Vertragsschlüsse und Beweisschwierigkeiten vollständig vermieden werden. Es handelt sich daher um ein konstitutives Schriftformerfordernis. Mit dieser Rechtsfolge grenzt sich das englische Recht bewusst von der vorherigen Regelung der sec. 40(1) LPA 1925 ab, wonach im Falle eines Formverstoßes nur angeordnet war, dass der Vertrag zwar wirksam, aber – teilweise nur für eine Partei – unenforceable war.56 Da dies von der Law Commission nicht als eine eindeutige („clearcut“57) Rechtsfolge angesehen wurde, wurde von ihr die Einführung von sec. 2(1) LPMPA vorgeschlagen. 2. Heilungsmöglichkeiten In Deutschland besteht die einzige Heilungsmöglichkeit von Formfehlern darin, dass sie durch einen ordnungsgemäßen Nachtrag behoben werden.58 Da im englischen Recht die Heilung durch part performance abgeschafft wurde, sieht auch das englische Recht – trotz der zunächst bestehenden Unklarheiten durch das Urteil zu Tootal Clothing Ltd v Guinea Properties Management Ltd – keine Heilungsmöglichkeit vor.59 Landlord und tenant bleibt es natürlich unbenommen, ein neues lease agreement zu schließen, das den Formanforderungen genügt.

54 Siehe zur Begründung, weshalb Mietverträge mit Schriftformfehlern vorzeitig ordentlich kündbar sind, § 1 A. 55 Siehe dazu § 3 C. II. 1. 56 Siehe § 3 C. II. 1. 57 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 2.11. 58 Siehe § 2 B. II. 2. a). 59 Tootal Clothing Ltd v Guinea Properties Management Ltd [1992] 64 P. & C.R. 452; siehe dazu § 3 C. II. 1. a).

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§ 4 Rechtsvergleich

Formfehler im lease agreement wirken sich allerdings nur bis zur conveyance aus. Der Bestand einer lease, die trotz eines (form-)nichtigen lease agreements bestellt wurde, kann wegen Formfehlern im lease agreement nicht angegriffen werden, die conveyance führt vielmehr zu einem Rückabwicklungsausschluss.60 Ein Formmangel im lease agreement wirkt sich daher nicht auf den Bestand einer lease aus und ist damit nur in dem Zeitfenster zwischen vermeintlichem Vertragsschluss und wirksamer conveyance relevant. Auch das deutsche Recht kennt Rückabwicklungsausschlüsse bei Formvorschriften für schuldrechtliche Verträge, denen sich eine dingliche Verfügung anschließt. So beispielsweise in § 311b Abs. 1 S. 2 BGB, wonach ein formwidriger Grundstückskaufvertrag seinem ganzen Inhalt nach gültig wird, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen. Diese Heilungsmöglichkeit dient der Rechtssicherheit für den Rechtsverkehr, die den Fortbestand von vollendeten Rechtsänderungen auf dinglicher Ebene gebietet und die nicht durch Ansprüche aus dem Bereicherungsrecht (zumindest bis zu deren Verjährung) unterlaufen werden soll.61 Ferner wird der Heilungsmöglichkeit die Funktion zugeschrieben, Rechtsfrieden zwischen Käufer und Verkäufer herzustellen.62 Eine vergleichbare Begrenzung der Wirkung von Formmängeln in langfristigen Mietverträgen existiert im deutschen Recht allerdings nicht. Sofern ein Formfehler vorliegt und dieser nicht beseitigt wurde, kann das Mietverhältnis während seiner gesamten restlichen Laufzeit ordentlich gekündigt werden. 3. Formfehler in Vertragsänderungen/Nachtragsvereinbarungen Die beiden Rechtsordnungen sehen auch unterschiedliche Rechtsfolgen für Formfehler in Nachtragsvereinbarungen vor. In der deutschen Rechtsordnung infizieren nicht schriftliche Nachtragsvereinbarungen einen ursprünglich schriftlich geschlossenen Mietvertrag.63 Damit wird das gesamte Mietverhältnis vorzeitig kündbar. Durch die Infizierung eines formgültig abgeschlossenen Mietvertrags bergen Nachtragsvereinbarungen in der deutschen Rechtsordnung ein hohes Risiko, das gesamte Vertragsverhältnis vorzeitig kündbar werden zu lassen. Von dieser weitreichenden Infektionswirkung gibt es nur zwei Ausnahmen, nämlich im Falle eines reinen Verlängerungsvertrags und eines Mieterbeitritts.64 Nur in diesen Fällen bleibt der ursprüngliche Vertrag unkündbar. Diese beiden Ausnahmen können die Auswirkungen der Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Rechtspraxis jedoch kaum abmildern.

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Siehe § 3 C. II. 1. a). BGH NJW 1978, 1577, 1577; BGHZ 73, 391, 397; BGHZ 160, 368, 370; MüKoBGB/Ruhwinkel, § 311b Rn. 81; Staudinger/Schumacher, § 311b Rn. 262; Kanzleiter, DNotZ 1973, 519, 524. 62 Staudinger/Schumacher, § 311b Rn. 262. 63 Siehe § 2 B. I. 4. 64 Siehe § 2 B. II. 3. 61

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B. Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien

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Im englischen Recht wirken sich formwidrig geschlossene Nachtragsvereinbarungen dagegen grundsätzlich nicht auf ein ursprünglich formgerecht geschlossenes lease agreement aus.65 Dieses wirkt unverändert vor, da eine formwidrige Änderungsvereinbarung keine Wirkungen entfaltet. Anderes gilt nur in den Fällen, in denen die Nachtragsvereinbarung als konkludenter Aufhebungsvertrag des gesamten Mietvertrags zu werten ist.66 Nachtragsvereinbarungen bergen im englischen Recht wegen der Begrenzung der Reichweite eines Formfehlers daher keine vergleichbare Sprengkraft wie im deutschen Recht. 4. Umgang mit opportunistischem Verhalten In beiden Rechtsordnungen sind die Gerichte mit Mietvertragsparteien konfrontiert, die die Rechtsfolgen von Formverstößen in opportunistischer Weise für sich nutzen wollen. Es soll untersucht werden, inwieweit dies verhindert werden kann. a) Liberalisierung der Formanforderungen Zum einen lässt sich in beiden Ländern beobachten, dass die Gerichte die Anforderungen an die Einhaltung der Schriftform absenken. Dies ist möglich, da die jeweiligen Gesetze keine detaillierten Vorgaben zur Schriftform enthalten. Der Sinn der Absenkung der Formanforderungen liegt darin, dass ein Formfehler abgelehnt und damit dessen weitreichende Rechtsfolge vermieden wird. So verhindern sowohl deutsche als auch englische Gerichte opportunistisches Verhalten, indem die Rechtsfolgen der Formvorschrift nicht zum eigenen Vorteil ausgenutzt werden können. Beispielhaft kann für Deutschland die Auflockerungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs genannt werden.67 Für England kann auf Rabiu v Marlbray Ltd verwiesen werden, als sich das Gericht weigerte, sec. 2(1) LPMPA 1989 streng förmlich auszulegen, nur um dem Ehemann zu ermöglichen, sich seinen vertraglichen Pflichten zu entziehen.68 Ferner haben sowohl die englische als auch die deutsche Rechtsprechung den Kreis an schriftformbedürftigen Absprachen und damit das Risiko von Formmängeln eingegrenzt. So kann die vom Bundesgerichtshof vertretene Auffassung, nicht jede einzelne Vereinbarung der Mietvertragsparteien der Schriftform zu unterwerfen, sondern nur wesentliche Absprachen, beispielhaft genannt werden.69 Auf diese Weise kann vermieden werden, dass die Rechtsfolgen eines Formverstoßes ausgelöst werden, wenn eine nur unbedeutende Abrede nicht in die schriftliche Vertragsurkunde aufgenommen wird. Auch die englischen Gerichte haben den Kreis der schriftformbedürftigen Absprachen stark eingegrenzt 65

Siehe § 3 C. II. 1. b). Siehe dazu § 3 C. II. 1. b). 67 Siehe § 2 B. I. 5. a). 68 Rabiu v Marlbray Ltd [2016] 1 W.L.R. 5147, Rn. 72; siehe dazu § 3 C. II. 1. c) aa). 69 Siehe § 2 B. I. 2. a). 66

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§ 4 Rechtsvergleich

und verlangen nunmehr nur noch, dass nur die Absprachen schriftformbedürftig sind, von denen der Vertrag insgesamt abhängen soll.70 Vor dieser Eingrenzung behalfen sich englische Gerichte, indem sie informelle Absprachen zwischen landlord und tenant als collateral agreements ansahen, die nicht vom Anwendungsbereich der sec. 2(1) LPMPA 1989 erfasst waren.71 So verhinderte die englische Rechtsprechung, dass sich die Vertragsparteien von lästig gewordenen Verträgen lösen konnten.72 Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeichnet sich allerdings nicht lediglich durch Erleichterungen der Formanforderungen aus. Dies zeigt sich beispielsweise an den sehr formalistischen Anforderungen bei der Beteiligung von Kapitalgesellschaften.73 Dies wird mit dem vorrangigen Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber begründet und insoweit möchte der Bundesgerichtshof keine Kompromisse eingehen.74 Zudem werden Lockerungsbestrebungen des Bundesgerichtshofs in Deutschland auch kritisch gesehen, da diese dazu führen, dass nicht mehr zwangsläufig alle Vereinbarungen in einer fest verbundenen Urkunde zur Information des Erwerbers vorliegen.75 Eine Kritik, die nicht gegen die englische Formvorschrift erhoben werden kann, da mit dieser kein solcher Erwerberschutz bezweckt wird. Bereits diese Kritik und auch das Beispiel der Rechtsprechung zu den Kapitalgesellschaften verdeutlichen, dass das deutsche Recht durch eine Vermischung der beiden Schutzzwecke unnötig Probleme kreiert. b) Möglichkeiten zur Durchsetzung des ursprünglich Vereinbarten Ein bedeutender Unterschied zwischen den beiden Rechtsordnungen liegt darin, inwieweit die Parteien trotz Vorliegen eines Formfehlers an ihren ursprünglichen Vereinbarungen festgehalten werden können. Wie eingehend im deutschen Länderbericht untersucht, gibt es nach der derzeitigen Rechtslage kaum Möglichkeiten, eine Schriftformkündigung im Voraus auszuschließen.76 Dies gilt insbesondere, nachdem Schriftformheilungsklauseln von der Rechtsprechung für unwirksam erklärt wurden.77 Hat ein Vertragspartner einen Formmangel identifiziert, führt dies daher in den weit überwiegenden Fällen zu einem sicheren ordentlichen Kündigungsrecht. Dieses kann zeitlich unbegrenzt ausgeübt werden, sodass Vermieter oder Mieter einen für sie günstigen Zeitpunkt abwarten können, um den Formfehler als Druckmittel für Neuverhandlungen oder als Schlupfloch nutzen zu können, um sich von dem Miet70

Siehe dazu § 3 C. I. 1. b). Siehe § 3 C. II. 1. c) aa). 72 Siehe § 3 C. II. 1. c) aa). 73 Siehe § 2 B. I. 3. b). 74 Siehe § 2 B. I. 3. b). 75 Siehe § 2 B. I. 2. b) und § 2 C. II. 1. b) cc). 76 Siehe § 2 B. II. 4. b). 77 Siehe § 2 B. II. 4. b) cc). 71

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B. Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien

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vertrag zu lösen. Allenfalls können Schriftformkündigungen im sehr engen Anwendungsbereich des § 242 BGB abgewendet werden, um äußerst unbillige Ergebnisse zu verhindern.78 Anders dagegen im englischen Recht, das diverse Möglichkeiten vorsieht, die Vertragsparteien auch an formwidrigen Vereinbarungen festzuhalten. Da ab wirksamer Bestellung der lease ein Rückabwicklungsausschluss eintritt, können zunächst Formfehler im lease agreement ab diesem Zeitpunkt nicht mehr geltend gemacht werden.79 So wird die Reichweite von Formfehlern in lease agreements, anders als im deutschen Recht, zeitlich begrenzt. Opportunistisches Verhalten, durch das die strenge Nichtigkeitsrechtsfolge der sec. 2(1) LPMPA 1989 ausgenutzt wird, ist daher nur bis zur Bestellung der lease möglich. Die Law Commission erkannte bei Einführung der sec. 2(1) LPMPA 1989 dieses Risiko und legte Wert darauf, dass die Vorschrift auch ein gewisses Maß an Flexibilität zulässt, um unangemessene Härten zu vermeiden.80 Verweigert eine Vertragspartei die Mitwirkung an der conveyance wegen eines Formfehlers im lease agreement, kann durch die doctrine of proprietary estoppel oder doctrine of constructive trust dennoch ein Anspruch auf Bestellung der lease begründet werden.81 Insoweit verlässt sich der englische Gesetzgeber auf Schutzinstrumente der equity rules, um die Unzulänglichkeiten der legal rules zu kompensieren.82 Ferner liegt die Anwendung der equity rules im Ermessen der Gerichte und die equity rules sehen nur einen eingeschränkten Schutz im gewerblichen Geschäftsverkehr vor, wodurch berücksichtigt wird, dass die Beteiligten üblicherweise das Schriftformerfordernis kennen und daher weniger schutzwürdig sind.83 Daher können so differenziertere Entscheidungen getroffen und eine höhere Einzelfallgerechtigkeit erzielt werden. Damit sieht das englische Recht zwar die strengere Rechtsfolge vor, aber bietet auch mehr Möglichkeiten, opportunistisches Verhalten zu verhindern. 5. Unterschiedliche Rechtsfolgen bei deed und § 550 BGB Auch die Rechtsfolge von Formfehlern in einer deed unterscheiden sich von der des § 550 BGB. So führen diese gemäß sec. 52(1) LPA 1925 zunächst dazu, dass keine legal lease bestellt wird. Die englische Rechtsordnung sieht diverse Möglichkeiten vor, um dennoch eine lease entstehen zu lassen. So kann eine formwidrige deed ggf. in ein lease agreement umgedeutet werden, wodurch eine equitable lease mit dem entsprechenden Inhalt und ein Anspruch auf Einräu78

Siehe dazu § 2 B. II. 4. c). Siehe § 3 C. II. 1. a). 80 Law Commission, Law Com. No. 164, Rn. 5.1. 81 Siehe § 3 C. II. 1. c) bb). 82 Dies stellt eine der elementaren Funktionen der equity rules dar, siehe § 3 A. II. 6. 83 Zu dem Ermessen der Gerichte bei der Anwendung der equity rules siehe § 3 C. II. 1. c) bb) (1); für die Einschränkungen im gewerblichen Geschäftsverkehr siehe § 3 C. II. 1. c) bb) (3). 79

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§ 4 Rechtsvergleich

mung einer legal lease entsteht.84 Auch kann durch die Überlassung der Mieträume an den tenant eine implied lease entstehen, durch die der tenant eine gefestigte Rechtsposition erlangt.85 6. Parallele in bestimmter Fallkonstellation Auch das englische Recht kann den Vertragsparteien in einer bestimmten Fallkonstellation ermöglichen, sich vor Ablauf der ursprünglich vereinbarten Laufzeit von der lease zu lösen. Dann nämlich, wenn keinerlei Formalia eingehalten wurden und der tenant dennoch die Mieträume bezieht und rent entrichtet. Dann kann eine implied lease entstehen.86 Deren Laufzeit richtet sich nicht nach der formwidrigen Vereinbarung, sondern nach den geschuldeten Mietzahlungsintervallen. Tenant und landlord können zum Ende eines solchen Intervalls kündigen und sich daher früher als ursprünglich vereinbart lösen. Das Entstehen einer implied lease ist jedoch – anders als die vorzeitige Kündbarkeit unter § 550 BGB – nicht auf den Schutz des tenant oder landlord vor Übereilung oder Beweisschwierigkeiten oder gar auf den Schutz eines Erwerbers zurückzuführen. Im Mittelpunkt steht der Bestandsschutz eines tenant, der ohne die implied lease einer sofortigen Zwangsräumung ausgesetzt sein könnte.87 Die beiden Rechtsordnungen gelangen daher aus unterschiedlichen Gründen und Zweckerwägungen zu einem ähnlichen Ergebnis.

III. Fazit zum Vergleich des Schutzes der Mietvertragsparteien Gemeinsam haben das deutsche und das englische Recht, dass die Vertragsparteien vor der übereilten Eingehung langfristiger Mietverhältnisse und vor Beweisschwierigkeiten durch Formvorschriften geschützt werden (Beweis- und Warnfunktion). Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass Mietverhältnisse mit einer kurzen Laufzeit ohne Beachtung von Formvorschriften eingegangen werden können. Das englische Recht sieht Formerfordernisse für lease agreements und leases ab einer Laufzeit von mehr als drei Jahren vor. In Deutschland besteht das Schriftformerfordernis in § 550 BGB – wohl eher aus historischen als aus sachlichen Gründen – bereits ab einer Laufzeit von mehr als einem Jahr. Die Anforderungen an die Schriftform von Mietverträgen und lease agreements sind ähnlich, im englischen Recht jedoch liberaler in Bezug auf elektronische Vertragsschlüsse und nicht an den Interessen potenzieller Erwerber orientiert. Die Anforderungen an eine deed gehen über die Schriftform hinaus, indem unter anderem auch Zeugen hinzugezogen werden müssen und eine delivery nötig ist.

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Siehe § 3 C. II. 2. a). Siehe dazu § 3 C. II. 2. b). 86 Siehe dazu § 3 C. II. 2. b). 87 Smith, Property Law, S. 400. 85

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C. Vergleich des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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Der größte Unterschied besteht bei der Rechtsfolge eines Formverstoßes. Nach § 550 BGB sind Mietverträge trotz etwaiger Formfehler wirksam, allerdings können Mieter und Vermieter die Vertragsbeziehung vorzeitig beenden. Ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis sec. 2(1) LPMPA 1989 führt dagegen zur Nichtigkeit des lease agreement. In beiden Rechtsordnungen haben die Gerichte erkannt, dass die Rechtsfolgen die Vertragsparteien dazu motivieren können, nach Formfehlern zu suchen, um sich ihren Pflichten aus dem Mietverhältnis gänzlich oder zumindest vorzeitig entziehen zu können. Die Gerichte haben daher versucht, Wege zu finden, dies zu verhindern. So wurden in beiden Rechtsordnungen die Anforderungen an die Einhaltung der Schriftform abgesenkt. Werden dennoch Formverstöße angenommen, sieht die deutsche Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen vor, dass Schriftformkündigungen abgewendet werden können. Es bestehen derzeit auch nahezu keine Möglichkeiten, Schriftformkündigungen vorzubeugen. Dagegen sieht das englische Recht eine Reihe von Möglichkeiten vor, die Parteien an ihren gegebenen Versprechen trotz eines Formmangels festzuhalten. Ebenso werden Formfehler in lease agreements nach wirksamer Bestellung der leases unbeachtlich und es tritt ein Rückforderungsausschluss ein. Die unterschiedliche Rechtsfolge betrifft auch Nachtragsvereinbarungen. So führen formwidrige Änderungen des lease agreement in England im Grundsatz lediglich dazu, dass diese Änderung unwirksam ist und der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt. Dagegen schlagen Formfehler im Mietvertrag nach der Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch auf ursprünglich formgerechte Mietverträge durch, sodass diese insgesamt vorzeitig kündbar werden. Ein Formfehler in einer deed unterscheidet sich ebenfalls von der Rechtsfolge des § 550 BGB. Ein Verstoß gegen sec. 52(1) LPA 1925 führt dazu, dass keine legal lease wirksam bestellt wurde. Equitable leases können dennoch begründet werden.

C. Vergleich des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber Der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber ist in England und Deutschland sehr unterschiedlich ausgestaltet. Es soll zunächst auf die unterschiedliche Herangehensweise der Rechtsordnungen bezüglich des Erwerberschutzes durch gesetzliche Regelungen eingegangen werden, bevor anschließend die Rechtspraxis in beiden Ländern näher betrachtet werden soll.

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§ 4 Rechtsvergleich

I. Bindung der Erwerber an Mietverhältnisse Sowohl in der deutschen als auch in der englischen Rechtsordnung können Erwerber an bestehende Mietverhältnisse gebunden werden. In Deutschland ordnet § 566 Abs. 1 BGB an, dass ein Erwerber in den – eigentlich nur relativ zwischen den Vertragsparteien wirkenden – Mietvertrag eintritt. Voraussetzung ist neben einem wirksamen Mietvertrag, dass der Mieter den Besitz an der Mietsache vom Vermieter überlassen bekommen hat und der Vermieter mit dem Verkäufer personenidentisch ist.88 Der Erwerber tritt jedoch nicht in den bestehenden Mietvertrag zwischen Vermieter und Mieter ein, sondern es entsteht nach Auffassung des Bundesgerichtshofs eine neue vertragliche Beziehung zwischen Erwerber und Mieter, deren Inhalt durch die mietrechtlichen Vereinbarungen des Mieters mit dem vorherigen Vermieter geprägt ist.89 Die englische Rechtsordnung unterscheidet zwischen legal und equitable leases, wobei nur erstere in der Lage sind, in jedem Fall gegenüber einem Erwerber Wirkungen zu entfalten. Equitable leases dagegen nur, wenn diese im land register vermerkt sind oder der Mieter in actual occupation ist.90 Es muss daher zunächst geprüft werden, welche Art der lease vorliegt, um bestimmen zu können, ob Erwerber daran gebunden werden oder nicht. Bindet eine lease einen Erwerber, tritt dieser mit dem Erwerb der reversion in die privity of estate mit dem tenant ein.91 Die Rechte und Pflichten des Erwerbers aus dieser dinglichen Rechtsbeziehung werden durch die dinglich wirkenden covenants bestimmt, die die ursprünglichen Vertragsparteien explizit oder implizit vereinbart hatten.92 In das lease agreement tritt der Erwerber dagegen nicht ein, die privity of contract besteht grundsätzlich zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien auch nach einem assignment der reversion fort.93 Gemeinsam haben beide Rechtsordnungen, dass Erwerber nur an die bestehenden Mietverhältnisse gebunden werden, wenn diese ein Publizitätselement aufweisen. Der Bundesgerichtshof spricht für das deutsche Recht von der „vom Besitz eines Mieters ausgehende[n] Publizitätswirkung“94. Im deutschen Recht dient also der Besitz des Mieters als Publizitätselement. Mit Überlassung der Mietsache an den Mieter entfaltet das Mietverhältnis zumindest eine „quasidingliche Wirkung“95. In England kann sich das Publizitätselement einer lease durch eine deed, aus dem land register oder (insbesondere bei equitable leases) aus

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Siehe § 2 C. I. Siehe § 2 C. I. 90 Siehe § 3 D. I. 1. 91 Siehe § 3 D. I. 3. a). 92 Siehe § 3 D. I. 3. a). 93 Siehe § 3 D. I. 3. a). 94 BGHZ 223, 106 Rn. 29. 95 BeckOKBGB/Herrmann, § 566 Rn. 1; Börstinghaus, NZM 2019, 225, 228; Günter, NZM 2019, 561, 568; Jürgens, RNotZ 2021, 173, 181. 89

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C. Vergleich des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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dem Besitz der Mietsache ergeben. Auch bei short (legal) leases, die die Voraussetzungen der sec. 54(2) LPA 1925 erfüllen und damit weder eine deed noch eine Eintragung im land register voraussetzen, geht die Law Commission davon aus, dass die tenants üblicherweise auch den Besitz an der Mietsache innehaben.96 Daher wird in der Regel auch bei short leases ein Publizitätselement durch den Besitz des tenant gegeben sein. Konzeptuell bestehen allerdings Unterschiede zwischen dem deutschen und englischen Mietrechtsverständnis. In England handelt es sich bei einer lease um ein dingliches Recht. Vereinzelt wird auch für die deutsche Rechtsordnung angenommen, dass der Mieter ein vollwertiges dingliches Recht erhalte.97 Die durch den numerus clausus des Sachenrechts gesetzte Schwelle zum dinglichen Recht überschreiten die dem Mieter eingeräumten Nutzungsrechte allerdings nicht, sondern diese sind trotz des dinglichen Einschlags weiterhin schuldrechtlicher Natur.98 Allerdings entfaltet ein Mietvertrag, bei dem der Mieter im Besitz der Mieträume ist, im Verkaufsfall Wirkungen wie ein dingliches Recht.99 Mietverträge über Immobilien, bei denen der Mieter in Besitz der Mietsache ist, sind daher – aus rein funktionaler Betrachtung, die die konzeptuellen Unterschiede außer Betracht lässt – einem an dem Grundstück lastenden dinglichen Recht gleichzustellen. Daher ergeben sich starke Parallelen in der Wirkung von leases in England und Mietverträgen über Immobilien nach Überlassung an den Mieter in Deutschland. Beide können einem Erwerber entgegengehalten werden. Erwerber werden nicht nur an die Mietverhältnisse, sondern auch an die Vereinbarungen gebunden, die ohne ihre Mitwirkung durch die vorherigen Mietparteien getroffen wurden. In Deutschland sind es die Vereinbarungen im Mietvertrag, in England die dinglichen covenants. Diese Gemeinsamkeit stellt den Ausgangspunkt für den Rechtsvergleich der Schutzinstrumente für das Informationsinteresse potenzieller Erwerber dar. Es soll im Folgenden rechtsvergleichend untersucht werden, wie die nationalen Rechtsordnungen dem sich daraus ergebenden Informationsbedürfnis der Erwerber entsprechen.

II. Lösungsansätze der Rechtsordnungen 1. Gesetzlicher Schutz im deutschen Recht im Unterschied zum englischen Lösungsansatz Der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber wird in Deutschland primär über die Formvorschrift des § 550 BGB bezweckt. Durch die schriftliche Vertragsurkunde soll sich ein potenzieller Erwerber über den Inhalt der

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Siehe § 3 D. II. 1. b) aa). So etwa Wieling, in: Jickeli/Kreutz/Reuter (Hrsg.), GS Sonnenschein, S. 201, 219 f. 98 BeckOGKBGB/Harke, § 566 Rn. 7 f.; MükoBGB/Häublein, § 566 Rn. 3; Streyl, NZM 2010, 343, 347. 99 So auch BGHZ 107, 315, 320; BGHZ 215, 236 Rn. 29; BGH NJW 2017, 254 Rn. 24. 97

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§ 4 Rechtsvergleich

Mietverträge informieren können, in die er nach § 566 Abs. 1 BGB eintreten wird.100 Die Norm des § 550 BGB soll Erwerber davor schützen, dass sie über Jahre an ihnen unbekannte Vertragsbedingungen gebunden werden.101 Daher kann ein Mietvertrag, der an einem Formmangel leidet und folglich in den Augen des Gesetzgebers keine verlässliche Informationsgrundlage darstellt, vorzeitig ordentlich gekündigt werden. § 550 BGB dient dem Schutz einer spezifischen Ausprägung des Informationsinteresses potenzieller Erwerber. Mit der Vorschrift sollen Erwerber nicht vor allen Unwägbarkeiten oder gar betrügerischen Absichten der Veräußerer geschützt werden. Auch soll die schriftliche Mietvertragsurkunde nicht als allgemeine Kaufentscheidungshilfe dienen.102 Dieser eingeschränkte Schutzzweck des § 550 BGB lässt sich durch die systematische Verknüpfung mit § 566 Abs. 1 BGB erklären. Potenziellen Erwerbern soll nur die Möglichkeit gegeben werden, sich über die Modalitäten eines langfristigen Mietvertrags zu informieren, in den sie nach § 566 Abs. 1 BGB tatsächlich eintreten werden.103 Aus diesem Grund unterliegt beispielsweise die Aufhebung eines Mietvertrags mit langjähriger Dauer nicht dem Schriftformerfordernis, obwohl dies für einen potenziellen Erwerber von großem Interesse sein kann.104 Als weitere Einschränkung des Schriftformerfordernisses und damit des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber kann ebenfalls gesehen werden, dass sich nicht alle Bedingungen aus der Vertragsurkunde ergeben müssen. So müssen Optionsrechte nicht schriftlich ausgeübt und Nachtragsvereinbarungen nicht auf der ursprünglichen Vertragsurkunde vermerkt werden.105 Zu beachten ist allerdings, dass § 550 BGB potenziellen Erwerbern in Deutschland nicht die Möglichkeit nimmt, die Verkäufer nach weiteren Informationen zu den Mietverträgen zu fragen oder von diesen die Abgabe einer Garantieerklärung über den Inhalt der Mietverträge zu verlangen. § 550 BGB beschränkt die sonstigen Möglichkeiten eines Kaufinteressenten nicht, sondern soll potenziellen Erwerbern vielmehr eine Art gesetzlichen Mindestschutz bieten. Im englischen Recht existiert keine gesetzliche Norm, die in vergleichbarem Maße wie § 550 BGB den potenziellen Erwerbern ermöglichen soll, sich über die inhaltliche Ausgestaltung der leases verlässlich informieren zu können. Die Formvorschriften für lease agreements und die Bestellung von leases dienen anderen Zwecken.106 Auch die Eintragung von leases im land register hat nicht diesen Zweck, auch wenn dies auf den ersten Blick naheliegend erscheint.107 Bei

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Siehe § 2 A. I. Siehe § 2 C. II. 1. b) aa). 102 Zum eingeschränkten Schutzzweck des § 550 BGB siehe § 2 C. II. 1. b). 103 Siehe § 2 C. II. 1. c). 104 Siehe § 2 C. II. 1. b) aa). 105 Siehe zu den Optionsrechten § 2 C. II. 1. b) dd) (1) und zu den Nachtragsvereinbarungen § 2 C. II. 1. b) cc). 106 Siehe § 3 B. 107 Siehe § 3 D. II. 1. 101

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C. Vergleich des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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Grundstückskäufen in England liegt der Fokus der Rechtsordnung auf der Frage, ob eine lease einen Erwerber überhaupt bindet oder nicht. Wird dies bejaht, stellt die englische Rechtsordnung sicher, dass potenzielle Erwerber die Existenz dieser leases erkennen können. So beispielsweise anhand eines Eintrags im land register oder aber durch den tatsächlichen Besitz des Mieters an den zu erwerbenden Räumlichkeiten.108 Allerdings sieht die englische Rechtsordnung keine Schutzmechanismen für potenzielle Erwerber vor, die darüber hinaus sicherstellen sollen, dass sich die Erwerber über die lease terms informieren können. Dies stellt in England damit keine Frage der gesetzlichen Regelung, sondern vielmehr eine rechtspraktische Frage dar. Daher müssen sich potenzielle Erwerber selbst für sie ausreichende Informationen über die lease terms beschaffen, um eine informierte Kaufentscheidung treffen zu können. Dafür können potenzielle Erwerber allerdings selbst entscheiden, welche Informationen für sie relevant sind. So sind beispielsweise die pre-contract enquiries wegen des Caveat-emptorGrundsatzes in der Regel darauf ausgelegt, möglichst viele Informationen über die Immobilie und auch die Mietverhältnisse offenzulegen. Durch die Einführung von standardisierten Fragekatalogen, insbesondere bei gewerblichen Grundstücksgeschäften durch die CPSE, wurde der Schutzumfang ebenfalls nicht auf die darin enthaltenen Fragen begrenzt. Die CPSE sehen explizit die Möglichkeit vor, weitere Fragen zu stellen, was regelmäßig auch erforderlich ist, da die CPSE nur die allernötigsten Informationen abdecken.109 Kaufinteressenten ist es unbenommen, weitere Rückfragen zu stellen, sollten Ihnen die erhaltenen Antworten nicht ausreichen. Potenzielle Käufer einer Immobilie in England müssen sich zwar aktiv um einen Schutz ihres Informationsinteresses kümmern, allerdings können sie so den Schutzumfang selbst festlegen. Ein grundlegender Unterschied zwischen den beiden Rechtsordnungen besteht darin, dass die deutsche Rechtsordnung mit § 550 BGB einen gesetzlichen Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber vorsieht. In England wird es dagegen der Rechtspraxis überlassen, Wege zu finden, wie sich Erwerber über die lease terms informieren können. In Anbetracht dessen, dass sich Käufer in England grundsätzlich selbst um entsprechende Informationen für ihre Kaufentscheidung bemühen müssen, ist dieses Ergebnis für die englische Rechtsordnung nicht überraschend.110 Die vom deutschen Gesetzgeber getroffene Entscheidung, das Informationsinteresse potenzieller Erwerber durch eine nicht abdingbare gesetzliche Formvorschrift zu schützen, ist aus der Sicht der englischen Rechtsordnung ungewöhnlich. Dass die deutsche Rechtsordnung ein Schriftformerfordernis mit einer vorzeitigen Beendigungsmöglichkeit einsetzt, um das Informationsinteresse zu schützen, ist zumindest nicht auf einen Mangel an möglichen sekundärrechtlichen Ansprüchen gegen den Verkäufer zurückzuführen. In 108

Siehe § 3 D. I. 1 und § 3 D. II. 1. b) aa). Siehe § 3 D. II. 2. c) aa). 110 Siehe § 3 D. II. 2. a) für die Zurückhaltung des englischen Rechts gegenüber duties of disclosure. 109

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§ 4 Rechtsvergleich

Deutschland bestehen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs bereits kraft Gesetzes Aufklärungspflichten über die Bedingungen des Mietvertrags, wenn diese für einen Erwerber nachteilhaft sind.111 Ein bloßes Verschweigen solcher mietvertraglichen Abreden kann daher Schadensersatzansprüche des Käufers begründen. Ferner kommen ebenfalls weitere Ansprüche und Rechte des Käufers in Betracht, wenn der Verkäufer den Mietvertragsinhalt falsch darstellt.112 Zudem gibt der Verkäufer in Immobilienveräußerungen regelmäßig Garantien über den Inhalt der Mietverträge.113 Sowohl das deutsche Lösungsmodell über § 550 BGB als auch das englische Lösungsmodell stoßen an eine gemeinsame Grenze: So versagt der Schutz durch § 550 BGB, wenn der Verkäufer nicht bereit ist, die schriftliche Vertragsurkunde dem Erwerber zur Verfügung zu stellen. Ebenso verhält es sich in England, wenn ein Verkäufer sich weigert, Informationen über die lease terms preiszugeben. Insoweit kann § 550 BGB trotz eines gesetzlichen Schutzes des Informationsinteresses nicht garantieren, dass Erwerber tatsächlich über den Inhalt des Mietvertrags informiert werden. Gleiches gilt auch für die englische Rechtsordnung, die keinen Schutz des Erwerbers vorsieht, sollte der Verkäufer sich schlicht weigern, Informationen zu den lease terms zu offenbaren. In beiden Ländern bliebe den Kaufinteressenten dann nur, von einem Kauf abzusehen oder einen Risikoabschlag beim Kaufpreis vorzunehmen. Daneben besteht ein Unterschied zwischen den beiden Rechtsordnungen, sollte der Verkäufer insolvent sein. In diesem Fall sind mögliche Ansprüche gegen den Verkäufer aus Garantien oder der Informationshaftung wertlos und bieten dem Erwerber keine Kompensation für möglicherweise enttäuschte Gewinnerwartungen. Die deutsche Regelung erlaubt einem Erwerber dann zumindest, sich von dem Mietvertrag zu lösen, wenn wesentliche Konditionen nicht in der schriftlichen Vertragsurkunde aufgeführt sind. Dies gilt unabhängig davon, ob der Erwerber die tatsächlichen Vereinbarungen kannte oder nicht. Nach englischem Recht hätte der Erwerber kein Kündigungsrecht und wäre bis zum Ende der Laufzeit an die lease mit den tatsächlichen lease terms gebunden. 2. Begründung für den gesetzlichen Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber im deutschen Recht Auf mögliche Gründe, weshalb das deutsche Recht gesetzlich auf den Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber durch eine Formvorschrift hinwirkt, soll im Folgenden näher eingegangen werden.

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Siehe § 2 C. II. 2. a). Siehe § 2 C. II. 2. 113 Siehe § 2 C. II. 3. 112

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C. Vergleich des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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a) Geringes Vertrauen auf Verlässlichkeit der Auskünfte des Verkäufers Der historische Gesetzgeber des BGB hat deutlich gemacht, dass er bloße Auskünfte des Veräußerers als nicht ausreichend ansieht, um verlässliche Informationen über den Inhalt eines Mietvertrags zu erlangen.114 Der englische Gesetzgeber überlässt es dagegen den potenziellen Erwerbern, sich selbst bei dem Verkäufer über die lease terms zu informieren. Erwerber müssen daher auf die freiwillig vom Veräußerer erteilten Auskünfte vertrauen. Die Auskünfte des Erwerbers sind damit regelmäßig die Informationsgrundlage hinsichtlich der lease terms. Der englische Gesetzgeber scheint daher die Auskünfte eines Verkäufers als ausreichend verlässliche Informationsquelle für Erwerber anzusehen und sieht keinen Handlungsbedarf, Erwerber darüber hinaus zu schützen. Dies wohl auch vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber weiß, dass Falschauskünfte eine Haftung nach sich ziehen können. Die beiden Rechtsordnungen unterscheiden sich also darin, welchen Grad an Verlässlichkeit sie den durch die Verkäuferseite bereitgestellten Informationen beimessen. Eine gänzlich ablehnende Haltung gegenüber Auskünften des Veräußerers lässt sich in der modernen deutschen Rechtsprechung allerdings nicht mehr feststellen. Es sind vielmehr Tendenzen erkennbar, wonach auch Nachfragen beim Veräußerer ausreichen sollen, um dem Informationsinteresse potenzieller Erwerber zu entsprechen. Danach müssen nicht zwingend alle Details in einer schriftlichen Vertragsurkunde festgehalten sein. So muss beispielsweise die Ausübung von Optionsrechten nicht schriftlich erfolgen und auch ein bei Vertragsschluss noch ungewisser Übergabezeitpunkt muss nicht schriftlich konkretisiert werden. Es reicht vielmehr aus, dass diese Informationen von Kaufinteressenten erfragt werden können.115 Nach der deutlich ablehnenden Haltung des historischen Gesetzgebers gegenüber der Informationsbeschaffung durch Nachfragen beim Veräußerer verschließt sich die deutsche Rechtsprechung dem gegenüber also nicht vollständig. Diese Entwicklung der Rechtsprechung wird von Dittert kritisiert, da sie dem Willen des historischen Gesetzgebers widerspreche.116 Diese Tendenz der Rechtsprechung sollte allerdings nicht überbewertet werden. Der Bundesgerichtshof hat ein Nachfragen nur deshalb in den genannten Fällen als ausreichend angesehen, weil potenzielle Erwerber bereits durch schriftliche Vereinbarungen hinreichend gewarnt wurden.117 Eine schriftliche Vertragsurkunde ist daher weiterhin erforderlich und auch die Hauptinformationsquelle, die nur durch die zu erfragenden Informationen ergänzt werden soll. Erwerbern soll es dagegen nicht aufgebürdet werden, bei dem Mieter oder Verkäufer nach weiteren Abreden zu fragen, die sich nicht der schriftlichen Vertragsurkunde entnehmen lassen.118 Zumindest aber zeigt der Bundesgerichtshof, dass er in ge114

Achilles/Spahn/Gebhard, Bd. II, 1898, S. 150; Mugdan, Bd. II, 1899, S. 825. Siehe § 2 C. II. 1. b) dd) (1). 116 BeckOGKBGB/Dittert, § 550 Rn. 126. 117 Siehe § 2 C. II. 1. b) dd) (1). 118 BGH NZM 2021, 144 Rn. 23. 115

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wissen Situationen auch Auskünfte des Veräußerers als ausreichend verlässlich ansieht und dem Erwerber keine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit zugesteht, sollten sich nicht alle Informationen abschließend aus der schriftlichen Vertragsurkunde ergeben. Dem deutschen Gesetzgeber kann daher eine gewisse Skepsis gegenüber dem Informationsgehalt von Auskünften des Verkäufers attestiert werden, die dazu führt, dass eine weitere, in seinen Augen verlässlichere, Informationsquelle erforderlich ist. Diese Skepsis teilt der englische Gesetzgeber nicht. b) Historisches Relikt des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten Der historische Gesetzgeber in Deutschland hat sich dazu entschieden, zum Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber eine Formvorschrift einzusetzen. Denn § 550 BGB ist auch nach Auffassung einiger Autoren auf die Vorschrift des ALR I, 21, § 269 zurückzuführen.119 Die Norm hatte folgenden Wortlaut: „Ist in Fällen, wo es eines schriftlichen Vertrages bedarf, derselbe bloß mündlich geschlossen, aber durch die Uebergabe schon vollzogen worden: so ist er nur auf Ein Jahr gültig.“ Dieser Ansatz wurde bis heute beibehalten. Ein Mietvertrag war unter dem ALR schriftformbedürftig, wenn der Gegenstandswert des Mietvertrags 50 silberne Kuranthaler überstieg.120 Sollte ein solcher Mietvertrag nur mündlich geschlossen worden sein, wurde in ALR, I, 5, § 155 angeordnet, dass aus diesem nicht geklagt werden kann. Ferner sollte nach ALR, I, 5, § 168 keiner Mietvertragspartei Ansprüche wegen Nichterfüllung des Mietvertrags zustehen. Es sollten damit keine einklagbaren oder schadensersatzbegründenden vertraglichen Pflichten entstehen, sollte ein Mietvertrag nur mündlich und nicht schriftlich geschlossen worden sein. Nur wenn der mündliche Mietvertrag vollzogen wurde, indem die Mietsache an den Mieter übergeben wird, wurde der Mietvertrag nach ALR, I, 21, § 269 für ein Jahr gültig und der Mieter musste nach ALR, I, 5, § 165 den geschuldeten Mietzins entrichten.121 In den historischen Gesetzesmaterialien ist dokumentiert, dass bei der Schaffung des Schriftformerfordernisses im BGB die zeitlich verkürzte Bindung des Erwerbers an einen langfristigen Mietvertrag im Falle eines Schriftformmangels auch durch einen Vergleich zu ALR, I, 21, § 269 begründet wurde.122 Diese Vorschrift wird heute als Norm verstanden, die den Fokus nicht auf die Verschrift-

119 BeckOGKBGB/Dittert, § 550 Rn. 190; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 Rn. 3 BGB; Bork, BB 2020, 1481, 1482; Günter, NZM 2019, 561, 566; Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 34; Häublein, JZ 2018, 755, 758; Schubert, in Jickeli/Kreutz/Reuter (Hrsg.), GS Sonnenschein, S. 11, 38. 120 ALR, I, 21, § 267 i. V. m. ALR, I, 5, § 131. 121 Näher zu den Rechtsfolgen eines bloß mündlichen Vertrags und der Heilung durch Übergabe: Bielitz, Prakt. Komm. zum ALR, 4. Band, S. 509; Quaisser, Mietrecht im 19. Jahrhundert, S. 136 f. 122 Achilles/Spahn/Gebhard, Bd. II, 1898, S. 151 und 155; Mugdan, Bd. II, 1899, S. 826 und 828 f.

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lichung der Vertragsbedingungen legte, sondern es vor allem ermöglichen sollte, sich nach einem Jahr von dem Mietvertrag zu lösen.123 Die aus englischer Sicht ungewöhnliche Rechtsfolge des § 550 S. 1 BGB ist daher vor allem auf ALR, I, 21, § 269 zurückzuführen. Gleichwohl bestehen zwischen ALR, I, 21, § 269 und dem Schriftformerfordernis im BGB grundlegende Unterschiede. Zunächst richtet sich die Formbedürftigkeit eines Mietvertrags unter § 550 S. 1 BGB lediglich nach der Laufzeit des Mietvertrags und nicht mehr nach der Höhe der geschuldeten Miete. Vor allem aber sehen § 550 BGB und ALR, I, 21, § 269 jeweils einen anderen Sanktionsmechanismus im Falle von Formmängeln vor. Anders als unter ALR, I, 21, § 269 hat ein Formfehler in § 550 S. 1 BGB keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Mietvertrags. Auch formlos abgeschlossene Mietverträge mit einer Dauer von mehr als einem Jahr sind wirksam und aus ihnen kann auf Erfüllung oder im Falle von Nichterfüllung auf Ersatz der dadurch entstandenen Schäden geklagt werden. Auch wird der Mietvertrag in § 550 BGB nicht wie unter ALR, I, 21, § 269 auf ein Jahr begrenzt, sondern ist lediglich nach Ablauf eines Jahres nach Übergabe (§ 550 S. 2 BGB) vorzeitig ordentlich kündbar. Der historische Gesetzgeber des BGB hat damit lediglich den ALR, I, 21, § 269 zugrundeliegenden Rechtsgedanken einer höchstens einjährigen Bindung bei fehlender Schriftform in das BGB übernommen. Dies wirkt bis heute fort. c) Fazit Der deutsche Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, das Informationsinteresse potenzieller Erwerber über eine Formvorschrift zu schützen, die ein vorzeitiges Lösungsrecht ermöglicht, sollten nicht alle wesentlichen Bestimmungen des Mietvertrags in einer schriftlichen Vertragsurkunde enthalten sein. In den Erwägungen des historischen Gesetzgebers zum BGB ist – anders als im englischen Recht – eine gewisse Skepsis gegenüber der Verlässlichkeit der Auskünfte von Verkäufern als Informationsquelle erkennbar. Der historische Gesetzgeber wollte durch die Schriftform einen verlässlichen Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber erreichen. Dies geht vor allem auf den Rechtsgedanken des ALR, I, 21, § 269 zurück, wonach nicht schriftliche Mietverträge unwirksam waren, aber durch die Übergabe der Mietsache geheilt wurden und als auf ein Jahr befristet galten. 3. Unterschiedliche Bedeutung von sekundärrechtlichen Ansprüchen Neben diesen grundlegenden Unterschieden können in beiden Ländern auch die Informationshaftung des Verkäufers oder andere Ansprüche/Rechte des Käufers relevant werden.

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BeckOGKBGB/Dittert, § 550 Rn. 190; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 3.

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Neben dem Schutz durch § 550 BGB sieht das deutsche Recht auch weitere Möglichkeiten des Erwerbers vor, gegen den Verkäufer vorzugehen, sollte dieser den Erwerber falsch über die Vereinbarungen in bestehenden Mietverträgen informiert haben.124 Insbesondere können in diesen Fällen Ansprüche aus culpa in contrahendo bestehen.125 Einen gewissen Schutz sieht zudem das deutsche Kaufrecht vor, da auch Gewährleistungsrechte eingreifen können, wenn die tatsächlichen Mietkonditionen von den Darstellungen des Verkäufers abweichen.126 Das englische Kaufrecht bietet wegen des Grundsatzes caveat emptor zwar kaum Schutz.127 Der Act of Misrepresentation 1967 sieht jedoch einen Schutz des potenziellen Erwerbers vor falschen oder missverständlichen Informationen vor.128 Eine Gemeinsamkeit der Rechtsordnungen beider Länder ist daher, dass Käufer vor falschen Informationen des Verkäufers über den Mietvertragsinhalt oder die lease terms geschützt werden. Erteilen Verkäufer falsche Informationen, müssen sie damit rechnen, Ansprüchen des Käufers ausgesetzt zu werden. Ein Unterschied besteht allerdings darin, dass das deutsche Recht die Verkäufer sogar weitergehend schützt. So wird den Verkäufern aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis die Pflicht auferlegt, potenzielle Erwerber auch ungefragt über nachteilhafte Vereinbarungen aus dem Mietvertrag zu informieren.129 Andernfalls drohen Ansprüche des Käufers aus culpa in contrahendo. Es hat sich gezeigt, dass es eine Gemeinsamkeit des deutschen und englischen Rechts ist, dass Erwerber zumindest vor falschen Auskünften des Erwerbers geschützt werden müssen. Ein ausführlicher Vergleich der möglichen remedies und Rechte/Ansprüche der Erwerber bei unvollständigen oder falschen Informationen im englischen und deutschen Recht kann an dieser Stelle nicht geleistet werden.130 Für diese Arbeit ist es wichtiger, welche Rolle diese Rechte/Ansprüche der Erwerber beim Schutz ihres Informationsinteresses einnehmen. In Deutschland betont der Bundesgerichtshof, dass der durch § 550 BGB bezweckte Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber nicht dadurch eingeschränkt werden solle, dass ggf. Schadensersatzansprüche des Erwerbers gegen den Verkäufer bestehen können: Dass [dem Erwerber] im Fall unterlassener Information über ihm nachteilige formunwirksame Vereinbarungen gegenüber dem Veräußerer Schadensersatzansprüche zustehen mögen, rechtfertigt nicht die Annahme, der Schutzzweck des § 550 BGB trete deshalb zurück. Nach der gesetzlichen Konzeption soll der Erwerber bei einer derartigen Fallgestaltung nämlich nicht allein auf Schadensersatzansprüche verwiesen werden, sondern ihm soll ein

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Siehe § 2 C. II. 2. Siehe § 2 C. II. 2. a). 126 Siehe § 2 C. II. 2. b). 127 Siehe § 3 D. II. 2. a). 128 Siehe § 3 D. II. 2. d) aa). 129 Siehe § 2 C. II. 2. a). 130 Siehe dazu Milanin, Die informationelle Fahrlässigkeitshaftung in England und in Deutschland. 125

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ordentliches Kündigungsrecht zustehen, um die aus der Mietvertragsurkunde nicht in allen maßgeblichen Einzelheiten erkennbaren Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis beenden zu können.131

Im deutschen Recht zielt § 550 BGB damit auf eine schnelle Beendigungsmöglichkeit des Mietvertrags ab, sollte der Mietvertrag wegen eines Formmangels keine verlässliche Informationsquelle darstellen. Dies wird sich wohl auch regelmäßig als der leichtere Weg herausstellen im Vergleich zu einer gerichtlichen Geltendmachung etwaiger Ansprüche gegen den Verkäufer. Die Informationshaftung nimmt in Deutschland daher bislang nur eine untergeordnete Rolle beim Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber ein. In England dagegen ist die Informationshaftung der einzige gesetzliche Schutz, der einem Käufer zusteht. Daher erlauben die Gerichte den Verkäufern nicht, einen vollumfänglichen Haftungsausschluss für bereitgestellte Informationen zu vereinbaren und so diesen Schutzmechanismus auszuhebeln. Vielmehr sind Haftungseinschränkungen nur unter bestimmten Bedingungen möglich.132 Dies liegt auch daran, dass pre-contract enquiries eine bedeutende Rolle bei Grundstücksgeschäften einnehmen und diese bei umfänglichen Haftungsfreistellungen des Verkäufers nicht mehr für Erwerber verlässlich wären.133 Die sekundärrechtlichen Ansprüche im Falle von falschen Informationen über die lease terms haben in England daher im Gegensatz zum deutschen Recht eine zentrale Bedeutung.

III. Rechtspraxis Die auf gesetzlicher Ebene stark divergierenden Lösungsansätze lassen vermuten, dass sich die Rechtspraxis ebenfalls grundlegend voneinander unterscheidet. Dennoch lassen sich überraschend ähnliche Ergebnisse beobachten: Der in England vorherrschende Grundsatz caveat emptor steht augenscheinlich in starkem Kontrast zu den Gewährleistungsrechten und den Aufklärungspflichten im deutschen Recht bei Kaufverträgen über Immobilien. In Deutschland werden die Gewährleistungsrechte bei Kaufverträgen über nicht neuwertige Immobilien allerdings üblicherweise vertraglich eingeschränkt, sodass sie nur einen begrenzten Schutz bieten können.134 Die Notwendigkeit von Haftungsausschlüssen im deutschen Recht wird damit begründet, dass Kaufinteressenten das Grundstück und die Immobilie – auch unter Heranziehung von Experten – be131

BGHZ 200, 98 Rn. 27; BGHZ 216, 68 Rn. 29. Siehe § 3 D. II. 2. d) bb) (1). 133 Siehe § 3 D. II. 2. d) bb) (1). 134 Siehe § 2 C. II. 3. Dabei orientiert sich die Rechtspraxis auch an Vereinbarungen unter angelsächsischem (insbesondere US-amerikanischem) Recht, vgl. Drescher/Anker, NZBau 2017, 583, 583, die sich damit beschäftigen, „inwieweit ein vollständiger Austausch der gesetzlichen Gewährleistung durch ein vertragliches System der ,representations and warranties‘ nach US-amerikanischem Vorbild möglich ist“. 132

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gutachten und bewerten können.135 Dadurch kennen potenzielle Käufer die Mängel der Kaufsache und können Abschläge beim Kaufpreis oder die Beseitigung der Mängel aushandeln.136 In England gibt es zwar formal keine generellen Aufklärungspflichten hinsichtlich der lease terms, rational handelnde Erwerber werden sich jedoch kaum auf einen Kauf einlassen, wenn ihnen nicht ausreichend Informationen von der Verkäuferseite zur Verfügung gestellt werden.137 So wird der Grundsatz caveat emptor in der Rechtspraxis in sein Gegenteil verkehrt: Nur ein Verkäufer, der bereit ist, Informationen zu seiner Immobilie (und den Mietverhältnissen) preiszugeben, wird einen Kaufinteressenten von einem Kauf überzeugen oder zumindest erhebliche Risikoabschläge beim Kaufpreis vermeiden können.138 Das gleiche gilt auch für Deutschland. Unabhängig davon, ob im Einzelfall Aufklärungspflichten über nachteilhafte Vereinbarungen mit dem Mieter bestehen,139 werden sich potenzielle Käufer in Anbetracht des § 566 Abs. 1 BGB regelmäßig erst dann für einen Kauf entscheiden, wenn sie über den gesamten Inhalt der Mietverträge informiert wurden. In beiden Ländern lässt sich beobachten, dass Erwerber und Verkäufer vor Abschluss des Kaufvertrags üblicherweise über die lease terms sprechen. In England erfolgt dies durch die Beantwortung der pre-contract enquiries.140 In Deutschland werden Mietverträge im Kaufprozess ebenfalls thematisiert, insbesondere auch zur Kaufpreisfindung.141 Auch wenn Verkäufer die schriftliche Vertragsurkunde vorlegen, müssen Erwerber gewisse Informationen bei den Verkäufern erfragen, so beispielsweise, ob Nachtragsvereinbarungen zu den Mietverträgen geschlossen wurden, da sich diese Informationen nicht aus einer i. S. v. § 550 BGB formgerechten Mietvertragsurkunde ergeben.142 Eine deutliche Parallele ist ferner, dass sich – ungeachtet des gesetzlichen Schutzes des Informationsinteresses – potenzielle Erwerber in beiden Ländern regelmäßig vertraglich absichern, dass die Verkäufer alle Abreden aus den Mietverhältnissen offengelegt haben, in die die Erwerber eintreten. Im englischen Recht findet sich eine entsprechende Vereinbarung in den Standardklauseln der Law Society.143 Durch diese wird den Veräußerern die Pflicht auferlegt, im Kaufvertrag alle Details zu den leases offenzulegen oder die entsprechenden Unterlagen dem Kaufvertrag beizufügen. In Deutschland ist es dagegen üblich, dass 135

Lindner, RNotZ 2018, 69, 70. Lindner, RNotZ 2018, 69, 70. 137 Siehe § 3 D. II. 2. a). 138 Richards, A Practical Approach to Conveyancing, Rn. 4.63; Silverman/Hewitson, Conveyancing Searches and Enquiries, S. 33. 139 Siehe § 2 C. II. 2. a). 140 Siehe § 3 D. II. 2. c). 141 Die Mietverträge über eine Immobilie haben großen Einfluss auf ihren Marktwert, siehe § 1 A. 142 Siehe § 2 C. II. 1. b) cc) und § 2 C. II. 1. b) dd). 143 Siehe § 3 D. II. 3. a). 136

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C. Vergleich des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber

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sich Erwerber im Kaufvertrag vom Verkäufer garantieren lassen, dass außer den zur Verfügung gestellten Mietverträgen keine weiteren Abreden bestehen.144 Dass Garantieversprechen in Deutschland häufig gefordert und abgegeben werden, zeigt, dass sich Erwerber nicht auf den gesetzlichen Schutz ihres Informationsinteresses durch § 550 BGB und die weiteren Ansprüche/Rechte bei unvollständigen oder falschen Informationen verlassen. Die Unterschiede auf gesetzlicher Ebene relativieren sich damit durch die Rechtspraxis. Abstrakt betrachtet sprechen die angehenden Kaufvertragsparteien sowohl in England als auch in Deutschland vor Abschluss des Kaufvertrags über die bestehenden Mietverhältnisse und deren Konditionen, die für die Kaufentscheidung eine wichtige Rolle spielen. Anschließend verlassen sie sich nicht auf die durch die Rechtsordnung gebotenen Schutzinstrumente, sondern sichern darüber hinaus vertraglich ab, dass der Verkäufer alle Absprachen mit dem Mieter offengelegt hat.

IV. Fazit zum Vergleich des Schutzes des Informationsinteresses der Erwerber In beiden Rechtsordnungen werden Erwerber an bestehende Mietverhältnisse gebunden, wenn diese ein Publizitätselement aufweisen. Der Mietvertrag nach deutschem Recht wirkt insofern funktional wie ein dingliches Recht, unterscheidet sich von einem solchen aber konzeptuell. In England herrscht dagegen ein dingliches Mietrechtsverständnis. Da Erwerber nicht nur an die Mietverhältnisse, sondern grundsätzlich auch an Absprachen gebunden werden, die von den vorherigen Vermietern und Mietern getroffen wurden, haben sie ein Bedürfnis, über diese informiert zu werden. Das deutsche und das englische Recht unterscheiden sich auf gesetzlicher Ebene hinsichtlich des Schutzes potenzieller Erwerber erheblich. So dient die gesetzliche Regelung des § 550 BGB dazu, dass Erwerber die Mietvertragsbedingungen kennen. Ergeben sich nicht alle für sie wesentlichen Vertragsbedingungen aus einer schriftlichen Vertragsurkunde, können sie das Mietverhältnis ordentlich kündigen. Das englische Recht sieht keinen gesetzlichen Schutz potenzieller Erwerber vor, sondern überlässt es den potenziellen Erwerbern, sich verlässliche Informationen über die Mietbedingungen zu verschaffen. Dies ist Ausfluss des Grundsatzes caveat emptor. Infolgedessen erfragen Erwerber in umfangreichen vorvertraglichen Anfragen unter anderem die lease terms. Geben die Verkäufer falsche Antworten, droht eine Haftung wegen misrepresentation. Da vorrangig mit § 550 BGB sichergestellt werden soll, dass potenzielle Erwerber sich über den Inhalt des Mietvertrags informieren können, treten in Deutschland etwaige sekundärrechtliche Ansprüche eines Erwerbers gegen den Verkäufer in den Hintergrund. Erwerber sollen nicht auf Ansprüche gegen den

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Siehe § 2 C. II. 3.

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Verkäufer beschränkt werden, sondern sich primär von dem Mietvertrag lösen können, wenn keine verlässliche Informationsgrundlage über die Mietkonditionen vorhanden ist. In England nimmt die Informationshaftung dagegen eine herausgehobene Stellung ein. Nur durch sie werden die Antworten der Verkäufer auf die vorvertraglichen Anfragen verlässlich. Dass im deutschen Recht eine Formvorschrift bezweckt, dass sich Erwerber verlässlich über die Mietbedingungen informieren können, ist zum einen auf ein Misstrauen des Gesetzgebers gegenüber Auskünften von Verkäufern zurückzuführen. Zum anderen gibt es auch historische Gründe. So sollte der Rechtsgedanke des ALR, I, 21, § 269 auch im BGB weitergeführt werden, wonach nicht schriftliche Mietverträge nur für ein Jahr gelten sollten. Auf rechtspraktischer Ebene weisen die beiden Lösungsansätze große Parallelen auf. So werden in Deutschland Gewährleistungsrechte durch entsprechende Vereinbarungen in den Kaufverträgen regelmäßig eingeschränkt und in England der Grundsatz caveat emptor dadurch relativiert, dass Käufer ohne ausreichende Informationen durch den Verkäufer meist keinen Kaufvertrag unterzeichnen oder entsprechende Risikoabschläge beim Kaufpreis einfordern würden. Ungeachtet des § 550 BGB in Deutschland und der Informationshaftung in England stellen Käufer in beiden Rechtsordnungen auf vertraglicher Ebene sicher, dass sie alle wesentlichen Vereinbarungen mit dem Mieter kennen. So enthalten Immobilienkaufverträge in beiden Rechtsordnungen in der Regel Klauseln, wonach der Verkäufer zusichert, alle lease terms und Absprachen mit dem Mieter dem Käufer offenbart zu haben.

D. Bewertung der nationalen Lösungen Nachdem die jeweiligen nationalen Lösungen einander gegenübergestellt und miteinander verglichen wurden, sollen diese nunmehr einer kritischen Bewertung unterzogen werden. Die jeweiligen nationalen Lösungsansätze sollen daran gemessen werden, inwieweit sich potenzielle Erwerber verlässlich über den Inhalt von Mietverhältnissen informieren können, und inwieweit die Mietvertragsparteien vor der übereilten Eingehung langfristiger Mietverhältnisse und auch vor Beweisschwierigkeiten während der langen Laufzeit geschützt werden. Dies kann allerdings nicht der alleinige Maßstab für eine Bewertung der Lösungsansätze sein. Trotz eines umfassenden Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber oder der Vertragsparteien ist ein Lösungsansatz wenig überzeugend, der dies auf Kosten anderer, ebenfalls schutzwürdiger Interessen erreicht. Es müssen daher insbesondere die praktischen Auswirkungen der nationalen Lösungsansätze und die weiteren Interessen der Beteiligten mit in die Bewertung einfließen. So haben alle Beteiligte auch ein Interesse an der Schaffung von Rechts- und Planungssicherheit, insbesondere bei Rechtsgeschäften mit Bezügen zu Immobilien. Ferner besteht in der Rechtspraxis auch ein Interesse daran, dass die Lösungsansätze eine gewisse Flexibilität zulassen, insbesondere auch, um

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D. Bewertung der nationalen Lösungen

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dem Missbrauch der Rechtsfolgen entgegenzuwirken. Schließlich müssen sich die nationalen Lösungsansätze auch in der Rechtspraxis als handhabbar und effektiv (auch bezüglich etwaiger Kosten) erweisen.145

I. Effektiverer Schutz der Mietvertragsparteien im englischen Recht durch Nichtigkeitsrechtsfolge Anders als im deutschen Recht, bei dem ein Formverstoß zur ordentlichen Kündbarkeit des Mietvertrags führt, droht im englischen Recht die Nichtigkeit des lease agreement (sec. 2(1) LPMPA 1989) oder der beabsichtigten legal lease (sec. 52(1) LPA 1925). Diese strengere Sanktion von Formmängeln führt zu einem effektiven Schutz der Vertragsparteien. Dies zunächst im Hinblick auf die Warnfunktion der Formvorschriften. Diesbezüglich wird die Anordnung der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts als die effektivste aller möglichen Rechtsfolgen für Formmängel gesehen, da der Vertrag nur wirksam ist, wenn die Vertragsparteien ausreichend gewarnt wurden.146 Trifft der Inhaber eines fee simple mit einem Dritten beispielsweise eine mündliche und wenig überlegte Vereinbarung, mit der er sich verpflichtet, dem Dritten eine lease mit einer Laufzeit von fünf Jahren zu bestellen, so führt dies mangels der Einhaltung der Schriftform nach sec. 2(1) LPMPA 1989 zur Nichtigkeit des lease agreement. Der Dritte kann damit nicht auf Überlassung der Mietsache oder auf Bestellung der lease durch specific performance klagen. Vergleicht man damit das Ergebnis des deutschen Rechts für den Fall, dass der Vermieter überstürzt einen mündlichen Mietvertrag über eine Laufzeit von fünf Jahren eingeht, so ist ein wirksamer Mietvertrag entstanden. Wegen der fehlenden Schriftlichkeit kann dieser aber vor Ablauf der vereinbarten fünf Jahre ordentlich gekündigt werden. Der Mieter kann vom Vermieter zunächst jedoch die Überlassung der Mietsache verlangen und der Vermieter wegen des Formmangels frühestens ein Jahr nach Überlassung kündigen (vgl. § 550 S. 2 BGB). Der Vermieter wird damit eine gewisse Zeit an den Mietvertrag gebunden. Dieses Beispiel zeigt, dass die englische Rechtsfolge im Vergleich zur deutschen Rechtsfolge die Vertragsparteien stärker vor unbedachten oder gar ungewollten Mietverhältnissen mit langer Laufzeit schützt. Gleiches gilt auch für die Beweisfunktion, da nicht schriftlich dokumentierte Vereinbarungen erst gar keine Wirkungen entfalten und Vermieter und Mieter nicht für ein Jahr an die möglicherweise beweisunsicheren Absprachen gebunden werden. Damit werden die Vertragsparteien durch die angeordnete Nichtigkeit im englischen Recht stärker geschützt als durch die Rechtsfolge des § 550 BGB.

145 Zu der Bewertung nationaler Lösungsansätze siehe auch allgemein Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, S. 46 f. 146 Critchley, in: Bright/Dewar (Hrsg.), Land Law – Themes and Perspectives, S. 507, 514.

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II. Rechtspraktische Auswirkungen der Lösungsansätze Nunmehr sollen die rechtspraktischen Auswirkungen der Lösungsansätze genauer beleuchtet und bewertet werden. 1. Aufwändige Anfragen in England und Gefahr eines geringen Schutzes des Informationsinteresses Das englische Modell zum Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber setzt bereits im Grundsatz voraus, dass Erwerber freiwillig die Informationen zu den leases bereitstellen oder sich auf vertraglicher Ebene dazu verpflichten. Das einzige Druckmittel des Käufers, von dem Kauf andernfalls Abstand zu nehmen, könnte in einem Verkäufermarkt stark an Effektivität verlieren. Kaufinteressenten müssten dann das Risiko eingehen, die vermietete Immobilie zu erwerben, ohne die genauen lease terms zu kennen, sollten sie sich dennoch für den Kauf entscheiden. Ihnen bliebe nur, einen Risikoabschlag beim Kaufpreis vorzunehmen. Ferner setzt der englische Lösungsansatz auch eine gut ausgebildete Juristenschaft voraus, die die Käufer- und Verkäuferinteressen im Kaufprozess wahren und vertreten kann. Praktische Schwierigkeiten ergeben sich zudem im Zusammenhang mit den pre-contract enquiries. Zwar könnte die Beantwortung der standardisierten vorvertraglichen Anfragen in Zukunft durch technische Fortschritte im Bereich Legal Tech vereinfacht werden. Bis dies erreicht wird, sind Kaufprozesse von Grundstücken in England jedoch weiterhin sehr aufwändig. Es wird vor allem kritisiert, dass vorvertragliche Kaufprozesse in England sehr langwierig und für beide Seiten teuer sowie arbeitsintensiv sind.147 Manche Verkäufer machen sich dies zunutze und fordern am Ende der Verhandlungen, nachdem der Käufer erhebliche Mittel u. a. in die pre-contract enquiries investiert hat, einen höheren Preis von dem Käufer, um das estate an ihn und keinen Dritten zu verkaufen (sog. gazumping).148 Lässt sich der Käufer darauf nicht ein, droht der Deal zu platzen und das bereits investierte Geld ist verloren, da diese Kosten nicht vom Verkäufer ersetzt werden müssen.149 Auch zeigt sich in der immobilienrechtlichen Praxis, dass Verkäufer die vorvertraglichen Anfragen möglichst vage beantworten, aus Sorge, für falsche Antworten haften zu müssen.150

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NK-BGB-Sachenrecht/Odersky, Länderbericht GB, Rn. 43. NK-BGB-Sachenrecht/Odersky, Länderbericht GB, Rn. 43; siehe dazu auch Gray/ Gray, Elements of Land Law, Rn. 8.1.18. 149 NK-BGB-Sachenrecht/Odersky, Länderbericht GB, Rn. 43. 150 Siehe § 3 D. II. 2. d) bb) (2). 148

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D. Bewertung der nationalen Lösungen

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2. Gefährdung der Planungssicherheit in Deutschland § 550 S. 1 BGB stellt eine gesetzliche Ausnahme des Grundsatzes pacta sunt servanda hinsichtlich der wirksam vereinbarten Vertragslaufzeit dar.151 Die im Falle eines Formmangels vorgesehene vorzeitige Kündigungsmöglichkeit gefährdet die Planungssicherheit aller Beteiligten. Mit Planungssicherheit ist gemeint, dass die Parteien sich darauf verlassen können, dass der Mietvertrag für die vereinbarte Laufzeit bestehen bleibt und die Vertragsparteien daran ihre weitere Planung ausrichten können. a) Auswirkungen auf die Planungssicherheit Bei mehrjährigen Dauerschuldverhältnissen besteht immer das Risiko, dass sich Umstände anders herausstellen oder entwickeln als zunächst geplant. Auf dieses grundsätzliche Risiko bei langfristigen Mietverträgen haben sich die beiden Vertragsparteien im beiderseitigen Einvernehmen eingelassen. Teilweise begegnet das Gesetz diesem Risiko damit, dass es Anpassungen, zum Beispiel in der Miethöhe über §§ 557 ff. BGB, zulässt. § 550 BGB sieht dagegen keine Anpassung, sondern allein eine vorzeitige Beendigungsmöglichkeit des gesamten Vertrags vor. Dies geschieht auf Kosten der Planungssicherheit sowohl der Mietvertragsparteien als auch potenzieller Erwerber, die mit einem beständigen Cash-Flow oder der langfristigen Verfügbarkeit der Immobilie entsprechend der getroffenen Vereinbarung gerechnet haben. An der derzeitigen Fassung des § 550 BGB wird daher zurecht kritisiert, dass die Norm im Gewerberaummietrecht zu einer verminderten Planungssicherheit potenzieller Erwerber, Vermieter und Mieter führt, da diese nicht mehr auf den Bestand der Mietverträge über den vereinbarten Zeitraum vertrauen können.152 Es gilt, diese Planungssicherheit bei einer Reform des § 550 BGB wieder zu stärken. Es gibt einige Faktoren, die unter dem geltenden § 550 BGB zu dieser Planungsunsicherheit beitragen und auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll. aa) Auswirkungen der deutschen Rechtsprechung Gesetzlich wird das Schriftformerfordernis kaum konkretisiert, dies wird vielmehr der Rechtsprechung überlassen. Es gibt Bestrebungen des Bundesgerichtshofs, die Planungssicherheit zu erhöhen.153 Einige Entscheidungen der deutschen Rechtsprechung bewirken jedoch das Gegenteil. Diese Entscheidungen insbe-

151 OLG Rostock NJW 2009, 445, 448; Lützenkirchen/Lützenkirchen, § 550 BGB Rn. 86; Bangert, JZ 2021, 193, 195; Fritz, NJW 2010, 1050, 1053. 152 BR-Drs. 469/19(B) v. 20.12.2019, S. 2; Günter, NZM 2019, 561, 562; Häublein, JZ 2018, 755, 755; Timme/Hülk, NJW 2007, 3313, 3317. 153 So etwa durch die Absenkung der Formanforderungen, siehe § 2 B. II. 4. a).

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sondere des Bundesgerichtshofs sollen dabei nicht inhaltlich kritisiert, sondern es soll dargelegt werden, wie sie die Problematik der Planungsunsicherheit durch § 550 BGB verschärfen. (1) Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs So führt beispielsweise die Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, dass Formfehler in Nachtragsvereinbarungen regelmäßig auch auf ursprünglich formgemäße Mietverträge durchschlagen und diese insgesamt vorzeitig kündbar werden.154 Insbesondere sorglos geschlossene Nachtragsvereinbarungen stellen daher ein hohes Risiko für Schriftformfehler dar.155 Der Infektionsrechtsprechung muss daher bei einer Reform des § 550 BGB möglichst durch eine entsprechende gesetzliche Regelung entgegengewirkt werden. (2) Abgrenzungskriterium der Wesentlichkeit Auch das Abgrenzungskriterium der Wesentlichkeit, welches entscheidend für die Frage ist, welche Abreden überhaupt der Schriftform unterliegen, ist sehr vage und noch nicht in allen Einzelfragen konkretisiert.156 So kann insbesondere für Laien unklar sein, welche Vertragsvereinbarungen überhaupt in die schriftliche Vertragsurkunde aufgenommen werden müssen. (3) Formalistische Anforderungen an Schriftform Die deutsche Rechtsprechung neigt trotz ihrer grundsätzlichen Tendenz zur Lockerung der Formanforderungen teilweise zu sehr formalistischen Anforderungen. Dies insbesondere bei der Beteiligung von Personenmehrheiten oder juristischen Personen, bei denen beispielsweise auch einzelvertretungsberechtigte organschaftliche Vertreter einer Kapitalgesellschaft die Vertragsurkunde nicht formwahrend allein unterzeichnen können, wenn im Rubrum des Vertrags noch andere Personen als organschaftliche Vertreter genannt sind.157 (4) Begünstigung von opportunistischem Verhalten Bereits erklärte Schriftformkündigungen können nur in dem sehr engen Anwendungsbereich des § 242 BGB abgewehrt werden. Präventive Maßnahmen sind kaum möglich, insbesondere seitdem der Bundesgerichtshof die Schriftformheilungsklauseln im Jahre 2017 für umfassend unwirksam erklärt hat.158 Dies führt dazu, dass die Formvorschrift des § 550 BGB leicht von den Vertragsparteien zum eigenen Vorteil missbraucht werden kann, was bei einer Reform des § 550 BGB korrigiert werden müsste. 154

Siehe zum Grundsatz § 2 B. I. 4 und zu den Ausnahmen § 2 B. II. 3. Siehe dazu § 2 B. I. 4. 156 Siehe § 2 B. I. 2. b). 157 Siehe § 2 B. I. 3. b) bb). 158 BGHZ 216, 68 Rn. 33 f.; siehe auch § 2 B. II. 4. b) cc). 155

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bb) Immobilienrechtliche Praxis: Schriftformkündigungen vor allem von Mietern Da die Anforderungen an die Schriftform wie gezeigt hoch sind, diese einer ständigen Weiterentwicklung durch die Rechtsprechung unterliegen und Schriftformkündigungen nicht effektiv vorgebeugt oder abgewehrt werden können, können Formfehler vertragsreuigen Vertragsparteien einen einfachen und effektiven Ausweg aus lästigen Mietverträgen ermöglichen, den die immobilienrechtliche Praxis zu nutzen weiß. Dies vor allem von der Mieterseite,159 wenn die Räumlichkeiten den Anforderungen an eine veränderte Geschäftsentwicklung (im positiven oder negativen Sinne) nicht entsprechen oder eine kostengünstigere Alternative bezogen werden kann. Schriftformkündigungen von Mietern werden wohl auch eingesetzt, um einzelne Zweigstellen, die überwiegend Verluste verzeichnen, schließen und eine Insolvenz des gesamten Unternehmens abwenden zu können.160 Auch wenn sich eine Partei durch die vorzeitige Kündigungsmöglichkeit Vorteile verschaffen kann, entspricht dies nicht dem Zweck der Vorschrift und geht zulasten der anderen Vertragspartei. b) Höhere Planungssicherheit in England durch effektivere Durchsetzung des ursprünglich Vereinbarten Im englischen Recht gibt es dagegen viele Möglichkeiten, die Vertragsparteien an ihren Vereinbarungen festzuhalten, auch wenn ein Formfehler vorliegt. Wie dargestellt, kann auch die Rechtsfolge von sec. 2(1) LPMPA 1989 vertragsreuige Parteien dazu motivieren, gezielt nach Abschluss des lease agreement nach Formmängeln zu suchen, um sich den vertraglichen Pflichten zu entziehen.161 Positiv zu bewerten ist jedoch, dass die Vertragsparteien durch die equity rules daran gehindert werden können, Formfehler zweckwidrig zu instrumentalisieren, insbesondere durch die doctrine of estoppel oder doctrine of constructive trust.162 Ferner werden Formfehler in lease agreements unbeachtlich, sobald die leases formgerecht bestellt werden, da ein Rückforderungsausschluss eintritt.163 Auch wenn eine deed nicht formwirksam erstellt wurde, sieht das englische Recht dennoch Möglichkeiten vor, um beide Vertragsparteien an ihren formwidrigen Vereinbarungen festzuhalten. Sollte bereits ein wirksames lease agreement vorliegen oder die formwidrige deed in ein solches umgedeutet werden können, entsteht eine equitable lease mit dem gleichen Inhalt. Das englische Recht hält die Vertragsparteien daher stärker als das deutsche Recht an ihren abgegebenen Versprechen fest, auch wenn diese nicht der gesetzlichen Form entsprechen. Englische Gerichte wissen auch die durch die Rechtsordnung gebotenen Möglichkeiten zu nutzen, um Vereinbarungen durchzusetzen, die nur an Förmlichkeiten schei159

Hübner, ZfIR 2020, 125, 127. Leo/Götz, NZM-info Heft 5/2020, V, VII. 161 Siehe § 3 C. II. 1. c). 162 Genaueres dazu siehe § 3 C. II. 1. c) bb). 163 Siehe § 3 C. II. 1. a).

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tern.164 Das englische Recht führt daher zu mehr Planungssicherheit, indem es den Willen der Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Einigung über das Mietverhältnis effektiver durchsetzt als die deutsche Rechtsordnung, die sich bei jedem Formverstoß über den ursprünglichen Parteiwillen hinsichtlich der vereinbarten Laufzeit hinwegsetzt. Nur für den Fall, dass überhaupt keine Formalia beachtet wurden und die Voraussetzungen eines proprietary estoppel oder constructive trust nicht vorliegen, muss auf eine implied lease mit einer kürzeren Laufzeit zurückgegriffen werden.165 3. Fazit zu den rechtspraktischen Auswirkungen der Gegensätze Der englische Lösungsansatz zum Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber zwingt in der Rechtspraxis dazu, dass die Kaufinteressenten umfangreiche und aufwändige pre-contract enquiries durchführen, bevor sie sich auf einen Kauf einlassen. Zudem besteht die Möglichkeit des Verkäufers, den Kaufpreis durch gazumping in die Höhe zu treiben. Dem englischen Recht gelingt es allerdings besser als dem deutschen Recht, die ursprünglich von den Vertragsparteien vereinbarte Laufzeit der lease durchzusetzen, auch wenn Formmängel vorliegen. Es lässt sich daher eine höhere Planungssicherheit von Mietern, Vermietern und Erwerbern in England beobachten. Die in Deutschland bestehende Planungsunsicherheit geht auf die Rechtsfolge des § 550 BGB zurück, wonach langfristige Mietverträge im Falle eines Formfehlers vorzeitig gekündigt werden können. Verstärkt wird die Planungsunsicherheit durch die deutsche Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs. Nach dieser werden kündigungswillige Mietvertragsparteien kaum daran gehindert, den Mietvertrag vorzeitig zu kündigen. Auch die Infektionsrechtsprechung führt dazu, dass Änderungsvereinbarungen zur „Schriftformfalle“166 werden. Ein Blick in die Rechtspraxis hat gezeigt, dass Schriftformkündigungen gerne eingesetzt werden, um sich von lästig gewordenen Mietverträgen zu lösen. Dies hat wenig mit den Schutzzwecken der Norm gemein.

III. Probleme des einheitlichen Lösungsansatzes im deutschen Recht Ein grundlegender Unterschied zwischen dem deutschen und englischen Lösungsansatz ist, dass das deutsche Recht einen einheitlichen Weg über § 550 BGB gewählt hat, um sowohl die Mietvertragsparteien vor übereilten Entscheidungen und Beweisschwierigkeiten als auch das Informationsinteresse potenzieller Erwerber zu schützen. Zwar stehen die beiden verfolgten Schutzzwecke in keinem

164 Siehe § 3 C. II. 1. c); dazu auch Burn/Cartwright, Cheshire and Burn’s Modern Law of Real Property, S. 1011 f. 165 Siehe § 3 C. II. 2. b). 166 Hofele, IMR 2020, 20.

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grundsätzlichen Widerspruch oder in ständiger Spannung zueinander, gleichwohl soll der Weg der deutschen Rechtsordnung, die Schutzzwecke einheitlich über eine Formvorschrift zu lösen, kritisch hinterfragt werden. 1. Doppelter Schutzzweck als Grund für Planungsunsicherheit Ein grundsätzliches Defizit des deutschen Lösungsansatzes ist die bestehende Planungsunsicherheit hinsichtlich der Laufzeit von langfristigen Mietverträgen. Ein maßgeblicher Grund für die Planungsunsicherheit ist die Rechtsfolge des § 550 BGB, wonach das Mietverhältnis bei einem Formverstoß zwar uneingeschränkt wirksam ist, aber vorzeitig ordentlich gekündigt werden kann. Diese Rechtsfolge ist vor allem darauf zurückzuführen, dass mit § 550 BGB vorwiegend das Informationsinteresse potenzieller Erwerber geschützt wird und diese sich vorzeitig vom Mietvertrag lösen können sollen, wenn sie nicht anhand der Vertragsurkunde alle für sie wesentlichen Abreden erkennen können.167 Gleichzeitig schützt § 550 BGB nach der herrschenden und auch hier vertretenen Auffassung aber auch die Mietvertragsparteien und ermöglicht ihnen ebenfalls die vorzeitige Lösungsmöglichkeit. So wird die spezifisch für den Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber konzipierte Rechtsfolge auf die Mietvertragsparteien übertragen und führt zu ausufernden vorzeitigen Kündigungsrechten in langfristigen Mietverträgen. Würde die Formvorschrift nur die Vertragsparteien schützen, gäbe es keinen ersichtlichen Grund, weshalb der Gesetzgeber statt der Nichtigkeit die vorzeitige Kündbarkeit der Mietverträge wie nach dem geltenden § 550 BGB vorsehen sollte. Durch die Vermengung der Schutzzwecke und die Erstreckung der für Erwerber konzipierten Rechtsfolge auch auf die Mietvertragsparteien hat der deutsche Gesetzgeber damit die Grundlage für die bestehenden Planungsunsicherheiten in der Rechtspraxis gelegt. Allein aus diesem Grund empfiehlt es sich, die beiden Schutzzwecke – wie in England – voneinander zu trennen. Daneben ergeben sich noch weitere Probleme dadurch, dass im deutschen Recht § 550 BGB verschiedene Schutzzwecke erfüllt. 2. Kontraintuitive Schriftformanforderungen Der Bundesgerichtshof sieht die Schriftform als „diejenige Form [an], die am ehesten verfügbar ist und von jedermann ohne fachjuristischen Rat eingehalten werden kann“168. Die Schriftform soll im deutschen Recht gerade Laien ermöglichen, langfristige Mietverträge rechtssicher abschließen zu können. Ob die Schriftform dies in Anbetracht der umfassenden und sich immer weiter entwickelnden Rechtsprechung vor allem des Bundesgerichtshofs169 zu den Einzelhei167

Siehe § 2 A. I und § 4 C. II. 2. c). BGHZ 136, 357, 368; dazu auch Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 210. 169 Nach einer Rechtsprechungsübersicht von Börstinghaus für Deutscher Mietgerichtstag 168

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ten des Schriftformerfordernisses noch leisten kann, darf bezweifelt werden.170 Vor allem aber führt die Vermengung von Erwerberschutzaspekten mit dem Schutz der Mietvertragsparteien zu kontraintuitiven Schriftformanforderungen. Üblicherweise rücken Formvorschriften die Interessen der Vertragsparteien in den Mittelpunkt und nicht die eines eventuell zukünftigen Vertragspartners.171 So dürfte es für Laien beispielsweise nur sehr schwer fassbar sein, weshalb sich bei § 550 BGB die Schriftformbedürftigkeit der Vertragsabreden nicht nach den bei Vertragsschluss bereits betroffenen Interessen der Vertragschließenden, sondern vielmehr nach den Interessen eines potenziellen Erwerbers richtet, die möglicherweise zu einem unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft berührt sein könnten. Dies aber auch nur, wenn der Vermieter die Immobilie während der Mietzeit verkaufen sollte. Auch die sich an den gesetzlichen Vertretungsregelungen orientierte Rechtsprechung zur Formwahrung bei der Beteiligung von juristischen Personen und Personenmehrheiten erscheint problematisch. So dürfte es aus Sicht eines Laien kaum nachvollziehbar sein, weshalb an die Vertragsurkunde mit einer OHG andere Anforderungen als an eine Vertragsurkunde mit einer GbR gestellt werden.172 Die Schriftform droht damit ihre originäre Aufgabe zu verfehlen, wenn Laien nicht in der Lage sind, ohne Rückgriff auf juristische Beratung die formellen Anforderungen verlässlich zu erfüllen. 3. Gewichtung der Schutzzwecke schwierig vorherzusagen Da § 550 BGB mehreren Schutzzwecken dient, müssen diese in Bezug zueinander gesetzt werden. Es wird dabei ein Rangverhältnis angenommen, wonach die Norm hauptsächlich dem Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber dient. Der Schutz der Mietvertragsparteien vor Übereilung und Beweisschwierigkeiten wird nur als Nebenzweck verstanden, der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings zunehmend an Bedeutung gewinnt.173 Dies führt dazu, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als nur sehr schwer vorhersehbar angesehen wird, da die verschiedenen Schutzzwecke des § 550 BGB in den einzelnen Entscheidungen sehr unterschiedlich gewichtet werden.174 In Fällen, in denen die Warnfunktion des § 550 BGB eine Schriftform erfordern würde, so beispielsweise bei einem Mietvorvertrag, hat die Rechtsprechung die Anwendung von § 550 BGB abgelehnt,175 während die Wirksamkeit von Schriftformheilungsklauseln gegenüber Erwerbern unter Berufung auf e.V. ergingen seit 2002 insgesamt 52 Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu § 550 BGB, siehe Börstinghaus, BGH Entscheidungen Mietrecht. 170 So auch Jaeger/Schulz, ZfIR 2020, 232, 233. 171 Weimar, MDR 1961, 289, 290. 172 Siehe dazu § 2 B. I. 3. b) aa) und § 2 B. I. 3. b) dd). 173 Zum Rangverhältnis der Schutzzwecke siehe auch § 2 B. III und § 2 C. II. 1. a). 174 Häublein, JZ 2018, 755, 759. 175 RGZ 86, 30, 32 ff.; BGH NJW 1954, 71 (LS); BGH BB 1961, 1027; BGH NJW 2007, 1817 Rn. 14; ausführlich dazu siehe § 2 C. II. 1. a).

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„die wichtige Warnfunktion“176 abgelehnt wurde. Problematisch an der schwierigen Vorhersehbarkeit der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ist insbesondere, dass sich diese auch auf laufende Mietverträge auswirken, sodass rechtssicher geglaubte Vertragsverhältnisse nunmehr ebenfalls vorzeitig gekündigt werden können.177 4. Nur eingeschränkter Schutz der Mietvertragsparteien Die untergeordnete Bedeutung der Beweis- und Warnfunktion führt ferner dazu, dass die Mietvertragsparteien in bestimmten Konstellationen nur lückenhaft geschützt werden. Die Norm schützt sie nämlich nicht, wenn der Schutz des Erwerbers die Einhaltung der Schriftform nicht gebietet, obwohl die Vertragsparteien schutzbedürftig sind. So ist die Eingehung von Mietvorverträgen formlos möglich, da Erwerber in diese nicht nach § 566 Abs. 1 BGB eintreten.178 Die Beweis- und vor allem die Warnfunktion zum Schutz der Vertragsparteien würden zwar die Schriftform des Vorvertrags gebieten, da sowohl der Mieter als auch der Vermieter einen einklagbaren Anspruch auf Eingehung des Mietvertrags erhalten.179 Diese Schutzzwecke treten allerdings zurück. Außerdem wird so auch die Verhandlungsposition der Mieter geschwächt. So beispielsweise bei Vereinbarungen, die für einen Mieter essenziell, aber aus der objektivierten Sicht eines potenziellen Erwerbers nicht wesentlich sind. Um diese Abreden von dem Mieter sicher nachweisen zu können, müssten sie schriftlich festgehalten werden. Da sich § 550 BGB aber nur auf wesentliche Abreden aus der Sicht eines potenziellen Erwerbers bezieht, drohen dem Verkäufer keine Nachteile, wenn er sich weigert, die für den Mieter wichtige Vereinbarung in den Mietvertrag aufzunehmen. Dieser läuft daher Gefahr, die aus seiner Sicht wichtige Vereinbarung nicht beweisen zu können. Die einheitliche Lösung über § 550 BGB hat damit zur Folge, dass der Schutz der Mietvertragsparteien in Einzelfällen aufgegeben wird und lückenhaft ist. 5. Fazit zu den Problemen des einheitlichen Lösungsansatzes im deutschen Recht Die Konzeption des deutschen Lösungsansatzes, beide Schutzzwecke einheitlich über § 550 BGB zu lösen, stellt die Grundlage für die Planungsunsicherheiten in der Praxis dar. Das vorzeitige Lösungsrecht von langfristigen Mietverträgen, das als Schutz für potenzielle Erwerber gedacht war, die sich nicht anhand einer schriftlichen Vertragsurkunde abschließend über die Abreden informieren können, in die sie nach § 566 Abs. 1 BGB eintreten, wird auch auf die ursprünglichen Mietvertragsparteien erstreckt und damit erheblich erweitert. Die Schriftform-

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BGHZ 216, 68 Rn. 36. Günter, NZM 2019, 561, 562. 178 Siehe § 2 C. II. 1. a). 179 Siehe § 2 C. II. 1. a).

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anforderungen haben sich durch die einheitliche Lösung des Erwerberschutzes mit dem Schutz der Mietvertragsparteien zudem häufig als kontraintuitiv erwiesen. Des Weiteren wirft der einheitliche Lösungsansatz über § 550 BGB Fragen über das Verhältnis der Schutzzwecke zueinander auf. Dieses hat sich in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als dynamisch und schwer einschätzbar gezeigt, was zu Rechtsunsicherheiten führt. Außerdem wird der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber grundsätzlich über den Schutz der Mietvertragsparteien gestellt, so dass diese in Einzelfällen nicht ausreichend geschützt werden. Der deutsche Lösungsansatz, beide Schutzzwecke über eine Formvorschrift zu lösen, ist damit wenig überzeugend. Die englische Rechtsordnung umgeht diese Problemfelder, indem sie die beiden Schutzzwecke voneinander trennt. Ein Weg, den auch das deutsche Recht einschlagen sollte.

E. Zusammenfassung Die deutsche und die englische Rechtsordnung stimmen darin überein, dass die Vertragsparteien vor der übereilten Eingehung langfristiger Mietverhältnisse und vor Beweisschwierigkeiten während der langen Dauer durch Formvorschriften geschützt werden müssen. Mietverhältnisse von kurzer Laufzeit sollen in beiden Rechtsordnungen allerdings formfrei möglich sein. Dabei hat sich gezeigt, dass beide Rechtsordnungen ein unterschiedliches Verständnis davon haben, ab welcher Dauer es sich um langfristige und damit formbedürftige Mietverhältnisse handelt. Die Anforderungen an die Schriftform weisen in beiden Rechtsordnungen viele Parallelen auf. So verlangen beide Rechtsordnungen beispielsweise, dass nur bedeutende Absprachen schriftlich dokumentiert werden müssen. Ferner müssen diese Absprachen in einer von beiden Parteien unterzeichneten Vertragsurkunde oder in zwei gleichlautenden, von je einer Partei unterzeichneten, Vertragsurkunde festgehalten sein. Auch bedarf die Änderung nur wesentlicher Absprachen der Schriftform. Gleichzeitig bestehen aber auch Unterschiede. Der grundlegendste Unterschied besteht darin, dass die Auslegung des § 550 BGB wegen des doppelten Normzwecks hauptsächlich an den Interessen potenzieller Erwerber und nicht, wie in England, an den Interessen der Mietvertragsparteien ausgerichtet ist. So sind zwar nur die wesentlichen Abreden schriftformbedürftig, beurteilt wird die Wesentlichkeit einer Abrede nach deutschem Recht aber aus der Perspektive eines potenziellen Erwerbers. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die englische Rechtsordnung auch digitale Vertragsschlüsse, beispielsweise per einfacher E-Mail, als schriftlich i. S. v. sec. 2(1) LPMPA 1989 anerkennt. Die Gemeinsamkeiten enden jedoch bei den Rechtsfolgen von Formfehlern. So sieht das englische Recht die Nichtigkeit des lease agreement, bzw. die Unwirksamkeit einer legal lease vor, während im deutschen Recht nur die vorzeitige ordentliche Kündbarkeit angeordnet wird. In beiden Ländern versuchen Ver-

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tragsparteien, diese Rechtsfolgen für sich zu nutzen. Dies nahmen die Gerichte in beiden Ländern zum Anlass, die Anforderungen an die Schriftform abzusenken und beispielsweise den Kreis der formbedürftigen Absprachen einzugrenzen. Liegt ein Formmangel vor, können Schriftformkündigungen im deutschen Recht nur in den engen Grenzen des § 242 BGB abgewehrt werden. Das englische Recht begrenzt die Wirkung von Formfehlern in lease agreements zeitlich durch einen Rückforderungsausschluss, wenn die lease bestellt wurde. Ab diesem Zeitpunkt kann der Bestand der lease nicht mehr wegen Formmängeln im lease agreement angegriffen werden. Bis zur Entstehung des Rückforderungsausschlusses können die equity rules für einen im Einzelfall interessengerechten Ausgleich sorgen und die Vertragsparteien an ihren Absprachen trotz etwaiger Formmängel festgehalten werden. In Deutschland wird der Schutz der Mietvertragsparteien durch den Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber überlagert, der den Hauptzweck des § 550 BGB darstellt. Der historische Gesetzgeber sah eine Notwendigkeit, den potenziellen Erwerber nicht auf Auskünfte des Verkäufers zu beschränken, sondern darüber hinaus auch durch einen schriftlichen Mietvertrag eine verlässlichere Informationsquelle oder anderenfalls eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit zu schaffen. Dies geht zurück auf den Rechtsgedanken des ALR I, 21, § 269, wonach mündliche Mietverträge, bei denen der Vermieter trotz des Formmangels dem Mieter die Mietsache überlassen hatte, auf eine Laufzeit von einem Jahr begrenzt wurden. Neben dem vorzeitigen Lösungsrecht des Erwerbers können darüber hinaus auch Ansprüche gegen den Verkäufer aus Informationshaftung oder Gewährleistungsrechte bestehen. Diese Ansprüche und Rechte sind nach derzeitiger Rechtslage allerdings für den Schutz des Informationsinteresses von nur untergeordneter Bedeutung. Das englische Recht überlässt es dagegen den Erwerbern selbst, sich verlässlich über die lease terms zu informieren und sieht keinen gesetzlichen Schutz vor. Auf gesetzlicher Ebene könnte daher der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber nicht unterschiedlicher ausgestaltet sein. In der Rechtspraxis lassen sich dagegen viele Parallelen beobachten. Infolge des Grundsatzes caveat emptor haben sich in England pre-contract enquiries etabliert. Auch in Deutschland sind – in eingeschränktem Umfang – Nachfragen erforderlich, da § 550 BGB nicht dazu führt, dass zwingend alle für Erwerber wichtigen Informationen in der Vertragsurkunde enthalten sein müssen. Nach einem Austausch über den Inhalt der Mietverträge, bzw. die lease terms, sichern sich die Käufer in beiden Rechtsordnungen regelmäßig vertraglich ab, dass der Verkäufer alle Vereinbarungen aus den Mietverträgen, bzw. lease terms, offengelegt hat. Dies erfolgt in Deutschland durch Garantien, während im englischen Recht entsprechende Klauseln in den üblichen Musterverträgen der Law Society enthalten sind. Ferner hat der Rechtsvergleich gezeigt, dass beide Lösungsansätze – sowohl der deutsche als auch der englische – mit Vor- und Nachteilen verbunden sind. So sieht das englische Recht einen effektiveren Schutz der Vertragsparteien vor,

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indem es die Nichtigkeit bei Formverstößen anordnet. In Deutschland ist der Mietvertrag auch ohne Einhaltung der Form des § 550 S. 1 BGB wirksam und verpflichtet die Vertragsparteien zunächst für mindestens ein Jahr (vgl. § 550 S. 2 BGB). Das deutsche Recht kann daher – zumindest de lege lata – keinen ähnlich effektiven Schutz für die Mietvertragsparteien wie das englische Recht bieten. Beim deutschen Recht ist anzumerken, dass der Schutzzweck des § 550 BGB begrenzt ist und die Norm ferner gar keinen Schutz bieten kann, wenn der Verkäufer sich weigert, die schriftliche Mietvertragsurkunde zur Verfügung zu stellen. An die gleiche Grenze stößt auch der englische Lösungsansatz. So können Verkäufer die Erteilung jeglicher Informationen zu den lease terms verweigern. In England sind die umfassenden pre-contract enquiries über die lease terms für beide Seiten teuer und aufwändig. Zudem besteht das Risiko von gazumping, also dass Verkäufer die hohen Investitionskosten der Käufer ausnutzen, indem sie mit einem Abbruch der Verhandlungen drohen und dadurch den Kaufpreis in die Höhe treiben. Im deutschen Recht ist die Rechtsfolge des § 550 BGB problematisch. Diese ist v. a. darauf zurückzuführen, dass mit der Formvorschrift der Schutz potenzieller Erwerber bezweckt wird. Die Norm erlaubt es jedoch auch den Mietvertragsparteien, sich ihren vertraglichen Pflichten vor Ablauf der ursprünglich vereinbarten Laufzeit zu entziehen. Dies führt zu einer hohen Planungsunsicherheit bei langfristigen Mietverträgen. Die Rechtsprechung bemüht sich zwar, beispielsweise durch die Auflockerungsrechtsprechung, die Planungssicherheit zu erhöhen. Allerdings hat sich gezeigt, dass sie auch die Schriftformproblematik verschärft, indem nahezu alle kautelarjuristischen Versuche, Schriftformkündigungen zu vermeiden, für unwirksam erklärt wurden. Zudem erhöht die Infektionsrechtsprechung das Risiko für Schriftformverstöße erheblich und es werden teilweise sehr formalistische Anforderungen an die Schriftform gestellt. Im Ergebnis schafft es die englische Rechtsordnung trotz der strengeren Rechtsfolge besser, die Vertragsparteien auch im Falle von Formfehlern an ihren Versprechen festzuhalten und erschwert es ihnen damit, die strenge Rechtsfolge zweckwidrig zu instrumentalisieren. Dies wird insbesondere über die equity rules erreicht, aber auch über einen Rückabwicklungsausschluss für lease agreements, wenn die lease im Anschluss formwirksam bestellt wird. Außerdem sorgt sie so für eine höhere Planungssicherheit hinsichtlich der Laufzeit der leases für die tenants, landlords und Erwerber. Aus diesem Grund sollte sich eine Reform des § 550 BGB an dem englischen Vorbild orientieren. Viele Probleme des deutschen Lösungsansatzes gehen auf den einheitlichen Schutz der Mietvertragsparteien und potenzieller Erwerber durch die Formvorschrift des § 550 BGB zurück. So ist der doppelte Normzweck der Grund dafür, weshalb Mietverträge von Erwerbern, aber auch den ursprünglichen Vertragsparteien, vorzeitig ordentlich gekündigt werden können. Ferner hat der doppelte Schutzzweck der Norm kontraintuitive Schriftformanforderungen zur Folge, da nicht die Interessen der Mietvertragsparteien maßgeblich sind, sondern die Interessen eines zukünftigen potenziellen Erwerbers. Auch führt die unterschied-

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liche Gewichtung der Schutzzwecke in der deutschen Rechtsprechung zu Rechtsunsicherheiten. Zuletzt werden die Mietvertragsparteien nur lückenhaft geschützt, da deren Schutz hinter den Interessen potenzieller Erwerber zurücktreten muss. Demnach wäre es vorzugswürdig, diese beiden Schutzzwecke – wie im englischen Recht – voneinander zu trennen.

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§ 5 Reform des § 550 BGB A. Reformbedarf Die Bewertung des deutschen Lösungsansatzes hat ergeben, dass mit der derzeitigen Fassung des § 550 BGB diverse Probleme verbunden sind und sie zu einer unbefriedigenden Rechtslage führt. Grund hierfür ist die besondere Rechtsfolge des § 550 BGB, wonach nicht schriftliche Mietverträge für unbestimmte Zeit gelten und daher ordentlich vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit gekündigt werden können. Dies bedeutet Unsicherheiten hinsichtlich einer langfristigen Planung für Mieter, Vermieter und Erwerber. Verstärkt wird diese Problematik durch die deutsche Rechtsprechung. Diese hat im Laufe der Zeit – trotz Auflockerung unter Inkaufnahme einer gewissen Rechtsunsicherheit und Abstrichen beim Schutz der Erwerber – ein erhebliches Potenzial für opportunistisches Verhalten kreiert. Die Schriftformanforderungen sind hoch, entwickeln sich dynamisch und Schriftformkündigungen können nur in den sehr engen Grenzen des § 242 BGB abgewehrt werden. Hinzu kommt, dass die von der Praxis ersonnenen Risikobegrenzungsstrategien inzwischen praktisch alle von der Rechtsprechung verworfen wurden. Es ist auch nicht möglich, diese Schriftformproblematik über interpretative Wege zu lösen. So wird zwar seit langem von einigen Autoren vorgeschlagen, das Kündigungsrecht durch eine entsprechende Auslegung des § 550 BGB auf Erwerber zu begrenzen.1 Wie bereits ausgeführt, schützt § 550 BGB nach der herrschenden und auch hier vertretenen Auffassung aber auch die Mietvertragsparteien.2 Daher scheidet eine solche Auslegung, bzw. eine teleologische Reduktion, des § 550 BGB aus. Daher ist nach der hier vertretenen Auffassung nunmehr der Gesetzgeber gefordert, um die bestehenden Probleme für die Immobilienpraxis zu lösen. Auch in der Literatur besteht nahezu einhellige Auffassung, dass § 550 BGB reformiert 1 Frick/Schultz-Süchting, ZMR 2013, 694, 698; Haßfurter, Form und Treue, S. 456; Heiss, Formmängel und ihre Sanktionen, S. 72; Himmen, JURA 2021, 872, 877 f., der eine teleologische Reduktion von § 550 BGB fordert; Schultz, in: Derleder/Gauweiler/Merle/Schumann (Hrsg.), FS Bub, S. 377, 402; ähnlich auch Leonhard, NZM 2008, 353, 356, der sich dafür ausspricht, dass Kündigungen durch den Mieter als treuwidrig angesehen werden sollten. 2 Siehe § 2 A. II und § 2 A. III; zu den weiteren Nachteilen, die mit einem exklusiven Kündigungsrecht des Erwerbers verbunden sind, siehe § 5 B. I. 4. b), § 5 B. II. 5. c) cc) und § 5 B. II. 5. c) dd).

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§ 5 Reform des § 550 BGB

werden sollte.3 Darüber, wie § 550 BGB geändert werden soll, wird jedoch seit Jahren intensiv gestritten. Diskutiert werden bereits diverse Reformvorschläge, nicht zuletzt auch eine Gesetzesinitiative des Bundesrats aus dem Jahre 2020 und ein Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums aus dem Jahre 2021. Die bisherigen Reformvorschläge sollen im Folgenden dargestellt werden, bevor anschließend ein eigener Vorschlag zur Reform des § 550 BGB unterbreitet wird, der auf dem Vergleich mit dem englischen Recht beruht.

B. Bisherige Reformvorschläge I. Vorschläge aus der Literatur und Rechtspraxis 1. Aufhebung des § 550 BGB Ein Reformvorschlag besteht im ersatzlosen Streichen des § 550 BGB, um alle damit verbundenen Probleme zu beseitigen.4 Dies würde – so die Argumentation von Häublein – den Erwerberinteressen am besten entsprechen, da der Fortbestand der wertbegründenden Mietverträge in der Regel für den Erwerber vorteilhaft sei und unbekannte Absprachen selten ein Problem darstellen.5 Dagegen wird jedoch angeführt, dass dem Erwerber dann keine verlässliche Informationsquelle mehr bezüglich des Inhalts der Mietverträge zur Verfügung stünde und dieser Gefahr laufen würde, über Jahre an ihm nicht bekannte Vertragsabsprachen gebunden zu sein.6 An der Idee einer Streichung des § 550 BGB wird ferner kritisiert, dass der Erwerber als Eigentümer des Grundstücks nur auf Schadensersatzansprüche verwiesen würde und die Beeinträchtigung des Eigentums an dem Grundstück, die durch die auf ihn übergegangenen Mietverträge verursacht wird, hinnehmen müsste und nicht beseitigen könnte.7 Es wurde ebenfalls von Häublein vorgeschlagen, neben der Aufhebung von § 550 BGB eine Haftungsnorm einzuführen, nach der ein Erwerber Ersatz für Schäden von dem Veräußerer verlangen könnte, die dieser erlitten hat, weil ihm nicht alle Vertragsbedingungen in einer schriftlichen Vertragsurkunde offengelegt wurden.8 Die Einführung einer speziellen Haftungsnorm ist allerdings nicht

3 Für die Beibehaltung des status quo plädieren derzeit – soweit ersichtlich – nur BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 467; Jacoby, NZM 2011, 1, 7; Leo/Götz, NZM-info Heft 5/2020, V, IX. 4 Bork, BB 2020, 1481, 1489; DAV, Stellungnahme, S. 8; Häublein/Jacoby/Lehmann-Richter, ZMR 2022, 265, 266; Häublein, JZ 2018, 755, 760; Lindner-Figura/Reuter, NJW 2020, 1039, 1042; ZIA, Stellungnahme, S. 15. 5 Häublein, JZ 2018, 755, 760. 6 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 8; Bangert, JZ 2021, 193, 195 f.; Günter, NZM 2019, 561, 568; Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 168. 7 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 8; Günter, NZM 2019, 561, 568. 8 Häublein, JZ 2018, 755, 761.

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zwingend notwendig, da der Veräußerer ohnehin haftet, wenn er den Erwerber falsch über den Inhalt des Mietvertrags informiert oder diesem für ihn nachteilhafte Vereinbarungen verschweigt.9 Häublein hält eine ausdrückliche Schadensersatznorm aus Gesichtspunkten der „Verhaltenssteuerung“10 dennoch für zweckmäßig, da dem Verkäufer so deutlich vor Augen geführt werde, welche Folgen drohen, wenn nicht alle Vertragsbedingungen offengelegt werden. Die Streichung des § 550 BGB ist allerdings auch bereits mit Blick auf die schutzwürdigen Interessen der Vertragsparteien abzulehnen. Diese könnten nicht auf andere bereits bestehende gesetzliche Schutzinstrumente zurückgreifen. Der Schutz der Mietvertragsparteien würde vielmehr ersatzlos entfallen. 2. Anspruch auf Einhaltung/Nachholung der Form Von Reingardt wird ferner vorgeschlagen, eine gesetzliche Verpflichtung für die Mietvertragsparteien einzuführen, formlose Verträge in formgerechter Weise nachzuholen.11 Einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet auch Hübner, wenn er fordert, dass Mietern durch das Gesetz die Pflicht auferlegt werden solle, gemeinsam mit dem Vermieter eine schriftliche Aufstellung über die bisherigen vertraglichen Absprachen zu erstellen, um potenziellen Erwerbern eine verlässliche Informationsquelle zur Verfügung zu stellen.12 Gegen diese Vorschläge spricht jedoch, dass bei einem solchen Anspruch die Vertragsparteien nicht mehr vor übereilten Vertragsschlüssen geschützt würden. Sollten sie sich in einem schwachen Moment zu einem langfristigen Mietvertrag oder etwaigen Vertragsänderungen mit schwerwiegenden Folgen hinreißen lassen, besteht für sie keine Möglichkeit, diese Entscheidung im Nachhinein zu korrigieren. Im Gegenteil, sie würden verpflichtet, an der Erstellung einer schriftlichen Vertragsurkunde über diese Absprachen mitzuwirken. 3. Schutz des Erwerbers durch ein neu einzurichtendes öffentliches Register Zudem wurde die Einführung eines öffentlichen Registers nach englischem Vorbild vorgeschlagen, in das Mietverträge und auch etwaige Änderungen eingetragen werden und so für Erwerber ersichtlich sein sollen.13 Diese Sichtweise beruht jedoch auf einem falschen Verständnis des englischen Rechts. Es werden nicht die lease agreements, sondern die leases in das land register eingetragen – und diese in der Regel auch erst ab einer Laufzeit von mehr als sieben Jahren.14 Diese Arbeit hat gezeigt, dass die Eintragung von leases im land register auch

9

BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 9; siehe dazu auch § 2 C. II. 2. a). Häublein, JZ 2018, 755, 761. 11 Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 169 ff.; zustimmend Haßfurter, Form und Treue, S. 456. 12 Hübner, ZfIR 2020, 125, 129. 13 Krüger, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 410, 417. 14 Siehe § 3 D. II. 1. b) aa). 10

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nicht dazu dient, potenzielle Erwerber über die lease terms zu informieren.15 Die Forderung nach einer Eintragung von Mietverträgen in ein neu einzurichtendes öffentliches Register zu diesem Zweck wird damit gerade nicht durch einen Vergleich mit dem englischen Recht gestützt. Daneben wäre die Einführung eines öffentlichen Registers mit einem hohen Arbeits- und Kostenaufwand sowohl für die Verwaltung als auch die Mietvertragsparteien verbunden.16 Außerdem diente ein solches Register ebenfalls lediglich dem Erwerberschutz und nicht auch dem Schutz der Vertragsparteien.17 Nach der Einschätzung von RiBGH Günter hat ein solcher Vorschlag auch wenig Aussicht auf eine Realisierung.18 4. Beschränkung des § 550 BGB a) Reduktion des Anwendungsbereichs auf das Wohnraummietrecht Durch die Beschränkung des § 550 BGB auf das Wohnraummietrecht könnte die dargestellte Problematik – nach Auffassung mancher Autoren – im Gewerberaummietrecht effektiv gelöst werden.19 Es ist zwar richtig, dass § 550 BGB vor allem im Gewerberaummietrecht problematisch ist. Allerdings kann, wie Lindner-Figura und Reuter beschreiben, § 550 BGB auch bei Wohnraummietverhältnissen praktische Relevanz haben,20 selbst wenn dies eher die Ausnahme als den Regelfall darstellt. Außerdem könnten in diesen Fällen Mieter gezwungen werden, ihren persönlichen Lebensmittelpunkt aufzugeben, sodass die Folgen einer Schriftformkündigung drastischer sind.21 Es ist folglich auch rechtspolitisch wünschenswert, Schriftformkündigungen auch im Wohnraummietrecht abzuschaffen. Dies kann nur durch eine umfassende Reform von § 550 BGB erreicht werden. Zudem sind die Schutzinteressen der Vertragsparteien und der potenziellen Erwerber nicht grundlegend andere als bei der Gewerberaummiete. Der Schutz der Vertragsparteien würde im Gewerberaummietrecht jedoch ersatzlos entfallen, während er im Wohnraummietrecht aufrechterhalten wird. Aus Erwerberschutzgründen würde man im Wohnraummietrecht an einer zwingend schriftlichen Informationsquelle festhalten, während dies im Gewerberaummietrecht entbehrlich wäre. Dies führt – neben Wertungswidersprüchen – zu einer kaum nachvollziehbaren weitergehenden Aufspaltung des Wohn- und Gewerberaum15

Siehe § 3 D. II. 1. BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 9; Bangert, JZ 2021, 193, 196 Fn. 36. 17 So auch BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 5 in Bezug auf den fehlenden Schutz vor übereilten Mietvertragsschlüssen durch das Register. 18 Günter, NZM 2019, 561, 566 f. Fn. 58 verweist auf den gescheiterten Versuch, ein Register für WEG-Versammlungsbeschlüsse einzuführen, das Erwerber schützen sollte. 19 Conradi, ZIA Immobilienwirtschaft 2018, 52, 54; BFW, Stellungnahme, S. 4 f. 20 Lindner-Figura/Reuter, NJW 2020, 1039, 1042 mit Verweis auf LG Berlin, NJW-RR 2020, 659; zustimmend Bangert, JZ 2021, 193, 196 f. 21 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 9; Bangert, JZ 2021, 193, 196; Häublein, JZ 2018, 755, 761. 16

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rechts.22 § 550 BGB sollte daher insgesamt reformiert und nicht nur der Anwendungsbereich eingeschränkt werden.23 b) Rechtsfolgenseite: Kündigungsrecht nur für Erwerber Ferner wird vorgeschlagen, das Recht zur ordentlichen Kündigung in Folge eines Schriftformmangels auf den Erwerber zu beschränken.24 Der einzige Zweck der Norm wäre dann der Erwerberschutz.25 So würde vermieden werden, dass die ursprünglichen Parteien den Mietvertrag vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit ordentlich kündigen können. Dieses Ergebnis wird – wie oben dargestellt – von einigen bereits de lege lata im Wege einer interpretativen Lösung, bzw. teleologischen Reduktion, angestrebt.26 Dies würde jedoch zu einer einseitigen Begünstigung des Erwerbers führen und den Mieter schutzlos stellen.27 Außerdem würden so Umgehungsmöglichkeiten für den Vermieter geschaffen werden, der das Eigentum auf eine nahestehende Person übertragen und diese dann das Kündigungsrecht ausüben lassen könnte.28 Eine weitere Folge könnte sein, dass Investoren gezielt nach vermieteten Objekten mit Schriftformfehlern in den Mietverträgen suchen, bei denen eine niedrigere als die marktübliche Miete vereinbart wurde, um diese dann wegen des Schriftformmangels zu kündigen und die Objekte lukrativ neu zu vermieten.29 Eine Beschränkung des Kündigungsrechts auf den Erwerber würde damit neue Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen.

22 Gegen eine weitergehende Aufspaltung des Gewerbe- und Wohnraummietrechts spricht sich auch BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 9 aus. 23 So auch: BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 9; Bangert, JZ 2021, 193, 196 f.; Günter, NZM 2019, 561, 569; Häublein, JZ 2018, 755, 760 f. 24 Breiholdt/Breiholdt, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 391, 392; Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 68; Bangert, JZ 2021, 193, 196; Frick/ Schultz-Süchting, ZMR 2013, 694, 698; Fritz, NJW 2010, 1050, 1053; Fritz, NJW 2014, 1067, 1068; Günter, NZM 2019, 561, 569; Leonhard, NZM 2008, 353, 356; Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 897, 900. 25 Bangert, JZ 2021, 193, 196; Frick/Schultz-Süchting, ZMR 2013, 694, 698; Fritz, NJW 2014, 1067, 1068; Günter, NZM 2019, 561, 569; Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 897, 900. 26 Siehe § 5 A. 27 Häublein/Jacoby/Lehmann-Richter, ZMR 2022, 265, 266; Hübner, ZfIR 2020, 125, 126; Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 80. Wie ein Mieter durch ein einseitiges Kündigungsrecht des Erwerbers benachteiligt wird, wird ausführlich in § 5 B. II. 5. c) cc) und § 5 B. II. 5. c) dd) dargestellt. 28 BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 473; Leo/Götz, NZM-info Heft 5/2020, V, VII; Jacoby, NZM 2011, 1, 7. 29 BeckOKMietrecht/Leo, § 550 BGB Rn. 473; Leo/Götz, NZM-info Heft 5/2020, V, VI f.

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§ 5 Reform des § 550 BGB

II. Gesetzesinitiative des Bundesrats Der Bundesrat hat auf Vorschlag der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen im Dezember 2019 eine Gesetzesinitiative beschlossen, die sich der Problematik um § 550 BGB annimmt.30 Diese wurde über die Bundesregierung (Art. 76 Abs. 3 S. 1 GG) im Februar 2020 in den Bundestag eingebracht.31 Die seinerzeitige Bundesregierung hat zu dieser Reform eine Stellungnahme nach Art. 76 Abs. 3 S. 2 GG abgegeben.32 Da diese Gesetzesinitiative vom Bundestag in der Legislaturperiode nicht angenommen wurde, gilt sie wegen des Grundsatzes der sachlichen Diskontinuität nach § 125 S. 1 GO BT als erledigt. 1. Wortlaut des neu einzufügenden § 566 Abs. 3 BGB-E Der Reformvorschlag des Bundesrats sieht vor, dass die Norm des § 550 BGB aufgehoben und § 566 BGB-E neu eingeführt werden soll: Ist der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, ist der Erwerber berechtigt, das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften zu kündigen. Die Kündigung kann nur innerhalb von drei Monaten, nachdem der Erwerber Kenntnis von der ohne Wahrung der erforderlichen Schriftform getroffenen Vereinbarung erlangt hat, erfolgen. Sie ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig. Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Mieter ihr binnen zwei Wochen seit Zugang widerspricht und sich mit der Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den unter Wahrung der erforderlichen Schriftform getroffenen Vereinbarungen bereit erklärt. Die Kündigung kann nicht auf solche Verstöße gegen die Schriftform gestützt werden, die erst nach dem Erwerb erfolgt sind.33

2. Beweggründe des Bundesrats Der Bundesrat folgt nach eigenen Angaben dem Ruf vieler Autoren, die eine Reform des § 550 BGB fordern.34 Ein Anliegen des Bundesrats ist es, den Erwerberschutz in den Mittelpunkt zu rücken. Mit der Aufhebung des § 550 BGB und der Einfügung eines neuen Absatzes zu § 566 BGB soll die systematische Verbindung zu § 566 Abs. 1 BGB hervorgehoben und der Erwerberschutz als einziger Zweck der Norm festgelegt werden.35 Zur Begründung der Beschränkung des Telos auf den Erwerberschutz stützt sich der Bundesrat auf den historischen Gesetzgeber.36 Dementsprechend unzufrieden zeigt sich der Bundesrat mit der Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach § 550 BGB auch eine Beweis- und Warnfunktion 30

BR-Drs. 469/19(B) v. 20.12.2019. BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020. 32 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12. 33 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 5. 34 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 8. 35 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 2 und 8. 36 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 2 und 8. 31

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zugunsten der Mietvertragsparteien zukomme.37 Ferner resultiere die „strenge Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes“38 darin, dass der Praxis de lege lata keine effektiven Möglichkeiten zustünden, Schriftformmängeln präventiv vorzubeugen oder Schriftformkündigungen zu verhindern. So werde die Planungssicherheit und das Vertrauen in den Bestand langfristiger Mietverträge untergraben, was angesichts deren wirtschaftlicher Bedeutung besonders misslich sei.39 3. Kündigungsrecht nur für Erwerber und Widerspruchsrecht der Mieter Allein dem Erwerber steht nach § 566 Abs. 3 S. 1 BGB-E ein Kündigungsrecht zu und damit nicht mehr den ursprünglichen Mietvertragsparteien. Auch ein Erwerber kann allerdings nur infolge von Schriftformmängeln kündigen, die vor dem Erwerb begründet wurden (§ 566 Abs. 3 S. 5 BGB-E). Das Kündigungsrecht ist zudem auf drei Monate befristet. Der Fristbeginn richtet sich nach dem – sicherlich nur schwer beweisbaren – Zeitpunkt, in welchem der Erwerber Kenntnis von etwaigen Schriftformmängeln erlangt. Der Bundesrat erkennt diese Beweisschwierigkeiten ebenfalls.40 Die Beweislast soll beim Erwerber liegen, der – ähnlich wie bei § 626 Abs. 2 BGB – die Einhaltung der Drei-Monats-Frist sowie die weiteren Kündigungsvoraussetzungen beweisen muss.41 Zudem trägt der Bundesrat vor, dass es der Mieter in der Hand habe, den Fristbeginn auszulösen, indem er den Erwerber auf den Schriftformmangel hinweist.42 Der Mieter kann sich einen gewissen Schutz durch das rechtsgestaltende Widerspruchsrecht in § 566 Abs. 3 S. 4 BGB-E erhoffen, wenn er sich gleichzeitig zur Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den unter Wahrung der erforderlichen Schriftform getroffenen Vereinbarungen bereit erklärt. 4. Stellungnahme der Bundesregierung Die seinerzeitige Bundesregierung teilte die Auffassung, dass die aktuelle Rechtslage das Vertrauen der Mietvertragsparteien in den Bestand von Mietverträgen erschüttert.43 Gleichwohl hat sie ihre Unterstützung für die Gesetzesinitiative des Bundesrats verweigert.44 Die von ihr geäußerte Kritik bezieht sich vor allem auf drei Aspekte:

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BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 8. BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 1 und 7. 39 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 1 f. und 7. 40 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 10. 41 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 10. 42 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 10. 43 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12. 44 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12. 38

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a) Kein Reformbedarf für Wohnraummietrecht Die Bundesregierung sieht keinen Reformbedarf für das Wohnraummietrecht und lehnt Änderungen ab, die dieses betreffen.45 Sie befürchtet auch das Aufweichen des Mieterschutzes im Zusammenhang mit Zeitmietverträgen nach § 575 Abs. 1 BGB und Mietverträgen nach § 549 Abs. 2 BGB, da diese nach Abschaffung des § 550 BGB überwiegend nicht schriftlich erfolgen und Vermieter bei formlosen Verträgen nicht mit negativen Konsequenzen rechnen müssten.46 b) Kein adäquater Interessenausgleich und Umgehungsmöglichkeit Ferner sieht die Bundesregierung in der Gesetzesreform eine zu starke Berücksichtigung der Erwerberinteressen im Vergleich zu den Mieterinteressen. Während der Mieter sein Kündigungsrecht vollends verlieren würde, hätte der Erwerber Handlungsoptionen hinzugewonnen, sodass zwar der Erwerber eine höhere Planungssicherheit genieße, nicht aber der Mieter.47 Zudem bestünde die Gefahr, dass sich ein Vermieter durch die Übertragung auf eine nahestehende Person mittelbar ein Kündigungsrecht verschafft.48 c) Erweiterter Schutzzweck und stärkere Inanspruchnahme der Gerichte Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Bundesgerichtshofs, wonach § 550 BGB auch eine Beweis- und Warnfunktion erfüllt.49 Da § 566 Abs. 3 BGB-E diese Funktionen nicht im selben Maße erfüllen könne, befürchtet die Bundesregierung eine geringere Motivation der Vertragsparteien zum Abschluss schriftlicher Mietverträge, was zu Einbußen in der Rechtssicherheit und zu einer höheren Inanspruchnahme der Gerichte führen könne.50 Zudem würde so insbesondere eine schwächere Mietvertragspartei Nachteile erleiden.51 5. Kritische Würdigung der Gesetzesinitiative Die erste Resonanz aus der Praxis zum Reformvorschlag des Bundesrats fiel gemischt aus. Von einigen wurde der Reformvorschlag – wenn auch mit einzelnen Verbesserungsvorschlägen52 – als positiv bewertet, während andere Autoren die Gesetzesinitiative insgesamt ablehnten.53 Vom hier vertretenen Standpunkt be45

BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12. BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12. 47 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12. 48 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12. 49 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12. 50 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12. 51 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12. 52 So wird beispielsweise gefordert, dass der Gesetzgeber bei § 566 Abs. 3 BGB-E noch den Beginn der Drei-Monats-Frist des Erwerbers konkretisieren sollte, vgl. dazu: Bangert, JZ 2021, 193, 198; Neumann, ZMR 2020, 174, 175. 53 Positiv wurde die Gesetzgebungsinitiative bewertet von: Bangert, JZ 2021, 193, 199; 46

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rücksichtigt die Gesetzesinitiative des Bundesrats zu einseitig die Interessen potenzieller Erwerber und ist daher bereits im Ansatz nicht geeignet, eine befriedigende Rechtslage herbeizuführen. a) Aufgabe des Schutzes der Mietvertragsparteien Viele Reformvorschläge aus der Literatur wie die Aufhebung des § 550 BGB, die Schaffung eines Anspruchs auf die Form, die Beschränkung des Kündigungsrechts auf den Erwerber oder der Beschränkung des § 550 BGB auf das Wohnraummietrecht lassen die grundlegende Tendenz erkennen, den Schutz der Mietvertragsparteien weit zurückzudrängen oder gar gänzlich entfallen zu lassen. Prominent spricht sich RiBGH Günter dafür aus, dass dieser Schutz im Rahmen einer Gesetzesreform aufgegeben werden könne.54 Dem schließt sich der Bundesrat in seiner Gesetzesinitiative an, indem er den Erwerberschutz als einzigen Schutzzweck von § 566 Abs. 3 BGB-E festlegen will.55 Die Bundesregierung sieht die Zurückdrängung des Schutzes der Mietvertragsparteien dagegen sehr kritisch und auch Jacoby plädiert eindringlich für dessen Beibehaltung.56 Die im Gesetzgebungsverfahren dokumentierten Erwägungen der Mitglieder des vorkonstitutionellen BGB-Gesetzgebers werden herangezogen, um den Entfall des Schutzes der Mietvertragsparteien zu rechtfertigen.57 Dieses Argument verfängt aus mehreren Gründen nicht. Zunächst bestehen nach den bisherigen Erkenntnissen aus den Protokollen des historischen Gesetzgebers auch Anhaltspunkte, dass nicht nur der Erwerberschutz, sondern auch der Schutz der Mietvertragsparteien mit dem Schriftformerfordernis bezweckt wurde.58 Ferner sind Erwägungen des historischen Gesetzgebers für mögliche Reformen nicht von großer Bedeutung, andernfalls wäre eine Rechtsfortbildung kaum möglich. Dies gilt im Besonderen vor dem Hintergrund, dass sich die Umstände in den letzten 120 Jahren seit Erlass des BGB verändert haben. Schließlich ist der Gesetzgeber frei darin, auf diese Entwicklungen zu reagieren und die Schutzzwecke einer Norm im Rahmen einer Reform neu festzulegen. Diese Arbeit hat gezeigt, dass sich auch der englische Gesetzgeber dafür entschieden hat, die Vertragsparteien eines langfristigen Mietvertrags als schutzbedürftig anzusehen und zu deren Schutz vor Übereilung und Beweisschwierigkeiten ein Formerfordernis aufzustellen.59 Bei einer Reform des § 550 BGB sollte dem englischen Vorbild gefolgt und weiterhin am Schutz der MietvertragsparJaeger/Schulz, ZfIR 2020, 232, 238; Neumann, ZMR 2020, 174, 178; die Gesetzgebungsinitiative wird dagegen abgelehnt von: BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 472; Leo/Götz, NZMinfo Heft 5/2020, V, X; Hübner, ZfIR 2020, 125, 129. 54 Günter, NZM 2019, 561, 568. 55 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 2 und 8. 56 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12; Jacoby, NZM 2011, 1, 7. 57 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 2 und 8; Günter, NZM 2019, 561, 568. 58 Siehe dazu auch § 2 A. II. 1. 59 Siehe § 3 B. I.

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teien festgehalten werden. Das Schutzbedürfnis des Mieters und Vermieters darf nicht ignoriert werden. In dieser Arbeit wurde bereits herausgearbeitet, welche weitreichenden und finanziell bedeutsamen Verpflichtungen die Vertragsparteien mit langfristigen Mietverhältnissen eingehen.60 Zudem werden regelmäßig zahlreiche Vereinbarungen zwischen Mieter und Vermieter geschlossen, die zu einer komplexen Rechtslage führen können und aus Gründen der Beweisbarkeit schriftlich erfolgen sollten.61 Damit ist ein gesetzlicher Schutz der Mietvertragsparteien geboten und die bereits mit § 550 BGB verfolgte Beweis- und Warnfunktion sollte auch bei einer Reform der Vorschrift beibehalten werden. Dass Mieter und Vermieter bei einem solch wichtigen Vertragsschluss völlig schutzlos vor übereilten Vertragsschlüssen oder Beweisschwierigkeiten während der langen, bis zu 30-jährigen Bindung (vgl. § 544 BGB) gestellt werden sollen, erscheint aus rechtsvergleichender Sicht und in Anbetracht der wirtschaftlichen Bedeutung und Dauer der eingegangen Verpflichtungen wenig überzeugend.62 b) Kein Erwerberschutz bei Share Deals Auch kann der Reformvorschlag in vielen Fällen den Käufern von vermieteten Immobilien keine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit bei Schriftformfehlern bieten. In der Praxis kommt Share Deals bei immobilienrechtlichen Transaktionen – nicht zuletzt aus steuerlichen Gründen – eine große Bedeutung zu. Da lediglich die Gesellschaftsanteile übertragen werden, die juristische Person als Eigentümerin und Vermieterin dagegen unverändert bleibt, liegt kein Erwerb i. S. v. § 566 Abs. 1 BGB vor.63 Aus diesem Grund steht nach dem Reformentwurf des Bundesrats nur Käufern eines Asset Deals, nicht aber eines Share Deals, ein Kündigungsrecht zu.64 Der Erwerber ist jedoch unabhängig von der Art des Deals an dem Inhalt der ihn bindenden Mietverträge interessiert.65 Wenn sich der Bundesrat bewusst dazu entschieden haben sollte, Erwerber bei einem Share Deal nicht zu schützen, stellt sich die grundlegende Frage, ob das Informationsinteresse von Erwerbern bei Asset Deals überhaupt zwingend durch eine Formvorschrift geschützt werden muss.66 Allerdings setzt sich der Bundesrat in den Gesetzesmaterialien nicht mit diesem Problem auseinander.67 Der vom Bundesrat in seiner Reformbegründung besonders hervorgehobene Erwerberschutz68 würde damit in vielen Fällen gar nicht erreicht werden.

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Siehe § 2 A. II. 2. Siehe dazu § 2 A. II. 2. 62 Auch Jacoby, NZM 2011, 1, 7 spricht sich für einen Schutz der Mietvertragsparteien aus. 63 KG NZM 2001, 520, 521; Schmidt-Futterer/Streyl, § 566 BGB Rn. 33 m. w. N. 64 Bangert, JZ 2021, 193, 199; Bork, BB 2020, 1481, 1488; Hübner, ZfIR 2020, 125, 127. 65 Bork, BB 2020, 1481, 1488; Hübner, ZfIR 2020, 125, 127. 66 Hübner, ZfIR 2020, 125, 127. 67 Krit.: Bangert, JZ 2021, 193, 199; Hübner, ZfIR 2020, 125, 127. 68 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 2 und 8. 61

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B. Bisherige Reformvorschläge

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c) Einseitige Benachteiligung der Mieterseite Dem Reformentwurf des Bundesrats wird von der Bundesregierung zu Recht vorgeworfen, dass er die Schriftformproblematik zu einseitig aus der Sicht der Erwerberseite betrachte und daher die Mieterseite benachteilige.69 aa) Einseitiges Widerspruchsrecht ineffektiv Nach dem Reformvorschlag des Bundesrats soll der Mieter sein bisheriges Kündigungsrecht vollständig verlieren. Als Kompensation dafür wird das Widerspruchsrecht angesehen.70 Allerdings ist das Widerspruchsrecht des Mieters ein nur sehr eingeschränkt geeignetes Mittel gegen Erwerberkündigungen. Ein solches Widerspruchsrecht setzt voraus, dass es überhaupt formgerechte Absprachen gibt.71 Die Gesetzesinitiative des Bundesrats zielt also vor allem auf Fälle ab, in denen Formmängel erst in Nachtragsvereinbarungen auftreten. Bei Schriftformmängeln im ursprünglichen Vertrag, also beispielsweise, wenn eine Unterschrift fehlt oder eine wesentliche Vereinbarung nicht in die schriftliche Urkunde aufgenommen wurde, kann der Mieter einer Schriftformkündigung durch den Erwerber kein Widerspruchsrecht entgegensetzen. Außerdem berücksichtigt der Reformvorschlag dabei nicht die Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach welcher Formfehler in Vertragsänderungen auf die ursprünglich formgültigen Absprachen durchschlagen und damit eigentlich gar keine schriftformgemäßen Absprachen mehr existieren.72 Lässt man diese Bedenken beiseite, wird ein Widerspruchsrecht in vielen Fällen ohnehin faktisch ausgeschlossen sein. Beispielsweise, wenn ursprünglich der Mieter eine Fläche von 4.000 m2 schriftformgemäß angemietet hatte, diese Fläche jedoch in einer schriftformwidrigen Nachtragsvereinbarung vor mehreren Jahren um 1.500 m2 reduziert wurde.73 In derartig gelagerten Fällen könnte der Mieter die Kündigung des Erwerbers nur verhindern, indem er sich dazu bereit erklärt, erneut die gesamten 4.000 m2 anzumieten.74 Besonders prekär wäre die Situation, wenn die andere Mietfläche bereits weitervermietet wurde und der Erwerber dem Mieter nicht die gesamte Fläche überlassen könnte.75 Auch ein formwidriger Mieterwechsel würde im Falle des Widerspruchs des aktuellen Mieters konsequenterweise bedeuten, dass nun wieder der Mieter Vertragspartei würde, der zuletzt in einer schriftlichen Vertragsurkunde benannt wurde.76 In diesen Fällen

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BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12. Jaeger/Schulz, ZfIR 2020, 232, 237. 71 Leo/Götz, ZMR-info, Heft 5/2020, V, V; Neumann, ZMR 2020, 174, 176. 72 Neumann, ZMR 2020, 174, 177. Zur Infektionsrechtsprechung siehe § 2 B. I. 4. 73 Beispiel bei Hübner, ZfIR 2020, 125, 129. 74 Hübner, ZfIR 2020, 125, 129. 75 Bangert, JZ 2021, 193, 198 f. 76 Neumann, ZMR 2020, 174, 177.

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§ 5 Reform des § 550 BGB

wäre ein Widerspruchsrecht zwar theoretisch möglich, faktisch jedoch ausgeschlossen.77 Wegen der mit dem Widerspruchsrecht verbundenen Probleme sprechen sich daher einige Autoren zurecht dafür aus, diese Idee nicht weiter zu verfolgen.78 bb) Keine Planungssicherheit für den Mieter Zudem ist das Kündigungsrecht des einzelnen Erwerbers zwar zeitlich beschränkt, allerdings beginnt bei jeder neuen Eigentumsübertragung die DreiMonats-Frist zur Kündigung für einen Erwerber neu zu laufen. Damit erlangt der Mieter nie die vom Bundesrat versprochene Rechtssicherheit,79 sondern muss während der gesamten Laufzeit mit einer Kündigung durch einen neuen Erwerber rechnen.80 Die Frist kann zudem dazu führen, dass Erwerber sofort nach Erlangung des Eigentums vorsichtshalber kündigen werden, um das Kündigungsrecht nicht zu verlieren und eine starke Verhandlungsposition gegenüber dem Mieter für Neuverhandlungen zu erlangen.81 cc) Mieter kann Einhaltung der Schriftform kaum durchsetzen Nach der derzeitigen Regelung des § 550 BGB motiviert die drohende Rechtsfolge Vermieter und Mieter gleichermaßen, an der Einhaltung der Schriftform mitzuwirken.82 Das gegenseitige Kündigungsrecht bietet sowohl dem Mieter als auch dem Vermieter ein Druckmittel, um die Einhaltung der Schriftform durchzusetzen.83 Bei einem einseitigen Kündigungsrecht des Erwerbers verlieren Mieter ihr effektivstes Druckmittel (nämlich die vorzeitige Kündbarkeit) zur Einhaltung der Schriftform.84 Legt man den Gedanken der „Waffengleichheit“85 der Norm des § 550 BGB zugrunde, kann an § 566 Abs. 3 BGB-E kritisiert werden, dass Vermieter bei einem bloß einseitigen Kündigungsrecht des Erwerbers kein Risiko (in Form einer vorzeitigen Kündigung durch den Mieter) eingehen, wenn der Mietvertrag Schriftformfehler enthält.86 Ein Vermieter hat überdies sogar ein Interesse an der Nichteinhaltung der Schriftform beim ursprünglichen Mietver-

77 BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 472; weitere Beispiele dazu finden sich auch bei Leo/ Götz, NZM-info Heft 5/2020, V, V f. 78 Leo/Götz, NZM-info Heft 5/2020, V, VI; Neumann, ZMR 2020, 174, 177. 79 BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 2. 80 Hübner, ZfIR 2020, 125, 129; ähnlich auch BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12. 81 Leo/Götz, NZM-info Heft 5/2020, V, VII. 82 Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 80 f. spricht insoweit von einer „Gleichstellungsfunktion“ des § 550 BGB. 83 Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 79 spricht insoweit von einer „Druckfunktion“ des § 550 BGB. 84 Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 79. 85 Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 80. 86 So auch Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 79 ff. zu den Nachteilen eines einseitigen Erwerberkündigungsrechts.

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B. Bisherige Reformvorschläge

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trag, da in diesem Fall der Mieter kein Widerspruchsrecht hätte und der Vermieter dies bei einem Verkauf der Immobilie als für einen Erwerber vorteilhaft „anpreisen“ könnte. dd) Umgehungsmöglichkeit für Vermieter Eine weitere Schlechterstellung des Mieters ist der von der ehemaligen Bundesregierung zurecht erhobene Einwand, dass sich Vermieter mittelbar ein Kündigungsrecht verschaffen könnten.87 Zwar wird diese künstliche Schaffung eines Kündigungsrechts wegen der hohen Kosten (Grunderwerbsteuer, Notar- und Eintragungskosten) in den meisten Fällen finanziell sinnlos sein,88 dem Vermieter wird diese Möglichkeit bei besonders lästigen Verträgen allerdings offengehalten. Ungeachtet der Bedenken hinsichtlich der Kosten könnten nahestehende Geschäftspartner sich gegenseitig ein Kündigungsrecht schaffen, ohne das Risiko einzugehen, dass der Mieter ebenfalls ein Kündigungsrecht erhält.89 Allenfalls könnte die Rechtsprechung in erkennbaren Rechtsmissbrauchsfällen Erwerbern die Ausübung des Kündigungsrechts nach § 242 BGB verwehren.90 Der Mieter hat jedoch keinerlei Möglichkeit, sich vorzeitig von dem Mietvertrag zu lösen. d) Fazit zur Gesetzesinitiative Der Reformvorschlag des Bundesrats gibt den erforderlichen Schutz der Mietvertragsparteien vor übereilten Vertragsschlüssen und Beweisschwierigkeiten trotz der hohen Schutzbedürftigkeit vollständig auf. Außerdem werden Käufer in Share-Deal-Konstellationen vom Anwendungsbereich des Kündigungsrechts ausgenommen. Der Reformvorschlag ist für den Mieter mit vielen Nachteilen verbunden. Dieser erhält ein Widerspruchsrecht, das nur selten erfolgreich sein dürfte, wird nie Planungssicherheit erhalten und hat eine deutlich schlechtere Verhandlungsposition, um die Einhaltung der Schriftform durchzusetzen. Dazu kommt, dass Vermieter eine, wenn auch kostenintensive, Umgehungsmöglichkeit erhalten, die dem Mieter verwehrt bleibt. Damit ist der Kritik der Bundesregierung, dass die Interessen des Mieters nicht angemessen berücksichtigt werden, zuzustimmen. Der Reformvorschlag des Bundesrats vermag es daher auch nicht, für einen angemessenen Interessenausgleich zu sorgen und eine befriedigende Rechtslage herbeizuführen.

87

Siehe § 5 B. II. 4. b). Bangert, JZ 2021, 193, 197; Jaeger/Schulz, ZfIR 2020, 232, 239; Lindner-Figura/Reuter, NJW 2020, 1039, 1042. 89 BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 473; Leo/Götz, NZM-info Heft 5/2020, V, VII. 90 Bangert, JZ 2021, 193, 197; Lindner-Figura/Reuter, NJW 2020, 1039, 1042. 88

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§ 5 Reform des § 550 BGB

III. Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums Das Bundesjustizministerium hat am 26. Oktober 2021 einen eigenen Diskussionsentwurf zur Reformierung von § 550 BGB vorgestellt. Dieser sieht vor, dass § 550 BGB weiterhin im Wohnraummietrecht Anwendung finden, aber der Verweis auf diese Norm für das Gewerberaummietrecht in § 578 Abs. 1 BGB gestrichen werden soll. Anstelle des Verweises soll eine eigens für das Gewerberaummietrecht konzipierte Formvorschrift mit folgendem Wortlaut eingefügt werden: § 578a Form von Mietverträgen über Grundstücke und Räume, die keine Wohnräume sind (1) Wird ein Mietvertrag über Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, für längere Zeit als ein Jahr geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit, wenn er nicht in schriftlicher Form geschlossen wurde. (2) Ein Rechtsgeschäft zur Änderung des Mietvertrages bedarf der Textform.91

1. Mehrere Schutzzwecke Mit dem Diskussionsentwurf soll die Planungssicherheit für die Vertragsparteien erhöht und – unter Berufung auf den historischen Gesetzgeber – der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber sichergestellt werden.92 Im Gegensatz zum Reformvorschlag des Bundesrats soll der Schutzzweck des neu einzufügenden § 578a BGB-E nicht allein auf den Erwerberschutz beschränkt sein. Die vorgesehene Schriftform für den Abschluss des Mietvertrags (§ 578a Abs. 1 BGB-E) diene nämlich auch dem Schutz der Mietvertragsparteien (Beweis- und Warnfunktion).93 Außerdem wird ein bloßes Streichen des § 550 BGB in Anbetracht der „Warn- und Beweisfunktion der Vertragsurkunde in Bezug auf die Vertragsparteien“94 kritisch gesehen. Ausdrücklich abgelehnt wird die Einführung eines öffentlichen Registers, da dieses die „für die Parteien so wichtige Warnfunktion“95 nicht erfüllen könne. 2. Neuerungen nur für Vertragsänderungen Für den Abschluss von Gewerberaummietverträgen mit einer Laufzeit von über einem Jahr ergäben sich keine Veränderungen zur bisherigen Rechtslage. Im Mittelpunkt der vorgeschlagenen Reform sollen stattdessen Änderungsvereinbarungen stehen. Begründet wird der diesbezügliche Reformbedarf mit dem aus den veröffentlichten Gerichtsentscheidungen gewonnenen Eindruck, dass Ver91 BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 1. Daneben soll der Wortlaut des § 550 BGB an denjenigen des § 578a Abs. 1 BGB-E angepasst werden, vgl. BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 1 und 7. 92 BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 3 f. 93 BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 7. 94 BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 5. 95 BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 5.

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B. Bisherige Reformvorschläge

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tragsänderungen die hauptsächliche Fehlerquelle für Schriftformverstöße seien.96 Der Diskussionsentwurf soll daher zum einen die Formanforderungen für Änderungsvereinbarungen lockern und zum anderen die Auswirkungen von Formfehlern in Änderungsvereinbarungen begrenzen.97 Formerleichterungen für Vertragsänderungen sollen dadurch erreicht werden, dass diese in Textform geschlossen werden können. Damit werde – so die Erklärung im Diskussionsentwurf – Rücksicht auf die technischen Fortschritte seit Einführung des BGB genommen.98 Der praktische Unterschied besteht darin, dass Vermieter und Mieter Vertragsänderungen mittels E-Mail, SMS oder Messenger-Nachrichten vereinbaren können. Die Textform wird als ausreichend und geeignet angesehen, den Vertragsinhalt für Erwerber verlässlich wiederzugeben und ebenso dem praktischen Bedürfnis der Mietvertragsparteien nach unkomplizierten Vertragsänderungen zu entsprechen.99 Ferner sollen Formfehler in Änderungsvereinbarungen nicht – wie nach der Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs100 – auf einen ursprünglich formgerechten Mietvertrag durchschlagen und diesen insgesamt vorzeitig kündbar werden lassen. Vielmehr sieht der Diskussionsentwurf vor, dass Mietvertragsänderungen nach der allgemeinen Vorschrift des § 125 S. 1 BGB (form-)nichtig sein sollen, wenn die Textform nicht eingehalten wird.101 Da nach § 578a Abs. 2 BGB-E Änderungsvereinbarungen, welche nicht der Textform genügen, unwirksam sind, sollen in einem solchen Fall die bisherigen wirksamen Vereinbarungen unverändert fortbestehen.102 3. Kritische Würdigung des Diskussionsentwurfs Auch der Entwurf des Bundesjustizministeriums vermag nicht zu überzeugen, da erhebliche Zweifel bestehen, ob der Entwurf den Zielsetzungen gerecht wird, die das Bundesjustizministerium formuliert hat. a) Geringfügig höhere Planungssicherheit § 578a BGB-E erhört die Planungssicherheit geringfügig. Die Vorschrift sieht streng genommen zwei verschiedene Formvorschriften mit unterschiedlichen Formanforderungen und Sanktionen für Formverstöße vor. Gegenüber dem derzeitigen § 550 BGB würde sich die Rechtslage für den Abschluss eines langfristigen Gewerberaummietvertrags nicht ändern. Dieser müsste ab einer Laufzeit von mehr als einem Jahr weiterhin schriftlich geschlossen werden, um wirk-

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BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 3. BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 4. 98 BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 4. 99 BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 4 und 7. 100 Siehe § 2 B. I. 4. 101 BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 4 und 8. 102 BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 4 und 8. Zur Frage einer möglichen Gesamtnichtigkeit des Mietvertrages nach § 139 BGB siehe unten § 5 B. III. 3. d). 97

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§ 5 Reform des § 550 BGB

sam befristet zu sein (vgl. § 578a Abs. 1 BGB-E). Änderungsvereinbarungen bedürften dagegen der Textform, um überhaupt wirksam zu sein (vgl. § 578a Abs. 2 BGB-E). Durch die Einführung des § 578a Abs. 2 BGB-E würden sich Formfehler in Änderungsvereinbarungen – wie im englischen Recht103 – nur noch auf diese auswirken, was zu begrüßen ist. So würde der Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Ende gesetzt, die sich auch nach den Ergebnissen dieser Arbeit als besonders problematisch für die Planungssicherheit erwiesen hat.104 Der Diskussionsentwurf dürfte damit erreichen können, dass Mietverträge nicht mehr allein aufgrund von Schriftformfehlern in Änderungsvereinbarungen durch eine Schriftformkündigung vorzeitig beendet werden können. Durch die gesetzgeberische Abschaffung der Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs wären langfristige Gewerberaummietverträge seltener ordentlich kündbar und deren Laufzeit verlässlicher planbar.105 Der Diskussionsentwurf lässt dabei jedoch außer Acht, dass auch Formfehler im ursprünglichen Mietvertrag die Planungssicherheit beeinträchtigen können.106 Diese Formfehler würden auch nach § 578a Abs. 1 BGB-E dazu führen, dass die Gewerberaummietverträge weiterhin vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit ordentlich kündbar sind. Insofern würde der Diskussionsentwurf keine Verbesserung gegenüber der derzeitigen Rechtslage bedeuten. Zwar geht das Bundesjustizministerium zu Recht davon aus, dass Änderungsvereinbarungen von Gewerberaummietverträgen eine häufige Ursache von Schriftformkündigungen sind. Sie sind jedoch nicht die einzige Ursache. Erfahrungsberichte aus der Praxis zeigen, dass bereits Ursprungsmietverträge häufig an Formfehlern leiden.107 Dies legen auch die Beobachtungen von Neumann nahe, wonach ein Drittel der vom Bundesgerichthof zwischen 2010 und 2021 festgestellten Schriftformmängel bereits bei Abschluss der Mietverträge und nicht erst in einer Änderungsvereinbarung vorlagen.108 b) Textformerfordernis Die Absenkung auf die Textform für Änderungsvereinbarungen würde dazu führen, dass die Vertragsparteien bei Nachträgen nicht mehr die strengen Schriftformanforderungen wahren müssten. Änderungen könnten damit beispielsweise – ähnlich wie Mietverträge im englischen Recht109 – per einfacher E-Mail formwirksam vereinbart werden. Anders als im englischen Recht soll diese Formerleichterung nur für Änderungsvereinbarungen und nicht auch für den Abschluss 103

Siehe § 3 C. II. 1. b). Siehe § 4 D. II. 2. a) aa) (1). 105 So auch Schweitzer, NZM-info Heft 22/2021, V, VI. 106 So auch GdW, Stellungnahme, S. 3. 107 DAV, Stellungnahme, S. 5; ZIA, Stellungnahme, S. 9. Für die Windenergiebranche siehe Bundesverband WindEnergie e.V., Stellungnahme, S. 5. 108 Neumann, ZRP 2022, 9, 10. 109 Siehe § 3 C. I. 1. c) aa) und § 3 C. I. 1. e). 104

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B. Bisherige Reformvorschläge

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eines langfristigen Mietvertrags gelten. Die Absenkung auf die Textform ist jedoch kein Garant für die Vermeidung von Formfehlern. Im englischen Recht, bei dem Mietverträge seit Jahren per einfacher E-Mail geschlossen und geändert werden können, lassen sich Formmängel auch bei digitalen Vertragsschlüssen beobachten. Dies im Besonderen dann, wenn nicht alle (Änderungs-)Vereinbarungen in der E-Mail dokumentiert sind.110 Ähnliche Schwierigkeiten könnten sich auch in Deutschland ergeben. So müssen unter dem bisherigen § 550 S. 1 BGB alle (für potenzielle Erwerber) wesentlichen Änderungsvereinbarungen verständlich und umfassend dokumentiert werden.111 Da der Diskussionsentwurf weiterhin am Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber festhält, müsste dies auch für den vorgeschlagenen § 578a Abs. 2 BGB-E gelten.112 Bereits unter der aktuellen Rechtslage, nach welcher wesentliche Vertragsänderungen schriftlich erfolgen müssen, nehmen einige Mietvertragsparteien keine rechtliche Beratung in Anspruch. Die Einführung der Textform könnte die Vertragsparteien dazu verleiten, für Änderungsvereinbarungen erst recht keine rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, was das Risiko von Formfehlern im Ergebnis sogar erhöhen könnte. Zudem ist es eine eher neue Entwicklung, dass der Gesetzgeber die – ursprünglich für einseitige Rechtsgeschäfte konzipierte – Textform nun auch für zweiseitige Rechtsgeschäfte vorschreibt.113 Es fehlt daher an einer gefestigten Judikatur zu den genauen Anforderungen, die an die Einhaltung der Textform bei einem zweiseitigen Rechtsgeschäft gestellt werden.114 So verlangt die Rechtsprechung unter dem derzeitigen § 550 BGB beispielsweise, dass in der Vertragsurkunde über die Änderungs- oder Ergänzungsvereinbarungen auch Bezug auf alle bisherigen Vereinbarungen genommen wird.115 Ob dies auch für einen Vertragsschluss in Textform gilt, ist noch nicht gerichtlich geklärt. Konsequenterweise müsste der Grundsatz der Urkundeneinheit auch für die Textform in § 578a Abs. 2 BGB-E gelten, insbesondere deshalb, da die Vorschrift auch dem Schutz des Erwerbers dient und dieser anhand der Verweisungen nachvollziehen können soll, in welche Vereinbarungen er eintreten wird.116 Eine fehlende Verweisung auf alle bisherigen Vereinbarungen birgt damit ein hohes Potenzial für Formfehler in Nachtragsvereinbarungen. Dass Vermieter und Mieter auch bei einer Vertragsänderung mittels E-Mails, SMS oder Messenger-Nachrichten dies beherzigen werden, darf bezweifelt werden. 110

Siehe dazu § 3 Fn. 106. Siehe § 2 B. I. 4. 112 So im Ergebnis auch HDE, Stellungnahme, S. 2; ZIA, Stellungnahme, S. 13 f. 113 Eid e.V., Stellungnahme, S. 6 mit Verweis auf die Ende 2020 eingeführte Textform für Maklerverträge in § 656a BGB; ZIA, Stellungnahme, S. 13. 114 Eid e.V., Stellungnahme, S. 6; ZIA, Stellungnahme, S. 13. 115 Siehe § 2 B. I. 5. c). 116 Ausführlich dazu ZIA, Stellungnahme, S. 12 f. Auch DMT, Stellungnahme, S. 2 geht davon aus, dass das in der Praxis problematische „Bezugnahmegebot“ auch bei Einführung der Textform fortbestehen würde. 111

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§ 5 Reform des § 550 BGB

Daneben begegnet die Einführung der Textform für Vertragsänderungen weiteren Bedenken, vor allem hinsichtlich des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber, der mit dem Diskussionsentwurf ausdrücklich verfolgt wird.117 Dies erscheint widersprüchlich, da dieser Schutz durch § 578a Abs. 2 BGB-E im Vergleich zu der derzeitigen Rechtslage spürbar zurückgedrängt wird.118 Dies im Besonderen dadurch, dass Erwerber ohne Möglichkeit, sich auf absehbare Zeit von den Mietverträgen lösen zu können, an sämtliche Änderungsvereinbarungen zwischen Vermieter und Mieter gebunden wären, auch wenn deren Inhalt für sie kaum nachvollziehbar wäre.119 Mögliche Vertragsänderungen könnten sich aus der gesamten elektronischen Kommunikation des Vermieters mit dem Mieter ergeben, ohne dass es eines Vermerks auf der schriftlichen Mietvertragsurkunde bedürfte.120 Daher müssten Erwerber sämtliche E-Mails, SMS und Messenger-Nachrichten des Verkäufers durchsehen, um zu prüfen, ob sich dort etwaige Vereinbarungen mit dem Mieter finden lassen.121 Darüber hinaus müsste deren Inhalt durch Auslegung ermittelt und ferner geprüft werden, ob die jeweilige E-Mail/SMS/Messenger-Nachricht mit entsprechendem Rechtsbindungswillen versandt wurde.122 Außerdem wird der Schutz der Vertragsparteien vor Beweisschwierigkeiten und Übereilung durch die Einführung der Textform für Vertragsänderungen ausgehebelt, obwohl auch dieser nach dem Diskussionsentwurf mit § 578a Abs. 1 BGB-E bezweckt wird.123 Einem Dokument in Textform kommt im Hinblick auf § 416 ZPO ein geringerer Beweiswert als einer von beiden Parteien unterzeichneten schriftlichen Vertragsurkunde zu.124 Die Beweisfunktion ist daher herabgesetzt. Gleiches gilt für die Warnfunktion. Die Vertragschließenden werden durch das Absenden einer elektronischen Nachricht nicht gleichermaßen vor den weitreichenden Folgen ihrer Erklärung gewarnt wie durch eine eigenhändige Unterzeichnung auf einer Vertragsurkunde, die ihnen die mit ihrer Unterschrift einhergehenden Verpflichtungen vor Augen führt. Da die Vertragsparteien in beiden Fällen gleichermaßen schutzbedürftig sind, sollte nicht zwischen dem Abschluss und der Änderung eines Gewerberaummietvertrags differenziert werden.125 Das Bundesjustizministerium begründet die Textform für Änderungsvereinbarungen damit, dass sie den Bedürfnissen der Vertragsparteien entspreche.126 Ob 117

BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 3 f. So auch: Lindner-Figura/Sittner, NJW 2022, 1064 Rn. 24; Neumann, ZRP 2022, 9, 11; Schweitzer, NZM-info Heft 22/2021, V, VI. 119 Neumann, ZRP 2022, 9, 11. 120 Siehe zur aktuellen Rechtslage § 2 C. II. 1. b) cc). 121 Neumann, ZRP 2022, 9, 11; Schweitzer, NZM-info Heft 22/2021, V, VI. 122 Schweitzer, NZM-info Heft 22/2021, V, VI. 123 Siehe BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 7 zur Warn- und Beweisfunktion von § 578a Abs. 1 BGB-E zum Schutz der Mietvertragsparteien. 124 Siehe dazu Häublein, JZ 2018, 755, 761. 125 So auch eid e.V., Stellungnahme, S. 5 f. 126 BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 7. 118

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B. Bisherige Reformvorschläge

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überhaupt ein Bedürfnis dafür besteht, die häufig komplexen und umfangreichen Änderungsvereinbarungen in Gewerberaummietverträgen per E-Mail, SMS oder Messenger-Nachricht zu schließen, darf jedoch infrage gestellt werden.127 c) Systematische Besonderheiten des § 578a BGB-E Zudem begegnet die Regelung des § 578a BGB-E einigen systematischen Bedenken. So ist es ungewöhnlich, dass gesetzliche Regelungen andere Formanforderungen und Sanktionen für den Abschluss und die Änderung eines Vertrages vorsehen. Insbesondere auch deshalb, da das weniger strenge Textformerfordernis in § 578a Abs. 2 BGB-E die radikalste Sanktion für Formverstöße vorsieht, nämlich die Nichtigkeit der Änderungsvereinbarung, während ein Verstoß gegen das strengere Schriftformerfordernis in § 578a Abs. 1 BGB-E nur die Befristungsabrede unwirksam werden lässt.128 Bei Umsetzung des Diskussionsentwurfes ergäbe sich daher das kuriose Ergebnis, dass ein langfristiger Gewerberaummietvertrag (bis auf die Befristungsabrede) wirksam ohne Wahrung jeglicher Form abgeschlossen werden könnte, während eine Änderung dieses Vertrages nur wirksam wäre, wenn die Textform eingehalten wäre.129 Die Vertragsparteien könnten ferner § 578a Abs. 2 BGB-E umgehen, indem sie nicht den Mietvertrag ändern oder ergänzen, sondern ihn gänzlich aufheben (was formfrei möglich ist)130 und ihn anschließend neu schriftlich abschließen.131 Das Textformerfordernis unterläge mithin der Disposition der Vertragsparteien, was für eine Formvorschrift (insbesondere mit drittschützender Wirkung) ungewöhnlich ist.132 d) Drohende Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB und Rückabwicklung Wenn Formfehler in Änderungsvereinbarungen zu deren Nichtigkeit führen, können damit praktische Probleme einhergehen, die der Diskussionsentwurf nicht thematisiert. Der Diskussionsentwurf äußert sich insbesondere nicht dazu, inwieweit die Nichtigkeit einer Änderungsvereinbarung wegen der Regelung des § 139 BGB Auswirkungen auf einen bislang wirksamen Mietvertrag hat.133 Nach § 139 BGB ist im Zweifel das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn ein Teil des Rechtsgeschäfts nichtig ist. Obwohl der Wortlaut der Norm dies nicht zwingend vorschreibt, hat der Bundesgerichtshof in einem obiter dictum ohne nähere Begründung angemerkt, dass auch eine formnichtige Änderungsvereinbarung im Zweifel zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führt.134 Nach dieser Rechtspre-

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So auch Schweitzer, NZM-info Heft 22/2021, V, VI. BFW, Stellungnahme, S. 4; DMT, Stellungnahme, S. 3. 129 Schweitzer, NZM-info Heft 22/2021, V, VI. 130 Siehe § 2 C. II. 1. b) aa). 131 Eid e.V., Stellungnahme, S. 5. 132 Eid e.V., Stellungnahme, S. 5. 133 Diese Kritik findet sich auch bei DMT, Stellungnahme, S. 3. 134 BGH NJW 2018, 3523 Rn. 17 im Zusammenhang mit § 311b BGB; die Frage, ob § 139 128

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chung könnten formwidrige Änderungsvereinbarungen den gesamten Mietvertrag zu Fall bringen. In diesem Fall wären die Auswirkungen von Formfehlern in Änderungsvereinbarungen gerade nicht, wie vom Diskussionsvorschlag beabsichtigt, auf diese beschränkt.135 Auch würde bis zur abschließenden gerichtlichen Klärung, ob die Gesamtnichtigkeit unter Würdigung aller Umstände nach § 139 BGB anzunehmen ist, eine erhebliche Rechtsunsicherheit bei den Vertragsparteien bestehen.136 Ein insgesamt nichtiger Mietvertrag würde auch den Interessen aller Beteiligten widersprechen und zu erheblicher Planungsunsicherheit für Erwerber und die Vertragsparteien führen. Außerdem würden bereicherungsrechtliche Ansprüche drohen.137 Dies insbesondere, wenn der Formmangel erst Jahre nach Abschluss der Änderungsvereinbarung entdeckt wird. Auch wenn es sich bei einem in Vollzug gesetzten nichtigen Gewerberaummietvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt, hat der Bundesgerichtshof es nämlich abgelehnt, die aus dem Arbeits- oder Gesellschaftsrecht bekannten Besonderheiten zur Beschränkung der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung auf Gewerberaummietverträge zu übertragen.138 Man müsste daher gesetzlich zumindest anordnen, dass § 139 BGB keine Anwendung finden soll.139 Aber auch wenn der Mietvertrag nach § 139 BGB nicht insgesamt, sondern nur im Hinblick auf die Änderungsvereinbarung, nichtig ist, könnten sich einige praktische Probleme ergeben.140 Diese sind mit denen vergleichbar, die sich bei dem von der Gesetzesinitiative des Bundesrats vorgesehenen Widerspruchsrecht des Mieters ergeben könnten.141 Dies beispielsweise dann, wenn die angemietete Fläche ohne Wahrung der Textform reduziert und die freigewordene Mietfläche bereits an einen Dritten weitervermietet wurde. Da die Vereinbarungen des ursprünglichen Vertrags weiterhin gelten, wäre der Vermieter verpflichtet, die ursprünglich geschuldete Mietfläche zur Verfügung zu stellen, wozu er wegen der Weitervermietung jedoch nicht in der Lage sein wird.142

BGB auch bei formwidrigen Änderungsvereinbarungen Anwendung findet, wurde zunächst offengelassen von OLG München, Urteil vom 14.08.2018, 9 U 3345/17 Bau, BeckRS 2018, 43199 Rn. 21. 135 BMJV, Diskussionsentwurf Oktober 2021, S. 4 und 8. 136 BGH NJW 2018, 3523 Rn. 17. 137 Bundesverband WindEnergie e.V, Stellungnahme, S. 6; HDE, Stellungnahme, S. 3; ZIA, Stellungnahme, S. 13. 138 BGH NJW 2009, 1266, 1268. 139 DAV, Stellungnahme, S. 7 schlägt die Ergänzung des § 578a Abs. 2 BGB-E um folgende Sätze vor: „Wird die Form nicht beachtet, so ist der Nachtrag nichtig. Die Wirksamkeit des Mietvertrages im Übrigen bleibt davon unberührt.“; DMT, Stellungnahme, S. 3; HDE, Stellungnahme, S. 6. 140 Dazu auch: DAV, Stellungnahme, S. 7; DMT, Stellungnahme, S. 3; HDE, Stellungnahme, S. 3 f. 141 Siehe dazu § 5 B. II. 5. c) aa). 142 Dieses Beispiel einer drohenden Doppelvermietung nennt auch DAV, Stellungnahme, S. 7 f.

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e) Fazit zum Diskussionsentwurf Dem Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums liegen – anders als dem Reformvorschlag des Bundesrats – mehrere Schutzzwecke zugrunde. Dabei wird die Planungssicherheit hinsichtlich der Laufzeit von Gewerberaummietverträgen in den Mittelpunkt gerückt. So kann der Diskussionsentwurf erreichen, dass der für die Planungssicherheit problematischen Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Boden entzogen wird. Liegt hingegen bereits im ursprünglichen Mietvertrag ein Formfehler vor, kann die Neuregelung jedoch nicht verhindern, dass dieser durch eine Schriftformkündigung vorzeitig beendet werden kann. Die vom Bundesjustizministerium mit dem Diskussionsentwurf ebenfalls verfolgten weiteren Schutzzwecke (namentlich das Informationsinteresse potenzieller Erwerber und der Schutz der Vertragsparteien vor übereilten Vertragsschlüssen und Beweisschwierigkeiten) werden zurückgedrängt. Außerdem sieht der Diskussionsentwurf die Nichtigkeit von Änderungsvereinbarungen vor, die nicht mindestens der Textform entsprechen, ohne sich jedoch zu den daraus ergebenden Konsequenzen zu verhalten. Der Diskussionsentwurf vom 26. Oktober 2021 vermag daher (zumindest in seiner derzeitigen Fassung) ebenfalls nicht, für einen angemessen Interessenausgleich zu sorgen und eine befriedigende Rechtslage herbeizuführen.

C. Eigener Reformvorschlag Es soll nun ein eigener Reformvorschlag auf Grundlage der Erkenntnisse, die aus dem Rechtsvergleich mit dem englischen Recht gewonnen wurden, unterbreitet werden.

I. Trennung der beiden Schutzzwecke Der Rechtsvergleich hat die Nachteile aufgezeigt, die damit verbunden sind, dass § 550 BGB den Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber mit dem Schutz der Mietvertragsparteien vermengt.143 So ist dieser einheitliche Lösungsansatz der Grund für erhebliche Planungsunsicherheiten. Außerdem führt das herrschende dualistische Schutzzweckverständnis zu kontraintuitiven Schriftformanforderungen, wodurch Laien kaum noch in der Lage sind, die Schriftform einzuhalten. Ferner bestehen erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich des Rangverhältnisses der Schutzzwecke, die die Auslegung der Norm erschweren. Schließlich hat der Vorrang des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber Lücken im Schutz der Mietvertragsparteien zur Folge. Der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber und der Schutz der Mietvertrags-

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Siehe ausführlich dazu § 4 D. III.

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parteien sollten nach der hier vertretenen Ansicht daher nicht mehr einheitlich durch eine Norm gelöst, sondern vielmehr – wie im englischen Recht – voneinander getrennt geregelt werden. Entgegen einiger Reformvorschlägen sollte bei einer Reform des § 550 BGB – ebenfalls wie im englischen Recht – am Schutz der Vertragsparteien festgehalten werden, da diese bei langfristigen Mietverträgen schutzbedürftig sind.144 Zu deren Schutz soll – wie bisher und auch wie im englischen Recht – eine Formvorschrift eingesetzt werden. Das Gesetz sollte weiterhin vorschreiben, dass langfristige Mietverträge schriftlich geschlossen werden müssen. Um den beabsichtigten Schutz der Mietvertragsparteien effektiv erreichen zu können, sollte dies der einzige Schutzzweck der Formvorschrift sein. Die Formvorschrift sollte gerade nicht dazu dienen, dass Erwerber sich über die Bedingungen des Mietvertrags informieren können. Dies sollte vielmehr den Erwerbern selbst überlassen werden. Durch die Abspaltung des Schutzes des Informationsinteresse und eine Auslagerung in den Verantwortungsbereich der Käufer wird die Trennung der beiden Schutzzwecke erreicht.

II. Kein Schutz des Informationsinteresses durch Formvorschrift § 550 BGB in seiner bisherigen Fassung liegt die Annahme zugrunde, dass Erwerber sich nur über eine schriftliche Vertragsurkunde verlässlich über den Inhalt eines Mietvertrags informieren können.145 Falls keine schriftliche Vertragsurkunde vorliegt, soll der Erwerber die Mietverträge kündigen können. Die bislang unter § 550 BGB nur sehr geringe Wahrnehmung der Kündigungsmöglichkeit durch den Erwerber146 kann jedoch als Indiz gewertet werden, dass Erwerber in der Regel kein Interesse an einer vorzeitigen Kündbarkeit haben. Zudem kann die vom Gesetzgeber gewählte Lösung zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen für eine Partei führen und verursacht eine hohe Planungsunsicherheit.147 Der Ansatz des deutschen Rechts hat sich damit nicht bewährt. Es sollte daher nicht weiter daran festgehalten werden, den Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber über eine Formvorschrift zu schützen, die es ermöglicht, sich vorzeitig von dem Mietvertrag zu lösen. Vorschläge, die das Kündigungsrecht beibehalten und auf den Erwerber beschränken wollen, führen nicht dazu, die mit der aktuellen Rechtslage verbundenen Nachteile zufriedenstellend zu lösen. Vielmehr bedarf es einer grundlegenderen Reform des § 550 BGB. Der deutsche Gesetzgeber sollte erkennen, dass keine zwingende Notwendigkeit besteht, den Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber über eine Formvorschrift zu bezwecken.148 Die systematische Verbindung zwischen § 566 144

Siehe dazu auch § 2 A. II. 2 und § 5 B. II. 5. a). Siehe § 2 A. I. 146 Siehe § 1 A. 147 Siehe § 1 A und § 4 D. II. 2. a). 148 So auch: Bork, BB 2020, 1481, 1490; Häublein, JZ 2018, 755, 760. 145

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C. Eigener Reformvorschlag

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Abs. 1 BGB und dem Schriftformerfordernis sollte aufgegeben werden. Der Erwerber sollte auf anderweitige Informationsquellen zurückgreifen, vor allem auf Auskünfte des Veräußerers. 1. Wertung des englischen Rechts zur Verlässlichkeit von Auskünften Als Vorbild kann das englische Recht herangezogen werden, das es vollständig den Erwerbern überlässt, sich bei den Verkäufern über die lease terms zu informieren.149 Der das englische Vertragsrecht durchdringende Grundsatz caveat emptor steht dabei in starken Kontrast zu Grundpfeilern des deutschen Vertragsund Kaufrechts, sodass ein vollständiger Transfer des englischen Lösungsansatzes in das deutsche Recht problematisch erscheint. Dies ist auch mit dem hier unterbreiteten Reformvorschlag nicht beabsichtigt. In das deutsche Recht übertragen werden soll lediglich die Wertung der englischen Rechtsordnung, Auskünfte des Verkäufers als verlässlich anzusehen, insbesondere vor dem Hintergrund der Informationshaftung.150 Auch in Deutschland können sich Erwerber auf die vom Verkäufer bereitgestellten Informationen verlassen und ihn bei Falschinformationen in Anspruch nehmen.151 2. Gesetzlicher Schutz des Erwerbers Erwerber wären in Deutschland auch nicht völlig auf sich gestellt, wenn deren Informationsinteresse nicht mehr durch eine Formvorschrift geschützt würde. Dazu müssen die bereits in der geltenden Rechtslage neben § 550 BGB bestehenden Schutzmechanismen der Erwerber stärker betont werden. Zum einen werden Erwerber dadurch geschützt, dass sie bei falschen oder auch ggf. bei unvollständigen Informationen über die Mietbedingungen den Verkäufer in Anspruch nehmen können.152 Ansprüche des Erwerbers aus culpa in contrahendo kommen zum einen in Betracht, wenn der Verkäufer den Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrages falsch über die Mietkonditionen informiert hat. Zum anderen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn der Verkäufer gegenüber dem Erwerber nachteilhafte Vereinbarungen mit dem Mieter verschweigt.153 Verkäufer schulden dem Erwerber aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB entsprechende Aufklärungspflichten. Dies beispielsweise dann, wenn der Verkäufer dem Mieter eine einseitige Verlängerungsoption eingeräumt hat oder die Parteien eine Reduktion der Miete für einen Zeitraum nach dem Erwerb vereinbart haben.154 Neben Ansprüchen aus culpa in contrahendo kommen auch Gewährleistungsrechte in Be149

Siehe § 3 D. II. Siehe zu dieser Wertung des englischen Rechts § 4 C. II. 2. a). 151 Siehe § 2 C. II. 2. a). 152 Siehe § 2 C. II. 2. a). 153 BGHZ 200, 98 Rn. 27; BGHZ 216, 68 Rn. 29. Siehe hierzu vertiefend § 2 C. II. 2. a). 154 Siehe § 2 C. II. 2. a). 150

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tracht.155 Nach Übergabe der Kaufsache verdrängen die kaufrechtlichen Regelungen Ansprüche aus vorvertraglicher Schutzpflichtverletzung. Letztere können nach Übergabe der Kaufsache nur dann geltend gemacht werden, wenn der Verkäufer arglistig gehandelt hat.156 Hat der Verkäufer den Erwerber arglistig über die Mietkonditionen getäuscht, kommen darüber hinaus auch deliktische Schadensersatzansprüche und ein Anfechtungsrecht des Erwerbers bezüglich des Kaufvertrags in Betracht.157 Zum anderen werden Erwerber auch dadurch geschützt, dass sie nach § 566 Abs. 1 BGB nicht an sämtliche Vereinbarungen gebunden werden, die zwischen Mieter und Vermieter geschlossen wurden.158 Insbesondere müssen Erwerber auch nicht fürchten, dass sie in Vereinbarungen zwischen Vermieter und Mieter eintreten, die diese mit der Absicht getroffen haben, dem Erwerber zu schaden. Ein solches kollusives Zusammenwirken von Mieter und Vermieter zum Nachteil eines Erwerbers würde dazu führen, dass entsprechende Abreden nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig und Erwerber daran nicht gebunden wären.159 Aber auch wenn die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB nicht vorliegen, kann es Mietern in Einzelfällen zumindest auch nach § 242 BGB verwehrt sein, sich auf für Erwerber nachteilhafte Vereinbarungen zu berufen.160 Damit sieht das Gesetz auch ohne Formvorschrift einen ausreichenden Mindestschutz für Erwerber vor. 3. Ausreichende vertragliche Schutzmöglichkeiten für Erwerber In der Rechtspraxis verpflichten sich in beiden Ländern die Verkäufer im Kaufvertrag regelmäßig dazu, alle Absprachen aus dem Mietverhältnis in dem Kaufvertrag offenzulegen.161 Käufer sind – unabhängig davon, ob die Rechtsordnung einen gesetzlichen Schutz vorsieht – regelmäßig in der Lage, sich vertraglich versichern zu lassen, dass alle Absprachen offengelegt wurden. Käufer können daher für ihren eigenen Schutz sorgen. Erwerber in Deutschland können sich auch weiterhin durch Garantien absichern, auch wenn keine Formvorschrift mehr existiert, die ihrem Schutz dient.162 Eine gewisse Sicherheit kann – insbesondere in größeren Transaktionen – auch eine Due-Diligence-Prüfung bieten.163

155

Siehe § 2 C. II. 2. a) und § 2 C. II. 2. b). Siehe § 2 C. II. 2. c). 157 Siehe § 2 C. II. 2. d). 158 Häublein, JZ 2018, 755, 760. Für eine Darstellung, an welche Absprachen ein Erwerber gebunden wird, siehe § 2 C. I. 159 Häublein, JZ 2018, 755, 760. 160 Nach Häublein, JZ 2018, 755, 760 könnte dies der Fall sein, wenn Mieter die mietvertraglichen Absprachen auf Nachfrage eines potenziellen Erwerbers vor Abschluss des Kaufvertrags nicht offengelegt haben. 161 Siehe § 4 C. III. 162 Bork, BB 2020, 1481, 1490; Lindner-Figura/Reuter, NJW 2020, 1039, 1042; ZIA, Stellungnahme, S. 15; siehe dazu auch § 2 C. II. 3. 163 Bork, BB 2020, 1481, 1490; ZIA, Stellungnahme, S. 15. 156

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C. Eigener Reformvorschlag

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4. Anreize zur Vorlage einer Mietvertragsurkunde Eine wie von Häublein vorgeschlagene ausdrückliche und schadensersatzbewehrte Verpflichtung des Verkäufers, alle Vereinbarungen mit dem Mieter schriftlich dem Käufer zu übergeben, hätte zwar eine „Anreizwirkung“164 für Veräußerer, den Inhalt der Mietverträge umfassend zu dokumentieren und gegenüber Erwerbern offenzulegen. Allerdings bedarf es einer solchen Norm wegen der ohnehin bestehenden Ansprüche aus culpa in contrahendo nicht.165 Auch ohne eine ausdrückliche Vorschrift werden einem Verkäufer ausreichend Anreize gesetzt, Erwerber umfassend über die vertraglichen Absprachen aus dem Mietverhältnis durch Vorlage der Mietverträge zu informieren. So dürfte es für einen Verkäufer auch weiterhin die beste und einfachste Möglichkeit sein, dem Käufer schriftliche Mietverträge zu übermitteln, um diesen nachweisbar und umfassend über deren Inhalt zu unterrichten.166 Aus diesem Grund würden Veräußerer wohl die schon jetzt übliche Praxis der Zurverfügungstellung der Mietvertragsunterlagen beibehalten, auch wenn das Gesetz keine Formvorschrift zum Schutz potenzieller Erwerber mehr vorsähe.167 So werden vor allem für den Vermieter Anreize gesetzt, alle mietvertraglichen Absprachen möglichst umfassend und beweissicher – spätestens im Verkaufsfall – zu dokumentieren, um potenzielle Erwerber über alle Absprachen informieren zu können. Ein weiterer Anreiz wird durch eine neu einzuführende Formvorschrift gesetzt, nach der Mietverträge ohnehin zum Schutz der Mietvertragsparteien schriftlich geschlossen werden müssen. Es ist daher zu erwarten, dass rational handelnde Vermieter potenziellen Erwerbern weiterhin eine schriftliche Vertragsurkunde vorlegen, aus der sich diese über den Inhalt der Mietverträge informieren können. Daher kann auf eine ausdrückliche Haftungsnorm verzichtet werden. Gestützt wird dies auch durch einen Vergleich mit dem englischen Recht, dem eine spezielle Haftungsnorm für eine misrepresentation in Bezug auf lease terms fremd ist. Dies ist für eine Fallrechtsordnung wie England nicht ungewöhnlich. Allerdings arbeitet das englische Recht im Bereich der Informationshaftung durchaus mit statutory rules, wie sich anhand des Act of Misrepresentation 1967 zeigt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Schutz des Informationsinteresses nicht mehr durch eine Formvorschrift geschützt werden muss. Die deutsche Rechtsordnung sollte – wie auch die englische Rechtsordnung – keinen spezifischen Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber durch das Gesetz vorsehen.

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Häublein, JZ 2018, 755, 761. Siehe § 5 B. I. 1. 166 Häublein, JZ 2018, 755, 761. 167 Häublein, JZ 2018, 755, 761. 165

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III. Schutz der Mietvertragsparteien durch eine Formvorschrift Die Mietvertragsparteien sollen durch eine neu einzuführende Formvorschrift geschützt werden. Diese Formvorschrift soll nur dem Schutz der Mietvertragsparteien dienen, um die beabsichtigte Trennung der Schutzzwecke umzusetzen. Das Informationsinteresse potenzieller Erwerber soll bei der Auslegung der Formvorschrift daher völlig unberücksichtigt bleiben, um einen umfassenden Schutz der Vertragsparteien zu gewährleisten. Es stellt sich die Frage nach der Ausgestaltung dieser Formvorschrift. 1. Konstitutives Schriftformerfordernis In Anlehnung an das Schriftformerfordernis englischer Mietverträge in sec. 2(1) LPMPA 1989 soll die Schriftform eine Wirksamkeitsvoraussetzung von langfristigen Mietverträgen über Immobilien in Deutschland sein. Wird ein langfristiger Mietvertrag formwidrig geschlossen, soll dieser nicht nur vorzeitig ordentlich kündbar, sondern nach § 125 S. 1 BGB nichtig sein. Der Mieter kann den Vermieter dann nicht mit rechtlichen Mitteln dazu zwingen, ihm die Mietsache zu überlassen. Der Vermieter wiederum hat keine Möglichkeit, Mietzahlungen vom Mieter nach angebotener, aber verweigerter Überlassung zu verlangen. So wird ein Anreiz für beide Vertragsparteien gesetzt, auf die Einhaltung der Schriftform zu bestehen. Da bei Schriftformfehlern keine vertraglichen Verpflichtungen entstehen, bietet dies im Vergleich zur Rechtsfolge des derzeitigen § 550 BGB einen höheren und effektiveren Schutz der Vertragsparteien.168 Aus der Nichtigkeitsfolge ergeben sich jedoch einige Folgefragen, die näher untersucht werden sollen. a) Heilungsmöglichkeit durch Übergabe So stellt sich die Frage, wie mit formwidrigen Mietverträgen umzugehen ist, bei denen die Mietvertragsparteien trotz der fehlenden rechtlichen Verpflichtung die Mietsache übergeben und den formnichtigen Mietvertrag möglicherweise über Monate oder sogar Jahre ausgeführt haben. Würde man es bei der bloßen Nichtigkeit des Mietvertrags belassen, hätte der vermeintliche Mieter kein Recht zum Besitz, sodass der Vermieter jederzeit die Herausgabe der Mietsache nach § 985 BGB169 und § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB verlangen könnte. Mieter könnten im Falle einer Formnichtigkeit des Mietvertrags jederzeit die zur Fortführung des Unternehmens benötigten Betriebsräume verlieren und für den Vermieter könnten plötzlich die für die Finanzierung wichtigen Mieteinnahmen wegfallen. Dies würde zu einer sehr hohen Planungsunsicherheit für beide Vertragsparteien und auch für Erwerber führen, zumal diese nicht in formnichtige Mietverträge nach § 566 Abs. 1 BGB eintreten würden. 168 Siehe § 4 D. I zu den Vorteilen einer Nichtigkeitsanordnung gegenüber der Rechtsfolge des derzeitigen § 550 BGB. 169 Vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 27.01.2011, 18 U 145/09, BeckRS 2011, 20127.

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Um auch mit einer angeordneten Nichtigkeitsfolge bei Formfehlern Planungssicherheit für die Beteiligten zu erreichen, sollte das englische Recht abermals als Vorbild genommen werden. Dieses sieht einen Rückabwicklungsausschluss vor, wenn die lease trotz eines formnichtigen lease agreement bestellt wurde.170 Da im deutschen Recht der Mieter kein abstraktes, vom Mietvertrag losgelöstes dingliches Mietrecht an der Mietsache erlangt, reicht ein Rückabwicklungsausschluss nicht aus. Vielmehr bedarf es einer Heilungsvorschrift, wonach langfristige Mietverträge trotz Formfehler dennoch wirksam werden können. Eine im Zusammenhang mit Immobilien bekannte Heilungsvorschrift im deutschen Recht ist § 311b Abs. 1 S. 2 BGB, durch die dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach Rechtssicherheit an dem Bestand der dinglichen Rechtsänderung entsprochen werden soll.171 Mietverträge weisen – trotz ihres grundsätzlich obligatorischen Charakters – durch die Vorschrift des § 566 Abs. 1 BGB eine Nähe zu dinglichen Rechten auf, indem sie nicht nur die Vertragspartner, sondern bei einem Verkauf auch den Erwerber binden.172 Dazu muss ein Mietvertrag auch das für dingliche Rechte typische Publizitätselement aufweisen.173 Im Verkaufsfall entfaltet ein Mietvertrag, bei dem der Mieter im Besitz der Mieträume ist, daher Wirkungen wie ein dingliches Recht.174 Da Mietverträge allen Erwerbern gegenüber nach § 566 Abs. 1 BGB entgegengesetzt werden können, hat neben dem Mieter oder der finanzierenden Bank auch der Rechtsverkehr ein Interesse daran, dass Mietverträge rechtssicher bestehen. Dies gilt zumindest dann, wenn der Mieter im Besitz der Mietsache ist und Erwerber nach § 566 Abs. 1 BGB in den Mietvertrag eintreten. Für die Heilungsmöglichkeit sollte daher auf den Zeitpunkt der Überlassung der Mietsache an den Mieter abgestellt werden. An die Überlassung hat ebenfalls ALR, I, 21, § 269 angeknüpft, um formwidrige und damit nicht durchsetzbare Verträge für ein Jahr gültig werden zu lassen.175 Die Überlassung der Mietsache an den Mieter stellt auch eine vergleichbar wichtige Zäsur wie die Übereignung in § 311b Abs. 1 S. 2 BGB dar. So erlangt der Mieter erst mit Besitzerlangung die Besitzschutzrechte aus §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB, § 861 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 1 BGB (der berechtigte Besitz als sonstiges Recht). Auf diese Ansprüche und die mit Besitzerlangung beginnende Wirkung des § 566 Abs. 1 BGB hat das Bundesverfassungsgericht maßgeblich abgestellt, um das Besitzrecht eines Mieters als von der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG erfasst anzusehen.176

170

Siehe § 3 C. II. 1. a). Siehe § 4 B. II. 2. 172 Siehe § 4 C. I. 173 Siehe § 4 C. I. 174 Siehe § 4 C. I 175 Näheres dazu siehe § 4 C. II. 2. b). 176 BVerfGE 89, 1, 5 ff. 171

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Übergibt der Vermieter die Mietsache an den Mieter und nimmt dieser die Mietsache an, obwohl der Mietvertrag formnichtig ist, tritt der Schutz der Vertragsparteien nach Übereilung und Schutz vor Beweisschwierigkeiten hinter dem Interesse des Rechtsverkehrs am Bestand des Mietvertrags zurück. Die gleiche Wertung trifft das englische Recht, wenn trotz eines formnichtigen lease agreements die Parteien wirksam eine lease bestellen.177 Schließen die Vertragsparteien daher überhastet oder ohne beweissichere Dokumentation einen folgenschweren Mietvertrag mit langer Vertragslaufzeit, können sie bis zur Übergabe entscheiden, ob sie sich durch diesen verpflichten wollen oder nicht. Führen sie den formnichtigen Mietvertrag durch die Überlassung aus, hat ihnen das Gesetz einen ausreichenden Schutz vor übereilten Vertragsschlüssen und Beweisschwierigkeiten geboten. b) Formbedürftigkeit aller Absprachen Die neu einzufügende Formvorschrift sollte sich darüber hinaus wegen der Sachnähe des Wohn- und Gewerberaummietrechts zu Grundstücken an § 311b Abs. 1 BGB orientieren. So könnte bei Zweifeln über die Auslegung auf die bisherige Rechtsprechung und Literatur zu § 311b Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden. So kann beispielsweise für die Frage, welche Absprachen überhaupt schriftformbedürftig sind, auf die zu § 311b Abs. 1 S. 1 BGB entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Eine Forderung, die Lammel bereits zum derzeitigen § 550 BGB stellt.178 Formbedürftig sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 311b Abs. 1 S. 1 BGB „alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Vertragspartner das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt“179. Die mit Rechtsunsicherheiten verbundene und für Vertragsparteien kontraintuitive Abgrenzung beim derzeitigen § 550 BGB zwischen – aus der Sicht eines potenziellen Erwerbers – wesentlichen und unwesentlichen Absprachen würde damit entfallen. c) Änderungsvereinbarungen Während bei dem derzeitigen § 550 BGB nach wesentlichen und unwesentlichen Änderungen differenziert wird, müssen nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich alle Änderungen von bereits beurkundeten Absprachen ebenfalls in Urkundsform getroffen werden.180 Der Bundesgerichtshof sieht eine Ausnahme für

177

Siehe dazu § 3 C. II. 1. a). Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 BGB Rn. 5 und 33. Siehe dazu auch § 2 B. I. 2. b). 179 BGHZ 63, 359, 361 m. w. N.; BGHZ 69, 266, 268; BGHZ 74, 346, 348; BGH NJW 1984, 974, 975; vgl. auch mit ähnlicher Formulierung BGH NJW 2018, 3523 Rn. 5. 180 BGH NJW 2018, 3523 Rn. 5 m. w. N.; BeckOGKBGB/Schreindorfer, § 311b Rn. 237; BeckOKBGB/Gehrlein, § 311b Rn. 27; MüKoBGB/Ruhwinkel, § 311b Rn. 66; für eine Darstellung des Streits um die Beurkundungsbedürftigkeit von Änderungsvereinbarungen siehe BeckOGKBGB/Schreindorfer, § 311b Rn. 234 ff. 178

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C. Eigener Reformvorschlag

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Absprachen vor, „wenn sie lediglich der Beseitigung einer bei der Abwicklung des Geschäfts unvorhergesehen aufgetretenen Schwierigkeit dienen, ohne die beiderseitigen Verpflichtungen wesentlich zu verändern“181. Auch sind Vertragsänderungen nicht mehr formbedürftig, wenn eine nach § 873 Abs. 2 BGB bindende Auflassung erklärt wurde.182 Diese Ausnahmen sind auf Kaufverträge als Schuldverhältnisse mit einmaliger Leistungspflicht zugeschnitten. Bei einem Mietvertrag handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis mit andauernden Pflichten, sodass insoweit ein Strukturunterschied zu § 311b BGB vorliegt. Die Ausnahmen zu Änderungsvereinbarungen können daher nicht auf Mietverträge übertragen werden. Änderungen von bereits schriftlich festgehaltenen Absprachen, die sich für eine gewisse Zeit auswirken, sollten daher in jedem Fall schriftformbedürftig sein. Bei Missachtung der Schriftform wären sie unwirksam und das bisher Vereinbarte würde unverändert weiter gelten. So könnte die problematische Infektionsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgegeben werden. Die Folgen von Formfehlern würden damit – wie auch im englischen Recht183 – auf die Nachtragsvereinbarung begrenzt werden. d) Heilung von formwidrigen Änderungsvereinbarungen Formnichtige Änderungsvereinbarungen könnten zu Problemen führen, wenn die Vertragsparteien feststellen, dass eine vor Jahren getroffene Änderungsvereinbarung formnichtig ist und sich die Änderung nicht ohne Weiteres rückgängig machen lässt. Es sollte daher ebenfalls eine Heilungsmöglichkeit für formnichtige Änderungsvereinbarungen geben. Dazu ist zwischen Nachtragsvereinbarungen zu unterscheiden, die vor und solchen, die nach Überlassung der Mietsache getroffen wurden. Änderungsvereinbarungen, die vor der Auflassung getroffen wurden und nicht die Form des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB wahren, werden durch die Auflassung nach § 311b Abs. 1 S. 2 BGB geheilt.184 Überträgt man dies auf die neu einzufügende Formvorschrift für Mietverträge, können formwidrige Änderungen, die vor der Überlassung der Mieträume vereinbart wurden, ebenfalls durch Überlassung der Mietsache geheilt werden. Für Änderungsvereinbarungen nach Überlassung kann an die Vollziehung der formnichtigen Änderungsvereinbarung angeknüpft werden. Da eine Verpflichtung nicht wirksam begründet wurde, kann keine Vertragspartei rechtlich durchsetzen, dass die vereinbarte Änderung umgesetzt wird. Führen die Vertragsparteien die Änderungen im beidseitigen Einverständnis durch, obwohl

181

BGH NJW 2018, 3523 Rn. 5 m. w. N. BGH NJW 2018, 3523 Rn. 11 ff. m. w. N. 183 Siehe § 3 C. II. 1. b). 184 Näheres dazu siehe: BGH NJW 2018, 3523 Rn. 18; BeckOGKBGB/Schreindorfer, § 311b Rn. 350. 182

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§ 5 Reform des § 550 BGB

dazu keine wirksame vertragliche Verpflichtung besteht, überwiegt das Interesse des Rechtsverkehrs am rechtssicheren Bestand der ausgeführten Änderungsvereinbarungen den Schutz der Mietvertragsparteien. Vereinbaren diese beispielsweise mündlich, dass die Mietfläche reduziert werden soll, wird der Formmangel durch Übergabe der nunmehr nicht mehr angemieteten Fläche an den Vermieter geheilt. Ebenfalls kann bei einer geänderten Miethöhe eine Heilung dadurch eintreten, dass der Mieter die geänderte Miete an den Vermieter zahlt und dieser dem nicht widerspricht. Für den vorzuschlagenden Gesetzestext muss eine Formulierung gewählt werden, die auf die Vielfalt der möglichen Änderungsvereinbarungen Rücksicht nimmt. Es bietet sich an, die Heilung von Formmängeln in Nachtragsvereinbarung vorzusehen, wenn die vereinbarte Änderung im Einverständnis der Vertragsparteien „vollzogen“ wird. Bei der „Vollziehung“ einer Änderungsvereinbarung handelt es sich um einen auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff, der in den Gesetzesmaterialien anhand der genannten Beispiele konkretisiert werden sollte. Schwierigkeiten kann diese Heilungsmöglichkeit dann bereiten, wenn es sich nicht um derart einfach gelagerte Änderungsvereinbarungen handelt oder dem Mieter ein Recht eingeräumt werden soll, das dieser erst in Zukunft nutzen möchte. So beispielsweise eine einseitige Verlängerungsoption des Mieters oder die nunmehr gewährte Befugnis, ebenfalls Abfälle auf dem Grundstück zu lagern. Daher soll eine zeitliche Höchstgrenze vorgesehen werden, nach welcher ein Formmangel geheilt wird, wenn sich keine der Vertragsparteien auf diesen beruft. In Anlehnung an § 545 BGB und die Widerrufsfrist in § 355 Abs. 2 BGB könnte den Vertragsparteien eine zweiwöchige Frist eingeräumt werden, um die Änderungsvereinbarung auf Schriftformfehler zu überprüfen und sich gegenüber dem Vertragspartner darauf zu berufen. Die Frist beginnt dabei ab dem Zeitpunkt der Einigung über die Änderungen zu laufen, unabhängig davon, ob die Parteien den Schriftformfehler kennen oder nicht. Das Berufen auf die Formnichtigkeit stellt – wie die Erklärung des entgegenstehenden Willens in § 545 BGB – eine einseitige, empfangsbedürftige, nicht formbedürftige Willenserklärung dar.185 Eine Vertragspartei muss dabei für den Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck bringen, dass sie wegen des Formmangels nicht an die Änderung des Mietvertrags gebunden sein möchte. Für eine Übernahme des Widerspruchsmodells aus § 545 BGB spricht auch, dass für Einzelfragen auf die dazu ergangene Judikatur zurückgegriffen werden kann. Einen ähnlichen Vorschlag hat der Handelsverband Deutschland in seiner Stellungnahme zum Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums unterbreitet, wonach die Nichtigkeit der Änderungsvereinbarung nur dann eintreten soll, „wenn sich eine Partei auf den Formfehler beruft.“186

185 186

MüKoBGB/Bieber, § 545 Rn. 12; Gramlich, Mietrecht, § 545 Rn. 4 f. HDE, Stellungnahme, S. 4.

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C. Eigener Reformvorschlag

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Führen die Vertragsparteien den formnichtigen Änderungsvertrag im beidseitigen Einvernehmen aus oder lassen sie die Frist von zwei Wochen verstreichen, ohne den Formmangel geltend zu machen, hat ihnen das Gesetz einen ausreichenden Schutz vor übereilten Vertragsänderungen und Beweisschwierigkeiten geboten. In diesen Fällen ist dann nach den allgemeinen Grundsätzen die Partei beweispflichtig, die sich auf die für sie vorteilhafte Änderungsvereinbarung beruft. e) Ausschluss von § 139 BGB Wenn die Vertragsparteien eine formwidrige Änderungsvereinbarung treffen und diese nicht geheilt wurde, wäre sie nichtig. Dies könnte – insbesondere nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof – dazu führen, dass der gesamte Mietvertrag nach § 139 BGB nichtig wird.187 Um die Folgen von Formfehlern auf die Änderungsvereinbarungen wie im englischen Recht zu beschränken, sollte gesetzlich klargestellt werden, dass § 139 BGB für Formverstöße gegen die neu einzufügende Vorschrift ausgeschlossen wird. Dies könnte dadurch erreicht werden, dass die Fortgeltung der bisherigen Vereinbarungen angeordnet wird. f) Bedeutung von § 242 BGB Die Nichtigkeitsrechtsfolge kann bis zur Überlassung der Mieträume zu Härtefällen führen. Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 242 BGB, mit der die mit der Nichtigkeit verbundenen Härten abgefedert werden können. Wie auch bei der doctrine of proprietary estoppel oder doctrine of constructive trust können die Parteien – zumindest in extremen Ausnahmefällen – an ihren formnichtigen Absprachen festgehalten werden, indem es ihnen nach § 242 BGB versagt wird, sich auf den Formmangel zu berufen. Zunächst sollen sich die Vertragsparteien grundsätzlich auf Formfehler berufen können, da andernfalls die zugrundeliegenden Formzwecke leerliefen.188 Der Bundesgerichtshof fordert daher, dass es sich nicht nur um einen Härtefall handelt, sondern das Berufen auf einen Formmangel zu einem Ergebnis führt, dass „schlechthin untragbar“189 ist. Relevant ist dies insbesondere in zwei von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannten Fallgruppen: wenn eine gewichtige Treuepflichtverletzung vorliegt oder das Berufen auf den Formmangel die andere Partei in Existenznot bringen würde.190

187

Siehe dazu bereits § 5 B. III. 3. d). MüKoBGB/Einsele, § 125 Rn. 57. 189 BGHZ 138, 339, 348 m. w. N.; BGH NJW 1999, 2892, 2893; BGH NJW 2004, 3330, 3331; BGH NJW 2016, 1391 Rn. 15; BGH NJW-RR 2017, 596 Rn. 12; BGH DStR 2017, 163 Rn. 32. 190 St.Rspr., vgl. BGH NJW-RR 2017, 596 Rn. 12; vertiefend dazu MüKoBGB/Einsele, § 125 Rn. 59 ff. 188

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§ 5 Reform des § 550 BGB

2. Schutzbedürftigkeit ab einer Laufzeit von einem Jahr Es muss festgelegt werden, ab welcher Laufzeit ein Mietvertrag schriftformbedürftig sein soll. Das deutsche Recht nimmt dies in § 550 BGB bereits ab einer Laufzeit von mehr als einem Jahr an. Im englischen Recht dagegen werden landlord und tenant in sec. 2(1) LPMPA 1989 erst ab einer Laufzeit von mehr als drei Jahren für schutzbedürftig gehalten. Auch wenn mit der neu einzufügenden Formvorschrift lediglich die Vertragsparteien geschützt werden sollen, soll die Schwelle für das deutsche Recht nicht erhöht werden. Zwar werden die Vertragsparteien bei einer Laufzeit von knapp mehr als einem Jahr von manchen Autoren noch nicht als schutzbedürftig angesehen,191 dennoch sollte daran festgehalten werden. Das in § 550 BGB verankerte Schriftformerfordernis für Mietverträge ab einer Laufzeit von mehr als einem Jahr besteht im deutschen Recht schon seit über 120 Jahren und die Schwelle von einem Jahr hat sich entsprechend in der Rechtspraxis verfestigt. Bereits aus Kontinuitätsgründen soll daran festgehalten werden. Eine höhere Schwelle könnte die Vertragsparteien auch dazu verleiten, nicht eine für beide Seiten interessengerechte Laufzeit, sondern eine kürzere Vertragslaufzeit zu wählen, um dem Schriftformerfordernis zu entgehen. Darüber hinaus sind die Vertragsparteien auch bereits ab einer Laufzeit von mehr als einem Jahr schutzbedürftig. So können auch Mietverträge von etwas mehr als einem Jahr mit hohen wirtschaftlichen Folgen verbunden sein. Insbesondere aber enthalten die meisten modernen Mietverträge sehr umfangreiche, das dispositive Recht verdrängende Vereinbarungen.192 Dies gilt insbesondere im vom Anwendungsbereich der Formvorschrift besonders betroffenen Gewerberaummietrecht, bei dem die zu treffenden Absprachen meist besonders komplex sind.193 Auch im Sinne einer Entlastung der Justiz sollte in den ohnehin besonders streitanfälligen Mietverhältnissen auf eine beweissichere Dokumentation hingewirkt werden, insbesondere, wenn diese von vornherein für eine längere Zeit als ein Jahr eingegangen werden. 3. Erstreckung auch auf das Wohnraummietrecht Es wurde bereits herausgearbeitet, dass es nicht ausreicht, den Anwendungsbereich des § 550 BGB auf das Wohnraummietrecht zu beschränken.194 Vielmehr ist eine umfassende Reform des § 550 BGB erforderlich, die sich auch auf das Wohnraummietrecht erstreckt.195 191 Günter, NZM 2019, 561, 568; Lammel, in: Artz/Börstinghaus (Hrsg.), 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, S. 418, 426 f., der unter Verweis auf § 557a BGB eine Schutzbedürftigkeit der Mietvertragsparteien erst ab einer Dauer von vier Jahren annimmt. 192 Siehe § 2 A. II. 2. 193 So auch Günter, NZM 2019, 561, 563. 194 Siehe § 5 B. I. 4. a). 195 A.A. BT-Drs. 19/17034 v. 06.02.2020, S. 12; Conradi, ZIA Immobilienwirtschaft 2018, 52, 54.

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C. Eigener Reformvorschlag

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Dies gilt im Besonderen auch für den hier unterbreiteten Reformvorschlag. In Anbetracht der umfassenden Neuregelung des Schriftformerfordernisses hinsichtlich des Schutzzwecks und der Rechtsfolge, sollte dies für das Wohn- und Gewerberaummietrecht einheitlich erfolgen. Es wäre andernfalls kaum zu erklären, weshalb im Wohnraummietrecht andere, an Erwerberinteressen orientierte, Schriftformanforderungen gelten würden als im Gewerberaummietrecht, bei dem sich das Schriftformerfordernis nach den Interessen der Vertragsparteien richtet. Wie bereits dargestellt, haben sich auch der Bundesrat und einige Autoren gegen eine weitergehende Aufspaltung dieser beiden Teilbereiche des Mietrechts ausgesprochen.196 4. Formulierungsvorschlag für die neu einzuführende Formvorschrift Anstelle von § 550 BGB soll eine neue Formvorschrift eingeführt werden. Diese müsste keine besondere Rechtsfolge vorsehen, da § 125 S. 1 BGB als allgemeine Vorschrift die Nichtigkeit eines formwidrig geschlossenen Rechtsgeschäfts anordnet. § 550 BGB-E könnte folgenden Wortlaut haben: § 550 BGB Form des Mietvertrags (1) Ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden soll, bedarf der Schriftform. Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Mietsache dem Mieter überlassen wird. (2) Änderungen eines nach Abs. 1 formbedürftigen Mietvertrags bedürfen auch nach Überlassung der Mietsache der Schriftform, wenn sie für längere Zeit als ein Jahr gelten sollen. Eine ohne Beachtung dieser Form geschlossene Änderungsvereinbarung wird ihrem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Änderung im Einverständnis der Vertragsparteien vollzogen wird, spätestens jedoch zwei Wochen nach Abschluss der Änderungsvereinbarung, wenn sich nicht eine Vertragspartei gegenüber dem anderen Teil auf den Formmangel beruft. (3) Sind Änderungsvereinbarungen ganz oder teilweise nicht in Schriftform geschlossen worden, so bleiben bisherige Absprachen wirksam.

IV. Mögliche Einwände gegen den eigenen Reformvorschlag Gegen den vorstehenden Reformvorschlag sind verschiedene Einwände denkbar: 1. Geringerer Schutz potenzieller Erwerber Ein Kritikpunkt an dem Reformvorschlag könnte sein, dass das Informationsinteresse potenzieller Erwerber nicht mehr ausreichend geschützt werde. Dies könnte im Besonderen vor dem Hintergrund geltend gemacht werden, dass das

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Siehe § 5 B. I. 4. a).

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§ 5 Reform des § 550 BGB

Gesetz durch § 566 Abs. 1 BGB einem Erwerber den Eintritt in die bestehenden Mietverträge aufzwingt.197 a) Gegebenenfalls keine schriftliche Informationsquelle für Erwerber In den dokumentierten Erwägungen des historischen Gesetzgebers werden Auskünfte des Veräußerers als nicht verlässlich eingestuft.198 Auch in der Literatur wird vielfach betont, dass eine schriftliche Vertragsurkunde für Erwerber essenziell und verlässlicher als eine Auskunft des Veräußerers sei.199 Daher könnte an dem dargelegten Reformvorschlag kritisiert werden, dass dies einen Rückschritt des Schutzes des Informationsinteresses potenzieller Erwerber gegenüber der derzeitigen Regelung des § 550 BGB bedeutet. Die vorgeschlagene Neuregelung bedeutet jedoch gerade nicht, dass sich Erwerber in Zukunft nicht durch schriftliche Vertragsurkunden über den Vertragsinhalt informieren werden. In dem Reformvorschlag werden den Vertragsparteien starke Anreize gesetzt, die vertraglichen Absprachen schriftlich festzuhalten oder in Anbetracht der möglichen Heilung zumindest anderweitig beweissicher zu dokumentieren. Damit werden im Regelfall schriftliche Vertragsurkunden vorliegen, auch wenn diese möglicherweise nicht „schriftlich“ i. S. v. § 550 BGB festgehalten werden. Veräußerer haben darüber hinaus ein hohes Interesse daran, mögliche Ansprüche aus Garantievereinbarungen, culpa in contrahendo oder Gewährleistungsrechten des Käufers auszuschließen. Der einfachste und sicherste Weg dazu wird sein, dass er dem Käufer eine Kopie der ohnehin angefertigten Vertragsurkunde übersendet.200 Es ist daher zu erwarten, dass potenzielle Erwerber in der Praxis weiterhin regelmäßig durch eine schriftliche Vertragsurkunde über den Vertragsinhalt informiert werden. Darüber hinaus erscheint es auch interessengerecht, dass der Erwerber für seinen eigenen Schutz sorgen soll. Erwerbern wird das Eintreten in Mietverträge nach § 566 Abs. 1 BGB nämlich nicht aufgezwungen, sondern sie können steuern, ob sie eine vermietete Immobilie erwerben oder nicht, sodass sie sich der gesetzlichen Bindung an den Mietvertrag nach § 566 Abs. 1 BGB freiwillig unterwerfen.201 Ihnen stehen durch Garantien des Verkäufers und Due-Diligence-Prüfungen auch ausreichende Mittel zur Verfügung, um sich selbst zu schützen.202

197 Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, S. 289; Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 168: „Das Gesetz muss schützen, wen es belastet“. 198 Achilles/Spahn/Gebhard, Bd. II, 1898, S. 150; Mugdan, Bd. II, 1899, S. 825. 199 Bangert, JZ 2021, 193, 195 f.; Günter, NZM 2019, 561, 568; Michalski, WM 1998, 1993, 1994. 200 Siehe § 5 C. II. 4. Der Verkäufer könnte sich auch dahingehend absichern, das im Kaufvertrag vereinbart wird, dass der Inhalt der Verträge als bekannt gilt. 201 Reingardt, Das Schriftformerfordernis nach § 550 BGB, S. 166. 202 Siehe § 5 C. II. 3.

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C. Eigener Reformvorschlag

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b) Rückgriff auf Veräußerer möglicherweise nur selten realisierbar Außerdem wird es kritisch gesehen, dass Erwerber auf Ansprüche gegen den Veräußerer beschränkt werden sollen, da diese in einigen Fällen nicht ohne Weiteres realisierbar sein könnten.203 Insbesondere, wenn Objektgesellschaften auf der Verkäuferseite stehen, bestehe für Käufer nach dieser Kritik das Risiko, keinen Ersatz erlangen zu können, da diese nach Ausschüttung des Veräußerungsgewinns über kein nennenswertes Vermögen mehr verfügen.204 Dieser Einwand betrifft alle Ansprüche eines Käufers gegen den Verkäufer und nicht nur Sekundäransprüche des Erwerbers wegen unvollständiger oder falscher Informationen über den Mietvertragsinhalt. Das ist eine Folge des übernommenen Insolvenzrisikos des selbst ausgewählten Vertragspartners. Es liegt an jeder Vertragspartei, entsprechende Vorkehrungen – etwa durch weitere Garantien – zu treffen, um sich dagegen abzusichern. c) Geringer Schutz durch Aufklärungspflichten Es ist noch nicht abschließend geklärt, welche mietvertraglichen Abreden ein Verkäufer im Rahmen seiner Aufklärungspflichten genau preisgeben muss. Der Bundesgerichtshof spricht nur allgemein von möglichen Schadensersatzansprüchen, wenn der Verkäufer für den Erwerber nachteilhafte Vereinbarungen verschwiegen hat.205 Die Abgrenzung, über welche Vereinbarungen ein Verkäufer aufklären muss und welche nicht, bleibt dem künftigen Fallrecht überlassen und ist daher bis auf Weiteres vage. Diese Kritik kann jedoch an allen Aufklärungspflichten geübt werden und betrifft nicht nur spezifisch den Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber am Inhalt eines Mietvertrags, da die Entstehung von Aufklärungspflichten generell stark einzelfallabhängig ist.206 Diese Ungewissheit, welche Vereinbarungen aufgedeckt werden müssen und welche nicht, kann Verkäufer überdies ebenfalls dazu motivieren, im Zweifel alle Vereinbarungen offenzulegen. 2. Möglicher Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG RiBGH Günter hält es mit Verweis auf die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG für „ein bedenkliches Ergebnis“207, wenn sich der Erwerber einer vermieteten Immobilie nicht durch eine schriftliche Vertragsurkunde über den Inhalt des Mietvertrags informieren kann und dennoch für die gesamte Vertragslaufzeit an diesen gebunden und auf Sekundäransprüche gegen den Veräußerer beschränkt wird. Diese Auffassung teilt auch Bangert.208 203

BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 474; Leo/Götz, NZM-info Heft 5/2020, V, VIII. BeckOKMietrecht/Leo, § 550 Rn. 474; Leo/Götz, NZM-info Heft 5/2020, V, VIII. 205 Siehe § 2 C. II. 2. a). 206 Siehe § 2 C. II. 2. a). 207 Günter, NZM, 2019, 561, 568. 208 Bangert, JZ 2021, 193, 196.

204

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§ 5 Reform des § 550 BGB

Diese Bedenken greifen jedoch nicht durch und es droht nicht die Verfassungswidrigkeit des hier dargelegten Reformvorschlags. Die vorgebrachten Bedenken berücksichtigen einseitig die Rechtsposition des Erwerbers. Dem Eigentum eines Erwerbers an einer vermieteten Immobilie stehen grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Mieters gegenüber. Bei Wohnraummietern sieht das Bundesverfassungsgericht das Besitzrecht des Mieters als ebenfalls vom Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst an.209 Auch gewerbliche Mieter können sich auf verschiedene Grundrechte berufen. So etwa auf ihr von Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, das auch angemietete Geschäftsräume umfasst.210 Das Besitzrecht aus dem Mietvertrag wird ebenfalls als von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst angesehen, wenn das ordentliche Kündigungsrecht des Vermieters eingeschränkt ist und der Mieter daher eine gefestigte und nicht ohne Weiteres vom Vermieter entziehbare Rechtsposition hat.211 Ferner wird vertreten, dass sich gewerbliche Mieter auch auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen können.212 Der Mieter hat daher ebenfalls ein grundrechtlich geschütztes Interesse daran, sein Besitzrecht an den angemieteten Räumen bis zum Ablauf der vereinbarten Laufzeit auszuüben und dieses nicht durch eine vorzeitige ordentliche Kündigung des Erwerbers zu verlieren. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt das Gesetz auch bei Arbeitsverhältnissen, die bei einem Betriebsübergang ebenfalls auf den Erwerber für die gesamte Vertragslaufzeit nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB übergehen. Arbeitsverträge bedürfen nach § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG ebenfalls der Schriftform. Die Einhaltung der Form ist jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung,213 sodass Erwerber nach § 613a BGB auch an Arbeitsverhältnisse ohne schriftliche Vertragsurkunde gebunden werden. Besonders schutzbedürftige Positionen Dritter, wie Arbeitnehmer oder die Besitzrechte von Mietern, können es daher rechtfertigen, dass Erwerber an Schuldverhältnisse ohne vorzeitige Kündigungsmöglichkeit gebunden werden, auch wenn ihnen nicht zwingend eine schriftliche Vertragsurkunde zur Verfügung steht, um sich über den Vertragsinhalt zu informieren. Ferner sind Erwerber nicht schutzlos gestellt. Sie können auf die von dem Veräußerer zur Verfügung gestellten Informationen zurückgreifen. Sollten Erwerber durch eine falsche oder unvollständige Information durch den Veräußerer einen Schaden erleiden, können sie den Veräußerer in Anspruch nehmen. Durch den Reformvorschlag werden ferner viele Anreize gesetzt, eine ausreichende und beweissichere Dokumentation über die mietvertraglichen Absprachen zu führen und diese dem Erwerber vorzulegen. Auch muss berücksichtigt werden, dass

209 BVerfGE 89, 1, 5 f.; BVerfG NJW-RR 1999, 1097, 1098; BVerfG NJW 2000, 2658, 2659; BVerfG NJW-RR 2004, 440, 441; BVerfG NZM 2011, 479 Rn. 29. 210 Uth/Barthen, NZM 2020, 385, 388; allgemein dazu Maunz/Dürig/Herzog/Scholz/Papier/Shirvani, Art. 14 GG Rn. 200. 211 Ibler, AcP 197 (1997), 565, 583 mit Verweis auf BGH NJW 1993, 3131, 3132. 212 Ibler, AcP 197 (1997), 565, 582. 213 BT-Drs. 13/668 v. 02.03.1995, S. 10; ErfK/Preis, § 2 NachwG Rn. 1.

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Erwerber sich der Wirkung des § 566 Abs. 1 BGB nur infolge einer freiwilligen Kaufentscheidung unterwerfen.214 Zudem können sie sich durch Garantien des Verkäufers oder Due-Diligence-Prüfungen absichern.215 Sie sind daher weniger schutzwürdig als ein Mieter, der keinen Einfluss auf einen Verkauf hat. Der Reformvorschlag verstößt daher nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG.

V. Fazit zum eigenen Reformvorschlag Durch den hier dargestellten Reformvorschlag wird der Schutz der Vertragsparteien und des Informationsinteresses potenzieller Erwerber wie im englischen Recht voneinander getrennt. Gleichzeitig schreibt das Gesetz weiterhin die Schriftform für Mietverträge mit einer Dauer von mehr als einem Jahr vor. Dieses Schriftformerfordernis wird jedoch künftig (in seiner unmittelbaren Wirkung) auf den Schutz der Mietvertragsparteien beschränkt. So wird die angestrebte Trennung der Schutzzwecke des derzeitigen § 550 BGB vollzogen. Der Schutz der Vertragsparteien wird durch die künftig angeordnete Nichtigkeit bei Formfehlern umfassender, jedoch zur Stärkung der Planungssicherheit aller Beteiligten durch Heilungsvorschriften zeitlich eng begrenzt. Durch diese Heilungsvorschrift kann schnelle Rechtssicherheit erlangt werden und es wird verhindert, dass die Mietvertragsparteien mit der Geltendmachung eines Formfehlers so lange zuwarten, bis ihnen das Berufen auf die Formnichtigkeit nützlich ist. Nach der Heilung sind Formfehler unbeachtlich, sodass Mietvertragsparteien sich nicht wie unter § 550 BGB im Falle von Streitigkeiten auf Formfragen versteifen, sondern sich mehr auf den Inhalt der Absprachen fokussieren werden. Die Heilungsmöglichkeiten sind dabei ausgewogen und setzen voraus, dass beide Vertragsparteien an der Überlassung der Mietsache mitwirken, eine Änderungsvereinbarung einvernehmlich vollziehen oder beide Vertragsparteien eine zweiwöchige Widerspruchsfrist verstreichen lassen. Damit haben beide Vertragsparteien gleichermaßen die Möglichkeit, den Eintritt der Heilung zu verhindern. Der Reformvorschlag verlagert den Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber stärker in ihren eigenen Verantwortungsbereich. Gleichwohl werden starke Anreize gesetzt, Erwerber weiterhin durch eine schriftliche Vertragsurkunde zu informieren. Zudem stehen Erwerbern ausreichende Möglichkeiten zu, sich anderweitig abzusichern, dass ihnen alle Vereinbarungen zwischen Mieter und Vermieter bekannt sind.

214 215

Siehe § 5 C. IV. 1. a). Siehe § 5 C. II. 3.

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§ 6 Schluss § 550 BGB führt zu erheblichen Problemen in der immobilienrechtlichen Praxis. Die Norm ermöglicht den Vertragsparteien bei Formmängeln einen Ausweg aus lästig gewordenen Mietverträgen, auch wenn diese noch eine mehrjährige Laufzeit vorsehen. Wegen der weiten Verbreitung von Formmängeln und der regen Inanspruchnahme der vorzeitigen Lösungsmöglichkeit ist die Planungssicherheit der Vertragsparteien stark eingeschränkt. Auch die Rechtsprechung verstärkt die Planungsunsicherheit, beispielsweise durch teilweise sehr hohe Formanforderungen und insbesondere durch die Infektionsrechtsprechung. Nach dieser führen Formmängel in (meist ohne professionelle Rechtsberatung geschlossenen) Nachtragsvereinbarungen zur vorzeitigen Kündbarkeit des gesamten Mietvertrags. Die Rechtsprechung hat zudem sämtliche Versuche der Rechtspraxis verworfen, Schriftformkündigungen zu unterbinden. Es bleibt nunmehr nur noch der Ruf nach dem Gesetzgeber, um die mit § 550 BGB verbundenen Probleme mit einem gesetzgeberischen Eingreifen zu lösen. Durch die vorliegende Arbeit soll ein Beitrag zur Reformdiskussion von § 550 BGB geleistet werden, die seit vielen Jahren geführt wird. An Aufmerksamkeit und Aktualität gewann die Reformdiskussion sowohl durch eine Gesetzesinitiative des Bundesrats, die Anfang 2020 in den Bundestag eingebracht wurde, als auch durch einen Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums aus dem Jahre 2021. Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein eigener Reformvorschlag auf der Grundlage eines Rechtsvergleichs mit dem englischen Recht entwickelt. Als Methode hierzu wurde ein funktionaler Ansatz nach dem Vorbild von Zweigert und Kötz gewählt. Ausgangspunkt der Untersuchung waren daher die Schutzzwecke des § 550 BGB. Die Norm bezweckt nach herrschender und auch hier vertretener Auffassung zwei Schutzzwecke: Zum einen soll die Schriftform des Mietvertrags vorrangig sicherstellen, dass potenzielle Erwerber des vermieteten Objekts sich verlässlich über den Inhalt des Mietvertrags informieren können, in den sie im Erwerbsfall nach § 566 Abs. 1 BGB eintreten werden. Zum anderen sollen die Mietvertragsparteien vor der überstürzten Eingehung langfristiger Mietverhältnisse und Beweisschwierigkeiten während der langen Laufzeit geschützt werden. Diese Schutzzwecke bilden den Ausgangspunkt des Rechtsvergleichs.

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§ 6 Schluss

Das deutsche Recht verfolgt mit § 550 BGB einen einheitlichen Lösungsansatz, da die Vorschrift beide Schutzzwecke in sich vereint.1 Der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber steht dabei über dem Schutz der Mietvertragsparteien.2 Dennoch ermöglicht auch eine schriftliche Mietvertragsurkunde nur eine eingeschränkte Informationsmöglichkeit für potenzielle Erwerber.3 Beispielsweise sind Aufhebungsverträge formlos möglich, sodass sich aus der Vertragsurkunde nicht ergibt, ob der Mietvertrag überhaupt noch fortbesteht.4 Neben § 550 BGB bieten auch die Informationshaftung und ggf. auch die Gewährleistungsrechte einen Schutz des Erwerbers vor falschen oder unvollständigen Informationen über den Inhalt eines Mietvertrags.5 Darüber hinaus sichern sich Erwerber regelmäßig über Garantien im Kaufvertrag ab, die die Verkäufer über den Mietvertragsinhalt abgeben.6 Dieser parallel schon bisher bestehende Schutz stand jedoch bisweilen im Hintergrund. Das englische Recht wählt einen anderen Ansatz. Zwar sieht das englische Recht auch Formvorschriften für Mietverhältnisse ab einer gewissen Laufzeit vor. Dabei handelt es sich um sec. 2(1) LPMPA 1989, die die Schriftform für schuldrechtliche Mietverträge anordnet, und sec. 52(1) LPA 1925, die ein Urkundenerfordernis aufstellt, um dingliche Mietrechte – sog. leases – zu bestellen. Diese Formvorschriften dienen dem Schutz des Mieters und Vermieters, nicht aber dem Schutz potenzieller Erwerber.7 Der Schutz des Informationsinteresses wird in England den Erwerbern selbst überlassen. Grund hierfür ist insbesondere der Grundsatz caveat emptor, wonach der Käufer alle nötigen Informationen für seine Kaufentscheidung beschaffen muss, da den Verkäufer einer Immobilie keine Aufklärungspflichten treffen.8 Es wurde daher der Rechtspraxis überlassen, Wege zu finden, die es Erwerbern ermöglichen, die Mietkonditionen in Erfahrung zu bringen. So haben sich vorvertragliche Anfragen etabliert, mit denen Kaufinteressenten die Mietkonditionen bei den Verkäufern erfragen.9 Obwohl Verkäufer wegen des Grundsatzes caveat emptor rechtlich nicht dazu verpflichtet sind, darauf zu antworten, würden sich rationale Käufer ohne diese Informationen nicht auf einen Kauf einlassen oder zumindest entsprechende Risikoabschläge beim Kaufpreis vornehmen.10 Um dies zu vermeiden, stellen Verkäufer die angefragten Informationen zur Verfügung. Diese werden für Erwerber dadurch verbindlich, dass der Verkäufer für deren Richtigkeit einstehen muss und

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Siehe § 2 A und § 4 A. Siehe § 2 C. II. 1. a). 3 Siehe § 2 C. II. 1. b) und § 2 C. II. 1. c). 4 Siehe § 2 C. II. 1. b) aa). 5 Siehe § 2 C. II. 2. 6 Siehe § 2 C. II. 3. 7 Siehe § 3 B. I. 8 Siehe § 3 D. II. 2. a). 9 Siehe § 3 D. II. 2. 10 Siehe § 3 D. II. 2. a). 2

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bei falschen Informationen der Erwerber den Kaufvertrag rückwirkend zu Fall bringen oder Schadensersatz vom Verkäufer verlangen kann.11 Zudem verpflichten sich die Verkäufer standardmäßig in Kaufverträgen dazu, alle Informationen zu den Mietverhältnissen offenzulegen.12 Es bestehen einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den mietrechtlichen Formvorschriften der beiden Rechtsordnungen. Sowohl langfristige Mietverträge in Deutschland als auch englische long-term lease agreements müssen schriftlich geschlossen werden. Es besteht jedoch ein signifikanter Unterschied bei der Frage, ab welcher Laufzeit das Schriftformerfordernis greift.13 Die Anforderungen an die Schriftform unterscheiden sich in den beiden Rechtsordnungen nicht grundlegend, allerdings richtet sich die Auslegung des § 550 BGB vorrangig nach den Interessen potenzieller Erwerber, während im englischen Recht die Interessen der Vertragsparteien maßgeblich sind.14 Der größte Unterschied zwischen § 550 BGB und den englischen Formvorschriften besteht in den Sanktionen für Formmängel: Während nach § 550 S. 1 BGB die Mietverträge ordentlich kündbar sind, ahndet das englische Recht Formfehler in lease agreements nach sec. 2(1) LPMPA 1989 mit der Nichtigkeit des Mietvertrags. Auch sieht sec. 52(1) LPA 1925 die Nichtigkeit der Bestellung der lease vor, wenn gegen das Urkundenerfordernis verstoßen wird. Der Rechtsvergleich hat ergeben, dass es das englische Recht trotz der strengen Rechtsfolgen für Formmängel besser versteht, die Vertragsparteien an ihren ursprünglichen Vereinbarungen festzuhalten und damit opportunistisches Verhalten einzudämmen.15 Insbesondere sieht das englische Recht einen Rückabwicklungsausschluss vor, sobald die aus dem Mietvertrag geschuldete lease wirksam bestellt wird.16 Ab diesem Zeitpunkt wirken sich dann Formfehler im lease agreement nicht mehr aus. Zudem stehen englischen Gerichten durch die equity rules Möglichkeiten zu, opportunistisches Verhalten zu verhindern, durch das die angeordnete Nichtigkeit zweckwidrig ausgenutzt werden soll.17 Der Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber könnte in beiden Ländern auf gesetzlicher Ebene nicht unterschiedlicher ausgestaltet sein. Diese Unterschiede relativieren sich jedoch auf rechtspraktischer Ebene.18 Insbesondere dadurch, dass sich die Erwerber in beiden Ländern vertraglich absichern, dass die Verkäufer sämtliche lease terms oder den Inhalt der Mietverträge offengelegt haben.

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Siehe § 3 D. II. 2. d) aa). Siehe § 3 D. II. 3. a). 13 Siehe § 4 B. I. 1. b). 14 Siehe § 4 B. I. 2. 15 Siehe § 4 B. II. 4. b). 16 Siehe § 3 C. II. 1. a). 17 Siehe § 3 C. II. 1. c) bb). 18 Siehe § 4 C. III. 12

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Aus dem Rechtsvergleich konnten wichtige Erkenntnisse gewonnen werden, die für eine Reform des § 550 BGB nützlich sind. So beruht der viel diskutierte Vorschlag, ein öffentliches Register nach englischem Vorbild einzuführen, auf einem falschen Verständnis des englischen Rechts.19 Die Eintragung von leases in das Grundbuchäquivalent (das sog. land register) dient nämlich nicht dazu, Erwerber über die inhaltliche Ausgestaltung der leases zu informieren.20 Außerdem besteht ein grundlegender Unterschied zwischen der deutschen und englischen Rechtsordnung bereits darin, dass die englische Rechtsordnung die Schutzzwecke voneinander trennt, während das deutsche Recht mit § 550 BGB einen einheitlichen Ansatz verfolgt.21 Die einheitliche Lösung hat sich als problembehaftet und änderungsbedürftig erwiesen.22 Der Reformvorschlag muss daher bereits hier ansetzen. Es wird vorgeschlagen, anstelle von § 550 BGB eine neue Formvorschrift für Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr einzuführen, die – wie die englischen Formvorschriften – nur den Schutz der Mietvertragsparteien bezweckt. Die Formvorschrift soll nicht dem Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber dienen, sodass dieser stärker in den Verantwortungsbereich der Erwerber verlagert wird. Erwerber werden auch anderweitig durch das Gesetz geschützt und sie können sich zudem auch ausreichend selbst schützen.23 Gleichzeitig ist zu erwarten, dass Verkäufer potenziellen Erwerbern gleichwohl weiterhin schriftliche Mietverträge zur Information über die Mietbedingungen vorlegen.24 Nach der neu einzuführenden Formvorschrift sollen langfristige Mietverträge nichtig sein, wenn sie nicht schriftlich geschlossen wurden. Ebenfalls soll die Heilung von Formfehlern möglich sein, indem die Mietsache dem Mieter überlassen wird.25 Auch für Vertragsänderungen nach Überlassung sind Heilungsmöglichkeiten vorgesehen.26 Auf diese Weise und in Extremfällen auch durch § 242 BGB kann opportunistisches Verhalten effektiv verhindert werden. Die Formvorschrift soll folgenden Wortlaut haben: § 550 BGB Form des Mietvertrags (1) Ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden soll, bedarf der Schriftform. Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Mietsache dem Mieter überlassen wird.

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Siehe § 5 B. I. 3. Siehe § 3 D. II. 1. b). 21 Siehe § 4 A. 22 Siehe § 4 D. III. 23 Siehe § 5 C. II. 2. 24 Siehe § 5 C. II. 4, § 5 C. III. 1 und § 5 C. IV. 1. a). 25 Siehe § 5 C. III. 1. a). 26 Siehe § 5 C. III. 1. d). 20

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(2) Änderungen eines nach Abs. 1 formbedürftigen Mietvertrags bedürfen auch nach Überlassung der Mietsache der Schriftform, wenn sie für längere Zeit als ein Jahr gelten sollen. Eine ohne Beachtung dieser Form geschlossene Änderungsvereinbarung wird ihrem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Änderung im Einverständnis der Vertragsparteien vollzogen wird, spätestens jedoch zwei Wochen nach Abschluss der Änderungsvereinbarung, wenn sich nicht eine Vertragspartei gegenüber dem anderen Teil auf den Formmangel beruft. (3) Sind Änderungsvereinbarungen ganz oder teilweise nicht in Schriftform geschlossen worden, so bleiben bisherige Absprachen wirksam.

Formfehler können unter der neuen Regelung nicht mehr zweckwidrig dazu genutzt werden, lästig gewordene Mietverhältnisse vorzeitig zu kündigen. Die neue Formvorschrift beendet die de lege lata bestehenden Missbrauchsmöglichkeiten des § 550 BGB und stärkt die Planungssicherheit aller Beteiligten. Dies bedeutet das Ende des über 120 Jahre alten „Vertragsreue-Paragrafen“27 des deutschen Mietrechts.

27

Fritz, NJW 2014, 1067, 1067.

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Parker v Taswell (1858) 2 De Gex & Jones 559 89 Parker v Webb (1693) 90 E.R. 939 96 Phillips v Mobil Oil Co Ltd [1989] 1 W.L.R. 888 96 Prudential Assurance Co Ltd v London Residuary Body [1992] 2 A.C. 386 90 Rabiu v Marlbray Ltd [2016] 1 W.L.R. 5147 83 f., 131 Record v Bell [1991] 1 W.L.R. 853 84 Redcard Ltd and others v Williams and others [2011] Bus. L.R. 1479 75 Rock Advertising v MWB Business Exchange Centres Limited [2018] U.K.S.C. 24 70, 76 Seal v Claridge (1881) 7 Q.B.D. 516 79 Street Respondent v Mountford Appellant [1985] A.C. 809 68

Tiverton Estates Ltd v Wearwell Ltd [1975] Ch. 146 81 Tootal Clothing Ltd v Guinea Properties Management Ltd [1992] 64 P. & C.R. 452 82, 84, 129 United Bank of Kuwait Plc. v Sahib and Others [1997] Ch. 107 81 Walsh v Lonsdale (1882) 21 Ch. D. 9 70, 90, 94 William Sindall Plc. v Cambridgeshire County Council [1994] 1 W.L.R. 1016 113 Yaxley v Gotts and Another [2000] Ch. 162 81, 87 f.

Sachverzeichnis Act of Misrepresentation 1967 siehe misrepresentation Aktiengesellschaft 26 ff. Allgemeine Geschäftsbedingungen 36 f., 41 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten 123, 142 f. Anfechtung siehe Arglistige Täuschung Anlagen zum Mietvertrag 30 f., 33, 36, 128 Arbeitsvertrag 18, 198 Arglistige Täuschung 59, 186 Asset Deal 56 assignment 68 Aufhebungsvertrag 48 Aufklärungspflichten des Verkäufers 55, 140, 145, 197 Auflockerungsrechtsprechung 29 f., 51 f., 131 Ausübung von Optionsrechten 52 authorised signatories 75 Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG 198 Besitzschutzrechte 67, 189 best rent 73 Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts 24, 31, 35, 53 British Property Federation 106 Bundesjustizministerium 4, 176 siehe auch Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums Bundesrat siehe Gesetzesinitiative des Bundesrats caveat emptor 104, 145 f., 185 claim 69 collateral contract 84, 132 Commercial Property Standard Enquiries 104, 106, 139 – Baukastensystem 106

– CPSE.2 107 f. – CPSE.6 107 f. common intention constructive trust siehe constructive trust common seal 75, 80, 126 Companies Act 2006 75 company contract 75, 80 company 75, 79 f., 126 constructive trust 85, 87, 133, 153 – Abgrenzung zu proprietary estoppel 87 f., 91 – beneficiary 86 – Dingliche Wirkung 86 – Einschränkungen im gewerblichen Geschäftsverkehr 88 – fiduciary duties 86 – Form 87 – trustee 86 – Voraussetzungen 87 Court of King’s Bench 67 covenants 94 f. – Dingliche covenants 95 ff., 137 – Eintragung im land register 102 – Formbedürftigkeit 97 crown siehe Krone culpa in contrahendo 54 f., 59, 144 f., 185 damages 66, 70, 110, 116 Dauernutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 WEG 41 deed 71, 77 f., 128 – Elektronische Erstellung 80 – Rechtsfolge bei Formmängeln 89 – Schutzzwecke 72 Deliktsrecht 59 delivery as a deed 79 f., 128 Digitale Vertragsschlüsse 75, 77, 125 discontinuous lease 101 Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums 176

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Sachverzeichnis

– Kritik 177 f., 181 f. – Schutzzwecke 176 – Textform für Vertragsänderungen 176 f., 179 ff. doctrine of constructive trust siehe constructive trust doctrine of proprietary estoppel siehe proprietary estoppel Due-Diligence-Prüfung 186, 196, 199 E-Mail siehe Digitale Vertragsschlüsse easement 68 Eigener Reformvorschlag 183 – Formulierungsvorschlag 195, 204 – Heilung von Formfehlern durch Überlassung 188 ff. – Konstitutives Schriftformerfordernis 188 – Laufzeit 194 – Mögliche Einwände 195 – Trennung der Schutzzwecke 183 f. – Vertragsänderungen 190 f., 193 Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG 189, 197 f. Einheitlicher Lösungsansatz im deutschen Recht 120 Einheitlichkeit der Vertragsurkunde 29, 127 – Anforderungen 30 – Anlagen 30 equitable lease 69, 89, 153 – Bindungswirkung gegenüber Erwerbern 92, 94, 136 – Entstehung 70 equity rules 69 f., 81, 85 – Durchbrechung des Trennungsprinzips 70 – Gerichtliches Ermessen 86, 133 – Historie 69 – Vorrang gegenüber legal rules 90 estate 64 f. estoppel 85 exclusive possession 68 fee simple 65 – Begriff 65 – Verkauf und Übertragung 69 fine 73

fraud 116 freehold estate siehe fee simple Funktionaler Rechtsvergleich 6 f., 103, 119 future interest siehe reversion Garantien 60, 147, 186, 196 gazumping 150 general conditions 115 Gesellschaft bürgerlichen Rechts 25 ff., 156 Gesellschaft mit beschränkter Haftung 26 f. Gesetzesinitiative des Bundesrats 3, 168 – Beweggründe 168 – Kritik 170, 172–175 – Stellungnahme Bundesregierung 4, 169 – Widerspruchsrecht des Mieters 173 Gewährleistungsrechte 56 f., 59, 145, 185 – Ausschluss 58 f., 145 – Rechtsmangel 57 f. – Sachmangel 56, 58 grant of lease 67 Grundstücksverträge 71 Handelsverband Deutschland 192 Heilung von Formmängeln – Anlage 33 – Anspruch auf Mitwirkung 35 f. – Englisches Recht 82 – Nachtragsvereinbarung 33 Hinreichende Bestimmbarkeit siehe Bestimmbarkeit Historischer Gesetzgeber 14 ff., 51, 141 f., 168, 171 House of Lords 88 Immobilienwert 2, 47 f., 164 implied lease 89, 91, 94, 134, 154 – Verhältnis zu equitable leases 90, 94 – Voraussetzungen 89 Individualvereinbarung 36 ff., 127 Infektionsrechtsprechung 28, 34, 130, 152, 178 interest 64 f. joinder of documents 77 Kauf bricht nicht Miete 45 f., 136, 186

Sachverzeichnis – Historie 13 – Rechtsfolgen 46 – Voraussetzungen 45 Kaufpreisfindung 2, 146 Kaufprozess in England 103, 105 Kommanditgesellschaft 28 Krone 64 f. land contract 104, 121 land register 93, 98, 165 – Allgemeine Zwecke 100 – alteration 99 – charges register 102 – conclusiveness 98 f. – indemnity 100 – insurance principle 100 – mirror principle 99 – positive and negative warranty 99 – rectification 100 – register of title 98 Land Registration Act 2002 98 land 64, 98 Landgericht Berlin 50 Landlord and Tenant (Covenants) Act 1995 96 Laufzeit 20, 73, 122 f. Law Commission 71 Law of Property Act 1925 71 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 70, 77, 81, 87 Law Society 114 f. lease agreement 67 lease agreement – Schriftformerfordernis 70 lease agreement – Schutzzwecke des Schriftformerfordernisses 71 lease agreement siehe auch Rechtsfolgen Formmängel lease agreement lease 67 – Anteil an Immobilienverkäufen 69 – Begriff 65 – Bindungswirkung gegenüber Erwerbern 92, 136 – Eintragung im land register 101 – Eintragung im land register 93 – Formfreiheit 73 – Inhaltliche Ausgestaltung durch covenants 95

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– lease terms 94, 97 – Verkauf und Übertragung 69 – Wesensmerkmale 68 leasehold estate siehe lease legal rules 70 legal rules 69 license – Abgrenzung zur lease 68 – Begriff 68 – Keine dingliche Wirkung 69 London Property Support Lawyers Group 104 material term 76, 83, 127 Materielle Wirksamkeit des Mietvertrags 49 Mieterdienstbarkeit 39 f. Mietrechtsverständnis – Deutsches Recht 13, 137 – Englisches Recht 67 – Vergleich 120, 137, 147 misrepresentation 108, 113, 144, 187 – Beweislast 110 – Exkulpationsmöglichkeit 110 – innocent misrepresentation 110 – remedies 110 – Schweigen 109 – Vertraglicher Ausschluss der remedies 111 – Voraussetzungen 108 Nachtragsvereinbarungen 28, 32 Naturalrestitution 56 negligent 110 Nichtigkeit siehe Rechtsfolgen Formmängel lease agreement no oral modification clause 76, 127 non-reliance clause 111 f. Oberlandesgericht Frankfurt am Main 33 Offene Handelsgesellschaft 28 one document 77, 127 open contract rules 105 – Abdingbarkeit 115 – implied term 105 Opportunistisches Verhalten 34, 44, 83, 124, 131, 133 Optionsrechte siehe Ausübung von Optionsrechten

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Sachverzeichnis

Ordentliche Kündbarkeit 1 f., 32, 129 order for specific performance 70 overriding interest 92 f. ownership 64 pacta sunt servanda 151 part performance 81, 129 Planungssicherheit 151, 154 pre-contract enquiries 103, 106, 139 – Bedeutung im Kaufprozess 112, 145 – Entwicklung 105 – Nachteile 150 – Zweck 104 privity of contract 95, 97 privity of estate 95 ff. proprietary estoppel 85, 87, 133, 153 – Einschränkungen im gewerblichen Geschäftsverkehr 88 – remedies 86 – Voraussetzungen 85 proprietary right 66 f. Publizitätselement 100, 147 Quia Emptores 66 Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 198 Rechtsfolgen Formmängel lease agreement 129, 149 – Korrektiv durch equity rules 85, 133 – Nichtigkeit des lease agreement 85, 149 – Nichtigkeit von Vertragsänderungen 83, 131 recklessness 116 Reformbedarf von § 550 BGB 45, 163 Reformvorschläge – Anspruch auf Nachholung der Form 165 – Beschränkung des § 550 BGB auf Wohnraummietrecht 166 – Einführung einer Haftungsnorm 164 – Ersatzloses Streichen von § 550 BGB 164 – Kündigungsrecht nur für Erwerber 167, 169 – Öffentliches Mietvertragsregister 165 f., 176 – Zurückdrängung des Schutzes der Mietvertragsparteien 171 siehe auch Eigener Reformvorschlag

remedy 69 rent review 107 rescission 110, 116 reversion 68 f., 96 reversion 65 reversionary lease 101 Rückabwicklungsausschluss 82, 130, 133, 153 Schaden 51, 55, 100, 108 Schadensersatz 5, 42, 55, 59, 140, 164 f., 186, 197 Schriftformheilungsklauseln 37 f., 132 Schriftformklausel 36, 127 – doppelte 37 – einfache 36 Schutzzwecke des § 550 BGB 13 – Beweisfunktion 44, 176, 180 – Nachteile des doppelten Schutzzwecks 132, 154–157 – Rangverhältnis 47, 156 – Schutz der Mietvertragsparteien 14, 16–19 – Schutz des Informationsinteresses potenzieller Erwerber 1, 13 – Warnfunktion 14, 38, 44 f., 48, 156, 176, 180 Share Deal 56, 172 short leases 122 f., 137 signature 74, 80, 83, 125 siehe auch wet ink signature solicitor 103, 115 special conditions 115 specific performance 70 Standard Commercial Property Conditions 115, 146 – Haftungsbeschränkung für misrepresentation 115 – Offenlegung der leases 115 Standard Conditions of Sale 114, 146 Standard Conditions of Sale 115 Standard Conditions of Sale – Haftungsbeschränkung für misrepresentation 115 – Offenlegung der leases 115 Statute of Frauds 71 Stellvertretung 50 subleases 68

Sachverzeichnis Teleologische Reduktion des § 550 BGB 163 tenants in chief 63 term of years absolute siehe lease test of reasonableness 111 Textform 178 ff. title 98 – Begriff 64 – investigation 98, 101 – number 98 tort of deceit 110 Trennungsprinzip 67, 70 trespass 68 Treu und Glauben 35, 43, 133, 152, 186, 193 trust siehe constructive trust Übergabezeitpunkt 53 unconscionable 86 unenforceable 81, 129 Unfair Contract Terms Act 1977 111 Unterschriftserfordernis 24, 125 – eigenhändig 24, 125 – Gesellschaftsstempel 26 – Kapitalgesellschaften 26 f., 132, 152 – Personenhandelsgesellschaften 28 – Personenmehrheiten 25 vacant possession 105 Vereinigung der Deutschen Pfandbriefbanken e.V. 39 Vertragsreue 3, 34, 61, 83 f., 91, 153, 205 Vertragsstrafe 42 Vertretungsvermerk 27, 50 Vollmachtbeschränkungsklausel 41 Vorvertragliche Pflichten siehe culpa in contrahendo Wechsel der Mietvertragsparteien 29, 54 Wesentliche Vertragsbestandteile – Anlagen 31 – Beurteilungsmaßstab 22, 28, 124, 127, 158 – Kritik 23 – Ursprünglicher Mietvertrag 22, 124, 131, 152 – Vertragsänderungen 28, 127 wet ink signature 74, 125

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Windenergiebranche 178 witness 78, 80 Zeugen siehe witness Zuflucht zur Individualvereinbarung siehe Individualvereinbarung Zugang der Willenserklärung 49