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German Pages 256 Year 2018
Studien zum vergleichenden Privatrecht Studies in Comparative Private Law Band / Volume 1
Vertragsarbitrage und Internationales Privatund Zivilverfahrensrecht Mit rechtsvergleichenden Aspekten aus dem englischen und französischen Recht
Von
Henry Stieglmeier
Duncker & Humblot · Berlin
HENRY STIEGLMEIER
Vertragsarbitrage und Internationales Privatund Zivilverfahrensrecht
Studien zum vergleichenden Privatrecht Studies in Comparative Private Law Band / Volume 1
Vertragsarbitrage und Internationales Privatund Zivilverfahrensrecht Mit rechtsvergleichenden Aspekten aus dem englischen und französischen Recht
Von
Henry Stieglmeier
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.
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ISSN 2567-5427 ISBN 978-3-428-15298-8 (Print) ISBN 978-3-428-55298-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-85298-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Meiner Julia
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Frühjahr 2017 von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam als Dissertation angenommen. Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. Götz Schulze für die Betreuung der Arbeit und die spannende und lehrreiche Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl. Herrn Prof. Dr. Jens Petersen danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ich danke ferner Dr. Götz-Sebastian Hök für die Anregung des Themas und wertvolle Hinweise zur Erstellung dieser Arbeit. Bedanken möchte ich mich außerdem bei Maren Feigenbutz, Dr. Gabriella Piras, Tobias Schmiegel und Dr. Christopher Wiencke für eine unvergesslich schöne und inspirierende Zusammenarbeit am Lehrstuhl, anregende Diskussionen und aufmunternde Worte. Großer Dank gilt meiner gesamten Familie und hier insbesondere meinen Eltern Jacqueline Stieglmeier und Franz Stieglmeier, die mich uneingeschränkt unterstützt haben und deren unbedingte Zuneigung ich mir während des Studiums und während der Erstellung dieser Arbeit immer sicher sein konnte. Gewidmet ist die Arbeit Julia, die mich stets mit Rat und Tat unterstützt hat und deren Können, Weitsichtigkeit und Humor ich bewundere. Ihre Geduld, Bescheidenheit und ihr Fleiß sind mir stetes Vorbild. Ihr Anteil am Gelingen dieser Arbeit ist in Worte nicht zu fassen und ohne ihre Unterstützung ist diese Arbeit nicht vorstellbar. Hierfür empfinde ich tiefe Dankbarkeit. Berlin, im August 2017
Henry Stieglmeier
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
1. Kapitel Vertragsarbitrage im deutschen Recht
26
A. Rechtshistorische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2. Kapitel Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
63
A. Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 B. Grenzen der Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . 74 C. Richterliche Ersatzbestimmung gemäß § 319 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 D. Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 E. Abgrenzung der Vertragsarbitrage von der Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 112 F. Zusammenfassung und Ergebnis zum deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
3. Kapitel Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
122
A. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 B. Französisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 C. Rechtsvergleichende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
10
Inhaltsübersicht 4. Kapitel Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
178
A. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 B. Materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung . . . . . . . . . . . . . 181 C. Hilfe der Gerichte bei der Durchführung der Vertragsarbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 D. Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 E. Vertragsarbitrage und das CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 F. Abgrenzung der internationalen Vertragsarbitrage von der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 G. Für den Obmann anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 H. Ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 J. Zusammenfassung und Ergebnis zum Internationalen Privat- und Verfahrensrecht . . . 230 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
1. Kapitel Vertragsarbitrage im deutschen Recht
26
A. Rechtshistorische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Entwicklung im römischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Entwicklung im mittelalterlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Privatautonomie als Grundlage einer schuldrechtlich bindenden Drittentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Bestimmtheitsgebot und offener Dissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. §§ 317 ff. BGB und das Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Originärer Anwendungsbereich der §§ 317 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Einigungslücke als Voraussetzung von § 317 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) § 319 Abs. 1 S. 2 BGB im Gefüge der §§ 317 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 37 c) § 319 Abs. 2 BGB im Gefüge der §§ 317 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 d) Terminologie des § 318 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Fallgruppen des Schiedsgutachtens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Schiedsgutachten im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 aa) Rechtsbegründende Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 bb) Rechtsabändernde Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Schiedsgutachten im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 aa) Rechtsklärendes Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 bb) Tatsachenfeststellendes Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Kritik an der Unterteilung des Schiedsgutachtens in Fallgruppen . . . . . . . . . . 41 a) Kritik an der direkten Anwendung der §§ 317 ff. BGB auf die Unterfallgruppe der rechtsabändernden Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 aa) Schiedsgutachten im weiteren Sinne unter Beachtung des originären Anwendungsbereichs der §§ 317 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 bb) Schiedsgutachten im weiteren Sinne als Vertragsergänzung . . . . . . . . . 43 cc) Rechtsabänderne Schiedsgutachten als Anpassungsvertrag . . . . . . . . . . 43 b) Sinnhaftigkeit der Unterteilung des Schiedsgutachtens in Fallgruppen . . . . 44
12
Inhaltsverzeichnis 4. Unschärfe des Schiedsgutachtenbegriffs und Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . 46 IV. Weitere Verfahren auf Basis einer schuldrechtlich bindenden Drittentscheidung
47
1. Qualitätsarbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Adjudikation und Dispute Adjudication Boards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. § 18 Abs. 4 VOB/B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4. § 84 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 V. Begriff und Umfang der Vertragsarbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Differenzierung der schuldrechtlich bindenden Drittentscheidungsverfahren
55
2. Notwendigkeit eines neuen Oberbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Vorschlag des Begriffs der Vertragsarbitrage als Oberbegriff . . . . . . . . . . . . . . 57 4. Definition und möglicher Umfang einer Vertragsarbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . 58 VI. Analoge Anwendung der §§ 317 ff. BGB auf die Vertragsarbitrage . . . . . . . . . . . 59
2. Kapitel Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
63
A. Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Prozessrechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II. Materiell-rechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 III. Diskurs des Meinungsstands und Streitentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Begrenzung der freien richterlichen Beweiswürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Verbot materiell-rechtlicher Tatsachenfeststellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Verzögerte Fälligkeit des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4. Analoge Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5. Argumente aus Sicht der Konstruktion einer Vertragsarbitrage . . . . . . . . . . . . 71 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 IV. Dogmatische Funktionsweise der Vertragsarbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 B. Grenzen der Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . 74 I. Zeitpunkt der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Materielle Entscheidungs- und Überprüfungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Maßstäbe im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Freies Belieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Freies Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Billiges Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 d) Offenbare Unbilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 e) Offenbare Unrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 aa) Diskurs zur Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen offenbarer Unbilligkeit und offenbarer Unrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 bb) Praktikabilität des Maßstabes der offenbaren Unrichtigkeit . . . . . . . . . 81
Inhaltsverzeichnis
13
cc) Anwendbarkeit einer Billigkeitsentscheidung außerhalb der rechtsbegründenden Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 f) Gebundene Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Verhältnis des Entscheidungsmaßstabs zum Überprüfungsmaßstab . . . . . . . . . 84 III. Kompetenz des Obmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 IV. Begründungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 V. Prozessrechtliche Überprüfungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Gewährung rechtlichen Gehörs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3. Diskurs des Meinungsstands und Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Diskurs zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten . . . . . . . . . . . 93 b) Diskurs zum rechtlichen Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c) Lösungsansatz unter Berücksichtigung der Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . 96 aa) Vertragsgerechtigkeit und Vertragsarbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 bb) Prozedurale Gerechtigkeitsvorstellungen in der Vertragsarbitrage . . . . 99 cc) Gebot der Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 dd) Weitere Argumente für die Annahme eines Gleichheitsgebots . . . . . . . 103 C. Richterliche Ersatzbestimmung gemäß § 319 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I. Anwendungsbereich von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 II. Regelungsgehalt von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Ersetzungsbefugnis bei rechtsbegründenden Entscheidungen und bei rechtsändernden, feststellenden sowie deklatorischen Entscheidungen . . . . . . . . . . . 106 2. Diskurs zur Ersetzungsbefugnis und Praxis der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 III. Qualifikation der richterlichen Ersatzbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 D. Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. Pactum de non petendo als materiell-rechtliche Einrede oder als prozessrechtlicher Klageverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Analoge Anwendbarkeit von § 1032 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 E. Abgrenzung der Vertragsarbitrage von der Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Beantwortung strittiger Rechtsfragen als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . 113 II. Abstellen auf einzelne Tatbestandselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 III. Beachtung des Parteiwillens als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 F. Zusammenfassung und Ergebnis zum deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
14
Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
122
A. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Expert Determination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Adjudication . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 c) HGCRA 1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Verhältnis Modellvertrag zu individuellen Vereinbarungen . . . . . . . . . . 129 bb) Dispute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Differenzierung von gesetzlicher und vertraglicher Adjudication und Expert Determination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Differenzierung von gesetzlicher Adjudication und individuell vereinbarter Adjudication . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Differenzierung von gesetzlicher Adjudication und Expert Determination 132 II. Qualifikation der Bindungswirkung der Expert Determination und Adjudication 133 III. Grenzen der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Fraud und Mistake . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. Zuständigkeit (Jurisdiction) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3. Natural Justice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Unabhängigkeit des Richters (Bias) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Recht auf Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Anwendbarkeit der Natural justice auf die Adjudication . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Entwicklung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Eindämmung der Regeln der Natural Justice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 d) Anwendbarkeit der Natural Justice auf die Expert Determination . . . . . . . 143 IV. Folgen einer ungültigen oder nicht erfolgten Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 V. Durchsetzbarkeit der Vereinbarung einer Expert Determination oder Adjudication . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 VI. Abgrenzung der Expert Determination und Adjudication von der Schiedsgerichtsbarkeit (Arbitration) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Arenson v Arenson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Abgrenzung der Adjudication im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 VII. Zusammenfassung und Ergebnis zum englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B. Französisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Inhaltsverzeichnis
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2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Art. 1592 C. civ. und Art. 1843-4 C. civ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Methodenwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Abgrenzung von Art. 1592 und Art. 1843-4 C. civ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Qualifikation der Bindungswirkung der expertise irrévocable . . . . . . . . . . . . . . . 159 III. Gerichtliche Überprüfungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Materiell-rechtlicher Überprüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Prozessrechtliche Überprüfungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 IV. Folgen einer ungültigen oder nicht erfolgten Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 V. Durchsetzbarkeit der Vereinbarung einer expertise irrévocable . . . . . . . . . . . . . . 165 VI. Abgrenzung der expertise irrévocable von der Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . 166 1. Rechtsprechung zum Umfang einer arbitrage contractuelle . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Voraussetzungen der Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Streit (litige) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Richterliche Befugnis (mission juridictionnelle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3. Bevorzugung der Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Diskurs zur Theorie einer arbitrage contractuelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 VII. Zusammenfassung und Ergebnis zum französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 C. Rechtsvergleichende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 I. Akzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Grenzen der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Folgen einer ungültigen oder nicht erfolgten Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 IV. Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 V. Abgrenzung zur Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
4. Kapitel Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
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A. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. Internationalisierung der Vertragsarbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Betrachtungsperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 B. Materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung . . . . . . . . . . . . . 181 I. Existenz eines Vertragsarbitragesitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Selbständige Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Entscheidung des RG zu einer Qualitätsarbitrage in Baden . . . . . . . . . . . . . . . 183
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Inhaltsverzeichnis 2. Objektive Anknüpfung gemäß Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Engste Verbindung gemäß Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Gewöhnlicher Aufenthalt des Obmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Tagungsort der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 III. Akzessorische Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Vertragsarbitrage als angelehntes Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Akzessorietät der Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3. Qualifikation schuldrechtlicher Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 4. Umfang der Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 IV. Rechtswahl der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 V. Wahl eines anationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
C. Hilfe der Gerichte bei der Durchführung der Vertragsarbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 I. Kollisionsrechtlicher Grundsatz der lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Qualifikation der richterlichen Ersetzungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 III. Universelle Anwendbarkeit von § 319 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. BGB . . . . . . . . . . . 196 D. Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 I. Entscheidung des BG zu Klausel 20 eines FIDIC Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3. Sachentscheidung des BG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Pactum de non petendo als Prozessvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 III. Das auf den Prozessvertrag anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 IV. Das auf das pactum de non petendo anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 V. Parallelwertung im deutschen Recht zur BG-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Vorliegen einer Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Keine Rechtswahl der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 E. Vertragsarbitrage und das CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 F. Abgrenzung der internationalen Vertragsarbitrage von der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 I. Anwendbarkeit des UNÜ auf die Vertragsarbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Entscheidung des BGH zur lodo di arbitratio irrituale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Anwendungsbereich des UNÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Sinn und Zweck des UNÜ unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
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b) Berücksichtigung des Wortlauts des UNÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Schiedsspruch im Sinne von Art. I UNÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Bindende Wirkung des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (1) Diskurs über die Auslegung des Worts „verbindlich“ . . . . . . . . . . . 210 (2) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (3) Berücksichtigung des Ziels der Abschaffung der Doppelexequatur 211 3. Anwendbarkeit des UNÜ auf die arbitrato irrituale im Besonderen . . . . . . . . 213 a) Herausgearbeitete Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Meinungsstand zur Entscheidung des BGH zur arbitratio irrituale . . . . . . 214 c) Diskurs zur Entscheidung des BGH zur arbitratio irrituale . . . . . . . . . . . . 214 4. Anwendbarkeit des UNÜ auf die Vertragsarbitrage im Allgemeinen . . . . . . . . 216 II. Abgrenzung der Vertragsarbitrage außerhalb des UNÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Schiedsspruch im Sinne von § 1061 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3. Bezeichnung des Verfahrens einer Organisation oder die Nennung einer Usance 218 G. Für den Obmann anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 II. Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 III. Problemlage aus dem Blickwinkel des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Beachtung auf Ebene des IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Beachtung auf Ebene des Sachrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Datumtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) Die vom Obmann und dem Gericht zu beachtenden Daten . . . . . . . . . . . . . 224 c) Grenzen und ergänzende Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 H. Ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 II. Materieller ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 III. Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze als ordre public Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . 227 I. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 I. Internationale Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Berücksichtigung der Verfahrensinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Einwand der Prozessökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 II. Internationale Zuständigkeit nach der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 J. Zusammenfassung und Ergebnis zum Internationalen Privat- und Verfahrensrecht . . . 230 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
Abkürzungsverzeichnis a.A. AC AcP Adj.L.R. AGBGB ALL ER Anm. Arbitration Art. AT Aufl. AWD BAG BauR BB BCLC Bd. BeckRS Beschl. BG BGB BGH BGHZ B.L.R. BLR Bolze Bull. civ. Bull. Joly BVerfG CA Cass. Cass. com. C. civ. CDB CESL Ch. CISG
andere Ansicht Law Reports, Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis Adjudication Law Reports Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) All England Law Reports Anmerkung The International Journal of Arbitration, Mediation and Dispute Management (The Journal of the Chartered Institute of Arbitrators) Artikel Allgemeiner Teil Auflage Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Bundesarbeitsgericht Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht Betriebs-Berater Butterworth Company Law Cases Band Beck online Rechtsprechung Beschluss Schweizerisches Bundesgericht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Business Law Review Building Law Reports Die Praxis des Reichsgerichts in Civilsachen Bulletin des arrêts de la Cour de cassation, chambres civil Bulletin Joly Bundesverfassungsgericht Cour d’appel Cour de cassation, chambre civil Cour de cassation, chambre commerciale Code civil Combined Dispute Board Common European Sales Law; Gemeinsames Europäisches Kaufrecht Law Reports, Chancery Division United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods/Übereinkommen der Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf
Abkürzungsverzeichnis Const. L.J. CPC D. DAB DB DCFR DIS DIS-AVO DIS-SchGO DRB Dr. sociétés EGBGB EGLR EWCA EWCA Civ EWHC EWHC (Ch) EWHC (Comm) EWHC (QB) EWHC (TCC) EWS f./ff. FIDIC FS Gaz. Pal. GG GrünhutsZ GS HansRZ HGCRA 1996 HK HKK h.M. Hrsg. ICC IELR IPR IPRax IPRG IPRspr. IZVR J-Cl. Civil Code J-Cl. Prc. civile JCP JCP É
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Construction Law Journal Code de procédure civil Recueil Dalloz Dispute Adjudication Board Der Betrieb Draft Common Frame of Reference Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit DIS-Verfahrensordnung für Adjudikation DIS-Schiedsgutachtenordnung Dispute Review Board Droit des sociétés Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Estates Gazette Law Reports England and Wales Court of Appeal England and Wales Court of Appeal Civil Division England and Wales High Court England and Wales Court of Appeal (Chancery Division) England and Wales High Court (Commercial Court) England and Wales High Court (Queen’s Bench Division) England and Wales High Court (Technology & Construction Court) Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende Fédération Internationale des Ingénieurs Conseils Festschrift Gazette du Palais Grundgesetz Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart Gedächtnisschrift Hanseatische Rechtszeitschrift für Handel, Schiffahrt und Versicherung, Kolonial- und Auslandsbeziehungen, sowie für hanseatisches Recht Housing Grand Construction and Regeneration Act 1996 Handkommentar für die Zivilprozessordnung, hrsg. v. Ingo Saenger Historisch-kritischer Kommentar zum BGB herrschende Meinung Herausgeber International Chamber of Commerce International Energy Law Review Internationales Privatrecht Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (Schweiz) Die Deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts Internationales Zivilverfahrensrecht JurisClasseur Civil Code JurisClasseur Procédure civile Semaine juridique (édition génerale) Semaine juridique (édition entreprise et affaires)
20 JDI J.T. Jura JW JZ KG KTS
Abkürzungsverzeichnis
Journal du droit international (Clunet) Journal des tribunaux Juristische Ausbildung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kammergericht Zeitschrift für Insolvenzrecht; Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen LG Landgericht Lloyd’s Rep. Lloyd‘s Law Reports L&T Landlord and Tenant Law Review MüKo Münchener Kommentar n8 numéro NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht NK Nomos-Kommentar Nr. Nummer NZBau Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht NZM Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht NZV Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht OLG Oberlandesgericht PECL Principles of European Contract Law PICC UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts Puchelts Zeitschrift für französisches Civilrecht RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RDC Revue des contrats Rev. arb. Revue de l’arbitrage Rev. dr. Int. et dr. com. Revue de droit international et de droit comparé Rev. sociétés Revue des sociétés RG Reichsgericht RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der Internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer ROHG Reichsoberhandelsgericht ROHGE Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Rom I-VO Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Rom II-VO Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht RTD Civ. Revue trimestrielle de droit civil RTD Com. Revue trimestrielle de droit commercial S. Seite/Satz SchiedsVZ Zeitschrift für Schiedsverfahren ScotCS Scottish Court of Session Decisions ScotCS CSIH Scotland Court of Session, Inner House
Abkürzungsverzeichnis ScotHC T.C.L.R. TGI Tribune assur. UNÜ Urt. v. VersR vgl. VOB/B VVG WLR Y.B. Com. Arb. ZEV ZfBR ZfRV ZHR ZPO ZRG (KA) ZRG (RA) ZVglRWiss ZZP
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Scottish High Court of Justiciary Techology and Construction Law Reports Tribunal de grande instance Tribune de l’assurance New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 Urteil von/vom Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht vergleiche Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B Versicherungsvertragsgesetz Weekly Law Reports Yearbook Commercial Arbitration Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Europarecht, internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung; Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht; Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Kanonistische Abteilung) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung) Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozeß
Einleitung Vertragsfreiheit bedeutet, vereinfacht gesagt, die Freiheit, Verträge in beliebiger Zahl und mit beliebigem Inhalt abzuschließen.1 Das Prinzip der Vertragstreue verpflichtet die Parteien im Anschluss an den Vertragsschluss den abgeschlossenen Vertrag einzuhalten. Sie sind, sofern nicht alle Parteien in eine Auflösung oder Veränderung des Vertrags einwilligen, an ihre Vereinbarung gebunden. Klassischerweise wird der Vertragsinhalt dabei von den an den Vertrag gebundenen Parteien bestimmt. Lassen die Parteien den Inhalt dagegen Fremdbestimmen – von einem Dritten – dann ist dies eine Besonderheit, die die Basis des von mir hier als „Vertragsarbitrage“ genannten Streitbeilegungsverfahrens darstellt. Dabei stellen Verfahren mit schuldrechtlich bindender Drittentscheidung keine Neuigkeit an sich dar, sondern sind im deutschen Recht seit langem verwirklicht. Zu nennen sind zum Beispiel die §§ 317, 318, 319 BGB und die damit in Verbindung gebrachten sogenannten Schiedsgutachten. Es gibt aber auch jüngere Entwicklungen. Vor allem die englische Kautelarpraxis hat in neuerer Zeit auf Basis der schuldrechtlich bindenden Drittbestimmung einen Streitbeilegungsmechanismus geschaffen, den sie „adjudication“ nennt. Angelehnt an den aus dem angelsächsischen Rechtsraum stammende Begriff der „adjudication“2, wird dieses Verfahren in Deutschland als „Adjudikation“ bezeichnet.3 Solche Verfahren enthalten beispielsweise Musterverträge und Verfahrensordnungen der FIDIC4, ICC5 und DIS6. Für alle Streitbeilegungsverfahren mit schuldrechtlich bindender Entscheidung durch einen Dritten soll der Begriff der Vertragsarbitrage hier als Oberbegriff dienen. Der Begriff der Vertragsarbitrage ist kein etablierter Begriff, weswegen der Begriff der Vertragsarbitrage zunächst herzuleiten ist (§ 1). Dazu ist das Verfahren, einen Dritten über den Inhalt des Vertrags bestimmen zu lassen, kurz rechtshistorisch zu betrachten, bevor auf die Rechtsgrundlage im heutigen deutschen Recht einzugehen ist. Der Begriff der Vertragsarbitrage ist dabei vor allem auch an Hand einer Auseinandersetzung mit den §§ 317 – 319 BGB und dem damit hauptsächlich in Verbindung gebrachten Schiedsgutachten zu entwickeln. 1 Raiser, JZ 1958, 1; v. Hippel, Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, S. 112, Fn. 4. 2 Siehe dazu Harbst, SchiedsVZ 2003, 68. 3 Vgl. Köntges/Mahnken, SchiedsVZ 2010, 310. 4 Fédération Internationale des Ingénieurs Conseils. 5 International Chamber of Commerce. 6 Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit.
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Einleitung
Im Anschluss daran (§ 2) sind ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage zu untersuchen. Hier gilt es nachzuweisen, dass die Vertragsarbitrage nicht nur ein Oberbegriff für Streitbeilegungsverfahren mit schuldrechtlich bindenden Entscheidungen eines Dritten ist, sondern ein vielschichtiges Rechtsinstitut, das der Schiedsgerichtsbarkeit im materiellen Recht entspricht. Besonders relevante Fragestellungen sind, welche Bindungswirkung die Vertragsarbitrageentscheidung entfaltet und welchen Grenzen die Bindungswirkung unterliegt. Wesentlicher Teil der Grenzen der Bindungswirkung ist die Frage, ob der Dritte bei seiner Entscheidung bestimmte Verfahrensgrundsätze zu berücksichtigen hat. Von Interesse ist außerdem, wann der Richter befugt ist unverbindliche oder unterlassene Entscheidungen des Dritten durch ein eigens Urteil zu ersetzen, inwiefern die Vertragsarbitragevereinbarung durchgesetzt werden kann und wie die Vertragsarbitrage von der Schiedsgerichtsbarkeit abzugrenzen ist. Wesentliches Anliegen dieser Arbeit es außerdem Lösungsansätze zu erarbeiten, die für den Einsatz von länderübergreifenden, also internationalen Vertragsarbitrageverfahren benötigt werden. Die Adaption der Adjudikation durch international handelnde Organisationen wie der FIDIC und der ICC ist der erste Anhaltspunkt für die Notwendigkeit einer solchen internationalen Betrachtung der Vertragsarbitrage. Zunächst gilt es dazu nachzuweisen, dass Vertragsarbitrageverfahren auch in anderen Rechtsordnungen bekannt und verbreitet sind. Für den Nachweis dienen als Untersuchungsgegenstand das englische7 und französische Recht (§ 3). Allein der Nachweis der Verbreitung der Vertragsarbitrage in anderen Rechtsordnungen genügt für sich allerdings noch nicht. Die Rechtsordnungen Englands und Frankreichs sind weiterhin auf dieselben Problemstellungen hin zu untersuchen, wie zuvor die deutsche Rechtsordnung. Ziel ist es, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Rechtsordnungen in Bezug auf diese Problemstellungen aufzuzeigen. Wurde festgestellt, dass sich die Rechtsordnungen in ihrer Behandlung der Problemstellungen eventuell unterscheiden, ist zuletzt das auf die Rechtsfragen anwendbare Recht zu ermitteln (§ 4). In diesem Kontext sind wiederum dieselben Fragestellungen zu untersuchen, die auch schon im deutschen, englischen und französischen Recht untersucht worden sind. Zwar beruhen weite Teile der Arbeit auf einer rechtsvergleichenden Betrachtung der erwähnten Rechtsordnungen, ein „klassischer“ Rechtsvergleich soll diese Arbeit aber dennoch nicht sein. Hierzu fehlt es insbesondere an Erläuterungen und Bewertungen der gefundenen Unterschiede der Rechtsordnungen.8 Als verbindendes Element soll vielmehr die Untersuchung des Internationalen Privatrechts dienen, 7
Wenn hier vom englischen Recht gesprochen wird, ist damit selbstverständlich auch das walisische Recht gemeint. 8 Siehe Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 3 VII.; Kischel, Rechtsvergleichung, § 3 Rn. 237.
Einleitung
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das zwar durchaus nach dem Sinn und Zweck einer bestimmten Regelung des ausländischen Rechts fragt, aber sich einer Bewertung eines „zweckmäßiger“ oder „gerechter“ enthält.9
9 Zur berechtigten und unberechtigten Kritik eines klassischen Rechtsvergleichs, siehe Kischel, Rechtsvergleichung, § 3.
1. Kapitel
Vertragsarbitrage im deutschen Recht A. Rechtshistorische Aspekte Die §§ 317, 318, 319 BGB haben die schuldrechtlich bindende Drittleistungsbestimmung zum Regelungsgegenstand. Diese Regelungen werden vor allem mit dem Begriff des Schiedsgutachtens in Verbindung gebracht. Der Begriff des Schiedsgutachters geht auf einen Artikel von Weismann zurück, in dem er den bisher als arbitrator1 oder Sachverständiger2 genannten Dritten als Schiedsgutachter bezeichnete.3 Auch, wenn der lateinische Begriff des arbitrators erst im Mittelalter entstand, lässt sich die schuldrechtlich bindende Drittleistungsbestimmung auf eine historische Entwicklung zurückführen, die bis in das römische Recht hinein reicht.
I. Entwicklung im römischen Recht In der Periode des klassischen römischen Rechts konnten Schiedssprüche nicht direkt vollstreckt werden, sondern waren mit einer Vertragsstrafe verbunden, die fällig wurde, falls sich eine Partei nicht an den Schiedsspruch hielt.4 Diese Vertragsstrafe musste selbständig eingeklagt werden.5 Die Voraussetzung dafür war ein wirksamer Schiedsvertrag (compromissum).6 Für den Fall, dass ein von den Parteien gewählter Schiedsrichter das Schiedsrichteramt übernahm, aber untätig blieb, konnte der Prätor gegen den untätigen Schiedsrichter Zwangsmittel ergreifen, indem er eine Strafe verhängte und zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schiedsrichters vollstreckte.7
1
RG. v. 12. 12. 1984 – II, 299/84, Bolze, Bd. 1, Nr. 889; RG. v. 3.10.984 – III, 137/84, Bolze, Bd. 1, Nr. 891. 2 RG v. 11. 3. 1986 – IV, 363/85, Bolze, Bd. 2, Nr. 848. 3 Weismann, AcP 72 (1888), 269, 303. 4 Ziegler, Das private Schiedsgericht im antiken römischen Recht, S. 91; Krause, Die geschichtliche Entwicklung des Schiedsgerichtswesens in Deutschland, S. 48; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 146; HKK/Hofer, §§ 315 – 319 Rn. 17. 5 Ziegler, Das private Schiedsgericht im antiken römischen Recht, S. 91. 6 HKK/Hofer, §§ 315 – 319 BGB Rn. 17. 7 Ziegler, Das private Schiedsgericht im antiken römischen Recht, S. 84 f.
A. Rechtshistorische Aspekte
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Bereits im römischen Recht wurde zwischen zwei Arten der privaten Streitbeilegung unterschieden.8 Nach den Darstellungen des Proculus in Dig. 17, 2, 769 gab es den „arbiter“ (bon viri arbitrium), der nach billigem Ermessen zu entscheiden hatte und einen „arbiter“ (ex compromisso), dessen Entscheidungen trotz ungerechtem Inhalt verbindlich wurden.10 Diese Unterscheidung bildete die Grundlage für die heutige Spaltung von der prozessrechtlich geregelten Schiedsgerichtsbarkeit und schuldrechtlich bindender Drittleistungsbestimmung.11 Der Begriff des „arbiter“ stand im römischen Recht daher allgemein für eine Person, die außerhalb staatlicher Gerichte Entscheidungen zu fällen hatte, sie bezeichnete nicht nur den heute im Prozessrecht geregelten Schiedsrichter.12 Der nach Billigkeitsgrundsätzen entscheidende arbiter (bon viri arbitrium) wurde im römischen Recht als leistungsbestimmender Dritter angesehen, der den Vertragsinhalt an Stelle der Parteien ergänzen konnte.13 Die Vertragsergänzung durch einen Dritten war im klassischen römischen Recht mit der Frage der Wirksamkeit des Vertrags eng verbunden, denn für die Wirksamkeit eines Vertrags war es Voraussetzung, dass die Leistung bestimmt oder zumindest bestimmbar war.14 Aus diesem Grund blieb die Vertragsergänzung zunächst auf wenige Fälle, wie der von Proculus bschriebenen Bewertung von Gesellschaftsanteilen, beschränkt.15 Die Bestimmung des Werts von Gesellschaftsanteilen durch einen Dritten wurde als zulässig angesehen, weil der Ermessensspielraum des Dritten durch ausreichend äußere Kriterien, wie der Arbeits- und Kapitalleistung der Gesellschafter, begrenzt wurde.16 Erst in der nachklassischen Zeit wurde die Zulässigkeit des arbitrum bon viri auf das Erbrecht erweitert17 und schließlich bestimmt Justinian, dass auch bei Miete und Kauf auf die Billigkeitsentscheidung eines Dritten zurückgegriffen werden konnte.18 Diese Rechtslage entspricht weitestgehend der heutigen französischen.19 8
Winter, Die Bestimmung der Leistung durch den Vertragspartner oder Dritte, S. 48. Fundstelle mit deutscher Übersetzung, in: Behrends/Knüttel/Kupisch/Seiler (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis, Bd. III, S. 435 f. 10 Ziegler, Das private Schiedsgericht im antiken römischen Recht, S. 82 f.; Winter, Die Bestimmung der Leistung durch den Vertragspartner oder Dritte, S. 48. 11 Winter, Die Bestimmung der Leistung durch den Vertragspartner oder Dritte, S. 48; Ziegler, ZRG (RA) 84 (1967), 376, 379; HKK/Hofer, §§ 315 – 319 BGB Rn. 18. 12 HKK/Hofer, §§ 315 – 319 Rn. 17. 13 Winter, Die Bestimmung der Leistung durch den Vertragspartner oder Dritte, S. 48. 14 Kaser, Das Römische Privatrecht, Bd. I, § 115, S. 490; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 148. 15 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 149. 16 Wenger, Zum obligationsrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, S. 87. 17 Kaser, Das Römische Privatrecht, Bd. II, § 298 II, S. 557; Wittmann, Schiedsgutachten, S. 149. 18 Kaser, Das Römische Privatrecht, Bd. II, § 256 II, S. 338; Wenger, Zum obligationsrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, S. 87; Wittmann, Schiedsgutachten9
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
Eine unbillige Entscheidung des arbiter (bon viri arbitrium) wurde zwar auch Bestandteil des Vertrags, der Richter konnte jedoch niemanden zu etwas verurteilen, das den Billigkeitsmaßstäben des bonos vir widersprach, weswegen er unbillige Entscheidungen korrigierte.20 Hingegen wurde der Schiedsspruch eines arbiter (ex compromisso) nicht Teil des Vertrags. Der Richter hatte allein auf Grund des Strafversprechens die nicht befolgende Partei zu verurteilen, unabhängig von der Frage, ob der Schiedsspruch billig oder unbillig war.21
II. Entwicklung im mittelalterlichen Recht Erst im Mittelalter wurde begrifflich zwischen dem „arbiter“ und „arbitrator“ differenziert.22 Durantis unterschied in dem vom ihm im 13. Jahrhundert verfassten kanonistischen Prozesswerk Speculum Iudiciale zwischen einem „arbiter“, der in einem prozessförmigen Verfahren urteilen sollte, und einem „arbitrator“ oder auch „amicabilis compositor“, der nicht an ein förmliches Verfahren gebunden war und nach Billigkeit entscheiden durfte.23 Die Entscheidungen des „arbitrator“ beziehungsweise des „amicabilis compositor“ konnten korrigiert werden, wenn sie unbillig waren.24 Beachtlich ist hierbei, dass schon nach Durantis Darstellung der „arbitrator“ nicht nur die Aufgabe der Vertragsergänzung, sondern auch der Streitentscheidung hatte.25 Die erfolgte Gleichsetzung von „arbitrator“ und „amicabilis compositor“, also dem Vertragsergänzer und dem freundschaftlichen Friedensstifter, lässt sich vor allem aus der Idee des kanonischen Rechts des Schiedsrichters als Friedenstifter erklären, zu dem der Billigkeitsentscheid besser passte.26 Die ebenfalls im Mittelalter durch die italienischen Glossatoren und Postglossatoren eingeführte Unterscheidung zwischen „arbiter“ und „arbitrator“ berief sich zum einen auf Durantis Speculum Iudicale, beruhte nach einer Meinung aber vor vertrag, S. 149; siehe auch Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 91. 19 Siehe dazu § 3 B. 20 Wenger, Zum obligationsrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, S. 98. 21 Wenger, Zum obligationsrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, S. 98. 22 Krause, Die geschichtliche Entwicklung des Schiedsgerichtswesens in Deutschland, S. 53; HKK/Hofer, §§ 315 – 319 BGB Rn. 18. 23 Fundstelle abgedruckt bei Bader, ZRG (KA) 77 (1960), 239, 273; Zimmermann, The law of obligations, S. 529 und Wenger, Zum obligationsrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, 108; siehe auch Weismann, AcP 72 (1888), 269, 270; Winter, Die Bestimmung der Leistung durch den Vertragspartner oder Dritte, S. 51; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 151; HKK/Hofer, §§ 315 – 319 BGB Rn. 18. 24 Weismann, AcP 72 (1888), 269, 271; HKK/Hofer, §§ 315 – 319 BGB Rn. 18. 25 Winter, Die Bestimmung der Leistung durch den Vertragspartner oder Dritte, S. 52; Wenger, Zum obligationsrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, S. 107 f. 26 Wenger, Zum obligationsrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, S. 107 f.; vgl. auch Coing, FS Hübner, S. 35, 37.
A. Rechtshistorische Aspekte
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allem auf dem Versuch den Unterschied zwischen den römischen Rechtsquellen und der kirchlichen und weltlichen Praxis zu überwinden.27 Während nämlich im römischen Recht Frauen vom Amt des Schiedsrichters ausgeschlossen waren, konnten sie im kanonischen Recht ein solches Amt durchaus bekleiden. Daher ordneten die Glossatoren dem kirchlichen und weltlichen Schiedsrichter, der nach römischem Recht kein „arbiter“ sein konnte, eine neue Kategorie zu.28 Die Differenzierung spielte in der Praxis dagegen eine weit weniger wichtige Rolle, da in Schiedsverträgen der Schiedsrichter häufig formelhaft als „arbiter arbitrator seu amiciblis compositor“ bezeichnet wurde,29 also schon hier eine gewisse Vermengung der beiden Institute eintrat. Diese Formel war nachweislich auch im süddeutschen Raum weit verbreitet.30 Die deutschen mittelalterlichen Juristen unterschieden überhaupt nicht mehr zwischen dem arbiter, als Schiedsrichter und dem arbitrator, als Vertragsergänzer, sondern vermengten diese beiden Institute untrennbar miteinander,31 weil es vor Bekanntwerden der Formel im deutschen Recht gar keine Unterscheidung diesbezüglich gab und diese auch nicht für nötig erachtet wurde.32 Da der einheimische, bisher bekannte Schiedsrichter nach Minne33 und Güte und nicht nach Rechtsnormen zu entscheiden hatte, wie auch der dem einflussreichen kanonischen Recht entspringende Schiedsrichter, wurde eher im arbitrator als im arbiter der den Juristen bekannte Schiedsrichter gesehen.34 Konsequenter Weise wurde im Anschluss an das römische Recht gegen dessen Spruch ein Rechtsmittel gewährt.35 Wurde dieses innerhalb von 30 Tagen eingelegt, konnte die Entscheidung auf ihre Billigkeit und Angemessenheit hin überprüft werden.36 In der Folgezeit wurde vor allem diese Figur des Schiedsrichters weiterentwickelt.37
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Ziegler, ZRG (RA) 84 (1967), 376, 378 f. Ziegler, ZRG (RA) 84 (1967), 376, 379. 29 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 151 f.; allgemein zu dieser Formel: Bader, ZRG (KA) 77 (1960), 239; Ziegler, ZRG (RA) 84 (1967), 376. 30 Siehe Bader, ZRG (KA) 77 (1960), 239 ff. 31 Vgl. Coing, FS Hübner, S. 35, 38 f. 32 Winter, Die Bestimmung der Leistung durch den Vertragspartner oder Dritte, S. 55 f.; Wenger, Zum obligationsrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, S. 141. 33 Minne bedeutet ein freundliches Entgegenkommen, ohne Pflicht zur Rechtsanwendung, siehe Deutsches Rechtswörterbuch, 9. Band, S. 654 f. 34 Winter, Die Bestimmung der Leistung durch den Vertragspartner oder Dritte, 54 ff.; Wenger, Zum obligationsrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, S. 139. 35 Krause, Die geschichtliche Entwicklung des Schiedsgerichtswesens in Deutschland, S. 54. 36 Krause, Die geschichtliche Entwicklung des Schiedsgerichtswesens in Deutschland, S. 54. 37 Vgl. HKK/Hofer, §§ 315 – 319 BGB Rn. 18. 28
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
Erst durch die Pandektenwissenschaft und ihrer Rückbesinnung auf das römische Recht gewann der arbitrator wieder an Bedeutung.38 Dabei wurde versucht, sich unmittelbar an das römische Recht anzulehnen, sodass im arbitrator vor allem die Funktion des Vertragsergänzers gesehen wurde, während für eine Streitentscheidung das Schiedsgericht zuständig sei.39 Diese Ansicht wurde auch maßgeblich für die Konzeption der entsprechenden Vorschriften im BGB.40
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage Die von mir bezeichnete Vertragsarbitrage ist ein Verfahren, bei der die Vertragsparteien einem Dritten die Befugnis einräumen, an ihrer Stelle den Vertragsinhalt schuldrechtlich verbindlich zu bestimmen. Der Nachweis der Existenz und der Rechtsgrundlage der Vertragsarbitrage im deutschen Recht wirft zunächst die Fragen auf, ob und vor allem in welchem Umfang die Privatautonomie die Übertragung der Vertragsinhaltsbestimmung auf einen Dritten erlaubt (I.) und ob eine solche Übertragung in Konflikt mit dem Bestimmtheitsgebot gerät (II.). Dass eine Übertragung der Vertragsinhaltsbestimmung grundsätzlich möglich ist, zeigen bereits die §§ 317 ff. BGB und die darin geregelte schuldrechtliche bindende Drittleistungsbestimmung. Die §§ 317 ff. BGB werden häufig mit dem Begriff des Schiedsgutachtens in Verbindung gebracht. Weil dieser Begriff des Schiedsgutachtens in den §§ 317 ff. BGB aber nicht genannt wird, ist der Zusammenhang zwischen dem Schiedsgutachten und den §§ 317 ff. BGB näher zu untersuchen (III.). Neben dem Schiedsgutachten existieren im Gesetz und in der Kautelarpraxis noch weitere im weitesten Sinne Streitbeilegungsmethoden, die auf einer schuldrechtlich bindenden Entscheidung eines Dritten basieren. Diese Streitbeilegungsmethoden sind darzustellen (IV.) und vom Schiedsgutachten abzugrenzen. Anschließend ist die Vertragsarbitrage als Oberbegriff zu definieren und dessen Umfang darzustellen (V.). Ist die Vertragsarbitrage definiert, ist fraglich, ob auf diese auch die §§ 317 ff. BGB analog angewandt werden können (VI.).
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Winter, Die Bestimmung der Leistung durch den Vertragspartner oder Dritte, 40; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 153. 39 Winter, Die Bestimmung der Leistung durch den Vertragspartner oder Dritte, S. 40; HKK/Hofer, §§ 315 – 319 BGB Rn. 19; vgl. auch Goldschmidt, GrünhutsZ 2 (1875), 714, 719 f. 40 HKK/Hofer, §§ 315 – 319 BGB Rn. 19.
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage
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I. Privatautonomie als Grundlage einer schuldrechtlich bindenden Drittentscheidung Wesentliche Grundlage für eine schuldrechtlich bindende Drittentscheidung bildet heute die Privatautonomie und in besonderer Ausformung der Privatautonomie die Vertragsfreiheit. Die Privatautonomie ist „das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen“41 und konstituiert die Privatrechtsgesellschaft.42 Sie ist unter anderem Teil der von Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Handlungsfreiheit43 und ist als Korrelat dieser im Zivilrecht zu begreifen.44 Mit diesem weiten Verständnis öffnet die Privatautonomie jedem die Möglichkeit seine Lebensverhältnisse eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu gestalten45 und wird damit zum tragenden Prinzip der Zivilrechtsordnung schlechthin, ohne dass es dafür einer ausdrücklichen Ermächtigung des Gesetzgebers bedürfte.46 Die Privatautonomie umfasst weitere zivilrechtliche Freiheiten, wie die Vertragsfreiheit, die Eigentumsfreiheit, die Formfreiheit, die Testierfreiheit und die Parteiautonomie.47 Die Vertragsfreiheit überlässt es jedem, ob, mit wem und mit welchem Inhalt er Verträge schließen möchte.48 Die auf der Privatautonomie basierende Eigentumsfreiheit ermöglicht es mit dem Eigentum nach Belieben zu verfahren,49 dies bringt § 903 BGB deutlich zum Ausdruck. Nach der dem BGB immanenten Formfreiheit50 können Rechtsgeschäfte grundsätzlich ohne Formzwang geschlossen werden.51 Die Testierfreiheit räumt dem Erblasser die Möglichkeit ein seinen Besitz nach seinem Tod beliebig zu verteilen.52 Weiterhin findet die Privatautonomie ihren Ausdruck in der Parteiautonomie.53 Diese überantwortet es den Parteien, unter welches Recht sie ihr Rechtsgeschäft stellen wollen.
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Flume, BGB AT II, S. 1, siehe auch ders., FS Deutscher Juristentag I, S. 136. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, S. 208 Rn. 2. 43 BVerfG, 19. 10. 1993 – 1 BvR 567 u. 1044/89, JZ 1994, 408, 409; BVerfG 13. 5. 1986 – 1 BvR 1542/84, NJW 1986, 1859, 1860. 44 Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 GG Rn. 101. 45 Merz, Privatautonomie heute – Grundsatz und Rechtswirklichkeit, S. 1 f.; Flume, BGB AT II, S. 1; v. Hippel, Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, S. 62 f. 46 Wolf/Neuner, BGB AT, § 10 Rn. 29; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, S. 210, Rn. 6. 47 Vgl. Petersen, JURA 2011, 184 ff.; NK/Schulze, Vor §§ 145 – 157 BGB Rn. 10. 48 Merz, Privatautonomie heute – Grundsatz und Rechtswirklichkeit, S. 2; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 50. 49 Merz, Privatautonomie heute – Grundsatz und Rechtswirklichkeit, S. 2, 8. 50 Müko/Einsele, § 125 BGB Rn. 1. 51 Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 50. 52 Vgl. Staudinger/Honsell, Einl. zum BGB Rn. 113. 53 Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 50. 42
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
Die durch privatautonomen Akt geschaffenen Rechtsverhältnisse bedürfen allerdings ihrerseits einer Rückbindung an eine Rechtsordnung, die diese Rechtsverhältnisse anerkennt und unter Umständen konkretisiert.54 Aus diesem Grund wohnt die Idee der Privatautonomie nicht nur dem BGB inne, sondern findet sich gleichermaßen in anderen großen Kodifikationen des 19. Jahrhunderts, wie dem französischen Code civil55 und dem österreichischen ABGB.56 Die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts ohne Grundlage einer nationalen Rechtsordnung, etwa auf Grund Naturrechts57, wird heute nicht mehr ernsthaft vertreten.58 Gegen eine solche Ansicht spricht, dass der Einzelne zur Durchsetzung eines privatautonom geschaffenen rechtlichen Anspruchs, auf Grund des Gewaltmonopols des Staats, ein staatliches Gericht anrufen muss.59 Die staatliche Gerichtsbarkeit ihrerseits ist verpflichtet staatliche Normen anzuwenden (Art. 20 Abs. 3 GG). Ein außerhalb einer staatlichen Rechtsordnung stehender Vertrag ist der deutschen Rechtsordnung und folglich dem Gericht unbekannt. Aus der grundgesetzlichen Gewährleistung der Privatautonomie folgt, dass der Gesetzgeber zur Ausübung der Privatautonomie ausreichend rechtsgeschäftliche Gestaltungsmittel zur Verfügung zu stellen hat.60 Die Ausübung der Privatautonomie stellt sich somit nicht als Rechtssetzung,61 sondern als Ausfüllung des von der Rechtsordnung gewährten Raums dar.62 Die Gestaltung dieses Raums beziehungsweise die Beschränkungen der Privatautonomie63 und der Vertragsfreiheit bedürfen aber stets einer gesetzlichen Anordnung, sodass grundsätzlich ein Vorrang der Vertragsfreiheit vor der Beschränkung besteht.64
54 Flume, AT II, S. 1 f.; ders., FS Deutscher Juristentag I, S. 136 f.; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, S. 6; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 15. 55 In Art. 1134 C. civ. heißt es: „Les conventions légalement formées tiennent lieu de loi à ceux qui les ont faites“. 56 Merz, Privatautonomie heute – Grundsatz und Rechtswirklichkeit, S. 5. 57 So v. Hippel, Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, S. 93 ff. 58 Vgl. Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, S. 6; vgl. auch Bonell, RabelsZ 42 (1978), 485, 494. 59 BVerfG, 19. 10. 1993 – 1 BvR 567 u. 1044/89, JZ 1994, 408, 409. 60 BVerfG, 19. 10. 1993 – 1 BvR 567 u. 1044/89, JZ 1994, 408, 409; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 27. 61 Flume, FS Deutscher Juristentag I, S. 141; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 15. 62 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 19. 63 Ausgestaltung und Beschränkung lassen sich nicht eindeutig abgrenzen, Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, S. 244, Rn. 81. 64 Canaris, FS Lerche, S. 873, 886 f.; siehe auch Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 67; Raiser, JZ 1958, 1, 2 („Nur zwei allgemeine Schranken der Vertragsfreiheit kennt das BGB: den Verstoß gegen ein Gesetz oder gegen die guten Sitten“); Flume, FS Deutscher Juristentag I, S. 135, 141 („stat pro ratione voluntas“), ders., BGB AT II, S. 6.
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage
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Die weitreichenden Freiheiten der Privatautonomie haben bei Entstehung des BGB Kritik hervorgerufen. Von Gierke etwa forderte, dass in „unserer Privatrecht ein Tropfen sozialistischen Öls durchsickern muss“.65 Die Privatautonomie ist gleichwohl in vielfältiger Weise beschränkt. Hierzu zählen die vom Gesetzgeber aufgestellten Formerfordernisse für Grundstücksverträge (§ 311 b Abs. 1 BGB), das Pflichtteilsrecht (§§ 2303 ff. BGB), das AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB) sowie die Beschränkungen der Parteiautonomie des auf europäischer Ebene geregeltem Internationalen Privatrechts in der Rom I-VO, etwa bei Arbeitsverträgen (Art. 8 Rom IVO), um nur einige Beispiele zu nennen.66 Weitere wesentliche Beschränkungen der Privatautonomie enthalten das Verbot mit einem Rechtsgeschäft gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) sowie gegen die guten Sitten zu verstoßen (§ 138 BGB)67 und das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB).68 Gleichwohl ist festzuhalten, dass ein Verbot, einen an den Vertrag ungebundenen Dritten den Vertragsinhalt bestimmen zu lassen, nicht besteht. Die Privatautonomie gestattet es grundsätzlich die inhaltliche Ausgestaltung oder Ergänzung eines Vertrags einem Dritten zu überlassen, die Parteien müssen dies nicht selbst tun.69 Es ist sogar festzustellen, dass mit den §§ 317 ff. BGB positivrechtliche Regelungen bestehen, die eine schuldrechtlich bindende Drittleistungsbestimmung ausdrücklich zum Gegenstand haben. Die Parteien können folglich die ihnen eingeräumte Privatautonomie auf einen Dritten übertragen, sie können sie an den Dritten delegieren.70 Die Gestaltungsmacht des Dritten ist aber nicht unbegrenzt, sie kann nicht weitergehen, als die Gestaltungsfreiheit der Parteien selbst. Für den Dritten gelten die gleichen Grenzen der Privatautonomie, die auch für die Vertragsparteien gelten. Nichtsdestotrotz bedeutet die grundsätzliche Erlaubnis einem Dritten Privatautonomie zu übertragen ein weites Gestaltungsermessen der Parteien bei der Nutzung dieser Erlaubnis. Dabei ist nicht nur an Situationen zu denken, bei denen der Vertragsschluss noch bevorsteht, sondern vor allem an Situationen, bei denen zwischen den Parteien im Laufe einer Vertragsdurchführung Uneinigkeiten entstehen. Statt ein Gericht oder ein Schiedsgericht anzurufen, können die Parteien den Dritten beauf65 v. Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, S. 10; wenngleich heute schon von einem „kanisterweise Hinzugeben“ sozialistischen Öls und einer „Ölverschmutzung“ die Rede ist, siehe Isensee, FS Großfeld, S. 485, 505; Bungeroth, FS Schimansky, S. 280; vgl. auch BVerfG, 19. 10. 1993 – 1 BvR 567 u. 1044/89, JZ 1994, 408, 409, dass von einer notwendigen Begrenzung und dem Bedarf der rechtlichen Ausgestaltung der Privatautonomie spricht. 66 Vgl. Isensee, FS Großfeld, S. 485, 505. 67 Raiser, JZ 1958, 1, 2; Petersen JURA 2011, 184, 186. 68 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 83. 69 Kleinschmidt, RabelsZ 76 (2012), 787, 792; Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 129 ff.; Jonas, JW 1937, 221; MüKo/Würdinger, § 317 BGB Rn. 1; BeckOK/ Gehrlein, § 317 BGB Rn. 1; Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rn. 1. 70 Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte; kritisch zu diesem Begriff: Riesenhuber, RabelsZ 80 (2016), 686, 692.
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
tragen die Uneinigkeit im Wege eines schuldrechtlich bindenden Spruchs zu entscheiden.
II. Bestimmtheitsgebot und offener Dissens Fraglich ist, ob die Delegation von Privatautonomie auf einen Dritten in Konflikt mit dem Bestimmtheitsgebot gerät. Nach dem Bestimmtheitsgebot kommt ein Vertrag erst zustande, wenn der Inhalt des Vertrags bestimmt oder bestimmbar ist.71 Das Bestimmtheitsgebot schützt die Parteien vor ihnen noch unbekannten vertraglichen Verpflichtungen und damit vor einem übereilten Vertragsschluss. Ein Vertrag ist nicht bestimmt genug, solange sich die Parteien nicht über die essentialia negotii geeinigt haben.72 Eine Einigungslücke betreffs der essentialia negotii führt daher bereits auf Grund des Bestimmtheitsgebots zu einem „logischen Dissens“73 oder auch „Totaldissens“74, insoweit ist eine Vertragseinigung schon gemäß den §§ 145 ff. BGB auszuschließen.75 Ein logischer Dissens liegt aber dann nicht vor, wenn die zu den essentialia negotii gehörende Lücke bei Vertragsschluss bestimmbar ist. Die Lücke ist bei Vertragsschluss bestimmbar, wenn die Parteien vereinbaren, dass ein Dritter die Lücke durch eine zeitlich nach dem Vertragsschluss liegende Entscheidung schließen soll.76 Einen weiteren Schutz vor einem übereilten Vertragsschluss bietet § 154 BGB. Die Vorschrift schützt die Parteien vor einem Vertragsschluss, solange sie noch keine aus ihrer Sicht ausreichende Einigung über den Inhalt des Vertrages erzielt haben und ist deshalb Ausdruck der negativen Abschlussfreiheit der Parteien.77 Gemäß § 154 Abs. 1 BGB ist ein Vertrag im Zweifel als nicht geschlossen anzusehen, solange sich die Parteien nicht über alle ihnen wesentliche Punkte geeinigt haben. Die Norm entscheidet im Zweifel also gegen den Vertragsschluss.78 § 154 BGB unterscheidet grundsätzlich nicht zwischen essentilia negotii und leidglich ergänzenden Vertragsbestimmungen (accidentalia negotii).79 Entscheidend ist nach dem Regelungsansatz von § 154 BGB prinzipiell nur, ob sich die Parteien trotz bewusster
71 Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 148; Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 59. 72 Flume, AT II, S. 627. 73 NK/Schulze, § 154 BGB Rn. 4. 74 MüKo/Busche, § 154 BGB Rn. 3; Wolf/Neuner, BGB AT, § 38 Rn. 2. 75 BeckOK/H.-W. Eckert, § 154 BGB Rn. 5. 76 NK/Schulze, § 154 BGB Rn. 4; MüKo/Busche, § 154 BGB Rn. 3. 77 MüKo/Busche, § 154 BGB Rn. 1; Flume, AT II, S. 628 f. 78 NK/Schulze, § 154 BGB Rn. 1. 79 NK/Schulze, § 154 BGB Rn. 3; MüKo/Busche, § 154 BGB Rn. 1; Leenen, AcP 188 (1988), 381, 401.
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage
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Einigungslücken binden wollten.80 Die Anwendbarkeit von § 154 BGB setzt aber einen zumindest potenziell wirksamen Vertrag im Sinne der §§ 145 ff. BGB voraus, erfasst also keine Lücken betreffs essentialia negotii, weil solche Verträge schon an einem logischen Dissens scheitern.81 Verbleibender Regelungsgegenstand von § 154 BGB sind damit von den Parteien für den Vertragsschluss als wesentlich vorausgesetzte accidentalia negotii.82 Ist es den Parteien nicht möglich, sich über ihnen wesentliche accidentalia negotii zu einigen, können sie die accidentalia negotii wiederum von einem Dritten bestimmen lassen.83 Lassen sie die accidentalia negotii von einem Dritten bestimmen, liegt kein Fall eines offenen Dissens im Sinn von § 154 BGB vor, weil die Parteien trotz Einigungsmangels über die Nebenpunkte eine Bestimmungsmethode vereinbart haben.84 Mithin ist festzuhalten, dass dem Bestimmtheitsgebot genüge getan ist und auch kein offener Dissens vorliegt, wenn ein Dritter die noch unbestimmten essentialia negotii oder unbestimmte, den Parteien aber wesentliche accidentalia negotii festlegen soll. Dem Vertragsschluss stehen solche durch einen Dritten zu schließenden Lücken nicht entgegen.
III. §§ 317 ff. BGB und das Schiedsgutachten Die bekanntesten positivrechtlichen Regelungen, die eine schuldrechtlich bindende Entscheidung eines Dritten zum Gegenstand haben, sind die §§ 317, 318 und 319 BGB. Die §§ 317 ff. BGB sind Ausdruck des Bestimmtheitsgebots und der Regelungen vom offenen Dissens. In der Literatur werden die §§ 317 ff. BGB hauptsächlich mit dem sogenannten Schiedsgutachten in Verbindung gebracht,85 auch wenn dieser Begriff in den §§ 317 ff. BGB gar nicht verwendet wird. Schiedsgutachten werden in der Regel für einzelne Streitfragen eingeholt, nicht hingegen sollen sie für ein Vertragsverhältnis einen umfassenden Streitlösungsmechanismus bieten.86 In der Praxis vereinbaren die Parteien deswegen nicht unbedingt, dass sich der Schiedsgutachter an bestimmte Verfahrensregeln, wie etwa der Gewährung rechtlichen Gehörs, bei seiner Entscheidungsfindung zu halten hat. Der schiedsgutachterlichen Frage kann es zum Beispiel unterliegen, die Höhe der Pacht 80
Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 60 f. MüKo/Busche, § 154 BGB Rn. 3; BeckOK/H.-W. Eckert, § 154 BGB Rn. 5. 82 MüKo/Busche, § 154 BGB Rn. 3. 83 NK/Schulze, § 154 BGB Rn. 4. 84 MüKo/Busche, § 154 BGB Rn. 4; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn. 29. 85 MüKo/Würdinger, § 317 BGB Rn. 6. 86 Sachs, in: Böcktstiegel/Berger/Bredow (Hrsg.), Schiedsgutachten versus Schiedsgerichtsbarkeit, S. 15, 18. 81
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
bei langjährigen Pachtverträgen anzupassen87 oder den Wert von zurückzugebenen Leasingfahrzeugen festzusetzen88. Weiterhin ist festzustellen, dass Schiedsgutachten final binden,89 das heißt, dass die schuldrechtliche Bindungswirkung der Entscheidung sofort und endgültig eintritt und nicht etwa von einer Partei mittels Widerspruchs und abändernden Schiedsspruchs grundlegend überprüft und beseitigt werden kann, wie dies bei vorläufig bindenden Entscheidungen einer Adjudikation der Fall ist.90 Der Schwerpunkt des Schiedsgutachtens liegt in der Regel auf einzelnen Tatsachen- und nicht auf Rechtsfragen, die aber Gegenstand von Vorfragen sein können.91 1. Originärer Anwendungsbereich der §§ 317 ff. BGB Die Verbindung des Schiedsgutachtens mit den §§ 317 ff. BGB wirft die Frage nach dem originären Anwendungsbereich dieser Normen auf. a) Einigungslücke als Voraussetzung von § 317 ff. BGB § 317 BGB zeigt, dass die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen werden kann. Die schuldrechtlich bindende Drittleistungsbestimmung wird durch § 317 Abs. 1 BGB gleichwohl nicht erlaubt, die Norm setzt die Möglichkeit einer Drittleistungsbestimmung bereits voraus.92 § 317 Abs. 1 BGB stellt eine Auslegungsregel dar,93 nach der im Zweifel die Bestimmung der Leistung durch den Dritten nach billigem Ermessen erfolgen soll. § 317 BGB erstreckt sich auf Fälle, in denen die Leistung von den Parteien noch nicht bestimmt ist und setzt eine Lücke des Vertrags voraus.94 Vorausgesetzt sind nach dem Regelungsansatz der §§ 317 ff. BGB Einigungslücken, ohne deren Schließung der Vertrag sonst nicht wirksam werden würde.95 Zwar muss der lü87 BGH, Urt. v. 2. 2. 1977 – VIII ZR 155/75, NJW 1977, 801; BGH, Urt. v. 27. 1. 1971 – VIII ZR 151/69, NJW 1971, 653. 88 BGH, Urt. v. 17. 1. 2013 – III ZR 11/12, NJW 2013, 1296. 89 Siehe zum Beispiel BGH, Urt. v. 2. 2. 1977 – VIII ZR 155/75, NJW 1977, 801; BGH, Urt. v. 27. 1. 1971 – VIII ZR 151/69, NJW 1971, 653; siehe auch Stubbe, in: Böcktstiegel/Berger/ Bredow (Hrsg.), Schiedsgutachten versus Schiedsgerichtsbarkeit, S. 75, 77 f. 90 Siehe dazu unter 1. Kapitel B. IV. 2. 91 Vgl. dazu auch Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 37; Elsing, ZVglR 114 (2015), 568, 573; Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rn. 6. 92 Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rn. 1; Erman/Hager § 317 BGB Rn. 1. 93 Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rn. 1; NK/F. Wagner, § 317 BGB Rn. 1; Erman/Hager, § 317 BGB Rn. 1; siehe auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 101. 94 Vgl. MüKo/Würdinger, § 317 BGB Rn. 6. 95 Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 793 f.; ders., KTS 1957, 129, 131 f.; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 47; wohl auch Buchdahl, Die Rechtsnatur der Schiedsgutachterklausel und des Schiedsgutachtens, S. 9; Joussen hingegen zieht die Intention
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage
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ckenhafte Vertrag schon als geschlossen angesehen werden, da die Leistung durch die Bestimmung des Dritten bei Vertragsschluss bestimmbar war,96 die durch den Dritten zu bestimmende Leistung ist aber gemäß §§ 317 ff. BGB unbedingte Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrags.97 Zu den die Wirksamkeit des Vertrags gefährdenden Einigungslücken zählen essentialia negotii und den Parteien wesentliche accidentalia negotii im Sinne von § 154 BGB. b) § 319 Abs. 1 S. 2 BGB im Gefüge der §§ 317 ff. BGB Für die Annahme, dass sich § 317 ff. BGB unmittelbar nur auf die Wirksamkeit des Vertrages gefährdende Einigungslücken bezieht, spricht zunächst § 319 Abs. 1 S. 2 BGB. Demnach hat das Gericht die Leistungsbestimmung vorzunehmen, wenn die Bestimmung des Dritten offenbar unbillig ist oder der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder sie verzögert. Das Gericht ersetzt die Bestimmung des Dritten und hat folglich eine eigene Rechtsgestaltung nach billigem Ermessen vorzunehmen.98 Eine solche Gestaltung ist zunächst in den Fällen sinnvoll, in denen noch eine Einigungslücke im Vertrag besteht, weil in allen anderen Fällen eine Rechtsgestaltung durch das Gericht einen Umweg für die Parteien auf dem Weg zu einem vollstreckbaren Titel darstellen würde. Gemäß § 319 Abs. 1 S. 2 BGB müssten die Parteien nämlich zunächst ein gestaltendes Urteil erstreiten, bevor sie in einem zweiten Schritt auf Leistung klagen könnten.99 c) § 319 Abs. 2 BGB im Gefüge der §§ 317 ff. BGB Dass sich die §§ 317 ff. BGB unmittelbar nur auf rechtsbegründende Leistungsbestimmungen beziehen, zeigt außerdem § 319 Abs. 2 BGB.100 § 319 Abs. 2 BGB betrifft Fallgestaltungen, in denen dem Dritten die Leistung nach Belieben überlassen ist. Die Norm bestimmt, dass der Vertrag unwirksam ist, wenn der Dritte keine Entscheidung über die nach Belieben zu bestimmende Leistung trifft. Hat der Dritte die Bestimmung dagegen nach billigem Ermessen zu treffen, bestimmt § 319 etwas weiter und meint, dieser habe auch die Vertragsergänzung im Sinn gehabt, in: Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 53, siehe auch S. 43 f.; siehe auch Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 I 4, S. 280. 96 Siehe dazu Leenen, der zwischen Zustandekommen und Wirksamkeit des Vertrags streng unterscheidet, AcP 188 (1988), 381, 385 ff. 97 Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 43. 98 Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 36. 99 Die Rechtsprechung umgeht dies allerdings, indem sie sogleich eine Klage auf Leistungs zulässt, siehe BGH. Urt. v. 7. 4. 2000 – V ZR 36/99, NJW 2000, 2986, 2987; BGH, Urt. v. 30. 3. 1979 – V ZR 150/77, NJW 1979, 1543, 1544. 100 Vgl. Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 794; ders., FS Laufke, S. 303, 309 f.; ders., KTS 1957, 129, 132.
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
Abs. 1 BGB, dass die Bestimmung der Leistung durch Urteil erfolgt, wenn der Dritte diese nicht vornimmt. § 319 Abs. 2 BGB wird daher als Ausfluss des Grundsatzes verstanden, dass der Richter, der keine private Freiheit beanspruchen könne, Ersatzleistungsbestimmungen nur nach einem justiziellen Maßstab vornehmen könne, weil er als Teil der Staatsgewalt an Recht und Gesetz gebunden sei.101 § 319 Abs. 2 BGB ist jedoch genauso Ausdruck der durch den Dritten unbestimmt gelassenen essentialia negotii und des daraus gemäß §§ 145 ff. BGB resultierenden Nicht-Zustandekommens des Vertrages. Für unbestimmt gebliebene accidentalia negotii erklärt sich die Rechtsfolge des § 319 Abs. 2 BGB im Zusammenhang mit § 154 Abs. 1 BGB. Ein Vertrag soll gemäß § 154 Abs. 1 BGB selbst dann nicht zustande kommen, wenn ein offener Einigungsmangel über den Parteien wesentliche Nebenpunkte, also auch accidentalia negotii, besteht. Ein solcher Einigungsmangel liegt gleichsam vor, wenn der Dritte die Leistung nicht bestimmt und das Gericht die Position des Dritten nicht ersetzen darf. Ein Fall der §§ 145 ff. BGB oder von § 154 Abs. 1 BGB ist dagegen nicht unmittelbar gegeben, weil bei Vertragsschluss die Leistung bestimmbar schien, der Vertragsschluss also erfolgte. Es ist konsequent und richtig, wenn § 319 Abs. 2 BGB nun die Unwirksamkeit und nicht das Nicht-Zustandekommen des Vertrags anordnet. d) Terminologie des § 318 Abs. 1 BGB Weiterhin spricht § 318 Abs. 1 BGB von den „Vertragsschließenden“ und nicht von den „Parteien“, was ebenfalls indiziert, dass die unter §§ 317 ff. BGB fallenden Verträge noch nicht wirksam sind. Die §§ 317 ff. BGB beziehen sich demnach nicht primär auf die inhaltliche Ausgestaltung, sondern allein auf die wirksame Bildung des Vertrags. Sie bilden einen Teil des Grundsatzes, dass die vertragsgemäße Leistung für die Wirksamkeit des Vertrags bestimmt oder bestimmbar sein muss.102 Damit stehen sie ganz in der römischen und französischen Rechtstradition.103 2. Fallgruppen des Schiedsgutachtens In der Literatur und auch in der Rechtsprechung wird versucht die hauptsächlich mit den §§ 317 ff. BGB in Verbindung gebrachten Schiedsgutachten nach ihren Wirkungsweisen zu gruppieren. Dabei wird in Anlehnung an die Rechtsprechung des Reichsgerichts104 zwischen drei bis vier Schiedsgutachtenarten unterschieden, die
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Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 20. Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 33 ff.; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 150 f. 103 Siehe oben zum römischen Recht unter 1. Kapitel A. I. und zum französischen Recht unten unter 3. Kapitel B. 104 RG, Urt. v. 23. 5. 1919 – II 22/10, RGZ 96, 57. 102
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage
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wiederum zwei Hauptarten zugeordnet werden.105 Auf der einen Seite stehen die rechtsbegründenden und die rechtsabändernden Schiedsgutachten.106 Sie werden zusammengefasst als Schiedsgutachten im weiteren Sinne und auf sie seien die §§ 317 ff. BGB direkt anzuwenden.107 Auf der anderen Seite stehen die rechtsfeststellenden und tatsachenfeststellenden Gutachten.108 Sie werden auch als Schiedsgutachten im eigentlichen oder im engeren Sinne bezeichnet.109 Die Art und Weise ihrer Bindungswirkung ist umstritten und auf sie sollen die §§ 317 ff. BGB, wenn überhaupt, nur entsprechend angewandt werden.110 a) Schiedsgutachten im weiteren Sinne aa) Rechtsbegründende Schiedsgutachten Von der Literatur werden die Lücken ausfüllenden Schiedsgutachten als vertragsergänzende oder auch als rechtsbegründende Schiedsgutachten bezeichnet.111 Erfasst seien sollen aber nicht nur essentialia negotii, sondern auch andere, weniger bedeutende, noch unbestimmte Vertragsbestandteile, also accidentalia negotii.112 Die rechtsbegründenden Schiedsgutachten bilden den „klassischen“ Anwendungsfall der §§ 317 ff. BGB ab.
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Grundlegend dazu Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 791 f. und Fn. 17; siehe aber etwa auch G. Wagner, Prozeßverträge, S. 657; Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, S. 250 ff.; Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 97; Walter, ZZP 103 (1990), 141, 149 ff.; Elsing, ZVglRWiss 114 (2015), 568, 569; BeckOK/Gerhlein, § 317 BGB Rn. 5 ff. 106 Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 791 ff. und Fn. 17; Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rn. 3 ff. 107 Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 792 ff.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 657; Stein/ Jonas/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn. 21. 108 Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 798, 807; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 657; Stein/ Jonas/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn. 21. 109 Etwa BGH, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493; BGH, Urt.v. 17. 1. 2013 – III ZR 11/12, NJW 2013, 1296, 1297; Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 100; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 657; Volmer, BB 1984, 1010, 1012; Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rn. 3 ff.; Erman/Hager, § 317 BGB Rn. 6 ff.; NK/F. Wagner, § 317 BGB Rn. 16. Teilweise werden die Schiedsgutachten im weiteren Sinne als gestaltende und die Schiedsgutachten im engeren Sinne als feststellende Schiedsgutachten bezeichnet, siehe Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 28; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 13 ff. 110 BGH, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 658; NK/F. Wagner, § 317 BGB Rn. 14. 111 Habscheid, FS Lehmann II, 789, 792; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 13 ff.; Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, S. 261; MüKo/Würdinger, § 317 BGB Rn. 29. 112 Wittmann, Schiedsgutachten, S. 14; Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 54; anders hingegen Larenz, Schuldrecht I, § 6 II a für die §§ 315, 316 BGB.
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
bb) Rechtsabändernde Schiedsgutachten Die Literatur und die Rechtsprechung wenden überdies die §§ 317 ff. BGB direkt auch auf die Fallgruppe des sogenannten rechtsabändernden Schiedsgutachtens an.113 Dazu sollen insbesondere Anpassungen von Dauerschuldverhältnissen zählen, wie zum Beispiel Mietverträge, deren Mietzinsen durch einen Dritten nach einer bestimmten Zeit angepasst werden sollen.114 In den rechtsabändernden Schiedsgutachten wird oft nur ein Unterfall des rechtsbegründenden Schiedsgutachtens erblickt.115 b) Schiedsgutachten im engeren Sinne Von den Schiedsgutachten im weiteren Sinne werden die Schiedsgutachten im engeren Sinne unterschieden. Weismann hat bei der Entstehung des BGB bereits darauf hingewiesen, dass die im Entwurf des BGB116 enthaltenen Regelungen nicht alle denkbaren Fälle des Schiedsgutachtens abdeckten. So sei etwa nicht der Fall erfasst gewesen, in dem die Leistung von den Parteien zuvor bestimmt war und diese einen Dritten nur bitten würden die Vertragsgemäßheit der Leistung festzustellen.117 Auch das Reichsgericht erkannte die Lückenhaftigkeit der §§ 317 ff. BGB und schuf in der Folge in einem richtungsweisenden Urteil zwei weitere Schiedsgutachtenkategorien,118 die sogenannten rechtklärenden und tatsachenklärenden Schiedsgutachten. Auf die beiden ergänzten Fallgruppen sollen nach Meinung des Reichsgerichts die §§ 317 ff. BGB nicht direkt, aber entsprechend angewandt werden.119 Die vom Reichsgericht hinzugefügten Fallgruppen werden von der Literatur und Rechtsprechung „Schiedsgutachten im engeren (beziehungsweise im eigentlichen) Sinne“ genannt.120 Bei der Gegenkategorie, den Schiedsgutachten im weiteren Sinne, soll es sich also um solche handeln, die ein Recht erst begründen oder den Vertrag abändern. Die Schiedsgutachten im engeren Sinne dagegen haben eine lediglich feststellende Wirkung, daher sollen diese nach Auffassung des Reichsgerichts nicht
113 BGH, Urt. v. 26. 4. 1991 – V ZR 61/90, NJW 1991, 2761; BGH, Urt. v. 2. 2. 1977 – VIII ZR 271/75, WM 1977, 418; statt vieler Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 794 ff.; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 33 ff.; MüKo/Würdinger, § 317 BGB Rn. 30. 114 MüKo/Würdinger, § 317 BGB Rn. 30; siehe z. B. BGH, Urt. v. 26. 4. 1991 – V ZR 61/90, NJW 1991, 2761; BGH, Urt. v. 2. 2. 1977 – VIII ZR 271/75, WM 1977, 418; BGH, Urt. v. 21. 5. 1975 – VIII ZR 161/73, NJW 1975, 1556; BGH, Urt. v. 17. 5. 1967 – VIII, BGHZ 48, 25. 115 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 97; Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 57; Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 795. 116 Diese entsprechen weitestgehend den jetzigen Regelungen im BGB, siehe Mugdan, 2. Band, S. XXXIII. 117 Weismann, AcP 74 (1889), 422, ders., AcP 72 (1888), 269, 289 f. 118 RG, Urt. v. 23. 5. 1919 – II 22/10, RGZ 96, 57. 119 RG, Urt. v. 23. 5. 1919 – II 22/10, RGZ 96, 57, 61. 120 Siehe oben unter Fn. 109.
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage
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wie die Schiedsgutachten im weiteren Sinne auf offenbare Unbilligkeit, sondern auf offenbare Unrichtigkeit hin überprüft werden.121 aa) Rechtsklärendes Schiedsgutachten Als rechtsklärende Schiedsgutachten werden Schiedsgutachten bezeichnet, die eine bereits objektiv bestimmte Leistung lediglich konkretisieren sollen.122 Dies seien vor allem Fälle, in denen unbestimmte Begriffe die Leistung charakterisieren, etwa wenn die nach dem Vertrag der Parteien festzulegende Miete eine „ortsübliche“ sein soll, oder der Kaufpreis der „marktübliche“.123 bb) Tatsachenfeststellendes Schiedsgutachten Eine weitere Unterfallgruppe des sogenannten Schiedsgutachtens im engeren Sinne soll das tatsachenfeststellende Schiedsgutachten bilden.124 Hier soll die Vertragsleistung selber nicht bestimmt werden, sondern nur Tatsachen ermittelt werden, die diese Bestimmung der Vertragsleistung erst möglich machen sollen.125 Als Beispiel führte das Reichsgericht die Durchsicht der Geschäftsverbindungen der Parteien durch einen Dritten auf Wertguthaben auf.126 Dazu zählen aber etwa auch die Wertbestimmung von Unternehmen durch einen Dritten127 oder die Beilegung von Abrechnungsdifferenzen bei der Durchführung von Werkverträgen128. 3. Kritik an der Unterteilung des Schiedsgutachtens in Fallgruppen Die von der Rechtsprechung und Lehre vertretene Unterteilung des Schiedsgutachtens in vier Fallgruppen kann nicht überzeugen. Das liegt an der Ignoranz des originären Anwendungsbereichs der §§ 317 BGB bei der Bildung der Fallgruppen [a)] und der schwierigen Unterscheidbarkeit der Fallgruppen [b)].
121 RG, Urt. v. 23. 5. 1919 – II 22/10, RGZ 96, 57, 61 f., vgl. auch Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 13. 122 RG, Urt. v. 23. 5. 1919 – II 22/10, RGZ 96, 57, 60; BGH, Urt.v. 17. 1. 2013 – III ZR 11/12, NJW 2013, 1296, 1297. 123 BGH, Urt. v. 26. 4. 1991 – V ZR 61/90, NJW 1991, 2761; BGH, Urt. v. 2. 2. 1977 – VIII ZR 271/75, WM 1977, 418; BGH, Urt. v. 21. 5. 1975 – VIII ZR 161/73, NJW 1975, 1556; BGH, Urt. v. 17. 5. 1967 – VIII, BGHZ 48, 25; vgl. auch Wagner, Prozeßverträge, S. 657; Habscheid, FS Laufke, S. 303, 310; ders., FS Lehmann II, S. 789, 798. 124 RG, Urt. v. 23. 5. 1919 – II 22/10, RGZ 96, 57, 60; Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rn. 6. 125 BGH, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493; BGH, Urt. v. 9. 6. 1983 – IX ZR 41/82, NJW 1983, 2244, 2245; RG, Urt. v. 23. 5. 1919 – II 22/10, RGZ 96, 57, 60. 126 RG, Urt. v. 23. 5. 1919 – II 22/10, RGZ 96, 57, 60. 127 BGH, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492. 128 BGH, Urt. v. 26. 10. 1989 – VII ZR 75/89, NJW 1990, 1231.
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a) Kritik an der direkten Anwendung der §§ 317 ff. BGB auf die Unterfallgruppe der rechtsabändernden Schiedsgutachten Dass die von der Rechtsprechung und Lehre gebildeten Fallgruppen nicht überzeugen, zeigt eine Auseinandersetzung mit der Unterfallgruppe des rechtsabändernden Schiedsgutachtens. Da die rechtsabändernden Schiedsgutachten der Hauptfallgruppe der Schiedsgutachten im weiteren Sinne angehörten, seien nach der herrschenden Meinung auf die rechtsabändernden Schiedsgutachten die §§ 317 ff. BGB direkt anzuwenden. Das überzeugt insbesondere unter Beachtung des originären Anwendungsbereichs der §§ 317 ff. BGB nicht. aa) Schiedsgutachten im weiteren Sinne unter Beachtung des originären Anwendungsbereichs der §§ 317 ff. BGB Der originäre Anwendungsbereich der §§ 317 ff. BGB umfasst, wie gezeigt, nur vertragsbegründende Entscheidungen des Dritten. Folgte man der Auffassung der herrschenden Meinung und wendete die §§ 317 ff. BGB auf die Fallgruppe der rechtsabändernden Schiedsgutachten direkt an, würde § 319 Abs. 2 BGB nicht mehr in das Normengefüge der §§ 317 ff. BGB passen, weil die Unwirksamkeit des abzuändernden Vertrags gemäß § 319 Abs. 2 BGB im Fall einer verzögerter Leistungsbestimmung bei Dauerschuldverhältnissen von den wenigsten Parteien gewollt sein wird.129 Die Rechtsfolge des § 319 Abs. 2 BGB passt nur auf solche Fälle, in denen ein Vertrag ohne die Zuhilfenahme eines Dritten auf Grund der §§ 145 ff., 154 BGB schon gar nicht zustande käme. Zu Recht verweist eine Literaturmeinung in Bezug auf die Unterfallgruppe der rechtsabändernden Schiedsgutachten auf die Parallelen zu den Regeln der Störung der Geschäftsgrundlage.130 Die Regeln der Störung der Geschäftsgrundlage räumen in der heutigen Form dem benachteiligten Teil bei nicht erfolgter Vertragsanpassung ein Recht zur Kündigung ein (§ 313 Abs. 3 BGB). Eine solche Lösung wäre meines Erachtens für die sogenannte Fallgruppe der rechtsabändernden Schiedsgutachten sachgerechter als die Unwirksamkeit des Vertrags gemäß § 319 Abs. 2 BGB. Teilweise wird der begrenzte Anwendungsbereich der §§ 317 ff. BGB in der Literatur zwar erkannt, jedoch nicht konsequent umgesetzt. Habscheid stellt zum Beispiel zum Anwendungsbereich der §§ 317 ff. BGB fest: „Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes wie nach den Motiven ist hier an eine rechtsbegründende Tätigkeit gedacht“131 und weiter: „Obwohl der Gesetzgeber wohl weniger an diesen Fall des rechtsändernden als an den des echten rechts-, insbesondere vertragsbegründenden Gutachtens gedacht hat, sind auch hier die Vorschriften der §§ 317 BGB
129 130 131
Vgl. Weismann, AcP 74 (1889), 422, 425; Staudinger/Rieble, § 319 BGB Rn. 34. Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 39. FS Lehmann II, S. 789, 794.
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anzuwenden; (…)“132. Die Analyse Habscheids ist meines Erachtens richtig, der daraus gezogene Schluss ist es dagegen nicht. Entweder der Gesetzgeber hat an die Fälle der rechtsabändernden Schiedsgutachten bei der Schaffung der §§ 317 ff. BGB gedacht oder er hat es nicht. Hat er nicht daran gedacht, ist nur eine analoge Anwendung der §§ 317 ff. BGB möglich. Ein Anwendungsfall einer Norm, an den der Gesetzgeber „wohl weniger“ denkt, gibt es nicht. In der Folge sind auf rechtsabändernde Schiedsgutachten die §§ 317 ff. BGB wenn überhaupt nur analog anzuwenden. Die §§ 317 ff. BGB erfassen unmittelbar nur die sogenannte Fallgruppe der rechtsbegründenden Schiedsgutachten. bb) Schiedsgutachten im weiteren Sinne als Vertragsergänzung Der aus der hier vertretenen Meinung folgenden Ungleichbehandlung von rechtsabändernden und rechtsbegründenden Schiedsgutachten ließe sich entgegenhalten, dass sich beide Fallgruppen stets als Vertragsergänzung konstruieren lassen, beziehungsweise dass beide Fallgruppen stets eine Vertragsergänzung darstellen.133 Eine solche Betrachtungsweise könnte die Zuordnung der rechtsabändernden Schiedsgutachten zu der Hauptgruppe der Schiedsgutachten im weiteren Sinne und die direkte Anwendung der §§ 317 ff. BGB auf rechtsabändernde Schiedsgutachten rechtfertigen. Eine solche Ansicht überzeugt indes dennoch nicht, weil die Wirkung, die Entscheidungen von rechtsbegründenden und rechtsabändernden Schiedsgutachten erzielen sollen, grundverschieden sind. Eine fehlgeschlagene Rechtsbegründung hat in der Regel andere Folgen als eine fehlgeschlagene Rechtsänderung. Bei ersterem entsteht ein Recht erst gar nicht, bei letzterem bleibt das bereits bestehende Recht im Zweifel in seiner bisherigen Form bestehen. Aus diesem Blickwinkel ist eine Ungleichbehandlung beider Fallgruppen gerechtfertigt. cc) Rechtsabänderne Schiedsgutachten als Anpassungsvertrag Auch könnte gegen die hier vertretene Ansicht eingewandt werden, dass die rechtsabändernden Entscheidungen in der Form konstruiert werden könnten, dass der Dritte einen zwischen den Parteien lückenhaft gelassenen Anpassungsvertrag rechtsbegründend ergänzt.134 Der von dem Dritten rechtswirksam begründete Anpassungsvertrag selbst ändert in dieser Konstruktionsform dann den Hauptvertrag ab. Abermals könnte also eingewandt werden, dass die beiden Fallgruppen des rechts132
FS Lehmann II, S. 789, 795. Vgl. Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 43; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 65, 81 ff. 134 Vgl. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 37, der dieses Beispiel in einem anderen Zusammenhang bildet und von mir zu einem vertragsergänzenden Anpassungsvertrag verändert wurde. 133
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
abändernden und rechtsbegründenden Schiedsgutachtens die gleiche Wirkungsweise haben und daher gleich zu behandeln seien. Unzweifelhaft muss eine solche Hilfskonstruktion des rechtsabändernden Schiedsgutachtens die direkte Anwendbarkeit der §§ 317 ff. BGB nach sich ziehen, allerdings nur auf den Anpassungsvertrag. Haben die Parteien die Inhaltsbestimmung des Anpassungsvertrags ins freie Belieben des Dritten gestellt und nimmt er diese nicht vor, scheitert gemäß § 319 Abs. 2 BGB lediglich der Anpassungsvertrag, nicht jedoch das Hauptrechtsverhältnis, das in seiner ursprünglichen Form bestehen bleibt. Festzuhalten ist, dass die §§ 317 ff. BGB die von der herrschenden Meinung gebildete Fallgruppe der rechtsabändernden Schiedsgutachten nicht direkt erfasst. Weiterhin ist festzuhalten, dass sich an dieser Stelle erste Widersprüche in der von der herrschenden Meinung vertretenen Unterteilung der Fallgruppen des Schiedsgutachtens auftun. b) Sinnhaftigkeit der Unterteilung des Schiedsgutachtens in Fallgruppen Es wurde bereits aufgezeigt, dass die direkte Anwendung der §§ 317 ff. BGB auf die sogenannte Fallgruppe der rechtsabändernden Schiedsgutachten Wertungswidersprüche in sich trägt.135 Die Sinnhaftigkeit der Unterteilung der Schiedsgutachten in die von der herrschenden Meinung gebildeten Fallgruppen wird aber auch ganz grundsätzlich in Frage gestellt, weil eine sichere Unterscheidung dieser Fallgruppen nicht immer möglich ist.136 Der BGH weist in einem jüngeren Urteil darauf hin, dass die Unterscheidung der beiden Gruppen des Schiedsgutachtens im engeren und im weiteren Sinne lediglich von der Art der Formulierung abhängig sein könne und die beiden Fallgruppen des abändernden und des feststellenden Schiedsgutachtens daher gleich zu behandeln seien: „Soll etwa die Änderung eines Erbbauzinses an die periodisch festzustellende Veränderung des Grundstücksverkehrswerts gekoppelt und dieser durch einen Sachverständigen als Schiedsgutachter ermittelt werden, so läge eine Bestimmung ,Der Sachverständige hat die prozentuale Veränderung des Grundstücksverkehrswerts festzusetzen.‘ die Einordnung als Schiedsgutachtenvereinbarung im weiteren Sinne nahe, eine Formulierung ,Der Erbbauzins ist entsprechend der Veränderung des Grundstückswerts prozentual zu erhöhen. Der Grundstückswert wird vom Sachverständigen ermittelt.‘ hingegen die Einordnung als Schiedsgutachtenverein135
Siehe oben unter 1. Kapitel B. III. 1. Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 13 ff.; Sonntag, Die Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen, S. 68; Gleiss/Bechthold, BB 1973, 868, 869; siehe dazu auch Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, der zwar an der Unterscheidung festhalten möchte, aber dennoch anerkennt, dass sich die Funktionen der Schiedsgutachten in den Grenzbereichen nicht wesentlich voneinander unterscheiden, S. 138 f. 136
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barung im engeren Sinne, ohne dass sich ein wesentlicher Unterschied ergäbe ((…)).“137 Die Entscheidung des Dritten lässt sich ohne inhaltliche Änderung folglich mal als rechtsabändernd und mal als rechtsklärend ausgestalten, also mal als Schiedsgutachten im weiteren und mal als Schiedsgutachten im engeren Sinne. Fraglich ist auch, wie eine Vereinbarung einzuordnen ist, die bestimmt, dass bei einem Pachtvertrag die Pacht bei grundlegender Veränderung der Verhältnisse anzupassen sei.138 Eine sichere Zuordnung einer solchen Fallkonstruktion zu einer der genannten Fallgruppen ist nicht möglich. Auch hier kann es sich nach der von der herrschenden Meinung vertretenen Unterteilung der Schiedsgutachten um ein rechtsabänderndes oder ein rechtsklärendes Schiedsgutachten handeln, mit der Folge, dass einmal die §§ 317 ff. BGB unmittelbar, ein anderes Mal die §§ 317 ff. BGB nur analog anzuwenden sind. Die Grenzen zwischen rechtsabändernden und feststellenden Schiedsgutachten und damit auch zwischen Schiedsgutachten im weiteren und im engeren Sinne verschwimmen ins Konturlose. Es gibt keine festen Fallgruppen, sie gehen fließend ineinander über.139 Eine zum Teil schwierige Einordnung von Schiedsgutachten in Fallgruppen sollte einen zwar nicht davor abschrecken eine solche Einordnung vorzunehmen, weil nur durch eine systematische Unterteilung die dogmatische Dimension der Rechtsfigur erfasst werden kann140 und es durchaus einen Unterschied macht, ob die §§ 317 ff. BGB direkt oder analog anzuwenden sind. Die §§ 317 ff. BGB sind jedoch erkennbar nur für einen begrenzten Anwendungsbereich geschaffen worden, der von der herrschenden Meinung vertretene direkte Anwendungsbereich erscheint dagegen unbegründet und inkonsequent. Eine direkte Anwendung der §§ 317 ff. BGB passt nur auf Fälle, in denen der Vertragsinhalt durch die Parteien noch nicht bestimmt war und die Unbestimmtheit der Wirksamkeit des Vertrags im Wege stehen würde. Diese Fälle lassen sich klar von allen anderen hier in Frage stehenden Fallkonstellationen abgrenzen. In den davon abtrennbaren Fällen, in denen eine exakte Einordnung häufig nicht möglich ist, ist eine solche von der Rechtsprechung und Literatur durchgeführte Unterscheidung nicht erforderlich und aufzugeben.141 Eine Fallgruppierung hat sich folglich auf zwei Gruppen zu beschränken. Auf der einen Seite stehen die rechtsbegründenden Schiedsgutachten, diese sind unmittelbar von den §§ 317 ff. BGB erfasst. Auf der anderen Seite stehen alle übrigen Anwendungsfälle 137
BGH, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493 f. Siehe BGH, Urteil v. 17. 5. 1967 – VIII ZR 58/66, BGHZ 48, 25; vgl. auch BGH, Urt. v. 21. 5. 1975 – VIII ZR 161/73, NJW 1975, 1556; Gelhaar, DB 1988, 743, 744. 139 Gleiss/Bechthold, BB 1973, 868, 869; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 65. 140 Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 59. 141 Siehe Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 17, der die Unterscheidung als „juristisches Glasperlenspiel“ bezeichnet und im Ergebnis auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 65; Volmer, BB 1984, 1010, 1012. 138
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
des Schiedsgutachtens. Für diese Fallgruppe kommt allenfalls eine analoge Anwendung der §§ 317 ff. BGB in Betracht.142 4. Unschärfe des Schiedsgutachtenbegriffs und Begriffsbestimmung Die Neujustierung der Fallgruppen des Schiedsgutachtens wirft die Frage nach der Begrifflichkeit des Schiedsgutachtens auf, denn die Nutzung des Begriffs des Schiedsgutachtens ist eng mit der von der herrschenden Meinung vorgenommenen Unterteilung in die unterschiedlichen Fallgruppen und Unterfallgruppen verbunden. Indes wird der Begriff des Schiedsgutachtens keinesfalls von jedem einheitlich verstanden, ist in der Folge unscharf143 und zu definieren. Nach Weismann, auf den der Begriff des Schiedsgutachten zurückzuführen ist, sei der Schiedsgutachter wie der Sachverständige im Prozess.144 Feststellungen zu Rechtsfragen145 und rechtsbegründende Feststellungen seien daher nicht seine Aufgabe.146 Die heutige herrschende Meinung vertritt jedoch die Auffassung, dass auch Rechtsfeststellungen durch ein Schiedsgutachten möglich seien.147 Nach Definition der Rechtsprechung sei eine Schiedsgutachterabrede auf die Feststellung einzelner Tatbestandselemente oder auf gutachterliche Leistungsbestimmungen gerichtet.148 Nach anderer in der Literatur vertretener Meinung hingegen sei nur für die Obergruppe der Schiedsgutachten im engeren Sinne der Begriff des Schiedsgutachtens zu benutzen.149 Bei Schiedsgutachten im weiteren Sinne, also Gutachten die rechtsbegründend oder rechtsändernd wirken, solle man ganz allgemein von Rechtsgestaltung durch einen Dritten sprechen.150 Nach einer weiteren Literaturmeinung sei bei einer Leistungsbestimmung nach Belieben vom Begriff des Schiedsgutachtens abzurücken.151
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Siehe dazu unter 1. Kapitel B. VI. Elsing, ZVglR 114 (2015), 568, 569. 144 Weismann, AcP 72 (1888), 269, 303. 145 Weismann, AcP 72 (1888), 269, 308, dazu auch Kohler, Gesammelte Beiträge zum Civilprozess, S. 265. 146 Weismann, AcP 72 (1888), 269, 326. 147 Etwa BGHZ 48, 25, 27; BGH, Urt. v. 21. 5. 1975 – VIII ZR 161/73, NJW 1975, 1556; BGH, Urt. v. 17. 5. 1967 – VIII ZR 58/66, BGHZ 48, 25, 29; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 164; und unten unter § 2 E. I. 148 BGH, Beschl. v. 18. 12. 2013 – IV ZR 207/13, ZEV 2014, 311, 312; ähnlich auch NK/ F. Wagner, § 317 BGB Rn. 14. 149 Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 810; so auch Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 81; Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 60; Heinrich, Das Sachverständigenverfahren im Privatversicherungsrecht, S. 57; Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rn. 3. 150 Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 810. 151 Buchdahl, Die Rechtsnatur der Schiedsgutachterklausel, S. 8. 143
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage
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Die Unschärfe des Schiedsgutachtenbegriffs erschwert die Erfassung des Schiedsgutachtens in seiner rechtlichen Dimension. Nur wenn definiert ist, welche Fallgestaltungen als Schiedsgutachten zu bezeichnen sind, kann die rechtliche Dimension der Rechtsfigur des Schiedsgutachtens beschrieben werden. Dass hier das Schiedsgutachten in zwei Fallgruppen unterteilt wurde, heißt nicht, dass ein einheitlicher Schiedsgutachtenbegriff aufgegeben werden soll. Rechtsbegründende Schiedsgutachten sollen entgegen einer verbreiteten Literaturmeinung152 also grundsätzlich vom Begriff des Schiedsgutachtens umfasst sein. Vielmehr ist von einem von den §§ 317 ff. BGB losgelösten Schiedsgutachtenbegriff auszugehen.153 Das Schiedsgutachten findet seine rechtliche Grundlage nämlich nicht in den Regelungen der §§ 317 ff. BGB sondern allein in der Privatautonomie. Die §§ 317 ff. BGB regeln lediglich die rechtsbegründende Drittleistungsbestimmung. Diese wird von den §§ 317 ff. BGB indessen als bereits erlaubt vorausgesetzt. Eine Beschränkung der Privatautonomie auf nur bestimmte Fälle, in denen die Parteien einem Dritten die Ausgestaltung ihres Vertrags übertragen können, existiert nicht. Schiedsgutachten können folglich alle der Privatautonomie denkbaren Wirkungsweisen entfalten, sie können rechtsbegründender, abändernder, ergänzender oder feststellender Natur sein. Gleichzeitig ist festzustellen, dass das Schiedsgutachten in der Praxis meist auf einzelne Tatsachenfragen beschränkt wird und eine sofort verbindliche und nicht mehr angreifbare schuldrechtlich verbindliche Entscheidung darstellt.154 Als Schiedsgutachten zu bezeichnen sind somit alle von einem Dritten schuldrechtlich sofort und endgültig verbindlich wirkenden Entscheidungen zu einzelnen Tatsachenfragen.155
IV. Weitere Verfahren auf Basis einer schuldrechtlich bindenden Drittentscheidung Der Begriff des Schiedsgutachtens ist kein im Gesetz begründeter Begriff und wird wesentlich durch die Kautelarpraxis beeinflusst. Er ist abzugrenzen von weiteren im weitesten Sinne streitschlichtenden Verfahren, die ebenfalls auf dem Prinzip der schuldrechtlich bindenden Drittleistungsbestimmung basieren. Dazu zählen exemplarisch die Qualitätsarbitrage (1.), die Adjudikation und das Dispute Adjudication Board (2.), und die gemäß § 84 VVG (3.) und § 18 Abs. 4 VOB/B (4.) 152
Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 810; Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 81; Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 60; Heinrich, Das Sachverständigenverfahren im Privatversicherungsrecht, S. 57; Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rn. 3. 153 Vgl. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 411 f. 154 Siehe dazu oben unter 1. Kapitel B. III. 155 Zum Begriff des Schiedsgutachtens vgl. auch Wangner, Der Schiedsgutachter, S. 25.
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
durchgeführten Sachverständigengutachten. Dabei beschränken sich diese Verfahren nicht nur auf die Regelung der Entscheidungswirkung, sondern geben bestimmte Entscheidungs- und Prüfungsmaßstäbe aber auch Verfahrensregeln vor, deren Anwendbarkeit beim Schiedsgutachten umstritten ist.156
1. Qualitätsarbitrage Das Verfahren der Qualitätsarbitrage geht auf einen nicht mehr zu datierenden Handelsbrauch157 zurück und hat den Zweck etwaige Qualitätsmängel früh durch Sachverständige verbindlich feststellen zu lassen.158 Auf Grund der Anfälligkeit von Rohprodukten auf äußere Bedingungen, wie die Witterung und den Transport, besteht das Bedürfnis die Ware so früh wie möglich durch unabhängige Stellen auf ihre Vertragsgemäßheit zu untersuchen.159 Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung in Bezug auf die Qualitätsarbitrage existiert nicht. Regelungen zu solchen Verfahren finden sich häufig in den Geschäftsbedingungen oder Verfahrensordnungen der Rohstoffbörsen oder werden von Fachverbänden herausgegeben.160 Die Qualitätsarbitrage ist nach traditionellem deutschen Rechtsverständnis kein schiedsrichterliches Verfahren161 und beruht, wie das Schiedsgutachten, auf einer für die Parteien schuldrechtlich bindenden Drittentscheidung.162 Die Qualitätsarbitrage wird daher 156
Dazu unten unter 2. Kapitel B. V. BGH, Urt. v. 28. 4. 1960 – VII ZR 99/59, NJW 1960, 1296; Wolff, Die rechtliche Natur der Arbitrageklausel im Handelsverkehr, S. 5 f.; Pinckernelle, Die Arbitrageklausel, S. 4; Straatmann, FS Stödter, S. 109; Korte, SchiedsVZ 2004, 240. 158 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2 Rn. 18; Glossner, ICCA Congress Series, Vol. 1, S. 103, 105. 159 Straatmann, FS Stödter, S. 109. 160 Für diesen Abschnitt gesichtet wurden die Verfahrensordnung für Schiedsgutachten und Schiedsgerichte in der Landwirtschaft, hrsg. v. Verband der Landwirtschaftskammern e.V. (VLK) und vom Hauptverband der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen e.V. (HLBS), 1. Auflage 2011; die Provisions for the „Hamburg Private Arbitration in the Coffee Import Trade“, hrsg. v. Deutschen Kaffeeverband, Stand 1. 7. 2013; die Geschäftsbedingungen der Vereinigung der am Drogen- und Chemikalien Groß- und Außenhandel beteiligten Firmen (Drogen- und Chemikalienverein) e.V. (VDC) für Handelsgeschäfte, Stand Juli 1997, sowie deren Verfahrensordnung für Sachverständige, Stand 21. 3. 1979 und Schiedsgerichtsordnung, Stand 28. 1. 1982; die Geschäftsbedingungen, Schiedsordnung und Verfahrensordnung für Sachverständige des Waren-Verein der Hamburger Börse e.V., Stand 1. 3. 2011, die Hamburger Freundschaftliche Arbitrage, Stand 4. 9. 1958; sowie die Bedingungen der Bremer Baumwollbörse für den Handel in Rohbaumwolle, Baumwollabfällen, Linters und Abfällen aus Chemiefasern oder Fasermischungen, Stand 27. 6. 2013. Siehe hierzu auch die leider nicht mehr aktuelle, aber anschauliche Zusammenstellung von Straatmann, FS Stödter, 109, 112 Fn. 3; Rauscher, Das Schiedsgutachtenrecht, S. 32 ff. und historisch interessant Pinckernelle, Die Arbitrageklausel, S. 70 ff. 161 OLG Hamburg, Beschl. v. 19. 12. 2012 – 6 Sch 18/12, BeckRS 2014, 06734; vgl. Pickernelle, Die Arbitrageklausel, S. 3 ff. 162 Zur Qualitätsarbitrage vgl. Wolff, Die rechtliche Natur der Arbitrageklausel im Handelsverkehr, S. 16. 157
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage
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von einer verbreiteten Meinung als eine Sonderform des Schiedsgutachtens begriffen, die sich auf die Feststellung von Qualitätsfragen beschränke.163 Aus diesem Grund seien auf die Qualitätsarbitrage nach verbreiteter Meinung die §§ 317 ff. BGB (analog) anwendbar.164 Bei Qualitätsarbitrageverfahren hat der Dritte in Abkehr von § 317 Abs. 1 BGB nicht nach billigem Ermessen zu entscheiden, sondern danach, ob die Ware der im Vertrag vereinbarten Qualität entspricht.165 Der Entscheidungsmaßstab ist folglich ein strengerer als im Fall des § 317 Abs. 1 BGB, da dem Dritten kein Ermessensspielraum verbleibt.166 Auch wenn generelle Aussagen schwer zu treffen sind, enthalten viele Verfahrensordnungen genaue Bestimmungen über die Zusammensetzung des Sachverständigenkollegiums, mit entsprechenden Zurückweisungsrechten einzelner Gutachter oder über die Form des Antrags auf Qualitätsarbitrage.167 Teilweise werden auch genaue Bestimmungen über die zu entnehmenden Proben gemacht.168 Hingegen enthalten die Verfahrensordnungen meist keine Bestimmungen über die Geltendmachung rechtlichen Gehörs.169 Dabei ist zu beobachten, dass die Verfahrensordnungen häufig mit einer schiedsgerichtlichen Verfahrensordnung kombiniert sind und die Parteien die Wahl haben nach welchem Verfahren sie ihren Streit erledigen wollen.170 Es existieren gleichwohl reine Schiedsgerichtsordnungen, die die Bewertung der Qualität von
163 OLG Hamburg, Beschl. v. 19. 12. 2012 – 6 Sch 18/12, IHR 2014, 12, 14; Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 32; Trappe, RIW 1995, 771, 772; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2 Rn. 18. 164 Siehe LG Hamburg, Urt. v. 22. 2. 1995 – 401 O 200/94, RIW 1995, 770, 771, Anm. Trappe; Pinckernelle, Die Arbitrageklausel, S. 14 f.; differenzierend Straatmann, FS Stödter, S. 109, 128. 165 Straatmann, FS Stödter, S. 109, 116. 166 Vgl. Straatmann, FS Stödter, 109, 120; a.A. Wolff, der den Dritten nach billigem Ermessen entscheiden lassen will, Die rechtliche Natur der Arbitrageklausel im Handelsverkehr, S. 33 ff.; Pinckernelle, Die Arbitrageklausel, S. 15; zum Entscheidungsmaßstab der Vertragsarbitrage siehe § 2 B. II. 167 Siehe die Verfahrensordnung für Sachverständige des Waren-Vereins der Hamburger Börse e.V. 168 Siehe z. B. § 4 der Verfahrensordnung für Sachverständige der Vereinigung der am Drogen und Chemikalien Gross- und Aussenhandel beteiligten Firmen e.v., sowie § 44 der Bedingungen der Bremer Bauwollbörse für den Handel in Rohbaumwolle, Baumwollabfällen, Linters und Abfällen aus Chemiefasern oder Fasermischungen. 169 Eine Ausnahme stellt hier die Verfahrensordnung für Schiedsgutachten und Schiedsgerichte in der Landwirtschaft dar. 170 Etwa die Verfahrensordnung für Schiedsgutachten und Schiedsgerichte in der Landwirtschaft; siehe auch Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2 Rn. 21; vgl. außerdem OLG Hamburg, Beschl. v. 19. 12. 2012 – 6 Sch 18/12, BeckRS 2014, 06734.
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
Waren zum Gegenstand haben.171 Im internationalen Vergleich ist die Qualitätsarbitrage im Übrigen meist Schiedsgerichtsbarkeit.172 2. Adjudikation und Dispute Adjudication Boards Weiterhin entfalten Entscheidungen, die ein Dritter auf Grund einer Adjudikation getroffen hat, schuldrechtlich bindende Wirkung. Das Verfahren der Adjudikation entstammt dem angelsächsischen Rechtskreis und wird dort adjudication genannt.173 Bezüglich der Adjudikation sind generelle Aussagen schwer zu treffen, weil sie nicht gesetzlich fixiert ist und eine Reihe unterschiedliche Verfahrensordnungen bestehen, die sich in den Details unterscheiden. Jedoch gibt es auch Gemeinsamkeiten, die es nachzuzeichnen gilt. Unter der Adjudikation wird in der Regel ein Verfahren verstanden, bei dem neutrale Dritte für die Parteien eine vorläufig schuldrechtlich bindende Entscheidung treffen.174 Die Entwicklung der Adjudikation hatte ihren Schwerpunkt im Baugewerbe.175 Beispielhaft dafür sind die von der FIDIC176 aufgelegten Bauverträge, diese enthalten stets eine Adjudikationsvereinbarung.177 In der Bauindustrie wurde eine schnelle und günstige Streitbeilegungsmethode gesucht, um bei der Errichtung von Großprojekten den „Cashflow“ sicherzustellen und um der Verzögerung des Bauprojekts durch Streitigkeiten entgegen zu wirken.178 Ziel ist es bei Fertigstellung des Bauvorhabens auch alle in Zusammenhang mit dem Bauvorhaben entstandenen Streitigkeiten abgewickelt zu haben. In England und Wales ist das Integrieren einer Adjudikation bei bestimmten Bauvorhaben gesetzlich vorgeschrieben.179 Eine solche Pflicht wird auch in Deutschland diskutiert.180 Indes 171 Als eine traditionelle Verfahrensordnung kann hier auf § 20 der Hamburger Freundschaftliche Arbitrage verwiesen werden, siehe dazu auch BGH, Urt. v. 28. 4. 1960 – VII ZR 99/ 59, NJW 1960, 1296; Korte, SchiedsVZ 2004, 240 und Schröder, FS Glossner, S. 317, 320. Siehe auch die Schiedsgerichts-Bestimmungen des Deutschen Verbandes des Großhandels mit Ölen, Fetten und Ölrohstoffen e.V. und das Regulativ für das Deutsche Wollschiedsgericht in Bremen; Nagel, FS Schwab, S. 367; ausführlich Pinckernelle, Die Arbitrageklausel, S. 1 ff. 172 Am bekanntesten sind wohl die Regeln der Grain and Feed Trade Association (GAFTA) mit Hauptsitz in London; siehe auch Born, International Commercial Arbitration, S. 277 f. 173 Messerschmidt/Voit/Boldt, Privates Baurecht, Außergerichtliche Streitbeilegung, Rn. 89. 174 Vgl. Kölbl, in: Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, § 18 Abs. 3 VOB/B Rn. 84 ff. 175 Speziell für Bauprojekte entwickelte Adjudikation-Verfahrensregeln enthalten z. B. die FIDIC-Verträge sowie die Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL Bau) der deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. und des Deutschen Beton- und Bautechnik-Vereins e.V. 176 Féderation International des Ingénieurs-Conseils. 177 Zu den FIDIC-Regelungen siehe Jaeger/Hök, FIDIC-A Guide for Practitioners. Zu den einzelnen Bauverträgen der FIDIC siehe Oelsner, Dispute Boards, S. 55 ff. 178 Aldinger/Mahnken, in: Roquette/Otto (Hrsg.), Vertragsbuch Privates Baurecht, IV. Adjudikation, Rn. 7. 179 Vgl. dazu Section 104 – 106 des HGCRA 1996.
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage
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existieren auch neutrale, nicht speziell auf Bauvorhaben zugeschnittene Verfahrensordnungen, wie zum Beispiel die von der ICC181 und DIS182 aufgelegten Adjudikations- und Disput Board Regeln.183 Essentieller Wesenszug der Adjudikation ist die nur vorläufige Bindungswirkung der Entscheidung,184 das bedeutet, dass die Entscheidung des Dritten zwar zunächst befolgt werden muss, aber angreifbar bleibt und von einem Schiedsgericht oder einem staatlichen Gericht voll überprüft und ersetzt werden kann.185 Erst nach dem Verstreichen einer zuvor festgelegten Widerspruchsfrist werden die Entscheidungen für die Parteien endgültig bindend.186 Die Verfahren der Adjudikation finden oft projektbegleitend statt, die sogenannten Adjudikatoren werden also schon bei Beginn des Projekts bestimmt und bilden gemeinsam das „Dispute Adjudication Board“ (DAB).187 Im Kern, nämlich der vorläufig bindenden Drittentscheidung, besteht kein Unterschied zwischen den DAB-Verfahren und den ad hoc Verfahren, sodass der Begriff der Adjudikation auch für die DAB benutzt werden kann.188 Abzugrenzen ist die Adjudikation von den sogenannten Dispute Review oder Dispute Resoluten Boards (DRB), welche eine zunächst nicht bindende Entscheidung aussprechen, die allerdings bindend wird, wenn der Entscheidung nicht innerhalb einer bestimmten Frist widersprochen wird.189 Das Verhältnis zwischen Bindungswirkung und Widerspruch kehrt sich im Verhältnis zur Adjudikation um. Die Entscheidung eines DRB ist zunächst unverbindlich und bindet die Parteien erst, wenn keine der Parteien innerhalb einer zuvor festgesetzten Frist widerspricht. Hier fehlt es folglich an der für die Adjudikation charakteristischen vorläufig bindenden Entscheidung. Weiterhin charakteristisch für die Adjudikation ist der hohe Grad an formalen Verfahrensregeln. Grundsätzlich ist den Parteien hiernach rechtliches Gehör zu 180
Siehe zum englischen und walisischen Recht Gould/Abel, SchiedsVZ 2005, 190 ff.; Harbst, SchiedsVZ 2003, 68 und unter § 2 A. und Papier/Schröder, Rechtsgutachten zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Adjudikation in Bausachen, BauR 2013, Beilage zu Heft 7. 181 International Chamber of Commerce. 182 Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit. 183 Siehe Verfahrensordnung für Adjudikation der DIS (DIS-AVO und DIS-SchGO) und die Dispute Board Rules der ICC. 184 Aldinger/Mahnken, in: Roquette/Otto (Hrsg.), Vertragsbuch Privates Baurecht, IV. Adjudikation, Rn. 2. 185 Zu den Grenzen der Bindungswirkung im Allgemeinen, siehe unter 1. Kapitel D. 186 Im FIDIC-Red Book etwa beträgt diese 28 Tage (Sub-Clause 20.4), in der DIS-AVO einen Monat (§ 23.3) und bei den ICC-DBR 30 Tage (Art. 5.5). 187 Beispielhaft § 4 DIS-AVO. 188 Aldinger/Mahnken, in: Roquette/Otto (Hrsg.), Vertragsbuch Privates Baurecht, IV. Adjudikation, Rn. 1. 189 Aldinger/Mahnken, in: Roquette/Otto (Hrsg.), Vertragsbuch Privates Baurecht, IV. Adjudikation, Rn. 5; zum Zeitpunkt der Bindungswirkung siehe unten unter § 2 B. 1.
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
gewähren und die Dritten müssen unabhängig sein.190 Auch ist dem Verfahren in der Regel ein enger zeitlicher Rahmen gesteckt.191 Dem Adjudikator können Tatsachen-, und in der Regel auch Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt werden.192 Entscheidungen des Dritten, auch wenn sie für die Parteien bindend geworden sind, sind nach verbreiteter Meinung nicht direkt vollstreckbar.193 Damit sind Adjudikationsverfahren keine Schiedsverfahren und von ihnen streng zu unterscheiden.194 Auf die Adjudikation seien nach wohl überwiegender Meinung die §§ 317 – 319 BGB zumindest entsprechend anwendbar, sofern nichts Gegenteiliges vereinbart wurde.195 Beim Entscheidungsmaßstab des Adjudikators ist von § 317 Abs. 1 BGB abzuweichen. Ist die Entscheidung des Adjudikators noch angreifbar, ist also die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen und dieser eingelegt, dann soll die Entscheidung nicht nur auf offenbare Unbilligkeit geprüft, sondern grundlegend überprüft und gegebenenfalls neu entschieden werden.196 Unter Berücksichtigung der eventuellen Neuverhandlung des Streits vor dem Schiedsgericht und der Bindung des Schiedsgerichts an das Recht, ist auch der Adjudikator dazu gehalten eine Rechtsentscheidung und nicht eine Entscheidung nach Billigkeit oder gar Belieben zu treffen.197 3. § 18 Abs. 4 VOB/B Auch die VOB/B enthält in § 18 Abs. 4 VOB/B eine Regelung zur Beilegung von Streitigkeiten durch eine schuldrechtlich bindlichende Entscheidung eines Dritten. § 18 Abs. 4 VOB/B wird von einer verbreiteten Meinung als eine Schiedsgutach190 Siehe etwa §§ 7 ff. DIS-AVO; Sub-Clause 20.4 und Procedural Rules des FIDIC-Red Books und Art. 8, 17, 18 der ICC-DBR. 191 Die Entscheidungsfrist beträgt im FIDIC-Red Book z. B. 84 Tage (Sub-Clause 20.4), in den DIS-AVO vier Wochen (§ 17.6). 192 Aldinger/Mahnken, in: Roquette/Otto (Hrsg.), Vertragsbuch Privates Baurecht, IV. Adjudikation, Rn. 3. 193 Aldinger/Mahnken, in: Roquette/Otto (Hrsg.), Vertragsbuch Privates Baurecht, IV. Adjudikation, Rn. 8; Kölbl, in: Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, § 18 Abs. 3 VOB/B Rn. 86; 194 Messerschmidt/Voit/Boldt, Privates Baurecht, Außergerichtliche Streitbeilegung, Rn. 93; siehe auch Sub-Clause 20.4 FIDIC Red Book, dort heißt es: „The DAB shall be deemed to be not acting as arbitrator(s).“ 195 Aldinger/Mahnken, in: Roquette/Otto (Hrsg.), Vertragsbuch Privates Baurecht, IV. Adjudikation, Rn. 10; Kölbl, in: Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, § 18 Abs. 3 VOB/B Rn. 87; Messerschmidt/Voit/Boldt, Privates Baurecht, Außergerichtliche Streitbeilegung, Rn. 94. 196 Oelsner, Dispute Boards, S. 361. 197 Jaeger/Hök, FIDIC – A Guide for Practitioners, S. 406; a.A. Oelsner, Dispute Boards, S. 320; Harbst/Mahnken, SchiedsVZ 2005, 34, 39.
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tenregelung begriffen.198 Der Anwendungsbereich von § 18 Abs. 4 VOB/B ist allerdings recht beschränkt. Entschieden werden sollen hiernach nur Meinungsverschiedenheiten über die Eigenschaft von Baustoffen und Bauteilen. Dabei geht es in den Meinungsverschiedenheiten um Sacheigenschaften der Baustoffe und Bauteile, insbesondere um Qualitätsmerkmale.199 Als weitere Einschränkung gilt, dass zur Durchführung eines Verfahrens gemäß § 18 Abs. 4 VOB/B allgemein gültige Prüfverfahren bestehen müssen. Da der Gutachter die entsprechend anerkannten Prüfverfahren bei der Entscheidungsfindung benutzen muss, genießt er nur eingeschränkte Freiheiten bei der Entscheidungsfindung. Der Entscheidungsmaßstab wird durch die Beschränkung der Methodenwahl vorgegeben. § 18 VOB/B sieht außerdem vor, dass die das Gutachten anstrebende Partei die andere Partei vorher informieren soll. Diese Bestimmung soll das rechtliche Gehör wahren,200 wird sie verletzt, entfällt die Verbindlichkeit der Entscheidung.201 Zudem soll die prüfende Stelle beiden Parteien vor Abschluss des Verfahrens die Möglichkeit zur Stellungnahme geben.202 Auch bei der Auswahl der Prüfstelle sind die Parteien nicht frei, diese muss staatlich oder staatlich anerkannt sein. Das von der Materialprüfstelle vorgenommene Gutachten ist nach einer verbreiteten Meinung unverbindlich, wenn es in Anwendung der §§ 317 ff. BGB offenbar unbillig oder unrichtig ist.203 4. § 84 VVG Eine weitere Regelung, die eine schuldrechtlich bindende Entscheidung eines Dritten zum Gegenstand hat, ist § 84 VVG.204 Gemäß § 319 Abs. 1 BGB ist die Bestimmung des Dritten unverbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. § 84 Abs. 1 VVG weicht davon ab und bestimmt, dass die getroffene Feststellung des Dritten unverbindlich ist, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Zum einen spricht § 84 Abs. 1 VVG von einer Feststellung und nicht wie § 319 198 Vgl. Merkens, NZBau 2008, 150, 152 f.; Kapellmann/Messerschmidt/Merkens, § 18 VOB/B Rn. 37; Messerschmidt/Voit/Voit, § 18 VOB/B Rn. 4; Ingenstau/Korbion/E. Joussen, § 18 Abs. 4 VOB/B Rn. 16; BeckOK/Preussner, § 18 Abs. 4 VOB/B Rn. 9. 199 Merkens, NZBau 2008, 150, 152; Ingenstau/Korbion/E. Joussen, § 18 Abs. 4 VOB/B Rn. 3; BeckOK/Preussner, § 18 Abs. 4 VOB/B Rn. 2. 200 BeckOK/Preussner, § 18 Abs. 4 VOB/B Rn. 7. 201 Ingenstau/Korbion/E. Joussen, § 18 Abs. 4 VOB/B Rn. 9. 202 Kapellmann/Messerschmidt/Merkens, § 18 VOB/B Rn. 34; BeckOK/Preussner, § 18 Abs. 4 VOB/B Rn. 7; vgl. allerdings auch OLG Celle BauR 1995, 556, 557, das eine Beteiligung des anderen Teils richtigerweise nur dann als notwendig erachtet, wenn der antragende Teil eingebunden wurde und der andere Teil eine Beteiligung auch einfordert. 203 Kapellmann/Messerschmidt/Merkens, § 18 VOB/B Rn. 37; Ingenstau/Korbion/ E. Joussen, § 18 Abs. 4 VOB/B Rn. 22. 204 Vgl. MüKo/Halbach, § 84 VVG Rn. 6, ausführlich zum Versicherungsrecht Heinrich, Das Sachverständigenverfahren im Privatversicherungsrecht und Kisch, Der Schiedsmann im Versicherungsrecht.
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Abs. 1 BGB von einer Bestimmung, was belegt, dass von § 84 Abs. 1 VVG rechtsbegründende Entscheidungen nicht erfasst sind. Zum anderen ordnet § 84 Abs. 1 VVG an, dass ein Gericht die Entscheidung des Dritten dahingehend zu überprüfen hat, ob die getroffene Feststellung von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Damit ist gemeint, dass die Entscheidung offenbar und erheblich unrichtig ist. Der Maßstab der Unrichtigkeit ist ein ungleich strengerer als der der Billigkeit.205 Der Maßstab wird durch § 84 Abs. 1 VVG gleichsam etwas gelockert, da eine Entscheidung erst unverbindlich ist, wenn sie nicht nur offenbar, sondern zusätzlich auch erheblich von der wirklichen Sachlage abweicht. Mit der Veränderung des gerichtlichen Überprüfungsmaßstabs geht aber auch eine Veränderung des Entscheidungsmaßstabs des Dritten einher. Der Dritte hat nicht bloß nach Billigkeit zu entscheiden, sondern die konkrete Sachlage zu ermitteln. § 84 VVG soll nach Meinung in der Literatur eine besondere Ausformung des Schiedsgutachtens darstellen, die in besonderem Maße der Versicherungspraxis Rechnung trage.206 Die §§ 317 ff. BGB seien zwar nicht direkt anwendbar, die aus ihnen entwickelten Grundsätze könnten aber entsprechend herangezogen werden.207 Nicht hingegen handele es sich um eine besondere Form des Schiedsvertrags.208 § 84 VVG ziele vor allem auf die Feststellung von Tatsachen, nämlich der Schadensfeststellung, und nicht auf Rechtsfragen ab, was ihn als schiedsgutachterliche Regelung auszeichne.209 Hervorzuheben ist, dass § 84 VVG eine von den §§ 317, 318 und 319 BGB offengelassene Lücke für das Versicherungsvertragsrecht schließt, denn diese erstrecken sich zumindest nicht direkt auf die Feststellung von Tatsachenfragen.210 Auch bei Verfahren nach § 84 VVG stellt sich daher die Frage, wann eine solche Entscheidung unverbindlich ist und ob bei der Durchführung gewisse Verfahrensgrundsätze zu beachten sind.211
V. Begriff und Umfang der Vertragsarbitrage Zunächst gilt es die bestehenden Unterschiedlichkeiten aber auch Gemeinsamkeiten von Schiedsgutachten, Qualitätsarbitrage, Adjudikation und den Verfahren nach § 18 Abs. 4 VOB/B und § 84 VVG aufzuzeigen (1.). Dies wirft die Frage auf, ob es eines neuen Oberbegriffs bedarf, der die genannten Verfahren umfasst (2.) und 205
Zu den Überprüfungsmaßstäben siehe 2. Kapitel B. II. 1. Vgl. Langheid/Rixecker/Langheid, § 84 VVG Rn. 2; MüKo/Halbach, § 84 VVG Rn. 6; Prölss/Martin/Voit, § 84 VVG Rn. 2; Bruck/Möller/Johannsen, § 84 VVG Rn. 11. 207 Prölss/Martin/Voit, § 84 VVG Rn. 2. 208 Heinrich, Das Sachverständigenverfahren im Privatversicherungsrecht, S. 54; Römer/ Langheid/Langheid, § 84 VVG Rn. 2. 209 MüKo/Halbach, § 84 VVG Rn. 5. 210 Vgl. oben unter 1. Kapitel B. III. 1. 211 Vgl. MüKo/Halbach, § 84 VVG Rn. 28 ff. 206
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage
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woraus die Benennung eines neuen Oberbegriffs abzuleiten ist (3.). Schließlich ist der Oberbegriff zu definieren (4.). 1. Differenzierung der schuldrechtlich bindenden Drittentscheidungsverfahren Schiedsgutachten, Qualitätsarbitrage, Adjudikation und die Verfahren nach § 18 Abs. 4 VOB/B und § 84 VVG unterscheiden sich in Bezug auf die Bindungswirkung, ihre Entscheidungsmaßstäbe und Vorgaben zum Verfahren. Die Bindungswirkung eines Schiedsgutachtens entfaltet sich, sofern es nicht gemäß § 318 Abs. 2 BGB (ggf. analog) anfechtbar oder gemäß § 319 BGB (ggf. analog) unwirksam ist, nach der hier verwendeten Definition unmittelbar und endgültig nachdem das Schiedsgutachten einem der Parteien gegenüber erklärt worden ist (vgl. § 318 Abs. 1 BGB). Davon unterscheidet sich die Adjudikation, die zu einer lediglich vorläufig bindenden Entscheidung führt. Vorläufig bindende Entscheidungen müssen von den Parteien zwar zunächst befolgt werden, können jedoch mittels Widerspruch gegen die Adjudikations-Entscheidung durch einen Schiedsspruch vollständig überprüft und ersetzt werden. Auch Entscheidungen aus Qualitätsarbitrageverfahren und nach Verfahren gemäß § 18 Abs. 4 VOB/B und § 84 VVG entfalten ihre Bindungswirkung sofort und endgültig und unterscheiden sich insofern von der Adjudikation. Genauso unterscheiden sich die Entscheidungsmaßstäbe der dargestellten Verfahren. Gemäß § 317 Abs. 1 BGB hat der Dritte seine Entscheidung im Zweifel nach billigem Ermessen zu treffen. Dieser Entscheidungsmaßstab gilt auch für das Schiedsgutachten.212 Demgegenüber ist der Dritte bei einer Entscheidung im Rahmen einer Qualitätsarbitrage über die Güte einer angelieferten Ware an die im Vertrag vereinbarte Qualität gebunden. Genauso hat der Dritte gemäß § 84 VVG nicht nach Billigkeit zu entscheiden, sondern die konkrete Sachlage zu ermitteln und streng nach dieser zu entscheiden. Weiterhin ist der Adjudikator, wie in der Regel das Schiedsgericht auch, an das Recht gebunden. Außerdem bestehen Differenzen in den gerichtlichen Überprüfungsmaßstäben. Gemäß § 319 Abs. 1 BGB hat das Gericht eine nach Billigkeit getroffene Entscheidung auf offenbare Unbilligkeit hin zu überprüfen. Hingegen bestimmt § 84 VVG das die Entscheidung des Dritten dann nicht verbindlich ist, wenn sie offenbar von der Sachlage erheblich abweicht. Weicht die Entscheidung offenbar von der Sachlage erheblich ab, hat das Gericht die Entscheidung aufzuheben. Der Maßstab ist folglich ein anderer als der der offenbaren Billigkeit. Genauso ist die Entscheidung eines Dritten bei einer Entscheidung innerhalb einer Qualitätsarbitrage und einem Verfahren über die Eigenschaften von Bauteilten und Baustoffen gemäß § 18 Abs. 4 VOB/B bereits aufzuheben, wenn der Dritte die Sacheigenschaften verkannt hat. Die 212
Siehe dazu unter 1. Kapitel B. III. 2.
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
Entscheidung des Adjudikators ist dagegen aufzuheben, wenn sie nicht der Rechtslage entspricht. Zwar unterscheiden sich die aufgeführten Verfahren in aufgezeigter Weise, Kern aller hier dargestellter Verfahren ist jedoch die schuldrechtlich bindende Entscheidung eines Dritten. Notwendig ist demnach ein Oberbegriff, der die Verfahren zusammenführt, denn erst über einen Oberbegriff lassen sich die Standards und Unterschiede der Verfahren aufzeigen. 2. Notwendigkeit eines neuen Oberbegriffs In der Literatur wird vorgeschlagen, schuldrechtlich bindende Entscheidungen stets als „Schiedsgutachten“ zu bezeichnen.213 Die Nutzung des Begriffs „Schiedsgutachten“ als Oberbegriff für alle Verfahren mit einer schuldrechtlich bindenden Entscheidung durch einen Dritten ist abzulehnen. Gegen die Verwendung des Begriffs Schiedsgutachten als Oberbegriff spricht die Unschärfe des Schiedsgutachtenbegriffs. Diese Unschärfe zeigt sich in der Definition des Schiedsgutachtens, den bei Verwendung des Schiedsgutachtens als Oberbegriff entstehenden Abgrenzungsschwierigkeiten zu den anderen Verfahren mit schuldrechtlich bindender Entscheidung durch einen Dritten und in der unsachlichen Bezeichnung der anderen Verfahren als Schiedsgutachten. Der auf Weismann zurückgehende Begriff des Schiedsgutachtens214 wird nicht einheitlich verwendet.215 Weismann selbst sah in Schiedsgutachten nicht das gleichwertige Gegenstück zum schiedsrichterlichen Verfahren, sondern beschränkte es auf Feststellungen von Tatsachenfragen, die Feststellung von Rechtsfragen und rechtsbegründende Feststellungen klammerte er aus.216 Den Begriff des Schiedsgutachtens leitete er aus der Ähnlichkeit mit dem Gutachten im staatlichen Gerichtsprozess ab, denn die Parteien stünden seiner Ansicht nach zum Dritten wie ein Richter zum Gutachter.217 Ohne die Auskunft des Schiedsgutachters zu einer bestimmten Frage sei eine korrekte Beurteilung des Sachverhalts nicht möglich.218 Demgegenüber sei laut Rechtsprechung eine Schiedsgutachterabrede auf die Feststellung einzelner Tatbestandselemente oder auf gutachterliche Leistungsbestimmungen gerichtet.219 Nach einer Literaturmeinung sei dagegen nur für die 213 Stubbe, in: Böcktstiegel/Berger/Bredow (Hrsg.), Schiedsgutachten versus Schiedsgerichtsbarkeit, S. 75, 78; im Grunde auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie, S. 28. 214 Weismann, AcP 72 (1888), 269, 303. 215 Vgl. HKK/Hofer, §§ 315 – 319 BGB Rn. 16 (Fn. 103); Staudinger/Mayer-Maly, 12. Aufl. 1979, § 317 BGB Rn. 19, siehe auch oben unter 1. Kapitel B. III. 4. 216 Weismann, AcP 72 (1888), 269, 308. 217 Weismann, AcP 72 (1888), 269, 302 f., a.A. Jonas, JW 1937, 221. 218 Weismann, AcP 72 (1888), 269, 302. 219 BGH, Beschl. v. 18. 12. 2013 – IV ZR 207/13, ZEV 2014, 311, 312.
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage
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Obergruppe der Schiedsgutachten im engeren Sinne der Begriff des Schiedsgutachtens zu benutzen.220 Die aufgezeigte uneinheitliche Verwendung des Schiedsgutachtenbegriffs führt zu Unklarheiten bezüglich des Einsatzumfangs des Schiedsgutachtens und ist daher nicht geeignet als Oberbegriff zu fungieren. Die Verwendung des Schiedsgutachtenbegriffs würde darüber hinaus zu sprachlichen Abgrenzungsschwierigkeiten zu den anderen Verfahren wie zum Beispiel der Adjudikation führen. Entscheidungen aus einer Adjudikation entfalten im Gegensatz zu schiedsgutachterlichen Entscheidungen nur vorläufig bindende Wirkung. Würde man die Adjudikation fortan auch als „Schiedsgutachten“ bezeichnen, wäre unklar, ob mit dem dann genannten „Schiedsgutachten“ eine Entscheidung gemeint ist, die sofort und endgültig bindet oder nur vorläufig bindet. Weiterhin wird die Bezeichnung „Gutachten“ den komplexen Regelwerken, etwa der FIDIC, ICC und der DIS nicht gerecht. Diese zeigen, dass sich die Parteien nicht nur ein schlichtes Gutachten wünschen, sondern ein ausgewogenes, gerichtsähnliches Verfahren. Die Bezeichnung als „Gutachten“ erscheint außerdem unglücklich, weil die Parteien, anders als von Weismann beurteilt,221 nicht wie ein Richter zum Gutachter stehen. Der Dritte erteilt nicht nur eine Empfehlung wie er den Sachverhalt oder die zu entscheidende Frage einschätzt, sondern erlässt eine Art Urteil. Seine Entscheidung ist, anders als die des gerichtlichen Gutachters, verbindlich. Mithin ist der Begriff des Schiedsgutachtens als Oberbegriff für alle Verfahren mit einer schuldrechtlich bindenden Entscheidung durch einen Dritten ungeeignet. Notwendig ist daher die Schaffung eines neuen Begriffs. 3. Vorschlag des Begriffs der Vertragsarbitrage als Oberbegriff Als Oberbegriff bieten sich zwei in der ausländischen Literatur verwendete Begriffe an. In der schweizerischen Literatur ist der Begriff des „obligationsrechtlichen Schiedsverfahrens“222 und in der französischen Literatur der Begriff der „arbitrage contractuelle“ verbreitet.223 Aus dem Französischen übersetzt heißt der Begriff der arbitrage contractuelle „Vertragsarbitrage“.
220 Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 810; so auch Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 81; Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 60; Heinrich, Das Sachverständigenverfahren im Privatversicherungsrecht, S. 57; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 IV Nr. 3, S. 299; Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rn. 3. 221 Weismann, AcP 72 (1888), 269, 302 f. 222 Wenger, Zum obligationsrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, S. 172 ff.; auch der BGH spricht wohl im Anschluss an Wenger in seiner Entscheidung zum lodo irrituale von einer „obligationsrechtlichen Schiedsentscheidung“, NJW 1982, 1224, 1226. 223 Siehe Kassis, Problèmes da base de l’arbitrage; zum belgischen Recht Caprasse, JT 1999, 565 ff.; Storme, Rev. dr. int. et comp., 1985, 285 ff.
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
Die Begriffe aus dem schweizerischen und französischen Recht haben den gleichen Ausgangspunkt: die schuldrechtlich bindende Entscheidung eines Dritten dem prozessrechtlich geregelten Schiedsverfahren auch sprachlich gegenüberzustellen. Das obligationsrechtliche Schiedsverfahren wird in der Folge auch als „freies Schiedsverfahren“ bezeichnet.224 Eine Gegenüberstellung von schuldrechtlich bindender Entscheidung eines Dritten und der prozessrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit überzeugt, weil das schuldrechtliche bindende, genauso wie das prozessrechtliche Verfahren auf der Privatautonomie fußen225 und beide Verfahren rechtshistorisch verbunden sind. Überdies gestattet die Privatautonomie grundsätzlich einen umfänglichen Einsatz von schuldrechtlich bindenden Entscheidungen eines Dritten bei der Streitbeilegung, sodass Verfahren, die zu einer schuldrechtlich bindenden Entscheidung führen, mit dem Einsatzumfang prozessrechtlicher Schiedsgerichtsbarkeit zu vergleichen sind. Neben der prozessrechtlich geregelten Schiedsgerichtsbarkeit gibt es folglich noch einen zweiten Weg Streitigkeiten privatverbindlich durch Entscheidung eines Dritten zu entscheiden, nämlich durch eine lediglich schuldrechtlich bindende Entscheidung.226 Vergleicht man die Begriffe der Vertragsarbitrage und des obligationsrechtlichen Schiedsverfahrens, bedeuten sie inhaltlich dasselbe. An dieser Stelle ist aber dem Begriff der Vertragsarbitrage der Vorzug zu geben, weil dieser nicht in die Gefahr gerät mit der „obligatorischen Streitbeilegung“ verwechselt zu werden. Der beziehungsweise die Dritten sind als „Obmann“, „Obfrau“ oder „Obkommission“ zu bezeichnen. 4. Definition und möglicher Umfang einer Vertragsarbitrage Die Vertragsarbitrage wurzelt in der Privatautonomie und ist stets einsetzbar, wenn die Parteien in der Lage wären einen Vertrag zu schließen. Dies betrifft nicht nur Ansprüche aus schuldrechtlichen Verträgen, auch Ansprüche aus dem Delikts-, Erb- und Familienrecht können Gegenstand einer Vertragsarbitrage sein. Die Vertragsarbitrage zeichnet neben der Verwandtschaft zur Schiedsgerichtsbarkeit eine enge Beziehung zum materiell-rechtlichen Vergleich aus, der in § 779 BGB legal definiert wird. Vergleich, Schiedsgerichtsbarkeit und Vertragsarbitrage haben gemeinsam, dass sie einen Streit, eine Ungewissheit oder eine Unbestimmtheit in Bezug auf ein anderes Rechtsverhältnis beenden wollen.
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Wenger, Zum obligationsrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, S. 172 ff. 225 So schon Weismann, AcP 72 (1888), 269, 278. 226 Kassis, Problèmes da base de l’arbitrage, Nr. 55 ff.; so auch Wenger, Zum obligationsrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, S. 172 ff.
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage
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Die Definition der Vertragsarbitragevereinbarung lautet demnach wie folgt: Eine Vertragsarbitragevereinbarung ist eine Vereinbarung, mit der sich die Parteien verpflichten einen bestehenden oder zukünftigen Streit, eine Ungewissheit oder Unbestimmtheit in Bezug auf ein anderes Rechtsverhältnis einer schuldrechtlich bindenden Entscheidung eines Dritten zu unterwerfen. In ihrem Umfang steht die Vertragsarbitrage der Schiedsgerichtsbarkeit nicht nach.227 Sie reiht sich ein in den Kanon der außergerichtlichen Streitbeilegungsmethoden, derer sich die Parteien kumulativ oder alternativ bedienen können. Der Begriff der Vertragsarbitrage dient damit nicht nur als Sammelbegriff für alle bereits beschriebenen Streitbeilegungsverfahren, in denen ein Dritter eine schuldrechtlich bindende Entscheidung erlässt. Vielmehr weist der Begriff der Vertragsarbitrage darauf hin, dass sich aus der Delegation der Privatautonomie auf einen Dritten und der schuldrechtlich bindenden Entscheidung verschiedenste Rechtfragen ergeben, auf die unterschiedlichen Rechtssätze anwendbar sind. Damit handelt es sich bei dem Begriff der Vertragsarbitrage um die Bezeichnung eines Rechtsinstituts.228
VI. Analoge Anwendung der §§ 317 ff. BGB auf die Vertragsarbitrage Die von der Literatur und Rechtsprechung vorgenommene analoge Anwendung der §§ 317, 318, 319 BGB auf die von ihr gebildete Fallgruppe des Schiedsgutachtens im engeren Sinne wirft die Frage nach der Rechtfertigung der analogen Anwendung auf die Vertragsarbitrage insgesamt auf. Dabei ist an Fälle zu denken, die keine rechtsbegründende Entscheidung zum Gegenstand haben. Trotz des Umstands, dass eine Analogieprüfung in der Regel vom einzelnen Sachverhalt abhängig ist,229 wogegen die Vertragsarbitrage ein Rechtsinstitut darstellt, können dazu dennoch einige grundsätzliche Aussagen herausgearbeitet werden. Voraussetzung einer Analogie ist die Analogiefähigkeit der Norm, dass der zu beurteilende Sachverhalt mit den geregelten Fällen vergleichbar ist und eine planwidrige Regelungslücke oder geplante Unvollständigkeit vorliegt.230 Der innere Grund für die Vornahme einer Analogie liegt im Gleichheitsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG, Gleiches soll auch gleich behandelt werden.231 Andererseits soll aber auch Ungleiches ungleich behandelt werden.232 227 So schon Habscheid in Bezug auf das Schiedsgutachten, FS Kralik, S. 189, 199, jüngst auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 784 ff. 228 Zum Begriff des Rechtsinstituts, Köbler, Juristisches Wörterbuch, S. 380. 229 Vgl. etwa Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 889. 230 BGH, Urt. v. 4. 8. 2010 – XII ZR 118/08, NJW 2010, 3087; BGH, Urt. v. 27. 1. 2010 – XII ZR 22/07, NJW 2010, 1065, 1066; BGH, Urt. v. 25. 9. 2009 – V ZR 36/09, NJW 2009, 3644, 3645; Würdinger, AcP 206 (2006), 947, 949. 231 Würdinger, AcP 206 (2006), 946, 952; Luther, Jura 2013, 449, 451.
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
Jede Norm ist grundsätzlich analogiefähig.233 Etwas Anderes gilt nur, wenn es sich aus dem Gesetz ergibt, wie dies etwa Art. 103 Abs. 2 GG für strafbegründende Normen ausspricht.234 Für die §§ 317, 318, 319 BGB ist ein solches Analogieverbot jedenfalls nicht ersichtlich, auch ein generelles Verbot des Schiedsgutachtens oder der Vertragsarbitrage auf Fälle außerhalb der in §§ 317 ff. BGB geregelten Fälle besteht nicht. Die Vertragsarbitrage beruht nämlich primär auf der Privatautonomie, die in diesem Punkt nicht explizit eingeschränkt wird. Ob die Sachverhalte miteinander vergleichbar sind, ist vor allem eine Wertungsfrage.235 Gegenstand der Wertung ist dabei, ob sich die Vertragsarbitrage unter die eventuell analog anzuwendenden Normen nach der Systematik, dem Telos oder der Geschichte subsumieren lässt.236 Hierbei genügt es, wenn einer der Aspekte vorliegt.237 Vergleicht man nun die direkt von den §§ 317, 318, 319 BGB erfassten Fälle mit denen hier in Frage stehenden anderen Fallgestaltungen der Vertragsarbitrage, lässt sich leicht eine Ähnlichkeit der Sachverhalte feststellen. Denn wie bei den direkt zu subsumierenden Fallgestaltungen sind die fraglichen Gestaltungen geprägt von der durch einen Dritten erlassenen schuldrechtlich bindenden Entscheidung. Der Sinn und Zweck der §§ 317, 318 und 319 BGB ist es den Parteien Regelungen für den Fall der Drittleistungsbestimmung zur Verfügung zu stellen und damit den Rechtsverkehr sicherer zu gestalten. § 317 Abs. 1 BGB stellt zum Beispiel eine Zweifelsfallregelung für den Entscheidungsmaßstab des oder der Dritten auf. Weiterhin behandelt § 319 BGB Fragen der Wirksamkeit der Drittbestimmung und damit die Wirksamkeit des Vertrags an sich. § 319 Abs. 1 BGB dient vor allem dem Schutz der Vertragsparteien vor Übervorteilung durch offenbar unbillige Drittleistungsbestimmungen. Der gleichen Gefahr sind auch Parteien ausgesetzt, die die Vertragsarbitrage auf Fallgruppen außerhalb der in §§ 317 ff. BGB normierten Fallgruppen anwenden. Unterlägen diese Fälle nicht dem Entscheidungsmaßstab des billigen Ermessens aus § 317 Abs. 1 BGB und dem Überprüfungsmaßstab der offenbaren Unbilligkeit aus § 319 BGB, wäre die Entscheidung des Dritten nur nach den §§ 134, 138 und 242 BGB überprüfbar.238 Vor allem fraglich erscheint aber, ob eine Regelungslücke vorliegt. Eine solche Lücke liegt vor: „wenn das Gesetz innerhalb der Grenzen seines Wortsinns und das Gewohnheitsrecht eine Regelung nicht enthalten, obwohl die Rechtsordnung eine solche fordert.“239 Die Bestimmung des Vertragsinhalts durch einen Dritten ist in der 232
Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 45. Luther, Jura 2013, 449, 451; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 253, weitgehend auch Würdinger, AcP 206 (2006), 946, 968. 234 Luther, Jura 2013, 449, 450; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 823a. 235 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 202; Luther, Jura 2013, 449, 451. 236 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 203; Luther, Jura 2013, 449, 451. 237 Luther, Jura 2013, 449, 452. 238 Siehe unten unter 2. Kapitel B. II. 239 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 39. 233
B. Rechtsgrundlage und Begriffsbestimmung der Vertragsarbitrage
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Praxis weit verbreitet und beschränkt sich hierbei nicht nur auf die Bestimmung vertragsbegründender Lücken, sondern hat häufig auch Tatsachen- und Rechtsfeststellungen beziehungsweise vertragsergänzende oder abändernde Bestimmungen zum Gegenstand. Deshalb besteht in der Rechtsordnung das Bedürfnis nach einer Regelung dieser Fallgestaltungen, da bei der Durchführung eines solchen Verfahrens unterschiedlichste Rechtsfragen entstehen können, die einer sicheren Vertrags- und Verfahrensdurchführung im Wege stehen. Eine Lücke ist somit grundsätzlich zu bejahen. Allerdings ist erst dann von einer durch Analogie zu schließenden Lücke auszugehen, wenn diese planwidrig zustande kam,240 oder wenn vom Gesetzgeber beabsichtigt war, diese durch die Rechtsprechung und Lehre schließen zu lassen (geplante Unvollständigkeit).241 Wenn der Gesetzgeber dagegen bewusst die betreffende Frage nicht geregelt hat und auch nicht regeln wollte, dann besteht für den Rechtsanwender kein Raum diese Lücke mittels einer Analogie zu schließen, allein der Gesetzgeber ist dann dazu befugt (sogenanntes „beredtes Schweigen“ des Gesetzgebers).242 Die Motive243 sowie die Aufzeichnungen der Beratung244 zu den jetzigen §§ 317, 318 und 319 BGB schweigen zu der konkreten Frage, ob die nicht erfassten Fallgruppen des Schiedsgutachtens bewusst nicht geregelt werden sollten oder etwa, ob Rechtsprechung und Wissenschaft eine Lückenschließung vornehmen sollten. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage findet nicht statt, weder im positiven, noch im negativen Sinne. Das Fehlen weiterer Reglungen kann daher zum einen auf eine planwidrige Regelungslücke hinweisen, zum anderen aber auch so gedeutet werden, dass nur für die geregelten Fälle die entsprechenden Rechtsfolgen gelten sollen.245 Zwingend ist weder der eine, noch der andere Schluss, sodass hier zusätzliche, über die Norm hinausgehende Argumente für die Bestätigung der einen oder der anderen These erforderlich sind.246 Anzunehmen ist, dass den Schöpfern des BGB und dem Gesetzgeber bekannt war, dass das Schiedsgutachten in weiteren Sachverhaltskonstellationen auftritt, da bereits Weismann beim Entstehungsprozess des BGB darauf hingewiesen hatte.247 Beachtlich ist aber auch, dass ein Verbot einer obmännischen Betätigung außerhalb der geregelten Fallgruppen nicht ausgesprochen wird. Weiterführender ist meines 240
Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 30. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 835. 242 Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 241; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 838, 899; Würdinger, AcP 206 (2006), 947, 951. 243 Motive, S. 193 ff. = Mugdan, Band 2, S. 106 f. 244 Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, S. 430 ff. 245 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücke im Gesetz, S. 43. 246 Canaris, Die Feststellung von Lücke im Gesetz, S. 43 f.; vgl. auch Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 242. 247 Weismann, AcP 72 (1888), 269 ff.; Weismann, AcP 74 (1889), 422 ff. 241
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1. Kap.: Vertragsarbitrage im deutschen Recht
Erachtens daher der Umstand, dass zu den §§ 317 ff. BGB noch weitere Sondervorschriften zum Schiedsgutachten hinzugetreten sind. Der Gesetzgeber hat offenbar die Unvollständigkeit seiner Regelung erkannt und sie wenig später durch die Norm des § 64 des am 1. 1. 1910 in Kraft getretenen VVG ergänzt.248 Heute befindet sich die Regelung zum Sachverständigenverfahren in § 84 VVG. Sie regelt die versicherungsvertraglich vereinbarte Schadensfeststellung durch Sachverständige. Die Regelung erstreckt sich also auf verbindliche Tatsachenfeststellungen durch Dritte, die nicht in den direkten Anwendungsbereich der §§ 317 ff. BGB fallen. Die Vertragsarbitrage ist vom Gesetzgeber damit in den §§ 317, 318 und 319 BGB bewusst nicht abschließend normiert worden, sondern nur der spezielle Fall der vertragsbegründenden Leistungsbestimmung. Dies begründet die Annahme, dass die weitere Ausgestaltung der Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen werden sollte. Diese hier vertretene Annahme führt zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall eine planmäßige Unvollständigkeit vorliegt und die §§ 317, 318 und 319 BGB auf die anderen Fälle der Vertragsarbitrage analog anzuwenden sind.249 In den meisten Einzelfällen kann § 319 Abs. 2 BGB wohl von der Analogie ausgenommen werden. Dieser passt nicht auf Fallgestaltungen, die eine Vertragsergänzung oder Änderung zum Gegenstand haben, weil die Unwirksamkeit des Vertrags von den meisten Parteien in diesen Fallkonstellationen nicht gewollt sein wird.250
248
MüKo/Lorenz, Einführung VVG Rn. 2. So auch für die §§ 315 f., Schellhase, Gesetzliche Rechte zur einseitigen Vertragsgestaltung, S. 187; Vgl. auch Buchdahl, Die Rechtsnatur der Schiedsgutachterklausel und des Schiedsgutachtens, S. 9. 250 Siehe dazu oben unter 1. Kapitel B. III. 1. c). 249
2. Kapitel
Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht Wie die Schiedsgerichtsbarkeit auch, umgeben die Vertragsarbitrage mannigfache Rechtsfragen, die gesondert und differenziert zu betrachten sind. Einige der Rechtsfragen der Vertragsarbitrage sind auf Grund ihrer besonderen Relevanz näher zu beleuchten. Bei einigen Fallgruppen des Schiedsgutachtens ist umstritten, worauf die Bindungswirkung zurückzuführen ist.1 Von einem Teil der Lehre wird angenommen, bei den Schiedsgutachten im engeren Sinne handele es sich um prozessvertragliche Regelungen, deren Bindungswirkung sich erst im Prozess entfalte.2 Der Begriff der Vertragsarbitrage umfasst das Schiedsgutachten, weshalb die Frage der Bindungswirkung auch für die Vertragsarbitrage zu diskutieren ist (A.). Ist die Bindungswirkung untersucht, schließt sich unmittelbar daran die Untersuchung nach den Grenzen der Bindungswirkung an (B.). Gemäß § 319 Abs. 1 BGB ist der Richter befugt die Entscheidung des Dritten zu ersetzen, wenn diese unbillig ist oder, wenn der Dritte die Entscheidung nicht vornehmen kann oder will oder sie verzögert. Diese Eingriffsbefugnis des Richters ist sodann nach ihrer Art und ihrem Umfang kritisch zu hinterfragen und nach ihrer Art zu qualifizieren (C.). Auf Grund der Nähe und Verwandtschaft der Vertragsarbitrage und der Schiedsgerichtsbarkeit ist schließlich die Abgrenzung der beiden Rechtsinstitute voneinander zu klären (D.).
A. Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung Worauf die Bindungswirkung bei Schiedsgutachten zurückzuführen ist, ist strittig. Dabei stehen sich eine prozessrechtliche und eine materiell-rechtliche Ansicht gegenüber. Nach der prozessrechtlichen Ansicht entfalte das Schiedsgutachten im engeren Sinne seine Wirkung erst im gerichtlichen Prozess (I.), während nach Auffassung der materiell-rechtlichen Ansicht das Schiedsgutachten allgemein eine schuldrechtliche Bindungswirkung entfalte (II.).
1
Statt vieler Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 49; Volmer, BB 1984, 1010, 1011 f. Statt vieler Habscheid, FS Lehmann II, S. 789 und unten unter 2. Kapitel A. I. m.w.N. in Fn. 5. 2
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
Man kann der Ansicht sein, dass der Streit um die Bindungswirkung des Schiedsgutachtens im engeren Sinne dahinstehen könnte, weil die Vertragsarbitrageentscheidung schon als eine schuldrechtlich bindende Entscheidung dargestellt und begründet wurde. Anderseits ist der Streit um die Bindungswirkung der Schiedsgutachten im engeren Sinne der prägende Streit zur Dogmatik des Schiedsgutachtens in jüngerer Zeit. Das Schiedsgutachten wiederum wurde als vom Begriff Vertragsarbitrage umfasst beschrieben. Der Streit ist also geeignet die bereits dargestellten Erkenntnisse über die Vertragsarbitrage zu erschüttern, aber auch zu vertiefen und auf stabilere Füße zu stellen und ist daher auch hier für die Vertragsarbitrage insgesamt zu entscheiden (III.). Schließlich wirft die Entscheidung um die Bindungswirkung des Schiedsgutachtens die Frage nach der dogmatischen Funktionsweise der Vertragsarbitrage auf (IV.).
I. Prozessrechtliche Theorie Die prozessrechtliche Ansicht hatte insbesondere im Zuge der von Habscheids getätigten Veröffentlichungen3 zunehmend Anhänger gewonnen, wurde im Kern aber schon vorher verbreitet vertreten.4 Habscheid qualifiziert alle Schiedsgutachten im engeren Sinne, das heißt rechtsklärende und tatsachenfeststellende Schiedsgutachten, als prozessrechtliche Verträge:5 „Handelt es sich demnach bei den rechtsklärenden Schiedsgutachten weitgehend um Rechtsanwendungen und wird der Dritte hier ähnlich tätig wie ein Richter (…) so erscheint es richtig, hier eine prozessuale Vereinbarung anzunehmen, …“6. Seiner Ansicht nach handele es sich bei dem Schiedsgutachtenvertrag um einen Beweismittelvertrag, der die freie richterliche Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) und die freie Schadensschätzung (§ 287 ZPO) qua Parteivereinbarung einschränke.7 3 Siehe Habscheid, FS Lehmann II, S. 789; ders., FS Laufke, S. 303; ders., FS Kralik, S. 189. 4 Sachse ZZP 54 (1929), 409, 425 ff.; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, S. 122 f.; Bachmann, Der Schiedsgutachter, S. 60 f.; Buchdahl, Die Rechtsnatur der Schiedsgutachterklausel und des Schiedsgutachtens, S. 24 ff. 5 Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 801, 807, 810; so auch Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, vor 1025 ZPO Rn. 16; Brüggemann, Judex statutor und judex investigator, S. 407 f.; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß, S. 252, 255 ff.; Heinrich, Das Sachverständigenverfahren im Privatversicherungsrecht, S. 64 ff.; Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 100 ff.; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 8; Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 99 ff.; Sieg, VersR 1965, 629, 631; Straatmann, FS Stödter, S. 109, 116 f.; Walter, JZ 1988, 1083 f.; ders., ZZP 103 (1990), 141, 152 f.; grundsätzlich auch Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn. 30, siehe aber auch Rn. 31. 6 Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 801. 7 Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 803, 811; so auch Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, S. 122 Fn. 71 und Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, S. 89, der seine Lehre allerdings weiterentwickelte, siehe Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 30 Fn. 247.
A. Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung
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Seine Ansicht stützt Habscheid auf eine Formulierung des Reichsgerichts zum Schiedsgutachten.8 Da heißt es: „Gemeinsam mit dem in § 317 ff. BGB behandelten Fall ist allen diesen Schiedsgutachterbestellungen (…) ein Wille der Parteien dahin, daß das Ergebnis der Prüfung des Sachverständigen maßgebend und einer weiteren Feststellung durch andere Beweismittel entzogen sein solle, daß es als eine Tatsache, die nach ihrer Klarstellung im Parteiverständnis beruht, anzuerkennen sei“.9 Von der herrschenden Meinung sogenannte Schiedsgutachten im weiteren Sinne, das heißt rechtsbegründende und rechtsabändernde Schiedsgutachten sollen aber auch nach der prozessrechtlichen Theorie eine materiell-rechtliche Bindungswirkung entfalten.10 Die dogmatische Konstruktion des Schiedsgutachtens im engeren Sinne ist innerhalb der prozessrechtlichen Theorie aber uneinheitlich. Nach anderer Meinung innerhalb der prozessrechtlichen Theorie ist in dem Schiedsgutachtenvertrag lediglich eine Beschränkung der Beweismittel auf das Schiedsgutachten zu sehen.11 Eine weitere Literaturmeinung erblickt in jüngerer Zeit im Schiedsgutachtenvertrag für Schiedsgutachten im engeren Sinne eine Kombination aus Beweiserhebungs- und Beweiswürdigungsvertrag.12 Demnach sollen die Parteien, Richter und gegebenenfalls Schiedsrichter inhaltlich an das einzig zugelassene Beweismittel des Schiedsgutachtens gebunden sein.13 Eine wiederum weitere Meinung in der Literatur meint dagegen, dass die durch das Schiedsgutachten im engeren Sinne festgestellten Tatsachen der richterlichen Beweiswürdigung und dem Streit der Parteien entzogen seien.14 Der Schiedsgutachtervertrag verpflichte die Parteien über die festgestellten Tatsachen nicht mehr zu streiten, eine unbestrittene Tatsache sei aber gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen.15 Hielte sich eine Partei nicht an die Vereinbarung, bliebe ihr Bestreiten unbeachtlich.16 Ist die dogmatische Begründung der Wirkung des Schiedsgutachtens im engeren Sinne im Prozess innerhalb der prozessrechtlichen Theorie noch strittig, sind die vorgebrachten Argumente, die die prozessrechtliche Bindungswirkung des 8 Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 804, auch schon Bachmann, Der Schiedsgutachter, S. 60. 9 RG, Urt. v. 23. 5. 1919 – II 22/10, RGZ 96, 57, 61. 10 Statt aller Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 798; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn. 29; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß, S. 252; Walter, ZZP 103 (1990), 153. 11 Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß, S. 248 ff. 12 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn. 30. 13 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn. 30. 14 Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 116. 15 Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 116. 16 Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 116.
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
Schiedsgutachtens belegen sollen, kongruent. Zur Abstützung der prozessrechtlichen Theorie wird vorgebracht, dass die Feststellung von Tatsachen nicht materiellrechtlich erfolgen könne, sondern nur prozessual.17 Auch wird von den prozessrechtlichen Vertretern mit Gesichtspunkten der Fälligkeit argumentiert. Die prozessrechtliche Qualifikation wird unter anderem auch damit begründet, dass die Fälligkeit bei einer materiell-rechtlichen Deutung der Schiedsgutachten im engeren Sinne erst bei Abgabe des Gutachtens eintreten würde, bei einer prozessrechtlichen hingegen sofort bei Entstehung des Anspruchs.18 Dies wirke sich unter anderem auf den Verzug und damit auf die Verzinsung des Anspruchs aus.19 Die prozessrechtliche Qualifikation hat aber vor allem das Ziel die Einhaltung eines Mindestmaßes an Verfahrensgrundsätzen bei der Durchführung eines schiedsgutachterlichen Verfahrens zu gewährleisten. Eine Meinung in der Literatur verweist dazu auf die von der Verfassung gewährte Lückenlosigkeit des gerichtlichen Privatrechtsschutzes, der durch das Schiedsgutachten nicht unterlaufen werden dürfe.20 Von manchen Vertretern der prozessrechtlichen Theorie wird auf die Ähnlichkeit des Schiedsgutachtens mit dem schiedsgerichtlichen Verfahren hingewiesen21, um so eine teilweise analoge Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO auf das Schiedsgutachten zu begründen.22 Die auf die Endgültigkeit und Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs zugeschnittenen Normen sollen nach verbreiteter Meinung allerdings ausgeschlossen sein.23 Daneben wird aber, dies sei hier noch kurz erwähnt, vereinzelt auch für eine analoge Anwendung der §§ 317 ff. BGB plädiert.24
II. Materiell-rechtliche Theorie Die vorherrschende Auffassung aus Rechtsprechung25 und Literatur26 qualifiziert das Schiedsgutachten dagegen materiell-rechtlich, weil es eine lediglich vertragliche 17
Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 807 f. Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 805; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn. 30; Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 102 f. 19 Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 802. 20 Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz, 250 ff., zustimmend Habscheid, FS Laufke, S. 303, 305 f. 21 Habscheid nennt den Schiedsgutachter einen „kleinen Schiedsrichter“ und das Schiedsgutachtenverfahren ein „kleines Schiedsverfahren“, FS Laufke, S. 303, 314, 317. 22 Rauscher, Das Schiedsgutachtenrecht, S. 159 ff.; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 13; Sieg, VersR 1965, 629, 631 f.; Walter ZZP 103 (1990), 141, 154; Habscheid, FS Laufke, S. 303, 315; Jonas/Stein/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn. 32 ff.; Kornblum, Probleme der Schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 102. 23 Siehe etwa Jonas/Stein/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn. 32; Sieg, VersR 1965, 629, 631. 24 Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 102; ders., ZHR 136 (1972), 1, 13. 25 Etwa BGH, Beschl. v. 18. 12. 2013 – IV ZR 207/13, ZEV 2014, 311, 312; BGH, Urt. v. 18. 2. 1955 – V ZR 110/53, NJW 1955, 665; BGH, Urt. v. 20. 3. 1953 – V ZR 5/52, NJW 1953, 18
A. Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung
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Bindungswirkung entfalte. Bei dem Schiedsgutachten soll es sich nach herrschender Meinung um einen Feststellungsvertrag handeln, da es geeignet ist, Streit oder Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis zu beenden.27
III. Diskurs des Meinungsstands und Streitentscheid 1. Begrenzung der freien richterlichen Beweiswürdigung Vertreter der prozessrechtlichen Theorie vertreten die Meinung, das Schiedsgutachten begrenze den Richter in seiner Beweiswürdigung auf die im Schiedsgutachten getroffenen Bestimmungen. Der Richter ist zwar gezwungen bei seiner Beweiswürdigung die Natur- und allgemeine Erfahrungssätze zu beachten,28 dem Kern des Rechts der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1 ZPO) wird hingegen von der herrschenden Meinung ein zwingender Charakter zugesprochen, über welches in der Folge durch einen Prozessvertrag nicht verfügt werden kann.29 Dagegen wird von Vertretern der prozessrechtlichen Theorie argumentiert, dass der Grundsatz der Verhandlungsmaxime das Beweiswürdigungsrecht des Richters überwiege und daher zurückdränge.30 Nach der überwiegenden Literaturmeinung dagegen sind die Parteien zwar befugt dem Prozess bestimmte Beweismittel durch Vereinbarung zu entziehen und allein auf das Schiedsgutachten zu beschränken, der Richter ist dann aber nicht 825, 826; BGH Urt. v. 25. 6. 1952 – II ZR 104/51, BGHZ 6, 335, 339 f.; RG, Urt. v. 21. 8. 1936 – II 154/36, RGZ 152, 201, 204; wohl auch schon ROHG, Urteil v. 20. 6. 1871 – 286/71, ROHGE 3, 74, 75. 26 Weismann, AcP 72 (1888), 269, 312; Blomeyer, Zivilprozessrecht, § 71 II, S. 359; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 IV, S. 300; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 663; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 67; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 94 f.; Kisch, Der Schiedsmann im Versicherungsrecht, S. 105; Wangner, Der Schiedsgutachter, S. 32 f.; Arntz, Eskalationsklauseln, S. 102 f.; Jonas, JW 1937, 221; Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 22; MüKo/Würdinger, § 317 BGB Rn. 40; Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rn. 4; Prölss/Martin/Voit, § 84 VVG Rn. 17; wohl auch Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1025 ZPO Rn. 60; Gleiss/Bechthold, BB 1973, 868, 872; für eine materiell-rechtliche, als auch eine prozessrechtliche Wirkung Bruck/Möller/Johannsen, § 84 VVG Rn. 15. 27 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 663; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 71 ff.; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 67; Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 22; MüKo/Würdinger, § 317 BGB Rn. 40; siehe auch Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 IV, S. 300. 28 MüKo/Prütting, § 286 ZPO Rn. 14; Wieczorek/Schütze/Ahrens, § 286 ZPO Rn. 3, 39. 29 RG, Urt. v. 23. 5. 1919 – II 22/19, RGZ 96, 57, 59; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 113 Rn. 9; Wieczorek/Schütze/Ahrens, § 286 Rn. 46; Stein/Jonas/Leipold, § 286 Rn. 31, 210; MüKo/Prütting, § 286 ZPO Rn. 165; a.A. G. Wagner, Prozeßverträge, S. 692 ff. 30 Rauscher, Das Schiedsgutachtenrecht, S. 137 ff., zustimmend Heinrich, Das Sachverständigenverfahren im Privatversicherungsrecht, S. 69.
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
verpflichtet dessen Inhalt im vollen Umfang zu beachten.31 Ist der Richter aber nicht verpflichtet dem Inhalt des Schiedsgutachtens in vollem Umfang Glauben zu schenken, kann keine lückenlose Bindungswirkung des Schiedsgutachtens eintreten, weil der Richter berechtigt ist vom Inhalt des Schiedsgutachtens abzuweichen.32 Der zuletzt genannten überwiegenden Literaturmeinung ist zuzustimmen, weil ein Eingriff in die freie Beweiswürdigung des Richters Ausdruck eines Misstrauens gegen die richterliche Vernunft wäre und dem Richter das Recht und die Fähigkeit, nach eigener Überzeugung eine Behauptung als wahr oder unwahr zu erachten, nehmen würde.33 Dies gefährdete eine funktionierende Rechtsprechung und Rechtspflege, weswegen die freie richterliche Beweiswürdigung nur für die im Gesetz vorgesehenen Fälle ausgeschlossen ist (§ 286 Abs. 2 ZPO). Im Ergebnis kann die prozessuale Ansicht die Bindungswirkung des Schiedsgutachtens nicht lückenlos erklären. 2. Verbot materiell-rechtlicher Tatsachenfeststellungen Die von Vertretern der prozessrechtlichen Theorie vertretene Auffassung, dass eine materiell-rechtliche Tatsachenfeststellung nicht möglich sei, entbehrt einer fundierten Grundlage.34 Allein aus dem Grundsatz der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit ist es den Parteien ohne weiteres möglich ihren Vertrag um eine einfache Feststellung zu ergänzen. Auch scheint der Gesetzgeber dies so zu sehen, sonst hätte er den hauptsächlich auf Tatsachen feststellenden zielenden § 84 VVG wohl in einer prozessrechtlichen Regelung integriert oder ausgestaltet.35 Es leuchtet nicht ein, warum sich die Parteien auf bestimmte Tatsachen nur prozessual und nicht materiell-rechtlich einigen können sollen.36 Eine solche Auffassung würde im Ergebnis zu einer erheblichen Einschränkung der Parteien bei der Ausgestaltung ihrer außergerichtlichen Streitbeilegung führen, denn auch die Tatsachenfeststellung soll in der Regel dazu dienen einen darauf beruhenden materiell-rechtlichen Anspruch festzustellen. Die Tatsachenfeststellung steht demnach nur am Anfang einer Kette von in Streit stehenden Punkten. Es mutete seltsam an, wenn man die Tatsachenfeststellungen als einziges Glied dieser Kette nun nur als prozessual wirksam be-
31 Vgl. MüKo/Prütting, § 286 ZPO Rn. 164 f.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grdz § 128 Rn. 49. 32 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 55. 33 Vgl. Musielak/Voit/Foerste, § 286 Rn. 1; Walter, Freie Beweiswürdigung, S. 85. 34 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 663; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 77 ff. 35 Vgl. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 86. 36 Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 78.
A. Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung
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trachten würde. Auch der BGH geht ohne weiteres davon aus, dass ein materiellrechtlicher Vertrag über Tatsachen möglich sei.37 Im Übrigen wird die Frage, ob eine Tatsachenfeststellung materiell-rechtlich möglich ist, meistens unerheblich sein. Der Dritte wird in vielen Fällen nämlich nicht nur eine Tatsache feststellen, sondern, jedenfalls nach der materiell-rechtlichen Theorie, sogleich einen neuen materiell-rechtlichen Anspruch begründen, abändern oder bestätigen. Die dahinterliegenden ungewissen Tatsachen oder die streitige Rechtslage werden für die Parteien durch die Entscheidung des Dritten beseitigt und damit zunächst irrelevant. Soll der Dritte etwa den „ortsüblichen“ Mietpreis neu bestimmten, legt er einfach sogleich den seiner Meinung nach orstüblichen Mietpreis fest.38 Ist zwischen den Parteien der Unternehmenswert streitig, legt der Dritte sogleich den Wert des Unternehmens fest. Es werden somit gar keine Tatsachen festgestellt, sondern es wird unmittelbar ein neuer materiell-rechtlicher Anspruch begründet, abgeändert oder bestätigt. Die von dem Dritten dem Anspruch zu Grunde gelegten Tatsachen werden dann erst bei der Frage der Überprüfung der Entscheidung auf offenbare Unbilligkeit (§ 319 Abs. 1 BGB) wieder relevant.
3. Verzögerte Fälligkeit des Anspruchs Die von Vertretern der prozessrechtlichen Theorie geäußerte Ansicht, dass die Fälligkeit und damit der Verzug und die Anspruchsverzinsung bei materiell-rechtlicher Betrachtungsweise erst eintrete wenn das Schiedsgutachten vorliege, wurde vom BGH auch in jüngerer Rechtsprechung bestätigt, indem er in einer Schiedsgutachtenvereinbarung gleichzeitig eine Leistungszeitbestimmung im Sinne von § 271 BGB sieht, die die Fälligkeit bis zur Vorlage des Gutachtens aufschiebe.39 Auch sieht das § 14 Abs. 1 VVG für das Versicherungsrecht so vor. Bei Ersatzvornahme des Schiedsgutachtens durch das Gericht wird der Anspruch nach Rechtsprechung des BGH erst mit Rechtskraft des Gerichtsurteils fällig.40 Die Folge der verzögerten Fälligkeit lässt sich aber abwenden, wenn die Parteien statt eines Aufschubs der Fälligkeit einen prozessualen Klageverzicht vereinbaren würden,41 dann stünde der Fälligkeit des Anspruchs grundsätzlich nichts entgegen.42 Die Fälligkeit kann allerdings nur eintreten, wenn der Anspruch vor Erstellung des Schiedsgutachtens schon bestand. Die Frage einer Fälligkeitsverzögerung stellt sich folglich nicht für rechtsbegründende Schiedsgutachten. Das Problem der Fälligkeit 37 Vgl. BGH, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493; siehe auch schon RG, Urt. v. 23. 5. 1919 – II 22/10, RGZ 96, 57, 59. 38 Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 81 f. 39 BGH, Urteil v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493. 40 BGH, Urteil v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493. 41 Siehe dazu unter § 2 D. 42 Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 88; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 663 f.; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 IV 10, S. 305.
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
hängt im Einzelfall demnach auch von der Wirkung der Entscheidung des Dritten und den Vereinbarungen der Parteien ab und kann in der von den prozessrechtlichen Vertretern vorgebrachten Pauschalität nicht beantwortet werden. Im Übrigen kann je nach Einzelfall schon fraglich sein, ob überhaupt die weiteren Voraussetzungen für den Verzug vorliegen, denn erst dann würde die Fälligkeit zu einer Verzinsung des Anspruchs führen. Teilweise wird dies für die überwiegenden Fälle bezweifelt.43 Bei alleiniger Einbeziehung der Rechtsprechung, trifft das vorgebrachte Argument der prozessrechtlichen Theorie bezüglich der Fälligkeit aber zu. Für Drittleistungsbestimmungen, die in direkter Anwendung der §§ 317 ff. BGB konstitutiv wirken, muss dies zwangsläufig auch so sein, weil der Anspruch erst mit der Entscheidung des Dritten entsteht.44 Zu bedenken ist aber, dass Vertragsarbitrageverfahren und damit auch Schiedsgutachtenverfahren in der Regel auf eine schnelle Streiterledigung ausgelegt sind. Das Problem der Fälligkeit und der Verzugszinsen soll somit vom Verfahrensaufbau ein kleines bleiben. 4. Analoge Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO Die Vertreter der prozessrechtlichen Theorie liegen nicht richtig, wenn sie aus einer angeblich prozessualen Wirkung des Schiedsgutachtens oder der Ähnlichkeit mit dem Schiedsverfahren die analoge Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO herzuleiten glauben. Aus einer prozessvertraglichen Qualifikation der Schiedsgutachtenvereinbarung folgt nicht ohne Weiteres die analoge Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO.45 Voraussetzung für eine Analogie ist es unter anderem, dass die Sachverhalte vergleichbar sind. Die der Analogie zugrunde liegende Annahme der prozessrechtlichen Theorie, dass das Schiedsgutachtenverfahren ein „kleines Schiedsverfahren“ sei,46 weil der Schiedsgutachter rechtsprechende Funktionen ausübe,47 trifft nicht zu. Der Schiedsgutachter entscheidet nicht anstelle eines Schiedsrichters, sondern anstelle der Parteien.48 Er erlässt kein mit § 1055 ZPO vergleichbares, weil nicht rechtskräftiges, Urteil, sondern eine schuldrechtlich bindende Entscheidung. Die Wirkungen von Schiedsurteil und Schiedsgutachten unterscheiden sich entschieden, sodass einem Analogieschluss nicht pauschal gefolgt werden kann. Die Frage der Analogie von Normen des Schiedsrechts auf das Schiedsgutachten oder die Vertragsarbitrage kann nur an Hand von Einzelproblemen erfolgen, nicht dagegen an Hand der Qualifikation des Schiedsgutachtenvertrags als materiell- oder prozessrechtlich wirkende Vereinbarung. 43
Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 89. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 88. 45 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 662. 46 Habscheid, FS Laufke, S. 303, 314, 317. 47 Habscheid, FS Kralik, S. 189, 201. 48 So auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 94, siehe auch S. 437 ff. 44
A. Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung
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Das von der prozessualen Theorie verfolgte Ziel, das Schiedsgutachten mit den gleichen rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien wie ein Schiedsverfahren im Wege der Analogie der Schiedsnormen auszustatten,49 erscheint unter einem weiteren Aspekt zweifelhaft. Stellte man das Schiedsgutachterverfahren mit dem Schiedsverfahren gleich, entfielen die Vorteile, die das Schiedsgutachten gegenüber dem Schiedsverfahren hat, nämlich, dass es schneller und bezüglich der Verfahrensregeln flexibler einsetzbar ist. Die Praxis benötigt indes kein zweites Schiedsverfahren, sondern ein ungleich flexibleres, schnelleres Verfahren. 5. Argumente aus Sicht der Konstruktion einer Vertragsarbitrage Die Diskussion um die Bindungswirkung des Schiedsgutachtens hat mit der Bildung des Rechtsinstituts der Vertragsarbitrage an Relevanz eingebüßt, weil die Vertragsarbitrage allein auf der Privatautonomie und der von ihr erlaubten Delegation der Privatautonomie auf Dritte beruht. Einzig die hier widersprochene These, dass Tatsachenfeststellungen nicht materiell-rechtlich erfolgen dürften, hätte das Konstrukt einer lediglich schuldrechtlich bindenden Vertragsarbitrageentscheidung partiell erschüttern können.50 Mit Blick auf die Vertragsarbitrage und der in ihr zusammengefassten Institute ist außerdem hinzuzufügen, dass die prozessuale Ansicht die vorläufig bindenden Sprüche, wie sie etwa die FIDIC, die DIS und die ICC- Regeln vorsehen, rechtstechnisch nicht zu erklären vermag.51 Wäre die Entscheidung des Adjudikators lediglich ein im Prozess einzubringender Beweis, müsste dieser Entscheidung bei Widerspruch nicht Folge geleistet werden, da sie ihre Wirkung, wenn überhaupt, nur und erst im Prozess entfalten würde. Die Adjudikation könnte nach der prozessrechtlichen Theorie nur so gestaltet werden, dass die Entscheidung nach Widerspruch keine Bedeutung mehr für die Parteien hat und der Streit abschließend vor einem Gericht oder Schiedsgericht ausgetragen werden soll. Ein Verstoß gegen die Entscheidung bliebe dann aber ohne Folgen. Auf die Entscheidung des Obmanns selbst könnten sich die Parteien bei dem Verfahren vor dem Gericht oder Schiedsgericht aber auf Grund des Widerspruchs nicht stützen. Sinn und Zweck der Adjudikation ist es aber, dass der Entscheidung des Dritten bis zur abschließenden Entscheidung eines Gerichts oder Schiedsgerichts befolgt wird, weil dies dem der Adjudikation zu Grunde liegenden Vertragsverhältnis dient. Liegt der Adjudikation zum Beispiel ein Bauvertrag zu Grunde, kommt es auf Grund der vorläufigen, aber sofortigen Bindungswirkung der Adjudikation und der damit verbundenen Pflicht, der Entscheidung sofort Folge zu leisten, seltener zu Bauverzögerungen. Die ma49
Siehe etwa Jonas/Stein/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn. 34. Siehe dazu oben unter 2. Kapitel A. III. 2. 51 So wohl auch Straatmann, FS Stödter, S. 109, 117 in Fn. 15 und Greger/Stubbe, Schiedsgutachten, Rn. 194. 50
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
teriell-rechtliche Ansicht lässt auf Grundlage der Vertragsfreiheit also ungleich flexiblere Regelungen der Parteien zur zeitlichen Bindungswirkung zu. 6. Zwischenergebnis Aus alledem folgt, dass das Schiedsgutachten stets eine schuldrechtlich bindende Wirkung entfaltet und der materiell-rechtlichen Theorie der Vorzug zu geben ist. Dies gilt auch für die Vertragsarbitrage insgesamt. Nicht auszuschließen ist dagegen, dass es solche von der prozessualen Lehre vertretenen prozessrechtlich wirkenden Verträge über Beweismittel oder Geständnisverträge gibt.52 Zweitens ist auch nicht auszuschließen, dass die Vertragsarbitragevereinbarung prozessvertragliche Teilelemente beinhaltet. Davon zu trennen ist aber die Vertragsarbitrageentscheidung. Diese entfaltet stets eine schuldrechtlich bindende Wirkung. Als materiell-rechtlich, prozessrechtlich oder prozessvertraglich zu qualifizieren ist demnach nicht das Rechtsinstitut der Vertragsarbitrage an sich, sondern immer nur die einzelne Sachfrage. Dabei ist aber die Gesamtstruktur der Vertragsarbitrage zu beachten und so hat die Qualifizierung der Bindungswirkung als schuldrechtlich eine Präjudizwirkung im Hinblick auf die die Bindungswirkung umgebenen Rechtsfragen.
IV. Dogmatische Funktionsweise der Vertragsarbitrage Mit der Frage der Bindungswirkung und der Bezeichnung der materiell-rechtlichen Meinung des Schiedsgutachtenvertrags als Feststellungsvertrag53 rückt noch einmal die dogmatische Funktionsweise der Vertragsarbitrage in den Mittelpunkt. Die Bezeichnung Feststellungsvertrag ist als Zweckkategorie zu begreifen, die Verträge meint, die den Zweck haben Streit oder Ungewissheit über ein anderes Rechtsverhältnis zu beseitigen und deren Rechtsbeziehungen zu ordnen.54 Diese Bezeichnung des Feststellungsvertrags bezieht die Vertragsarbitrage, aber auch den Vergleich55 und das kausale Schuldanerkenntnis56 mit ein. Weil die Vertragsarbitrage dem Vergleich und dem Schiedsvertrag nahe steht, wurde die Vertragsarbitrageklausel als eine Vereinbarung definiert, mit der sich die Parteien verpflichten einen bestehenden oder zukünftigen Streit, eine Ungewissheit oder Unbestimmtheit in 52
Vgl. G. Wagner, Prozeßverträge, S. 665; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 96. 53 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 663; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 67; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 71 ff.; Staudinger/Rieble, § 317 Rn. 22; MüKo/Würdinger, § 317 BGB Rn. 40; siehe auch Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 IV, S. 300. 54 Bork, Der Vergleich, S. 98. 55 Kohler klassifizierte das Schiedsgutachten als einen Vergleich, Gesammelte Beiträge S. 245, siehe aber auch S. 264 ff. 56 Bachmann sah im Schiedsgutachten ein Schuldanerkenntnis, Der Schiedsgutachter, S. 46 f.
A. Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung
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Bezug auf ein anderes Rechtsverhältnis einer schuldrechtlich bindenden Entscheidung eines Dritten zu unterwerfen.57 Die Bezeichnung der Vertragsarbitrage als Feststellungsvertrag gibt einen Hinweis darauf, welchen Inhalt und Wirkung eine Vertragsarbitrageentscheidung haben kann. Die Wirkungen entsprechen denen des Vergleichs. Denkbar sind also rechtsbegründende,58 rechtsändernde, rechtsergänzende, aber auch rechtsvernichtende und lediglich deklaratorisch wirkende Entscheidungen des Dritten.59 Außerdem sind drei Grundkonstellationen zu unterscheiden. Zum einen können die Dritten beauftragt sein den Hauptvertrag rechtsbegründend zu ergänzen, etwa wenn die Parteien den Kaufpreis einer Sache offen gelassen haben. Zum anderen ist denkbar, dass sie durch ihren Entscheid neben dem Hauptrechtsverhältnis ein zweites vertragliches Rechtsverhältnis begründen. Dies erscheint vor allem dort unvermeidbar, wo die Parteien bereits durch ein gesetzliches Schuldverhältnis miteinander verbunden sind, welches sie durch die Vertragsarbitrage einer Klärung unterziehen wollen. Auf die beiden zuerst genannten Konstellationen finden die §§ 317 ff. BGB direkte Anwendung. Drittens sind Entscheidungen denkbar, die das bereits bestehende Rechtsverhältnis verändern, ergänzen, zum Erlöschen bringen oder lediglich bestätigen.60 Die §§ 317 ff. BGB sind in diesen Fällen nur analog anwendbar. Eine pauschale Bestimmung, welche der genannten Konstellationen vorliegt, gibt es nicht.61 Die Zuordnung erfolgt nach dem Willen der Parteien, der tatsächlichen Entscheidung des Dritten und dem verfolgten Vertragszweck. Dies kann sich dann wiederum auf Fragen, wie die Fälligkeit und die Verjährungsfristen, auswirken.62 Dabei bleiben Einwendungen und Einreden aus dem ursprünglichen Rechtsverhältnis grundsätzlich bestehen, soweit keine Umgestaltung durch den Entscheid des Dritten erfolgte.63 Als Beispiel dient eine Qualitätsarbitrage, bei der es um die Vertragsgemäßheit der Ware geht. Die Entscheidung des Obmanns, dass die Ware entgegen der Meinung des Gläubigers der vereinbarten Qualität entspricht, hat eine lediglich deklaratori57
Siehe oben unter 1. Kapitel B. V. 4. Ein Feststellungsvertrag kann nach herrschender Meinung konstitutive Wirkung haben, siehe z. B. BGH, Urt. v. 5. 12. 1979 – IV ZR 107/78, NJW 1980, 1158; BGH, Urt. v. 24. 3. 1976 – IV ZR 222/74, BGHZ 66, 250, 253 f.; Staudinger/Marburger, § 781 BGB Rn. 11; MüKo/ Habersack, § 781 BGB Rn. 5; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 32 f.; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 81 (m.w.N. in Fn. 372). 59 Vgl. zum Vergleich BeckOK/Fischer, § 779 BGB Rn. 19. 60 Auch festellende Entscheidungen gestalten potentiell die tatsächliche Rechtslage um, einzig die rein bestätigen Entscheidungen nehmen keine Änderung dieser vor, siehe Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 81 f.; a.A. Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 64, 67. 61 So auch zum Vergleich Bork, Der Vergleich, S. 99, 139. 62 Siehe dazu zum materiell-rechtlichen Vergleich Palandt/Sprau, § 779 BGB Rn. 11. 63 Vgl. zum Vergleich Staudinger/Marburger, § 779 BGB Rn. 38; Müko/Habsersack, § 779 BGB Rn. 33. 58
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
sche Wirkung der Vertragserfüllung. Hatte der Schuldner pünktlich geliefert, ist zu diesem Zeitpunkt der Lieferung die Erfüllung eingetreten. Hatte der Gläubiger in dem Glauben der Mangelhaftigkeit der Ware nicht gezahlt, befindet er sich bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen seitdem mit der Kaufpreiszahlung unter Umständen in Verzug.64 Gibt der Dritte dagegen dem Gläubiger Recht, hat eine solche Entscheidung häufig die Reduzierung des Kaufpreises zur Folge.65 Bei einer Kaufpreisreduktion wird der bestehende Vertrag der Parteien modifiziert. Gleichzeitig ist dann anzunehmen, dass der modifizierte Anspruch der Kaufpreiszahlung sowie der Anspruch auf Lieferung der Ware einer minderen Qualität frühestens mit Abgabe des Entscheids fällig werden.
B. Grenzen der Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung Gemäß § 319 Abs. 1 BGB ist eine offenbar unbillige Entscheidung nicht verbindlich. Dies zeigt, dass die Bindungswirkung der Entscheidung gewissen Grenzen unterliegt, die näher zu untersuchen sind. Die vom Obmann getroffene Entscheidung ist zwar oft eine endgültige, aber in jedem Fall keine vollstreckbare. Die Entscheidung kann gleichwohl nur vorläufig oder aufschiebend bindend sein, weshalb die Untersuchung nach den Grenzen der Bindungswirkung bei der Frage nach dem Zeitpunkt der Bindungswirkung ansetzt (I.) Im Fall der Bestimmung nach billigem Ermessen ist die Entscheidung des Dritten gemäß § 319 Abs. 1 BGB noch gerichtlich auf offenbare Unbilligkeit überprüfbar. Demnach ist eine inhaltliche, also materiell-rechtliche Überprüfung vom Gesetz für die Fälle der Drittleistungsbestimmung vorgesehen. Klärungsbedürftig sind folglich die dem Dritten zur Verfügung stehenden Entscheidungsmaßstäbe und die Überprüfungsmaßstäbe des Gerichts (II.). In den Zusammenhang der Grenzen der Bindungswirkung gehören weiterhin die Fragen nach den Kompetenzen des Dritten (III.) und, ob der Dritte seine Entscheidung zu begründen hat (IV.). Zu diskutieren ist schließlich, ob der Dritte verpflichtet ist gewisse Verfahrensgrundsätze einzuhalten und wenn ja, worauf dies zu begründen ist (V.).
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Dies allerdings nur, wenn man nicht wie der BGH in der Vereinbarung einer Drittbestimmung auch einen Aufschub der Fälligkeit sieht, siehe BGH, Urteil v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/ 12, NJW-RR 2014, 492, 493 und unten unter 2. Kapitel D. 65 Siehe etwa § 40 der Bedingungen der Bremer Baumwollbörse, Stand 27. 6. 2013.
B. Grenzen der Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung
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I. Zeitpunkt der Bindungswirkung Die Parteien können im privatautonomen Wege die Wirkung der Entscheidung des Dritten unter eine aufschiebende oder auflösende Bedingung eines Widerspruchs stellen (§ 158 BGB).66 In Adjudikations-Verfahren steht die grundsätzlich sofort bindende Entscheidung des Dritten unter der Bedingung, dass keine der Parteien der Entscheidung innerhalb einer bestimmten Zeit widerspricht und ein Schiedsgericht daraufhin eine neue Entscheidung erlässt. Bis zum Zeitpunkt einer abändernden schiedsrichterlichen Entscheidung sind beide Parteien aber verpflichtet, der Entscheidung des Dritten in vollem Umfang Folge zu leisten.67 Damit steht die Entscheidung des Dritten unter einer auflösenden Bedingung gemäß § 158 Abs. 2 BGB.68 Es handelt sich um sogenannte vorläufig bindende Entscheidungen.69 Genauso ist eine Parteivereinbarung möglich, die bestimmt, dass der Entscheidung des Dritten erst dann Folge geleistet werden muss, wenn keine der Parteien innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht.70 Die Bindungswirkung tritt erst nach Fristende ein. Eine solche Entscheidung wird als eine aufschiebend bedingte Entscheidung bezeichnet.71 Wird der Entscheidung des Dritten widersprochen, hat in der Regel ein Schiedsgericht über den Streit zu entscheiden. Die Entscheidung steht unter der aufschiebenden Bedingung eines Widerspruchs einer der Parteien gemäß § 158 Abs. 1 BGB.72 Befolgt eine Partei die vorläufig bindende Entscheidung nicht, so stellt dies, wie bei einer sofort bindenden Entscheidung auch, einen Vertragsbruch dar, der Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann. Anders hingegen ist dies bei einer aufschiebend bedingten Entscheidung zu bewerten. Erst wenn die Widerspruchsfrist abgelaufen ist, stellte eine Nichtbefolgung einen Vertragsbruch dar.
66 Siehe dazu Stubbe, in: Böcktstiegel/Berger/Bredow (Hrsg.), Schiedsgutachten versus Schiedsgerichtsbarkeit, S. 75, 79. 67 Siehe z. B. § 22 der DIS-AVO. 68 Ob die Entscheidung endgültig wird, hängt als Bedingung von dem Willen des Schiedsrichters ab. Es liegt folglich eine Potestativbedingung vor, die uneingeschränkt möglich ist. Umstritten ist dagegen, ob die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts auch in das Wollen einer Partei gestellt werden kann (sogenannte Wollensbedingung), siehe Flume, AT II, S. 684 ff.; Müko/Westermann, § 158 BGB Rn. 19 ff. 69 Siehe dazu unter 1. Kapitel B. IV. 70 Vgl. Art. 4 ICC Dispute Board Rules. 71 Greger/Stubbe, Schiedsgutachten, Rn. 53 f. 72 Die Endgültigkeit einer aufschiebend bedingten Entscheidung hängt von dem Willen des Schiedsrichters ab und stellt daher ebenfalls eine stets zulässige Potestativbedingung dar.
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
II. Materielle Entscheidungs- und Überprüfungsmaßstäbe Das Gesetz nennt allein in § 319 BGB drei verschiedene Entscheidungs- und Überprüfungsmaßstäbe: den des billigen Ermessens, den der groben Unbilligkeit und den des freien Beliebens. § 316 Abs. 3 BGB erwähnt außerdem den Maßstab der Billigkeit. Daneben können noch die Maßstäbe der gebundenen Entscheidung und die der Willkür genannt werden. Alle diese Maßstäbe sind zunächst auf ihren Inhalt zu untersuchen (1.) und schließlich sind der Entscheidungs- und der Überprüfungsmaßstab in Beziehung zu setzen (2.). 1. Maßstäbe im Einzelnen Festzuhalten ist zunächst, dass der Dritte nicht befugt ist willkürliche Entscheidungen zu treffen, weil sie sittenwidrig wären.73 Weiterhin zeigen die §§ 317 Abs. 1 und 319 BGB, dass es den Willen der Parteien überlassen ist, nach welchem Maßstab der Dritte entscheiden soll und nach welchem Maßstab das Gericht die Entscheidung zu überprüfen hat. 74 Die privatautonome Vereinbarung der Parteien ist folglich auch bei den Entscheidungs- und Überprüfungsmaßstäben der entscheidende Faktor. a) Freies Belieben Die Parteien können die Entscheidung in das „freie Belieben“ des Dritten stellen.75 Ist dem Dritten eine Entscheidung nach freiem Belieben eingeräumt, ist seine Entscheidungsfreiheit nur durch die allgemeinen Grenzen der Privatautonomie, insbesondere §§ 134, 138 und 242 BGB begrenzt. Somit bildet das freie Belieben die Delegation der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit in unbeschränkter Weise ab,76 denn Wesen der Vertragsfreiheit ist es, dass den Parteien der Inhalt ihres Vertrags freigestellt wird. Die gleiche Freiheit kann sodann der Obmann in Anspruch nehmen, wenn ihm die Parteien eine Entscheidung nach freiem Belieben eingeräumt haben. Da es dem Gericht grundsätzlich untersagt ist an Stelle der Parteien den Vertragsinhalt nach Belieben zu bestimmten77 und der Vertragsinhalt, den die Parteien durch den Dritten bestimmen lassen wollten, dann unbestimmt ist, ordnet § 319 73 RG, Urteil v. 9. 3. 1882 – III 588/81, RGZ 6, 190, 202; Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 379; MüKo/Würdinger, § 319 BGB Rn. 3; mit einer willkürlichen Entscheidung ist eine rechtsmissbräuchliche Entscheidung gemeint, siehe Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 191 (Fn. 264), 642. 74 Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 III, S. 297; Staudinger/Rieble, § 319 BGB Rn. 4; MüKo/Würdinger, § 319 BGB Rn. 3. 75 Siehe zum Beispiel aus der Rechtsprechung OLG Frankfurt, Urt. v. 11. 3. 2005 – 2 U 5/04 (juris); vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 29. 10. 2013 – 18 U 1/13, Rn. 44 (juris). 76 Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung und Vertragsgestaltung durch Dritte, S. 379 f. 77 Staudinger/Rieble, § 319 BGB Rn. 3.
B. Grenzen der Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung
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Abs. 2 BGB die Unwirksamkeit des Vertrags an, wenn der Dritte die Entscheidung nicht treffen konnte oder wollte.78 b) Freies Ermessen Das „freie Ermessen“ ist vom „freien Belieben“ abzugrenzen. Teilweise wird das freie Ermessen mit dem freien Belieben gleichgesetzt79, teilweise wird aber auch vertreten, dass das „freie Ermessen“ dem Entscheidungsbefugten ein Ermessen bis zur Grenze der „offenbaren Unbilligkeit“ einräume.80 Demnach sei das freie Ermessen mit der offenbaren Unbilligkeit gleichzusetzen. Nach Teilen der zuletzt genannten Meinung sind Grenze der Entscheidung nach freiem Ermessen die §§ 134, 138 und 242 BGB.81 Damit unterscheidet sich die Meinung aber ihrem Inhalt nach nicht von der Auffassung, die das freie Ermessen mit dem freien Belieben gleichsetzt. Gleichzeitig ist nach der Meinung, die als einzige Grenze der offenbaren Unbilligkeit die §§ 134, 138, und 242 BGB erblickt, keine deutliche Abgrenzung mehr der offenbaren Unbilligkeit zum freien Belieben möglich. § 319 BGB zeigt aber deutlich, dass es große Unterschiede zwischen dem freien Belieben und der offenbaren Unbilligkeit geben muss. Die besseren Gründe sprechen deshalb dafür das freie Ermessen mit dem freien Belieben gleichzusetzen und die offenbare Unbilligkeit als eigene, klar abgrenzbare Kategorie zu begreifen.82 c) Billiges Ermessen Gemäß § 317 Abs. 1 BGB ist die Leistung im Zweifel nach billigem Ermessen zu bestimmen. Billigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff83, der im deutschen Recht an verschiedenen Stellen auftaucht,84 aber auch im ausländischen Recht verbreitet ist.85 Unter Billigkeit ist nichts anderes als die Gerechtigkeit im Einzelfall zu ver-
78 § 319 Abs. 2 BGB gilt allerdings nur für rechtsbegründende Entscheidungen des Dritten, weil bei rechtsändernden, rechtsergänzenden oder deklatorischen Entscheidungen des Dritten eine Unwirksamkeit des Vertrags im Fall einer nicht getroffenen Entscheidung von den Parteien nicht gewollt sein wird, siehe dazu unter § 1 B. III. 1. c) und § 1 B. VI. 79 v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 44; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 319 f.; als ähnlich wertend Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 380. 80 Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 II 4, S. 285; MüKo/Würdinger, § 315 BGB Rn. 32; zweideutig BeckOK/Gehrlein, § 315 BGB Rn. 5. 81 MüKo/Würdinger, § 315 BGB Rn. 32. 82 Vgl. v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 38; Staudinger/Rieble, § 315 BGB, Rn. 320, siehe auch Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 380. 83 Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 117. 84 Siehe dazu Schellhase, Gesetzliche Rechte zur einseitigen Vertragsgestaltung, S. 215; MüKo/Münch, § 1051 ZPO Rn. 45. 85 Siehe etwa Art. 1478 C. proc. civ. und Schulze, FS Kaissis, S. 875, 877.
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
stehen.86 Sie verpflichtet den Entscheidungsberechtigten genau abzuwägen und alle für den Einzelfall relevanten Tatsachen und Interessen zu berücksichtigen.87 Dabei ist insbesondere der Vertrag der Parteien zu beachten und deren Wille weiterzudenken.88 Gleichzeitig, und das ist das erstaunliche und auch wesentliche Element der Billigkeit, entbindet sie von der Pflicht der strikten Rechtsanwendung.89 Strittig ist, ob es bei einer Entscheidung nach Billigkeit nur eine einzige richtige Entscheidung geben kann, was an verschiedener Stelle vertreten wird,90 oder ob der Entscheidungsmaßstab der Billigkeit dem Dritten einen gewissen Spielraum einräumt.91 Letztere Auffassung ist vorzuziehen. Denn den Vertretern dieser Auffassung ist darin zuzustimmen, dass es die eine richtige billige Entscheidung gar nicht geben kann und eine solche Forderung daher unrealistisch und praxisuntauglich erscheint.92 „Ermessen“ bedeutet dagegen unzweifelhaft, dass dem Dritten bei seiner Entscheidung ein gewisser Entscheidungsspielraum zugestanden wird.93 Gemäß § 315 Abs. 3 BGB ist die nach billigem Ermessen getroffene Entscheidung nicht verbindlich, wenn sie nicht der Billigkeit entspricht. Anzunehmen ist, dass der in § 315 BGB angeführte Entscheidungsmaßstab des „billigen Ermessen“ und der Überprüfungsmaßstab der „Billigkeit“ deckungsgleich ist.94 Da die Billigkeit nach der hier vertretenen Meinung schon einen gewissen Spielraum bei der Entscheidung gewährt, ist das zugestandene Ermessen eher als Bekräftigung zu sehen, dass ein solcher Raum besteht, der vom Gericht nicht überprüfbar ist. Dass das Gericht eine
86 BGH, Urt. v. 19. 1. 2001 – V ZR 217/00, NJW 2001, 1930; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 18 m.w.N.; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn 305. 87 BGH, Urt. v. 19. 1. 2001 – V ZR 217/00, NJW 2001, 1930; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn 306 f., siehe auch Kronke, AcP (183) 1983, 113, 140 f. 88 Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn 125. 89 Schulze, FS Kaissis, S. 875, 876; Schellhase, Gesetzliche Rechte zur einseitigen Vertragsgestaltung, S. 219. 90 Z. B. Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 460 ff.; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 41 ff.; Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705 ff.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessensausgleich, S. 185; MüKo/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29. 91 Etwa Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 386; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 69; Larenz, Schuldrecht I, § 6 II a, S. 81; Schellhase, Gesetzliche Rechte zur einseitigen Vertragsgestaltung, S. 218 f.; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 302. 92 Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 386. 93 Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705 ff.; Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 458 f.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessensausgleich, S. 185; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn 117; MüKo/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29. 94 Schellhase, Gesetzliche Rechte zur einseitigen Vertragsgestaltung, S. 221; v. HoyningenHuene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 43; a.A. MüKo/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29.
B. Grenzen der Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung
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andere Entscheidung getroffen hätte, heißt also nicht, dass die getroffene Entscheidung unbillig ist.95 d) Offenbare Unbilligkeit § 319 Abs. 1 BGB verkürzt den Überprüfungsmaßstab des Gerichts im Vergleich zum billigen Ermessen noch einmal, indem er bestimmt, dass die getroffene Bestimmung für die Vertragsschließenden nicht verbindlich ist, wenn sie offenbar unbillig ist.96 „Offenbar“ kann nun verstanden werden als ein Hinweis auf die leichte Erkennbarkeit der Unbilligkeit oder als besonders starke Abweichung von einem billigen Urteil.97 Eine Entscheidung ist nach dem BGH offenbar unbillig, „wenn sie den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und wenn sich ihre Unrichtigkeit dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängen muß.“98 Nach einer Meinung ergäbe sich aus dem Begriff der offenbaren Unbilligkeit eine doppelte Bedeutung, zum einen, dass die Abweichung von der Billigkeit eine erhebliche sei und zum anderen, dass diese klar erkennbar sein müsse.99 Der BGH100 hat bisweilen die besonders starke Abweichung von der Billigkeit und bisweilen die leichte Erkennbarkeit der Unbilligkeit stärker in den Vordergrund gerückt.101 Dabei dürfe nach Meinung des BGH das Kriterium der Erkennbarkeit nicht überstrapaziert werden. Bei komplexen Verträgen müsse sich auch ein Fachmann erst einen Überblick verschaffen dürfen, um die offenbare Unbilligkeit zu erkennen.102 Richtigerweise lässt sich einwenden, dass dies ein Widerspruch in Bezug auf die leichte Erkennbarkeit der Unbilligkeit darstellt.103 Es erscheint paradox, wenn für eine leichte Erkennbarkeit gleichzeitig eingewendet wird, selbst ein Fachmann dürfe sich, um diese zu erkennen, zunächst einen Über95 BGH, Urt. v. 19. 5. 2005 – I ZR 299/02, GRUR 2005, 757, 760; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn 117. 96 Zu Beispielen aus der Rechtsprechung siehe Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn. 24 m.w.N. 97 Vgl. Elsing, ZVglR 114 (2015), 568, 575; Staudinger/Rieble, § 319 BGB Rn. 6 f. 98 BGH, Urt. v. 14. 10. 1958 – VIII ZR 118/57, NJW 1958, 2067; siehe auch BGH Urt. v. 26. 4. 1991 – V ZR 61/90, NJW 1991, 2761, 2762. 99 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 27; i.E. wohl auch Gelhaar, DB 1988, 743 f.; MüKo/Würdinger, § 317 BGB Rn. 6. 100 „Offenbar“ als Erkennbarkeit etwa: BGH, Urt. v. 16. 11. 1987 – II ZR 111/87, NJW-RR 1988, 506; BGH, Urt. v. 1. 4. 1953 – II ZR 88/52, BGHZ 9, 195, 199; als Erheblichkeit: BGH Urt. v. 26. 4. 1991 – V ZR 61/90, Rn. 16, BGH NJW 1991, 2761, 2762. 101 Vgl. hierzu aber auch § 84 Abs 1 VVG wonach eine offenbare und erhebliche Abweichung vorliegen muss, Prölss/Martin/Voit, § 84 VVG Rn. 23. 102 Etwa BGH Urt. v. 21. 1. 2004 – VIII ZR 74/03, NJW-RR 2004, 760, 761; BGH Urt. v. 27. 6. 2001 – VIII ZR 235/00, NJW 2001, 3775, 3777; MüKo/Würdinger, § 319 BGB Rn. 7. 103 Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 724; kritisch auch Spehl, FS Schütze, S. 553, 559.
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
blick verschaffen. Diese Überlegung, dass sich auch ein Fachmann zunächst eine Übersicht verschaffen darf, ist aber grundsätzlich richtig und somit ist davon auszugehen, dass „offenbar“ im Sinne einer starken Abweichung zu verstehen ist und nicht im Sinne einer leichten Erkennbarkeit.104 e) Offenbare Unrichtigkeit Für die Schiedsgutachten im engeren Sinne benutzt die überwiegende Meinung in der Literatur, in Anlehnung an eine Entscheidung des Reichsgerichts105, hingegen einen begrifflich leicht modifizierten Überprüfungsmaßstab, nämlich den der „offenbaren Unrichtigkeit“.106 Eine Tatsachenentscheidung könne demnach nicht unbillig, sie könne nur unrichtig sein.107 Auch der BGH ist dieser formalen Unterscheidung bislang gefolgt.108 Demnach sei offenbare Unrichtigkeit dann anzunehmen, wenn: „sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter, wenn auch erst nach eingehender Prüfung, offensichtliche Fehler der Leistungsbestimmung aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen. Sie verlangt mehr als bloße Unrichtigkeit, so dass ein Gutachten erst dann offenbar unrichtig ist, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und sich seine Unrichtigkeit dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängen muss“.109 Die von der Rechtsprechung benutzte Definition der „offenbaren Unrichtigkeit“ unterscheidet sich somit nicht wesentlich von der der „offenbaren Unbilligkeit“.110 aa) Diskurs zur Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen offenbarer Unbilligkeit und offenbarer Unrichtigkeit Letztendlich dürfte die Unterscheidung in der Praxis deshalb von geringer Bedeutung sein, da bei beiden Überprüfungsmaßstäben eine offenbare Abweichung gefordert wird und eine offenbar unbillige meist auch eine offenbar unrichtige 104
Der Grad der noch zulässigen Abweichung wird hierbei von der Rechtsprechung zwischen 20 und 25 % angesetzt, siehe BGH, Urt. v. 26. 4. 1991 – V ZR 61/90, NJW 1991, 2761, 2762; Elsing, ZVglRWiss 114 (2015), 568, 580 f. 105 RG, Urt. v. 23. 5. 1919 – II 22/10, RGZ 96, 57. 106 Wittmann, Struktur und Grundprobleme des Schiedsgutachtenvertrages, S. 89; Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 799; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 IV 4, S. 300, § 12 IV 10, S. 306; Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 4; Erman/Hager, § 317 BGB Rn. 8. 107 Lüke, AcP 162 (1963), 534, 536; siehe auch Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 801. 108 BGH, Urt. v. 25. 4. 2014 – LwZR 2/13, Rn. 29 (juris); BGH, Beschl. v. 18. 12. 2013 – IV ZR 207/13, ZEV 2014, 311, 313; BGH, Urt. v. 17. 1. 2013 – III ZR 11/12, NJW 2013, 1296, 1297; BGH Urt. v. 26. 4. 1991 – V ZR 61/90, BGH NJW 1991, 2761, 2762; BGH, Urt. v. 9. 6. 1983 – IX ZR 41/82, NJW 1983, 2244, 2245. 109 BGH, Urt. v. 17. 1. 2013 – III ZR 11/12, NJW 2013, 1296, 1297. 110 So auch Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 IV 10, S. 306; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 39.
B. Grenzen der Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung
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Entscheidung sein wird.111 Dennoch ist die Notwendigkeit einer Differenzierung nach offenbarer Unbilligkeit und offenbarer Unrichtigkeit zu untersuchen. Zum einen muss eine offenbar unrichtige Entscheidung nicht zugleich eine offenbar unbillige Entscheidung darstellen, weil die Unrichtigkeit einen wesentlich strengeren Maßstab darstellt, als die Unbilligkeit.112 Zum anderen stellt sich mit der Anpassung des Maßstabs der offenbaren Unbilligkeit hin zur offenbaren Unrichtigkeit die dogmatische Frage, ob eine solche Anpassung überhaupt notwendig ist. Im Ergebnis kann die Unterscheidung in offenbare Unbilligkeit und offenbare Unrichtigkeit in ihrer bisherigen Ausgestaltung nicht überzeugen und ist in dieser Form abzulehnen.113 Hier wurde nämlich schon gezeigt, dass die sogenannten Schiedsgutachten im engeren Sinne und die Schiedsgutachten im weiteren Sinne in vielen Fällen nicht voneinander unterschieden werden können, beziehungsweise deren Unterscheidung lediglich von bestimmten Formulierungen in der Schiedsgutachtenvereinbarung abhängig114 und diese daher nicht aufrecht zu erhalten ist.115 Wenn aber der gleiche Inhalt durch verschiedene Formulierungen der Schiedsgutachterklausel erreicht wird, ist nicht ersichtlich warum per se unterschiedliche Überprüfungsmaßstäbe gelten sollten. bb) Praktikabilität des Maßstabes der offenbaren Unrichtigkeit Vom Grundsatz geht die Überprüfung auf offenbare Unrichtigkeit davon aus, dass es in den anvisierten Fällen nur eine richtige Entscheidung geben kann.116 Der korrespondierende Entscheidungsmaßstab zum Überprüfungsmaßstab der (offenbaren) Unrichtigkeit ist demnach die Richtigkeit.117 Dies stellt aber eine wesentliche Beschneidung des Entscheidungsspielraums des Dritten dar, der nach dieser Sichtweise vor allem deshalb überhaupt noch einen Entscheidungsspielraum besitzt, weil seine Entscheidung erst bei „offenbarer“ Unrichtigkeit unwirksam ist. Damit ist sein Entscheidungsspielraum im Wesentlichen dem Umstand geschuldet, dass Entscheidungs- und Überprüfungsmaßstab auseinanderfallen.118 111 v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 39; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 739; Gelhaar, DB 1988, 743; a.A. Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 799, vgl. auch BGH NJW 1974, 1235, 1236. 112 A.A. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 739. 113 Staudinger/Rieble, § 319 BGB Rn. 17; Staudinger/Mayer-Maly, 12. Aufl. 1979, § 319 BGB, Rn. 19, vgl. auch Volmer, BB 1984, 1010, 1012. 114 BGH, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493 f. 115 Siehe oben unter 1. Kapitel B. III. 3. 116 Vgl. dazu Lüke, AcP 162 (1963), 534, 536: „Tatsachenfeststellungen sind entweder richtig oder falsch; sie können aber niemals unbillig sein“. 117 Hier wird im Folgenden auch von einer „gebundenen Entscheidung“ die Rede sein, siehe dazu sogleich unter 2. Kapitel B. II. 1. f). 118 Vgl. Röhl, ZZP 86 (1973), 329; anders aber Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 69, 739, der den Beurteilungsspielraum des nach Richtigkeit entschei-
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Es könnte nun eingewandt werden, dass es unmöglich und daher impraktikabel sei, auf die einzig richtige Entscheidung abzustellen und der Entscheidungsmaßstab der Unrichtigkeit daher insgesamt abzulehnen sei und in der Folge auch der Überprüfungsmaßstab der offenbaren Unrichtigkeit.119 Beispielsweise werden bei einem von der herrschenden Meinung sogenannten Schiedsgutachten im engeren Sinne, dass die Festlegung eines „marktüblichen“ Preises zum Gegenstand hat, eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen sein, die den Preis mal höher mal niedriger erscheinen lassen, sodass keinesfalls von dem einen richtigen Preis ausgegangen werden kann. Vielmehr wird es auch hier eine Preisspanne geben, die der Sache gerecht wird.120 Allein dieses Beispiel verdeutlicht, dass es nicht den einen richtigen Preis geben kann und die Annahme eines „unrichtigen“ Preises und damit eines Maßstabs der Richtigkeit fragwürdig erscheinen lässt.121 Das Gleiche gilt im Übrigen für die Beurteilung von komplizierten Rechtslagen122 oder auch bei der Bewertung von Gesellschaftsanteilen.123 Der Maßstab der Richtigkeit hat aber seine Berechtigung. Dies zeigt der Gedanke, dass die Parteien das Gericht auch ermächtigen können, die Entscheidung des Dritten statt auf offenbare, auf einfache Unrichtigkeit zu überprüfen. Fraglich ist sodann, ob dem Dritten noch ein Entscheidungsspielraum zugesprochen werden kann, oder nicht. Dies ist zu verneinen. Vielmehr hat das Gericht die Entscheidung des Dritten gründlich auf jegliche Fehler zu untersuchen. Entdeckt das Gericht Fehler, weicht etwa das Ergebnis geringfügig von dem nach Auffassung des Gerichts zu erwartenden Ergebnis ab, ist der Entscheid des Dritten damit für die Parteien unverbindlich. Kommt das Gericht zu dem gleichen Ergebnis wie der Dritte, bleibt die Entscheidung des Dritten bestehen. Ob die Parteien dem Dritten die Findung der einzig richtigen Entscheidung zumuten, hängt von ihrem Sicherheitsbedürfnis und damit von ihrem Willen ab. Von manchen Parteien wird eine doppelte Kontrolle gewollt sein, wie die Entwicklung der vorläufig bindenden Entscheidungen der Adjudikation zeigt. Das Argument der Undurchführbarkeit einzig richtiger Entscheidungen sticht im Ergebnis also nicht und steht der Benutzung eines solchen Maßstabs nicht entgegen. Bestehen bleibt allerdings die Frage, ob in den genannten Fällen der von der herrschenden, hier aber nicht geteilten Meinung sogenannten Schiedsgutachten im engeren Sinne stets der Überprüfungsmaßstab der offenbaren Unrichtigkeit anzuwenden ist.
denden Dritten allein aus der Praxisferne der einzig richtigen Entscheidung begründet, siehe aber auch S. 189 ff. 119 Vgl. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 69 f. 120 Finkenauer, FS Westermann, S. 183, 204. 121 A.A. Bergmann, Die Rechtsfolgen des ungerechtfertigten Vertrages, S. 7 f. 122 A.A. Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 801. 123 Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 70 (m.w.N.).
B. Grenzen der Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung
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cc) Anwendbarkeit einer Billigkeitsentscheidung außerhalb der rechtsbegründenden Entscheidungen Zu untersuchen ist daher, ob eine Billigkeitsentscheidung in Fällen der sogenannten Schiedsgutachten im engeren Sinne dogmatisch möglich ist. Dies hängt vor allem mit dem Begriffsverständnis der Billigkeit zusammen. Auszuschließen ist nicht, dass Billigkeitsentscheidungen auch auf Fälle anwendbar sind, die nach herrschender Meinung dem Schiedsgutachten im engeren Sinne unterfallen. Die Billigkeit als „Gerechtigkeit des Einzelfalls“ erscheint als sehr dehnbarer Begriff, kann also auch auf Entscheidungen, die Tatsachenfeststellungen oder Leistungskonkretisierungen zum Gegenstand haben, Anwendung finden. Die Notwendigkeit, pauschal alle sogenannten Schiedsgutachten im engeren Sinne dem Entscheidungsmaßstab der Richtigkeit zu unterstellen, besteht nicht. Auch das Reichsgericht wandte noch vor Inkrafttreten des BGB den Maßstab der Billigkeit auf später von der Rechtsprechung und Lehre als im engeren Sinn bezeichnete Schiedsgutachten an.124 Weiterhin zu beachten ist, dass dem Dritten, im Falle einer Billigkeitsentscheidung, ein gewisser Entscheidungsspielraum zugestanden wird. Diesen kann er etwa nutzen um die Methode der Bewertung von Markt- und Preislagen selbständig festzulegen. Der nach Billigkeit entscheidende Dritte hat dabei eine dem Einzelfall angemessene Entscheidung zu treffen125 und nur solche Umstände zu berücksichtigen, die dafür auch relevant sind.126 Festzuhalten ist, dass der Entscheidungsmaßstab des Dritten nach Billigkeit oder Richtigkeit und der Überprüfungsmaßstab des Gerichts auf offenbare Unbilligkeit oder offenbare Unrichtigkeit nicht etwa pauschal am Gegenstand der Entscheidung festgemacht werden kann,127 sondern vielmehr auf den Willen der Parteien abzustellen ist.128 Dieser ist eingehend auf die vereinbarten Entscheidungs- und Überprüfungsmaßstäbe zu untersuchen, im Zweifel hat der Dritte gemäß § 317 Abs. 1 BGB (ggf. analog) nach billigem Ermessen zu entscheiden.
124 RG, Urteil v. 11. 10. 1883 – I 322/83, RGZ 10, 130, 132; RG, Urteil v. 9. 3. 1882 – III 588/ 81, RGZ 6, 190, 201 f.; zur Literatur siehe Wolff, Die rechtliche Natur der Arbitrageklausel, S. 29 ff.; Wangner, Der Schiedsgutachter, S. 37 f. 125 v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 16 f. 126 Insofern abweichend Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 738, der bei einem Billigkeitsentscheid alle in Betracht kommenden Umstände prüfen möchte. So verstehe ich den Begriff der Billigkeit nicht. Es ist Kleinschmidt zuzustimmen, dass ein Dritter bei der Bestimmung der ortsüblichen Miete nicht etwa die Solvenz der Parteien berücksichtigen darf. Ein solches Vorgehen ist meines Erachtens schlicht unbillig. Nicht dagegen kann aus diesem Beispiel geschlossen werden, wie Kleinschmidt meint, dass der Maßstab der Billigkeit für solche Anwendungsbeispiele verfehlt wäre. 127 Vgl. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 739. 128 Vgl. Gelhaar, DB 1988, 743, 744; Gleiss/Bechthold, BB 1973, 868, 869.
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
f) Gebundene Entscheidung Weiterhin ist auf die gebundene Entscheidung einzugehen. Hat der Dritte eine gebundene Entscheidung zu treffen, ist er entweder an Recht und Gesetz oder an einen von den Parteien vorgegebenen Maßstab gebunden. Die Entscheidung erfolgt also nach Richtigkeitsgesichtspunkten. Dabei kann die von den Parteien dem Dritten auferlegte Bindung aber auch nur Teilaspekte der Entscheidung umklammern. § 319 Abs. 1 BGB ist nach einhelliger Meinung dispositiv.129 Das heißt, dass die Bindungswirkung nicht nur entfällt, wenn die Entscheidung des Dritten offenbar unbillig ist, sondern vielmehr, dass die Parteien selber bestimmen können, wann und wie sie an die Entscheidung des Dritten gebunden sein wollen. Dies bedeutet auch, dass die Parteien den Entscheidungs- aber auch den Überprüfungsmaßstab beliebig lockern, aber auch verschärfen können.130 Die Entscheidung des Dritten kann dann zum Beispiel nach Vereinbarung bereits bei einfacher Unbilligkeit oder Unrichtigkeit unverbindlich sein. Sie kann aber auch grundsätzlich verbindlich sein, selbst wenn sie offenbar unbillig erscheint.131 Ebenso ist es den Parteien überlassen dem Dritten einen ganz bestimmten Bewertungsmaßstab oder eine bestimmte Methode vorzugeben. Eine Abweichung von diesem indiziere nach der Rechtsprechung dann die offenbare Unrichtigkeit des Ergebnisses.132 Ein solcher Verstoß ist meines Erachtens nicht erst an der offenbaren Unrichtigkeit oder offenbaren Unbilligkeit des Ergebnisses zu messen, sondern an dem offenbaren, also erheblichen Abweichen des Dritten von den Vorgaben der Parteien. Es zeigt sich, dass es nicht nur auf das bloße Ergebnis der Entscheidung des Dritten ankommen kann, sondern auch der von den Parteien gewünschte Entstehungsprozess zu berücksichtigen ist. 2. Verhältnis des Entscheidungsmaßstabs zum Überprüfungsmaßstab Soll der Dritte nach Billigkeit entscheiden, ist die Entscheidung gemäß § 319 Abs. 1 BGB nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Unterscheidung in einen Entscheidungsmaßstab des Dritten (Billigkeit) und einen Überprüfungsmaßstab des Gerichts (offenbare Unbilligkeit) erstaunt.133 Zwar soll der Dritte nach billigem Ermessen entscheiden, eine unbillige Entscheidung wird aber vom Gesetzgeber als für die Parteien noch akzeptabel angesehen. Erst bei offenbarer Unbilligkeit muss der Entscheidung des Dritten nicht Folge geleistet werden. Im Ergebnis führt dies dazu, dass dem Dritten tatsächlich ein umfangreicherer Ent129
Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 III, S. 297; Staudinger/Rieble, § 319 BGB Rn. 4; MüKo/Würdinger, § 319 BGB Rn. 3. 130 Staudinger/Rieble, § 319 BGB Rn. 4; MüKo/Würdinger, § 319 BGB Rn. 3. 131 Grenzen bilden hier allerdings die §§ 134, 138 und 242 BGB. 132 BGH, Urt. v. 1. 4. 1953 – II ZR 88/52, BGHZ 9, 195, 198 f.; OLG München, Urt. v. 3. 12. 2009 – 23 U 3904/07, Rn. 46 (juris). 133 Vgl. Schellhase, Gesetzliche Rechte zur einseitigen Vertragsgestaltung, S. 220.
B. Grenzen der Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung
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scheidungsmaßstab als der des billigen Ermessens zur Verfügung steht.134 Dies zeigt auch ein Vergleich mit § 316 BGB. Gemäß § 316 BGB ist die nach billigem Ermessen getroffene einseitige Leistungsbestimmung schon dann unverbindlich, wenn sie nicht der Billigkeit entspricht. Des Weiteren ist es mit Blick auf § 319 Abs. 2 BGB möglich, dem Dritten eine Entscheidung nach freiem Belieben einzuräumen. § 319 Abs. 2 BGB offenbart damit aber auch, dass bei einer Entscheidung an Hand des Maßstabs des freien Beliebens eine inhaltliche Überprüfung, abgesehen von den §§ 134, 138 und 242 BGB und den sonstigen allgemeinen Grenzen der Privatautonomie,135 durch das Gericht nicht mehr stattfindet.136 Der Entscheidungs- und der Überprüfungsmaßstab sind von den Parteien frei wählbar und keinesfalls zwingend.137 Möglich ist also auch beide Maßstäbe gleich zu setzen138 oder auf die inhaltliche Überprüfbarkeit durch den Richter oder Schiedsrichter weitestgehend zu verzichten.139 Stets möglich bleibt aber eine gerichtliche Überprüfung an Hand der allgemeinen Grenzen der Privatautonomie. Haben sich die Parteien auf einen anderen Maßstab als den des billigen Ermessens geeinigt, ist die Entscheidung im Zweifel erst dann nicht verbindlich, wenn sie „offenbar“ von diesem abweicht. Eine einfache Abweichung des Ergebnisses genügt hingegen in Folge der hier vertretenen analogen Anwendung des § 319 Abs. 1 BGB nicht. Dies hat den Vorteil, dass dem Dritten stets ein gewisser Spielraum verbleibt, den er insbesondere bei schnell zu treffenden Entscheidungen benötigt, weil diese fehleranfälliger sind. Allerdings ist in diesem Zusammenhang stets der Wille der Parteien zu beachten und auszulegen.
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133. 135
Vgl. Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 26; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 130,
Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 III, S. 297. Dies gilt für alle Formen der Vertragsarbitrage, auch für DAB-Sprüche. Missverständlich insofern Oelsner, der von einer Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens nach Eintritt der endgültigen Bindungswirkung des DAB-Spruchs spricht, Dispute Boards, S. 132, siehe auch S. 134. 137 Staudinger/Rieble, § 319 BGB Rn. 4. 138 Gernhuber, Schuldverhätlnis, § 12 III, S. 297 f. 139 OLG Köln, Urt. v. 29. 10. 2013 – 18 U 1/13, Rn. 44 (juris); Gernhuber, Schuldverhätlnis § 12 III, S. 297. 136
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
III. Kompetenz des Obmanns Überschreitet der Dritte seine sachlichen oder zeitlichen Kompetenzen, kann seine Entscheidung keinen Bestand haben, denn die Kompetenz des Dritten kann nur so weit reichen, wie sie von den Parteien eingeräumt worden ist.140 Die von der englischen Rechtsprechung zur expert determination verwendete Formel, nach der der Dritte zwar die Frage falsch, aber nicht die falsche Frage beantworten darf,141 versinnbildlicht zunächst worum es bei der Kompetenz des Obmanns geht. Gemäß § 319 Abs. 1 BGB ist eine nach Billigkeit getroffene Entscheidung erst unverbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Das heißt die Entscheidung darf zwar unbillig – „zu unbillig“ darf sie von dem Dritte aber auch nicht beantwortet worden sein. Das wirft die Frage auf, ob eine offenbar unbillige Entscheidung zugleich eine Überschreitung der Kompetenz des Dritten darstellt, wie teilweise angenommen wird.142 In dieselbe Richtung geht die Auffassung, dass bei einer Vertragsarbitrage, bei der die Parteien den Entscheidungs- und Überprüfungsmaßstab frei gewählt hatten, eine Überschreitung des vereinbarten Maßstabs durch den Dritten gleichzeitig eine Überschreitung der Kompetenz darstelle.143 Da § 317 Abs. 1 BGB nur eine Zweifelsfallregelung ist, das heißt nur eine Vermutung für die Vereinbarung der Parteien aufstellt, würde diese Meinung ebenfalls zu der Annahme führen, dass eine offenbar unbillige Entscheidung zugleich eine Kompetenzüberschreitung sei. Einer solcher Ansicht ist nicht zuzustimmen, denn hierbei werden unzulässiger Weise Kompetenzfragen mit Fragen der inhaltlichen Kontrolle des Spruchs des Dritten miteinander vermengt. Eine inhaltliche Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit oder nach den §§ 134, 138 und 242 BGB kann nämlich erst stattfinden, wenn der Dritte auch die Kompetenz hatte die entsprechende Frage zu entscheiden. Hat der Dritte dagegen eine Entscheidung zu Fragen getroffen, die nicht in seinem Kompetenzbereich lagen, ist diese Entscheidung für die Parteien schlicht unverbindlich.144 Damit ist der Grund der Unzuständigkeit von den anderen Nichtigkeitsgründen abzutrennen, auf ihn ist § 319 Abs. 1 BGB (ggf. analog) nicht anwendbar. Dazu besteht aber auch kein Anlass, denn zu der dem Dritten vorgelegten Frage war eine Vertragsarbitrage von den Parteien von Anfang an nicht vereinbart. Bildlich gesprochen weicht der Dritte nicht von den „Rahmen“-Vorgaben ab, er handelt von Anfang an außerhalb des „Rahmens“.145 140 OLG Düsseldorf, Urt. v. 23. 3. 2009 – 23 U 82/08, NJOZ 2010, 775, 779; Pinckernelle, Die Arbitrageklausel, S. 27; Kleinschmidt, RabelsZ 76 (2012), 785, 794; NK/F. Wagner, § 317 BGB Rn. 18. 141 Siehe dazu unter 2. Kapitel A. III. 2. 142 Elsing, ZVglR 114 (2015), 568, 578; Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 799; NK/ F. Wagner, § 319 BGB Rn. 4. 143 Kleinschmidt, RabelsZ 76 (2012), 785, 797. 144 OLG Düsseldorf, Urt. v. 23. 3. 2009 – 23 U 82/08, NJOZ 2010, 775, 779. 145 Vgl. dazu Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie, S. 701, der sich auf Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 279 bezieht.
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Die Kompetenzproblematik entzündet sich vor allem an der Frage, ob einer Partei bei aufkommenden Streitigkeiten der Klageweg vor einem Gericht oder einem Schiedsgericht offen steht oder ob sie gezwungen ist vorher eine Vertragsarbitrage durchzuführen. Haben die Parteien vereinbart bei bestimmten Fragen zunächst eine Vertragsarbitrage durchzuführen, dann muss das Gericht die Klage als zurzeit unzulässig oder unbegründet abweisen.146 Liegt dagegen keine Vereinbarung vor oder ist die betreffende Streitfrage von der Vereinbarung ausgeklammert, steht der Klageweg grundsätzlich offen. Weiterhin gilt, dass der Dritte, wenn nicht anders vereinbart, grundsätzlich keine Kompetenz-Kompetenz besitzt. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass die Parteien jederzeit berechtigt sind die Kompetenz des Dritten beliebig einzuschränken oder zu erweitern und die Gerichte daher jederzeit dazu in der Lage sind die Kompetenz des Dritten zu überprüfen.
IV. Begründungspflicht Offen ist, ob der Obmann verpflichtet ist seine Entscheidung zu begründen. Die Rechtsprechung nimmt an, dass ein Schiedsgutachten auch dann offenbar unrichtig sei, „wenn die Ausführungen des Sachverständigen so lückenhaft sind, daß selbst der Fachmann das Ergebnis aus dem Zusammenhang des Gutachtens nicht überprüfen kann (…)“.147 Demnach könne der Begriff der offenbaren Unrichtigkeit nicht in seinem engen Wortsinn verstanden werden.148 Gleiches gelte für die offenbare Unbilligkeit.149 Nach der Rechtsprechung ist der Dritte also verpflichtet seine Entscheidung zu begründen. Diese Ansicht ist in der Literatur weitestgehend auf Zustimmung gestoßen.150 In einer jüngeren Entscheidung nahm das OLG Köln sogar zum Anlass, den von den Parteien erklärten Begründungsverzicht dahingehend auszulegen, dass diese eine Entscheidung nach freiem Belieben vereinbart hätten.151 Demnach ist bezüglich der Frage, ob der Dritte seine Entscheidung auch begründen soll, stets die Parteivereinbarung zu beachten und auszulegen. Hat der Dritte nach billigem Ermessen zu entscheiden, so muss er alle für ihn relevanten Gesichtspunkte des Sachverhalts heranziehen und auswerten. Es geht 146
Siehe dazu unten unter 2. Kapitel D. BGH, Urt. v. 16. 11. 1987 – II ZR 111/87, NJW-RR 1988, 506; so schon BGH, Urt. v. 25. 1. 1979 – X 40/77, NJW 1979, 1885, 1886 und BGH, Urt. v. 2. 2. 1977 – VIII ZR 155/75, NJW 1977, 801, 802. 148 BGH, Urt. v. 25. 1. 1979 – X 40/77, NJW1979, 1885, 1886. 149 BGH, Urt. v. 2. 2. 1977 – VIII ZR 155/75, NJW 1977, 801, 802. 150 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 92 f.; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 548; Staudinger/Rieble, § 319 BGB Rn. 9; Palandt/Grüneberg, § 319, Rn. 5a; Erman/Hager, § 319 BGB Rn. 8; Prölss/Martin/Voit, § 84 VVG Rn. 27; a.A. Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 IV 11, S. 307; Pinckernelle, Die Arbitrageklausel, S. 52 f.; Gelhaar, DB 1988, 743, 744; Gleiss/Bechthold, BB 1973, 868, 872. 151 OLG Köln, Beschl. v. 29. 10. 2013 – 18 U 1/13, Rn. 44 (juris). 147
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demnach nicht nur um das Ergebnis an sich, sondern auch um den Entstehungsprozess. Dieser muss zumindest in seinen Grundzügen nachvollziehbar sein, das heißt die wesentlichen Aspekte müssen in einer Begründung aufgeführt werden. Nichts Anderes kann gelten, wenn die Parteien vom Dritten eine gebundene Entscheidung erbeten, weil hier ein noch strengerer Entscheidungs- und Überprüfungsmaßstabmaßstab als bei Billigkeitsentscheidungen gilt. Nur, wenn die Entscheidung des Obmanns auch begründet ist, kann nachvollzogen werden, ob er sich an den vorgegebenen Maßstab auch gehalten hat, etwa ob der Obmann eine von den Parteien vorgegebene Berechnungsmethode auch eingehalten hat. Miteinzubeziehen sind allerdings stets die konkreten Umstände der Entscheidungsfindung. Soll die Entscheidung etwa nur eine vorläufige sein, dafür allerdings in kürzester Zeit vorliegen, können nicht die gleichen Anforderungen an die Begründung zu stellen sein, wie an eine endgültige, mit einer langen Entscheidungsfrist versehenden Entscheidung. Bei Entscheidungen, die innerhalb kürzester Zeit ergehen sollen, ist die Parteivereinbarung im Zweifel dahingehend auszulegen, dass nur eine in ihrem Umfang reduzierte Begründungspflicht besteht.
V. Prozessrechtliche Überprüfungsmaßstäbe Ob der Dritte bei der Entscheidungsfindung bestimmte Verfahrensgrundsätze zu beachten hat, ist eine der wesentlichen Fragen des Schiedsgutachtens und damit auch der Vertragsarbitrage. In der Diskussion stehen dabei insbesondere die Grundsätze der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten (1.), sowie die Gewährung rechtlichen Gehörs (2.).152 Anschließend sind die tradierten Meinungen zu diskutieren und um einen weiteren Ansatz zu ergänzen (3.). Klärungsbedürftig ist zunächst, was unter den Verfahrensgrundsätzen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit und des rechtlichen Gehörs zu verstehen ist. Unabhängigkeit lässt sich als Maßstab der objektiv feststellbaren Verbindungen zwischen dem Dritten und einer Partei verstehen.153 Der Obmann wäre demnach völlig unabhängig, wenn keinerlei Beziehungen, seien es geschäftliche oder familiäre, zwischen ihm und den Parteien bestünden.154 Unter Unparteilichkeit versteht man dagegen die innere, subjektive oder auch gedankliche Distanz des Dritten zu der zu entscheidenden Sache oder den Parteien.155 Diese soll beiden gegenüber gleich sein.156 152
Siehe nur Urt. v. 21. 8. 1936 – II 154/36, RGZ 152, 201, 207; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 95 ff. 153 BeckOK/Wolf/Eslami, § 1036 ZPO Rn. 3; Rojahn/Jerger, NJW 2014, 1147. 154 BeckOK/Wolf/Eslami, § 1036 ZPO Rn. 3. 155 BeckOK/Wolf/Eslami, § 1036 ZPO Rn. 4; Rojahn/Jerger, NJW 2014, 1147; Müko/ Gehrlein, § 42 ZPO Rn. 5. 156 Raeschke-Kessler, ASA Bulletin 2008, 3, 6; BeckOK/Wolf/Eslami, § 1036 ZPO Rn. 4.
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Das aus dem Prozessrecht bekannte Gebot des rechtlichen Gehörs umfasst das Recht auf Information, Äußerung und Wahrnehmung der Äußerungen durch das Entscheidungsgremium.157 Das heißt, den Parteien muss zum Beispiel die Gelegenheit gegeben werden sich zu allen entscheidungserheblichen Punkten zu äußern, die Stellungnahmen der Gegenpartei zu erhalten und so Einfluss auf das Verfahren zu nehmen.158 Ob solche Verfahrensgrundsätze wünschenswert sind, ist die eine Frage. Eine andere Frage ist, woraus sich ergeben soll, dass diese bei der Durchführung des Verfahrens von dem Dritten zu beachten sind. Unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben können die Parteien vereinbaren, dass der Dritte bestimmte Verfahrensregeln zu beachten hat.159 Die Verfahrensordnungen der DIS für Schiedsgutachten etwa macht von dieser Möglichkeit Gebrauch, sie verlangt die Unabhängigkeit der Gutachter und stellt umfangreiche Regeln zum Vortrag der Parteien auf.160 Eine Nichtbeachtung der vereinbarten Verfahrensregeln hat zur Folge, dass die Entscheidung des Dritten unverbindlich ist.161 1. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten Die Literatur ist sich weitestgehend einig, dass die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit oder auch Neutralität162 des Dritten eine Bedingung für die Verbindlichkeit der Drittentscheidung darstellt.163 Die Rechtsprechung vertrat dagegen zunächst den Standpunkt, dass die Unabhängigkeit des Dritten auf Grund der Inhaltskontrolle keine notwendige Voraussetzung für die Erstellung des Schiedsgutachtens sei.164 Davon ist sie seit längerem abgerückt und fordert gleichfalls die Unabhängigkeit des Dritten.165 157
BeckOK/Wilske/Markert, § 1042 ZPO Rn. 8. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 15 Rn. 2; Müko/Münch, § 1042 ZPO Rn. 26. 159 BGH, Urt. v. 5. 12. 1979 – VIII ZR 155/78, WM 1980, 108, 110; BGH, Urt. v. 28. 2. 1972 – II ZR 151/69, NJW 1972, 827; RG, Urt. v. 21. 8. 1936 – II 154/36, RGZ 152. 201, 207; OLG Schleswig, Urt. v. 9. 6. 1999 – 4 U 103/95, NZM 2000, 338; OLG Nürnberg, Urt. v. 28. 7. 1994 – 8 U 3805/93, NJW-RR 1995, 544; Kisch, Der Schiedsmann im Versicherungsrecht, S. 86; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 672; Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 81. 160 Siehe § 6.5 und die §§ 9 ff. der DIS-SchO. 161 Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 81. 162 Siehe zu diesen Begriffspaaren Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 416 f. 163 Etwa G. Wagner, Prozeßverträge, S. 673 ff.; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 456 ff.; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 96 ff., 134 ff.; Wangner, Der Schiedsgutachter, S. 38; Nicklisch, FS Bülow, S. 159, 173; Jonas, JW 1937, 221; Staudinger/ Rieble, § 317 BGB Rn. 82 ff.; Prölss/Martin/Voit, § 84 VVG Rn. 16. 164 BGH Urt. v. 25. 6. 1952 – II ZR 105/51, BGHZ 6, 335, 340; RG, Urt. v. 21. 8. 1936 – II 154/36, RGZ 152, 201, 205 ff. 158
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Für die Vertreter einer prozessrechtlichen Qualifikation der Schiedsgutachtenbindung, die zumeist die Schiedsgutachten im engeren Sinne im Blick haben, ist die Begründung für die Gebundenheit des Dritten an bestimmte Verfahrensgrundsätze naheliegend. Ihrer Meinung nach seien die §§ 1025 ff. ZPO, also die Regeln über die Schiedsgerichtsbarkeit, wenn nicht grundsätzlich dann doch teilweise entsprechend anzuwenden.166 Somit gelte auch § 1036 ZPO entsprechend und an den Schiedsgutachter seien die gleichen Anforderungen an Unparteilichkeit und Unabhängigkeit wie an einen Schiedsrichter zu stellen.167 Die Begründung der Notwendigkeit der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten stellt sich auf Grundlage einer materiell-rechtlichen Bindungswirkung der Vertragsarbitrage als nicht unproblematisch dar. Der Schluss, dass eine solche Pflicht zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten besteht, ist gleichwohl nicht alternativlos. Teilweise wird vertreten, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten sei nur eine im Zweifel von den Parteien gewünschte, in der Vertragsarbitrageklausel enthaltene, Voraussetzung.168 Als Argumentationshilfe dient hier § 315 BGB, der es auch ermögliche die Bestimmung der Leistung einem der Vertragspartner zu übertragen und damit auf eine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Leistungsbestimmenden verzichte.169 Durchaus überzeugend verweist weiterhin eine Meinung in der Literatur auf den Inhalt und die Systematik der §§ 315 – 319 BGB.170 Vom Gesetz werde die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten sogar grundsätzlich vorausgesetzt, da zwischen der einseitigen Leistungsbestimmung durch eine der Parteien der §§ 315, 316 BGB und der Leistungsbestimmung durch einen Dritten gemäß den §§ 317, 318 und 319 BGB durchaus ein Unterschied bestehe.171 Während nämlich gemäß § 315 Abs. 3 BGB die einseitige, am Maßstab des billigen Ermessens getroffene Ent165
Siehe BGH, Urt. v. 17. 1. 2013 – III ZR 11/12, NJW 2013, 1296, 1297, wonach der Dritte „neutral“ sein solle; BGH, Urt. v. 3. 11. 1994 – V ZR 182/94, NJW 1996, 453, 454, nach der die „Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität“ des Schiedsgutachters vorausgesetzt sei und BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 100/92, Rn. 13, NJW-RR 1994, 1314, wonach der Schiedsgutachter seine Aufgabe „unabhängig und unparteiisch“ zu versehen habe; siehe auch OLG Köln, Urt. v. 11. 5. 2001 – 19 U 27/00, Rn. 18 (juris). 166 Kornblum, Probleme der Schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 102; Heinrich, Das Sachverständigenverfahren im Privatversicherungsrecht, S. 80; Rauscher, BB 1974, 629, 631; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 17; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 33 ff. 167 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34. 168 Kisch, Der Schiedsmann im Versicherungsrecht, S. 63; Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 81; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 456 ff., so im Übrigen auch Jonas, JW 1937, 221. 169 Kisch, Der Schiedsmann im Versicherungsrecht, S. 63. 170 Nicklisch, FS Bülow, S. 159, 173 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 673 ff.; Larenz, Schuldrecht I, § 6 II b, S. 83; Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 82 ff. 171 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 674.
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scheidung schon unverbindlich sei, wenn sie nicht der einfachen Billigkeit entspräche, sei eine durch einen Dritten getroffene Entscheidung erst gemäß § 319 Abs. 1 BGB unverbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist.172 Die vom Gesetzgeber aufgestellte, vergleichsweise strenge Bindung an die Entscheidung eines Dritten ließe sich nur mit der vom Gesetzgeber intendierten Unabhängigkeit des Dritten erklären, in diesen bestehe ein „Neutralitätsvertrauen“.173 Eine weitere Literaturmeinung geht ebenfalls auf Grundlage einer materiellen Qualifikation des Schiedsgutachtens von der Notwendigkeit der Unabhängigkeit des Dritten aus.174 Nach dieser Ansicht entfalte das Schiedsgutachten ein dem Schiedsurteil vergleichbare Bindungswirkung.175 Durch seine Bindungswirkung schließe das Schiedsgutachten, ähnlich dem Schiedsgericht, die staatliche Rechtspflege aus und daher gelte für das Schiedsgutachten, wie für das schiedsrichterliche Verfahren auch, das Gebot der überparteilichen Rechtspflege.176 Kern des Gebots sei der Grundsatz nicht in eigener Sache zu richten.177 Außerdem ergebe das Gebot der überparteilichen Rechtspflege, dass keiner Partei bei der Bildung der Schiedsgutachterkommission ein Übergewicht eingeräumt werden dürfe.178 Ein Verstoß gegen diese Grundsätze habe die Nichtigkeit der Entscheidung nach § 134 BGB zur Folge.179 Die Rechtsprechung begründet ihre Ansicht zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten ähnlich, aber weniger ausführlich, wenn sie ausführt: „Da das staatliche Gericht grundsätzlich an das Ergebnis eines Schiedsgutachtens gebunden ist (…), hat der Schiedsgutachter seine Aufgabe unabhängig und unparteiisch zu versehen (…).“.180 Anders als die zuletzt genannte Literaturmeinung geht die Rechtsprechung allerdings davon aus, dass auch eine Partei allein einen Vertrag mit dem Dritten schließen kann ohne seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu verlieren, dieser sei dann aber dennoch beiden Parteien gleich zur ordnungsgemäßen Erstellung der Entscheidung verpflichtet.181
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G. Wagner, Prozeßverträge, S. 674. Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 82. 174 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 95 ff. 175 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 125 f. 176 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 126. 177 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 127. 178 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 128. 179 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 128. 180 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 100/92, NJW-RR 1994, 1314. 181 BGH, Urt. v. 17. 1. 2013 – III ZR 11/12, NJW 2013, 1296, 1297; BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 100/92, NJW-RR 1994, 1314. 173
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
2. Gewährung rechtlichen Gehörs Auch über die Frage, ob den Parteien ein Recht auf Gehör zusteht, herrscht Streit. Während ein Großteil der Literatur182 den Dritten verpflichtet sieht rechtliches Gehör zu gewähren, stehen dem andere183 und auch die Rechtsprechung184 eher ablehnend gegenüber. Während der BGH die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs verneinte,185 hat das LG Frankfurt in einem Urteil aus dem Jahr 1988 diese ausdrücklich bejaht.186 Diese Auffassung konnte sich in der Rechtsprechung aber nicht durchsetzen, sodass sich das OLG Celle in einem Urteil aus dem Jahr 1995 der Meinung des BGH anschloss und die Verbindlichkeit eines Schiedsgutachtens nicht an der Nicht-Gewährung rechtlichen Gehörs scheitern ließ.187 Auch hier haben es die prozessrechtlichen Vertreter mit einer Begründung für die Notwendigkeit der Gewährung rechtlichen Gehörs durch den Dritten naturgemäß einfacher als Vertreter der materiell-rechtlichen Ansicht. Den Vertretern der prozessrechtlichen Theorie genügt entweder der Verweis auf eine analoge Anwendbarkeit der §§ 1025 ff ZPO188 oder auf eine direkte Anwendbarkeit von Art. 103 Abs. 1 GG.189 Eine Literaturmeinung, als Vertreter einer materiell-rechtlichen Qualifikation des Schiedsgutachtens, begründet die aus ihrer Sicht notwendige Beachtung des im Rechtsstaatprinzip wurzelnden Grundsatzes des rechtlichen Gehörs mit der Gefahr, der die Parteien, ähnlich wie in einem schiedsrichterlichen Verfahren, ausgesetzt seien, Rechts- und Vermögensnachteile zu erleiden und mit der Zielrichtung des Schiedsgutachtens ein sachlich richtiges Ergebnis hervorzubringen.190 182 Siehe nur Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 129 ff.; Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 102 f.; Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 250 ff., 278; Straatmann, FS Stödter, S. 109, 124 f.; Habscheid, FS Laufke, S. 303, 316 f.; Erman/ Hager, § 317 BGB Rn. 11; NK/F. Wagner, § 317 BGB Rn. 19; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn 34; MüKo/Würdinger, § 317 BGB Rn. 42 f., 52; Prölss/Martin/Voit, § 84 VVG Rn. 17; differenzierend Elsing, ZVglR 114 (2015), 568, 584. 183 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 677 ff.; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 537 ff.; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 IV 8, S. 304; Lembcke, NJW 2013, 1704, 1707; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 287; Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 79. 184 BGH Urt. v. 25. 6. 1952 – II ZR 104/51, BGHZ 6, 335, 341; OLG Celle, NJW-RR 1995, 1046; ROHG, Urt. v. 20. 6. 1871 – 286/71, ROHGE 3, 74, 76. 185 BGH, Urt. v. 25. 6. 1952 – II ZR 104/61, BGHZ 6, 335, 341; siehe aber auch neuerdings die Äußerung des BGH zu „einseitigen“ Gutachten, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493, dazu noch sogleich unter 2. Kapitel B. V. 3. c). 186 LG Frankfurt Urt. v. 25. 7. 1988 – 2/24 S 102/87, NJW-RR 1988, 1132, 1133. 187 OLG Celle Urt. v. 26. 1. 1995 – 14 U 48/94, NJW-RR 1995, 1046. 188 Etwa Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 102 f.; Stein/ Jonas/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn 34. 189 Habscheid, FS Laufke, S. 303, 316. 190 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 130 ff., ähnlich auch Nicklisch, FS Bülow, S. 159, 174 f.
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3. Diskurs des Meinungsstands und Lösungsansatz a) Diskurs zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten Zwar ist eine prozessrechtliche Bindungswirkung der Schiedsgutachtenentscheidungen und der Vertragsarbitrageentscheidung zu verneinen, genauso jedoch eine pauschale Ablehnung von prozessualen Elementen in der Vertragsarbitrage. Die Frage lautet also, ganz unabhängig von der Qualifikation der Bindungswirkung der Vertragsarbitrageentscheidung,191 ob sich die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten auf Grund einer analogen Anwendung von § 1036 ZPO begründen ließe. Voraussetzung für eine Analogie ist es unter anderem, dass der zu beurteilende Sachverhalt mit den von der Norm geregelten Fällen in etwa vergleichbar ist.192 Die Vertreter der prozessualen Theorie sehen eine solche Ähnlichkeit als gegeben. Habscheid etwa meint der Schiedsgutachter sei ein „kleiner Schiedsrichter“ und entscheide wie dieser anstelle des Richters.193 Dies aber ist ein Irrtum, auf den bereits aufmerksam gemacht wurde.194 Der Obmann und ebenso der Schiedsgutachter entscheiden nicht anstelle des Richters, sie entscheiden anstelle der Parteien. Der Obmann erlässt kein vollstreckbares Urteil, er erlässt einen schuldrechtlich bindenden Entscheid. Die vermeintliche Vergleichbarkeit der Fälle ist daher allenfalls eine kosmetische, aber keinesfalls eine tiefgründige, strukturell verwandte.195 Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die beiden Institute der Schiedsgerichtsbarkeit und der Vertragsarbitrage auf dem Willen der Parteien beruhen.196 Während nämlich § 1055 ZPO für Schiedsurteile die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils statuiert, entfaltet eine Vertragsarbitrageentscheidung lediglich eine schuldrechtlich bindende Wirkung. Für die Bindungswirkung und ihre Grenzen ist eine analoge Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO auf die Vertragsarbitrage und damit auch von § 1036 ZPO auszuschließen. Im Übrigen gälte dies selbst dann, wenn man mit der prozessualen Theorie von einer beweisvertraglichen Bindung ausginge. Dann erließe der Dritte ebenfalls keine vollstreckbare Entscheidung, sondern eine den Richter bindende Feststellung. Selbst auf Basis der prozessualen Ansicht ist die analoge Anwendung von § 1036 ZPO demnach nicht zwingend. Dass die prozessuale Theorie solche Verfahrensgrundsätze nur für die Schiedsgutachten im engeren Sinne vorsieht, kann nach dem hier ver191
Vgl. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 408 ff. Nachweise und zu den weiteren Voraussetzungen siehe oben unter 1. Kapitel B. VI. 193 Habscheid, FS Laufke, S. 303, 314; ähnlich auch Dütz, Rechtstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, S. 260; Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 163 f., 168. 194 Siehe oben unter 2. Kapitel A. III. 4. 195 Vgl. BGH, Urt. v. 4. 6. 1981 – III ZR 4/80, WM 1981, 1056, 1057 („SchiedsgutachtenAbrede und Schiedsvertrag sind wesensverschieden“); BGH, Urt. 25. 6. 1952 – II ZR 104/51, BGHZ 6, 335, 337 f.; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 63 ff.; siehe auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 440 f. 196 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 109. 192
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
tretenen umfassenden Begriff der Vertragsarbitrage und dem einheitlichen Schiedsgutachtenbegriff197 ebenfalls nicht überzeugen. Genauso wenig kann daher die Literaturmeinung dogmatisch überzeugen, die auf Grundlage einer materiell-rechtlichen Bindungswirkung des Schiedsgutachtens die Notwendigkeit eines unabhängigen Dritten aus der dem Schiedsurteil vergleichbaren Bindungswirkung des Schiedsgutachtens und dem damit für das Schiedsgutachten geltende Gebot der überparteilichen Rechtspflege herleitet. Wie gezeigt, entfaltet eine Vertragsarbitrageentscheidung und auch das Schiedsgutachten eine vom Schiedsurteil grundlegend andere Wirkung. Die Literaturmeinung, die die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit aus der Systematik der §§ 315 ff. BGB herleitet, kann dagegen überzeugen. In der Tat zeigen die §§ 315 f. und §§ 317 ff. BGB, dass der Gesetzgeber zwischen der Ausgestaltung der einseitigen Leistungsbestimmung und der Leistungsbestimmung durch Dritte differenziert hat. Während nämlich eine einseitige Leistungsbestimmung schon bei einfacher Unbilligkeit unwirksam ist, ist die Leistungsbestimmung durch einen Dritten erst bei offenbarer Unbilligkeit unwirksam. Der Dritte genießt nach Meinung des Gesetzgebers also tatsächlich ein Neutralitätsvertrauen. Gleichzeitig ist aber auch der Literaturmeinung recht zu geben, die anmerkt, dass von den Parteien nur im Zweifelsfall ein unabhängiger und unparteilicher Dritter gewünscht sein wird, die Parteien bei Bedarf aber auch einen nur von einer Partei abhängigen Dritten bestimmen dürfen. Diese Beobachtung stützt sich zum einen darauf, dass die §§ 315, 316 BGB auch eine einseitige Parteibestimmung zulassen. Zum anderen setzt die Überlegung an dem von der Rechtsprechung herangezogenen Argument für die Begründung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten an, nach der die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten notwendig sei, weil die Rechtsprechung an die Entscheidung des Dritten gebunden sei. Vereinbaren die Parteien dagegen nur eine vorläufig bindende Entscheidung und legt eine Partei einen Widerspruch ein, entfällt das Argument der Rechtsprechung, weil das Gericht im Fall einer vorläufigen Entscheidung nicht mehr an die Entscheidung des Dritten gebunden ist. Der Entscheidungs- und Überprüfungsmaßstab ist von den Parteien nämlich jeweils frei vereinbar. Die Parteien könnten zum Beispiel die Überprüfungsgrenze des Gerichts oder Schiedsgerichts bei einer Drittentscheidung nach billigem Ermessen von offenbarer Unbilligkeit auf einfache Unbilligkeit heraufsetzen und so die Abhängigkeit oder Parteilichkeit des Dritten durch eine vollwertige gerichtliche Kontrolle abfedern. Die den Parteien eingeräumte Wahlfreiheit zwischen einem unabhängigen und einem abhängigen Dritten entspricht dem Grundgedanken, dass die Vertragsarbitrage allein auf die Privatautonomie zurückzuführen ist. Eine Abhängigkeit des Dritten ist allerdings nur denkbar, wenn sich beide Parteien expressis verbis und in 197 Das heißt, dass rechtsbegründende, rechtsändernde als auch rechtsergänzende und deklatorische Entscheidungen des Dritten als Schiedsgutachten zu bezeichnen sind und nicht etwa nur sogenannte Schiedsgutachten im engeren Sinne, siehe dazu unter 1. Kapitel B. III. 4.
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vollem Bewusstsein seiner Abhängigkeit oder Parteilichkeit auf den Dritten eingelassen haben. Andernfalls gilt die aus dem Gesetzestext abgeleitete Zweifelsregelung, dass der Dritte unabhängig und unparteilich zu sein hat. b) Diskurs zum rechtlichen Gehör Ob der Dritte grundsätzlich verpflichtet ist rechtliches Gehör zu gewähren, ist zweifelhaft. Jedenfalls kann die Notwendigkeit zur Gewährung rechtlichen Gehörs durch den Dritten nicht auf eine direkte oder analoge Anwendung von § 1042 Abs. 1 ZPO gestützt werden. Die Bindungswirkung eines Schiedsurteils und einer Vertragsarbitrage unterscheiden sich, wie gezeigt, erheblich, sodass die für eine Analogie notwendige Vergleichbarkeit nicht vorliegt.198 Auch die direkte Anwendung von Art. 103 Abs. 1 GG ist abzulehnen. Art. 103 Abs. 1 GG spricht von einem „Gericht“, worunter nur staatliche Gerichte zu verstehen sind, aber weder Schiedsgerichte noch Schlichtungsstellen.199 Außerdem entfalten die Grundrechte nach überwiegender, hier zu unterstützender, Meinung nur mittelbare Wirkung zwischen Privaten.200 Aber auch die Literaturmeinung, die die Beachtung des rechtlichen Gehörs zum einen mit der Gefahr, der die Parteien ähnlich wie in einem Schiedsverfahren ausgesetzt seien, Rechts- und Vermögensnachteile zu erleiden und zum anderen mit der Zielrichtung des Schiedsgutachtens ein sachlich richtiges Ergebnis hervorzubringen begründet,201 kann nicht überzeugen. Um die Gewährung des rechtlichen Gehörs zu begründen, stellt auch diese Meinung das Schiedsgutachten mit der Schiedsgerichtsbarkeit letztendlich gleich. Dabei unterliegt die Meinung der gleichen optischen Täuschung wie die Vertreter der prozessrechtlichen Theorie. Das Schiedsgutachten entspricht nämlich nicht der Schiedsgerichtsbarkeit und wie diese Meinung selbst zu Recht feststellt, ist das rechtliche Gehör seit langem ein anerkannter Grundsatz des Prozessrechts,202 nicht jedoch des materiellen Rechts. Eine einfache, rein äußerliche Ähnlichkeit jedenfalls genügt nicht, um die Grundsätze des Prozessrechts auch auf das materielle Recht zu übertragen. 198
Siehe oben unter 2. Kapitel B. V. 3. a). Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 1 GG Rn. 53. 200 Siehe etwa BVerfG, Urt. v. 12. 12. 2000 – 1 BvR 1762/95 u. 1787/95, NJW 591, 592; BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 1998 – 1 BvL 15 – 87, NJW 1998, 1475, 1476; MüKo/Roth/Schubert, § 242 BGB Rn. 56; Dürig, FS Nawiasky, 1956, S. 157 ff.; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 210; Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 1 Abs. 3 GG Rn. 59 ff.; Sodan/Sodan, Art. 1 Vorb. Rn. 24; Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 4 ff., 36; für eine unmittelbare Wirkung etwa Hager, JZ 1994, 373, 383. 201 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 130 ff., ähnlich auch Nicklisch, FS Bülow, S. 159, 174 f. 202 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 130. 199
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c) Lösungsansatz unter Berücksichtigung der Vertragsgerechtigkeit Die eine Frage lautet, ob und welcher Verfahrensgarantien es für die Vertragsarbitrage bedarf. Die andere Frage lautet, worauf man solche Verfahrensgarantien dogmatisch stützen kann. Meines Erachtens ist die Lösung, ob der Dritte bei der Durchführung eines Vertragsarbitrageverfahrens gewisse Verfahrensgrundsätze zu beachten hat, in den die Vertragsarbitrage tragenden Prinzipien der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit sowie der Vertragsgerechtigkeit zu suchen. Die Vertragsfreiheit gewährt den Parteien zwar große Freiheiten in der Ausgestaltung ihres Vertrags, zur Eingehung eines Vertrags ist es jedoch auch von Nöten, dass sich die eingehenden Parteien aneinander binden und so durch Ausübung ihrer Vertragsfreiheit auf diese verzichten.203 Denn nur, wenn Verträge auch erfüllt werden und eine verlässliche Handlungsgrundlage bilden, lohnt es sich diese einzugehen.204 Vertragsfreiheit und Vertragstreue bedingen dementsprechend einander und bilden ein Spannungsfeld. Fraglich ist, ob dieses Spannungsfeld auch eine Vertragsgerechtigkeit generieren kann [aa)], und ob die Vertragsgerechtigkeit geeignet ist als dogmatische Stütze für die Notwendigkeit von Verfahrensgarantien bei der Durchführung eines Vertragsarbitrageverfahrens zu dienen [bb)]. Schließlich ist zu untersuchen, welche Verfahrensgarantien aus der Vertragsarbitrage ableitbar sind [cc)]. aa) Vertragsgerechtigkeit und Vertragsarbitrage Eine mit dem Vertrag und der Ausübung der Privatautonomie verbundene und viel diskutierte Frage ist die der Vertragsgerechtigkeit.205 Die §§ 134, 138, 242 und 319 BGB (ggf. analog) stellen zwar als solches für die Vertragsarbitrage eine profunde Basis für eine inhaltliche Überprüfbarkeit der Drittentscheidung dar, jedoch ist eine rein inhaltliche Überprüfung des vereinbarten Vertrags meist mit Schwierigkeiten behaftet, denn es gilt zunächst überhaupt festzustellen, was als „offenbar unbillig“ anzusehen ist.206 Das Gleiche gilt zum Beispiel auch für die Begriffe der „guten Sitten“ in § 138 Abs. 1 BGB und von „Treu und Glauben“ aus § 242 BGB. Dass dem Zivilrecht neben inhaltlichen aber auch prozedurale Gerechtigkeitsvorstellungen bekannt sind, zeigt § 138 Abs. 2 BGB.207 § 138 Abs. 2 BGB stellt nicht nur auf die inhaltliche Unausgewogenheit in Form eines „auffälligen Missverhältnisses“ ab, sondern fordert zusätzlich eine „Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willens-
203 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 279; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 102. 204 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 279; vgl. auch F. Bydlinski, Privatautonomie, S. 66 ff. 205 Exemplarisch: Canaris, AcP 200 (2000), 273 ff.; Raiser, JZ 1958, 1 ff. 206 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 286. 207 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 280, 287 f.
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schwäche“ des anderen Teils.208 Bei der Frage der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts gemäß § 138 Abs. 2 BGB ergänzen sich folglich inhaltliche und prozedurale Gerechtigkeitsvorstellungen. Weiterhin zeigen die §§ 119 und 123 BGB allgemein, dass es bei der Beurteilung der Frage, ob der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag Bestand haben soll, nicht nur auf inhaltliche, sondern auch auf rein äußerliche Aspekte ankommen kann.209 Die §§ 119 und 123 BGB stellen allein auf die Entscheidungsfreiheit der Parteien ab und nicht auf den Inhalt des Vertrags.210 § 318 Abs. 2 BGB, der auf die §§ 119 und 123 BGB verweist, zeigt, dass eine solche Sichtweise auch bei der schuldrechtlich bindenden Drittbestimmung existiert. Es kommt allein darauf an, ob der Dritte in seiner Entscheidungsfreiheit gestört war, nicht auf den Inhalt seiner Entscheidung.211 Die Entscheidungsfreiheit ist gestört, wenn er bei der Abgabe seiner Entscheidung einem Irrtum unterlag, bedroht oder arglistig getäuscht worden ist. Ob ein Vertrag in einem ungerechten Prozess zustande kam, lässt sich auch einfacher bestimmen, als auf die materielle Gerechtigkeit des Vertrags abzustellen, etwa zu entscheiden, ob der Vertrag unbillig ist oder gegen die guten Sitten verstößt. Das gilt auch für eine Überprüfung der materiellen Gerechtigkeit wie sie von Vertretern der laesio enormis postuliert212 wird. Nach den Vertretern der laesio enormis ist ein Vertrag materiell gerecht, wenn Austauschgerechtigkeit herrscht, wenn also Leistung und Gegenleistung gleich sind.213 Dass sich die Beurteilung der inhaltlichen Gerechtigkeit eines Vertrags als schwierig erweist, verwundert nicht, wenn man sich vor Augen hält, dass das Prinzip der inhaltlichen Beurteilung diametral zum Prinzip der Vertragsfreiheit verläuft, das doch eines der tragenden unserer Zivilrechtsordnung ist. Auf das Beispiel des gerechten Preises zugespitzt bedeutet das, dass es schwierig ist zu beurteilen, wann genau ein Preis gerecht ist. Jede Vertragspartei wird versucht sein, den für sich besten, das heißt gerechten Preis zu erzielen und darf dies im Sinne der Vertragsfreiheit auch. Hier eine schlüssige Grenze zu setzen erscheint ungleich schwerer, als Vorgaben zum Prozess der Vertragsbildung aufzustellen. Es zeigt sich außerdem, dass prozedurale Vorgaben bei der Vertragsbildung viel weniger in die (Vertrags-) Freiheit des Bürgers eingreifen, als inhaltliche.214 Sind dem materiellen Zivilrecht prozedurale Aspekte nicht fremd, lässt sich nun mit Blick auf die von Schmidt-Rimpler entwickelte Lehre von der Richtigkeitsge208
Canaris, AcP 200 (2000), 273, 280, 288. Canaris, AcP 200 (2000), 273, 280, 281. 210 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 280, 281; ders., in: Neuner/Grigoleit, Gesammelte Schriften, Band 3, S. 35, 69. 211 Staudinger/Rieble, § 318 BGB Rn. 11. 212 Jüngst etwa, Bergmann, Die Rechtsfolgen des ungerechten Vertrages; Bork, JZ 2001, 1138, 1139; siehe auch Finkenauer, FS Westermann, S. 183 ff.; Mayer-Maly, FS Larenz, S. 395 ff. 213 Bergmann, Die Rechtsfolgen des ungerechten Vertrages, 2 f. 214 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 280, 286. 209
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währ des Vertragsmechanismus215 darauf hinweisen, dass auch die Vertragsgerechtigkeit vor allem einen prozeduralen Charakter hat.216 Nach der Lehre SchmidtRimplers sei die Vertragsgerechtigkeit vor allem dadurch gewährleistet, dass sich zwei verschiedene Interessen gegenüber stünden, die aber im Willen einig seien: „Selbst bei ungünstigen Rechtsfolgen ist daher die Richtigkeit erst dann im bestmöglichen Sinne gewährleistet, wenn auch der sie will, dessen Vorteil dem Nachteil des anderen entspricht. Er wird sich im Zweifel nichts aufbürden, was er nicht braucht. (…) Daraus ergibt sich, dass auch bei den für einen Rechtsgenossen ungünstigen Rechtsfolgen nicht nur an seinen Willen, sondern auch an den Willen dessen, der durch den Nachteil des ersten einen Vorteil erlangen soll, angeknüpft werden muss.“217 Hiernach kommt es bei der Beurteilung der Vertragsgerechtigkeit vor allem auf den Prozess des Aushandelns an, der Ansatz stellt demnach das Verfahren der Vertragsbildung selbst in den Vordergrund.218 Da die Vertragsfreiheit in der heutigen von wirtschaftlichen und sozialen Zwängen geprägten Zeit meist nur noch auf dem Papier existiere, wurde die von Schmidt-Rimpler vertretene These kritisiert und teilweise zurückgewiesen.219 Ein wahrer Kerngehalt kann ihr hier jedoch nicht abgesprochen werden,220 dass nämlich das Verfahren des Aushandelns von Bedeutung für die inhaltliche Gerechtigkeit des Vertrags sein kann. Dass ein ungerechtes Verfahren auch eher ungerechte Verträge hervorbringt, darin ist den Kritikern zuzustimmen. Aber genauso vermag die prozedurale Vertragsgerechtigkeit die materielle zu fördern221 und sie ist auch grundsätzlich zu fordern.222 215
Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 132 ff.; ders., FS Raiser, S. 4 ff. Canaris, in: Neuner/Grigoleit (Hrsg.), Gesammelte Schriften, Band 3, S. 35, 72; ders., AcP 200 (2000), 273, 283 f.; ders., FS Lerche, S. 873, 883. 217 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 152. 218 Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 134. 219 Statt aller Canaris, AcP 200 (2000), 273, 284; ders., FS Lerche, S. 873, 883; ders., in: Neuner/Grigoleit (Hrsg.), Gesammelte Schriften, Bd. 3, S. 35, 71 ff.; Singer, JZ 1995, 1133, 1137 ff.; ders., Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, S. 9 ff.; F. Bydlinski, Privatautonomie, S. 62 f.; Flume, FS Deutscher Juristentag I, S. 135, 142; Raiser, FS Deutscher Juristentag I, S. 101, 118 f.; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 79 ff. siehe aber auch Schmidt-Rimpler, FS Raiser, S. 4, 6 f., worin er selbst einschränkend erklärt, dass eine Richtigkeitsgewähr nur unter bestimmten Voraussetzungen vorhanden sei; zustimmend etwa Lieb, AcP 178 (1978), 196, 206; Mestmäcker, JZ 1964, 441; Habersack, AcP 189 (1989), 403, 406 ff.; ders., Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 42 ff.; Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 14 ff.; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 137; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S. 67 ff. 220 Siehe auch Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 134; Canaris, FS Lerche, S. 873, 884; ders., AcP 200 (2000), 273, 284; grundlegend auch Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S. 101 ff. 221 Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 136; Canaris, AcP 200 (2000), 273, 286; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 375 ff. 222 Raiser, FS Deutscher Juristentag I, S. 101, 118 f.; Flume, FS Deutscher Juristentag I, S. 135, 142 f.; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, etwa S. 45.; Canaris, FS Lerche, S. 873, 883 f.; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessen216
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Es lässt sich also sagen, dass die Vertragsgerechtigkeit auf dem freien Willen der Parteien und auf dem Satz volenti non fit iniuria223 beruht.224 Wenn etwa eine Partei aus freien Stücken ein für sie ungünstiges Geschäft eingeht, fällt es schwer das Geschäft als inhaltlich unangemessen zu bewerten, weil das Geschäft von dem Willen der Parteien in vollem Umfang getragen wird.225 Für das Geschäft mag es gewisse Gründe geben, deren Beurteilung nicht die vornehmliche Aufgabe der Privatrechtsordnung ist.226 Ebenso folgt das BVerfG diesem Verständnis von der Privatautonomie grundsätzlich, wenn es ausführt: „Im Vertragsrecht ergibt sich der sachgerechte Interessenausgleich aus den übereinstimmenden Willen der Vertragspartner. Beide binden sich und nehmen damit zugleich ihre individuelle Handlungsfreiheit war. Hat einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, daß er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung (…). Allerdings kann die Rechtsordnung nicht für alle Situationen Vorsorge treffen, in denen das Verhandlungsgleichgewicht mehr oder weniger beeinträchtigt ist. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit darf ein Vertrag nicht bei jeder Störung des Verhandlungsgleichgewichts nachträglich in Frage gestellt werden.“227 Festzuhalten ist also, dass das Aushandeln eines Vertrags von zwei ebenbürtigen, das heißt prozedural gleichgestellten, Parteien die materielle Vertragsgerechtigkeit fördert und die prozedurale Vertragsgerechtigkeit daher grundsätzlich einzufordern ist. bb) Prozedurale Gerechtigkeitsvorstellungen in der Vertragsarbitrage Verglichen mit der zumeist ins Auge gefassten Situation, nämlich des Aushandelns des Vertrags von zwei sich gegenüberstehenden Parteien, erscheint die Situation der Vertragsarbitrage noch einmal ungleich anfälliger für das Entstehen von materiellen Vertragsungerechtigkeiten, weil hier einseitig von einem Dritten der Inhalt des Vertrags bestimmt wird. Das Ergebnis als solches unterscheidet sich dagegen nicht von einem Vertrag, den zwei Parteien ausgehandelt haben: in beiden Fällen wird der Inhalt des Vertrages festgelegt.228 Der Vertragsmechanismus mit ausgleich, S. 70; kritisch: Zöller, AcP 196 (1996), 1, 15 ff.; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 91 ff. 223 Zur Herkunft dieses Grundsatzes und seiner Bedeutung als Gerechtigkeitsprinzip, Ohly, Die Einwilligung im Privatrecht, S. 25 ff., 63 ff. 224 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 284, ders., in: Neuner/Grigoleit (Hrsg.), Gesammelte Schriften, Band 3, S. 35, 69. 225 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 284; vgl. auch Bergmann, Die Rechtsfolgen des ungerechten Vertrages, S. 15 f. 226 Honsell, FS Mayer-Maly, S. 287, 298; Canaris, AcP 200 (2000), 273, 284. 227 BVerfG, 19. 10. 1993 – 1 BvR 567 u. 1044/89, JZ 1994, 408, 409. 228 Es ist Joussen zumindest darin zuzustimmen, dass der Dritte bei Annahme seiner Neutralität und Unabhängigkeit, die prozessuale Vertragsgerechtigkeit garantieren kann. Die
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seiner Richtigkeitsgewähr aber, nämlich das gegenseitige freie Aushandeln des Vertrages und die Willenseinigung in seiner konkreten Form, sind bei der Vertragsarbitrage nur in abgeschwächter Form vorhanden.229 Bei der Untersuchung der Vertragsgerechtigkeit in der Vertragsarbitrage sind zwei Zeitpunkte deutlich zu unterscheiden, erstens der des Aushandelns der Vertragsarbitrageklausel und zweitens der der Entscheidung durch den Dritten, das heißt die Vertragsarbitrageentscheidung selbst. In der Vertragsarbitrageklausel ist der Akt der Delegation der Privatautonomie angelegt und die Vertragsarbitrageklausel ist auch der Ort um einen Modus für die Nominierung des Dritten und den Gang des Verfahrens festzulegen. Diese Vereinbarung ist unter dem hier interessierenden Gesichtspunkt der prozeduralen Vertragsgerechtigkeit der Vertragsarbitrage zunächst weniger relevant. Zwar kann bereits beim Aushandeln der Klausel die Vertragsparität gestört sein, Besonderheiten zu einem „klassischen“ Vertrag ergeben sich insofern aber nicht, denn auch hier stehen sich zunächst zwei Parteien bei der Vertragsbildung gegenüber. Der zweite Akt, das heißt die Entscheidung des Dritten, ist dagegen ungleich anfälliger für das Entstehen von Vertragsungerechtigkeiten. Zum Zeitpunkt der Entscheidung ist der Vertragsmechanismus „verdünnt“ oder auch „verwässert“230, denn hier entscheidet sich der spezifische Inhalt des Vertrags, ohne dass den Parteien eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt verbleibt. Die Parteien stehen sich nun nicht mehr mit ihren gegenseitigen Interessen gegenüber, sondern haben ihre Privatautonomie auf einen Dritten delegiert, der unilateral den Vertragsinhalt festlegt. Eine prozedurale Kontrolle der materiellen Vertragsgerechtigkeit findet nicht mehr statt. Eine Meinung in der Literatur dagegen begnügt sich in Bezug auf die Richtigkeitsgewähr des Vertrages allein auf den Delegationsakt der Parteien, das heißt auf das freiwillige „Unterworfensein“ und damit auf den hier sogenannten ersten Akt einer Vertragsarbitrage.231 Die Parteien werden den Dritten zwar in der Regel gemeinsam bestimmen, dies allein ist allerdings noch keine Gewähr für eine prozedurale Vertragsgerechtigkeit,232 denn bei seiner eigentlichen Aufgabe, der Inhaltsbestimmung des Vertrags, ist der Dritte im Zweifel zu billigem Ermessen ermächtigt Unabhängigkeit des Dritten ergibt sich aber nicht ohne Weiteres aus den §§ 317 – 319 BGB. Auch ist fraglich, ob allein die Unabhängigkeit des Dritten genügt oder ob nicht noch weitere Voraussetzungen aufzustellen sind, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 138, siehe auch S. 129; wie Joussen im Prinzip auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 117 ff. 229 So auch Larenz in Bezug auf § 315 f. BGB, Schuldrecht I, § 6 II a), S. 80 f.; vgl. auch Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 66 ff., 83 ff.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 680; Martens, AcP 177 (1977), 113, 171 ff.; zu Verträgen zu Lasten Dritter und CoesterWaltjen, AcP 190 (1990), 1, 15 ff., in Bezug auf AGB; a.A. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 117 ff. 230 Vgl. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 114. 231 Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 117 ff. 232 A.A. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 114.
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und die Entscheidung erst bei offenbarer Unbilligkeit unverbindlich. Dem Dritten kann sogar eingeräumt werden nach freiem Belieben zu entscheiden. Es genügt nicht, wenn die prozedurale Vertragsgerechtigkeit beim Akt der Delegation der Privatautonomie vorliegt, sondern sie muss bei der Entscheidung des Dritten auch (noch) vorliegen. Ein zunächst unparteiischer Obmann kann sich beispielsweise zwischen Ernennung und Entscheidung, eventuell unter Einflussnahme einer Partei, noch zu einem parteiischen entwickeln. Auch Schmidt-Rimpler knüpfte bei einseitigen Willenserklärungen die Vertragsgerechtigkeit nicht nur an den Willen der Parteien, sondern verlangt darüber hinaus weitere Richtigkeitsvoraussetzungen, wie zum Beispiel bei der Kündigung die Kündigungsfrist und den Kündigungsgrund.233 Die Willenseinigung läge dagegen nicht in der einseitigen Willenserklärung, also der Ausübung des Gestaltungsrechts, sondern in der vorherigen Vereinbarung der Parteien einseitige Erklärungen unter bestimmten Umständen gegen sich gelten zu lassen.234 Überträgt man diese Gedanken der Vertragsgerechtigkeit auf die Vertragsarbitrage und insbesondere auf die Vertragsarbitrageentscheidung, müssen auch für diese, neben dem ausdrücklichen Willen der Parteien sich der Entscheidung des Dritten unterwerfen zu wollen, weitere Richtigkeitsvoraussetzungen prozeduraler Natur aufgestellt werden. Dieser Ansatz kann allerdings zunächst nur belegen, dass an die Vertragsarbitrageentscheidung auch prozedurale Anforderungen zu stellen sind, um das Gleichgewicht der Parteien auch hier zu gewährleisten. Welche das konkret sein sollen, bleibt eine weitere Auslegungs- und Abwägungsfrage, die es näher zu untersuchen gilt. cc) Gebot der Gleichbehandlung Zu beachten ist bei dieser Auslegungs- und Abwägungsfrage, dass es sich bei der Vertragsarbitrage nicht um den klassischen Fall eines bipolaren Rechtsverhältnisses handelt, sondern um ein tripolares. Es ist also ein Dritter, dem die originär den Parteien zustehende Privatautonomie übertragen wird und der sie für die Parteien ausübt.235 Das heißt, dass ein Dritter für beide Vertragsparteien schuldrechtlich verbindlich handelt.236 Bei den Erwägungen zu den weiteren Richtigkeitsvoraussetzungen muss es also darum gehen, das Kräftegleichgewicht beider Vertragsparteien trotz Abgabe der Privatautonomie weiterhin zu gewährleisten. Im Wege der Auslegung haben Teile der Lehre bereits nachgewiesen, dass der Dritte im Zweifel 233
Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 153. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 154; siehe auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 122, der das Drittbestimmungsrecht in „funktionaler Nähe“ zum Gestaltungsrecht sieht. Zum Gestaltungsrecht und der Drittbestimmung auch Joussen, AcP 203 (2003), S. 429. 235 Kleinschmidt, spricht insoweit von einer Delegation der Privatautonomie auf den Dritten, S. 113. 236 Joussen, AcP 203 (2003), 429, 458 ff. 234
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unabhängig und unparteilich sein soll.237 Dies deckt sich mit dem hier dargestellten Befund, dass es, neben der Verabredung der Drittbestimmung, weiterer Richtigkeitsvoraussetzungen bedarf. Weiterhin drängt sich die Annahme einer Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs für die Wahrung des Kräftegleichgewichts der Parteien und damit die Richtigkeitsgewähr des Vertrags auf. Aus der Systematik des Gesetzes und dem Wortlaut ist diese Verpflichtung aber zunächst nicht zu entnehmen.238 Miteinzubeziehen ist außerdem, dass das Aufstellen von Verfahrensgrundsätzen die Vertragsarbitrage verlangsamt und kostenintensiver werden lässt.239 Damit wird sie unattraktiver und nähert sich der Schiedsgerichtsbarkeit an, sodass ihr Bedarf entfällt. Besonders die niedrigen formellen Anforderungen und ihre Flexibilität unterscheiden sie von der Schiedsgerichtsbarkeit. Auch wäre der Nutzen vom rechtlichen Gehör bei vielen Verfahren gering, etwa wenn es um die Beurteilung von rein technischen oder auch qualitativen Fragen geht.240 Zwar ist grundsätzlich die Notwendigkeit der Gewährleistung rechtlichen Gehörs damit zu verneinen, der Dritte könnte zur Wahrung des Kräftegleichgewichts der Parteien aber dazu verpflichtet sein beide Parteien gleich zu behandeln.241 Grundlage der Vertragsgerechtigkeit bildet die formal, also prozedural, gleiche Beteiligung der Vertragsparteien.242 Die Gleichheit ist wesentlicher Teil der Gerechtigkeit.243 Gewährt der Dritte einer Partei rechtliches Gehör, so muss er also auch der anderen Partei die Möglichkeit geben sich im gleichen Umfang zu äußern. Das Gleichbehandlungsgebot liefert in der Folge auch den Maßstab für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten.244 Für die Unparteilichkeit wurde bereits festgestellt, dass diese vorliegt, wenn der Dritte zu den Parteien den gleichen gedanklichen Abstand einhält.245 Um als unabhängig im Rahmen eines Vertragsarbitrageverfahrens zu gelten, muss der Dritte zu den Parteien die gleiche objektive 237
Siehe oben unter 2. Kapitel B. V. 1. Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 77. 239 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 678; Gleiss/Bechtold, BB 1973, 886, 872. 240 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 678; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 IV 8, S. 304. 241 Vgl. OLG Celle, Urt. v. 26. 1. 1995 – 14 U 48/94, BauR 1995, 556, 557; vgl. dazu auch Honsell, FS Mayer-Maly, S. 287, 294, nachdem der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht nur dann bestehe, wenn es einen übergeordneten Dritten gebe, siehe aber auch S. 298 f.; zum Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, siehe Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, S. 2 ff.; Raiser, ZHR 111 (1947), 75 ff.; Wolf, FS Raiser, S. 597. 242 Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, S. 40. 243 Radbruch, Vorschule der Rechtsphilosophie, S. 24; Del Vecchio, Die Gerechtigkeit, S. 55 ff., 87 f.; Engisch, Auf der Suche der Gerechtigkeit, S. 151 f., 157; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 352 ff. 244 Elsing, ZVglR 114 (2015), 568, 585; vgl. auch BeckOK/Gehrlein, § 317 BGB Rn. 10; siehe dazu auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 543, der allerdings das Gebot der Gleichbehandlung unter das der Neutralität ordnet. 245 Siehe oben unter 2. Kapitel B. V. 238
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Beziehung haben.246 Hat er keinerlei Beziehung zu den Parteien, ist diese Voraussetzung natürlich gewahrt. Genauso ist aber auch vorstellbar, dass alle Beteiligten Mitglieder des gleichen Warenverbunds sind und seit längerem in vergleichbarem geschäftlichen Kontakt stehen. Selbst dann wäre der erforderliche Grad an Unabhängigkeit zu den Parteien eingehalten. dd) Weitere Argumente für die Annahme eines Gleichheitsgebots Für ein Gebot der Gleichbehandlung der Parteien durch den Dritten innerhalb der Vertragsarbitrage sprechen noch weitere Argumente. Im Übrigen zeigt zum Beispiel § 317 Abs. 1 BGB, der im Zweifel einen Entscheid nach billigem Ermessen anordnet, dass sich auch im geschriebenen Recht eine Grundlage für das Gebot zur Gleichbehandlung befindet. Bei einer Entscheidung nach Billigkeit stellt die Gleichbehandlung der Parteien einen Schlüssel zu einer gerechten Entscheidung dar.247 Billigkeit ist nämlich die Gerechtigkeit des Einzelfalls248 und die Gleichheit ist wiederum wesentlicher Teil der Gerechtigkeit.249 Billigkeit und Gleichheit bilden somit ein miteinander verschränktes Begriffspaar. Es ist allerdings durchaus vorstellbar, dass die Parteien ein Verfahren erstreben, bei dem eine Partei bessergestellt werden soll als die andere, etwa weil tatsächlich ein Kräfteungleichgewicht herrscht, dass durch das Verfahren ausgeglichen werden soll. Eine solche Verfahrensgestaltung ist mit den Mitteln der Vertragsarbitrage, beziehungsweise der Privatautonomie genauso möglich. Ein solches Verfahren müsste dann aber ausdrücklich vereinbart sein. Das Gebot der Gleichbehandlung der Parteien ist somit nur ein Gebot, das im Zweifelsfall in die Parteivereinbarung hineinzulesen ist. Weiterhin spricht die Rechtsprechung von einem „einseitigen“ Gutachten, wenn der Dritte das Gutachten nur auf Grund der Information einer Seite erstellt habe und auch nur mit einer Partei in Kontakt getreten sei.250 Diese Bezeichnung ist zutreffend, weil die Bezeichnung mehr beinhaltet als nur die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten. Die Bezeichnung eines „einseitigen“ Gutachtens bezieht sich auf eine grundsätzliche Gleichbehandlung der Parteien bezüglich aller Gesichtspunkte des Verfahrens. Tatsächlich ist in der Folge anzunehmen, dass ein Verfahren, bei dem 246
Zum herkömmlichen Verständnis von Unabhängigkeit siehe oben unter 2. Kapitel B. V. Schulze, FS Kaissis, S. 875, 877; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 24; Radbruch, Vorschule der Rechtsphilosophie, S. 25; zum Begriff der Gerechtigkeit, siehe Honsell, FS Mayer-Maly, S. 287 ff.; Tsatsos, FS Larenz, S. 649 ff. 248 BGH, Urt. v. 19. 1. 2001 – V ZR 217/00, NJW 2001, 1930; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 18 m.w.N.; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn 305. 249 Radbruch, Vorschule der Rechtsphilosophie, S. 24; Del Vecchio, Die Gerechtigkeit, S. 55 ff., 87 f.; Engisch, Auf der Suche der Gerechtigkeit, S. 151 f., 157; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 352 ff. 250 BGH, Urteil v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493; BGH, Urteil v. 6. 6. 1994 – II ZR 100/92, NJW-RR 1994, 1314, 1315. 247
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der Dritte die Parteien gleich behandelt, in höchstem Maße geeignet ist, die inhaltliche Vertragsgerechtigkeit und Qualität der Entscheidung zu fördern.251 Festzuhalten ist also, dass der Dritte die Parteien im Zweifel gleich zu behandeln hat. In Bezug auf die im Zweifel von den Parteien gewollte Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten heißt Gleichheit, dass der Dritte zu den Parteien die jeweils gleiche objektive Beziehung und subjektive Distanz hält. In Bezug auf das rechtliche Gehör heißt das, dass er beiden Parteien in gleichem Umfang rechtliches Gehör zu gewähren hat, wobei dieses auch auf null reduziert sein kann.
C. Richterliche Ersatzbestimmung gemäß § 319 Abs. 1 S. 2 BGB Von großer Relevanz für das Verfahren der Vertragsarbitrage ist die gemäß § 319 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmte richterliche Ersatzbefugnis bei ungültigen oder unterbliebenen Entscheidungen des Dritten. Die Rechtsprechung hat den Anwendungsfall von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB erheblich erweitert, sodass zunächst der Anwendungsbereich der Norm zu untersuchen ist (I.). § 319 Abs. 1 S. 2 BGB beugt dem Stillstand vor, der entstehen würde, wenn eine Entscheidung des Dritten ausbleibt oder nicht verbindlich ist. Dabei stellt die Norm eine Abweichung von dem Prinzip dar, dass grundsätzlich die Parteien den Inhalt ihres Vertrags bestimmen. Die Sinnhaftigkeit einer Abweichung von diesem Prinzip ist daher zu diskutieren (II.). Anschließend stellt sich die Frage, wie die Ersetzungsbefugnis des Richters zu qualifizieren ist (III.), das heißt, ob die Ersetzungsbefugnis eine materiell-rechtliche oder eine prozessuale Bestimmung darstellt.
I. Anwendungsbereich von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB Gemäß § 319 Abs. 1 S. 2 BGB wird die unverbindliche Billigkeitsentscheidung durch ein Urteil des Gerichts ersetzt. Das Gleiche soll gelten, wenn der Dritte die Entscheidung nicht treffen kann oder will oder sie verzögert. Eine parallele Regelung befindet sich in § 84 Abs. 1 VVG. Die Rechtsprechung hat darüber hinaus den Anwendungsbereich des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB im Wege der Analogie großzügig erweitert. So kann der Richter auch eine Ersatzbestimmung vornehmen, wenn eine Partei die Bestimmung des Dritten verzögert252 oder die Parteien sich nicht auf eine 251
Vgl. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 121; Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 138. 252 BGH, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493; BGH, Urt. v. 7. 6. 2011 – II ZR 186/08, NJW-RR 2011, 1059, 1060 f.; BGH, Urt. v. 30. 3. 1979 – V ZR 150/77, NJW 1979, 1543; BGH, Urt. v. 2. 2. 1977 – VIII ZR 271/75, WM 1977, 418; BGH, Urt. v. 17. 3. 1971 – IV ZR 209/69, NJW 1971, 1455, 1456; auch schon RG, Urt. v. 11. 11. 1888 – III 162/87, Bolze,
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Person als Dritten einigen können, auf das Verschulden komme es dabei nicht an.253 Das Gleiche gelte, wenn der Dritte parteiisch war und damit weggefallen ist.254 Der BGH entnimmt der Vorschrift gar den Gedanken, dass die Bestimmung der Leistung immer dann durch das Gericht ersetzt werden soll, „wenn sich die von den Vertragsparteien in erster Linie gewollte Bestimmung durch einen Dritten als nicht durchführbar erweist“.255 Insgesamt ist also davon auszugehen, dass das Gericht eine umfassende Kompetenz zur Ersatzbestimmung besitzt, sobald die von den Parteien vorgesehene Bestimmung scheitert und kein alternativer Weg in ihrem Vertrag vereinbart wurde.256 Der vom BGH angenommenen großzügigen Analogie der Norm auf alle Fälle, in denen sich die von den Parteien gewollte Bestimmung durch einen Dritten als undurchführbar erweist, ist zuzustimmen, denn eine klare Trennlinie in Form eines Wertungsunterschieds oder einer Unähnlichkeit ist zwischen den geregelten Fallgestaltungen und den Fallgestaltungen, auf die der BGH § 319 Abs. 1 S. 2 BGB analog angewandt hat, nicht zu erkennen.257 Tatsächlich ist dem § 319 Abs. 1 S. 2 BGB der Gedanke einer umfassenden Ersatzkompetenz des Gerichts zu entnehmen, wenn sich die Bestimmung des Obmanns als undurchführbar erweist. § 319 Abs. 1 S. 2 BGB ist dagegen unanwendbar, wenn der Dritte seine Kompetenzen überschreitet258 oder wenn der Dritte nach Belieben entscheiden durfte (§ 319 Abs. 2 BGB). Hat der Dritte nach einem strengeren Maßstab als dem des billigen Ermessens zu entschieden, ist § 319 Abs. 1 BGB auf Grundlage des vom BGH geäußerten Rechtsgedankens der universellen Anwendbarkeit des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB wiederum anwendbar.
Bd. 5, Nr. 532; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 227 f.; Müko/ Würdinger, § 319 BGB Rn. 20 ff.; Staudinger/Rieble, § 319 BGB Rn. 20; Palandt/Grüneberg, § 319 BGB Rn. 8. 253 BGH, Urt. v. 12. 1. 2001 – V ZR 372/99, NJW 2001, 1928, 1929; BGH, Urt. v. 14. 7. 1971 – V ZR 54/70, NJW 1971, 1838; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 228 f. 254 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 100/92, NJW-RR 1994, 1314; a.A. Nicklisch, FS Bülow, S. 159, 173, der bei fehlender Unabhängigkeit des Dritten die §§ 315, 316 BGB anwenden möchte. 255 BGH, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493; BGH, Urt. v. 7. 4. 2000 – V ZR 36/99, NJW 2000, 2986, 2987. 256 Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 III 5 c), S. 296; vgl. auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 232 ff.; ders., RabelsZ 76 (2012), 785, 804 f. 257 Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 III 5, S. 296 f.; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 232; mit Kritik an der großzügigen Analogie aber Staudinger/ Rieble, § 317 BGB Rn. 54. 258 Siehe dazu oben 2. Kapitel B. III.
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II. Regelungsgehalt von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB An dieser Stelle ist der beachtliche Regelungsgehalt von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB genauer zu beleuchten. Der Richter wird dazu ermächtigt einen eigentlich gescheiterten Vertrag der Parteien durch Urteil doch noch zum Erfolg zu verhelfen. Wurde hier die Vertragsarbitrage als ein Institut der Privatautonomie dargestellt und die Privatautonomie mit Flume als „das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen“259 definiert, muss nun festgestellt werden, dass über § 319 Abs. 1 S. 2 BGB der Wille des Richters in den Vertrag der Parteien Eingang findet. Nicht die Parteien üben nunmehr die originär ihnen zustehende Privatautonomie aus, sondern der Richter. Die Sinnhaftigkeit einer solchen Norm ist zu hinterfragen, denn es ist erkennbar, dass diese die Parteien benachteiligen kann. 1. Ersetzungsbefugnis bei rechtsbegründenden Entscheidungen und bei rechtsändernden, feststellenden sowie deklatorischen Entscheidungen Originiär ist § 319 Abs. 1 S. 2 BGB nur auf rechtsbegründende Entscheidungen des Dritten anwendbar. Wollen die Vertragsparteien eine bewusst offen gelassene Lücke eines Hauptvertrags schließen, ist es als Ausfluss der Privatautonomie grundsätzlich also Aufgabe der Parteien über die Lücke einig zu werden und nicht Aufgabe des Gerichts diese zu schließen.260 Haben die Parteien einen Dritten bestimmt, der an ihrer Stelle die Lücke im Vertrag schließen soll, wird der Dritte von den Parteien regelmäßig auf Grund besonderen Vertrauens in seine fachliche Kompetenz gewählt worden sein, die durch das Gericht nicht ersetzt werden kann.261 Das Gericht wird in vielen Fällen selbst einen Sachverständigen bestimmen müssen, dem die Parteien unter Umständen aber nicht das gleiche Vertrauen entgegenbringen, wie dem von ihnen bestimmten Dritten oder dessen fachlichen Fähigkeiten sie nicht kennen. Trifft der von den Parteien bestimmte Dritte die Entscheidung aus welchen Gründen auch immer nicht, wäre mit Blick auf den originären Anwendungsbereich von § 319 Abs. 1 BGB auf lediglich rechtsbegründende Entscheidungen des Dritten die eigentlich konsequente Rechtsfolge die Unwirksamkeit des Vertrags. Es besteht kein Grund die Parteien in einen Vertrag zu zwingen, den sie unter diesen veränderten Bedingungen nicht eingegangen wären (siehe § 154 BGB). Diese (konsequente) Rechtsfolge der Unwirksamkeit sieht § 319 Abs. 2 BGB im Übrigen auch für Verträge vor, die nach einer Entscheidung nach Belieben des Dritten geschlossen worden sind. 259 Flume, BGB AT II, S. 1, siehe auch ders., FS Deutscher Juristentag, S. 136 und bereits oben unter 1. Kapitel B. I. 260 Siehe Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 298. 261 Vgl. Mugdan, S. 106 = Motive, S. 193.
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§ 319 Abs. 1 S. 2 BGB ist aber nicht nur auf rechtsbegründende, sondern auch auf rechtsändernde, feststellende und deklatorische Entscheidungen analog anwendbar.262 Eine analoge Anwendung von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB auf alle nicht rechtsbegründenden Entscheidungen des Dritten wurde hier zwar grundsätzlich schon bejaht,263 ist aber vor dem eben beschriebenen Hintergrund nochmals zu hinterfragen. Wendet man die Regelung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB analog auch auf rechtsabändernde, feststellende und deklaratorische Entscheidungen des Dritten an, kann § 319 Abs. 1 S. 2 BGB analog die Parteien daran hindern bei Wegfall des Dritten sogleich ein vollstreckbares (Leistungs-)Urteil über das Hauptrechtsverhältnis zu erstreiten.264 Gemäß § 319 Abs. 1 S. 2 BGB analog ist das Gericht nämlich grundsätzlich gehalten zunächst ein Gestaltungsurteil zu erlassen, dass den schuldrechtlichen Vertrag der Parteien an Stelle des Dritten gestaltet.265 Eine solche analoge Anwendung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB kann ein erheblichen Nachteil für die Partei bedeuten, die durch die Vertragsarbitrageentscheidung einen Anspruch gegenüber der anderen Partei erstreiten wollte. Statt einer schnellen Entscheidung drohen langwierige Gerichtsverfahren, die mit dem Streit beginnen, ob das Gutachten gültig ist, mit einer gestaltenden Entscheidung des Gerichts bei Ungültigkeit der Entscheidung des Dritten fortgesetzt werden und schließlich in einer Klage auf Leistung aus dem Gestaltungsurteil münden. Der BGH sieht das Problem der vorrangigen Gestaltung des Rechtsverhältnisses durch Urteil offenbar auch, löst dieses Problem allerdings pragmatisch, indem er wohl aus prozessökonomischen Gründen sogleich eine Leistungsklage zulässt (sogenannte „verdeckte Gestaltungsklage“).266 2. Diskurs zur Ersetzungsbefugnis und Praxis der Gerichte Der Meinung der Rechtsprechung bei Wegfall des Dritten sogleich eine Leistungsklage zuzulassen, ist in dieser Form nicht zuzustimmen, weil die Gestaltungsbefugnis des Richters mit einer Entscheidung nach billigem Ermessen einhergeht oder anders gesagt, die Billigkeitsentscheidung durch das Gericht wird vom Gesetz nur deshalb erlaubt, weil es sich um eine gestaltende Entscheidung des Gerichts handelt. § 319 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt nämlich, dass das Gericht an Stelle des Dritten die Entscheidung trifft.267 Der Dritte hätte ebenfalls keinen voll262
Vgl. BGH, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493. Siehe 1. Kapitel B. VI. 264 Vgl. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 299; vgl. aber auch G. Wagner, Prozeßverträge, S. 667. 265 Vgl. Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 36. 266 BGH. Urt. v. 7. 4. 2000 – V ZR 36/99, NJW 2000, 2986, 2987; BGH, Urt. v. 30. 3. 1979 – V ZR 150/77, NJW 1979, 1543, 1544; mit Bezug auf § 315 Abs. 3 S. 2 BGB, BGH Urt. v. 24. 11. 1995, NJW 1996, 1054, 1055; siehe auch Palandt/Grüneberg, § 319 BGB Rn. 9; Staudinger/ Rieble, § 319 BGB Rn. 40. 267 Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 36. 263
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streckbaren Titel erlassen können. Der das Gericht anrufenden Partei entsteht durch eine lediglich schuldrechtlich bindende Entscheidung des Gerichts also kein Nachteil. Konsequenter ist es, nur dann sogleich eine Leistungsklage zuzulassen, wenn die Vertragsarbitrageklausel der Parteien dahingehend auszulegen ist, dass im Fall des Scheiterns der Vertragsarbitrage der Klageweg bestritten werden kann.268 Enthält der Vertrag der Parteien keine Ersatzbestimmung eines neuen Dritten im Falle des Scheiterns des ersten Bestimmungsversuchs durch einen Dritten, wäre eine solche Vereinbarung, die den Klageweg nach dem Scheitern sogleich öffnet, eine mögliche Alternative zu der Vereinbarung einer Ersatzbestimmung eines neuen Dritten. Der hier angeführten Kritik an der Regelung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB und ihrer analogen Anwendung auch auf nicht nur rechtsbegründende Entscheidungen, steht aber insgesamt der große Nutzen der Norm gegenüber, der darin besteht, dass die Parteien nicht in die Gefahr eines Stillstands ihrer Vertragsarbitrage geraten.269 Die gerichtliche Kompetenz die Entscheidung des Dritten zu ersetzen, stellt für die Parteien ein stets zur Verfügung stehender Rettungsweg dar, um dem Stillstand zu entkommen und dem Streit ein Ende zu setzen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass so den Parteien die Last genommen wird eine effektive Bestimmung des Dritten vorzunehmen.270 Sind die Parteien erst einmal in die missliche Situation geraten, dass kein Dritter für die Durchführung der Vertragsarbitrage bestimmt ist und auch nicht mehr bestimmt werden kann, hilft ihnen der Verweis, dass sie für die Bestimmung selber hätten sorgen müssen, nicht weiter. Hier bietet die Ersatzentscheidung durch das Gericht einen pragmatischen Ausweg. 3. Zwischenergebnis Insgesamt ist der richterlichen Ersatzentscheidung und damit der analogen Anwendung von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB auf nicht rechtsbegründende Entscheidungen grundsätzlich zuzustimmen. Abzulehnen ist allerdings die Haltung des BGH sogleich eine Klage auf Leistung (versteckte Gestaltungsklage) zuzulassen.
III. Qualifikation der richterlichen Ersatzbestimmung Indessen stellt sich die Frage nach der Qualifikation der Befugnis des Richters eine Ersatzbestimmung zu treffen. Ist dies eine originär materiell-rechtliche oder prozessrechtliche Befugnis? Besonders im Internationalen Privat- und Verfahrens-
268
Vgl. Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 37. Vgl. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 268; siehe auch Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 III 5, S. 296 f. 270 Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 66. 269
D. Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung
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recht wird diese Frage virulent, weil damit unmittelbar die anwendbare Kollisionsnorm und mittelbar das anwendbare Recht verbunden ist.271 Prozessuale Normen sind solche, die das Verfahren vor einem Rechtspflegeorgan zum Gegenstand haben.272 Dabei spielt es keine Rolle, in welchem Gesetz eine Bestimmung aufgenommen wurde. Das BGB enthält genauso Prozessrechtssätze, wie die ZPO materiell-rechtliche Bestimmungen enthält.273 § 319 Abs. 1 S. 2. BGB (ggf. analog) erlaubt es den Parteien, das Gericht anzurufen, wenn die Entscheidung des Dritten keinen Bestand hat und § 319 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. BGB bestimmt dann das Gericht dazu, den Vertrag der Parteien durch Urteil zu ergänzen. Bei § 319 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. BGB handelt es sich mithin um eine Regelung die das Verfahren vor dem Gericht zum Gegenstand hat. Die Regelung ordnet nämlich zunächst einmal überhaupt die Zuständigkeit eines Gerichts an und gibt dann vor, dass dieses den Vertrag durch Urteil zu ergänzen hat, weshalb die Regelung insgesamt eine prozessrechtliche darstellt.274
D. Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung Eine wesentliche Frage betrifft die Durchsetzbarkeit der außergerichtlichen Streitbeilegungsklausel. Denn wenn das Gericht trotz einer solchen Vertragsarbitragevereinbarung ein Verfahren durchführt, ist die Klausel zur außergerichtlichen Streitbeilegung durch ein Vertragsarbitrageverfahren für die das Verfahren einleitende Partei wertlos. Der BGH vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass eine Klage vor Durchführung eines vereinbarten Schiedsgutachtens als „zur Zeit unbegründet“ abzuweisen sei, wenn die beweispflichtige Partei die rechtserhebliche Tatsache nicht durch das Schiedsgutachten nachweisen könne.275 Die Literatur stimmt dem in weiten Teilen zu.276 Insbesondere Vertreter der prozessrechtlichen Theorie wollen dagegen § 1032 271
Siehe dazu unter 4. Kapitel C. Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 24 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 22; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 13; Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 ZPO, Rn. 32; Basedow, in: Schlosser (Hrsg.), Materielles Recht und Prozessrecht, S. 131, 136. 273 Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 ZPO Rn. 33; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 24. 274 Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 27 ff.; vgl. auch Müko/Würdinger, § 319 BGB Rn. 23 („Klagerecht“). 275 BGH, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493; BGH, Urt. v. 7. 6. 2011 – II ZR 186/08, Rn. 13, NJW-RR 2011, 1059, 1060; BGH, Urt. v. 8. 6. 1988 – VIII ZR 105/87, JZ 1988, 1080, 1083. 276 Walchshöfer, FS Schwab, S. 521, 528; Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 122 ff.; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 72 ff.; Staudinger/Rieble, § 319 BGB Rn. 33; MüKo/ Würdinger, § 317 BGB Rn. 26; NK/F. Wagner, § 317 BGB Rn. 22; Erman/Hager, § 317 BGB 272
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
Abs. 1 ZPO (§ 1027a ZPO a.F.) analog auch auf das Schiedsgutachten anwenden.277 G. Wagner hingegen vertritt die Meinung, die Klage sei nicht als „zur Zeit unbegründet“, sondern, wie Schlichtungsvereinbarungen auch, „als zur Zeit unzulässig“ abzuweisen.278 Er begründet dies damit, dass das Schiedsgutachten einen Beweis mit anderen Beweismitteln nicht ausschließe, vielmehr enthalte es, wie die Schlichtungsvereinbarung, einen dilatorischen Klageverzicht der Parteien.279 Bezüglich der unterschiedlichen Ansichten des BGH und G. Wagners ist folgendes anzumerken. Der BGH sieht in der Schiedsgutachtenvereinbarung ein pactum de non petendo, der unter anderem bestimme, die Fälligkeit des Anspruchs gemäß § 271 BGB aufzuschieben und demnach sei die Klage als „zur Zeit unbegründet“ abzuweisen. Die Vereinbarung berühre folglich nach Ansicht des BGH die materielle Rechtslage.280 Demgegenüber kann ein pactum de non petendo auch bedeuten, dass die Parteien einen prozessrechtlichen Klageverzicht vereinbart haben. Die Klage wäre danach als „zur Zeit unzulässig“ abzuweisen.281 Im Einzelfall ist durch Auslegung der Abrede festzustellen, ob die Parteien einen prozessrechtlichen Klageverzicht oder eine materiell-rechtliche Einrede vereinbart haben.282
I. Pactum de non petendo als materiell-rechtliche Einrede oder als prozessrechtlicher Klageverzicht Enthält die Parteivereinbarung keine ausdrückliche Regelung, nimmt der BGH für das Schiedsgutachten eine stillschweigende Vereinbarung an, dass die Parteivereinbarung „(auch) eine Regelung der Leistungszeit im Sinne von § 271 BGB enthält, und zwar dahin gehend, dass die Fälligkeit der Forderung bis zur Vorlage des Gutachtens aufgeschoben wird (…).“283
Rn. 10; Prölss/Martin/Voit, § 84 VVG Rn. 33; Musielak/Voit/Voit, § 1032 ZPO Rn. 2; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 174 Rn. 26. 277 Walter, JZ 1988, 1083, 1084; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 40; nicht ausdrücklich aber im Ergebnis: Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 805, Sieg, VersR 1965, 629, 631; Sachse, ZZP 54 (1929), 409, 429; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, S. 123 Fn. 71. 278 G Wagner, Prozeßverträge, S. 665 f.; so auch Oelsner, Dispute Boards, S. 153 ff.; zur Unterscheidung der beiden Abweisungsgründe, siehe Walchshöfer, FS Schwab, S. 521. 279 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 665 f. 280 BGH, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493; MüKo/Krüger, § 271 BGB Rn. 18. 281 MüKo/Krüger, § 271 BGB Rn. 18. 282 Schulze, Die Naturalobligation, S. 25; MüKo/Krüger, § 271 BGB Rn. 18; grundlegend zum Pactum de non petendo und zur qualifikation des Klagerechts, G.Wagner, Prozeßverträge, S. 391 ff. 283 BGH, Urt. v. 4. 7. 2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492, 493.
D. Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung
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Der Rechtsprechung ist dahingehend zuzustimmen, dass die Parteivereinbarung, wenn nicht ausdrücklich dann zumindest stillschweigend, ein pactum de non petendo enthält, weil die Vertragsarbitragevereinbarung sonst ihren Zweck, den Streit vorrangig außergerichtlich beizulegen, verfehlen würde. Es bleibt die Frage, welche Wirkung ein solches pactum de non petendo nach dem Parteiwillen entfalten soll, wenn eine ausdrückliche Bestimmung fehlt. Für die direkt von § 317 ff. BGB erfassten Fallkonstellationen liegt die Abweisung der Klage als „zur Zeit unbegründet“ zunächst nahe, da in diesen Fällen noch gar keine Forderung entstanden ist.284 Die Annahme eines materiell-rechtlichen pactum de non petendo hat aber bei den übrigen Fallgruppen die missliche Folge, dass die Fälligkeit und damit auch der Anspruch auf Verzugszinsen unter Umständen unnatürlich hinausgezögert würde. Dies wird von den Parteien in der Regel nicht gewollt sein und durch einen prozessrechtlichen Klageverzicht vermieden.285 Gegen eine generelle Annahme einer materiell-rechtlichen Einrede spricht außerdem die Vergleichbarkeit der Vertragsarbitrage mit anderen außergerichtlichen Streitbeilegungsmethoden. Vereinbaren die Parteien eine Mediation, nimmt die Literatur ebenfalls die Vereinbarung eines prozessvertraglichen Klageverzichts an.286 Auch bei der Schlichtung ist dies langjährige Praxis der Rechtsprechung.287 Eine gesonderte Betrachtungsweise der Vertragsarbitrage erscheint wenig konsequent, weil die Parteien, unabhängig von der Wahl des Streitbeilegungsmechanismus, stets das gleiche Ziel verfolgen, nämlich den staatlichen Gerichtsprozess zu vermeiden.288 Sofern die Parteivereinbarung keine ausdrückliche Regelung enthält, ist deshalb in die Vereinbarung ein die Klagbarkeit ausschließendes pactum de non petendo hineinzulesen.289 Diese Vereinbarung stellt eine prozessvertragliche Regelung dar, weil sich die Wirkung der Vereinbarung vor allem in Bezug auf den Prozess entfaltet.290
284
Schulze, Die Naturalobligation, S. 488. Schulze, Die Naturalobligation, S. 486. 286 Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S. 12; Hacke, Der ADR-Vertrag, S. 116 ff. 287 BGH, Urt. v. 29. 10. 2008 – XII ZR 165/06, NJW-RR 2009, 637; BGH, Urt. v. 23. 11. 1983 – VIII ZR 197/82, NJW 1984, 669 f.; BGH, Urt. v. 4. 7. 1977 – II ZR 55/76, NJW 1977, 2263; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 6. 5. 2014 – 5 U 116/13, BeckRS 2014, 09185, Rn. 94; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9. 6. 1986 – 5 U 203/85, NJW-RR 1986, 1061; OLG Celle, Urt. v. 31. 7. 1970 – 2 U 30/70, NJW 1971, 288, 289; siehe im Übrigen BGH, Urt. v. 26. 10. 1994 – IV ZR 310/ 93, NJW-RR 1995, 290, 291. 288 Zum ganzen auch Arntz, Eskalationsklauseln, S. 107 ff.; Berger, FS Schlosser, S. 19, 25 f.; G. Wagner, NJW 2001, 182 ff. 289 § 25 Abs. 1 DIS-AVO sieht eine solche Vereinbarung ausdrücklich vor. 290 Siehe zu den Prozessverträgen Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 66 Rn. 1; Zöller/Greger, Vor § 128 ZPO Rn. 26; Musielak/Voit/Musielak, Einleitung ZPO Rn. 66. 285
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
II. Analoge Anwendbarkeit von § 1032 ZPO Schließlich stellt sich die Frage, ob auf den in der Vertragsarbitrageklausel enthaltenen Klageverzicht § 1032 ZPO analog anzuwenden ist, wie dies die Vertreter einer prozessualen Bindungswirkung des Schiedsgutachtens annehmen, oder ob diese Wirkung vor allem auf die Parteivereinbarung zurückzuführen ist.291 Voraussetzung einer Analogie ist die Analogiefähigkeit der Norm, dass der zu beurteilende Sachverhalt mit den geregelten Fällen vergleichbar ist und eine planwidrige Regelungslücke oder geplante Unvollständigkeit vorliegt.292 § 1032 ZPO soll die Parteien vor abredewidrigen Klageerhebungen schützen und den Vorrang des Schiedsverfahrens wahren.293 Festzuhalten ist, dass den gleichen Schutz auch die Parteien einer Vertragsarbitrage bedürfen und eine gesetzliche Regelung für Vertragsarbitrageverfahren nicht existiert. Für eine analoge Anwendung von § 1032 ZPO spricht außerdem die Vergleichbarkeit der Vertragsarbitrage mit anderen außergerichtlichen Streitbeilegungsmethoden, wie der Schlichtungsvereinbarung. Der BGH hat in einer jüngeren Entscheidung im Zusammenhang mit einer Schlichtungsvereinbarung darauf hingewiesen, dass es sich „wie bei einer Schiedsgerichtsvereinbarung (§ 1032 (…)), um eine von der Bekl. zu erhebende Einrede die die Klagbarkeit vorübergehend ausschließt“ handele.294 Nach Auffassung des BGH hat die Schlichtungsvereinbarung in Bezug auf den Klagbarkeitsausschluss also die gleiche Wirkung wie eine Schiedsabrede. Genauso bestehen aber auch zwischen der Vertragsarbitrageklausel und der Schiedsabrede keine Unterschiede. Beide Vereinbarungen haben zum Ziel den Vorrang der dahinter liegenden Verfahren zu schützen, weshalb einer analogen Anwendung von § 1032 ZPO auf die Vertragsarbitrageklausel zuzustimmen ist.295
E. Abgrenzung der Vertragsarbitrage von der Schiedsgerichtsbarkeit Praktisch hat die Abgrenzung von Vertragsarbitrage und Schiedswesen für die Parteien und den Dritten weitreichende Folgen. Bei einer Vertragsarbitrage erhalten die Parteien kein rechtskräftiges gerichtliches Urteil gemäß § 1055 ZPO, sondern nur eine vertraglich bindende Entscheidung. Dies hat zur Folge, dass diese nicht gemäß §§ 1060, 1061 ZPO anerkannt und vollstreckt werden kann. Auf der anderen Seite ist 291
So wohl G. Wagner, NJW 2001, 182, 183. BGH, Urt. v. 4. 8. 2010 – XII ZR 118/08, NJW 2010, 3087; BGH, Urt. v. 27. 1. 2010 – XII ZR 22/07, NJW 2010, 1065, 1066; BGH, Urt. v. 25. 9. 2009 – V ZR 36/09, NJW 2009, 3644, 3645; Würdinger, AcP 206 (2006), 947, 949. 293 Musielak/Voit/Voit, § 1032 ZPO Rn. 1. 294 BGH, Urt. v. 29. 10. 2008 – XII ZR 165/06, NJW-RR 2009, 637. 295 A.A. etwa Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1032 ZPO Rn. 3. 292
E. Abgrenzung der Vertragsarbitrage von der Schiedsgerichtsbarkeit
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der Dritte nur rudimentär an Verfahrensgrundsätze gebunden. Er hat nach hier vertretener Meinung lediglich den Gleichheitsgrundsatz zu beachten und selbst von diesem kann er durch die Vereinbarung der Parteien befreit werden. Zudem ist auf manchen Rechtsgebieten, wie zum Beispiel dem Arbeitsrecht, die Schiedsgerichtsbarkeit ausgeschlossen296, während dies für die Vertragsarbitrage nicht gilt. Die Literatur betont immer wieder, dass es noch nicht gelungen ist ein ausreichend sicheres Abgrenzungskriterium zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und Vertragsarbitrage herauszuarbeiten.297 Die Grenzen zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und Vertragsarbitrage sind aber nicht, wie teilweise angenommen, fließend,298 sondern einander ausschließend.299 Grundsätzlich kommen verschiedene Abgrenzungskriterien in Frage.
I. Beantwortung strittiger Rechtsfragen als Abgrenzungskriterium Ein mögliches Abgrenzungskriterium könnte der Gegenstand von Rechtsfragen in dem betreffenden Verfahren sein. Demnach wäre immer von einem Schiedsgerichtsverfahren auszugehen, wenn auch Rechtsfragen Gegenstand des Parteienstreits sind.300 Fraglich ist daher zunächst, ob der Obmann berechtigt ist über Rechtsfragen zu entscheiden. Da der Gesetzgeber mit den ZPO-Regeln der Schiedsgerichtsbarkeit ein privat organisiertes Verfahren auch für die Klärung von Rechtsfragen geschaffen hat, könnte man annehmen, dass nur dieses für die Klärung entsprechender Rechtsfragen genutzt werden darf.301 Dafür spräche, dass der Gesetzgeber für diese Verfahren, im Gegensatz zur Vertragsarbitrage, entsprechende Verfahrensgarantien zur Verfügung gestellt hat und er bei der Klärung von Rechtsfragen zumindest diese gewahrt wissen wollte. In diese Richtung argumentiert auch Schlosser, wenn er annimmt, dass zur Regelung von Streitfällen vom Gesetzgeber das Institut der Schiedsgerichtsbarkeit 296 BAG, Urt. v. 20. 1. 2004 – 9 AZR 393/03, NZA 2004, 994; MüKo/Münch, § 1030 ZPO Rn. 33. 297 Joussen, Schlichtung als Leistungsbestimmung, S. 61; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 829; Walter, JZ 1988, 1083, 1084; Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rn. 8. 298 Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1025 ZPO, Rn. 58; MüKo/Würdinger, § 317 BGB Rn. 13. 299 Vgl. auch Oelsner, Dispute Boards, S. 127. 300 RG, Urt. v. 23. 5. 1919 – II 22/10, RGZ 96, 57, 59; OLG Hamburg, Beschl. v. 19. 10. 2015 – 6 SchH 3/15, BeckRS 2015, 20824; Kurth, NJW 1990, 2038, 2040; Buchdahl, Die Rechtsnatur der Schiedsgutachterklausel und des Schiedsgutachtens, S. 5, 33; Kisch, Der Schiedsmann im Versicherungsrecht, S. 6 f. 301 Marsilius, BB 1959, 1015, 1016; vgl. auch Giessen, Der Pre-Arbitral-Referee, S. 80; siehe dazu außerdem die wohl h.M. in Frankreich unter 3. Kapitel B. VI.
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
geschaffen worden ist und deshalb alle bereits entstandenen oder entstehenden Rechtsstreitigkeiten dem Schiedsrecht zuzuordnen seien.302 Dies gelte im Übrigen selbst dann, wenn dem Dritten eine weitgehende Gestaltungsmacht eingeräumt worden sei und er auch rechtsergänzende und rechtsändernde Schiedsgutachten erlassen könne.303 Eine ältere Auffassung304 ging auch noch ohne weitere Begründung davon aus, dass die Übertragung von Rechtsfragen auf den Schiedsgutachter nicht möglich sei.305 Indes ergeben sich aber keine materiell-rechtlichen Gründe, dem Obmann die Entscheidung über Rechtsfragen zu versagen.306 Die Privatautonomie gestattet dies grundsätzlich, weil eine Einschränkung oder ein ausdrückliches Verbot dessen ersichtlich nicht existiert. Außerdem ist eine klare Abgrenzung von Rechts- und Tatsachenfragen nicht immer möglich und in jeder vermeidlich reinen Tatsachenfrage kann auch zugleich eine Rechtsfrage stecken und umgekehrt. Dies zeigt ein vom BGH entschiedener Fall307, indem die Pacht für ein Fabrikgelände bei grundlegender Änderung der Verhältnisse durch einen Dritten angepasst werden sollte. Strittig war, ob der Dritte auch die Kompetenz hatte zu entscheiden, ob sich die Verhältnisse überhaupt grundlegend geändert hatten. Der BGH bejahte dies und führte aus:308 „…, so ist doch jedenfalls seit langem anerkannt, daß sich die Tätigkeit des Schiedsgutachters nicht auf die Ermittlung einzelner Tatbestandsmerkmale zu beschränken braucht, sondern daß ihm auch rechtliche Einordnung übertragen werden kann (…). Es mag sein, daß im Ergebnis die Stellung eines Schiedsgutachters der eines Schiedsrichters sehr ähnlich sein kann. Das ändert aber nichts daran, daß es nicht ausgeschlossen ist, dem Schiedsgutachter auch eine rechtliche Beurteilung zu übertragen, von der die von ihm zu treffende Tatsachenfeststellung in der Weise abhängt, daß diese ohne vorherige Beantwortung der vorgreiflichen Rechtsfrage nicht vorgenommen werden kann.“ Dieser Ansicht ist zuzustimmen, weil zum einen, wie bereits dargelegt, eine Einschränkung der Privatautonomie dem Dritten auch die Beantwortung von Rechtsfragen zu übertragen nicht ersichtlich ist und zum anderen der dargestellte Fall zeigt, dass der Streit um rechtliche Vorfragen geeignet wäre, das gesamte außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren zu blockieren. Die die Vertragsarbitrage einleitende Partei wäre nämlich, bei Annahme eines Verbots dem Obmann auch die Beantwortung von Rechtsfragen zu übertragen, gezwungen zur 302
Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 31. Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 31. 304 Weismann, AcP 72 (1888), 269, 301; Bachmann, Der Schiedsgutachter, S. 72. 305 Kritisch auch Kurth, NJW 1990, 2038; Marsilius, BB 1959, 1015, 1016. 306 BGH, Urt. v. 21. 5. 1975 – VIII ZR 161/73, NJW 1975, 1556; Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 164; Pinckernelle, Die Arbitrageklausel, S. 18; Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 800; Volmer, BB 1984, 1010, 1011; Kasolowsky/Schnabl, SchiedsVZ 2012, 84, 85; siehe auch Bötticher, der dem Dritten sogar eine „normative Funktion“ geben möchte, Gestaltungsrechte und Unterwerfung im Privatrecht, S. 17. 307 BGH, Urt. v. 17. 5. 1967 – VIII ZR 58/66, BGHZ 48, 25. 308 BGH, Urt. v. 17. 5. 1967 – VIII ZR 58/66, BGHZ 48, 25, 30 f. 303
E. Abgrenzung der Vertragsarbitrage von der Schiedsgerichtsbarkeit
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Beantwortung der rechtlichen Vorfrage ein Gericht oder Schiedsgericht anzurufen, was den Zweck der Vertragsarbitrage, unkompliziert, schnell und kostengünstig an eine Entscheidung zu gelangen, vereiteln würde.309 Damit kommt eine Abgrenzung der Vertragsarbitrage vom schiedsgerichtlichen Verfahren allein an Hand des Streits über Rechtsfragen nicht in Betracht.310
II. Abstellen auf einzelne Tatbestandselemente In der Rechtsprechung311 und auch in der Literatur312 wird dagegen zur Abgrenzung der beiden Institute von Schiedsgutachten und Schiedsgerichtsbarkeit teilweise darauf abgestellt, dass der Schiedsgutachter meist nur einzelne Tatsachen oder Rechtsfragen zu entscheiden habe und niemals über einen Rechtsstreit im Ganzen. Ein Schiedsgutachten soll demnach dann vorliegen, wenn die zu entscheidenden Fragen später in einem umfassenden Rechtsstreit eine Rolle spielen können. Dieser Abgrenzungsversuch baut wohl auf der Meinung auf, dass der klassische Schiedsrichter in entsprechender Anwendung von § 256 ZPO nicht einzelne Elemente eines Rechtsstreits feststellen kann, sondern nur im Ganzen das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs. Für einzelne Fragen sei dann der Schiedsgutachter zuständig.313 Nach vorherrschender, hier zuzustimmender, Meinung soll aber auch das Schiedsgericht nur einzelne Elemente des Streits feststellen dürfen, weil die Begrenzung von § 256 Abs. 1 ZPO im Schiedsverfahren nicht gilt.314 § 256 Abs. 1 ZPO bezweckt nämlich die staatliche Justiz als knappe Ressource zu schützen, dieser Zweck entfällt bei privat organisierten Schiedsgerichten. Somit überschneiden sich die Funktionsbereiche von Schiedsgericht und dem Schieds-
309
Vgl. Elsing, ZVglR 114 (2015), 568, 578 f. So auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 785 ff. 311 Etwa BGH, Beschl. v. 18. 12. 2013 – IV ZR 207/13, ZEV 2014, 311, 312; BGH, Urt. v. 17. 5. 1967 – VIII, BGHZ 48, 25, 27; BGH, Urt. v. 25. 6. 1952 – II ZR 104/51, BGHZ 6, 335, 338; OLG Brandenburg, Urt. v. 28. 11. 2013 – 12 U 42/13, NZBau 2014, 230; ROHG, Urteil v. 20. 6. 1871 – 286/71, ROHGE 3, 74, 75. 312 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 103; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 12 IV 5, S. 310; Buchdahl, Die Rechtsnatur der Schiedsgutachterklausel und des Schiedsgutachtens, S. 33; Heinrich, Das Sachverständigenverfahren im Versicherungsrecht, S. 59; Marsilius, BB 1959, 1015 f.; Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 8. 313 So Habscheid zumindest für rechtsbegründende Tatsachen, FS Lehmann II, S. 789, 797; Rauscher, Schiedsgutachtenrecht, S. 175 f.; ausführlich dazu Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 159 ff. 314 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 99, 104; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 790 f., m.w.N.; so auch schon Weismann, AcP 72 (1888), 269, 283. 310
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
gutachten und damit auch der Vertragsarbitrage.315 Damit kommt dem Abgrenzungskriterium ein Vertragsarbitrageverfahren dann anzunehmen, wenn nur einzelne Fragen eines Rechtsstreits zu beantworten sind, allenfalls die Funktion einer Zweifelsfallregelung aber nicht als unumstößlicher Grundsatz zu.316
III. Beachtung des Parteiwillens als Abgrenzungskriterium In der Literatur wird dagegen von vielen für die Abgrenzung auf den Parteiwillen beziehungsweise auf die richterliche Überprüfbarkeit der vom Dritten getroffenen Entscheidung abgestellt.317 Auch die Rechtsprechung bedient sich dieses Abgrenzungskriteriums.318 Demnach kommt es hauptsächlich darauf an, welche Rechtswirkung die Entscheidung des Dritten nach dem Willen der Parteien entfalten sollte. Sollte die Entscheidung letztverbindlich sein, ist von einem Schiedsurteil auszugehen.319 Sollte die Entscheidung des Dritten dagegen noch wenigstens auf grobe Unbilligkeit hin gerichtlich überprüfbar bleiben, ist von einem Schiedsgutachten320 beziehungsweise wäre dann von einer Vertragsarbitrageentscheidung auszugehen. Nach diesem Abgrenzungskriterium wird nur auf die Wirkung der Drittentscheidung, nicht hingegen auf die Aufgabenstellung des Dritten abgestellt.321 Ob der Dritte Tatsachen- oder Rechtsfragen oder einzelne Elemente des Rechtsstreits entscheiden sollte ist demnach unerheblich. Sowohl Schiedsgerichtsbarkeit als auch Schiedsgutachten haben zum Ziel das staatliche Gerichtsverfahren zu vermeiden und beide sind sowohl für das Gericht als auch für die Parteien verbindlich. Ein wesentlicher Unterschied bestehe allerdings in der Art der Bindungswirkung, während beim Schiedsgutachten noch eine inhaltliche Überprüfung in Frage komme, scheide diese für das Schiedsurteil im Wesentlichen aus.322 315 Das stellt auch Kornblum fest und möchte in diesen Fällen auf den Parteiwillen abstellen, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 104. Siehe auch Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 163; Pinckernelle, Die Arbitrageklausel, S. 19. 316 Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 831; Borris, FS Böckstiegel, S. 75, 82; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 ZPO Rn. 27, vgl. auch Volmer, BB 1010, 1011. 317 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 167 ff.; Pinckernelle, Die Arbitrageklausel, S. 21; Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 796; Sessler, in: Böckstiegel/Berger/Bredow (Hrsg.), Schiedsgutachten versus Schiedsgerichtsbarkeit, S. 97, 109; Volmer, BB 1984, 1010, 1011; Oelsner, Dispute Boards, S. 130 f.; Berger, SchiedsVZ 2006, 176, 178; Staudinger/Rieble, § 317 BGB, Rn. 25; Palandt/Grüneberg, § 317 BGB Rn. 8; Erman/Hager, § 317 BGB Rn. 12. 318 BGH, Urt. v. 4. 6. 1981 – III ZR 4/81, WM 1981, 1056; BGH, Urt. v. 25. 6. 1952 – II ZR 104/51, BGHZ 6, 335, 338; OLG Brandenburg, Urt. v. 28. 11. 2013 – 12 U 42/13, NZBau 2014, 230. 319 Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 796 f.; Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 25. 320 Nicklisch, FS Bülow, S. 159, 170; Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 25. 321 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 167; a.A. OLG München, Beschl. v. 23. 12. 2015 – 34 ScH 10/15, BeckRS 2016, 06079. 322 Wittmann, Schiedsgutachtenvertrag, S. 169 f.
E. Abgrenzung der Vertragsarbitrage von der Schiedsgerichtsbarkeit
117
Das Abstellen auf die von den Parteien intendierte Bindungswirkung der Entscheidung erweist sich als das geeignetste Abgrenzungskriterium von Schiedsgerichtsbarkeit und Vertragsarbitrage. Die Bindungswirkung ist das zentrale Kriterium bei der Vertragsarbitrageentscheidung, daher basieren Unterschiede zwischen Vertragsarbitrage und Schiedsgerichtsbarkeit in der Regel auf der unterschiedlichen Bindungswirkung. Die Entscheidung des Obmanns hat nicht die Wirkung eines gerichtlichen Urteils, wie bei Schiedsurteilen gemäß § 1055 ZPO. Auch eine Vollstreckung der Entscheidung gemäß §§ 1060, 1061 ZPO ist nicht möglich. Anderseits sind die Parteien bei der Vertragsarbitrage frei, die Bindungswirkung zu variieren, indem sie etwa nur eine vorläufige Bindungswirkung vereinbaren. Die Abgrenzung anhand der Bindungswirkung der Entscheidung zeigt auch, warum es keinen fließenden Übergang zwischen Vertragsarbitrage und Schiedsgerichtsbarkeit geben kann. Entweder die Entscheidung entfaltet die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils gemäß § 1055 ZPO oder sie entfaltet nur eine schuldrechtliche Bindungswirkung, eine Wirkung, die sich dazwischen bewegt ist nicht denkbar. Zwar erweist sich die Abgrenzung anhand der intendierten Bindungswirkung grundsätzlich als tauglich, häufig drücken sich die Parteien in ihrem Willen jedoch nicht deutlich aus, sodass dann Streit über die intendierte Bindungswirkung herrscht.323 Es obliegt dann dem Gericht die beabsichtigte Bindungswirkung festzustellen. Hier kommt es stets auf den konkreten Einzelfall an.324 Dabei ist die Verfahrensbezeichnung der Parteien nach vorherrschender Meinung nicht entscheidend und hat, wenn überhaupt, nur eine Indizwirkung.325 Auch ist nicht entscheidend, wie das vereinbarte Verfahren der Parteien tatsächlich durchgeführt worden ist, weil das Gericht bei entsprechender Vereinbarung der Parteien über die Einhaltung des Verfahrens zu wachen und nicht umgekehrt aus dem tatsächlich durchgeführten Verfahren auf das Institut der Streitbeilegung zu schließen hat. Ebenso undogmatisch wäre es, wenn das Gericht eine Qualifikation deswegen bevorzugt, weil die außergerichtliche Streitbeilegung (ob Vertragsarbitrage oder schiedsgerichtliches Verfahren) nur hiernach wirksam wäre.326 Das gilt auch für 323 Beispielhaft sei eine mit „Schiedsgerichtsverfahren“ überschriebene und vom OLG Brandenburg zu bewertende Klausel genannt: „Die Vertragsparteien vereinbaren: Bei Streitigkeiten, die die Bauausführung betreffen, wird ein öffentlicher bestellter und vereidigter Bauchsachverständiger/Gutachter zur Entscheidung bestellt. Dessen Feststellungen haben abschließenden und bindenden Charakter. Diese endgültige Entscheidung wird von jeder Partei akzeptiert“, Urt. v. 28. 11. 2013 – 12 U 42/13, NZBau 2014, 230; siehe auch Marsilius, BB 1959, 1015. 324 OLG München, Beschl. v. 23. 12. 2015 – 34 ScH 10/15, BeckRS 2016, 06079, Rn. 10. 325 BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 100/92, NJW-RR 1994, 1314; OLG Brandenburg, Urt. v. 28. 11. 2013 – 12 U 42/13, NZBau 2014, 230, 231; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie, S. 822 ff.; Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 796; Nicklisch, FS Bülow, S. 159, 170; Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 26. 326 So zum italienischen Recht auch Walter, RIW 1982, 693, 698; vgl. aber auch Tribunal cantonal du canton de Vaud, Urt. v. 12. 2. 1957, Rev. crit. Doit intern. Privé 1958, 358, 364 f.; und bei Wenger, Zum obligationsrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, S. 8 ff.
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
Fälle, in denen die Qualifikation in der Annahme offen gelassen würde, dass beides wirksam wäre. Im Zweifelsfall ist im Übrigen von einer Vertragsarbitragevereinbarung auszugehen, weil diese nicht zu einem endgültigen Urteil führt und folglich eine mildere Wirkung als ein Schiedsverfahren entfaltet.327
F. Zusammenfassung und Ergebnis zum deutschen Recht 1. Die Privatautonomie erlaubt es den Parteien, die ihnen zustehende Privatautonomie auf einen Dritten zu übertragen. In der Folge entfaltet die Entscheidung des Dritten für die Parteien eine schuldrechtlich bindende Wirkung.328 Der Begriff der Vertragsarbitrage ist als Oberbegriff für alle Verfahren zu verstehen, die eine schuldrechtlich bindende Drittentscheidung zum Ziel haben. Hierzu gehören das Schiedsgutachten, die Adjudikation, die Qualitätsarbitrage sowie die Verfahren gemäß § 18 Abs. 4 VOB/B und § 84 VVG. Die Vertragsarbitrage selbst beruht allein auf der Privatautonomie, insbesondere auf der Vertragsfreiheit.329 2. Die Vertragsarbitrage besteht aus zu differenzierenden Rechtsfragen wie zum Beispiel der Frage der Wirksamkeit der Entscheidung des Dritten,330 der Ersetzungsbefugnis der Entscheidung des Dritten durch ein Gericht331 und der Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitrageklausel332. Damit zeigt sich, dass der Begriff der Vertragsarbitrage nicht nur ein Sammelbegriff für alle alternativen Streitbeilegungsverfahren ist, die eine schuldrechtlich bindende Entscheidung eines Dritten vorsehen, sondern ein komplexes, sich aus mehreren Rechtssätzen zusammensetzendes rechtliches Gebilde, mithin ein Rechtsinstitut333 darstellt. Die Vertragsarbitrage kann auf alle Streitigkeiten angewendet werden, in denen die Parteien über einen privatautonomen Gestaltungsspielraum verfügen. Die Vertragsarbitrage ist Teil des Kanons der alternativen Streitbeilegungsmethoden, derer sich die Parteien alternativ oder auch kumulativ bedienen können.
327
BGH, Beschl. v. 18. 12. 2013 – IV ZR 207/13, ZEV 2014, 311, 313; BGH, Urt. v. 4. 6. 1981 – III ZR 4/80, WM 1981, 1056, 1058; Habscheid, FS Lehmann II, S. 789, 797; Weismann, AcP 74 (1888), 269, 308; Staudinger/Rieble, § 317 BGB Rn. 26. Müko/Würdinger, § 317 BGB Rn. 12; a.A. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 828. 328 Siehe 1. Kapitel B. I. 329 Siehe 1. Kapitel B. V. 330 Siehe 2. Kapitel B. 331 Siehe 2. Kapitel C. 332 Siehe 2. Kapitel D. 333 Zum Begriff des Rechtsinstituts, Köbler, Juristisches Wörterbuch, S. 380.
F. Zusammenfassung und Ergebnis zum deutschen Recht
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3. Die Vertragsarbitrageklausel gehört, genauso wie der Vergleich und das kausale Schuldanerkenntnis, den Feststellungsverträgen an, die zum Zweck haben Streit oder Ungewissheit über ein anderes Rechtsverhältnis zu beseitigen und die Rechtsbeziehungen der Parteien zu ordnen. Die Vertragsarbitrageklausel ist daher zu definieren als eine Vereinbarung, mit der sich die Parteien verpflichten einen bestehenden oder zukünftigen Streit, eine Ungewissheit oder Unbestimmtheit in Bezug auf ein anderes Rechtsverhältnis einer schuldrechtlich bindenden Entscheidung eines Dritten zu unterwerfen.334 4. Die Wirkung der Vertragsarbitrageentscheidung hängt vom Willen der Parteien und von der tatsächlichen Ausgestaltung der Entscheidung durch den Dritten ab. Die Entscheidung kann rechtsbegründend, rechtsändernd, rechtsergänzend, rechtsvernichtend und deklaratorisch wirken.335 5. Die §§ 317, 318, 319 BGB sind auf solche Vertragsarbitrageverfahren direkt anwendbar, die die Begründung eines schuldrechtlichen Vertrags zum Gegenstand haben. Auf die übrigen Fallgestaltungen, das heißt auf rechtsändernde, rechtsergänzende, rechtsvernichtende und deklaratorisch wirkende Entscheidungen werden die §§ 317, 318, 319 BGB analog angewandt. Von der Analogie auf nicht rechtsbegründende Entscheidungen des Dritten ist § 319 Abs. 2 BGB auszunehmen, da die von § 319 Abs. 2 BGB ausgesprochene Rechtsfolge der Nichtigkeit des Vertrages auf diese Fallgestaltungen unpassend ist und von den Parteien auch nicht gewollt sein wird.336 6. Die herrschende Meinung unterscheidet Schiedsgutachten im weiteren und im engeren Sinne. Der Gruppe der Schiedsgutachten im weiteren Sinne gehörten demnach die rechtsbegründenden und die rechtsabändernden Schiedsgutachten an, während der Gruppe der Schiedsgutachten im engeren Sinne tatsachen- und rechtsfeststellende Schiedsgutachten angehören würden. Auf die Schiedsgutachten im weiteren Sinne seien nach der herrschenden Meinung die §§ 317 ff. BGB direkt und auf die Schiedsgutachten im engeren Sinne analog anwendbar. Diese Fallgruppierung ist unter dem Eindruck des originären Anwendungsbereichs der §§ 317 ff. BGB nur auf rechtsbegründende Entscheidungen und der schweren Abgrenzbarkeit der Fallgruppen aufzugeben. Das Schiedsgutachten ist in der Folge in lediglich zwei Gruppen zu unterteilen, in solche, die ein Rechtsverhältnis erst begründen und in solche, die ein Rechtsverhältnis abändern, ergänzen, vernichten oder deklatorisch feststellen. Als Schiedsgutachten zu bezeichnen sind alle von einem Dritten unter geringen Verfahrensstandards zustande gekommenen schuldrechtlich sofort und endgültig verbindlich wirkenden Entscheidungen zu Einzelfragen.337
334 335 336 337
Siehe 2. Kapitel A. IV. Siehe 2. Kapitel A. IV. Siehe 1. Kapitel B. VI. Siehe 1. Kapitel B. III. 4.
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2. Kap.: Ausgewählte Probleme der Vertragsarbitrage im deutschen Recht
7. Die Parteien können den Entscheidungs- und Überprüfungsmaßstab frei bestimmen. Durch Auslegung der Abrede ist daher festzustellen, welchen Entscheidungs- und Überprüfungsmaßstab die Parteien vereinbart habe. Die dem Dritten übertragbaren Entscheidungsmaßstäbe lauten: Freies Belieben (auch freies Ermessen), Billiges Ermessen und Richtigkeit (auch gebundene Entscheidung). Die entsprechenden Überprüfungsmaßstäbe lauten, wenn nicht anders vereinbart: Die allgemeinen Grenzen der Privatautonomie, Offenbare Unbilligkeit, Offenbare Unrichtigkeit.338 Im Zweifel ist anzunehmen, dass die Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen ist (§ 317 Abs. 1 BGB (ggf. analog)). Hat der Dritte nach billigem Ermessen oder nach Richtigkeit zu entscheiden, muss er alle relevanten Umstände bei der Entscheidung heranziehen und die Entscheidung mit einer Begründung versehen.339 8. Die Frage der Kompetenz des Dritten ist streng von der Frage der materiellen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung zu trennen, weil hiervon abhängig ist, ob der Dritte überhaupt über die Streitfrage entscheiden darf. Handelt der Dritte außerhalb seiner Kompetenz, entfaltet die Entscheidung für die Parteien keinerlei Wirkung. Der Dritte besitzt in der Regel keine Kompetenz-Kompetenz, weshalb die Kompetenzfrage stets gerichtlich überprüfbar ist.340 9. Die Parteien können dem Dritten vorgeben ein bestimmtes Verfahren zu beachten. Unabhängig von der Parteivereinbarung, bestimmte Regeln zu beachten, gilt grundsätzlich, dass der Dritte die Parteien im Zweifel gleich zu behandeln und im Zweifel unabhängig und unparteilich zu sein hat. Dies bedeutet, dass er im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs beiden Parteien im gleichen Umfang Gehör gewähren muss.341 10. Erweist sich die von dem Dritten erlassene Entscheidung als unverbindlich oder hat er keine Entscheidung getroffen, ist das Gericht gemäß § 319 Abs. 1 S. 2 BGB (ggf. analog) befugt die Entscheidung durch eine eigene Entscheidung zu ersetzen. Das Gericht tritt an die Stelle des Dritten, weshalb eine direkte Klage auf Leistung nur bei entsprechender Parteivereinbarung zulässig ist, im Übrigen ist nur eine Gestaltungsklage zulässig. Die Regelung in § 319 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. BGB die Entscheidung des Dritten durch Urteil zu ersetzen ist eine Norm des Prozessrechts.342 11. In jede Vertragsarbitrageklausel ist die prozessvertragliche Vereinbarung eines dilatorischen Klageverzichts hineinzulesen. § 1032 Abs. 1 ZPO ist analog anzuwenden.343 338 339 340 341 342 343
Siehe 2. Kapitel B. II. 1. Siehe 2. Kapitel B. II. 1. c). Siehe 2. Kapitel B. III. Siehe 2. Kapitel B. V. 3. c). Siehe 2. Kapitel C. Siehe 2. Kapitel D.
F. Zusammenfassung und Ergebnis zum deutschen Recht
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12. Die Abgrenzung von Vertragsarbitrage und Schiedsgerichtsbarkeit erfolgt anhand der von den Parteien intendierten Bindungswirkung der Drittentscheidung. Bei der Auslegung der Parteivereinbarung hat die Bezeichnung des Verfahrens lediglich eine Indizwirkung. Eine Vertragsarbitrage liegt vor, wenn die Parteien der Entscheidung des Dritten lediglich schuldrechtliche Wirkung beimessen. Da eine Vertragsarbitrageentscheidung im Vergleich zu einem Schiedsurteil eine mildere Wirkung entfaltet, ist im Zweifel anzunehmen, dass die Parteien eine Vertragsarbitrage vereinbart haben.344
344
Siehe 2. Kapitel E.
3. Kapitel
Aspekte aus dem englischen und französischen Recht A. Englisches Recht1 Auch das englische Recht kennt vertraglich bindende Entscheidungen durch einen Dritten. Sie werden gemeinhin expert determination und adjudication genannt. Zu diesen Verfahren sind zunächst die Grundlagen zu untersuchen (I.), wobei sich anschließend die Fragen stellen, wie die vertraglich bindende Entscheidung des Dritten zu qualifizieren ist (II.) und inwiefern eine solche Entscheidungen gerichtlich überprüft werden können (III.). Danach ist zu untersuchen, welche Folgen eine ungültige Entscheidung für die Parteien hat (IV.), wie eine Parteivereinbarung, den Streit zunächst einer expert determination oder adjudication zu unterziehen, durchzusetzen ist (V.) und wie die expert determination und adjudication von der Schiedsgerichtsbarkeit abgegrenzt werden können (VI.).
I. Grundlagen Während in civil law Staaten für die Richter das kodifizierte Recht die Hauptquelle bildet, wird kodifiziertes Recht in common law Staaten eher als Zusatz zum case law betrachtet und dementsprechend eng ausgelegt.2 Trotz bisweilen kodifizierten Rechts bleibt das case law für die Rechtsfindung also die Hauptquelle. Ein gutes Beispiel liefert hierfür das Vertragsrecht, das bis auf wenige Ausnahmen unkodifiziert ist.3 Kodifiziert ist im Sale of Goods Act 1979 allerdings das Kaufrecht, das in Section 9 eine Regelung über Fallgestaltungen trifft, in denen der Kaufpreis von einer dritten Partei bestimmt werden soll.4 Der Abschnitt wurde bereits 1893 in den Sale of 1 Zum englischen Recht auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte; Borowsky, Das Schiedsgutachten im Common Law, S. 49 ff.; ders., in: Böckstiegel/Berger/ Bredow (Hrsg.), Schiedsgutachten versus Schiedsgerichtsbarkeit, S. 49 ff. 2 Chern, Dipute Boards, S. 30; David/Grasmann/Will, Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, Nr. 360, S. 494 f. 3 Whittacker, in: Chitty on Contracts, Rn. 1-001 ff. 4 Da heißt es: 9 Agreement to sell at valuation.
A. Englisches Recht
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Goods Act eingefügt und stellt teilweise eine Anerkennung des Fallrechts dar.5 Die getroffenen Bestimmungen im Sale of Goods Act 1979 sind nur ein kleiner Teil des ansonsten weiten Feldes des Rechtsinstituts der im englischen und walisischen Recht unkodifizierten sogenannten expert determination.6 Bei der expert determination beauftragen die Parteien gemeinsam einen Dritten, um eine Angelegenheit für sie vertragsverbindlich zu entscheiden.7 Sie ist mit dem im deutschen Recht bekannten Schiedsgutachten vergleichbar.8 Teilweise wird die expert determination auch als „valuation“ bezeichnet, insbesondere dann, wenn der Dritte den Preis einer Mobilie oder Immobilie festzulegen hat.9 Doch nicht nur im Sale of Goods Act 1979 wurde eine vertragliche Drittbestimmung kodifiziert. Zu nennen ist hier außerdem der Housing Grand Construction and Regeneration Act 1996 (HGCRA 1996), in dem in Part II die adjudication für Bauvorhaben in England, Wales, Schottland und Nordirland geregelt wird.10 Zu verweisen ist vor allem auf die Stellen Section 108 und Appendix C des HGCRA, in denen sich der Großteil der Regelungen für die adjudication befindet. Gemäß Section 108 (1) hat jeder Partei eines Bauvertrags das Recht bei einer Streitigkeit aus dem Vertrag einen adjudicator anzurufen. Indessen ist die adjudication keine Erfindung des Gesetzgebers, sie wurde schon seit den 1970er Jahren in britischen Standardbauverträgen genutzt.11 Dementsprechend gibt es neben der sogenannten statutory adjudication auch eine non-statutory oder auch contractual adjudication, das heißt AdjudicationVerfahren, die nicht auf Grund der Bestimmungen im HGCRA 1996 durchgeführt (1) Where there is an agreement to sell goods on the terms that the price is to be fixed by the valuation of a third party, and he cannot or does not make the valuation, the agreement is avoided; but if the goods or any part of them have been delivered to and appropriated by the buyer he must pay a reasonable price for them. (2) Where the third party is prevented from making the valuation by the fault of the seller or buyer, the party not at fault may maintain an action for damages against the party at fault. Siehe auch Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 2-049 ff.; Bridge, The Sale of Goods, Rn. 1.47. 5 Bridge, The Sale of Goods, Rn. 1.47; Borowsky, Das Schiedsgutachten im Common Law, S. 55. 6 Kendall, Expert Determination, 3. Aufl., Rn. 5.7.5; Borowsky, Das Schiedsgutachten im Common Law, S. 55. 7 Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 1.1-1; Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 54. 8 Dazu Borowsky, Das Schiedsgutachten im Common Law, S. 49 ff. 9 Borowsky, Das Schiedsgutachten im Common Law, S. 49 f.; ders., in: Böckstiegel/Berger/ Bredow (Hrsg.), Schiedsgutachten versus Schiedsgerichtsbarkeit, S. 49; Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 2-049 ff.; Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 1.1-5. 10 Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-009; Coulsen, Construction Adjudication, Rn. 2.01. 11 Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-001.
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
werden.12 Dies liegt zum einen daran, dass auch Adjudication-Verfahren außerhalb von Bauverträgen üblich sind13 und zum anderen, dass nicht alle Bauverträge unter den HGCRA 1996 fallen.14 Demnach können im englischen Recht zunächst drei Institute zur Vertragsarbitrage gezählt werden: die expert determination (1.), die statutory und non-statutory adjudication (2.). 1. Expert Determination Ein unvollständiger Vertrag ist nach englischer Auffassung nicht unwirksam, wenn er eine Methode enthält, die es erlaubt den unvollständigen Teil zu bestimmen.15 Dieser Teil kann durch arbitration also Schiedsgerichtsbarkeit, aber auch durch jede andere Form der alternativen Streitbeilegung, wie der expert determination oder valuation, mittels eines Dritten bestimmt werden.16 Von den hier in Rede stehenden Rechtsinstituten ist die expert determination die am längsten bekannte und praktizierte Form einer Drittentscheidung im Wege des Vertrags.17 Es wird angenommen, dass sich die expert determination aus der Bestimmung des Kaufpreises bei Kaufverträgen durch einen Dritten entwickelte, wovon Section 9 des Sale of Goods Act 1979 noch heute zeugt.18 Darin wird in Section 9 (1) die Bestimmung getroffen, dass wenn der Dritte die Bestimmung des Kaufpreises nicht vornimmt, der Kaufvertrag nichtig ist. Wenn jedoch schon ein Teil der Waren geliefert worden ist, dann hat der Käufer einen angemessenen Preis für diesen Teil zu bezahlen. Section 9 (2) bestimmt, dass wenn eine Partei den Dritten davon abhält die Bestimmung durchzuführen, die andere Partei Schadensersatz verlangen kann. Jedoch spielt diese Art der expert determination im Vergleich eine nur noch untergeordnete Rolle in der gerichtlichen Praxis.19 Die zu klärenden Angelegen12
Siehe etwa Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-007; Freedman, Const. L.R. 2011, 3. 13 Vgl. Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 54; Redfern/Hunter/Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, Rn. 1.144. 14 Siehe z. B. RWE Npower Plc v. Alstom Power Ltd [2009] EWHC 1192 (QB); Steve Domsalla v. Kenneth Dyason [2007] EWHC 1174 (TCC) und vergleiche Section 105 und 106 des HGCRA, die den Anwendungsbereich des Gesetzes festlegen. 15 Treitel, in: Chitty on Contracts, Rn. 2-132; siehe auch Halpern & Ors v Halpern & Anor [2007] EWCA Civ 291, Rn. 50. 16 Treitel, in: Chitty on Contracts, Rn. 2-132; siehe auch Mamidoil-Jetoil Greek Petroleum Company SA v Okta Crude Oil Refinery AD [2001] EWCA Civ 406, Rn. 69. 17 Vgl. Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-034; siehe Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 253 ff. 18 Siehe McHugh, Arbitration 2008, 148, 149; Cato/Jones, The Expert in Litigation and Arbitration, Rn. 10 – 064. 19 Kendall, Expert Determination, 3. Aufl., Rn. 5.7.5.
A. Englisches Recht
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heiten oder Streitigkeiten mittels einer expert determination sind mittlerweile eher konkret technische Fragen, können darüber hinaus aber auch genereller oder juristischer Natur sein.20 So wird die expert determination in verschiedensten Bereichen eingesetzt,21 etwa bei Mietverträgen und bei Grundstückskaufverträgen um die Miete oder den Grundstückspreis festzulegen22, bei Kaufverträgen über Gesellschaftsanteile23 oder Schiffe24 und in Bauverträgen.25 Auch in der Öl- und Gasindustrie wird die expert determination eingesetzt, um etwa Öl- und Gasfelder zu unterteilen, aufzuteilen oder zu erweitern.26 Weiterhin hat die expert determination im IT Bereich Verbreitung erfahren, etwa um festzustellen, ob das gewünschte IT-Produkt den Anforderungen entspricht27 oder auch in Verträgen in der Getränke-28 und Luftfahrtindustrie29. Die Entscheidungen des experts sind final und bindend.30 Diese Bindungswirkung ist allein vertraglicher Natur, das heißt die vom Dritten getroffene Entscheidung kann auch nur wie ein Vertrag durchgesetzt werden.31 Befolgt eine Partei die Anweisungen des Dritten etwas zu tun oder zu unterlassen nicht, kann sich die andere Partei an die Gerichte wenden und ein Urteil zur Befolgung der Anweisung erwirken (order for specific performance),32 was untypisch für das common law ist, das in der Regel bei Vertragsverstößen lediglich Schadensersatz gewährt.33 Voraussetzung dazu ist allerdings, dass ein wirksamer Vertrag vorliegt.34 Hier stellt die vom englischen Recht für einen wirksamen Vertrag geforderte conside20 Nikko Hotels (UK) Ltd v. MEPC Plc [1991] 2 EGLR 103; Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 54. 21 Siehe dazu auch Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Kapitel 2 – 5. 22 Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-036. 23 British Shipbuilders v VSEL Consortium Plc [1997] Lloyd’s Rep. 106. 24 Bernhard Schulte GmbH & Co KG & Ors v Nil Holdings Ltd [2004] EWHC 977 (Comm). 25 Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Kapitel 5. 26 Alramahi, IELR, 2011, 81 f.; Odebrecht Oil & Gas Services Ltd v North Sea Productions Ltd [1999] Adj.L.R. 05/10. 27 Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-038. 28 Cott UK Ltd v FE Barber Ltd [1993] 3 All ER 540. 29 Sunrock Aircraft Corporation Ltd v Scandinavian Airlines System Denmark-NorwaySweden [2007] EWCA Civ 882. 30 Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-045; Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 54. 31 Vgl. Campell v Edwards [1976] WLR 403, 407G; Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 54; Borowsky, in: Böcktstiegel/Berger/Bredow (Hrsg.), Schiedsgutachten versus Schiedsgerichtsbarkeit, S. 49, 52. 32 Peterborough City Council v Enterprise Managed Services Ltd [2014] EWHC 3193 (TCC), Rn. 27, allerdings zu einer Adjudication-Vereinbarung; siehe auch Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 13.3-2. 33 Graf von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 72. 34 Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 54.
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
ration eine gewisse Hürde dar, denn es ist nicht ohne weiteres sichtbar, worin bei einer expert determination der Leistungsaustausch liegen soll.35 Diese kann im Fallenlassen der Ansprüche gegen den anderen Teil gesehen werden, wenn dieser dafür die vom Dritten getroffenen Festlegungen befolgt.36 Bei der Durchführung des Verfahrens ist der expert grundsätzlich nicht verpflichtet, es sei denn die Parteien haben es vertraglich vereinbart, die Regeln der sogenannten „natural justice“37 zu befolgen, dass heißt rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze einzuhalten.38 2. Adjudication Neben der expert determination spielt in England die adjudication eine bedeutende Rolle. Die gesetzlich vorgeschriebene Verpflichtung ein Adjudication-Verfahren in bestimmte Bauverträge zu integrieren, hat auch in Deutschland für einen erheblichen Aufmerksamkeitsschub für die adjudication gesorgt.39 Die englische Rechtsordnung nimmt insofern eine Vorreiterrolle ein. a) Definition Die Bezeichnung adjudication kann aus englischer Sicht durchaus irreführend sein, heißt sie doch soviel wie „Beschluss“ oder auch „richterliches Urteil“. Das Wort adjudication ist also nicht wörtlich zu nehmen, sondern bezeichnet vielmehr einen bestimmten Prozess, der auf Grund seiner Variabilität nicht exakt definiert werden kann.40 Generell lässt sich aber sagen, dass es sich dabei aus englischer Sicht um ein summarisches Verfahren handelt, bei dem Streitigkeiten der Vertragsparteien von einem Dritten, genannt adjudicator, entschieden werden. Ist eine Partei mit der Entscheidung des adjudicator nicht einverstanden und legt sie Widerspruch gegen die Entscheidung ein, ist die Entscheidung des Dritten für die Parteien nur solange vertraglich bindend, bis ein Gericht oder ein Schiedsgericht abschließend über den Streit entschieden hat.41 Anders als bei der expert determination kann die Entscheidung des Dritten somit grundlegend überprüft werden. 35 Die englische Doktrin der consideration sieht, sehr vereinfacht, vor, dass zur Wirksamkeit eines Vertrags stets ein Leistungsaustausch vorliegen muss, siehe dazu Furmston, Cheshire, Fifoot and Furmstons Law of contract, S. 98 ff. 36 Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 54. 37 Zur natural justice siehe 3. Kapitel A. III. 3. 38 Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-043. 39 Siehe in der deutschen Literatur z. B. Teubner Oberheim/Schröder, NZBau 2011, 251; Hök, ZfBR 2010, 736; Gould/Abel, SchiedsVZ 2005, 190. 40 Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-001; Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 58. 41 Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 58.
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Eine besondere Form der adjudication stellt das Dispute Board dar.42 Dispute Boards sind, im Gegensatz zur reinen adjudication, darauf ausgerichtet schon von Anbeginn des Vertrages besetzt zu werden.43 Sie dienen damit nicht nur als Konfliktlöser, sondern noch viel mehr als Konfliktvermeider.44 b) Entwicklung Vor Einführung der adjudication war es in den englischen Standardbauverträgen üblich, dass allein der vom Auftraggeber engagierte Architekt oder Ingenieur über Streitigkeiten aus dem Bauvertrag abschließend entschied, etwa über Fragen der Qualität, der ausgeführten Arbeiten und über die Fälligkeit von Zwischenzahlungen.45 Insbesondere die öffentliche Hand war als Auftraggeber aber daran interessiert eine unabhängige Form der bauvertraglichen Streitbeilegung einzuführen, hierbei bot sich die adjudication an.46 Die adjudication entwickelte sich in den späten 1970er Jahren in englischen Standardbauverträgen für Sub-Unternehmer, wie zum Beispiel den JCT47.48 In englischen Bauverträgen war es üblich das Recht des Haupt-Bauunternehmers mit eigenen Forderungen, etwa auf Grund von Schlechtleistungen gegen Forderungen des Sub-Unternehmers aufzurechnen, auszuschließen. Denn die rasche Bezahlung der ausstehenden Gelder stellt gerade für den Sub-Unternehmer eine teilweise wirtschaftlich überlebenswichtige Notwendigkeit dar und kann sich auch erheblich auf den Bauablauf auswirken.49 Es besteht außerdem die Gefahr, dass der HauptUnternehmer eine Reihe von offensichtlich unbegründeten Gegenforderungen erhebt, um die fälligen Zahlungen nicht gleich leisten zu müssen.50 Ein generelles Verbot der Aufrechnung wurde vom House of Lords in der Entscheidung Modern Engineering (Bristol) Ltd v Gilbert-Ash (Nothern)51 aber abgelehnt. Das House of 42 Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-018; auch bekannt als Dispute Review Board, Dipsute Resolution Board oder Dispute Adjudication Board, siehe Brown/ Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-021; weiterführender Chern, Dispute Boards. 43 Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-018, 7-023. 44 Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-019. 45 Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-003. 46 Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-003. 47 JCT steht für „The Joint Construction Tribunal“ und ist eine haftungsbeschränkte Gesellschaft, deren Teilhaber Teilnehmer der britischen Bauindustrie darstellen. Dazu gehören etwa der Dachverband der Architekten, der Dachverband der Immobilienbesitzer und Entwickler aber auch der Dachverband der Lokalregierungen in England und Wales. Daneben sind aber auch andere Standartbauverträge verbreitet, etwa die der ICE und der ECC, siehe dazu die Aufzählung bei Hök, Handbuch des internationalen und ausländischen Baurechts, § 18 Rn. 7. 48 Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-001. 49 Coulson, Construction Adjudication, Rn. 9.02 f. 50 Siehe Dawnays Ltd v F G Minter Ltd [1971] 1 WLR 1205, 1209H. 51 [1974] A.C. 689.
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
Lords entschied, dass ein Bauherr auch dann gegenüber dem Bauunternehmer aufrechnen konnte, wenn es der Vertrag ausdrücklich verbot, was auch das Verhältnis von Haupt-Unternehmer und Sub-Unternehmer betraf.52 In darauffolgenden Entscheidungen53 wurde diese Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass ein Verbot der Aufrechnung zwar grundsätzlich möglich ist, aber ausdrücklich im Vertrag verankert werden muss und dass sich dieses Verbot nicht auf Konstellationen beziehen dürfe, in denen geltend gemacht werde, dass die Arbeiten nicht ordnungsgemäß ausgeführt oder falsch vom Architekt oder Ingenieur bewertet wurden.54 Daraufhin wurde der JCT Sub-Unternehmer-Vertrag den ergangenen Urteilen angepasst und ein Verfahren mit einem unabhängigen Dritten geschaffen, der über Zahlungsansprüche zwischen dem Haupt- und dem Sub-Unternehmer zu entscheiden hatte, der Aufrechnung wurde somit ein unabhängiges Verfahren vorgeschaltet.55 Den Durchbruch für die adjudication, auch in Verträgen zwischen dem Bauherrn und dem (Haupt-)Unternehmer, brachte der Housing Grand Construction and Regeneration Act 1996 (HGCRA 1996). Die darin festgeschriebene adjudication reagierte vor allem auch auf den Umstand, dass die britische Bauindustrie mit hohen Kosten durch Streitigkeiten und damit verbundenen langen Gerichtsverfahren zu kämpfen hatte.56 Gesucht wurde also ein Verfahren, das noch während des Bauprozesses eine Streitlösung herbeiführte, die allerdings nur eine vorläufige sein sollte und nach Beendigung des Bauvorhabens erneut überprüft werden konnte.57 In Anbetracht der Tatsache, dass der „Cashflow“ während Großvorhaben für das Überleben des Bauunternehmers und damit für die reibungslose Fertigstellung von überragender Bedeutung ist, steht die in dem HGCRA 1996 festgelegte adjudication ganz unter dem Motto „pay now, argue later“.58 Eine gewisse Rolle für die Entwicklung der adjudication mögen im Übrigen auch die guten Erfahrungen mit diesem Institut während des Baus des Tunnels unter dem Ärmelkanal beigetragen haben.59 c) HGCRA 1996 Der HGCRA 1996 enthält in Section 108 (1) das Recht, dass beide Parteien eines Bauvertrags einen Streit aus dem Vertrag einer adjudication unterziehen können. Dabei werden in Section 108 des HGCRA 1996 noch weitere Voraussetzungen 52
Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-001. Etwa Acism (Southern) Ltd v Danish Contracting Ltd (1989) 47 BLR 59. 54 Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-001. 55 Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-001. 56 Coulson, Construction Adjudication, Rn. 1.05. 57 Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-001. 58 RJT Consulting Engineers Ltd v DM Engineering (N.I.) Ltd [2002] EWCA Civ 270; Thomas-Fredric’s (Construction) Ltd v Wilson [2003] EWCA Civ 1494, Rn. 19; Coulson, Construction Adjudication, Rn. 1.01 f.; Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11001. 59 Siehe dazu Channel Group Ltd v Balfour Beatty Construction Ltd [1993] AC 334. 53
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aufgestellt, die der Vertrag zwischen den Parteien enthalten soll. Zum Beispiel soll die Entscheidung des adjudicators bindend sein, bis die Streitigkeit von einem ordentlichen Gericht, einem Schiedsgericht oder durch Vereinbarung beigelegt worden ist.60 Die Parteien können jedoch auch vereinbaren, dass die Entscheidung des adjudicators endgültig bindend sein soll.61 Als Zeitfenster für die Entscheidungsfrist werden dabei 28 Tage seit der Anrufung des adjudicators vorgegeben, wobei dies von den Parteien auch anders vereinbart werden kann.62 Außerdem soll gemäß Section 108 (4) HGCRA 1996 der Vertrag zwischen den Parteien eine Klausel enthalten, die die Haftung des adjudicators auf Arglist (bad faith) beschränkt. Weiterhin soll er gemäß Section 108 (2) (e) unabhängig sein. Sollten die Parteien kein Adjudications-Mechanismus in ihrem Bauvertrag vorgesehen haben, dann gilt gemäß Section 108 (5) der in Appendix C des HGCRA 1996 befindliche Modellvertrag63 für Adjudication-Vereinbarungen.64 Beachtlich ist, dass der HGCRA 1996 den Parteien in einem relativ weiten Rahmen Vorgaben für das Vereinbaren einer adjudication macht. Dies stellt zwar immer noch einen Eingriff in die Vertragsfreiheit dar, ist aber verglichen mit der Oktroyierung des gesamten Modellvertrags ein kleinerer Eingriff. aa) Verhältnis Modellvertrag zu individuellen Vereinbarungen Es stellt sich allerdings die Frage, wie das Verhältnis von Modellvertrag und der individuellen Vertragsvereinbarung ist, wenn der individuell ausgehandelte Vertrag einen Teil der vorgeschriebenen Bestimmungen zur adjudication missen lässt. In Section 108 (5) HGCRA 1996 heißt es dazu schlicht, dass die Adjudications-Regelungen des Modellvertrags Anwendung finden sollen, wenn die von den Parteien vereinbarten Bedingungen nicht mit den im HGCRAvorgeschriebenen Bedingungen übereinstimmen. Sollten also die Regelungen der individuellen Adjudication-Vereinbarung der Parteien nicht der Section 108 des HGCRA 1996 entsprechen, wird diese individuell ausgehandelte Vereinbarung vollständig durch die AdjudicationRegelungen des dem HGCRA 1996 angehängten Modellvertrags ersetzt.65 60
Section 108 (3) HGCRA 1996. Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 86; allerdings ist eine solche Vereinbarung nicht schon während des Vertragsschlusses möglich, da dies gegen Section 108 (3) HGCRA 1996 verstoßen würde. Eine solche Vereinbarung kann aber bei Anrufung des adjudicators oder nach Erhalt der Entscheidung getroffen werden. 62 Section 108 (2)(c), siehe auch Speymill Contracts Ltd v Baskind [2010] EWCA Civ 120, Rn. 30. 63 In Englisch „Scheme“ genannt. 64 Vgl. Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-009. 65 Banner Holdings Ltd v Colchester Borough Council [2010] EWHC 139 (TCC), Rn. 41 ff.; Yuanda (UK) Co Ltd v WW Gear Construction Ltd [2010] EWHC 720 (TCC), Rn. 57; Furst/Ramsey, Keating on Construction Contracts, Rn. 18-017; Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 65; Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-022. 61
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
bb) Dispute Gemäß Section 108 (1) HGCRA 1996 soll jede Partei das Recht haben einen „dispute“ einer adjudication zu unterziehen. Der Begriff des dispute66, also Streits, wird weit verstanden, sodass hiervon technische, als auch Rechtsfragen erfasst werden.67 Eine Einschränkung erfährt der Begriff aber durch die Formulierung, dass der „dispute under the contract“ aufgekommen sein muss. Nicht erfasst sein sollen damit Fragen, die die Wirksamkeit des Vertragsschlusses selber zum Gegenstand haben.68 Das gleiche gilt für Fragen der misrepresentation69 unter dem Misrepresentation Act 1967, der collateral contract70 und der negligent misstatement71.72 Allerdings hat das House of Lords in dem Fall Premium Nafta Products Ltd v Fili Shipping Co Ltd73 zur Schiedsgerichtsbarkeit entschieden, dass Schiedsvereinbarungen der Parteien weit zu verstehen seien und grundsätzlich alle Streitigkeiten erfassten, solange nichts anderes vereinbart sei. Die Frage, ob dieser neue vom House of Lords vorgebrachte Ansatz auch auf die adjudication des HGCRA 1996 Anwendung findet, ist allerdings noch ungeklärt.74
66 Siehe dazu die Entscheidung Amec Civil Engineering Ltd v Secratary of State for Transport [2004] EWHC 2339 (TCC), Rn. 68, in der der Richter J. Jackson in sieben Punkten den Begriff des disputes aus Section 108 (1) HGCRA 1996 umschreibt. 67 Vgl. Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 66. 68 Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 68; Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-022. 69 Bei Vorliegen einer misrepresentation, also „Irrtumserregung“ bei Vertragsschluss, ist der Getäuschte meistens berechtigt den Vertrag zu annulieren und/oder Schadensersatz zu fordern, siehe Beale, in: Chitty on Contracts, Rn. 6-001 ff.; 6-046; Furmston, Chesire, Fifoot and Furmstons Law of Contract, S. 338 ff., 357 f. 70 Der collateral contract ist eine von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsfigur, die es ermöglicht, trotz mangelnder bewusster Absprache der Parteien, einen Vertragsschluss zwischen diesen anzunehmen. Dies betrifft zum Beispiel Beziehungen zu Dritten oder nur beiläufig getätigte Aussagen, auf die die andere Partei aber vertraut hat, siehe dazu Furmston, Chesire, Fifoot and Furmstons Law of Contract, S. 83 ff. 71 Bei dem negligent misstatement oder auch negligent misrepresentation handelt es sich um fahrlässige beziehungsweise unbewusste Falschangaben, die zum Vertragsschluss führen und den Getäuschten zum Schadensersatz berechtigen können, siehe Beale, in: Chitty on Contracts, Rn. 6-072 ff.; Furmston, Chesire, Fifoot and Furmstons Law of Contract, S. 351. 72 Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 68; Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-022. 73 [2007] UKHL 40. 74 Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 68; Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-022.
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3. Differenzierung von gesetzlicher und vertraglicher Adjudication und Expert Determination Die Frage, inwieweit sich die gesetzliche adjudication von der non-statutory adjudication unterscheidet, ist umstritten.75 Davon abhängig ist aber, ob bei der Überprüfung eines Non-Statutory-Adjudication-Verfahrens, beziehungsweise einer Entscheidung daraus, die gleichen Maßstäbe anzusetzen sind, wie bei einer adjudication unter dem HGCRA 1996, oder, ob die vertraglich vereinbarte adjudication mehr der expert determination entspricht und demnach nur dem allgemeinen Vertragsrecht unterfällt. Relevant wird dies zum Beispiel in Bezug auf die Anwendbarkeit von den im HGCRA 1996 vorgeschriebenen Verfahrensstandards beziehungsweise den Regeln der natural justice.76 Zu untersuchen ist zunächst das Verhältnis von gesetzlicher und individuell vereinbarter adjudication (a) und schließlich das Verhältnis von adjudication und expert determination (b). a) Differenzierung von gesetzlicher Adjudication und individuell vereinbarter Adjudication Zur Frage, ob die gesetzliche adjudication unter dem HGCRA 1996 von der individuell vereinbarten adjudication abzugrenzen ist, liegen unterschiedliche Entscheidungen vor. In Steve Domsalle (t/a Domsalla Building Services) Ltd v Kenneth Dyson führte der Richter HHJ Thornton zu einer in einem Verbrauchervertrag vereinbarten adjudication aus, dass es durchaus einen Unterschied zwischen einer rein vertraglich vereinbarten adjudication und einer adjudication unter dem HGCRA 1996 gäbe.77 Auf erstere seien die für die adjudication aus dem HGCRA 1996 entwickelten Überprüfungsmaßstäbe nicht anwendbar.78 Auch wenn HHJ Thornten betont, dass beide Adjudication-Verfahren trotzdem dem Vertragsrecht unterlägen, ist der von HHJ Thornten vertretene Ansatz auf Kritik gestoßen und wurde von der Rechtsprechung, so weit ersichtlich, nicht weiter verfolgt.79 Richter J. Coulsen meinte dagegen in AMEC Group v Thames Water Utilities80, dass es grundsätzlich keinen Unterschied zwischen einer individuellen non-statutory adjudication und einer adjudication unter dem HGCRA 1996 gäbe: „There is therefore no difference in principle in the status of a decision provided by an adjudicator 75
Vgl. Hudson’s Building and Engineering Contracts, Rn. 11-007. Siehe unten unter 3. Kapitel A. III. 3. 77 [2007] EWHC 1174 (TCC), Rn. 99. 78 Domsalle (t/a Domsalla Building Services) Ltd v Kenneth Dyson [2007] EWHC 1174 (TCC), Rn. 99. 79 Coulson, Construction Adjudication, Rn. 5.07. 80 [2010] EWHC 419 (TCC). 76
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
pursuant to the 1996 Act, and a decision provided pursuant to a contractual mechanism. Indeed, in the vast majority of cases even that is a distinction without a difference, because both types of decision are produced pursuant to a contractual mechanism. The former is the product of the implied terms referable to the 1996 Act (otherwise known as the Scheme for Construction Contracts, referred to below as ”the Scheme”), whilst the latter is created by express terms. There is no difference in the status or enforceability of the resulting decision, and there is nothing in any decision by the Court of Appeal to suggest otherwise.“ 81 Teilweise wird aber angenommen, dass J. Coulsen in seinem Urteil nicht so weit gehen wollte, die gesetzlich vorgeschriebene adjudication mit der vertraglich vereinbarten adjudication gänzlich gleichzusetzen.82 Allerdings sei die Verwendung des Worts adjudication als Indiz dafür zu verstehen, dass die Parteien auf ihre frei vereinbarte adjudication die Grundsätze aus dem Gesetz und der Rechtsprechung zum HGCRA 1996 angewendet wissen wollen.83 Das heißt, dass die Parteien dieselben Verfahrensgrundsätze auf ihre individuell vereinbarte adjudication angewendet wissen wollen, wie auf eine adjudication unter dem HGCRA 1996. Ein jüngeres Urteil, das eine Adjudication-Vereinbarungen zum Gegenstand hatte, scheint zumindest darauf hinzudeuten, dass die Rechtsprechung keine Unterschiede mehr bezüglich der Überprüfungsmaßstäbe zwischen einer vertraglichen adjudication und der gesetzlichen adjudication aus dem HGCRA 1996 macht.84 Die Rechtsprechung tendiert daher dahin die non-statutory adjudication mit der adjudication aus dem HGCRA 1996 gleich zu setzen, indem sie den Begriff der adjudication so versteht, wie er im HGCRA 1996 verstanden wird. Die adjudication unter dem HGCRA 1996 und die non-statutory adjudication sind im Folgenden also gleich zu behandeln, auf sie wird im Folgenden schlicht der Begriff der adjudication angewandt. b) Differenzierung von gesetzlicher Adjudication und Expert Determination Weiterhin abzugrenzen ist die adjudication von der expert determination. Die expert determination unterscheidet sich von der adjudication, als dass sie stets keine gesetzliche Grundlage hat und auf sie nur die Regeln des Vertragsrechts Anwendung finden. Demnach gibt es für die expert determination auch keine Vorgaben bezüglich der Entscheidungsfrist und auch keinen Modellvertrag, welcher eventuell Anwendung finden könnte. Nichtsdestotrotz wird vertreten, dass die adjudication eine Form der expert determination darstelle.85 Diese Ansicht stützt sich darauf, dass beide 81
[2010] EWHC 419 (TCC), Rn. 24; siehe auch Freedman, Const. L.J. 2011, 3, 4. Freedman, Const. L.J. 2011, 3, 14. 83 Freedman, Const. L.J. 2011, 3, 14. 84 Siehe z. B. Herbosh -Kiere Marine Contractors Ltd v Dover Harbour Board [2012] EWHC 84 (TCC), Anm. Salmon, Arbitration 2012, 179, 189. 85 Bouyges UK Ltd v Dahl – Jenson UK Ltd [1999] EWHC 182 (TCC), Rn. 23; Jones, Arbitration 2001, 17; Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 5.2-1, 5.5-2; 82
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Verfahrensarten ihre Basis im vertraglich zwingenden Charakter der Entscheidung des Dritten hätten.86 Der große Unterschied der expert determination zur adjudication unter dem HGCRA 1996 und der non-statutory adjudication liegt aber im zumeist bewussten Verzicht auf jegliche Verfahrensstandards bei der Durchführung der expert determination. Hinzutritt, dass die Entscheidung eines adjudicators in der Regel nur vorläufig bindend ist, die eines expert endgültig.87
II. Qualifikation der Bindungswirkung der Expert Determination und Adjudication Im deutschen Recht nimmt eine verbreitete Meinung an, Schiedsgutachten im engeren Sinne entfalteten ihre Bindungswirkung erst im Prozess.88 Die vertragliche Qualifikation der Bindungswirkung der expert determination und der adjudication wird im englischen Recht dagegen nicht in Frage gestellt.89 Nicht vertreten wird, dass die expert determination einen prozessrechtlichen oder einen beweisrechtlichen Charakter habe.90 Äußerungen zu einer beweisrechtlichen Wirkung gibt es aber zur adjudication. Danach führt die Entscheidung eines adjudicators nicht zu einer Verschiebung der Beweislast in dem nachfolgenden Gerichts- oder Schiedsverfahren. Dazu führte der schottische High Court in der Entscheidung City Inn Ltd v Shepherd Construction Ltd aus: „It is, in my view, no part of the function of an adjudicator’s decision to reverse the onus of proof in any arbitration or litigation to which the parties require to resort to obtain a final determination of the dispute between them.“91 und Rowe schreibt zur adjudication: „In principle the adjudicators decision does not affect the onus of proof in subsequent arbitration or litigation of the dispute which was the subject of the decision.“92
Born, International Commercial Arbitration, S. 281; a.M.: Capper, Const. L.J. 1997, 369, 377 f.; Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 59. 86 Kendall, Essays in Honour of Ducan Wallace, S. 114, 116; Oelsner, Dispute Boards, S. 120. 87 Bouyges UK Ltd v Dahl – Jenson UK Ltd [1999] EWHC 182 (TCC), Rn. 23; Kendall, Essays in Honour of Ducan Wallace, S. 114, 126; Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 59. 88 Siehe dazu unter § 2 A. I. 89 Siehe nur Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 44, 114; Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 1.2-2; Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-017. 90 Siehe nur Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-058. 91 City Inn Ltd v Shepherd Construction Ltd [2001] ScotHC 54. 92 Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 87.
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einer Entscheidung in einem Adjudication-Verfahren nach englischer Auffassung um eine vorläufige Entscheidung handelt, die vor einem Gericht oder einem Schiedsgericht von Grund auf neu verhandelt werden soll und in diesem Kontext müssen diese Aussagen auch verstanden werden.93
III. Grenzen der Bindungswirkung Auch im englischen Recht ist eine der wesentlichen Fragestellungen, wann die Entscheidung eines auf vertraglicher Ebene entscheidenden Dritten nicht bindend ist. Hierbei treten zwischen der expert determination und der adjudication Gemeinsamkeiten aber auch wesentliche Unterschiede zu Tage. Entscheidungsmaßstäbe für den Dritten bestehen im englischen Recht nicht. Das Leitbild für die englischen Gerichte ist, dass vertraglich bindende Drittentscheidungen einer expert determination nur unter besonderen Umständen für nichtig erklärt werden sollen und daher von den Gerichten inhaltlich grundsätzlich nicht überprüft werden. Eine Ausnahme davon bildet allerdings der Grundsatz, dass Entscheidungen, zu denen der Dritte keine Kompetenz hatte, für die Parteien nicht bindend sind. Exemplarisch dazu sind die Äußerungen des Gerichts in Nikko Hotels (UK) Ltd v MEPC Plc, es führte aus: „(…) the expert’s decision will be final and conclusive and, therefore, not open to review or treatment by the courts as a nullity on the ground that the expert’s decision on construction was erroneous in law, unless it can be shown that the expert has not performed the task assigned to him. If he had answered the right question in the wrong way, his decision will be binding. If he has answered the wrong question, his decision will be a nullity.“94 Gleiches gilt für die adjudication.95 Dennoch gibt es verschiedene Gründe, die es ermöglichen die Entscheidung des adjudicators oder des experts aufzuheben. Zu untersuchen sind dazu die Aufhebungsgründe des fraud und mistake (Fehler) (1.), die Entscheidung des nicht zuständigen adjudicators (2.) und die Nichteinhaltung der Grundsätze der natural justice durch den Dritten (3.). 1. Fraud und Mistake Die Parteien können dem Dritten genaue Vorgaben machen, wie er seine Aufgabe auszuführen hat. Befolgt er diese nicht in der vorgeschriebenen Art und Weise, leidet die Entscheidung an einem Fehler („mistake“ bzw. „manifest error“) und ihr kann die 93 94 95
Zur Wirkung von Adjudication-Entscheidungen auch Quigg, Arbitration 2005, 237. [1991] 2 EGLR 103, 108 A f. Siehe etwa Bouyges UK Ltd v Dahl – Jenson UK Ltd [1999] EWHC 182 (TCC), Rn. 35 f.
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Anerkennung versagt werden.96 In Shell U.K. Ltd and Another v. Enterprise Oil Plc and Others97 verwendete der expert im Rahmen eines Vertrags über die Ausbeutung eines Ölfelds beispielsweise nicht das im Vertrag vorgeschriebene Computerprogramm um den Meeresboden zu kartieren, sodass die Entscheidung des experts nach Auffassung des Gerichts nicht bindend war.98 Weiterhin führte das House of Lords in der Entscheidung Mercury Communications Ltd v Director General of Telecommunications 99 bezüglich einer expert determination aus, dass die von den Parteien vorgegebenen Prinzipien den Dritten binden und der Umfang der Prinzipien zwar vom Dritten ausgelegt werden könnten, jedoch das Gericht letztverbindlich darüber entscheide, ob er diese auch eingehalten habe.100 Den Gerichten steht demnach das letzte Wort bei der Frage zu, ob der Dritte sich an die von den Parteien vorgegebenen Entscheidungsmaßstäbe gehalten hat. Abgesehen davon führen Fehler des experts bezüglich Fakten oder dem einschlägigen Recht grundsätzlich nicht zur Unverbindlichkeit der Entscheidung. Die Richterin J. Kirkham sagte dazu in Owen Pell Ltd v Bindi (London) Ltd101: „In my judgment, it is not open to the court to set aside or to refuse to enforce the decision by reason of errors in the determination, whether gross, obvious or perverse. Mr Cartwright’s [der Experte, Anm.] determination is binding and thus enforceable even if it is wrong.“102 Wollen die Parteien, dass die Entscheidung des Dritten auf Grund von groben Fehlern nicht bindend sein soll, müssen sie dies vereinbaren. Dabei wird oft auf die Formulierung zurückgegriffen, dass die Entscheidung des Dritten bindend sein soll, es sei denn er begeht einen manifest error.103 Die Anforderungen an die Bejahung eines manifest errors sind allerdings sehr hoch.104 Neben dem mistake über vertraglich bestimmte Vorgehensweisen des experts führen auch Arglist („fraud“) und geheime Absprachen („collusion“) zur Nichtigkeit
96 Veba Oil Supply & Trading Gmbh v Petrotrade Inc [2001] EWCA Civ 1832, Rn. 26; Jones v Sherwood Services Plc [1992] 1 WLR 277, 287 A; Borowsky, in: Böckstiegel/Berger/Bredow (Hrsg.), Schiedsgutachten versus Schiedsgerichtsbarkeit, S. 49, 56. 97 [1999] 2 Lloyd’s Rep. 456. 98 Shell U.K. Ltd and Another v Enterprise Oil Plc and Others [1999] 2 Lloyd’s Rep. 456, 480, Anm. Kendall, L & T Review 2000, 51. 99 [1996] 1 W.L.R. 48. 100 Mercury Communications Ltd v Director General of Telecommunications [1996] 1 WLR 48, 58H; British Shipbuilders v VSEL Consortium Plc [1997] 1 Lloyd’s Rep. 106, 109. 101 [2008] EWHC 1420 (TCC). 102 Owen Pell Ltd v Bindi (London) Ltd [2008] EWHC 1420 (TCC), Rn. 46. 103 Siehe Veba Oil Supply & Trading GmbH v Petrotrade Inc [2001] EWCA Civ 1832 und Walton Homes Ltd v Staffordshire County Council [2013] EWHC 2554 (Ch). 104 Siehe Veba Oil Supply & Trading GmbH v Petrotrade Inc [2001] EWCA Civ 1832, Rn. 30 ff. und Walton Homes Ltd v Staffordshire County Council [2013] EWHC 2554 (Ch), Rn. 46.
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
der vom expert getroffenen Entscheidung.105 Wobei arglistiges Verhalten des Dritten, aber auch der Gegenpartei prinzipiell zur Nichtigkeit führen können.106 Solche Fälle treten offensichtlich selten auf und bis auf die allgemeinen Ausführungen der Gerichte ist in jüngerer Zeit kein Fall veröffentlicht worden, in dem eine expert determination wegen Arglist oder einer geheimen Absprache für nichtig erklärt worden ist.107 Ähnliche Grundsätze wie bei der expert determination, bezüglich dem Fehler („mistake“), der Arglist („fraud“)108 und der geheimen Absprachen („collusion“), gelten auch für die adjudication.109 Auch ein mistake über Fakten oder das Recht führt demnach grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit der Entscheidung.110 Beruft sich eine Partei auf arglistiges Verhalten des adjudicators oder der Gegenpartei, sind die Gerichte ebenfalls sehr zurückhaltend und stellen hohe, insbesondere beweisrechtliche Hürden auf.111 2. Zuständigkeit (Jurisdiction) Die Vollstreckung der Entscheidung eines experts oder adjudicators kann versagt werden, wenn ihm die notwendige Zuständigkeit („jurisdiction“) gefehlt hat. Eine in der Rechtsprechung verbreitete und eingängige Formel lautet dazu, dass es unwesentlich ist, wenn der Dritte die Frage falsch beantwortet, aber wesentlich, wenn er die falsche Frage beantwortet hat.112 Das heißt, dass Entscheidungen des Dritten keine Bindungswirkung entfalten, wenn er sich zu Sachfragen äußert, die ihm nicht vorgelegt worden sind oder wenn ihm diese Frage vertraglich gar nicht hätten vorgelegt werden dürfen. Zu beachten ist, dass zumindest der expert nicht dazu befugt ist, seine eigene Zuständigkeit festzustellen. Das letzte Wort hat in der Zuständigkeitsfrage immer das 105 Arenson v Arenson [1973] 2 WLR 553, 559C; Campbell v Edwards [1976] 1 WLR 403, 407G; Owen Pell Ltd v Bindi (London) Ltd [2008] EWHC 1420 (TCC), Rn. 15 ff. 106 Vgl. Speymill Contracts Ltd v Baskind [2010] EWCA Civ 120, in dem es um einen Fall ging, in dem der anderen Partei vorgeworfen wurde vor dem Adjudication-Verfahren Unterlagen gestohlen zu haben. 107 Vgl. Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 14.12-5. 108 Siehe z. B. SG South Ltd. v King’s Head Cirencester LLP & Anor [2009] EWHC 2645 (TCC); Speymill Contracts Ltd v Baskind [2010] EWCA Civ 120. 109 Vgl. Coulsen, Construction Adjudication, Rn. 8-01 ff. 110 Carillion Construction Ltd v Devonport Royal Dockyard Ltd [2005] EWCA Civ 1358, Rn. 52; Bouygues UK Ltd v Dahl-Jenson UK Ltd [1999] EWHC 182 (TCC), Rn. 25; C & B Scene Concept Design Ltd v Isobars Ltd [2002] EWCA Civ 46, Rn. 24 f. 111 Andrew Wallace Ltd v Artisan Regeneration Ltd & Anor [2006] EWHC 15 (TCC), Rn. 51; SG South Ltd v King’s Head Cirencester LLP & Anor [2009] EWHC 2645 (TCC), Rn. 20. 112 Siehe z. B. Shimizu Europe Ltd v Automajor Ltd [2002] EWHC 1571 (TCC), Rn. 23; Nikko Hotels (UK) Ltd v MEPC Plc [1991] 2 EGLR 103, 108B.
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Gericht.113 Sogar eine Vertragsklausel, die dem expert einräumt seine Zuständigkeit selbst für die Parteien bindend festzustellen, hindert ein englisches Gericht nicht daran, in dieser Frage letztverbindlich zu entscheiden: In dem Court of Appeal Fall Barclays Bank Plc v Nylon Capital LLP114 führte der Richter Lord Thomas aus: „(…) expert determination is a very different alternative form of dispute resolution to which neither the Arbitration Act 1996 nor any other statutory codes apply. It is clear, however, that, in any case where a dispute arises as to the jurisdiction of an expert, a court is the final decision maker as to whether the expert has jurisdiction, even if a clause purports to confer that jurisdiction on the expert in a manner that is final and binding.“115 Etwas Anderes gilt allerdings für die adjudication. Hier sind die Parteien an die Entscheidung des adjudicators über seine eigene Zuständigkeit gebunden, wenn sie einer solcher Klausel zugestimmt haben.116 Dieser Unterschied mag sich vor allem deshalb erklären, weil die adjudication, im Gegensatz zur expert determination, als mit der arbitration vergleichbarer angesehen wird und die Schiedsrichter bei Schiedsverfahren auch befugt sind ihre eigene Zuständigkeit festzustellen.117 3. Natural Justice118 Ob der Dritte verfahrensrechtliche Maßstäbe zu beachten hat, ist auch im englischen Recht umstritten. Diskutiert wird diese Frage unter dem Begriff der natural justice. Der Grundsatz der natural justice besteht im Wesentlichen aus zwei Prinzipien. Zum einen, dass niemand Richter in seinem eigenen Fall sein darf (nemo judex in causa sua) und, dass niemand ohne Anhörung verurteilt werden darf (audi alteram partem).119 Zunächst zu untersuchen ist daher, welchen Inhalt die Grundsätze der Unabhängigkeit des Richters [a)] und des Rechts auf Gehör [b)] haben. Historisch gesehen handelt es sich bei der natural justice um einen Grundsatz des
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251. 115
Dundas, Arbitration 2012, 194, 196. [2011] EWCA Civ 826; Anm. Dundas, Arbitration 2012, 194 ff.; Cheryian, B.L.R. 2011,
Barclays Bank Plc v Nylon Capital LLP [2011] EWCA Civ 826, Rn. 23. Thomas-Fredric’s (Construction) Ltd v Wilson [2003] EWCA Civ 1494, Rn. 33; siehe aber auch Grovedeck Ltd v Capital Demolition Ltd [2000] EWHC Technology 139, Rn. 31. 117 Siehe z. B. The Project Consultance Group v The Trustees of the Gray Trust [1999] BLR 377, Rn. 14. 118 Der Begriff der natural justice wird im englischen Recht als Oberbegriff für prozessuale Fairness benutzt, seine Grundlagen findet der Begriff, trotz seiner zu kritisierenden Suggestion, indes nicht im Naturrecht, sondern ist ein Neologismus, siehe Woolf/Jowell/Le Sueur, De Smith’s Judical Review, Rn. 6-010. 119 Halsbury’s Laws of England, Band 1 (1), 4. Aufl., para 95; Halsbury’s Laws of England, Band 11, para 5, siehe auch Austin Hall Ltd v Buckland Secrurities Ltd [2001] EWHC 434 (TCC), Rn. 67. 116
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
öffentlichen Rechts,120 weshalb die Anwendung der natural justice methodische Fragen aufwirft bei der Anwendbarkeit der natural justice auf die vertragliche adjudication [c)] und auf die expert determination [d)].121 a) Unabhängigkeit des Richters (Bias) Bei dem aus der natural justice folgenden Gebot der Unabhängigkeit des Richters wird zwischen zwei verschiedenen Formen unterschieden, zum einen in das Vorliegen von mangelnder Unabhängigkeit des Dritten (actual bias) und zum anderen in das scheinbare Vorliegen von mangelnder Unabhängigkeit des Dritten (apparent bias).122 Die actual bias liegt vor, wenn die Person ein direktes Interesse am Ausgang des Verfahrens hat, mithin als eine Partei des Verfahrens angesehen werden kann.123 Ein typischer Fall sind eigene finanzielle Interessen des Dritten.124 Auch enge persönliche Beziehungen zu den Parteien können ein Grund für das Vorliegen von actual bias sein, selbst wenn sie nur geschäftlicher Natur sind.125 Grundsätzlich ist es aber nicht erforderlich einem Richter actual bias nachzuweisen, es reicht aus, wenn apparent bias vorliegt.126 Die Annahme des Vorliegens von apparent bias kommt in der Rechtsprechung deshalb häufiger vor, als die Annahme von actual bias.127 Apparent bias liegt vor, wenn ein ehrlicher und sachkundiger Beobachter zu dem Schluss kommt, dass eine reale Möglichkeit oder eine reale Gefahr bestand, dass das Gericht parteiisch war.128 Bejaht werden kann sie, wenn der Entscheider schon im Vorhinein durchblicken lässt, wie er über die zu entscheidenden Angelegenheiten denkt oder wie er entscheiden wird,129 oder wenn er mit der zu entscheidenden Sache auf andere Weise, etwa geschäftlich, eng verbunden ist.130 b) Recht auf Gehör Die zweite Regel der natural justice enthält das Recht auf Gehör. Das heißt, jeder Partei muss die Möglichkeit gegeben werden, seine Ansichten zu dem Fall dem 120
Coulson, Construction Adjudication, Rn. 11.04 ff. Vgl. Sheridan/Helps, Const. L.J. 2001, 138 ff. 122 Halsbury’s Laws of England, Band 1 (1), 4. Aufl., para 97 f.; Coulsen, Construction Adjudication, Rn. 11.09 ff. 123 Halsbury’s Laws of England, Band 1 (1), 4. Aufl., para 97. 124 Halsbury’s Laws of England, Band 1 (1), 4. Aufl., para 98. 125 Coulsen, Construction Adjudication, Rn. 12.01. 126 Halsbury’s Laws of England, Band 1 (1), 4. Aufl., para 99. 127 Coulsen, Construction Adjudication, Rn. 11.11. 128 In re Medicaments and Related Classes of Goods (No 2) [2001] WLR 700, 727 A. 129 Halsbury’s Laws of England, Band 1 (1), 4. Aufl., para 100. 130 Halsbury’s Laws of England, Band 1 (1), 4. Aufl., para 100. 121
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Richter beziehungsweise der entscheidenden Person oder dem Spruchkörper vorzutragen.131 Ob dabei eine mündliche Verhandlung von Nöten ist oder die Möglichkeit eines schriftlichen Vortrags genügt, ist von von Fall zu Fall zu beurteilen.132 Dort wo eine schnelle Entscheidung getroffen werden muss, reicht jedenfalls regelmäßig die Möglichkeit eines schriftlichen Vorbringens aus.133 Zum Recht auf Gehör gehört auch die Verpflichtung den Parteien alle dem Spruchkörper relevanten Fakten und Informationen offen zu legen auf Grund derer die Entscheidung getroffen werden soll.134 Das gilt auch für Informationen, die nach Beendigung der eigentlichen Verhandlung hinzutreten.135 Nicht Teil des Grundsatzes der natural justice ist es dagegen die Entscheidung auch zu begründen.136 Eine solche Pflicht besteht grundsätzlich nicht, weder für die adjudication137, noch für die expert determination138, es sei denn die Parteien haben anderes vereinbart.139 c) Anwendbarkeit der Natural justice auf die Adjudication Die Regeln der natural justice finden auf alle Gerichte und Schiedsgerichte, sowie Einrichtungen, die richterliche Befugnisse ausüben, Anwendung. Nicht jedoch auf Personen, die quasi-richterliche Eigenschaften haben.140 Ob die Grundsätze der natural justice auch auf die in HGCRA 1996 geregelte adjudication anzuwenden ist, war lange strittig. Zumindest für die Beachtung der Unabhängigkeit des Dritten lässt sich in Section 108 (2)(e) HGCRA 1996 eine gesetzliche Grundlage finden. Demnach hat der adjudicator die Pflicht unabhängig zu sein.141 Das heißt, das Beachten der ersten Regel der natural justice stellt insoweit keine dogmatischen Hürden auf, sofern es sich um eine adjudication unter dem HGCRA 1996 handelt.142 Schwieriger stellt sich dagegen die Begründung der Anwendbarkeit der zweiten Regel der natural justice in Adjudication-Verfahren unter dem HGCRA 1996, das heißt das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs, dar. Zwar ist dieser Grundsatz auch im Modell131
Halsbury’s Laws of England, Band 1 (1), 4. Aufl., para 107. Halsbury’s Laws of England, Band 1 (1), 4. Aufl., para 107. 133 Coulsen, Construction Adjudication, Rn. 11.29. 134 Halsbury’s Laws of England, Band 1 (1), 4. Aufl., para 107; Coulsen, Construction Adjudication, Rn. 11.30 ff. 135 Halsbury’s Laws of England, Band 1 (1), 4. Aufl., para 107. 136 Halsbury’s Laws of England, Band 1 (1), 4. Aufl., para 110, vgl. auch Coulsen, Construction Adjudication, Rn. 11.37. 137 Carillion Construction Ltd v Devonport Royal Dockyard [2005] EWHC 778 (TCC), Rn. 81. 138 Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 12.8-4, 14.7-6. 139 Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 14.7-6. 140 Halsbury’s Laws of England, Band 1 (1), 4. Aufl., para 95. 141 Vgl. Woods Harwick Ltd v Chiltern Air Conditioning Ltd [2001] BLR 23; Sheridan/ Helps, Const. L.J. 2001, 138, 142 ff. 142 Sheridan/Helps, Const. L.J. 2001, 138, 142 ff. 132
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vertrag in Section 12 (a) verankert, jedoch findet dieser nur Anwendung, wenn die Parteien eine unwirksame Adjudication-Vereinbarung143 oder die Anwendbarkeit des Modellvertrags konkret vereinbart haben. aa) Entwicklung in der Rechtsprechung In Macob Civil Engineering Ltd v Morrison Construction Ltd144 lehnte der Richter J. Dyson die Anwendung der natural justice auf die adjudication unter dem HGCRA 1996 ab, er führte dazu aus:145 „The present case shows how easy it is to mount a challenge based on an alleged breach of natural justice. I formed the strong provisional view that the challenge is hopeless.“ Dem Ansatz, dass die Grundsätze der natural justice überhaupt keine Berücksichtigung bei der Bewertung der Gültigkeit der Entscheidung finden sollten, wurde vom Richter Browsher in einem späteren Fall aber widersprochen und so verstand er das Urteil von J. Dyson auch nicht:146 „It has been argued in other cases that the rules of natural justice do not apply to adjudications. I believe that the rules of natural justice do apply to adjudications subject to limitations. It has been suggested in other cases that Dyson J. decided in Macob Civil Engineering v. Morrison Construction Limited (1999) that breaches of natural justice by an adjudicator did not invalidate his decision. I do not believe that that is a fair summary of the decision of Dyson J. (…).“ Dabei berief er sich auf zwei weitere Urteile, die die Anwendbarkeit der natural justice in Adjudication-Verfahren unter dem HGCRA 1996 bejahten.147 Auch wenn die Entscheidungen die Anwendbarkeit der natural justice auf die adjudication zumindest im Grundsatz deutlich machten, blieb die dogmatische Begründung doch lückenhaft. Browsher stellte in seinem Urteil zunächst ausführliche Überlegungen an, ob sich die Beachtung gewisser prozessrechtlicher Grundsätze aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ableiten ließen. Er kam dabei zu dem Schluss, dass ein adjudicator kein Gericht im Sinne der Konvention darstelle und er auch kein Urteil erlasse, weil die Sprüche des adjudicators, im Gegensatz zu Schiedssprüchen, nicht direkt vollstreckbar seien.148 Damit schied die Anwendbarkeit der Konvention auf die adjudication unter den HGCRA 1996 aus.149
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Siehe oben unter 2. Kapitel A. I. 2. c) aa). [1999] EWHC Technology 254. 145 Macob Civil Engineering Ltd v Morrison Construction Ltd [1999] EWHC Technology 254, Rn. 18. 146 Austin Hall Ltd v Buckland Secrurities Ltd [2001] EWHC 434 (TCC), Rn. 65 ff. 147 Discain Project Services Ltd v Opecprime Development Ltd [2001] EWHC Technology 435; Glencot Development and Design Co. Ltd v Ben Barrett & Son (Contractors) Ltd [2001] EWHC Technology 15. 148 Austin Hall Ltd v Buckland Secrurities Ltd [2001] EWHC 434 (TCC), Rn. 35. 149 Austin Hall Ltd v Buckland Secrurities Ltd [2001] EWHC 434 (TCC), Rn. 40; siehe auch Furst/Ramsey, Keating on Construction Contracts, Rn. 18-051. 144
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In Balfour Beatty Construction Ltd v London Borough of Lambeth150 unterließ es der adjudicator die Parteien über sein Vorgehen bei der Entscheidungsfindung zu informieren und ließ daher auch kein Vorbringen der Parteien zu. Die Frage, ob es hier nicht eher um eine Missachtung des Gebots der Gewährung rechtlichen Gehörs ging, vermied der Richter H. Lloyd indem er das Gebot der Unabhängigkeit in Section 108 (2)(e) HGCRA 1996 zu einem Gebot der Fairness ausbaute und so zu einer Missachtung der Regeln der natural justice kam.151 Hier verschwimmen die Grenzen zwischen dem Gebot der Unabhängigkeit des Dritten und dem des rechtlichen Gehörs allerdings.152 In der Entscheidung Rsl (South West) Ltd v Stansell Ltd153, der ähnlich wie der Balfour Beatty-Fall gelagert war, war der Richter R. Seymour mit Hinweis auf den Modellvertrag des HGCRA 1996 im Ergebnis der gleichen Meinung wie der Richter H. Lloyd in Balfour Beatty Construction Ltd v London Borough of Lambeth154, nämlich, dass die Pflicht unabhängig zu handeln die Pflicht beinhalte die Regeln der natural justice zu beachten. Richter R. Seymour führte aus: „(…) one of the provisions of that scheme, in paragraph 12(a) of Part 1, is that ,The adjudicator shall … act impartially in carrying out his duties (…)‘.“ The duty to act impartially is, in its essence, a duty to observe the rules of natural justice. It is not simply a duty not to show bias.“155 Die Pflicht des adjudicators impartially also unparteiisch zu handeln, beinhaltet nach Auffassung von R. Seymour mehr als nur unabhängig zu sein, sondern die Regeln der natural justice zu befolgen. Damit scheint die Beachtung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs vor allem eine Frage der Interpretation des Gesetzestextes des HGCRA 1996 zu sein. Jedenfalls lässt sich aber mit Blick auf die Prinzipien des Common Law sagen, dass die Gerichtsentscheidungen nicht nur bloße Umsetzungsakte des vom Gesetzgeber intendierten Willens darstellen, sondern selbst Recht schaffen. Zwar wird im Common Law immer nur der Einzelfall entschieden, jedoch ist die Entscheidungsdichte, die die Einhaltung der natural justice in adjudication Verfahren unter dem HGCRA 1996 bejahen, sehr hoch, sodass ein Abweichen von dieser Auffassung gegenwärtig nicht zu erwarten ist.
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[2002] EWHC 597 (TCC). Balfour Beatty Construction Ltd v London Borough of Lambeth [2002] EWHC 597 (TCC), Rn. 27 ff., dabei bezog H. Lloyd allerdings auch die verwendeten JCT-Bedingungen in seinen Überlegungen mit ein, siehe Rn. 27 des Urteils. 152 Sheridan/Helps, Const. L.J. 2003, 25, 34. 153 [2003] EWHC 1390 (TCC). 154 [2002] EWHC 597 (TCC). 155 Rsl (South West) Ltd v Stansell Ltd [2003] EWHC 1390 (TCC), Rn. 31, wobei im vorliegenden Fall der Modellvertrags nicht anwendbar war, vgl. Rn. 5 des Urteils. 151
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Da in jüngerer Rechtsprechung die Tendenz besteht, dass die Gerichte die frei vereinbarte adjudication mit der adjudication aus dem HGCRA 1996 gleich behandeln, ist davon auszugehen, dass auf beide Verfahren die gleichen Grundsätze der natural justice Anwendung finden.156 bb) Eindämmung der Regeln der Natural Justice Indessen wird von der Rechtsprechung aber auch die Intention des Parlaments betont, einen schnellen und kostensparenden Konfliktlösungsmechanismus zu erschaffen, der vor allem dem Bauablauf dienen soll. Richter Browsher führt dazu aus:157 „The time limits that are under attack in this application are also subject to the rules of natural justice, but there is no question of an Act of Parliament being attacked in the courts as being in breach of the rules of natural justice. In our democracy, Parliament is still regarded in the Courts as supreme. The adjudicator was constrained by Act of Parliament to impose the time limits that he did, so he cannot be criticised for breaching the rules of natural justice.“ Und ergänzt, dass er mit Richter H. Lloyd übereinstimmt, der in Glencot Development and Design Co Ltd v Ben Barrett & Son (Contractors) Ltd158 deutlich machte, dass der adjudicator zwar die Regeln der natural justice einzuhalten habe aber gleichzeitig auch die Vorgaben des Parlaments, einen Konflikt schnell zu lösen, zu beachten habe. Richter H. Lloyd führte aus: „It is accepted that the adjudicator has to conduct the proceedings in accordance with the rules of natural justice or as fairly as the limitations imposed by Parliament permit.“159 Dies führt dazu, dass zwar die Regeln der natural justice grundsätzlich Anwendung finden, jedoch nicht unter allen Umständen und von Fall zu Fall zu entscheiden ist. Auch der Court of Appeal folgte diesem Ansatz, indem er erklärt, dass Einwände bezüglich der natural justice kritisch zu hinterfragen und nur dann erheblich seien, wenn sie gut begründet seien. Der Court of Appeal führte aus: „It is easy enough to make challenges of breach of natural justice against an adjudicator. The purpose of the scheme of the 1996 Act is now well known. It is to provide a speedy mechanism for settling disputes in construction contracts on a provisional interim basis, and requiring the decisions of adjudicators to be enforced pending final determination of disputes by arbitration, litigation or agreement. The intention of Parliament to achieve this purpose will be undermined if allegations of breach of natural justice are not examined critically when they are raised by parties who are seeking to avoid complying with adjudicators’ decisions. It is only where the defendant has advanced a properly arguable objection based on apparent bias that he 156
Siehe Herbosh -Kiere Marine Contractors Ltd v Dover Harbour Board [2012] EWHC 84 (TCC) und unter 2. Kapitel A. I. 3. 157 Austin Hall Ltd v Buckland Secrurities Ltd [2001] EWHC 434 (TCC), Rn. 68. 158 [2001] EWHC Technology 15. 159 Glencot Development and Design Co Ltd v Ben Barrett & Son (Contractors) Ltd [2001] EWHC Technology 15, Rn. 20.
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should be permitted to resist summary enforcement of the adjudicator’s award on that ground.“160 Insbesondere in Bezug auf den Grundsatz des rechtlichen Gehörs führte Richter J. Akenhead in Cantillon Ltd v Urvasco Ltd161 konkretisierend aus aus; (a) dass bewiesen werden müsse, dass der adjudicator die Regeln der natural justice nicht beachtet habe; (b) dass die Nichtbeachtung nicht nur nebensächlich sein durfte, sondern erheblich; (c) dass eine Nichtbeachtung vorliege, wenn er den Parteien keine Möglichkeit gibt sich zu wichtigen Punkten des Streits zu äußern; (d) ob es sich dabei um eine wichtige Angelegenheit handelt, vom Ausmaß der Frage abhänge und von Fall zu Fall entschieden werden müsse; (e) dass nur eine Nichtbeachtung des Grundsatzes der natural justice vorliege, wenn der adjudicator den Fall auf Grund von Fakten oder rechtlichen Erwägungen entscheide, die nicht vorgetragen worden seien und er den Parteien dazu keine Möglichkeit der Stellungnahme geboten habe.162 Um einer Adjudication-Entscheidung die Vollstreckung auf Grund von einer Nichtbeachtung der Regel der natural justice zu versagen, muss diese Nichtbeachtung also erheblich gewesen sein und/oder sich auf die Entscheidung ausgewirkt haben, ein einfacher Verstoß genügt dagegen nicht.163 d) Anwendbarkeit der Natural Justice auf die Expert Determination Hingegen gelten andere Grundsätze bezüglich der Anwendbarkeit der natural justice auf die expert determination als bei der Anwendbarkeit auf die adjudication. Zwar können expert determination Klauseln auch Regeln zur Beachtung der natural justice oder bestimmter ausgewählter Verfahrensgrundsätze enthalten, tun sie dies aber nicht, finden die natural justice grundsätzlich keine Anwendung.164 Eine Ausnahme davon ist allerdings, dass auch eine Entscheidung des experts aufgehoben wird, wenn er nicht unabhängig war.165 Beachtlich ist aber, dass es nicht ausreicht, dass er nur den Anschein erweckte nicht unabhängig zu sein, sondern dass er tatsächlich parteiisch gewesen sein muss. Das heißt, dass das 160 Amec Capital Projects Ltd v Whitefriars City Estates Ltd [2004] EWCA Civ 1418, Rn. 22. 161 [2008] EWHC 282 (TCC). 162 Cantillon Ltd v Urvasco Ltd [2008] EWHC 282 (TCC), Rn. 57. 163 Erheblicher Verstoß angenommen etwa bei Pilon Ltd v Breyer Group Plc [2010] EWHC 837 (TCC); Woods Harwick Ltd v Chiltern Air Conditioning Ltd [2001] BLR 23; abgelehnt etwa bei Kier Regional Ltd (t/a Wallis) v City & General (Holborn) Ltd [2006] EWHC 848 (TCC); Construction Ltd v Devonport Royal Dockyard Ltd [2005] EWHC 778 (TCC); siehe auch Coulsen, Construction Adjudicaton, Rn. 13.10. 164 Bernhard Schulte GmbH & Co Kg & Ors v Nile Holdings Ltd [2004] EWHC 977 (Comm); Owen Pell Ltd v Bindi (London) Ltd [2008] EWHC 1420 (TCC); Freedman, Const. L.J. 2011, 3, 7 f. 165 Bernhard Schulte GmbH & Co Kg & Ors v Nile Holdings Ltd [2004] EWHC 977 (Comm), Rn. 96.
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Vorliegen von apparent bias nicht ausreicht, um die Entscheidung des Dritten anzugreifen. Dazu führte der Richter J. Cook in Bernhard Schulte GmbH & Co Kg & Ors v Nile Holdings Ltd166 aus: „If an expert is guilty of actual bias, then his determination could be set aside.“167 Es gibt aber auch ältere Rechtsprechung, die annimmt, dass die Bestimmung, dass der Dritte stets ehrlich und unabhängig handeln muss, in jeden Vertrag hineinzulesen sei.168 Die Annahme eines solchen implied terms würde zumindest helfen, die dogmatischen Schwierigkeiten hinsichtlich der Anwendbarkeit der natural justice auf Verfahren der expert determination zu überwinden.169 Auch könne ein implied term nach einer gerichtlichen Entscheidung dahin gehend bestehen, dass der Dritte grundsätzlich ein faires Verfahren durchzuführen habe.170 Trotz dieser Entscheidungen lässt sich auf Grund der bereits aufgeführten anders lautenden Entscheidungen aber nicht von einem generellen Prinzip sprechen, dass der Dritte stets ein faires Verfahren durchzuführen habe, bei dem er die Grundsätze der natural justice zu berücksichtigen habe.171 Im Ergebnis kommt es, wie so häufig, auf den Einzelfall an.172
IV. Folgen einer ungültigen oder nicht erfolgten Entscheidung Weiterhin fraglich ist, welche Folgen eine ungültige oder nicht erfolgte Entscheidung des Dritten auslöst. Zunächst zu untersuchen ist dies für die expert determination. Können sich die Parteien einer expert determination nicht auf die Bestimmung eines Dritten einigen, ist es den englischen Gerichten nicht erlaubt einen Ersatz zu bestimmen.173 Ist die Entscheidung aus einem der oben genannten Gründe nichtig, hat das Gericht grundsätzlich nicht die Kompetenz, die Entscheidung zu ersetzen
166
[2008] EWHC 1420 (TCC). Bernhard Schulte GmbH & Co Kg & Ors v Nile Holdings Ltd [2004] EWHC 977 (Comm), Rn. 96; Freedman, Const. L.J. 2011, 3, 8 und Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-050. 168 Kenwood Manufactoring co Ltd v Whinney Murray & Co [1978] Lloyd’s Rep. 175, 178, 181. 169 Ausführlich Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 458 ff. 170 Worrall & Anor v Topp [2007] EWHC 1809 (Ch), Rn. 21; Macro v Thompson [1997] 2 BCLC 36, 64. 171 Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 14.14-1; siehe Owen Pell Ltd v Bindi (London) Ltd [2008] EWHC 1420 (TCC), Rn. 30; Bernhard Schulte GmbH & Co Kg & Ors v Nile Holdings Ltd [2004] EWHC 977 (Comm), Rn. 95-101. 172 Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 14.14-1. 173 Collins v. Collins (1858) 26 Beav. 306, 315; Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 9.3-1. 167
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oder einen neuen Dritten zu bestimmen.174 Dies zeigen auch die Regeln des Sale of Goods Act 1979 zur Kaufpreisbestimmung durch einen Dritten. Section 9 des Sale of Goods Act 1979 stellt für den Fall, dass der Dritte die Bestimmung nicht vornehmen kann oder nicht vornimmt, die Bestimmung auf, dass die Vereinbarung nichtig ist. Wurde die Ware schon geliefert, soll dafür aber ein angemessener Preis gezahlt werden. Wird der Dritte von einer Partei gehindert den Preis festzusetzen, hat die andere Partei Schadensersatzansprüche gegen diese. Zu dem Fall, dass eine Partei den Dritten, trotz einschlägiger vertraglicher Verpflichtung, nicht bestimmt, kam das House of Lords in Sudbrook Trading Estate Ltd v. Eggleton175 im Gegensatz zu dem gerade beschriebenen Grundsatz zu einer abweichenden Lösung. Nach dieser Entscheidung darf das Gericht selbst eine Untersuchung über die vom Dritten zu entscheidende Frage einleiten und die Entscheidung anhand eines fairen und objektiven Maßstabs treffen.176 Einschränkend fügte es allerdings hinzu, dass es dies nicht tun wird, wenn die Parteien keine Entscheidungsmaßstäbe für den Dritten festgelegt hätten177 oder in den Fällen, in denen die Parteien erkennbar auf die Fachkompetenz eines bestimmten Dritten gesetzt hätten.178 In allen anderen Fällen wird eine Ersetzung der Entscheidung des Dritten durch das Gericht daher abgelehnt werden.179 Zur Frage, was an die Stelle der unwirksamen Entscheidung tritt, gibt es unterschiedliche Aussagen. Während zwei Entscheidungen nahe legen, dass an die Stelle der ungültigen Entscheidung gar nichts träte,180 meint eine andere Meinung in der Literatur, dass der Dritte grundsätzlich eine neue Entscheidung mit den Vorgaben des Gerichts zu treffen habe.181 Nur in den Fällen, in denen es den Parteien nicht mehr zumutbar erscheint den Dritten erneut entscheiden zu lassen und die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, sollen, in Anlehnung an die Sudbrook-Entscheidung, die englischen Gerichte eine eigene Entscheidung treffen können.182 174 Dean v Prince [1953] Ch. 950, 600; Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 14.20-4. 175 [1983] 1 A.C. 444; siehe aber auch schon Smith v Gale [1974] 1 WLR 9, 13. 176 Sudbrook Trading Estate Ltd v Eggleton [1983] 1 AC 444; Treitel, in: Chitty on Contracts, Rn. 2-132; Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 2-050; Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 9.3-3. 177 Jones v Sherwood Computer Services Plc [1992] 1 WLR 277, 285, siehe auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 676 ff.; a.A. wohl Borowsky, Das Schiedsgutachten im Common Law, S. 93 ff. 178 Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 9.3-3. 179 Siehe etwa Bruce v Carpenter [2006] EWHC 3301 (Ch), Rn. 24; vgl. auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 677 f. 180 Veba Oil Supply & Trading GmbH v Petrotrade Inc [2001] EWCA Civ 1832, Rn. 16; Campbell v Edwards [1976] 1 W.L.R. 403, 408; siehe auch Jones, Arbitration 1997, 213, 222 und Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 676. 181 Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 14.20-4; mit Verweis auf Dean v Prince [1953] 1 Ch. 590, 600. 182 Macro v Thompson [1997] 2 BCLC 36, 68 ff.
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Liegt dagegen eine adjudication unter dem HGCRA 1996 vor und können sich die Parteien nicht auf einen Dritten einigen, sieht der dem HGCRA 1996 angehängte Modellvertrag vor, dass sich auch eine Partei ohne Mitwirkung der anderen Partei an eine den adjudicator benennende Stelle wenden kann. Das in Section 108 (1) HGCRA 1996 verbriefte Recht auf adjudication hat zur Folge, dass sich auch Parteien von Verträgen, die nicht nach dem Modellvertrag abgewickelt werden, an diese den adjudicator benennende Stelle wenden können.183 Eine offizielle Liste von benennenden Stellen gibt es allerdings nicht und auch für unwirksame Entscheidungen enthält der Modellvertrag keine Regelungen, sodass hier noch erhebliche Unsicherheiten bestehen.184
V. Durchsetzbarkeit der Vereinbarung einer Expert Determination oder Adjudication Zu untersuchen ist außerdem, ob die Vereinbarung der Parteien, ihren Streit vor Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens einer expert determination oder adjudication zu unterziehen, auch durchsetzbar ist. Von Bedeutung zu dieser Frage ist insbesondere die Entscheidung des House of Lords in Channel Tunnel Group Ltd v Balfour Beatty Construction Ltd185. Das House of Lords führte darin aus, dass die Parteien an ihre Vereinbarungen zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung gebunden sind, so sie denn von gleichberechtigten und erfahrenden Vertragspartnern ausgehandelt wurden.186 Sei dies der Fall, müsste das gerichtliche Verfahren ausgesetzt werden. Eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs liege nach Meinung des House of Lords dagegen nicht vor, weil das Prinzip der Vertragstreue in diesem Fall höher zu gewichten sei. In einer späteren Entscheidung187 unterließ es der High Court aber sein Verfahren auszusetzen. Zwar berief er sich grundsätzlich auf die Channel Tunnel Group Entscheidung, erkannte jedoch einen wesentlichen Unterschied darin, dass der angerufene Dritte keine Erfahrung mit expert determination hatte und ihm weder von den Parteien noch von der berufenen Stelle Regeln und Vorgaben mit an die Hand gegeben wurden, wie er seine Aufgabe zu erledigen habe.188 Auch die Klausel zur expert determination kritisierte das Gericht als nicht ausreichend klar formuliert.189
183 184 185 186 187 188 189
Vgl. Riches/Dancaster, Construction Adjudication, S. 150 ff. Riches/Dancaster, Construction Adjudication, S. 150. [1993] AC 334. Channel Tunnel Group Ltd v Balfour Beatty Construction Ltd [1993] AC 334, 343, 353. Cott UK Ltd v FE Barber Ltd [1993] 3 All ER 540. Cott UK Ltd v FE Barber Ltd [1993] 3 All ER 540, 548. Cott UK Ltd v FE Barber Ltd [1993] 3 All ER 540, 549.
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Grundsätzlich tendieren die englischen Gerichte aber dahin ihre Verfahren im Zweifel zugunsten einer außergerichtlichen Streitbeilegung auszusetzen, es sei denn die Klausel ist unverständlich formuliert und der Dritte unerfahren, was jedoch von den Parteien dargelegt werden muss.190 In Herschel Engineering Ltd v Breen Property Ltd entschied das Gericht bezüglich einer unter dem HGCRA 1996 durchgeführten adjudication sogar, dass selbst dann noch ein Adjudication-Verfahren eingeleitet werden könne, wenn die gleiche Sache bereits bei einem staatlichen Gericht anhängig sei.191 Den Vorrang der vertraglichen Vereinbarung bestätigte der High Court in einer jüngeren Entscheidung zu einem FIDIC-Vertrag.192 Darüber hinaus sind englische Gerichte auch gewillt einer Partei Schadensersatz zuzusprechen, wenn die andere Partei die Pflicht zur Teilnahme an der alternativen Streitbeilegung nicht befolgt.193
VI. Abgrenzung der Expert Determination und Adjudication von der Schiedsgerichtsbarkeit (Arbitration) Im englischen Recht ist die Unterscheidung von expert determination und arbitration, also Schiedsgerichtsbarkeit, ebenfalls umstritten,194 weshalb in den Verträgen oft klarstellend vereinbart wird, dass der expert „as an expert and not as an arbitrator“ ernannt werde.195 Die bis heute leitende Entscheidung stellt dabei Arenson v Arenson196 dar, in der es um die Frage ging, ob ein Schätzer (valuer) ebenfalls in den Genuss der Haftungsbeschränkung von Richtern und Schiedsrichtern kommen solle und wie der Schätzer von einem Schiedsrichter zu unterscheiden sei.
190
DGT Steel and Cladding Limited v Cubitt Building and Interiors Limited [2007] EWHC 1584 (TCC), Rn. 11; siehe auch Cato/Jones, The Expert in Litigation and Arbitration, Rn. 10 – 052. 191 (2000) 2 T.C.L.R. 473. 192 Peterborough City Council v Enterprise Managed Services Ltd [2014] EWHC 3193 (TCC). 193 Vgl. Sunrock Aircraft Corporation ltd v Scandinavian Airlines System Denmark-Norway-Sweden [2007] EWCA Civ 882, Rn. 36 ff.; Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 55. 194 Siehe dazu auch Jones, Arbitration 2001, 17, 21 ff.; Borowsky, Das Schiedsgutachten im Common Law, S. 72 ff. 195 Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, Rn. 7-058; Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 16.3-3 mit Fn. 17; siehe dazu auch in Bernhard Schulte GmbH & Co Kg & Ors v Nile Holdings Ltd [2004] EWHC 977 (Comm), Rn. 95. 196 [1977] A.C. 405.
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
1. Arenson v Arenson Lord Simon of Glaisdale bringt in der Entscheidung dazu vor, dass aus seiner Sicht dann Schiedsgerichtsbarkeit vorliege, wenn zum Zeitpunkt der Vorlage der Entscheidung ein Streit herrsche (formulated dispute).197 Dieser läge vor, wenn die Parteien zu einem streitigen Gegenstand gegenläufige Meinungen hätten.198 Dieses Kriterium allein reicht allerdings nicht aus, um die expert determination sicher von der arbitration zu unterscheiden. Zwar ist das Vorliegen eines formulated dispute Voraussetzung für die Annahme der Schiedsgerichtsbarkeit, hingegen wird dadurch noch nicht ausgeschlossen, dass nicht auch eine expert determination oder adjudication vorliegt,199 denn auch vor diesen können bereits entstandene Streitigkeiten beigelegt werden.200 Richter Lord Wheatly zählte in der gleichen Entscheidung Indizien auf, wann seiner Meinung nach eine Schiedsvereinbarung vorläge: (a) es läge ein bereits entstandener Streit oder eine Meinungsverschiedenheit (formulated disput) vor; (b) der Streit oder die Meinungsverschiedenheit wurde dem Dritten in der Art und Weise überlassen, dass dieser ihn in einer richterlichen Funktion (judicial function) lösen solle; (c) wo angebracht, müsse es den Parteien ermöglicht worden sein Beweise und/ oder Ausführungen zur Darlegung ihrer Ansprüche vorzubringen; und (d), dass die Parteien vereinbart hätten, die Entscheidung zu akzeptieren.201 Dabei bezog er sich insbesondere auch auf die Entscheidung Sutcliffe v Thackrah202 in der Lord Salmon betonte, dass es bei der Beantwortung der Frage, ob der Dritte ein Schätzer oder ein Schiedsrichter sein soll, vor allem auf den Einzelfall ankomme.203 Der Ansatz von Lord Wheatly ist insofern auf Zustimmung gestoßen, als dass sich auch eine jüngere schottische Entscheidung im Wesentlichen auf diese Kriterien als Indizien stützt, um eine expert determination von der Schiedsgerichtsbarkeit abzugrenzen.204 In dem schottischen Fall konnten drei der vier von Lord Wheatly vorgeschlagenen Kriterien verneint werden, sodass das Vorliegen einer Schiedsvereinbarung insgesamt abgelehnt wurde.205 Nur das Kriterium (d) wurde bejaht, 197
Arenson v Arenson [1977] AC 405, 424. Arenson v Arenson [1977] AC 405, 424; siehe auch Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 16.5-1. 199 Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 16.5-2. 200 Bernhard Schulte GmbH & Co Kg & Ors v Nile Holdings Ltd [2004] EWHC 977 (Comm), Rn. 95. 201 Arenson v Arenson [1977] A.C. 405, 428; siehe auch auch Walkinshaw v Diniz [2000] 2 All ER (Comm), 237, 254, in der ähnliche Kriterien zur Bestimmung einer Schiedsvereinbarung genannt werden. 202 [1974] A.C. 727. 203 Siehe Arenson v Arenson [1977] AC 405, 427 f. 204 MacDonald Estates Ltd v NCP [2009] ScotCS CSIH 79 A; Anm. Dundas, Arbitration 2009, 21 ff. 205 MacDonald Estates Ltd v NCP [2009] ScotCS CSIH 79 A, Rn. 38. 198
A. Englisches Recht
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nämlich dass die Parteien vereinbart hatten sich an den Spruch des Dritten zu binden.206 Dies zeigt, dass die Formulierung, dass die Entscheidung von den Parteien akzeptiert werden müsse, nicht präzise genug ist, um die arbitration von der expert determination abzugrenzen. Schließlich sind beide Entscheidungen für die Parteien verbindlich, nur auf unterschiedliche Weise. Konsequenter ist es die Formulierung von Lord Wheatly als bindend im Sinne von direkt vollstreckbar zu verstehen, was teilweise in der Literatur angenommen wird.207 Stellt man indessen nur auf die reine Formulierung des Akzeptierens der Entscheidung durch beide Parteien ab, ist im Ergebnis keines der von Lord Wheatly genannten Kriterien dazu geeignet den alleinigen Ausschlag zu geben. Denn auch ein expert kann, wie bereits erwähnt, zum Beispiel einen „dispute“, also Streit, entscheiden.208 Was genau unter einer „judicial function“, also einer richterlichen Funktion zu verstehen ist, ist fraglich. Nach einer Meinung in der Literatur liegt der Schwerpunkt auf der Frage, ob der Dritte seine eigene Expertise nutzt, oder, wie es meist ein Richter tut, nur die Rechtsfragen aus eigener Anschauung heraus beantwortet und technische Fragen Gutachtern oder dem Beweis der Parteien überlässt.209 Diese Argumentation bekommt aber sogleich Risse, wenn dieselbe Meinung zugleich auf die Qualitätsarbitrage als Ausnahme verweist, die nach englischer Tradition durch Schiedsverfahren organisiert wird und bei der der Dritte stets die eigene Expertise nutzt.210 Im Ergebnis kommt es also nach englischer Vorstellung auf eine Einzelfallbetrachtung an, bei denen das Vorliegen des einen oder anderen Kriteriums nur ein Indiz sein kann.211 Da die von Lord Wheatly genannten Punkte b), c) und d) den Parteiwillen ins Zentrum rücken, wird es auch im englischen Recht schlussendlich vor allem auf den Parteiwillen ankommen.212
206
MacDonald Estates Ltd v NCP [2009] ScotCS CSIH 79 A, Rn. 38. Mustill/Boyd, The Law and Practice of Commercial Arbitration in England, S. 42. 208 Siehe MacDonald Estates Ltd v NCP [2009] ScotCS CSIH 79 A, Rn. 38; Oelsner, Dispute Boards, S. 118; zur Tauglichkeit des Kriteriums dispute siehe auch Borowsky, Das Schiedsgutachten im Common Law, S. 77 ff. 209 Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 16.6-1 ff.; so wohl auch in Bernhard Schulte GmbH & Co Kg & Ors v Nile Holdings Ltd [2004] EWHC 977 (Comm), Rn. 95. 210 Freedman/Farrell, Kendall on Expert Determination, Rn. 16.6-7. 211 So auch Lord Wheatly in Arenson v Arenson [1977] AC 405, 427; siehe auch Walkinshaw v Diniz [2000] 2 All ER (Comm), 237, 255e. 212 So auch Borowsky, in: Böckstiegel/Berger/Bredow (Hrsg.), Schiedsgutachten versus Schiedsgerichtsbarkeit, S. 49, 53; siehe auch Born, International Commercial Arbitration, S. 269. 207
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
2. Abgrenzung der Adjudication im Besonderen Die Abgrenzung der adjudication von der Schiedsgerichtsbarkeit ist insofern einfacher, weil zum einen die adjudication nur eine vorläufige Bindungswirkung erzeugt, es also gerade gewollt ist, dass diese Entscheidung durch ein Schiedsgericht noch einmal überprüft werden kann und zum anderen, dass im englischen Rechtskreis die adjudication teilweise gesetzlich vorgeschrieben ist, was auf die Schiedsgerichtsbarkeit nicht zutrifft, die nämlich immer auf Freiwilligkeit beruht.213 Hier kam es bislang zu keinen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen adjudication und arbitration. Grundsätzlich steht die adjudication der Schiedsgerichtsbarkeit aber in verfahrenstechnischer Hinsicht näher, da bei ihr, im Gegensatz zur expert determination, die Verfahrensgrundsätze der natural justice eingehalten werden müssen.214
VII. Zusammenfassung und Ergebnis zum englischen Recht 1. In der englischen Rechtsordnung sind Streitbeilegungsverfahren, in denen der Dritte eine schuldrechtlich bindende Entscheidung erlässt, in Form der expert determination und adjudication verbreitet. Eine hervorzuhebende Rolle spielt die adjudication, weil sie im HGRCA 1996 gesetzlich normiert und im Rahmen bestimmter Bauverträge sogar verpflichtend ist. Indes orientieren sich auch nicht verpflichtend vereinbarte Adjudication-Verfahren in ihrem Ablauf an der gesetzlich normierten und verpflichtenden adjudication im HGCRA 1996.215 2. Im englischen Recht wird die schuldrechtliche Bindungswirkung der Entscheidung eines adjudicators oder eines experts nicht in Frage gestellt.216 3. Die Entscheidung des Dritten ist auch im englischen Recht grundsätzlich noch gerichtlich überprüfbar. Allerdings heben englische Gerichte lediglich falsche Entscheidungen nicht auf, sondern nur solche, die an einem erheblichen Mangel leiden. Dazu gehört der mistake, bei dem der Dritte etwa von den Parteien aufgestellte Vorgehensweisen oder Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet. Weiterhin hebt ein englisches Gericht die Entscheidung eines Dritten auf, wenn der Dritte bei seiner Entscheidung arglistig (fraud) gehandelt hat, mit einer Partei geheime Absprachen getroffen hat (collusion) oder wenn der Dritte seine Zuständigkeit nicht beachtet hat. Ob der Dritte Verfahrensgrundsätze zu beachten hat, ist auch im englischen Recht strittig. Diese unter dem Begriff der natural justice geführte Diskussion dreht sich vor allem um die Frage, ob der Dritte unabhängig zu sein hat und ob der Dritte rechtliches Gehör gewähren muss. Zu unterscheiden ist diesbezüglich zwischen der adjudication und der expert determination. In der Rechtsprechung ist mittlerweile anerkannt, dass 213 214 215 216
Rana, Arbitration 2009, 223, 225. Rowe, in: Atkin’s Court Forms, Vol. 6 (2), Rn. 59. Siehe unter 3. Kapitel A. I. Siehe unter 3. Kapitel A. II.
B. Französisches Recht
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Adjudication-Verfahren den Regeln der natural justice grundsätzlich unterliegen. Einschränkend fügt die Rechtsprechung allerdings hinzu, dass bei der Überprüfung der Entscheidung des Dritten auf Verstöße gegen die natural justice stets zu beachten ist, dass die adjudication eine schnelle Streitbeilegungsmethode sein soll. Dementsprechend muss ein Verstoß gut begründet vorgetragen werden und er muss sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben. Bei der expert determination hingegen gilt der Grundsatz, dass die Regeln der natural justice keine Anwendung finden. Eine Ausnahme davon sehen die Gerichte allerdings für den Fall vor, dass der Dritte tatsächlich nicht unabhängig war, der alleinige Anschein der Abhängigkeit, wie bei der adjudication, reicht nicht aus.217 4. Ist die Entscheidung des Dritten ungültig oder hat er keine Entscheidung getroffen, sehen sich englische Gerichte grundsätzlich nicht dazu befähigt die Entscheidung des Dritten zu ersetzen oder einen neuen Dritten zu bestimmen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht die Rechtsprechung allerdings, wenn die Parteien einen ausreichend bestimmten Entscheidungsmaßstab vorgegeben haben und nicht erkennbar auf die Kompetenz eines bestimmten Dritten gesetzt haben. In diesen Fällen darf das Gericht die Entscheidung des Dritten durch eine eigene ersetzen. Befinden sich die Parteien in einer adjudication unter dem HGCRA 1996, haben die Parteien aber zumindest das Recht eine den Dritten benennende Stelle anzurufen.218 5. Ruft eine Partei vor der Durchführung einer adjudication oder einer expert determination ein englisches Gericht an, setzt dieses in der Regel sein Verfahren bis zur Entscheidung der Streitsache durch die expert determination oder der adjudication aus.219 6. Abgrenzungsschwierigkeiten treten vor allem zwischen der expert determination und der Schiedsgerichtsbarkeit auf. Im Zentrum der Abgrenzung steht auch im englischen Recht der Parteiwille. Wird dieser nicht konkret geäußert, erfolgt die Abgrenzung an Hand mehrerer Indizien und einer Einzelfallbetrachtung.220
B. Französisches Recht221 Auch das französische Recht kennt vertraglich bindende Drittentscheidungen, die zumeist unter dem Begriff der expertise irrévocable diskutiert werden. Zunächst sind 217
Siehe unter 3. Kapitel A. III. Siehe unter 3. Kapitel A. IV. 219 Siehe unter 3. Kapitel A. V. 220 Siehe unter 3. Kapitel A. VI. 221 Zum französischen Recht auch Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 23; Niggemann, in: Böckstiegel/Berger/Bredow (Hrsg.), Schiedsgutachten versus Schiedsgerichtsbarkeit, S. 59 und Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte. 218
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
daher die Grundlagen der expertise irrévocable im französischen Recht zu untersuchen (I.). Weiterhin stellt sich die Frage der Qualifikation der vertraglich bindenden Drittentscheidung im französischen Recht (II.), sowie die gerichtliche Überprüfbarkeit der Entscheidungen des Dritten (III.). Anschließend ist zu untersuchen, welche Folgen eine ungültige oder nicht erfolgte Entscheidung für die Parteien hat (IV.), wie die Parteien die Vereinbarung einer expertise irrévocable durchsetzen können (V.) und wie die expertise irrévocable von der Schiedsgerichtsbarkeit im französischen Recht abgegrenzt wird (VI.).
I. Grundlagen Regelungen zu vertraglich bindenden Drittentscheidungen finden sich vor allem im Code civil. Art. 1592 C. civ.222 und Art. 1843-4 C. civ.223 erfassen ihrem Wortlaut nach aber nur spezielle Fälle der expertise irrévocable, die der Bestimmung des Kaufpreises und der Wertbestimmung beim Verkauf von Gesellschaftsanteilen224. Der Schwerpunkt der veröffentlichen Fälle der expertise irrévocable liegt in Frankreich auf der Kaufpreisbestimmung, sei es von Gesellschaftsanteilen oder anderen Rechten und Gütern.225 Daneben gibt es vereinzelt noch veröffentlichte Fälle zu Versicherungsverträgen226, Mietverträgen227 und zu Verträgen in der Ölindustrie228.
222 Art. 1592 C. civ. ist zusammen mit Art. 1591 C. civ. zu lesen, es heißt in Art. 1591 C. civ.: „Le prix de la vente doit être déterminé et désigné par les parties.“ Und Art. 1592 C. civ. bestimmt: „Il peut cependant être laissé à l’arbitrage d’un tiers; si le tiers ne veut ou ne peut faire l’estimation, il n’y a point de vente.“ 223 Art. 1843-4 C. civ. bestimmt: „I. – Dans les cas où la loi renvoie au présent article pour fixer les conditions de prix d’une cession des droits sociaux d’un associé, ou le rachat de ceux-ci par la société, la valeur de ces droits est déterminée, en cas de contestation, par un expert désigné, soit par les parties, soit à défaut d’accord entre elles, par ordonnance du président du tribunal statuant en la forme des référés et sans recours possible. L’expert ainsi désigné est tenu d’appliquer, lorsqu’elles existent, les règles et modalités de détermination de la valeur prévues par les statuts de la société ou par toute convention liant les parties. II. – Dans les cas où les statuts prévoient la cession des droits sociaux d’un associé ou le rachat de ces droits par la société sans que leur valeur soit ni déterminée ni déterminable, celle-ci est déterminée, en cas de contestation, par un expert désigné dans les conditions du premier alinéa. L’expert ainsi désigné est tenu d’appliquer, lorsqu’elles existent, les règles et modalités de détermination de la valeur prévues par toute convention liant les parties.“ 224 Ausführlich dazu Fleischer/Jaeger, RabelsZ, 693 ff. 225 Siehe z. B. Cass. com., 16. 02. 2010, n8 09-11.586, Bull civ. IV, n8 39; Cass. com., 5. 10. 2004, n8 02-21.545, Bull. Joly 2005, 262; Cass. com., 9. 4. 1991, n8 89-21.611, Bull. civ. IV, n8 139; Cass. com., 22. 4. 1976, n8 74-14.896, Bull. civ. IV, n8 129; Cass. com., 12. 11. 1962, Bull. civ. IV, n8 444. 226 Cass., 26. 4. 1978, n8 76-14.423 (legifrance).
B. Französisches Recht
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1. Begrifflichkeiten Die Regelungstechnik der schuldrechtlich bindenden Drittentscheidung ist im französischen Recht unter verschiedenen Begrifflichkeiten bekannt. Neben dem Begriff der „expertise irrévocable“229 sind die Begriffe „expertise arbitrage“230 und „arbitrage contractuelle“231 verbreitet. Der Dritte wird von der Literatur und Rechtsprechung als „tiers-estimateur“232, „tiers évaluateur“233, „tiers expert“234 oder auch als „mandataire“235 bezeichnet. Die sich unterscheidende und dadurch teilweise unklare Begriffsbildung erklärt sich unter anderem aus dem Umstand, dass der Code civil selbst keine einheitlichen Begriffe bezüglich der vertraglich bindenden Drittentscheidung benutzt.236 Art. 1592 C. civ. bestimmt, dass beim Kauf der Preis „à l’arbitrage“ eines Dritten überlassen werden kann. Es herrscht Einigkeit, dass mit „arbitrage“ nicht diejenige des Prozessrechts gemeint ist.237 Des Weiteren soll nach Art. 1592 C. civ. kein Kauf vorliegen, wenn der Dritte (tiers) den Preis nicht bestimmen kann oder will. Art. 1843-4 C. civ. dagegen bestimmt, dass wenn bei der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen deren Wert zwischen den Parteien umstritten ist, dieser von einem „expert“ bestimmt werden soll. Dieser expert kann mangels Einigung der Parteien vom Präsidenten des Gerichts bestimmt werden. Gegen seine Entscheidung ist kein Einspruch möglich. Während Art. 1592 C. civ. also den Begriff der „arbitrage“ und des „tiers“ benutzt, nutzt Art. 1843-4 C. civ. den des „expert“. Folgte man der Begriffsbildung des Art. 1592 C. civ, müsste der Dritte eigentlich als „arbitre“, also Schiedsrichter bezeichnet werden. Dies würde mit der Bezeichnung eines auf vertraglicher Ebene entscheidenden Dritten im römischen Recht korrespondieren, dem „arbitrator“.238 Der Begriff des „arbitre“ wird jedoch kritisch gesehen, da er keine klare Abgrenzung zum konventionellen Schiedsrichter enthält.239 Häufiger wird
227 Cass., 4. 3. 1998, n8 96-16.671, JCP 1998, IV, 1896, Anm. Dubarry/Loquin, RTD Com. 1998, 578; Cass., 9. 6. 1961, Bull civ. II, n8 436. 228 Cass., 29. 4. 2003, Rev. arb. 2003, 1296. 229 Cohen, Arbitrage et société, Rn. 362. 230 Siehe z. B. Tricot/Forestier/Loeper, Gaz. Pal. 2008, 746; Jarrosson, La notion d’arbitrage, Rn. 246. 231 Oppetit, Théorie de l’arbitrage, 72; Loquin, J.-Cl. Proc. civile, Rn. 10. 232 Vgl. Moury, Droit des ventes, Nr. 31.143; Motulsky, Études et notes sur l’arbitrage, S. 49. 233 Armand-Prévost/Rausch, Gaz. Pal. 2008, 768, 771. 234 Cass., 15. 12. 2010, n8 09-16.943, Bull civ. I, n8 260. 235 Motulsky, Études et notes sur l’arbitrage, S. 49; Cohen, Arbitrage et société, Rn. 341. 236 Vgl. Cohen, Arbitrage et société, Rn. 341. 237 Loquin, J-Cl. Proc. civile, Rn. 15, ausführlich auch Clay, in: Catala/Cornu/Foyer u. a. (Hrsg.), Le code civil, S. 693 ff. 238 Moury, Droit des ventes, Nr. 31.143. 239 Moury, Droit des ventes, Nr. 31.143; Motulsky, Études et notes sur l’arbitrage, S. 24.
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
daher der Begriff des „tiers-estimateur“240, des „tiers évaluateur“241, „tiers expert“242 oder auch der des „mandataire“243 benutzt. 2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Art. 1592 C. civ. und Art. 1843-4 C. civ. Die größte Gemeinsamkeit von Art. 1592 C. civ. und Art. 1843-4 C. civ. besteht darin, dass ein Dritter vertragsverbindlich für die Parteien eine Regelung zu einer bestimmten Frage treffen soll. Diese besteht sowohl für Art. 1592 C. civ. als auch für Art. 1843-4 C. civ. in der Regel in der Bestimmung eines (Geld-)Wertes. Neben dieser Gemeinsamkeit treten aber bei näherer Betrachtung vor allem Unterschiede zu Tage.244 Zum einen gilt dies für die in den Artikeln des Code Civil benutzten Begrifflichkeiten, zum anderen aber auch für die Anwendungsbereiche245 der Art. 1592 C. civ. und Art. 1843-4 C. civ. Art. 1843-4 C. civ. betrifft lediglich Fallkonstellationen, in denen Gesellschaftsanteile verkauft werden sollen und ist somit deutlich enger gefasst als Art. 1592 C. civ, der allgemein den Kaufvertrag erfasst. Art. 1843-4 C. civ. bietet gegenüber Art. 1592 C. civ. aber den Vorteil, dass das Gericht befugt ist einen Dritten zu bestimmen, wenn sich die Parteien nicht einigen können, während Art. 1592 C. civ. bestimmt, dass der Kaufvertrag bei Nichtbestimmung durch den Dritten gescheitert ist. Für die Abgrenzung von Art. 1843-4 C. civ. und Art. 1592 C. civ. ist zunächst von Interesse, ob die Parteien im Rahmen der beiden Regelungen dem Dritten Methoden bei der Entscheidungsfindung vorgeben dürfen [a)] und schließlich ist die Frage zu beantworten, ob die Parteien frei sind bei ihrer expertise irrévovable die eine oder andere Vorschrift anzuwenden, also frei wählen können [b)]. a) Methodenwahl Grundsätzlich ist der Dritte bei der Ausführung seiner Aufgabe und seiner Methodenwahl frei.246 Fraglich ist aber, ob die Parteien dem Dritten Vorgaben in Bezug auf seine Entscheidungsfindung machen können. Art. 1592 C. civ. enthält dazu keine Regelung, in Rechtsprechung und Literatur ist aber anerkannt, dass die Parteien bei einem Kauf gemäß Art. 1592 C. civ. dem Dritten
240
Vgl. Moury, Droit des ventes, Nr. 31.143; Motulsky, Études et notes sur l’arbitrage, S. 49. Armand-Prévost/Rausch, Gaz. Pal. 2008, 768, 771. 242 Cass., 15. 12. 2010, n8 09-16.943, Bull civ. I, n8 260. 243 Motulsky, Études et notes sur l’arbitrage, S. 49; Cohen, Arbitrage et société, Rn. 341. 244 Siehe dazu Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501 f., Nr. 2 f. 245 Zur Praxis, siehe Couret, Mélanges Bouloc, S. 249, 250, Nr. 3. 246 Mignot, J.-Cl. Civil Code, Art. 1591 à 1593, Rn. 72; siehe auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 193 f. 241
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Methoden bei der Preisbestimmung vorgeben können und der Dritte gezwungen ist, sich an diese Methoden zu halten.247 Art. 1843-4 C. civ. enthält dagegen eine eindeutige Regelung, dass die Parteien dem Dritten Methoden bei der Preisbestimmung vorgeben können. In der letzten Zeile von Absatz eins von Art. 1843-4 C. civ. heißt es: „L’expert ainsi désigné est tenu d’appliquer, lorsqu’elles existent, les règles et modalités de détermination de la valeur prévues par les statuts de la société ou par toute convention liant les parties.“ Diese Regelung findet sich erst seit dem Jahr 2014 im Gesetz und ist Höhepunkt einer kontrovers geführten Diskussion um die Rechtsprechung der Cour de Cassation zur Entscheidungsfreiheit des Dritten bei der Preisbestimmung von Gesellschaftsanteilen gemäß Art. 1843-4 C. civ.248 Nach einer Reihe von Entscheidungen der Cour de Cassation war es den Parteien im Rahmen von Art. 1843-4 C. civ. nicht möglich dem Dritten Vorgaben bei der Preisbestimmung der Gesellschaftsanteile zu machen.249 Der Dritte musste die von den Parteien aufgestellte Methode nach einem vielbeachteten Urteil der Cour de Cassation aus dem Jahr 2009 nicht beachten250 und eine Missachtung der von den Parteien aufgestellten Methoden führte auch nicht zur Nichtigkeit des von dem Dritten aufgestellten Wertes.251 Mit dem Urteil aus dem Jahr 2009252 setzte die Cour de Cassation ihren bereits im Jahr 2007253 eingeschlagenen Weg fort, dem bestimmenden Dritten im Rahmen des Art. 1843-4 C. civ. möglichst viele Freiheiten einzuräumen.254 Der Dritte war seitdem in seiner Methodenwahl völlig frei, sodass auch im Fall der Bestimmung des Dritten durch das Gericht, das Gericht keine Vorgaben zu den vom Dritten anzuwendenden Methoden geben konnte und durfte, denn die Macht des Gerichts war und ist lediglich auf die Bestimmung des Dritten beschränkt.255
247
CA Paris, 17. 09. 2004, n8 04-01.049, JCP É 2005, 134, Anm. Bonneau; Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501, Nr. 2; Navarro, Droit des sociétés, S. 149; vgl. auch Cass., 14. 3. 2012, n8 10-25.866 (legifrance). 248 Vgl. Fleischer/Jaeger, RabelsZ 77, 693, 695; Dondero, JCP É 2014, 1531; Constantin, RTD Com. 2014, 633. 249 Cass. com., 19. 04. 2005, n8 03-11.790, Bull. civ. IV, n8 95; Cass. com., 4. 11. 1987, n8 86-10.027, JCP É 1988, 15212, Anm. Viandier; Moury, Droit des ventes, Nr. 32.151 ff., Mignot, J.-Cl. Civil Code, Art. 1591 à 1593, Rn. 73; Navarro, Droit des sociétiés, S. 149. 250 Cass. com. 5. 5. 2009, n8 08-17.465, Bull. civ. IV, n8 61. 251 CA Paris 9. 12. 2008, n8 07-20.084, D. 2009, 96, Anm. Lienhard. 252 Cass. com., 5. 5. 2009, n8 08-17.465, Bull. civ. IV, n8 61, Anm. Mortier JCP É 2009, 1632; Anm. Grimaldi, JCP 2009, n8 500; Anm. Gautier RTD Civ. 2009, 548; Deboissy/Wicker, JCP É 2009, 1767; Navarro, Droit des sociétes, S. 149 f. 253 Cass., 4. 12. 2007, n8 06-13.912, JCP É 2008, 1159, Anm. Hovasse, und Cass., 4. 12. 2007, n8 06-13.913, Dr. sociétés 2008, comm. 177, Anm. Mortier. 254 Deharo, RTD Com. 2007, 643. 255 Navarro, Droit des sociétiés, S. 149.
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Die Haltung des obersten französischen Zivilgerichts lässt sich vor allem aus der Zugehörigkeit des Art. 1843-4 C. civ. zum ordre public interne256 erklären.257 Wenn ein Teilhaber eine Gesellschaft verlässt und die Anteile daran verkaufen will, beziehungsweise muss, so soll er für die Anteile einen „gerechten“ Preis erhalten.258 Um dies sicherzustellen, soll die Ermittlung des Wertes ein in seiner Bewertung freier Dritter übernehmen. Der Grund des Austritts muss nämlich kein freiwilliger sein, sondern er kann auch von der Mehrheit der Gesellschafter ausgeschlossen worden sein.259 Dieselbe Mehrheit legt aber im Zweifel auch die Methode der Evaluierung des Wertes der Gesellschaftsanteile in den Gesellschaftsstatuten fest.260 Der hieraus entstehende Interessenkonflikt ist offensichtlich. Der Art. 1843-4 C. civ. dient aus Sicht der Cour de Cassation damit vor allem dem Minderheitenschutz.261 Dem gegenüber stehen aber die Prinzipien der Vertragsfreiheit und der Vertragstreue, die nach verbreiteter Meinung der Literatur durch die Rechtsprechung der Cour de Cassation extrem beschränkt worden seien.262 Auch wird Art. 1843-4 C. civ. dahingehend verstanden, dass er nur den Verkauf von Anteilen möglich machen soll, deren Wertbestimmung zwischen den Parteien schwierig beziehungsweise strittig erscheinen, keinesfalls solle aber ein von den Parteien völlig losgelöster und autonomer Dritter bezweckt und gewollt worden sein.263 Indessen wurde der Streit durch den Gesetzgeber zu Gunsten der Befürworter eines von den Parteien beschränkten Dritten entschieden. b) Abgrenzung von Art. 1592 und Art. 1843-4 C. civ. In den aufgeführten Urteilen der Cour de Cassation ging es vor allem auch um die Herausarbeitung einer Abgrenzung von Art. 1843-4 C. civ. zu Art. 1592 C. civ.264 Da sich sowohl Art. 1592 C. civ. als auch Art. 1843-4 C. civ. grundsätzlich um eine Preisbestimmung drehen, ist fraglich, inwiefern die Parteien frei sind sich auf die eine oder andere Vorschrift zu stützen. Art. 1592 C. civ. war bis zur Änderung des Art. 1843-4 C. civ. in seiner Handhabung für die Parteien bezüglich der Metho256 Siehe zum ordre public interne Art. 6 C. civ. und Terré/Simler/Lequette, Les obligations, S. 42, Rn. 35, S. 318 ff., Rn. 372 ff. 257 Grimaldi, JCP 2009, 500; Deboissy/Wicker, JCP É 2009, 1767; Moury, Dr. sociétés 2005, 513, Rn. 5; Serinet, RDC 2009, 657, 658. 258 Grimaldi, JCP 2009, 500. 259 So im Sachverhalt zum Urteil der Cour de Cassation 5. 5. 2009, n8 08-17.465, Bull. civ. IV, n8 61. 260 Vgl. Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501 514 f., Nr. 39 ff., Dondero, Mélanges Tricot, 639, 649 f. 261 Fleischer/Jaeger, RabelsZ 77, 693, 701. 262 Mortier, JCP É 2009, 1632; Hovasse, JCP É 2008, 1159. 263 Mortier, JCP É 2009, 1632. 264 Mortier, JCP É 2013, 1340; vgl. auch Caffin-Moi, Cession de droits sociaux et droit des contrats, Nr. 216 ff.
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denwahl wesentlich liberaler, sodass viele Parteien beim Kauf und Verkauf von Gesellschaftsanteilen versucht gewesen sind sich auf diesen statt auf Art. 1843-4 C. civ. zu beziehen. Anderseits können die Parteien auch ein Interesse haben, den Art. 1843-4 C. civ. statt des Art. 1592 C. civ. als Basis ihres Kaufvertrags heranzuziehen, da sie so nicht in die Gefahr der Nichtigkeit des Vertrags geraten.265 Hier kann nämlich der Präsident des Gerichts einen Dritten bestimmen, wenn sich die Parteien nicht auf diesen einigen können. Diese Möglichkeit wurde im Rahmen des Art. 1592 C. civ. vom Gesetzgeber nicht eingeräumt. Art. 1843-4 C. civ. ist nur dann zwingend anwendbar, wenn es um den Verkauf von Gesellschaftsanteilen geht,266 dabei erfasst Art. 1843-4 C. civ. den Großteil der französischen Gesellschaftsformen.267 Der Anwendungsbereich von Art. 1592 C. civ. ist dagegen etwas weiter. Unstrittig erstreckt er sich nicht nur auf den Kauf unterschiedlichster Güter, sondern auch auf andere Vertragstypen, bei denen die Höhe eines Geldbetrags festgelegt werden soll, wie etwa bei Mietverträgen.268 Anerkannt ist, dass Art. 1843-4 C. civ. kraft Parteivereinbarung Anwendung finden kann.269 Strittig ist allerdings, wann Art. 1843-4 C. civ. von den Parteien angewendet werden muss. Zumindest vor der Neufassung des Art. 1843-4 C. civ. nahm ein Teil der Literatur an, dass Art. 1843-4 C. civ. nur dann anwendbar sei, wenn der Verkauf von Gesellschaftsanteilen vom Gesetz angeordnet war, bei allen übrigen Fallgestaltungen wäre nach dieser Auffassung auf vertraglich bindende Drittbestimmungen grundsätzlich Art. 1952 C. civ. anwendbar gewesen.270 Die Neufassung des Art. 1843-4 C. civ. hat diesen Streit erledigt und stellt klar, dass Art. 1843-4 C. civ. auch anwendbar ist, wenn der Gesellschaftsvertrag einen Verkauf vorsieht.271 Die Cour de Cassation hat bezüglich der alten Fassung des Art. 1843-4 C. civ. entschieden, dass Art. 1843-4 C. civ. nicht nur dann Anwendung findet, wenn sich die Parteien im Gesellschaftsvertrag zum Verkauf von Gesellschaftsanteilen verpflichtet hatten, sondern auch dann, wenn die Parteien dies in einer schuldrechtlichen
265
Fleischer/Jaeger, RabelsZ 77, 693, 698 f. Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501, 503 f., Nr. 8 f. 267 Siehe Fleischer/Jaeger, RabelsZ 77, 693, 798 f. 268 Vgl. Cass., 4. 3. 1998, n8 96-16.671, Bull. civ. III, n8 49; CA Paris, Rev. arb. 1990, 713; Moury, Dr. sociétés 2005, 513, Rn. 4; Motulsky, Études et notes sur l’arbitrage, S. 41; Cohen, Arbitrage et sociétés, Rn. 434; Loquin, J.-Cl. Proc. Civil, Rn. 19. 269 Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501, 504 f., Nr. 12 f. 270 Umfassend dazu Moury, Droit des ventes, Nr. 12.61 ff.; Moury, Dr. sociétés 2005, 513, Rn. 3, 5; Cohen, Arbitrage et sociétés, Rn. 373; Monsallier Saint-Mleux, Mélanges DekeuwerDéfossez, S. 501, 504, Nr. 11. 271 Nicht dagegen, wenn sich die Parteien außerhalb der Statuten auf einen Verkauf einigen, siehe Cass. com. 11. 4. 2014, n8 11-26.915, JCP É 2014, 1159, Anm. Couret und Becker, JCP É 2014, 1515. 266
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
Nebenabrede taten.272 Die Cour de Cassation hatte die Grenze zwischen Art. 1592 C. civ und Art. 1843-4 C. civ. nicht von einer gesetzlichen Verkaufspflicht der Gesellschaftsanteile abhängig gemacht273, sondern zum einen an das Vorliegen einer Meinungsverschiedenheit zwischen den Parteien bezüglich des Wertes der Anteile274 und zum anderen an den Zeitpunkt275 dieser Meinungsverschiedenheit gebunden.276 Für die Anwendbarkeit des Art. 1843-4 C. civ. musste demnach die Meinungsverschiedenheit nach Vereinbarung der Verkaufsverpflichtung aufgetreten sein.277 War der Preis durch diese Vereinbarung bereits bestimmt genug, etwa durch das Festlegen einer ganz bestimmten Methode oder durch einen Verweis auf Art. 1952 C. civ., war Art. 1843-4 C. civ. nach Meinung der Cour de Cassation nicht anwendbar, denn der eigentliche Kaufvertrag sei dann schon wirksam geschlossen worden.278 Die Lehre hatte daher vorgeschlagen zwischen „vorgesehenen Verkäufen“ und „vereinbarten Verkäufen“ zu unterscheiden.279 Erstere stellten Verkäufe dar, die vom Recht angeordnet wurden oder im Falle des Eintritts eines bestimmten tatsächlichen oder rechtlichen Ereignisses, das von den Parteien im Gesellschaftsvertrag oder einer schuldrechtlichen Nebenabrede vereinbart wurden, vollzogen wurden.280 „Vereinbarte Verkäufe“ seien dagegen Verkäufe, die ohne eine solche Verpflichtung frei und „spontan“ von den Parteien vereinbart und vor allem bereits durch Bestimmung des Dritten oder der Methodenwahl quasi „vollendet“281 wurden, auch wenn der Vertrag erst mit der eigentlichen Preisfestsetzung als geschlossen anzusehen ist.282 Nur auf 272 Cass. com, 24. 11. 2009, n8 08-21.369, JCP É 2010, 1146, Anm. Mouy; vgl. auch Cass. com., 4. 12. 2012, n8 10-16.280, Dr. sociétés 2013, comm. 41, Anm. Mortier. 273 Cass. com, 24. 11. 2009, n8 08-21.369, JCP É 2010, 1146, Anm. Mouy, Anm. Le Nabasque, Rev. sociétés 2001, 149; Cass. com. 4. 12. 2007, n8 06-13.912, Droit sociétés 2008, comm. 177, Anm. Mortier; Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501, 505, Nr. 14. 274 Cass. com, 24. 11. 2009, n8 08-21.369, JCP É 2010, 1146, Anm. Mouy, Anm. Le Nabasque, Rev. sociétés 2001, 149; Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501, 505, Nr. 15; vgl. auch Cass. com. 26. 2. 2013, n8 11-27-521, JCP É 2013, 1340, Anm. Mortier. 275 Cass. com, 24. 11. 2009, n8 08-21.369, JCP É 2010, 1146, Anm. Mouy, Anm. Le Nabasque, Rev. sociétés 2001, 149; Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501, 505, Nr. 15. 276 Mortier, JCP É 2013, 1340. 277 Siehe z. B. Cass. com, 24. 11. 2009, n8 08-21.369, JCP É 2010, 1146, Anm. Mouy, Anm. Le Nabasque, Rev. sociétés 2001, 149. 278 Cass. com, 26. 2. 2013, JCP É 2013, 1340, Anm. Mortier; Navarro, Droit des sociétés, S. 152. 279 Mouy, JCP É 2010, 1146; Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501, 506, Nr. 16. 280 Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501, 506, Nr. 16. 281 Mortier, JCP É 2013, 1340; „(…): soit la vente ou le rachat sont parfaits et l’article 18434 est hors-jeu; soit la vente ou le rachat ne sont pas parfaits et l’article 1843-4 joue à plein, (…).“ 282 Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501, 506, Nr. 16.
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die „vorgesehenen Verkäufe“ sollte nach dieser Meinung Art. 1843-4 C. civ. Anwendung finden.283 Indessen ist die Unterscheidung in „vorgesehene und vereinbarte Verkäufe“ nach der Novellierung nicht mehr tragfähig, weil der Gesetzgeber im neu gefassten Art. 1843-4 C. civ. lediglich die Fälle der gesetzlich erzwungenen und in Gesellschaftsverträgen vorgesehenen Verkäufe regelt. Vereinbarungen, die in schuldrechtlichen Nebenabreden enthalten sind, werden von Art. 1843-4 C. civ. dagegen nicht erwähnt. Deswegen ist anzunehmen, dass Art. 1843-4 C. civ. keine Anwendung mehr auf Vereinbarungen über den Verkauf von Gesellschaftsanteilen in schuldrechtlichen Nebenabreden der Parteien findet.284 Eine Abgrenzung von Art. 1592 C. civ. und Art. 1843-4 C. civ. ist vom Gesetzgeber somit vereinfacht worden. Art. 1843-4 C. civ. wird für die Parteien nach der Neufassung die vorteilhaftere Norm darstellen. Zum einen genießen sie jetzt auch hier die Freiheit, die Methode der Wertbestimmung für den Dritten verbindlich zu regeln und zum anderen können sie bei Uneinigkeit der Parteien über die Person des Dritten weiterhin das Gericht anrufen, damit dieses die Wahl des Dritten vornimmt.
II. Qualifikation der Bindungswirkung der expertise irrévocable Eine vertragliche Qualifikation der Bindungswirkung der expertise irrévocable wird in der französischen Literatur und Rechtsprechung nicht in Frage gestellt.285 Eine analoge Anwendung der prozessrechtlichen Schiedsnormen auf die expertise irrévocable wird von der Rechtsprechung abgelehnt.286 Teil des dogmatischen Verständnisses der expertise irrévocable im französischen Recht ist es das Verhältnis des Dritten zu den Parteien zu qualifizieren. Der Dritte wird in der Literatur und Rechtsprechung als „mandataire“ bezeichnet.287 In der Literatur und Rechtsprechung wird fast einhellig die Meinung vertreten, dass es sich bei der expertise irrévocable um ein „mandataire commun“ handele.288 283
Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501, 506, Nr. 16. Constantin, RTD Com. 2014, 633. 285 Vgl. nur Cass. com., 16. 2. 2010, n8 09-11.586, Bull. civ. IV, n8 39; Oppetit, Théorie de l’arbitrage, S. 73 ff.; Motulsky, Études et notes sur l’arbitrage, S. 40. Moury, Droit des ventes, Nr. 31.11 ff.; Caffin-Moi, Cession de droits sociaux et droit des contrats, Nr. 225. 286 TGI Paris, 2. 7. 1990, Prémièr Décision, Rev. arb. 1996, 483. 287 Siehe etwa Motulsky, Études et notes sur l’arbitrage, S. 49; Cohen, Arbitrage et société, Rn. 341. 288 Cass. com. 19. 4. 2005, n8 03-11.790, Bull. civ. IV, n8 95; Cass. 2. 12. 1997, Rev. sociétés 1998, 332, Anm. Randoux; Cass. 9. 6. 1961, Bull. civ. II, n8 436; Randoux, Rev. sociétés 1993, 578; M. Berger/Kleiman, Gaz. Pal. 2008, 753, 756; Brochier/Nussenbaum, Gaz. Pal. 2008, 758, 760; Moury, Droit des ventes, Nr. 31.21, 31.101 ff.; ders., Rev. sociétes 2005, 513, 521; Oppetit, Théorie de l’arbitrage, S. 73; Couret, Mélanges Bouloc, S. 249, 250, Nr. 2; a.A. Moury, Droit 284
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
Das mandat ist in den Art. 1984 ff. C. civ. geregelt und entspricht dem deutschen Recht zum Auftrag und der Stellvertretung.289 Zu beachten ist, dass nach französischer Lesart die Vertretung gegenüber den Auftraggebern selbst stattfindet.290
III. Gerichtliche Überprüfungsmaßstäbe Auch aus französischer Sicht unterliegt die vertraglich bindende Entscheidung eines Dritten bestimmten, durch die Gerichte feststellbaren Grenzen.291 Zu nennen sind hier als materiell-rechtliche Überprüfungsmaßstäbe (unter I.) die Überschreitung der Befugnisse (excédé/dépassement de pouvoir), die arglistige Täuschung (dol), die widerrechtliche Drohung (violence) und der grobe Fehler (erreur grossière).292 Bei Vorliegen einer dieser Umstände wird keine Abänderung oder Ersetzung der Entscheidung des Dritten durch das Gericht vorgenommen, sondern im Ganzen verworfen.293 Ob die expertise irrévocable auch an prozessrechtlichen Überprüfungsmaßstäben (unter II.) zu messen ist, ist auch im französischen Recht umstritten.294 Hingegen ist der Dritte auf Grund seiner Stellung als mandataire gemäß Art. 1993 C. civ. grundsätzlich dazu angehalten seine Entscheidung zu begründen.295 1. Materiell-rechtlicher Überprüfungsmaßstab Als materiell-rechtlicher Überprüfungsmaßstab dient der Rechtsprechung der grobe Fehler (erreur grossière),296 wobei diese keine Definition dessen liefert297 und des ventes, Nr. 31.132; Loquin J.-Cl. Proc. Civil, Rn. 15, 18; Kassis, Problèmes de base de l’arbitrage, Nr. 139, 159 ff.; siehe zum Ganzen auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 104 ff. 289 Hübner/Constantinesco, Einführung in das französische Recht, 170 f. 290 Moury, Droit des ventes, Nr. 31.102. 291 Moury, Droit des ventes, Nr. 42.51. 292 Cass. com. 19. 4. 2005, n8 03-11.790, Bull. civ. IV, n8 95; Cass. com., 9. 4. 1991, n8 8921.611, Bull civ. IV, n8 139; Cass. com., 20. 12. 1988, n8 87-19.417, JCP 1989, II 21260, Anm. Viandier; Cass. com., 22. 4. 1976, n8 74-14.896, Bull. civ. IV, n8 129; TGI Paris, 9. 12. 1992, Troisème Décision, Rev. arb. 1996, 483; Moury, Droit des ventes, Nr. 42.51. 293 Cass., 12. 11. 1962, Bull. civ. n8 444. 294 Dazu sogleich unter 2. Kapitel B. III. 2. 295 Moury, Droit des ventes, Nr. 32.171; ders., D. 2011, 2421, 2426; Baloteaud/Duprey, Gaz. Pal. 2008, 773, 776; siehe aber auch Cass. 31. 1. 1974, Bull civ. I, n8 38; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 558. 296 Cass. com., 22. 4. 1976, n8 74-14.896, Bull. civ IV, n8 129; Cass. com., 20. 12. 1988, n8 87-19.417, JCP 1989, II 21260, Anm. Viandier; Cass. com., 9. 4. 1991, n8 89-21611, Bull. civ. IV, n8 139; TGI Paris, 9. 12. 1992, Troisème Décision, Rev. arb. 1996, 483; Cohen, Arbitrage et société, Rn. 361; siehe dazu auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 679 ff., 754 ff.
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im Übrigen nur höchst selten bejaht.298 Nach einer in der Rechtsprechung benutzten Formel heißt es: „que le prix retenue par l’expert en cas de contestation des parties sur le prix de cession fait la loi des parties et s’impose au juge, sous la seule réserve de la commission par l’expert d’une erreur grossière entachant son évaluation“299. Ein einfacher Irrtum oder Fehler soll dem Wortlaut nach jedenfalls nicht ausreichen.300 Ein grober Fehler soll nach einer Meinung dann vorliegen, wenn der Dritte als expert nicht die vorhandenen, objektiven Methoden zur Bestimmung des Wertes eines Gesellschaftsanteils angewendet habe.301 Auch eine andere Meinung tendiert in diese Richtung. Diese nimmt einen groben Fehler dann an, wenn Berechnungsfehler vorlägen oder die Heranziehung falscher Parameter zur Aufgabenbewältigung gewählt worden seien.302 Eine dritte Meinung hingegen möchte auch an das Ergebnis selbst anknüpfen und nimmt einen groben Fehler dann an, wenn der Dritte den Auftrag der Parteien der Art missachtet habe und das Ergebnis signifikant von dem abweiche, welches ein gewissenhafter und informierter Fachmann hätte feststellen müssen.303 Die Cour de Cassation bejahte das Vorliegen eines groben Fehlers, als der Dritte bei der Bewertung von Gesellschaftsanteilen von der falschen Annahme ausging, dass die Gesellschaft aufgelöst würde, was tatsächlich jedoch nicht der Fall war.304 Ein grober Fehler liegt nach Meinung der Cour de Cassation auch dann vor, wenn der Dritte den Wert der Gesellschaftsanteile anhand eines falschen Datums bestimmt305 und wenn das ihn bestimmende Gericht Vorgaben zur Ausführung seiner Aufgabe im Rahmen des Art. 1843-4 C. civ. machte und er sich erkennbar daran gebunden fühlte.306 Diese beiden letztgenannten Fehlertypen sind aber im besonderen Zusammenhang des Art. 1843-4 C. civ. zu sehen. Eine Übertragbarkeit auf andere Typen der expertise erscheint zweifelhaft. Ein grober Fehler liegt jedenfalls auch vor, wenn der Dritte seine Befugnisse überschritten hat (dépassement de pouvoir), wenn er also die von den Parteien ab-
297
Viandier, JCP É 1988, 15212; Baloteaud/Duprey, Gaz. Pal. 2008, 773. Vgl. Cass., 25. 1. 2005, n8 01-10.395, RJDA 2005, 471, Nr. 565; Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 761. 299 Cass. 19. 12. 2000, n8 98-10.301 (legifrance); ähnlich auch Cass. 15. 1. 2013, n8 1211.666, Dr. sociétés 2013, comm. 42, Anm. Mortier; CA Paris, 22. 10. 2013, n8 10-17.138, Dr. sociétés 2014, comm. 40, Anm. Mortier. 300 Mignot, J.-Cl. Civil Code, Art. 1591 à 1593, Rn. 81. 301 Cohen, Arbitrage et société, Rn. 361; Couret, Mélanges Bouloc, S. 249, 257, Nr. 17. 302 Mignot, J.-Cl. Civil Code, Art. 1591 à 1593, Rn. 82. 303 Moury, Droit des ventes, Nr. 42.74. 304 Cass. 19. 12. 2000, n8 98-10.301 (legifrance). 305 Entscheidend ist demnach das Datum der Rückgabe der Anteile, siehe Cass. com. 15. 1. 2013, n8 12-11.666, Dr. sociétés 2013, comm. 42, Anm. Mortier. 306 Cass. com. 3. 5. 2012, n8 11-12.717, JCP É 2012, 1395, Anm. Viandier. 298
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
gesteckte Aufgabe ausdehnt oder die vorher bestimmte Methode nicht einhält.307 Liegt ein solcher grober Irrtum bei der Entscheidung des Dritten vor, entfaltet die Entscheidung gegenüber den Parteien keinerlei Bindungswirkung.308 2. Prozessrechtliche Überprüfungsmaßstäbe Dem Code civil sind keine Überprüfungsmaßstäbe zu entnehmen, die sich ausdrücklich auf die Art und Weise des Verfahrens der expertise irrévocable beziehungsweise auf deren Durchführung beziehen. Die Regeln des Code de procédure civil (CPC) finden jedenfalls keine Anwendung.309 a) Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten Rechtsprechung310 und Literatur311 nehmen dennoch an, dass es sich bei dem Dritten um einen „echten“ Dritten handeln muss.312 Das heißt zunächst, dass der Dritte unparteiisch sein müsse. Die Voraussetzung der Unparteilichkeit ergäbe sich aus dem Umstand, dass der Dritte nach verbreiteter Auffassung313 ein mandataire commun und damit beiden Parteien gleich verpflichtet sei.314 Da die Entscheidung die Parteien gleich binde, stelle die Unparteilichkeit des Dritten eine Notwendigkeit dar.315 Die Unparteilichkeit sei insbesondere dann sichergestellt, wenn der Dritte auch unabhängig sei. Diese könne von den Parteien gegenüber dem Dritten erwartet werden, da sie sich im Vertrauen darauf seiner Entscheidung unterwürfen.316 Der Dritte ist des Weiteren dazu verpflichtet den Parteien alle Umstände anzuzeigen, die seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit berühren könnten, damit die Parteien in Kenntnis aller Umstände selber entscheiden können, ob sie ihm die Aufgabe wei-
307 Cass., 25. 11. 2003, n8 00-22.089, Dr. des sociétés, 2004, comm. 95, Anm. Trébulle; Cass. com. 5. 5. 2009, n8 08-17.465, Bull. civ. IV, n8 61; Mignot, J.-Cl. Civil Code, Art. 1591 à 1593, Rn. 79, Moury, Droit des ventes, Nr. 42.61; Cohen, Arbitrage et sociétés, Rn. 361. Siehe zu weiteren denkbaren Beispielen Baloteaud/Duprey, Gaz. Pal. 2008, 773; siehe auch CA Paris, 22. 10. 2013, n8 10-17.138 und CA Chambéry, 28. 5. 2013, n8 12-00.993, Dr. sociétés 2014, comm. 40, Anm. Mortier und Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 715. 308 Mignot, J.-Cl. Civil Code, Art. 1591 à 1593, Rn. 84. 309 CA Paris, 30. 6. 1995, Quatrième Décision, Rev. arb. 1996, 483; Dubarry, RTD Com. 1998, 578. 310 Cass. com. 5. 10. 2004, n8 02-21.545, Bull. Joly 2005, 262; Cass., 2. 12. 1997, n8 9519.791, Bull. civ. I, n8 227; CA Paris, 30. 6. 1995, Quatrième Décision, Rev. arb. 1996, 483. 311 Mignot, J.-Cl. Civil Code, Art. 1591 à 1593, Rn. 68; Moury, Droit des ventes, Nr. 21.51. 312 Dazu auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 460 ff. 313 Siehe Fn. 288. 314 Moury, Droit des ventes, Nr. 21.51. 315 Moury, Droit des ventes, Nr. 21.51. 316 TGI Paris, 9. 12. 1992, Troisème Décision, Rev. arb. 1996, 483.
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terhin anvertrauen wollen.317 Eine in der Vergangenheit bestandene Abhängigkeit ist allerdings nur dann hinderlich, wenn sie sich noch auf die Gegenwart auswirkt.318 Das Verschweigen solcher Umstände stellt ein doloses Verhalten dar, dass Schadensersatzforderungen gemäß Art. 1382 C. civ. nach sich ziehen kann.319 Die Nichtbeachtung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit wirkt sich allerdings nach einer Literaturmeinung nur indirekt auf die vom Dritten getroffene Entscheidung aus.320 Denn zunächst sei nur das mandat selbst, also der Vertrag zwischen den Parteien und dem Dritten, auf Grund von Willensmängeln (vices du consentement321), die im Nichtwissen der Abhängigkeit oder Parteilichkeit des Dritten zu sehen seien, nichtig. Erst die Nichtigkeit des mandat hätte dann die Nichtigkeit der Entscheidung des Dritten zur Folge, da dieser nicht wirksam bestellt worden sei.322 Die Rechtsprechung hingegen sieht auch die Parteien in der Pflicht den Vertragspartner über eventuelle Verbindungen zu dem Dritten zu informieren.323 Bei Nichtbeachtung soll der Tatbestand der arglistigen Täuschung (dol) erfüllt sein.324 b) Rechtliches Gehör Ob der Dritte gehalten ist, den Parteien rechtliches Gehör (principe du contradictoire) zu gewähren ist strittig.325 Die Rechtsprechung hat dies bisher verneint und die Nichtbeachtung nicht als groben Fehler (erreur grossière) angesehen.326 Eine Vorlage an den Conseil d’État lehnte die Cour de Cassation im Rahmen des Art. 1843-4 C. civ. mit der Begründung ab, dass Art. 1843-4 C. civ. hauptsächlich dazu diene bei Unstimmigkeiten Werte von Gesellschaftsanteilen zu bestimmen, ohne dass sich die Parteien dabei Rechtsregeln unterwerfen müssten, die mit diesem Ziel unvereinbar seien.327 Auch habe der Dritte keine Kompetenz Sanktionen auszusprechen, die einen Strafcharakter hätten.328
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TGI Paris, 9. 12. 1992, Troisème Décision, Rev. arb. 1996, 483. Moury, Droit des ventes, Nr. 21.94, vgl. auch Cass. com. 5. 10. 2004, n8 02-21.545, Bull. Joly 2005, 262, Anm. Giorgini, Anm. Trébulle. Dr. sociétés 2005, comm. 1. 319 TGI Paris, 9. 12. 1992, Troisème Décision, Rev. arb. 1996, 483. 320 Moury, Droit des ventes, Nr. 21.111 f., vgl. auch Baloteaud/Duprey, Gaz. Pal. 2008, 773, 774. 321 Dazu zählen vor allem die Täuschung und widerrechtliche Drohung, siehe dazu auch Terré/Simler/Lequette, Les obligations, S. 230 ff., Rn. 205 ff. 322 So jedenfalls Moury, Droit des ventes, Nr. 21.112. 323 TGI Paris, 9. 12. 1992, Troisème Décision, Rev. arb. 1996, 483. 324 TGI Paris, 9. 12. 1992, Troisème Décision, Rev. arb. 1996, 483. 325 Siehe dazu auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 530 ff. 326 Cass. com., 19. 4. 2005, n8 03-11.790, Bull. civ. IV, n8 95; Cass. com. 19. 6. 2001, n8 9818.236 (legifrance); CA Versailles, 27. 9. 2005, n8 04-02.244, D. 2005. 2942, Anm. Delpech. 327 Cass. com. 8. 3. 2011 n8 10-40.069 und 10-40.072, Bull. civ. IV, n8 36; Anm. Lienhard D. 2011, 816. 318
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3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
Die Literatur ist der Ansicht der Rechtsprechung teilweise gefolgt.329 Andere wiederrum befürworten die Pflicht des Dritten zur Beachtung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs.330 Für eine Nichtbeachtung sprächen die damit zusammenhängende Unabhängigkeit des Dritten und die Schnelligkeit des Verfahrens, dagegen die durch das rechtliche Gehör verwirklichte Transparenz und Seriosität.331 Auch könnten so grobe Fehler frühzeitig vermieden werden.332 Trotz der ablehnenden Haltung der Rechtsprechung, können die Parteien mit dem Dritten vereinbaren die Grundsätze des rechtlichen Gehörs zu beachten.333
IV. Folgen einer ungültigen oder nicht erfolgten Entscheidung Zwischen Art. 1592 C. civ. und Art. 1843-4 C. civ. besteht außerdem ein Unterschied in der Möglichkeit des Gerichts einen (neuen) Dritten bei Ausfall zu bestimmen. Im Rahmen des Art. 1592 C. civ. muss der Dritte von beiden Parteien übereinstimmend bestimmt werden,334 eine einseitige Bestimmung ist dagegen nicht möglich.335 Können oder wollen sich die Parteien nicht auf einen Dritten einigen, ist ein staatlicher Richter nicht befugt den Dritten an Stelle der Parteien zu bestimmen,336 es sei denn, die Parteien haben dies ausdrücklich vertraglich vorgesehen.337 Dabei hat das Gericht zwar auch die Freiheit die Vereinbarung der Parteien auszulegen und zu interpretieren,338 scheitert aber die Bestimmung des Dritten und ist der 328 Cass. com. 8. 3. 2011 n8 10-40.069 und 10-40.072, Bull. civ. IV, n8 36; Monsallier SaintMleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501, 512, Nr. 33. 329 Mignot, J.-Cl. Civil Code, Art. 1591 à 1593, Rn. 81; Moury, Droit des ventes, Nr. 42.113, Couret, Mélanges Bouloc, S. 249, 259 f., Nr. 21 ff., Hovasse, Dr. sociétés 2005, comm. 118. 330 Gautier, RTD Civ. 2005, 613; La Nabasque, Bull. Joly 2005, 1392, Nr. 302; Champaud/ Danet, RTD com. 2005, 537. 331 Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501, 512, Nr. 32. 332 Monsallier Saint-Mleux, Mélanges Dekeuwer-Défossez, S. 501, 512, Nr. 32. 333 Mignot, J.-Cl. Civil Code, Art. 1591 à 1593, Rn. 73; Brochier/Nussenbaum, Gaz. Pal. 2008, 758, 762. 334 Navarro, Droit des sociétés, S. 149. 335 Cass., 9. 1. 1996, n8 93-19.468, Bull. civ. I, n8 26. 336 Cass., 24. 4. 1952, D. 1952, 635; Cass. com., 23. 1. 1990, n8 88-11.644, Bull. Joly 1990, 275, Nr. 76; Cass., 16. 5. 1984, n8 82-17.008, Bull. civ. I, n8 164; Moury, Droit des ventes, Nr. 22.11; Navarro, Droit des sociétiés, 149; Cass. com. 7. 10. 2014, n8 13-17.839 (legifrance); kritisch David, Mélanges Marty, S. 383, 392 f. 337 Cass. com., 26. 6. 1990, n8 88-14.444, Bull. civ. IV, n8 197; Moury, Droit des ventes, Nr. 22.21; Serinet, RDC 2009, 657, 661; siehe auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 217, 234, 239 ff. 338 Cass., 30. 10. 1961, Bull. civ. I, n8 495.
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Betrag nicht mehr bestimmbar, scheitert auch der Vertrag.339 Art. 1592 C. civ. spricht dies deutlich aus: „…; si le tiers ne veut ou ne peut faire l’estimation, il n’y a point de vente.“ Das Gericht ist grundsätzlich nicht befugt selbst eine Kaufpreisbestimmung vorzunehmen, es kann die Parteien lediglich dazu einladen, sich erneut an den Dritten zu wenden oder einen neuen Dritten zu bestimmen.340 Das gilt insbesondere auch dann, wenn die Bestimmung an einem erreur grossière scheitert.341 Hingegen sieht Art. 1843-4 C. civ. eine Ersatzbestimmung des Dritten durch den Präsidenten des Tribunals de commerce oder des Tribunals de grande instance (TGI) bei Uneinigkeit der Parteien ausdrücklich vor. Die Einlegung eines Rechtsmittels gegen diese Ersatzbestimmung ist nicht möglich.342 Scheitert die Bestimmung auf Grund eines erreur grossière, beginnt die Prozedur, das heißt die Bestimmung eines Dritten, von neuem.343
V. Durchsetzbarkeit der Vereinbarung einer expertise irrévocable Zu untersuchen ist außerdem, ob die Vereinbarung der Parteien eine expertise irrévocable vor dem Gang zum Gericht durchzuführen, vor den französischen Gerichten durchsetzbar ist. Art. 122 CPC344 statuiert unter bestimmten Voraussetzungen die Unzulässigkeit der Klage (fin de non-recevoir). Dazu gehört gemäß Art. 122 CPC zum Beispiel die Verjährung (prescription). Die in Art. 122 CPC aufgeführten Gründe sind hingegen nicht abschließend geregelt, sondern stellen nur Beispiele dar, was das Wörtchen „tel“ am Anfang der Aufzählung zeigt.345 Die Unzulässigkeit der Klage muss sich daher nicht aus dem Gesetz, sondern kann sich auch aus einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien ergeben.346 Dies gilt insbesondere bei der vertraglich vereinbarten Pflicht vor dem Gang zum staatlichen Gericht eine Schlichtung (conci-
339 Cass. com. 27. 4. 1968, Bull. civ. IV, n8 141; Cass. com., 23. 1. 1990, n8 88-11.644, Bull. Joly 1990, 275, Nr. 76. 340 Cass. com. 7. 10. 2014, n8 13-17.839 (legifrance); Cass., 14. 3. 2012, n8 10-25.866 (legifrance); Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 239 ff. 341 Moury, Droit des ventes, Nr. 42.152. 342 Navarro, Droit des sociétés, S. 149. 343 Moury, Droit des ventes, Nr. 42.161. 344 Da heißt es: „Constitue une fin de non-recevoir tout moyen qui tend à faire déclarer l’adversaire irrecevable en sa demande, sans examen au fond, pour défaut de droit d’agir, tel le défaut de qualité, le défaut d’intérêt, la prescription, le délai préfix, la chose jugée.“ 345 Guichard/Chainais/Ferrand, Procédure civile, Rn. 328. 346 Guichard/Chainais/Ferrand, Procédure civile, Rn. 330.
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liation) oder Mediation durchzuführen,347 aber auch die Vereinbarung einer expertise begründet ein fin de non-recevoir.348
VI. Abgrenzung der expertise irrévocable von der Schiedsgerichtsbarkeit Schließlich ist fraglich, wie die Schiedsgerichtsbarkeit von der expertise irrévocable abzugrenzen ist. Die Ähnlichkeit der Institute der Schiedsgerichtsbarkeit und der expertise irrévocable führen im französischen Recht zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten.349 Beachtlich ist hierbei, dass eine Parallelität beider Institute zumindest von der Lehre mehrheitlich abgelehnt wird.350 Zwar gäbe es mit Art. 1592 C. civ. und Art. 1843-4 C. civ. gesetzlich geregelte Fälle der expertise irrévocable, diese seien jedoch nur begrenzt erweiterbar.351 Das heißt, dass für die Parteien bei Aufkommen eines Konflikts nicht die Möglichkeit bestehe zwischen der Schiedsgerichtsbarkeit und der expertise irrévocable frei zu wählen, weil die expertise irrévocable nur auf bestimmte Fälle begrenzt sei.352 Hingegen könne das schiedsrichterliche Verfahren auch bei der Preisbestimmung, insbesondere auch bei der Bewertung von Gesellschaftsanteilen, gewählt werden.353 Daraus folgt, dass die Abgrenzung zwischen der Schiedsgerichtsbarkeit und der expertise irrévocable eine ungleich höhere Gewichtung beikommt, als im deutschen oder auch im englischen Recht. Die Notwendigkeit einer Beschränkung der expertise irrévocable auf bestimmte Fallgruppen scheint sich vor allem aus der Überzeugung zu speisen, dass der Gesetzgeber mit Schaffung des schiedsgerichtlichen Verfahrens im Prozessrecht andere 347
Guichard/Chainais/Ferrand, Procédure civile, Rn. 330. Vgl. Cass., 26. 4. 1978, n8 76-14.423 (legifrance); Bouckaert/Dupeyré, Tribune assur. 2011, n8 160, S. 38, 39; siehe zum Ganzen auch Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, Rn. 52 ff. 349 Oppetit, Théorie de l’arbitrage, S. 74; Jarrosson, La notion d’arbitrage, S. 122, Rn. 225; vgl. auch Oppetit, Études offertes à Goldman, S. 229 ff. 350 Siehe nur Loquin, J.-Cl. Proc. Civil, Rn. 21, vgl. auch Jarrosson, Rev. arb., 2001, 5, Rn. 33, im Vergleich zum belgischen Recht und David, in: Péteri/Lamm (Hrsg.), General Reports to the 10th International Congress of Comparative Law, 269, 282; a.A. Kassis, Problèmes de base de l’arbitrage, Nr. 55 ff. 351 Loquin/Dubarry, RTD Com. 1993, 492; David, Mélanges Marty, S. 383, 391; Dubarry/ Loquin etwa möchten eine Vertragsarbitrage nur überall dort zulassen, wo es an einem Vertragsschluss noch fehlt, RDT Com. 1998, 578, so auch Cass., 16. 2. 2010, n8 09-11.586, D. 2010, 1765, Anm. Moury. 352 Vgl. dazu CA Paris, Rev. arb. 1993, 299 und das Vorgehen der Parteien in Société Annahold BVet D. Frydman v. société L’Oréal et B., Rev. arb. 1996, 483 ff., die die Rechts- und Tatsachenfragen von ein und derselben Person als Dritter in zwei verschiedenen Verfahren ermitteln ließen; einmal in Form eines schiedsrichterlichen Verfahrens gemäß den Regeln des CPC, einmal in Form einer expertise irrévocable gemäß Art. 1592 C. civ. 353 Cohen, JCP É 2010, 1591. 348
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Möglichkeiten zur Übertragung richterlicher Aufgaben auf Private ausgeschlossen habe.354 Nur wenn die Parteien die prozessrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit zur privaten Konfliktbeilegung nutzten, könnten sich die Parteien auf die Einhaltung der prozessrechtlichen Grundsätze wie etwa das rechtliche Gehör und die Verpflichtung zur Begründung der Entscheidung des Dritten wirksam berufen.355 Des Weiteren spreche auch die Rechtssicherheit dafür, da zumindest die staatlichen Urteile veröffentlicht würden und eine Entscheidung so besser vorhersehbar sei.356 Teilweise wird auch angenommen, dass die Parteien nur solchen Vertragsinhalten zustimmen könnten, die für sie bei Vertragsschluss absehbar seien.357 Die vorherige Einwilligung in noch unbestimmte Vertragsinhalte sei auf die im Gesetz geregelten Fälle beschränkt und könne nicht beliebig ausgeweitet werden.358 Das Prinzip der Willensfreiheit sei demnach nicht so weit zu verstehen, dass einem Dritten die Bestimmung des gesamten Vertragsinhalts übertragen werden könnte.359 Die Existenz eines Instituts, dass ähnlich der Schiedsgerichtsbarkeit jede Art von Streitigkeit nur im Wege des Vertrags lösen kann, also eine umfängliche arbitrage contractuelle (Vertragsarbitrage) darstellt, wird somit von der Literatur mehrheitlich abgelehnt. 1. Rechtsprechung zum Umfang einer arbitrage contractuelle Auch die Rechtsprechung verneinte zunächst, zumindest in Verbindung mit einer Billigkeitsentscheidung des Dritten, die Existenz einer zur Schiedsgerichtsbarkeit gleichwertigen Vertragsarbitrage.360 Loquin/Dubarry schrieben in der Folge sogar von einer „condamnation“ der arbitrage contractuelle außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fälle.361 Die Cour d’appel Paris wies in einem jüngeren Urteil jedoch in eine andere Richtung362, als sie das Pre-Arbitral-Verfahren der ICC nicht als Schiedsverfahren im Sinne der Prozessordnung, sondern als rein vertraglich wirkendes Verfahren qualifizierte.363 Zu der verwendeten Pre-Arbitral-Verfahrensord354
Vgl. David, in: Péteri/Lamm (Hrsg.), General Reports to the 10th International Congress of Comparative Law, 269, 282. 355 Jarrosson, Rev. arb. 1991, 470, 476; Loquin/Dubarry, RTD Com. 1993, 492. 356 Brochier/Nussenbaum, Gaz. Pal. 2008, 758, 760. 357 David, Mélanges Marty, S. 383, 390 ff. 358 David, Mélanges Marty, S. 383, 391. 359 David, Mélanges Marty, S. 383, 391. 360 CA Paris 24. 3. 1992, Rev. arb. 1993, 278; siehe auch Anm. Loquin/Dubarry, RTD Com. 1993, 492. 361 Loquin/Dubarry, RTD Com. 1993, 492. 362 CA Paris, 29. 4. 2003, Rev. arb. 2003, 1296. 363 Ablehnend gegenüber der Entscheidung Loquin, RTD Com. 2003, 482; Mourre, Gaz. Pal. 2003, 1484; Mayer, JDI (Clunet) 2004, 100020; zustimmend Béguin, JCP 2003, I 164, Nr. 8; auch Jarrosson, Rev. arb. 2003, 1299, und damit im Gegensatz zu seiner sonst geäußerten Meinung zur „arbitrage contractuelle“ (siehe Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5). Seine Meinung begründet Jarrosson damit, dass die Wirtschaft ein vertragliches Verfahren zur schnellen und
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nung der ICC stellte die Cour d’appel fest, dass die Verfahrensordnung jede Qualifikation als Schiedsgerichtsbarkeit vermeide, sie führte aus: „Qu’il est manifeste que la qualification d’arbitrage a été soigneusement évitée en gommant tout référence aux expressions évoquant une telle qualification.“364 Auch wenn Loquin der Entscheidung ablehnend gegenüber steht, so erblickt auch er in der Entscheidung nun die Anerkennung der arbitrage contractuelle außerhalb der gesetzlichen Normen von Art. 1592 C. civ. und Art. 1843-4 C. civ.365 Im Übrigen hat die Cour de Cassation den Streitbeilegungsmechanismus in Art. 3 der VO (EG) 1400/2002 ebenfalls als rein vertraglich bindend qualifiziert.366 Sie stützte sich zum einen darauf, dass die Aufgabe des Dritten nur im faktischen und technischen Bereich liege und, dass zwischen den Parteien kein Streit bestanden habe und dieser unumgängliche Voraussetzung für das Vorliegen von Schiedsgerichtsbarkeit sei.367 2. Voraussetzungen der Schiedsgerichtsbarkeit Damit definiert sich die Abgrenzung der expertise irrévocable von der Schiedsgerichtsbarkeit vor allem an Hand der Definition von Schiedsgerichtsbarkeit. Der Umstand allein, dass der Dritte eine Lücke im Vertrag schließt, genügt jedenfalls nicht für eine eindeutige Qualifikation der Entscheidung des Dritten als einer im Rahmen einer expertise irrévocable, denn diese Aufgabe ist nicht nur dieser vorbehalten, sondern auch in der Schiedsgerichtsbarkeit möglich.368 Weiterhin kann auch ein Streit um den Verkauf von Gesellschaftsanteilen vor einem Schiedsgericht ausgetragen werden.369 Nach allgemeinem Verständnis setzt sich Schiedsgerichtsbarkeit aus drei Elementen zusammen: Es bedarf eines Dritten (tiers), eines Streits (litige) und einer richterlichen Befugnis (mission juridictionelle).370 Wesentliche Elemente zur Abgrenzung der Schiedsgerichtsbarkeit zur expertise irrévocable sind die des Streits (unter a)) und der richterlichen Befugnis (unter b)).371 unkomplizierten Bewältigung ihrer Konflikte benötige, dass die Schiedsgerichtsbarkeit nicht mehr leiste, siehe, S. 1307 ff. 364 CA Paris, 29. 4. 2003, Rev. arb. 2003, 1296, 1298. 365 Loquin, RTD Com. 2003, 482. 366 Cass., 15. 12. 2010, n8 09-16.943, Bull. civ. I, n8 260, Anm. Billemont Rev. arb. 2011, 436; zum vorinstanzlichen Urteil siehe Loquin, RTD Com. 2009, 539; zur davor geltenden Verordnung (EG) 1475/95, siehe Chevrier, D. 2000, 402. 367 Cass., 15. 12. 2010, n8 09-16.943, Bull. civ. I, n8 260. 368 Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, Rn. 48, anders allerdings Confluences, Gaz. Pal. 2006, 967, 970. 369 Couret, Rev. arb. 2013, 651 ff., zur Abgrenzung siehe S. 666 f. 370 Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, Rn. 27; Loquin, J.-Cl. Proc. Civil, Rn. 1; vgl. auch CaffinMoi, Cession de droits sociaux et droit des contrats, Nr. 204; zum Ganzen auch Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 779 ff. 371 Vgl. Confluences, Gaz. Pal. 2006, 967, 970; Oppetit, Théorie de l’arbitrage, 74 f.; Anm. Couret, Cass com., 19. 1. 2010, Rev. societies 2010, 165; Couret, Rev. arb. 2013, 651, 666; Seraglini/Orthscheidt, Droit de l’arbitrage, Rn. 22.
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a) Streit (litige) Eine einfache Uneinigkeit genügt nicht, um den Streit zu charakterisieren, der Vorliegen muss, um von Schiedsgerichtsbarkeit zu sprechen, denn auch bei einer Kaufpreisbestimmung nach Art. 1592 C. civ. herrscht zumindest keine Einigkeit.372 Auch ein Blick auf Art. 1843-4 C. civ., der von einer „contestation“ spricht, zeigt ganz deutlich, dass einfache Uneinigkeit nicht ausreicht, um den Streit im Sinne der Voraussetzung für die Schiedsgerichtsbarkeit zu definieren. Ein Streit soll nach verbreiteter Auffassung vorliegen, wenn sich zwei rechtliche Ansprüche gegenüberstehen, wenn also die eine Partei von der anderen ein subjektives Recht oder einen rechtlichen Vorteil verlangt.373 Ein Streit im Sinne der Schiedsgerichtsbarkeit liege demnach vor, wenn es um eine Rechtsfrage (question de droit) geht. Davon abzugrenzen sind Tatsachenfragen (questions de fait).374 Sind diese allein Gegenstand des Verfahrens, läge eine expertise irrévocable vor.375 Question de droit seien dann gegeben, wenn der Dritte das Gesetz oder die Parteivereinbarung anzuwenden habe.376 Die Vertragsinterpretation bleibt nach dieser Lesart dem Richter oder Schiedsrichter vorbehalten.377 Freilich wird aber auch erkannt, dass die Untersuchung von Tatsachenfragen oft einer gewissen Vertragsinterpretation bedarf und auch Rechtsfragen beinhaltet.378 Anderseits hat auch der Richter über Tatsachenfragen im Rahmen einer Rechtsfrage zu entscheiden379, sodass eine Unterscheidung nach dem Kriterium des „Streits“ nicht immer zweckmäßig erscheint.380 Zwar wurde die Unterscheidung von Rechts- und Tatsachenfragen in jüngerer Rechtsprechung bestätigt, im Übrigen aber weniger Gewicht beigemessen.381 b) Richterliche Befugnis (mission juridictionnelle) Zur Verdeutlichung der Abgrenzung von Schiedsgerichtsbarkeit und expertise irrévocable soll daher das Kriterium der richterlichen Befugnis hinzugezogen 372
Vgl. Jarrosson, La notion d’arbitrage, 150, Rn. 284; Billemont, Rev. arb. 2011, 436. Billemont, Rev. arb. 2011, 436; Caffin-Moi, Cession de droits sociaux et droit des contrats, Nr. 206. 374 Chantebout, Rev. arb. 2014, 643, 646. 375 Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, Rn. 31. 376 Chantebout, Rev. arb. 2013, 643, 647. 377 Brochier/Nussenbaum, Gaz. Pal. 2008, 758, 760; Chantebout, Rev. arb. 2013, 643, 648. 378 CA Paris, 17. 9. 2004, n8 04-01.049, JCP É 2005, 134, Anm. Bonneau; Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, Rn. 31; Chantebout, Rev. arb. 2013, 643, 648. 379 Moury, Droit des ventes, Nr. 31.33. 380 Confluences, Gaz. Pal. 2008, 967, 968; siehe auch Oppetit, Théorie de l’arbitrage, 78, der das Kriterium des Streits als Abgrenzung zur Schiedsgerichtsbarkeit ablehnt. 381 Cass. 3. 10. 2013, n8 12-25.244, Rev. arb. 2013, 641; Cass. com. 16. 2. 2010, n8 0911.586, D. 2010, 1765, Anm. Moury, Anm. Couret, Rev. sociétés 2010, 165, Anm. Daigre, Rev. arb. 2010, 506, Anm. Cohen, JCP É 2010, 1591. 373
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werden.382 Was darunter zu verstehen ist, ist aber fraglich. Das Erlassen einer einfach verbindlichen Entscheidung allein reicht zur Charakterisierung der mission juridictionnelle jedenfalls nicht aus, denn auch bei der expertise irrévocable wird eine verbindliche Entscheidung erlassen.383 In der Literatur und Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, dass eine richterliche Befugnis dann vorliege, wenn der Dritte die Rechtsfolgen seiner Entscheidung selbständig bestimmen könne.384 So seien die Parteien einer Kaufpreisbestimmung im Sinne von Art. 1592 C. civ. durch einen Dritten beispielsweise schon im Vorhinein einig gewesen, dass sie an dem von dem Dritten festgesetzten Preis gebunden sind und hätten somit die Rechtsfolgen selber bestimmt.385 Andere wiederum möchten auch hier die Frage stellen, ob dem Dritten eine Rechts- oder Tatsachenfrage zur Lösung vorgelegt worden ist. Wenn er nur Tatsachenfragen zu beantworten habe, dann habe er keine richterliche Befugnis.386 Mit diesem Verständnis verwischen die Kriterien des „Streits“ und der „richterlichen Befugnis“ allerdings. Weiterhin wird vertreten, dass die Entscheidung für die Bejahung des Vorliegens einer richterlichen Befugnis nach dem Willen der Parteien nicht nur verbindlich, sondern letztverbindlich sein müsse.387 Das heißt, dass die Parteien eine schiedsrichterliche Entscheidung vereinbart hätten, wenn keine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung mehr vorgesehen war. Die Frage nach der von den Parteien eingeräumten richterlichen Befugnis führt aber dazu, dass auch aus französischer Sicht im Zentrum der Abgrenzungsfrage der Wille der Parteien stehen muss, ob in dem zu beurteilenden Fall die Durchführung einer Schiedsgerichtsbarkeit oder einer expertise irrévocable beabsichtigt worden war.388 Dieser Wille ist allerdings nicht nur auf das „Wie“, sondern in Anbetracht der restriktiven Handhabung der expertise irrévocable auch auf das „Was“ der Entscheidung zu untersuchen. Zu fragen ist also auch, was Gegenstand der Entscheidung sein sollte. Dem Parteiwillen kommt nach der Rechtsprechung auch eine höhere
382 383
650. 384
Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, Rn. 29; Dubarry/Loquin, RTD Com. 1998, 578. Seraglini/Orthscheidt, Droit de l’arbitrage, Rn. 22; Chantebout, Rev. arb. 2013, 643,
Cass. com. 16. 12. 2010, D. 2010, 1765, Anm. Moury; Daigre, Rev. arb. 2010, 506; Billemont, Rev. arb. 2011, 436. 385 Billemont, Rev. arb. 2010, 436. 386 Moury, D. 2010, 1765; Chantebout, Rev. arb. 2013, 643, 646 f. 387 Cass. 3. 10. 2013, n8 12-25.244, Rev. arb. 2013, 641; Seraglini/Orthscheidt, Droit de l’arbitrage, Rn. 22 f.; auch Chantebout, Rev. arb. 2013, 643, 650 ff. verlangt dies als präzisierendes Kriterium zum Streit. 388 Cass. 3. 10. 2013, n8 12-25.244, Rev. arb. 2013, 641; Billemont, Rev. arb. 2010, 436, Rn. 2; Chantebout, Rev. arb. 2013, 643, 650; vgl. auch Caffin-Moi, Cession de droits sociaux et droit des contrats, Nr. 207.
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Bedeutung zu als die Ermittlung der vom Dritten tatsächlich ausgeführten Aufgabe.389 Der Umstand, dass die Parteien ihren Willen nicht immer klar und deutlich zum Ausdruck bringen und sich auch im Nachhinein darüber uneinig sind, was gemeint worden ist, hat die französische Rechtsprechung aber dazu veranlasst, sich nicht an die gewählten Worte der Parteien gebunden zu fühlen.390 So kann etwa die Vereinbarung „tout litige fera d’arbord l’object d’un arbitrage amiable avant d’être soumis, en cas d’échec, aux juridictions compétentes“ bedeuten, dass sich die Parteien zunächst einer expertise irrévocable oder dass sie sich einem Schiedsverfahren unterwerfen wollen.391 Nach Meinung in der Literatur soll daher vielmehr ein Bündel an Indizien den wahren Parteiwillen im Einzelfall ergründen.392 Die im Einzelfall gefundenen Lösungen sind in der Folge schwer kategorisier- und vorhersehbar.393 3. Bevorzugung der Schiedsgerichtsbarkeit Um den Unsicherheiten und der Unvorhersehbarkeit der Qualifikation zu entgehen, schlägt eine Meinung in der Literatur vor, im Zweifelsfall immer eine Vereinbarung der Parteien zugunsten der Schiedsgerichtsbarkeit anzunehmen.394 Dieser Meinung nach entspräche dies am ehesten dem Parteiwillen, da nur so die Parteien ein vollstreckbares Urteil erhielten, ohne eine erneute Klage vor einem Gericht anstrengen zu müssen.395 Zum anderen sieht diese Meinung das Institut der Schiedsgerichtsbarkeit an sich gefährdet, das andernfalls nur noch wenige Fallgruppen beinhalten würde.396 Als Argument wird weiterhin angeführt, dass nur die Schiedsgerichtsbarkeit kodifiziert sei und den Parteien damit ausreichende Sicherheiten zur Verfügung stelle.397 Diese Literaturmeinung ist durchaus auf Kritik ge-
389 Cass. 15. 12. 2010, n8 09-16.943, Bull. civ. I, n8 260; anders Billemont, Rev. arb. 2010, 436, der anmerkt, dass die Parteien in einigen Fällen gar keinen konkreten Willen hätten und daher eher auf die vom Dritten ausgeführte Aufgabe zu achten sei. 390 Cass., 26. 10. 1976, n8 75-13.707, Bull. civ. I, n8 305; Jarrosson, Rev. arb. 2001, S. 5, Rn. 42; Confluences, Gaz. Pal. 2006, S. 967, 968; vgl. auch Billemont, Rev. arb. 2010, 436. 391 Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, Rn. 43. 392 Billemont, Rev. arb. 2010, 436. 393 Jarrosson bezeichnet die von den staatlichen Gerichten durchgeführte Qualifikation als russisches Roulettespiel, Rev. Arb. 2001, 5, Rn. 45. 394 Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, Rn. 34, in dieselbe Richtung auch Couret, Rev. arb. 2013, 651, 667. 395 Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, Rn. 34. 396 Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, Rn. 34. 397 Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, Rn. 34.
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stoßen.398 Insbesondere die These sei abzulehnen, dass die Parteien ihren Streit grundsätzlich durch ein vollstreckbares Urteil lösen wollten.399 4. Diskurs zur Theorie einer arbitrage contractuelle Eine weitere Literaturmeinung möchte dagegen der expertise irrévocable grundsätzlich einen Vorrang gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit einräumen und ist der Ansicht, die expertise irrévocable sei auf einige wenige gesetzliche Fälle beschränkt, entgegengetreten und hat dafür den Begriff der arbitrage contractuelle geprägt.400 Dieser Meinung nach gäbe es auch im französischen Recht, neben der prozessrechtlich geregelten Schiedsgerichtsbarkeit (arbitrage juridictionelle), eine Schiedsgerichtsbarkeit des Vertragsrechts (arbitrage contractuelle), mithin eine umfassende Vertragsarbitrage, die in Bezug auf ihr Einsatzfeld mit der Schiedsgerichtsbarkeit gleichwertig ist.401 Die Bindung der Parteien an den Spruch des Dritten ergebe sich demnach allein aus dem Prinzip der Vertragstreue gemäß Art. 1134 C. civ.402 Die arbitrage contractuelle beziehe sich dieser Meinung nach auf die Situation, in der ein Vertrag durch die Meinung eines Dritten noch komplettiert werden muss und darauf, wenn der Dritte einen Streit entscheiden soll, der in Folge eines schon geschlossenen Vertrags entstanden sei.403 Auf die arbitrage contractuelle seien allein die Regeln des Code civil anzuwenden und nicht die Regeln des Prozessrechts.404 In der Konsequenz dieser Annahme reicht es auch nicht aus, die Abgrenzung zwischen der arbitrage contractuelle und der arbitrage juridictionelle, wie die Rechtsprechung,405 an Hand des Kriteriums des Streits vorzunehmen, denn auch bei der arbitrage contractuelle gäbe es einen Streit zwischen den Parteien.406 Ausschlaggebend soll allein der Wille der Parteien sein, den Streit durch das eine oder andere Institut der Streitbeilegung einer Lösung zuzuführen.407 Zwar erkennt auch diese Meinung an, dass dieser Wille nicht einfach herauszufinden sei und die Parteien ihren Willen oft nicht zweifelsfrei zum Ausdruck brächten, dies sei aber kein Argument die Existenz einer umfassenden arbitrage contractuelle zu verneinen.408 Bei 398
Confluences, Gaz. Pal. 967, 968 f.; Bouckaert/Dupeyré, Tribune assur. 2011, n8 160, 38,
399
Seraglini/Ortscheidt, Droit de l’arbitrage, Rn. 27. Siehe dazu im Ganzen Kassis, Problèmes de base de l’arbitrage. Kassis, Problèmes de base de l’arbitrage, Nr. 32 ff., 55 ff. Kassis, Problèmes de base de l’arbitrage, Nr. 79. Kassis, Problèmes de base de l’arbitrage, Nr. 197. Kassis, Problèmes de base de l’arbitrage, Nr. 57. Siehe oben unter § 2 B. Kassis, Problèmes de base de l’arbitrage, Nr. 286. Kassis, Problèmes de base de l’arbitrage, Nr. 286. Kassis, Problèmes de base de l’arbitrage, Nr. 288 f.
39. 400 401 402 403 404 405 406 407 408
B. Französisches Recht
173
der Ermittlung des Parteiwillens sei insbesondere auch auf die Wortwahl der Parteien zu achten.409 Es verwundert daher nicht, dass diese Meinung annimmt, dass es bei Abgrenzungsproblemen beider Institute eine Grundannahme zu Gunsten der arbitrage contractuelle geben müsse, da sie nur dem Vertragsrecht entspringe und damit eine natürlichere Grundlage bilde als die arbitrage juridictionelle.410
VII. Zusammenfassung und Ergebnis zum französischen Recht 1. In der französischen Rechtsordnung sind vertraglich bindende Drittentscheidungen vor allem unter dem Begriff der expertise irrévocable bekannt. Regelungsgrundlagen bieten der Art. 1592 C. civ. und Art. 1843-4 C. civ. Während sich Art. 1592 C. civ. vor allem auf die Bestimmung des Kaufpreises bezieht, bezieht sich Art. 1843-4 C. civ. vor allem auf den Verkauf von Gesellschaftsanteilen. Beide Vorschriften erlauben es den Parteien aber dem Dritten bestimmte Methoden zur jeweiligen Preisbestimmung vorzugeben.411 2. Eine schuldrechtliche Bindungswirkung der Entscheidung des Dritten bei einer expertise irrévocable wird in der französischen Rechtsordnung nicht in Frage gestellt.412 3. Die Entscheidung des Dritten ist auch im französischen Recht noch gerichtlich überprüfbar. Die Entscheidung des Dritten wird aufgehoben, wenn er die von den Parteien vorgegebene Methode nicht eingehalten hat. Weiterhin wird die Entscheidung aufgehoben, wenn sie an einem groben Fehler (erreur grossière) leidet. Ob ein grober Fehler vorliegt, unterliegt dabei der Einzelfallbetrachtung. In der französischen Literatur und Rechtsprechung herrscht weitestgehend Einigkeit, dass der Dritte bei seiner Entscheidung unabhängig und unparteiisch zu sein hat. Hingegen verneint die Rechtsprechung, dass der Dritte den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren hat.413 4. Ist die Entscheidung des Dritten ungültig oder trifft er keine Entscheidung, ist zu differenzieren. Im Rahmen des Art. 1843-4 C. civ. ist das Gericht befugt einen neuen Dritten zu bestimmen. Art. 1592 C. civ. hingegen sieht diese Möglichkeit nicht vor, sodass in diesen Fällen das Gericht nicht befugt ist einen neuen Dritten zu bestimmen. Die Parteien können allerdings vertraglich vereinbaren, dass im Falle der
409 410 411 412 413
Kassis, Problèmes de base de l’arbitrage, Nr. 292. Kassis, Problèmes de base de l’arbitrage, Nr. 294. 3. Kapitel B. I. 3. Kapitel B. II. 3. Kapitel B. III.
174
3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
Ungültigkeit der Entscheidung ein neuer Dritter durch das Gericht bestimmt werden soll.414 5. Reicht eine Partei vor Durchführung einer vereinbarten expertise irrévocable Klage vor Gericht ein, ist diese unzulässig.415 6. Die Abgrenzung von expertise irrévocable und Schiedsgerichtsbarkeit ist auch im französischen Recht problembehaftet. Auch im französischen Recht steht dabei der Wille der Parteien im Zentrum der Einzelfallbetrachtung. Vom Vorliegen einer expertise irrévocable wird vor allem ausgegangen, wenn der Dritte hauptsächlich Tatsachenfragen und nicht Rechtsfragen zu beantworten hat und wenn der Dritte die Rechtsfolgen seiner Entscheidung nicht selbständig bestimmen kann. Beachtlich ist, dass sich eine Theorie einer umfassenden arbitrage contractuelle in der französischen Literatur bislang nicht durchsetzen konnte. Das heißt, dass nach überwiegender Literaturmeinung die expertise irrévocable auf die wenigen im Gesetz vorgesehenen Fälle beschränkt sei. Eine Ausweitung käme nur auf vergleichbare Fälle von Art. 1592 C. civ. in Betracht, wie etwa auf Fälle, in denen der Mietpreis angepasst werden soll. Hervorzuheben ist aber auch, dass diese Ansicht in der Rechtsprechung noch keine Bestätigung erfahren hat.416
C. Rechtsvergleichende Analyse I. Akzeptanz In England und in Deutschland tritt die schuldrechtlich bindende Drittentscheidung, also die Vertragsarbitrage in unterschiedlichen Ausformungen zu Tage, in England insbesondere als expert determination und adjudication, in Deutschland als allgemeines Schiedsgutachten, Adjudikation und Qualitätsarbitrage aber beispielsweise auch in der VOB/B und dem VVG. Dabei sind in der Rechtsprechung mannigfaltige Fallkonstellationen nachgewiesen, eine Beschränkung auf bestimmte Aufgabenbereiche des Dritten findet nicht statt. Die schuldrechtlich bindende Drittentscheidung steht gleichberechtigt neben der Schiedsgerichtsbarkeit, sodass tatsächlich von einer umfassenden Akzeptanz der Vertragsarbitrage gesprochen werden kann. Dagegen konnte sich die Sichtweise einer universellen arbitrage contractuelle in Frankreich bisher nicht vollständig durchsetzen. Dies spiegelt sich auch in der veröffentlichen Rechtsprechung zu vertraglich bindenden Drittentscheidungen wieder, die kaum über den Bereich der in Art. 1592 C. civ. und Art. 1843-4 C. civ. geregelten Fällen hinausgeht. Im Zentrum der Diskussion stehen also die Bewertung von Gesellschaftsanteilen und die Bestimmung des Kaufpreises. 414 415 416
3. Kapitel B. IV. 3. Kapitel B. V. 3. Kapitel B. VI.
C. Rechtsvergleichende Analyse
175
Auch sonst wird die Vertragsarbitrage zumeist genutzt um Preise oder Werte festzulegen, aber nicht um umfassende Streitigkeiten einer Lösung zuzuführen, was als möglicher Anwendungsbereich in der Literatur zumeist auch abgelehnt wird. Dies ändert freilich nichts daran, auch bei einer Begrenzung der Fallanwendungen der schuldrechtlich wirkenden Drittentscheidung grundsätzlich von Vertragsarbitrage zu sprechen. Vertragsarbitrage bezeichnet nämlich nur den Wirkungsmechanismus der Entscheidung. Die Bezeichnung setzt indes keine umfassende Akzeptanz in jeder Rechtsordnung voraus. Auch Schiedsgerichtsbarkeit ist nicht in jeder Rechtsordnung in jedem Fall möglich. Allerdings, das sei hier noch kurz erwähnt, sind auch in der französischen Rechtsprechung Tendenzen hin zu einer Öffnung der Vertragsarbitrage zu beobachten.
II. Grenzen der Bindungswirkung Bei den materiell-rechtlichen Überprüfungsmaßstäben herrschen, zumindest formal gesehen, große Übereinstimmungen. Jede Rechtsordnung behält sich vor, den Spruch des Dritten inhaltlich zu überprüfen. Dabei sind zunächst die von den Parteien gewählten Methoden oder Entscheidungsmaßstäbe zu beachten. Dies gilt seit neuestem auch für die nach französischem Recht vorgenommene Bewertung von Gesellschaftsanteilen. Um besonders schwerwiegende Fehlentscheidungen Dritter auszusortieren, kommen daneben auch immer einzelfallbezogene Inhaltsüberprüfungen zum Einsatz (offenbare Unbilligkeit/Unrichtigkeit beziehungsweise Treu und Glauben, erreur grossière, manifest error). Anderseits ist jede der hier untersuchten Rechtsordnungen grundsätzlich auch bereit nur einfach fehlerhafte Entscheidungen des Dritten zu tolerieren. Unterschiede herrschen allerdings bereits bei der Frage, ob der Dritte seine Entscheidung zu begründen hat. Während dies in Deutschland und Frankreich gemeinhin bejaht wird, wird dies in England verneint. Bei den prozessrechtlichen Überprüfungsmaßstäben herrscht bei den hier untersuchten Rechten zumindest darin Einigkeit, dass der Dritte unparteiisch zu sein hat. Wobei das englische Recht dieses Erfordernis in Bezug auf die expert determination noch einmal abschwächt und nur bei Vorliegen von tatsächlich Unabhängigkeit (actual bias) und nicht schon bei scheinbarem Vorliegen von mangelnder Unabhängigkeit des Dritten (apparent bias) die Entscheidung als nichtig ansieht. Bei der Frage, ob den Parteien auch rechtliches Gehör zu gewähren ist, muss differenziert werden. In England wird dies für die adjudication grundsätzlich bejaht, für die expert determination dagegen verneint. Wobei es auch bei der adjudication auf die konkreten Umstände ankommt. Zu berücksichtigen soll hier stets die von den Parteien erstrebte Schnelligkeit des Verfahrens sein. In Frankreich dagegen wird die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs von der Literatur zwar diskutiert, von der Rechtsprechung dagegen abgelehnt. Ein ähnliches Bild gibt die deutsche Rechtsordnung ab. Auch nach hier vertretener Meinung ist die Gewährung rechtlichen
176
3. Kap.: Aspekte aus dem englischen und französischen Recht
Gehörs im deutschen Recht grundsätzlich nicht erforderlich. Gewährt der Dritte jedoch einer Partei rechtliches Gehör, so ist er verpflichtet der anderen Partei Gehör im gleichen Umfang zu gewähren.
III. Folgen einer ungültigen oder nicht erfolgten Entscheidung Große Unterschiede treten beim Umgang mit ungültigen oder nicht erfolgten Entscheidungen zu Tage. Während die deutsche Rechtsprechung hier im Grunde stets die Entscheidung des Dritten selber zu treffen und damit zu ersetzen vermag, bestimmen die französischen Gerichte nur dann einen neuen Dritten, wenn es um die Wertbestimmung von Gesellschaftsanteilen geht, oder wenn die Parteien dies vereinbart haben. Auf noch unsicherem Terrain bewegen sich die Parteien im englischen Recht, wonach die englischen Gerichte weder einen neuen Dritten bestimmen noch die Entscheidung durch eine eigene ersetzen. Zwar wurde in einem veröffentlichen Urteil schon einmal eine ungültige Drittbestimmung im Rahmen einer expert determination durch eine Bestimmung des Gerichts ersetzt, dies ist aber nicht die Regel. Die Parteien sind demnach angehalten eine von den staatlichen Gerichten losgelöste Vereinbarung zu treffen wie ungültige Entscheidungen zu ersetzen sind oder wie bei Uneinigkeit bei der Bestimmung des Dritten zu verfahren ist. Davon zu unterscheiden ist allerdings erneut eine adjudication unter dem HGCRA 1996, hier stehen Stellen zur Verfügung, die einen Dritten bei Uneinigkeit der Parteien bestimmen können.
IV. Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung In der englischen und in der französischen Rechtsordnung wird die fehlende Zuständigkeit des Dritten von der Frage der Einhaltung des von den Parteien vorgegebenen Entscheidungsmaßstabs abgegrenzt. Dieser Ansatz ist auch für das deutsche Recht zu übernehmen. Die Zuständigkeit spielt nämlich eine wichtige Rolle für die Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung. Ist der Dritte für die ihm vorgelegte Frage nicht zuständig, muss seine Entscheidung vor Anrufung eines Gerichts oder Schiedsgerichts nicht abgewartet werden. Grundsätzlich ist jede der hier untersuchten Rechtsordnungen aber gewillt den Weg vor die staatlichen Gerichte bis zur Beendigung des Vertragsarbitrageverfahrens zu versagen. Eine Vertragsarbitragevereinbarung ist also in der Regel auch durchsetzbar.
C. Rechtsvergleichende Analyse
177
V. Abgrenzung zur Schiedsgerichtsbarkeit Die Vertragsarbitrage sorgt in allen drei hier untersuchten Rechtsordnungen für erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten. Gemein ist ihnen, dass sie den Willen der Parteien in den Mittelpunkt der Abgrenzung von Vertragsarbitrage und Schiedsgerichtsbarkeit stellen. Dazu ist insbesondere zu untersuchen, welche Bindungswirkung die von den Parteien erstrebte Entscheidung haben sollte. Weiterhin sind sich die Rechtsordnungen darin einig, dass bei der Erforschung des Parteiwillens nicht allein der Text ihrer Vereinbarung zu berücksichtigen ist. Zur Erforschung des Parteiwillens benutzen die Rechtsordnungen verschiedene Anhaltspunkte, bei deren Vorliegen eher auf eine Schiedsgerichtsbarkeit oder auf eine Vertragsarbitrage geschlossen werden kann. Hat die Entscheidung des Dritten nur eine Tatsachenfrage zum Gegenstand, liegt nach den hier untersuchten Rechtsordnungen eher eine Vertragsarbitrage als Schiedsgerichtsbarkeit vor. Im englischen Recht wird außerdem darauf abgestellt, ob die Entscheidung in einem gerichtsähnlichen Verfahren entstanden ist. Ist dies der Fall, soll eher eine Schiedsgerichtsvereinbarung vorliegen. Nach englischer Sicht soll außerdem eher Schiedsgerichtsbarkeit vorliegen, wenn bei Anrufung des Dritten bereits ein Streit bestand. Das Vorliegen eines Streits wird hingegen dann nicht angenommen, wenn es um die erstmalige Bestimmung des Kaufpreises geht. Ähnliche Tendenzen gibt es im französischen Recht, nach denen angenommen wird, dass keine Schiedsgerichtsbarkeit vorliege, wenn der Dritte sich in einem engen, von den Parteien vorgegebenen Rahmen halten müsse und nur wenige eigene Entscheidungsbefugnisse habe. Hingegen sei eine Schiedsgerichtsvereinbarung anzunehmen, wenn der Dritte die Rechtsfolgen selbständig bestimmen könne. Die Abgrenzung von Schiedsgerichtsbarkeit und Vertragsarbitrage nimmt in Frankreich eine ungleich höhere Bedeutung als in den anderen beiden Rechtsordnungen ein, weil höchst umstritten ist, wie umfangreich eine Vertragsarbitrage sein darf. Eine Gleichstellung zur Schiedsgerichtsbarkeit wird in der französischen Literatur jedenfalls mehrheitlich abgelehnt.
4. Kapitel
Vertragsarbitrage im Internationalen Privatund Zivilverfahrensrecht A. Vorüberlegungen Es ist festzuhalten, dass die hier untersuchten Rechte Deutschlands, Englands und Frankreichs schuldrechtlich bindende Entscheidungen eines Dritten kennen. Dies gilt genauso für die Rechtsordnungen Italiens, der Schweiz, Österreichs, der USA, Belgiens und der Türkei.1 Auch hatte sich die Académie international de droit comparé auf ihrem X. Internationalen Kongress für Rechtsvergleichung 1978 in Budapest mit dem Thema „Arbitrage als Verfahren zur Vertragsrevision“ beschäftigt.2 Weiterhin haben Vertragsarbitrageregelungen Eingang in das europäische Vertragsrecht gefunden, nämlich in CESL, DCFR, PICC und PECL.3 Vertragsarbitrageverfahren sind demnach international bekannt und weit verbreitet.
I. Internationalisierung der Vertragsarbitrage Mit dieser Erkenntnis rücken die Fragen in den Fokus, die sich im Rahmen einer grenzüberschreitenden Nutzung der Vertragsarbitrage stellen. Eine solche liegt in Anlehnung der Definitionen in Art. 1 der Rom I und Rom II-VO vor, wenn der
1
Zum italienischen Recht Hartl, Das Schiedsgutachten im italienischen Recht; zum schweizerischen Recht Hagenbüchle, Das Schiedsgutachten im schweizerischen; Wenger, Zum obligatorischen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht; zum österreichischen Recht Garger, Das Schiedsgutachten; zum U.S.-Amerikanischen Recht Elsing, ZVglR 114 (2015), 568, 587 ff.; Sieveking, Schiedsgutachtenverträge nach deutschem und New Yorker Recht; Borowsky, Das Schiedsgutachten im Common Law; zum belgischen Recht Storme, Rev. dr. Int. et dr. comp. 1985, 285 ff.; Carpasse, J.T. 1999, 565; zum türkischen Recht Yesilirmak, ASA Bulletin 2015, 306 ff.; siehe außerdem die Länderberichte in Kendall on Expert Determination, Kap. 18. 2 Siehe dazu deutscher Beitrag von Loewenheim, in: Max-Planck-Institut (Hrsg.), Beiträge zum X. Internationalen Kongress für Rechtsvergleichung in Budapest, S. 72 ff.; ungarischer Beitrag von Harmanthy, Selected essays fort the 10th International Congress of Comparative Law, S. 131 ff.; zusammenfassender Beitrag von David, General reports to the 10th International Congress of Comparative Law, S. 269 ff. 3 Dazu Kleinschmidt, RabelsZ 76 (2012), 785.
A. Vorüberlegungen
179
Sachverhalt eine Verbindung zu verschiedenen Staaten aufweist.4 Weist der Sachverhalt eine Verbindung zu anderen Staaten als dem Gerichtsstaat auf, ist vom Gericht oder Schiedsgericht, das über Rechtsfragen der Vertragsarbitrage zu entscheiden hat, das anwendbare Recht zu bestimmen. An die Intensität der Verbindung können keine allzu großen Anforderungen gestellt werden.5 In diesem Zusammenhang genügt es etwa, wenn die beteiligten Personen, das heißt die Vertragsparteien oder der Dritte, ihren Sitz in unterschiedlichen Staaten haben. Eine von der Gerichtssprache abweichende Vertragssprache genügt als Verbindung genauso,6 wie eine im Ausland belegende Baustelle oder Fertigungsstätte. Grenzüberschreitend ist eine Vertragsarbitrage auch, wenn das angerufene Gericht seinen Sitz in einem anderen Staat als die Vertragsparteien oder der Dritte hat, oder wenn der Streitgegenstand in einem anderen Staat belegen ist.7
II. Betrachtungsperspektive Für die Erörterung der aufgeworfenen Frage stehen nun drei Blickwinkel zur Verfügung. Die Frage könnte sich alternativ dem (staatlichen) Richter, dem Schiedsrichter oder der Obkommission stellen. In Vertragsarbitragevereinbarungen ist es nicht unüblich, statt des (staatlichen) Gerichts ein Schiedsgericht zur Überprüfung des vom Dritten abgegebenen Entscheids einzusetzen.8 Dennoch soll hier bei der Betrachtungsweise grundsätzlich der Standpunkt des (deutschen) Gerichts eingenommen werden. Dieses ist nämlich gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden und bietet damit den standsichersten Blickwinkel. Im Unterschied dazu kann einem deutschen Schiedsgericht von den Parteien die Ermächtigung zu einer Entscheidung nach Billigkeit nach § 1051 Abs. 3 ZPO eingeräumt werden. Wenn keine Befugnis zu einer Billigkeitsentscheidung vorliegt, ist das Schiedsgericht gleichwohl an das Schiedsverfahrensrecht gebunden und damit auch an § 1051 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO.9 Strittig ist, ob § 1051 Abs. 2 ZPO eine selbständige Kollisionsnorm darstellt,10 oder auf das Kollisionsrecht des Sitzstaats 4
Vgl. auch Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 6, 61. MüKo/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 19; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 8; siehe auch Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 7, die die grundsätzliche Anwendbarkeit des IPR auch bei reinen Inlandssachverhalten bejahen. 6 MüKo/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 19. 7 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 8. 8 Vgl. Klausel 20.6 FIDIC Red Book, Art. 4.6. und Art. 5.6 ICC-Dispute Board Rules und §§ 22, 23 DIS-AVO. 9 Mankowski, FS v. Hoffmann, S. 1012, 1014; Hausmann, FS v. Hoffmann, S. 971, 973 f.; MüKo/Münch, § 1051 ZPO Rn. 1 f.; Sandrock, FS Glossner, S. 281, 298 ff. 10 Hausmann, FS v. Hoffmann, S. 971, 982 f.; Müko/Münch, § 1051 ZPO Rn. 28 ff.; Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1.103; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 55 Rn. 9. 5
180
4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
verweist.11 Lehnt das Schiedsgericht die unmittelbare Anwendung der Kollisionsnormen des Sitzstaats im Schiedsverfahren im Wege des § 1051 Abs. 2 ZPO ab, wird es sich bei der Frage, welches das Recht des Staats ist, mit dem der Streitgegenstand die „engsten Verbindung“ im Sinne von § 1051 Abs. 2 ZPO hat, zumindest am Kollisionsrecht des Sitzstaats orientieren.12 Der Blickwinkel des Gerichts ist also auch für das Schiedsgericht von großer Relevanz. Weiterhin wird auch der Obmann meist darum bemüht sein müssen, eine nach dem anwendbaren Recht wirksame Entscheidung zu treffen, weil er sich bei einer unwirksamen Entscheidung dem Haftungsrisiko gegenüber den Parteien aussetzt.13 Auch seine Sichtweise orientiert sich demnach grundsätzlich an dem des zuständigen Gerichts oder Schiedsgerichts. Auf Grund der generellen Gesetzesbindung des Gerichts bietet dieses aber, wie bereits erwähnt, gegenüber dem Schiedsgericht den standsichereren Blickwinkel.
III. Gang der Untersuchung Die Vertragsarbitrage ist ein Rechtsinstitut, das aus verschiedenen Rechtsfragen zusammengesetzt ist. Exemplarisch wurden hier bereits einige der Rechtsfragen in der deutschen, englischen und französischen Rechtsordnung untersucht. Für die Untersuchung der Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Prozessrecht ist die Vertragsarbitrage erneut in die unterschiedlichen Rechtsfragen aufzuspalten und diese Rechtsfragen sind jeweils gesondert zu qualifizieren und anzuknüpfen. Zu den Rechtsfragen zählen die Bindungswirkung der Vertragsarbitrage und ihrer Grenzen (B.), die Hilfestellung staatlicher Gerichte bei Scheitern der Entscheidung des Dritten (C.), die Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitrageklausel (D.), sowie die Abgrenzung der Vertragsarbitrage von der Schiedsgerichtsbarkeit (E.). Bei der Betrachtung der Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht treten weitere Rechtsfragen hinzu. Fraglich ist außerdem, wie sich eine Vertragsarbitrage im Rahmen eines dem CISG unterliegenden Kaufvertrags zu behandeln ist (F.) und wie der Obmann das anzuwendende Recht zu bestimmen hat (G.). Zu untersuchen gilt weiterhin der Einfluss des ordre public auf Vertragsarbitrageentscheidungen (H.) und die internationale Zuständigkeit im Fall eines Streits im Vertragsarbitrageverfahren (I.).
11
Mankowski, FS v. Hoffmann, 1012, 1022 ff.; Zöller/Geimer, § 1051 ZPO Rn. 2; G. Wagner, FS Schumann, S. 535, 542, 557. 12 Vgl. Müko/Münch, § 1051 ZPO Rn. 28 ff. 13 Siehe BGH, Urt. v. 17. 1. 2013 – III ZR 11/12, NJW 2013, 1296, 1297 f.; vgl. auch Oelsner, Dispute Boards, S. 221 f., S. 237.
B. Materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung
181
B. Materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung Wesentliche Frage des international privatrechtlichen Umgangs der Vertragsarbitrage ist die Anknüpfung der Frage nach der Bindungswirkung und ihrer Grenzen. Als Vorüberlegung ist zu berücksichtigen, dass hier gezeigt worden ist, dass die Bindungswirkung lediglich materiell-rechtliche Wirkung entfaltet und dementsprechend ihre Grenzen ebenfalls dem materiellen Recht angehören.14 Die Frage nach der Anknüpfung der Bindungswirkung der Vertragsarbitrage und ihrer Grenzen stellt sich somit als Frage nach der Anknüpfung der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung dar. Dies umfasst weitreichende Fragen, wie etwa die Unwirksamkeit der Entscheidung auf Grund offenbarer Unbilligkeit oder, wenn die Wirksamkeit dem französischen Recht unterläge, auf Grund eines erreur grossière. Eine Frage der materiellen Wirksamkeit ist es auch, ob der Dritte gezwungen ist bestimmt Verfahrensgrundsätze bei seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Für die Anknüpfung der materiell-rechtlichen Wirksamkeit stehen verschiedene Anknüpfungspunkte in der Überlegung. Sollte es einen Sitz des Vertragsarbitrageverfahrens geben, kann erwogen werden die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Entscheidung nach dem Recht oder Kollisionsrecht des Sitzes der Vertragsarbitrage zu beantworten (I.). Alternativ ist zu überlegen, ob die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung selbständig angeknüpft werden sollte (II.), weiterhin ist eine akzessorische Anknüpfung der Bindungswirkung und ihrer Grenzen zu diskutieren (III.), bevor die Fragen nach der Rechtswahl der Parteien (IV.) und der Möglichkeit einer Wahl eines anationalen Rechts zu untersuchen ist (V.).
I. Existenz eines Vertragsarbitragesitzes Fraglich ist, ob die Vertragsarbitrage einen Sitz hat und ob die Frage der Bindungswirkung der Vertragsarbitrage und ihrer Grenzen nach dem Recht oder zumindest nach dem Kollisionsrecht des Sitzes beantwortet werden kann. Das deutsche Schiedsrecht und auch das New Yorker Übereinkommen von 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen (UNÜ) gehen vom Grundsatz davon aus, dass ein Schiedsgericht, wie ein Gericht auch, einen Sitz beziehungsweise einen Schiedsort15 in einem bestimmten Staat hat.16 Dieses Sitz14
Siehe dazu unter 2. Kapitel A. Die Begriffe Sitz des Schiedsgerichts und Schiedsort sollen hier synonym verwendet werden, vgl. Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 134; Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 15 Rn. 39. 15
182
4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
recht bestimmt dann das auf die Schiedsgerichtsbarkeit anzuwendende Recht (lex arbitri). Die lex arbitri ist von den Parteien grundsätzlich nur indirekt über die Wahl des Sitzes des Schiedsgerichts bestimmbar.17 Sie stellt zwingende Regeln in Bezug auf die Schiedsgerichtsbarkeit im Gesamten auf, hält aber auch dispositive und eigentlich von der lex arbitri abzugrenzende Regelungen etwa zum Verfahren vor dem Schiedsgericht bereit.18 Darüber hinaus stellt sie die Grundlage, durch die die Wirksamkeit von Schiedsgerichtsbarkeit überhaupt ermöglicht wird.19 Der Sitz oder auch Schiedsort ist insofern hilfreich, als dass es mit der lex arbitri ein Basisrecht zur Verfügung stellt, das Lücken einer Schiedsvereinbarung füllen kann. Nichtsdestotrotz sind die Parteien nach deutschem Recht frei den Gang des Verfahrens (§ 1042 Abs. 2 ZPO) und sogar den Ort des Schiedsgerichts selbst zu bestimmen (§ 1043 Abs. 1 ZPO). Gleiches gilt für das in der Sache anzuwendende Recht (§ 1051 Abs. 1 ZPO). Der Vertragsarbitrage würde ein solcher Sitz als „Dreh und Angelpunkt“ nützlich sein und man könnte ihn, bei analoger Anwendung der ZPO und unter dem Eindruck der zum deutschen Recht vertretenen prozessrechtlichen Lehre, begründen und dann wie den Schiedsort bestimmen. Das vom Obmann anzuwendende IPR, aber auch die eventuell zu beachtenden Verfahrensgrundsätze, müssten dann dem Sitzrecht zu entnehmen sein. Allerdings muss hier mit Blick auf die rein schuldrechtliche Wirkung der Vertragsarbitrageentscheidung und der Ablehnung der prozessrechtlichen Doktrin im deutschen Recht20 der Annahme eines Sitzes eine Absage erteilt werden.21 Auch wenn es in der Schiedsgerichtsdogmatik immer wieder Überlegungen zu einem anationalen Schiedsgericht gab und gibt,22 dient der Sitz der Schiedsgerichtsbarkeit doch dazu, den Spruch des Schiedsgerichts mit einem Staatsrecht, insbesondere dem Schiedsverfahrensrecht, und einem staatlichen Gericht zu verknüpfen23 und damit mit rechtlicher Autorität zu belegen.24 Die Vertragsarbitrage hat nicht zum Ziel eine 16 Siehe § 1043 ZPO und Art. 1 Abs. 1 und 5 Abs. 1 lit. (e) UNÜ, vgl. auch Schlosser, Das Recht der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 228, 240 ff. 17 Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 113. 18 Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 112, 117. 19 Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 112. 20 Siehe oben unter 2. Kapitel A. 21 So auch Pfeiffer, FS Schlosser, S. 683, 686; Oelsner, Dispute Boards, S. 321. 22 Vgl. van den Berg Y.B. Com. Arb. 2003 (XXVIII), S. 562, 575; Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 95 f.; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 120, 125. 23 Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 134. 24 Dazu Raape: „Die Parteien erstreben mit dem Schiedsspruch eine rechtliche Wirkung. Diese aber können sie nur auf Grund einer positiven Rechtsordnung erzielen. Diese Einsicht ist der feste Ausgangspunkt für das Folgende, Die Parteien müssen sich also bei dem Schiedsverfahren auf dem Boden einer bestimmten Rechtsordnung stellen. Das Schiedsgericht thront nicht über der Erde, es schwebt nicht in der Luft, es muß irgenwo landen, irgendwo ,erden‘.“,
B. Materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung
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Entscheidung hervorzubringen, die dem eines Urteils gleicht, wie es bei der Schiedsgerichtsbarkeit der Fall ist. Genauso unterliegt die Vertragsarbitrageentscheidung nicht dem Zivilverfahrensrecht eines Staats. Vertragsarbitrageentscheidungen wirken lediglich schuldrechtlich. Verträge haben im schiedsrechtlichen Sinne keinen „Sitz“, zwar bedürfen auch sie einer Rückbindung an eine Rechtsordnung, sie hängen aber nicht an einer bestimmten Rechtsordnung fest. Von Gericht zu Gericht, je nach anzuwendendem Kollisionsrecht, kann die dem Vertrag zu Grunde liegende Rechtsordnung variieren. Für die Überprüfung der Vertragsarbitrageentscheidung können demnach mehrere Gerichte zuständig sein, insofern unterscheidet sie sich von der Schiedsgerichtsbarkeit, bei der für bestimmte gerichtliche Tätigkeiten nur das Gericht des Schiedsortes zuständig ist (§ 1062 ZPO).25 Man darf sich nicht von der von Savigny aufgestellten Frage nach dem Sitz des Rechtsverhältnisses26 in diesem hier aufgeworfenen Zusammenhang in die Irre führen lassen. Damit war nicht ein Sitz im Sinne eines Schiedsverfahrens gemeint, sondern die Suche nach dem auf die Rechtsfrage anwendbaren Recht. Nur in diesem Sinne soll in dieser Untersuchung weiter der Frage nachgegangen werden, welchen „Sitz“ im Savigny’schen Sinne die Bindungswirkung und ihre Grenzen haben.
II. Selbständige Anknüpfung Die Frage, welches Recht über die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung entscheidet, könnte selbständig anzuknüpfen sein. Diesen Weg bestritt schon das Reichsgericht in einer Entscheidung Ende des 19. Jahrhunderts. 1. Entscheidung des RG zu einer Qualitätsarbitrage in Baden In einem vom Reichsgericht zu entscheidenden Sachverhalt stellte sich bei der Durchführung einer Qualitätsarbitrage die Frage nach dem anwendbaren Recht beziehungsweise der anwendbaren Qualitätsstandards:27 Hiernach hatte eine in Sankt Petersburg beheimatete Firma (Beklagte) einer in Mannheim im damaligen Baden sitzenden Firma (Klägerin) Holz geliefert. Die Qualität der Hölzer sollte ein ebenfalls in Mannheim ansässiger Holzhändler G feststellen. Die Klägerin bezeichnete die von der Beklagten gelieferten Hölzer auf Grund der Feststellungen des Internationales Privatrecht, S. 557; ausführlich Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 122 ff. 25 Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 115. 26 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. VIII, S. 108. („Daß bei jedem Rechtsverhältnis dasjenige Rechtsgebiet ausgesucht werde, welchem dieses Rechtsverhältnis seiner eigentümlichen Natur nach angehört oder unterworfen ist (worin dasselbe seinen Sitz hat).“) 27 RG, Urt. v. 13. 1. 1899, Puchelts 1899, S. 250 f.
184
4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
G als „nicht empfangbar“ und verlangte vor dem LG Mannheim Minderung. Die Klägerin obsiegte in allen Instanzen. In der Revision brachte die Beklagte vor, dass der Spruch des G für sie nicht bindend sei und dass G es unzulässiger Weise unterlassen habe die Kronstadter28 Usance zu beachten. Das Reichsgericht gab der Klägerin Recht. Es führte aus: „Es muss angenommen werden, daß die Wirksamkeit der durch die Korrespondenz zwischen den Parteien abgeschlossenen Vereinbarung über die Bestellung eines in Mannheim wohnhaften Holzhändlers als arbitrator bezüglich der Qualität von in Mannheim befindlichen Hölzern sich nach badischem Recht richtet.“29 Und weiter wehrte es den Einwand des russischen Holzhändlers ab, dass der Dritte die Kronstadter Usance hätte beachten müssen.30 Zwar ließ das Reichsgericht offen, ob es auf den Lagerplatz des Holzes oder auf den Wohnort des Dritten abstellte, jedoch knüpfte es die Frage der Wirksamkeit der Vereinbarung selbständig an. Als Anknüpfungspunkt diente dem Reichsgericht der Wohnort des Dritten oder der Lagerplatz des Holzes. Anwendbar war demnach badisches Recht. Eine Begründung dazu gab das Reichsgericht indessen nicht ab. 2. Objektive Anknüpfung gemäß Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO Unabhängig von dem vom Reichsgericht gefundenen Ergebnis ist unklar, über welche Norm eine selbständige objektive Anknüpfung der Frage der materiellrechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung begründet werden könnte. Die Vertragsarbitrageentscheidung bindet schuldrechtlich, beruht also auf einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung und könnte in der Folge in den Anwendungsbereich der Rom I-VO fallen.31 Die Vertragsarbitrage ist als solches auch nicht von Art. 1 Abs. 2 Rom I-VO ausgeschlossen, wie es etwa Schiedsvereinbarungen sind (Art. 1 Abs. 2 lit. e) Rom I-VO). Die Vertragsarbitrage wird allerdings genauso wenig in Art. 4 Abs. 1 erwähnt, sodass bei mangelnder Rechtswahl zunächst eine selbständige Anknüpfung nach Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO in Betracht käme. Fraglich ist, worin die charakteristische Leistung gemäß Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO liegen soll. Diese könnte bei der Vertragsarbitrage darin gesehen werden, dass beide Parteien auf ihre Privatautonomie verzichten und sie auf einen Dritten delegieren. Beide Parteien erbringen somit aber die gleiche Leistung, eine eindeutige Bestimmung des anwendbaren Rechts ist danach nicht möglich.
28
Hier ist wohl das auf einer Ostseeinsel vor St. Petersburg liegende Kronstadt gemeint, und nicht das in Rumänien liegende. 29 RG, Urt. v. 13. 1. 1899, Puchelts 1899, S. 250 f. 30 RG, Urt. v. 13. 1. 1899, Puchelts 1899, S. 251. 31 Vgl. Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1.67 f.; Staudinger/ Magnus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 27 ff.
B. Materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung
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Denkbar wäre es auch auf den Dritten abzustellen, dieser leistet immerhin die schuldrechtlich bindende Entscheidung. Die Entscheidung des Dritten stellt aber eine Leistung dar, die er den Parteien aus einem ihnen gegenüber eingegangenen Vertrag schuldet, nicht dagegen eine Leistung des Schuldverhältnisses der Parteien. Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO führt somit zu keinen belastbaren Ergebnissen, sodass allenfalls eine Anknüpfung nach Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO in Betracht käme. 3. Engste Verbindung gemäß Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO Kann das anwendbare Recht nicht nach Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO bestimmt werden, unterliegt der Vertrag gemäß Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO dem Recht des Staats, zu dem er die engste Verbindung hat. Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO übernimmt eine Auffangfunktion für anderweitig nicht speziell geregelte Fälle. Gefordert ist ein sogenanntes grouping of contacts, das heißt das Abwiegen und Diskutieren anderer als der in Art. 4 Rom I-VO genannten Anknüpfungspunkte, um die relativ stärkste Verbindung zu einer Rechtsordnung herzustellen.32 a) Gewöhnlicher Aufenthalt des Obmanns Der Anknüpfungspunkt als engste Verbindung könnte, ganz im Sinne der hier aufgeführten reichsgerichtlichen Entscheidung,33 der gewöhnliche Aufenthalt des Obmanns sein. Der gewöhnliche Aufenthalt des Obmanns erscheint aber als engste Verbindung im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO schon ungeeignet, wenn eine mehrköpfige Obkommission die Entscheidung zu treffen hat.34 Möglich wäre dann allenfalls das Abstellen auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Vorsitzenden der Obkommission. Dass es einen solchen Vorsitzenden überhaupt gibt, erscheint allerdings fraglich. Eine gesetzliche Regelung, die wie im Schiedsrecht den Dritten Schiedsrichter als Vorsitzenden bestimmt (vgl. § 1035 Abs. 3 ZPO), gibt es jedenfalls nicht, sodass eine solche Anknüpfung ins Leere zu laufen droht, wenn die Partei formal keinen Vorsitzenden bestimmen. b) Tagungsort der Kommission Weiterhin liegt es mit Blick auf das reichsgerichtliche Urteil nicht fern, den Anknüpfungspunkt als engste Verbindung in dem Lagerort des zu beurteilenden Gegenstands oder auch den tatsächlichen Tagungsort der Kommission zu sehen. Die Qualität einer Sache etwa ist gewiss am besten vor Ort zu bestimmen, Tagungsort und der Ort des Gegenstands würden schon aus praktischen Gründen oft zusammen-
32 33 34
von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, § 7 Rn. 92. RG, Urt. v. 13. 1. 1899, Puchelts 1899, S. 250 f. Vgl. Müko/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 204.
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4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
fallen. Bei der Beurteilung von Baufortschritten scheint der Ort der Baustelle einen gewissermaßen natürlichen und logischen Anknüpfungspunkt zu bieten. Eine Anknüpfung der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung an den Tagungsort als engste Verbindung wirkt allerdings auf den zweiten Blick zufällig, denn selbst Schiedsgerichte müssen ihre Verhandlung und Beratung nicht an ihrem nominalen Sitz durchführen.35 Tagungsorte werden in der heutigen globalisierten und mobilen Welt mehr aus praktischen und von der Streitsache losgelösten Gründen gewählt, sodass sie insgesamt für das die Vertragsarbitrageentscheidung bestimmende materielle Recht nur ein schwacher Anker wären.36 Außerdem könnte die Kommission mehrfach an und vor allem von verschiedenen Orten aus, etwa per Telefon, tagen, weiterhin ist ein Treffen der Kommission nicht immer nötig. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass auch die Anknüpfung an den Tagungsort als engste Verbindung im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO keine vorhersehbare Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts auf die Vertragsarbitrageentscheidung ermöglicht. Weiterhin ist zu beachten, dass die Vertragsarbitrage nicht nur die Beurteilung vergegenständlichter Fragen zum Inhalt haben kann, sondern auch rechtlicher Fragen, die von einem Ort oder dem Ort der Belegenheit einer Sache unabhängig sind. Nicht immer ist daher das Abstellen auf den Belegenheitsort einer Sache zielführend. c) Zwischenergebnis Das Anknüpfen an den gewöhnlichen Aufenthalt des Obmanns, den Tagungsoder einen Belegenheitsort einer streitgegenständlichen Sache, um das anwendbare Recht für die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung zu bestimmen, ist somit insgesamt zu verwerfen. Die Lösung der hier aufgeführten reichsgerichtlichen Entscheidung ist daher abzulehnen. Im Ergebnis führt eine selbständige Anknüpfung nur zu unbefriedigenden Ergebnissen, sodass im Anschluss eine akzessorische Anknüpfung zu untersuchen ist.
III. Akzessorische Anknüpfung Das auf die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung anwendbare Recht könnte durch akzessorische Anknüpfung an das Hauptrechtsverhältnis zu bestimmen sein.
35
Siehe § 1043 ZPO. Vgl. dazu Stumpf, in: Coing (Hrsg.), Materielles Recht und Verfahrensrecht in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S. 47 f.; zur Mediation Hutner, Das internationale Privatund Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 127 f. 36
B. Materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung
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1. Vertragsarbitrage als angelehntes Rechtsinstitut Für die Beantwortung der Frage nach der Anknüpfung der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung erscheint es zielführend zunächst noch einmal auf den Gegenstand der Vertragsarbitrage abzustellen. Diese soll einen Streit, Ungewissheit oder Unbestimmtheit in Bezug auf ein anderes Rechtsverhältnis klären. Damit erinnert sie in ihrer Funktion an sogenannte „angelehnte Verträge“.37 Darunter sind alle Verträge zu verstehen, die lediglich eine untergeordnete Hilfsfunktion erfüllen und der Vorbereitung, notwendigen Ergänzung, Erfüllung oder Abänderung des Hauptvertrags dienen.38 Die Vertragsarbitrage selbst ist kein Vertrag, sondern ein aus verschiedenen Vereinbarungen und Rechtsfragen zusammengesetztes Rechtsinstitut, das zu einer schuldrechtlich bindenden Entscheidung führt. Die Vertragsarbitrage, besser gesagt die Entscheidung des Dritten im Zuge einer Vertragsarbitrage, soll aber, ähnlich wie die angelehnten Verträge auch, einen Vertrag begründen, abändern oder ergänzen. Darüber hinaus kann die Vertragsarbitrage zum Beispiel auch zu einer Einigung über einen deliktischen Schadensersatzanspruch also einem gesetzlichen Schuldverhältnis führen. Mithin steht die Vertragsarbitrage, und damit auch die Vertragsarbitrageentscheidung, immer in engem Kontakt mit einem anderen Rechtsverhältnis. Eine Vertragsarbitrage ist ohne ein sie tragendes Rechtsverhältnis undenkbar, sie ist niemals Selbstzweck. Die Vertragsarbitrageklausel wurde hier definiert als eine Vereinbarung, mit der sich die Parteien verpflichten einen bestehenden oder zukünftigen Streit, eine Ungewissheit oder Unbestimmtheit in Bezug auf ein anderes Rechtsverhältnis einer schuldrechtlich bindenden Entscheidung eines Dritten zu unterwerfen.39 Die Definition ähnelt der Definition der Schiedsgerichtsbarkeit in § 1029 Abs. 1 ZPO aber auch dem Vergleich in § 779 Abs. 1 BGB, der den Abschluss einer Mediation bilden kann. In allen genannten Fällen geht es um die Beilegung von Streitigkeiten über ein Rechtsverhältnis. Schiedsvertrag und Vergleich werden zumindest gelegentlich als angelehnte Verträge bezeichnet,40 mithin ist auch die Vertragsarbitrageklausel ein angelehnter Vertrag. Die Vertragsarbitrageklausel wiederum enthält die Delegation der Privatautonomie der Parteien auf einen Dritten, die unmittelbar in die Vertragsarbitrageentscheidung mündet. Es lässt sich also sagen, dass die Vertragsarbitrage ein angelehntes Rechtsinstitut ist. 37
Vgl. Gamillscheg, AcP 157 (1958/1959), 303, 334; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 665; MüKo/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 300; zum schweizerischen Recht Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht, Rn. 271. 38 MüKo/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 300; so auch Roden, Zum internationalen Privatrecht des Vergleichs, S. 93; Ferrari u. a./Ferrari, Art. 4 Rom I-VO Rn. 76; v. Bar, Internationales Privatrecht II, § 4 Rn. 504, Fn. 449. 39 Siehe unter 1. Kapitel B. V. 4. 40 Für den Schiedsvertrag: Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 665, Fn. 66; für den Vergleich: OLG Schleswig IPRspr. 1989 Nr. 48; MüKo/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 300.
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4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
Die Bezeichnung der angelehnten Verträge rückt nun aber vor allem die Frage der akzessorischen Anknüpfung in den Vordergrund. 2. Akzessorietät der Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung Für die Anknüpfung der Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung ist noch einmal die international privatrechtliche Behandlung des in dieser Frage der Vertragsarbitrage ähnelnden Vergleichs miteinzubeziehen. Wie die Vertragsarbitrage auch, kann der Vergleich nicht nur Streitigkeiten aus dem Schuldrecht zum Gegenstand haben, sondern auch aus dem Delikts-, Erb- und Familienrecht. Es überrascht nach dem zuvor ausgeführten nicht, dass sich das auf den Vergleich anzuwendende Recht nach herrschender Meinung durch das Statut des Hauptvertrags bestimmt, beziehungsweise durch das Statut des dem Vergleich zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses.41 Dasselbe hat auch für die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung zu gelten. Eine solche akzessorische Anknüpfung ist vor allem deswegen vorzugswürdiger als eine selbständige Anknüpfung, weil sie das Hauptrechtsverhältnis und die sich auf diese beziehende Vertragsarbitrageentscheidung nicht auseinanderreißt und sie einem einheitlichen Recht unterstellt. Außerdem kann sich so die bereits im Kollisionsrecht enthaltene Wertung auf die materiellen Rechtsfragen der Vertragsarbitrage übertragen. Beispielsweise leuchtet unmittelbar ein, dass sich die Frage, unter welchen Umständen und nach welchem Verfahren die Bewertung von Anteilen an einer französischen Gesellschaft statt zu finden hat, am besten nach französischem Recht beantworten lässt. Hier sollte also die mitunter diffizile Dogmatik rund um den Art. 1843-4 C. civ. Platz greifen, zumindest soweit es um die Frage der materiellrechtlichen Wirksamkeit der Entscheidung geht.42 Das Kollisionsrecht trägt dem bereits Rechnung, indem es das Gesellschaftsstatut an das Recht des Gründungsstaats oder des Sitzes der Gesellschaft anbindet.43 Die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung wäre für diese Fälle dann gesell41 BGH, Urt. v. 15. 9. 2009 – X ZR 115/05, RIW 2010, 65; BGH, Beschl. v. 8. 3. 2005 – VIII ZB 55/04, NJW 2005, 1373, 1374; OLG Schleswig, Urt. v. 19. 9. 1989 – 3 U 213/86, IPRspr. 1989 Nr. 48; OLG Hamm, Urt. v. 15. 4. 1985 – 22 U 339/84, IPRspr. 1985 Nr. 28; MüKo/ Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO, Rn. 169; Roden, Zum internationalen Privatrecht des Vergleichs, S. 80; Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 252; Mankowski, EWS 1994, 379, 383; nicht gemeint ist an dieser Stelle der Prozessvergleich, hierfür gilt die lex fori, OLG München, Urt. v. 30. 10. 1974 – 7 U 2263/73, IPRspr. 1974 Nr. 10b, vgl. auch Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 3.261. 42 Siehe dazu oben 3. Kapitel B. I. 43 Siehe v. Bar, Internationales Privatrecht II, § 5 Rn. 618; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 568.
B. Materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung
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schaftsrechtlich anzuknüpfen. Genauso richtete sich die Frage der Wirksamkeit einer Vertragsarbitrageentscheidung, die deliktische Forderungen zum Gegenstand hat, im Ergebnis nach den Bestimmungen der Rom II-VO, weil akzessorisch an das Deliktsstatut anzuknüpfen ist. Etwas Anderes gilt allerdings, wenn bei einer Vertragsarbitrage bezüglich eines deliktischen Schuldverhältnisses bereits ein schuldrechtlicher Vertrag besteht. Hat der Obmann trotz eines bestehenden schuldrechtlichen Vertrags nur über deliktische Ansprüche zu entscheiden, findet die Regel des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO Anwendung, sodass im Zweifel auch die deliktischen Ansprüche an den bereits bestehenden Vertrag anzuknüpfen sind.44 Die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung ist in diesen Fällen also doppelt akzessorisch anzuknüpfen. Weiterhin ist zu bedenken, dass Vertragsarbitrageverfahren Rechtsverhältnisse aus ganz unterschiedlichen Rechtsgebieten zum Gegenstand haben kann, in dem die Parteiautonomie nicht immer vollumfänglich zugelassen ist.45 Eine akzessorische Anknüpfung trägt auch diesem Umstand Rechnung. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung akzessorisch an das Statut des Rechtsverhältnisses (auch Hauptrechtsverhältnis) anzuknüpfen ist, dass durch die Vertragsarbitrage einer Klärung unterzogen werden soll.
3. Qualifikation schuldrechtlicher Verträge Qualifikation ist nach herrschender Meinung Subsumtion unter den Anknüpfungsgegenstand einer Kollisionsnorm.46 Durch die akzessorische Anknüpfung entfällt die Qualifikation der Vertragsarbitrageentscheidung.47 Dennoch ist als Kontrollüberlegung für die Richtigkeit der Annahme einer akzessorischen Anknüpfung der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung, die Qualifikation schuldrechtlicher Verträge miteinzubeziehen. Wie festgestellt entfaltet die Vertragsarbitrageentscheidung immer eine schuldrechtliche Bindungswirkung. An der hier herausgearbeiteten akzessorischen Anknüpfung der Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung kann nun gezweifelt werden, weil dies auch bedeutete, dass diese Frage unter Umständen dem Delikts- oder auch Erb- und nicht dem Vertragsstatut unterfiele. 44
Jaeger/Hök, FIDIC – A Guide for Practitioners, S. 406; Oelsner, Dispute Boards, S. 321. Vgl. zum Vergleich Roden, Zum internationalen Privatrecht des Vergleichs, S. 103; Mankowski, EWS 379, 383. 46 MüKo/v. Hein, Einleitung IPR Rn. 108; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 114; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, § 7 Rn. 138; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 327. 47 Zu qualifizieren ist allerdings das Hauptrechtsverhältnis, vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 531. 45
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4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
Zwar stellt die Vertragsarbitrageentscheidung ohne Zweifel einen vertraglichen Anspruch dar, daraus ergibt sich aber nicht zwangsläufig eine Anknüpfung nach den Regeln der Rom I-VO. Im deutschen IPR war es üblich Verträge dem Statut der geregelten Sachfrage unterzuordnen.48 Der jeweilige Vertrag kann so eng mit diesem Rechtsverhältnis verbunden sein, dass sinnvollerweise das jeweilige Sachstatut auch vertragliche Vereinbarungen darüber erfasst.49 Dementsprechend schließt die Rom IVO etwa Schuldverhältnisse aus Familienverhältnissen oder über Unterhaltspflichten von ihrem Anwendungsbereich aus (Art. 1 Abs. 2 lit. b Rom I-VO). Das Gleiche gilt gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. c Rom I-VO für Schuldverhältnisse aus Ehen oder aus dem Erbrecht. Nicht nur Verträge zwischen Erblasser und Erbe fallen darunter, sondern auch Auseinandersetzungsverträge zwischen Miterben.50 Grundsätzlich ist festzuhalten, dass nicht jedes Vertragsverhältnis unter den Anwendungsbereich der Rom I-VO fällt. Es lässt sich sogar sagen, dass über die ausdrücklich in Art. 1 Abs. 2 Rom I-VO ausgeschlossenen Materien hinaus Verträge nicht von den Art. 3 ff. Rom I-VO erfasst sind, wenn sie eng mit einem anderen Rechtsverhältnis verknüpft sind, dann unterfällt dieser Vertrag nämlich dem Statut dieses Rechtsverhältnisses.51 Ein deutliches Beispiel bildet die sachenrechtliche Einigung über den Eigentumswechsel einer Sache, auch diese Einigung ist ein Vertrag, er fällt aber unstreitig nicht unter den Anwendungsbereich der Rom I-VO.52 Festzustellen ist, dass die Kontrollüberlegung über die Qualifikation schuldrechtlicher Verträge die akzessorische Anknüpfung der Wirksamkeit der schuldrechtlich bindenden Vertragsarbitrageentscheidung bestätigen kann, da auch schuldrechtliche Verträge nicht stets der Rom I-VO unterfallen, sondern teilweise auch dem Statut der (nicht schuldrechtlichen) Sachfrage. 4. Umfang der Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung Zu untersuchen ist außerdem, ob die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung auch die Pflicht des Dritten umfasst Verfahrensgrundsätze zu berücksichtigen. Eine Literaturmeinung knüpft die durch den Dritten im Rahmen einer Adjudikation eventuell einzuhaltenden Verfahrensgrundsätze nicht akzessorisch an das Statut des Hauptrechtsverhältnisses an, sondern möchte sie der lex fori des anzu48 MüKo/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 26; Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1.89 ff. 49 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 44. 50 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 62. 51 Vgl. Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1.92. 52 Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 252; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 542 f., vgl. zum schweizerischen Recht Vischer/ Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht, Rn. 270 ff.
B. Materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung
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rufenden Gerichts oder Schiedsgerichts unterstellen.53 Begründet wird dies mit der prozessualen Ebene dieser Verfahren.54 Dieser Meinung ist nicht zuzustimmen, weil die von dem Dritten einzuhaltenden Verfahrensgrundsätze nicht aus dem Prozessrecht, sondern aus dem materiellen Recht abzuleiten sind. Die Verfahrensgrundsätze bilden Grenzen der Bindungswirkung und sind somit Teil der Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung. Hält der Dritte die von den Parteien vereinbarten Verfahrensgrundsätze nicht ein, entfällt die Bindungswirkung der Entscheidung, das heißt die Nichtbeachtung der Verfahrensgrundsätze hat materiell-rechtliche Konsequenzen. Unterstellte man die Frage der Beachtung der Verfahrensgrundsätze nun der lex fori des angerufenen Gerichts, während man die Frage, ob die Entscheidung offenbar unbillig sei akzessorisch anknüpfte, unterfiele die Bewertung der Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung unter Umständen unterschiedlichen Rechten. Die Konsequenz wäre eine erschwerte Vorhersehbarkeit der Frage der Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung für die Parteien. Die von den Parteien vereinbarten Verfahrensgrundsätze sind vom Dritten außerdem unabhängig vom möglichen Gerichtsstand oder Schiedsort einzuhalten, es wäre nun nicht konsequent die Frage der Einhaltung der vereinbarten Verfahrensgrundsätze der lex fori eines möglichen Gerichtsstands oder Schiedsorts zu unterstellen, weil dann die einzuhaltenden Verfahrensgrundsätze je nach Gerichtsstand oder Schiedsort voneinander abweichen könnten. Festzuhalten ist, dass die akzessorisch an das Hauptrechtsverhältnis anzuknüpfende Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung auch die Frage nach den vom Dritten zu berücksichtigen Verfahrensgrundsätzen umfasst.
IV. Rechtswahl der Parteien Zu untersuchen ist außerdem, ob die Parteien befugt sind, das auf die Frage der Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung anwendbare Recht frei zu vereinbaren. Grundsätzlich sind die Parteien kraft Parteiautonomie befugt, das auf ihre Vertragsarbitrageentscheidung anwendbare Recht frei zu wählen. Dies gilt allerdings nur in den Fällen, in denen es das Kollisionsrecht auch zulässt (siehe etwa Art. 3 Rom I-VO, Art. 14 Rom II-VO, Art. 22 EuErbVO, Art. 8 UnthProt).55 Die Zulässigkeit der Rechtswahl bestimmt sich demnach nach der Qualifikation des Haupt53
Hök, ZfBR, 2008, 323, 328. Hök, ZfBR, 2008, 323, 328. 55 Vgl. zum Vergleich Roden, Zum internationalen Privatrecht des Vergleichs, S. 103; Mankowski, EWS 379, 383. 54
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4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
rechtsverhältnisses und den einschlägigen kollisionsrechtlichen Bestimmungen. Die Rechtswahl geht der objektiven Anknüpfung in der Regel vor.56 Benennen die Parteien lediglich ein Recht für das grundlegende Rechtsverhältnis, unterliegt auch die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung qua Vermutung diesem Recht.57 Für eine solche akzessorische Anknüpfung an die Rechtswahl des grundlegenden Rechtsverhältnisses beziehungsweise Hauptvertrags spricht auch die Dogmatik um den Schiedsvertrag. Für diesen wird verbreitet angenommen, dass dieser im Zweifel dem von den Parteien gewählten Recht des Hauptvertrags unterliegt.58 Die Vertragsarbitrageentscheidung ist sogar noch enger mit dem Hauptvertrag verbunden als der Schiedsvertrag, da sich der Spruch des Dritten häufig unmittelbar auf diesen auswirkt, ihn nämlich ergänzt oder erst begründet. Allerdings sind die Parteien unter der Rom I-VO auch frei, ein gesondertes Recht für die Vertragsarbitrageentscheidung zu wählen, eine Teilrechtswahl ist gemäß Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO ausdrücklich zugelassen. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Rechtswahl der Parteien zu beachten ist. Haben die Parteien kein Recht gewählt, ist das auf die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung anzuwendende Recht akzessorisch zum Recht des Hauptrechtsverhältnisses zu bestimmen. Haben die Parteien für das Hauptrechtsverhältnis ein Recht gewählt, bestimmt auch dieses über die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung.
V. Wahl eines anationalen Rechts Aus der Schiedsgerichtsbarkeit bekannt ist die Fragestellung, ob die Parteien als Entscheidungsgrundlage ein anationales Recht, wie etwa die lex mercatoria oder 56 Zu den Schranken der Rechtswahlfreiheit siehe nur Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom IVO Rn. 2. 57 So § 19 DIS-AVO; vgl. auch OLG Hamm IPRspr. 1985 Nr. 28; Arntz, Eskalationsklauseln, S. 168 f.; zum Vergleich BGH, Urt. v. 19. 1. 2000 – VIII ZR 275/98, IPRax 2002, 37; zur Mediation Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 124. 58 BGH, Urt. v. 8. 6. 2010 – XI ZR 349/08, NJW-RR 2011, 548, 550; BGH, Urt. v. 28. 11. 1963 – VIII ZR 112/62, BGH NJW 1964, 591, 592; MüKo/Martiny, Vorbem. zu Art. 1 Rom IVO Rn. 100; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 1332; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 297 (m.w.N.). Dies ist freilich nicht unumstritten, insbesondere im englischen Recht wird stattdessen auf das Recht des Sitzes des Schiedsgerichtes abgestellt, selbst wenn eine ausdrückliche Rechtswahl für den Hauptvertrag vorliegt (siehe Redfern/Hunter/Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, Rn. 3.20, S. 168; so auch Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht, Rn. 8.256 zum deutschen Recht). Auch das UNÜ weist in die Richtung, wenn es die Schiedsvereinbarung dem gewählte Recht der Parteien oder dem Recht des Sitzes des Schiedsgerichts unterstellt (Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ). Hier wurde aber bereits dargestellt, dass es einen Vertragsarbitragesitz nicht gibt.
C. Hilfe der Gerichte bei der Durchführung der Vertragsarbitrage
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allgemeine Rechtsgrundsätze, bestimmen können.59 Diese Frage stellt sich auch für die Vertragsarbitrageentscheidung.60 Mit Blick auf die von § 1051 Abs. 3 ZPO für Schiedsgerichte eingeräumte Entscheidung nach Billigkeit, wird dies von der wohl herrschenden Lehre bejaht.61 Bei der Vertragsarbitrage verhält es sich dagegen anders. Art. 3 der Rom I-VO etwa gewährt den Parteien nach vorherrschender Auffassung nicht das Recht ein anationales Recht zu wählen.62 Das Gleiche gilt für die Rechtswahlklauseln in den anderen europäischen Verordnungen.63 Zwar räumt auch § 317 BGB das Recht zur Billigkeitsentscheidung ein, das Gesetz erlaubt sogar eine Entscheidung nach Belieben, damit ist aber auch schon der Unterschied im Kern aufgezeigt. Es ist das materielle Recht, das die Möglichkeit der Billigkeitsentscheidung gewährt und nicht, wie bei der Schiedsgerichtsbarkeit, das Internationale Privat- und Verfahrensrecht. Dies führt im Ergebnis aber nicht unbedingt zu weniger Freiheiten der Parteien.64 Bei Wahl des deutschen Rechts können die Parteien ohne Weiteres anationale Rechte als Entscheidungsgrundlage benennen. Dieser Wahl kommt dann materiell-rechtliche Wirkung zu.65 Es gelten auch hier nur die allgemeinen Grenzen der Privatautonomie.
C. Hilfe der Gerichte bei der Durchführung der Vertragsarbitrage Zu untersuchen ist, welchem Recht die Hilfe der Gerichte bei der Durchführung der Vertragsarbitrage unterliegt. Der Vergleich der Rechte Englands, Frankreichs und Deutschlands hat gezeigt, dass diese mit der Situation, dass der Dritte die von den Parteien delegierte Entscheidung nicht trifft oder die Entscheidung unwirksam ist, ganz unterschiedlich umgehen. Während die deutsche Rechtsprechung in großzügiger Weise den 59 Statt vieler Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht, Rn. 8.433 ff.; MüKo/Münch, § 1051 ZPO Rn. 56. 60 Siehe dazu auch Channel Tunnel Group Ltd v. Balfour Beatty Construction Ltd [1993] AC 334, 347. 61 Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 2.43 ff.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 1402; Musielak/Voit/Voit, § 1051 ZPO Rn. 2; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 3869; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1051 ZPO Rn. 22; kritisch etwa MüKo/Münch, § 1051 ZPO Rn. 14. 62 Siehe nur Müko/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 28 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom IVO Rn. 55 ff.; Sonnenberger, FS Schlosser, S. 921, 923. 63 Rühl, FS Kropholler, S. 185, 189. 64 Vgl. Sonnenberger, FS Schlosser, S. 921, 927. 65 H.M., siehe nur Müko/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 32; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO Rn. 56.
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4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
Rechtsgedanken des § 319 Abs. 1 BGB analog anwendet und per Urteil selbst die Entscheidung trifft, bestimmen französische Gerichte bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einen neuen Dritten, und das englische Gericht bleibt zumindest bei einer reinen expert determination in den meisten Fällen gänzlich untätig. Zum deutschen Recht wurde dabei schon festgestellt, dass der § 319 Abs. 1, 2. Halbs. BGB, trotz des materiell-rechtlich wirkenden Urteils, eine prozessuale Norm ist. Fraglich ist, welchem Recht prozessuale Normen unterfallen (I.), ob § 319 Abs. 1, 2. Halbs. BGB auch aus Sicht des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts eine Norm des Prozessrechts ist (II.) und ob § 319 Abs. 1 BGB auf Vertragsarbitrageentscheidungen Anwendung findet, die nicht dem deutschen Recht unterliegen (III.).
I. Kollisionsrechtlicher Grundsatz der lex fori Bei entsprechender kollisionsrechtlicher Bestimmung, wenden staatliche Gerichte selbstverständlich ausländisches materielles Recht an.66 Hingegen gibt es für das Prozessrecht kein System prozessualer Kollisionsnormen, es gilt der kollisionsrechtliche Grundsatz der lex fori.67 Das heißt, dass das mit der Sache befasste Gericht stets sein eigenes Prozessrecht anwendet.68 Prozessuale Elemente der Vertragsarbitrage und damit auch die Frage der Ersetzbarkeit der Entscheidung des Dritten durch das Gericht unterlägen demnach grundsätzlich dem Recht der lex fori.69 Das lex fori-Prinzip hat zwar auch von Teilen der Literatur Kritik erfahren,70 die wohl herrschende Lehre und auch die Rechtsprechung halten aber an diesem fest.71 Der BGH hat dazu lapidar ausgeführt: „Denn die deutschen Gerichte wenden in den vor ihnen anhängigen Verfahren nur deutsches Verfahrensrecht an.“72. Die Befür66
G. Wagner, Prozeßverträge, S. 348. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 20; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 42; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 348. 68 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 42; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 348 ff. 69 Vgl. Oelsner, Dispute Boards, S. 137. 70 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 45 ff.; Niederländer, RabelsZ 20 (1955), 1, 45 ff.; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, S. 83 ff.; Radkte, Der Grundsatz der lex fori und die Anwendbarkeit ausländischen Verfahrensrechts, S. 4 ff.; Grunsky, ZZP 89 (1976), 241, 252. 71 Basedow, in: Schlosser (Hrsg.), Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131, 136; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 366 f.; Roth, FS Stree und Wessels, S. 1045; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts, Rn. 55; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, § 5 Rn. 75; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 1055; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 595 f. 72 BGH, Urt. v. 27. 4. 1977 – VIII ZR 184/75, WM 1977, 793, 794; ähnlich auch BGH, Urt. v. 6. 11. 1991 – VII ZR 140/90, NJW 1992, 438, 439; BGH, Urt. v. 27. 5. 1984 – IVb ZR 2/83, NJW 1985, 552, 553. 67
C. Hilfe der Gerichte bei der Durchführung der Vertragsarbitrage
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worter einer Anwendung auch fremden Verfahrensrechts verweisen darauf, dass das Verfahrensrecht das Ergebnis materieller Rechtsanwendung beeinflussen kann und durch die stete Anwendung desselben Verfahrensrechts, Ungleiches gleich behandelt werden würde.73 Die Gegner verfahrensrechtlicher Kollisionsnormen führen ins Feld, dass die Anwendung fremden Verfahrensrechts den Prozess langwieriger und teurer machen würde, ein schonender Umgang mit knappen Justizressourcen aber angezeigt sei74 und dass es sich beim Verfahrensrecht um öffentliches Recht handele, welches nur im eigenen Territorium Geltung beanspruchen könne.75 Zum einen kommen aber auch die Befürworter prozessualer Kollisionsnormen meist zu dem Ergebnis der Anwendbarkeit der lex fori76 und zum anderen beanspruchen die Gegner keine allumfassende Gültigkeit des kollisionsrechtlichen lexfori-Prinzips.77 Vielmehr stellen Gegner sowie Befürworter auf den Einzelfall ab.78 Meines Erachtens ist daher am kollisionsrechtlichen Grundsatz der Geltung des Verfahrensrechts der lex fori festzuhalten. Viel entscheidender ist nämlich die Frage der Qualifikation der fraglichen Rechtserscheinungen oder Problemstellungen.79 Dabei kommt der lex fori grundsätzlich die Qualifikationsentscheidung zu. Das heißt, dass sich die funktionale Qualifikation der betreffenden Rechtsfrage an der Systematik der lex fori orientiert.80 Zwar ist durch die Einordnung eines Rechtssatzes in der lex fori ein deutlicher Hinweis für seine Qualifikation im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht gegeben, eine solche international-privatrechtliche Qualifikation ist dadurch aber nicht entbehrlich. Hier spielen nämlich weitere Aspekte eine Rolle, wie etwa das Interesse des Gerichtsstaats sein eigenes Verfahren anzuwenden81 aber insbesondere auch die international privatrechtlichen Interessen, welche andere sein können als im nationalen Recht.82 73
Schack, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 46; Grunsky, ZZP 89 (1976), 241, 252. G. Wagner, Prozeßverträge, S. 355 ff.; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, § 5 Rn. 78. 75 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, § 5 Rn. 75, 77; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 6 II Rn. 2, S. 31; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts, Rn. 55. 76 So zumindest Schack, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 49, als ein Befürworter prozessualer Kollisionsnormen. 77 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 357; Hutner, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, S. 73; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts, Rn. 56. 78 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 357; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 49; am anschaulichsten insofern Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 333 ff. 79 Basedow, in: Schlosser (Hrsg.), Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131, 136; Schack, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 52; vgl. auch Linke/Hau, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 2.9 ff. 80 Schack, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 52; Roth, FS Stree und Wessels, S. 1045, 1051; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts, Rn. 58; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 3 Rn. 9. 81 Roth, FS Stree und Wessels, S. 1045, 1051 f. 74
196
4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
II. Qualifikation der richterlichen Ersetzungsbefugnis Für die Qualifikation der richterlichen Ersetzungsbefugnis durch Urteil von unverbindlichen oder nicht erfolgten Drittentscheidungen gemäß § 319 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. BGB als Regelung des Prozessrechts auch auf der Ebene des Internationalen Privat- und Zivilprozessrechts spricht, dass die Parteien nach deutscher, englischer und französischer Auffassung nicht dazu befugt sind, die Gerichtskompetenzen beliebig zu erweitern.83 Diesem Grundsatz würde es widersprechen, wenn § 319 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. BGB eine Norm des materiellen Rechts wäre. Dann könnten die Parteien nämlich mit der Vereinbarung deutschen Rechts gleichzeitig bestimmen, dass zum Beispiel ein englisches Gericht die ungültige Entscheidung des Dritten ersetzen soll. Nach englischem Recht besteht eine solche Kompetenz dagegen nur in Ausnahmefällen, ein eklatanter Wertungswiderspruch. Die Annahme, § 319 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. BGB wäre eine Norm des materiellen Rechts, würde letztendlich zu dem Schluss führen, dass der deutsche Gesetzgeber dazu befugt wäre, die Kompetenz ausländischer Gerichte zu erweitern, was seltsam anmutet. In § 319 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. BGB gibt der deutsche Gesetzgeber ausschließlich den deutschen Gerichten die Kompetenz unbillige Entscheidungen durch Urteil zu ersetzen. Dagegen ist die Frage, ob die Entscheidung unbillig und daher für die Parteien nicht verbindlich ist, eine Frage des materiellen Rechts. Dies zeigt sich deutlich in Abgrenzung von § 319 Abs. 1 BGB zu § 319 Abs. 2 BGB. In § 319 Abs. 2 BGB ist das Gericht nicht befugt, die Entscheidung durch ein Urteil zu ersetzen. In der Folge ordnet § 319 Abs. 2 BGB die materiell-rechtliche Unwirksamkeit des Vertrags an. Es handelt sich mithin um eine rein materiell-rechtliche Norm. Die Frage ihrer Anwendbarkeit unterliegt der akzessorischen Anknüpfung an das Hauptrechtsverhältnis. Die Frage aber, ob das Gericht eine unbillige Entscheidung ersetzt, einen neuen Dritten bestimmt oder gar nichts unternimmt, ist prozessrechtlich zu qualifizieren und unterliegt der lex fori.
III. Universelle Anwendbarkeit von § 319 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. BGB Fraglich ist, ob § 319 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. BGB auch auf Vertragsarbitrageentscheidungen anwendbar ist, auf die nicht das deutsche materielle Recht anwendbar ist. Während sich die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung nach dem auf das Hauptrechtsverhältnis anwendbare Recht 82
Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 131 ff. Kleinschmidt, Delegation von Privatautonomie auf Dritte, S. 269; zum common law auch Kröll, Ergänzung und Anpassung von Verträgen durch Schiedsgerichte, S. 38 f. 83
D. Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung
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richtet, können sich die aus einer nichtigen Entscheidung folgenden Konsequenzen von Gericht zu Gericht unterscheiden. Wie beschrieben, können englische Gerichte nur in Ausnahmefällen die Entscheidung des Dritten ersetzen und französische Gerichte ersetzen nicht die Entscheidung durch eine eigene, sondern bestimmen unter bestimmten Voraussetzungen einen neuen Dritten.84 Hier wurde schon die grundsätzliche Analogiefähigkeit des § 319 Abs. 1 BGB auf alle Fallgruppierungen der Vertragsarbitrage bejaht, die ansonsten nicht direkt vom Anwendungsbereich der §§ 317 ff. BGB erfasst sind.85 Nichts Anderes kann gelten, wenn es sich um eine Vertragsarbitrageentscheidung handelt, auf die nicht das deutsche Recht anwendbar ist. Hat ein deutsches Gericht etwa über eine dem französischen Recht unterliegende Vertragsarbitrage zu entscheiden und haben die Parteien den Dritten einen Entscheidungsmaßstab an die Hand gegeben, von dem das deutsche Gericht glaubt, dass der Dritte ihn verletzt hat, kann es die Entscheidung des Dritten durch eigenes Urteil ersetzen. Etwas Anderes gilt allerdings, wenn der Dritte keinen expliziten Entscheidungsmaßstab an die Hand bekommen hat, dann hat er nach französischem Recht keinen bestimmten Entscheidungsmaßstab, den das deutsche Gericht ersetzen könnte. Weder findet § 319 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. BGB noch § 319 Abs. 2 BGB Anwendung, auch nicht analog. § 319 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs BGB findet keine Anwendung, weil das Gericht gemäß § 319 Abs. 1 BGB nur Entscheidungen ersetzen kann, die justiziabel sind, Entscheidungen ohne Entscheidungsmaßstab sind jedoch nicht justiziabel.86 § 319 Abs. 2 BGB findet nur Anwendung, wenn auf die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung deutsches Recht anwendbar ist, weil es sich um eine reine materiell-rechtliche Norm handelt.
D. Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung Fraglich ist, nach welchem Recht sich die Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung bestimmt. Gemeint ist damit die in der Vertragsarbitragevereinbarung enthaltene Abrede der Parteien vor der Klage vor einem Gericht oder Schiedsgericht ein Vertragsarbitrageverfahren durchzuführen.
84 85 86
Siehe oben unter 3. Kapitel C. III. Siehe oben unter 2. Kapitel C. I. Staudinger/Rieble, § 319 BGB Rn. 3.
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4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
I. Entscheidung des BG zu Klausel 20 eines FIDIC Vertrags Als einführendes Beispiel dient hierzu ein vom Schweizerischen Bundesgericht (BG) kürzlich entschiedener Fall. 1. Sachverhalt Vom BG war folgender Sachverhalt zu entscheiden:87 Die Beklagte war unter einem FIDIC Vertrag beauftragt, ein 76 km langes, offensichtlich nicht in der Schweiz befindliches, Straßenstück zu renovieren. Zwischen den Parteien war ein Streit ausgebrochen, sodass die Beklagte zunächst ein DAB-Verfahren anstrebte. Nachdem es den Parteien nach eineinhalb Jahren nicht gelungen war ein DAB wirksam zu bilden, wechselte die Beklagte ihr Bestreben dahin, sogleich einen ICCSchiedsspruch zu erhalten, daraufhin wurde ein Schiedsgericht mit drei Schiedsrichtern mit Sitz in Genf gebildet. Zwischen den Parteien war im Folgenden strittig, ob das Schiedsgericht zuständig sei oder, ob die Parteien verpflichtet waren vor Anrufung des Schiedsgerichts ein DAB-Verfahren durchzuführen. Das Schiedsgericht erklärte sich zuständig, hiergegen richtete sich die Klägerin vor dem Schweizerischen Bundesgericht. 2. Streitgegenstand In dem Verfahren ging es dem Grunde nach um die Interpretation von Klausel 20 eines FIDIC Vertrags.88 Klausel 20 des FIDIC Vertrags regelt die außergerichtliche Streitbeilegung. Demnach sollen die Parteien zunächst eine Adjudikation, also ein Vertragsarbitrageverfahren, durchführen, bevor sie ein schiedsrichterliches Verfahren bestreiten. Indessen gibt es auch Ausnahmen von der Pflicht vor Anrufung eines Schiedsgerichts eine Adjudikation durchzuführen. Im geschilderten Fall war strittig, ob die in Klausel 20 vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz des vorschiedsgerichtlich durchzuführenden Adjudikations-Verfahrens vorlagen. In diesem sich hier stellenden Zusammenhang ist interessant, welches Recht zur Interpretation der Klausel 20 des FIDIC Vertrages anzuwenden ist. Beachtlich ist dabei, dass Klausel 20 sowohl eine Vereinbarung zur Durchführung einer Adjudikation als auch eine Vereinbarung zur Durchführung eines schiedsgerichtlichen Verfahrens enthält (sogenannte Eskalationsklausel).
87
BG, Urt. v. 7. 7. 2014 – 4 A_124/2014, ASA Bulletin 2014, 826; siehe dazu auch Tschanz/ Fellrath Gazzini, Revue de l’arbitrage 2014, 1009; Scherer/Moss, ASA Bulletin 2014, 849; Andres, ZfBR 2015, 523. 88 Siehe etwa Klausel 20 des FIDIC Red Books.
D. Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung
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3. Sachentscheidung des BG Das Schiedsgericht interpretierte die Klausel nach schweizerischem Recht, wogegen sich die Klägerin vor dem BG wandte. Ihrer Meinung nach hätte die lex causae angewendet werden müssen.89 Das BG bestätigte jedoch die Auffassung des Schiedsgerichts die Vereinbarung nach schweizerischem Recht auszulegen. Es sah weiterhin die Anrufung eines DAB vor Durchführung eines Schiedsverfahrens aufgrund des im schweizerischen Recht verankerten Grundsatzes von Treu und Glauben als nicht zwingend an. Das BG bestätigte in seinem Urteil zunächst die Anwendung von Art. 178 Abs. 2 IPRG90 auf Klauseln, die sowohl eine Vertragsarbitragevereinbarung als auch eine Schiedsvereinbarung enthalten.91 § 178 Abs. 2 IPRG bezieht sich dem Wortlaut nach zunächst nur auf die materielle Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung.92 Nach Art. 178 Abs. 2 IPRG ist eine Schiedsvereinbarung gültig, wenn sie alternativ dem von den Parteien gewählten Recht, dem auf den Hauptvertrag anwendbaren Recht oder schweizerischem Recht entspricht. Dem Schiedsgericht stand nach Meinung des BG also ein Wahlrecht bezüglich des anwendbaren Rechts auf Klausel 20 des FIDIC Vertrags zu. § 178 Abs. 2 IPRG wird unter anderem flankiert von Art. 186 IPRG. Gemäß Art. 186 Abs. 1 IPRG93 hat das Schiedsgericht über seine Kompetenz selbst zu entscheiden. Art. 186 IPRG stellt für schweizerische Schiedsgerichte zwingendes Recht dar.94 Nach Meinung des BG seien die Fragen der verpflichtenden Durchführung des vorschiedsrichterlichen Streitbeilegungsmechanismus und der Zuständigkeit des Schiedsgerichts nur schlecht voneinander zu trennen.95 Hätte das Schiedsgericht bei Beantwortung der Frage zusätzlich die lex causae, das heißt das Recht des Hauptvertrags, zu berücksichtigen, würde die Lösung nach Meinung des BG unnötig erschwert, insbesondere weil das Schiedsgericht den Vorzug der von Art. 178 Abs. 2 IPRG ermöglichten Rechtswahl verlieren würde.96 Damit bestätigte das BG das Schiedsgericht in seiner Auffassung auf Klausel 20 des FIDIC Vertrags schweizerisches Recht anzuwenden.
89
BG, Urt. v. 7. 7. 2014 – 4 A_124/2014, ASA Bulletin 2014, 826, 835. Da heißt es: „Die Schiedsvereinbarung ist im Übrigen gültig, wenn sie dem von den Parteien gewählten, dem auf die Streitsache, insbesondere dem auf den Hauptvertrag anwendbaren oder dem schweizerischen Recht entspricht.“ 91 BG, Urt. v. 7. 7. 2014 – 4 A_124/2014, ASA Bulletin 2014, 826, 838 f. 92 Baseler Kommentar/Gränicher, Art. 178 IPRG Rn. 24 ff. 93 Da heißt es: „Das Schiedsgericht entscheidet selbst über seine Zuständigkeit.“ 94 Basler Kommentar/Schott/Courvoisier, Art. 186 IPRG Rn. 5. 95 BG, Urt. v. 7. 7. 2014 – 4 A_124/2014, ASA Bulletin 2014, 826, 838 f. 96 BG, Urt. v. 7. 7. 2014 – 4 A_124/2014, ASA Bulletin 2014, 826, 838 f. 90
200
4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
II. Pactum de non petendo als Prozessvertrag Bevor die Übertragbarkeit der vom BG gefundenen Lösung ins deutsche Recht überprüft werden kann, ist zunächst noch einmal die Vereinbarung der Parteien, vor der Klage vor einem Gericht oder Schiedsgericht eine Vertragsarbitrage durchzuführen, zu untersuchen. Haben die Parteien eine solche Vereinbarung nicht explizit getroffen, wird im deutschen Recht angenommen, dass sie eine solche Vereinbarung stillschweigend in die Vertragsarbitragevereinbarung einbezogen haben.97 Strittig ist, ob eine solche stillschweigende Vereinbarung einen materiell-rechtlichen oder einen prozessvertraglichen Charakter hat, wobei diesbezüglich der Parteiwille auszulegen ist. Der BGH nimmt in ständiger Rechtsprechung an, dass es sich bei dieser Vereinbarung bei Schiedsgutachten um eine materiell-rechtliche Vereinbarung handele, die die Fälligkeit aufschiebe. Eine vorherige Klage führe daher zu einer Abweisung der Klage als derzeit unbegründet. Dieser Auffassung konnte hier nicht gefolgt werden, es wurde festgestellt, dass es sich bei dem von den Parteien vereinbarten pactum de non petendo in der Regel um eine prozessvertragliche Vereinbarung handelt, die die Klagbarkeit ausschließt.98 Von dieser Annahme ist auch im Folgenden auszugehen.
III. Das auf den Prozessvertrag anwendbare Recht Nach vorherrschender Meinung unterliegt das Zulässigkeits- und Wirkungsstatut von Prozessverträgen der lex fori, das Geschäftsstatut, das heißt die Frage des wirksamen Zustandekommens, dagegen der lex causae.99 Dies ist vor allem damit zu begründen, dass sich das Zustandekommen eines Prozessvertrags nicht vom Zustandekommen eines materiell-rechtlichen Vertrags unterscheidet und auch nicht das Verfahren des Gerichts betrifft.100 Weiterhin ist anzuführen, dass die ZPO für das Zustandekommen von Verträgen keine Regelungen bereit hält und ohnehin das materielle Recht entsprechend angewandt werden müsste.101 Das Zulässigkeits- und Wirkungsstatut umfasst die Fragen, ob ein Prozessvertrag über die Verfahrensfrage überhaupt zulässig ist und wie der Prozessvertrag wirkt, das heißt, ob er zum Beispiel wie der Schiedsvertrag nur auf Einrede hin Wirkung
97
Siehe oben unter 2. Kapitel D. I. Siehe dazu unter 2. Kapitel D. 99 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 358 ff., 367 ff.; Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftmediation, S. 55 f.; Arnzt, Eskalationsklauseln, S. 117 f.; Oelsner, Dispute Boards, S. 137, 152. 100 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 369. 101 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 368. 98
D. Durchsetzbarkeit der Vertragsarbitragevereinbarung
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entfaltet (§ 1032 Abs. 1 ZPO).102 Hingegen regelt das Geschäftsstatut alle Fragen des allgemeinen Vertragsrechts, das heißt etwa Fragen über das Zustandekommen, der Anfechtbarkeit und der Interpretation des Vertrages.103 Die das Geschäftsstatut bestimmende lex causae bezeichnet dasselbe Recht, das auch über die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung herrscht.104 Auch das Geschäftsstatut bestimmt sich demnach durch eine akzessorische Anknüpfung an das Hauptrechtsverhältnis. Eine separate Rechtswahl für das Geschäftsstatut des Prozessvertrags ist grundsätzlich möglich,105 der Umfang der Parteiautonomie bestimmt sich meines Erachtens aber auch hier nach den für dieses Rechtsgebiet geltenden Bestimmungen. Das heißt, dass die Rechtswahl für bestimmte Verträge ausgeschlossen sein kann.
IV. Das auf das pactum de non petendo anwendbare Recht Überträgt man nun die allgemeinen Grundsätze auf das pactum de non petendo (prozessualer Klageverzicht), ergibt sich Folgendes: Da es sich bei einem pactum de non petendo um eine prozessvertragliche Vereinbarung handelt, richten sich nach den hier herausgearbeiteten Grundsätzen Zulässigkeit und Wirkung (Zulässigkeitsund Wirkungsstatut) nach der lex fori und die Frage des wirksamen Zustandekommens (Geschäftsstatut) nach der lex cause.106 Die lex causae des prozessualen Klageverzichts bestimmt sich, wie die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung auch, durch akzessorische Anknüpfung an das Hauptrechtsverhältnis.107 Diese lex causae bestimmt über die Auslegung des Parteiwillens, also über die Interpretation der vertraglichen Bestimmungen (vgl. Art. 12 Rom I-VO), wie etwa Klausel 20 eines FIDIC Vertrages.
V. Parallelwertung im deutschen Recht zur BG-Entscheidung Übertrüge man die vom BG getroffene Entscheidung einem deutschen Schiedsgericht, ist anzumerken, dass Klausel 20 eines FIDIC Vertrags nicht nur eine 102
G. Wagner, Prozeßverträge, S. 358. G. Wagner, Prozeßverträge, S. 367. 104 Siehe oben unter § 4 B. III.; vgl. G. Wagner, Prozeßverträge, S. 369. 105 G. Wagner, Prozeßverträge, S. 369. 106 Arntz, Eskalationsklauseln, S. 117 f., 175 f.; Oelsner, Dispute Boards, S. 137, 152; Ergibt der Parteiwille, dass es sich bei dem pactum de non petendo um eine materiell-rechtliche Vereinbarung handelt, richtet sich die Zulässigkeit und Wirkung allein nach dieser lex causae. 107 Siehe dazu oben unter 4. Kapitel B. III. 103
202
4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
Vertragsarbitragevereinbarung, sondern auch eine Schiedsvereinbarung (Klausel 20.6 FIDIC Red Book) enthält. Diese beiden Vereinbarungen sind eng miteinander verwoben, weil Klausel 20 auch Ausnahmen von der Pflicht zur Durchführung eines vorschiedsrichterlichen DAB-Verfahrens zulässt (etwa Klausel 20.6 Abs. 6 und Klausel 20.8) und subsidiär das Schiedsgericht als Erstentscheider beruft. Die Fragen, ob das DAB oder das Schiedsgericht zuständig ist, lassen sich also nur schwer voneinander trennen. Gemäß § 1040 Abs. 1 ZPO prüft das Schiedsgericht seine Zuständigkeit zunächst selbst, dabei hat es über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung zu entscheiden. Diese bemisst sich gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 a) ZPO nach dem von den Parteien gewählten Recht und erst subsidiär nach deutschem Recht.108 1. Vorliegen einer Rechtswahl Liegt, wie mit Klausel 20 des FIDIC-Vertrags, eine Vertragsklausel vor, die sowohl eine Vertragsarbitragevereinbarung als auch eine Schiedsvereinbarung enthält und miteinander verbindet und haben die Parteien das auf den Vertrag anwendbare Recht bestimmt, laufen das auf die Vertragsarbitragevereinbarung und das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht parallel. Insofern entstehen keine Schwierigkeiten bezüglich des auf die Klausel anwendbaren Rechts. 2. Keine Rechtswahl der Parteien Haben die Parteien dagegen keine Rechtswahl getroffen, stellt das Geschäftsstatut des prozessualen Klageverzichts das Recht dar, dem auch das Hauptrechtsverhältnis unterliegt. Dieses Geschäftsstatut bestimmt auch über die Frage der Auslegung der Klausel, das heißt wann die Parteien zunächst eine Vertragsarbitrage durchführen wollten und wann sie darauf verzichtet haben. Hingegen ist bei unterlassener Rechtswahl auf die Schiedsvereinbarung gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 a) ZPO deutsches Recht anwendbar. Das deutsche Recht bestimmt demnach über die Auslegung der Schiedsklausel und damit auch über die Frage, wann die Parteien sogleich ein Schiedsverfahren durchführen wollten, ohne den Umweg einer vorherigen Vertragsarbitrage.109 Folglich könnten zwei verschiedene Rechte über die Interpretation der Vertragsklausel und damit über dieselbe Frage bestimmen. Dabei kann es durchaus zu unterschiedlichen Interpretationen kommen, insbesondere wenn, wie in dem vom beschriebenen BG entschiedenen Fall, dem nationalen Recht zu entnehmende Grundsätze von Treu und Glauben entscheidungserheblich sind.
108
Vgl. Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht, Rn. 8.621. Siehe Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1029 ZPO Rn. 97; Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht, Rn. 8.269. 109
E. Vertragsarbitrage und das CISG
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Dieser Konflikt ist wie folgt zu lösen. Eine Anwendung von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 a) ZPO auf die Vertragsarbitragevereinbarung, wie es das BG für das schweizerische Recht annimmt, scheidet aus, da die Obkommission keine lex fori besitzt und die Anwendung deutschen Prozessrechts mithin unbegründet wäre. Zu beachten ist allerdings der Umstand, dass die Vertragsarbitrage in solchen Fällen der Schiedsgerichtsbarkeit vorgelagert ist. Stellt sich das Schiedsgericht die Frage, ob es zuständig ist, muss es sich also zunächst die Frage stellen, ob nicht primär das DAB zuständig wäre. Für die Frage des wirksamen Zustandekommens und die Interpretation der Klausel ist daher zunächst das Geschäftsstatut, das heißt die lex causae anzuwenden, da zuerst der Frage der Zuständigkeit des DAB nachzugehen ist. Kommt das Schiedsgericht zu dem Schluss, dass nach der Interpretation der Klausel an Hand der lex causae das DAB nicht zuständig ist, wendet es sein Verfahrensrecht und die darin enthaltenen kollisionsrechtlichen Bestimmungen an, um der Frage nachzugehen, ob die Schiedsvereinbarung wirksam ist. Bei mangelnder Rechtswahl wendet es also gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 a) deutsches Recht an. Für eine solche Lösung spricht, dass auch das staatliche Gericht seine eigene Zuständigkeit durch Interpretation der Vertragsarbitragevereinbarung nach der lex causae, das heißt nach dem Geschäftsstatut des prozessualen Klageverzichts, nachprüfen wird. Es wäre inkonsequent und für die Parteien wären die Rechtsfolgen schwerer absehbar, wenn für Schiedsgericht diesbezüglich andere Regeln gelten würden als für staatliche Gerichte. Festzuhalten ist folglich, dass bei Fragen, die die Reichweite oder den Umfang des prozessualen Klageverzichts im Verhältnis zur Schiedsvereinbarung betreffen, stets zunächst das Recht der lex causae, das heißt das auf das Hauptrechtsverhältnis anzuwendende Recht, zu befragen ist.
E. Vertragsarbitrage und das CISG Besonderheiten bezüglich der Vertragsarbitrage könnten sich im Hinblick auf Verträge ergeben, die dem CISG unterliegen. Das CISG ist internationales Einheitsrecht und enthält selbst unmittelbar anwendbares materielles Recht.110 Unter dem CISG sind insbesondere Fälle denkbar, in denen der Dritte den Kaufpreis einer Sache bestimmen soll. Soll der Dritte den Kaufpreis bestimmen, kann sich dies nach dem Aufbau des CISG schon auf die Wirksamkeit des Angebots auswirken. Gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 CISG liegt erst dann ein Angebot vor und kann erst dann ein Vertrag geschlossen werden, wenn das Angebot bestimmt genug ist. Gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 CISG ist das Angebot unter anderem dann bestimmt genug, wenn es die Festsetzung des Preises ermöglicht. Dies kann durch sogenannte Bestimmungsklauseln erfolgen. 110
Müko/H.P. Westermann, Vorbemerkung CISG Rn. 1, 7.
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4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
Unterschieden wird dabei in objektive und subjektive Bestimmungsklauseln.111 Eine objektive Bestimmungsklausel liegt demnach vor, wenn der Preis zwar noch nicht genannt ist, aber objektiv bestimmt werden kann.112 Dies ist etwa gegeben, wenn sich das Angebot auf Listenpreise bezieht.113 Eine subjektive Bestimmungsklausel liegt dagegen vor, wenn die Preisbestimmung nicht durch objektive Kriterien, sondern vom Ermessen oder gar Belieben einer Partei oder eben eines Dritten abhängig gemacht wird.114 Ob auch subjektive Bestimmungsklauseln ausreichen, damit das Angebot gemäß Art. 14 CISG ausreichend bestimmt ist, ist strittig. Nach einer Meinung reichen solche subjektiven Bestimmungsklauseln nicht aus, um das Angebot im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 CISG bestimmt genug erscheinen zu lassen.115 Nach anderer Meinung sind solche Klauseln grundsätzlich von Art. 14 Abs. 1 S. 2 CISG gedeckt.116 Auf die Praxis wirkt sich der Streit allerdings nicht aus, weil die ablehnende, hier zuerst genannte Meinung annimmt, dass die Parteien bei Vereinbarung einer subjektiven Bestimmungsklausel Art. 14 Abs. 1 S. 2 CISG abbedungen haben und auch nach dieser Meinung folglich ein Vertrag zustande käme.117 Ohnehin ist die letztgenannte Meinung vorzuziehen, da sich objektive und subjektive Bestimmungsklauseln nicht immer trennscharf unterscheiden lassen, weil der Dritte mal mehr und mal weniger an Parteivorgaben gebunden sein kann, die den Preis objektiv bestimmbar erscheinen lassen.118 Damit ist auch im Rahmen des CISG die schuldrechtlich wirkende Bestimmung des Kaufpreises durch einen Dritten möglich. Es lässt sich zwar sagen, dass die Bestimmung des Kaufpreises durch einen Dritten grundsätzlich in Art. 14 Abs. 1 CISG angelegt ist, darüber hinaus werden aber im CISG keine Bestimmungen getroffen, etwa ob der Dritte bestimmte Verfahrensregeln zu beachten oder nach welchem Maßstab er zu entscheiden hat.119 Gemäß Art. 4 S. 2 lit. (a) CISG sind Fragen der Gültigkeit des Vertrags vom Anwendungsbereich des CISG ausgenommen. Diese Aufzählung ist aber keinesfalls abschließend,120 sodass die Beantwortung aller weiteren Fragen einer Vertragsar-
111
Honsell/Dornis, Art. 14 CISG Rn. 18; Müko/Gruber, Art. 14 CISG Rn. 19 f.; siehe auch Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 14 CISG Rn. 52. 112 Honsell/Dornis, Art. 14 CISG Rn. 18; Müko/Gruber, Art. 14 CISG Rn. 19. 113 Müko/Gruber, Art. 14 CISG Rn. 19. 114 Honsell/Dornis, Art. 14 CISG Rn. 19; Müko/Gruber, Art. 14 CISG Rn. 20. 115 Ferrari u. a./Mankowski, Art. 14 CISG Rn. 41, Honsell/Dornis, Art. 14 CISG Rn. 19. 116 Müko/Gruber, Art. 14 CISG Rn. 20; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Art. 14. CISG Rn. 1; BeckOK/Saenger, Art. 14 CISG Rn. 4; Staudinger/Magnus, Art. 14 CISG Rn. 19. 117 Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 14 CISG Rn. 49; Ferrari u. a./Mankowski, Art. 14 CISG Rn. 41; anders aber im Ergebnis gleich Honsell/Dornis, Art. 14 CISG Rn. 19. 118 Müko/Gruber, Art. 14 CISG Rn. 20. 119 Kleinschmidt, RabelsZ 76 (2012), 785, 789. 120 Ferarri u. a./Saenger, Art. 4 CISG Rn. 1.
F. Abgrenzung der int. Vertragsarbitrage von der int. Schiedsgerichtsbarkeit
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bitrage dem nach dem IPR des Forums anwendbaren Rechts überlassen sind.121 Hier kann auf die bereits herausgearbeiteten Grundsätze verwiesen werden.
F. Abgrenzung der internationalen Vertragsarbitrage von der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit Eine entscheidende Frage nimmt außerdem die Abgrenzung der Vertragsarbitrage von der Schiedsgerichtsbarkeit ein. Die Abgrenzungsfrage wird insbesondere auch bei der Frage der Gerichtszuständigkeit relevant. Für Klagen gegen Entscheidungen eines Schiedsgerichts bilden das OLG beziehungsweise das KG die Eingangsinstanzen. Gegen Entscheidungen aus einer Vertragsarbitrage muss dagegen zunächst vor dem Amtsgericht oder dem Landgericht geklagt werden.122 Die Untersuchung der Rechte Deutschlands, Frankreichs und Englands hat gezeigt, dass die Abgrenzung stets problembehaftet ist. Schaut man nun auf die internationale Verwendung der Vertragsarbitrage und deren Abgrenzung von der Schiedsgerichtsbarkeit, dann muss zunächst der Frage nachgegangen werden, ob die Vertragsarbitrage vom New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (UNÜ) erfasst ist (I.). Danach ist zu untersuchen, wie die Abgrenzung von Vertragsarbitrage und Schiedsgerichtsbarkeit außerhalb des UNÜ zu erfolgen hat (II.).
I. Anwendbarkeit des UNÜ auf die Vertragsarbitrage Wesentliche Frage ist, ob die Vertragsarbitrage unter das UNÜ fällt. Fielen Vertragsarbitrageverfahren unter das UNÜ, könnten Vertragsarbitrageentscheidungen in allen dem UNÜ angehörenden Staaten für vollstreckbar erklärt werden, ohne dass es einer vorherigen Klage bedürfte. Um die Problematik aufzuzeigen, ist zunächst ein Fall darzustellen, der dem BGH zur Entscheidung vorlag und in dem es um die Anwendbarkeit des UNÜ auf die in Italien verbreitete sogenannte arbitrato irrituale ging (1.). Anschließend ist der Anwendungsbereich des UNÜ zu untersuchen (2). Fraglich ist sodann, ob das UNÜ die arbitrato irrituale im Besonderen (3.) und die Vertragsarbitrage im Allgemeinen (4.) erfasst.
121 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Art. 14. CISG Rn. 13; MüKo/Gruber, Art. 14 CISG Rn. 21; Honsell/Dornis, Art. 14 CISG Rn. 19; a. A. Bridge, The International Sale of Goods, Rn. 11.11: Pflicht der Parteien zur gemeinsamen Bestimmung eines anderen Dritten sei aus Art. 7 I bzw. Art. 7 II ableitbar. 122 Siehe dazu auch CA Paris, Rev. arb. 2003, 1296.
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4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
1. Entscheidung des BGH zur lodo di arbitratio irrituale Die Frage, ob die Vertragsarbitrage vom UNÜ erfasst ist, beschäftigte auch den BGH in seiner Entscheidung zu einem italienischen lodo di arbitratio irrituale.123 Bei diesem als „formfreies Schiedsverfahren“ zu übersetzendes Rechtsinstitut handelt es sich um ein in Italien entstandenes schiedsgerichtsähnliches Verfahren, das ausschließlich schuldrechtliche Bindung entfaltet, also rein auf dem Vertragsrecht beruht und nicht zu einem vollstreckbaren Entscheid führt.124 Die arbitrato irrituale erfuhr in Italien eine besondere Blüte, weil das im Codice di procedura civile geregelte Schiedsverfahren (arbitrato rituale) für den Handelsverkehr als formal zu schwerfällig und damit als bestandsunsicher galt.125 Die arbitratio irrituale hingegen unterlag zunächst keinen besonderen formalen Vorschriften.126 Mit ihr können auch Rechtsstreitigkeiten beigelegt werden.127 Eine Versicherungsgesellschaft (Antragsgegner) verpflichtete sich gegenüber einer in Genua in Italien ansässigen Firma Rückversicherungen zu übernehmen. Der Vertrag sah vor, dass bei Streitigkeiten zwischen der übernehmenden Versicherungsgesellschaft und den rückversicherten Gesellschaften eine lodo di arbitrato irrituale durchgeführt werden sollte. Ein in Genua entsprechend durchgeführtes Verfahren verpflichtete die Antragsgegner zur Zahlung an verschiedene rückversicherte Gesellschaften (Antragsteller). Die Antragsteller beantragten den erstrittenen lodo di arbitrato irrituale (auch lodo irrituale) im Sinne eines internationalen Schiedsspruchs in Deutschland für vollstreckbar zu erklären. Fraglich war, ob die arbitrato irrituale vom Anwendungsbereich des UNÜ erfasst ist und auf dieser Grundlage für vollstreckbar zu erklären war. Dies verneinte der BGH. Um die Richtigkeit dieses Ergebnisses zu überprüfen, ist der Anwendungsbereich des UNÜ ist näher zu untersuchen. 2. Anwendungsbereich des UNÜ Art. I des UNÜ bestimmt, dass das Übereinkommen auf Schiedssprüche anzuwenden ist, die in einem anderen Staat ergangen sind als in demjenigen, in dem die Vollstreckung und Anerkennung ersucht wird. Weiterhin sind auch diejenigen Schiedssprüche erfasst, die in dem ersuchten Vollstreckungsstaat als nicht inländische angesehen werden.
123 BGH, Urt. v. 8. 10. 1981 – III ZR 42/80, NJW 1982, 1224; zum vorinstanzlichen Urteil siehe HansOLG Hamburg, Urt. v. 7. 2. 1980 – 6 U 25/79, IPRax 1982, 146. 124 Lucchesi, ZfRV 1983, 1, 2, 4; Brogini, AWD 1969, 93, 97. 125 Lucchesi, ZfRV 1983, 1 f.; Hartl, Das Schiedsgutachten im italienischen Recht, S. 15. 126 Lucchesi, ZfRV 1983, 1, 2. 127 Hartl, Das Schiedsgutachten im italienischen Recht, S. 15.
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Indes liefert das UNÜ keine Definition für den Begriff „Schiedsspruch“,128 worauf es hier aber ankommt. Zur Spezifizierung des Begriffs kann nun das Recht des Herkunftsstaats des Schiedsspruchs, das Recht des Vollstreckungsstaats herangezogen oder das Übereinkommen autonom ausgelegt werden.129 Während die Qualifikation nach dem Recht des Herkunftsstaats in der deutschen Literatur kaum vertreten wird,130 wird teilweise eine Qualifikation nach dem Recht des Vollstreckungsstaats in Verbindung einer autonomen Auslegung,131 meist aber eine rein autonome Auslegung,132 bevorzugt. Da das UNÜ eine staatsvertragliche Regelung darstellt, sind deren Regelungen grundsätzlich autonom auszulegen, denn nur so ist der durch Staatsverträge erstrebte Entscheidungseinklang zu erzielen.133 Würde hingegen jeder Vertragsstaat das Übereinkommen nach den Prinzipien seiner Rechtsordnung auslegen, käme es möglicherweise zu einem unterschiedlichen Begriffsverständnis und in der Folge zu divergierenden Entscheidungen. Die autonome Qualifikation hat bei der Auslegung insbesondere den Sinn und Zweck und die Entstehungsgeschichte (unter a)) und den Wortlaut (unter b)) des Übereinkommens zu berücksichtigen.134 a) Sinn und Zweck des UNÜ unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte Das UNÜ hat zunächst einmal das Ziel die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedsurteilen weltweit einfacher zu gestalten und zu fördern.135 Daraus folgt, dass der Begriff der Schiedsgerichtsbarkeit grundsätzlich weit verstanden werden sollte136 und dagegen Art. V UNÜ, das heißt die Gründe für die Ablehnung der Anerkennung
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van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 44; Gaillard/Di Petro/ Di Petro, The New York Convention in Pratice, S. 139 f. 129 Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 878; R. Wolff/Ehle, Art. I UNÜ Rn. 14 ff. 130 Siehe aber z. B. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2512. 131 HK/Saenger, § 1061 ZPO Rn. 2, siehe aber auch Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 1668. 132 BGH, Urt. v. 8. 10. 1981 – III ZR 42/80, NJW 1982, 1224, 1225; van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 1; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 878; Schlosser, Das Recht der internationalen und privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 766; Müko/Adolphsen, Anhang zu § 1061 ZPO, Art. I UNÜ Rn. 3; Musielak/Voit/ Voit, § 1061 ZPO Rn. 3; BeckOK/Wilske/Markert, § 1061 ZPO Rn. 5. 133 R. Wolff/Liebscher, Prelims Rn. 76. 134 BGH, Urt. v. 8. 10. 1981 – III ZR 42/80, NJW 1982, 1224, 1225; R. Wolff/Liebscher, Prelims Rn. 78; Müko/Adolphsen, Anhang zu § 1061 ZPO, Art. I UNÜ Rn. 4. 135 R. Wolff/Liebscher, Prelims Rn. 90. 136 R. Wolff/Ehle, Art. I UNÜ Rn. 19.
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und Vollstreckung eines Schiedsspruchs, eng ausgelegt werden sollte.137 Weiterhin ist zu beachten, dass mit dem New Yorker Abkommen die Mängel des Genfer Abkommens von 1927138 beseitigt werden sollten.139 Das heißt die Doppelexequatur von Schiedssprüchen sollte abgeschafft werden, nach der ein Schiedsspruch zunächst im Ursprungsstaat und dann noch einmal im Vollstreckungsstaat anerkannt werden musste. Ziel war es den Schiedsspruch nur noch in dem Staat auf Anerkennung und Vollstreckung zu überprüfen, wo er auch tatsächlich vollstreckt werden soll.140 Daraus folgt, dass das auf den Schiedsspruch anzuwendende Recht bei der Frage der Wirksamkeit keine wesentliche Bedeutung mehr einnehmen sollte, wie es unter der Genfer Konvention noch der Fall war.141 b) Berücksichtigung des Wortlauts des UNÜ Weiterhin zu beachten ist der Wortlaut des Übereinkommens. In der sich stellenden Frage, ob das UNÜ auch Vertragsarbitrageentscheidungen erfasst, sind zwei Begriffe von besonderer Relevanz, zum einen der Begriff „Schiedsspruch“ (unter aa)) und zum anderen der Begriff „verbindlich“ (unter bb)).
137 R. Wolff/Liebscher, Prelims Rn. 90; Born, International Commercial Arbitration, S. 3425. 138 Absatz 1 des Genfer Übereinkommens von 1927 lautete: In the territories of any High Contracting Party to which the present Convention applies, an arbitral award made in pursuance of an agreement, whether relating to existing or future differences (hereinafter called „a submission to arbitration“) covered by the Protocol on Arbitration Clauses, opened at Geneva on September 24, 1923, shall be recognised as binding and shall be enforced in accordance with the rules of the procedure of the territory where the award is relied upon, provided that the said award has been made in a territory of one of the High Contractingne of the High Contracting Parties to which the present Convention applies and between persons who are subject to the jurisdiction of one of the High Contracting Parties. To obtain such recognition or enforcement, it shall, further, be necessary:— (a) That the award has been made in pursuance of a submission to arbitration which is valid under the law applicable thereto; (b) That the subject-matter of the award is capable of settlement by arbitration under the law of the country in which the award is sought to be relied upon; (c) That the award has been made by the Arbitral Tribunal provided for in the submission to arbitration or constituted in the manner agreed upon by the parties and in conformity with the law governing the arbitration procedure; (d) That the award has become final in the country in which it has been made, in the sense that it will not be considered as such if it is open to opposition, appel or pourvoi en cassation (in the countries where such forms of procedure exist) or if it is proved that any proceedings for the purpose of contesting the validity of the award are pending; (e) That the recognition or enforcement of the award is not contrary to the public policy or to the principles of the law of the country in which it is sought to be relied upon. 139 R. Wolff/Liebscher, Art. V UNÜ Rn. 353. 140 R. Wolff/Liebscher, Art. V UNÜ Rn. 353; Born, International Commercial Arbitration, S. 3423 f. 141 R. Wolff/Liebscher, Art. V UNÜ Rn. 353.
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aa) Schiedsspruch im Sinne von Art. I UNÜ Gemäß Art. XVI UNÜ sind die chinesische, englische, französische, russische und spanische Fassung für die Auslegung des Übereinkommens gleichberechtigt. In der englischen Fassung wird der Schiedsspruch als „arbitral award“ und in der französischen Fassung als „sentence arbitral“ bezeichnet. Soll ein internationales Übereinkommen autonom dem Wortlaut nach ausgelegt werden, greift aber eine rein begriffliche Betrachtungsweise zu kurz. Dies zeigt die Entscheidung des BGH zum lodo irrituale. Der BGH stellte in seiner Entscheidung zum lodo irrituale vor allem auch auf das französische Wort „arbitrage“ ab und meinte, dass dieses die Bedeutung eines Verfahrens habe, in dem Schiedsrichtern die Aufgabe erteilt ist, einen Rechtsstreit anstelle eines staatlichen Gerichts zu entscheiden.142 Es trifft jedoch nicht zu, dass das französische Wort „arbitrage“ im französischen Recht nur die Bedeutung eines Verfahrens hat, indem der Schiedsrichter die Aufgabe hat, einen Rechtsstreit anstatt eines staatlichen Gerichts zu entscheiden. Dies zeigt der hier näher beschriebene Art. 1592 C. civ., in dem ebenfalls das Wort „arbitrage“ verwendet wird, obwohl sich die französische Lehre und Rechtsprechung einig sind, dass damit gerade nicht ein Verfahren gemeint ist, in dem ein staatliches Gerichtsverfahren ersetzt werden soll.143 Eine autonome wörtliche Auslegung kann daher nicht allein am den von dem Übereinkommen benutzen Begriff stehen bleiben. Da das UNÜ das Wort Schiedsspruch selbst nicht definiert, lautet die Frage, die sich bei der autonomen Auslegung stellt, vor allem was die Mitgliedsstaaten mehrheitlich unter einem Schiedsspruch verstehen.144 Bei zurzeit 149 Mitgliedsstaaten ist die Herleitung eines einheitlichen Schiedsgerichtsbegriffs ein die Grenzen dieser Arbeit und wohl auch eines Gerichtsverfahrens sprengendes Unterfangen.145 Deswegen erscheint es im Einzelfall sinnvoll das auf den Schiedsspruch anwendbare Recht nach der Qualifikation der vorgelegten Entscheidung zu befragen und zu berücksichtigen.146 Konkret ist dabei zu untersuchen, welche Stellung das gegenständliche Verfahren innerhalb der Rechtsordnung einnimmt und ob die betreffende Rechtsordnung selbst meint, ob das gegenständliche Verfahren ein Schiedsspruch im Sinne des UNÜ darstellt. Eine solche Herangehensweise fördert den internationalen Entscheidungseinklang und die internationale Akzeptanz der Entscheidung und verhindert gleichzeitig eine „Nationalisierung“ und eine damit 142
BGH, Urt. v. 8. 10. 1981 – III ZR 42/80, NJW 1982, 1224, 1225. Siehe dazu oben unter Fn. 840. 144 van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 44. 145 Zur internationalen Auslegungspraxis des UNÜ auch R. Wolff/Liebscher, Prelims Rn. 72 ff. 146 Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 878; Gaillard/Di Petro/Di Petro, The New York Convention in Pratice, S. 142; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 2512; Kilgus, Zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung englischer Schiedssprüche in Deutschland, S. 92. 143
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eventuell verbundene Verengung des Begriffs der Schiedsgerichtsbarkeit. Damit trägt eine solche Herangehensweise auch am besten dem Sinn und Zweck des UNÜ Rechnung, nämlich einen möglichst breiten Anwendungsbereich für die Anerkennung und Vollstreckung von internationalen Schiedssprüchen zu eröffnen.147 Zu berücksichtigen sind zum einen das Recht des Sitzes des Entscheidungsgremiums, wenn es denn einen hat, und zum anderen das auf den Streitbeilegungsvertrag anwendbare Recht.148 Für einen solchen doppelten Ansatz spricht, dass so einer potentiellen lex arbitri aber auch dem die Vertragsarbitrage beherrschenden materiellen Recht Beachtung geschenkt werden würde. Die Wertungen dieser beiden Rechte stellen Indizien für die Auslegung des Begriffs „Schiedsspruch“ im UNÜ dar, die in die autonome Auslegung des UNÜ durch das Gericht mit aufzunehmen sind. bb) Bindende Wirkung des Schiedsspruchs In engem Zusammenhang mit dem Begriff des Schiedsspruchs steht der Begriff „verbindlich“, beziehungsweise „obligatoire“ oder auch „binding“. In Art. V Abs. 1 lit. (e) UNÜ heißt es, dass die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs versagt werden darf, wenn er noch nicht verbindlich geworden ist. Den Schiedsspruch zeichnet es demnach aus, dass er „verbindlich“ werden kann. Gemäß Art. V. Abs. 1 lit. (e) UNÜ darf also einem Schiedsspruch die Anerkennung und Vollstreckung versagt werden, wenn er für die Parteien noch nicht verbindlich geworden ist. Dass hierbei das Wort „darf“ und nicht „muss“ (in der englischen Fassung „may“) benutzt wird, ist zumindest als Aufforderung an das Gericht zu verstehen im Einzelfall genau zu prüfen, ob der Spruch als „verbindlich“ im Sinne des UNÜ anzusehen ist oder nicht und damit Ermessen auszuüben.149 (1) Diskurs über die Auslegung des Worts „verbindlich“ Wie bei dem Wort „Schiedsspruch“ auch, definiert das UNÜ selbst nicht, was es unter dem Begriff „verbindlich“ versteht.150 Dies führt einer Meinung nach dazu, dass auch bezüglich der Frage nach der Verbindlichkeit das auf den Schiedsspruch anzuwendende Recht zu befragen sei.151 Sinn des UNÜ sei es demnach nicht Schiedssprüche anzuerkennen, die in ihrem Heimatrecht nicht verbindlich geworden seien.152 Andere hingegen bevorzugen eine autonome Interpretation und nehmen an, dass der Spruch „verbindlich“ geworden sei, wenn er nicht mehr durch einen or147
R. Wolff/Ehle, Article I UNÜ Rn. 19. So etwa United States District Court, Southern District of New York Y.B. Com. Arb. XXI (1996), 784, 787. 149 R. Wolff/Borris/Hennecke, Art. V UNÜ Rn. 74 ff. 150 R. Wolff/Liebscher, Art. V UNÜ Rn. 357. 151 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 57 Rn. 20. 152 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 57 Rn. 20. 148
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dentlichen Rechtsbehelf angegriffen werden könne, sei es durch einen ordentlichen Rechtsbehelf vor einem Schiedsgericht oder einem nationalen Gericht.153 Dies habe den Vorteil keine komplizierte Untersuchung des Rechts des Ursprungsstaats des Schiedsspruchs vornehmen zu müssen.154 Im Ergebnis muss aber auch nach dieser Ansicht das Recht des Ursprungstaats dahingehend befragt werden, ob es noch einen ordentlichen Rechtsbehelf zulässt. Weiterhin wird vertreten, dass sich beide Ansätze gegenseitig nicht ausschlössen, sondern sich in wesentlichen Fragen ergänzten, sodass sie zu kombinieren seien.155 Der zuletzt genannten Meinung ist der Vorzug zu geben. Die beiden zuerst genannten Ansätze bilden keinen Widerspruch, weil auch bei einer autonomen Interpretation das Recht des Ursprungstaats des Schiedsspruchs danach befragt werden muss, ob es noch einen ordentlichen Rechtsbehelf zulässt. Das Recht des Ursprungstaats kann nun wiederum das Recht des Sitzes des Entscheidungsgremiums sein, so es denn einen hat und/oder das auf die Streitbeilegungsentscheidung anzuwendende Recht. (2) Zwischenergebnis Für die Frage, ob das UNÜ auch schuldrechtliche bindende Entscheidungen eines Dritten erfasst, ist unter Beachtung der zuvor herausgearbeiteten Auslegung des Wortes „Schiedsspruchs“ und der Auslegung des Wortes „verbindlich, folgende Herangehensweise bei der wörtlichen Auslegung des UNÜ festzuhalten: 1. das Sitzrecht und/oder das auf die Streitbeilegungsentscheidung anzuwendende Recht ist danach zu befragen, welche Stellung das gegenständliche Verfahren in der Rechtsordnung einnimmt. Das Sitzrecht ist zu befragen, wenn das Streitbeilegungsverfahren einen Sitz hat, hat es keinen Sitz, ist nur das auf die Streitbeilegungsentscheidung anwendbare Recht zu befragen; 2. ob es nach Sicht dieser Rechtsordnung ein Schiedsverfahren im Sinne des UNÜ darstellt und; 3. ob die Rechtsordnung noch einen ordentlichen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung zulässt. (3) Berücksichtigung des Ziels der Abschaffung der Doppelexequatur Bei der Auslegung des Worts „verbindlich“ ist weiterhin zu berücksichtigen, dass es ein wesentliches Ziel des UNÜ war die Doppelexequatur abzuschaffen, weswegen das Wort „final“ im Genfer Übereinkommen von 1927 durch das Wort „binding“ im
153 Redfern/Hunter/Blackaby/Partasides, Redfern and Hunter on International Arbitration, Rn. 11.85; vgl. auch Sutton/Gill/Gearing, Russell on Arbitration, Rn. 8-040; van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 337 ff.; ders., Y.B. Com. Arb. XXVIII (2003), 562, 659 Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1061 ZPO, Rn. 61. 154 van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 342 f. 155 Stein/Jonas/Schlosser, Anhang § 1061 ZPO, Rn. 127; Müko/Adolphsen, Anhang zu § 1061 ZPO, Art. V UNÜ Rn. 56; Sandrock, FS Trinkner, S. 669, 678.
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New Yorker Übereinkommen ersetzt wurde.156 Anzunehmen ist daher, dass von dem Wort „verbindlich“ auch Entscheidungen erfasst sind, die in ihrem Heimatrecht nur schuldrechtliche Bindungswirkung entfalten. Dies zeigt eine Entscheidung des Bayerischen ObLG auf. Das Bayerische ObLG hatte sich mit einem Schiedsspruch aus Kalifornien zu befassen.157 Nach kalifornischem Recht entfaltet ein nicht durch das kalifornische Gericht bestätigter oder aufgehobener Schiedsspruch dieselbe Bindungswirkung wie ein Vertrag (§ 1287.4 und § 1287.6 California Code of Procedure) 158. Der dem Bayerischen ObLG vorliegende Schiedsspruch war bereits durch ein kalifornisches Gericht bestätigt, sodass auch das Bayerische ObLG zu dem Schluss kam, dass ein vollstreckbarer Schiedsspruch im Sinne UNÜ vorlag. Auf die Bestätigung wäre es meines Erachtens aber auch gar nicht angekommen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Verbindlichkeitsvoraussetzungen des auf den Schiedsspruch anwendbaren Rechts nach dem UNÜ nicht beachtet werden können, wenn sie den Effekt einer Doppelexequatur haben. § 1287.4 und § 1287.6 California Code of Procedure stehen der Vollstreckbarkeit der Entscheidung eines in Kalifornien ergangenen und noch nicht bestätigten Schiedsspruch demnach nicht entgegen. Denn eine Regelung, die dem Schiedsspruch nur dann eine urteilsgleiche Wirkung verleiht, wenn er von einem Gericht des Ursprungstaats bestätigt worden ist, kommt einer Verpflichtung zur Doppelexequatur gleich und kann keine Beachtung finden. Die autonome Auslegung überlagert hier die des nationalen Rechts.159 Wird ein kalifornischer Schiedsspruch in Kalifornien nicht bestätigt, entfaltet die Entscheidung in Kalifornien damit nur eine schuldrechtliche Wirkung, während sie in allen anderen Mitgliedsstaaten des UNÜ als Schiedsspruch anerkannt und vollstreckt werden muss. Insofern greift es zu kurz, wenn das Bayerische ObLG in Bezug auf die BGH Rechtsprechung zum lodo di arbitratio irrituale lapidar feststellt, dass Entscheidungen, die nur schuldrechtliche Wirkung entfalten, nicht nach dem UNÜ als vollstreckbar erklärt werden können.160 Eine solche Pauschalisierung wiederspricht zum einen den Grundsätzen des UNÜ und zum anderen aber auch der Rechtsprechung des BGH161 zur Unzulässigkeit der 156 R. Wolff/Liebscher, Art. V UNÜ Rn. 355; van den Berg, Y.B. Com. Arb. XXVIII (2003), 562, 659; siehe dazu Art. 1 lid (d) des Genfer Übereinkommens in Fn. 138. 157 BayObLG, Beschl. v. 22. 11. 2002 – 4 Z Sch 13/02, SchiedsVZ 2003, 142. 158 Siehe § 1287.4.: „If an award is confirmed, judgment shall be entered in conformity therewith. The judgment so entered has the same force and effect as, and is subject to all the provisions of law relating to, a judgment in a civil action of the same jurisdictional classification; and it may be enforced like any other judgment of the court in which it is entered, in an action of the same jurisdictional classification“ und § 1287.6 California Code of Procedure: „An award that has not been confirmed or vacated has the same force and effect as a contract in writing between the parties to the arbitration.“ 159 MüKo/Adolphsen, Anhang zu § 1061 ZPO, Art. V UNÜ Rn. 56. 160 BayObLG, Beschl. v. 22. 11. 2002 – 4 Z Sch 13/02, SchiedsVZ 2003, 142, 143. 161 BGH, Urt. v. 2. 7. 2009 – IX ZR 152/06, SchiedsVZ 2009, 285.
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Doppelexequatur von Schiedssprüchen. Hiernach kann das aus dem Sitzstaat des Schiedsspruchs stammende, den Schiedsspruch bestätigende Urteil nicht selbständig gemäß § 722 ZPO anerkannt und vollstreckt werden, sondern nur der Schiedsspruch selbst kann nach den Regeln des UNÜ anerkannt und vollstreckt werden. Es kann somit nicht im Sinne der Rechtsprechung des BGH sein, wenn die Bestätigung des Schiedsspruchs in seinem Ursprungstaat eine Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs nach dem UNÜ wäre. Festzuhalten ist also, dass auch Entscheidungen, die nur eine schuldrechtliche Wirkung in ihrem Ursprungsstaat entfalten, nach dem UNÜ grundsätzlich anerkannt und vollstreckt werden können.162 In der Folge sind Vertragsarbitrageentscheidungen nicht grundsätzlich vom Anwendungsbereich des UNÜ ausgeschlossen. 3. Anwendbarkeit des UNÜ auf die arbitrato irrituale im Besonderen Die Streitfrage, inwiefern schuldrechtliche Entscheidungen auch vom UNÜ erfasst sind, hat sich in der Literatur und Rechtsprechung insbesondere an der arbitrato irrituale entzündet, sodass eine nähere Auseinandersetzung mit den hier herausgearbeiteten und den zur Diskussion um die arbitrato irrituale vorgebrachten Argumenten und damit mit der dargestellten Entscheidung des BGH163 unerlässlich ist. a) Herausgearbeitete Vorgehensweise Dazu sind folgende bereits erarbeitete Grundsätze festzuhalten: 1. lediglich schuldrechtlich bindende Entscheidungen sind vom Anwendungsbereich des UNÜ grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Um die Frage zu beantworten, ob eine Streitbeilegungsentscheidung eine Schiedsentscheidung im Sinne des UNÜ darstellt, ist außerdem: 2. das Recht des Sitzstaats (sofern das Entscheidungsgremium einen Sitz hat) und/oder das auf die Streitbeilegungsentscheidung anwendbare Recht zu befragen, welche Stellung das Verfahren in der betreffenden Rechtsordnung hat; 3. zu fragen, ob die Rechtsordnung selbst meint, dass das Streitbeilegungsverfahren unter das UNÜ fällt und; 4. zu untersuchen, ob die Entscheidung des Streitbeilegungsverfahrens nach Ansicht der jeweiligen Rechtsordnung noch einem ordentlichen Rechtsbehelf unterliegt.
162 So auch Wenger, IPRax 1982, 135, 136; Lucchesi, ZfRV 1983, 1, 4; Schlosser, Das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 787; wohl auch van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 345; a.A. Gaillard/Di Petro/Di Petro, New York Convention in Pratice, S. 147; R. Wolff/Ehle, Art. I UNÜ Rn. 83. 163 BGH, Urt. v. 8. 10. 1981 – III ZR 42/80, NJW 1982, 1224.
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b) Meinungsstand zur Entscheidung des BGH zur arbitratio irrituale Im Ergebnis verneinte der BGH die Anwendbarkeit des UNÜ auf die arbitratio irrituale, dem stimmen weite Teile der Literatur zu.164 Eine andere verbreitete Meinung hingegen, darunter der Corte Suprema Di Cassazione, das höchste italienische Zivilgericht, bejaht die Anwendbarkeit des UNÜ auf die arbitrato irrituale.165 Auch Schlosser möchte die arbitrato irrituale in Deutschland nicht zur Vollstreckung zulassen, Entscheidungen aus einer arbitrato irrituale sollen aber nach dem UNÜ zumindest anerkannt werden.166 c) Diskurs zur Entscheidung des BGH zur arbitratio irrituale Für die Einbeziehung der arbitrato irrituale und auch der Vertragsarbitrage in das UNÜ spricht der weite Anwendungsbereich des Übereinkommens.167 Weiterhin für die Erfassung der arbitrato irrituale spricht, dass vom UNÜ grundsätzlich auch lediglich schuldrechtlich bindende Entscheidungen umfasst werden. Das vom BGH und eines Teils der Literatur vorgebrachte Argument, dass die arbitrato irrituale, würde man sie als vom UNÜ erfasst anerkennen, eine weitergehende Wirkung als im Inland entfalten würde,168 kann folglich nicht durchgreifen.169 Weiterhin zu untersuchen sind: 1. das Recht des Sitzes des Streitbeilegungsverfahrens, wenn es denn einen hat, und das auf die Streitbeilegungsentscheidung anwendbare Recht, ob die Rechtsordnungen selber meinen, dass das Streitbeilegungsverfahren vom UNÜ erfasst werden; 2. welche Stellung das Streitbeilegungsverfahren innerhalb der Rechtsordnung einnimmt und; 3. ob gegen die Ent-
164 BGH, Urt. v. 8. 10. 1981 – III ZR 42/80, NJW 1982, 1224, 1225; Walter, RIW 1982, 693, 698; Gaillard/Di Petro/Di Petro, New York Convention in Pratice, S. 148; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 879; Kassis, Problèmes de base de l’arbitrage, Nr. 464 ff., 511; R. Wolff/Ehle, Art. I UNÜ Rn. 41; van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 48; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2516. 165 Corte di Cassazione Y.B. Com. Arb. XVIII (1993), 427; Y.B. Com. Arb. X (1985), 464, 465; Y.B. Com Arb. IX (1984), 429 f.; Y.B. Com. Arb. IV (1979), 296; Brogini, AWD 1969, 93, 97; Lucchesi, ZfRV 1983, 1, 9; Schlosser, Das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 766 f.; Kilgus, Zur Anerkennung und Vollstreckung englischer Schiedssprüche in Deutschland, S. 71; Wenger, IPRax, 1982, 135, 137. 166 Schlosser, Das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 766; Stein/Jonas/ Schlosser, Anhang § 1061 ZPO Rn. 9, so auch HansOLG Hamburg, Urt. v. 7. 2. 1980 – 6 U 25/ 79, IPRax 1982, 146. 167 Vgl. R. Wolff/Ehle, Art. I UNÜ Rn. 19; Müko/Münch, Anhang zu § 1061 ZPO, Art. I UNÜ Rn. 3. 168 BGH, Urt. v. 8. 10. 1981 – III ZR 42/80, NJW 1982, 1224, 1225; van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 48; R. Wolff/Ehle, Art. I UNÜ Rn. 41. 169 So auch Wenger, IPRrax 1982, 135, 136.
F. Abgrenzung der int. Vertragsarbitrage von der int. Schiedsgerichtsbarkeit
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scheidung des Streitbeilegungsverfahrens noch ein ordentlicher Rechtsbehelf möglich ist. Da die vom BGH zu beurteilende arbitrato irrituale in Italien stattfand und die arbitrato irrituale ein italienisches Streitbeilegungsinstitut darstellt, stellen beide relevanten und zu beachtenden Rechtsordnungen jeweils das italienische Recht dar. Eine Untersuchung, ob die arbitrato irrituale überhaupt einen Sitz hat, bedarf es daher nicht. Für die Erfassung der arbitrato irrituale vom UNÜ spricht, dass der Corte Suprema Di Cassazione und damit das höchste italienische Zivilgericht selbst die arbitrato irrituale als vom UNÜ erfasst ansieht. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, ob gegen die arbitrato irrituale nach italienischem Recht noch ein ordentlicher Rechtsbehelf besteht. Schiedsentscheidungen im Sinne des UNÜ sind nur solche Entscheidungen, die zum Ziel haben, dass staatliche Gerichtsverfahren äquivalent zu ersetzen, an dessen Ende also eine rechtskräftige letztverbindliche Entscheidung stehen soll.170 Die arbitrato irrituale kann dagegen nicht direkt vollstreckt werden, weil sie selbst keinen vollstreckbaren Titel auswirft.171 Es bedarf stets der Mithilfe eines staatlichen Gerichts, das die Entscheidung auch noch einmal inhaltlich überprüfen kann. Dies geschieht im ordentlichen Rechtsverfahren.172 Auch der Einwand, dass nach dem UNÜ nur eine „Verbindlichkeit“ und keine „Finalität“ mehr wie nach dem Genfer Übereinkommen von 1927 verlangt wird, genügt in diesem Zusammenhang als Argument für die Erfassung der arbitrato irrituale vom UNÜ nicht173, weil die Änderung vor allem dem Ziel der Abschaffung der Doppelexequatur diente174 und nicht der Öffnung des UNÜ für andere Streitbeilegungsmechanismen. Zwar sind lediglich schuldrechtlich bindende Entscheidungen vom UNÜ erfasst, wie das Beispiel der vom Bayerischen ObLG zu beurteilende Schiedsentscheidung zeigt.175 Im Unterschied zur arbitrato irrituale war diese aber vom kalifornischen Gesetzgeber als zur Vollstreckung ohne nähere gerichtliche Überprüfung erdacht. Auch die Stellung des arbitrato irrituale im Rechtssystem Italiens spricht gegen die Erfassung der arbitrato irrituale vom UNÜ. In Italien existiert neben der arbitrato irrituale noch eine arbitrato rituale, also eine geregelte Schiedsgerichts170 BGH, Urt. v. 8. 10. 1981 – III ZR 42/80, NJW 1982, 1224, 1225; Gaillard/Di Petro/Di Petro, New York Convention in Pratice, S. 142 f.; R. Wolff/Ehle, Art. I UNÜ Rn. 41; so im Grunde auch Lucchesi, ZfRV 1983, 1, 6; vgl. aber auch Wenger, IPRax 1983, 135, 137, der in Abgrenzung zur prozessrechtlich geregelten Schiedsgerichtsbarkeit die arbitrato irrituale vertragsrechtliche „Zweitform“ der Schiedsgerichtsbarkeit nennt. 171 Lucchesi, ZfRV 1983, 1, 2, 4; Brogini, AWD 1969, 93, 97. 172 Hartl, Das Schiedsgutachten im italienischen Recht, S. 15 ff., 50 f., 111. 173 So aber Wenger, IPRax 1982, 135, 136; Brogini, AWD 1969, 93, 97. 174 Siehe oben unter 4. Kapitel F. I. 2. a). 175 Siehe oben unter 4. Kapitel F. I. 2. b) bb) (3).
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4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
barkeit, an deren Ende eine vollstreckbare Entscheidung steht und die ein durch Verfahrensregeln abgesichertes höheres Schutzniveau als die arbitrato irrituale bietet und somit dem gerichtlichen Verfahren nachgebildet ist.176 Dem Einwand, dass die arbitrato irrituale eine eigenständige Art der Streitbeilegung mit im Vergleich zum Schiedsverfahren beschränkter Wirkung und eine Besonderheit Italiens sei,177 kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Hier wurde schon gezeigt, dass Vertragsarbitrageverfahren auch in Frankreich, England und Deutschland verbreitet sind.178 Die arbitrato irrituale gewann in Italien nur deshalb eine große Popularität, weil die geregelte Schiedsgerichtsbarkeit (arbitrato rituale) an einer Reihe von formalistischen Hürden krankte und damit unattraktiv war.179 Dieser Umstand stellt allerdings eine Besonderheit dar, nicht aber der Wirkungsmechanismus der arbitrato irrituale an sich. Der Entscheidung des BGH zur arbitrato irrituale ist somit im Grundsatz zuzustimmen. 4. Anwendbarkeit des UNÜ auf die Vertragsarbitrage im Allgemeinen Die vorangegangene Untersuchung kann neben der Unanwendbarkeit des UNÜ auf die arbitrato irrituale auch die Unanwendbarkeit des UNÜ auf die Vertragsarbitrage insgesamt aufzeigen. Die schlagenden Argumente dazu sind, dass die Entscheidungen eines Obmanns stets nur schuldrechtliche Bindungswirkung entfalten und außerdem stets inhaltlich überprüfbar und damit einem ordentlichen Rechtsbehelf zugänglich sind. Weiterhin hat die Vertragsarbitrage in den hier untersuchten Rechtsordnungen nicht die Stellung das gerichtliche Verfahren äquivalent zu ersetzen. Diese Funktion übernehmen die darüber hinaus geregelten Schiedsverfahren in den Prozessordnungen.
II. Abgrenzung der Vertragsarbitrage außerhalb des UNÜ Erfüllt die Entscheidung des fraglichen Streitbeilegungsverfahrens nicht die Kriterien des Schiedsspruchs im Sinne des UNÜ, ist die Frage noch nicht abschließend beantwortet, welches Recht aus Sicht des Gerichts über die Abgrenzung von Schiedsspruch und Vertragsarbitrageentscheidung bestimmt.
176
Siehe Artt. 806 ff. italienische Zivilprozessordnung; vgl. Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rn. 604. 177 Lucchesi, ZfRV 1983, 1, 7; ähnlich auch Wenger, IPRax 1983, 135, 137. 178 Siehe auch Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rn. 604. 179 Lucchesi, ZfRV 1983, 1 f.; Schlosser, Das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 27.
F. Abgrenzung der int. Vertragsarbitrage von der int. Schiedsgerichtsbarkeit
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1. Grundlagen Je nachdem, ob die Abgrenzungsfrage selbst materiell-rechtlich oder prozessual zu qualifizieren ist, hängt die Entscheidung vom auf die Vertragsarbitrage anzuwendenden Recht oder vom Recht der lex fori ab. Der Begriff der Vertragsarbitrage ist vom Vertragsrecht geprägt, auf ihn ist das das materielle Recht bestimmende Kollisionsrecht anwendbar. Der Begriff der Schiedsgerichtsbarkeit ist dagegen vom Prozessrecht, mithin der lex fori geprägt. Grundsätzlich setzt sich hier aber die Ansicht der lex fori aus praktikablen Gründen durch. Handelt es sich nach dem Recht der lex fori um einen Schiedsspruch, der ordnungsgemäß zustande kam, dann hat das angerufene deutsche Gericht ihn anzuerkennen und zu vollstrecken. Handelt es sich dagegen lediglich nach Ansicht der lex causae, also des auf die Entscheidung anwendbaren Rechts, um einen Schiedsspruch, besteht eine solche Pflicht des Gerichts nicht. Aus deutscher Sicht sind nun folgende Konstellationen denkbar. Das Verfahren fällt zwar unter den Begriff der Schiedsgerichtsbarkeit des UNÜ, aber nicht unter den deutschen Begriff von Schiedsgerichtsbarkeit. Dies ist grundsätzlich unbeachtlich, da der Begriff des Schiedsspruchs im UNÜ autonom auszulegen ist und sich die Bundesrepublik Deutschland durch ihren Beitritt verpflichtet hat alle unter diesen Begriff fallenden Entscheidungen anzuerkennen und zu vollstrecken.180 Weiterhin ist denkbar, dass das UNÜ den Spruch nicht als Schiedsspruch wertet. Möglich wäre dann noch eine Anerkennung nach den Bestimmungen der ZPO.181
2. Schiedsspruch im Sinne von § 1061 ZPO Die Vollstreckung inländischer Schiedssprüche richtet sich nach § 1060 ZPO, die ausländischer nach § 1061 ZPO. Was die ZPO unter „Schiedsspruch“ in § 1061 ZPO versteht ist strittig. Nach einer Ansicht soll allein die deutsche Auffassung für die Auslegung des Begriffs maßgeblich sein.182 Nach anderer Ansicht hingegen bestimmt sich der Begriff des Schiedsspruchs in § 1061 ZPO nach einer „Doppelqualifikation“.183 Demnach liege erst dann ein Schiedsspruch vor, wenn er nach deutschem und nach ausländischem Recht als solcher anzusehen sei.184 Ein 180
So im Ergebnis auch Musielak/Voit/Voit, § 1061 ZPO Rn. 3. So verfuhr auch der BGH in seinem Urteil zur arbitrato irrituale, vgl. BGH, Urt. v. 8. 10. 1981 – III ZR 42/80, NJW 1982, 1224, 1226, siehe auch BeckOK/Wilske/Markert, § 1061 ZPO Rn. 5. 182 BGH, Urt. v. 8. 10. 1981 – III ZR 42/80, NJW 1982, 1224, 1226; OLG Rostock, Beschl. v. 22. 11. 2001 – 1 SCH 3/2000, IPRax 2002, 401, 403; Musielak/Voit/Voit, § 1061 ZPO Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1061 ZPO Rn. 15; BeckOK/Wilske/Markert, § 1061 ZPO Rn. 5; Zöller/Geimer, § 1061 Rn. 4; noch zu § 1044 ZPO a.F., Schlosser, Das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 769. 183 MüKo/Münch, § 1061 ZPO Rn. 9. 184 MüKo/Münch, § 1061 ZPO Rn. 9. 181
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4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
Schiedsspruch, der nach seinem Heimatrecht keiner sein möchte, solle auch in Deutschland keiner sein.185 Eine solche Doppelqualifikation ist nicht überzeugend, denn sie baut unnötige Hürden auf. Aus Sicht des deutschen Rechts bestehen keine Bedenken eine Streitbeilegung als Schiedsspruch anzuerkennen, die aus deutscher Sicht ein Schiedsspruch ist. Angestrebt ist eine letztverbindliche, sichere Qualifikation der gegenständlichen Streitbeilegung. Bei Nicht-Anerkennung als Schiedsspruch stellte sich die Frage, als was die gegenständliche Streitbeilegung alternativ zu qualifizieren wäre. Eine sichere Einordnung wäre so unmöglich. Dass in § 1061 ZPO die deutsche Auffassung des Schiedsspruchs heranzuziehen ist, zeigt außerdem die vom Gesetzgeber gewählte Regelungstechnik. Er unterstellte inländische Schiedssprüche im Gegenzug nämlich dem § 1060 ZPO. Nur wenn die Begriffe in § 1060 und § 1061 ZPO kongruent laufen, ist eine lückenlose rechtliche Erfassung aller in- und ausländischen Schiedssprüche auch tatsächlich gewährleistet. Im Ergebnis ist folglich daran festzuhalten, dass der Begriff des Schiedsspruchs im Sinne des § 1061 ZPO allein nach deutscher Auffassung zu bestimmen ist. Steht das Gericht vor der Frage, ob die Parteien eine Vertragsarbitrage oder ein Schiedsverfahren vereinbart hatte, kann hier auf die bereits zum deutschen Recht erarbeiteten Grundsätze zur Abgrenzung dieser beiden Rechtsinstitute verwiesen werden.186 3. Bezeichnung des Verfahrens einer Organisation oder die Nennung einer Usance Dass es bei der Frage, ob ein schiedsrichterliches Verfahren oder eine andere Form der alternativen Streitbeilegung vorliegt, grundsätzlich auf die nach deutschem Recht geltende Abgrenzung ankommt, heißt nicht, dass Ansichten ausländischer Rechte insgesamt zu ignorieren sind. Wie bereits dargelegt, kommt es nach deutschem Recht bei der Abgrenzung zwischen Schiedsverfahren und Vertragsarbitrage allein auf den Parteiwillen an.187 Vereinbaren die Parteien die Usance einer im Ausland gelegenen Stadt, wie es bei einer Qualitätsarbitrage vorkommen kann, ist dieser Handelsbrauch und das ihn umgebene Recht zu befragen, ob es sich um ein schiedsrichterliches- oder um ein Vertragsarbitrageverfahren handelt.188 Wie ausgeführt, sind Qualitätsarbitragen im Ausland nämlich oft als Schiedsverfahren ausgeformt.189 Die im Ausland vorliegende Ausformung nehmen die Parteien aber in ihren Willen mit auf, wenn sie 185
MüKo/Münch, § 1061 ZPO Rn. 9. Siehe oben unter 2. Kapitel E. 187 Siehe oben unter 2. Kapitel E. 188 HansOLG, Urt. v. 5. 5. 1926 – Bf. V 513/1925, HansRZ 1926, 624 f. (Vereinbarung der Kopenhagener freundschaftliche Arbitrage zwischen einem einer in Neapel sitzenden Gesellschaft und einem Hamburger Kaufmann); Wolf, Die rechtliche Natur der Arbitrageklausel, S. 33 f.; Pickernelle, Die Arbitrageklausel, S. 78 f. 189 Siehe unter 1. Kapitel B. IV. 1. 186
G. Für den Obmann anwendbares Recht
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die Usance einer bestimmten Kammer oder Stadt benennen. Dieser muss unbedingt Beachtung finden. Gleiches gilt, wenn Verfahrensordnungen oder Musterverträge von internationalen Organisationen verwendet werden. Die FIDIC Verträge beispielsweise lehnen sich stark an die Praxis der englischen Bauverträge an.190 Das Verständnis einer adjudication in den FIDIC Verträgen muss folglich aus einem angelsächsischen Hintergrund heraus erfolgen.191
G. Für den Obmann anwendbares Recht Verschiebt man den oben festgelegten Blickwinkel weg vom staatlichen Gericht zum Obmann, stellt sich diesem die Frage, welches materielle Recht er bei seiner Entscheidung anzuwenden hat, beziehungsweise welches Recht auf das Hauptrechtsverhältnis anzuwenden ist, an das die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung akzessorisch anzuknüpfen ist. Ihm stellt sich darüber hinaus sogar die Frage, welches Internationale Privatrecht er zur Beantwortung der Frage nach dem anwendbaren Recht überhaupt anwenden soll.
I. Problemaufriss Die Anwendung des richtigen materiellen Rechts mag im Hinblick auf die im deutschen Recht im Zweifel angeordnete Billigkeitsentscheidung und den nur recht rudimentär einzuhaltenden Verfahrensgrundsätzen eine untergeordnete Rolle spielen, sie ist es aber dann jedenfalls nicht mehr, wenn die Parteien vom Dritten eine gebundene Entscheidung, wie etwa im von Pfeiffer geschilderten Fall, verlangen.192 Ein deutscher Erblasser hinterließ seiner zweiten Ehefrau und seinem Sohn aus erster Ehe unter anderem Grundbesitz in Frankreich. Die Ehefrau war zur Alleinerbin eingesetzt. Der Sohn beanspruchte aber den Pflichtteil. Die zweite Ehefrau und der Sohn einigten sich, dass über die Rechte des Sohns, an dem in Frankreich belegenden Nachlasses, ein Schiedsgutachter entscheiden sollte. Zwar verwiesen nach damaliger Rechtslage die Kollisionsrechte Deutschlands und Frankreichs bezüglich des Erbrechts auf das französische Recht und bezüglich des Ehegüterrechts nach Frankreich.193 Jedoch war eine pauschale Erhöhung des Erbrechts, wie es § 1371 Abs. 1 BGB anordnet, nach französischem Recht nicht 190
Hök, Handbuch des Internationalen und Ausländischen Baurechts, § 18 Rn. 127. Vgl. RG, Urt. v. 22. 5. 1897 – I 457/96, RGZ 39, 65, 67; Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 3.125 f. 192 Pfeiffer, FS Schlosser, S. 683 ff. 193 Pfeiffer, FS Schlosser, S. 684. 191
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4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
vorgesehen.194 Und während nach der deutschen kollisionsrechtlichen Praxis auch bei Anwendung ausländischen Erbrechts die güterrechtlich qualifizierte Erhöhung des Erbteils vorgenommen wurde, lehnte dies die französische Kollisionsrechtspraxis ab.195 Mithin kam es darauf an, welches (Kollisions-)Recht der Dritte bei seiner Entscheidung anzuwenden hatte. Selbst aber wenn die Parteien keinen Entscheidungsmaßstab vorgegeben haben, wird man meines Erachtens von dem Dritten erwarten müssen, dass dieser sich Gedanken um das anwendbare Recht macht. Denn die Billigkeitsentscheidung nach dem deutschen Recht unterscheidet sich von der Entscheidung nach Belieben etwa nach dem englischen Recht. Bei Nicht-Beachtung der verschiedenen Überprüfungsmaßstäbe der Gerichte riskiert der Dritte die Unwirksamkeit der Entscheidung und damit einer eigenen Haftung.196 Zwar kann festgestellt werden, dass international eine hohe Akzeptanz der Vertragsarbitrage vorhanden ist, es für den Obmann dennoch unerlässlich ist das konkret anwendbare Recht zu bestimmen.197
II. Stand der Diskussion Die Diskussion um die Bestimmung des in der Hauptsache anzuwendenden Rechts ist aus der Schiedsgerichtsbarkeit hinlänglich bekannt.198 Deutsche Schiedsgerichte und staatliche Gerichte wenden zur Bestimmung des anwendbaren Rechts stets das IPR der lex fori an.199 Die Vertragsarbitrage unterscheidet sich von der Schiedsgerichtsbarkeit dadurch, dass sie keinen Sitz hat, ein solches IPR demnach dem Obmann nicht zur Verfügung steht. Da die Entscheidung des Obmanns keine urteilsgleiche Wirkung entfaltet, sondern lediglich eine schuldrechtliche Wirkung besitzt, kann die Entscheidung stets von einem Gericht oder Schiedsgericht überprüft werden. Dieses wiederum ist, wie dargelegt, an ein IPR gebunden, sodass es für den Obmann zunächst verpflichtend ist, seine Entscheidung an dem IPR des präsumtiven Forums auszurichten.200 Dies ist aber nur dann möglich, wenn die Parteien bereits ein zuständiges Gericht beziehungsweise den Ort des Schiedsgerichts festgelegt haben. Im allgemeinen Zuständigkeitsrecht dagegen bestehen allein 194
Pfeiffer, FS Schlosser, S. 684. Pfeiffer, FS Schlosser, S. 684 f. 196 Vgl. BGH, Urt. v. 17. 1. 2013 – III ZR 11/12, NJW 2013, 1296. 197 Anders aber Schlosser, Das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 33; wie hier: Pfeiffer, FS Schlosser, S. 683, 686; Hök, ZfBR 2008, 323, 324 f; Jaeger/Hök, FIDIC – A Guide for Practitioners, S. 406. 198 Siehe nur Schlosser, Das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 725 ff.; Böckstiegel, FS Beitzke, S. 443; Martiny, FS Schütze, S. 529; Junker, FS Sandrock, S. 443; Sonnenberger, FS Schlosser, S. 921. 199 Zur Schiedsgerichtsbarkeit vgl. Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1051 ZPO Rn. 9 f . 200 Pfeiffer, FS Schlosser, S. 683, 688 f.; Hök, ZfBR 2008, 323, 325; Arntz, Eskalationsklauseln, S. 173; Oelsner, Dispute Boards, S. 320 f. 195
G. Für den Obmann anwendbares Recht
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schon durch die Regel actor sequitur forum rei (Art. 4 Abs. 1 Brüssel Ia-VO; § 13 ZPO) mehrere potentielle Gerichtsstände.201 In der Literatur wird als Ausweg vorgeschlagen, dass der Dritte jedenfalls auch das Recht des Vollstreckungslandes im Blick haben sollte, um potentielle Aufhebungsgründe zu vermeiden.202 Dieses müsse zum einen auch ein abschließend entscheidendes Schiedsgericht im Blick haben203 und außerdem könne es zum anderen sein, dass die obsiegende Partei auf Grund der Vollstreckungsnähe des Gerichts zum streitigen Gegenstand gezwungen ist, vor diesem Klage zu erheben.204 Doch auch dies kann nur eine Hilfsüberlegung sein, die das Problem keiner endgültigen Lösung zuführt.205 Schließlich ist nicht immer eine solche Vollstreckungsnähe gegeben oder es gibt mehrere Vollstreckungsorte. Schließlich müssen auch Schiedsgerichte zunächst auf das bindende Verfahrensrecht des Schiedsorts achten, um dort nicht aufgehoben zu werden. Zu überlegen könnte weiterhin sein, im Wege einer Interessenabwägung den Vertrag auszulegen, um zu ermitteln, welches Gericht der Dritte simulieren sollte. So könnte das anwendbare IPR bestimmt werden.206 Es ist sicherlich richtig, dass der Dritte umfassende Erwägungen anzustellen hat, um das anwendbare IPR zu bestimmen, dazu ist er den Parteien gegenüber im Zweifel auch verpflichtet. Eine sichere Bestimmung des angerufenen Gerichts ist damit aber nicht möglich.207 Wird vor einem anderen Gericht, als dem vom Dritten angedachten, Klage erhoben, besteht das Problem weiterhin, weil das Gericht oder Schiedsgericht an sein eigenes IPR gebunden ist. Damit bieten sich zunächst einmal praktische Überlegungen an, um das hier erörterte Problem noch weiter zu isolieren: Haben die Parteien bereits einen Ort des Verfahrens bestimmt, besteht die hier dargestellte Problemlage nicht. Bestehen zwar mehrere Gerichtsstände, nutzen diese aber alle das gleiche IPR, besteht das Problem ebenfalls nicht. Die Problemlage ist deshalb nur dann existent, wenn mehrere Gerichtsstände zur Verfügung stehen, die auf unterschiedliche internationalprivatrechtliche Bestimmungen zurückgreifen, um das anwendbare Recht zu bestimmen.
201 202 203 204 205 206 207
Vgl. Hök, ZfBR 2008, 323, 324. Pfeiffer, FS Schlosser, S. 683, 691 f.; Hök, ZfBR 2008, 323, 325. Hök, ZfBR 2008, 323, 325. Pfeiffer, FS Schlosser, S. 683, 692. So auch Hök, ZfBR 2008, 323, 325 f. und Pfeiffer, FS Schlosser, S. 683, 692. Pfeiffer, FS Schlosser, S. 683, 692 f. Hök, ZfBR 2008, 323, 326; vgl. aber auch Pfeiffer, FS Schlosser, S. 683, 693.
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4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
III. Problemlage aus dem Blickwinkel des Gerichts Auch wenn eine umfassend befriedigende Lösung des Problems vielleicht nicht möglich ist, scheint die Lösung zumindest nicht im Sichtfeld des Dritten, sondern allenfalls im Sichtfeld des Gerichts zu liegen. Hierzu ist festzustellen, dass aus Sicht des Gerichts der Dritte unter „falschem“ Recht gehandelt hat. Das Rechtsphänomen des „Handelns unter falschem Recht“ bezeichnet eine Situation, in der die an einem Rechtsgeschäft beteiligten Personen ihr Handeln nach einem anderen Recht ausrichten, als es das Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts tatsächlich vorsieht.208 Ob sich im Fall der Vertragsarbitrage auch die Parteien über das anwendbare Recht „geirrt“ haben, wird sich von Fall zu Fall unterscheiden, ist aber zumindest zunächst weniger relevant. Beachtlich ist nämlich, dass der Dritte im Rahmen einer Vertragsarbitrage für die Parteien handelt. Entscheidend für die hier getroffene Bezeichnung als Handeln unter falschem Recht ist folglich, dass sich der Dritte bei seinem Handeln für die Parteien „geirrt“ hat und dass dessen Entscheidung vor dem Gericht oder Schiedsgericht überprüft werden soll. Ein Handeln unter falschem Recht kann von dem Gericht auf zwei Ebenen Beachtung finden, zum einen auf der Ebene des Kollisionsrechts (unter 1.), und zum anderen auf der Ebene des Sachrechts (unter 2.).209 1. Beachtung auf Ebene des IPR Erlaubt das vom Gericht angewendete IPR beispielsweise eine Rechtswahl, ist zu überlegen, ob die Parteien dem Dritten eingeräumt haben das anwendbare Recht an ihrer Stelle zu bestimmen.210 Eine solche Annahme hängt von der im Einzelfall von den Parteien getroffenen Vereinbarung ab. Eine Literaturmeinung verneint eine solche Befugnis des Dritten mit Blick auf die FIDIC Vertragswerke211, § 19 DISAVO/DIS-SchGO sehen dagegen eine solche Rechtswahlmöglichkeit durch den Dritten ausdrücklich vor. Selbst wenn man eine solche Rechtswahl im konkreten Fall verneint, muss das Gericht überprüfen, ob nicht die Voraussetzungen einer Ausweichklausel (etwa gemäß Art. 4 Abs. 3 oder auch Abs. 4 Rom I-VO) vorliegen, sofern eine solche international privatrechtliche Regelung auf dem betreffenden Rechtsgebiet besteht.212 Dafür spricht, dass der Dritte mit seiner Entscheidung vertragsverbindliche 208 MüKo/v. Hein, Einleitung IPR, Rn. 223; Münzer, Handeln unter falschem Recht, S. 5; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, § 4 Rn. 25. 209 Münzer, Handeln unter falschem Recht, S. 34 f.; vgl. auch MüKo/v. Hein, Einleitung IPR Rn. 223 ff.; MüKo/Sonnenberger, 5. Auflage, Einleitung IPR, Rn. 611. 210 Hök, ZfBR 2008, 323, 326; vgl. auch MüKo/v. Hein, Einleitung IPR, Rn. 226; Münzer, Handeln unter falschem Recht, S. 68 ff. 211 Hök, ZfBR 2008, 323, 326. 212 Münzer, Handeln unter falschem Recht, S. 57 ff.; vgl. auch MüKo/Sonnenberger, 5. Auflage, Einleitung IPR Rn. 611.
G. Für den Obmann anwendbares Recht
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Fakten geschaffen hat, die das Gepräge eines Rechtsgeschäfts wesentlich verändern können. Je umfangreicher allerdings das Rechtsgeschäft und je bedeutungsloser die vom Dritten getroffene Entscheidung für dieses in der Gesamtbetrachtung ist, desto weniger wird man einen Fall von Art. 4 Abs. 3 beziehungsweise Abs. 4 Rom I-VO annehmen können. 2. Beachtung auf Ebene des Sachrechts Schließlich bietet sich eine Berücksichtigung des vom Dritten angewandten Rechts auf der Ebene des Sachrechts an. a) Datumtheorie Dass grundsätzlich eine Berücksichtigung des ansonsten nicht berufenen Rechts auf der Ebene der Sachrechtsanwendung möglich ist, ist soweit ersichtlich nicht bestritten213 und wird von Art. 17 Rom II-VO sogar ausdrücklich angeordnet. Etwas Anderes gilt dagegen bei der Frage, unter welchen Gesichtspunkten dies geschehen soll. Während eine Literaturmeinung hier ein umfassenderes Prinzip des IPR erblickt,214 sieht eine andere Literaturmeinung darin lediglich ein sachrechtliches Auslegungsproblem.215 Jayme hat die sogenannte „Datumtheorie“ im deutschen Recht begründet, in der er eine grundsätzliche Erklärung für die Berücksichtigung ausländischen Rechts bei der Sachrechtsanwendung sucht.216 Hiernach soll bei Auslandssachverhalten an sich nicht berufenes ausländisches Recht als ein „Datum“ bei der Anwendung des berufenen Sachrechts Beachtung finden, insbesondere solle sie die inländischen Normen konkretisieren.217 Dies wird auch von den Gegnern grundsätzlich noch nicht
213 So auch Münzer, Handeln unter falschem Recht, S. 124; siehe schon Stoll, FS Lipstein, S. 259, 260; in der Rechtsprechung ist dies ebenfalls anerkannt, siehe etwa BGH, Urt. v. 8. 2. 1984 – VIII ZR 254/82, NJW 1984, 1746, 1747; BGH, Urt. v. 26. 5. 1982 – IV b ZR 675/80, IPRax 1983, 180, 183; BGH, Urt. v. 19. 6. 1967 – III ZR 225/65, IPRspr. 1966/67 Nr. 168b. 214 Statt vieler: Jayme, GS Ehrenzweig, S. 35 ff.; Dannemann, FS Stoll, S. 417 ff.; ders., Die ungewollte Diskriminierung in der internationalen Rechtsanwendung, S. 75 ff., 120; Heßler, IPRax 1988, 95, 97; ders., in: Serick/Niederländer/Jayme (Hrsg.), Ehrenzweig und das internationale Privatrecht, S. 137 ff.; Schulze, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität und Internationales Privatrecht, S. 155 ff.; Stoll, FS Lipstein, S. 259 ff. 215 Siehe etwa MüKo/Sonnenberger, 5. Auflage, Einleitung IPR Rn. 609; MüKo/v. Hein, Einleitung IPR Rn. 280, 225; BeckOK/Lorenz, Einleitung IPR Rn. 93; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, Rn. 129; kritisch auch v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, § 4 Rn. 22 ff. 216 Jayme, GS Ehrenzweig, S. 35, 42 ff. 217 Jayme, GS Ehrenzweig, S. 35, 42 f.; ders., FS Müller-Freienfels, S. 341, 369; a.A. Dörner, der das inländische Recht in bestimmten Fällen schon gar nicht berufen sieht, FS Stoll, S. 491, 496 ff.
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als bedenklich angesehen.218 Denkt man die Datumtheorie dagegen weiter, steht an deren Ende die Auflösung der klassischen Verweisungsmethode.219 Die Datumtheorie sucht im Ergebnis nach einem flexibleren Umgang mit dem vom Internationalen Privatrecht berufenen Recht und vor allem eine Berücksichtigung aller Einzelfallinteressen.220 Insofern kann man ihr ein legitimes Ziel nicht absprechen und sie verdient Zustimmung. Dazu bedarf es natürlich eines großen Fingerspitzengefühls der Rechtspflege und ihr Wirkungsumfang hängt stets vom Einzelfall ab. b) Die vom Obmann und dem Gericht zu beachtenden Daten Die Beachtung von an sich nicht berufenem ausländischen Recht, auf der Ebene der Sachrechtsanwendung des berufenen Rechts, kann jedenfalls auch zur Entschärfung des Problems des vom Dritten anzuwendenden Rechts beitragen. Es leuchtet beispielsweise unmittelbar ein, dass der Obmann bei der Feststellung eines deliktischen Schadens auf einer Baustelle auch die Sicherheitsbestimmungen des Baustellenlands zu berücksichtigen hat, obwohl Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO in akzessorischer Anknüpfung an den Projektvertrag und damit auch das Statut der Vertragsarbitrage auf ein anderes Recht verweist. Das Gericht hätte bei der Bewertung des Sachverhalts diese Umstände, diese Daten, ebenfalls zu berücksichtigen (Art. 17 Rom II-VO). Damit wird es aber auch unmittelbar für den Obmann leichter eine bestandsfeste Entscheidung zu fällen. Unabhängig vom anzuwendenden IPR und damit unabhängig vom anzuwendenden Recht können nämlich bestimmte Daten feststehen und damit immer zu beachten sein. Dies gilt nicht nur für das Deliktsrecht. Insbesondere im Erb- und Familienrecht können bestimmte Daten von dem Dritten stets zu berücksichtigen sein. Jayme beschreibt dies mit dem Begriff der „kulturellen Relativität“.221 Im Vertragsrecht können kulturelle Aspekte aber genauso eine Rolle spielen.222 Demnach ist bei der Sachverhaltsbewertung immer der kulturelle Hintergrund, das heißt die Lebensumstände und Lebensweisen und damit ein eventuell verdrängtes Recht zu berücksichtigen, mit dem die betreffenden Personen gleichfalls eng verbunden sind.223
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MüKo/Sonnenberger, 5. Auflage, Einleitung IPR Rn. 608. So zumindest Jayme, GS Ehrenzweig, S. 35, 43; anders aber Schulze, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität und Internationales Privatrecht, S. 155, 163. 220 Vgl. Jayme, FS-Müller-Freienfels, S. 341, 370; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, § 4 Rn. 22. 221 Jayme, in: ders. (Hrsg.), Kulturelle Identität und Internationales Privatrecht, S. 5 ff.; siehe auch Schulze, JZ 2002, 935. 222 Siehe dazu Schulze, in: ders. (Hrsg.), Kulturelle Relativität des Internationalen Rechts, S. 9, 11. 223 Vgl. Jayme, FS Müller-Freienfels, S. 341, 366 ff. ders., in: ders. (Hrsg.), Kulturelle Identität und Internationales Privatrecht, S. 5 ff. 219
G. Für den Obmann anwendbares Recht
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Eine Umdeutung der Erklärungen des Dritten auf der Ebene des Sachrechts ist im Einzelfall natürlich auch denkbar.224 So ist es als Teil der Datumtheorie zu betrachten, dass bei der Auslegung von den Parteien verwendeten ausländischen Rechtsbegriffen eben jenes ausländische Recht nach der Bedeutung zu befragen ist, selbst wenn das Vertragsstatut eigentlich ein anderes ist.225 Schließlich sei hier noch einmal auf die im Zweifel vereinbarte Entscheidung nach Billigkeit gemäß § 317 Abs. 1 BGB (ggf. analog) einzugehen. Festgestellt wurde, dass die Billigkeit die Gerechtigkeit im Einzelfall ist.226 Der Gerechtigkeit des Einzelfalls wird es meines Erachtens im hohen Maße gerecht, wenn in die Entscheidung des Dritten auch der lex causae fremde Rechtserwägungen miteinfließen. c) Grenzen und ergänzende Überlegungen Seine Grenzen findet die Beachtung von an sich nicht berufenem Recht bei der Vertragsarbitrage vor allem aber im Parteiwillen. Geht aus dem Parteiwillen hervor, dass die Parteien eine solche Berücksichtigung nicht wünschen, beziehungsweise hätte der Dritte erkennen können, dass sie ein anderes Recht als Beurteilungsmaßstab wollten, kann seine Entscheidung keinen Bestand haben, wenn sie diese Umstände ignoriert. Das Gleiche gilt, wenn der Dritte schlicht das Recht falsch angewandt hat und eine gebundene Entscheidung gewünscht war. Das Ergebnis, dass eine Entscheidung des Dritten auf Grund der Anwendung falschen Rechts fehlerhaft sein kann, ist mit noch zwei weiteren Überlegungen zu ergänzen. Will eine Partei die Vertragsarbitrageentscheidung zur Durchsetzung verhelfen, kann sie zum einen überlegen, ob sie vor einem Gericht Klage erhebt, dessen Internationales Privatrecht zum gleichen Recht führt, welches der Dritte angewandt hat. Zweitens ist es auch Aufgabe der Parteien dem Dritten eine regelkonforme Bestimmung zu ermöglichen. Das heißt, es liegt im Pflichtenkreis der Parteien schon vor Anrufung des Dritten ein zuständiges Gericht oder zumindest ein anwendbares Recht zu bestimmen. Scheitert die Entscheidung des Dritten an den oben ausgeführten Gründen, ist es im Ergebnis auch auf das Parteiverhalten zurückzuführen, welches bei der Frage der eventuellen Haftung des Dritten bei Unwirksamkeit der Entscheidung zu berücksichtigen ist.
224 Vgl. Münzer, Handeln unter falschem Recht, S. 127 ff., 146 ff.; MüKo/v. Hein, Einleitung IPR Rn. 225. 225 Jayme, GS Ehrenzweig, S. 35, 44 mit Fn. 40; Schulze, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität und Internationales Privatrecht, S. 155, 161; siehe auch RG, Urt. v. 22. 5. 1897 – I 457/ 96, RGZ 39, 65, 67; Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 3.125 ff. 226 Siehe dazu oben unter 2. Kapitel B. II. 1. c).
226
4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
H. Ordre public Fraglich ist, ob ein Vertragsarbitrageverfahren gegen den ordre public verstoßen kann.
I. Vorüberlegungen Bei der Frage, ob ein Vertragsarbitrageverfahren gegen den ordre public verstößt, sind zwei verschiedene Situationen zu unterscheiden. Erstens kann der Fall gegeben sein, dass die Vertragsarbitrageentscheidung fremden Recht unterliegt, aber vor deutschen Gerichten eingefordert werden soll. Zweitens kann es sein, dass ein Urteil eines Gerichts eines anderen Staats, dass eine Vertragsarbitrageentscheidung zum Gegenstand hatte, anerkannt und vollstreckt werden soll. Ein Unterfall davon stellt die Situation dar, wenn ein Schiedsurteil nach § 1060 oder § 1061 ZPO anerkannt und vollstreckt werden soll, dass eine Vertragsarbitrageentscheidung zum Gegenstand hatte. Bei Vorliegen der erstgenannten Situation findet nur der „materielle“ ordre public Anwendung (etwa Art. 6 EGBGB, Art. 21 Rom I-VO, Art. 26 Rom IIVO), das heißt es können nur materielle Rechtsverstöße geprüft werden. Bei der zweiten Fallgruppe dagegen ist der „prozessuale“ ordre public anzuwenden (etwa § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, Art. 45 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO, § 1061 ZPO iVm Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ), hier können neben materiellen Rechtsverstößen auch Verstöße gegen Prozessrechtsgrundsätze geprüft werden.227
II. Materieller ordre public Art. 6 EGBGB statuiert nun die Unanwendbarkeit einer fremden Rechtsnorm, wenn sie mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist. Die Anwendung der Vorbehaltsklausel ist stets Einzelfall abhängig und hat nur mit Zurückhaltung zu erfolgen.228 Deshalb lässt sich sagen, dass bei rein schuldrechtlichen Verträgen die Gefahr eines ordre public Verstoßes auf Grund der dispositiven Natur des Schuldrechts gering ist.229 Die gerichtliche ordre public Kontrolle des von den Parteien mit Hilfe des Dritten geschlossenen Vertrags unterscheidet sich insofern nicht von derjenigen, als wenn die Parteien diesen Vertrag ohne den Dritten, also ohne zu Hilfenahme einer Vertragsarbitrage, geschlossen hätten. Dabei fließen natürlich nicht nur die Wertungen des Schuldrechts, sondern, je nach dem Gegenstand der Entscheidung, auch die Wertungen des Delikts-, Familien- und Erbrechts ein. 227
MüKo/v. Hein, Art. 6 EGBGB Rn. 10. Statt aller MüKo/v. Hein, Art. 6 EGBGB Rn. 13; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, § 7 Rn. 258; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 246 f. 229 MüKo/Martiny, Art. 21 Rom I-VO Rn. 2. 228
H. Ordre public
227
III. Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze als ordre public Verstoß Speziell in Bezug auf die Vertragsarbitrage ist aber interessant, ob es gegen den ordre public verstößt, wenn der Dritte nicht unabhängig war oder den Parteien kein rechtliches Gehör gewährt hat. Eine Literaturmeinung vertritt im Rahmen zu Überlegungen zur Qualifikation des Pre-Arbitral-Verfahrens der ICC den Standpunkt, dass die fehlende Bindung des PreArbitral-Verfahrens an Prozessmaximen gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstoßen würde.230 Eine Bindung an die Prozessmaximen des rechtlichen Gehörs und der Unabhängigkeit des Dritten sei nach dieser Meinung nur gewahrt, wenn das Pre-Arbitral-Verfahren der ICC nicht vertraglich, sondern schiedsrechtlich zu qualifizieren wäre.231 Würde das Pre-Arbitral-Verfahren dagegen vertraglich qualifiziert, wäre ein solches Verfahren nicht an die Verfahrensgrundsätze gebunden und würde, weil es schiedsspruchähnliche Wirkung entfalte, gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstoßen.232 Diese Überlegungen können meines Erachtens nicht durchgreifen. Die Meinung hat selber richtig festgestellt, dass eine Bindung an die aus dem verfahrensrechtlichen ordre public hergeleiteten Prozessmaximen nur besteht, wenn auch ein verfahrensrechtliches Streitbeilegungsinstitut, also ein Schiedsverfahren, vorliegt. In einem nächsten Schritt den ordre public Vorbehalt auch auf vertragliche Streitbeilegungsinstitute zu übertragen ist widersinnig. Die Begründung dieses Schritts, dass nämlich ein rein vertraglich bindendes Pre-Arbitral-Verfahren ähnliche Wirkung entfalte wie ein Schiedsverfahren, kann auch an dieser Stelle nicht überzeugen. Ähnliche Wirkung ist nicht gleiche Wirkung. Nach hier vertretener Meinung gehören die Fragen der Unabhängigkeit des Dritten und die Gewährung rechtlichen Gehörs im Rahmen einer Vertragsarbitrage zum materiellen Recht, die in der Folge nur Teil des materiell-rechtlichen ordre publics sein können. Art. 6 EGBGB sieht einen solchen ordre public Verstoß nur dann als gegeben an, wenn gegen wesentliche Grundsätze des Rechts verstoßen worden ist. Auch im deutschen Recht kann aber im Rahmen einer Vertragsarbitrage auf alle Verfahrensgrundsätze verzichtet werden.233 Es kann damit keinen wesentlichen Grundsatz des deutschen Rechts darstellen, die Verfahrensgrundsätze im Rahmen eines vertraglichen Streitbeilegungsverfahrens einzuhalten. Ein ordre pu-
230 Giessen, Der Pre-Arbitral-Referee und der Emergency Arbitrator in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S. 76 ff. 231 Giessen, Der Pre-Arbitral-Referee und der Emergency Arbitrator in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S. 81, 95, 106. 232 Giessen, Der Pre-Arbitral-Referee und der Emergency Arbitrator in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, S. 48, 78. 233 Siehe dazu unter 2. Kapitel B. V. 3. c).
228
4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
blic Verstoß liegt folglich nicht vor, wenn der Dritte im Rahmen eines Vertragsarbitrageverfahrens die Verfahrensgrundsätze nicht beachtet hat.
I. Internationale Zuständigkeit Schließlich stellt sich noch die Frage der Zuständigkeit des staatlichen Gerichts, wenn die Vertragsarbitrageentscheidung durchgesetzt werden soll. Die Zuständigkeit kann sich im Internationalen Zivilverfahrensrecht aus der Brüssel Ia-Verordnung, aber auch aus der ZPO ergeben.
I. Internationale Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO 1. Berücksichtigung der Verfahrensinteressen Die Vertragsarbitrageentscheidung ist eine rein schuldrechtlich bindende Entscheidung. Findet die Brüssel Ia-VO Anwendung, kommt, wenn nicht die Parteien einen Gerichtsstand gewählt haben (Art. 25 Brüssel Ia-VO), neben einer Zuständigkeit aus dem Beklagtenwohnsitz (Art. 4 Abs. 1 Brüssel Ia-VO) außerdem eine Zuständigkeit am Vertragsgerichtsstand gemäß Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO in Betracht. Fraglich ist, ob, wie es hier zum Internationalen Privatrecht bereits festgestellt wurde, auch eine akzessorische Anknüpfung etwa an den Deliktsgerichtsstand (Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO) in Betracht kommt, wenn der Dritte über eine deliktische Forderung entschieden hat. Ein Gleichlauf vom anwendbarem Recht und zuständigem Gericht wäre so eher verwirklicht. Beim Internationalen Zivilverfahrensrecht stehen jedoch Verfahrensinteressen und nicht die Rechtsanwendungsfrage im Vordergrund, sodass ein Gleichlauf vom anwendbarem Recht und Gerichtsstand zwar als vorteilhaft gilt, nicht jedoch das Hauptinteresse bildet.234 Gegenüber stehen sich das Interesse des Klägers, möglichst viele Gerichtsstände zur Verfügung zu haben und das Interesse des Beklagten, vor Klagen in für ihn unvorhersehbaren Gerichtsständen geschützt zu sein.235 Der Vorhersehbarkeit entspricht es, wenn vertragliche Ansprüche auch nur im Vertragsgerichtsstand und nicht im Deliktsgerichtsstand durchgesetzt werden können, selbst wenn es im Kern um den deliktischen Anspruch gehen mag. Dafür spricht weiterhin, dass die besonderen Zuständigkeiten nur zusätzliche Klagemöglichkeiten neben dem stets bestehenden Beklagtenwohnsitz schaffen.236Auch der EuGH hat eine Annexkompetenz von vertraglichen Ansprüchen im Deliktsgerichtsstand abgelehnt.237 234 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 1041 ff.; Schack, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 246. 235 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 1042. 236 Vgl. Musielak/Voit/Stadler, Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 5.
I. Internationale Zuständigkeit
229
2. Einwand der Prozessökonomie Weiterhin könnte argumentiert werden, dass es prozessökonomisch sinnvoll wäre, den Streit um das Hauptrechtsverhältnis und um die Vertragsarbitrageentscheidung am selben Gerichtsstand zu bündeln. Dieser prozessökonomische Einwand ginge in Bezug auf Vertragsarbitrage jedoch fehl. In der Regel wird eine Vertragsarbitragevereinbarung, wie ein Vergleich auch,238 die Verpflichtung der Parteien enthalten nur noch aus der neu entstandenen Forderung vorzugehen. Vor einem deutschen Gericht müsste die Klage aus der alten Forderung folglich als unzulässig abzuweisen sein. Hier ist wiederum genau zu differenzieren. Will der Kläger gegen den Spruch vorgehen, weil er den Dritten für nicht zuständig hält, ist aber die Klage am Gerichtsort der ursprünglichen Forderung noch möglich. Stellt das Gericht dann fest, dass der Dritte außerhalb seiner Kompetenz gehandelt hat, wird es die Klage zulassen müssen, denn der Dritte handelte außerhalb des von den Parteien vereinbarten Rahmens. Seine Entscheidung kann für die Parteien keine Wirkung entfalten. Hält der Kläger den Spruch dagegen für unbillig, ist eine Klage am Gerichtsort der Ursprungsforderung nicht mehr möglich, weil die Entscheidung von der Vereinbarung der Parteien grundsätzlich erfasst ist. Die Entscheidung könnte Wirkung entfalten. In diesen Fällen bleibt dem Kläger nur übrig, wenn nichts Anderes vereinbart wurde, am Wohnsitz des Beklagten oder im Vertragsgerichtsstand zu klagen. Das Recht der lex fori entscheidet dann, ob es bei Unbilligkeit der Entscheidung die Entscheidung selbst vornimmt, einen neuen Dritten einsetzt oder gar nichts unternimmt. Tritt der letzte Fall ein, ist die Vertragsarbitrage endgültig gescheitert und die Klage vor dem Forum der ursprünglichen Forderung wieder möglich. Festzuhalten ist also, dass Ansprüche aus Vertragsarbitrageentscheidungen oder Streitigkeiten um die inhaltliche Wirksamkeit der Entscheidung grundsätzlich am Vertragsgerichtsstand durchzusetzen sind.
II. Internationale Zuständigkeit nach der ZPO Ähnliche wie die zur Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO erarbeiteten Überlegungen gelten auch, wenn sich die internationale Zuständigkeit nach der ZPO bemisst. Eine Klage am Gerichtsstand der ursprünglichen Forderung wird von den Parteien, wie bereits erwähnt, in der Regel dadurch ausgeschlossen sein, dass sich die Parteien verpflichtet haben nur noch aus dem neu entstandenen Anspruch vorzugehen. Dementsprechend kommen für eine Klage vor allem Gerichtsstände, die auf vertraglichen Ansprüchen beruhen wie § 29 ZPO, in Betracht. Daneben ist natürlich auch stets eine Klage aus dem exorbitanten Gerichtsstand des § 23 ZPO denkbar.
237 238
EuGH, Urt. v. 27. 9. 1988 – Rs 189/87, NJW 1988, 3088 („Kalfelis“). Siehe Palandt/Sprau, § 779 BGB Rn. 11.
230
4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
J. Zusammenfassung und Ergebnis zum Internationalen Privat- und Verfahrensrecht 1. Vertragsarbitrageverfahren haben keinen Sitz.239 2. Das Vertragsarbitrageverfahren bezieht sich immer auf ein anderes Rechtsverhältnis, das sogenannte Hauptrechtsverhältnis. Die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung unterliegt deshalb dem gleichen Recht, dem auch das Hauptrechtsverhältnis unterliegt. Die Frage der materiellrechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung ist somit akzessorisch an das Hauptrechtsverhältnis anzuknüpfen.240 Den Parteien steht es frei, das auf die Vertragsarbitrageentscheiung anwendbare Recht zu wählen. Die Erlaubnis und der Umfang einer solchen Rechtswahl bestimmt sich allerdings nach dem auf das Hauptrechtsverhältnis anwendbaren Kollisionsrecht.241 Die Wahl eines anationalen Rechts ist zwar nicht unmittelbar möglich, wird aber im Rahmen des anwendbaren Rechts berücksichtigt. Der Wahl eines anationalen Rechts kommt materiell-rechtliche Bedeutung zu.242 3. Die Frage, welche Maßnahmen das Gericht zur Unterstützung des Vertragsarbitrageverfahrens treffen kann, wenn der Dritte keine Entscheidung trifft oder die Entscheidung des Dritten unwirksam oder nichtig ist, bestimmt sich nach dem Recht der lex fori. Ein deutsches Gericht kann in der Folge auch die Entscheidung des Dritten ersetzen, wenn die Vertragsarbitrageentscheidung nicht dem deutschen Recht unterliegt.243 4. Die Durchsetzbarkeit des Vertragsarbitrageverfahrens wird durch einen prozessvertraglichen Klageverzicht der Parteien gewährleistet. Das heißt, dass die Parteien bis zum Abschluss des Vertragsarbitrageverfahrens auf eine Klage vor dem Gericht oder Schiedsgericht vertraglich verzichten. Eine eventuelle Klage wäre dann als unzulässig abzuweisen. Das auf den Prozessvertrag anwendbare Recht unterteilt sich in ein Zulässigkeits- und Wirkungsstatut, welches der lex fori unterliegt und in ein Geschäftsstatut, welches der lex causae unterliegt. Diese lex causae ist das gleiche Recht, dem auch das Hauptrechtsverhältnis und damit auch die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Vertragsarbitrageentscheidung regelt. Stellt sich das Gericht oder das Schiedsgericht die Frage, ob es zuständig ist oder ob die Parteien zunächst ein Vertragsarbitrageverfahren durchzuführen haben, hat es die Frage nach der lex causae zu beantworten.244
239 240 241 242 243 244
4. Kapitel B. I. 4. Kapitel B. III. 4. Kapitel B. IV. 4. Kapitel B. V. 4. Kapitel C. 4. Kapitel D.
J. Zusammenfassung und Ergebnis zum Int. Privat- und Verfahrensrecht
231
5. Ein dem CISG unterliegendes Angebot ist auch dann hinreichend bestimmt und wirksam, wenn es die Bestimmung des Preises einem Dritten überlässt. Unterliegt der Kaufvertrag dem CISG und lassen die Parteien den Kaufpreis einen Dritten bestimmen, bestimmen sich die übrigen Regeln der Kaufpreisbestimmung durch den Dritten nach dem anwendbaren Recht. Dieses bestimmt sich nach dem IPR des Forums.245 6. Für die Frage, ob die Entscheidung eines Streitbeilegungsverfahrens dem UNÜ unterfällt, ist 1. das Recht des Sitzstaats des Entscheidungsgremiums (wenn es denn einen Sitz hat) und/oder das auf die Entscheidung des Gremiums anwendbare Recht zu untersuchen, welche Stellung die Streitbeilegungsmethode innerhalb der Rechtsordnung einnimmt; 2. ob die Rechtsordnung selber meint, dass diese Streitbeilegungsmethode dem UNÜ unterfällt und; 3. ob die Entscheidung des Gremiums noch durch einen ordentlichen Rechtsbehelf angreifbar ist. Festzuhalten ist, dass schuldrechtlich verbindliche Entscheidungen zwar nicht grundsätzlich vom Anwendungsbereich des UNÜ auszuschließen sind, Vertragsarbitrageentscheidungen aber nicht unter das UNÜ fallen, weil Vertragsarbitrageentscheidungen stets durch einen ordentlichen Rechtsbehelf, etwa auf offenbare Unbilligkeit oder auf die Einhaltung der Grenzen der Privatautonomie, überprüfbar sind.246 7. Die Abgrenzung des Schiedsspruchs von der Vertragsarbitrageentscheidung bestimmt sich nach deutschem Recht, weil der Begriff des Schiedsspruchs in § 1061 ZPO nach deutschem Rechtsverständnis auszulegen ist.247 8. Hat der Obmann das für ihn anwendbare Recht zu bestimmen, hat er zunächst das Kollisionsrecht des präsumtiven Forums anzuwenden. Haben die Parteien keinen einheitlichen Gerichtsstand bestimmt und hat der Dritte das aus Sicht des Kollisionsrechts des Forums falsche Recht bei seiner Entscheidung angewendet, hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Rechtswahl oder einer Ausweichklausel vorliegen. Ist dies nicht der Fall, kann das vom Dritten falsch angewendete Recht vom Gericht oder Schiedsgericht berücksichtigt werden, indem es geeignete Daten des ansonsten unanwendbaren Rechts bei der Überprüfung der Entscheidung des Dritten miteinbezieht.248 9. Vertragsarbitrageentscheidungen unterliegen nicht der Überprüfung des prozessualen, sondern nur des materiellen ordre publics, weil sie lediglich schuldrechtliche Bindungswirkung entfalten. Ein Verstoß gegen den materiellen ordre public liegt nicht vor, wenn der Obmann keine Verfahrensgrundsätze beachtet hat, weil es keinen wesentlichen Grundsatz des deutschen Rechts darstellt, dass der
245 246 247 248
4. Kapitel E. 4. Kapitel F. I. 4. Kapitel F. II. 4. Kapitel G.
232
4. Kap.: Vertragsarbitrage im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
Obmann bei seiner Entscheidungsfindung Verfahrensgrundsätze im Rahmen einer Vertragsarbitrage beachtet.249 10. Haben die Parteien keinen Gerichtsstand vereinbart und will eine Partei die Entscheidung des Dritten gerichtlich überprüfen lassen oder die Entscheidung gerichtlich durchsetzen, bestimmt sich die Zuständigkeit nach dem Beklagtenwohnsitz, den besonderen Zuständigkeiten aus vertraglichen Ansprüchen oder eventuell exorbitanter Gerichtsstände. Allerdings kann eine Partei am Gerichtsstand des Hauptrechtsverhältnisses klagen, wenn sie die Feststellung begehrt, dass der Obmann außerhalb seiner Kompetenz gehandelt hat. Der Gerichtsstand des Hauptrechtsverhältnisses steht der Partei auch offen, wenn das Vertragsarbitrageverfahren endgültig gescheitert ist.250
249 250
4. Kapitel H. 4. Kapitel I.
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Sachwortregister Abgrenzungskriterium 113, 116 f. accidentalia negotii 34 f., 37 f., 39 actor sequitur forum rei 221 actual bias 138, 144, 175 Adjudication 50, 122, 123, 126 ff., 137, 139, 147 Adjudicator 126, 129, 134, 139, 146 Adjudikation 24, 36, 47, 50 ff., 5, 71, 75 amicabilis compositor 28 Analogie 59 ff., 70, 93, 95, 104 f., 112 Anationales Recht 192 f. angelehnter Vertrag 187 f. Anknüpfung der Bindungswirkung 181 Annexkompetenz 228 apparent bias 138, 142, 144, 175 arbiter 27 ff. arbitrage contractuelle 153, 167 f., 172 ff. Arbitration 124, 137, 147 ff. arbitrato irrituale 205 f., 213 ff. arbitrato rituale 206 arbitrator 26, 28 ff., 147, 184 Arbitre 153 arbitrium bon viri 27 f. Arglist 97, 129, 135 f., 160, 163 Aufschiebende Bedingung 75 autonome Auslegung 207, 209, 210, 212
Cashflow 50 CESL 178 Channel Tunnel Group Entscheidung charakteristische Leistung 184 CISG 203 ff. collusion 135 f.
bad faith 129 Baustoffe 53, 55 Bauunternehmer 127 f. Begründungspflicht 87 f. Begründungsverzicht 87 Belegenheitsort 186 Beurteilungsspielraum, siehe Überprüfungsmaßstab Bestimmtheitsgebot 34 f Bestimmungsklausel 204 Beweiserhebungsvertrag 65 Beweiswürdigungsvertrag 65 billiges Ermessen 120 Berechnungsmethode 88
Fälligkeit 66, 69 f., 111, 201 Familienrecht 58, 188, 224, feststellende Vertragsarbitrageentscheidung, S 107 Feststellungsvertrag 67, 72, 73 FIDIC 24, 50, 57, 71, 147, 198, 199, 201, 202, 219, 222 fin de non-recevoir, S 166 formulated dispute 148 fraud 134, 135 f., 150 freie richterliche Beweiswürdigung 64, 67 f. freies Belieben 76 freies Ermessen 77
146
Datumtheorie 223 ff. DCFR 178 deklatorische Entscheidung 107 Delegation der Privatautonomie 34, 59 dépassement de pouvoir 160, 161 DIS 51, 57 Dispute Adjudikation Board/DAB 47, 50 ff. Dispute Review Boards 51 Doppelexequatur 208, 211 f., 215 Doppelqualifikation, S: 218 einseitige Willenserklärung 101 engste Verbindung 180, 185 f. Entscheidungsspielraum 78, 81 ff. Entstehungsprozess 61, 84 erreur grossière 160 f., 163, 165, 173, 175, 181 Ersatzbestimmung 104 ff., 165 Ersetzungsbefugnis 106 f., 196
254
Sachwortregister
Genfer Abkommen von 1927 208 Gerichtsstand 191, 228 f. Geschäftsstatut 200, 201 ff. Gesellschaftsanteile 27, 82, 152, 155 ff., 159, 161, 163, 166 f., 173, Gesellschaftsstatut 156, 168 gestaltende Vertragsarbitrageentscheidung 107 Gestaltungsurteil/Gestaltungsklage 107, 108, Geständnisvertrag 72 Gewöhnlicher Aufenthalt 185 Gleichbehandlungsgebot 102 grobe Unbilligkeit 76, 116 grober Irrtum 162 Grundrechte 95 Handeln unter falschem Recht 222 Hauptrechtsverhältnis 44, 73, 186, 188 ff., 196, 201, 202, 229 Herkunftsstaat 207 Housing Grand Construction and Regeneration Act 1996 123 ICC 24, 51, 57, 71, 167, 168, 227 Ingenieur, 127, 128 JCT, 127, 128, Jurisdiction, 136 Kaufpreisbestimmung 145, 152, 165, 169 Kautelarpraxis 30, 48 Klageverzicht 69, 110, 111, 112, 202 f. Kompetenz-Kompetenz 87 kulturelle Relativität 224 laesio enormis 97 Leistungsklage 107 f. Leistungszeitbestimmung 69 lex arbitri 182, 210 lex causae 199, 200, 201, 203, 217, 225 lex fori-Prinzip 194 lex mercatoria 192 litige 168 f. lodo di arbitratio irrituale 206, 212 mandataire commun, S: 159 manifest error 134, 135 175
Mediation 111, 166, 187 Meinungsverschiedenheit 53, 148, 158 Menschenrechtskonvention 140 Mietvertrag 40, 125, 152, 157 Misrepresentation 130 mission juridictionelle 168 mistake 134 ff. Modellvertrag 129, 132, 140 f., 146 natural justice 126, 131, 134, 137 ff., 150 Neutralität 89, Neutralitätsvertrauen 91, 94 Nichtigkeitsgründe 86 non-statutory adjudication 124, 131 ff. Obligationsrechtliches Schiedsverfahren 57 f. offenbare Unbilligkeit 41, 52, 55, 69, 74, 77, 79, 81, 83, 84, 86, 94, 101, 120, 175, 181 offenbare Unrichtigkeit 41, 79, 80 ff., 87, 175 ordre public 156, 180, 226 f., pactum de non petendo 110 f., 200 f. Parteibestimmung 94 Parteivereinbarung 64, 75, 87, 103, 111 f., 112 PECL 178 PICC 178 Pre-Arbitral-Verfahren 167, 227 Preisbestimmung 155, 166, 173, 204 Prozessmaxime 227 Prozessökonomie 229 Qualitätsarbitrage 47, 48 ff., 54 f., 73, 149, 183, 218 question de droit 169 question de fait 169 rechtliches Gehör 92, 95, 102, 104, 163, 175, 227 Rechtsbehelf 211, 213, 215, 231 Rechtsinstitut 59, 71, 123, 125, 180, 187, 218 Rechtswahl 184, 191 ff., 199, 201, 202 f., 222
Sachwortregister Rechtswahlklausel 193 Richtigkeitsgewähr 100, 102 Sachverständiger 26 Sale of Good Act 1979 122 ff., 145 Schiedsort 181 ff., 191, 221 Schiedsverfahrensrecht 179 Schlichtungsvereinbarungen 110 specific performance 125 Stellvertretung 160 stillschweigende Vereinbarung 110 Streitbeilegungsklausel 109 Streitbeilegungsverfahren 24, 59, 114, 151, 214, 216, 227 Sub-Unternehmer 127 f. Tagungsort 185 f. Tatsachenfeststellungen 62, 71, 83 Tatsachenfrage 47, 56, 114, 169 f., 174, 177 tier expert 153 f. tiers-estimatuer 154 tiers évaluateur 153 f. Treu und Glauben 33, 79 f., 96, 175, 199, 202 Uneinigkeit 33 f., 159, 165, 169, 176 Unparteilichkeit 88, 89 ff., 103 f., 162 f. Unternehmenskauf 41, 69, Unverbindlichkeit 135 Usance 184, 218, 219,
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valuation 123, 124, Verbindlichkeit 53, 92, 210, 212, 215 vereinbarte Verkäufe 158 f. Verfahrensbezeichnung 117 Verfahrensordnung 48 ff., 89, 168, 219 Versicherungsvertragsrecht 54 Vertragsarbitrageklausel/Vertragsarbitragevereinbarung 59, 73, 90, 100, 108, 109, 112, 118, 168, 176, 180, 197, 199, 200, 202, 203 Vertragsfreiheit 31, 33, 68, 72, 76, 96, 97, 98, 129, 156 Vertragsgerechtigkeit. S. 96, 98 ff. Vertragsgerichtsstand 228 f. Vertragssprache 179 Vertragstreue 96, 147, 157, 172 Verzug 66, 69, 70, 74 Verzugszinsen 70, 111 Vollstreckbarkeit 66, 212 f. Vollstreckungsstaat 206 ff. vorgesehene Verkäufe 158 f. vorläufige Bindungswirkung 51, 71, 117, 150 Willkür
76
Zweifelsfallregelung
60, 86, 116