Das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB: Abstammungsrechtlicher Kontext und verfassungsrechtliche Vorgaben [1 ed.] 9783428531196, 9783428131198

Seit dem 01. April 2008 ist das deutsche Abstammungsrecht um ein Verfahren erweitert, mit dem die genetischen Abstammung

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German Pages 373 Year 2009

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Das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB: Abstammungsrechtlicher Kontext und verfassungsrechtliche Vorgaben [1 ed.]
 9783428531196, 9783428131198

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 395

Das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB Abstammungsrechtlicher Kontext und verfassungsrechtliche Vorgaben

Von Stephanie Ostermann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

STEPHANIE OSTERMANN

Das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 395

Das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB Abstammungsrechtlicher Kontext und verfassungsrechtliche Vorgaben

Von Stephanie Ostermann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Konstanz hat diese Arbeit im Wintersemester 2008/2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-13119-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Geleitwort Das neue Verfahren zur Klärung der Abstammungsverhältnisse ohne Statuswirkung, § 1598a BGB, hat auf der einen Seite die oft angemahnte Trennung von Abstammungsklärung und Statusverfahren gebracht. Auf der anderen Seite wirft dieses neue Verfahren eine Unzahl neuer Probleme auf, auch deshalb, weil sowohl die zugrunde liegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als auch ihre Umsetzung durch den Gesetzgeber Mängel aufweist. Stephanie Ostermann untersucht den eilig neu geschaffenen § 1598a BGB eingehend, deckt diese Mängel auf und setzt sich dabei mit Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht gleichermaßen auf erfrischende und (im positiven Sinne) respektlose Weise auseinander. Ihre Darstellung kann Grundlage für die weitere Durchdringung des neuen Verfahrens durch Wissenschaft und Rechtspraxis sein und gleichzeitig wichtige Anregungen für eine Weiterentwicklung des Verfahrens zur Klärung der Abstammungsverhältnisse ohne Statuswirkung geben. Ich wünsche dem Werk deshalb wohlwollende Aufnahme in Wissenschaft und Praxis. Regensburg, im März 2009

Martin Löhnig

Vorwort Die vorliegende Arbeit lag im Wintersemester 2008/2009 dem rechtswissenschaftlichen Fachbereich der Universität Konstanz als Dissertation vor. Die mündliche Prüfung fand am 30. April 2009 statt. Rechtsprechung und Literatur konnten bis März 2009 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Martin Löhnig, der die Wahl des Themas anregte und die Anfertigung der Arbeit vorzüglich und beispielhaft betreute. Mein Dank gilt gleichfalls Herrn Privatdozent Dr. Ignacio Czeguhn für die Erstellung des Zweitgutachtens sowie Herrn Prof. Dr. Jörg Eisele und Herrn Prof. Dr. Jens Koch für die Mitwirkung an der mündlichen Prüfung. Ganz besonderer Dank gilt meiner Familie und meinen Freunden, deren fortwährende Unterstützung und Aufmunterung während meiner sicher nicht immer einfachen Doktorandenzeit zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Karlsruhe, im März 2009

Stephanie Ostermann

Inhaltsverzeichnis Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

Erster Teil Entstehung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB

36

Erstes Kapitel Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2007

36

A. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

B. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zweiter Leitsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erster Leitsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begründung des Bundesverfassungsgerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Private Abstammungsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Heimliche Abstammungsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gerichtliche Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Gerichtliche Feststellung der genetischen Abstammung gemäß § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Isolierte Abstammungsfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO . . . . . . . . . hh) Auskunftsanspruch des rechtlichen Vaters. . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 39 40 40 41 41 43 43 44 45 47 49 49 50 51 55 57

12

Inhaltsverzeichnis Zweites Kapitel Konsequenzen und Möglichkeiten

60

A. Konsequenz des Urteils für den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

B. Möglichkeiten des Gesetzgebers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Absenkung der Anforderungen an den Anfangsverdacht . . . . . . . . . . . . . . . II. Legalisierung heimlicher Abstammungsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Isolierte Abstammungsfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außergerichtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auskunftsanspruch des rechtlichen Vaters gegen die Mutter . . . . . . . . . . .

61 61 63 63 63 64 64

C. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

Drittes Kapitel Entscheidung des Gesetzgebers

65

Zweiter Teil Vaterschaft

71

Erstes Kapitel § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

71

A. Einwilligungsfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dogmatische Einordnung der Einwilligung im Sinne des § 1598a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwilligungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eigene Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dogmatische Einordnung der Einwilligung im Sinne des § 1598a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwilligungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Vertretungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertretungsberechtigter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einwilligungsunfähigkeit des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwilligungsunfähigkeit eines Elternteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entziehung der Vertretungsbefugnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Darstellung des Problems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78 78 78 80 80 81

75 76 78

Inhaltsverzeichnis

13

2. Lösung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit von § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB auf § 1598a Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Systematische Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorgeschichte der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entstehungsgeschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Anfangsverdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begründung für das Erfordernis des Anfangsverdachts . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ansicht des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vermeidung von überflüssigen Abstammungsuntersuchungen. . . . b) Vermeidung einer voraussetzungslosen Klärung der biologischen Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gewährleistung der Frist nach § 1600b BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansicht des Bundesverfassungsgerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtslage seit dem 01. April 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c BGB . . . . . a) Darstellung der Anfechtungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darstellung der Klärungssituation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c BGB . . . . . 2. Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtslage bis zum 01. April 2008. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschaffenheit der Anfechtungsfrist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gefährdung der sozialen Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durch fehlende Statussicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durch Erhebung der Anfechtungsklage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Durch Abweisung der Anfechtungsklage trotz Kenntnis/ Verdachts der Nichtabstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis II. Rechtslage seit dem 01. April 2008. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gefährdung der sozialen Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gefährdung der rechtlichen Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c BGB . . . . . a) Beschaffenheit der Anfechtungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gefährdung der sozialen Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Durch fehlende Statussicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unbestimmte oder rechtswidrig erlangte Kenntnis . . . . . . (a) Unbestimmte Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechtswidrig erlangte Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sichere Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Durch Erhebung der Anfechtungsklage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Durch Abweisung der Anfechtungsklage trotz Kenntnis/ Verdachts der Nichtabstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Darstellung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Lösung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Abschaffung der Frist des § 1600b BGB . . . . . . . . . . (b) Koppelung der Frist des § 1600b BGB an § 1598a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Schaffung einer Frist im Rahmen des § 1598a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Generelle Fristbindung des § 1598a BGB . . . . . . (b) Konkrete Fristbindung des § 1598a BGB . . . . . . (g) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bindung des § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB. . . . . . . . . . a) De lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wortlautauslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) De lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117 117 118 121 121 122 122 127 127 128 129 129 130 130 132 134 136 137 138 138 138 139 141 141 143 144 144 144 145 145 146 146 147 147 148 148 149

E. Auswirkung des § 1598a BGB auf heimliche Abstammungsgutachten . . . . . . 149 I. Fehlende Klärungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

Inhaltsverzeichnis

II. III.

IV. V.

1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Potentiell biologischer Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlende Möglichkeit zur positiven Klärung der genetischen Abstammung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leichtere Durchführbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kostenersparnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitersparnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutz der sozialen Familie/Schutz des Kindeswohls . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 150 151 152 154 155 156 157 158 159

Zweites Kapitel Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB A. Unmittelbar am Verfahren des § 1598a BGB Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundrechte der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundrechte des rechtlichen Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Recht auf informationelle Selbstbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Recht auf körperliche Unversehrtheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechte des Kindes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung. . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Recht auf informationelle Selbstbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Recht auf körperliche Unversehrtheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Recht auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen e) Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung . . . . . . . . . . . . . 3. Grundrechte der Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung . . . . . . . . . . . . . . b) Recht auf informationelle Selbstbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Recht auf körperliche Unversehrtheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Recht auf sexuelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abwägung der tangierten Grundrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interessengleichklang zwischen allen Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interessenkollision zwischen den Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgehen des rechtlichen Vaters nach § 1598a BGB gegen den Willen von Mutter und Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abwägung des Rechts des rechtlichen Vaters gegen die Rechte der Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

161 162 163 163 164 164 164 166 167 168 168 168 170 171 171 172 173 176 177 179 180 180 181 181 182 183 184

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Inhaltsverzeichnis (1) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . . (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Allgemeine Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit . . . . . . . . . . . (3) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen sexuelles Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Allgemeine Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abwägung des Rechts des rechtlichen Vaters gegen die Rechte des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . . (2) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit . . . . . . . . . . . (3) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Keine oder nur geringe emotionale Bindung des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Intensive emotionale Bindung des Kindes. . . . . . (g) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Allgemeine Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Recht des Vaters auf Kenntnis der Abstammung gegen Recht des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Allgemeine Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorgehen des Kindes nach § 1598a BGB gegen den Willen von Mutter und rechtlichem Vater. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abwägung des Rechts des Kindes gegen die Rechte der Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Allgemeine Handlungsfreiheit/Eigentumsfreiheit . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

184 184 186 187 187 188 188 194 196 196 197 197 198

199 200 202 202 203 205 206

206 206 208 209 209 210 210 210 210 211 211

Inhaltsverzeichnis (2) Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegen sexuelles Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Allgemeine Handlungsfreiheit/Eigentumsfreiheit . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abwägung des Rechts des Kindes gegen die Rechte des rechtlichen Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht. . . . . . . . . . . . . . (2) Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorgehen der Mutter nach § 1598a BGB gegen den Willen von rechtlichem Vater und Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abwägung des Rechts der Mutter gegen die Rechte des rechtlichen Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht. . . . . . . . . . (2) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abwägung des Rechts der Mutter gegen die Rechte des Kindes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . (2) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit . . . . . . . . . . . (3) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Allgemeine Handlungsfreiheit/Eigentumsfreiheit . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Allgemeine Handlungsfreiheit/Eigentumsfreiheit . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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211 212 212 214 215 215 216 216 217 218 218 218 218 219 219 220 220 220

220 222 223 224 224 224 226 226 226 227

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Inhaltsverzeichnis

B. Vom Regelungsgegenstand des § 1598a BGB Betroffene . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fehlende Klärungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Private Abstammungsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Heimliche Abstammungsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Gerichtliche Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Gerichtliche Feststellung der genetischen Abstammung gemäß § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Isolierte Abstammungsfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . (7) Allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO . . . . . . (8) Auskunftsanspruch des potentiell biologischen Vaters gegen die Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (9) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verpflichtungsadressat des Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . bb) Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Argumentation des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Sachlicher Grund für beschränkte Verwirklichung des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Schutz der sozialen Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Unterschiedliche Stellung gegenüber dem Kind (g) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Sachlicher Grund für nicht rechtsfolgenlose Verwirklichung des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Möglichkeit nach Gesetzesentwurf des Bundesrates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Möglichkeit nach Vorschlag des Bundesverfassungsgerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fehlende Anspruchsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundrechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

229 229 229 232 232 232 234 234 234 235 237 238 238 238 239 239 241 241 241 242 245 246 248 248 248 253 254 256 257 258 259 261 261 262 262

Inhaltsverzeichnis

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a) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Private Abstammungsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Heimliche Abstammungsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c . . . ee) Gerichtliche Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Isolierte Abstammungsfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO . . . . . . . . . hh) Auskunftsanspruch des Kindes gegen die Mutter . . . . . . . . . . (1) Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eigene Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Schutz durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Schutz durch Art. 2 Abs. 1 GG/Art. 14 GG . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leerlaufen des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

263 263 263 264 265 265 266 267 267 267 268 269 269 270 271 272 272 273 274 274 275 276 276

C. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

Dritter Teil Mutterschaft

281

Erstes Kapitel Anwendung des § 1598a BGB auf die Klärung der mütterlichen Abstammung A. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Teleologische Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedürfnis für die Klärung der genetischen Mutterschaft. . . . . . . . . . . . a) Natürliche Zeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Künstliche Zeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

281 281 281 282 282 283 283 284

20

Inhaltsverzeichnis aa) In-vivo-Fertilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) In-vitro-Fertilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Befruchtung der Eizelle der Wunschmutter . . . . . . . . . . . . (2) Eispende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Embryonenspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klärung der genetischen Mutterschaft nach bisheriger Rechtslage . . . a) Private Abstammungsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Heimliche Abstammungsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mutterschaftsanfechtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gerichtliche Feststellung der genetischen Abstammung gemäß § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO . . . . . . . . . . . . . . f) Isolierte Abstammungsfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Auskunftsansprüche des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anspruch gegen die rechtliche Mutter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anspruch gegen den Arzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgeschichte der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284 285 285 285 286 286 286 287 287 287 288 288 290 292 292 292 294 296 296 296 298 298 298 299

B. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

Zweites Kapitel Darstellung der ungelösten Probleme A. Mutter im Sinne des § 1598a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgeschichte der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

300 300 300 301 302 302 302 303 303

B. Gespaltene Mutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 II. Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

Inhaltsverzeichnis

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III. Darstellung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Lösung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nichtanwendung des § 1598a BGB auf die Klärung der genetischen Mutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weite Auslegung des Begriffs Mutter im Sinne des § 1598a BGB . . 3. Nebeneinander von § 1598a BGB und § 256 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Restriktive Anwendung der Klärungsberechtigung nach § 1598a Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

307 307

309 310

C. Klärungsberechtigung des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Recht des Kindes gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht . . . . . II. Recht des Kindes gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit . . . . . . . . . III. Recht des Kindes gegen sexuelles Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

310 311 312 313 313

307 308 308

Drittes Kapitel Zusammenfassung des Dritten Teils

314

Vierter Teil Änderungsvorschlag

315

Erstes Kapitel Darstellung der ungelösten Probleme A. Klärungsberechtigung des potentiell biologischen Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abwägung des Rechts des potentiell biologischen Vaters gegen die Rechte des Kindes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen Recht auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wenig intakte soziale Familie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Intakte soziale Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

315 315 316 317 317 317 318 319 319 320 321 321 322

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Inhaltsverzeichnis a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abwägung des Rechts des potentiell biologischen Vaters gegen die Rechte der Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen sexuelles Selbstbestimmungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

322 323 324 324

B. Anspruchsverpflichtung des potentiell biologischen Vaters. . . . . . . . . . . . . . . . . I. Klärungsberechtigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Klärungsberechtigung des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abwägung des Rechts des Kindes gegen die Rechte des potentiell biologischen Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abwägung des Rechts des Kindes gegen die Rechte der Mutter . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Klärungsberechtigung der Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abwägung des Rechts der Mutter gegen die Rechte des potentiell biologischen Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abwägung des Rechts der Mutter gegen die Rechte des Kindes . . . . . a) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen . . . . . . . aa) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Allgemeine Handlungsfreiheit/Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

330 330 331

325 325 325 326 326 328 328 329 329

331 332 333 334 335 335 336 336 336 337 339 340 340 341 341 342

Inhaltsverzeichnis

23

Zweites Kapitel Modifizierung und Neufassung

342

I. § 1598a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 II. § 1629 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 A. Schlusswort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 B. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368

Abkürzungsverzeichnis a. A., A. A. a. F. Abs. AcP AdVermG AG AK AnwBl Art. AVACH Bd. BDSG BGB BGBl BGH BGHZ BJM BR BRD BR-Drucks. BT BT-Drucks. BVerfG BVerfGE bzw. ca. CDU CSU d. ders. dies. DJ DJT DNA

andere(r) Ansicht alte Fassung Absatz Archiv für die civilistische Praxis Adoptionsvermittlungsgesetz Amtsgericht Alternativkommentar Anwaltsblatt Artikel Allgemeine Vaterschafts-Ausschluss-Chance Band Bundesdatenschutzgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Bundesjustizministerium Bundesrat Bundesrepublik Deutschland Bundesrats-Drucksache Bundestag Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) beziehungsweise circa Christlich Demokratische Union Christlich-Soziale Union der, des derselbe dieselbe Deutsche Justiz Deutscher Juristentag Desoxyribonukleinacid

Abkürzungsverzeichnis Dtsch Arztebl -E Einf. Einl. EschG e. V. f., ff. FamFG FamRB FamRefK FamRZ FDP FF Fn. FPR FuR gem. GG HS i. V. m. JAmt JR JurisPK JuS JW JZ Kind-Prax LG m. w. N. MDR MedR MüKo BGB MüKo ZPO NJ NJOZ NJW Nr. o. g. OLG RG Rn.

Deutsches Ärzteblatt Entwurf Einführung Einleitung Embryonenschutzgesetz eingetragener Verein folgende Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Der Familien-Rechts-Berater Familienrechtsreformkommentar Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Freie Demokratische Partei Familien Forum Fußnote Familie, Partnerschaft und Recht Familie und Recht gemäß Grundgesetz Halbsatz in Verbindung mit Das Jugendamt Juristische Rundschau juris Praxiskommentar Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Kindschaftsrechtliche Praxis Landgericht mit weiteren Nachweisen Monatschrift für Deutsches Recht Medizinrecht Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung Neue Justiz Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Nummer oben genannte Oberlandesgericht Reichsgericht Randnummer, Randnummern

25

26 S. SGB sog. SPD StAZ StGB u. a. UN v. vgl. Vorbem www z. B. ZFE ZfF ZfJ ZfRV Ziff. zit. ZKJ ZPO ZRG (GA) ZRP

Abkürzungsverzeichnis Seite, Seiten, Satz Sozialgesetzbuch sogenannte, sogenannter Sozialdemokratische Partei Deutschlands Das Standesamt Strafgesetzbuch unter anderem United Nations, Vereinte Nationen vom, von, vor vergleiche Vorbemerkung World Wide Web zum Beispiel Zeitschrift für Familien- und Erbrecht Zeitschrift für das Fürsorgewesen Zentralblatt für Jugendrecht Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichnug Ziffer zitiert Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe Zivilprozessordung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Germanistische Abteilung) Zeitschrift für Rechtspolitik

Einleitung A. Problemstellung Ein Verfahren wie das am 01. April 2008 in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommene Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB, mit dem ausschließlich die genetische Abstammung des Kindes geklärt werden kann, ohne dadurch den bestehenden Status des Kindes zu ändern oder anderweitige rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, ist keine neue juristische Erfindung des frühen 21. Jahrhunderts, sondern die Frage, ob es Möglichkeiten zur Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse geben muss und wenn ja, welche, wird im deutschen Recht bereits seit Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 diskutiert1. In den ersten Jahren nach Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches konnte bei einem in eine bestehende Ehe geborenen Kind2 nur der eheliche Vater inzident unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen im Rahmen der Ehelichkeitsanfechtung die genetischen Abstammungsverhältnisse klären lassen3. Dass diese Möglichkeit einzig dem ehelichen Vater offenstand, lag daran, dass nach §§ 1594 ff. BGB a. F. nur dieser die Möglichkeit einer Ehelichkeitsanfechtung hatte. Dem ehelichen Kind oder seiner Mutter war die Möglichkeit der Erhebung einer Ehelichkeitsanfechtungsklage mangels Anfechtungsberechtigung verwehrt, da das damalige Familienbild davon ausging, dass der Ehemann der Mutter als Oberhaupt der Familie der alleinige Entscheidungsträger war und ihm deshalb auch die alleinige Entscheidungsbefugnis darüber zustand, ob ein Kind zu seiner Familie gehören solle oder nicht4. Bei einem nicht in eine bestehende Ehe geborenen Kind konnte nur das nichteheliche Kind inzident unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen im Rahmen einer Unterhaltsklage (sog. Paternitätsklage) die genetischen Abstammungsverhältnisse klären lassen. Da das nichteheliche Kind und der 1 Zu der Frage nach der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse im Wandel der Zeit ausführlich Frank in Gedächtnisschrift für Arens, S. 65 ff. und Zimmermann, Geschichte der Klage auf Feststellung der Abstammung. 2 Ein Kind, das „nach Eingehung der Ehe geboren“ wurde (vgl. § 1591 Abs. 1 S. 1 BGB), wurde als eheliches Kind angesehen. 3 Löhnig, ZRG (GA) 124. Bd. 2007, 323 (323). 4 Vgl. Badenberg, S. 6; Peschel-Gutzeit, FPR 2005, 167 (167).

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Einleitung

nichteheliche Vater nicht als verwandt galten (vgl. § 1589a Abs. 2 BGB a. F.)5, stand dem nichtehelichen Kind nur dann ein Unterhaltsanspruch gegen den nichtehelichen Vater zu, wenn dieser die Vaterschaft anerkannte. War dies allerdings nicht der Fall, so musste sich das nichteheliche Kind an den nichtehelichen Vater mit einer Unterhaltsklage wenden6, in deren Rahmen inzident als anspruchsbegründende Voraussetzung für den Unterhaltsanspruch die genetische Abstammung des Kindes vom in Anspruch genommenen Vater festgestellt werden musste. In der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) wurden die Möglichkeiten zur Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse erweitert. Die Frage der genetischen Abstammung erlangte zu dieser Zeit wegen der rassistischen Grundhaltung der Nationalsozialisten und der auf dieser Haltung begründeten Rassen- und Sippenideologie eine überragende Bedeutung7; nach der Ideologie der Nationalsozialisten galt es unter dem Gesichtspunkt der „Reinheit der Rasse“ die „Arier“ von „Blutsfremden“ zu trennen. Zur Gewährleistung dieser Trennung wurde bei im Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht bestehender Ehe dem nichtehelichen Kind und dem nichtehelichen Vater durch die Rechtsprechung die Möglichkeit eingeräumt, die genetische Abstammung durch eine Abstammungsfeststellungsklage als Statusklage und damit unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen überprüfen zu lassen8, während bei im Zeitpunkt der Geburt des Kindes bestehender 5 Vgl. Deichfuß, S. 7 III; dies bedeutete, dass das nichtehelich geborene Kind eine Mutter und mütterliche Verwandte, nicht aber einen Vater und väterliche Verwandte hatte. 6 Koch, FamRZ 1990, 569 (570). 7 Ausführlich dazu Rüthers, NJW 1988, 2855 ff. 8 Bis die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen nichtehelichem Kind und nichtehelichem Vater in einem Statusverfahren geklärt werden konnten, bedurfte es einiger Entscheidungen des Reichsgerichts. Im Jahre 1936 (RG, Urteil v. 23.11.1936 – IV 189/36, RGZ 152, 390.) machte das Reichsgericht zwar deutlich, dass es eine Möglichkeit zur Klärung der nichtehelichen Vaterschaft gebe, ließ aber noch offen auf welcher Grundlage, da es lediglich feststellte, dass die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse entweder als Abstammungsfeststellungsklage mit Statuswirkung nach §§ 640 ff. ZPO a. F. oder jedenfalls aber als allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO a. F. zulässig sei (ausführlich dazu Zimmermann, Geschichte der Klage auf Feststellung der Abstammung, S. 111 f.). Im Jahre 1937 [RG, Urteil v. 14.10.1937 – IV 92/37, JW 1938, 245 (246); ausführlich dazu Löhnig, ZRG (GA) 124. Bd. 2007, 323 (328)] ließ das Reichsgericht schließlich eine Klage auf Klärung der nichtehelichen Vaterschaft nach § 256 ZPO a. F. zu, ehe es im Jahre 1939 [(RG, Urteil v. 15.06.1939 – IV 256/38, RGZ 160, 293 (296)] die Möglichkeit der isolierten Klärung der nichtehelichen Vaterschaft fortentwickelte und nicht länger § 256 ZPO a. F., sondern §§ 640–643 ZPO a. F. für anwendbar erklärte. Die Anwendung der §§ 640–643 ZPO a. F. hatte zur Folge, dass die im Rahmen des § 256 ZPO a. F. geltende Parteimaxime durch die Untersuchungsmaxime

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Ehe die genetische Abstammung wie bisher nur inzident unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen im Rahmen der Ehelichkeitsanfechtung geklärt werden konnte. Diese Klärungsmöglichkeit wurde allerdings zum einen dadurch erweitert, dass die Anfechtungsfrist für den ehelichen Vater, nicht wie bisher, mit Kenntnis der Geburt, sondern erst mit Kenntnis der Umstände, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen, zu laufen begann (§ 1594 Abs. 2 BGB a. F.) und zum anderen dadurch, dass die Klärungsmöglichkeit nicht mehr allein dem ehelichen Vater, sondern unter sehr engen Voraussetzungen auch dem ehelichen Kind offenstand – wenn auch nicht auf eigene, sondern nur auf Veranlassung des Staatsanwalts. Der Grund dafür war, dass dem Staatsanwalt „aus rassischen und erbbiologischen Gründen“9 zur Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse nach § 1595a BGB a. F. ein unbefristetes Anfechtungsrecht eingeräumt wurde, um zu verhindern, dass die Ehe zur Verschleierung der wirklichen Herkunft des Kindes missbraucht wurde10. Voraussetzung für diese Anfechtungsberechtigung des Staatsanwalts war zum einen, dass der eheliche Vater die Anfechtungsfrist hat verstreichen lassen oder verstorben war, und zum anderen, dass die Anfechtung im öffentlichen Interesse oder im Interesse des Kindes geboten war11. Da nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft alles Denken und Handeln davon getragen wurde, sich unter Anerkennung der Persönlichkeit des Menschen von der Ideologie der Nationalsozialisten zu distanzieren, galt es nach 1945 die Verfahren zur Klärung der genetischen Abstammung zu überdenken. Unter Berufung auf die besondere Stellung des Individuums und die daraus resultierende Anerkennung eines Rechts auf Kenntnis der genetischen Abstammung12 konnten die zur Zeit des Nationalersetzt wurde. Dies zu erreichen war das eigentliche Ziel der Richter, die der Ansicht waren, dass nur so verhindert werden könne, dass durch ein Zusammenwirken der Parteien im Prozess ein Urteil ergehe, das der biologischen Wahrheit nicht entspricht und damit zur „Arisierung“ (vgl. Deichfuß, S. 45.) des Kindes entgegen seiner tatsächlichen Abstammung benutzt werden könnte (vgl. Wanitzek, S. 383; Badenberg, S. 9 f.). Damit folgte das Reichsgericht Teilen der Literatur, die sich schon zuvor für eine Anwendung der §§ 640–643 ZPO a. F. ausgesprochen hatten (vgl. Badenberg, S. 9 Fn. 43 m. w. N.). 9 Vgl. amtliche Begründung zum Familienrechtsänderungsgesetz v. 12.04.1938, DJ 1938, 619 (620, 624); ausführlich dazu Deichfuß, S. 90 ff. 10 Ausführlich dazu Löhnig, ZRG (GA) 124. Bd. 2007, 323 (329). 11 Vgl. Wanitzek, S. 381; im Jahre 1943 wurde § 1595a BGB a. F. durch die Verordnung über die Angleichung familienrechtlicher Vorschriften noch einmal verändert, sodass die Anfechtung durch den Staatsanwalt nicht nur wie bisher im öffentlichen Interesse oder im Interesse des Kindes, sondern auch im Interesse der Nachkommenschaft des Kindes möglich war; ausführlich zum Umgang mit dem staatsanwaltlichen Anfechtungsrecht in der Praxis Löhnig, ZRG (GA) 124. Bd. 2007, 323 (333 f.). 12 Ausführlich dazu Löhnig, ZRG (GA) 124. Bd. 2007, 323 (338 ff.).

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sozialismus entwickelten Möglichkeiten zur Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse zunächst aufrechterhalten und im Laufe der Zeit sogar gefestigt und erweitert werden. Die Möglichkeit bei im Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht bestehender Ehe die genetischen Abstammungsverhältnisse durch eine Statusklage unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen klären zu lassen, wurde zunächst durch den Bundesgerichtshof im Jahre 1952 für zulässig erachtet13, bevor die Zulässigkeit dieser Klärungsmöglichkeit im Jahre 196914 sogar erstmals ausdrücklich gesetzlich in §§ 640–641k ZPO a. F. verankert wurde. Die Möglichkeit der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse bei im Zeitpunkt der Geburt des Kindes bestehender Ehe wurde im Jahre 1961 durch das Familienrechtsänderungsgesetz15 dadurch erweitert, dass das Anfechtungsrecht des Staatsanwalts abgeschafft wurde und stattdessen das eheliche Kind neben dem ehelichen Vater, dessen Anfechtungsfrist von einem auf zwei Jahre verlängert wurde, nach § 1596 BGB a. F. ein eigenes Recht zur Ehelichkeitsanfechtung erhielt, sodass dem ehelichen Kind die Möglichkeit eröffnet wurde, die genetischen Abstammungsverhältnisse auf eigene Veranlassung inzident unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen klären zu lassen. Im Anschluss wurde es ruhig um die Frage, ob es erforderlich sei, bei im Zeitpunkt der Geburt des Kindes bestehender, genau wie bei im Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht bestehender Ehe die genetischen Abstammungsverhältnisse in einem speziellen Verfahren klären zu können. Erst das Bundesverfassungsgericht brachte mit seiner Entscheidung vom 31. Januar 198916 den Stein dazu wieder ins Rollen, indem es, um dem Recht des ehelichen Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gerecht zu werden, neben der Erweiterung des Katalogs der Anfechtungsgründe des § 1596 BGB a. F. nach Maßgabe der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze, die Einführung einer Abstammungsfeststellungsklage vorschlug, mit der, im Unterschied zu einer bei im Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht bestehenden Ehe, die genetischen Abstammungsverhältnisse ohne die Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen geklärt werden können. Obwohl dieser Vorschlag vom Bundesverfassungsgericht im Jahre 199417 wiederholt wurde, entschied sich der Gesetzgeber im Rahmen der Kind13

BGH, Urteil v. 28.04.1952 – IV ZR 99/51. Gesetz über die rechtliche Stellung nichtehelicher Kinder v. 19.08.1969, BGBl 1243. 15 Familienrechtsänderungsgesetz v. 11.08.1961, BGBl 1221; ausführlich dazu Löhnig, ZRG (GA) 124. Bd. 2007, 323 (342 ff.). 16 BVerfG, Urteil v. 31.01.1989 – 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891 (893). 17 BVerfG, Urteil v. 26.04.1994 – 1 BvR 1299/89, NJW 1994, 2475 (2476). 14

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schaftsrechtsreform im Jahre 199818 nicht nur für die Abschaffung der Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern, sondern auch ausdrücklich gegen die Einführung einer sogenannten isolierten, da rechtsfolgenlosen Möglichkeit zur Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse19. Diese Haltung des Gesetzgebers konnte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 200720 allerdings nicht länger aufrecht erhalten werden, da das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung nicht nur die Einführung eines rechtsförmlichen Verfahrens, mit dem die genetischen Abstammungsverhältnisse geklärt werden können, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, erwähnte, sondern dieses ausdrücklich forderte, indem es dem Gesetzgeber auftrug, ein solches bis zum 31. März 2008 zu schaffen. Die Thematik der (rechtsfolgenlosen) Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse ist jedoch nicht nur rechtshistorisch, sondern auch gesellschaftspolitisch von großem Interesse. Dies liegt daran, dass es sowohl aus immateriellen als auch aus materiellen Gründen von Interesse ist, Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse zu haben und die Erlangung dieser Kenntnis aufgrund gravierender Fortschritte in Wissenschaft und Technik heute nahezu problemlos möglich ist. Da die die moderne Technik anwendenden Labore die Gesellschaft zudem stetig darüber unterrichten, wie leicht und sicher die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten im Hinblick auf die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse sind21, erscheint es durchaus verständlich, dass in der Gesellschaft das Bedürfnis besteht, bei Zweifeln an der genetischen Abstammung des Kindes die zur Verfügung stehenden modernen Möglichkeiten der Wissenschaft und Forschung zu nutzen und die bestehenden Zweifel aus immateriellen oder materiellen Gründen klären zu lassen. Obwohl sich die Zweifelnden aber durchaus bewusst sind, dass das Klären der genetischen Abstammungsverhältnisse unabhängig vom Ergebnis und der mit der Untersuchung verfolgten Intention sowohl eine intakte soziale Familie als auch eine intakte Eltern-Kind-Beziehung gefährden kann, sie aber gleichwohl nicht auf die durch die moderne Wissenschaft und For18

Kindschaftsrechtsreformgesetz v. 16.12.1997, BGBl 2942. BT-Drucks. 13/4899, S. 57, 166. 20 BVerfG, Urteil v. 13.02.2007 – 1 BvR 421/05, NJW 2007, 753. 21 So wird nicht nur im Internet und in Fachzeitschriften Werbung gemacht, sondern die breite Masse wird beispielsweise durch Werbung in öffentlichen Verkehrsmitteln und an Litfasssäulen angesprochen (vgl. Zypries, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15325B). 19

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schung eröffneten Möglichkeiten verzichten möchten, lassen sie die genetischen Abstammungsverhältnisse vielfach heimlich klären22. Darüber, ob dies wünschenswert und interessengerecht ist, kann gestritten werden und wird auch gestritten23, eine Diskussion dieser Problematik ist aber nicht Gegenstand der Arbeit. Da sich technische Entwicklungen aber unabhängig davon, ob sie wünschenswert sind oder nicht, nicht wieder rückgängig machen lassen, wird es immer wieder vorkommen, dass die Zweifelnden auf heimliche Abstammungsuntersuchungen zurückgreifen. Weil durch ein heimliches Vorgehen aber in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen eingegriffen wird und diese mangels Kenntnis der Untersuchung keine rechtfertigende Einwilligung erteilt haben und nach aktueller Rechtsprechung auch keine Rechtfertigung aus kollidierendem Verfassungsrecht hergeleitet werden kann, ist der Gesetzgeber wegen der sich aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht ergebenden Schutzpflicht dazu verpflichtet, den Einzelnen vor einem gegen seinen Willen und gegen sein Wissen vorgenommen Eingriff in sein informationelles Selbstbestimmungsrecht zu schützen24. Zum Schutze der Betroffenen ist er demnach aufgrund des durch die neuen Möglichkeiten der Wissenschaft und Technik und der Rechtsprechung zu heimlich eingeholten Abstammungsgutachten hervorgerufenen Handlungsbedarfs gehalten, das deutsche Abstammungsrecht den Änderungen in Forschung und Rechtsprechung anzupassen und es um ein Verfahren zu erweitern, mit dem der Zweifelnde als Alternative zu einer privaten heimlichen Abstammungsuntersuchung die genetischen Abstammungsverhältnisse ohne die Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen klären lassen kann. Weil er dieses trotz Ankündigung25 unterlassen hatte, wurde der Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht aufgefordert, sich dieses in der Gesellschaft emotional hoch aufgeladenen Themas anzunehmen. Ungeachtet der Tatsache, dass das Recht nur in geringem Maße Einfluss darauf hat, wie 22 Nach Branchenangaben werden 5–10% aller privat eingeholten Abstammungsgutachten heimlich eingeholt [vgl. Rabatta/Richter-Kuhlmann, Dtsch Arztebl 2005; 102: A 89 (Heft 3) (A 89)]. 23 Beispielsweise für die Interessengerechtigkeit Muscheler, FPR 2005, 185 und gegen die Interessengerechtigkeit Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745. 24 Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 135; Murswiek in Sachs, Art. 2 Rn. 25; BVerfG, NJW 2007, 753 (754 Rn. 67); Wagner/Albers, FPR 2007, 416 (416). 25 Bereits der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005 sah auf Seite 123 vor, dass „das Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft [. . .] vereinfacht und unabhängig von einem Anfechtungsverfahren geregelt werden soll“.

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Familien und Partnerschaften gelebt werden und damit auch darauf, wie mit Zweifeln bezüglich der genetischen Abstammung des Kindes umgegangen wird, musste sich der Gesetzgeber dem bundesverfassungsgerichtlichen Auftrag beugen und unter Berücksichtigung einiger Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ein rechtsförmliches Verfahren schaffen, mit dem die genetischen Abstammungsverhältnisse geklärt werden können, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Mit diesem vom Gesetzgeber daraufhin geschaffenen Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB beschäftigt sich die vorliegende Arbeit. Der Gesetzgeber stand vor der Schwierigkeit, ein neues Verfahren in das bereits bestehende deutsche Abstammungsrecht integrieren zu müssen. Bereits in der Vergangenheit wurde das Verhältnis zwischen dem Verfahren zur isolierten Klärung der genetischen Abstammung (von Smid sogar als „Fremdkörper“26 bezeichnet) und dem dem deutschen Abstammungsrecht bereits innewohnenden Vaterschaftsanfechtungsverfahren problematisiert. So fragte Frank beispielsweise, ob die isolierte Klärungsmöglichkeit nur dann bestehen solle, wenn eine Vaterschaftsanfechtungsklage nicht oder nicht mehr in Betracht komme, ob die isolierte Klärungsmöglichkeit im Unterschied zur Vaterschaftsanfechtung jederzeit möglich sein müsse und ob die Klärungsmöglichkeit neben dem Kind und dem rechtlichen Vater auch dem potentiell biologischen Vater offenstehen müsse27. Da sich diese und ähnliche Fragen nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart stellen, wird das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB in der vorliegenden Arbeit nicht isoliert im Hinblick auf Probleme, Mängel und Verfassungsmäßigkeit untersucht, sondern in den Kontext des deutschen Abstammungsrechts gestellt und unter Berücksichtigung dieses teils isoliert und teils unter direkter Einbeziehung des deutschen Abstammungsrechts im Hinblick auf Probleme, Mängel sowie Verfassungsmäßigkeit untersucht.

B. Gang der Untersuchung Da sich die vorliegende Arbeit mit dem Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB beschäftigt, wird im Ersten Teil der Arbeit die Entstehungsgeschichte des § 1598a BGB unter besonderer Berücksichtigung des bundesverfassungsgerichtlichen Urteils dargestellt, auf das die Existenz des § 1598a BGB zurückgeht. 26 27

Smid, JR 1990, 221 (223). Frank, FamRZ 1995, 975 (980).

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Im Zweiten Teil der Arbeit wird die Norm des § 1598a BGB teils isoliert unter Berücksichtigung des bereits bestehenden deutschen Abstammungsrechts und teils unter direkter Einbeziehung des bereits bestehenden deutschen Abstammungsrechts untersucht; im Ersten Kapitel im Hinblick auf ungelöste Probleme und Mängel und im Zweiten Kapitel im Hinblick auf Verfassungsmäßigkeit. Die Abschnitte A. und B. des Ersten Kapitels beschäftigen sich isoliert, allerdings nicht ohne das bestehende deutsche Abstammungsrecht zu berücksichtigen, mit der Norm des § 1598a BGB. In Abschnitt A. wird die Frage beantwortet, wann im Rahmen des § 1598a BGB die Fähigkeit vorliegt, wirksam eine Einwilligung in die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse zu erteilen bzw. zu verweigern und in Abschnitt B. wird darauf aufbauend thematisiert, wer bei fehlender Einwilligungsfähigkeit unter welchen Voraussetzungen zur Erteilung bzw. Verweigerung der Einwilligung berechtigt ist. Im Anschluss an diese isolierte Betrachtung des § 1598a BGB wird in den Abschnitten C. und D. des Ersten Kapitels die Norm des § 1598a BGB unter direkter Einbeziehung des bestehenden deutschen Abstammungsrechts untersucht. Abschnitt C. beschäftigt sich dabei mit den Auswirkungen, die das Klärungsverfahren auf den dem Vaterschaftsanfechtungsverfahren innewohnenden Anfangsverdacht hat und aufbauend darauf, mit den sich aus diesen Auswirkungen ergebenden Konsequenzen für das Klärungsverfahren und Abschnitt D. beschäftigt sich mit der Funktion von Fristen im deutschen Abstammungsrecht und damit, welche Wandlung diese Funktion durch die Einführung des § 1598a BGB erfahren hat. Abschnitt E. widmet sich schließlich der Frage, ob das Ziel des Gesetzgebers, mit der Schaffung des § 1598a BGB der Einholung heimlicher Abstammungsgutachten entgegenzuwirken, erreicht wird und untersucht das Verfahren nach § 1598a BGB im Hinblick darauf. Im Zweiten Kapitel des Zweiten Teils wird das Verfahren nach § 1598a BGB nicht auf ungelöste Probleme und Mängel, sondern auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft. In Abschnitt A. wird festgestellt, ob die Grundrechte der unmittelbar an § 1598a BGB beteiligten Personen gewahrt sind und in Abschnitt B. wird geprüft, ob die Grundrechte der vom Regelungsgegenstand des § 1598 BGB betroffenen Personen gewahrt sind. Entsprechend dem für die Schaffung des § 1598a BGB maßgeblichen Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird bei allen im Zweiten Teil getätigten Ausführungen davon ausgegangen, dass das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB nur zur Klärung der väterlichen Abstammung betrieben werden kann.

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Erst der Dritte Teil der Arbeit widmet sich der Frage, ob mit dem Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB neben der väterlichen auch die mütterliche Abstammung geklärt werden kann, sowie der Aufzeigung und Lösung der sich daraus ergebenden bislang ungelösten Probleme. Als Konsequenz der ausführlichen Darlegung der bisher ungelösten Probleme und Mängel werden im abschließenden Vierten Teil der Arbeit auf der Grundlage der erarbeiteten Ergebnisse Modifizierungen des § 1598a BGB vorgenommen, die in seiner Neufassung münden.

Erster Teil

Entstehung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB Im Ersten Teil der Arbeit wird die Entstehungsgeschichte des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB aufgezeigt. Da Anstoß für die Schaffung des § 1598a BGB das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 200728 war, in dem dem Gesetzgeber aufgetragen wurde, bis zum 31. März 2008 ein rechtsförmliches Verfahren zu schaffen, mit dem die genetischen Abstammungsverhältnisse geklärt werden können, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, wird im Ersten Kapitel zunächst auf das für die Entstehung des § 1598a BGB grundlegende Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingegangen, bevor im Anschluss im Zweiten Kapitel die sich daraus ergebenden Konsequenzen und Möglichkeiten für den Gesetzgeber aufgezeigt werden. Im Dritten Kapitel wird schließlich die finale Entscheidung des Gesetzgebers dargestellt. Erstes Kapitel

Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2007 Angerufen wurde das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde von dem Beschwerdeführer, der sich als rechtlicher Vater in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG in der Ausprägung des Rechts auf Kenntnis der genetischen Abstammung verletzt sah.

A. Sachverhalt Im Jahre 1994 hatte der Beschwerdeführer die Vaterschaft kurz nach der Geburt des Kindes gemäß § 1594 BGB wirksam anerkannt. Nachdem dem Beschwerdeführer aufgrund eines medizinischen Gutachtens attestiert wurde, nur zu 10% zeugungsfähig zu sein, erhob er im Jahre 28

BVerfG, Urteil v. 13.02.2007 – 1 BvR 421/05, NJW 2007, 753.

1. Kap.: Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2007

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2001 nach §§ 1600–1600c BGB Vaterschaftsanfechtungsklage. Diese blieb allerdings erfolglos. In erster Instanz wurde sie vom Familiengericht Hildesheim mit der Begründung abgewiesen, dass die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 S. 2 BGB abgelaufen sei und in zweiter Instanz wurde sie vom Oberlandesgericht Celle mangels Schlüssigkeit abgewiesen, da das medizinische Gutachten nicht geeignet sei, Zweifel an der Vaterschaft zu wecken und damit nicht geeignet sei, den erforderlichen Anfangsverdacht zu begründen29. Wegen der weiter bestehenden Zweifel des Beschwerdeführers an der biologischen Vaterschaft holte dieser im Jahre 2002 ohne Zustimmung der allein sorgeberechtigten Mutter ein privates DNA-Gutachten ein, dem nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers sein Speichel und ein vom Kind benutzter Kaugummi zu Grunde lagen. Am 01. November 2002 erhielt der Beschwerdeführer schließlich die 100%ige Gewissheit, nicht der biologische Vater des Kindes zu sein. In dem daraufhin vom Beschwerdeführer eingeleiteten Vaterschaftsanfechtungsverfahren kam das Familiengericht Hildesheim mit Urteil vom 04. März 200330 zu dem Ergebnis, dass das heimlich eingeholte DNA-Gutachten wegen Verletzung der Grundrechte von Mutter und Kind rechtswidrig sei. Diese Rechtswidrigkeit begründe ein Beweisverwertungsverbot, was die Unverwertbarkeit des DNA-Gutachtens mit sich bringe. Die daraufhin eingelegte Berufung wurde vom Oberlandesgericht Celle mit Urteil vom 29. Oktober 200331 zurückgewiesen. Neben der auch schon in erster Instanz festgestellten Rechtswidrigkeit des DNA-Gutachtens32 und der damit einhergehenden Unverwertbarkeit wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass das Untersuchungsergebnis bereits nicht geeignet sei, Zweifel an der Vaterschaft aufkommen zu lassen, da es aufgrund der heimlichen Einholung keinerlei Identitätsfeststellungen der untersuchten Personen enthalte und deshalb gar nicht feststehe, ob das untersuchte Material tatsächlich von den angegebenen Personen stamme33. 29

Zur Begründung des Anfangsverdachts muss der Anfechtende Umstände vortragen, die objektiv geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes zu wecken, wobei es ausreicht, wenn die Umstände es nicht ganz fernliegend erscheinen lassen, dass ein Anderer Vater des Kindes ist [vgl. BGH, NJW 1998, 2976 (2977); BGH, NJW 2003, 585 (585)]. 30 AG Hildesheim, Urteil v. 04.03.2003 – 37 F 37525/02 Kl. 31 OLG Celle, Urteil v. 29.10.2003 – 15 UF 84/03, NJW 2004, 449. 32 OLG Celle, NJW 2004, 449 (450). 33 OLG Celle, FamRZ 2004, 481 (482); nach Ziff. 2.2.2 der Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten haben sich die Beteiligten durch gültige Legitimationspapiere zu legitimieren.

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1. Teil: Entstehung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB

Zu keinem anderen Ergebnis kam auch der Bundesgerichtshof als Revisionsgericht in seinem Urteil vom 12. Januar 200534. Er machte ebenfalls deutlich, dass ein heimlich eingeholtes DNA-Gutachten wegen Grundrechtsverstoßes rechtswidrig und wegen des damit einhergehenden Beweisverwertungsverbots unverwertbar sei. Zudem wies der Bundesgerichtshof darauf hin, dass der Beschwerdeführer keine weiteren Umstände vorgetragen habe, die geeignet seien, einen Anfangsverdacht zu begründen35. Die daraufhin vor dem Bundesverfassungsgericht geltend gemachte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG begründete der Beschwerdeführer damit, dass der Bundesgerichtshof in seinem Urteil lediglich abstrakt festgestellt habe, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Scheinvaters „nicht höherrangig gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes“ sei36. Durch diese abstrakte Feststellung habe der Bundesgerichtshof verkannt, dass es sich um eine konkrete Grundrechtskollision handle, bei der die einzelnen kollidierenden Grundrechte im Wege einer am konkreten Einzelfall37 vorgenommenen praktischen Konkordanz gegeneinander abgewogen werden müssten38. Das Gericht hätte deshalb die Frage nach dem Vorrang der jeweiligen Positionen bezogen auf den zu beantwortenden Einzelfall klären müssen und nicht dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes generell einen höheren Rang als dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des rechtlichen Vaters zusprechen dürfen. Charakteristisch für diesen konkreten Einzelfall sei insbesondere, dass der Beschwerdeführer und das Kind lediglich zweieinhalb Jahre zusammengelebt haben, sodass zwischen ihnen keine intensive Vater-Kind-Beziehung entstanden sei. Mangels einer solchen spreche die vorliegende Einzelfallkonstellation dafür, dass das Recht des Kindes nicht vorrangig und deshalb das heimlich eingeholte DNA-Gutachten rechtmäßig sei, was zur Folge habe, dass das Gutachten zur Begründung des Anfangsverdachts verwertet werden könne39.

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BGH, Urteil v. 12.01.2005 – XII ZR 227/03, NJW 2005, 497; BGHZ 162, 1. Insbesondere sei die Weigerung der Mutter in ein privates DNA-Gutachten einzuwilligen bzw. dessen Verwertung zu genehmigen nicht geeignet einen die Anfechtungsklage schlüssig machenden Anfangsverdacht zu begründen; a. A. Spickhoff, FamRZ 2003, 1581 (1581). 36 BGH, NJW 2005, 497 (499). 37 OLG Jena, FPR 2003, 375 (376). 38 BVerfG, Urteil v. 13.02.2007 – 1 BvR 421/05 Rn. 17. 39 BVerfG, Urteil v. 13.02.2007 – 1 BvR 421/05 Rn. 18. 35

1. Kap.: Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2007

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B. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerde in seinem zweiten Leitsatz im Hinblick auf das Begehren des Beschwerdeführers zurück (vgl. I.), gab gleichzeitig aber dem Gesetzgeber mit dem ersten Leitsatz auf, bis zum 31. März 2008 ein rechtsförmliches Verfahren bereitzustellen, in dem die Abstammung eines Kindes geklärt werden kann, ohne dadurch juristische Konsequenzen für die rechtliche Beziehung auszulösen (vgl. II.). I. Zweiter Leitsatz Da die vom Bundesverfassungsgericht im zweiten Leitsatz behandelte Frage nach der gerichtlichen Verwertbarkeit eines heimlichen Abstammungsgutachtens nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist, soll die diesbezügliche Begründung des Bundesverfassungsgerichts der Vollständigkeit wegen nur kurz dargestellt, nicht aber dazu Stellung genommen werden. Das Bundesverfassungsgericht folgte bezüglich der Frage der Verwertbarkeit eines heimlichen Abstammungsgutachtens nicht der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, sondern wies die Verfassungsbeschwerde als unbegründet zurück, da es ebenso wie die Instanzgerichte zu dem Ergebnis kam, dass es dem Grundgesetz entspreche, die Verwertung heimlich eingeholter DNA-Gutachten als Beweismittel zur Begründung des Anfangsverdachts wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als informationelles Selbstbestimmungsrecht abzulehnen. Die Verfassungsrichter legten dar, dass bereits durch die heimliche Beschaffung des Genmaterials das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes beeinträchtigt werde und die gerichtliche Verwertung der daraus gewonnenen Erkenntnisse einen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht bedeute. Eine Rechtfertigung dieses Eingriffs habe das Gericht weder durch die widerstreitenden Interessen noch durch eine notwehrähnliche Lage des Beschwerdeführers erkennen können, die es rechtfertigen könnte, sich ohne Zustimmung von Mutter und Kind Kenntnis über die genetischen Daten zu verschaffen. Dies liege zum einen daran, dass das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes Vorrang vor dem Recht des Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes genieße und zum anderen daran, dass sich eine notwehrähnliche Lage des Beschwerdeführers nicht dadurch begründen ließe, dass es bislang kein Verfahren gibt, das es ihm ermöglicht, die Abstammung des ihm zugeordneten Kindes klären und feststellen zu lassen40. 40

BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 95 f., 40).

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1. Teil: Entstehung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB

Folglich sei der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes weder durch die widerstreitenden Interessen des Vaters noch durch das Bestehen einer notwehrähnlichen Situation gerechtfertigt, sodass das Kind in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt sei, was zur Rechtswidrigkeit des heimlich eingeholten DNA-Gutachtens führe41. Ein solches auf rechtswidrige Weise erlangtes Beweismittel sei im zivilrechtlichen Verfahren mit einem Beweisverwertungsverbot behaftet42, da die gerichtliche Verwertung einen erneuten Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bedeuten würde. Es könnten dabei die Grundsätze zur Unverwertbarkeit eines heimlich mitgehörten Telefonats43 auf den Fall eines heimlich eingeholten DNA-Gutachtens übertragen werden. Dieses Ergebnis hatte zur Konsequenz, dass die Verfassungsbeschwerde insoweit als unbegründet abgewiesen wurde44. II. Erster Leitsatz Durch den ersten Leitsatz der Entscheidung wurde dem Gesetzgeber bis zum 31. März 2008 aufgegeben, ein rechtsförmliches Verfahren bereitzustellen, in dem die genetische Abstammung eines Kindes geklärt werden kann, ohne dadurch rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. 1. Begründung des Bundesverfassungsgerichts Grund für den an den Gesetzgeber gerichteten Auftrag sei, dass der Gesetzgeber es unter Verletzung des Rechts des rechtlichen Vaters auf Kennt41 Vgl. zu dieser Problematik: Huber, FamRZ 2004, 825 (826); Spickhoff, FamRZ 2003, 1581 (1581); LG München I, FamRZ 2003, 1580 (1581); Reichelt/Schmidt/ Schmidtke, FamRZ 1995, 777 (779); Rauscher in Staudinger, Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 116; Knoche, FuR 2005, 348 (349); Ohly, JZ 2005, 626 (628); Bundesrechtsanwaltskammer, FPR 2007, 414 (414), die sich allesamt dafür aussprechen, dass es Einzelfälle gebe, in denen das Recht des Vaters als vorrangig anzusehen sei; Muscheler geht in Rn. 566 gar davon aus, dass der heimliche Vaterschaftstest nie rechtswidrig sei. 42 BVerfG, Urteil v. 13.02.2007 – 1 BvR 421/05 Rn. 40; dabei geht das Bundesverfassungsgericht in keiner Weise auf die Herleitung eines Beweisverwertungsverbots ein. In der Zivilprozessordnung gibt es kein gesetzlich normiertes Beweisverwertungsverbot, allerdings ist die Existenz eines solchen aus dem verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht anerkannt (vgl. OLG Celle, FamRZ 2004, 481 (481); Foerste in Musielak ZPO, § 286 Rn. 7; Prütting in MüKo ZPO, § 284 Rn. 67.); a. A. Reichenbach, AcP 2006, 598 (608 ff.), der das Beweisverwertungsverbot aus dem Zivilrecht herleitet. 43 BGH, NJW 2003, 1727 (1727); BVerfG, NJW 1992, 815 (816). 44 BVerfG, NJW 2007, 753 (757 Rn. 90).

1. Kap.: Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2007

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nis der Abstammung seines Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG unterlassen habe, einen Verfahrensweg zu eröffnen, auf dem der rechtliche Vater dieses Recht in angemessener Weise geltend machen und durchsetzen könne. Diesbezüglich legte das Bundesverfassungsgericht dar, dass sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des rechtlichen Vaters ein Anspruch ergebe zu erfahren, ob ein ihm rechtlich zugeordnetes Kind auch tatsächlich von ihm abstammt, der auch die Möglichkeit umfasse, dieses in einem rechtsförmlichen Verfahren feststellen zu lassen45. Das bereits vorhandene Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§ 1600–1600c BGB werde diesem Anspruch nicht gerecht, da dadurch nicht nur das Begehren der bloßen Kenntnis der genetischen Abstammung befriedigt werde, sondern über dieses Begehren hinaus die rechtliche Vaterschaft beendet werde46. 2. Eigene Stellungnahme Eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG setzt zum einen voraus, dass dem rechtlichen Vater überhaupt ein Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes zusteht [vgl. a)] und zum anderen, dass im Zeitpunkt der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung in dieses Recht eingegriffen wurde [vgl. b)]. a) Schutzbereich Dem rechtlichen Vater steht ein verfassungsrechtlich verankertes Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes zu, das grundsätzlich47 durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt wird48. Aufgabe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ist die Gewährleistung der engeren persönlichen Lebenssphäre, zu der ein Bereich der privaten autonomen Lebensgestaltung zählt, in dem der Einzelne seine Persönlichkeit und Individualität frei entwickeln kann49. Die eigene Persönlichkeit wird etwa zur einen Hälfte50 durch 45

BVerfG, NJW 2007, 753 (754 Rn. 60, 63). BVerfG, NJW 2007, 753 (756 Rn. 79). 47 Zu der Ausnahme ausführlich Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.1.a)bb). 48 BVerfG, FamRZ 2003, 816 (820); BVerfG, NJW 2007, 753 (754 Rn. 59); Murswiek in Sachs, Art. 2 Rn. 75a; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, Art. 2 Rn. 32; D. Lorenz in BK Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 244. 49 BVerfG, NJW 1989, 891 (891); BVerfG, NJW 2007, 753 (753 Rn. 59). 50 Haas/Waldenmaier, S. 283. 46

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1. Teil: Entstehung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB

die genetische Veranlagung (sog. genetische Faktoren51) und zur anderen Hälfte durch das eigene Selbstverständnis geprägt, das nicht nur von dem Umfeld, in dem der Einzelne sich befindet (sog. sozio-kulturelle Faktoren52), sondern auch von dem Wissen abhängt, ob eine genetische Beziehung zu einer anderen Person besteht oder nicht. Neben dem Wissen um die eigene genetische Herkunft, die Bedeutung für die eigene genetische Ausstattung hat, nimmt demnach das Wissen, ob und an wen eigene Gene weitergegeben wurden, maßgeblichen Einfluss auf das eigene Selbstverständnis und damit auf die Persönlichkeitsentwicklung53, da das Wissen, sich fortgepflanzt zu haben das Gefühl gibt, sich selbst als Mensch fortzusetzen und auch nach dem Tode auf bestimmte Art und Weise weiterzuleben54. Zudem bedeutet Fortpflanzung insbesondere für einen Mann die Bestätigung seiner Männlichkeit und damit Selbstbestätigung55. Dies gilt, da die Persönlichkeitsentwicklung ein lebenslanger Prozess ist56, auch, wenn die Persönlichkeit aufgrund des fortgeschrittenen Alters grundsätzlich schon recht gefestigt ist. Dass die Frage um die Weitergabe der eigenen Gene, also die Fortpflanzung, für die Persönlichkeitsentwicklung wegweisend ist, wurde bereits von Nipperdey im Jahre 1959 dargelegt57. Im Jahre 2003 stellte dann auch das Bundesverfassungsgericht erstmals fest, dass die Kenntnis der Vaterschaft ebenfalls vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst ist58, was in der Literatur auf Zustimmung gestoßen ist59. Dabei umfasst der Schutzbereich dieses Rechts nicht nur das Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes, sondern zudem das Recht, diese Kenntnis in einem rechtsförmlichen Verfahren zu erlangen, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen60. 51

Nickel, Bd. 1, S. 23. Nickel, Bd. 1, S. 24. 53 Ausführlich zur Persönlichkeitsentwicklung im Erwachsenenalter Meili-Lüthy, S. 73 ff. 54 Fleisch, S. 112; Helms, StAZ 2008, 7 (9). 55 Helms, StAZ 2008, 7 (9); ders. in Festschrift für Rainer Frank, 225 (241). 56 Meili-Lüthy, S. 195 ff. 57 Enneccerus/Nipperdey, BGB AT Bd. 1, § 101 II 5. 58 BVerfG, Urteil v. 09.04.2003 – 1 BvR 1493/96, FamRZ 2003, 816. 59 Gernhuber/Coester-Waltjen, § 52 I Rn. 20; Murswiek in Sachs, Art. 2 Rn. 75a; Stern, Staatsrecht Bd. 4/1, § 99 S. 236; Schwab, Rn. 553; Glaser/Dahlmanns, JR 2007, 316 (317). 60 Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 212; Starck in Mangoldt von/Klein/Starck Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 107; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, Art. 1 Rn. 60. 52

1. Kap.: Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2007

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b) Eingriff Somit liegt ein Eingriff in dieses Recht dann vor, wenn der rechtliche Vater aufgrund der im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geltenden Gesetzeslage keine Möglichkeit hatte, in einem rechtsförmlichen Verfahren die von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes zu erlangen, ohne dabei rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. aa) Private Abstammungsuntersuchung Der zweifelnde rechtliche Vater hat jederzeit die Möglichkeit, mit relativ wenig Aufwand eine private Abstammungsuntersuchung durchzuführen und auf diesem Wege „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“61 klären zu lassen, ob das ihm rechtlich zugeordnete Kind auch genetisch von ihm abstammt62. Für die private Abstammungsuntersuchung erforderliche Test-Kits zur Entnahme des Genmaterials können leicht zum Beispiel im Internet63 oder rezeptfrei in der Apotheke beschafft werden64. Auch die Beschaffung des erforderlichen Genmaterials ist aufgrund der Entwicklung der DNA-Analysetechniken mit wenig Aufwand verbunden, da im Gegensatz zu früher nicht mehr zwingend Blut in flüssiger Form erforderlich ist (wenngleich dieses nach Ziffer 2.3.1 der „Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten 2002“ bevorzugt wird), sondern bereits eine geringe Menge einer DNA-haltigen Körpersubstanz (z. B. Haare, Speichel, Hautschuppen) genügt65.

61 So die Biologin Katja Anslinger vom Rechtsmedizinischen Institut der Universität München [vgl. Hardenberg von, Süddeutsche Zeitung Nr. 45 vom 22.02.08, 2 (2)]. 62 Das Gleiche gilt auch für den potentiell biologischen Vater, der nicht der rechtliche Vater ist, wohl aber seine Vaterschaft festgestellt wissen möchte, weil er glaubt, dass das Kind aus seiner Beziehung mit der Mutter stammt. Dieser soll aber an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden. 63 Berth, Dtsch Arztebl 2002; 99: A 2599 (Heft 40) (A 2599); die Suchmaschine google (www.google.de) findet am 03.10.2008 unter dem Stichwort „Vaterschaftstest“ 155.000 Internetseiten innerhalb von nur 0,24 Sekunden. 64 Rabatta/Richter-Kuhlmann, Dtsch Arztebl 2005; 102: A 89 (Heft 3) (A 89). 65 Bohnert, FPR 2002, 383 (383); Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745 (1745); Schlüter Rn. 288; Huber, FamRZ 2003, 825 (826); Schrep, DER SPIEGEL 3/2004, 72 (73); Hardenberg von, Süddeutsche Zeitung Nr.45 vom 22.02.2008, 2 (2).

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Eine solche private Abstammungsuntersuchung wird nach Schätzungen jährlich rund 20.00066–40.00067 mal in Anspruch genommen und bietet den Vätern die Möglichkeit, preiswert, schnell68 und zuverlässig69 die Abstammung des Kindes zu klären. Da allerdings bei einem solchen Vaterschaftstest Genmaterial des Kindes ausgewertet wird, wird in dessen informationelles Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen70. Nach der im Zeitpunkt der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung geltenden Rechtslage war dieser Eingriff nur dann gerechtfertigt, wenn das Genmaterial mit Einwilligung des Kindes bzw. in den Fällen, in denen das Kind nach seiner natürlichen Reife und Einsichtsfähigkeit noch nicht die erforderliche Einwilligungsfähigkeit besitzt, mit Einwilligung der/des gesetzlichen Vertreter(s) entnommen wurde. Folglich konnte die Abstammung nur dann durch eine private Abstammungsuntersuchung geklärt werden, wenn sowohl die Eltern als auch das Kind diesen Weg beschreiten wollten71. Zudem war diese Vorgehensweise nicht gesetzlich geregelt und schied deshalb als Möglichkeit aus, nach der der rechtliche Vater von seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Gebrauch machen konnte. bb) Heimliche Abstammungsuntersuchung Verweigert das Kind bzw. bei fehlender Einwilligungsfähigkeit des Kindes die Mutter die Einwilligung in eine private Abstammungsuntersuchung, so hat der rechtliche Vater die Möglichkeit, sich heimlich Genmaterial des Kindes zu beschaffen und damit ein heimliches Abstammungsgutachten bei einem privaten Labor einzuholen. Laut der FDP-Abgeordneten LeutheusserSchnarrenberger soll von dieser Möglichkeit allein im Jahr 2005 50.000 mal Gebrauch gemacht worden sein72. 66

BT-Drucks. 16/6561, S. 1. Rabatta, Dtsch Arztebl 2007; 104: A 464 (Heft 8) (A 464). 68 7–10 Werktage (vgl. http://www.kuckuckskinder.org – zuletzt abgerufen am 15.01.2009); 3 Werktage (vgl. http://www.vaterschaftstest.net/faq_2.htm – zuletzt abgerufen am 15.01.2009); 5 Werktage (vgl. http://www.delphiseq.de/pat_faq.html – zuletzt abgerufen am 15.01.2009). 69 Bohnert, FPR 2002, 383 (383); Schlüter, Rn. 288; Hardenberg von, Süddeutsche Zeitung Nr.45 vom 22.02.2008, 2 (2). 70 Ausführlich dazu später Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.2.b). 71 Ausführlich dazu Erster Teil, Erstes Kapitel, B.I. 72 Leutheusser-Schnarrenberger, Plenarprotokoll d. BT 16/118, S. 12221B. 67

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Die Einholung eines solchen heimlichen Gutachtens ist zwar nicht gesetzlich geregelt oder gar strafbar73, wohl aber nach der im Zeitpunkt der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung geltenden Rechtslage wegen Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und des Sorgerechts der Mutter aus Art. 6 Abs. 2 GG rechtswidrig74. Da ein solches heimliches Gutachten aber weder verboten noch strafbar war, half es dem zweifelnden Vater bei der diskreten Bestätigung oder Beseitigung seiner Zweifel; mehr als eine interne Klärung der tatsächlichen Lage gab es aber nicht her75. Allerdings schied das heimliche Gutachten nicht nur wegen seiner Rechtswidrigkeit als Möglichkeit, nach der der rechtliche Vater von seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Gebrauch machen konnte, aus, sondern auch deshalb, weil es mangels gesetzlicher Regelung kein rechtsförmliches Verfahren darstellte76. cc) Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c BGB Verweigert einer der Beteiligten sein Einverständnis zu einer privaten Abstammungsuntersuchung, kann der zweifelnde rechtliche Vater, der die genetischen Abstammungsverhältnisse in einem rechtsförmlichen Verfahren klären lassen möchte, die Vaterschaft nach §§ 1600–1600c BGB unter Einhaltung der Zwei-Jahres-Frist des § 1600b BGB anfechten77, da bei Schlüs73 Die Bundesregierung möchte in dem geplanten Gendiagnostikgesetz heimliche DNA-Tests generell verbieten und unter Strafe stellen, und damit das, was bereits im Diskussionsentwurf vom 15.10.2004 berücksichtigt wurde, in dieser Legislaturperiode fortführen [vgl. S. 86 des Koalitionsvertrags; Schmidt/Ulrich, DER SPIEGEL 7/2005, 54 (54); Muscheler, FPR 2005, 185 (185)]. 74 BVerfG, FuR 2007, 258 (259); ausführlich dazu Erster Teil, Erstes Kapitel, B.I. 75 Knoche, FuR 2005, 349 (353). 76 Auf die Frage, ob es nicht in Einzelfällen aus der verfassungsrechtlich verankerten Pflicht zur Förderung der Familie [vgl. Spickhoff, FamRZ 2003, 1581 (1581); Schmitt-Kammler in Sachs, Art. 6 Rn. 30; Pieroth in Jarass/Pieroth, Art. 6 Rn. 10; Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745 (1749)], die das Interesse am Erhalt einer intakten Familie sowie das Recht des Kindes, ungestört in den gewohnten sozialen Bindungen einer Familiengemeinschaft aufwachsen zu können [vgl. BGH, FamRZ 1999, 716 (716); Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745 (1749); Bundesrechtsanwaltskammer, FPR 2007, 414 (414)], erfasst, geboten ist, die Zweifel des rechtlichen Vaters, die sich in immerhin 80% der Fälle als unbegründet erweisen [vgl. Huber, FamRZ 2004, 825 (826); Muscheler, FPR 2005, 185 (186); Zuck, ZRP 2005, 117 (118)], heimlich, ohne Offenlegung des Verdachts der Untreue, klären zu lassen, soll nicht eingegangen werden. 77 Der rechtliche Vater ist nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB anfechtungsberechtigt, der potentiell biologische Vater nach § 1600 Abs. 1 Nr 2 BGB unter den zusätz-

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sigkeit der Vaterschaftsanfechtungsklage im Rahmen des Anfechtungsprozesses wegen des dort geltenden Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 640 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 616 Abs. 1 ZPO78 nach § 372a ZPO auch gegen den Willen des Kindes und der Mutter ein Abstammungsgutachten eingeholt wird79. Zur Begründung der Schlüssigkeit hält der Bundesgerichtshof trotz heftiger Kritik in der Literatur80 an dem Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts fest81, sodass es nicht genügt, dass der klagende rechtliche Vater vorbringt, nicht der biologische Vater des Kindes zu sein und ein nach § 372a ZPO einzuholendes gerichtliches Sachverständigengutachten werde dieses beweisen82. Vielmehr muss der Kläger Umstände vortragen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes von dem als Vater geltenden Kläger zu wecken und die Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem anderen Mann als nicht ganz fernliegend erscheinen zu lassen83. Ein solcher begründeter Anfangsverdacht kann nicht bereits dadurch bejaht werden, dass sich die Mutter im Namen des Kindes weigert, an einer DNA-Begutachtung mitzuwirken84, dass auf die mangelnde Ähnlichkeit zwischen Vater und Kind hingewiesen wird85 oder, dass der rechtliche Vater einen anonymen Telefonanruf erhält, in dem ihm mitgeteilt wird, dass das Kind nicht von ihm abstamme86. Da bloße Gerüchte demnach den Anfangsverdacht nicht zu begründen vermögen87, ist der Kläger vielmehr gezwungen, der Mutter einen Mehrverlichen Voraussetzungen des § 1600 Abs. 2, 3 BGB [ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.2.a)bb)(3)]. 78 Huber, FamRZ 2004, 825 (825); Knoche, FuR 2005, 348 (348). 79 LG München I, FamRZ 2003, 1580 (1580); Wanitzek, FPR 2002, 390 (398). 80 Knoche, FuR 2005, 348 (355); Ohly, JZ 2005, 626 (628); Wellenhofer, FamRZ 2005, 665 (668); Zuck, ZRP 2005, 117 (118); Huber, FamRZ 2006, 1425 (1425); Wolf, NJW 2005, 2417 (2420); Reichenbach, AcP 2006, 598 (603); Henrich, FamRZ 2008, 502 (502); a. A. Willutzki, ZRP 2007, 180 (181). 81 BGH, FamRZ 1998, 955 (957); Eckebrecht, MDR 1999, 71 (73). 82 Wellenhofer, FamRZ 2005, 665 (665); Diederichsen in Palandt, § 1599 Rn. 5; a. A. Demharter, FamRZ 1985, 232 (235). 83 BGH, FamRZ 1998, 955 (957); Eckebrecht, MDR 1999, 71 (73). 84 BGH, NJW 2005, 497 (497); Muscheler, FPR 2005, 185 (185); Klinkhammer, FF 2005, 150 (150); Bohnert, FPR 2002, 383 (389); a. A. Mutschler, FamRZ 2003, 74 (76). 85 Muscheler, FPR 2005, 185 (185); Diederichsen in Palandt, § 1599 Rn. 5; OLG Köln, FamRZ 2004, 1987 (1987). 86 BGH, FamRZ 2008, 501 (502). 87 Leis, Beilage AnwBl 2007, 97 (98).

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kehr nachzuweisen oder den Geschlechtsverkehr mit der Mutter während der Empfängniszeit zu leugnen88. Letztlich wird also vom anfechtenden Vater verlangt, substantiiert Tatsachen vorzutragen, die diesem gar nicht bekannt sein89 (Mehrverkehr) bzw. nur schwer plausibel vorgetragen werden können (Leugnung des Geschlechtsverkehrs). Aufgrund dieser strengen Anforderungen gelingt es dem rechtlichen Vater zumeist bereits nicht, die Eingangsbarriere der Begründung des Anfangsverdachts zu überwinden und überhaupt in das Vaterschaftsanfechtungsverfahren hineinzugelangen. Aber selbst, wenn dieses dem rechtlichen Vater gelingen sollte und sich ihm dadurch die Möglichkeit eröffnet, die genetischen Abstammungsverhältnisse in einem rechtsförmlichen Verfahren durch ein nach § 372a ZPO eingeholtes gerichtliches Abstammungsgutachten klären zu lassen, kann der rechtliche Vater die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kind nur unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen klären lassen, da die rechtliche Vaterschaft automatisch mit Rückwirkung auf den Tag der Geburt des Kindes beendet wird, wenn sich aufgrund des gerichtlichen Abstammungsgutachtens herausstellt, dass der rechtliche nicht auch der biologische Vater ist. dd) Gerichtliche Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kann eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses erhoben werden. Darunter fallen die Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen einer rechtlich bereits erfolgten bzw. nicht erfolgten Zuordnung90. Dabei hat die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer bereits erfolgten rechtlichen Zuordnung einen sehr geringen Anwendungsbereich, da andernfalls der § 640 Abs. 2 Nr. 2 ZPO leer liefe91. Nicht erfasst werden deshalb die Verfahren, in denen geltend gemacht wird, dass das während der Ehe geborene Kind nicht von dem Ehemann der Mutter abstammt oder dass das wirksam anerkannte Kind nicht von dem Mann abstammt, der die Anerkennung wirksam erklärt hat. 88 OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 1532 (1532); OLG Köln, NJW 1998, 2985 (2985). 89 Knoche, FuR 2005, 348 (353); Brosius-Gersdorf, NJW 2007, 806 (812). 90 Coester-Waltjen in MüKo ZPO, § 640 Rn. 4. 91 § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur anwendbar in den von Coester-Waltjen in MüKo ZPO, § 640 Rn. 6 ff. aufgezählten Beispielen.

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In Abgrenzung zu § 640 Abs. 2 Nr. 2 ZPO werden deshalb hauptsächlich die Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen einer rechtlich noch nicht erfolgten Zuordnung von § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erfasst92. Eine Klage, die sich mit dem Bestehen einer rechtlich noch nicht erfolgten Zuordnung befasst, stellte die positive Vaterschaftsfeststellungsklage nach § 1600d BGB dar. Diese gibt die Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft mit dem Ziel, den biologischen Vater zu ermitteln, wenn das Kind rechtlich vaterlos ist. Zu einer rechtlichen Vaterlosigkeit kommt es, wenn das Kind nicht in eine bestehende Ehe geboren wird, wenn kein Mann die Vaterschaft wirksam anerkannt hat oder wenn die Vaterschaft wirksam nach §§ 1600–1600c BGB angefochten wurde93. In einem solchen Fall ungeklärter Vaterschaft können der potentiell biologische Vater, das Kind und die Mutter nach §§ 1600d, e BGB auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft klagen. Wird der biologische Vater durch ein wegen des geltenden Untersuchungsgrundsatzes (vgl. § 640 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 616 Abs. 1 ZPO) nach § 372a ZPO einzuholendes gerichtliches Abstammungsgutachten oder, falls dieses ausnahmsweise nicht den gewünschten Erfolg bringt, durch die Abstammungsvermutung nach § 1600d Abs. 2 S. 2 BGB ermittelt94, so tritt dieser in die Stellung des rechtlichen Vaters ein. Da das Verfahren nach § 1600d BGB aber gerade nur bei rechtlicher Vaterlosigkeit zulässig ist95, gibt es nur dem potentiell biologischen Vater, nicht aber dem rechtlichen Vater die Möglichkeit, die genetische Abstammung klären zu lassen. Zudem ist dieses Verfahren kein rechtsförmliches Verfahren, mit dem die genetische Abstammung festgestellt werden kann, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, da der potentiell biologische Vater im Falle des Bestehens der biologischen Vaterschaft automatisch in die Stellung des rechtlichen Vaters eintritt96.

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Coester-Waltjen in MüKo ZPO, § 640 Rn. 18. Diederichsen in Palandt, § 1600d Rn. 8; Rauscher in Staudinger, § 1600d Rn. 9 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 52 IV Rn. 73; Löhnig, Rn. 34; Schwab, Rn. 540. 94 Kirchmeier, FPR 2002, 370 (370); Rauscher in Staudinger, § 1600d Rn. 19; Seidel in MüKo BGB, § 1600d Rn. 42. 95 Kirchmeier, FPR 2002, 370 (370). 96 Schwab, Rn. 542. 93

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ee) Gerichtliche Feststellung der genetischen Abstammung gemäß § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Neben Streitigkeiten über das Bestehen einer rechtlich noch nicht erfolgten Zuordnung werden von § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auch Streitigkeiten über das Nichtbestehen einer rechtlich noch nicht erfolgten Zuordnung erfasst. Somit ist nicht nur eine positive Feststellungsklage nach § 1600d BGB zulässig, sondern durch den § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wird auch die Möglichkeit eröffnet, eine negative Feststellungsklage zu erheben. Relevant wird eine solche Klage beispielsweise dann, wenn eine Vaterschaft von Kind oder Mutter öffentlich behauptet wird97. Da von § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aber nur die Fälle erfasst werden, in denen eine rechtliche Zuordnung noch nicht vorgenommen wurde98, gibt es auch noch keinen rechtlichen Vater, der Klage erheben könnte. Folglich eröffnete auch die Klage nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dem rechtlichen Vater nicht die Möglichkeit, die genetische Abstammung des Kindes in einem rechtsförmlichen Verfahren feststellen zu lassen. ff) Isolierte Abstammungsfeststellungsklage Das im Zeitpunkt der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung geltende Recht kannte keine spezielle Regelung einer isolierten Klage des zweifelnden rechtlichen Vaters, die lediglich auf die Feststellung der genetischen Abstammungsverhältnisse gerichtet war, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen99. Wenngleich eine solche isolierte Abstammungsfeststellungsklage in der Literatur teilweise, wenn auch unter anderer Bezeichnung, bereits seit Jahren gefordert wurde100, hatte sich der Gesetzgeber im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform ausdrücklich gegen die Zulassung einer solchen Klage 97

Schwab, Rn. 546. Siehe Fn. 92. 99 Löhnig, Rn. 65; Merkel, NJW-Spezial 2007, 468 (468); Brosius-Gersdorf, NJW 2007, 806 (812). 100 Knoche, FuR 2005, 348 (355); Wellenhofer-Klein in MüKo BGB (4. Auflage), vor § 1599 Rn. 26 f.; Oberloskamp, FuR 1991, 263 (269); Kemper, FuR 1994, 231 (233); Gernhuber/Coester-Waltjen, § 52 I Rn. 20; Brosius-Gersdorf, S. 128 ff.; ablehnend: Frank, FamRZ 1995, 975 (980); ders., StAZ 2003, 129 (135); Klinkhammer, FF 2005, 150 (151); Schwonberg, JAmt 2005, 265 (273); Giesen, JZ 1989, 364 (375); Lüderitz/Dethloff, § 10 Rn. 37; Reinke, S. 154 ff. 98

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1. Teil: Entstehung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB

zur Feststellung der Vaterschaft entschieden101, was seitdem auch von der Rechtsprechung bestätigt wurde102. gg) Allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO Für den zweifelnden rechtlichen Vater bestand auch nicht die Möglichkeit, durch eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO die genetischen Abstammungsverhältnisse feststellen zu lassen. Zwar wäre durch ein Vorgehen nach § 256 ZPO gewährleistet, dass die genetische Verbindung zwischen rechtlichem Vater und dem ihm zugeordneten Kind in einem rechtsförmlichen Verfahren geklärt werden könnte, ohne dass dies rechtliche Konsequenzen zur Folge hätte, allerdings sprechen einige Gründe gegen eine Anwendung des § 256 ZPO. Zum einen spricht dagegen, dass es nach überwiegender Ansicht an dem erforderlichen Rechtsverhältnis fehlt. Zwar werden in einigen wenigen Vorschriften an die genetische Abstammung rechtliche Konsequenzen geknüpft (vgl. § 1307 BGB, § 173 StGB), allerdings ändert dieses nichts daran, dass die festzustellende genetische Abstammung selbst eine rein naturwissenschaftliche Tatsache ist und als solche kein Rechtsverhältnis darstellen kann103. Auch wenn vereinzelt vertreten wird, dass bereits durch die bloße Begründung von Rechtsfolgen ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO begründet werde104, kann diese Ansicht zumindest nicht für die genetische Abstammung gelten. Im Verfahren nach § 256 ZPO gilt die Dispositionsmaxime, sodass beispielsweise ein Anerkenntnisurteil ergehen kann. Ist dies der Fall, so wird bloß die prozessuale, nicht aber die biologische Wahrheit festgestellt, was aber in den Fällen der § 1307 BGB, § 173 StGB, in denen es gerade um die Feststellung der Blutsverwandtschaft geht, zwingend von Nöten ist, da andernfalls auch gänzlich auf die Feststellung der genetischen Abstammung verzichtet werden könnte. Zum anderen spricht gegen die Anwendung des § 256 ZPO, dass es im allgemeinen Verfahrensrecht keine dem § 640h ZPO vergleichbare Norm gibt, mit der Folge, dass das Urteil nicht für und gegen alle wirken würde, sondern nur inter partes105. Aus diesem Grund wird man wohl davon aus101

BT-Drucks. 13/4899, S. 57, 166. So z. B. OLG Hamm, FamRZ 1999, 1365 (1366); BGH, NJW 2007, 1677 (1681). 103 Gaul, FamRZ 2000, 1461 (1474); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 256 Rn. 14; Reichold in Thomas/Putzo, § 256 Rn. 10; Muscheler, Rn. 532; Wanitzek, S. 391; Helms, S. 120; Sethe von, S. 150. 104 Reinke, S. 152 f. 105 Wanitzek, S. 394 Fn. 185 m. w. N. 102

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gehen können, dass die §§ 640 ff. ZPO als speziellere Norm den § 256 ZPO verdrängen106. Zudem fehlt es zumindest dann an dem erforderlichen rechtlichen Interesse alsbaldiger Feststellung, wenn die genetische Vaterschaft primär aus immateriellen Gründen festgestellt werden soll, da die psychischen, emotionalen oder sozialen Interessen an der Klärung der genetischen Abstammung kein rechtliches Feststellungsinteresse begründen107. Auch dann, wenn das rechtliche Interesse bejaht werden kann, weil die genetischen Abstammungsverhältnisse entweder aus materiellen Interessen, um sich im Falle der fehlenden genetischen Verbindung von den sich mit der rechtlichen Vaterschaft verbundenen Unterhaltspflichten zu befreien oder zur Verhinderung des Inzestverbots nach § 1307 BGB und § 173 StGB festgestellt werden sollen, fehlt es in aller Regel an dem Merkmal des alsbaldigen Feststellungsinteresse, da überwiegend die Blutsverwandtschaft rein vorsorglich für die Zukunft geklärt werden soll und nicht aus aktuellem Anlass108. Aber selbst dann, wenn die genetischen Abstammungsverhältnisse aus aktuellem Anlass geklärt werden sollen und man entgegen der überwiegenden Ansicht das Vorliegen der vorgenannten Punkte bejaht, würde die Möglichkeit der isolierten Feststellung der genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen rechtlichem Vater und Kind nach § 256 ZPO dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, der sich im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform bezüglich der Vaterschaft ausdrücklich gegen die Zulassung einer isolierten Klage zur Feststellung der genetischen Abstammungsverhältnisse entschieden hat109. hh) Auskunftsanspruch des rechtlichen Vaters Um zu erfahren, ob das dem rechtlichen Vater zugeordnete Kind genetisch von diesem abstammt, wäre es eine Möglichkeit, dem rechtlichen Vater einen Anspruch auf Auskunftserteilung darüber zu geben, ob das ihm zugeordnete Kind genetisch von ihm abstammt. Dieser Anspruch wäre nur dann erfolgsversprechend, wenn er gegen eine Person gerichtet ist, die sichere Kenntnis darüber hat, von wem das Kind genetisch abstammt. Da die 106 So auch im Ergebnis Brosius-Gersdorf, S. 34; Muscheler/Bloch, FPR 2002, 339 (346); BGH, FamRZ 2007, 538 (542); Pieper in Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, 3. Kapitel Rn. 116. 107 Wanitzek, S. 393 Fn. 175 m. w. N.; Brosius-Gersdorf, S. 33 f. Fn. 28 m. w. N.; a. A. Reinke, S. 153. 108 Ebenso Gaul, FamRZ 2000, 1461 (1474). 109 BT-Drucks. 13/4899, S. 57, 166; so im Ergebnis auch Muscheler, Rn. 532.

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1. Teil: Entstehung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB

Mutter die einzige Person ist, die diese Kenntnis haben kann, müsste der Auskunftsanspruch des rechtlichen Vaters gegen die Mutter gerichtet sein. Ein derartiger Anspruch war dem deutschen Recht aber im Zeitpunkt der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung fremd110. Einzig im Rahmen des § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB wurde ein Auskunftsanspruch des vormals rechtlichen Vaters auf Nennung des biologischen Vaters gegen die Mutter diskutiert. Grund dafür ist, dass der Mann, dessen rechtliche Vaterschaft durch erfolgreiche Anfechtung beseitigt wurde, nach § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB den biologischen Vater auf Unterhaltsregress in Anspruch nehmen kann. Diese Inanspruchnahme setzt allerdings wegen der Sperrwirkung des § 1600d Abs. 4 BGB bzw. des § 1594 Abs. 1 BGB, nach denen die Rechtswirkungen der Vaterschaft, zu denen auch die Unterhaltspflicht aus §§ 1601 ff. BGB gehört, erst ab dem Zeitpunkt der Feststellung der Vaterschaft bzw. der wirksamen Anerkennung der Vaterschaft geltend gemacht werden können, voraus, dass der biologische Vater entweder durch eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft nach § 1600d BGB oder durch eine wirksame Anerkennung der Vaterschaft § 1594 BGB auch der rechtliche Vater ist111. Da der vormals rechtliche Vater allerdings weder nach § 1600e BGB klagebefugt ist112 noch Einfluss darauf nehmen kann, dass der biologische Vater die Vaterschaft anerkennt, hat er selbst keinerlei Handhabe dafür, dass der biologische Vater in die Stellung des rechtlichen Vaters einrückt und als solcher nach § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB in Anspruch genommen werden kann. Aus diesem Grund hätte auch die Auskunft, wer der biologische Vater des Kindes ist oder zumindest potentiell als solcher in Betracht kommt, dem vormals rechtlichen Vater bei der Durchsetzung seines Regressanspruchs nicht weitergeholfen. Zwar hätte er gewusst, gegen wen der Anspruch auf Zahlung des in der Vergangenheit geleisteten Unterhalts zu richten gewesen wäre, allerdings fehlte es am Schuldner. Da somit die Kenntnis des vormals rechtlichen Vaters über den biologischen bzw. potentiell biologischen Vater nichts an der Durchsetzung seines Regressanspruchs geändert hätte, bestand auch kein Grund, ihm einen Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben (§ 242) zuzusprechen113. 110

Schwab, Rn. 559. Kleinwegener, ZFE 2002, 276 (279); Huber, FamRZ 2004, 145 (145). 112 Huber, FamRZ 2004, 145 (145 Fn. 8 m. w. N.); Frank, StAZ 2003, 129 (130). 113 Seidel in MüKo BGB, § 1589 Rn. 46; Hammermann in Erman Bd. II, § 1607 Rn. 30; Rauscher in Staudinger, § 1599 Rn. 50; Karst, JuS 1993, 633 (635); Kleinwegener, ZFE 2002, 276 (279); a. A. Wolf, NJW 2005, 2417 (2418). 111

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Insbesondere konnte sich der vormals rechtliche Vater nicht den Auskunftsanspruch des Kindes gegen die Mutter auf Nennung des/der potentiellen Vaters/Väter114 nach § 398 BGB abtreten lassen, da es sich beim Auskunftsanspruch des Kindes um einen höchstpersönlichen Anspruch handelt, dessen Abtretung nach § 399 BGB ausgeschlossen ist115. Ein Auskunftsanspruch des vormals rechtlichen Vaters wurde nur ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 826 BGB bejaht, wenn neben den Ehebruch ein weiteres sittenwidriges, schädigendes Verhalten trat116. Dieser ausnahmsweise gegen die Mutter gerichtete Anspruch auf Nennung des/der potentiell biologischen Vaters/Väter, konnte allerdings nicht auf die vorliegende Situation übertragen werden. Zum einen wurde der Anspruch nur für den vormals rechtlichen Vater diskutiert, also nach erfolgreicher Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft, nicht aber für den rechtlichen Vater und zum anderen war der Anspruch nur auf Nennung des biologischen Vaters gerichtet; vorliegend wollte der rechtliche Vater allerdings keine Auskunft darüber, wer als potentiell biologischer Vater in Betracht kommt, sondern darüber, ob er selbst der biologische Vater des ihm zugeordneten Kindes ist. Aber selbst dann, wenn man dem rechtlichen Vater einen Anspruch gegen die Mutter auf Auskunft darüber, ob das ihm zugeordnete Kind genetisch von ihm abstammt, zuspräche117, so würde dieser Anspruch dem rechtlichen Vater bei der Klärung der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes nur bedingt weiterhelfen. Zwar ist die Mutter die einzige Person, die wissen kann, von wem das Kind genetisch abstammt, sodass der rechtliche Vater bei wahrheitsgemäßer Auskunft der Mutter die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kind geklärt hätte; allerdings ist weder gewährleistet, dass die Mutter diese 114

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.II.1.b)hh). Rotax, ZFE 2007, 9 (18). 116 Wellenhofer in MüKo BGB, § 1599 Rn. 34; Hammermann in Erman Bd. II, § 1607 Rn. 30; Rauscher in Staudinger, § 1599 Rn. 55; Pieper in Gerhardt, von Heintschel-Heinegg/Klein, 3. Kapitel Rn. 82; Diederichsen in Palandt, Einf v § 1591 Rn. 3; Kleinwegener, ZFE 2002, 276 (277). 117 So Spickhoff in Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, 13 (29); nach der hier vertretenen Ansicht ist dieser Anspruch zu verneinen, da das materielle Interesse des Vaters an der Kenntnis der genetischen Abstammung hinter dem sexuellen Selbstbestimmungsrecht der Mutter selbst dann zurücktreten muss, wenn die Mutter nicht zur Offenbarung von Details, sondern nur zur Klärung der Abstammung veranlasst wird [vgl. Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(3)(b)]. Wenn also das Recht der Mutter schon bei dem geringren Eingriff überwiegt, so kann nichts anderes bei dem stärkeren Eingriff gelten. 115

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Kenntnis tatsächlich hat118, geschweige denn, dass sie gewillt ist, dem rechtlichen Vater die korrekte Auskunft zu erteilen. Somit kann festgehalten werden, dass ein Anspruch des rechtlichen Vaters gegen die Mutter, gerichtet auf Auskunft darüber, ob das Kind genetisch von ihm abstammt, unabhängig davon, ob er bejaht werden kann oder nicht, nicht geeignet ist, das Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes geltend zu machen und durchzusetzen, da er dem rechtlichen Vater gerade nicht die gewünschte Gewissheit über die genetische Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes gewährleistet119. 118 Weber, FamRZ 1996, 1254 (1259) weist diesbezüglich auf Gedächtnislücken der Mutter, die durch nachlassendes Erinnerungsvermögen oder durch den psychologischen Effekt der Verdrängung hervorgerufen werden könnten, sowie die Mehrverkehrsproblematik hin, bei der es nur möglich ist, alle potentiellen Väter zu benennen, nicht aber konkret den biologischen Vater. 119 Diese dargestellte Rechtslage erfuhr nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine grundlegende Wandlung. Da der vormals rechtliche Vater selbst keinerlei Handhabe dafür hat, dass der biologische Vater in die Stellung des rechtlichen Vaters einrückt und als solcher nach § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB in Anspruch genommen werden kann, können biologischer Vater, Mutter und Kind durch Untätigbleiben den Regressanspruch des vormals rechtlichen Vaters vereiteln. Um dieses unbillige Ergebnis zu verhindern, ist der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16. April 2008 (vgl. BGH, Urteil v. 16.04.2008 – XII ZR 144/06 – Fn. 123) von der uneingeschränkten Geltung der Rechtsausübungssperre abgerückt. Für den vormals rechtlichen Vater bedeutet dies, dass er in begründeten Ausnahmefällen die Feststellung der biologischen Vaterschaft des Regressschuldners im Rahmen des Regressprozesses inzident vornehmen lassen kann und somit seinen Regressanspruch aus § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB verwirklichen kann. Voraussetzung dafür, dass der vormals rechtliche Vater aber überhaupt weiß, wessen biologische Vaterschaft festzustellen ist, und somit, gegen wen sich sein Anspruch aus § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB richtet, ist, dass er Kenntnis darüber hat, wer als potentiell biologischer Vater in Betracht kommt. Zur Erlangung dieser Kenntnis wird dem vormals rechtlichen Vater nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 03. Juli 2008 (vgl. BGH, Beschluss v. 03.07.2008 – I ZB 87/06) ein, nötigenfalls durch Zwangshaft vollstreckbarer, Anspruch gegen die Mutter auf Nennung aller in Betracht kommender potentiell biologischer Väter aus § 242 BGB oder § 826 BGB zugesprochen. Unabhängig davon, dass nach der hier vertretenen Ansicht (ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(3)(b) und Fn. 117) der Anspruch zu verneinen ist, kann er nicht auf die vorliegende Situation übertragen werden, da der Anspruch zum einen nur dem vormals rechtlichen, nicht aber dem rechtlichen Vater zusteht und zum anderen nur auf Auskunft darüber gerichtet ist, wer als potentiell biologischer Vater in Betracht kommt, nicht aber darauf, ob der rechtliche Vater biologischer Vater des ihm zugeordneten Kindes ist. Somit ändert sich durch den Wandel in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nichts an dem im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gefundenen Ergebnis, dass der rechtliche Vater sein Recht nicht mittels eines Auskunftsanspruchs gegen die Mutter verwirklichen kann.

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ii) Zwischenergebnis Für den zweifelnden rechtlichen Vater stellte sich die Gesetzeslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts so dar, dass er zwar ein in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankertes Recht darauf hatte, in einem rechtsförmlichen Verfahren die genetische Verbindung zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kind klären zu lassen, ohne rechtliche Konsequenzen in Kauf nehmen zu müssen, ihm aber kein rechtsförmliches Verfahren zur Verfügung stand, das die rechtmäßige Verwirklichung dieses Rechts gewährleistete. – Das private Abstammungsgutachten gab dem rechtlichen Vater zwar die Möglichkeit, die genetische Abstammung ohne Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen festzustellen, machte die rechtmäßige Ausübung des Rechts aber von der Einwilligung des Kindes bzw. der Mutter und damit vom Willen anderer abhängig und stellte kein rechtsförmliches Verfahren dar. – Das heimliche Abstammungsgutachten gewährleistete dem rechtlichen Vater zwar die Feststellung der genetischen Abstammung ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen, war allerdings nach im maßgeblichen Zeitpunkt nach geltender Rechtsprechung rechtswidrig und stellte kein rechtsförmliches Verfahren dar. – Das Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§ 1600–1600c BGB gewährleistete zwar, wenn es denn dem rechtlichen Vater überhaupt gelang, in das Verfahren hineinzugelangen, die Klärung der genetischen Abstammung von Amts wegen in einem rechtsförmlichen Verfahren, beließ es aber nicht bei dieser, sondern entfaltete durch die automatische Beendigung der rechtlichen Vaterschaft rechtliche Konsequenzen. – Das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 1600d BGB war ein rechtsförmliches Verfahren, das zum einen nur bei rechtlicher Vaterlosigkeit zulässig war und deshalb nur dem potentiell biologischen Vater120 offenstand und mit dem zum anderen die genetischen Abstammungsverhältnisse nicht geklärt werden konnten, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. – Das gerichtliche Feststellungsverfahren nach § 640 Abs. 2 Nr. 2 ZPO stand mangels Klageberechtigung im Sinne des § 1600e BGB nur dem potentiell biologischen Vater121, nicht aber dem rechtlichen Vater offen. – Ein Auskunftsanspruch des rechtlichen Vaters gegen die Mutter auf Auskunft darüber, ob das ihm zugeordnete Kind genetisch von ihm ab120 121

Sowie Mutter und Kind (vgl. § 1600e Abs. 1 BGB). Sowie Mutter und Kind (vgl. § 1600e Abs. 1 BGB).

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stammt, war nicht geeignet, die Abstammungsverhältnisse verlässlich zu klären. Treffend wird die im Zeitpunkt der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung vorliegende Situation von Brosius-Gersdorf beschrieben: „Vaterschaftsfeststellung und Vaterschaftsanfechtung sind untrennbar miteinander verbunden, die Feststellung lässt sich nicht ohne eine Anfechtung und umgekehrt die Anfechtung nicht ohne eine Feststellung der Vaterschaft realisieren“122. Da es demnach zur Zeit der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung kein Verfahren gab, das der Verwirklichung des Rechts auf Kenntnis der genetischen Abstammung des dem rechtlichen Vater zugeordneten Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gerecht wurde, ohne zugleich Konsequenzen für die rechtliche Beziehung zwischen Vater und Kind zu fürchten, lag ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor123. 122

Brosius-Gersdorf, S. 35. Es soll darauf hingewiesen werden, dass der Bundesgerichtshof nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 16. April 2008 von seiner bisherigen Rechtsprechung, nach der eine inzidente Vaterschaftsfeststellung des potentiell biologischen Vaters im Rahmen eines vom ehemals rechtlichen gegen den potentiell biologischen Vater auf Grundlage des § 1607 Abs. 2 S. 3 BGB geführten Regressprozesses ausgeschlossen ist (vgl. BGH, FamRZ 1993, 696.), abgerückt ist. Nach aktueller Rechtsprechung kann der ehemals rechtliche Vater, dem eine Inanspruchnahme des potentiell biologischen Vaters aus § 1607 Abs. 2 S. 3 BGB wegen der Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 4 BGB versagt ist, die genetische Verbindung zwischen Kind und potentiell biologischem Vater unter engen Voraussetzungen inzident im Rahmen des Regressprozesses feststellen lassen. Grund für die Änderung der Rechtsprechung sei zum einen § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB. Diese Norm führe dazu, dass der Regressanspruch des ehemals rechtlichen Vaters undurchsetzbar sei, wenn weder Mutter noch potentiell biologischer Vater und Kind bereit sind, die Vaterschaft nach § 1600d BGB gerichtlich feststellen zu lassen, da der ehemals rechtliche Vater mangels Klageberechtigung nach § 1600e Abs. 1 BGB selbst das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren nicht einleiten kann [kritisch dazu Schwonberg, FamRZ 2008, 449 (451)]. Zum anderen wird die Änderung der Rechtsprechung mit der Einführung des § 1598a BGB begründet, da nach diesem dem rechtlichen Vater erstmals ein Verfahren zur Verfügung steht, mit dem er die genetische Abstammung des Kindes klären lassen kann, ohne dass dieses Auswirkungen auf die statusrechtliche Zuordnung hat. Das früher gegen die inzidente Vaterschaftsfeststellung vorgebrachte Argument, dass ein bestehender Status des Kindes nicht außerhalb eines Statusverfahrens hinterfragt werden solle, sei damit hinfällig. Allerdings gibt dieser Anspruch dem rechtlichen Vater nicht die Möglichkeit, sein Recht auf Kenntnis und rechtsfolgenlose Klärung der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes zu verwirklichen. Zum einen steht der Anspruch nur dem vormals rechtlichen Vater, nicht aber dem rechtlichen Vater zu und zum anderen wird nur die genetische Abstammung des Kindes vom potentiell biologischen Vater, nicht aber die genetische Abstammung vom rechtlichen Vater geklärt. 123

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c) Fazit Wegen der Verletzung des Grundrechts des rechtlichen Vaters bestand unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ein Bedürfnis dafür, ein Verfahren einzuführen, mit dem der rechtliche Vater die genetische Verbindung zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kind klären lassen kann, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Ein derartiges Bedürfnis bestand aber nicht nur unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, sondern auch wegen der vom Gesetzgeber gewählten Ausgestaltung des Abstammungsrechts124, nach der es zum Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Vaterschaft kommen kann, was massive Auswirkungen auf das Leben aller Beteiligten haben kann. Elternschaft kann auf verschiedenen Gründen beruhen, die idealerweise allesamt zusammenfallen: der genetischen Abstammung, einer psychosozialen Beziehung zwischen Eltern und Kind oder einem rechtlichen Zuordnungsakt125. Das Bürgerliche Gesetzbuch beschränkt sich darauf zu regeln, wer die rechtlichen Eltern eines Kindes sind. Nach dem in den §§ 1591 ff. BGB geltenden Abstammungsprinzip („Abstammung bedeutet die biologische Herkunft des Abkömmlings aus der Reihe seiner Vorfahren“126) orientiert sich die Abstammung und damit die rechtliche Elternschaft grundsätzlich an der genetischen Herkunft127. Diese Zuordnung anhand der genetischen Abstammung entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach die biologische Elternschaft die hinreichende Voraussetzung dafür ist, als „Eltern“ bezeichnet zu werden128. Da die genetische Abstammung aber nur durch eine wissenschaftliche Untersuchung oder die wenig offenkundige Zeugung des Kindes festgestellt werden kann, hat der Gesetzgeber sich aus Gründen der Rechtssicherheit dagegen entschieden, die rechtliche Zuordnung des Kindes von der tatsächlichen genetischen Abstammung abhängig zu machen. Stattdessen hat der Gesetzgeber sich dafür entschieden, die rechtliche Elternschaft von einer rechtlichen Zuordnung abhängig zu machen und sich dabei bemüht, ein Zuordnungskriterium zu finden, das unter Berücksichtigung des Abstammungsprinzips zumeist zu einem Zusammentreffen von rechtlicher und genetischer Elternschaft führt und gleichzeitig äußerlich erkennbar und eindeutig feststellbar ist. 124 Ebenso Brosius-Gersdorf, S. 130; BVerfG, NJW 2007, 753 (755 Rn. 74); Sethe von, S. 149. 125 Coester, JZ 1992, 809 (810). 126 Diederichsen in Palandt, Einf v § 1591 Rn. 1. 127 Schwab, Rn. 500. 128 Fleisch, S. 15.

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Die rechtliche Zuordnung eines Kindes zu seiner Mutter richtet sich nach dem zweifelsfrei feststellbaren Ereignis der Geburt (vgl. § 1591 BGB). Zumindest bei einer natürlichen Zeugung, die die Regel darstellt129, führt dieses Zuordnungskriterium grundsätzlich zu einem Zusammenfallen von biologischer und rechtlicher Mutterschaft. Für die rechtliche Zuordnung eines Kindes zu seinem Vater gestaltet es sich schwieriger, ein so eindeutig für jeden erkennbares und zweifelsfrei feststellbares Kriterium wie das der Geburt zu finden, bei dem nach der allgemeinen Lebenserfahrung in aller Regel das Zusammentreffen von rechtlicher und biologischer Elternschaft vermutet werden kann130. Entschieden hat der Gesetzgeber sich letztlich dafür, dass die rechtliche Zuordnung entweder auf einer bestehenden Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB), einer wirksamen Anerkennung der Vaterschaft (§ 1592 Nr. 2 BGB) oder einer gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft (§ 1592 Nr. 3 BGB) beruht. Eine weitere Möglichkeit der Begründung der rechtlichen Vaterschaft besteht nicht131. Demnach wird vermutet, dass regelmäßig der Ehemann Vater der Kinder seiner Ehefrau ist132 und dass derjenige, der durch Anerkennung eine Abstammung aus freien Stücken bestätigt, auch der biologische Vater des wirksam anerkannten Kindes ist133. Konsequenz einer auf einer Vermutung beruhenden Zuweisung ist, dass es zum Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Vaterschaft kommen kann134. Unabhängig davon, ob tatsächlich eine gespaltene Vaterschaft vorliegt oder nicht, kann es bereits zu Zweifeln des durch die Vermutung zum rechtlichen Vater gewordenen Mannes an der biologischen Vaterschaft kommen. Diese Zweifel können auf unterschiedlichen Anlässen beruhen. So können bei einer fehlenden oder schlechten Beziehung zwischen Vater und Mutter die Zweifel darauf beruhen, dass der Vater der Mutter einen unsteten Le129

Muscheler/Bloch, FPR 2002, 339 (340). BVerfG, NJW 2007, 753 (755 Rn. 74); BVerfGE 108, 82 (100); Gernhuber/ Coester-Waltjen, § 52 I Rn. 1; Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1446); Schellhammer, Rn. 1100; Gutzeit/Klebeck in AnwaltKommentar BGB Bd. 4, vor § 1591–1600e Rn. 1. 131 Rauscher in Staudinger, § 1592 Rn. 12. 132 Rauscher in Staudinger, § 1592 Rn. 14; Diederichsen in Palandt, § 1600c Rn. 1. 133 Diederichsen in Palandt, § 1600c Rn. 5; diese auf Vermutungen beruhende Zuweisung der rechtlichen Elternrolle wird in NJW 2003, 2151 (2152) vom BVerfG ausdrücklich für verfassungsgemäß erachtet. 134 Gernhuber/Coester-Waltjen, § 52 I Rn. 3. 130

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benswandel unterstellt und er es deshalb für nicht ausgeschlossen hält, dass neben ihm noch andere Männer als Vater in Betracht kommen. Aber auch bei einer intakten Beziehung zwischen Vater und Mutter kann es zu Zweifeln an der Abstammung des Kindes kommen. In diesem Fall wird es wohl eher selten so sein, dass die Zweifel bereits von Anfang an bestehen. Häufiger wird es so sein, dass die Zweifel erst während des Heranwachsens des Kindes aufkommen, sei es, weil der Vater meint, keine oder nur eine geringe Ähnlichkeit zwischen sich und dem Kind zu erkennen oder weil der Vater durch Andeutungen Dritter Zweifel an der Treue seiner Partnerin bekommt135. Unabhängig davon, worauf die Zweifel des rechtlichen Vaters an der genetischen Abstammung beruhen und wann sie aufkommen, können sie dazu führen, dass sich der von Zweifeln geplagte rechtliche Vater nicht ohne Vorbehalte zu dem Kind bekennt und sich demnach sowohl mit emotionalen als auch mit finanziellen Investitionen in das Kind zurückhält136. Auch gegenüber der Mutter wird der zweifelnde Vater in den Fällen, in denen zwischen Vater und Mutter eine intakte Beziehung besteht, aufgrund des dieser gegenüber gehegten Misstrauens hinsichtlich der Treue, zumindest innerlich, auf Distanz gehen, was nicht selten dazu führt, dass der Vertrauensverlust tiefgreifende Folgen zeigt und selbst eine intakte Beziehung zerstört, sie zumindest aber stark gefährdet137. Weil für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes das Heranwachsen in einer harmonischen Gemeinschaft elementar ist138, wirken sich sowohl das zurückhaltende, distanzierte Verhalten des Vaters gegenüber dem Kind als auch die angespannte Beziehung zwischen den Eltern negativ auf die persönliche Entwicklung des Kindes aus und führen häufig zu nachhaltigen psychischen Belastungen139. Aber auch das Selbstverständnis des Vaters wird durch die Zweifel beeinträchtigt, da die Kenntnis des Vaters um die genetische Abstammung des Kindes dafür ausschlaggebend ist, in welchem sozialen und emotionalen Verhältnis der Vater sich zu Mutter und Kind sieht140.

135 Haas/Waldenmaier, S. 293 weisen darauf hin, dass es häufig Verwandte sind, die Zweifel an der genetischen Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater haben. 136 Huber, FamRZ 2004, 825 (826); Huber, FamRZ 2006, 1425 (1426). 137 Bohnert, FPR 2002, 383 (386); Zuck, ZRP 2005, 117 (118); Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745 (1746); Finger, JR 2007, 50 (53); Plautz, ZRP 2004, 215 (215). 138 Robbers in Mangoldt von/Klein/Starck Bd. 1, Art. 6 Abs. 2 Rn. 147. 139 Bundesrechtsanwaltskammer, FPR 2007, 414 (414). 140 BVerfG, NJW 2007, 753 (754 Rn. 59).

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1. Teil: Entstehung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB

Somit ist es sowohl für den inneren Frieden des Vaters und die persönliche Entwicklung des Kindes als auch für den Familienfrieden geboten, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das dem rechtlichen Vater Zugang zu den ihm vorenthaltenen Informationen ermöglicht, die für die Kenntnis der genetischen Abstammung eines Kindes von ihm erforderlich sind, ohne gleichzeitig den weiterhin gewünschten Zusammenhalt der Familie zu gefährden. Auch wenn dem rechtlichen Vater dabei kein Anspruch gegen den Staat auf Informationsverschaffung und damit auf die Einführung eines solchen Verfahrens zusteht, wird er doch davor geschützt, dass ihm erlangbare Informationen vorenthalten werden141. Da der Staat Adressat dieser Aussage ist, ist sie dahingehend zu verstehen, dass der einfache Gesetzgeber dafür zu sorgen hat, dass, unter Beachtung der schützwürdigen Interessen anderer, niemandem erlangbare Informationen über seine Identität vorenthalten werden142. Zusammenfassend kann demnach festgehalten werden, dass sowohl aus verfassungsrechtlichen Gründen als auch aufgrund der gesetzgeberischen Entscheidung bei der Gestaltung des Abstammungsrechts das Bedürfnis nach einer einfach-gesetzlichen Regelung besteht143, durch die dem rechtlichen Vater die Möglichkeit eröffnet wird, in einem rechtsförmlichen Verfahren die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kind klären zu lassen, ohne dabei rechtliche Konsequenzen in Kauf nehmen zu müssen. Zweites Kapitel

Konsequenzen und Möglichkeiten A. Konsequenz des Urteils für den Gesetzgeber Konsequenz des Urteils war, dass der Gesetzgeber bis zum 31. März 2008 ein auf einfach-gesetzlicher Grundlage basierendes rechtsförmliches Verfahren zur Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse schaffen musste. 141 BVerfGE 79, 256 (269); Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 212; Wellenhofer in MüKo Ergänzungsband, § 1599 Rn. 17c. 142 So auch Enders, NJW 1989, 881 (883); Wellenhofer, JuS 2007, 472 (473); Lenze, ZfJ 1998, 101 (101); Starck in Mangoldt von/Klein/Starck Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 107, der dies sogar dahingehend interpretiert, dass der Staat ein Verfahren über die Feststellung der Vaterschaft zur Verfügung zu stellen habe. 143 BVerfG, NJW 2005, 2376 (2380).

2. Kap.: Konsequenzen und Möglichkeiten

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B. Möglichkeiten des Gesetzgebers Obwohl die Verfassungsrichter dem Gesetzgeber bezüglich der Ausgestaltung dieses neu zu schaffenden Verfahrens bestimmte Vorgaben machten, die dieser bei dem Entwurf zu berücksichtigen habe, räumten sie ihm bezüglich der Art und Weise, in der er seiner Verpflichtung zur Bereitstellung dieses Verfahrens nachzukommen habe, einen Gestaltungsspielraum ein144. Trotz dieses Gestaltungsspielraums fühlten sich die Verfassungsrichter allerdings nicht daran gehindert, teilweise zu den bereits im Vorfeld der Entscheidung zur Klärung der genetischen Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater gemachten Vorschlägen Stellung zu nehmen. Den Stein dazu, dass bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Vorschläge zur Klärung der genetischen Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater gemacht wurden, wurde durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2005145 ins Rollen gebracht, in der es um die Frage der gerichtlichen Verwertbarkeit eines heimlich eingeholten Abstammungsgutachtens ging. Aufgrund des Entscheidungsgegenstandes beschäftigten sich die vor der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung gemachten Vorschläge zwar primär damit, ob es interessensgerecht und verfassungsgemäß sei, ein heimlich eingeholtes Gutachten gerichtlich nicht zu verwerten und was zur Verhinderung heimlicher Abstammungsgutachten getan werden müsse. Da allerdings Abstammungsgutachten vom rechtlichen Vater eingeholt werden, um Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kind zu erlangen, wurde automatisch auch thematisiert, wie dieser, ohne auf ein heimliches Gutachten ausweichen zu müssen, Kenntnis von der genetischen Verbindung zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kindes erlangen kann. I. Absenkung der Anforderungen an den Anfangsverdacht Überwiegend wurde die Auffassung vertreten, dass heimliche Abstammungsgutachten durch eine Senkung der im Rahmen der Vaterschaftsanfechtung an die Begründung des Anfangsverdachts gestellten Anforderungen verhindert werden könnten146. So sah auch der Referentenentwurf des 144

BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 97). BGH, Urteil v. 12.01.2005 – XII ZR 227/03, NJW 2005, 497; BGHZ 162, 1. 146 Knoche, FuR 2005, 348 (355); Ohly, JZ 2005, 626 (628); Wellenhofer, FamRZ 2005, 665 (668); Zuck, ZRP 2005, 117 (118); Huber, FamRZ 2006, 1425 (1425); Wolf, NJW 2005, 2417 (2420); Spickhoff in Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, 13 (51). 145

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1. Teil: Entstehung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB

Bundesjustizministeriums vom 14. Februar 2006 für ein „Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ vor, die Anforderungen an die Substantiierung einer Vaterschaftsanfechtungsklage abzusenken (vgl. § 180 Abs. 2 S. 2 FamFG-E147). Dieser Ansicht haben die Verfassungsrichter durch ihr Urteil vom 13. Februar 2007 aber gleich in zweifacher Hinsicht die Grundlage entzogen. Zum einen stellten sie unmissverständlich klar, dass die von der Rechtsprechung an die Begründung des Anfangsverdachts gestellten hohen Anforderung bezüglich der Anfechtung der Vaterschaft verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, ja sogar geboten seien148 und zum anderen betonten sie, dass das Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB kein Verfahren darstelle, das dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts gerecht werde, da in diesem der rechtliche Vater, entsprechend dem Ziel des §§ 1600–1600c BGB eine Übereinstimmung von rechtlicher und biologischer Elternschaft zu erreichen149, die genetischen Abstammungsverhältnisse nur auf Kosten des Vaterschaftsstatus und somit gerade nicht rechtsfolgenlos feststellen lassen kann. Aufgrund dieser Rechtsprechung ist auch der Vorschlag von Mutschler abzulehnen, der erwog, das Verfahren zur Abstammungsuntersuchung ohne Änderung des Gesetzes regeln zu können. Der rechtliche Vater solle zunächst an Mutter und Kind mit der Bitte herantreten, in eine außergerichtliche private Abstammungsuntersuchung einzuwilligen. Wird dieser Bitte nicht Folge geleistet, so solle die Verweigerung der Einwilligung den für die Schlüssigkeit der Anfechtungsklage erforderlichen Anfangsverdacht begründen150. Auch der Gesetzgeber beugte sich dieser bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und passte seinen Gesetzesentwurf für ein „Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“151 der geänderten Situation an. Anders als der Referentenentwurf sieht der Gesetzesentwurf vom 10. Mai 2007 keine Absenkung der an die Substantiierung einer Vaterschaftsanfechtungsklage gestellten Anforderungen vor, sondern normierte vielmehr ausdrücklich das bis dato nirgends verankerte Erfordernis eines begründeten Anfangsverdachts152 (vgl. § 171 Abs. 2 S. 2 FamFG-E). 147 148 149 150 151

Referentenentwurf des BJM v. 14.02.2006, S. 413. BVerfG, NJW 2007, 753 (756 Rn. 83). BVerfG, NJW 2007, 753 (756 Rn. 79); Zimmermann, FuR 2008, 323 (327). Mutschler, FamRZ 2003, 74 (76). BR-Drucks. 309/07.

2. Kap.: Konsequenzen und Möglichkeiten

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II. Legalisierung heimlicher Abstammungsgutachten Die baden-württembergische Landesregierung schlug „zum Schutz der Persönlichkeitsrechte bei Abstammungsuntersuchungen“153 am 21. April 2005 vor, den nach § 1600 Abs. 1 BGB anfechtungsberechtigten Personen zur Vorbereitung des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens die isolierte Feststellung der genetischen Abstammung durch die Legalisierung heimlicher Vaterschaftstests zu ermöglichen, um die persönlichen Beziehungen der Beteiligten wegen der Diskretion des Tests nicht zu belasten. Auch diesem Vorschlag entzogen die Verfassungsrichter jegliche Grundlage, indem sie deutlich machten, dass der Staat wegen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verpflichtet sei, den Einzelnen davor zu schützen, dass ein Dritter ohne sein Wissen Zugriff auf seine persönlichen Daten nimmt154. Da der Staat dieser Schutzpflicht nur dann gerecht wird, wenn ein Dritter unter keinen Umständen Zugriff auf persönliche Daten eines anderen hat, ist diese Aussage so zu verstehen, dass auch eine Legalisierung heimlicher Vaterschaftstests durch Bereitstellung eines rechtsförmlichen Verfahrens auszuscheiden hat155. III. Isolierte Abstammungsfeststellung 1. Gerichtlich Die FDP-Fraktion brachte zur Eröffnung einer Möglichkeit zur isolierten Feststellung der genetischen Abstammung am 26. Januar 2005 den Antrag in den Deutschen Bundestag ein, zur rechtsfolgenlosen Vaterschaftsfeststellung ein gerichtliches Feststellungsverfahren einzuführen, in dem die nach § 1600 Abs. 1 BGB anfechtungsberechtigten Personen zwar offen die gene152

BR-Drucks. 309/07, S. 380, 543. BR-Drucks. 280/05; ebenso Spickhoff in Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, 13 (53 f.). 154 BVerfG, NJW 2007, 753 (754 Rn. 67). 155 Ebenso Zimmermann, FuR 2008, 323 (324); a. A. Brosius-Gersdorf, die die Aussage des Bundesverfassungsgerichts nicht zwingend so versteht, dass das Klärungsverfahren als offenes Verfahren ausgestaltet sein muss, sondern die auch eine Legalisierung heimlicher Tests für möglich hält, allerdings nur dann, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird (vgl. Brosius-Gersdorf, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 6, 39 f.); allerdings scheint Brosius-Gersdorf später ihre Meinung geändert zu haben [vgl. Brosius-Gersdorf, NJW 2007, 806 (810)]; Muscheler, FPR 2008, 257 (257), der der Meinung ist, dass sich die Verfassungsrichter lediglich gegen die Verwertbarkeit eines heimlichen Gutachtens im Anfechtungsverfahren ausgesprochen haben. 153

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1. Teil: Entstehung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB

tische Abstammung klären lassen können, nicht aber die rechtliche Zuordnung des Kindes verändert wird156. 2. Außergerichtlich Einen ähnlichen Ansatz verfolgte der Gesetzesantrag des Freistaates Bayern „über genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung in der Familie“ vom 20. Mai 2005157. Danach sollte § 1600f BGB-E geschaffen werden, der den nach § 1600 BGB anfechtungsberechtigten Personen einen Anspruch auf Einwilligung in eine gendiagnostische Abstammungsuntersuchung und auf Gewinnung einer hierfür erforderlichen genetischen Probe einräumte. Dieser Anspruch richtete sich gegen die Person, bei der die genetische Probe entnommen werden muss bzw. bei Minderjährigkeit gegen den gesetzlichen Vertreter. Nur dann, wenn diese Zustimmung verweigert wird, sollte das Gericht eingeschaltet werden können (vgl. § 1600f BGB-E). Dieser Vorschlag des Freistaates Bayern wurde von den Verfassungsrichtern als „verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden“158 bewertet. Auch die Literatur schlug einen Anspruch auf Mitwirkung bzw. auf Zustimmung zu einer außergerichtlichen Abstammungsuntersuchung vor. Im Unterschied zum Vorschlag des Freistaates Bayern vertrat sie allerdings die Ansicht, dass für diesen Anspruch keine neue Rechtsvorschrift geschaffen werden müsse, sondern sich ein solcher bereits aus § 1618a BGB ergebe159. IV. Auskunftsanspruch des rechtlichen Vaters gegen die Mutter Brosius-Gersdorf160 und Spickhoff161 erwogen, dem rechtlichen Vater einen gesetzlich normierten Anspruch gegen die Mutter auf Auskunft über die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kind zu gewähren. Während Spickhoff sich aus Gründen der Gleichbehandlung und Konsequenz für einen derartigen Auskunftsanspruch 156

BT-Drucks. 15/4727. BR-Drucks. 369/05. 158 BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 98). 159 Rittner, FPR 2005, 187 (188); Muscheler, FPR 2005, 185 (186); Spickhoff, NJW 2007, 1628 (1637); Spickhoff in Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, 13 (53). 160 Brosius-Gersdorf, S. 138 f. 161 Spickhoff in Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, 13 (29). 157

3. Kap.: Entscheidung des Gesetzgebers

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aussprach, da das Kind wegen seines vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützten Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung einen derartigen Auskunftsanspruch habe162 und es demnach nur konsequent und gerecht sei, auch dem rechtlichen Vater, der korrespondierend zu dem Recht des Kindes ein ebenfalls vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschütztes Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes hat, einen Auskunftsanspruch zuzusprechen163, verwarf BrosiusGersdorf ihren Vorschlag, da zum einen die Wahrheit der mütterlichen Auskunft fraglich sei und zum anderen durch den offen ausgesprochenen Verdacht der Untreue hervorgerufenen Vertrauensverlust der Fortbestand der elterlichen Beziehung riskiert würde, was das Aufwachsen des Kindes in den gewohnten sozial-familiären Beziehungen gefährde und damit einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff sowohl in das Persönlichkeitsrecht des Kindes als auch in das Elternrecht darstelle.

C. Fazit Auch wenn die Verfassungsrichter dem Gesetzgeber grundsätzlich für die Ausgestaltung des Verfahrens zur Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse einen Gestaltungsspielraum eingeräumt haben, wurden die Ausgestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers gleichwohl dadurch reduziert, dass das Bundesverfassungsgericht einigen denkbaren Möglichkeiten von vornherein jegliche Daseinsberechtigung entzogen hat. Drittes Kapitel

Entscheidung des Gesetzgebers Bereits unmittelbar nach der Urteilsverkündung wurden Gesetzesentwürfe vorgelegt, wodurch der Grundstein dafür gelegt wurde, dass die vom Bundesverfassungsgericht angesichts des umfangreichen gesetzgeberischen Verfahrens erstaunlich kurz bemessene Frist164 eingehalten werden konnte. Dass es dem Gesetzgeber gelungen ist, derart zügig tätig zu werden, ist die logische Konsequenz daraus, dass bereits der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005 auf Seite 123 vorsah, dass „das Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft unter Ausgleich aller betei162

Ausführlich dazu später Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.II.1.b)hh). Spickhoff in Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, 13 (29). 164 Horndasch, ZFE 2007, 404 (404); Schwonberg, ZfF 2007, 177 (178); Wolf in Festschrift für Rainer Frank, 349 (349, 355) spricht gar von einer „ungewöhnlichen Hektik“ mit der der Gesetzgeber vorgegangen ist. 163

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1. Teil: Entstehung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB

ligten Interessen vereinfacht und unabhängig von einem Anfechtungsverfahren geregelt werden soll“ und dass diesbezüglich bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Vorschläge gemacht wurden. Als Erster legte der Bundesrat am 30. März 2007 den Gesetzesentwurf „über genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung in der Familie“165 vor, der auf dem von den Verfassungsrichtern ausdrücklich als „verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden[den]“166 Gesetzesantrag des Freistaates Bayern vom 20. Mai 2005167 beruhte und am 16. Mai 2007 als Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht wurde168. Auch die Bundesregierung blieb nicht untätig und legte am 26. April 2007 einen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums „zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren“169 vor, der vom Bundeskabinett am 11. Juli 2007 gebilligt und am 04. Oktober 2007 als Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht wurde. Da die beiden Gesetzesentwürfe im Grundsatz übereinstimmen170, stand der Gesetzgeber vor der schwierigen Aufgabe, sich für eine der beiden im Regelungsansatz übereinstimmenden Gesetzesentwürfe zu entscheiden. Weil der Gesetzesentwurf der Bundesregierung für gelungener gehalten wurde171, überraschte es nicht, dass der Gesetzesentwurf des Bundesrates am 21. Februar 2008 einstimmig abgelehnt und der Bundesregierung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE in geänderter Fassung verabschiedet wurde, wobei sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Stimme enthielt. Nachdem der Bundesrat am 14. März 2008 diese Entscheidung des Bundestages ohne Aussprache gebilligt hat172, wurde das Gesetz am 31. März 2008 im Bundesgesetzblatt verkündet173. 165

BR-Drucks. 193/07. BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 98). 167 BR-Drucks. 369/05. 168 BT-Drucks. 16/5370. 169 BT-Drucks. 16/6561. 170 BT-Drucks. 16/6561, S. 2; nach Ansicht der Bundesregierung löst der Entwurf des Bundesrates nicht alle relevanten Probleme und wird den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen nicht vollumfänglich gerecht (vgl. Hartenbach, Plenarprotokoll d.BR 832, S. 114C; BT-Drucks. 16/5370, S. 9). 171 Vgl. Deutscher Richterbund, FPR 2007, 418 (418); Leutheusser-Schnarrenberger, Plenarprotokoll d. BT 16/118, S. 12221C; BT-Drucks. 16/5370, S. 9; BTDrucks. 16/8219, S. 8, 10, 11, 12; Zypries, Plenarprotokoll d. BT 16/145, 15325C. 172 BR-Drucks. 130/08. 173 BGBl 2008, 441. 166

3. Kap.: Entscheidung des Gesetzgebers

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Für das deutsche Abstammungsrecht bedeutet dies, dass seit Inkrafttreten des § 1598a BGB am 01. April 2008 zwei voneinander unabhängige Verfahren nebeneinander stehen: 1. das Verfahren auf Klärung der Abstammung nach § 1598a BGB und 2. das Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§ 1600–1600c BGB, sodass derjenige, der sowohl nach § 1598a BGB als auch nach §§ 1600–1600c BGB vorgehen kann (sog. doppelt Berechtigter) die Wahl hat, ob er nach einem der beiden oder nach beiden Verfahren vorgeht. Entscheidet er sich dafür, nur nach einem Verfahren vorzugehen, so steht es ihm frei, ob er nur das Klärungsverfahren nach § 1598a BGB oder nur das Anfechtungsverfahren nach §§ 1600–1600c BGB betreibt174. Entscheidet er sich dafür, nach beiden Verfahren vorzugehen, so muss er zunächst das Klärungsverfahren und im Anschluss daran das Anfechtungsverfahren betreiben175. Ein umgekehrtes Vorgehen ist dagegen nicht möglich, da das Vorgehen nach § 1598a BGB das Klären der genetischen Abstammungsverhältnisse voraussetzt, was nur dann möglich ist, wenn die genetischen Abstammungsverhältnisse noch unklar sind, also noch nicht, beispielsweise im Rahmen des Anfechtungsverfahrens, geklärt wurden176. Aber auch derjenige, dem ein Vorgehen nach §§ 1600–1600c BGB beispielsweise wegen Fristablaufs oder wegen fehlenden Anfangsverdachts verwehrt ist, hat die Möglichkeit nach § 1598a BGB vorzugehen177. Entscheidet sich ein Klärungsberechtigter dafür, die genetische Abstammung klären zu lassen, ohne den bestehenden Status zu gefährden, so hat er nach § 1598a Abs. 1 BGB einen Anspruch gegen die Anspruchsverpflichteten auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und Entnahme einer dafür geeigneten genetischen Probe. Da dieser Anspruch „niederschwellig ausgestaltet“178 und an „gar keine Hürden“179 gebunden ist, genügt es, wenn der Klärungsberechtigte den Anspruchsberechtigten mitteilt, Zweifel an der genetischen Abstammung zu haben und deshalb ein 174 A. A. scheint das FamG Hamm zu sein, das ein Prozesskostenhilfegesuch für einen Anfechtungsantrag als „mutwillig“ i. S. d. § 114 ZPO mit der Begründung ablehnt, der Anfechtungsberechtigte habe nunmehr die Möglichkeit einer außergerichtlichen Klärung nach § 1598a BGB (vgl. JAmt 2008, 527). Diese Argumentation lässt vermuten, dass das FamG Hamm davon ausgeht, dass § 1598a BGB Vorrang vor §§ 1600–1600c BGB hat. 175 Merkel, NJW-Spezial 2007, 468 (469). 176 Ebenso Muscheler, FPR 2008, 257 (261). 177 Diederichsen in Palandt, § 1598a Rn. 2. 178 BT-Drucks. 16/6561, S. 11. 179 Gehb, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15327B.

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1. Teil: Entstehung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB

privates Abstammungsgutachten einholen zu wollen180. Verweigern einer oder beide dennoch die Einwilligung, so kann der Klärungsberechtigte auf Antrag nach § 1598a Abs. 2 BGB ein familiengerichtliches Verfahren (vgl. § 640 Abs. 2 Nr. 2 ZPO i. V. m. § 621 Abs. 1 Nr. 10 ZPO) einleiten, das sich nach den Grundsätzen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt (vgl. § 621a Abs. 1 S. 1 ZPO). Da für diesen Antrag weder ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis noch eine Begründung erforderlich sind181, genügt es, wenn der Klärungsberechtigte darlegt, dass ein Anspruchsverpflichteter außergerichtlich die Einwilligung in die Abstammungsuntersuchung nicht erteilt und/oder die Entnahme der genetischen Probe verweigert hat182. Da zudem der Antrag einzig nach § 1598a Abs. 3 BGB zum Schutze des minderjährigen Kindes unter engen Voraussetzungen ausgesetzt, niemals aber abgelehnt oder abgewiesen werden kann, bedeutet grundsätzlich bereits die Geltendmachung der Ansprüche ihre Begründetheit, sodass die außergerichtlich verweigerte Einwilligung ohne dass das Gericht weitere Darlegungen verlangen oder Beweis erheben muss, in aller Regel vom Gericht ersetzt wird. Diese durch das Gericht ersetzte Einwilligung hat die gleiche Wirkung wie eine von Anfang an nach § 1598a Abs. 1 BGB außergerichtlich erteilte183, sodass der Klärungsberechtigte seinem Willen entsprechend das Abstammungsgutachten einholen kann, während der Wille der Anspruchsverpflichteten schlicht übergangen wird und hinter dem Willen des Klärungsberechtigten zurücktritt. Da demnach auch bei Anrufung des Gerichts die Chancen auf eine Nichteinholung eines Abstammungsgutachtens eher gering sind, ist davon auszugehen, dass der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichtete zumindest dann, wenn ihm bekannt ist, dass sich ein gerichtliches Verfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB anschließt, in aller Regel bereits außergerichtlich seine Einwilligung erteilen wird, um wenigstens die mit dem gerichtlichen Verfahren verbundenen Unannehmlichkeiten zu vermeiden184. Dies scheint 180 So auch Lambrecht, Plenarprotokoll d. BT, 16/118, S. 12226C; Klinkhammer, FF 2007, 128 (129). 181 BT-Drucks. 16/6561, S. 13; Gehb, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15327C; Diederichsen in Palandt, § 1598a Rn. 10. 182 Borth, FPR 2007, 381 (383). 183 BT-Drucks. 16/6561, S. 13. 184 So auch Willutzki, ZRP 2007, 180 (184); Schewe-Gerigk, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15330B; Schwab, FamRZ 2008, 23 (25); Rixe, http://www.bundes tag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_ Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/ index.html, S. 6; Rotax, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/ 27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 1 f.; Knittel, JAmt 2008, 117 (119); Rittner/Rittner, Rechtsmedizin 2007, 389 (390); Wellenhofer in

3. Kap.: Entscheidung des Gesetzgebers

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vom Gesetzgeber auch so gewollt, da dieser in der Gesetzesbegründung erwähnt, dass bereits „der ausdrücklich normierte Anspruch auf eine Abstammungsuntersuchung [. . .] durch seine klarstellende Wirkung den Rechtsfrieden fördern“185 kann und „dass ein gerichtliches Verfahren [. . .] nur in Ausnahmefällen in Anspruch genommen wird“186, sodass „die Anzahl der gerichtlichen Verfahren nach § 1598a BGB [. . .] gering bleiben“187 wird. Die Folge davon ist allerdings, dass der Wille des Anspruchsverpflichteten auch im Rahmen des § 1598a Abs. 1 BGB übergangen wird, da dieser die Einwilligung nicht deshalb erteilt hat, weil es seinem Willen entspricht, sondern vielmehr aus vernünftigen Erwägungen, weil er sich bewusst ist, dass die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens zwar mit Unannehmlichkeiten verbunden ist, in aller Regel aber keinen anderen Ausgang erwarten lässt. Allein daraus, dass die Einwilligung außergerichtlich erteilt wird, kann demnach nicht geschlossen werden, dass die Abstammungsuntersuchung auch dem Willen des Anspruchsverpflichteten entspricht. Im Rahmen des gerichtlichen Ersetzungsverfahrens besteht die Gefahr, dass die Eltern durch die Klärung der genetischen Abstammung in eigenen, von denen des Kindes abweichenden Interessen betroffen sind, sodass es zu einer Kollision des Interesses der Eltern an der Bestimmung der genetischen Abstammung mit dem Interesse des Kindes kommen kann. Um eine solche Interessenkollision von vornherein zu vermeiden, können die Eltern ihr Kind nicht als gesetzliche Vertreter vertreten. Stattdessen bedarf es nach § 1629 Abs. 2a BGB i. V. m. § 1693 BGB i. V. m. § 1909 BGB der Bestellung eines Ergänzungspflegers188. Das auf Grundlage des § 1598a BGB legal erlangte private Abstammungsgutachten kann, wie dies auch vom Bundesverfassungsgericht für in Ordnung befunden wurde189, in einem sich möglicherweise anschließenden MüKo BGB, § 1598a BGB Rn. 13; a. A. Muscheler, FPR 2007, 389 (390) und Zimmermann, FuR 2008, 374 (379), die davon ausgehen, dass es zumeist zu einem gerichtlichen Verfahren kommen wird, da der Anspruchsverpflichtete in dem nur im gerichtlichen Verfahren zur Anwendung kommenden § 1598a Abs. 3 BGB eine Gelegenheit erkennt, das Verfahren zu verzögern; Hammermann, FamRB 2008, 150 (154), der die Gefahr sieht, dass die Beteiligten wegen der gemäß § 1600b Abs. 5 BGB nur bei § 1598a Abs. 2 BGB möglichen Hemmung der Anfechtungsfrist in das gerichtliche Verfahren genötigt werden. 185 BT-Drucks. 16/6561, S. 10. 186 BT-Drucks. 16/6561, S. 11. 187 BT-Drucks. 16/6561, S. 12. 188 Borth, FPR 2007, 381 (384). – Zum Problem, dass es zu dieser Interessenkollision bereits im Rahmen der außergerichtlichen Erklärung der Einwilligung nach § 1598a Abs. 1 BGB kommen kann, ausführlich Zweiter Teil, Erstes Kapitel, B.II. 189 BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 98).

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1. Teil: Entstehung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB

Vaterschaftsanfechtungsverfahren als Abstammungsnachweis im Sinne des § 372a ZPO verwertet werden, vorausgesetzt es entspricht den Qualitätsanforderungen eines gerichtlichen Abstammungsgutachtens und beide Parteien erteilen ihr diesbezügliches Einverständnis. Zudem ist die aufgrund der Legalität des Gutachtens legal erlangte Kenntnis über die Abstammungsverhältnisse im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung zur Begründung des Anfangsverdachts geeignet. Es wird zudem berücksichtigt, dass das Verfahren auf Klärung der genetischen Abstammung gemäß § 1598a BGB Auswirkungen auf das Vaterschaftsanfechtungsverfahren hat, sodass als Anpassung an die geänderte Gesetzeslage die §§ 1600–1600c BGB geringfügig modifiziert wurden.

Zweiter Teil

Vaterschaft Im Zweiten Teil der Arbeit wird das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB in Einklang mit der der Schaffung des § 1598a BGB zu Grunde liegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur unter dem Aspekt der Klärung der genetischen Abstammung des Kindes vom Vater betrachtet190. Dabei wird die Norm des § 1598a BGB im Ersten Kapitel im Hinblick auf ungelöste Probleme und Mängel untersucht und im Zweiten Kapitel im Hinblick auf Verfassungskonformität. Erstes Kapitel

§ 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts In diesem Kapitel werden ungelöste Probleme und Mängel des am 01. April 2008 in Kraft getretenen neu geschaffenen Klärungsverfahrens nach § 1598a BGB aufgezeigt. Dabei wird das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB in den Abschnitten A. und B. isoliert betrachtet; in Abschnitt A. wird die Frage beantwortet, wann im Rahmen des § 1598a BGB die Fähigkeit vorliegt, wirksam eine Einwilligung in die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse zu erteilen bzw. zu verweigern und in Abschnitt B. wird aufbauend darauf untersucht, wer im Falle der fehlenden Einwilligungsfähigkeit unter welchen Voraussetzungen zur Erteilung bzw. Verweigerung der Einwilligung berechtigt ist. Weil das Klärungsverfahren seinen Platz inmitten des bereits bestehenden deutschen Abstammungsrechts gefunden hat, findet die isolierte Betrachtung allerdings unter Berücksichtigung des deutschen Abstammungsrechts statt. Da das aufgrund § 1598a BGB eingeholte private Abstammungsgutachten sowie die daraus erlangte Kenntnis im Rahmen der im Abstammungsrecht platzierten Vaterschaftsanfechtung nach §§ 1600–1600c BGB und Va190 Auf den Aspekt der Klärung der genetischen Abstammung des Kindes von der Mutter wird ausführlich im Dritten Teil eingegangen.

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2. Teil: Vaterschaft

terschaftsfeststellung nach § 1600d BGB verwertet werden können, wird nicht nur die Norm selbst unter Berücksichtigung des deutschen Abstammungsrechts auf ungelöste Probleme und Mängel untersucht, sondern die Untersuchung wird auf das bestehende deutsche Abstammungsrecht erstreckt. So wird in Abschnitt C. untersucht, welche Auswirkungen die Einführung des § 1598a BGB auf den im Vaterschaftsanfechtungsverfahren verankerten Anfangsverdacht hat und welche Konsequenzen diese Auswirkungen für das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB haben und in Abschnitt D. wird die Funktion von Fristen im deutschen Abstammungsrecht dargestellt und erörtert, welche Wandlung diese Funktion durch die Einführung des § 1598a BGB erfahren hat. In Abschnitt E. wird abschließend der Frage nachgegangen, ob durch die Schaffung des § 1598a BGB die Einholung heimlicher Abstammungsgutachten abgeschafft oder zumindest eingedämmt werden kann und das Verfahren nach § 1598a BGB im Hinblick darauf untersucht.

A. Einwilligungsfähigkeit Bei der Abstammungsuntersuchung wird in Grundrechte der an der Untersuchung beteiligten Personen eingegriffen191. Da diese Grundrechtseingriffe allerdings bei Vorliegen einer wirksamen Einwilligung des jeweiligen Betroffenen gerechtfertigt sind192, räumt § 1598a Abs. 1 BGB dem Klärungsberechtigten gegen den Anspruchsverpflichteten einen Anspruch auf Einwilligung in die Durchführung einer privaten Abstammungsuntersuchung ein, indem der Anspruchsverpflichtete dazu verpflichtet ist, in eine private Abstammungsuntersuchung einzuwilligen und die Entnahme einer dafür geeigneten genetischen Probe zu dulden. Damit die Einwilligung allerdings auch tatsächlich geeignet ist, den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen, muss sie wirksam sein, was nur dann der Fall ist, wenn der Betroffene einwilligungsfähig ist. Dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 1598a BGB nur der Anspruchsverpflichtete, nicht aber der Klärungsberechtigte, eine Einwilligung in die Durchführung der Abstammungsuntersuchung erteilen muss, darf nicht die Augen davor verschließen, dass durch die Abstammungsuntersuchung auch in Grundrechte des Klärungsberechtigten eingegriffen wird, da dem Klärungsberechtigten, genau wie dem Anspruchsverpflichteten Gen191

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I. Sachs in Sachs, vor Art. 1 Rn. 55, 57; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, Art. 19 Rn. 81; Pieroth/Schlink, Rn. 131 ff. 192

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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material entnommen und dieses ausgewertet wird, sodass sowohl der Anspruchsverpflichtete als auch der Klärungsberechtigte einwilligungsfähig sein müssen. Die ausdrückliche Erteilung einer Einwilligung des Klärungsberechtigten in die Durchführung einer Abstammungsuntersuchung ist lediglich deshalb entbehrlich, weil die Abstammungsuntersuchung auf Betreiben des Klärungsberechtigten durchgeführt wird und deshalb davon auszugehen ist, dass sie auch seinem Willen entspricht. Unter welchen Voraussetzungen die im Rahmen des § 1598a BGB erforderliche Einwilligungsfähigkeit vorliegt, wird im Folgenden untersucht. I. Literatur In der in der Literatur bezüglich der Verwertbarkeit heimlicher Abstammungsgutachten geführten Diskussion wurde nahezu überwiegend vertreten, dass die Einwilligungsfähigkeit nicht anhand starrer Altersgrenzen, sondern anhand von Einsichtsfähigkeit, Reife und Entwicklungsstand des Betroffenen zu ermitteln sei193. Dies hat zur Folge, dass sowohl für den Minderjährigen als auch für den Volljährigen die Einwilligungsfähigkeit nur unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden kann. II. Gesetzesbegründung Der Gesetzesentwurf enthält keine Aussage darüber, wann im Rahmen des § 1598a BGB Einwilligungsfähigkeit angenommen werden kann und wann nicht. Da sich die Beantwortung der Frage der Einwilligungsfähigkeit allerdings nach der dogmatischen Einordnung der Einwilligung selbst bestimmt, können, wenn der Gesetzgeber eine dogmatische Einordnung der Einwilligung im Sinne des § 1598a BGB vorgenommen hat (vgl. 1.), aus dieser Erkenntnisse für die Beantwortung der Frage der Einwilligungsfähigkeit gezogen werden (vgl. 2.). 1. Dogmatische Einordnung der Einwilligung im Sinne des § 1598a BGB Ausdrücklich äußert sich die Gesetzesbegründung nicht zur Frage der dogmatischen Einordnung der Einwilligung im Sinne des § 1598a BGB. 193

Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745 (1748); Schwonberg, JAmt 2005, 265 (267).

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2. Teil: Vaterschaft

Zwar soll es sich nach der Gesetzesbegründung bei der Einwilligung im Sinne des § 1598a BGB um eine vorherige Zustimmung handeln und gerade nicht wie in § 4a BDSG um ein zeitlich vorher oder nachher erklärtes Einverständnis194. Allerdings sagt diese Definition noch nichts über die dogmatische Einordnung der Einwilligung aus. Jedoch könnte die Tatsache, dass der Gesetzgeber ausdrücklich die Norm des § 183 BGB zitiert, dafür sprechen, dass es sich bei der Einwilligung im Sinne des § 1598a BGB dogmatisch um eine Einwilligung im Sinne des § 183 BGB handeln soll. Zwar könnte gegen eine derartige dogmatische Einordnung sprechen, dass der Gesetzgeber die Norm des § 183 BGB lediglich zu Definitionszwecken erwähnt hat, um in Abgrenzung zu § 4a BDSG zum Ausdruck zu bringen, dass die Zustimmung nur zeitlich vorher, nicht aber nachher erteilt werden kann, nicht aber um damit eine dogmatische Einordnung vorzunehmen. Da der Gesetzgeber allerdings, wenn auch fälschlicherweise195, davon ausgeht, dass im Bürgerlichen Gesetzbuch stets unter einer Einwilligung eine vorherige Zustimmung zu verstehen sei196, hätte es hinsichtlich der Definition von Einwilligung nicht der klarstellenden Funktion des § 183 BGB bedurft, da der § 1598a BGB im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist und sich die Definition der Einwilligung somit bereits allein aus der Systematik ergeben würde. Daraus, dass der Gesetzgeber aber dennoch den § 183 BGB erwähnt, kann demnach nur geschlossen werden, dass er mit der Erwähnung keine definitorische, sondern eine dogmatische Einordnung vornehmen wollte. Somit könnte es sich bei der Einwilligung im Sinne des § 1598a BGB definitorisch um eine vorherige Zustimmung und dogmatisch um eine Einwilligung im Sinne des § 183 BGB handeln197. 2. Einwilligungsfähigkeit Bei dieser dogmatischen Einordnung stellt die Erteilung bzw. Verweigerung der Einwilligung ein selbstständiges, einseitiges Rechtsgeschäft dar, sodass die allgemeinen Vorschriften über Rechtsgeschäfte und einseitig 194 BT-Drucks. 16/6561, S. 13; nach Gola/Schomerus, § 4a Rn. 2 handelt es sich bei der Einwilligung im Sinne des § 4a BDSG allerdings um eine Einwilligung gemäß § 183 BGB, sodass nur das vorherige, nicht aber das nachträgliche Einverständnis erfasst wird. 195 Z. B. in § 1617a Abs. 2 S. 2 BGB und § 1618 S. 3 BGB kann die Erklärung zeitlich auch nachfolgen (vgl. Gursky in Staudinger, Vorbem zu §§ 182 ff. Rn. 3). 196 BT-Drucks. 16/6561, S. 13. 197 So auch Borth, FPR 2007, 381 (382); Muscheler, FPR 2008, 257 (259); Diederichsen in Palandt, § 1598a BGB Rn. 4.

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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empfangsbedingte Willenserklärungen anzuwenden sind198. Demnach findet bei Minderjährigkeit die Vorschrift des § 111 BGB Anwendung, sodass sich ein Minderjähriger für die Erteilung bzw. Verweigerung der Einwilligung stets von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten lassen muss. Minderjährig ist dabei jede Person, die das siebte, nicht aber das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und die nicht ausnahmsweise wegen einer krankhaften Störung ihrer Geistestätigkeit als geschäftsunfähig anzusehen ist199. Eine Person, die dagegen bereits das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist grundsätzlich einwilligungsfähig, es sei denn, es liegt ein Fall des § 104 Nr. 2 BGB oder des § 105 Abs. 2 BGB vor200. Diese Ansicht führt dazu, dass der Minderjährige nie einwilligungsfähig ist, die Einwilligungsfähigkeit des Volljährigen dagegen vom konkreten Einzelfall abhängt. III. Eigene Stellungnahme 1. Dogmatische Einordnung der Einwilligung im Sinne des § 1598a BGB Bei einer Einwilligung handelt es sich nach der Legaldefinition des § 183 S. 1 BGB um eine vorherige Zustimmung. Eine Zustimmung wiederum stellt selbst ein Rechtsgeschäft dar und wird als „Erklärung des Einverständnisses mit einem von anderen vorgenommenen Rechtsgeschäft“201 definiert. Da sich die Einwilligung im Rahmen des § 1598a BGB auf die Einholung eines Abstammungsgutachtens bezieht, müssten sowohl die Einwilligung in die Einholung eines Abstammungsgutachtens als auch die Einholung eines Abstammungsgutachtens selbst ein Rechtsgeschäft darstellen. Qualifiziert man die Einwilligung in eine Abstammungsuntersuchung als Rechtsgeschäft, so finden die allgemeinen Regeln über Rechtsgeschäfte Anwendung. Diese erscheinen allerdings für die vorliegende Konstellation überwiegend unpassend. Wie soll beispielsweise eine nach § 142 Abs. 1 BGB angefochtene Einwilligung rückabgewickelt werden, wenn der Klärungsberechtigte bereits Kenntnis über das Ergebnis der Abstammungsuntersuchung erlangt hat? Da ferner die Anwendung der starren Altersgrenze der Geschäftsfähigkeit gemäß §§ 104 ff. BGB dazu führen würde, dass ein Minderjähriger nie, ein Volljähriger dagegen weit überwiegend, je198 199 200 201

Schramm in MüKo BGB, vor § 182 Rn. 32, 35. J. Schmitt in MüKo BGB, § 111 Rn. 12. J. Schmitt in MüKo BGB, § 105 Rn. 23. Heinrichs in Palandt, Einf v § 182 Rn. 1.

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2. Teil: Vaterschaft

weils ungeachtet der tatsächlichen Reife und Einsichtsfähigkeit eine wirksame Einwilligung erteilen könnten, sprechen die besseren Gründe dafür, die Einwilligung in die Einholung eines Abstammungsgutachtens nicht als Rechtsgeschäft zu qualifizieren. Ebenso scheint es kaum möglich, die Einholung eines Abstammungsgutachtens selbst als Rechtsgeschäft zu qualifizieren. Da unter den Begriff des Rechtsgeschäfts nur Verhaltensweisen fallen, die auf die Herbeiführung einer rechtlichen Folge gerichtet sind202, vermag dieses nur dann zu gelingen, wenn man darauf abstellt, dass der Klärungsberechtigte mit dem Genlabor einen Vertrag über die Erstellung des Abstammungsgutachtens schließt. Wegen des höchstpersönlichen Charakters der Abstammungsuntersuchung ist nach meinem Dafürhalten allerdings das Hauptaugenmerk nicht auf das der Abstammungsuntersuchung zugrundeliegende Rechtsgeschäft zu richten, sondern auf die Abstammungsuntersuchung selbst. Da die Erstellung des Abstammungsgutachtens aber gerade keine rechtsgeschäftliche Handlung darstellt, kann die Einholung des Abstammungsgutachtens nicht als Rechtsgeschäft qualifiziert werden203. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass die Einwilligung im Sinne des § 1598a BGB nicht als Einwilligung im Sinne des § 183 BGB verstanden werden darf, sondern vielmehr als Äußerung oder Bestätigung des Willens, dass im Rahmen der Abstammungsuntersuchung in bestimmter Weise auf Rechtsgüter bzw. Grundrechte eingewirkt werden darf204. 2. Einwilligungsfähigkeit Da durch die Erstellung eines Abstammungsgutachtens in Grundrechte der Person, deren Genmaterial untersucht wird, eingegriffen wird, kann Einwilligungsfähigkeit nur dann gegeben sein, wenn die betroffene Person in der Lage ist, ihre tangierten Grundrechte selbstständig auszuüben. Dies ist dann der Fall, wenn der Grundrechtsträger die erforderliche Reife und Einsichtsfähigkeit besitzt, die mit der Ausübung des Grundrechts verbundenen Tatsachen und Kausalverläufe zu erkennen, diese zu bewerten und nach diesen gewonnenen Erkenntnissen zu entscheiden205. 202

Boecken, Rn. 188. Ebenso Deutsch/Spickhoff, Rn. 255, wonach eine Einwilligung in eine Behandlung, durch die in Rechte oder Rechtsgüter eingegriffen wird, kein Rechtsgeschäft ist, was bedeutet, dass die Einwilligung nicht als vorherige Zustimmung im Sinne des § 183 BGB zu verstehen ist; Schramm in MüKo BGB, vor § 182 Rn. 19; Gursky in Staudinger, Vorbem zu §§ 182 ff. Rn. 10; Muscheler, FPR 2008, 257 (259); a. A. Knothe in Staudinger, Vorbem zu §§ 104–115 Rn. 56 ff. 204 Deutsch/Spickhoff, Rn. 255, 790. 205 Belling/Eberl/Michlik, S. 131. 203

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Konkret auf den Fall einer Abstammungsuntersuchung bezogen bedeutet dies, dass der Betroffene über die erforderliche Reife und Einsichtsfähigkeit verfügen muss, um zu ermessen, welche Bedeutung es hat, die genetische Abstammung zu klären und den damit zusammenhängenden, durch immaterielle und möglicherweise materielle Intentionen hervorgerufenen Tatsachen ausgeliefert zu sein. Für die Feststellung, wann diese Reife und Einsichtsfähigkeit gegeben ist, könnte man aus Gründen der Rechtssicherheit auf starre Altersgrenzen zurückgreifen, wie beispielsweise die im Rahmen der Geschäftsfähigkeit nach §§ 104 ff. BGB oder der Strafmündigkeit nach § 19 StGB geltenden Maßstäbe. Auch wenn dies insbesondere dem Juristen, dem in der Regel die Sachkompetenz fehlt, den individuellen Reifegrad einer Person zu ermitteln206, sehr entgegenkäme, spricht gegen eine derartige Vorgehensweise, dass grundsätzlich derjenige, der Träger eines Grundrechts ist, auch in der Lage ist, dieses selbstständig auszuüben207. Von diesem Grundsatz darf nur dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn es an der Fähigkeit fehlt, bestimmte Tatsachen und Kausalverläufe zu erkennen, diese zu bewerten und nach diesen gewonnenen Erkenntnissen zu entscheiden208. Da sowohl Minderjährigen als auch Volljährigen diese Fähigkeit fehlen kann, kann das Bestehen oder Nichtbestehen dieser Fähigkeit gerade nicht anhand starrer Altersgrenzen209, sondern nur unter Berücksichtigung des jeweiligen konkreten Einzelfalls beantwortet werden. Als ungefähre Leitlinie kann allerdings davon ausgegangen werden, dass Personen unter vierzehn Jahren diese Kompetenz fehlt, während Personen ab vierzehn Jahren ein hinreichendes Verständnis für die Frage der eigenen Abstammung und deren Folgen aufweisen210. Von der gleichen dogmatischen Einordnung der Einwilligung scheint auch der abgelehnte Gesetzesentwurf des Bundesrates ausgegangen zu sein. Zwar bezieht dieser hinsichtlich der dogmatischen Einordnung der Einwilligung nicht ausdrücklich Stellung, allerdings lässt sich dieses aus der Formulierung, dass „das minderjährige, nicht einwilligungsfähige Kind [. . .] selbst nicht handeln [kann]211“, schließen. Hätte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass der Minderjährige ausnahmslos einwilligungsunfähig sein soll, so hätte es nicht der Ergänzung „nicht einwilligungs206

Belling/Eberl/Michlik, S. 131. Sachs in Sachs, vor Art. 1 Rn. 76. 208 Deutsch/Spickhoff, Rn. 789. 209 So auch Belling/Eberl/Michlik, S. 133; Deutsch/Spickhoff, Rn. 789. 210 Ähnlich Schwonberg, JAmt 2005, 265 (267), der die Einwilligungsfähigkeit ab dem 14. Lebensjahr widerleglich vermutet; Deutsch/Spickhoff, Rn. 790 geben als ungefähre Leitlinie 16 Jahre vor. 211 BT-Drucks. 16/5370, S. 7. 207

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fähige“ bedurft. Denn dadurch wird deutlich, dass Fälle denkbar sind, in denen der Minderjährige einwilligungsfähig ist. Ist er dagegen nicht einwilligungsfähig, so muss er sich von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten lassen. IV. Ergebnis Einwilligungsfähigkeit liegt im Rahmen des § 1598a BGB dann vor, wenn der Betroffene über die erforderliche Reife und Einsichtsfähigkeit verfügt, um zu ermessen, welche Bedeutung es hat, die genetische Abstammung zu klären und den damit zusammenhängenden, durch immaterielle und möglicherweise materielle Intentionen hervorgerufenen, Tatsachen ausgeliefert zu sein.

B. Vertretungsbefugnis Verfügt der Betroffene nicht über die erforderliche Reife und Einsichtsfähigkeit, um zu ermessen, welche Bedeutung es hat, die genetische Abstammung zu klären und den damit zusammenhängenden, durch immaterielle und möglicherweise materielle Intentionen hervorgerufenen, Tatsachen ausgeliefert zu sein, so ist er nicht einwilligungsfähig, was bedeutet, dass er nicht in der Lage ist, eine wirksame, die Grundrechtseingriffe rechtfertigende Einwilligung in die Durchführung einer Abstammungsuntersuchung zu erteilen. Wirksam und damit eingriffsrechtfertigend ist die Einwilligung des einwilligungsunfähigen Betroffenen nur dann, wenn sie von einer vertretungsberechtigten Person erteilt wird. I. Vertretungsberechtigter? 1. Einwilligungsunfähigkeit des Kindes In den Fällen, in denen das Kind noch nicht einwilligungsfähig ist, kann die Einwilligung zu dem Abstammungsgutachten nicht von dem Kind selbst, sondern nur von den vertretungsberechtigten Personen erteilt werden. Obwohl es sich bei der Einwilligung, bei deren Erteilung das Kind mangels Einwilligungsfähigkeit vertreten werden muss, um keine Willenserklärung handelt212, bestimmt sich die Beantwortung der Frage, wer zur Vertretung des Kindes berechtigt ist, nach §§ 1626, 1629 BGB. 212

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, A.III.1.

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Nach § 1626 BGB umfasst die elterliche Sorge die Vermögens- und Personensorge, die von den Sorgeberechtigten mittels einer gesetzlichen Vertretung nach § 1629 BGB geregelt wird213. Steht die Klärung der genetischen Abstammung des Kindes in Frage, so handelt es sich dabei um eine höchstpersönliche Angelegenheit des Kindes214. Da somit der Bereich der Personensorge betroffen ist215, stellt die Entscheidung darüber, ob die genetischen Abstammungsverhältnisse geklärt werden oder nicht, einen Akt der elterlichen Sorge dar. Da es Ziel der elterlichen Sorge ist, das Kind zur Selbstbestimmung zu befähigen, muss die elterliche Sorge ganz oder teilweise enden, wenn das Kind zur Selbstbestimmung fähig ist216. Im Fall des § 1598a BGB ist das Kind nur dann zur Selbstbestimmung fähig, wenn es einwilligungsfähig ist. Daraus ergibt sich, dass nur dann, wenn das Kind noch nicht über die erforderliche Einwilligungsfähigkeit verfügt, um selbst über die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse entscheiden zu können, eine Vertretung in dieser Personensorgesache erforderlich wird217. Da die Vertretung im Sinne des § 1629 BGB weit zu verstehen ist und sich nicht nur auf die Stellvertretung im Sinne der §§ 164 ff. BGB beschränkt218, bestimmt sich die Vertretung einer aus dem Bereich der Personensorge stammenden Sache auch dann nach § 1629 BGB, wenn es sich bei der zu vertretenden Sache nicht um eine Willenserklärung handelt219. Dies hat zur Folge, dass die kindlichen Interessen im Rahmen der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse durch die Sorgeberechtigten wahrgenommen werden220, deren Vertretungsberechtigung sich aus §§ 1626, 1629 BGB ergibt221. Dabei muss zwischen der alleinigen und der gemeinsamen elterlichen Sorge differenziert werden. Aus dem Umkehrschluss des § 1626a BGB ergibt sich, dass die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zusteht, wenn diese bei der Geburt des Kindes 213

Diederichsen in Palandt, § 1626 Rn. 1. Deutsch/Spickhoff, Rn. 789; Peschel-Gutzeit in Staudinger, § 1626 Rn. 58 Ziff. 18. 215 Diederichsen in Palandt, § 1626 Rn. 10. 216 Gernhuber/Coester-Waltjen, § 57 Rn. 74; Huber in MüKo BGB, § 1626 Rn. 29. 217 Peschel-Gutzeit in Staudinger, § 1626 Rn. 72. 218 Huber in MüKo BGB, § 1629 Rn. 7 f. 219 Diederichsen in Palandt, § 1626 Rn. 17. 220 Deutsch/Spickhoff, Rn. 317; 789, 793; Diederichsen in Palandt, § 1629 Rn. 6. 221 Auch der Gesetzgeber ging davon aus, dass sich die Vertretungsberechtigung im Rahmen des § 1598a BGB nach §§ 1626, 1629 BGB bestimmt. Dies wird daran deutlich, dass er im § 1629 BGB einen neuen Absatz 2a geschaffen hat, dessen Anwendungsbereich sich einzig auf das Klärungsverfahren nach § 1598a BGB beschränkt. 214

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2. Teil: Vaterschaft

verheiratet sind oder später heiraten oder wenn sie ausdrücklich erklären, die Sorge gemeinsam übernehmen zu wollen222. Liegt eine dieser Fallgruppen vor, so muss die Einwilligung im Falle der Minderjährigkeit des Kindes nach § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB von beiden Eltern gemeinsam erteilt werden. Liegt dagegen keine dieser Fallgruppen vor, so ist die Mutter nach § 1626a Abs. 2 BGB allein sorgeberechtigt, sodass die Einwilligung von der Mutter allein erteilt werden kann (vgl. § 1629 Abs. 1 S. 3 BGB). 2. Einwilligungsunfähigkeit eines Elternteils In den Fällen, in denen ein Elternteil nicht einwilligungsfähig ist, kann die Einwilligung zu dem Abstammungsgutachten nicht von diesem selbst, sondern nur von den vertretungsberechtigten Personen erteilt werden. Nach den allgemeinen Regeln müsste für den nicht einwilligungsfähigen Elternteil zur Einwilligungserteilung bzw. -verweigerung nach §§ 1896 ff. BGB ein Betreuer bestellt werden. Da die Gesetzesbegründung den Fall der Einwilligungsfähigkeit eines Elternteils nicht in Betracht zu ziehen scheint, gibt es bezüglich der Bestellung eines Betreuers zuhauf ungelöste Probleme, die von Schwab teilweise benannt werden223. Da bei der Klärung der genetischen Abstammung genau wie bei der Vaterschaftsanfechtung eine die Persönlichkeit berührende Angelegenheit vorliegt, erwägt Muscheler224 § 1600a BGB analog anzuwenden, wenn die nach § 1598a Abs. 1 Nr. 1, 2 BGB Klärungsberechtigten die genetischen Abstammungsverhältnisse klären lassen wollen und in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, was zur Folge hätte, dass in diesen Fällen das Verfahren nach § 1598a BGB nur durch den Klärungsberechtigten selbst und nicht durch dessen gesetzlichen Vertreter betrieben werden könnte. II. Entziehung der Vertretungsbefugnis Wird die Einwilligung nach § 1598a Abs. 1 BGB zur Durchführung einer privaten Abstammungsuntersuchung nicht vom Betroffenen selbst, sondern von seinem/seinen Vertretungsberechtigten erteilt bzw. verweigert, so stellt sich stets das Problem einer möglichen Interessenkollision. In erster Linie stellt sich dieses Problem dann, wenn es an der Einwilligungsfähigkeit des Kindes fehlt, da die Vertretungsberechtigten eines Kin222 223 224

Diederichsen in Palandt, § 1626a Rn. 1; Huber in MüKo BGB, § 1626a Rn. 2. Schwab, FamRZ 2008, 23 (23). Muscheler, FPR 2008, 257 (261).

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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des in der Regel seine Eltern sind und diese ebenfalls von der Durchführung einer privaten Abstammungsuntersuchung betroffen werden. Nach Rittner/Rittner sind dann, wenn die Durchführung einer Abstammungsuntersuchung zwischen den sorgeberechtigten Eltern und dem einwilligungsunfähigen Kind streitig ist, kaum Konstellationen denkbar, in denen keine Interessenkollision vorliegt225. Aus diesem Grund soll im Folgenden nur der Fall der Einwilligungsunfähigkeit des Kindes untersucht werden und der seltenere Fall der Einwilligungsunfähigkeit eines Elternteils unberücksichtigt gelassen werden. Zudem beschränkt sich die Untersuchung auf ein Vorgehen nach § 1598a Abs. 1 BGB, da bei einem Vorgehen nach § 1598a Abs. 2 BGB das Problem der Interessenkollision durch § 1629 Abs. 2a BGB geregelt wird226. 1. Darstellung des Problems Problematisch sind zum einen die Fälle, in denen das Kind nicht einwilligungsfähig ist, wohl aber Kenntnis von seiner Abstammung erlangen möchte, während der gesetzliche Vertreter aufgrund subjektiver Interessen die Einholung eines solchen Gutachtens unterbinden möchte227. In diesen Fällen ist nicht nur zu befürchten, dass der gesetzliche Vertreter aus subjektiven Gründen seine Zustimmung verweigert, sondern es besteht zudem die Gefahr, dass er unter Verfolgung seiner subjektiven Interessen auch die Zustimmung des Kindes verweigert. Nach Ohly werden die Rechte des Kindes damit zum Vehikel der subjektiven Geheimhaltungs- und Unterhaltsinteressen des gesetzlichen Vertreters228. Bei weitem nicht so dramatisch sieht die SPD-Abgeordnete Lambrecht die Gefahr, dass die Interessen des Kindes von denen der vertretungsberechtigten Person überlagert werden. Sie plädiert dafür, darauf zu vertrauen, dass die Mütter (respektive der gesetzliche Vertreter) sehr wohl die Interessen ihrer Kinder und nicht ihre eigenen vertreten würden, da sie wüssten, welche Konsequenzen ein gerichtliches Verfahren für ihr Kind habe229. Ebenso stellt sich die Situation dar, wenn das Kind keine Kenntnis von seiner Abstammung erlangen möchte, der gesetzliche Vertreter aber ein Interesse an den wahren Abstammungsverhältnissen hat. In diesen Fällen ist 225 226

Rittner/Rittner, Rechtsmedizin 2007, 389 (395). Ebenso Huber in MüKo BGB, § 1629 Rn. 77a; Zimmermann, FuR 2008, 374

(376). 227 Kritisch dazu bereits, wenn auch bezüglich des Anfechtungsrechts des Kindes, Frank, StAZ 2003, 129 (135); Rotax, http://www.bundestag.de/aussschuesse/a06/ anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 6. 228 Ohly, JZ 2005, 626 (627); kritisch auch Viefhues, ZFE 2005, 73 (73). 229 Lambrecht, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15331B.

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2. Teil: Vaterschaft

ebenfalls zu befürchten, dass der gesetzliche Vertreter sein subjektives Interesse an der Einholung eines Abstammungsgutachtens über das des Kindes stellt und somit letztlich gegen den Willen des Kindes die genetischen Abstammungsverhältnisse geklärt werden230. 2. Lösung des Problems Grundsätzlich wird dem vertretungsberechtigten Elternteil für den Fall, dass er durch die Vertretung des Kindes in einen Interessenkonflikt gerät, nach § 1796 BGB i. V. m. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB durch das Familiengericht die Vertretungsbefugnis entzogen. Ein solcher Interessenkonflikt liegt dann vor, wenn die Interessen des Kindes zu den Interessen des vertretungsberechtigten Elternteils in einem erheblichen Gegensatz stehen und deshalb die Förderung der Interessen des Kindes nur auf Kosten der Interessen des vertretungsberechtigten Elternteils geschehen kann231. Bei der Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens ist eine solche Interessenkollision dann gegeben, wenn das Kind Kenntnis über die eigene Abstammung erlangen möchte, allerdings wegen seiner fehlenden Einwilligungsfähigkeit auf die Erteilung der Einwilligung des Vertretungsberechtigten angewiesen ist, der seinerseits ein Interesse an der Nichteinholung eines Gutachtens hat oder wenn das Kind kein Interesse an der Kenntnis über die eigene Abstammung hat, es aber wegen seiner fehlenden Einwilligungsfähigkeit auf die Verweigerung der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, der seinerseits ein Interesse an der Einholung eines Gutachtens hat, angewiesen ist. Trotz Vorliegens einer Interessenkollision kann die Vertretungsbefugnis aber dann nicht nach § 1796 BGB i. V. m. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB entzogen werden, wenn § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB Anwendung findet, also wenn es sich um einen Fall der Feststellung der Vaterschaft handelt. Die Frage, ob bei einem Vorgehen nach § 1598a Abs. 1 BGB bei Interessenkollision die Vertretungsbefugnis nach § 1796 i. V. m. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB entzogen werden kann, hängt somit davon ab, ob § 1598a Abs. 1 BGB vom Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB erfasst wird oder nicht. Wird § 1598a Abs. 1 BGB vom Anwendungsbereich erfasst, so kann die Vertretungsbefugnis nicht entzogen werden, wird § 1598a Abs. 1 BGB nicht vom Anwendungsbereich erfasst, so kann die Vertretungsbefugnis entzogen werden. 230 231

Rotax weist in Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 22 auf dieses Problem hin. Peschel-Gutzeit in Staudinger, § 1629 Rn. 288.

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a) Anwendbarkeit von § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB auf § 1598a Abs. 1 BGB § 1598a Abs. 1 BGB wird dann vom Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB erfasst, wenn durch § 1598a Abs. 1 BGB die Vaterschaft festgestellt wird. In der Literatur wird unter Feststellung der Vaterschaft im Sinne des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB ausschließlich das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 1600d BGB verstanden232, nicht aber das Verfahren nach § 1598a Abs. 1 BGB. Daraus könnte geschlussfolgert werden, dass das Verfahren nach § 1598a Abs. 1 BGB nicht von § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB erfasst wird, sodass bei Interessenkollision die Entziehung der Vertretungsbefugnis möglich ist. Allerdings darf der Nichterwähnung des § 1598a Abs. 1 BGB in der Literatur kein allzu großes Gewicht beigemessen werden, da § 1598a BGB erst zum 01. April 2008 in Kraft getreten ist und deshalb bislang in der Literatur überwiegend keine Berücksichtigung gefunden hat233. Aus der fehlenden Erwähnung in der Kommentarliteratur lässt sich deshalb weder darauf schließen, dass § 1598a Abs. 1 BGB vom Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB erfasst ist, noch dass er nicht erfasst ist. Da es demnach bislang keine gefestigte Meinung dazu gibt, ob § 1598a Abs. 1 BGB vom Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB erfasst wird oder nicht, muss dieses durch Auslegung ermittelt werden. Unter Anwendung der auf Friedrich Carl von Savigny234 zurückzuführenden Auslegungsmethode ist der objektive Wille des Gesetzgebers so zu ermitteln, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Norm hineingestellt ist235. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung des ersten Bandes festgestellt hat, dass die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder lediglich herangezogen werden könne, um 232 Diederichsen in Palandt, § 1629 Rn. 28; Peschel-Gutzeit in Staudinger, § 1629 Rn. 95; Huber in MüKo BGB, § 1629 Rn. 71. 233 Ausnahme davon sind Muscheler, FPR 2008, 257 (260), der auch davon ausgeht, dass die Formulierung des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB nicht eindeutig ist und deshalb einer Klarstellung dahingehend bedürfe, ob unter „Feststellung der Vaterschaft“ nur das Verfahren nach § 1600d BGB oder auch das Verfahren nach § 1598a BGB zu verstehen sei und Huber in MüKo BGB, § 1629 Rn. 77a. 234 Ausführlich dazu Rüthers, Rn. 698 ff. 235 BVerfG, NJW 1952, 737 (737); Rüthers, Rn. 705; Stern, Staatsrecht Bd. 1, § 4 III 1 S. 125.

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2. Teil: Vaterschaft

die Richtigkeit der anhand des objektiven Willens ermittelten Auslegung zu bestätigen236, hat es seine Meinung mittlerweile zumindest für zeitlich neue und sachlich neuartige Regelungen geändert. Bei Vorliegen einer solchen kommt dem subjektiven Willen des Gesetzgebers erhebliches Gewicht bei der Auslegung zu237, wobei er allerdings nur ein Auslegungskriterium unter anderen darstellt. Die Auslegung erfolgt somit nach den Kategorien Wortlaut, Systematik, Zweck und Entstehungsgeschichte238, wobei keiner der Kategorien der unbedingte Vorrang zukommt, sondern sie sich gegenseitig ergänzen239. aa) Wortlautauslegung Ausgangspunkt jeder Auslegung ist die Ermittlung des möglichen Wortsinns und somit der Wortlaut des Gesetzes240. Für die Wortlautauslegung kommt es nicht nur darauf an, welche Bedeutung das Wort in der juristischen Fachsprache hat, sondern es ist zudem entscheidend, wie das Wort im allgemeinen Sprachgebrauch verstanden und verwendet wird241. Nach dem Wortlaut des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB kann die Vertretungsbefugnis nicht entzogen werden, wenn es um die Feststellung der Vaterschaft geht. In dem Verfahren nach § 1598a BGB kann die leibliche Abstammung des Kindes geklärt werden. Da unter Abstammung sowohl die biologische Herkunft des Abkömmlings von der Mutter als auch vom Vater verstanden wird, kann mit dem Verfahren nach § 1598a BGB das Bestehen oder Nichtbestehen der Vaterschaft geklärt werden. Bei konsequenter Anwendung des Wortlauts handelt es sich demnach bei dem Verfahren des § 1598a BGB um kein Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft, mit der Folge, dass § 1598a Abs. 1 BGB nicht vom Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB erfasst wird und somit bei Interessenkollision die Vertretungsbefugnis entzogen wird.

236

BVerfG, NJW 1952, 737 (737). BVerfG, NJW 1981, 39 (42); a. A. Bleckmann, JuS 2002, 942 (943), der davon ausgeht, dass die Entstehungsgeschichte nur subsidiär Anwendung findet. 238 Vgl. Sachs in Sachs, Einführung Rn. 40 ff.; Larenz/Canaris, S. 183 f. 239 BVerfG, NJW 2002, 1779 (1781). 240 Säcker in MüKo BGB, Einl. Rn. 128. 241 Maurer, § 1 Rn. 51; Larenz/Canaris, S. 141. 237

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bb) Systematische Auslegung Die systematische Auslegung geht von der Vorstellung einer einheitlichen Rechtsordnung aus, sodass eine einzelne Norm nicht für sich allein betrachtet werden kann, sondern ein Element der Gesamtrechtsordnung ist, das nur in deren logischem Zusammenhang zu verstehen ist242. § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB ist im 5. Titel (Elterliche Sorge) des Abschnitts über die Verwandtschaftsverhältnisse zu finden, § 1598a BGB dagegen im 2. Titel (Abstammung). Da somit § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB und § 1598a BGB zwar im selben Abschnitt, dort aber in unterschiedlichen Titeln verankert sind, könnte sich aus der systematischen Stellung der beiden Normen ergeben, dass § 1598a Abs. 1 BGB nicht vom Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB erfasst ist. Gegen diese Schlussfolgerung spricht aber, dass § 1600d BGB, für den § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB überhaupt erst geschaffen wurde, genau wie § 1598a BGB im 2. Titel des Abschnitts über die Verwandtschaftsverhältnisse zu finden ist. Folglich spricht die systematische Stellung des § 1598a BGB dafür und nicht dagegen, dass § 1598a Abs. 1 BGB genau wie § 1600d BGB vom Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB erfasst ist, mit der Folge, dass die Vertretungsbefugnis auch bei Vorliegen einer Interessenkollision nicht entzogen werden kann. cc) Teleologische Auslegung Bei der teleologischen Auslegung kommt es entscheidend auf den objektiven Sinn und Zweck sowie die Zielsetzung der auszulegenden Norm an243. § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB fand durch das Beistandschaftsgesetz244 Einzug in das Bürgerliche Gesetzbuch, durch das unter anderem die Amtspflegschaft für nichteheliche Mütter nach § 1706 BGB a. F. abgeschafft und durch die freiwillige Beistandschaft ersetzt wurde. Für das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 1600d BGB bedeutet dies, dass allein die Mutter darüber entscheidet, ob das Verfahren betrieben wird oder nicht, ohne dass ein Amtspfleger darauf Einfluss nehmen kann. Hätte man es trotz dieser Änderung bei der Vorschrift des § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB belassen, so müsste der Mutter dann, wenn diese die Vaterschaftsfeststel242 243 244

Ausführlich dazu Rüthers, Rn. 744 ff. Säcker in MüKo BGB, Einl. Rn. 134 ff. BT-Drucks. 13/892.

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lung nicht oder nicht zügig genug betreibt, die Vertretungsbefugnis entzogen und ein Ergänzungspfleger bestellt werden. Dies stünde aber gerade im Widerspruch zu dem mit der Abschaffung der Amtspflegschaft verfolgten Ziel, das Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft in das Ermessen der Mutter zu stellen245. Dadurch, dass neben der Abschaffung der Amtspflegschaft auch die Entziehung der Vertretungsbefugnis bei Interessenkollision ausgeschlossen wurde, wurde die Begründung einer Vater-Kind-Beziehung vom Gesetzgeber nicht nur in das Ermessen der Mutter gestellt, sondern weitestgehend in deren alleinige Verantwortung, da es die Mutter bei Minderjährigkeit des Kindes nun allein in der Hand hat, ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren einzuleiten oder nicht246. Dies kann insbesondere dann negative Auswirkungen für das Kind haben, wenn die Mutter ihre eigenen Interessen an der Nichtfeststellung der Vaterschaft über die Interessen des Kindes an der Feststellung der Vaterschaft stellt, da zu befürchten ist, dass der Erzeuger, wenn ihm keine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung droht, seltener die Vaterschaft anerkennen wird247, was für das Kind bedeutet, dass es rechtlich vaterlos bleibt, bis es mit Eintritt der Volljährigkeit selbst das Vaterschaftsfeststellungsverfahren betreiben kann, sodass sowohl die Unterhaltsansprüche als auch die erbrechtliche Stellung des Kindes gegenüber dem Vater gefährdet werden248. Zudem wird es dem Kind erschwert, Kenntnis davon zu erlangen, wer sein biologischer Vater ist und gegebenenfalls eine persönliche Beziehung zu diesem aufzubauen. Folglich wird der Schutz der Interessen des Kindes in einer für dieses existentiell bedeutsamen Angelegenheit geschwächt249. Für die Frage, ob neben dem Verfahren nach § 1600d BGB auch § 1598a Abs. 1 BGB in den Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB fällt, kommt es also darauf an, ob auch § 1598a Abs. 1 BGB vom Normzweck des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB, die Eigenverantwortung der Mutter zu stärken, erfasst wird. Beide Verfahren verfolgen den Zweck die biologische Vaterschaft zu klären. Der Unterschied ist allerdings, dass es sich bei dem Verfahren nach § 1600d BGB im Gegensatz zu § 1598a BGB um ein statusveränderndes Feststellungsverfahren handelt. Wenn die Eigenverantwortung der Mutter bei einem Vorgehen, das wie gezeigt, erhebliche Nachteile für das Kind mit 245

BT-Drucks. 13/892, S. 16 ff., 30, 34. Seidel in MüKo BGB, § 1589 Rn. 28; Helms, FuR 1996, 178 (183 f.); Frank, StAZ 2003, 129 (134). 247 Helms, S. 84 f. 248 Vgl. Seidel in MüKo BGB Bd. 8, § 1589 Rn. 29. 249 Mutschler, FamRZ 1996, 1381 (1384). 246

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sich bringen kann, gewollt ist, muss dies erst recht bei einem Vorgehen der Mutter gelten, durch das weniger Schaden für das Kind angerichtet wird, da zumindest nicht zwingend rechtliche Konsequenzen eintreten. Nach dieser am Normzweck des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB orientierten Erst-Recht-Argumentation wird § 1598a Abs. 1 BGB vom Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB erfasst, sodass auch bei Interessenkollision die Vertretungsbefugnis nicht entzogen werden kann. dd) Historische Auslegung Bei der historischen Auslegung kann neben der Entstehungsgeschichte auch auf die Vorgeschichte der Norm zurückgegriffen werden. (1) Vorgeschichte der Norm Daraus, dass die Norm des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB trotz Einführung des § 1598a BGB keine Änderung erfahren hat, könnte geschlussfolgert werden, dass der Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB unverändert bleiben soll250 und somit weiterhin nur das Verfahren nach § 1600d BGB erfasst wird. Etwas anderes würde allerdings gelten, wenn ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers vorliegen würde. Da § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB und § 1598a BGB zwar im selben Abschnitt (Verwandtschaftsverhältnisse), dort aber in unterschiedlichen Titeln zu finden sind, könnte man möglicherweise davon ausgehen, dass es der Gesetzgeber schlicht übersehen hat, neben den Änderungen im 2. Titel (Abstammung) auch Änderungen im 5. Titel (Elterliche Sorge) vorzunehmen. Allerdings kann dem Gesetzgeber ein derartiges Versehen nicht unterstellt werden, da er die Einführung des § 1598a BGB nicht nur zum Anlass genommen hat, Änderungen im 2. Titel vorzunehmen, sondern durch die Schaffung des § 1629 Abs. 2a BGB auch eine Änderung im 5. Titel vorgenommen hat. Ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers liegt somit gerade nicht vor, sodass es beim alten Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB bleibt. Da § 1598a Abs. 1 BGB folglich nicht vom Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB erfasst wird, kann die Vertretungsbefugnis bei Interessenkollision entzogen werden. 250

Bleckmann, JuS 2002, 942 (945).

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(2) Entstehungsgeschichte Zur historischen Auslegung kann vorliegend nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Auslegungskriterium der Entstehungsgeschichte herangezogen werden, da es sich bei § 1598a BGB um eine „zeitlich neue und sachlich neuartige Regelung“251 handelt. Aber auch nach Ansicht derer, die der Auffassung sind, dass auch bei zeitlich neuen und sachlich neuartigen Regelungen grundsätzlich nicht auf die Entstehungsgeschichte zurückgegriffen werden darf, muss bei der Auslegung des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB eine Ausnahme gemacht werden und zur Auslegung die Ermittlung des subjektiven Willens des Gesetzgebers herangezogen werden, da das anhand der anderen Auslegungsmethoden gefundene Ergebnis im Hinblick auf den Schutz des Kindes „unvernünftig“ ist252. Um die Vorstellungen und Zielrichtungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen ermitteln zu können, wird auf die Gesetzesmaterialien (Begründung der Gesetzesentwürfe, Änderungsanträge, Äußerungen einzelner Parlamentarier im Plenum und in den Ausschüssen, etc.) zurückgegriffen253. Die Folge davon, dass bei Interessenkollision die Vertretungsbefugnis nicht entzogen werden kann, ist in dem Fall, in dem das Kind ein Interesse an der Einholung eines Abstammungsgutachtens hat, dass der Sorgeberechtigte als gesetzlicher Vertreter die außergerichtliche Einigung nach § 1598a Abs. 1 BGB nach Belieben verhindern und das Kind damit in das gerichtliche Verfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB zwingen kann254. In diesem Klärungsverfahren darf das Kind nach § 1629 Abs. 2a BGB ausdrücklich nicht von Mutter oder Vater vertreten werden, was gewährleistet, dass durch den nach § 1909 BGB zu bestellenden Ergänzungspfleger die Interessen des Kindes gewahrt werden. Auch wenn die SPD-Abgeordnete Lambrecht darauf hingewiesen hat, dass die Mütter (respektive der gesetzliche Vertreter), ihre eigenen Interessen hinten anstellen würden, um im Interesse des Kindes ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden255, ist die Gefahr eines egoistischen Handelns dennoch nicht von der Hand zu weisen. Insbesondere in der ersten Zeit nach Einführung des § 1598a BGB kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder gesetzliche Vertreter über den erforderlichen juristischen Sachverstand verfügt, um zu wissen, dass sich im Falle der Ver251 252 253 254 255

BVerfG, NJW 1981, 39 (42). Vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 (943). Säcker in MüKo BGB, Einl. Rn. 130; Maurer, § 1 Rn. 52. Helms, FamRZ 2008, 1033 (1034). Lambrecht, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15331B.

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weigerung der Einwilligung ein gerichtliches Verfahren anschließt, in dem in aller Regel die verweigerte Einwilligung ersetzt wird, oder sich aufgrund des fehlenden juristischen Sachverstandes bereits in einem solch frühen Stadium anwaltlich oder durch das Jugendamt beraten lässt256. Vor dem Hintergrund, dass die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens stets mit Unannehmlichkeiten für alle Beteiligten, insbesondere für das Kind, verbunden ist und dem Gesetzgeber gerade die Beachtung des Kindeswohls besonders am Herzen lag257, drängt sich der Verdacht auf, dass diese Konsequenz vom Gesetzgeber so nicht gewollt sein kann. Da es auch nicht dem Wohle des Kindes dient, wenn es gegen seinen Willen die Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse aufgedrängt bekommt, kann es vom Gesetzgeber auch nicht gewollt sein, in den Fällen, in denen das Kind im Gegensatz zum gesetzlichen Vertreter kein Interesse an der Einholung eines Abstammungsgutachtens hat, die Entziehung der Vertretungsbefugnis beim außergerichtlichen Vorgehen nach § 1598a Abs. 1 BGB auszuschließen, da es andernfalls für das Kind keine Möglichkeit geben würde, die Einholung des Gutachtens noch zu verhindern und somit keine Möglichkeit bestünde, keine Kenntnis von den genetischen Abstammungsverhältnissen zu erlangen. Dass nicht erst im gerichtlichen Klärungsverfahren des § 1598a Abs. 2 BGB, sondern bereits beim außergerichtlichen Vorgehen nach § 1598a Abs. 1 BGB ein Bedürfnis dafür besteht, dem Vertretungsberechtigten bei Interessenkollision die Vertretungsbefugnis zu entziehen, war auch im abgelehnten Gesetzesentwurf des Bundesrates vorgesehen258. Dieser löste das Problem der Interessenkollision beim außergerichtlichen Vorgehen dadurch, dass er als einzigen Einwand gegen den Anspruch auf Durchführung einer Abstammungsuntersuchung den Einwand des Rechtsmissbrauchs vorsah, da einzig dadurch vermieden werden könne, dass in dem Fall, in dem das minderjährige Kind noch durch die oder den Sorgeberechtigten vertreten werden müsse, die eigenen Interessen der oder des Sorgeberechtigten die für das Kind zu treffende Entscheidung überlagern259. 256 Knittel, JAmt 2008, 117 (120), weist darauf hin, dass es nicht ganz selten zu erwarten sein wird, dass sich die Mütter, die mit dem Wunsch des Vaters auf Durchführung einer privaten Abstammungsuntersuchung konfrontiert werden und nicht wissen, wie sie darauf reagieren sollen, an das Jugendamt wenden werden; aus diesem Grund plädiert Willutzki, ZRP 2007, 180 (184) dafür, dass der Bund, der mangels Gesetzgebungskompetenz eine Beratung durch die Jugendhilfe nicht anordnen kann, diese den Ländern zumindest als sachgerechte Empfehlung vorschlägt. 257 Vgl. BT-Drucks. 16/6561, S. 10. 258 BT-Drucks. 16/5370. 259 BT-Drucks. 16/5370, S. 7.

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Folglich spricht der Wille des Gesetzgebers dafür, dass es eine Möglichkeit geben muss, bei Interessenkollision dem gesetzlichen Vertreter bereits beim außergerichtlichen Vorgehen nach § 1598a Abs. 1 BGB die Vertretungsbefugnis zu entziehen. Dass dieses gerade auf der Grundlage des § 1796 BGB i. V. m. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB erfolgen soll, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung selbst, nach der eine Entziehung der Vertretungsbefugnis unter ausdrücklicher Nennung des § 1796 BGB i. V. m. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB möglich sein soll, wenn es im Rahmen der außergerichtlichen Einigung zu einem Interessenkonflikt kommt260. Da es aber nur dann zu einer Entziehung der Vertretungsbefugnis nach § 1796 BGB i. V. m. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB kommen kann, wenn § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB keine Anwendung findet, kann nach dem Willen des Gesetzgebers unter Feststellung der Vaterschaft im Sinne des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB nicht § 1598a Abs. 1 BGB zu verstehen sein. Demnach sprechen sowohl die Gesetzesmaterialien als auch der Wille des Gesetzgebers, das Kindeswohl in allen Phasen des Verfahrens zu schützen261, dafür, dass unter Feststellung der Vaterschaft im Sinne des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB nicht § 1598a Abs. 1 BGB zu verstehen ist. Die an der Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung kommt somit zu dem Ergebnis, dass bei Interessenkollision eine Entziehung der Vertretungsbefugnis bereits im außergerichtlichen Verfahren möglich ist262. ee) Zusammenfassung Da die Mehrzahl der Auslegungskriterien zu dem eindeutigen Ergebnis kommt, dass § 1598a Abs. 1 BGB nicht vom Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB erfasst wird und auch das Auslegungskriterium, das als einziges zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, zumindest nicht ausschließt, dass § 1598a Abs. 1 BGB nicht von § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB erfasst wird, ergibt die Auslegung, dass unter Feststellung der Vaterschaft im Sinne des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB nicht § 1598a Abs. 1 BGB zu verstehen ist. 260

BT-Drucks. 16/6561, S. 15. BT-Drucks. 16/6561, S. 10. 262 Eine Berücksichtigung des Kindeswohls in den Fällen, in denen der gesetzliche Vertreter das Kind bei der Ausübung seines Rechts vertritt, ist dem deutschen Abstammungsrecht nicht fremd. § 1600a Abs. 4 BGB sieht für den Fall, dass der gesetzliche Vertreter für das Kind die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft erklärt, vor, dass diese nur dann zulässig ist, wenn sie dem Wohle des Vertretenen, also des Kindes, dient. 261

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b) Zwischenergebnis Die Folge davon, dass § 1598a Abs. 1 BGB nicht vom Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB erfasst wird, ist, dass im Rahmen des außergerichtlichen Vorgehens nach § 1598a Abs. 1 BGB die Entziehung der Vertretungsbefugnis nach § 1796 BGB i. V. m. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB möglich ist. 3. Eigene Stellungnahme Zum Schutze des Kindes muss es bereits im Rahmen des außergerichtlichen Vorgehens nach § 1598a Abs. 1 BGB eine Möglichkeit geben, die das Kind davor schützt, zum Spielball der Interessen der Eltern zu werden. Würden die Interessen des Kindes erst im gerichtlichen Verfahren des § 1598a Abs. 2 BGB berücksichtigt, so wäre § 1598a Abs. 1 BGB in den Fällen, in denen das Kind Kenntnis erlangen möchte, der gesetzliche Vertreter aber nicht, häufig de facto obsolet, da das Kind dann, wenn man von der zumindest in der ersten Zeit kaum zu realisierenden Idealvorstellung der SPD-Abgeordneten Lambrecht absieht, in das unangenehme gerichtliche Verfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB gezwungen würde. Zwar würden in diesem wegen § 1629 Abs. 2a BGB die Interessen des Kindes berücksichtigt, allerdings würde das Kind dennoch mit den Unannehmlichkeiten eines Gerichtsverfahrens konfrontiert. Um zu verhindern, dass das Kind dazu gezwungen wird, das für es unangenehme gerichtliche Verfahren zu durchlaufen oder gegen seinen Willen eine Kenntnis aufgedrängt zu bekommen, muss zu seinem Schutze die Entziehung der Vertretungsbefugnis bei Interessenkollision bereits beim außergerichtlichen Vorgehen nach § 1598a Abs. 1 BGB nach § 1796 BGB i. V. m. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB möglich sein263. 263 Für die Konstellation, in der das Kind Kenntnis erlangen möchte, der gesetzliche Vertreter dagegen nicht, ist davon auszugehen, dass, wenn sich das Verfahren nach § 1598a BGB in der Gesellschaft etabliert hat, in vielen Fällen tatsächlich trotz Interessenkollision bereits außergerichtlich die Einwilligung erteilt werden wird, sodass das Interesse des Kindes gewahrt wird. Ob dieses dann an dem, dem Willen des Kindes orientierten, selbstlosen Handeln des Vertretungsberechtigten liegt oder eher daran, dass dieser aufgrund der Popularität des § 1598a BGB oder einer juristischen Beratung durch das Jugendamt oder den Anwalt weiß, dass sich nach § 1598a Abs. 2 BGB ein gerichtliches Verfahren anschließen würde und er deshalb kein Interesse hat, die damit verbundenen Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen, ohne Aussicht auf einen anderen Ausgang zu haben [so auch Willutzki, ZRP 2007, 180 (184); Horndasch, ZFE 2007, 404 (409); König, ZKJ 2007, 340 (342)], mag dahingestellt bleiben, da es einzig entscheidend ist, dass sich dann, wenn das Verfahren eine gewisse Popularität erlangt hat, wohl in den seltensten Fällen das Problem der Entziehung der Vertretungsbefugnis stellen wird.

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Vor dem Hintergrund, dass kaum Fälle denkbar sind, in denen es nicht zu einer Interessenkollision zwischen dem Kind und seinen sorgeberechtigten Eltern kommt, wenn die Durchführung der genetischen Abstammungsuntersuchung streitig ist264, sollte § 1796 BGB i. V. m. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB entgegen seinem Wortlaut zum Schutze des Kindes nicht so angewandt werden, dass das Familiengericht über die Entziehung der Vertretungsbefugnis entscheidet, sondern dass dem Kind, entsprechend § 1629 Abs. 2a BGB, in jedem Fall des § 1598a Abs. 1 BGB von Amts wegen nach § 1909 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist. Für den Fall, dass das Kind im Gegensatz zu seinen gesetzlichen Vertretern kein Interesse an der Einholung eines Abstammungsgutachtens hat, ist dies vor allem deshalb geboten, weil andernfalls der Wille des Kindes in den beiden Fällen, in denen es zu einer Interessenkollision kommen kann, unterschiedlich berücksichtigt würde: – In der Konstellation, in der das Kind im Gegensatz zum Vertretungsberechtigten Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse erlangen möchte, kann265 im Rahmen des § 1598a Abs. 1 BGB die Vertretungsbefugnis entzogen werden. Für den Fall, dass das Familiengericht die Vertretungsbefugnis nicht entzieht und die Einwilligung entgegen dem Willen des Kindes verweigert wird, wird die Vertretungsbefugnis im Rahmen des § 1598a Abs. 2 BGB durch § 1629 Abs. 2a BGB faktisch entzogen, sodass der Wille des Kindes letztlich doch Berücksichtigung findet. – In dem Fall, in dem das Kind im Gegensatz zum Vertretungsberechtigten keine Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse erlangen möchte, kann im Rahmen des § 1598a Abs. 1 BGB die Vertretungsbefugnis entzogen werden. Für den Fall, dass das Familiengericht die Vertretungsbefugnis nicht entzieht und die Einwilligung entgegen dem Willen des Kindes erteilt wird, kommt es zur Durchführung der privaten Abstammungsuntersuchung, sodass der Wille des Kindes keine Berücksichtigung findet. Unabhängig davon, ob die Entziehung der Vertretungsbefugnis bei einem Vorgehen nach § 1598a Abs. 1 BGB der Entscheidung des Familiengerichts obliegt oder von Amts wegen eintritt, kann sie freilich nur dann entzogen werden, wenn das Familiengericht bzw. die zur Entziehung berechtigte Stelle überhaupt Kenntnis von der bestehenden Interessenkollision erlangt. 264

Rittner/Rittner, Rechtsmedizin 2007, 389 (395). Dass die Vertretungsbefugnis bei Anwendung des § 1796 BGB i. V. m. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB nur entzogen werden kann, obwohl das Familiengericht, wenn die Voraussetzung des § 1796 BGB vorliegt, zur Entziehung verpflichtet ist, liegt daran, dass das Familiengericht darüber befindet, ob die Voraussetzung des § 1796 BGB, also eine Interessenkollision, vorliegt oder nicht. 265

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Kenntnis erlangen kann diese aber nur dann, wenn sich ein betroffenes Familienmitglied hilfesuchend an das Familiengericht bzw. die entsprechende Stelle wendet. Dass dieses in der Praxis in den seltensten Fällen so geschehen wird, befreit den Gesetzgeber allerdings nicht davor, die regelungsbedürftige Lage gesetzlich zu regeln. 4. Ergebnis Da § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB keine Anwendung auf § 1598a Abs. 1 BGB findet, kann die Vertretungsbefugnis bei Interessenkollision bereits im Rahmen des außergerichtlichen Vorgehens nach § 1598a Abs. 1 BGB nach § 1796 BGB i. V. m. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB entzogen werden. Zumindest dann, wenn das Kind im Gegensatz zu den gesetzlichen Vertretern kein Interesse an der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse hat, sollte die Vertretungsbefugnis von Amts wegen entzogen werden266.

C. Anfangsverdacht Obwohl man den Begriff Anfangsverdacht in den §§ 1591 ff. BGB vergeblich sucht und die Literatur das Erfordernis eines begründeten Anfangsverdachts sehr kritisch sieht267, wird in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof neben der Anfechtungsberechtigung nach § 1600 BGB und Wahrung der Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB268 als zusätzliche materiell-rechtliche Voraussetzung an die Anfechtung der Vaterschaft nach §§ 1600–1600c BGB die Begründung des Anfangsverdachts gefordert. Für den Anfechtungsberechtigten bedeutet dies, dass er, um überhaupt in das Anfechtungsverfahren hineinzugelangen, substantiierte Gründe für die Zweifel an der genetischen Abstammung darlegen muss, was ihm nur dann gelingt, wenn er Umstände vorträgt, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der biologischen Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater zu wecken und die Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem anderen Mann als nicht ganz fernliegend erscheinen zu lassen269. 266

Dazu Vierter Teil, Zweites Kapitel, II. Knoche, FuR 2005, 348 (355); Ohly, JZ 2005, 626 (628); Wellenhofer, FamRZ 2005, 665 (668); Zuck, ZRP 2005, 117 (118); Huber, FamRZ 2006, 1425 (1425); Wolf, NJW 2005, 2417 (2420); Reichenbach, AcP 2006, 598 (603); a. A. Willutzki, ZRP 2007, 180 (181); Zimmermann, NJOZ 2008, 1703 (1712). 268 Wird die Anfechtungsklage vom potentiell biologischen Vater erhoben, ist die zusätzliche materiell-rechtliche Voraussetzung des § 1600 Abs. 2, 3 BGB zu berücksichtigen. 269 BGH, FamRZ 1998, 955 (957); Eckebrecht, MDR 1999, 71 (73). 267

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I. Begründung für das Erfordernis des Anfangsverdachts 1. Ansicht des Bundesgerichtshofs Da es sich bei dem Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts um eine ungeschriebene, von der Judikativen geschaffene Anfechtungsvoraussetzung handelt, hat sich der Bundesgerichtshof bemüht, seine Forderung nach einem begründeten Anfangsverdacht umfassend zu begründen270. a) Vermeidung von überflüssigen Abstammungsuntersuchungen Kind und Mutter müssten davor geschützt werden, dass bereits bei Vorliegen eines lediglich substanzlosen Verdachts zur Feststellung der biologischen Vaterschaft von Amts wegen medizinische Untersuchungen nach § 372 a ZPO durchgeführt werden. b) Vermeidung einer voraussetzungslosen Klärung der biologischen Vaterschaft Die Einholung eines gerichtlichen Abstammungsgutachtens auf Grundlage eines lediglich substanzlosen Verdachts, käme einer voraussetzungslosen gerichtlichen Überprüfung der biologischen Vaterschaft gleich, die dem geltenden Kindschaftsrecht fremd sei. c) Gewährleistung der Frist nach § 1600b BGB Ohne das Vorliegen objektiver Umstände sei zum einen die kenntnisabhängige Frist des § 1600b BGB nicht zu berechnen und zum anderen könne der Anfechtungsberechtigte seine Zweifel stets fristwahrend platzieren, sodass sich der Fristbeginn sehr weit hinausschieben könne271 bzw. das Erfordernis einer Frist ganz ad absurdum geführt würde. d) Gleichbehandlung Ohne das Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts könne derjenige, der keine Anhaltspunkte für die fehlende genetische Abstammung hat, seine Klage ohne zeitliche Begrenzung erheben, da die Anfechtungsfrist mangels 270

BGH, NJW 1998, 2976 (2977). Kritisch dazu Helms, S. 211, der darauf hinweist, dass es gerade in der Logik kenntnisabhängiger Fristen liegt, dass sich der Fristbeginn sehr weit hinausschieben kann. 271

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Kenntnis von Umständen, die gegen seine Vaterschaft sprechen, nie zu laufen begänne, während derjenige, der begründeten Anlass hat, an der genetischen Verbindung zwischen rechtlichem Vater und Kind zu zweifeln, nur innerhalb der Frist des § 1600b BGB anfechten könne. Zwar wurde diese Limitierung des Anfechtungsrechts272 durch das Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts zwischenzeitlich vom Bundesgerichtshof selbst in Frage gestellt273, allerdings kehrte dieser, nachdem sie vom Bundesverfassungsgericht für verfassungsgemäß erklärt wurde274, wieder dazu zurück275. 2. Ansicht des Bundesverfassungsgerichts Die Verfassungsrichter bestätigten zum einen die Begründung des Bundesgerichtshofs, dass ohne eine substantiierte Darlegung der Zweifel die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB, die dem Schutz der von Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten rechtlichen und sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater diene, leer liefe, da sich der Fristbeginn nicht berechnen ließe und führten zum anderen die neue Begründung ins Feld, dass die von Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte rechtliche und sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater gefährdet sei, wenn allein die Behauptung, Zweifel an der biologischen Vaterschaft zu haben, ausreichen würde, um in das Verfahren der Vaterschaftsanfechtung hineinzugelangen276. Auf einen Nenner gebracht hat der Anfangsverdacht nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die Funktion, die von Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte rechtliche und sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater zu schützen277. II. Rechtslage seit dem 01. April 2008 Vor dem Hintergrund, dass das Bundesverfassungsgericht als einzig neue Begründung für den begründeten Anfangsverdacht den Schutz der recht272 273 274 275

Eckebrecht, MDR 1999, 71 (73). BGH, NJW 2005, 497 (498); BGH, NJW 2006, 1657 (1658). BVerfG, NJW 2007, 753 (756 Rn. 83). BGH, FamRZ 2008, 501 (501); kritisch dazu Henrich, FamRZ 2008, 502

(502). 276

BVerfG, NJW 2007, 753 (756 Rn. 83). Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1277) äußern sich kritisch zu den dem Anfangsverdacht vom Bundesverfassungsgericht verliehenen „quasi-verfassungsrechtlichen Weihen“. 277

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2. Teil: Vaterschaft

lichen und sozialen Familie anführt, lässt die im Folgenden vorgenommene Untersuchung die vom Bundesgerichtshof angeführten Begründungen außen vor und beschränkt sich einzig auf die neue Funktion des Anfangsverdachts, die rechtliche und soziale Familie zu schützen. Da allerdings in den Fällen, in denen vor Erhebung der Anfechtungsklage das Verfahren nach § 1598a BGB durchlaufen wird, die soziale Familie bereits durch das offene Verfahren des § 1598a BGB gefährdet wurde278, ist in diesen Fällen die Schutzfunktion des Anfangsverdachts auf den Schutz der rechtlichen Familie reduziert, sodass sich die folgende Untersuchung auf die Frage beschränkt, ob der Anfangsverdacht den Schutz der rechtlichen Familie auch noch nach Einführung des § 1598a BGB zu gewährleisten vermag. 1. Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c BGB a) Darstellung der Anfechtungssituation Entscheidet sich der Anfechtungsberechtigte dazu, die Vaterschaft nach §§ 1600–1600c BGB anzufechten, so steht er nach Einführung des § 1598a BGB genau wie vorher vor der Schwierigkeit, den Anfangsverdacht begründen zu müssen, um überhaupt in das Anfechtungsverfahren hineinzugelangen. Nach Ansicht sowohl des Bundesverfassungsgerichts279 als auch des Gesetzgebers280 soll das auf Grundlage des § 1598a BGB erlangte private Abstammungsgutachten im sich möglicherweise anschließenden Verfahren zur Vaterschaftsanfechtung zumindest dann, wenn es den Qualitätsanforderungen eines gerichtlichen Gutachtens entspricht281 und beide Parteien einverstanden sind, als Abstammungsnachweis im Sinne des § 372a ZPO verwertet werden können (vgl. § 284 ZPO). Gleichzeitig ist die auf diesem Weg 278

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a). BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 98); a. A. Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1280), die der Aussage des Bundesverfassungsgerichts keine Vorgabenwirkung, sondern bloß eine klarstellende Wirkung zuerkennen. 280 BT-Drucks. 16/6561, S. 13 f. 281 Damit das private Abstammungsgutachten der Qualität eines gerichtlichen Abstammungsgutachtens entspricht, muss die Einwilligung aller Beteiligten vorliegen. Es müssen Eventualvater, Kind und Mutter untersucht werden, die genetische Probe muss als Blutprobe mit schriftlich dokumentierter Identitätsprüfung (mit Fingerabdruck und Foto) entnommen werden, es müssen mindestens zwölf unabhängig vererbte Genorte mit einer Mutationsrate von jeweils unter 0,5% untersucht werden und die kombinierte AVACH muss mehr als 99,99% betragen [vgl. Schneider, Dtsch Arztebl 2008; 105: A 1067 (Heft 20) (A 1067 f.)]. 279

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legal erlangte Kenntnis über die Abstammungsverhältnisse zur Begründung des Anfangsverdachts geeignet282. 282 Borth, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellung-nahmen/index.html, S. 2; kritisch dazu Leis, Beilage AnwBl 2007, 97 (98), die das Problem erkennt, dass dadurch die beiden Verfahren zu einem Verfahren verschmelzen, mit der Folge, dass die höheren Anforderungen des Anfechtungsverfahrens umgangen werden; ebenfalls kritisch Helms, http:// www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stel lungnahmen/index.html, S. 15, der darauf hinweist, dass die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Isoliertheit der Klärung der genetischen Abstammung faktisch verloren geht. – An dieser Stelle soll die Frage aufgeworfen werden, warum die aufgrund eines heimlich eingeholten Abstammungsgutachten erlangte Kenntnis nicht zur Begründung des Anfangsverdachts geeignet ist, die aufgrund eines nach § 1598a Abs. 2 BGB eingeholten Abstammungsgutachtens dagegen schon. Die Unverwertbarkeit der aufgrund eines heimlich eingeholten Abstammungsgutachtens erlangten Kenntnis wird vom Bundesgerichtshof damit begründet, dass die Kenntnis auf rechtswidrige Weise erlangt werde; es liege ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen vor, der mangels Einwilligung nicht gerechtfertigt sei [BGH, NJW 2005, 497 (498)]. Da somit die Unverwertbarkeit mit der Rechtswidrigkeit begründet wird, kann der Grund dafür, dass die aufgrund eines nach § 1598a Abs. 2 BGB eingeholten Gutachtens erlangte Kenntnis zur Begründung des Anfangsverdachts geeignet ist, nur darin zu sehen sein, dass die Kenntnis nach § 1598a Abs. 2 BGB rechtmäßig erlangt wird. Warum dies im Gegensatz zur heimlich erlangten Kenntnis der Fall ist, ist nicht so recht verständlich, da sowohl im Rahmen des heimlichen Gutachtens als auch im Rahmen des § 1598a Abs. 2 BGB durch die Einholung des Gutachtens in das informationelle Selbstbestimmungsrecht eingegriffen wird, ohne dass eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt. Es mag nicht so recht einleuchten, weshalb die Verfassungsrichter davon ausgehen, dass im Falle der heimlichen Einholung das Fehlen einer Einwilligung zur Rechtswidrigkeit führt, während im Falle des § 1598a Abs. 2 BGB das Gutachten trotz fehlender Einwilligung rechtmäßig ist. Der Grund für das Fehlen einer Einwilligung kann entweder sein, dass der Betroffene überhaupt keine Kenntnis von der Einholung eines Gutachtens hat und deshalb schon keine Möglichkeit hatte, seinen Willen durch Erteilung oder Verweigerung zum Ausdruck zu bringen, oder, dass der Betroffenen seinen Willen bezüglich der Nichteinholung eines Gutachtens durch Verweigerung der Einwilligung zum Ausdruck gebracht hat. Der erstgenannte Fall würde die unterschiedliche Beantwortung der Rechtmäßigkeit begründen, da es im Falle der Heimlichkeit im Gegensatz zum Falle des § 1598a Abs. 2 BGB an der Kenntnis des Betroffenen fehlt; danach käme es weniger auf die fehlende Einwilligung als vielmehr auf die fehlende Kenntnis an. Der letztgenannte Fall dagegen vermag die unterschiedliche Bewertung der Rechtmäßigkeit nicht zu begründen, da der Betroffene durch die Verweigerung der Einwilligung in beiden Fällen gleichermaßen seinen ablehnenden Willen zum Ausdruck gebracht hat, die Rechtmäßigkeit des eingeholten Gutachtens aber dennoch unterschiedlich bewertet wird. Gleichwohl kann den Verfassungsrichtern aber der erstgenannte Fall nicht vorgeschwebt sein, da dieser zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen würde, dass ein privates Gutachten, das nach vorheriger Mitteilung, aber ohne Einwilligung des Betroffenen eingeholt würde, rechtmäßig wäre [vgl. Balthasar, FamRZ 2007, 448 (449); ders., JZ 2007, 635 (636)]. Dafür, dass nicht von der fehlenden Kenntnis, sondern von der fehlenden Kundgabe des Willens ausgegangen wird, spricht zudem die von den Richtern

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Da das Verfahren des § 1598a BGB aber an keine Voraussetzungen, insbesondere also nicht an die Begründung eines Anfangsverdachts, gebunden ist, gelingt es dem Anfechtungsberechtigten, der zugleich nach § 1598a BGB Klärungsberechtigter ist (im Folgenden doppelt Berechtigter) und über die finanziellen Mittel verfügt, auf eigene Kosten ein privates Abstammungsgutachten, das der Qualität eines gerichtlichen Abstammungsgutachtens entspricht, einzuholen, sich voraussetzungslos die Grundlagen für die Begründung des Anfangsverdachts zu „erkaufen“283 und folglich über den Umweg des § 1598a BGB voraussetzungslos in das Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB zu gelangen284. Da dieses die faktische Beseitigung des Anfangsverdachts bedeutet, geht nicht nur die Schutzfunktion des Anfangsverdachts gänzlich verloren, sondern die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft ist nach Einführung des § 1598a BGB mit Ausnahme des § 1600b BGB an keine Voraussetzungen mehr gebunden. Da diese Voraussetzungslosigkeit nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts wegen der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten rechtlichen VaterKind-Beziehung aber verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist, haben die Verfassungsrichter nach einem Gegengewicht gesucht, durch das als Alternative zu dem begründeten Anfangsverdacht das Anfechtungsverfahren zum Schutze der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung und damit zum Schutze des Kindes eingedämmt werden kann285. gewählte Formulierung. Hätten sie zum Ausdruck bringen wollen, dass die Rechtswidrigkeit in der fehlenden Kenntnis begründet liegt, so hätten sie wahrscheinlich nicht die Formulierung gewählt, dass sich die Rechtswidrigkeit aus der fehlenden Zustimmung ergibt, sondern die, dass sich die Rechtswidrigkeit aus der Heimlichkeit ergibt. Da somit alles dafür spricht, dass die Verfassungsrichter von dem Fall ausgegangen sind, dass trotz ausdrücklich verweigerter Einwilligung die Einholung des Gutachtens rechtmäßig ist, stellt sich die Frage, wie ein gegen den Willen des Betroffenen eingeholtes Gutachten rechtmäßig sein kann. Begründet werden kann dies nur damit, dass einer vom Gericht nach § 1598a Abs. 2 BGB erteilten Einwilligung eine größere Bedeutung zugesprochen wird als dem Willen des Betroffenen selbst. Dies führt zu dem „Wertungswiderspruch“ [vgl. Balthasar, FamRZ 2007, 448 (449)], dass das ohne Einwilligung des Betroffenen eigenmächtig eingeholte private Gutachten rechtswidrig, das ohne Einwilligung des Betroffenen, vom Gericht angeordnete private Gutachten, rechtmäßig ist. 283 Helms, FamRZ 2008, 1033 (1036). 284 Brosius-Gersdorf, NJW 2007, 806 (811) beschreibt diese Situation so, dass der doppelt Berechtigte durch das Vorgehen nach § 1598a BGB „zugleich den Anfangsverdacht für eine Anfechtung [der] Vaterschaft in den Händen“ hält; Helms bezeichnet in FamRZ 2008, 1033 (1036) und StAZ 2008, 7 (8) das Verfahren nach § 1598a BGB für die Zeit, in der die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB noch nicht abgelaufen ist, gar als „Vorverfahren für die Erhebung einer Vaterschaftsanfechtungsklage“; Spickhoff, NJW 2007, 1628 (1637).

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Als Möglichkeit schlugen sie vor, die Anfechtung der Vaterschaft auszuschließen, wenn die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft „wegen der Dauer der rechtlichen und sozialen Bindung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater sowie der besonderen Lebenssituation und Entwicklungsphase, in der sich das Kind gerade befindet, zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Kindeswohls führte“286. Um dieser Vorgabe gerecht zu werden, sah der Gesetzesentwurf der Bundesregierung den Ausschluss der Vaterschaftsanfechtung vor, wenn und solange die Folgen der Anfechtung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des minderjährigen Kindes begründen würden, die auch unter Berücksichtigung der Belange des Anfechtungsberechtigten für das Kind unzumutbar wären (vgl. § 1600 Abs. 5 BGB-E)287. Diesem Vorschlag, als Alternative zum Anfangsverdacht eine Ausschlussmöglichkeit einzuführen, ist der Gesetzgeber schlussendlich allerdings nicht gefolgt, da aus seiner Sicht die rechtliche Vater-Kind-Beziehung und damit das Wohl des Kindes auch bei nicht modifizierter Beibehaltung der bisherigen Rechtslage genauso wie vor Einführung des § 1598a BGB geschützt sei. So ging er zum einen davon aus, dass das Kindeswohl bereits nach § 1598a Abs. 3 BGB im Rahmen der Einholung des privaten Gutachtens geprüft würde und innerhalb der kurzen Zwei-Jahres-Frist des § 1600b BGB mit einer wesentlichen Änderung der Umstände, die sich auf das Kindeswohl auswirken, nicht zu rechnen sei, sodass es einer erneuten Überprüfung im Rahmen des Anfechtungsverfahrens nicht bedürfe288. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich Umstände innerhalb von zwei Jahren nicht derart verändern können289, dass sie dem Wohle des Kindes nicht länger dienen, sondern ihm schaden, geht diese Begründung gleichwohl fehl, da sie verkennt, dass die Kindeswohlprüfung nach § 1598a Abs. 3 BGB nur dann vorgenommen wird, wenn es hinsichtlich der Durchführung einer Abstammungsuntersuchung außergerichtlich zu keiner Erteilung der Einwilligung kommt290. Wird die Einwilligung dagegen bereits außergerichtlich 285 A. A. Rixe, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klae rung_Vaterschaft/04_ Stellungnahmen/index.html, S. 9, der davon ausgeht, dass trotz der Einführung des § 1598a BGB den Interessen des Kindes weiterhin durch den Anfangsverdacht Rechnung getragen wird. 286 BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 99). 287 BT-Drucks. 16/6561, S. 5, 14. 288 BT-Druck 16/8219, S .8, 16. 289 Bereits dies ist überaus zweifelhaft, weist doch Schwab in FamRZ 2008, 23 (26) darauf hin, dass „zwei Jahre ein Drittel der Kindheit und der neunte Teil der gesamten Jugend“ seien. 290 BT-Drucks. 16/8219, S. 10.

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erteilt, so entsteht die Situation, dass der doppelt Berechtigte nach § 1598a Abs. 1 BGB ein Gutachten einholen kann, das im Anschluss im Rahmen des §§ 1600–1600c BGB zur Begründung des Anfangsverdachts geeignet ist, ohne dass das Kindeswohl in einem der beiden Verfahren berücksichtigt wird. Zum anderen wurde als Begründung angeführt, dass das Vaterschaftsanfechtungsverfahren vor Einführung des § 1598a BGB auch keine Kindeswohlklausel vorsah. Dem ist zwar mit Ausnahme der Anfechtung nach § 1600b Abs. 4 BGB291 zuzustimmen, allerdings übersieht diese Begründung, dass es durch die Einführung des § 1598a BGB zu einer Modifizierung des Abstammungsrechts gekommen ist, die zur Folge hat, dass eine isolierte Betrachtung des Anfechtungsverfahrens nicht länger hinnehmbar ist. Wurde vor Einführung des § 1598a BGB das Kindeswohl durch das Erfordernis des Anfangsverdachts gewahrt, so muss nach Einführung des § 1598a BGB nach einem neuen Korrektiv gesucht werden, da das Erfordernis des Anfangsverdachts durch Einführung des § 1598a BGB in vielen Fällen hinfällig wird. Wenn die Fraktion der CDU/CSU die Auffassung vertritt, dass das Kindeswohl auch ohne eine besondere Erwähnung weiterhin Berücksichtigung finde, da es in familiengerichtlichen Verfahren generell zu berücksichtigen sei292, so bezieht sie sich wahrscheinlich genauso wie der abgelehnte Gesetzesentwurf des Bundesrates293 auf die Norm des § 1697a BGB. Diese Auffassung übersieht aber, dass das Kindeswohlprinzip des § 1697a BGB nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nur Anwendung auf Angelegenheiten betreffend die elterliche Sorge (§§ 1626 ff. BGB), nicht aber auf Angelegenheiten betreffend die Abstammung (§§ 1591 ff. BGB) findet294. Auch der von der CDU/CSU-Fraktion vertretenen Ansicht, dass es genüge, wenn das Wohl des Kindes in einem der beiden Verfahren berücksichtigt würde, da es sich bei den Verfahren zur Klärung und Anfechtung der Abstammung um eine Einheit handle, kann nicht zugestimmt werden. Dagegen spricht die eindeutige Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, das 291 Darüber, ob § 1600b Abs. 4 BGB geeignet ist, das Wohl des Kindes zu schützen, kann freilich gestritten werden, da die Kindeswohlprüfung einfach dadurch umgangen werden kann, indem die Mutter oder der rechtliche Vater die Vaterschaft im eigenen Namen und nicht im Namen des Kindes anfechten (vgl. Wanitzek, S. 102). 292 BT-Drucks. 16/8219, S. 10. 293 BT-Drucks. 16/5370, S. 8. 294 Es verwundert, dass ausgerechnet die CDU/CSU-Fraktion den § 1697a BGB für anwendbar hält, hat doch die Bundesregierung in der Stellungnahme zum Gesetzesentwurf des Bundesrates den § 1697a BGB aus o. g. Gründen gerade für nicht anwendbar gehalten (vgl. BT-Drucks. 16/5370, S. 10).

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Verfahren nach § 1598a BGB als isoliertes, von der Anfechtung der Vaterschaft unabhängiges Verfahren auszugestalten, durch das es dem Klärungsbzw. Anfechtungsberechtigten gerade ermöglicht werden soll, darüber zu entscheiden, ob er beide Verfahren oder nur eines der beiden betreibt295. Aber selbst dann, wenn man von einer Einheit der beiden Verfahren ausginge, so würde es nur in den seltenen Fällen einer gerichtlichen Ersetzung der zuvor verweigerten Einwilligung zu einer Prüfung des Kindeswohls kommen. Mit seiner Entscheidung gegen die Einführung einer Möglichkeit, die Vaterschaftsanfechtung auszuschließen, hat sich der Gesetzgeber folglich auch gegen die Einführung einer Alternative zum Anfangsverdacht entschieden. Wird wie bereits vor Einführung des § 1598a BGB direkt Anfechtungsklage erhoben, so bleibt es dabei, dass die verfassungsrechtlich geschützte rechtliche Vater-Kind-Beziehung durch das Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts geschützt wird. Wird dagegen vor Erhebung der Anfechtungsklage das Klärungsverfahren durchgeführt, so muss hinsichtlich der Frage, ob die rechtliche Vater-Kind-Beziehung geschützt wird, danach unterschieden werden, ob die Einwilligung außergerichtlich nach § 1598a Abs. 1 BGB oder gerichtlich nach § 1598a Abs. 2 BGB erteilt wird. Bei einer gerichtlichen Ersetzung der Einwilligung wird die rechtliche Beziehung zum Schutze des Kindes im Rahmen des Klärungsverfahrens nach § 1598a Abs. 3 BGB berücksichtigt. Wird daraufhin die Einwilligung verweigert, so wird sie bei der sich anschließenden Vaterschaftsanfechtung durch das Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts erneut berücksichtigt, während sie bei einer gerichtlichen Ersetzung der Einwilligung im Anfechtungsverfahren keinerlei Berücksichtigung mehr findet. Bei einer außergerichtlichen Erteilung dagegen ist in keinem der beiden Verfahren ein Schutz der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung vorgesehen; im Rahmen des § 1598a Abs. 1 BGB ist die Prüfung nach § 1598a Abs. 3 BGB nicht einschlägig und im Rahmen des §§ 1600–1600c BGB kann die Hürde des Anfangsverdacht durch die voraussetzungslos erlangte Kenntnis problemlos überwunden werden. Da davon auszugehen ist, dass in den überwiegenden Fällen die Einwilligung bereits außergerichtlich nach § 1598a Abs. 1 BGB erteilt wird296, wird dem doppelt Berechtigten vom Gesetzgeber durch Einführung des § 1598a BGB die Möglichkeit eröffnet, die rechtliche Vaterschaft zu beseitigen, ohne dass der verfassungsrechtlich verankerte Schutz der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung Berücksichtigung findet. 295 296

Vgl. Pressemitteilung des BJM v. 21.02.2007. Ausführlich dazu Fn. 184.

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2. Teil: Vaterschaft

b) Zwischenergebnis Durch Einführung des § 1598a BGB wird das Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts faktisch beseitigt, was für das Anfechtungsverfahren nach §§ 1600–1600c BGB bedeutet, dass die Vaterschaftsanfechtung mit Ausnahme der Anfechtungsfrist des § 1600b BGB an keine Voraussetzungen mehr gebunden ist. Es sei darauf hingewiesen, dass auch die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB keine Alternative zum Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts darstellt. Da diese an dieselben Voraussetzungen wie der Anfangsverdacht geknüpft ist297, kommt ihr nur dann eigenständige Bedeutung zu, wenn es der Anfechtungsberechtigte unterlässt, innerhalb der Frist des § 1600b BGB Klage zu erheben, da er dann zwar die Hürde des Anfangsverdachts überwindet, allerdings an der Einhaltung der Frist scheitert. Erhebt er dagegen unter Einhaltung des § 1600b BGB Anfechtungsklage, so ist die Klage erfolgreich, da die Frist gewahrt ist und deshalb die Hürde des Anfangsverdachts problemlos überwunden wird. Dagegen scheitert er bereits an der Hürde des Anfangsverdachts, wenn noch gar keine Frist läuft. 2. Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB Die mit der Einführung des § 1598a BGB verbundene faktische Aufhebung des Erfordernisses eines begründeten Anfangsverdachts hat aber nicht nur Folgen für das Verfahren, in dem es seinen ursprünglichen Anwendungsbereich hatte (§§ 1600–1600c BGB), sondern wirkt sich ebenfalls auf das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB aus. a) Darstellung der Klärungssituation Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts soll es sich bei dem Verfahren nach § 1598a BGB um ein Verfahren handeln, bei dem „es lediglich um die Verfolgung des Ziels geht, über die Abstammung [. . .] Gewissheit zu erlangen“298 und das sich von §§ 1600–1600c BGB dadurch unterscheidet, dass die rechtliche Vater-Kind-Beziehung nicht gefährdet wird. Das Klärungsverfahren soll also im Unterschied zum Anfechtungsverfahren ein rechtsfolgenloses Verfahren sein, durch das zwar die genetischen Abstammungsverhältnisse geklärt werden, diese Klärung aber keine automatischen Auswirkungen auf die statusrechtliche Zuordnung des Kindes hat. 297 298

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D. BVerfG, NJW 2007, 753 (757 Rn. 88).

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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Betrachtet man das Verfahren nach § 1598a BGB isoliert, so kann diese rechtsfolgenlose Ausgestaltung des § 1598a BGB bejaht werden, da nach § 1598a BGB lediglich die genetische Abstammung geklärt werden kann, ohne irgendwelche Rechtsfolgen hervorzurufen. Dies bedeutet, dass bei einer isolierten Betrachtung des § 1598a BGB die rechtliche Vater-Kind-Beziehung nicht gefährdet würde. Da allerdings die im Rahmen des § 1598a BGB erlangte Kenntnis geeignet ist, im Rahmen des §§ 1600–1600c BGB den Anfangsverdacht zu begründen, was mangels einer anderweitigen Abwendungsmöglichkeit der Vaterschaftsanfechtung gleichbedeutend mit einer erfolgreichen Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft ist, verbietet sich eine derartige isolierte Betrachtung des § 1598a BGB; stattdessen dürfen die Verfahren nur als eine Einheit betrachtet werden. Gegen eine derartige Gesamtbetrachtung spricht auch nicht, dass das Verfahren nach § 1598a BGB als von dem Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB dogmatisch unabhängiges Verfahren ausgestaltet ist, was bedeutet, dass sich nicht automatisch an das Klärungsverfahren das Anfechtungsverfahren und damit die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft anschließt, sondern dass es im Ermessen des doppelt Berechtigten steht, ob er es bei der bloßen nach § 1598a BGB erlangten Kenntnis belässt oder ob er Konsequenzen aus dieser Kenntnis zieht und Anfechtungsklage erhebt. Rein dogmatisch betrachtet ist dieser Einwand zwar zutreffend und spräche gegen eine Gesamtbetrachtung und damit für die Rechtsfolgenlosigkeit des § 1598a BGB, faktisch allerdings wird die dogmatisch gewährleistete Unabhängigkeit des § 1598a BGB nur selten relevant, da davon auszugehen ist, dass es der doppelt Berechtigte in den meisten Fällen, in denen er nach § 1598a BGB vorgeht und dabei Gewissheit über die Nichtabstammung des Kindes erlangt, nicht bei dieser bloßen Kenntnis belassen wird, sondern auch den nächsten Schritt der Erhebung der Anfechtungsklage beschreiten wird299. Für diese Vorgehensweise spricht zum einen, dass das Abstammungsgutachten weit überwiegend auf Betreiben des rechtlichen Vaters eingeholt werden wird300, der, wenn er ein solch ausgeprägtes Näheverhältnis zum Kind hätte, dass er trotz der fehlenden genetischen Verbindung rechtlich für dieses wie für ein eigenes Kind einstehen möchte, bereits gar nicht die genetischen Abstammungsverhältnisse überprüfen lassen würde, da er andernfalls eine Gefährdung der sozialen Familie riskieren würde, obwohl sich für ihn, unabhängig vom Ergebnis der Abstammungsuntersuchung, ohnehin nichts ändern würde301. Aber nicht nur dann, wenn es der rechtliche 299

Ebenso Janott, ZfRV 2008, 184 (189). Groß, FPR 2007, 392 (394); Schwab, FamRZ 2008, 23 (26); Hammermann, FamRB 2008, 150 (150). 300

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2. Teil: Vaterschaft

Vater ist, der durch das Vorgehen nach § 1598a BGB Gewissheit über die Nichtabstammung des Kindes erlangt, ist davon auszugehen, dass sich das Anfechtungsverfahren anschließen wird, da durch das Vorgehen nach § 1598a BGB die Hemmschwelle Anfechtungsklage zu erheben sinkt. Der doppelt Berechtigte erlangt durch § 1598a BGB Gewissheit über die Nichtabstammung des Kindes vom rechtlichen Vater. Hätte er nur Zweifel an der genetischen Abstammung des Kindes, so würde er möglicherweise von der Erhebung der Anfechtungsklage absehen, da er zum Schutze der sozialen Familie den Familienfrieden nicht unnötigerweise gefährden wollte. Durch das Vorgehen nach § 1598a BGB weiß er aber zum einen, dass die Anfechtung der Vaterschaft Erfolg haben wird, er also die soziale Familie nicht unnötigerweise gefährdet, und zum anderen, dass er mit der Erhebung der Anfechtungsklage nicht die soziale und rechtliche, sondern nur noch die rechtliche Familie opfert, weil er die soziale bereits durch das Vorgehen nach § 1598a BGB zumindest erheblich gefährdet hat302. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der doppelt Berechtigte die gleichen Skrupel, die er vor Einführung des § 1598a BGB bei Erhebung der Anfechtungsklage hatte, nun bei der Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens hat, mit der Folge, dass von der neuen Möglichkeit des § 1598a BGB nicht allzu häufig Gebrauch gemacht wird und es deshalb trotz der Einführung des § 1598a BGB kaum mehr Fälle geben wird, in denen der doppelt Berechtigte nicht nur Zweifel an der genetischen Abstammung, sondern sichere Kenntnis über die anderweitige Abstammung des Kindes unter Gefährdung der sozialen Familie erlangt hat. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch ein Vorgehen nach § 1598a BGB, unabhängig vom Ergebnis der Abstammungsuntersuchung, negative Auswirkungen auf den Familienfrieden und damit auf die soziale Familie hat303. Im Unterschied zu einem Vorgehen nach §§ 1600–1600c BGB wird der soziale Bestand der Familie aber zumeist nicht zerstört, sondern nur erheblich gefährdet304. Zudem hat der Einzelne bei § 1598a BGB im Unterschied zu §§ 1600–1600c BGB dogmatisch keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten. Oberflächlich betrachtet ist ein Vorgehen nach § 1598a BGB demnach das kleinere Übel: Klärung der genetischen Abstammung unter Ge301 Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1279); Brosius-Gersdorf, S. 136; Gehb, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15327C; Willutzki, ZRP 2007, 180 (181); Balthasar, JZ 2007, 635 (637); Rotax, ZFE 2007, 124 (124); Nake, Wortlautprotokoll 82/16, S. 45; a. A. Koritz, Kind-Prax 2005, 106 (107), die davon ausgeht, dass der Mann, der die Rolle des sozialen Vaters übernommen hat, diese Rolle unabhängig von der Frage der biologischen Vaterschaft ausfüllen möchte. 302 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a). 303 Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e. V., http://www. vamv-bundesverband. de/PDFs/VaterschaftsfeststellungGE%071.pdf, S. 2. 304 Brosius-Gersdorf, S. 135.

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fährdung der sozialen Familie gegenüber Klärung der genetischen Abstammung unter Zerstörung der sozialen und rechtlichen Familie. Da somit davon auszugehen ist, dass die Hemmschwelle für ein Vorgehen nach § 1598a BGB nicht so groß wie für ein Vorgehen nach §§ 1600– 1600c BGB ist, wird es nach Einführung des § 1598a BGB mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Fälle geben, in denen nicht nur Gewissheit über die Nichtabstammung des Kindes vom rechtlichem Vater besteht, sondern auch bereits vor Erhebung der Anfechtungsklage die soziale Familie, wenn auch nicht geopfert, so doch zumindest erheblich gefährdet ist. Folglich schließt sich, wenn die Abstammungsuntersuchung die Nichtabstammung des Kindes vom rechtlichen Vater ergibt, überwiegend das Anfechtungsverfahren an305, das, freilich immer die Fristwahrung des § 1600b BGB vorausgesetzt, erfolgreich mit der Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft beendet wird, da die Hürde des Anfangsverdachts problemlos überwunden wird und kein alternatives Instrument vorliegt, das zur Abweisung der Klage führen könnte. Da sich folglich in aller Regel der doppelt Berechtigte im Anschluss an ein Vorgehen nach § 1598a BGB für die Erhebung der Anfechtungsklage entscheidet306, ist das Verfahren nach § 1598a BGB nur dogmatisch, nicht aber faktisch von §§ 1600–1600c BGB unabhängig und darf deshalb gerade nicht isoliert betrachtet werden. Da zudem der Erfolg der Anfechtungsklage nicht mehr abgewendet werden kann, wird die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft bei einem Vorgehen nach § 1598a BGB zur reinen Formsache, sodass die rechtliche Vaterschaft bereits durch das bloße Vorgehen nach § 1598a BGB konkret gefährdet wird. b) Zwischenergebnis Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass wegen der faktischen Beseitigung des Anfangsverdachts bereits durch das Verfahren nach § 1598a BGB faktisch die rechtliche Vater-Kind-Beziehung gefährdet wird, sodass das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB gerade nicht rechtsfolgenlos ausgestaltet ist307. Auf diese Auswirkung wies Helms bereits während des Gesetzgebungsverfahrens hin, da er zu bedenken gab, dass das Ziel, § 1598a BGB als ein 305

So auch Balthasar, JZ 2007, 635 (637); Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1279); Brosius-Gersdorf, S. 136; Gehb, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15327C; Willutzki, ZRP 2007, 180 (181); Nake, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/ anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 5. 306 So auch Helms, FamRZ 2008, 1033 (1036). 307 Ebenso Helms, StAZ 2008, 7 (9).

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2. Teil: Vaterschaft

Verfahren auszugestalten, das einzig auf Kenntniserlangung gerichtet ist, ohne rechtliche Konsequenzen auszulösen, nur dann erreicht werden könne, wenn aus § 1598a BGB keinerlei Konsequenzen für das Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB gezogen werden könnten308. III. Ergebnis Die Aufgabe des Anfangsverdachts hat durch die Einführung des § 1598a BGB eine Wandlung erfahren. Während es vor Einführung des § 1598a BGB seine einzige Aufgabe war, im Rahmen des §§ 1600–1600c BGB dafür zu sorgen, dass die Vaterschaftsanfechtung wegen der Gefährdung der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung nicht voraussetzungslos möglich ist, erhält er nach Einführung des § 1598a BGB die neue zusätzliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass § 1598a BGB wegen seiner Voraussetzungslosigkeit isoliert betrachtet werden kann und keine Gefahr für die rechtliche VaterKind-Beziehung darstellt. Dabei muss man sich den Anfangsverdacht als zwischen den beiden Verfahren stehend vorstellen. Wird er dogmatisch oder faktisch abgeschafft, so bedeutet dies, dass die beiden Verfahren faktisch zu einem Verfahren verschmelzen. Auch wenn der Anfangsverdacht durch Einführung des § 1598a BGB nicht dogmatisch abgeschafft wird, so wird er doch faktisch abgeschafft, da die nach § 1598a BGB voraussetzungslos erlangte Kenntnis zur Begründung des Anfangsverdachts verwertet werden kann, sodass es zu einer Verschmelzung beider Verfahren kommt. Diese „Aus-zwei-mach-eins“-Konsequenz ist in der Gestalt, die die beiden Verfahren nach geltendem Recht haben, weder bezüglich des Klärungsverfahrens noch bezüglich des Anfechtungsverfahrens aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich gerechtfertigt. So kann gesagt werden, dass der Anfangsverdacht den Dreh- und Angelpunkt für die Verfassungsmäßigkeit der beiden Verfahren darstellt. 1. Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c BGB Bezüglich des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens gemäß §§ 1600–1600c BGB macht das Bundesverfassungsgericht auf der einen Seite deutlich, dass die Voraussetzung der Begründung eines Anfangsverdachts wegen der Rechtsfolge der Beseitigung der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten recht308 Helms, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 15.

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lichen Vaterschaft verfassungsrechtlich geboten sei, ermöglicht aber auf der anderen Seite mit der Einführung eines Klärungsverfahrens, das an keinerlei Voraussetzungen gebunden ist, die problemlose Überwindung der angeblich verfassungsrechtlich gebotenen Hürde. Aus dieser „kaum verständlichen Inkonsequenz“309 ergibt sich eine „verbilligte Eintrittskarte in das Anfechtungsverfahren“310, da bereits die bloße Behauptung, Zweifel an der genetischen Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater zu haben, über das Verfahren des § 1598a BGB die Tür zum Verfahren des §§ 1600–1600c BGB öffnet. Folglich ist die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft an keinerlei Voraussetzungen gebunden, was wegen der Rechtsfolge der Beseitigung der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten rechtlichen Vaterschaft aber gerade nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. 2. Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB Das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB kann durch die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, dass die im Rahmen des Klärungsverfahrens erlangte Kenntnis bei der Anfechtung der Vaterschaft zur Begründung des Anfangsverdachts geeignet ist, nicht als von §§ 1600–1600c BGB isoliertes Verfahren betrachtet werden. Da der Gesetzgeber darauf verzichtet, eine Alternative für den Anfangsverdacht einzuführen, ist das Verfahren nach § 1598a BGB auch nicht rechtsfolgenlos, weil die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft in dem Moment, in dem der Anfechtungsberechtigte das Abstammungsgutachten in den Händen hält, zur reinen Formsache wird. Folglich wird bereits durch das Verfahren nach § 1598a BGB der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte rechtliche Bestand der Familie konkret gefährdet, sodass die Voraussetzungslosigkeit des § 1598a BGB verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist311. 3. Eigene Stellungnahme Durch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und dem, was der Gesetzgeber daraus gemacht hat, wird der Anfangsverdacht dann, wenn ein Vorgehen nach § 1598a BGB und §§ 1600–1600c BGB möglich ist, nicht nur seiner Aufgaben, das Verfahren zur Anfechtung der Vaterschaft wegen seiner Rechtsfolgen an die Erfüllung gewisser Voraussetzungen zu binden und das Klärungsverfahren wegen seiner Voraussetzungslosigkeit als rechts309 310 311

Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1278). Wunderlich, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15328D. Ebenso Helms in Festschrift für Rainer Frank, 225 (238).

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2. Teil: Vaterschaft

folgenloses Verfahren auszugestalten, beraubt, sondern hat vielmehr nahezu vollständig seinen Anwendungsbereich verloren. Die einzige Funktion, die dem Anfangsverdacht noch zukommt, ist, den doppelt Berechtigten vor Erhebung der Anfechtungsklage in das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB zu drängen312. Vor diesem Hintergrund hätte das Erfordernis des Anfangsverdachts auch gleich abgeschafft werden können, was unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre, wenn sowohl in § 1598a BGB als auch in §§ 1600–1600c BGB ein Korrektiv für die Funktionen des Anfangsverdachts aufgenommen worden wäre. In § 1598a BGB hätte berücksichtigt werden müssen, dass das Klärungsverfahren nicht mehr rechtsfolgenlos ist und in §§ 1600–1600c BGB hätte dafür gesorgt werden müssen, dass die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft auch weiterhin an Voraussetzungen gebunden ist. Auch wenn der Gesetzgeber das Erfordernis des Anfangsverdachts gerade nicht abgeschafft hat, kommt es de facto doch zu einer Abschaffung. Da es der Gesetzgeber aber unterlassen hat, die Auswirkungen der faktischen Abschaffung des Anfangsverdachts sowohl im Rahmen des § 1598a BGB als auch im Rahmen des §§ 1600–1600c BGB zu berücksichtigen, mit der Folge, dass sowohl das Verfahren nach § 1598a BGB als auch das nach §§ 1600–1600c BGB voraussetzungslos ausgestaltet ist, obwohl es die rechtliche Vaterschaft gefährdet, ist die derzeitige Rechtslage nach dem Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt: – das Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB ist bei gleichbleibender Rechtsfolge der Gefährdung der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten rechtlichen Vaterschaft zu einem de facto voraussetzungslosen Verfahren geworden und – das Verfahren nach § 1598a BGB ist bei gleichbleibender Voraussetzungslosigkeit zu einem Verfahren geworden, das de facto die Rechtsfolge der Gefährdung der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten rechtlichen Familie entfaltet. Es soll am Rande darauf hingewiesen werden, dass nach dem Gesetzesentwurf des Bundesrates313 die dargestellten Probleme, wenn überhaupt, dann nur sehr selten aufgetreten wären, da es nicht zu einer faktischen Beseitigung des Anfangsverdachts gekommen wäre. Zwar sah der Gesetzesentwurf des Bundesrates ebenfalls vor, dass die aufgrund des privat eingeholten Abstammungsgutachtens erlangte Kenntnis zur Begründung des An312 313

So auch Brosius-Gersdorf, NJW 2007, 806 (811). BT-Drucks. 16/5370.

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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fangsverdachts geeignet ist314. Allerdings wäre die Kenntnis zur Begründung des Anfangsverdachts seltener als bei einem nach § 1598a BGB eingeholten privaten Abstammungsgutachten geeignet, da eine gerichtliche Verwertung voraussetzt, dass das Gutachten dem Qualitätsstandard eines gerichtlichen Abstammungsgutachtens entspricht, was bei einem auf Grundlage des Gesetzesentwurfs des Bundesrates eingeholten Abstammungsgutachtens seltener der Fall ist, weil dieses in der Regel mangels eines durchsetzbaren Anspruchs gegen die Mutter auch keine Untersuchung deren Genmaterials enthält und deshalb weit weniger verlässlich ist (sog. Defizienfall)315. Somit beschränkt sich dieser Entwurf in den meisten Fällen auf die Einführung eines Verfahrens zur isolierten Klärung der genetischen Abstammung des Kindes, ohne die Möglichkeit zu eröffnen, hieraus Folgen für den rechtlichen Status des Kindes zu ziehen316.

D. Fristen Eine Frist ist ein abgegrenzter, mithin bestimmter oder bestimmbarer, nicht zwingend aber ununterbrochener Zeitraum317, deren Aufgabe es ist, Sicherheit zu schaffen – in der Regel die Sicherheit, dass es nach Ablauf des durch die Frist bestimmten Zeitraums zu keiner Veränderung des bestehenden Zustandes mehr kommen kann (sog. Rechtssicherheit)318. Da der bestehende Zustand im Abstammungsrecht als Status319 bezeichnet wird, dienen Fristen im Bereich des Abstammungsrechts dazu, das Ziel der „Statussicherheit“ zu gewähren320. Es soll also die Sicherheit erlangt werden, dass nach Ablauf der Frist der bestehende Status keine Veränderung mehr erfährt. Da Statussicherheit Rechtssicherheit bedeutet und diese für Stabilität und damit für Frieden in der Familie sorgt, dienen Fristen im Rahmen des Abstammungsrechts zusätzlich dem Schutz der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten sozialen Familie321. 314

BT-Drucks. 16/5370, S. 6. Hardenberg von, Süddeutsche Zeitung Nr.45 vom 22.02.08, 2 (2). 316 So auch Pieper in Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, 3. Kapitel Rn. 157a. 317 Löhnig, Fristen und Termine, Rn. 1. 318 BT-Drucks. 16/6561, S. 20; Löhnig, Fristen und Termine, Rn. 252. 319 Dabei unterscheidet man zwischen dem Status des Kindes zu seiner Mutter und dem Status des Kindes zu seinem rechtlichen Vater [vgl. Fritsche, NJ 2007, 294 (294)]. 320 Groß, FPR 2007, 392 (392); Gernhuber/Coester-Waltjen, § 52 I Rn. 4. 321 BGH, NJW 1999, 1862 (1863); Gernhuber/Coester-Waltjen, § 52 V Rn. 120. 315

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2. Teil: Vaterschaft

Vor dem Hintergrund, dass diese Ansicht nicht nur vom Gesetzgeber bereits im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform vertreten wurde, sondern von diesem auch im Rahmen der Diskussion um die Einführung des § 1598a BGB ausdrücklich bekräftigt322 und vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde323, wird im Folgenden geprüft, ob der Schutz der sozialen Familie durch Fristen nach Einführung des § 1598a BGB am 01. April 2008 im Rahmen des deutschen Abstammungsrechts gewährleistet ist (vgl. II.). Zum besseren Verständnis wird vorab die diesbezügliche Situation vor Einführung des § 1598a BGB, also vor dem 01. April 2008, aufgezeigt (vgl. I.). Da das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 1600d BGB zu Recht an keine Fristen gebunden ist324, bleibt dieses unberücksichtigt. Eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft nach § 1600d BGB ist nur bei rechtlicher Vaterlosigkeit möglich. Wird der biologische Vater festgestellt, so wird dieser dem Kind als sein rechtlicher Vater zugeordnet. Der Status des Kindes wird demnach dahingehend geändert, dass das Kind einen rechtlichen Vater erhält. Die Statusveränderung weg von der rechtlichen Vaterlosigkeit hin zur rechtlichen Vaterschaft ist für das Kind positiv, während der Eintritt von Statussicherheit, also die Beibehaltung der rechtlichen Vaterlosigkeit, für das Kind negativ wäre. I. Rechtslage bis zum 01. April 2008 Zum Schutze der sozialen Familie hat sich der Gesetzgeber im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform dazu entschlossen, das Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c BGB an eine kenntnisabhängige Frist zu binden. Im Folgenden soll dargestellt werden, wie die vom Gesetzgeber gewählte Frist beschaffen ist (vgl. 1.), und ob durch die Einführung der Frist tatsächlich die soziale Familie geschützt wird (vgl. 2.). 1. Beschaffenheit der Anfechtungsfrist Nach § 1600b Abs. 1 S. 1 BGB kann die Vaterschaft unabhängig von der Person des Anfechtenden nur innerhalb einer Zwei-Jahres-Frist ange322

BT-Drucks. 16/5370, S. 10. BVerfG, NJW 2007, 753 (756 Rn. 82). 324 Rauscher in Staudinger, § 1600e Rn. 33; OLG Saarbrücken, JAmt 2006, 144 (145), die allerdings darauf hinweisen, dass eine mittelbare Befristung dann vorliegt, wenn eine rechtliche Vaterschaft besteht, die zuvor durch Anfechtung nach §§ 1600 ff. BGB beseitigt werden muss; Mutschler, FamRZ 1996, 1381 (1383). 323

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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fochten werden. Da es sich bei der Frist des § 1600b BGB um eine von Amts wegen zu berücksichtigende Ausschlussfrist handelt325, erlischt das Anfechtungsrecht mit Ablauf der Frist326, ohne dass sich der Beklagte auf den Fristablauf berufen muss. Die Frist beginnt grundsätzlich in dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen (vgl. § 1600b Abs. 1 S. 2 BGB), nicht jedoch vor der Geburt des Kindes bzw. dem Wirksamwerden der Anerkennung (vgl. § 1600b Abs. 2 S. 1 BGB)327. Diese die Anfechtungsfrist in Gang setzende Kenntnis liegt dann vor, wenn der Anfechtungsberechtigte sichere Kenntnis von Tatsachen hat, aus denen sich die nicht ganz fernliegende Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung des Kindes ergibt328, wobei nicht entscheidend ist, dass aus der subjektiven Sicht des Anfechtungsberechtigten die nicht ganz fernliegende Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung des Kindes besteht, sondern es einzig darauf ankommt, dass aus der Sicht eines verständigen objektiven Betrachters die vorliegenden Umstände an der Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater zweifeln lassen, ohne dass die Vaterschaft eines Dritten wahrscheinlicher als die des Anfechtenden sein muss. Da es sich dabei um dieselben Anforderungen handelt, die auch an die Begründung des Anfangsverdachts gestellt werden, sind die Umstände, die geeignet sind, den Anfangsverdacht zu begründen, auch geeignet, die Anfechtungsfrist in Gang zu setzen und umgekehrt, sodass die Anfechtungsfrist nur dann zu laufen beginnen kann, wenn auch der für die Erhebung der Klage notwendige Anfangsverdacht substantiiert vorgetragen werden kann329. 325

Rauscher in Staudinger, § 1600b Rn. 8; Gutzeit/Klebeck in AnwaltKommentar BGB Bd. 4, § 1600b Rn. 2. 326 Löhnig, Fristen und Termine, Rn. 4, 252. 327 Ausnahmen bezüglich des Fristbeginns gelten nur dann, wenn der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kindes (vgl. § 1600b Abs. 3 BGB) oder eines Geschäftsunfähigen (vgl. § 1600b Abs. 4 BGB) die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten hat oder wenn das Kind Kenntnis von Umständen erlangt, auf Grund derer es für das Kind unzumutbar wäre, weiterhin an der rechtlichen Vaterschaft festzuhalten (vgl. § 1600b Abs. 5 BGB). 328 Rauscher in Staudinger, § 1600b Rn. 17 m. w. N.; Wellenhofer in MüKo BGB, § 1600b Rn. 10 Fn. 46 m. w. N. 329 So auch OLG Thüringen, FamRZ 2003, 994 (994); Wanitzek, FPR 2002, 390 (395); Hammermann in Erman Bd. II, § 1599 Rn. 11; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 52 V Rn. 122; Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1188); Klinkhammer, FF 2007, 128 (131); ders., FF 2005, 150 (151); Balthasar, JZ 2007, 635 (635); Rixe, http://www. bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellung nahmen/index.html, S. 10; Spickhoff in Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, 13 (58).

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2. Teil: Vaterschaft

Wegen dieses Gleichlaufs von Anfechtungsfrist und Anfangsverdacht kann der Anfechtungsberechtigte grundsätzlich die Vaterschaft erfolgreich anfechten, wenn er fristwahrend Anfechtungsklage erhebt. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass sich allein aus der Fristwahrung die Begründung des Anfangsverdachts ergibt, liegt nur dann vor, wenn der Anfechtungsberechtigte vor dem zweiten Geburtstag des Kindes Anfechtungsklage erhebt, da sich dann die Fristwahrung daraus ergibt, dass die Anfechtungsfrist aus einem tatsächlichen Grund noch nicht abgelaufen sein kann330. Liegen dagegen Umstände vor, die nicht geeignet sind, den Anfangsverdacht zu begründen, so sind diese auch nicht geeignet die Anfechtungsfrist in Gang zu setzen, sodass sich der Anfechtungsberechtigte auf die Suche nach den zur Begründung des Anfangsverdachts geeigneten Umständen machen kann, ohne dabei Sorge haben zu müssen, dass die Anfechtungsfrist verstreichen könnte. Formelartig wird das Verhältnis von Anfechtungsfrist und Anfangsverdacht von Hammermann331 beschrieben. Danach stellen die Voraussetzungen der Anfechtungsfrist die Obergrenze der an die Begründung des Anfangsverdachts gestellten Anforderungen dar, da nur dadurch, dass an die Begründung des Anfangsverdachts keine strengeren Voraussetzungen gestellt werden als an die Ingangsetzung der Anfechtungsfrist, zu verhindern sei, dass die Anfechtungsfrist verstreicht, während der Anfechtungsberechtigte bemüht ist, Umstände zu erfahren, die zur Begründung des Anfangsverdachts geeignet sind. Diese „Verquickung von Substantiierung [Begründung des Anfangsverdachts] und Fristlauf“332 hat zur Folge, dass Vaterschaftsanfechtungsklagen nur Erfolg haben können, wenn überhaupt eine Anfechtungsfrist läuft, da sie andernfalls schon am Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts scheitern333. Ist dies der Fall, so hat es der Anfechtungsberechtigte selbst in der Hand, ob die Klage Erfolg hat oder nicht. Wird sie innerhalb der Frist erhoben, so bedeutet dies neben der Fristwahrung auch die Begründung des Anfangsverdachts und damit grundsätzlich die erfolgreiche Anfechtung. Versäumt es der Anfechtungsberechtigte, innerhalb der Anfechtungsfrist die Klage zu er330

So auch Wellenhofer, JuS 2007, 472 (475). Hammermann in Erman Bd. II, § 1599 Rn. 11. 332 Rauscher in Staudinger, § 1599 Rn. 21; kritisch zu dieser Vermengung Wellenhofer, FamRZ 2005, 665 (666), die darlegt, dass schlüssiges Klagevorbringen und Darlegungen zum Fristablauf unterschiedliche Aspekte sind. 333 So auch Gutzeit/Klebeck in AnwaltKommentar BGB Bd. 4, § 1600 Rn. 24. 331

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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heben, so hat die Klage keinen Erfolg, da sie, obwohl die Hürde des Anfangsverdachts überwunden wird, an der Einhaltung der Frist scheitert. 2. Gefährdung der sozialen Familie a) Durch fehlende Statussicherheit Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform zum Schutze der sozialen Familie für die Einführung einer kenntnisabhängigen Ausschlussfrist entschieden334, da ohne eine Frist die Frage der Vaterschaft auf unbestimmte Zeit in der Schwebe gelassen würde, was Statusunsicherheit hervorrufe, die zu Rechtsunsicherheit führe und sich deshalb negativ auf den sozialen Bestand der Familie auswirke. Zwar ist es zutreffend, dass Status- und damit Rechtsunsicherheit sowohl für den Einzelnen335 als auch für den Familienfrieden336 belastend sein kann und deshalb die Familie in ihrem sozialen Bestand gefährdet, dennoch ist die Begründung dahingehend zu ergänzen, dass nicht nur durch eine unbefristete und damit jederzeitige Anfechtungsmöglichkeit die die soziale Familie gefährdende Statusunsicherheit hervorgerufen wird, sondern auch, wenngleich in geringerem Maße, durch die Kenntnisabhängigkeit der Frist. Zwar wird nach Ablauf einer vom einfachen Gesetzgeber zu bestimmenden Schwebezeit (sog. Anfechtungsfrist) Status- und damit Rechtssicherheit erlangt, allerdings hängt der Beginn der Schwebezeit von der jeweiligen subjektiven Kenntnis der Umstände ab, die für das Nichtbestehen der rechtlichen Vaterschaft sprechen, sodass der Eintritt der Status- und Rechtssicherheit mit der subjektiven Kenntniserlangung steht und fällt. Während die Mutter die die Schwebezeit auslösende Kenntnis bereits in der Empfängniszeit erlangt, ist die Kenntniserlangung für Kind und Vater noch nach Jahren, ja sogar Jahrzehnten möglich337. Folglich hängt es mit Ausnahme der Mutter, für die eine feste Grenze für die Beendigung des Schwebezustandes gilt (in der Regel ist dies wegen § 1600b Abs. 2 S. 1 BGB der zweite Geburtstag des Kindes), vom Zufall ab, wann die für die Beendigung des Schwebezustandes erforderliche Kenntnis erlangt wird, sodass auch die Beendigung des Schwebezustandes und damit der Eintritt der 334

BT-Drucks. 13/4899, S. 87; Rauscher in Staudinger, § 1600b Rn. 4. Bundeskonferenz für Erziehungsberatung, ZKJ 2007, 362 (362); Oberloskamp, FuR 1991, 263 (267). 336 Helms, S. 104. 337 So auch Wanitzek, S. 99; Groß, FPR 2007, 392 (393); Rauscher in Staudinger, § 1600b Rn. 22. 335

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Rechts- und Statussicherheit vom Zufall abhängen. Für die Mutter, die sichere Kenntnis davon hat, dass das Kind möglicherweise genetisch nicht vom rechtlichen Vater abstammt, bedeutet dies, mit der ständigen Ungewissheit zu leben, ob ein Anfechtungsberechtigter Kenntnis von den Umständen erlangt, die Zweifel an der genetischen Abstammung des Kindes wecken und wenn ja, ob er sich dann zu einer Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft entschließt oder nicht338. Somit kann für die Mutter über Jahre, ja sogar Jahrzehnte hinweg eine konkrete Status- und Rechtsunsicherheit bestehen, die für die Mutter sehr belastend ist und sich damit negativ auf den Familienfrieden auswirkt339, während die übrigen Anfechtungsberechtigten nur während der Anfechtungsfrist mit der konkreten Statusunsicherheit leben müssen340. Bis zur tatsächlichen Ingangsetzung der Anfechtungsfrist müssen sie aber mit der Unsicherheit leben, dass jederzeit die Möglichkeit der Ingangsetzung der Anfechtungsfrist und damit jederzeit die Möglichkeit einer Statusveränderung besteht. Es besteht demnach eine latente Unsicherheit bezüglich des Status des Kindes, die erst durch die tatsächliche Ingangsetzung der Anfechtungsfrist, die vom Zufall abhängt, beendet wird. Dieser Zustand der latenten Unsicherheit bezüglich des Status ist insbesondere für das Kind selbst sehr belastend341, da Kinder ein Bedürfnis nach „stabilen äußeren Verhältnissen“342 haben, zu denen gerade auch der juristische Status zählt343. Der Anfechtungsfrist kommt demnach eine doppelte Funktion zu: sie leitet den Zustand der konkreten Statusunsicherheit ein, bedeutet aber gleichzeitig die sichere Beendigung der latenten bzw. konkreten Statusunsicherheit und damit den Eintritt des Zustandes der Rechts- und Statussicherheit344.

338

Wagner/Albers, FPR 2007, 416 (417) machen deutlich, dass die Mutter sich nach einem gewissen Zeitraum sicher sein muss, ob es bei der bestehenden rechtlichen Vaterschaft bleibt oder nicht. 339 Klosinski, FPR 2007, 385 (388); Haas/Waldenmaier, S. 307. 340 So auch Wellenhofer, JuS 2007, 472 (475). 341 Weyrauch, S. 153; Helms, S. 111; ders., FuR 1996, 178 (185); Wagner/Albers, FPR 2007, 416 (417); aus diesem Grund sprach sich Mutschler in FamRZ 1994, 65 (69) für die Einführung einer kenntnisabhängigen Frist in Kombination mit einer absoluten Ausschlussfrist aus, damit auch dann, wenn nie die die Anfechtungsfrist in Gang setzende Kenntnis erlangt wird, gewährleistet ist, das irgendwann der Zustand der Statussicherheit erreicht wird. 342 Goldstein/Freud/Solnit, S. 33. 343 Helms, FamRZ 1997, 913 (918). 344 So auch Wellenhofer, JuS 2007, 472 (475).

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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b) Durch Erhebung der Anfechtungsklage Unabhängig vom Erfolg der Anfechtungsklage wird bereits durch ihre bloße Erhebung der Familienfrieden und damit die soziale Familie zumeist erheblich beeinträchtigt345. Der Anfechtende bringt durch Erhebung der Anfechtungsklage seine Bereitschaft zum Ausdruck, die rechtliche Vater-Kind-Beziehung nicht nur in Frage zu stellen, sondern sogar zu opfern, was voraussetzt, dass der Anfechtende sich emotional bereits von dieser Beziehung losgesagt hat; aus Sicht des Anfechtungsgegners stellt sich die Erhebung der Anfechtungsklage somit als einseitiges Aufkündigen der Vater-Kind-Beziehung dar346. Zudem bedeutet die Infragestellung der genetischen Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater Misstrauen hinsichtlich der Treue der Mutter. Von dieser inneren Haltung des Anfechtenden erlangen die übrigen Familienmitglieder durch den Schritt der Klageerhebung Kenntnis, da sie in das gerichtliche Anfechtungsverfahren miteinbezogen werden, sodass es zumeist dazu kommt, dass die Angst- und Verlustgefühle sowie der Vertrauensverlust Folgen zeigen und selbst eine auf gefestigtem Vertrauen basierende Vater-Mutter-Kind-Beziehung zerstören. Folglich wird durch die bloße Erhebung der Anfechtungsklage Unfrieden in die Familie getragen mit der Folge, dass die soziale Familie bereits durch Erhebung der Anfechtungsklage in aller Regel nicht nur erheblich gefährdet, sondern sogar zerstört wird347. Wäre die Vaterschaftsanfechtung an eine kenntnisunabhängige Frist gebunden, so würde ein Anfechtungsberechtigter dazu veranlasst, ins Blaue hinein Anfechtungsklage zu erheben, nur um nicht Gefahr zu laufen, dass dauerhaft eine rechtliche Beziehung zwischen zwei genetisch nicht voneinander abstammenden Personen, namentlich rechtlichem Vater und Kind besteht. Auch wenn eine solche ins Blaue hinein erhobene Anfechtungsklage wegen des Erfordernisses des begründeten Anfangsverdachts als unschlüssig abgewiesen würde, würde sie sich aus oben genannten Gründen doch nachteilig auf den Familienfrieden auswirken und den sozialen Be345 Bohnert, FPR 2002, 383 (386); Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745 (1746); Huber, FamRZ 2004, 825 (826); Klinkhammer, FF 2005, 150 (151); Meyer, S. 134 f.; Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1461); Brosius-Gersdorf, S. 135; Meysen, http://www.bundes tag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/ index.html, S. 6. 346 Meyer, S. 135; Klosinski, FPR 2007, 385 (388). 347 Zuck, ZRP 2005, 117 (118); Bundesrechtsanwaltskammer, FPR 2007, 414 (414); Spickhoff, FamRZ 2003, 1581 (1581); Plautz, ZRP 2004, 215 (215); BrosiusGersdorf, S. 135; Helms, S. 111.

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stand der Familie gefährden bzw. zerstören. Drastisch formuliert würde durch eine kenntnisunabhängige Frist nicht nur die Erhebung der Anfechtungsklage, sondern auch die Zerstörung der sozialen Familie provoziert. Durch die Entscheidung gegen eine kenntnisunabhängige Frist ist es dem Gesetzgeber demnach gelungen, die Gefährdung der sozialen Familie durch Erhebung von Anfechtungsklagen einzudämmen. c) Durch Abweisung der Anfechtungsklage trotz Kenntnis/Verdachts der Nichtabstammung Der Verdacht der fehlenden genetischen Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater wirkt sich belastend auf den Einzelnen und damit auf den Familienfrieden aus und gefährdet somit den sozialen Bestand der Familie348. Entschließt sich der Anfechtungsberechtigte aufgrund dieses Verdachts sogar dazu, die rechtliche Vaterschaft durch Erhebung einer Anfechtungsklage zu beseitigen, so hat er sich emotional von der ihm rechtlich zugeordneten Person losgesagt. Wird in dieser Situation die Anfechtungsklage wegen Fristablaufs abgewiesen349, so hat dies verheerende Auswirkungen auf den sozialen Bestand der Familie350; der Anfechtende wird gegen seinen erklärten Willen an eine von ihm nicht gewollte Situation gebunden, wovon die übrigen Familiemitglieder durch die Erhebung der Anfechtungsklage auch Kenntnis erlangt haben. d) Ergebnis Gefährdet wird die von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte soziale Familie nicht nur durch Statusunsicherheit, sondern auch durch Erhebung der Anfechtungsklage und Abweisung dieser trotz Kenntnis bzw. Verdachts der Nichtabstammung des Kindes vom rechtlichen Vater. 348

Zuck, ZRP 2005, 117 (118); Willutzki, ZRP 2007, 180 (181); Plautz, ZRP 2004, 215 (215); Meysen, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/ 27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 2; Rotax, http://www. bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellung nahmen/index.html, S. 3. 349 Laut Groß, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 10 sind die Fälle, in denen eine Anfechtungsklage wegen Fristablaufs abgewiesen wird, nicht selten. 350 Groß, FPR 2007, 392 (394); dies., http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/ anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 5; Fritsche, NJ 2007, 294 (297).

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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Eine Abweisung der Klage trotz Kenntnis bzw. Verdachts der Nichtabstammung könnte durch die Unbefristetheit des Anfechtungsverfahrens umgangen werden. Gleichwohl würde aber die, durch die Unbefristetheit hervorgerufene Statusunsicherheit, die soziale Familie gefährden. Die größtmögliche Statussicherheit wäre durch eine kenntnisunabhängige Frist gewährleistet. Da der Anfechtungsberechtigte dadurch allerdings zur Erhebung von Anfechtungsklagen veranlasst würde, könnte auch so die Gefährdung der sozialen Familie nicht verhindert werden. Abschließend kann demnach festgehalten werden, dass die vom Gesetzgeber gewählte kenntnisabhängige Frist weder die größtmögliche Statussicherheit gewährt351 noch die Erhebung und Abweisung der Anfechtungsklage trotz Gewissheit bzw. Verdachts über die Nichtabstammung verhindert, dennoch aber den größtmöglichen, wenn auch nicht vollumfänglichen Schutz der verfassungsrechtlich geschützten sozialen Familie gewährleistet. II. Rechtslage seit dem 01. April 2008 1. Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB Der Gesetzgeber hat sich „in Anlehnung an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts“352 dafür entschieden, das Verfahren des § 1598a BGB an keine Fristen zu binden, was in der Literatur überwiegend auf Zustimmung gestoßen ist353. Diese vom Gesetzgeber gewählte Formulierung könnte fälschlicherweise zu dem Schluss führen, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgetragen habe, das neu zu schaffende Verfahren zur Klärung der genetischen Abstammung an keine Fristen zu binden. Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts war es allerdings nicht, das Klärungsverfahren an keine Frist zu binden, sondern das Klärungsverfahren als isoliertes Verfahren auszugestalten, das im Unterschied zum Anfechtungsverfahren weder den von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten rechtlichen noch sozial-familiären Bestand der Familie gefährdet. Sei dies gewährleistet, so sei „es nicht gerechtfertigt [. . .], ein Verfahren zur Klärung und Feststellung 351

Wolf, NJW 2005, 2417 (2418). BT-Drucks. 16/6561, S. 12. 353 Frank, FamRZ 2004, 841 (845); Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1280); Deutscher Anwaltsverein, FF 2007, 224 (224); Helms, http://www.bundestag.de/aus schuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 7; a. A. Brosius-Gersdorf, S. 177; Rittner/Rittner, Rechtsmedizin 2007, 389 (395). 352

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2. Teil: Vaterschaft

der Abstammung an dieselben [. . .] Fristen zu binden, die für die Anfechtungsklage maßgeblich sind“354. Dass der Gesetzgeber genau von dieser Vorgabe ausgeht, macht er an anderer Stelle der Gesetzesbegründung deutlich, an der er ausdrücklich erklärt, dass eine Fristbindung des § 1598a BGB nur dann nicht erforderlich sei und dem verfassungsrechtlich geschützten Interesse sogar nicht gerecht werde, wenn es sich bei dem Verfahren nach § 1598a BGB um ein Verfahren handelt, das „allein auf Klärung der Abstammung gerichtet ist“355. Vor diesem Hintergrund ist die Unbefristetheit des § 1598a BGB nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt und vom Gesetzgeber gewollt, wenn es sich bei dem Klärungsverfahren um ein Verfahren handelt, durch das weder der rechtliche noch der soziale Bestand der Familie gefährdet werden. a) Gefährdung der sozialen Familie Bei dem Verfahren nach § 1598a BGB handelt es sich um ein offenes Verfahren, was bedeutet, dass der Klärungsberechtigte, um nach § 1598a Abs. 1 BGB außergerichtlich oder nach § 1598a Abs. 2 BGB gerichtlich vorgehen zu können, seinen Wunsch, die genetischen Abstammungsverhältnisse klären zu lassen, gegenüber den Anspruchsverpflichteten als übrige Familienmitglieder, offenlegen muss; nach Muscheler muss der Klärungsberechtigte, um den Anspruch geltend machen zu können, „mit offenem Visier“356 antreten. Durch dieses Begehren wird für die Mutter ersichtlich, dass der Klärungsberechtigte ihre Treue anzweifelt357 und für das Kind bzw. den rechtlichen Vater sieht es so aus, als wenn sich der Klärungsberechtigte von dem jeweils anderen innerlich bereits abgewendet hat358 bzw. ihn von vornherein nie geliebt habe und nur nach einer Möglichkeit gesucht hat, ihn loszuwerden359. Dieses Wissen führt zu Enttäuschung, Verletztheit und einem erheblichen Vertrauensverlust360 und wirkt sich folglich negativ auf den Familienfrieden und damit den sozialen Be354

BVerfG, NJW 2007, 753 (757 Rn. 88). BT-Drucks. 16/6561, S. 9. 356 Muscheler, FPR 2007, 389 (390); ders., FPR 2008, 257 (257). 357 Schewe-Gerigk, Plenarprotokoll d. BT 15/164, S. 15413A; Muscheler, FPR 2007, 389 (390). 358 Bundesrechtsanwaltskammer, FPR 2007, 414 (414). 359 Bölsche, DER SPIEGEL 04/2005, 40 (41). 360 Meysen, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 18; ders., http://www.bundes tag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/ index.html, S. 2. 355

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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stand der Familie aus, sodass bereits das offene Anzweifeln der genetischen Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater eine erhebliche Gefahr für die soziale Familie birgt361. Inwieweit die soziale Familie dabei tatsächlich gefährdet wird, hängt davon ab, wie gefestigt sie in ihrem sozialen Bestand ist; je geringer die emotionale Bindung, desto weniger ist vorhanden, was durch das Vorgehen nach § 1598a BGB gefährdet oder gar zerstört werden könnte. Zwar ist es möglich, dass es, wenn die auf Seiten des Klärungsberechtigten bestehenden Zweifel durch die Abstammungsuntersuchung ausgeräumt werden (im Folgenden positiver Test), zu einer Stärkung der sozialen Familie kommt, da der Klärungsberechtigte sich ohne Vorbehalte zu dem jeweils anderen bekennen und diesem unvoreingenommen entgegentreten kann und das zuvor vorhandene Misstrauen hinsichtlich der Treue der Mutter aus der Welt geschafft werden konnte362. Allein diese Verhaltensänderung des Klärungsberechtigten führt aber noch nicht zu einer Stärkung bzw. Rettung der sozialen Familie, sondern es müssen im Gegenzug die Anspruchsverpflichteten den mit dem Vorgehen nach § 1598a BGB verbundenen Vertrauensverlust verzeihen. Können sie dieses nicht, so wird trotz des positiven Tests und der dadurch hervorgerufenen Verhaltensänderung des Klärungsberechtigten die soziale Familie schlimmstenfalls sogar zerstört363. Da ein positiver Test demnach sowohl dazu geeignet ist, die soziale Familie zu stärken als auch ihr zu schaden, die Reaktion der Anspruchsverpflichteten aber nicht vorhersehbar ist, wird die soziale Familie bereits durch das Vorgehen nach § 1598a BGB abstrakt gefährdet. Diese abstrakte 361 So bereits Reinke, S. 155; Wagner/Albers/Nake, http://www.djb.de/Kommis sionen/kommission-gentechnologie/st-07-02-Vaterschaftstests/, S. 6; Brosius-Gersdorf, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vater schaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 4; dies., S. 135; Knittel, JAmt 2008, 117 (119); Schwab, FamRZ, 2008, 23 (25); Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e. V., http://www.vamv-bundesverband.de/PDFs/VaterschaftsfeststellungGE%071.pdf, S. 2; Rotax, ZFE 2007, 124 (125); Gehb, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15328B; ders., Plenarprotokoll d. BT 16/118, S. 12228A; ders., CDU/ CSU Fraktion im Deutschen Bundestag Ausgabe 20/2007, 3 (3); Muscheler, FPR 2007, 389 (390); Meysen, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/ 27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 2; Klosinski, FPR 2007, 385 (389); Rittner/Rittner, Rechtsmedizin 2007, 389 (394); Nake, http:// www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stel lungnahmen/index.html, S. 5; Haas/Waldenmaier, S. 28; bereits in Bezug auf die Rechtswidrigkeit eines heimlich eingeholten Gutachtens nahmen die in Fn. 461 Genannten zu diesem Problem Stellung. 362 Haas/Waldenmaier, S. 53. 363 Vgl. Gehb, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15328B, der davon ausgeht, dass der Familienfrieden nicht nur nach Erhebung einer Anfechtungsklage, sondern auch nach einem Vorgehen nach § 1598a BGB nicht mehr zu retten ist.

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2. Teil: Vaterschaft

Gefährdung wird noch dadurch verstärkt, dass nicht nur die Reaktion der Anspruchsverpflichteten, sondern auch das Ergebnis der Abstammungsuntersuchung ungewiss ist. Denn erlangt der Klärungsberechtigte durch den Test die Kenntnis, dass das Kind genetisch nicht vom rechtlichen Vater abstammt (im Folgenden negativer Test), so hat dieses Wissen grundsätzlich zur Folge, dass dem Klärungsberechtigten jegliche Gefühle für den anderen abhanden kommen und es zu einem Beziehungsabbruch kommt364, da der Klärungsberechtigte zur Aufrechterhaltung einer sozialen Beziehung weder bereit noch in der Lage ist365. Dies ist zwar schwer nachzuvollziehen, da es ohne die Erkenntnis der fehlenden biologischen Beigabe nicht dazu gekommen wäre, scheint aber gleichwohl, insbesondere im Verhältnis des rechtlichen Vaters zum Kind, der Realität zu entsprechen366, da für Eltern die genetische Verbindung zum Kind ein Gefühl von Intimität und Verantwortlichkeit verschafft367. Sollte es ausnahmsweise nicht zu einem Gefühlsverlust kommen368, so bedeutet dies gleichwohl nicht automatisch die Rettung bzw. Aufrechterhaltung der sozialen Familie. Diese hängt vielmehr davon ab, ob die Anspruchsverpflichteten den Vertrauensverlust des Klärungsberechtigten verzeihen können. Können sie dieses nicht, so wird die soziale Familie in aller Regel dauerhaft ge-, vielleicht sogar zerstört. Es kann demnach festgehalten werden, dass unabhängig vom Ergebnis der Abstammungsuntersuchung bereits durch das bloße Vorgehen nach § 1598a BGB zumindest eine Gefährdung, möglicherweise sogar eine Zerstörung des sozialen Bestands der Familie eintritt. Eine Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse nach § 1598a BGB, ohne den Zusammenhalt der Familie zu gefährden, ist somit nicht möglich369.

364

Schrep, DER SPIEGEL 03/2004, 72 (73); Stein-Hilbers, S. 106. Schwonberg, JAmt 2005, 265 (271); Rotax, ZFE 2007, 124 (124); Spickhoff in Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, 13 (25); a. A. Koritz, Kind-Prax 2005, 106 (107), die davon ausgeht, dass der Mann, der die Rolle des sozialen Vaters übernommen hat, diese Rolle unabhängig von der Frage der biologischen Vaterschaft ausfüllen möchte. 366 Bölsche, DER SPIEGEL 04/2005, 40 ff. 367 Stein-Hilbers, S. 106. 368 Willutzki, ZRP 2007, 180 (181). 369 Auch das Bundesverfassungsgericht hat die von einer Äußerung der Zweifel ausgehende Gefahr für die soziale Familie erkannt [vgl. BVerfG, NJW 2007, 753 (756 Rn. 78)]. 365

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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b) Gefährdung der rechtlichen Familie Betrachtet man das Verfahren nach § 1598a BGB wie vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben als isoliertes und von §§ 1600–1600c BGB unabhängiges Verfahren, so kann mit dem Verfahren nach § 1598a BGB lediglich die genetische Abstammung des Kindes geklärt werden, mit der Folge, dass das Klärungsverfahren keine Auswirkungen auf den rechtlichen Bestand der Familie hat. Diese dogmatische Betrachtungsweise ist allerdings unter Berücksichtigung der faktischen Auswirkungen des § 1598a BGB nicht haltbar. Durch das Verfahren nach § 1598a BGB wird die Hemmschwelle, auch rechtliche Konsequenzen aus der erlangten Kenntnis zu ziehen, gesenkt. Wenn sich der doppelt Berechtigte aufgrund der gesenkten Hemmschwelle dazu entscheidet, die rechtliche Vaterschaft anzufechten, wird dieses Vorgehen auch von Erfolg gekrönt, da es keinerlei Hindernisse zu überwinden gibt. Zwischen den beiden Verfahren besteht somit ein fließender Übergang, der dazu führt, dass die beiden Verfahren faktisch zu einem verschmelzen und sich folglich eine isolierte Betrachtung, wenngleich diese dogmatisch korrekt wäre, verbietet370. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Klärungsverfahren, auch wenn es dogmatisch keine Auswirkungen auf den rechtlichen Bestand der Vater-Kind-Beziehung hat, in vielen Fällen doch faktische Auswirkungen hat und somit eine Gefährdung für den rechtlichen Bestand der Familie darstellt. c) Ergebnis Das Verfahren nach § 1598a BGB stellt in seiner jetzigen Gestalt eine Gefährdung für den sozialen und rechtlichen Bestand der Familie dar, sodass die Unbefristetheit des § 1598a BGB unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt und unter Zugrundelegung der Gesetzesbegründung vom Gesetzgeber nicht gewollt ist371. 370

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, C.II.2.a). So auch Helms, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_ Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 8, 15, der deutlich macht, dass die Konzeption des Klärungsverfahrens als voraussetzungsloses Verfahren dann nicht mehr verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, wenn aus dem Klärungsverfahren statusrechtliche Konsequenzen gezogen werden können. 371

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2. Teil: Vaterschaft

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht die Gefährdung der sozialen Familie erkannt hat, dennoch aber keine Konsequenzen daraus gezogen hat372. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Verfassungsrichter aus der Gefährdung der sozialen Familie keine Konsequenz gezogen haben, gingen sie davon aus, dass es neben der Gefährdung der sozialen nicht auch zu einer Gefährdung der rechtlichen Familie kommen wird, da für sie nicht abzusehen war, dass der Gesetzgeber die Forderung nach Rechtsfolgenlosigkeit in einer Weise umsetzt, die faktisch gerade zu einer Gefährdung der rechtlichen Familie führt und damit die Forderung des Bundesverfassungsgerichts ins Gegenteil verkehrt. Da aus Sicht der Verfassungsrichter aber die Frist des § 1600b BGB nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt sowie auch geboten ist, wenn die soziale und rechtliche Familie kumulativ gefährdet werden373, bestand kein Bedürfnis, bereits aus der Gefährdung der sozialen Familie Konsequenzen im Hinblick auf die Fristbindung zu ziehen. 2. Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c BGB Seit Einführung des § 1598a BGB verbietet sich wegen der engen Verbindung des Klärungs- und Anfechtungsverfahrens eine hier bereits vorgenommene isolierte Betrachtung des Anfechtungsverfahrens gemäß §§ 1600–1600c BGB. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung beider Verfahren vorzunehmen, anhand derer im Folgenden festgestellt werden soll, ob es durch Einführung des § 1598a BGB zu einer Beschaffenheitsveränderung der Anfechtungsfrist gekommen ist [vgl. a)] und ob hinsichtlich des Schutzes der sozialen Familie [vgl. b)] Veränderungen eingetreten sind. a) Beschaffenheit der Anfechtungsfrist Auch nach Einführung des § 1598a BGB ist das Anfechtungsverfahren an die kenntnisabhängige Frist des § 1600b BGB gebunden, die dann in Gang gesetzt wird, wenn der Anfechtungsberechtigte sichere Kenntnis von Tatsachen hat, aus denen sich die nicht ganz fernliegende Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung des Kindes ergibt374. 372

BVerfG, NJW 2007, 753 (756 Rn. 78). BVerfG, NJW 2007, 753 (757 Rn. 88). 374 Rauscher in Staudinger, § 1600b Rn. 17 m. w. N.; Wellenhofer in MüKo BGB, § 1600b Rn. 10 Fn. 46 m. w. N. 373

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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Vor wie nach Einführung des § 1598a BGB wird die Anfechtungsfrist durch ein bestimmtes Ereignis in Gang gesetzt und vor wie nach Einführung des § 1598a BGB sind die Ingangsetzung der Anfechtungsfrist und die Begründung des Anfangsverdachts an dieselben Voraussetzungen gebunden. Letzteres führt nach Einführung des § 1598a BGB zu der Neuerung, dass der doppelt Berechtigte durch ein Vorgehen nach § 1598a BGB jederzeit die Anfechtungsfrist in Gang setzen kann, da mit der aufgrund eines nach § 1598a BGB eingeholten privaten Abstammungsgutachtens erlangten Kenntnis der Anfangsverdacht begründet werden kann, vorausgesetzt das private Abstammungsgutachten entspricht der Qualität eines gerichtlichen Abstammungsgutachtens, was wegen des Gleichlaufs von Anfangsverdacht und Anfechtungsfrist bedeutet, dass mit dieser Kenntnis auch die Anfechtungsfrist in Gang gesetzt wird. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Klärungsberechtigte in dem Zeitpunkt, in dem er das Ergebnis der privaten Abstammungsuntersuchung erfährt, bereits sichere Kenntnis von Tatsachen hat, aus denen sich die nicht ganz fernliegende Möglichkeit der anderweitigen Abstammung des Kindes ergibt, da dann bereits unabhängig von der Kenntnisnahme des Ergebnisses der Abstammungsuntersuchung die Anfechtungsfrist in Gang gesetzt wurde. Ob sich der Gesetzgeber dieses Gleichlaufs von Anfechtungsfrist und Anfangsverdacht bei der Schaffung des § 1598a BGB allerdings bewusst war, darf bezweifelt werden. Zweifel aufkommen lässt die Norm des § 1600b Abs. 5 BGB, wonach die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB durch die Einleitung des gerichtlichen Klärungsverfahrens nach § 1598a Abs. 2 BGB gehemmt wird und wegen des Verweises auf § 204 Abs. 2 BGB erst sechs Monate nach rechtskräftiger Entscheidung des Gerichts über die Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens weiterläuft. Gehemmt werden kann die Anfechtungsfrist allerdings nur dann, wenn sie im Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Klärungsverfahrens bereits läuft. Läuft die Anfechtungsfrist aber bereits, so könnte der Anfechtungsberechtigte auch ohne auf der Grundlage des § 1598a BGB ein privates Abstammungsgutachten einzuholen, den Anfangsverdacht begründen, da die Anfechtungsfrist nur zu laufen beginnt, wenn auch der Anfangsverdacht begründet werden kann. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber während des Gesetzgebungsverfahrens den Eindruck vermittelt hat, dem Klärungsberechtigten mit dem Verfahren nach § 1598a BGB weniger die Möglichkeit zur isolierten Klärung der genetischen Abstammung schaffen zu wollen als vielmehr den Zugang zu dem Anfechtungsverfahren nach

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2. Teil: Vaterschaft

§§ 1600–1600c BGB erleichtern zu wollen375, erscheint die Schaffung des § 1600b Abs. 5 BGB überflüssig. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Gesetzgeber entweder von überhaupt keinem oder zumindest von keinem ausnahmslosen Gleichlauf von Anfechtungsfrist und Anfangsverdacht ausgegangen ist, was bedeuten würde, dass es, zumindest ausnahmsweise, Umstände gibt, die zwar geeignet sind die Anfechtungsfrist in Gang zu setzen, nicht aber den Anfangsverdacht zu begründen376. In diesem Fall würde es dem Anfechtungsberechtigten durch die Norm des § 1600b Abs. 5 BGB ermöglicht, ein privates Abstammungsgutachten einzuholen, das zur Begründung des Anfangsverdachts verwertet werden kann, ohne Gefahr zu laufen, dass in der Zwischenzeit die bereits laufende Anfechtungsfrist verstreicht. Vor dem Hintergrund, dass sich das Urteil, auf das die Schaffung des § 1598a BGB zurückgeht, mit der gerichtlichen Verwertbarkeit heimlich eingeholter Abstammungsgutachten beschäftigte, schwebte dem Gesetzgeber als ein solcher Umstand möglicherweise ein heimlich eingeholtes Abstammungsgutachten vor. Diese Annahme könnte zum einen dadurch unterstützt werden, dass sowohl der Bundesgerichtshof als auch das Bundesverfassungsgericht, obwohl diese von einem Gleichlauf von Anfechtungsfrist und Anfangsverdacht ausgehen, nur zu der Frage Stellung bezogen haben, ob ein heimliches Gutachten zur Begründung des Anfangsverdachts geeignet ist, die Frage aber, ob ein solches auch geeignet ist, die Anfechtungsfrist in Gang zu setzen, gar nicht behandelt haben377 und zum anderen dadurch, dass es nur schwer verständlich ist, dass die Anfechtungsfrist nicht zu laufen beginnen soll, wenn der Anfechtungsberechtigte nicht nur sichere Kenntnis über Umstände hat, die für eine anderweitige Abstammung des Kindes sprechen, sondern sogar sichere Kenntnis über die anderweitige Abstammung des Kindes selbst378. 375 Ebenso Spickhoff, NJW 2008, 1636 (1643); Ähnlich auch Rotax, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 27; MANNdat e. V., http://www.manndat.de/index.php? id=450. 376 Wellenhofer in MüKo BGB Ergänzungsband, § 1599 Rn. 17 vertritt zwar auch die Ansicht, dass es nicht zwingend einen Gleichlauf von Anfechtungsfrist und Anfangsverdacht geben muss, geht dabei aber davon aus, dass das an die Ingangsetzung der Anfechtungsfrist gestellte Erfordernis eng, dass an die Begründung des Anfangsverdachts gestellte Erfordernis weit auszulegen sei, sodass es genau zu der umgekehrten Situation kommen kann: es läuft keine Frist, aber der Anfangsverdacht kann begründet werden. 377 Einzig das OLG Thüringen nahm in einer vorinstanzlichen Entscheidung dazu Stellung, dass ein heimlich eingeholtes Gutachten weder geeignet ist, die Anfechtungsfrist in Gang zu setzen, noch den Anfangsverdacht zu begründen [vgl. FamRZ 2004, 944 (945)]; es soll der Vollständigkeit wegen darauf hingewiesen werden, dass der BGH mittlerweile auch klar gestellt hat, dass ein heimlich eingeholtes Gutachten nicht geeignet ist die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB auszulösen [vgl. BGH, FamRZ 2006, 686 (687)].

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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Gegen die Möglichkeit, dass es Umstände gibt, die ausnahmsweise geeignet sind, die Anfechtungsfrist in Gang zu setzen, nicht aber den Anfangsverdacht zu begründen, spricht aber nicht nur die herrschende Meinung, die aus Konsequenzgründen379 von einem ausnahmslosen Gleichlauf von Anfechtungsfrist und Anfangsverdacht ausgeht, sondern auch die Gesetzesbegründung. Auch wenn diese bezüglich des § 1600b Abs. 5 BGB überaus knapp ist, so macht sie doch deutlich, dass durch die Norm sichergestellt werden soll, dass „die Anfechtungsfrist als Überlegungsfrist erhalten bleibt“380. Wäre die Anfechtungsklage aber lediglich am Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts gescheitert, so hätte der Anfechtungsberechtigte bereits Anfechtungsklage erhoben, was voraussetzt, dass er bereits zur Anfechtung entschlossen ist. Dieser Anfechtungsberechtigte bedürfte somit nicht einer Frist, in der er überlegen kann, ob er die rechtliche Vaterschaft beseitigt oder nicht. Folglich geht der Gesetzgeber entsprechend der herrschenden Meinung von einem ausnahmslosen Gleichlauf von Anfechtungsfrist und Anfangsverdacht aus, sodass vom Anwendungsbereich des § 1600b Abs. 5 BGB nur die Fälle erfasst werden, in denen im Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Klärungsverfahrens die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB bereits läuft und der Klärungsberechtigte das private Abstammungsgutachten nicht einholt, um die daraus gewonnene Kenntnis zur Begründung des Anfangsverdachts zu verwerten, sondern weil er vor Erhebung der Anfechtungsklage die Gewissheit haben möchte, dass das Kind genetisch nicht vom rechtlichen Vater abstammt. Dieser Anwendungsbereich von § 1600b Abs. 5 BGB wird durch den Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vom 26. April 2007 und die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 20. Februar 2008 bekräftigt381, die im Gegensatz zur Gesetzesbegründung eine Aussage zum Anwendungsbereich der Norm enthalten. Nach diesen findet § 1600b Abs. 5 BGB ausdrücklich nur dann Anwendung, wenn der Betroffene von Umständen erfahren hat, die ihn ernsthaft an der Vaterschaft zweifeln lassen, er aber, bevor er die Vaterschaft auch tatsächlich anficht, Gewissheit über die Vaterschaft erlangen möchte. 378 So auch Bohnert, FPR 2002, 383 (386), die davon ausgeht, dass die Anfechtungsfrist unabhängig davon, ob das Gutachten mit oder ohne Einwilligung eingeholt wurde, spätestens mit Bekanntgabe des Testergebnisses zu laufen beginnt; Wellenhofer in MüKo BGB, § 1600b Rn. 14, die sich dafür ausspricht, dass auch durch ein heimliches Abstammungsgutachten die Anfechtungsfrist in Gang gesetzt wird. 379 So auch Wellenhofer, FamRZ 2006, 689 (690). 380 BT-Drucks. 16/6561, S. 14. 381 BT-Drucks. 16/8219, S. 17.

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2. Teil: Vaterschaft

Es kann demnach festgehalten werden, dass sich durch Einführung des § 1598a BGB nichts am Gleichlauf von Anfechtungsfrist und Anfangsverdacht geändert hat. Neu ist lediglich, dass ein privates Abstammungsgutachten, das auf Grundlage des § 1598a BGB eingeholt wird und der Qualität eines gerichtlichen Abstammungsgutachtens entspricht, stets geeignet ist, die Anfechtungsfrist in Gang zu setzen. Demnach hat die Einführung des § 1598a BGB unmittelbar keine dogmatischen Auswirkungen auf die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB. Da aber die Einführung des § 1598a BGB zum Anlass genommen wurde, § 1600b BGB durch die Schaffung des § 1600b Abs. 5 BGB zu modifizieren, hat die Einführung des § 1598a BGB doch mittelbar dogmatische Auswirkungen auf die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB. Unter den sehr engen Voraussetzungen des § 1600b Abs. 5 BGB wird die Anfechtungsfrist wegen des Verweises auf § 204 Abs. 2 BGB um sechs Monate verlängert. Die vom Gesetzgeber mit § 1600b Abs. 5 BGB verfolgte Intention ist zu begrüßen. Es soll der Anfechtungsberechtigte, der die soziale Familie nur dann aufs Spiel setzen möchte, wenn er auch die Gewissheit hat, dass zwischen Kind und rechtlichem Vater keine genetische Verbindung besteht, bei seinem Vorhaben, sich zunächst Gewissheit über die tatsächliche Abstammung zu verschaffen, unterstützt werden. Ohne die Norm des § 1600b Abs. 5 BGB würde es der Anfechtungsberechtigte wahrscheinlich unterlassen, sich vor Erhebung der Anfechtungsklage durch ein privates Abstammungsgutachten Gewissheit zu verschaffen, da er Gefahr liefe, dass die Anfechtungsfrist verstreicht, während er darauf wartet, Gewissheit zu erlangen. § 1600b Abs. 5 BGB soll demnach dem Schutz der sozialen Familie dienen. Allerdings gelingt der Schutz der Familie in ihrem sozialen Bestand in der Gestalt, die § 1600b Abs. 5 BGB vom Gesetzgeber erhalten hat, nur bedingt. Zum einen wird die Anfechtungsfrist nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts gehemmt, obwohl der Anfechtungsberechtigte Gewissheit über die Abstammungsverhältnisse nicht durch die Entscheidung des Gerichts, sondern erst mit Kenntnisnahme des Ergebnisses der Abstammungsuntersuchung erlangt382. Dass der Anfechtungsberechtigte aber nicht nur auf die Entscheidung des Gerichts, sondern auch darauf, wie viel Zeit die Erstellung des in Auftrag gegebenen Gutachtens in Anspruch nimmt, keinen Einfluss hat, wird vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt. Sollte dieser damit 382 So auch Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1188); Horndasch, ZFE 2007, 404 (409); Rixe, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 2, 12; Helms, FamRZ 2008, 1033 (1036).

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verhindern wollen, dass es nach der gerichtlichen Entscheidung im Ermessen des Anfechtungsberechtigten steht, wie lange er mit der Einholung des Gutachtens wartet383, so ist dies zum Schutz der Betroffenen zwar löblich, übersieht aber, dass die Gründe, weshalb der Anfechtungsberechtigte nicht innerhalb der sechs Monate das Abstammungsgutachten einholt, nicht zwingend in seiner Person liegen müssen384. Zum anderen wird die Anfechtungsfrist nur gehemmt, wenn ein gerichtliches Klärungsverfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB durchgeführt wird385. Kommt es dagegen zu einer außergerichtlichen Erteilung der Einwilligung bleibt es dabei, dass der Anfechtungsberechtigte Gefahr läuft, dass die Anfechtungsfrist verstreicht, während er bemüht ist, Gewissheit zu erlangen. Insbesondere wird aber verkannt, dass bereits durch die Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens nach § 1598a BGB die Familie in ihrem sozialen Bestand gefährdet wird386. § 1600b Abs. 5 BGB dient demnach de facto nicht dem Schutz der sozialen Familie, sondern sorgt lediglich dafür, dass der soziale Bestand der Familie nicht erst durch die Erhebung der Anfechtungsklage gefährdet bzw. zerstört wird, sondern in diesem Zeitpunkt bereits gefährdet bzw. zerstört ist. b) Gefährdung der sozialen Familie Im Folgenden soll festgestellt werden, ob es im Rahmen des §§ 1600– 1600c BGB durch Einführung des § 1598a BGB im Hinblick auf das vom Gesetzgeber mit der Schaffung des § 1600b BGB vorrangig verfolgten Ziels, den sozialen Bestand der Familie zu schützen, zu Veränderungen gekommen ist. aa) Durch fehlende Statussicherheit Statusunsicherheit führt zu Rechtsunsicherheit, die wiederum die soziale Familie gefährdet. Bereits die latente Statusunsicherheit kann sich belastend auf den Einzelnen und damit auf den Familienfrieden auswirken, was zu einer Gefährdung der sozialen Familie führt. Noch belastender als die latente wirkt sich aber die konkrete Statusunsicherheit aus, insbesondere wenn diese über einen langen Zeitraum besteht und ihre Beendigung ungewiss ist. 383 384 385 386

Ebenso Muscheler, FPR 2008, 257 (263). Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1279 Fn. 26). Wellenhofer in MüKo BGB, § 1600b Rn. 32. Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a).

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2. Teil: Vaterschaft

(1) Keine Kenntnis Hat ein Anfechtungsberechtigter keine Kenntnis von Tatsachen, aus denen sich die nicht ganz fernliegende Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung ergibt, so beginnt die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB nicht zu laufen, mit der Folge, dass der Zustand der Statussicherheit nicht erreicht wird. Dies wird den Anfechtungsberechtigten aber auch nicht weiter stören. Da er keine Kenntnis von Tatsachen hat, die auch nur im entferntesten an der Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater zweifeln lassen, besteht entweder schon keine latente Statusunsicherheit, der durch den Eintritt der Anfechtungsfrist ein Ende gesetzt werden könnte oder aber es besteht zwar eine latente Statusunsicherheit, die aber nicht als belastend empfunden wird und für deren Beendigung deshalb kein Bedürfnis besteht. Empfindet der Anfechtungsberechtigte die Unsicherheit bezüglich einer möglichen Statusveränderung dennoch als belastend und möchte diese deshalb beseitigen oder möchte er unabhängig von einer empfundenen Belastung Gewissheit über die genetische Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater haben, so gab es vor Einführung des § 1598a BGB keine gesetzlich verankerte Möglichkeit zur Verfolgung dieser Ziele. Der Anfechtungsberechtigte konnte einzig auf ein jederzeit einholbares privates Abstammungsgutachten zurückgreifen, das allerdings nur bei erteilter Einwilligung der Betroffenen die Anfechtungsfrist in Gang setzte387. Im Falle der verweigerten Einwilligung wurde zwar Kenntnis über die Abstammungsverhältnisse erlangt, nicht aber die Anfechtungsfrist in Gang gesetzt, sodass die latente in eine konkrete Statusunsicherheit umgewandelt wurde, deren Beendigung, da vom Zufall abhängig, ungewiss war. Der Anfechtungsberechtigte fand sich damit in der gleichen Situation wieder, in der sich die Mutter stets befindet; es besteht das Wissen, dass die Grundlagen für eine Beseitigung des Status vorliegen, gleichzeitig ist es aber ungewiss, ob es irgendwann durch Erhebung einer Anfechtungsklage zu einer Statusveränderung kommt. Nach Einführung des § 1598a BGB dagegen gibt es für den doppelt Berechtigten eine gesetzlich verankerte Möglichkeit, diese Ziele jederzeit zu verfolgen und Statussicherheit zu erreichen. Die aus der privaten Abstammungsuntersuchung erlangte Kenntnis verschafft nicht nur Gewissheit über die Abstammungsverhältnisse, sondern setzt die Anfechtungsfrist in Gang, sodass die latente Statusunsicherheit in eine konkrete Statusunsicherheit 387

Huber, FamRZ 2006, 1425 (1425); Ohly, JZ 2005, 626 (627); Rauscher in Staudinger, § 1599 Rn. 21; OLG Karlsruhe, FamRZ 2003, 52 (52); Pieper in Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, 3. Kapitel Rn. 211a.

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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umgewandelt wird, die aber nach spätestens zwei Jahren durch den Zustand der Statussicherheit abgelöst wird. (2) Unbestimmte oder rechtswidrig erlangte Kenntnis Es sind aber auch die Fälle denkbar, in denen der Anfechtungsberechtigte derart unbestimmte oder rechtswidrig erlangte Kenntnis von Tatsachen, aus denen sich die nicht ganz fernliegende Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung ergibt, hat, dass diese nicht geeignet sind, die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB in Gang zu setzen, wohl aber einen belastenden Zustand von Statusunsicherheit hervorzurufen. (a) Unbestimmte Kenntnis Hat der Anfechtungsberechtigte Zweifel an der genetischen Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater, so besteht zwar noch keine konkrete, wohl aber mehr als nur eine latente Statusunsicherheit, die im Folgenden als verschärfte Statusunsicherheit bezeichnet wird. Vor wie nach Einführung des § 1598a BGB kann der Anfechtungsberechtigte abwarten, ob sich seine Zweifel irgendwann so weit verdichten, dass sie die Anfechtungsfrist in Gang setzen und damit den Beginn des Schwebezustandes und der konkreten Statusunsicherheit, gleichzeitig aber auch den Zustand der Statussicherheit einleiten. Möchte er sich aber nicht auf dieses unsichere Abwarten einlassen, so kann er jederzeit zur Klärung der Zweifel ein privates Abstammungsgutachten einholen. Dies setzt allerdings nur dann die Anfechtungsfrist in Gang, wenn die Betroffenen ihre Einwilligung zur Einholung des Gutachtens erteilt haben388; andernfalls dient es lediglich der Klärung der persönlichen Zweifel und bewirkt, wenn die Zweifel durch das Gutachten bestätigt werden, dass sich die verschärfte in eine konkrete Statusunsicherheit umwandelt, es aber ungewiss ist, ob diese irgendwann beendet wird und wenn ja, wann389. Durch Einführung des § 1598a BGB wird dem doppelt Berechtigten nicht nur die gesetzlich verankerte Möglichkeit eingeräumt, jederzeit sichere Kenntnis über die genetische Abstammung zu erlangen und damit der konkreten Statusunsicherheit ausgesetzt zu sein, sondern auch dann, wenn keine 388 Huber, FamRZ 2006, 1425 (1425); Ohly, JZ 2005, 626 (627); Rauscher in Staudinger, § 1599 Rn. 21; OLG Karlsruhe, FamRZ 2003, 52 (52); Pieper in Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, 3. Kapitel Rn. 211a. 389 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.2.b)aa)(1).

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2. Teil: Vaterschaft

Einwilligung erteilt wird, die Ingangsetzung der Anfechtungsfrist zu bewirken, sodass nach spätestens zwei Jahren der Zustand der konkreten Statusunsicherheit beendet und durch den Zustand der Statussicherheit abgelöst wird. (b) Rechtswidrig erlangte Kenntnis Hat der doppelt Berechtigte auf rechtswidrige Weise Kenntnis über die Nichtabstammung erlangt, so besteht nicht nur eine verschärfte, sondern eine konkrete Statusunsicherheit, deren Beendigung vom Zufall abhängt. Konnte die Ingangsetzung der Anfechtungsfrist und damit die Erlangung der Statussicherheit ohne § 1598a BGB nur erreicht werden, wenn sich entweder die Beweise verdichteten oder die Betroffenen in die Durchführung einer Abstammungsuntersuchung einwilligten, so hat der doppelt Berechtigte durch § 1598a BGB die gesetzlich verankerte Möglichkeit, jederzeit und unabhängig von der Mitwirkungsbereitschaft der Betroffenen ein privates Abstammungsgutachten einzuholen und dadurch die Anfechtungsfrist in Gang zu setzen, was gleichbedeutend damit ist, dass nach spätestens zwei Jahren der Zustand der konkreten Statusunsicherheit beendet und der Zustand der Statussicherheit erreicht wird. (3) Sichere Kenntnis Hat der Anfechtungsberechtigte sichere Kenntnis von Tatsachen, aus denen sich die nicht ganz fernliegende Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung ergibt, so beginnt die Frist ab Kenntnis dieser Tatsachen zu laufen, sodass innerhalb der Zwei-Jahres-Frist erfolgreich Anfechtungsklage erhoben werden kann. Unabhängig davon, ob sich der Anfechtungsberechtigte für oder gegen die Erhebung der Anfechtungsklage entscheidet, tritt spätestens mit Ablauf der zwei Jahre Statussicherheit ein. Da die sichere Tatsachenkenntnis aber nicht bedeutet, dass das Kind auch tatsächlich von einem anderen als dem rechtlich zugeordneten Mann abstammt, es aber durchaus denkbar ist, dass der Anfechtungsberechtigte die Anfechtung der Vaterschaft davon abhängig machen möchte, dass das Kind auch tatsächlich nicht vom rechtlichen Vater abstammt, kann er sich diese Kenntnis durch die Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens verschaffen. Dafür bedarf es keines Rückgriffs auf § 1598a BGB, da der Anfechtungsberechtigte jederzeit mit oder ohne Einwilligung der Betroffenen ein privates Abstammungsgutachten einholen kann, um für sich selbst Gewissheit über die Abstammungsverhältnisse zu erlangen. Dass er ein solches nur im Falle einer erteilten Einwilligung auch zur Begründung des An-

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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fangsverdachts verwerten kann, ist unbeachtlich, da ihm dieses ja bereits durch seine sichere Tatsachenkenntnis gelingt. Allerdings ist der Anfechtungsberechtigte dann gezwungen, das Gutachten innerhalb von zwei Jahren nach Kenntniserlangung einzuholen, da andernfalls die Frist des § 1600b BGB nicht gewahrt wird. Diese Zwei-Jahres-Frist kann der Anfechtungsberechtigte, der zudem nach § 1598a BGB klärungsberechtigt ist, zumindest dann, wenn einer der Betroffenen seine Einwilligung in eine private Abstammungsuntersuchung verweigert, dadurch verlängern, dass er die Anwendung des § 1600b Abs. 5 BGB provoziert, indem er das Abstammungsgutachten nicht heimlich, sondern auf Grundlage des § 1598a Abs. 2 BGB einholt390. § 1600b Abs. 5 BGB bewirkt, dass durch die Einleitung des gerichtlichen Klärungsverfahrens gemäß § 1598a Abs. 2 BGB die Frist des § 1600b BGB gehemmt wird. Für den doppelt Berechtigten bedeutet dies, dass er einzig darauf achten muss, das gerichtliche Klärungsverfahren noch vor Ablauf der Frist des § 1600b BGB einzuleiten, da er dann durch den Verweis auf § 204 Abs. 2 BGB, nach dem die Hemmung sechs Monate nach Beendigung des Verfahrens endet, sechs Monate gewinnt, in denen er überlegen kann, ob er Anfechtungsklage erhebt oder nicht. Da allerdings die Entnahme der genetischen Probe und die Abstammungsbegutachtung privat durchgeführt werden, die Anfechtungsfrist aber nur bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens gehemmt wird, muss der doppelt Berechtigte nicht nur darauf achten, innerhalb der Frist des § 1600b Abs. 1 BGB durch Einleitung des gerichtlichen Klärungsverfahrens den Grundstein für die Abstammungsuntersuchung zu legen, sondern sich auch zu beeilen, die Abstammungsuntersuchung abzuschließen, um Kenntnis vom Ergebnis der Abstammungsuntersuchung noch innerhalb der um sechs Monate verlängerten Frist des § 1600b Abs. 1 BGB zu erlangen. Hinsichtlich der Statussicherheit und damit hinsichtlich des Schutzes der sozialen Familie ist die Verlängerung der Anfechtungsfrist kaum spürbar, da der Anwendungsbereich des § 1600b Abs. 5 BGB zum einen sehr begrenzt ist und es sich zum anderen wegen des Verweises auf § 204 Abs. 2 BGB lediglich um eine Verlängerung von sechs Monaten handelt, sodass die Beendigung des Zustandes der konkreten Statusunsicherheit und der Eintritt des Zustandes der Statussicherheit maximal sechs Monate später eintritt. Leitet der doppelt Berechtigte dagegen bereits das gerichtliche Klärungsverfahren nicht innerhalb der zweijährigen Anfechtungsfrist des § 1600b 390 Unter dem Aspekt des Schutzes der sozialen Familie wäre es dagegen sinnvoll, das Abstammungsgutachten heimlich einzuholen.

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2. Teil: Vaterschaft

BGB ein, so erlangt er zwar für sich persönlich Gewissheit über die fehlende genetische Verbindung zwischen rechtlichem Vater und Kind, kann daraus aber keine Konsequenzen mehr ziehen, da § 1600b BGB der Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft entgegensteht; es ist dann Statussicherheit eingetreten. (4) Zwischenergebnis Durch § 1598a BGB wird dem doppelt Berechtigten die gesetzlich verankerte Möglichkeit eingeräumt, sich jederzeit die für die Ingangsetzung der Anfechtungsfrist erforderliche Kenntnis zu verschaffen, ohne dabei auf die Mitwirkungsbereitschaft der Betroffenen angewiesen zu sein. Der doppelt Berechtigte hat es demnach selbst in der Hand, die Anfechtungsfrist in Gang zu setzen und den belastenden Zustand der latenten, verschärften oder konkreten Statusunsicherheit, deren Ende ungewiss ist, zu beenden und den Zustand der Statussicherheit zu erreichen. Somit wird durch Einführung des § 1598a BGB gewährleistet, dass die Ingangsetzung der Anfechtungsfrist und damit der Eintritt der Statussicherheit nicht länger vom Zufall abhängen, sondern bewusst gesteuert werden können, mit der Folge, dass sich die Statussicherheit nach Einführung des § 1598a BGB im Vergleich zur bisherigen Rechtslage verbessert hat. Um diese verbesserte Statussicherheit zu erreichen, wurde insbesondere die in dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorgeschlagene Einführung des § 1600b Abs. 7 BGB-E abgelehnt, der vorsah, dass für den rechtlichen Vater und das Kind eine neue Anfechtungsfrist nach § 1600b Abs. 1 BGB in Gang gesetzt wird, wenn das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB ergibt, dass der rechtliche Vater nicht der biologische Vater des Kindes ist391. Dieser Neubeginn der Anfechtungsfrist sei zum einen zur Vermeidung schwer erträglicher Ergebnisse erforderlich, da derjenige, der aus achtbaren Überlegungen von der Anfechtung der Vaterschaft abgesehen hat, davor geschützt werden müsse, am Ablauf der Frist auch dann festgehalten zu werden, wenn sich die achtbaren Überlegungen im Nachhinein als falsch erwei391 BT-Drucks. 16/6561, S. 14 f.; für die Ablehnung: Schwab, FamRZ 2008, 23 (26 f.); Wagner/Albers, FPR 2007, 416 (417 f.); Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1281); Borth, http://www.bundestag.de/Ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klae rung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 3 f.; Rotax, http://www.bun destag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnah men/index.html, S. 8; Hammermann, FamRB 2008, 150 (154); gegen die Ablehnung: Rixe, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 12.

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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sen392 und zum anderen um zu verhindern, dass trotz sicherer Kenntnis von der fehlenden genetischen Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater wegen Fristablauf keine Konsequenzen aus dieser Kenntnis gezogen werden können393. Dass ausgerechnet die Bundesregierung die Einführung des § 1600b Abs. 7 BGB-E vorgeschlagen hat, verwundert. Durch § 1600b Abs. 7 BGB-E würde dem doppelt Berechtigten die Möglichkeit eingeräumt, jederzeit, also auch dann, wenn die Anfechtungsfrist bereits verstrichen ist, diese durch Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens wieder in Gang zu setzen, was dazu führen würde, dass die materielle Anfechtungsvoraussetzung des § 1600b Abs. 1 BGB durch ein Vorgehen nach § 1598a BGB umgangen werden könnte und die Anfechtung der Vaterschaft für den doppelt Berechtigten faktisch an keine Fristen mehr gebunden wäre394, mit der Folge, dass die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft jederzeit möglich wäre. Für das Kind und den rechtlichen Vater würde § 1600b Abs. 1 BGB ad absurdum geführt395, während es für die Mutter, für die § 1600b Abs. 7 BGB-E BGB nicht gilt, und den biologischen Vater, der nicht nach § 1598a BGB klärungsberechtigt ist, zu keiner Veränderung käme. Diese zumindest für das Kind und den rechtlichen Vater bestehende Fristlosigkeit steht aber gerade im Widerspruch zu der noch vom Gesetzgeber im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform vertretenen Ansicht, dass ein Verzicht auf Fristen bei der Vaterschaftsanfechtung zu „schwer erträglichen“396 Ergebnissen führen könne, da der Anfechtungsberechtigte gerade dazu verleitet würde, aus eigennützigen Überlegungen die Vaterschaft in dem Moment anzufechten, in dem sich aus ihr für ihn nachteilige Konsequenzen ergeben. Der Vorschlag des § 1600b Abs. 7 BGB-E verwundert aber nicht nur wegen des Widerspruchs gegenüber der noch bei der Kindschaftsrechtsreform vertretenen Ansicht, sondern auch deshalb, weil mit Einführung des § 1600b Abs. 7 BGB-E die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, trotz des Verfahrens nach § 1598a BGB Statussicherheit zu gewährleisten, auf 392

BT-Drucks. 16/6561, S. 14. Hartenbach, Plenarprotokoll d.BR 832, S. 114B; BT-Drucks. 16/6561, S. 14; BT-Drucks. 16/5370, S. 10. 394 So auch Borth, Wortlautprotokoll 16/82, S. 3; Helms in Festschrift für Rainer Frank, 225 (238). 395 BT-Drucks. 16/8219, S. 17; Schwab, FamRZ 2008, 23 (25 f.); Wagner/Albers, FPR 2007, 416 (417); Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1280 f.); Rotax, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/ 04_Stellungnahmen/index.html, S. 8. 396 BT-Drucks. 13/4899, S. 87; Wagner/Albers, FPR 2007, 416 (418). 393

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2. Teil: Vaterschaft

den Kopf gestellt würde397. Durch die jederzeit mögliche Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens nach § 1598a BGB würde der Status des Kindes jedes Mal aufs Neue zur Disposition gestellt, sodass der Zustand der Statussicherheit niemals erreicht würde, stattdessen aber eine dauerhafte Belastung sowohl des Familienfriedens als auch des Einzelnen, die zu einer erheblichen Gefahr für die soziale Familie führen würde. Abschließend kann demnach festgehalten werden, dass dadurch, dass sich die Statussicherheit durch Einführung des § 1598a BGB im Vergleich zur bisherigen Rechtslage verbessert hat, die soziale Familie durch fehlende Statussicherheit nach Einführung des § 1598a BGB weniger als vor Einführung des § 1598a BGB gefährdet wird. bb) Durch Erhebung der Anfechtungsklage Bestehen Zweifel oder gar Gewissheit, dass das Kind genetisch nicht vom rechtlichen Vater abstammt, so wird die Familie in ihrem sozialen Bestand gefährdet, auf Dauer wahrscheinlich sogar zerstört398, da die im Raum stehenden Zweifel nicht nur die Beziehung der Eltern, sondern vor allem auch das Bindungsverhalten des Vaters zum Kind beeinträchtigen. Wird allerdings aufgrund dieser Zweifel oder Gewissheit sogar Anfechtungsklage erhoben, so ist die Zerstörung der sozialen Familie vorprogrammiert, da durch Erhebung der Anfechtungsklage nach Außen dokumentiert wird, dass der Anfechtende kein Interesse an der Aufrechterhaltung der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung hat und er sich emotional mit dieser nicht verbunden fühlt399. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass die Hemmschwelle, Anfechtungsklage zu erheben, grundsätzlich recht groß ist. Diese Hemmschwelle ist aber, wie bereits ausgeführt400, durch Einführung des § 1598a BGB gesunken, da der doppelt Berechtigte durch das Vorgehen nach § 1598a BGB Gewissheit von der Nichtabstammung des Kindes vom rechtlichen Vater hat und er deshalb zum einen weiß, dass er die soziale Familie 397 Helms, StAZ 2008, 7 (9); die Bundesregierung räumt zwar selbst ein, durch § 1600b Abs. 7 BGB-E die geforderte Rechts- und Statussicherheit zu Nichte zu machen, ist allerdings davon überzeugt, diese durch die Kinderschutzklausel des § 1600b Abs. 7 S. 2 BGB-E zu gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 16/6649, S. 1). 398 Zuck, ZRP 2005, 117 (118); Willutzki, ZRP 2007, 180 (181); Plautz, ZRP 2004, 215 (215); Meysen, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/ 27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 2; Rotax, http://www. bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellung nahmen/index.html, S. 3. 399 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.I.2.b). 400 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, C.II.2.

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nicht unnötigerweise gefährdet und er zum anderen mit der Erhebung der Anfechtungsklage nicht die soziale und rechtliche, sondern nur noch die rechtliche Familie opfert, weil er die soziale Familie bereits durch das Vorgehen nach § 1598a BGB wenn auch nicht zerstört, so doch zumindest erheblich gefährdet hat. Da daraus folgt, dass sich dem Klärungsverfahren überwiegend das Anfechtungsverfahren anschließt401, ist zu befürchten, dass durch die Einführung des § 1598a BGB Anfechtungsklagen erhoben werden, die vor der Einführung nicht erhoben worden wären402 und dadurch soziale Familien, die zwar gefährdet, noch nicht aber zerstört waren, nun mit Erhebung der Anfechtungsklage endgültig zerstört werden403. Bei dieser Zerstörung der sozialen Familie kommt der Gesetzgeber dem doppelt Berechtigten sogar noch entgegen. Durch Schaffung des § 1600b Abs. 5 BGB wird die Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB unter engen Voraussetzungen wegen des Verweises auf § 204 Abs. 2 BGB für sechs Monate gehemmt, sodass der doppelt Berechtigte Zeit gewinnt, ein privates Abstammungsgutachten einzuholen und die Hemmschwelle, Anfechtungsklage zu erheben, zu senken. Drastisch formuliert gewinnt der doppelt Berechtigte somit Zeit, um die soziale Familie zu zerstören. Die Gefahr, dass der soziale Bestand der Familie zerstört wird, besteht sogar dann, wenn in dem Zeitpunkt, in dem der doppelt Berechtigte nach § 1598a BGB vorgeht, die Anfechtungsfrist bereits abgelaufen ist. Zwar scheitert die Anfechtungsklage an § 1600b Abs. 1 BGB, allerdings kann der doppelt Berechtigte jederzeit nach § 1598a BGB vorgehen und dadurch die Hemmschwelle zur Erhebung der Anfechtungsklage senken und infolge401 So auch Balthasar, JZ 2007, 635 (637); Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1279); Brosius-Gersdorf, S. 136; Gehb, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15327C; Willutzki, ZRP 2007, 180 (181); Nake, http://www.bundestag.de/ausschuesse/ a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 5. 402 Groß, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 5, die darauf hinweist, dass ein umsichtiger Rechtsanwalt im Hinblick auf die Anfechtungsfrist seinem Mandanten sogar dazu raten muss; Nake, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/ 27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 5; Rotax, http://www. bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellung nahmen/index.html, S. 2. geht sogar davon aus, dass durch § 1598a BGB nicht nur dann Anfechtungsklage erhoben wird, wenn sich durch das private Abstammungsgutachten die Nichtabstammung ergeben hat, sondern auch dann, wenn die Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater bestätigt wurde, da das Gutachten an keine Qualitätsanforderungen gebunden ist und deshalb im Hinblick darauf, dass das Ergebnis der Abstammungsuntersuchung nicht der Wirklichkeit entspricht, auf gut Glück Anfechtungsklage erhoben werde. 403 So auch Brosius-Gersdorf, S. 135.

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2. Teil: Vaterschaft

dessen nicht wissend, dass die Anfechtungsfrist bereits verstrichen ist, Anfechtungsklage erheben, wodurch die bereits durch das Vorgehen nach § 1598a BGB gefährdete soziale Familie endgültig zerstört wird. Da ein Vorgehen nach § 1598a BGB jederzeit möglich ist, ist es auch jederzeit möglich, die Hemmschwelle zur Erhebung der Anfechtungsklage zu senken. Weil bereits die Erhebung der Anfechtungsklage, unabhängig von ihren Erfolgsaussichten, zu einer Opferung der sozialen Familie führt, wird die soziale Familie unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der doppelt Berechtigte nach § 1598a BGB vorgeht, gefährdet. Zusammenfassend kann demnach festgehalten werden, dass der soziale Bestand der Familie durch Erhebung der Anfechtungsklage nach Einführung des § 1598a BGB stärker als vor seiner Einführung gefährdet wird. cc) Durch Abweisung der Anfechtungsklage trotz Kenntnis/Verdachts der Nichtabstammung Es wurde bereits festgestellt, dass eine Abweisung der Anfechtungsklage wegen Ablaufs der Anfechtungsfrist, die wegen des bloßen Verdachts der fehlenden genetischen Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater in Gang gesetzt wurde, verheerende Auswirkungen auf den sozialen Bestand der Familie hat404. Besteht aber nicht nur der bloße Verdacht, sondern sogar Kenntnis der fehlenden genetischen Abstammung, so müssen die Auswirkungen auf die soziale Familie noch verheerender sein405. Denkbar ist diese Situation immer dann, wenn Kenntnis über die tatsächlichen Abstammungsverhältnisse zu einer Zeit erlangt wird, zu der eine Anfechtung der Vaterschaft ausgeschlossen ist. Vor Einführung des § 1598a BGB konnte sich Jedermann jederzeit durch die Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens mit oder ohne Kenntnis der getesteten Personen Kenntnis über die wahren genetischen Abstammungsverhältnisse verschaffen, mit der Folge, dass der Anfechtungsberechtigte Kenntnis über die fehlende genetische Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater zu einem Zeitpunkt erlangen konnte, in dem die Frist des § 1600b BGB bereits verstrichen war. Nach Einführung des § 1598a BGB besteht diese Möglichkeit ebenfalls. Unterstützt wird dies sogar noch dadurch, dass dem Klärungsberechtigten 404

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.I.2.c). So auch Groß, FPR 2007, 392 (394); dies., http://www.bundestag.de/aus schuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 5; Koritz, Kind-Prax 2005, 106 (107); Klosinski, FPR 2007, 385 (389). 405

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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durch § 1598a BGB die gesetzlich verankerte Möglichkeit eingeräumt wird, jederzeit ohne auf die Mitwirkungsbereitschaft der Betroffenen angewiesen zu sein, ein privates Abstammungsgutachten einzuholen. Folglich kann auch nach Einführung des § 1598a BGB zu einer Zeit Kenntnis über die tatsächlichen Abstammungsverhältnisse zwischen Kind und rechtlichem Vater erlangt werden, zu der die Anfechtung der Vaterschaft bereits nach § 1600b BGB ausgeschlossen ist. Vor wie nach Einführung des § 1598a BGB ist demnach die Situation denkbar, dass Kenntnis über die Nichtabstammung des Kindes erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 1600b BGB erlangt wird und deshalb aus dieser Kenntnis keine rechtliche Konsequenz mehr gezogen werden kann. Insoweit unterscheidet sich die durch § 1598a BGB geschaffene Situation nicht von der vor Einführung des § 1598a BGB. Frank/Helms sehen aus diesem Grund auch kein Bedürfnis, nach Einführung des § 1598a BGB darüber zu diskutieren, wie dieser misslichen Lage abgeholfen werden kann406. (1) Darstellung des Problems Dabei wird allerdings verkannt, dass sich die Situationen vor und nach Einführung des § 1598a BGB durch einen Punkt unterscheiden, der nach meinem Dafürhalten ein Diskussionsbedürfnis begründet. Während ohne die Existenz des § 1598a BGB der Einzelne dafür verantwortlich war, dass die Kenntnis zu einem Zeitpunkt erlangt wurde, in dem aus dieser keine rechtlichen Konsequenzen mehr gezogen werden konnten, liegt diese Verantwortung nach Einführung des § 1598a BGB beim Gesetzgeber. Selbst dann, wenn man darauf abstellt, dass es die freie Entscheidung des Klärungsberechtigten ist, das Gutachten erst/noch zu diesem Zeitpunkt einzuholen und er deshalb letztlich selbst dafür verantwortlich ist, dass er die Kenntnis erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist erlangt, kann dem Gesetzgeber zumindest eine Mitverantwortung nicht abgesprochen werden, da durch die Schaffung des § 1598a BGB der Einzelne frei nach dem Motto „Angebot schafft Nachfrage“ eher dazu veranlasst wird, das Abstammungsgutachten einzuholen. Aus diesem Grund ist zu überlegen, wie trotz Einführung des § 1598a BGB der vorrangig vom Gesetzgeber mit § 1600b BGB bezweckte Schutz der sozialen Familie zumindest im gleichen Umfang wie zu Zeiten vor Einführung des § 1598a BGB gewährleistet werden kann. Dass dieser Schutz nach Einführung des § 1598a BGB ohne Modifizierung des bisher geltenden Rechts nicht mehr in gleicher Weise gewährleistet ist, hat auch die 406

Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1280).

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2. Teil: Vaterschaft

Bundesregierung erkannt und sich bemüht, „das auf zwei Jahre befristete Anfechtungsrecht und den unbefristeten [. . .] Klärungsanspruch in ein angemessenes Verhältnis zueinander zu stellen“407, mit anderen Worten eine Balance zwischen den beiden Verfahren zu schaffen. (2) Lösung des Problems (a) Abschaffung der Frist des § 1600b BGB Eine Abschaffung der Frist des § 1600b BGB würde zu einer Anpassung der beiden Verfahren führen408. Der doppelt Berechtigte könnte nicht nur jederzeit Kenntnis über die wahren Abstammungsverhältnisse erlangen, sondern auch jederzeit aus dieser Kenntnis rechtliche Konsequenzen ziehen, sodass es nie zu der Situation käme, die Anfechtungsklage trotz Gewissheit der Nichtabstammung des Kindes vom rechtlichen Vater abweisen zu müssen. Gleichwohl würde sich diese Vorgehensweise auf den sozialen Bestand der Familie aber nicht nur positiv, sondern auch negativ auswirken. Wie bereits ausgeführt, wird die soziale Familie nicht nur dadurch gefährdet, dass die rechtliche der genetischen Lage trotz Wissens um die Nichtabstammung nicht angepasst werden kann, sondern auch durch den Zustand der Statusunsicherheit, der durch die Abschaffung der Anfechtungsfrist gerade hervorgerufen würde, da der Anfechtungsberechtigte jederzeit nach §§ 1600–1600c BGB zur Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft vorgehen könnte. Zudem sei erwähnt, dass die Abschaffung der Frist des § 1600b BGB nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich schon gar nicht gerechtfertigt wäre409. (b) Koppelung der Frist des § 1600b BGB an § 1598a BGB Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung schlug zur Lösung des Konflikts, dass der Klärungsberechtigte jederzeit Kenntnis von den genetischen Abstammungsverhältnissen erlangen, nicht aber jederzeit daraus rechtliche Konsequenzen ziehen kann, vor, die Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB zumindest für das Kind und den rechtlichen Vater neu beginnen zu lassen, wenn diese durch das nach § 1598a BGB eingeholte Gutachten Kennt407

BT-Drucks. 16/6649, S. 1. Für eine Abschaffung der Anfechtungsfrist Groß, FPR 2007, 392 (394); dies., http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/ 04_Stellungnahmen/index.html, S. 5. 409 BVerfG, NJW 2007, 753 (756 Rn. 82). 408

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nis davon erlangen, dass eine genetische Verbindung zwischen ihnen nicht besteht und durch die Folgen der Anfechtung das Wohl des minderjährigen Kindes nicht erheblich beeinträchtigt wird (vgl. § 1600b Abs. 7 BGB-E)410. Dass eine derartige Koppelung der Anfechtungsfrist des § 1600b BGB an § 1598a BGB faktisch nichts anderes bedeuten würde als eine Abschaffung der Statussicherheit gewährenden Frist des § 1600b BGB, wurde bereits dargelegt411. Da die soziale Familie aber nicht nur durch die Aufrechterhaltung einer der genetischen Lage nicht entsprechenden rechtlichen Beziehung, sondern auch durch Statusunsicherheit gefährdet wird, würde eine Koppelung der Frist des § 1600b BGB an § 1598a BGB dem Schutz der Familie in ihrem sozialen Bestand gleichermaßen dienen und schaden. (c) Schaffung einer Frist im Rahmen des § 1598a BGB Eine weitere Möglichkeit, um zum Schutze der sozialen Familie zu verhindern, dass Kenntnis über die Nichtabstammung des Kindes vom rechtlichen Vater zu einem Zeitpunkt erlangt wird, zu dem aus dieser Kenntnis keine rechtlichen Konsequenzen gezogen werden können, wäre, das Verfahren nach § 1598a BGB als befristetes Verfahren auszugestalten412. Allein dadurch, dass man das Verfahren zur Klärung der genetischen Abstammung nach § 1598a BGB an eine Frist bindet, würde allerdings nicht erreicht, dass es nie zu der Situation käme, die Anfechtungsklage trotz Gewissheit der fehlenden genetischen Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater abweisen zu müssen. Dies wird an dem Beispiel deutlich, dass die Frist zur Klärung der Abstammung länger ist als die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft. In diesem Fall wäre Kenntniserlangung weiterhin zu einem Zeitpunkt möglich, zu dem die Anfechtung der Vaterschaft bereits ausgeschlossen wäre, sodass der Sache nach nichts gewonnen würde413. Auch wird der Schutz der sozialen Familie nicht dadurch erreicht, dass das Verfahren zur Klärung der Abstammung und das Verfahren zur Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft an eine gleichlange Frist gebunden werden. Denn werden die gleichlangen Fristen durch unterschiedliche Umstände in Gang gesetzt, so ist die Situation denkbar, dass die Frist des § 1598a BGB später als die Frist des § 1600b BGB in Gang gesetzt wird, mit der Folge, 410

BT-Drucks. 16/6561, S. 14 f. Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.2.b)aa)(4). 412 Brosius-Gersdorf, S. 177; Rittner/Rittner, Rechtsmedizin 2007, 389 (395). 413 So auch Brosius-Gersdorf, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoe rungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 7. 411

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2. Teil: Vaterschaft

dass eine Klärung der Abstammung noch möglich wäre, eine Anfechtung der Vaterschaft dagegen wegen Fristablaufs nicht mehr. Vielmehr müssten, um zu verhindern, dass die Anfechtungsklage trotz Gewissheit der fehlenden genetischen Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater wegen Fristablaufs abgewiesen wird, die an die Frist gestellten Anforderungen im Rahmen des Klärungs- und Anfechtungsverfahren identisch sein. Insbesondere muss dabei berücksichtigt werden, dass die vom Gesetzgeber im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform bezüglich des Anfechtungsverfahrens entwickelte Argumentation für eine kenntnisabhängige und gegen eine kenntnisunabhängige Frist nicht nur für das Anfechtungsverfahren Gültigkeit hat, sondern auf das Klärungsverfahren übertragen werden kann414. Bei Vorliegen einer kenntnisunabhängigen Frist würde der Klärungsberechtigte zur Vermeidung des Fristablaufs unabhängig davon, ob er Zweifel an der Erzeugerstellung des rechtlichen Vaters hat oder nicht, dazu gedrängt, nach § 1598a BGB vorzugehen, nur um zu verhindern, dass eine derartige Überprüfung künftig, wenn möglicherweise Zweifel auftreten, wegen Fristablaufs nicht mehr möglich ist. Da es sich bei dem Verfahren des § 1598a BGB genau wie bei dem Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB um ein offenes Verfahren handelt, hat ein derartiges Vorgehen negative Auswirkungen auf den Familienfrieden und führt damit zu einer Gefährdung der sozialen Familie415. Der soziale Bestand der Familie wäre demnach unabhängig davon, ob der doppelt Berechtigte die rechtliche Lage der genetischen Lage anpassen kann oder nicht, gefährdet. Zudem spricht gegen die Einführung einer kenntnisunabhängigen Frist ein verfassungsrechtlicher Aspekt. Die nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten haben allesamt ein berechtigtes Interesse an der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse, das zumindest für den rechtlichen Vater und das Kind verfassungsrechtlich geschützt wird416. Mit diesem verfassungsrechtlichen Schutz wäre es nicht zu vereinbaren, dem Klärungsberechtigten, der erst nach Ablauf der kenntnisunabhängigen Frist von Umständen erfährt, die ihn an den genetischen Abstammungsverhältnissen zweifeln lassen, die Ausübung seines Grundrechts zu versagen417. Folglich dürfte es sich bei der Frist des § 1598a BGB nur um eine kenntnisabhängige Frist handeln. Da die kenntnisabhängige Frist des § 1600b Abs. 1 BGB vom Bundesverfassungsgericht für das Verfahren der Vater414

BT-Drucks. 13/4899, S. 87. So auch Brosius-Gersdorf, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoe rungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 7. 416 Zur Frage, ob das Interesse der Mutter an der Klärung der genetischen, väterlichen Abstammungsverhältnisse verfassungsrechtlich geschützt ist, später Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.3.a). 417 Ebenso Brosius-Gersdorf, S. 177. 415

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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schaftsanfechtung nach §§ 1600–1600c BGB bereits als verfassungsgemäß befunden wurde418, würde es sich anbieten, es im Rahmen der Vaterschaftsanfechtung bei der Frist des § 1600b Abs. 1 BGB zu belassen und infolgedessen auch das Klärungsverfahren an die Frist des § 1600b Abs. 1 BGB zu binden. Dies hätte zur Folge, dass der doppelt Berechtigte solange die Anfechtungsfrist noch nicht läuft, jederzeit nach § 1598a BGB vorgehen kann und dann ab Kenntnisnahme des Untersuchungsergebnisses zwei Jahre Zeit hat zu entscheiden, ob er die rechtliche Vaterschaft beseitigt oder nicht. Sobald die Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB läuft, könnte der doppelt Berechtigte nur innerhalb dieser Frist die Abstammungsverhältnisse durch ein Vorgehen nach § 1598a BGB klären lassen, wobei zumindest in den von § 1600b Abs. 5 BGB erfassten Fällen sichergestellt ist, dass aus dem Ergebnis der Abstammungsuntersuchung auch rechtliche Konsequenzen gezogen werden können. Eine Klärung der genetischen Abstammung nach Ablauf der Frist des § 1600b Abs. 1 BGB wäre dagegen ausgeschlossen. Somit wäre sichergestellt, dass die genetische Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater nur dann geklärt werden kann, wenn auch eine Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft möglich ist, und dann ausgeschlossen ist, wenn auch eine Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft ausgeschlossen ist. Dies hätte zur Folge, dass der soziale Bestand der Familie wenigstens nicht dadurch gefährdet würde, dass wider besseren Wissens eine der genetischen Lage nicht entsprechende rechtliche Beziehung aufrecht erhalten wird. Umsetzten lässt sich dieses allerdings nur dann, wenn es gerechtfertigt ist, die bloße Klärung der genetischen Abstammung generell an Fristen [vgl. (a)] und konkret an die Frist des § 1600b Abs. 1 BGB [vgl. (b)] zu binden. (a) Generelle Fristbindung des § 1598a BGB Dass die Bindung des § 1598a BGB an eine Frist nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar geboten ist, wurde bereits auf Seite 117 ff. festgestellt. (b) Konkrete Fristbindung des § 1598a BGB Fraglich ist allerdings, ob es auch gerechtfertigt ist, das Verfahren nach § 1598a BGB an die zweijährige Frist des § 1600b BGB zu binden. 418

BVerfG, NJW 2007, 753 (756 Rn. 82).

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2. Teil: Vaterschaft

Dies ist dann der Fall, wenn es sich bei dem Klärungs- genau wie bei dem Anfechtungsverfahren um ein Verfahren handelt, das den rechtlichen und sozialen Bestand der Familie gefährdet. Wie bereits dargelegt419, stellt das Verfahren nach § 1598a BGB in seiner jetzigen Gestalt genau wie das Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB eine Gefährdung für den rechtlichen und sozialen Bestand der Familie dar420, sodass die Frist des § 1600b BGB nicht nur im Rahmen des Anfechtungs-, sondern auch im Rahmen des Klärungsverfahrens gerechtfertigt wäre. Der Bindung des § 1598a BGB an dieselbe Frist wie das Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB könnte allerdings die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts entgegenstehen, das neu zu schaffende Klärungsverfahren, also das Verfahren nach § 1598a BGB, als ein vom Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§ 1600–1600c BGB unabhängiges und isoliertes Verfahren auszugestalten421. Versteht man diese Vorgabe nicht nur so, dass sich nicht zwingend an das Verfahren nach § 1598a BGB das Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB anschließen muss und dass das Verfahren nach § 1598a BGB keine Rechtsfolgen entfalten darf, sondern entnimmt man dieser Vorgabe zusätzlich, dass Voraussetzungen des Verfahrens nach §§ 1600–1600c BGB nicht in das Verfahren nach § 1598a BGB übertragen werden dürfen, so dürfte das Verfahren nach § 1598a BGB entsprechend der bundesverfassungsgerichtlichen Vorgabe nicht an die Frist des § 1600b BGB gebunden werden. Ob die oben zitierte Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts allerdings überhaupt in dieser Weise verstanden werden darf, kann offen bleiben, da sich das Bundesverfassungsgericht bezüglich der Isoliertheit des § 1598a BGB widersprüchlich verhält und deshalb derselbigen keine allzu große Bedeutung beizumessen scheint. Dies ergibt sich daraus, dass das Bundesverfassungsgericht gleichzeitig mit der Forderung nach der dogmatischen Isoliertheit des § 1598a BGB der faktischen Verschmelzung der beiden Verfahren zu einem Verfahren seinen verfassungsrechtlichen Segen ausspricht, indem es die Verwertung eines im Klärungsverfahren zu Stande gekommenen Gutachtens, respektive die aufgrund dieses Gutachtens erlangte Kenntnis, als verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden bewertet422 und sich somit bezüglich der Isoliertheit des Klärungsverfahrens nicht nur widersprüchlich verhält, sondern sogar verfassungsrechtlich absegnet, dass faktisch weder Isoliertheit noch Unabhängigkeit des Klärungs- vom Anfechtungsverfahren besteht423. 419

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1. Helms, S. 132 macht deutlich, dass sich im Hinblick auf die Gefährdung der Familie in ihrem sozialen Bestand durch eine isolierte Abstammungsfeststellungsklage im Vergleich zur klassischen Statusklage des §§ 1600–1600c BGB kein nennenswerter Unterschied ergibt. 421 BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 97). 422 BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 98). 420

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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Somit steht der Bindung des Verfahrens nach § 1598a BGB an dieselbe Frist wie das Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB auch nicht die bundesverfassungsgerichtliche Vorgabe nach Unabhängigkeit und Isoliertheit des § 1598a BGB entgegen. (g) Zwischenergebnis Folglich ergibt sich, dass es nicht nur verfassungsrechtlich gerechtfertigt, sondern sogar geboten ist, das Verfahren nach § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB zu binden424. Rittner/Rittner weisen darauf hin, dass die Bindung des § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB nicht bedeuten müsse, dass auch das Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts im Verfahren des § 1598a BGB Anwendung findet425. Dieses Hinweises bedarf es, weil Anfangsverdacht und Frist des § 1600b BGB an dieselben Voraussetzungen gebunden sind426. Da dieses bedeutet, dass die Frist des § 1600b BGB ohnehin nur dann zu laufen beginnen kann, wenn auch der Anfangsverdacht begründet werden könnte, könnte man auf die Idee kommen, dass nicht nur die Frist, sondern auch das Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts im § 1598a BGB Berücksichtigung findet. Berücksichtigt man allerdings den Grund, aus dem die Frist des § 1600b BGB auf das Verfahren nach § 1598a BGB angewandt werden soll, so wird deutlich, dass kein Bedürfnis dafür besteht, auch das Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts auf § 1598a BGB anzuwenden. Die Frist des § 1600b BGB wird auf das Verfahren nach § 1598a BGB angewandt, um zu verhindern, dass Kenntnis über die Nichtabstammung zu einer Zeit erlangt wird, zu der keine rechtlichen Konsequenzen mehr aus dieser Kenntnis gezogen werden können. Vor diesem Hintergrund ist es also nicht entscheidend, dass die Frist bereits im Zeitpunkt des Vorgehens nach § 1598a BGB läuft (was wegen des Gleichlaufs von Anfechtungsfrist und Anfangsverdacht aber der Fall wäre, wenn für ein Vorgehen nach § 1598a BGB die Begründung des Anfangsverdachts erforderlich wäre), sondern es genügt, wenn die Frist erst durch das Vorgehen nach § 1598a BGB in Gang gesetzt wird.

423

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, C.II.2. Ebenso Rittner/Rittner, Rechtsmedizin 2007, 389 (395); kritisch dazu BrosiusGersdorf, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 33 die darauf hingewiesen hat, dass es sich bei der Frist des Klärungsverfahrens um eine sehr weit bemessene Frist handeln müsse. 425 Rittner/Rittner, Rechtsmedizin 2007, 389 (395 f.). 426 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.I.1. 424

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2. Teil: Vaterschaft

(3) Zwischenergebnis Die Gefährdung der sozialen Familie durch Kenntnis der Nichtabstammung könnte dadurch verhindert werden, dass sowohl das Verfahren nach § 1598a BGB als auch das Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB an die Frist des § 1600b BGB geknüpft würden427. Daraus ergibt sich auch nicht eine unangemessene Einschränkung des doppelt Berechtigten bzw. zumindest für Kind und rechtlichen Vater428 eine verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Einschränkung in ihren Rechten, da derjenige, der es trotz konkreter Zweifel an der genetischen Abstammung unterlässt, innerhalb der Frist sowohl eine Klärung als auch eine Anfechtung vorzunehmen, nicht mehr als schutzwürdig anzusehen ist429. dd) Ergebnis Nach Einführung des § 1598a BGB wird der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte soziale Bestand der Familie durch Erhebung sowie Abweisung der Anfechtungsklage trotz Kenntnis/Verdacht der Nichtabstammung gefährdet, nicht aber durch Statusunsicherheit. III. Ergebnis Abschließend kann festgehalten werden, dass der Schutz der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten sozialen Familie durch Fristen nach Einführung des 427 Für die Fristbindung des § 1598a BGB an § 1600b BGB zum Schutze der sozialen Familie sprechen sich ebenfalls Rittner/Rittner aus [vgl. Rittner/Rittner, Rechtsmedizin 2007, 389 (395)]. Allerdings sehen diese in der Möglichkeit jederzeit nach § 1598a BGB vorzugehen, die soziale Familie nicht dadurch gefährdet, dass Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse zu einer Zeit erlangt werden kann, zu der keine rechtlichen Konsequenzen mehr aus dieser Kenntnis gezogen werden können, sondern durch Statusunsicherheit, da sich der Klärungsberechtigte jederzeit Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse verschaffen könne und dadurch jederzeit Statusunsicherheit entstehen könne. Zwar ist dieser Ansicht zuzugestehen, dass durch die jederzeitige Vorgehensmöglichkeit jederzeit der Zustand der konkreten Statusunsicherheit herbeigeführt werden kann, allerdings wurde bereits dargelegt, dass dieses zur Reduzierung der Statusunsicherheit beiträgt und somit positive Auswirkungen auf den sozialen Bestand der Familie hat [ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.2.b)aa)]. 428 Zur Frage, ob das Interesse der Mutter an der Klärung der genetischen, väterlichen Abstammungsverhältnisse verfassungsrechtlich geschützt ist, später Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.3.a). 429 Ebenso Albers, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 35 f.

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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§ 1598a BGB im deutschen Abstammungsrecht schlechter als vor Einführung des § 1598a BGB gewährleistet ist430. Dies liegt daran, dass im Rahmen des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens nach §§ 1600–1600c BGB das vom Gesetzgeber mit § 1600b BGB vorrangig verfolgte Ziel, die Familie in ihrem sozialen Bestand zu schützen, nach Einführung des § 1598a BGB faktisch schlechter als vor Einführung des § 1598a BGB gewährleistet wird. Zwar wird die von der Statusunsicherheit ausgehende Gefährdung verringert, dafür aber die durch die Erhebung der Anfechtungsklage und die durch die Abweisung der Anfechtungsklage trotz Kenntnis/Verdacht der Nichtabstammung ausgehende Gefährdung vergrößert, wobei Letztere durch Bindung des Klärungsverfahrens an die Frist des § 1600b BGB verringert werden könnte, ohne dass sich dieses negativ auf die verringerte Gefährdung durch Statusunsicherheit auswirkt. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Unbefristetheit des Klärungsverfahrens nach § 1598a BGB wegen Gefährdung der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten rechtlichen und sozialen Familie verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist, ist die Bindung des Klärungsverfahrens nach § 1598a BGB an eine Frist nicht nur die Lösung des Problems, sondern sogar verfassungsrechtlich geboten, wobei bereits unter Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.2.b)cc)(2)(c) festgestellt wurde, dass es sich bei dieser Frist nicht um irgendeine Frist, sondern um die Frist des § 1600b BGB handelt. 1. Bindung des § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB Fraglich ist allerdings, auf welchem Wege die Frist des § 1600b BGB Einzug in das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB erhält. Ob dies de lege lata unter Beibehaltung der geltenden Gesetzeslage geschehen kann [vgl. a)] oder ob de lege ferenda eine Änderung der geltenden Gesetzeslage erforderlich ist [vgl. b)], wird im Folgenden untersucht. a) De lege lata De lege lata kann das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB dann an die Frist des § 1600b BGB gebunden werden, wenn sich aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung des § 1598a BGB die Anwendung des § 1600b BGB auf das Klärungsverfahren ergibt.

430

Ebenso Wolf in Festschrift für Rainer Frank, 349 (374).

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2. Teil: Vaterschaft

aa) Verfassungskonforme Auslegung Im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung wird anhand der üblichen Auslegungsmethoden überprüft, ob eine zur Verfassungsmäßigkeit der als verfassungswidrig festgestellten Norm führenden Auslegung möglich ist431. Allgemein bedeutet dies, dass bei mehreren möglichen Auslegungen des einfachen Rechts der Auslegung der Vorzug zu geben ist, die der Wertentscheidung der Verfassung am Besten entspricht432. Bezogen auf das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB bedeutet dies, dass unter Zugrundelegung der üblichen Auslegungsmethoden ermittelt werden muss, ob die aufgrund der fehlenden Bindung an die Frist des § 1600b BGB als verfassungswidrig festgestellte Norm des § 1598a BGB durch Auslegung an die Frist des § 1600b BGB gebunden werden kann. Da allerdings die verfassungskonforme Auslegung nicht dazu genutzt werden darf, verfassungswidrige Vorschriften umzubiegen oder gar eine Gesetzeskorrektur vorzunehmen, sind ihr durch den Wortlaut der Vorschrift und den Willen des Gesetzgebers Grenzen gesetzt433. Dies bedeutet, dass sich die verfassungskonforme Auslegung weder über den Wortlaut des Gesetzes noch über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen darf. Aus diesem Grund wird die Norm des § 1598a BGB im Folgenden nur unter Berücksichtigung des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte der Norm ausgelegt. Steht nämlich eine dieser beiden Auslegungsmethoden der Bindung des § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB entgegen, so ist eine verfassungskonforme Auslegung, unabhängig vom Ergebnis der übrigen Auslegungsmethoden, ausgeschlossen, mit der Folge, dass eine Bindung des § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB de lege lata nicht möglich ist. (1) Wortlautauslegung Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1598a BGB ist das Klärungsverfahren nicht an irgendeine, geschweige denn an die Frist des § 1600b BGB gebunden.

431

Larenz/Canaris, S. 160; Maurer, § 1 Rn. 67. BVerfGE 8, 210 (221). 433 BVerfGE 90, 263 (265) m. w. N.; ebenso Maurer, § 1 Rn. 68; Rüthers, Rn. 764; Burghart in Leibholz/Rinck, Einf. Rn. 16. 432

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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(2) Entstehungsgeschichte Zur Ermittlung des Willens der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen wird auf die Gesetzesmaterialien zurückgegriffen. Dem Gesetzesentwurf lässt sich ausdrücklich entnehmen, dass der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, das Verfahren des § 1598a BGB an keine Frist zu binden434. Die vom Gesetzgeber dafür gelieferte Begründung bezieht sich allerdings nicht generell auf eine Fristbindung, sondern der Gesetzgeber begründet nur, warum speziell eine Bindung an die Frist des § 1600b BGB nicht in Frage kommt. Nach dieser sei eine Bindung des § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB dann nicht erforderlich und werde dem verfassungsrechtlich geschützten Interesse sogar nicht gerecht, wenn es sich bei dem Verfahren nach § 1598a BGB um ein Verfahren handelt, das „allein auf Klärung der Abstammung gerichtet ist“435. Berücksichtigt man diese Begründung des Gesetzgebers, so wird deutlich, dass die Unbefristetheit des § 1598a BGB nur dann dem Willen des Gesetzgebers entspricht, wenn es sich bei dem Klärungsverfahren um ein Verfahren handelt, durch das weder der rechtliche noch der soziale Bestand der Familie gefährdet werden. Da allerdings sowohl der rechtliche als auch der soziale Bestand der Familie durch das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB gefährdet werden436, entspricht gerade nicht die Unbefristetheit, sondern die Befristetheit des § 1598a BGB dem Willen des Gesetzgebers. Folglich ist die Bindung des § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar. (3) Zusammenfassung Die Wortlautauslegung kommt zu dem Ergebnis, dass die Norm des § 1598a BGB nicht an die Frist des § 1600b BGB gebunden ist, während nach der am Willen des Gesetzgebers orientierten Auslegung eine Bindung des § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB bejaht wird.

434 435 436

BT-Drucks. 16/6561, S. 12. BT-Drucks. 16/6561, S. 9. Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.

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2. Teil: Vaterschaft

bb) Ergebnis Da der verfassungskonformen Auslegung sowohl durch den Wortlaut als auch durch den Willen des Gesetzgebers Grenzen gesetzt sind, führt die Tatsache, dass der Wortlaut des § 1598a BGB gegen eine Bindung des § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB spricht, dazu, dass eine verfassungskonforme Auslegung ausgeschlossen ist. Dies hat zur Folge, dass das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB nicht de lege lata an die Frist des § 1600b BGB gebunden werden kann. b) De lege ferenda Stattdessen kann eine Bindung des § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB nur durch eine Änderung der geltenden Gesetzeslage erreicht werden. Insbesondere zum Schutze des Klärungsberechtigten und Anspruchsverpflichteten ist dies die einzig sinnvolle und hinnehmbare Lösung. Dies liegt daran, dass es sich bei der Frist des § 1600b BGB um eine Ausschlussfrist handelt437, die in erster Linie der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dient438. Erreicht wird Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dadurch, dass das betreffende Recht nach Ablauf der Frist erlischt und nicht mehr ausgeübt werden kann, mit der Folge, dass nach Ablauf einer bestimmten Zeit keine Änderung der bestehenden Rechtslage mehr herbeigeführt werden kann439. Aus diesem Grund muss derjenige, dem das betreffende Recht zusteht, Kenntnis darüber haben, dass er das betreffende Recht nicht jederzeit, sondern nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausüben kann. Um diese Kenntnis zu gewährleisten, muss die Fristgebundenheit der Ausübung des Rechts auch für einen juristischen Laien aus der bloßen Gesetzeslektüre ersichtlich sein. Dies gilt umso mehr dann, wenn dem Rechtsinhaber, wie im Falle des § 1598a BGB dem Klärungsberechtigten, das Recht eingeräumt wird, ein verfassungsrechtlich geschütztes Interesse zu verwirklichen. Aber auch für denjenigen, gegen den sich das betreffende Recht richtet, ist Kenntnis darüber, dass das Recht vom Rechtsinhaber nicht jederzeit, sondern nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausgeübt werden kann, von Nöten, vorausgesetzt er soll von der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit profitieren. 437

Rauscher in Staudinger, § 1600b Rn. 8; Gutzeit/Klebeck in AnwaltKommentar BGB Bd. 4, § 1600b Rn. 2. 438 Löhnig, Fristen und Termine, Rn. 252. 439 Löhnig, Fristen und Termine, Rn. 252.

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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2. Ergebnis Abschließend kann festgehalten werden, dass die verfassungsrechtlich gebotene440 und vom Gesetzgeber gewollte Bindung des § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB nicht de lege lata, sondern nur de lege ferenda erreicht werden kann441.

E. Auswirkung des § 1598a BGB auf heimliche Abstammungsgutachten Nach Branchenangaben werden 5–10% der privat eingeholten Abstammungsgutachten ohne Kenntnis und damit ohne Einwilligung der Betroffenen, also heimlich, eingeholt442. Da dadurch Grundrechte der Betroffenen verletzt werden, setzte sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB das rechtspolitische Ziel, mit dem Verfahren nach § 1598a BGB der Einholung solch heimlicher Abstammungsgutachten entgegenzuwirken443. Weil heimliche Abstammungsgutachtens ihrer Art nach nichts anderes sind als private Abstammungsgutachten, die ohne Kenntnis und damit auch ohne Einwilligung des Betroffenen eingeholt werden, ist dieses Ziel nur zu erreichen, wenn das Verfahren nach § 1598a BGB für den Anwender mehr als nur eine Alternative sowohl zu einer privaten als auch zu einer heimlichen Abstammungsuntersuchung darstellt. Aus diesem Grund bemühte sich der Gesetzgeber in erster Linie das Verfahren so attraktiv auszugestalten, dass der Anwender es einer privaten Abstammungsuntersuchung vorzieht. Dieser Ansatzpunkt ist nicht zu kritisieren, da mit Vermeidung einer privaten Abstammungsuntersuchung automatisch viele Fälle einer heimlichen Abstammungsuntersuchung vermieden 440 Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die verfassungsrechtliche Gebotenheit der Bindung des § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB aus zwei Gründen besteht. Zum einen dient sie dem Schutz des von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten sozialen Bestands der Familie und zum anderen ergibt sich die verfassungsrechtliche Gebotenheit daraus, dass durch das Verfahren nach § 1598a BGB der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte rechtliche und soziale Bestand der Familie gefährdet wird. 441 Dazu Vierter Teil, Zweites Kapitel, I. 442 Rabatta/Richter-Kuhlmann, Dtsch Arztebl 2005; 102: A 89 (Heft 3) (A 89). 443 Zypris, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15325C; Schewe-Gerigk, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15329C; Lambrecht, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15330C; BT-Drucks. 16/8219, S. 11; Albers, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 36; Groß, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 1; Schneider, Dtsch Arztebl 2008; 105: A 1067 (Heft 20) (A 1069); Zimmermann, FuR 2008, 374 (377).

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2. Teil: Vaterschaft

werden könnten. Allerdings ist das vom Gesetzgeber zur Erreichung des Ziels gewählte Mittel, die Qualität des eingeholten privaten Abstammungsgutachtens in das Ermessen des Klärungsberechtigten zu stellen, fragwürdig444. Der Gesetzgeber begründete seine Entscheidung damit, dass dann, wenn dem Klärungsberechtigten aufgetragen würde, ein Gutachten von der Qualität eines gerichtlichen Abstammungsgutachtens einzuholen oder die Einholung des Abstammungsgutachtens gar vom Gericht selbst durchgeführt würde, viele Klärungsberechtigte durch die dadurch entstehenden finanziellen Mehrbelastungen von einem Vorgehen nach § 1598a BGB absehen und stattdessen auf ein privat eingeholtes Gutachten zurückgreifen würden445, mit der Gefahr, dass dieses als heimliches Gutachten eingeholt wird. Ob dieses vom Gesetzgeber gewählte Mittel geeignet ist, die Attraktivität eines Vorgehens nach § 1598a BGB zu steigern, soll an dieser Stelle noch446 dahinstehen, da es dem Gesetzgeber bereits aus anderen Gründen nicht gelungen ist, das Verfahren nach § 1598a BGB so auszugestalten, dass von den Betroffenen auf ein Ausweichen auf eine private, womöglich heimliche, Abstammungsuntersuchung verzichtet wird bzw. diese gar entbehrlich wird. Die Gründe, die dazu führen, dass trotz bzw. wegen Schaffung des § 1598a BGB gerade nicht das Ende der privaten, insbesondere in Form der heimlichen, Abstammungsuntersuchungen erreicht wird, sollen im Folgenden dargestellt werden. I. Fehlende Klärungsberechtigung 1. Allgemein Ein bei der Ausgestaltung des § 1598a BGB verankerter Grund dafür, dass trotz des Verfahrens des § 1598a BGB die Durchführung privater Abstammungsuntersuchungen nicht entbehrlich wird, ist, dass der Anspruch des § 1598a BGB einem bestimmten Personenkreis, nämlich dem der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten, vorenthalten ist447. Geht man mit Teilen der Literatur448 davon aus, dass es Personen (beispielsweise Großeltern, Onkel und Tanten, Geschwister oder potentiell biologischer Vater) gibt, die nicht nach § 1598a Abs. 1 BGB klärungsberechtigt 444

Siehe Fn. 453. BT-Drucks. 16/8219, S. 13. 446 Vgl. Fn. 453. 447 Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1189). 448 Helms, FamRZ 2008, 1033 (1034); Schwab, FamRZ 2008, 23 (23); Seidel in MüKo BGB, § 1589 Rn. 12; Diederichsen in Palandt, § 1598a Rn. 7. 445

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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sind, wohl aber ein Interesse an der Durchführung einer Abstammungsuntersuchung haben, so steht diesen Personen für die Verwirklichung ihres Interesses nur die Möglichkeit einer privaten Abstammungsuntersuchung zu. Aus diesem Kreis der nicht von § 1598a Abs. 1 BGB erfassten Personen, die aber ein Interesse an der genetischen Abstammung des in Rede stehenden Kindes haben, soll der potentiell biologische Vater herausgegriffen werden, um an seinem Beispiel darzustellen, welche Auswirkungen seine Nichteinbeziehung in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten auf die Durchführung einer privaten, vielleicht sogar heimlichen, Abstammungsuntersuchung hat. 2. Potentiell biologischer Vater Durch die Nichteinbeziehung wird dem potentiell biologischen Vater die Möglichkeit genommen nach § 1598a BGB vorzugehen und die genetischen Abstammungsverhältnisse auf diesem Weg klären zu lassen. Die sich daraus ergebende Konsequenz ist, dass der potentiell biologische Vater zur Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse auf Alternativen ausweichen muss. Als solche Alternativmöglichkeit bietet sich zunächst das Ausweichen auf ein ebenfalls rechtsförmliches Verfahren an. Da dem potentiell biologischen Vater als solches nur die Verfahren nach § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und §§ 1600–1600c BGB offenstehen, setzt ein Ausweichen auf ein rechtsförmliches Verfahren voraus, dass der potentiell biologische Vater bereit ist, die genetischen Abstammungsverhältnisse unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen klären zu lassen. Aber selbst, wenn diese Bereitschaft gegeben sein sollte, steht ihm ein derartiges rechtsförmliches Verfahren nur in seltenen Fällen offen: – Eine Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse nach § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kommt nur in dem seltenen Fall, dass keine rechtliche Vaterschaft besteht, in Betracht. Bei bestehender rechtlicher Vaterschaft kommt das Verfahren nach § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur dann in Betracht, wenn es dem potentiell biologischen Vater zuvor gelingt, die rechtliche Vaterschaft nach §§ 1600–1600c BGB zu beseitigen, wobei dann bereits im Rahmen der Vaterschaftsanfechtung die genetischen Abstammungsverhältnisse geklärt werden, sodass eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entbehrlich wird. – Eine Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse nach §§ 1600– 1600c BGB kommt nur in dem seltenen Fall in Betracht, dass das Kind

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2. Teil: Vaterschaft

bei bestehender rechtlicher Vaterschaft keine sozial-familiäre Beziehung im Sinne § 1600 Abs. 2, 3 BGB zu seinem rechtlichen Vater hat bzw. während der Anfechtungsfrist hatte. Folglich ist es dem potentiell biologischen Vater in dem häufigsten Fall, dass das Kind bei bestehender rechtlicher Vaterschaft auch eine sozial-familiäre Beziehung zu seinem rechtlichen Vater hat, von vornherein verwehrt, die genetischen Abstammungsverhältnisse in einem rechtsförmlichen Verfahren unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen klären zu lassen. Die einzig ihm verbleibende Möglichkeit ist die Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens unter Verzicht auf den Schutz eines rechtsförmlichen Verfahrens. Auch wenn es dem potentiell biologischen Vater in vielen Fällen nichts ausmacht, sein Anliegen der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse offen auszusprechen und an die intakte soziale Familie heranzutragen, da er damit nicht seine eigene, sondern eine fremde soziale Familie gefährdet449, wird er gleichwohl überwiegend von einer derartigen Vorgehensweise absehen und von vornherein den Weg über die heimliche Abstammungsuntersuchung wählen, da er kaum mit freiwilliger Mitwirkung der Betroffenen, also mit Erteilung einer Einwilligung zur privaten Abstammungsuntersuchung, rechnen kann450 und somit auch kein Erfordernis besteht, die bestehende intakte Familie durch sein bloßes Anliegen, zumindest im Falle eines die Vaterschaft nicht bestätigenden Abstammungsgutachtens, völlig grundlos zu gefährden. Folglich kann festgehalten werden, dass die Nichteinbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten überwiegend dazu führt, dass der potentiell biologische Vater zur Einholung eines privaten, wahrscheinlich sogar heimlichen, Abstammungsgutachtens gedrängt wird. II. Fehlende Möglichkeit zur positiven Klärung der genetischen Abstammung Ein weiterer bei der Ausgestaltung des § 1598a BGB verankerter Grund dafür, dass trotz des Verfahrens des § 1598a BGB die Durchführung privater Abstammungsuntersuchungen nicht entbehrlich wird, ist, dass der Anspruch aus § 1598a BGB nur gegenüber einem bestimmten Personenkreis, nämlich dem der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten, besteht. 449 450

(391).

Muscheler, FPR 2007, 389 (391). Ebenso Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1189); Muscheler, FPR 2007, 389

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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Da zu diesen nicht der potentiell biologische Vater zählt, kann das Kind den potentiell biologischen Vater nicht nach § 1598a BGB in Anspruch nehmen, um die genetischen Abstammungsverhältnisse auf diesem Weg vollumfänglich klären zu lassen. Dies hat zur Konsequenz, dass das Kind, das Kenntnis davon hat, nicht vom rechtlichen Vater abzustammen, zur vollumfänglichen Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse auf Alternativen ausweichen muss. Als solche Alternativmöglichkeit bietet sich zunächst das Ausweichen auf ein ebenfalls rechtsförmliches Verfahren an. Da dem Kind als solches aber nur das Verfahren nach § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO offensteht, setzt ein derartiges Vorgehen voraus, dass das Kind bereit ist, die genetischen Abstammungsverhältnisse unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen klären zu lassen. Aber selbst dann, wenn diese Bereitschaft gegeben sein sollte, steht ihm dieses Verfahren nicht in jedem Fall offen. Besteht eine rechtliche Vaterschaft, deren Anfechtung wegen Fristablaufs ausgeschlossen ist, so ist es dem Kind dauerhaft verwehrt nach § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse vorzugehen, sodass das Kind dann überhaupt keine Möglichkeit hat, die genetischen Abstammungsverhältnisse in einem rechtsförmlichen Verfahren vollumfänglich klären zu lassen. Die einzig ihm zur vollumfänglichen Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse verbleibende Möglichkeit ist die Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens unter Verzicht auf den Schutz eines rechtsförmlichen Verfahrens. Aber auch für das Kind, das vollumfängliche Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse durch ein Vorgehen nach § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in einem rechtsförmliches Verfahren erlangen könnte, weil keine rechtliche Vaterschaft besteht oder weil es diese durch ein Vorgehen nach §§ 1600–1600c BGB beseitigt hat, ist die Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens die einzige Möglichkeit, wenn es nicht bereit ist, die vollumfängliche Kenntnis nur unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen erlangen zu können. Da es für die Einholung eines solchen privaten Abstammungsgutachtens der Einwilligung des potentiell biologischen Vaters bedarf, muss das Kind an diesen herantreten und sein Anliegen offen aussprechen. Dass der potentiell biologische Vater in einer intakten sozialen Familie lebt, wird das Kind möglicherweise nicht vor einem derartigen Vorgehen abhalten, da es damit nicht seine eigene, sondern eine fremde soziale Familie gefährdet451. Für den Fall, dass zwischen Kind und potentiell biologischem Vater keine genetische Verbindung besteht, gefährdet das Kind allerdings die fremde so451

Für das umgekehrte Verhältnis Muscheler, FPR 2007, 389 (391).

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2. Teil: Vaterschaft

ziale Familie völlig grundlos. Möchte das Kind dieses verhindern, so bleibt ihm einzig die Möglichkeit, das private Abstammungsgutachten ohne Kenntnis und damit Einwilligung des betroffenen potentiell biologischen Vaters einzuholen, also in Form eines heimlichen Abstammungsgutachtens. Somit führt die Nichteinbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten häufig dazu, dass das Kind zur Einholung eines privaten, vielleicht sogar heimlichen, Abstammungsgutachtens gedrängt wird452. III. Leichtere Durchführbarkeit Aus Gründen der leichteren Durchführbarkeit bleibt das private Abstammungsgutachten auch für den Klärungsberechtigten, der sein mit der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse gesetztes Ziel durch ein Vorgehen nach § 1598a BGB erreichen könnte, attraktiv. Sowohl bei einem rein privaten Vorgehen als auch bei einem Vorgehen nach § 1598a BGB bleibt es dem Klärungsberechtigten überlassen, ob er ein gerichtlich verwertbares oder ein gerichtlich unverwertbares Abstammungsgutachten einholt. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass der Klärungsberechtigte bei einem rein privaten Vorgehen nur dann ein gerichtlich verwertbares Gutachten einholen kann, wenn der/die Betroffenen in die Abstammungsuntersuchung einwilligen, während der Klärungsberechtigte bei einem Vorgehen nach § 1598a BGB diese Möglichkeit auch bei verweigerter Einwilligung des/der Betroffenen hat (vgl. § 1598a Abs. 2 BGB). Trotz dieser Garantie, am Ende ein gerichtlich verwertbares Gutachten in den Händen zu halten, wird sich der Klärungsberechtigte in aller Regel nur dann für ein Vorgehen nach § 1598a BGB entscheiden, wenn er auf ein gerichtlich verwertbares Abstammungsgutachten tatsächlich angewiesen ist453, weil er im Falle eines negativen Ergebnisses rechtliche Konsequenzen ziehen möchte, er aber nicht sicher sein kann, dass der/die Betroffenen auch in die Abstammungsuntersuchung einwilligen werden. Dass der Klärungsberechtigte nur in diesem Fall nach § 1598a BGB vorgehen wird, ergibt sich daraus, dass das Vorgehen nach § 1598a BGB für den Klärungsberechtigten umständlicher und aufwändiger als ein rein privates Vorgehen ist, da dieser im Falle der verweigerten Einwilligung wegen § 1598a Abs. 2 BGB ein gerichtliches Verfahren durchlaufen muss. 452

Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1189); Muscheler, FPR 2007, 389 (391). Damit wird das Argument des Gesetzgebers, dass durch die Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Qualität des einzuholenden Abstammungsgutachtens, der Einholung heimlicher Gutachten entgegengewirkt werden könne, entkräftet. 453

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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Aus diesem Grund soll bei den folgenden Erwägungen davon ausgegangen werden, dass nach § 1598a BGB stets ein gerichtlich verwertbares Abstammungsgutachten eingeholt wird454, während derjenige, dem es nicht auf die gerichtliche Verwertung des Gutachtens ankommt, das Abstammungsgutachten privat einholt, ohne dabei auf § 1598a BGB zurückzugreifen. 1. Kostenersparnis Finanzielle Erwägungen machen es für den Klärungsberechtigten, der nach § 1598a BGB gegen eine anspruchsverpflichtete Person vorgehen könnte, attraktiv, die genetischen Abstammungsverhältnisse dennoch privat und nicht nach § 1598a BGB untersuchen zu lassen. Vor dem Hintergrund, dass nach § 1598a BGB ein gerichtlich verwertbares Abstammungsgutachten eingeholt wird, während das gerichtlich nicht verwertbare Abstammungsgutachten privat eingeholt wird, fallen für das nach § 1598a BGB eingeholte Abstammungsgutachten höhere Kosten an als für ein privat eingeholtes455. Dies liegt daran, dass eine gerichtliche Verwertung nur dann möglich ist, wenn das Gutachten den Qualitätsanforderungen eines gerichtlichen Abstammungsgutachtens genügt, die von den „Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsuntersuchungen 2002“456 vorgegeben werden und Qualität ihren Preis hat. Aber auch dann, wenn ausnahmsweise nach § 1598a BGB kein gerichtlich verwertbares Abstammungsgutachten eingeholt wird, besteht die Gefahr, dass für dieses Gutachten höhere Kosten anfallen als für ein privat eingeholtes Gutachten, da dann, wenn die Anspruchsverpflichteten ausnahmsweise die Einwilligung außergerichtlich verweigern, die verweigerte Einwilligung nach § 1598a Abs. 2 BGB nur vom Gericht ersetzt werden kann, sodass zusätzlich zu den Kosten für das Gutachten Anwalts- und Gerichtskosten anfallen. 454

Davon geht auch der Gesetzgeber aus (vgl. BT-Drucks. 16/8219, S. 9, 13). Wie sich dem Internetauftritt der Uni Tübingen (http://www.uni-tuebingen.de/ Klinische_Genetik/diagnostik/diagnostik_av7.html – zuletzt abgerufen am 15.01. 2009) entnehmen lässt, fallen bei einem von der Uni Tübingen erstellten gerichtlich verwertbaren Abstammungsgutachten, bei dem Vater, Mutter, Kind getestet werden, Kosten in Höhe von 900 e an; – bei einem gerichtlich nicht verwertbaren Gutachten, das von Delta Gen erstellt wird und bei dem ebenfalls Vater, Mutter, Kind getestet werden, fallen nach http://www.deltagen.de/?gclid=CMWftYitlJQCFQvWu godGHMetw (zuletzt abgerufen am 15.01.2009) Kosten in Höhe von 209 e an; bei einem von Delphi Test erstellten Gutachten belaufen sich die Kosten für ein vergleichbares, gerichtlich nicht verwertbares Gutachten auf 369 e (http://www.delphi test.info/vaterschaftstest_06.html – zuletzt abgerufen am 15.01.2009); a. A. BTDrucks. 16/8219, S. 11. 456 Abgedruckt in JAmt 2002, 337. 455

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2. Teil: Vaterschaft

2. Zeitersparnis Ein weiterer Grund, der für eine private und gegen eine nach § 1598a BGB vorgenommene Abstammungsuntersuchung spricht, ist, dass der Klärungsberechtigte bei einem Vorgehen nach § 1598a BGB grundsätzlich länger als bei einem privaten Vorgehen auf das Untersuchungsergebnis warten muss. Wie bereits festgestellt, wird der Klärungsberechtigte in aller Regel nur dann nach § 1598a BGB vorgehen, wenn er ein gerichtlich verwertbares Gutachten anstrebt. Da ein solches nur dann vorliegt, wenn die Anforderungen der „Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsuntersuchungen 2002“ erfüllt sind, muss das Genmaterial nach 2.3.1 der Richtlinie in Form einer Blutprobe von einem Arzt entnommen werden. Bereits dieses aufwändige Prozedere dauert länger, als wenn, wie bei einer rein privaten Abstammungsuntersuchung, die nicht das Ziel hat, ein gerichtlich verwertbares Abstammungsgutachten hervorzubringen, möglich, ein benutzter Kaugummi oder ein selbst entnommener Abstrich der Mundschleimhaut eingeschickt wird. Folglich dauert es unabhängig davon, ob auch die Erstellung eines gerichtlich verwertbaren Gutachtens länger dauert als die Erstellung eines gerichtlich nicht verwertbaren, länger bis der Klärungsberechtigte die angestrebte Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse erlangt, als wenn ein Gutachten erstellt wird, das nicht der Qualität eines gerichtlichen Gutachtens genügt457. Aber auch dann, wenn ausnahmsweise nach § 1598a BGB kein gerichtlich verwertbares Abstammungsgutachten eingeholt wird, besteht die Gefahr, dass das Warten auf dieses Gutachten länger dauert als das Warten auf ein privat eingeholtes. Wird die Einwilligung der Betroffenen ausnahmsweise nicht außergerichtlich erteilt, so wird die Ersetzung der Einwilligung nach § 1598a Abs. 2 BGB durch das Gericht vorgenommen, sodass 457 Dr. med. Uwe Bäcker, Sachverständiger für gerichtliche Abstammungsgutachten, weist auf http://www.vaterschaftsgutachten-dr-baecker.de/A.-Gutachten/a.-gut achten.html#Dauer (zuletzt abgerufen am 15.01.2009) darauf hin, dass die Gutachtenerstellung in der Regel eine Woche nach der letzten Probenentnahme erfolgt; bei der Uni Tübingen dauert die Gutachtenerstellung nach http://www.uni-tuebingen.de/ Klinische_Genetik (zuletzt abgerufen am 15.01.2009) nach Eingang aller Proben in der Regel 10–15 Arbeitstage. – Demgegenüber dauert bei Delta Gen nach http:// www.deltagen.de/?gclid=CMWftYitlJQCFQvWugodGHMetw (zuletzt abgerufen am 15.01.2009) die Erstellung eines gerichtlich nicht verwertbaren Gutachtens 7 Tage ab Eingang des Geldes; bei Delphi Test dauert die Erstellung ab Eingang des Geldes nach http://www.delphitest.de/vaterschaftstest_06.html (zuletzt abgerufen am 15.01.2009) 10 Tage.

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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zunächst ein gerichtliches Verfahren durchlaufen werden muss, was erfahrungsgemäß einige Zeit in Anspruch nimmt. 3. Fazit Vor dem Hintergrund der leichteren Durchführbarkeit der privaten Abstammungsuntersuchung im Vergleich zu der nach § 1598a BGB vorgenommenen, erscheint es nachvollziehbar, dass der Klärungsberechtigte, der lediglich Gewissheit über die genetischen Abstammungsverhältnisse erlangen möchte, ohne im Falle eines negativen Ergebnisses rechtliche Konsequenzen ziehen zu wollen, auf ein privat eingeholtes Gutachten zurückgreift. Aber auch dann, wenn der Klärungsberechtigte, was weit überwiegend der Fall sein wird, im Falle eines negativen Ergebnisses rechtliche Konsequenzen ziehen möchte oder sich diese Möglichkeit zumindest offenhalten möchte, erscheint es vor dem Hintergrund, dass in 80% der Fälle die Abstammungsuntersuchung mit einem positiven Ergebnis endet, sinnvoll, zunächst eine private Abstammungsuntersuchung durchzuführen und dann im seltenen Falle eines negativen Ergebnisses ein Klärungsverfahren nach § 1598a BGB anzuschließen458. Einem derartigen Vorgehen wird zwar vereinzelt entgegengehalten, dass dadurch im Rahmen des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens nach §§ 1600– 1600c BGB erneut ein Abstammungsgutachten eingeholt werden müsse, was unbedingt zu verhindern sei, da jeder Einholung eines Abstammungsgutachtens die Entnahme einer genetischen Probe vorausgehe und diese für die Betroffenen mit Unannehmlichkeiten, wie zum Beispiel mit Schmerzen, verbunden sei459. So richtig und wichtig dieser Einwand auch ist, greift er allerdings dann nicht, wenn das zuerst eingeholte Gutachten privat, in Form eines heimlichen Gutachtens, eingeholt wurde, da ja gerade die Heimlichkeit erst dadurch gewahrt wird, dass die Betroffenen von der Einholung des Gutachtens und damit auch von der Probenentnahme nichts mitbekommen, sodass diese auch nicht mit Unannehmlichkeiten verbunden ist. Für eine nicht nur private, sondern insbesondere heimliche Vorgehensweise, spricht aber nicht nur die leichtere Durchführbarkeit, sondern vor allem das Kindeswohl und der Schutz der sozialen Familie. 458 Groß, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 30 f. sieht diese Vorgehensweise als diejenige an, die sich in der Praxis durchsetzen wird; dies., http://www.bundes tag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_KlaerungVaterschaft/04_Stellungnahmen/ index.html, S. 1. 459 Nake, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 21, 28; Rotax, http://www.bundes tag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/ index.html, S. 4; Wagner/Albers, FPR 2007, 416 (417).

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2. Teil: Vaterschaft

IV. Schutz der sozialen Familie/Schutz des Kindeswohls Der wesentliche Grund dafür, dass es auch in Zukunft nicht nur die private Abstammungsuntersuchung geben wird, sondern diese vor allem heimlich vorgenommen wird, ist, dass durch ein Vorgehen nach § 1598a BGB unabhängig vom Ergebnis der Abstammungsuntersuchung der Familienfrieden und damit die Familie in ihrem sozialen Bestand gefährdet wird, was sich unweigerlich nachteilig auf das Kindeswohl auswirkt460. Auch wenn in den Fällen, in denen durch die Abstammungsuntersuchung die Zweifel des Klärungsberechtigten bestätigt werden, in aller Regel rechtliche und/oder emotionale Konsequenzen aus dieser Kenntnis gezogen werden, mit der Folge, dass die Familie in ihrem sozialen Bestand ohnehin gefährdet, vielleicht sogar zerstört wird, ist zu berücksichtigen, dass diese Fälle nach Schätzungen die Ausnahme darstellen. In immerhin 80% der Fälle werden die Zweifel durch die Abstammungsuntersuchung zerstreut, sodass bei einem Vorgehen nach § 1598a BGB die 80%ige Gefahr besteht, dass der Klärungsberechtigte unnötigerweise Unruhe in die soziale Familie bringt und diese damit unnötigerweise gefährdet oder gar zerstört. Anders dagegen bei einem heimlichen Vorgehen. Da das zweifelnde Familienmitglied die Möglichkeit hat, seine Zweifel von den anderen Familienmitglieder unbemerkt überprüfen zu lassen, wirkt sich dieses in den 80% der Fälle, in denen die Zweifel nicht bestätigt, sondern zerstreut werden, positiv auf den Familienfrieden, und damit auf den sozialen Bestand der Familie und damit das Kindeswohl aus461 – das Vertrauen des Zweifelnden wächst, ohne dass auf der anderen Seite Vertrauen zerstört wurde. Aber auch für den selteneren Fall, dass durch das heimlich eingeholte Gutachten die Zweifel bestätigt werden, besteht bei einem heimlichen Vorgehen zumindest noch die Möglichkeit, dass die Durchführung der Abstammungsuntersuchung keine Auswirkungen auf den Familienfrieden/das Kindeswohl 460

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a). Brosius-Gersdorf, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/ 27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 4; Gehb, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15328B; ders., CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag Ausgabe 20/2007, 3 (3); Muscheler, FPR 2005, 185 (186); ders., Rn. 566; Rauscher in Staudinger, Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 116; Klinkhammer, FF 2005, 150 (151); Huber, FamRZ 2004, 825 (826); Ohly, JZ 2005, 627 (626); LG München I, FamRZ 2003, 1580 (1581); Spickhoff, FamRZ 2003, 1581 (1581); Wellenhofer, FamRZ 2005, 665 (666); a. A. Willutzki, ZRP 2007, 180 (181), der unter Berufung auf namentlich nicht genannte „ernstzunehmende Familienpsychologen“ die These aufstellt, dass ein Bedürfnis für eine Abstammungsuntersuchung nur dann bestehe, wenn die Verunsicherung bereits so groß sei, dass diese sich schon derart stark auf den Familienfrieden auswirke, dass sie die Familie in ihrem sozialen Bestand stärker gefährde als ein offenes Ansprechen der Zweifel; Zimmermann, FuR 2008, 374 (378). 461

1. Kap.: § 1598a BGB im Kontext des deutschen Abstammungsrechts

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hat. Auch wenn in diesem Fall in aller Regel rechtliche und/oder emotionale Konsequenzen aus dem Untersuchungsergebnis gezogen werden, besteht zumindest die Möglichkeit, dass der Zweifelnde nur um seines eigenen Friedens willen Gewissheit haben wollte und sein Vorgehen nicht, insbesondere durch das Ziehen rechtlicher oder emotionaler Konsequenzen, publik macht. Auch wenn in diesem Fall kein Vertrauen wächst, wird zumindest auch keines zerstört. Formelartig zusammengefasst kann man demnach sagen, dass durch ein Vorgehen nach § 1598a BGB mehr Vertrauen zerstört wird als wachsen kann, während durch ein heimliches Vorgehen kein Vertrauen zerstört wird. Folglich wird der Familienfrieden/Kindeswohl durch das Vorgehen nach § 1598a BGB stets, durch ein heimliches Vorgehen dagegen nur in höchstens 20% aller Fälle gefährdet. V. Ergebnis Abschließend kann festgehalten werden, dass das private, heimliche Abstammungsgutachten durch die Einführung des § 1598a BGB weder entbehrlich noch uninteressant wird462: – Das private Abstammungsgutachten ist • für den nicht nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten unentbehrlich, da es (im Fall des potentiell biologischen Vaters nahezu) die einzige Möglichkeit bietet, die genetischen Abstammungsverhältnisse klären zu lassen • für den nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten unentbehrlich, wenn die genetische Verbindung zu einer nicht nach § 1598a Abs. 1 BGB anspruchsverpflichteten Person geklärt werden soll • aus Gründen der leichteren Durchführbarkeit weiterhin von Interesse, auch wenn die genetischen Abstammungsverhältnisse nach § 1598a BGB geklärt werden könnten463. – Das heimliche Abstammungsgutachten ist sowohl für den nicht nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten als auch für den nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten unentbehrlich, wenn dieser die genetischen Abstammungsverhältnisse klären lassen möchte ohne Aufsehen zu erregen oder die Familie in ihrem sozialen Bestand unnötigerweise zu gefährden464. 462

Gehb, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15328B. Ebenso Beus, Plenarprotokoll d. BR 836, S. 321A. 464 Ebenso Gehb, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15328B; ders., CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag Ausgabe 20/2007, 3 (3); BT-Drucks. 16/8219, 463

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2. Teil: Vaterschaft

Vor diesem Hintergrund ist der sich bislang noch in der Ressortabstimmung befindliche Gesetzesentwurf der Bundesregierung, heimliche Vaterschaftstests im engeren Familienkreis als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße zu ahnden465, zu kritisieren466. Da ein Vorgehen nach § 1598a BGB für den Klärungsberechtigten der Sache nach nichts anderes bedeutet als ein immer schon mögliches privates Vorgehen, das Vorgehen nach § 1598a BGB aber wegen § 1598a Abs. 2 BGB mit mehr Unannehmlichkeiten verbunden ist, wird auch nach Einführung des § 1598a BGB in den Fällen privat vorgegangen, in denen schon vor Einführung des § 1598a BGB privat vorgegangen wurde, sodass auch nach Einführung des § 1598a BGB in den Fällen heimlich vorgegangen wird, in denen schon vor Einführung des § 1598a BGB heimlich vorgegangen wurde467. S. 11; aus diesem Grund schlug die Bundesrechtsanwaltskammer vor, § 1598a BGB dahingehend zu ergänzen, dass das Familiengericht die Möglichkeit hat, auf Antrag eines Klärungsberechtigten, wenn dieser glaubhaft macht, dass aus Kindeswohlgesichtspunkten eine heimliche Abstammungsuntersuchung geboten ist, eine solche zu ermöglichen, ohne die Betroffenen in das Verfahren einzubeziehen [vgl. Bundesrechtsanwaltskammer, FPR 2007, 414 (414 f.)]; ähnlicher Vorschlag von BrosiusGersdorf, die zum Schutze der sozialen Familie und des Kindeswohls ein gesetzlich geregeltes Verfahren vorschlägt, nach dem dem Klärungsberechtigten auf Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung ohne Wissen des Betroffenen die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse ermöglicht werden soll (vgl. Brosius-Gersdorf, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/ 04_Stellungnahmen/index.html, S. 4). 465 Süddeutsche Zeitung v. 26./27.07.2008, S. 7. 466 Ebenso Gehb, CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag Ausgabe 20/2007, 3 (3), der der Meinung ist, dass der Gesetzgeber, wenn er denn klug ist, von einer Bestrafung der heimlichen Abstammungsgutachten absehen solle; ders., Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15328B; Muscheler, FPR 2005, 185 (187); Knoche, FuR 2005, 348 (354 f.); Glaser/Dahlmanns, JR 2007, 316 (317,319,321), die der Ansicht sind, dass nur das heimliche Vorgehen eines Dritten, der sich in Bezug auf die Abstammung des Kindes nicht auf ein eigenes Grundrecht berufen könne, unter Strafe gestellt werden dürfe; Balthasar, JZ 2007, 635 (636); a. A. Rittner/Rittner, NJW 2005, 945; Klingst, DIE ZEIT v. 13.01.2005 Nr. 3, abrufbar unter http://www.zeit.de/2005/03/pro_Gesetz; Wagner/Albers/Nake, http://www.djb.de/ Kommissionen/kommission-gentechnologie/st-07-02-Vaterschaftstests/, S. 1; Stein, FF 2009, 10 (13). 467 Ebenso Muscheler, FPR 2007, 389 (392); Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1189); Gehb, CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag Ausgabe 20/2007, 3 (3). – Dies sind die Fälle, in denen der Zweifelnde nur für sich selbst, ohne rechtliche Konsequenzen ziehen zu wollen, Gewissheit über die genetischen Abstammungsverhältnisse erlangen möchte, in denen der Zweifelnde nicht möchte, dass sein Anliegen, vielleicht unnötigerweise, publik wird sowie in den Fällen, in denen dem Zweifelnden das Publikwerden seines Anliegens zwar egal ist, er aber befürchtet, dass die Einwilligung verweigert werden wird und die hohen Kosten deshalb vielleicht unnötigerweise anfallen.

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB

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Der Ende Januar/Anfang Februar 2005 durchgeführten repräsentativen Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie, in der sich 55% der befragten Frauen und 76% der befragten Männer dafür aussprachen, dass Männern die Möglichkeit zustehen müsse, die genetische Verbindung zwischen sich und dem ihnen zugeordneten Kind heimlich klären zu lassen468, lässt sich entnehmen, dass die Mehrheit der Bevölkerung heimliche Abstammungsgutachten für sinnvoll erachtet, sodass damit zu rechnen ist, dass insbesondere ein umsichtig handelndes Familienmitglied, dem der Schutz der sozialen Familie ein Anliegen ist, wie bisher eine heimliche Abstammungsuntersuchung vornimmt und erst dann, wenn es aus der so gewonnen Kenntnis rechtliche Konsequenzen ziehen möchte, dieses durch ein Vorgehen nach § 1598a BGB möglich macht. Somit ist mit Wellenhofer davon auszugehen, dass dann, wenn nur die genetischen Abstammungsverhältnisse geklärt werden sollen, in der Regel kaum Gebrauch von dem Verfahren des § 1598a BGB gemacht werden wird469. Zusammenfassend kann demnach festgehalten werden, dass das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB keine Alternative zu einer privaten, heimlichen Abstammungsuntersuchung darstellt, sodass das Ziel des Gesetzgebers, mit der Schaffung des Klärungsverfahrens gemäß § 1598a BGB heimliche Abstammungsuntersuchungen zu verhindern bzw. wenigstens einzudämmen470, gescheitert ist471. Zweites Kapitel

Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB In diesem Kapitel wird das Verfahren nach § 1598a BGB auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und somit auf seine Verfassungsmäßigkeit hin überprüft. Der Gesetzgeber ist als nach Art. 1 Abs. 3 GG Grundrechtsverpflichteter an die Grundrechte gebunden472, sodass er bei seiner gesamten Tätig468

Kind-Prax 2005, 104 (106). Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1189). 470 A. A. Seidel in MüKo BGB, § 1589 Rn. 12, wonach heimliche Abstammungsgutachten zwar eingedämmt werden, nicht aber verschwinden. 471 So auch Spickhoff, NJW 2008, 1636 (1643); Wellenhofer in MüKo BGB, § 1598a Rn. 13; Deutscher Anwaltsverein, FPR 2007, 415 (415); BT-Drucks. 16/8219, S. 9; Schewe-Gerigk, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15330B; Gehb, Plenarprotokoll d. BT 16/118, S. 12228A; a. A. Lambrecht, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15330C. 472 Herdegen in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 1 Abs. 3 Rn. 93. 469

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keit, also auch bei der Ausgestaltung der Privatrechtsordnung, verpflichtet ist, die Grundrechte der Betroffenen zur Verwirklichung zu bringen473. Es ist somit seine Pflicht, das einfache Recht so auszugestalten, dass es die Verwirklichung der Rechte aller Betroffenen gleichermaßen gewährleistet, wobei Betroffene sowohl die Personen sind, die vom Gesetzgeber unmittelbar in den Schutzbereich der Norm einbezogen werden, als auch die Personen, die unmittelbar vom Regelungsgegenstand der Norm betroffen sind. Überträgt man diese Verpflichtung des Gesetzgebers konkret auf das Verfahren zur Klärung der Abstammung nach § 1598a BGB, so bedeutet dies, dass der Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen hat, dass zum einen die rechtlichen Beziehungen der unmittelbar am Verfahren des § 1598a BGB beteiligten Personen so geordnet sind und die notwendigen Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass ihre Grundrechte nicht verletzt werden (vgl. A.) und zum anderen dafür, dass die Grundrechte der von dem Regelungsgegenstand des § 1598a BGB („Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse“) unmittelbar betroffenen Personen angemessen berücksichtigt werden (vgl. B.). Nur wenn beides gleichermaßen gewährleistet ist und somit keine Grundrechtsverletzung vorliegt, ist das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB verfassungsgemäß und hält der verfassungsrechtlichen Überprüfung stand.

A. Unmittelbar am Verfahren des § 1598a BGB Beteiligte Unmittelbar am Verfahren des § 1598a BGB beteiligt sind der rechtliche Vater, das Kind und die Mutter, jeweils sowohl als Klärungsberechtigte als auch als Anspruchsverpflichtete. Bei der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse werden durch die Entnahme und Auswertung des Genmaterials nicht nur Grundrechte des Anspruchsverpflichteten, sondern auch Grundrechte des Klärungsberechtigten tangiert. Da allerdings davon auszugehen ist, dass die Entnahme und Auswertung des Genmaterials dem Willen des Klärungsberechtigten entspricht, findet in den folgenden Ausführungen auf Seiten des Klärungsberechtigten lediglich sein grundrechtlich geschütztes Kenntnisinteresse Berücksichtigung. Die Verwirklichung dieses Grundrechts ist gewahrt, da der Klärungsberechtigte stets einen Anspruch gegen die Anspruchsverpflichteten auf 473

Höfling in Sachs, Art. 1 Rn. 91.

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Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse aus § 1598a Abs. 1 BGB hat und auch das Gericht, mit Ausnahme des § 1598a Abs. 3 BGB, dazu verpflichtet ist, die verweigerte Einwilligung nach § 1598a Abs. 2 BGB zu ersetzen. Ob allerdings auch die Grundrechte auf Seiten des Anspruchsverpflichteten gewahrt sind, wird im Folgenden untersucht. Dabei werden die Grundrechte des Anspruchsverpflichteten dann gewahrt, wenn es mit seinen Grundrechten vereinbar ist, dass dieser nach § 1598a Abs. 1 BGB stets seine Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung erteilen muss und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe zu dulden hat, also der Klärungsberechtigte stets die genetischen Abstammungsverhältnisse klären lassen kann, und die Ersetzung der verweigerten Einwilligung nach § 1598a Abs. 2 BGB durch das Gericht nur nach § 1598a Abs. 3 BGB ausgesetzt werden kann. Vereinbar ist dieses mit den Grundrechten des Anspruchsverpflichteten dann, wenn nur Situationen denkbar sind, in denen das Recht des Klärungsberechtigten auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse Vorrang vor den Rechten des Anspruchsverpflichteten hat. Bevor in die eigentliche Überprüfung der Verfassungskonformität eingestiegen wird (vgl. II.), werden die tangierten Grundrechtspositionen aller beteiligten, grundrechtsfähigen474 Personen aufgezeigt (vgl. I.). I. Grundrechte der Beteiligten Im Folgenden sollen die betroffenen Grundrechte der unmittelbar am Verfahren des § 1598a BGB beteiligten Personen dargestellt werden. 1. Grundrechte des rechtlichen Vaters Zumeist wird es der rechtliche Vater sein, der als Klärungsberechtigter nach § 1598a Abs. 1 Nr. 1 BGB vorgeht, um die genetischen Abstam474 Nach dem Grundgesetz ist Jedermann Träger von Grundrechten. Unter Jedermann werden alle natürlichen Personen vom Zeitpunkt ihrer Geburt an bis zu ihrem Tod verstanden, sowie nach Art. 19 Abs. 3 GG juristische Personen, wenn das in Rede stehende Grundrecht seinem Wesen nach auf die juristische Person anwendbar ist. Da es sich bei den am Verfahren nach § 1598a BGB beteiligten Personen (rechtlicher Vater, Kind und Mutter), allesamt um natürliche Personen handelt, die unabhängig von ihrem Alter und ihren Fähigkeiten stets grundrechtsfähig sind (vgl. Sachs in Sachs, vor Art. 1 Rn. 70 ff.), können sich nicht nur der rechtliche Vater und die Mutter, sondern auch das Kind auf Grundrechte berufen (so auch BVerfG, NJW 1981, 1771 (1772); Brosius-Gersdorf, S. 67 Fn. 100 m. w. N.).

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mungsverhältnisse zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kind klären zu lassen475 [vgl. a)]. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass sich der Anspruch gegen den rechtlichen Vater richtet und dieser sich somit in der Situation befindet, dass er in die genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen muss [vgl. b)] und die Entnahme einer genetischen Probe zu dulden hat [vgl. c)]. a) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung Der rechtliche Vater hat ein Recht auf Kenntnis und Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kind. aa) Grundsatz Grundsätzlich wird dieses Recht durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt476. bb) Ausnahme Da von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht begriffsnotwendig die Persönlichkeit des Einzelnen geschützt wird, wird das Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse nur dann von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt, wenn diese Kenntnis auch tatsächlich Auswirkungen auf das Selbstverständnis und damit die Persönlichkeit des rechtlichen Vaters hat. Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt, da „das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht im Interesse der Kommerzialisierung der Persönlichkeit gewährleistet ist“477. Berücksichtigt man diese Einschränkung, so ergibt sich, dass sich der rechtliche Vater nur dann auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen kann, wenn er ein immaterielles Interesse an der genetischen Verbindung zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kind hat. Möchte er dagegen aus rein monetären Gründen wissen, ob das ihm rechtlich zugeordnete Kind auch biologisch sein Kind ist, um sich im Falle der Nichtabstammung zum 475

So auch Groß, FPR 2007, 392 (394); Schwab, FamRZ 2008, 23 (26); Knittel, JAmt 2008, 117 (119); Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e. V., http://www.vamv-bundesverband.de/PDFs/VaterschaftsfeststellungGE%071.pdf, S. 1. 476 Ausführlich dazu Erster Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.a). 477 BVerfG, NJW 2000, 1021 (1023).

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Schutze seines Vermögens durch eine erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung von seinen Pflichten, insbesondere den finanziellen Pflichten gegenüber Kind und Mutter, zu entziehen478, so kann er sich selbst dann nicht auf Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG berufen, wenn die mit der rechtlichen Vaterschaft verbundenen wirtschaftlichen Belastungen von ihm als persönlichkeitsbelastend empfunden werden, sondern sein Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung wird nur durch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt479. Möchte der rechtliche Vater die genetische Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes dagegen sowohl aus immateriellen als auch aus materiellen Gründen feststellen lassen, so ist dafür, ob er sich auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG oder den der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG berufen kann, entscheidend, ob der Schwerpunkt seines Feststellungsinteresse auf den immateriellen oder den materiellen Gründen liegt. Lässt sich kein Schwerpunkt erkennen, da der rechtliche Vater von immateriellen und materiellen Gründen gleichermaßen angetrieben wird, so werden seine immateriellen Interessen von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt und seine materiellen Interessen von Art. 2 Abs. 1 GG. Diesem Nebeneinander der beiden Grundrechte steht nicht die grundsätzliche Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG entgegen480, da diese dann keine Anwendung findet, wenn Art. 2 Abs. 1 GG einen Gesichtspunkt schützt, der noch nicht vom Schutzbereich des an sich spezielleren Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst wird481. In der hier beschriebenen Konstellation werden die materiellen Interessen des rechtlichen Vaters gerade nicht vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt, sodass der rechtliche Vater sich sowohl auf Art. 2 Abs. 1 GG als auch auf Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG berufen kann. 478 Ausführlich dazu Brosius-Gersdorf, S. 48 ff.; Rauscher in Staudinger, Einl zu §§ 1589 ff Rn. 96; a. A. Bohnert, FPR 2002, 383 (388); Meysen weist in Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 18 darauf hin, dass nach Expertenerfahrungen der Hauptgrund für eine Verweigerung der Unterhaltszahlungen das Argument ist, nicht der biologische Vater des Kindes zu sein – aus diesem Grund ist anzunehmen, dass von den unterhaltsverpflichteten rechtlichen Vätern in erster Linie nach § 1598a BGB vorgegangen werden wird, um die Nichtabstammung des Kindes bestätigt zu bekommen und sich durch eine anschließende Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft von der lästigen Zahlungsverpflichtung zu befreien. 479 Weber, FamRZ 1996, 1254 (1260). 480 Ausführlich dazu Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 21; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, Art. 2 Rn. 66. 481 BVerfG, NJW 1966, 147 (147); BVerfG, NJW 1977, 1281 (1282); BrosiusGersdorf, S. 50 Fn. 46; Stern, Staatsrecht Bd. 4/1, § 104 S. 980; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, Art. 2 Rn. 66; Burghart in Leibholz/Rinck, Art. 2 Rn. 16; Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 24; a. A. Murswiek in Sachs, Art. 2 Rn. 137; Kunig in Münch von/Kunig Bd. 1, Art. 2 Rn. 91.

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b) Recht auf informationelle Selbstbestimmung In dem sogenannten Volkszählungsurteil aus dem Jahre 1983 stellte das Bundesverfassungsgericht erstmals fest, dass der Einzelne ein vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasstes Recht hat, selbst zu entscheiden, ob, wie und wann persönliche Daten preisgegeben und verwendet werden482. Zu den von dem informationellen Selbstbestimmungsrecht geschützten Daten gehören insbesondere auch die Daten, die aus dem im Rahmen der Abstammungsuntersuchung entnommenen und untersuchten Genmaterial gewonnen werden, da aufgrund des heutigen Standes der Wissenschaft daraus nicht nur Erkenntnisse über die Verwandtschaftsverhältnisse erlangt werden können, sondern auch die Möglichkeit der Erstellung von Persönlichkeitsprofilen besteht483. Die Entscheidungs- und Verfügungsgewalt über diese genetischen Daten steht allein demjenigen zu, um dessen Daten es sich handelt484. Da durch die bloße Beschaffung des Genmaterials noch keine Kenntnis über die dem Genmaterial innewohnenden Daten erlangt wird, wird die Entscheidungs- und Verfügungsgewalt über die eigenen genetischen Daten und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch nicht durch die bloße Beschaffung des Genmaterials, sondern erst durch dessen Untersuchung und Auswertung tangiert. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass das für die Abstammungsuntersuchung gewonnene Genmaterial des Anspruchsverpflichteten eigenständige Informationen enthält, die aufgrund der modernen Möglichkeiten der Gendiagnostik bereits aus der alleinigen Untersuchung und Auswertung des Genmaterials des Anspruchsverpflichteten gewonnen werden können485, wird in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Anspruchsverpflichteten nicht erst durch den Abgleich seines Genmaterials mit dem des Klärungsberechtigten zur Klärung der genetischen Abstammung dieser beiden, sondern bereits durch die eigenständige Untersuchung und Auswertung des Genmaterials des Anspruchsverpflichteten eingegriffen486. 482

BVerfG, Urteil v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, NJW 1984, 419. Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 176; BVerfG, NJW 2007, 753 (754 Rn. 66). 484 Brosius-Gersdorf, S. 62. 485 So kann allein aus der Untersuchung des Genmaterials des Anspruchsverpflichteten ein Persönlichkeitsprofil erstellt werden, das Aussagen über den Gesundheitszustand, genetische Dispositionen oder die geistige Fähigkeit zulässt. 486 Ebenso Brosius-Gersdorf, S. 64 f.; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Hopfau, Art. 1 Rn. 51. 483

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c) Recht auf körperliche Unversehrtheit Nach § 1598a Abs. 1 BGB hat der Anspruchsverpflichtete für die Durchführung der Abstammungsuntersuchung die Entnahme einer genetischen Probe zu dulden. Art. 2 Abs. 2 S. 1 2. Fall GG schützt die menschliche Gesundheit im biologisch-psychologischen Sinne sowie das psychische Wohlbefinden des Einzelnen, wenn die Beeinträchtigung eine körperlichen Schmerzen vergleichbare Wirkung entfaltet487. Unterhalb dieser Schwelle wird das psychische Wohlbefinden nicht geschützt488. Dem Abstammungsgutachten wird in aller Regel aus Kostengründen sowie aus Gründen der Treffsicherheit eine DNA-Analyse zugrunde liegen489. Auch wenn es für eine solche aufgrund des heutigen Standes der Wissenschaft nicht mehr zwingend einer Blutprobe bedarf490 und § 1598a BGB keine Aussage darüber enthält, um welche Genprobe es sich handeln muss491, so bestimmt die Gesetzesbegründung unter Bezugnahme auf Ziffer 2.3.1 der „Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten 2002“, dass es sich grundsätzlich um eine Blutprobe handeln solle und nur in begründeten Ausnahmefällen auf einen Mundschleimhautabstrich zurückgegriffen werden dürfe492. Da dem Anspruchsverpflichteten durch die Blutentnahme körperliche Schmerzen zugefügt werden, wird nach dem Willen des Gesetzgebers eine Beeinträchtigung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 2. Fall GG493 nicht nur in Kauf genommen, sondern sogar favorisiert. Anders dagegen in den begründeten Ausnahmefällen494, in denen die genetische Probe durch einen Mundschleimhautabstrich entnommen werden kann. Zwar werden durch die Entnahme von Mundschleimhaut einzelne Zellen vom Körper des Anspruchsverpflichteten abgelöst, allerdings führt diese marginale Berührung der körperlichen Integrität nicht zu einer Beein487

Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 83. Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 2 Rn. 56; Stern, Staatsrecht Bd. 4/1, § 98 S. 170; Correll in AK-GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 110. 489 Seidel in MüKo BGB, § 1600d Rn. 67; Rauscher in Staudinger, Vorbem zu §§ 1591 ff. Rn. 85; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 52 I Rn. 21. 490 Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745 (1745); Bohnert, FPR 2002, 383 (383). 491 Kritisch dazu Schwab, FamRZ 2008, 23 (24). 492 BT-Drucks. 16/6561, S. 13. 493 Murswiek in Sachs, Art. 2 Rn. 154. 494 Wann ein begründeter Ausnahmefall vorliegt, bleibt leider das Geheimnis des Gesetzgebers. 488

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trächtigung der körperlichen Unversehrtheit oder des psychischen Wohlbefindens, da dem Anspruchsverpflichteten keine körperlichen Schmerzen zugefügt werden495. 2. Grundrechte des Kindes Da es zumeist der rechtliche Vater sein wird, der nach § 1598a BGB vorgeht, ergibt sich für das Kind die Situation, dass es in die genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen muss [vgl. b)] und die Entnahme einer genetischen Probe zu dulden hat [vgl. c)]. Gleichzeitig wird ihm die Kenntnis über die eigene genetische Abstammung aufgezwungen [vgl. e)] und es besteht die Gefahr, dass durch die Feststellung der genetischen Abstammung die bis dato bestehenden sozialen Beziehungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern Schaden nehmen [vgl. d)]496. Ebenso ist es aber auch denkbar, dass das Kind selbst Kenntnis über seine genetische Abstammung erlangen möchte497. Um diesem Interesse des Kindes gerecht zu werden, kann es nach § 1598a Abs. 1 Nr. 3 BGB vorgehen, um seine eigene genetische Abstammung klären zu lassen [vgl. a)]. a) Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung Das Kind hat ein verfassungsrechtlich verankertes Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung498. aa) Grundsatz Grundsätzlich wird dieses Recht des Kindes vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt. Aufgabe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ist die Gewährung einer engeren persönlichen Lebenssphäre, zu der der Bereich der privaten autonomen Lebensgestaltung zählt, in dem es dem Einzelnen möglich ist, seine Persönlichkeit und Indi495 Stern, Staatsrecht Bd. 4/1, § 98 S. 170; Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 2 Rn. 55; Correll in AK-GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 110. 496 Die gleiche Situation ergibt sich, wenn die Mutter ihren Anspruch aus § 1598a BGB geltend macht. 497 Horndasch, ZFE 2007, 404 (408). 498 Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, Art. 2 Rn. 32; Burghart in Leibholz/Rinck, Art. 2 Rn. 154; Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 212; D.Lorenz in BK Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 243.

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vidualität frei zu entwickeln499. Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit hängt neben der mitgegebenen genetischen Veranlagung (sog. genetische Faktoren500) und dem prägenden Umfeld in dem der Einzelne sich befindet (sog. sozio-kulturelle Faktoren501) maßgeblich davon ab, von welcher genetischen Abstammung der Einzelne ausgeht. Dies liegt daran, dass das Bewusstsein der Herkunft dem Einzelnen wichtige Anknüpfungspunkte für sein Selbstverständnis gibt und damit zur Persönlichkeit des Menschen gehört, was insbesondere durch Untersuchungen zur Adoption belegt wird502. Folglich ist das Wissen um die genetische Abstammung und die damit einhergehende Kenntnis der Identität des Erzeugers für die Selbsterkenntnis und soziale Platzierung von großer Bedeutung und bietet damit wichtige Anhaltspunkte für den Prozess der Identitätssuche und Identitätsfindung, sodass sie für die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen elementar ist503. Umgekehrt kann man also auch sagen, dass die Unkenntnis der eigenen Abstammung für den Einzelnen zu einer erheblichen Verunsicherung und Belastung führen kann504, was sich unweigerlich negativ auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirkt. Aufgrund dieses für die Persönlichkeitsentwicklung prägenden Einflusses des Wissens um die eigene Herkunft wurde in der Literatur schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Frage nach dem Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung thematisiert505 und schon lange ein verfassungsrechtlich verankertes Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gefordert506. Nipperdey legte als Erster ausführlich dar, warum das Recht auf Kenntnis der „blutmäßigen Abstammung“507 im Grundgesetz verankert sei508. Dieser Meinung Nipperdeys schlossen sich zahlreiche Autoren an und qualifizierten das Recht auf Kenntnis der eigenen/blutsmäßigen Abstammung als Unterfall des allgemeinen Persönlichkeitsrechts509. Im Jahre 1989 wies schließlich auch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich das Recht auf 499

BVerfG, NJW 1989, 891 (891); BVerfG, NJW 2007, 753 (753 Rn. 59). Nickel, Bd. 1, S. 23. 501 Nickel, Bd. 1, S. 24; Kinder entwickeln sich nicht einem Vakuum, sondern in Wechselbeziehung mit den Umwelteinflüssen, die auf sie einwirken (vgl. Goldstein/ Freud/Solnit, S. 17). 502 Vgl. Wanitzek, S. 375 ff.; Badenberg, S. 27; Helms, S. 166; ausführlich dazu Meyer, S. 55 ff., 64 ff. 503 BVerfG, NJW 1989, 891 (891); Gernhuber/Coester-Waltjen, § 52 I Rn. 17. 504 BVerfG, NJW 1994, 2475 (2475). 505 Weber, FamRZ 1996, 1254 (1254 Fn. 2) m. w. N. 506 Vgl. Kleineke S. 10 ff. m. w. N.; Brosius-Gersdorf, S. 41 Fn. 12 m. w. N. 507 Enneccerus/Nipperdey, BGB AT Bd. 1, § 101 II 5. 508 Enneccerus/Nipperdey, BGB AT Bd. 1, § 101 II 2, 5. 509 Badenberg, S. 13 Fn. 65 m. w. N. 500

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Kenntnis der eigenen Abstammung dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zu und sprach ihm damit erstmals Verfassungsrang zu510, was durch zwei weitere Entscheidungen aus den Jahren 1994511 und 1997512 bestätigt wurde. bb) Ausnahme Handelt das Kind dagegen nicht aus immateriellen, sondern aus materiellen Gründen, so wird sein Recht nicht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt. Dies liegt daran, dass von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht begriffsnotwendig die Persönlichkeit des Einzelnen geschützt wird, was bedeutet, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung nur dann von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt werden kann, wenn diese Kenntnis auch tatsächlich Auswirkungen auf das Selbstverständnis und damit die Persönlichkeit des Kindes hat513. Da dieses nur dann der Fall ist, wenn das Kind aus immateriellen Gründen, insbesondere zur Identitätsklärung, Kenntnis von der eigenen Abstammung erlangen möchte, wird das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung nur dann von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt, wenn das Kind aus immateriellen Gründen handelt514. Dieses entspricht auch der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, das in seiner grundlegenden Entscheidung zum Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung dieses allein mit seiner „Schlüsselstellung für Individualisierung und Selbstverständnis“ des Kindes begründet hat515, die bei einem Vorgehen aus materiellen Interessen gerade nicht berührt wird. Von welchem Recht das Interesse des Kindes stattdessen geschützt wird, kann nur im jeweiligen Einzelfall festgestellt werden, da dieses von der persönlichen Motivation des Kindes abhängt. Möchte das Kind erfahren, von wem es tatsächlich genetisch abstammt, um im Falle des Nichtbestehens einer genetischen Verbindung zum recht510 BVerfG, Urteil v. 31.01.1989 – 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891; ausführlich dazu Badenberg, S. 33 ff. 511 BVerfG, Urteil v. 26.04.1994 – 1 BvR 1299/89, NJW 1994, 2475. 512 BVerfG, Beschluss v. 06.05.1997 – 1 BvR 409/90, NJW 1997, 1769. 513 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.1.a) bb). 514 So auch Rauscher in Staudinger, Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 92, 96; im Ergebnis wohl auch Smid, JR 1990, 221 (225); Lenzen, ZfJ 1998, 101 (107); Eidenmüller, JuS 1998, 789 (790); Brosius-Gersdorf, S. 58. 515 BVerfG, NJW 1989, 891 (891).

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lichen Vater die Vaterschaft mit dem Ziel anzufechten, durch die dann erfolgende rechtliche Zuordnung zum biologischen Vater seine erbrechtlichen Ansprüche zu verbessern, so wird das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung von Art. 14 GG geschützt516; ist es dagegen sein Ziel durch die rechtliche Zuordnung zum biologischen Vater mehr Unterhalt zu erlangen, so wird sein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt517, da es sich bei einem Unterhaltsanspruch um eine von Art. 14 GG nicht geschützte Vermögensposition handelt518. b) Recht auf informationelle Selbstbestimmung Durch § 1598a BGB wird der Anspruchsverpflichtete dazu verpflichtet, seine Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung zu erteilen. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Einzelne das Recht selbst zu entscheiden, ob, wie und wann persönliche Daten preisgegeben und verwendet werden519. Dieses sogenannte informationelle Selbstbestimmungsrecht wird von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasst und steht jeder Person, unabhängig von ihrem Alter und ihrer Einsichtsfähigkeit, zu520. c) Recht auf körperliche Unversehrtheit Das Kind hat als Anspruchsverpflichteter nach § 1598a Abs. 1 BGB die Entnahme einer genetischen Probe zu dulden, sodass in sein Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 2. Fall GG eingegriffen wird521.

516 Meyer, S. 118; LG Münster, NJW 1999, 726 (727); Stern, Staatsrecht Bd. 4/1, § 113 S. 2326. 517 Papier in Maunz/Dürig Bd. 2, Art. 14 Rn. 161; Kimminich in BK Bd. 3, Art. 14 Rn. 129. 518 Depenheuer in Mangoldt von/Klein/Starck Bd. 1, Art. 14 Rn. 520; Stern, Staatsrecht Bd. 4/1, § 104 S. 2325 f.; a. A. Eidenmüller, JuS 1998, 789 (790). 519 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.1.b). 520 Ohly, JZ 2005, 626 (627). 521 Insoweit kann auf die Ausführungen zum Recht des rechtlichen Vaters auf körperliche Unversehrtheit unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.1.c) verwiesen werden.

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d) Recht auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet dem Einzelnen die engere persönliche Lebenssphäre522. Zu dieser zählt auch ein Bereich der privaten autonomen Lebensgestaltung, in dem es dem Einzelnen möglich ist, seine Persönlichkeit und Individualität frei zu entwickeln523; geschützt wird also das Recht auf Entwicklung zur Persönlichkeit524. Zur Persönlichkeitswerdung trägt das Umfeld und insbesondere die Familiensituation in großem Maße bei525. Insbesondere ist es dabei entscheidend, dass das Kind in gefestigten sozialen Strukturen mit seinen Bezugspersonen aufwachsen kann und dass es nicht aus diesen gewachsenen Bindungen hinausgerissen wird, da dieses unter Umständen solch gravierende Folgen wie beispielsweise Verweigerung der Nahrungsaufnahme oder Apathie verursachen kann526. Aber auch wenn der Verlust der Bezugsperson nicht derart gravierende Folgen nach sich zieht, so trägt er zweifelsohne zur Verunsicherung des Kindes bei, wirkt sich damit nachteilig auf die seelisch-geistige Entwicklung des Kindes aus527 und führt zu Rückschritten, zumindest aber Stagnationen in der Entwicklung des Kindes528. Dass das Herausreißen aus den gewohnten Bindungen für das Kind ein derart einschneidendes Erlebnis darstellt, liegt zum einen daran, dass sich Kinder in einem jahrelangen Erfahrungsprozess an die Menschen binden, die für sie Vertrauensperson, Ansprechpartner und Verantwortlicher sind. Bei diesen Personen handelt es sich überwiegend um die Personen, mit denen das Kind in den ersten Lebensjahren zusammenlebt und die ihrerseits bereit sind, sich emotional an das Kind zu binden529. Diese Personen nehmen im Leben des Kindes die Elternrolle ein unabhängig davon, ob sie die biologischen Eltern sind oder nicht530; entscheidend ist allein die emotionale Verbundenheit. Zum anderen liegt es daran, dass die Vertrauensperson für das Kind eine Art Vorbildfunktion übernimmt531. Da die Identitätsfindung und Persönlichkeitsentwicklung des Kindes auch auf Vorbildfunktionen der Erwachsenen gründet, kann sich der Verlust der Vertrauensper522 523 524 525 526 527 528 529 530 531

BVerfG, NJW 1989, 891 (891). BVerfG, NJW 1989, 891 (891); BVerfG, NJW 2007, 753 (753 Rn. 59). BVerfG, NJW 2000, 2191 (2192). Nickel, Bd. 1, S. 24. Nickel, Bd. 1, S. 161 f. Köster, S. 102 f. Meili-Lüthy, S. 27. Stein-Hilbers, S. 68. Hassenstein, FamRZ 1988, 120 (121); Donhauser, S. 45; Stein-Hilbers, S. 27. Kabat vel Job/Pinther, S. 38 f.

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son, insbesondere nach einer ursprünglich existierenden emotionalen Bindung, negativ auf das Selbstwertgefühl und die Motivation des Kindes auswirken532. Da somit das Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen für eine positive Persönlichkeitsentwicklung elementar ist, wird das Recht des Kindes auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst533. e) Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ergibt sich das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung534. Ist es aber nicht das Kind, das die genetische Abstammung feststellen lassen möchte, sondern geht die Initiative von einem anderen Klärungsberechtigten aus, so ist fraglich, ob auch das Recht des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt wird. Im Falle der Bejahung würde das Kind durch diese negative Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts davor bewahrt, Informationen über die eigene genetische Abstammung gegen seinen Willen zur Kenntnis nehmen zu müssen. Während in der Literatur diese negative Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts überwiegend bejaht wird535, meldet das Bundesverfassungsgericht diesbezüglich Zweifel an, lässt die Entscheidung letztlich aber offen536. Der Bundesgerichtshof rückt unter Verweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts begründungslos von seiner bisherigen Rechtsprechung ab537 und verneint nunmehr das Recht des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung538. 532

Balloff, FPR 2005, 210 (212). Brosius-Gersdorf, FPR 2007, 398 (399); dies., NJW 2007, 806 (807); Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 208; BVerfG, NJW 1988, 125 (126); Starck in Mangoldt von/Klein/Starck Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 185, der die Auffassung vertritt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes dann tangiert wird, wenn das Wohl des Kindes gefährdet wird. 534 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.2.a). 535 Bohnert, FPR 2002, 383 (389); Pieroth/Schlink, Rn. 199; Brosius-Gersdorf, S. 65 ff.; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, Art. 1 Rn. 51; Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 192; ablehnend Ogorek in Dieter Simon zum 70. Geburtstag, 459 (481). 536 BVerfG, NJW 2007, 753 (755 Rn. 70 ff.). 537 BGH, FamRZ 1993, 696 (697); BGH, NJW 2005, 497 (498). 538 BGH, Urteil v. 16.04.2008 – XII ZR 144/06 Rn. 20. 533

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Die Zweifel der Verfassungsrichter an der Anerkennung des Rechts des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung beruhen darauf, dass die Nichtkenntnis der eigenen Abstammung dem Kind nicht die Möglichkeit gebe, sich zu anderen Personen in Beziehung zu setzen, was jedoch für die Identitätsfindung und Persönlichkeitsentwicklung wichtig sei. Nicht zu kritisieren daran ist, dass das Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG die Entfaltung und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit schützt539. Allerdings verkennt das Bundesverfassungsgericht, dass die Persönlichkeitsentwicklung nicht zwingend dadurch positiv beeinflusst wird, dass sich das Kind in Beziehung zu einer anderen Person setzen kann, also Kenntnis über die eigene genetische Abstammung hat, sondern auch Fälle denkbar sind, in denen die Persönlichkeitsentwicklung durch die Kenntnis über die eigene genetische Abstammung negativ beeinflusst wird, sodass es für die Persönlichkeitsentwicklung förderlicher wäre, wenn das Kind keine Kenntnis über die genetische Abstammung hätte. Negative Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes kann die Kenntnis der eigenen genetischen Abstammung unabhängig davon haben, welche rechtlichen und/oder emotionalen Konsequenzen aus dem Ergebnis der Abstammungsuntersuchung gezogen werden. Erfährt das Kind durch ein negatives Testergebnis, genetisch nicht von dem Mann abzustammen, von dem es immer ausging abzustammen, so erfährt es von wem es nicht, nicht aber von wem es abstammt. Es wird ihm die für seine Entwicklung so wichtige Kenntnis über seine Herkunft genommen. Bereits dieser Identitätsverlust beeinträchtigt in aller Regel die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes erheblich540. Kompensiert werden kann dieser Identitätsverlust nur dadurch, dass das Kind Kenntnis darüber erlangt, von wem es tatsächlich genetisch abstammt und diesen Mann auch tatsächlich kennenlernt. Aber bereits die bloße Kenntniserlangung hängt von vielen für das Kind nicht beeinflussbaren Faktoren ab (beispielsweise muss die zur Auskunft verpflichtete Mutter noch leben und auch den Namen des potentiellen Vaters kennen). Noch weniger beeinflussbar als die Kenntniserlangung ist das Kennenlernen des biologischen Vaters, da dieser beispielsweise noch nicht verstorben sein darf, auffindbar sein muss und mit dem Kennenlernen des Kindes einverstanden sein muss. Eine unsichere oder womöglich fehlgeschlagene Identifikation zieht häufig Reaktionen wie Resignation oder eine widersprüchliche Le539

BVerfG, NJW 2000, 2191 (2192). Nake, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 6. 540

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bensplanung nach sich541 und beeinträchtigt damit in aller Regel die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes noch massiver als der bloße Identitätsverlust. Aber selbst dann, wenn der Identitätsverlust des Kindes dadurch kompensiert werden sollte, dass das Kind Kenntnis über seine tatsächliche genetische Abstammung erlangt, so hat dies nicht automatisch positive Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Entspricht der biologische Vater nicht den Vorstellungen des Kindes oder ist dieser vielleicht sogar nicht „identifikationswürdig“542, da das Kind beispielsweise einer strafbaren Handlung (Vergewaltigung, Inzest) entstammt543, so ist das Wissen des Kindes um seine Herkunft für seine Persönlichkeitsentwicklung keine Stütze, sondern vielmehr eine Belastung; das Kind gewinnt nichts aus der Blutsverwandtschaft, sondern es kann aufs Schwerste an dieser leiden544. Zwar erfährt das Kind im Falle eines negativen Abstammungsgutachtens nichts über seine tatsächliche genetische Abstammung, sodass sich die mit der Kompensation des Identitätsverlusts auftretenden Probleme von allein nicht stellen; allerdings wird das Kind durch den im Falle eines negativen Abstammungsgutachtens eintretenden Identitätsverlust erst zur Kompensation desselbigen veranlasst. Zudem wird die Persönlichkeitsentwicklung grundsätzlich bereits durch den Identitätsverlust selbst beeinträchtigt, zu dem es im Falle eines negativen Abstammungsergebnisses bereits durch die bloße Abstammungsuntersuchung kommt. Zwar erlangt der Anspruchsverpflichtete nicht automatisch Kenntnis über das Ergebnis der Untersuchung, da es ihm frei steht, von seinem Anspruch auf Einsicht in das Abstammungsgutachten aus § 1598a Abs. 4 BGB Gebrauch zu machen, allerdings erlangt der Anspruchsverpflichtete in aller Regel unabhängig davon, ob er von seinem Anspruch aus § 1598a Abs. 4 BGB Gebrauch macht oder nicht, dadurch Kenntnis über das Untersuchungsergebnis, indem der Klärungsberechtigte in aller Regel aus dem Ergebnis der Abstammungsuntersuchung Konsequenzen zieht, die sich vor dem Anspruchsverpflichteten nur schwerlich verbergen lassen. So wird z. B. der rechtliche Vater, der erfahren hat, nicht der biologische Vater des Kindes zu sein, in aller Regel das Anfechtungsverfahren nach §§ 1600–1600c BGB anschließen; aber auch wenn er diesen letzten Schritt unterlässt, so hat die neu gewonnene Erkenntnis Auswirkungen auf das Verhältnis des Vaters zum Kind, was das Kind stets registrieren wird. Zudem wird es zum Vertrauensverlust gegenüber der Mutter 541 542 543 544

So auch Hassenstein, FamRZ 1988, 120 (122). Donhauser, S. 46. Weitere Beispiele bei Frank, FamRZ 1988, 113 (116). Hassenstein, FamRZ 1988, 120 (122).

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kommen, was zu Spannungen im Verhältnis der Eltern führt. Da Kinder nicht nur auf das, was man ihnen sagt und mitteilt reagieren, sondern vor allem auch auf nonverbale Signale545, erst recht, wenn diese von den Eltern ausgehen, für die die Kinder besonders sensible Antennen haben, wird das Kind letztlich doch Kenntnis von dem Untersuchungsergebnis erlangen. Dies gilt zumindest für die Fälle, in denen das Kind alt genug ist, um Familienangelegenheiten wahrzunehmen. Somit kann festgehalten werden, dass bereits mit der bloßen Vornahme der Abstammungsuntersuchung für das Kind de facto der Zwang verbunden ist, das Ergebnis der Untersuchung zur Kenntnis zu nehmen und es dem Kind, außer es handelt sich noch um ein sehr junges Kind, grundsätzlich nicht gelingen wird, die eigene Abstammung vor sich selbst geheim zu halten. Aus diesem Grund muss zumindest dann, wenn sich die Kenntnis über die genetische Abstammung negativ auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken würde, das Recht geschützt werden, die eigene genetische Abstammung nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen546. 3. Grundrechte der Mutter Geht die Initiative zur Abstammungsuntersuchung nicht von der Mutter aus, so wird diese zur Duldung der Entnahme [vgl. c)] und Untersuchung [vgl. b)] einer genetischen Probe gezwungen, was zur Folge hat, dass das Genmaterial der Mutter untersucht und ausgewertet wird, wodurch ihr Intimleben zum Zeitpunkt der Empfängnis des Kindes teilweise offengelegt wird [vgl. d)]. Es kann aber auch vorkommen, dass die Mutter Zweifel an der Abstammung ihres Kindes hat und deshalb ein Abstammungsgutachten einholen möchte547. Diese Fälle werden von § 1598a Abs. 1 Nr. 2 BGB erfasst, sodass die Mutter einen Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und auf Duldung der Entnahme der genetischen Probe gegen den Anspruchsverpflichteten hat [vgl. a)].

545

Meysen, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 16. Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 192; Jarass in Jarass/ Pieroth, Art. 2 Rn. 38. 547 Horndasch, ZFE 2007, 404 (408); Beus, Plenarprotokoll d.BR 836, S. 320C; nach MANNdat e. V. sind 40% der Auftraggeber von Abstammungsgutachten zur Untersuchung der väterlichen Abstammung Mütter (vgl. http://www.manndat.de/ index.php?id=214.); nach Haas/Waldenmaier, S. 23 besteht für 10% der Schwangeren das Bedürfnis, die genetische Abstammung des Kindes klären zu lassen, da sie sich nicht sicher sind, wer der biologische Vater ihres Kindes ist. 546

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a) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung Ein grundrechtlich geschütztes Recht der Mutter auf Kenntnis der genetischen väterlichen Abstammung des Kindes ist bislang vom Bundesverfassungsgericht nicht anerkannt worden, auch wenn Teile der Literatur ein derartiges Recht der Mutter als von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m.Art. 1 Abs. 1 GG geschützt ansehen548. Was jedoch zumindest vom Gesetzgeber anerkannt wird, ist ein berechtigtes Interesse der Mutter an der Klärung der väterlichen Abstammungsverhältnisse549. Zwar wird dieses berechtigte Interesse nicht ausdrücklich anerkannt, allerdings ergibt sich die Anerkennung daraus, dass der Mutter ein Recht eingeräumt wurde, um die väterlichen Abstammungsverhältnisse klären zu lassen. Ein Recht zur Klärung der väterlichen Abstammungsverhältnisse wurde der Mutter im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform eingeräumt, indem sie ein eigenes Recht zur Vaterschaftsanfechtung (§ 1600 Abs. 1 Nr. 3 BGB) und gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung (§ 1600e Abs. 1 BGB) erhielt. Das Recht zur Vaterschaftsanfechtung nach §§ 1600–1600c BGB wurde aus Gleichbehandlungsgründen für erforderlich erachtet, da die erfolgreiche Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft erhebliche Auswirkungen auf die Rechtstellung der Mutter habe, da für diese der sich am Vater orientierende Personenstand des Kindes bestimmend sei550, wohingegen der Mutter das Recht ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO einleiten zu können, ohne nähere Begründung eingeräumt wurde551. Da im Rahmen des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens inzident die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen Kind und rechtlichem Vater geklärt werden und im Rahmen des gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens die genetische Verbindung zwischen Kind und potentiell biologischem Vater festgestellt wird, wurde der Mutter im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform ein Recht zur vollumfänglichen Klärung der väterlichen Abstammungsverhältnisse eingeräumt. 548 Rotax, ZFE 2007, 124 (126); Hahn in BeckOK BGB, § 1598a Rn. 2; Zimmermann, S. 246 f., der davon spricht, dass den Eltern spiegelbildlich zum Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ein ebenfalls von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht zustehe, sich in ihren Kindern wiederzufinden; kritisch dazu Muscheler, FPR 2008, 257 (258), da nicht die Abstammung von der Mutter selbst, sondern die vom Vater betroffen ist. 549 BT-Drucks. 16/6561, S. 10,12; BT-Drucks. 13/4899, S. 54. 550 Wellenhofer, MüKo BGB, § 1600 Rn. 4. 551 Seidel in MüKo BGB, § 1600d Rn. 9; Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1451).

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Zu der Frage, ob die Mutter ein berechtigtes Interesse an der Klärung der genetischen väterlichen Abstammungsverhältnisse hat, haben die Verfassungsrichter in der der Schaffung des § 1598a BGB zu Grunde liegenden Entscheidung keine Stellung genommen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Verfassungsrichter, obwohl sich der Entscheidungsgegenstand einzig auf den rechtlichen Vater erstreckte, nicht nur dem rechtlichen, sondern auch dem potentiell biologischen Vater ein berechtigtes Interesse an der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse zugesprochen haben, könnte aus der Nichtbeachtung der Mutter geschlossen werden, dass dieser, nach Ansicht der Verfassungsrichter, kein berechtigtes Interesse an der Klärung der genetischen väterlichen Abstammungsverhältnisse zusteht. Berücksichtigt man allerdings, dass die Mutter in dem gesamten Urteil kaum Erwähnung findet552 und dass auch das Kind, dessen Interesse an der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse sogar vom Bundesverfassungsgericht grundrechtlich geschützt wird, nicht erwähnt wird, kann aus der Nichtbeachtung der Mutter nicht geschlossen werden, dass dieser aus Sicht der Verfassungsrichter kein berechtigtes Interesse an der Klärung der genetischen väterlichen Abstammungsverhältnisse zusteht. Vielmehr ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wie später unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I. dargelegt wird, dahingehend zu verstehen, dass der Gesetzgeber demjenigen, der ein Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG hat, die Möglichkeit zu eröffnen hat, diese Kenntnis in einem rechtsförmlichen Verfahren zu erlangen, ohne dabei rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen553. Wie soeben festgestellt, hat die Mutter die Möglichkeit, die väterlichen Abstammungsverhältnisse vollumfänglich in einem rechtsförmlichen Verfahren klären zu lassen. Da sie allerdings nicht die Möglichkeit hat, dieses auch ohne die Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen zu tun, wird die Mutter vom bundesverfassungsrechtlichen Auftrag erfasst, vorausgesetzt ihr Recht wird von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt. Auch wenn das vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Mutter geschützte Recht auf Kenntnis der väterlichen Abstammungsverhältnisse bislang noch nicht anerkannt wurde, scheint die grundrechtliche Anerkennung wohl nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Aus diesem Grund soll die momentan noch fehlende grundrechtliche Verankerung des berechtigten Interesses der Mutter der Klärungsberechtigung nach § 1598a Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht entgegenstehen, sondern, da die Kenntnis der Mutter über die genetische 552 Ebenso Rotax, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 21, der von einer „Missachtung der Frauen“ spricht. 553 BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 97).

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Abstammung des Kindes Auswirkungen auf ihre Persönlichkeitsentwicklung hat554, soll im Folgenden davon ausgegangen werden, dass die Mutter ein von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse hat555. Weil aber von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht begriffsnotwendig die Persönlichkeit des Einzelnen geschützt wird, wird das Recht der Mutter auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse nur dann von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt, wenn diese Kenntnis auch tatsächlich Auswirkungen auf das Selbstverständnis und damit die Persönlichkeit der Mutter hat. Da dies nur dann der Fall ist, wenn die Mutter Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse aus immateriellen Gründen erlangen möchte, kann sie sich dann, wenn sie aus rein monetären Gründen wissen möchte, ob das in Rede stehende Kind genetisch vom rechtlichen Vater abstammt, nicht auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG berufen556. Wodurch das materielle Kenntnisinteresse der Mutter geschützt wird, hängt von der Intention der Mutter ab. Möchte sie im Falle der fehlenden genetischen Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater die rechtliche Vaterschaft beseitigen, um den Weg dafür zu ebnen, dass das Kind einem vermögenderen rechtlichen Vater zugeordnet wird, damit dieser nach §§ 1601 ff. BGB auf Unterhalt in Anspruch genommen werden kann, so kann sie sich auf die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Möchte sie dagegen den Wechsel des rechtlichen Vaters herbeiführen, damit sich die erbrechtlichen Ansprüche des Kindes verbessern, so wird ihr Interesse von Art. 14 GG geschützt. b) Recht auf informationelle Selbstbestimmung Durch § 1598a BGB wird die Mutter als Anspruchsverpflichtete nicht nur zur Duldung der Entnahme einer genetischen Probe verpflichtet, sondern auch dazu, eine Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung zu erteilen, sodass in ihr informationelles Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen wird557.

554

Muscheler, FPR 2008, 257 (258). A. A. Muscheler, FPR 2008, 257 (258), der Bedenken an der grundrechtlichen Verankerung hat, weil ein Abstammungsverhältnis geklärt wird, an dem die Mutter nur mittelbar beteiligt ist und der die Klärungsberechtigung der Mutter für verfassungswidrig hält, weil das Recht der Mutter stets hinter dem informationellen Selbstbestimmungsrechts des Kindes und des rechtlichen Vaters zurücktreten müsse. 556 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.1.a)bb). 555

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c) Recht auf körperliche Unversehrtheit Die Mutter hat als Anspruchsverpflichtete nach § 1598a Abs. 1 BGB die Entnahme einer genetischen Probe zu dulden, sodass in ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 2. Fall GG eingegriffen wird558. d) Recht auf sexuelle Selbstbestimmung Der Mutter steht ein vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu. Die Persönlichkeit des Menschen wird unter anderem durch seine Sexualität geprägt. Deshalb schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung559. Dieses umfasst „die Freiheit, die intime und private Sphäre im Bereich des ehelichen und außerehelichen Geschlechtslebens nach eigener Entscheidung frei zu gestalten“560, wozu auch die Freiheit zählt, den intimen und privaten Bereich abzuschirmen und gegen äußere Zugriffe zu sichern. Folglich wird von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG das Recht erfasst, selbst zu entscheiden, ob, wie und wann sexuelle Lebenssachverhalte offenbart werden und in welchem Umfang anderen Einblick in das Intimleben gewährt wird. Da zu dem Intimleben der Mutter insbesondere ihr Sexualleben gehört, zu dem wiederum die geschlechtliche Beziehung zu einem Partner gehört561, wird von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG das Recht der Mutter erfasst, einen (möglichen) Seitensprung und damit einhergehend den biologischen Vater des Kindes für sich zu behalten562. 557 Insoweit kann auf die Ausführungen zum Recht des rechtlichen Vaters auf informationelle Selbstbestimmung unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.1.b) verwiesen werden. 558 Insoweit kann auf die Ausführungen zum Recht des rechtlichen Vaters auf körperliche Unversehrtheit unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.1.c) verwiesen werden. 559 Starck in Mangoldt von/Klein/Starck Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 108; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, Art. 2 Rn. 31; Burghart in Leibholz/Rinck, Art. 2 Rn. 45; Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 200; D. Lorenz in BK Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 310. 560 Brosius-Gersdorf, S. 73. 561 BVerfG, NJW 1997, 1769 (1769); BVerfG, NJW 1970, 555 (555). 562 Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 200; Jarass in Jarass/ Pieroth, Art. 2 Rn. 48.

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Ergibt sich durch das private Abstammungsgutachten, dass der rechtliche Vater nicht auch der biologische Vater des Kindes ist, so offenbart dies nicht nur die fehlende genetische Abstammung zwischen den getesteten Personen, sondern zugleich Informationen aus dem Sexualleben der Mutter, da sich das Ergebnis der Untersuchung nur so begründen lässt, dass die Mutter zur Empfängniszeit neben dem rechtlichen Vater noch mit (mindestens) einem anderen Mann geschlechtlich verkehrte. Diese Information entstammt also dem von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Bereich, sodass das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung durch ein Abstammungsgutachten beeinträchtigt wird, das ergibt, dass die Mutter Mehrverkehr hatte. II. Abwägung der tangierten Grundrechte Durch Abwägung der kollidierenden Grundrechte soll im Folgenden überprüft werden, ob es dem Gesetzgeber im Rahmen des § 1598a BGB gelungen ist, die tangierten Grundrechte der unmittelbar an § 1598a BGB Beteiligten zu wahren, wobei sich die Ausführungen, wie bereits erläutert, auf die Wahrung der Grundrechte der Anspruchsverpflichteten beschränken. 1. Interessengleichklang zwischen allen Beteiligten Sind alle Beteiligten mit der Einholung eines Abstammungsgutachtens einverstanden, so verfolgen sowohl der rechtliche Vater als auch Mutter und Kind mit der Abstammungsuntersuchung dasselbe Ziel – sie wollen Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen Kind und rechtlichem Vater erlangen. Der rechtliche Vater kann durch die Einholung des Abstammungsgutachtens sein Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes ausüben. Das Kind kann durch den Test Kenntnis von der eigenen Abstammung erlangen und die Mutter Kenntnis von der väterlichen Abstammung des Kindes. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht aller Beteiligten wird durch das eingeholte Abstammungsgutachten nicht berührt, da diesen die Entscheidungs- und Verfügungsgewalt über ihre genetischen Daten zusteht563 und sie der Preisgabe und Verwendung dieser Daten durch die Einwilligung in die Untersuchung zugestimmt haben. Gleiches gilt für das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter. Durch die Einwilligung in die Untersuchung hat sie gleichzeitig auch ihre Einwilligung in die Offenbarung sexueller Lebenssachverhalte erteilt. Nichts anderes gilt für den 563

Brosius-Gersdorf, S. 62.

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möglicherweise vorgenommenen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, in den die Beteiligten ebenfalls wirksam eingewilligt haben. Da somit keine unterschiedlichen Zielrichtungen verfolgt werden, kommt es in dieser Konstellation zu keiner Interessenkollision zwischen den Beteiligten. Folglich ist die Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens problemlos möglich, ohne dass auf § 1598a BGB zurückgegriffen werden muss. 2. Interessenkollision zwischen den Beteiligten Eines Rückgriffs auf § 1598a BGB bedarf es dann, wenn nicht alle Beteiligten mit der Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens einverstanden sind, da § 1598a BGB es dem Klärungsberechtigten in diesen Fällen ermöglicht, gleichwohl seinem Willen entsprechend ein privates Abstammungsgutachten einzuholen. § 1598a Abs. 1 BGB verschafft dem Klärungsberechtigten einen Anspruch gegen die Anspruchsverpflichteten auf Einwilligung in eine gendiagnostische Abstammungsuntersuchung und auf Duldung der Entnahme der dafür erforderlichen genetischen Proben. Verweigert ein oder beide Anspruchsverpflichteten dennoch die Einwilligung, so kann nach § 1598a Abs. 2 BGB auf Antrag des Klärungsberechtigten ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werden, in dem die verweigerten Einwilligungen durch das Gericht ersetzt werden, wenn nicht die Voraussetzungen des § 1598a Abs. 3 BGB vorliegen. Diese durch das Gericht ersetzten Einwilligungen haben die gleiche Wirkung, wie die von Anfang an außergerichtlich nach § 1598a Abs. 1 BGB erteilten564. Durch die gerichtliche Ersetzung der Einwilligung nach § 1598a Abs. 2 BGB entsteht die Situation, dass der Klärungsberechtigte seinem Willen entsprechend das Abstammungsgutachten einholen kann. Der Wille der Anspruchsverpflichteten wird somit schlicht übergangen und tritt hinter dem Willen des Klärungsberechtigten zurück. Aber auch in dem Fall, in dem der Anspruchsverpflichtete die Einwilligung bereits außergerichtlich nach § 1598a Abs. 1 BGB erteilt, kann es zu einer Interessenkollision kommen, da der Grund für die Erteilung der Einwilligung nicht sein muss, dass die Durchführung der Abstammungsuntersuchung dem Willen des Anspruchsverpflichteten entspricht, sondern auch die schlichte Vermeidung der mit einem gerichtlichen Verfahren verbundenen Unannehmlichkeiten sein kann. Es kann demnach nicht allein aus der außergerichtlichen Erteilung der Einwilligung geschlossen werden, dass die 564

BT-Drucks. 16/6561, S. 13.

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Abstammungsuntersuchung dem Willen des Anspruchsberechtigten entspricht. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden im Folgenden nicht alle erdenklichen Kollisionslagen dargestellt565, sondern es werden dem jeweils Klärungsberechtigten die beiden nicht an der Abstammungsuntersuchung interessierten Anspruchsverpflichteten gegenübergestellt. Die dabei vorgenommenen Abwägungen können allerdings jederzeit problemlos auf alle erdenklichen Kollisionslagen übertragen werden. a) Vorgehen des rechtlichen Vaters nach § 1598a BGB gegen den Willen von Mutter und Kind In der Praxis wird häufig die Situation vorzufinden sein, dass der rechtliche Vater als Klärungsberechtigter gemäß § 1598a Abs. 1 Nr. 1 BGB die Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens wünscht, allerdings nicht nur die Mutter, sondern auch das Kind kein Interesse an der Feststellung der genetischen Abstammungsverhältnisse haben. Die Gründe der Mutter dafür, ihre Zustimmung zu verweigern, können unterschiedlicher Natur sein. So kann sie beispielsweise das Begehren des Vaters als Vertrauensbruch verstehen und darüber so entzürnt sein, dass sie jede Mitwirkung allein schon aus purer Enttäuschung verweigert oder aber sie kann persönliche Interessen an der Geheimhaltung des Ergebnisses haben, beispielsweise weil sie einen Seitensprung nicht aufdecken möchte oder nicht die durch das Bestehen einer rechtlichen Vaterschaft geschaffene finanzielle Sicherheit verlieren möchte. Mutter und Kind werden entweder ihrem Willen entsprechend die Einwilligung in die private Abstammungsuntersuchung verweigern und damit in Kauf nehmen, dass es zum gerichtlichen Klärungsverfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB kommt, in dem die verweigerte Einwilligung in der Regel ersetzt wird oder um dieses gerichtliche Verfahren zu verhindern bereits entgegen ihrem eigentlichen Willen die Einwilligung nach § 1598a Abs. 1 BGB außergerichtlich erteilen. Unabhängig davon, ob die Einwilligungen erzwungenermaßen außergerichtlich erteilt oder ob sie durch das Gericht ersetzt werden, wird das Gutachten zwar dem Willen des rechtlichen Vaters entsprechend, allerdings entgegen dem eigentlichen Willen von Mutter und Kind, eingeholt, sodass 565 Beispielsweise die, dass neben dem Klärungsberechtigten ein Anspruchsverpflichteter auch ein Interesse an der Abstammungsuntersuchung hat, während der andere Anspruchsverpflichtete gerade kein Interesse an der Abstammungsuntersuchung hat.

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es zu einer Kollision der Rechte und Interessen von rechtlichem Vater auf der einen und Mutter und Kind auf der anderen Seite kommt. aa) Abwägung des Rechts des rechtlichen Vaters gegen die Rechte der Mutter (1) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Kenntnis des rechtlichen Vaters über die genetische Abstammung des ihm zugeordneten Kindes beeinflusst das Selbstverständnis des Mannes sowie seine Persönlichkeitsentwicklung und wirkt sich demnach merklich auf sein gegenwärtiges und künftiges Leben aus, sodass ein lebenslanger, offen zu Tage tretender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des rechtlichen Vaters vorliegen würde, wenn ihm die Möglichkeit der Kenntnisnahme verweigert würde, der nicht nur den rechtlichen Vater persönlich erheblich belasten und womöglich in eine Identitätskrise stürzen566, sondern dadurch auch das familiäre Zusammenleben negativ beeinflussen kann. Im Unterschied zu diesen dauerhaft und „spürbar“567 identitätsprägenden und persönlichkeitsformenden Wirkungen ist die Untersuchung und Auswertung des Genmaterials der Mutter für diese nicht spürbar. Zwar lässt sich das Ergebnis der Auswertung bezüglich der genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen rechtlichem Vater und Kind vor der Mutter nicht geheim halten, da der rechtliche Vater unabhängig vom Ergebnis Konsequenzen aus diesem ziehen wird, die für die Mutter spürbar sind und sich dadurch, dass sie beispielsweise zu einer Stärkung oder Störung des Familienfriedens führen, positiv oder negativ auf das Wohlbefinden der Mutter auswirken, allerdings hat dies nichts mit dem einmaligen, punktuellen Vorgang der Untersuchung und Auswertung der Daten zu tun, sondern erst mit der Kenntnisnahme der Daten durch den rechtlichen Vater. Demnach kann festgehalten werden, dass die Kenntnis bzw. Nichtkenntnis des rechtlichen Vaters über die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kind erheblichen Einfluss auf sein weiteres Leben hat, während die Mutter von der Untersuchung und Auswertung des Genmaterials überhaupt nichts mitbekommt, sodass ihr Le566 567

Brosius-Gersdorf, FPR 2007, 398 (401). Brosius-Gersdorf, S. 115.

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ben allein durch die bloße Untersuchung und Auswertung in keiner Weise beeinflusst wird568. Führt man sich diese gravierenden Unterschiede hinsichtlich Dauer und Schwere der Beeinträchtigung der Rechte vor Augen, wird deutlich, dass das Recht der Mutter auf informationelle Selbstbestimmung relativ gering beeinträchtigt wird und deshalb stets hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Vaters zurücktreten muss. Ein anderes Abwägungsergebnis würde sich aber möglicherweise dann ergeben, wenn die Beeinträchtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Mutter nicht für die Funktionsfähigkeit des Rechts des rechtlichen Vaters erforderlich wäre569. Auch wenn bereits die Untersuchung und Auswertung des Genmaterials von rechtlichem Vater und Kind zumeist Aufschluss über die genetischen Abstammungsverhältnisse gibt, darf daraus nicht geschlossen werden, dass die Untersuchung und Auswertung des Genmaterials der Mutter und der damit verbundene Eingriff in ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht nicht erforderlich sei, damit der rechtliche Vater von seinem verfassungsrechtlich verankerten Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse Gebrauch machen kann. Das Fehlen der mütterlichen Probe bedingt einen erheblichen Informationsverlust, da hierbei der Mutter-Kind-Vergleich wegfällt. So kann ein vererbtes Merkmal nicht eindeutig als vom rechtlichen Vater stammend identifiziert werden, weil es ebenso von der Mutter stammen könnte. Als Folge kann es im Falle einer Nichtvaterschaft zu verdeckten Ausschlusskonstellationen kommen, bei denen der untersuchte Mann zwar ein Merkmal mit dem Kind gemeinsam hat, aber dieses in Wirklichkeit von der Mutter vererbt wurde570. Um diesen sogenannten Defizienfall zu vermeiden und damit die Funktionsunfähigkeit des Rechts des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse zu gewährleisten, kann nicht einfach auf die Auswertung des mütterlichen Genmaterials verzichtet werden, sodass die Beeinträchtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Mutter für die Funktionsfähigkeit des Rechts des rechtlichen Vaters vielleicht nicht zwingend, wohl aber erforderlich ist571. Es bleibt somit dabei, dass das Recht des rechtlichen Vaters stets Vorrang vor dem Recht der Mutter hat, wenn dieser aus immateriellen Gründen handelt. 568

Ebenso Glaser/Dahlmanns, JR 2007, 316 (317). Vgl. Canaris, JuS 1989, 161 (163); Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791). 570 Schneider, Dtsch Arztebl 2008; 105: A 1067 (Heft 20) (A 1068); König, ZKJ 2007, 340 (340). 571 Kritisch dazu Muscheler, FPR 2008, 257 (259); Wellenhofer in MüKo BGB, § 1598a BGB Rn. 7; Haas/Waldenmaier, S. 26, 277. 569

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(b) Allgemeine Handlungsfreiheit Möchte der rechtliche Vater die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kind aber nicht aus immateriellen, sondern ausschließlich oder zumindest überwiegend aus materiellen Gründen überprüfen lassen, so kann er sich nicht auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen, sondern lediglich auf den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG572, während die Mutter sich weiter auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen kann. Da das von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG nahe steht, die als „oberster Grundwert des Grundgesetzes“573 den höchsten Rang aller Grundrecht einnimmt, nimmt auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht einen höheren Rang ein als die allgemeine Handlungsfreiheit, sodass das Rangverhältnis der miteinander kollidierenden Rechte dafür spricht, dass das Recht der Mutter Vorrang vor dem Recht des rechtlichen Vaters hat. Dieses unter Berücksichtigung der Art und Ranghöhe der kollidierenden Grundrechte gefundene Abwägungsergebnis wird allerdings unter Berücksichtigung der Intensität und Schwere der Beeinträchtigung der jeweiligen Grundrechte nicht bestätigt. Für den rechtlichen Vater kann die Kenntnis darüber, nicht auch der biologische Vater des Kindes zu sein, auch in materieller Hinsicht großen Einfluss auf sein Leben haben, da ihm dann offen steht, sich durch eine Anfechtung der Vaterschaft von seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber Kind und Mutter zu befreien und dadurch seinen bisherigen Lebensstandard zu verbessern oder es bei den bisherigen Lebensverhältnissen zu belassen. Für die Mutter hingegen hat allein die Untersuchung und Auswertung des Genmaterials keinerlei spürbare Auswirkungen auf ihr Leben, da sie von der Untersuchung und Auswertung des Genmaterials überhaupt nichts mitbekommt, sodass das materielle Interesse des rechtlichen Vaters an der Feststellung der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter unter Berücksichtigung der Schwere und Intensität der Beeinträchtigung überwiegt574. Diesem unter Berücksichtigung der Intensität und Schwere der Beeinträchtigung gefundenen Abwägungsergebnis steht allerdings das der Schaf572 573 574

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.1.a)bb). Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 1 Rn. 2. So auch im Ergebnis Brosius-Gersdorf, S. 116.

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fung des § 1598a BGB zu Grunde liegende Urteil des Bundesverfassungsgerichts entgegen, mit welchem dem Gesetzgeber aufgetragen wird, einen Verfahrensweg zu eröffnen, „der dem Recht auf Kenntnis und Feststellung der Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zur Verwirklichung verhilft“575. Auch wenn dies nicht ausdrücklich aus dem Urteil hervorgeht, so beruht diese Vorgabe darauf, dass das Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Vorrang vor den übrigen tangierten Grundrechten hat576. Da aber das Recht auf Kenntnis der Abstammung nur dann von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt wird, wenn aus immateriellen Interessen gehandelt wird, überwiegt das Recht auch nur in diesem Fall die übrigen tangierten Grundrechte und nicht dann, wenn aus materiellen Interessen gehandelt wird. Da somit durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts das aufgrund des Rangverhältnisses gefundene Abwägungsverhältnis bestätigt wird, während das aufgrund der Schwere und Intensität der Beeinträchtigung gefundene widerlegt wird, kann abschließend festgehalten werden, dass das materielle Kenntnisinteresse des rechtlichen Vaters stets hinter dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der Mutter zurücktritt. (c) Zwischenergebnis Das Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse hat nur dann Vorrang vor dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der Mutter, wenn er aus immateriellen Gründen handelt. Handelt er dagegen aus materiellen Gründen, so überwiegt das Recht der Mutter. (2) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit Nach dem Willen des Gesetzgebers wird die Entnahme des genetischen Materials durch eine Blutprobe vorgesehen, was einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Mutter bedeutet577. Dieser Eingriff ist für die Mutter zwar schmerzhaft, allerdings stellt die Blutentnahme einen punktuellen Schmerz dar, der zudem auch nur sehr kurz andauert. Dem steht das das Leben sehr stark beeinflussende immaterielle oder materielle Interesse des rechtlichen Vaters gegenüber, Kenntnis von den gene575 576 577

BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 97). Glaser/Dahlmanns, JR 2007, 316 (319). Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.1.c).

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tischen Abstammungsverhältnissen zu erlangen. Diese Kenntnis ist für das Selbstverständnis des rechtlichen Vaters und damit nicht nur für seine eigene Persönlichkeitsentwicklung, sondern auch für seine emotionale Beziehung zu Mutter und Kind, ein wesentlicher konstituierender Faktor, der damit nicht nur punktuell Auswirkungen auf das Leben des rechtlichen Vaters hat, sondern dieses lebenslang beeinflusst. Bereits diese unterschiedliche Intensität und Schwere der Beeinträchtigungen macht deutlich, dass dem Interesse des rechtlichen Vaters stets Vorrang vor dem Recht der Mutter auf körperliche Unversehrtheit einzuräumen ist578. Unterstützt wird dieses Abwägungsergebnis dadurch, dass die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit der Mutter wegen des möglichen Defizienfalls für die Funktionsfähigkeit579 des Rechts des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung wenn auch nicht zwingend, so doch erforderlich ist580. In dem Fall, in dem der rechtliche Vater aus immateriellen Gründen handelt, ergibt sich der Vorrang seines Rechts gegenüber dem der Mutter nicht nur aus der Intensität und Schwere der Beeinträchtigung und der Funktionsfähigkeit des Rechts, sondern zudem aus Art und Ranghöhe der kollidierenden Rechte, da der rechtliche Vater in seiner der Menschenwürde nahestehenden Intimsphäre betroffen ist, die gerade keiner Abwägung zugänglich ist. (3) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen sexuelles Selbstbestimmungsrecht (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Wie bereits dargelegt, hat ein Abstammungsgutachten und die damit einhergehende Kenntnis des rechtlichen Vaters über die genetischen Abstammungsverhältnisse erheblichen Einfluss auf sein gesamtes Leben. Die durch die Einholung eines Abstammungsgutachtens mögliche Offenbarung eines Mehrverkehrs der Mutter muss nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hinter diesem Recht des rechtlichen Vaters generell, ohne Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls, zurücktreten581. 578 579 580 581

Vgl. Brosius-Gersdorf, S. 111 f. Vgl. Canaris, JuS 1989, 161 (163); Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791). Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(1)(a). BVerfG, NJW 2007, 753 (756 Rn. 77).

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Begründet wird dies von den Verfassungsrichtern damit, dass die Mutter dem klärungsberechtigten Mann seinerzeit Zugang zu ihrer betroffenen Sexualsphäre eröffnet habe, indem sie ihn an ihrem Geschlechtsleben hat teilnehmen lassen und dadurch das Kenntnissinteresse des rechtlichen Vaters erst mitbegründet habe. Da aber sowohl bei der Mutter als auch beim rechtlichen Vater das allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffen ist, kann eine derart einseitige Moralisierung nicht hingenommen werden582, sondern es müssen gewichtige Gründe dafür gesucht werden, die es rechtfertigen, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter stets hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des rechtlichen Vaters zurücktreten zu lassen. Häufig hat die Mutter aufgrund ihres Verhaltens erst dazu beigetragen, dass der rechtliche Vater nun feststellen lassen möchte, ob er auch der biologische Vater des ihm zugeordneten Kindes ist. Zum einen hat sie dem rechtlichen Vater zum Empfängniszeitpunkt Zutritt zu ihrer nun tangierten Sexualsphäre gewährt und zum anderen ist davon auszugehen, dass sie dem rechtlichen Vater vorgespiegelt hat, dass zum in Rede stehenden Zeitpunkt keine anderen Männer Zutritt zu ihrer Sexualsphäre hatten. Dieses wird entweder ausdrücklich dadurch geschehen sein, dass die Mutter dem rechtlichen Vater versichert hat, der biologische Vater des Kindes zu sein oder konkludent dadurch, dass sie den rechtlichen Vater über eine mögliche anderweitige Abstammung des Kindes nicht unterrichtet hat. Ein derartiges Verhalten der Mutter wird häufig vorliegen, da davon auszugehen ist, dass der rechtliche Vater schon nicht zu diesem geworden wäre, wenn er nicht davon überzeugt gewesen wäre, auch der biologische Vater des Kindes zu sein, da es nahe liegt, dass der rechtliche Vater, wenn es ihm an dieser Überzeugung gefehlt hätte, im Falle einer nicht bestehenden Ehe die Vaterschaft gar nicht erst anerkannt hätte oder im Falle einer bestehenden Ehe die Vaterschaft bereits angefochten hätte. Da die Mutter in diesem Fall maßgeblich dazu beigetragen hat, dass der rechtliche Vater sich jetzt in der Situation befindet, rechtlicher Vater des Kindes zu sein, ohne sicher zu wissen, ob das Kind auch genetisch von ihm abstammt, hat sie es auch zu dulden, wenn der rechtliche Vater Nachforschungen bezüglich der biologischen Vaterschaft anstellt. Aber auch wenn ein derartiges verwerfliches Verhalten der Mutter häufig vorliegen wird, sind durchaus Fälle denkbar, in denen der rechtliche Vater ganz ohne verwerfliches Verhalten der Mutter zum rechtlichen Vater geworden ist, beispielsweise weil er das Geständnis der Mutter nicht ernst nimmt 582 Rotax, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 4.

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oder er der Mutter verzeiht und unabhängig von der genetischen Abstammung des Kindes rechtlich für dieses einstehen möchte. Somit kann aus den soeben angestellten Erwägungen kein genereller Vorrang des Rechts des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse hergeleitet werden, sondern dieser kann nur in den Fällen bejaht werden, in denen die Mutter das Einrücken des rechtlichen Vaters in die Stellung des rechtlichen Vaters durch ein moralisch verwerfliches Verhalten verursacht hat, beispielsweise indem sie dem rechtlichen Vater wider besseres Wissen ausdrücklich oder konkludent vorgespiegelt hat, der einzige als Vater in Betracht kommende Mann zu sein583. Folglich muss für einen generellen Vorrang des Rechts des rechtlichen Vaters gegenüber dem Recht auf Geheimhaltung der Mutter dann, wenn die einzig moralisch verwerfliche Handlung der Mutter ihr Mehrverkehr war, weiter nach Argumenten gesucht werden. Da bei einer Abwägung in erster Linie auf Art und Ranghöhe der betroffenen Grundrechtspositionen zu achten ist584, soll im Folgenden untersucht werden, ob die kollidierenden allgemeinen Persönlichkeitsrechte des rechtlichen Vaters und der Mutter ausnahmsweise nicht als gleichwertige Rechte denselben Rang einnehmen. Dogmatisch wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG und dem Recht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitet585. Dabei kommt dem Bestandteil der Menschenwürde die Aufgabe der Gewährleistung eines unantastbaren Kerns der persönlichen Lebenssphäre des Einzelnen zu und dem Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit die Aufgabe, über den unantastbaren Persönlichkeitskern hinaus jegliche menschliche Persönlichkeitsentfaltung zu gewährleisten586. In der Literatur wird das Verhältnis dieser beiden Bestandteile dadurch versucht in den Griff zu bekommen, dass der Rechtfertigungsbedarf eines Eingriffs umso größer wird, je tiefer er in den engeren persönlichen Bereich des Betroffenen eindringt587. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Konkretisierung dieser Herangehensweise der Literatur die von der Zivilrechtsprechung entwickelte Sphärentheorie übernommen und konkreti583 Ähnlich Brosius-Gersdorf, S. 108, die allerdings aus diesen Erwägungen einen generellen Vorrang des Rechts des rechtlichen Vaters ableitet. 584 Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163). 585 Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 128; Stern, Staatsrecht Bd. 4/1, § 97 S. 76. 586 Murswiek in Sachs, Art. 2 Rn. 60; ausführlich dazu Brosius-Gersdorf, S. 45 f. 587 Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 130.

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siert588. Auch wenn es zwischenzeitlich so schien, als wenn das Bundesverfassungsgericht die Sphärentheorie aufgegeben habe, hat es diese doch wiederbelebt589, sodass mit der Intimsphäre und der schlichten Privatsphäre verschiedene Sphären im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterschieden werden. Die Intimsphäre steht dabei der Menschenwürde näher als der allgemeinen Handlungsfreiheit590, sodass ein Eingriff in die Intimsphäre grundsätzlich nicht gerechtfertigt werden kann591. Demgegenüber kann ein Eingriff in die Privatsphäre nach den allgemeinen Voraussetzungen gerechtfertigt werden592, da diese Sphäre der allgemeinen Handlungsfreiheit näher steht als der Menschenwürde593. Ausgehend von diesen Erwägungen ist es für die Abwägung der vorliegend tangierten Rechte entscheidend, welche Persönlichkeitssphären durch die Auskunftserteilung bei Kind und Mutter betroffen werden594. Wird die der unantastbaren und damit nicht abwägungsfähigen Menschenwürde595 nahestehende Intimsphäre betroffen, so bedeutet dies, dass dieses Recht zumindest dann, wenn durch das kollidierende Recht nicht ebenfalls die Intimsphäre betroffen ist, stets als höherrangig zu bewerten ist, da es einer Abwägung wegen seiner Nähe zur Menschenwürde gerade nicht zugänglich ist596. Ist dagegen auf beiden Seiten die Intimsphäre betroffen, so muss zwischen diesen kollidierenden Rechten ausnahmsweise eine Abwägung möglich sein, bei der die betroffenen Rechtsgüter besonders sorgsam betrachtet und bewertet werden597. Dies darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass die Unantastbarkeit und damit einhergehende Abwägungsunfähigkeit der Würde des Menschen in Frage gestellt wird, 588 Die Zivilrechtsprechung unterscheidet zwischen Intim-, Privat- und Individualsphäre. [vgl. Geis, JZ 1991, 112 (113 Fn. 17, 18 m. w. N.)]. 589 BVerfG, Beschluss v. 14.09.1989 – 2 BvR 1062/87, NJW 1989, 563; ausführlich dazu Amelung, NJW 1990, 1753 (1755). 590 Starck in Mangoldt von/Klein/Starck Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 88; Stern, Staatsrecht Bd. 4/1, § 99 S. 206. 591 BVerfG, NJW 1973, 891 (892); Burghart in Leibholz/Rinck, Art. 2 Rn. 37. 592 Di Fabio in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 160; Burghart in Leibolz/ Rinck, Art. 2 Rn. 38. 593 Starck in Mangoldt von/Klein/Starck Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 88; Geis, JZ 1991, 112 (113); Kunig in Münch von/Kunig Bd. 1, Art. 2 Rn. 32. 594 Geis, JZ 1991, 112 (115); ausführlich dazu Podlech in AK-GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 35 ff. 595 Höfling in Sachs, Art. 1 Rn. 13; Herdegen in Maunz/Dürig Bd. 1, Art. 1 Abs. 1 Rn. 69. 596 A. A. D. Lorenz in BK Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 Rn. 35. 597 Baldus, JZ 2008, 218 (225); Stern, Staatsrecht Bd. 4/1, § 97 S. 95.

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sondern es stellt eine schlicht unvermeidliche Notwendigkeit dar, weil andernfalls die Beeinträchtigung der Intimsphäre des einen automatisch zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des anderen führen würde und umgekehrt, mit der Folge, dass sich Kollisionen zwischen Intimsphären verschiedener Personen nicht lösen ließen598. Möchte der rechtliche Vater die genetischen Abstammungsverhältnisse zumindest überwiegend aus immateriellen Gründen feststellen lassen, so wird dieses Interesse vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt, wobei das Interesse des rechtlichen Vaters grundrechtsdogmatisch der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG näher steht als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, da die Kenntnis bzw. Nichtkenntnis über die genetische Verbindung zwischen rechtlichem Vater und Kind für das Selbstverständnis und die Persönlichkeitsentwicklung des rechtlichen Vaters prägend und damit in der persönlichsten Lebenssphäre des rechtlichen Vaters anzusiedeln ist. Die Frage, ob das Interesse der Mutter an der Geheimhaltung ihres Sexuallebens grundrechtsdogmatisch eher der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG oder der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG zuzuordnen ist, lässt sich dagegen nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls beantworten. Nach den von Brosius-Gersdorf für die Beantwortung der Zuordnungsproblematik im Rahmen des sexuellen Selbstbestimmungsrechts aufgestellten Kriterien ist danach zu differenzieren, von welcher Person die Einblicke in das Sexualleben der Mutter drohen. Da derjenige, der einer Person Zutritt zu seinem persönlichen Lebensbereich oder sogar zu seinem Sexualleben gewährt hat, durch Einsichtnahme dieser Vertrauensperson in sexuelle Angelegenheiten weniger betroffen ist als durch Einsichtnahme eines Fremden, soll das Sexualleben gegenüber fremden Personen einen intensiveren Schutz genießen als gegenüber solchen Personen, die in enger, vertrauter oder gar intimer Beziehung stehen oder standen599. Da der rechtliche Vater zumeist nicht als Fremder Einblick in das Sexualleben der Mutter nimmt, wird die Mutter nicht in ihrer Intimsphäre, sondern nur in der der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG näherstehenden Privatsphäre betroffen. Dies wird vom Bundesverfassungsgericht genauso gesehen. Es stellt ausdrücklich fest, dass durch die Einholung eines privaten Abstammungsgutachtens „kein unzulässiger Eingriff in den unantastbaren Bereich privater 598

Baldus, JZ 2008, 218 (225 Fn. 81 m. w. N.); Stern, Staatsrecht Bd. 4/1, § 97

S. 95. 599

Ausführlich dazu Brosius-Gersdorf, S. 75 f.

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Lebensgestaltung der Mutter“600 vorliegt. Aufgrund der etwas unglücklichen Formulierung lässt sich allerdings nicht so einfach aus dem bloßen Wortlaut erkennen, dass das Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, dass nur die Privat- und nicht die Intimsphäre der Mutter berührt wird, da die Aussage des Bundesverfassungsgerichts auch so verstanden werden kann, dass ein gerechtfertigter und deshalb nicht unzulässiger Eingriff in die Intimsphäre der Mutter vorliegt. Berücksichtigt man allerdings die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Auskunftsanspruch des Kindes gegen seine Mutter auf Nennung der potentiell biologischen Väter, so ist die Aussage so zu verstehen, dass bereits kein Eingriff in die Intimsphäre, sondern nur in die Privatsphäre vorliegt. Diese Interpretation ergibt sich, weil die Verfassungsrichter ausdrücklich davon ausgehen, dass das Kind durch sein Verlangen auf Nennung aller potentiell biologischer Väter nicht den unantastbaren Kernbereich, namentlich die Intimsphäre, der Mutter berührt, sondern nur deren Privatsphäre601. Wenn bereits eine lediglich mittelbar am Sexualleben beteiligte Person wie das Kind nur in die Privatsphäre der Mutter vordringt, so kann erst recht nichts anderes für den unmittelbar beteiligten rechtlichen Vater gelten. Folglich stehen sich bei der Abwägung der kollidierenden allgemeinen Persönlichkeitsrechte auf Seiten des rechtlichen Vaters die Intimsphäre und auf Seiten der Mutter die Privatsphäre gegenüber. Da die Intimsphäre der Menschenwürde nahe steht, ist sie keiner Abwägung mit dem kollidierenden Recht der Mutter zugänglich, was bedeutet, dass das Recht der Mutter hinter dem Recht des rechtlichen Vaters zurücktreten muss. Somit ergibt sich aus Art und Ranghöhe der kollidierenden Rechte, dass das Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes generell und nicht nur im konkreten Einzelfall Vorrang vor dem Recht der Mutter auf Geheimhaltung ihres Sexuallebens hat. Neben Art und Ranghöhe der kollidierenden Rechte kann bei deren Abwägung an zweiter Stelle die Intensität und Schwere ihrer Betroffenheit berücksichtigt werden602. Untersucht man die vorliegend tangierten Grundrechte im Hinblick auf Intensität und Schwere ihrer Betroffenheit, so wird das unter Berücksichtigung der Art und Ranghöhe gefundene Abwägungsergebnis bestätigt. Durch die Einholung eines negativen Abstammungsgutachtens wird zwar offenbart, dass die Mutter im Zeitpunkt der Empfängnis mit mindestens 600 601 602

BVerfG, NJW 2007, 753 (756 Rn. 77). BVerfG, NJW 1997, 1769 (1769 B.I.). Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163).

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zwei Männern geschlechtlich verkehrt hat, allerdings treten keine Details aus ihrem Sexualleben, wie beispielsweise der Name der Männer oder die Intensität der Beziehungen, zu Tage. Diese vergleichsweise geringe Intensität des Eingriffs in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter spricht ebenfalls dafür, das Recht der Mutter auf Geheimhaltung stets hinter dem Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse zurücktreten zu lassen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht dadurch, dass der rechtliche Vater oder das Kind durch das negative Testergebnis aus unterschiedlichen Gründen dazu veranlasst werden können, von der Mutter den oder die Namen der anderen Männer zu erfragen. Selbst wenn die Mutter zur Auskunftserteilung verpflichtet sein sollte603, so ist dies an dieser Stelle unbeachtlich, da die Details nicht allein durch das Abstammungsgutachten selbst, sondern erst durch den Umgang mit dem Ergebnis der Abstammungsuntersuchung offenbart werden. Zusammenfassend kann demnach festgehalten werden, dass das Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes dann, wenn der rechtliche Vater aus immateriellen Gründen Kenntnis über die genetische Abstammung erlangen möchte, stets Vorrang vor dem Recht der Mutter auf Geheimhaltung des Sexuallebens hat. (b) Allgemeine Handlungsfreiheit Bei der Abwägung des materiellen Interesses des rechtlichen Vaters an der Klärung der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes mit dem Interesse der Mutter an der Geheimhaltung ihres Sexuallebens ist zu berücksichtigen, dass das Recht des rechtlichen Vaters lediglich durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, während das Recht der Mutter weiterhin vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt wird, wobei die Mutter in ihrer Privatsphäre betroffen wird, die der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG näher steht als der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG und deshalb einer Abwägung zugänglich ist. Wegen der grundsätzlichen Nähe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu Art. 1 Abs. 1 GG nimmt das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter einen höheren Rang ein als das Recht des rechtlichen Vaters, sodass unter Berücksichtigung der Art und Ranghöhe der kollidierenden Rechte dem 603 Für das Kind näher dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.2.a); für den rechtlichen Vater ausführlich dazu Erster Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.b)hh).

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Geheimhaltungsinteresse der Mutter Vorrang gegenüber dem Recht des rechtlichen Vaters einzuräumen ist604. Etwas anderes ergibt sich allerdings unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03. Juli 2008605, in der die Bundesrichter ausdrücklich festgestellt haben, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter nicht höher als das bloße Vermögensinteresse des (vormals) rechtlichen Vaters zu bewerten ist, wenn die Mutter zur namentlichen Nennung der potentiell biologischen Väter verpflichtet ist. Wenn das Recht des (vormals) rechtlichen Vaters schon dann Vorrang vor dem Recht der Mutter hat, wenn es wegen der namentlichen Nennung des potentiell biologischen Vaters um die Offenbarung von Details geht, kann für die Abwägung der widerstreitenden Rechte erst recht dann nichts anderes gelten, wenn es nur um die bloße Klärung der Abstammung ohne Offenbarung von Details und damit um einen geringeren Eingriff geht. Allerdings verkennt diese Ansicht, dass zwischen den kollidierenden Grundrechtspositionen des Art. 2 Abs. 1 GG auf der einen und des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auf der anderen Seite ein gravierender Rangunterschied besteht, der nicht unberücksichtigt bleiben darf. Dass die Mutter in ihrer der allgemeinen Handlungsfreiheit nahestehenden Privatsphäre betroffen ist, bedeutet für den Abwägungsvorgang nicht, dass zwei von der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützte Rechte kollidieren, sondern im Rahmen des Geheimhaltungsinteresses der Mutter bleibt es dabei, dass das Recht der Mutter weiterhin dem Gewährleistungsbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterfällt und lediglich innerhalb dieses dem Art. 2 Abs. 1 GG näher steht als dem Art. 1 Abs. 1 GG, was zur Folge hat, dass die Mutter eine gewisse Schutzreduzierung hinnehmen muss. Trotz dieser Schutzreduzierung nimmt das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Verhältnis zu der allgemeinen Handlungsfreiheit wegen seiner grundsätzlichen Nähe zu Art. 1 Abs. 1 GG einen höheren Rang ein, sodass unter Berücksichtigung des Rangverhältnisses der kollidierenden Rechte dem Geheimhaltungsinteresse der Mutter Vorrang gegenüber dem Recht des rechtlichen Vaters einzuräumen ist. 604 Ebenso Meyer, S. 185, allerdings bezogen auf das Verhältnis zwischen Kind und Mutter; Brosius-Gersdorf, S. 107; a. A. Weber, FamRZ 1996, 1254 (1257); Rauscher in Staudinger, § 1599 Rn. 50, der davon ausgeht, dass bei einem Anspruch des Vaters gegen die Mutter auf Nennung der potentiell biologischen Väter, die materiellen Interessen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter überwiegen; nichts anderes kann dann für einen Eingriff gelten, bei dem die Mutter nicht zur Nennung von Namen und damit zur Offenbarung von Details veranlasst wird, sondern nur zur Klärung der Abstammung. 605 BGH, Beschluss v. 03.07.2008 – I ZB 87/06.

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Folglich bleibt es dabei, dass unter Berücksichtigung der Art und Ranghöhe der widerstreitenden Rechte das Recht der Mutter das Recht des rechtlichen Vaters überwiegt. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass das Geheimhaltungsinteresse der Mutter stets Vorrang vor dem materiellen Klärungsinteresse des rechtlichen Vaters an der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes hat. (c) Zwischenergebnis Das Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung hat nur dann Vorrang vor dem sexuellen Selbstbestimmungsrecht der Mutter, wenn der rechtliche Vater aus immateriellen Gründen handelt. Handelt er dagegen aus materiellen Gründen, so überwiegt das Recht der Mutter. (4) Ergebnis Abschließend kann festgehalten werden, dass das Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes ausnahmslos Vorrang vor dem Recht der Mutter auf körperliche Unversehrtheit hat. Gegenüber dem informationellen und sexuellen Selbstbestimmungsrecht der Mutter besteht dagegen kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, ob der rechtliche Vater die genetischen Abstammungsverhältnisse aus immateriellen oder aus materiellen Interessen feststellen lassen möchte. Da bei einem Vorgehen des rechtlichen Vaters gegen die Mutter nach § 1598a BGB aber stets alle Grundrechte einschlägig sind, hat der rechtliche Vater nur dann einen Anspruch gegen die Mutter aus § 1598a BGB, wenn er aus immateriellen Gründen handelt. Weil die Mutter aber nach § 1598a Abs. 1 BGB ausnahmslos zur Erteilung der Einwilligung und Duldung der Entnahme des Genmaterials verpflichtet ist, ist § 1598a Abs. 1 BGB in seiner jetzigen Gestalt verfassungswidrig. Gleiches gilt für § 1598a Abs. 2 BGB, da das Gericht im gerichtlichen Verfahren keine Möglichkeit hat, die Ersetzung der verweigerten mütterlichen Einwilligung nicht vorzunehmen.

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bb) Abwägung des Rechts des rechtlichen Vaters gegen die Rechte des Kindes Die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Abwägung der kollidierenden Rechte von Kind und rechtlichem Vater beschränkt sich einzig auf die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der beiden, da das Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, dass „andere Grundrechtpositionen [des Kindes] der Durchsetzung des Rechts eines Mannes allein auf Kenntnis der Abstammung eines Kindes von ihm [. . .] nicht entgegenstehen“606. Bei dieser Abwägung räumt das Bundesverfassungsgericht dem Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes grundsätzlich Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes ein, anerkennt aber, dass es im Einzelfall Situationen geben kann, in denen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes aus Gründen des Kindeswohls als vorrangig zu betrachten ist607. In dieser Schlichtheit kann eine Abwägung der Interessen allerdings nicht vorgenommen werden. Vielmehr ist in jedem konkreten Einzelfall zu untersuchen, ob das Interesse des rechtlichen Vaters oder das Interesse des Kindes als vorrangig zu bewerten ist, wobei zu beachten ist, dass das Interesse des Kindes zwar entsprechend dem Bundesverfassungsgericht vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt wird, dort allerdings unter drei verschiedenen Aspekten zu berücksichtigen ist und nicht, wie vom Bundesverfassungsgericht angenommen, nur unter dem Aspekt des informationellen Selbstbestimmungsrechts608. Zudem ist zu beachten, dass das Interesse des Kindes neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch noch durch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit geschützt wird, das vom Bundesverfassungsgericht ausgeklammert wurde. (1) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht Da die Untersuchung und Auswertung des Genmaterials des Kindes in gleicher Weise wie die Untersuchung und Auswertung des Genmaterials der Mutter vorgenommen wird, macht es bei der Abwägung dieser kollidierenden Rechte grundsätzlich keinen Unterschied, ob das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes oder der Mutter betroffen ist. 606

BVerfG, NJW 2007, 753 (756 Rn. 78). BVerfG, NJW 2007, 753 (755 Rn. 72). 608 Als zweiter vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützter Aspekt spricht das Bundesverfassungsgericht zwar das Recht des Kindes auf Nichtkenntnis seiner Abstammung an, stellt aber bereits die Existenz dieses Rechts in Frage [vgl. BVerfG, NJW 2007, 753 (755 Rn. 71)]. 607

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Somit kann bezüglich der Abwägung auf Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(1) verwiesen werden, mit der Folge, dass das Recht des rechtlichen Vaters dann, wenn dieser aus immateriellen Gründen Kenntnis von den genetischen Abstammungsverhältnissen erlangen möchte, Vorrang vor dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes hat, während dem Recht des Kindes Vorrang gebührt, wenn der rechtliche Vater aus materiellen Gründen handelt609. Bekräftigt wird dieses Abwägungsergebnis im Verhältnis zwischen rechtlichem Vater und Kind noch dadurch, dass der rechtliche Vater ohne die Möglichkeit, auf das Genmaterial des Kindes zugreifen zu können, niemals von seinem verfassungsrechtlich verankerten Recht Gebrauch machen könnte610. Die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des bedrohten Grundrechts des rechtlichen Vaters unterscheidet die vorliegende Konfliktlage von der zwischen rechtlichem Vater und Mutter, da der rechtliche Vater in letzterem Fall auch Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse erlangen könnte, ohne zusätzlich das Genmaterial der Mutter zu untersuchen und auszuwerten. Wenn aber schon dann dem Recht des rechtlichen Vaters Vorrang zukommt, wenn der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit seines Grundrechts nicht zwingend erforderlich ist, so kann nichts anderes gelten, wenn der Eingriff zur Erhaltung seines Grundrechts zwingend erforderlich ist. (2) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit Auch bei der Abwägung dieser kollidierenden Rechte ergibt sich grundsätzlich nichts anderes als bei der bereits im Verhältnis zwischen rechtlichem Vater und Mutter vorgenommenen Abwägung, da es keinen Unterschied macht, ob der Mutter oder dem Kind eine genetische Probe entnommen wird. Aus diesem Grund kann auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(2) vorgenommene Abwägung verwiesen werden, mit der Folge, dass dem Interesse des rechtlichen Vaters stets Vorrang vor dem Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes einzuräumen ist. Dieses aufgrund des unterschiedlichen Rangs und der unterschiedlichen Schwere und Intensität der Betroffenheit gefundene Abwägungsergebnis wird im Verhältnis zwischen rechtlichem Vater und Kind gegenüber dem Verhältnis zwischen rechtlichem Vater und Mutter durch die Funktionsfähigkeit des Rechts des rechtlichen Vaters unterstützt, da der rechtliche 609

A. A. Brosius-Gersdorf, S. 116. Canaris, JuS 1989, 161 (163); Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); so auch BVerfG, NJW 2007, 753 (755 Rn. 73). 610

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Vater ohne die Entnahme einer genetischen Probe des Kindes schon gar nicht die Möglichkeit hätte, von seinem Recht Gebrauch zu machen611. Somit kann festgehalten werden, dass das Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes unabhängig davon, ob der Vater immaterielle oder materielle Interessen verfolgt, stets als vorrangig gegenüber dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit zu betrachten ist612. (3) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen Möchte der rechtliche Vater, zu dem das Kind eine soziale Beziehung hat, die genetischen Abstammungsverhältnisse klären lassen, so kann es durch das Vorgehen des rechtlichen Vaters nach § 1598a BGB zu einer Störung des Verhältnisses zwischen Kind und rechtlichem Vater kommen, die den Verlust dessen nach sich zieht613 und dazu führt, dass das Kind aus der gewohnten sozialen Bindung zu seiner Vertrauensperson herausgerissen wird. Aus seiner sozialen Beziehung zur Mutter wird das Kind bei einem Vorgehen des rechtlichen Vaters in aller Regel nicht herausgerissen. Zwar wird im Falle eines negativen Testergebnisses das Urvertrauen des Kindes in seine Mutter verletzt, da das Kind erfährt, dass seine Mutter möglicherweise untreu war, auf alle Fälle aber einen unsteten Lebenswandel führte und in einem engen Zeitraum mit mehreren Männern geschlechtlich verkehrte. Allerdings führt diese Erschütterung des Vertrauens zu der Mutter, auch wenn sie für das Kind besonders prägend ist, da es sich bei der Mutter um die zentrale Bezugsperson des Kindes handelt614, zumeist wohl nicht dazu, dass das Kind mit der Mutter bricht, sondern nur dazu, dass die Unbeschwertheit der Mutter-Kind-Beziehung gestört wird. Unabhängig davon, ob das Kind eine soziale Beziehung zu seinem rechtlichen Vater hat oder nicht, wird es, wenn es in einer intakten sozialen Familie aufwächst, bei einem Vorgehen des rechtlichen Vaters aus den gewohnten sozialen Beziehungen der sozialen Familie herausgerissen615. Da 611 Canaris, JuS 1989, 161 (163); Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); so auch BVerfG, NJW 2007, 753 (755 Rn. 73). 612 So auch im Ergebnis Brosius-Gersdorf, S. 111 f. 613 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a). 614 Beham in Zartler/Wilk/Kränzl-Nagl, S. 133. 615 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a) für den Fall, dass das Kind eine soziale Beziehung zum rechtlichen Vater hat und Seite 250 ff. für den Fall, dass das Kind keine soziale Beziehung zum rechtlichen Vater hat.

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aber die Entwicklung und das Leben des Kindes durch das Herausreißen aus einer sozialen Beziehung zu einem Elternteil stärker als durch das Herausreißen aus einer intakten sozialen Familie beeinträchtigt wird616, soll das Herausreißen aus der intakten sozialen Familie vorliegend unberücksichtigt bleiben. Dass die Nichtberücksichtigung des Herausreißens aus der intakten sozialen Familie überhaupt möglich ist, liegt daran, dass das Bestehen oder Nichtbestehen einer sozialen Beziehung zu einem Elternteil völlig unabhängig vom Bestehen einer intakten sozialen Familie ist. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass auch bei Zerstörung der Familie in ihrem sozialen Bestand das Kind weiterhin eine soziale Beziehung zu dem jeweiligen Elternteil haben kann, auch wenn sich die Aufrechterhaltung der sozialen Beziehung insbesondere zu dem Elternteil, mit dem das Kind nicht zusammenlebt, schwierig gestaltet617. Aus diesem Grund und vor dem Hintergrund, dass das Kind in den meisten Fällen eine soziale Beziehung zu seinem rechtlichen Vater hat618, wird im Folgenden nur das Herausreißen des Kindes aus seiner sozialen Beziehung zum rechtlichen Vater untersucht. (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Kenntnis des rechtlichen Vaters über die genetische Abstammung des ihm zugeordneten Kindes beeinflusst das Selbstverständnis des Mannes, sowie seine Persönlichkeitsentwicklung. Die Kenntnis des rechtlichen Vaters wirkt sich demnach merklich auf sein gegenwärtiges und künftiges Leben aus, sodass sie vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt wird und dabei der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG näher steht als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Diesem Interesse steht das Interesse des Kindes entgegen, in der gewohnten sozialen Beziehung zu seinem rechtlichen Vater aufzuwachsen und nicht aus dieser herausgerissen zu werden, um zu einer gefestigten Persönlichkeit heranwachsen zu können. Wegen seines großen Einflusses auf die Persönlichkeit des Kindes und sein gegenwärtiges und künftiges Leben wird dieses Interesse des Kindes ebenfalls vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt und steht dabei ebenfalls der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG näher als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. 616 Erhard/Janig, S. 64 f.; Wicki, S. 131 ff.; Werneck in Zartler/Wilk/KränzlNagl, S. 157, 163. weist darauf hin, dass die Trennung vom Vater von den Kindern häufig als traumatisch erlebt werde. 617 Ausführlich dazu Werneck in Zartler/Wilk/Kränzl-Nagl, S. 159. 618 Dazu später Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.2.b)bb).

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Da es sich somit um zwei vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte, gleichrangige Rechte handelt, kann das Vorrangverhältnis nicht unter Berücksichtigung der Art und Ranghöhe619 der beiden Rechte ermittelt werden, sondern nur unter Berücksichtigung der Schwere und Intensität der Beeinträchtigung der tangierten Rechte. Weil beide Interessen für die Persönlichkeit und das gegenwärtige und künftige Leben der Betroffenen prägend sind, ist dem Recht des Betroffenen Vorrang einzuräumen, dessen Persönlichkeitsentwicklung und damit gegenwärtiges und künftiges Leben durch die Klärung bzw. Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse stärker beeinträchtigt wird. Wird dem rechtlichen Vater ein Vorgehen nach § 1598a BGB verwehrt, so erlangt er keine Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse. Zwar wirkt sich dieses nachteilig auf seine Persönlichkeitsentwicklung und sein gegenwärtiges und künftiges Leben aus, allerdings soll aufgrund des Alters des rechtlichen Vaters und der damit verbundenen Lebenserfahrung und Reife unterstellt werden, dass der rechtliche Vater zu der Zeit, zu der er ein Interesse an der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse hat, über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt. Auch wenn lange Zeit die Auffassung vertreten wurde, dass „der Mensch mit 20 oder 25 Jahren im Grunde fertig und damit entwicklungslos sei“620, wird nach neuerer Sicht der Mensch als ein Lernwesen betrachtet, dessen Persönlichkeitsentwicklung nie abgeschlossen ist621. Vor diesem Hintergrund führt die gefestigte Persönlichkeit zwar nicht dazu, dass die Nichtkenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse keine Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und damit das gegenwärtige und künftige Leben des rechtlichen Vaters hat, wohl aber dazu, dass die Auswirkungen geringer sind, als wenn die Persönlichkeit noch nicht gefestigt wäre. Dieser gefestigten väterlichen Persönlichkeit steht weit überwiegend auf Seiten des Kindes eine noch nicht gefestigte Persönlichkeit gegenüber, sodass das Kind durch den Verlust der Bezugsperson stärker in seiner Persönlichkeitsentwicklung und damit dem gegenwärtigen und künftigen Leben beeinträchtigt wird als der rechtliche Vater durch die Nichtkenntnis. Wie stark das Kind dabei in seiner Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt wird, hängt aber nicht nur von der Festigkeit seiner Persönlichkeit, sondern vor allem von der Beschaffenheit bzw. Intensität, der Vater-Kind-Beziehung ab622. 619

Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163). Meili-Lüthy, S. 74. 621 Meili-Lüthy, S. 195. 622 So auch Meysen, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_ Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 6. 620

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Keinesfalls hängt die Frage, wie stark die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes beeinträchtigt wird, von dem Ergebnis der Abstammungsuntersuchung ab. Dies liegt nicht nur daran, dass dieses im Zeitpunkt des Vorgehens nach § 1598a BGB freilich noch ungewiss ist623, sondern in erster Linie daran, dass völlig losgelöst vom Ergebnis der Abstammungsuntersuchung die Gefahr besteht, dass das Kind aus der gewohnten sozialen Beziehung zu seinem rechtlichen Vater herausgerissen wird624 und dieser Verlust der Bezugsperson negative Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes hat. (a) Keine oder nur geringe emotionale Bindung des Kindes War die Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater von Beginn an durch die Zweifel des rechtlichen Vaters gestört, so hat das Kind keine oder nur eine geringe emotionale Bindung an den rechtlichen Vater. In diesen Fällen wird die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes sowie sein gegenwärtiges und künftiges Leben durch die Klärung der genetischen Abstammung positiv beeinflusst. Insbesondere geht allein durch das bloße Vorgehen des rechtlichen Vaters nach § 1598a BGB keine Gefahr aus, da kein Vertrauen des Kindes besteht, das allein durch diese Handlung missbraucht werden könnte625. Im Falle eines positiven Tests besteht die Möglichkeit, dass sich der rechtliche Vater ohne Vorbehalte zu dem Kind bekennt und sich zwischen rechtlichem Vater und Kind (erstmals) eine emotionale Nähebeziehung entwickelt. Im Falle eines negativen Tests besteht mangels emotionaler Bindung des Kindes an den rechtlichen Vater keine soziale Beziehung bzw. kein Vertrauensverhältnis, aus dem das Kind herausgerissen werden könnte. (b) Intensive emotionale Bindung des Kindes Anders dagegen, wenn das Kind bereits eine intensive emotionale Beziehung zum rechtlichen Vater aufgebaut hat, da es entweder von den Zweifeln des rechtlichen Vaters nichts mitbekommen hat oder dem rechtlichen Vater die Zweifel erst nach Jahren gekommen sind. In diesem Fall wirkt sich eine Abstammungsuntersuchung unabhängig vom Ergebnis nachteilig auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes aus und beeinträchtigt folglich sein gegenwärtiges und künftiges Leben. 623 624 625

Rauscher in Staudinger, Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 116. Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a). Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a).

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Wendet sich der rechtliche Vater infolge eines negativen Tests von dem Kind ab, so verliert es seine Vertrauensperson und wird damit aus einer gefestigten sozialen Beziehung gerissen626. Aber auch wenn sich der rechtliche Vater trotz (bei einem negativen Test) bzw. wegen (bei einem positiven Test) des Ergebnisses nicht von dem Kind abwendet, hat er allein durch das offene Vorgehen nach § 1598a BGB das Vertrauen des Kindes missbraucht627. Dieser, wenn auch nur einseitig durch das Kind empfundene Verlust des Vaters, wirkt sich negativ auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes aus und ist häufig selbst dann nur schwer reparabel, wenn der rechtliche Vater dem Kind im fortgeschritteneren Alter klarmachen kann, aus welchen Gründen es zu seinem Wunsch, die genetischen Abstammungsverhältnisse klären zu lassen, gekommen ist628. (g) Zwischenergebnis Folglich hängt die Schwere und Intensität der Beeinträchtigung des Rechts des Kindes von der Intensität der Vater-Kind-Beziehung und der Festigkeit der Persönlichkeit des Kindes ab. Intensität der Vater-Kind-Beziehung Bezüglich der Intensität der Vater-Kind-Beziehung gilt, dass die Stärke der Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung und des gegenwärtigen und künftigen Lebens des Kindes davon abhängt, wie stark die emotionale Verbundenheit des Kindes zu seinem rechtlichen Vater ist; je intensiver die emotionale Verbundenheit, umso stärker wird die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes beeinträchtigt und umso mehr Gewicht kommt dem Recht des Kindes zu und je geringer die emotionale Verbundenheit, umso weniger wird die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes beeinträchtigt und umso mehr Gewicht kommt dem Recht des rechtlichen Vaters zu. Vor dem Hintergrund, dass sich nach den aktuellen familienpsychologischen Forschungen zur Vaterabwesenheit die emotionale Zuwendung des Kindes in den ersten anderthalb Lebensjahren nicht nur auf die Mutter beschränkt, sondern bereits eine solche zum Vater besteht629, kann bereits von Geburt an eine emotionale Bindung des Kindes an seinen rechtlichen 626 627 628 629

Bölsche, DER SPIEGEL 04/2005, 40 (41). Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a). Bundesrechtsanwaltskammer, FPR 2007, 414 (414). Balloff, FPR 2005, 210 (210); a. A. noch Nickel, Bd. 1, S. 293.

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Vater bestehen, die durch die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse beeinträchtigt werden kann. Da allerdings die Erinnerungsfähigkeit des Kindes bis zu seinem zweiten Lebensjahr hinsichtlich Dauer und Umfang des Behaltens noch recht schlecht ausgebildet ist630, hat bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes stets das Recht des rechtlichen Vaters Vorrang vor dem Recht des Kindes, da das Kind, auch wenn es bereits eine emotionale Beziehung zum rechtlichen Vater hat, aus der es durch das Vorgehen nach § 1598a BGB herausgerissen wird, keine bzw. kaum Erinnerungen an den Verlust der Vertrauensperson hat und deshalb die kindliche Psyche nahezu unbeschadet bleibt. Entweder wächst es nahezu von Beginn an mit einem Vater auf, ohne die Erfahrung machen zu müssen, dass der Vater es aus seiner Sicht ablehnt oder es wächst nahezu von Beginn an ohne Vater auf, was auf die Entwicklung bei Weitem nicht so dramatische Auswirkungen hat, als wenn dem Kind später „sein Papa“ genommen wird. Folglich kann festgehalten werden, dass das Recht des rechtlichen Vaters bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes generell Vorrang vor dem Recht des Kindes hat631. Daraus darf allerdings nicht geschlossen werden, dass ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes stets das Recht des Kindes als vorrangig zu bewerten ist. Da die emotionale Beziehung weniger durch das Alter als vielmehr durch die individuellen und familiären Umstände geprägt wird, gibt es freilich auch Fälle, in denen das Kind trotz seines fortgeschrittenen Alters keine emotionale Bindung an seinen rechtlichen Vater hat, sodass die Intensität der Vater-Kind-Beziehung in jedem konkreten Einzelfall ermittelt werden muss. Festigkeit der Persönlichkeit Allerdings darf im fortgeschritteneren Alter des Kindes das Vorrangverhältnis nicht allein unter Berücksichtigung der Intensität der Vater-Kind-Beziehung ermittelt werden, sondern es ist die Festigkeit der Persönlichkeit des Kindes zu berücksichtigen, da ein Kind, je älter es ist, in seiner Persönlichkeit immer gefestigter wird. Zwar ändert die gefestigtere Persönlichkeit des Kindes nichts daran, dass das Gefühl, der rechtliche Vater wolle das Kind „loswerden“, das gegenwärtige und künftige Leben des Kindes beein630

Nickel, Bd. 1, S. 222 ff. A. A. Rotax, ZFE 2007, 124 (127), der die Ansicht vertritt, dass die Tatsache, dass das Kind aufgrund seines Alters nichts von dem Verfahren mitbekommt, kein Grund dafür sei, in diesem Alter die Klärung der genetischen Abstammung ungehindert zuzulassen. 631

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trächtigt; allerdings bewirkt die gefestigtere Persönlichkeit, dass es sich um eine deutlich geringere Beeinträchtigung handelt. Zwischenergebnis Zusammenfassend kann demnach festgehalten werden, dass bis zum zweiten Lebensjahr stets das Recht des rechtlichen Vaters Vorrang vor dem Recht des Kindes hat. Ab dem zweiten Lebensjahr lässt sich dagegen kein generelles Vorrangverhältnis begründen, sondern es kann ein solches nur unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden, wobei das Recht des rechtlichen Vaters dann hinter dem Recht des Kindes zurücktreten muss, wenn die Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit durch die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse stärker beeinträchtigt wird als die des rechtlichen Vaters durch die Nichtklärung. Wie stark die Beeinträchtigung auf Seiten des Kindes ist, hängt davon ab, wie stark die emotionale Bindung des Kindes an seinen rechtlichen Vater und wie gefestigt die Persönlichkeit des Kindes ist. Auch wenn dieses nur anhand des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden kann, gilt die Leitlinie, dass dann, wenn keine bzw. nur eine geringe emotionale Bindung besteht, das Recht des rechtlichen Vaters überwiegt und dass dann, wenn eine emotionale Bindung besteht, je älter das Kind wird, wegen der gefestigteren Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht des rechtlichen Vaters überwiegt und je jünger das Kind ist, wegen der weniger gefestigten Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht des Kindes überwiegt632. (b) Allgemeine Handlungsfreiheit Bei der Abwägung des materiellen Interesses des rechtlichen Vaters an der Klärung der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes mit dem Interesse des Kindes in den gewohnten sozialen Beziehungen aufzuwachsen muss berücksichtigt werden, dass das Recht des rechtlichen Vaters lediglich durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, während das Recht des Kindes durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt wird, wobei das Kind in seiner Intimsphäre betroffen wird, die der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG näher steht als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Da das Recht des Kindes somit keiner Abwägung zugänglich ist, ergibt sich bereits aus Art und Ranghöhe der kollidierenden Rechte633, dass dem 632 633

Ausführlich dazu Brosius-Gersdorf, S. 118 ff., 122 ff. Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163).

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Recht des Kindes stets Vorrang vor dem Recht des rechtlichen Vaters einzuräumen ist. (c) Zwischenergebnis Bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes hat das Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse dann, wenn der rechtliche Vater aus immateriellen Gründen handelt, Vorrang vor dem Recht des Kindes auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen. Ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes hängt die Frage des Vorrangs davon ab, wie stark die emotionale Beziehung des Kindes zum rechtlichen Vater ist und wie gefestigt die Persönlichkeit des Kindes ist. Handelt der rechtliche Vater dagegen aus materiellen Gründen, so überwiegt stets das Recht des Kindes. (4) Recht des Vaters auf Kenntnis der Abstammung gegen Recht des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung Auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Frage, ob dem Kind ein Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung zusteht, offengelassen hat, hat es gleichwohl deutlich gemacht, dass dieses Recht ein geringeres Gewicht als das Recht des rechtlichen Vaters habe und deshalb stets hinter dem Recht des rechtlichen Vaters zurücktreten müsse634. Vor dem Hintergrund, dass sowohl die Konstellation denkbar ist, dass beim Kind und beim rechtlichen Vater das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschlägig ist als auch die Konstellation, in der dieses nur beim Kind einschlägig ist, kann die Abwägung dieser kollidierenden Rechte nicht in der vom Bundesverfassungsgericht gewählten Abstraktheit vorgenommen werden, sondern es ist im jeweiligen Einzelfall zu ermitteln, welche der beiden Konstellationen einschlägig ist. (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Möchte der rechtliche Vater die genetischen Abstammungsverhältnisse zumindest überwiegend aus immateriellen Gründen feststellen lassen, so wird dieses Interesse vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt, wobei das Interesse des rechtlichen Vaters grundrechtsdogmatisch der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG näher steht als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, da die Kenntnis bzw. Nichtkenntnis 634

BVerfG, NJW 2007, 753 (755 Rn. 72).

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über die genetische Verbindung zwischen rechtlichem Vater und Kind für das Selbstverständnis und die Persönlichkeitsentwicklung des rechtlichen Vaters prägend und damit in seiner persönlichsten Lebenssphäre anzusiedeln ist. Da auch das Recht des Kindes auf Nichtkenntnis der genetischen Abstammung aufgrund der persönlichkeitsprägenden Wirkung vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt wird und dort grundrechtsdogmatisch der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG nahe steht, stehen sich zwei gleichrangige Rechte gegenüber, deren Vorrangverhältnis nicht unter Berücksichtigung der Art und Ranghöhe der tangierten Rechte ermittelt werden kann, sondern nur unter Berücksichtigung der Intensität und Schwere ihrer Beeinträchtigung635. Vor dem Hintergrund, dass durch die Klärung bzw. Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse die Persönlichkeitsentwicklung der Betroffenen beeinträchtigt wird, ist dem Recht des Betroffenen Vorrang einzuräumen, dessen Persönlichkeitsentwicklung durch das Vorgehen stärker beeinträchtigt wird. Die Persönlichkeitsentwicklung des rechtlichen Vaters wird, wie bereits dargelegt636, durch die Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse nicht allzu stark beeinträchtigt, da der rechtliche Vater im Zeitpunkt des Vorgehens nach § 1598a BGB bereits über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt. Anders dagegen die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes, die überwiegend dadurch beeinträchtigt wird, dass der rechtliche Vater zumeist die genetischen Abstammungsverhältnisse zu einer Zeit klären lassen möchte, zu der das Kind noch über keine gefestigte Persönlichkeit verfügt. Da es aber auch denkbar ist, dass das Kind im fraglichen Zeitpunkt bereits über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt, kann kein genereller Vorrang des Rechts des Kindes angenommen werden, sondern es muss in jedem konkreten Einzelfall festgestellt werden, wessen Persönlichkeitsentwicklung durch das Vorgehen nach § 1598a BGB stärker beeinträchtigt wird. Für diese Feststellung können die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)bb)(3)(a)(g) entwickelten Leitlinien herangezogen werden, nach denen die Persönlichkeit umso gefestigter ist, je älter das Kind ist. Da dies bedeutet, dass die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes wegen der gefestigteren Persönlichkeit geringer beeinträchtigt wird, je älter das Kind ist, ergibt sich, dass, je älter das Kind wird, umso eher das Recht des rechtlichen 635 636

Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163). Ausführlich Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)bb)(3)(a).

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Vaters überwiegt und je jünger das Kind ist, umso eher das Recht des Kindes überwiegt637. Allerdings kann dieses nur dann gelten, wenn das Kind überhaupt etwas von der Abstammungsuntersuchung bzw. dem Ergebnis der Abstammungsuntersuchung mitbekommt638. Für die Frage, wann das Kind die Abstammungsuntersuchung bzw. die daraus gezogenen Konsequenzen bewusst erfährt, kann die Altergrenze von zwei Jahren herangezogen werden, da das Kind, selbst wenn es etwas von der Vornahme der Abstammungsuntersuchung mitbekommen sollte, sich wegen der fehlenden Erinnerungsfähigkeit639 nicht mehr an die daraus gezogenen Konsequenzen erinnern kann. Zusammenfassend kann demnach festgehalten werden, dass bis zum zweiten Lebensjahr stets das Recht des rechtlichen Vaters Vorrang vor dem Recht des Kindes hat. Ab dem zweiten Lebensjahr lässt sich dagegen kein generelles Vorrangverhältnis begründen, sondern es kann ein solches nur unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden, wobei das Recht des rechtlichen Vaters dann hinter dem Recht des Kindes zurücktreten muss, wenn die Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit durch Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse stärker beeinträchtigt wird als die des rechtlichen Vaters durch die Nichtklärung. Wie stark die Beeinträchtigung auf Seiten des Kindes ist, hängt von der Festigkeit seiner Persönlichkeit ab. Auch wenn dieses nur anhand des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden kann, gilt die Leitlinie, dass je älter das Kind wird, wegen der gefestigteren Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht des rechtlichen Vaters überwiegt und je jünger das Kind ist, wegen der weniger gefestigten Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht des Kindes überwiegt640. (b) Allgemeine Handlungsfreiheit Bei der Abwägung des materiellen Interesses des rechtlichen Vaters an der Klärung der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes mit dem Interesse des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung muss berücksichtigt werden, dass das Recht des rechtlichen Vaters lediglich durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, während das Recht des Kindes durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt wird. Da das Kind in seiner Intimsphäre betroffen wird, die der 637 638 639 640

Ausführlich dazu Brosius-Gersdorf, S. 118 ff., 122 ff. Ebenso Brosius-Gersdorf, NJW 2007, 806 (809). Nickel, Bd. 1, S. 222 ff. Ausführlich dazu Brosius-Gersdorf, S. 118 ff., 122 ff.

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Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG näher als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG steht und deshalb keiner Abwägung zugänglich ist, ergibt sich bereits aus Art und Ranghöhe der kollidierenden Rechte641, dass das Recht des Kindes stets Vorrang vor dem Recht des rechtlichen Vaters hat642. (c) Zwischenergebnis Bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes hat das Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse dann, wenn der rechtliche Vater aus immateriellen Gründen handelt, Vorrang vor dem Recht des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung. Ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes hängt die Frage des Vorrangs davon ab, wie gefestigt die Persönlichkeit des Kindes ist. Handelt der rechtliche Vater dagegen aus materiellen Gründen, so überwiegt stets das Recht des Kindes. (5) Ergebnis Abschließend kann festgehalten werden, dass das Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihm zugeordneten Kindes ausnahmslos Vorrang vor dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit hat. Gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes besteht dagegen kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, ob der rechtliche Vater die genetischen Abstammungsverhältnisse aus immateriellen oder aus materiellen Interessen feststellen lassen möchte. Auch gegenüber dem Recht des Kindes auf Aufwachsen in seinen gewohnten sozialen Beziehungen und dem auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung besteht kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, zu welcher Zeit der rechtliche Vater die genetischen Abstammungsverhältnisse klären lassen möchte643 und ob er dabei von immateriellen oder aus materiellen Interessen getrieben wird. 641

Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163). Ebenso die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Zeit, in der dieser ein Recht des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung anerkannte (vgl. BGH, Urteil v. 16.04.2008 – XII ZR 144/06 Rn. 16). Nach Ablehnung dieses kindlichen Rechts dagegen, nimmt der Bundesgerichtshof nicht mehr einen generellen Vorrang des Interesses des Kindes auf Nichtklärung der Abstammungsverhältnisse an (vgl. BGH, Urteil v. 16.04.2008 – XII ZR 144/06 Rn. 20). 643 A. A. Rotax, ZFE 2007, 124 (127), der der Ansicht ist, dass die Tatsache, dass Kleinkinder nichts von dem Verfahren mitbekommen, keine Begründung dafür sei, das Verfahren ungehindert zuzulassen. 642

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2. Teil: Vaterschaft

Da bei einem Vorgehen des rechtlichen Vaters gegen das Kind nach § 1598a BGB aber stets alle Grundrechte einschlägig sind, hat der rechtliche Vater nur dann einen Anspruch gegen das Kind aus § 1598a BGB, wenn er aus immateriellen Gründen handelt und das Kind entweder das zweite Lebensjahr noch nicht erreicht hat oder die Einzelfallbetrachtung ergibt, dass das Recht des Kindes hinter dem Recht des rechtlichen Vaters zurücktreten muss. Weil das Kind aber nach § 1598a Abs. 1 BGB ausnahmslos zur Erteilung der Einwilligung und Duldung der Entnahme des Genmaterials verpflichtet ist, ist § 1598a Abs. 1 BGB in seiner jetzigen Gestalt verfassungswidrig. § 1598a Abs. 2 BGB könnte dagegen verfassungsgemäß sein, da das Gericht im gerichtlichen Verfahren zumindest die Möglichkeit hat, die Ersetzung der verweigerten kindlichen Einwilligung nicht vorzunehmen644. b) Vorgehen des Kindes nach § 1598a BGB gegen den Willen von Mutter und rechtlichem Vater aa) Abwägung des Rechts des Kindes gegen die Rechte der Mutter (1) Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Kenntnis des Kindes über die eigene Abstammung beeinflusst das Selbstverständnis des Kindes und dadurch seine Persönlichkeitsentwicklung in großem Maße, sodass die Kenntnis des Kindes über seine Abstammung bzw. Nichtabstammung vom rechtlichen Vater merklichen Einfluss auf sein gegenwärtiges und künftiges Leben hat. Demgegenüber bekommt die Mutter von der Untersuchung und Auswertung ihres Genmaterials überhaupt nichts mit, sodass demzufolge allein die Einholung eines Abstammungsgutachtens keinerlei Auswirkungen auf das Leben der Mutter hat645. Macht man sich diesen Unterschied hinsichtlich der Dauer, Schwere und Intensität der Beeinträchtigung der Rechte deutlich, so ergibt sich, dass das Recht der Mutter auf informationelle Selbstbestimmung aufgrund seiner ge644 645

Dazu später Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.III. Vgl. dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(1)(a).

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB

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ringen Beeinträchtigung stets hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes zurücktreten muss. Unterstützt wird dieses unter Berücksichtigung der Dauer, Schwere und Intensität der Beeinträchtigung gefundene Abwägungsergebnis durch die Funktionsfähigkeit des Rechts des Kindes. Wegen des sogenannten Defizienfalls ist die Beeinträchtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Mutter für die Funktionsfähigkeit des Rechts des Kindes, wenn auch nicht zwingend, so doch erforderlich646. (b) Allgemeine Handlungsfreiheit/Eigentumsfreiheit Wenn das Kind lediglich die Abstammung von dem ihm rechtlich zugeordneten Mann klären lassen möchte, um sich im Falle der Nichtabstammung von diesem durch Anfechtung der Vaterschaft mit dem Ziel zu lösen, sich auch rechtlich dem vermögenderen biologischen Vater zuzuwenden, wird das Recht des Kindes von Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 GG geschützt. Da das Recht der Mutter demgegenüber weiterhin vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt wird, ergibt sich bereits aus Art und Ranghöhe der kollidierenden Rechte, dass das Recht des Kindes hinter dem Recht der Mutter zurücktreten muss647. (c) Zwischenergebnis Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung hat nur dann Vorrang vor dem informationellen Selbstbestimmungsrechts der Mutter, wenn das Kind aus immateriellen Gründen handelt. Handelt das Kind dagegen aus materiellen Gründen, so hat das Recht der Mutter Vorrang. (2) Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit Da es für die Entnahme der genetischen mütterlichen Probe keinen Unterschied macht, von wem diese vorgenommen wird, kann auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(2) getätigten Ausführungen verwiesen werden, sodass das Recht des Kindes stets das Recht der Mutter überwiegt. 646

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(1)(a). Da es keinen Unterschied macht, auf wessen Betreiben das Genmaterial der Mutter untersucht und ausgewertet wird, kann auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(1)(b) getätigten Ausführungen verwiesen werden. 647

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2. Teil: Vaterschaft

(3) Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegen sexuelles Selbstbestimmungsrecht (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Möchte das Kind aus immateriellen Gründen Kenntnis von der eigenen Abstammung erlangen, so wird dieses Interesse des Kindes, genau wie das Geheimhaltungsinteresse der Mutter, durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt, sodass sich folglich zwei vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Grundrechte gegenüberstehen. Weil sowohl das Recht des Kindes als auch das Recht der Mutter von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt werden, stehen sich zwei grundsätzlich gleichrangige Rechte gegenüber, deren Vorrangverhältnis sich dann unter Berücksichtigung der Art und Ranghöhe lösen lässt648, wenn die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützten Rechte ausnahmsweise nicht als gleichwertige Rechte denselben Rang einnehmen. Da die Kenntnis über die eigene Abstammung für das Selbstverständnis und damit die Identitätsfindung und Persönlichkeitsentwicklung des Kindes prägend ist, ist sie in der persönlichsten Lebenssphäre des Kindes anzusiedeln, sodass das Interesse des Kindes grundrechtsdogmatisch der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG näher steht als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Nicht so eindeutig ist allerdings, ob das ebenfalls vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Geheimhaltungsinteresse der Mutter der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG oder der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG näher steht. Bereits im Jahre 1960 wurde von Krüger festgestellt, dass das Recht des Kindes und das Recht der Mutter zwar von demselben Grundrecht649 geschützt würden, dennoch aber verschiedenen Erscheinungsformen oder Konkretisierungen des Persönlichkeitsschutzes entsprängen650. Auch Brosius-Gersdorf geht davon aus, dass es im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterschiedliche Persönlichkeitssphären gibt und schlägt als Antwort auf die Zuordnungsproblematik im Rahmen des sexuellen Selbstbestimmungsrechts vor, danach zu differenzieren, von welcher Person die Einblicke in das Sexualleben der Mutter drohen651. Danach soll 648

Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163). Nach Ansicht von Krüger konnten sich Kind und Mutter auf den Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG berufen. 650 Krüger, S. 78. 649

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB

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das Sexualleben gegenüber fremden Personen einen intensiveren Schutz genießen als gegenüber solchen Personen, die in enger, vertrauter oder gar intimer Beziehung stehen oder standen652. Überträgt man diese von BrosiusGersdorf für das Verhältnis zwischen rechtlichem Vater und Mutter entwickelten Kriterien auf das Verhältnis zwischen Mutter und Kind, so ergibt sich, dass das Kind, das Kenntnis der eigenen Abstammung begehrt, im Gegensatz zum rechtlichen Vater freilich nicht an der geschlechtlichen Beziehung beteiligt war, wohl aber aus dieser hervorgegangen ist und deshalb keine unbeteiligte dritte Person darstellt, die den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung berührt, sondern eine mittelbar beteiligte Person, die lediglich die der allgemeinen Handlungsfreiheit näher stehende Privatsphäre der Mutter berührt. Zu diesem Ergebnis kommt ebenfalls, wenn auch ohne nähere Begründung das Bundesverfassungsgericht653. Es stehen sich somit im Rahmen der Abwägung der kollidierenden allgemeinen Persönlichkeitsrechte auf Seiten des Kindes die Intimsphäre und auf Seiten der Mutter die Privatsphäre gegenüber. Da die Intimsphäre der Menschenwürde nahe steht, ist sie keiner Abwägung mit dem kollidierenden Recht der Mutter zugänglich, was bedeutet, dass das Recht der Mutter hinter dem Recht des Kindes zurücktreten muss. Somit ergibt sich aus Art und Ranghöhe der betroffenen Rechte, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, wenn dieses von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt wird, ausnahmslos und nicht nur grundsätzlich Vorrang vor dem Recht der Mutter auf Geheimhaltung ihres Sexuallebens hat. Unterstützt wird dieses Ergebnis noch dadurch, dass dem Kind nach ganz überwiegender Meinung ein Anspruch gegen die Mutter auf Nennung der potentiell biologischen Väter zuerkannt wird654. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung des generellen Vorrangs des Rechts des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegenüber dem Recht der Mutter auf sexuelle Selbstbestimmung655 mittlerweile aufgegeben hat656, so anerkennt es dennoch einen grundsätzlichen Vorrang des Rechts des Kindes, das allerdings hinter dem Recht der Mutter zurücktreten kann, 651

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(3)(b). Ausführlich dazu Brosius-Gersdorf, S. 75 f. 653 BVerfG, NJW 1997, 1769 (1769 B.I.). 654 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.II.1.b)hh)(1). 655 BVerfG, Beschluss v. 18.01.1988 – 1 BvR 1589/87, NJW 1988, 3010; dazu Wanitzek, S. 367. 656 BVerfG, Beschluss v. 06.05.1997 – 1 BvR 409/90, NJW 1997, 1769; kritisch dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.II.1.b)hh)(2). 652

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2. Teil: Vaterschaft

wenn diese im konkreten Einzelfall gravierende Belange geltend machen kann, die gegen eine Auskunftserteilung sprechen657. In den allermeisten Fällen ergibt die vorgenommene Einzelfallbetrachtung aber einen Vorrang des Rechts des Kindes gegenüber dem Recht der Mutter658. Dies führt dazu, dass das Kind, mit Ausnahme weniger Einzelfälle, einen Anspruch gegen die Mutter auf Nennung aller potentiell biologischer Väter hat. Wenn schon in dem Fall, in dem die Mutter zur namentlichen Nennung der Väter verpflichtet ist, das Recht der Mutter hinter dem Recht des Kindes zurücktreten muss, so muss dies erst recht dann gelten, wenn bloß festgestellt wird, dass die Mutter zum Zeitpunkt der Empfängnis Mehrverkehr hatte. Dass der Erst-recht-Schluss hier Anwendung findet, liegt daran, dass der Eingriff im letztgenannten Fall geringer als im erstgenannten Fall ist, weil durch die bloße Feststellung des Mehrverkehrs im Unterschied zur namentlichen Benennung keine Details aus dem Sexualleben der Mutter offenbart werden. Folglich spricht auch die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Leitlinie zum Auskunftsanspruch des Kindes gegenüber seiner Mutter dafür, dass das Geheimhaltungsinteresse der Mutter hinter dem Interesse des Kindes an der Feststellung der genetischen Abstammung zurücktreten muss. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung generell Vorrang vor dem Recht der Mutter auf Geheimhaltung ihres Sexuallebens hat659. (b) Allgemeine Handlungsfreiheit/Eigentumsfreiheit Bei der Abwägung des materiellen Interesses des Kindes an seiner eigenen Abstammung mit dem Interesse der Mutter an der Geheimhaltung ihres Sexuallebens kollidiert die allgemeine Handlungsfreiheit/Eigentumsfreiheit des Kindes nach Art. 2 Abs. 1 GG/Art. 14 GG mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Mutter nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, wobei die Mutter in ihrer, der allgemeinen Handlungsfreiheit nahestehenden, Privatsphäre betroffen ist. Ebenso wie bei der Abwägung im Verhältnis zwischen rechtlichem Vater und Mutter660 kann das Abwägungsergebnis nicht allein unter Berücksichtigung der Art und Ranghöhe der betroffenen Rechte ermittelt werden, sondern es ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Aus657

Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Löhnig, Rn. 67. Diederichsen in Palandt, § 1618a Rn. 3; Rauscher in Staudinger, Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 93. 659 So auch Brosius-Gersdorf, S. 103. 660 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(3)(b). 658

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB

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kunftsanspruch des Kindes gegen die Mutter auf Nennung aller potentiell biologischer Väter zu berücksichtigen. Da das Bundesverfassungsgericht dem Kind auch dann einen Auskunftsanspruch gegen seine Mutter zuspricht, wenn dieses lediglich aus unterhalts- oder erbrechtlichen Interessen, also aus materiellen Gründen, wissen möchte, wer als potentiell biologischer Vater in Betracht kommt, wird deutlich, dass aus Sicht der Verfassungsrichter das Recht des Kindes Vorrang gegenüber dem Recht der Mutter genießt661. Legt man diese Abwägung zugrunde, so führt dies dazu, dass erst recht dann, wenn es nur um die bloße Klärung der Abstammung ohne Offenbarung von Details und damit um einen geringeren Eingriff geht, im Rahmen der Abwägung nichts anderes gelten kann. Allerdings verkennt diese Ansicht, dass zwischen den kollidierenden Grundrechtspositionen des Art. 2 Abs. 1 GG/Art. 14 GG auf der einen und des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auf der anderen Seite ein gravierender Rangunterschied besteht, der nicht unberücksichtigt bleiben kann. Es bleibt demnach dabei, dass unter Berücksichtigung der Art und Ranghöhe ein genereller Vorrang des Geheimhaltungsinteresses der Mutter gegenüber dem materiellen Interesse des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung besteht662. (c) Zwischenergebnis Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung hat nur dann Vorrang vor dem sexuellen Selbstbestimmungsrecht der Mutter, wenn das Kind aus immateriellen Gründen handelt. Handelt es dagegen aus materiellen Gründen, so überwiegt das Recht der Mutter. (4) Ergebnis Abschließend kann festgehalten werden, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ausnahmslos Vorrang vor dem Recht der Mutter auf körperliche Unversehrtheit hat. Gegenüber dem informationellen und sexuellen Selbstbestimmungsrecht der Mutter besteht dagegen kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls 661 BVerfG, NJW 1997, 1769 (1769); so auch Muscheler/Bloch, FPR 2002, 339 (349); Schwer in JurisPK Bd. 4, § 1618a Rn. 7. 662 So auch im Ergebnis Rauscher in Staudinger, Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 96; Meyer, S. 185; Schwab, Rn. 559; Weber, FamRZ 1996, 1254 (1260).

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2. Teil: Vaterschaft

ermittelt werden, ob das Kind die genetischen Abstammungsverhältnisse aus immateriellen oder aus materiellen Interessen feststellen lassen möchte. Da bei einem Vorgehen des Kindes gegen die Mutter nach § 1598a BGB aber stets alle Grundrechte einschlägig sind, hat das Kind nur dann einen Anspruch gegen die Mutter aus § 1598a BGB, wenn es aus immateriellen Gründen handelt. Weil die Mutter aber nach § 1598a Abs. 1 BGB ausnahmslos zur Erteilung der Einwilligung und Duldung der Entnahme des Genmaterials verpflichtet ist, ist § 1598a Abs. 1 BGB in seiner jetzigen Gestalt verfassungswidrig. Gleiches gilt für § 1598a Abs. 2 BGB, da das Gericht im gerichtlichen Verfahren keine Möglichkeit hat, die Ersetzung der verweigerten mütterlichen Einwilligung nicht vorzunehmen. bb) Abwägung des Rechts des Kindes gegen die Rechte des rechtlichen Vaters (1) Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht Bei der Abwägung dieser Rechte macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob das informationelle Selbstbestimmungsrecht des rechtlichen Vaters oder der Mutter betroffen ist, da die Untersuchung und Auswertung des Genmaterials des rechtlichen Vaters nicht anders als die des Genmaterials der Mutter erfolgt. Aus diesem Grund kann bezüglich der Abwägung auf Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)aa)(1) verwiesen werden, sodass das Recht des Kindes dann, wenn es aus immateriellen Interessen Kenntnis von den genetischen Abstammungsverhältnissen erlangen möchte, Vorrang vor dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des rechtlichen Vaters hat, während das Recht des Kindes hinter dem Recht des rechtlichen Vaters zurücktreten muss, wenn das Kind aus materiellen Interessen handelt. Bekräftigt wird dieses Abwägungsergebnis im Verhältnis zwischen Kind und rechtlichem Vater durch die Berücksichtigung der Funktionsfähigkeit des Rechts des Kindes. Ohne die Möglichkeit, auf das Genmaterial des rechtlichen Vaters zugreifen zu können, könnte das Kind niemals von seinem verfassungsrechtlich verankerten Recht Gebrauch machen663. Die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des bedrohten Grundrechts des Kindes unter663 Canaris, JuS 1989, 161 (163); Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); so auch BVerfG, NJW 2007, 753 (755 Rn. 73).

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scheidet die vorliegende Konfliktlage von der zwischen Kind und Mutter, da das Kind in letzterem Fall auch Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse erlangen könnte, ohne zusätzlich das Genmaterial der Mutter auszuwerten. Wenn aber schon dann dem Recht des Kindes Vorrang zukommt, wenn der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Grundrechts nicht zwingend erforderlich ist, so kann nichts anderes gelten, wenn der Eingriff zwingend erforderlich ist. (2) Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit Auch bei der Abwägung dieser kollidierenden Rechte ergibt sich grundsätzlich nichts anderes als bei der bereits im Verhältnis zwischen Kind und Mutter vorgenommenen Abwägung, da es keinen Unterschied macht, ob der Mutter oder dem rechtlichen Vater eine genetische Probe entnommen wird. Aus diesem Grund kann auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)aa)(2) vorgenommene Abwägung verwiesen werden, mit der Folge, dass dem Interesse des Kindes stets Vorrang vor dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit des rechtlichen Vaters einzuräumen ist. Dieses aufgrund der unterschiedlichen Schwere und Intensität der Betroffenheit sowie im Falle des immateriellen Klärungsinteresses des Kindes aufgrund der unterschiedlichen Art und Ranghöhe gefundene Abwägungsergebnis wird im Verhältnis zwischen Kind und rechtlichem Vater gegenüber dem Verhältnis zwischen Kind und Mutter noch durch die Funktionsfähigkeit des Rechts des Kindes unterstützt, da das Kind ohne die Entnahme einer genetischen Probe des rechtlichen Vaters schon gar nicht die Möglichkeit hätte, von seinem Recht Gebrauch zu machen664. Wenn aber schon dann dem Recht des Kindes Vorrang zukommt, wenn der Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Grundrechts nicht zwingend erforderlich ist, so kann nichts anderes gelten, wenn der Eingriff zwingend erforderlich ist. Somit kann festgehalten werden, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung unabhängig davon, ob das Kind immaterielle oder materielle Interessen verfolgt, stets Vorrang vor dem Recht des rechtlichen Vaters auf körperliche Unversehrtheit hat.

664 Canaris, JuS 1989, 161 (163); Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); so auch BVerfG, NJW 2007, 753 (755 Rn. 73).

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2. Teil: Vaterschaft

(3) Ergebnis Abschließend kann festgehalten werden, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ausnahmslos Vorrang vor dem Recht des rechtlichen Vaters auf körperliche Unversehrtheit hat. Gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des rechtlichen Vaters besteht dagegen kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, ob das Kind die genetischen Abstammungsverhältnisse aus immateriellen oder aus materiellen Interessen feststellen lassen möchte. Da bei einem Vorgehen des Kindes gegen den rechtlichen Vater nach § 1598a BGB aber stets alle Grundrechte einschlägig sind, hat das Kind nur dann einen Anspruch gegen den rechtlichen Vater aus § 1598a BGB, wenn es aus immateriellen Gründen handelt. Weil der rechtliche Vater aber nach § 1598a Abs. 1 BGB ausnahmslos zur Erteilung der Einwilligung und Duldung der Entnahme des Genmaterials verpflichtet ist, ist § 1598a Abs. 1 BGB in seiner jetzigen Gestalt verfassungswidrig. Gleiches gilt für § 1598a Abs. 2 BGB, da das Gericht im gerichtlichen Verfahren keine Möglichkeit hat, die Ersetzung der verweigerten väterlichen Einwilligung nicht vorzunehmen.

c) Vorgehen der Mutter nach § 1598a BGB gegen den Willen von rechtlichem Vater und Kind aa) Abwägung des Rechts der Mutter gegen die Rechte des rechtlichen Vaters (1) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht Da es für die Untersuchung und Auswertung des Genmaterials des rechtlichen Vaters keinen Unterschied macht, ob sie im Auftrag des Kindes oder der Mutter erfolgt, wird das informationelle Selbstbestimmungsrecht des rechtlichen Vaters bei einem Vorgehen der Mutter genauso wie bei einem Vorgehen des Kindes beeinträchtigt. Folglich kann auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)bb)(1) getätigten Auswirkungen verwiesen werden, sodass das Recht der Mutter dann Vorrang vor dem Recht des rechtlichen Vaters hat, wenn diese aus immateriellen Gründen handelt, während dem Recht des rechtlichen Vaters Vorrang zukommt, wenn die Mutter aus materiellen Gründen handelt665.

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(2) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit Auch bei der Abwägung dieser kollidierenden Rechte ergibt sich nichts anderes als bei der im Verhältnis zwischen Kind und rechtlichem Vater vorgenommenen Abwägung, da es keinen Unterschied macht, ob die genetische Probe von dem Kind oder der Mutter entnommen wird. Aus diesem Grund kann auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)bb)(2) vorgenommene Abwägung verwiesen werden, mit der Folge, dass das Recht der Mutter, unabhängig davon, ob diese aus immateriellen oder materiellen Gründen handelt, wegen der Schwere und Intensität der Beeinträchtigung und der Funktionsfähigkeit des Rechts stets Vorrang vor dem Recht des rechtlichen Vaters hat. Dieses Abwägungsergebnis ergibt sich, wenn die Mutter ein immaterielles Interesse an der Klärung der väterlichen Abstammung des Kindes hat, zudem aus Art und Ranghöhe der tangierten Rechte. (3) Ergebnis Abschließend kann festgehalten werden, dass das Recht der Mutter auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse ausnahmslos Vorrang vor dem Recht des rechtlichen Vaters auf körperliche Unversehrtheit hat. Gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des rechtlichen Vaters besteht dagegen kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, ob die Mutter die genetischen Abstammungsverhältnisse aus immateriellen oder aus materiellen Interessen feststellen lassen möchte. Da bei einem Vorgehen der Mutter gegen den rechtlichen Vater nach § 1598a BGB aber stets alle Grundrechte einschlägig sind, hat die Mutter nur dann einen Anspruch gegen den rechtlichen Vater aus § 1598a BGB, wenn sie aus immateriellen Gründen handelt. Weil der rechtliche Vater aber nach § 1598a Abs. 1 BGB ausnahmslos zur Erteilung der Einwilligung und Duldung der Entnahme des Genmaterials verpflichtet ist, ist § 1598a Abs. 1 BGB in seiner jetzigen Gestalt verfassungswidrig. Gleiches gilt für § 1598a Abs. 2 BGB, da das Gericht im gerichtlichen Verfahren keine Möglichkeit hat, die Ersetzung der verweigerten väterlichen Einwilligung nicht vorzunehmen. 665 A. A. Muscheler, FPR 2008, 257 (258), der davon ausgeht, dass das Recht der Mutter stets hinter dem Recht des rechtlichen Vaters auf informationelle Selbstbestimmung zurücktreten müsse, weil die Mutter mit ihrem Klärungsbegehren auf ein Abstammungsverhältnis einwirkt, an dem sie nur mittelbar beteiligt ist.

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2. Teil: Vaterschaft

bb) Abwägung des Rechts der Mutter gegen die Rechte des Kindes (1) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht Da es für die Untersuchung und Auswertung des Genmaterials des Kindes keinen Unterschied macht, ob die Untersuchung und Auswertung auf Betreiben des rechtlichen Vaters oder der Mutter erfolgt, wird das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes bei einem Vorgehen der Mutter gleichermaßen wie bei einem Vorgehen des rechtlichen Vaters beeinträchtigt. Folglich kann auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)bb)(1) getätigten Auswirkungen verwiesen werden, sodass das Recht der Mutter dann Vorrang vor dem Recht des Kindes hat, wenn sie aus immateriellen Interessen handelt, während dem Recht des Kindes Vorrang gebührt, wenn die Mutter aus materiellen Interessen handelt666. (2) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit Auch bei der Abwägung dieser kollidierenden Rechte ergibt sich nichts anderes als bei der im Verhältnis zwischen rechtlichem Vater und Kind vorgenommenen Abwägung, da es keinen Unterschied macht, ob die genetische Probe von dem rechtlichen Vater oder der Mutter entnommen wird. Aus diesem Grund kann auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)bb)(2) vorgenommene Abwägung verwiesen werden, mit der Folge, dass das Recht der Mutter, unabhängig davon, ob diese aus immateriellen oder materiellen Gründen handelt, wegen der Schwere und Intensität der Beeinträchtigung und der Funktionsfähigkeit des Rechts stets Vorrang vor dem Recht des Kindes hat. Hat die Mutter ein immaterielles Interesse an der Klärung der väterlichen Abstammung des Kindes, ergibt sich dieses Abwägungsergebnis zudem aus Art und Ranghöhe der tangierten Rechte. (3) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen Da bei einem Vorgehen der Mutter ein Abstammungsverhältnis überprüft wird, an dem die Mutter selbst nicht beteiligt ist, zieht die Mutter weder 666 A. A. Muscheler, FPR 2008, 257 (258), der davon ausgeht, dass das Recht der Mutter stets hinter dem Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung zurücktreten müsse, weil die Mutter mit ihrem Klärungsbegehren auf ein Abstammungsverhältnis einwirkt, an dem sie nur mittelbar beteiligt ist.

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB

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emotionale Konsequenzen aus dem Ergebnis der Abstammungsuntersuchung noch stellt allein das Vorgehen der Mutter nach § 1598a BGB aus Sicht des Kindes einen Vertrauensverlust dar. Einen Vertrauensverlust könnte das Kind allerdings möglicherweise dadurch erleiden, dass das Kind bereits durch das bloße Begehren der Mutter, die genetischen Abstammungsverhältnisse klären zu lassen, erfährt, dass diese möglicherweise untreu war, auf alle Fälle aber einen unsteten Lebenswandel führte und in einem engen Zeitraum mit mehreren Männern geschlechtlich verkehrte. Dieses erschütterte Vertrauen führt aber in aller Regel nicht dazu, dass das Kind mit der Mutter bricht und somit aus seiner sozialen Beziehung zur Mutter herausgerissen wird, sondern nur dazu, dass die Unbeschwertheit der Mutter-Kind-Beziehung gestört wird. Folglich wird das Kind durch das Vorgehen der Mutter nach § 1598a BGB in aller Regel nicht aus seiner sozialen Beziehung zur Mutter gerissen. Allerdings kann das Kind bei einem Vorgehen der Mutter genau wie bei einem Vorgehen des rechtlichen Vaters aus seiner sozialen Beziehung zum rechtlichen Vater gerissen werden. Im Unterschied zu einem Vorgehen des rechtlichen Vaters wird das Kind bei einem Vorgehen der Mutter noch nicht durch das bloße Klärungsbegehren aus der sozialen Beziehung zum rechtlichen Vater gerissen, da der rechtliche Vater passiv ist und nichts tut, was das Vertrauen des Kindes zerstören könnte. Wird durch die Abstammungsuntersuchung allerdings die fehlende genetische Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater aufgedeckt, so besteht die Gefahr, dass der rechtliche Vater, der erfährt, nicht der biologische Vater des ihm zugeordneten Kindes zu sein, emotionale Konsequenzen aus dieser fehlenden genetischen Verbindung zieht und sich vom Kind abwendet, was für das Kind bedeutet, dass es aus seiner sozialen Beziehung zum rechtlichen Vater gerissen wird. Unabhängig davon, ob das Kind eine soziale Beziehung zu seinem rechtlichen Vater hat oder nicht, kann es, wenn es in einer intakten sozialen Familie aufwächst, bei einem Vorgehen der Mutter aus den gewohnten sozialen Beziehungen der sozialen Familie herausgerissen werden667. Da aber die Entwicklung und das Leben des Kindes durch das Herausreißen aus einer sozia667 Durch das Vorgehen der Mutter erlangt der rechtliche Vater Kenntnis darüber, dass neben ihm ein weiterer Mann als Vater in Betracht kommt, was bedeutet, dass die Mutter im Zeitpunkt der Empfängnis mit mehreren Männern geschlechtlich verkehrte. Bekommt der rechtliche Vater durch das Vorgehen der Mutter vielleicht erstmals Zweifel an ihrer Treue, so führen diese Zweifel zu einem Vertrauensverlust, mit der Folge, dass die soziale Familie gefährdet wird. Aber auch dann, wenn die Mutter den rechtlichen Vater über ihre Untreue unterrichtet hat, wird Unruhe in die bis dato intakte soziale Familie gebracht, da durch das Vorgehen der Mutter ein Bohren in alten Wunden bedeutet, was ein erneutes, schmerzhaftes Auseinandersetzen mit der Situation provoziert.

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2. Teil: Vaterschaft

len Beziehung zu einem Elternteil stärker als durch das Herausreißen aus einer intakten sozialen Familie beeinträchtigt wird668, soll das Herausreißen aus der intakten sozialen Familie vorliegend unberücksichtigt bleiben. Dass die Nichtberücksichtigung des Herausreißens aus der intakten sozialen Familie überhaupt möglich ist, liegt daran, dass das Bestehen oder Nichtbestehen einer sozialen Beziehung zu einem Elternteil völlig unabhängig vom Bestehen einer intakten sozialen Familie ist. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass auch bei Zerstörung der Familie in ihrem sozialen Bestand das Kind weiterhin eine soziale Beziehung zu dem jeweiligen Elternteil haben kann. Aus diesem Grund und vor dem Hintergrund, dass das Kind in den meisten Fällen eine soziale Beziehung zu seinem rechtlichen Vater hat669, wird im Folgenden nur das Herausreißen des Kindes aus seiner sozialen Beziehung zum rechtlichen Vater untersucht. (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Die Kenntnis der Mutter über die genetischen Abstammungsverhältnisse beeinflusst das Selbstverständnis der Mutter sowie ihre Persönlichkeitsentwicklung. Da sich die Kenntnis der Mutter demnach merklich auf ihr gegenwärtiges und künftiges Leben auswirkt, wird sie vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt und steht dabei der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG näher als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Diesem Interesse steht das Interesse des Kindes entgegen, in der gewohnten sozialen Beziehung aufzuwachsen und, um zu einer gefestigten Persönlichkeit heranwachsen zu können, nicht aus dieser herausgerissen zu werden. Wegen seines großen Einflusses auf die Persönlichkeit des Kindes und sein gegenwärtiges und künftiges Leben wird dieses Interesse ebenfalls vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt und steht dabei der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG näher als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Weil sich somit zwei gleichrangige Rechte gegenüberstehen, kann das Vorrangverhältnis dieser Rechte nicht unter Beachtung der Art und Ranghöhe, sondern nur durch Berücksichtigung der Schwere und Intensität ihrer Beeinträchtigung ermittelt werden670, wobei das Recht des Betroffenen stärker beeinträchtigt wird, dessen Persönlichkeitsentwicklung und damit gegenwärtiges und künftiges Leben durch die Klärung bzw. Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse stärker beeinträchtigt wird. 668 669 670

Erhard/Janig, S. 64 f. in Bezug auf den Vater; Wicki, S. 131 ff. Dazu später Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.2.b)bb). Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163).

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB

223

Da die Mutter das Interesse an der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse grundsätzlich in einem Alter hat, in dem sie aufgrund ihrer Lebenserfahrung und der damit verbundenen Reife über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt, wird die Persönlichkeitsentwicklung und damit das gegenwärtige und künftige Leben der Mutter durch die Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse relativ gering beeinträchtigt. Die Beantwortung der Frage, wie stark das Kind durch Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse in seiner Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt wird, hängt dagegen nicht nur von der im jeweiligen Einzelfall zu ermittelnden Festigkeit seiner Persönlichkeit, sondern vor allem von der Beschaffenheit bzw. Intensität der Vater-Kind-Beziehung ab671. Auch wenn die Gefahr, dass das Kind aus der sozialen Beziehung zum rechtlichen Vater gerissen wird, grundsätzlich nur im Falle einer negativen Abstammungsuntersuchung besteht, darf das Vorrangverhältnis nicht unter Abstellung auf das Testergebnis entschieden werden, da dieses im Zeitpunkt des Vorgehens nach § 1598a BGB noch ungewiss ist672. Vielmehr gilt auch hier, dass die Beschaffenheit der Vater-Kind-Beziehung maßgeblich ist, sodass auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)bb)(3)(a) getätigten Ausführungen verwiesen werden kann. Daraus ergibt sich, dass bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes stets das Recht der Mutter Vorrang vor dem Recht des Kindes hat. Ab dem zweiten Lebensjahr lässt sich dagegen kein generelles Vorrangverhältnis begründen, sondern es kann ein solches nur unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden. Dabei gilt die Leitlinie, dass dann, wenn keine bzw. nur eine geringe emotionale Bindung des Kindes an seinen rechtlichen Vater besteht, das Recht der Mutter überwiegt und dass dann, wenn eine emotionale Bindung des Kindes an den rechtlichen Vater besteht, je älter das Kind wird, wegen der gefestigteren Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht der Mutter überwiegt und je jünger das Kind ist, wegen der weniger gefestigten Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht des Kindes überwiegt. (b) Allgemeine Handlungsfreiheit/Eigentumsfreiheit Bei der Abwägung des materiellen Interesses der Mutter an der Feststellung der genetischen Abstammung des in Rede stehenden Kindes mit dem Interesse des Kindes in den gewohnten sozialen Beziehungen aufzuwach671 So auch Meysen, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_ Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 6. 672 Rauscher in Staudinger, Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 116.

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2. Teil: Vaterschaft

sen, muss berücksichtigt werden, dass das Recht der Mutter lediglich durch Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 GG geschützt ist, während das Recht des Kindes durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt wird, wobei das Kind in seiner der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG nahestehenden Intimsphäre betroffen wird, mit der Folge, dass das Recht des Kindes keiner Abwägung zugänglich ist. Somit ergibt sich bereits aus Art und Rangverhältnis der kollidierenden Rechte673, dass dem Recht des Kindes stets Vorrang vor dem Recht der Mutter einzuräumen ist. (c) Zwischenergebnis Bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes hat das Recht der Mutter auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse dann Vorrang vor dem Recht des Kindes auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen, wenn die Mutter aus immateriellen Gründen handelt. Ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes hängt die Frage des Vorrangs davon ab, wie stark die emotionale Beziehung des Kindes zum rechtlichen Vater und wie gefestigt die Persönlichkeit des Kindes ist. Handelt die Mutter dagegen aus materiellen Gründen, so überwiegt stets das Recht des Kindes. (4) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung (a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Möchte die Mutter die genetischen Abstammungsverhältnisse zumindest überwiegend aus immateriellen Gründen feststellen lassen, so wird dieses Interesse vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt, wobei das Interesse der Mutter grundrechtsdogmatisch der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG näher steht als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, da die Kenntnis bzw. Nichtkenntnis über die genetische Verbindung zwischen rechtlichem Vater und Kind für das Selbstverständnis und die Persönlichkeitsentwicklung der Mutter prägend und damit in der persönlichsten Lebenssphäre der Mutter anzusiedeln ist. Da auch das Recht des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung aufgrund seiner persönlichkeitsprägenden Wirkung vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt wird und dort grundrechtsdogmatisch der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG nahe steht, stehen sich zwei gleich673

Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163).

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB

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rangige Rechte gegenüber, deren Vorrangverhältnis nicht unter Berücksichtigung ihrer Art und Ranghöhe, sondern nur anhand der Intensität und Schwere ihrer Beeinträchtigung ermittelt werden kann674, wobei das Recht des Betroffenen stärker beeinträchtigt wird, dessen Persönlichkeitsentwicklung durch die Klärung bzw. Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse stärker beeinträchtigt wird. Für das Vorrangverhältnis bedeutet dies, dass dem Recht des Betroffenen Vorrang einzuräumen ist, dessen Persönlichkeitsentwicklung durch das Vorgehen stärker beeinträchtigt wird. Die Persönlichkeitsentwicklung der Mutter wird, wie bereits dargelegt675, durch die Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse nicht allzu stark beeinträchtigt, da sie im Zeitpunkt des Vorgehens nach § 1598a BGB bereits über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt, während das Kind im Zeitpunkt des Vorgehens der Mutter in der Regel noch nicht über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt. Da es aber auch denkbar ist, dass das Kind im fraglichen Zeitpunkt bereits über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt, kann kein genereller Vorrang des Rechts des Kindes angenommen werden, sondern es muss in jedem konkreten Einzelfall festgestellt werden, wessen Persönlichkeitsentwicklung stärker beeinträchtigt wird. Da das Kind unabhängig davon, ob die Abstammungsuntersuchung auf Betreiben des rechtlichen Vaters oder der Mutter durchgeführt wird, Kenntnis über die eigene Abstammung erlangt, macht es für die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes keinen Unterschied, ob die Abstammungsuntersuchung auf Betreiben des rechtlichen Vaters oder der Mutter durchgeführt wird, sodass auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)bb)(4)(b) getätigten Auswirkungen verwiesen werden kann. Folglich hat das Recht der Mutter bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes stets Vorrang vor dem Recht des Kindes. Ab dem zweiten Lebensjahr lässt sich dagegen kein generelles Vorrangverhältnis begründen, sondern es kann ein solches nur unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden, wobei das Recht der Mutter dann hinter dem Recht des Kindes zurücktreten muss, wenn die Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit durch die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse stärker beeinträchtigt wird als die der Mutter durch die Nichtklärung. Wie stark die Beeinträchtigung auf Seiten des Kindes ist, hängt von der Festigkeit seiner Persönlichkeit ab. Auch wenn dieses nur anhand des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden kann, gilt die Leitlinie, dass je älter das Kind wird, wegen der gefestigteren Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht der Mutter überwiegt und je jünger das Kind ist, wegen der we674 675

Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163). Vgl. Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.c)bb)(3)(a).

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2. Teil: Vaterschaft

niger gefestigten Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht des Kindes überwiegt. (b) Allgemeine Handlungsfreiheit/Eigentumsfreiheit Bei der Abwägung des materiellen Interesses der Mutter an der Klärung der genetischen Abstammung des in Rede stehenden Kindes mit dem Interesse des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung muss berücksichtigt werden, dass das Recht der Mutter lediglich durch Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 GG geschützt ist, während das Recht des Kindes durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt wird, wobei das Kind in seiner der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG nahestehenden Intimsphäre betroffen wird. Da das Recht des Kindes somit keiner Abwägung zugänglich ist, ergibt sich bereits aus Art und Ranghöhe der kollidierenden Rechte676, dass dem Recht des Kindes stets Vorrang vor dem Recht der Mutter einzuräumen ist. (c) Zwischenergebnis Bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes hat das Recht der Mutter auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse dann Vorrang vor dem Recht des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung, wenn die Mutter aus immateriellen Gründen handelt. Ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes hängt die Frage des Vorrangs davon ab, wie gefestigt die Persönlichkeit des Kindes ist. Handelt die Mutter dagegen aus materiellen Gründen, so überwiegt stets das Recht des Kindes. (5) Ergebnis Abschließend kann festgehalten werden, dass das Recht der Mutter auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse ausnahmslos Vorrang vor dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit hat. Gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes besteht dagegen kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, ob die Mutter die genetischen Abstammungsverhältnisse aus immateriellen oder aus materiellen Interessen feststellen lassen möchte. Auch gegenüber dem Recht des Kindes nicht aus seinen gewohnten sozialen Beziehungen herausgerissen zu werden und dem auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung besteht kein genereller Vorrang, sondern es muss an676

Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163).

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB

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hand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, zu welcher Zeit die Mutter die genetischen Abstammungsverhältnisse klären lassen möchte677 und ob sie dabei aus immateriellen oder aus materiellen Interessen getrieben wird. Da bei einem Vorgehen der Mutter gegen das Kind nach § 1598a BGB aber stets alle Grundrechte einschlägig sind, hat die Mutter nur dann einen Anspruch gegen das Kind aus § 1598a BGB, wenn sie aus immateriellen Gründen handelt und das Kind entweder das zweite Lebensjahr noch nicht erreicht hat oder die Einzelfallbetrachtung ergibt, dass das Recht des Kindes hinter dem Recht der Mutter zurücktreten muss. Weil das Kind aber nach § 1598a Abs. 1 BGB ausnahmslos zur Erteilung der Einwilligung und Duldung der Entnahme des Genmaterials verpflichtet ist, ist § 1598a Abs. 1 BGB in seiner jetzigen Gestalt verfassungswidrig. § 1598a Abs. 2 BGB könnte dagegen verfassungsgemäß sein, da das Gericht im gerichtlichen Verfahren zumindest die Möglichkeit hat, die Ersetzung der verweigerten kindlichen Einwilligung nicht vorzunehmen678. III. Ergebnis Die Abwägung der kollidierenden Grundrechte ergibt, dass sowohl Situationen denkbar sind, in denen das Interesse des Klärungsberechtigten auf Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse das Interesse des Anspruchsverpflichteten auf Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse überwiegt als auch Situationen, in denen das Interesse des Anspruchsverpflichteten auf Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse Vorrang vor dem Interesse des Klärungsberechtigten auf Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse hat. Die Folge davon ist, dass dem Klärungsberechtigten nicht ausnahmslos in jeder denkbaren Situation ein Anspruch auf Einwilligung in die Durchführung einer genetischen Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme der dafür geeigneten genetischen Probe zusteht. Vor dem Hintergrund, dass es überwiegend rechtliche Väter sein werden, die nach § 1598a BGB vorgehen679, um sich im Falle der fehlenden genetischen Abstammung des ihnen zugeordneten Kindes durch Einleitung der Vaterschaftsanfechtung nach §§ 1600–1600c BGB von den ihnen auferleg677 A. A. Rotax, ZFE 2007, 124 (127), der der Ansicht ist, dass die Tatsache, dass Kleinkinder nichts von dem Verfahren mitbekommen, keine Begründung dafür sei, das Verfahren ungehindert zuzulassen. 678 Dazu sogleich Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.III. 679 Vgl. Fn. 300.

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2. Teil: Vaterschaft

ten finanziellen Verpflichtungen zu befreien680, wird es sogar die Mehrzahl der Fälle sein, in denen das Recht des Klärungsberechtigten keinen Vorrang vor den Rechten des Anspruchsverpflichteten hat und dem Klärungsberechtigten somit kein Anspruch auf Einwilligung in die Durchführung einer genetischen Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme der dafür geeigneten genetischen Probe zusteht. Da § 1598a Abs. 1 BGB dem Klärungsberechtigten allerdings ausnahmslos einen Anspruch gegen den Anspruchsverpflichteten auf Einwilligung in die Durchführung einer Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme einer dafür geeigneten genetischen Probe zuspricht, ist § 1598a Abs. 1 BGB in seiner jetzigen Gestalt verfassungswidrig. Nicht anderes gilt für § 1598a Abs. 2 BGB. Da dem Klärungsberechtigten durch die gerichtliche Ersetzung der verweigerten außergerichtlichen Einwilligung die Möglichkeit zur Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse eröffnet wird, ist die generell vorzunehmende gerichtliche Ersetzung nur dann mit den Grundrechten des Anspruchsverpflichteten vereinbar und damit verfassungsgemäß, wenn dessen Rechte in allen erdenklichen Situationen hinter dem Recht des Klärungsberechtigten zurücktreten müssen. Da dieses aber gerade nicht der Fall ist, werden die Grundrechte des Anspruchsverpflichteten durch die jederzeit zu ersetzende Einwilligung verletzt. Obwohl die gerichtliche Ersetzung der verweigerten kindlichen Einwilligung nach § 1598a Abs. 3 BGB ausgesetzt werden kann, gilt dies auch im Hinblick auf das anspruchsverpflichtete Kind. Der Grund dafür ist, dass § 1598a Abs. 3 BGB zum einen nach seinem eindeutigen Wortlaut nur auf das minderjährige Kind Anwendung findet und zum anderen nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers restriktiv angewandt werden soll681, sodass die Ersetzung der Einwilligung nicht stets, wenn die Rechte des Kindes Vorrang vor dem Recht des Klärungsberechtigten haben, ausgesetzt werden kann, sondern trotz der damit verbundenen Grundrechtsverletzung die verweigerte kindliche Einwilligung ersetzt werden muss682. 680 So auch Meysen, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 18; Rotax, ZFE 2007, 9 (12,16). 681 BT-Drucks. 16/6561, S. 13. 682 Helms, FamRZ 2008, 1033 (1036); Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1281); Deutscher Richterbund, FPR 2007, 418 (419); Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1187); Willutzki, ZRP 2007, 180 (184). und Borth, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 3. weisen darauf hin, dass die Norm des § 1598a Abs. 3 BGB mit § 1568 Abs. 1 1. Fall BGB vergleichbar sei da auch diese Norm in der Praxis keine nennenswerte Wirkung entfalte (nach Helms, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 13 f. kam sie in weniger als einem von 10.000 zur Anwendung), sei nichts anderes von § 1598a Abs. 3 BGB zu erwarten; ebenso Muscheler, FPR 2008, 257 (262); a. A. Groß,

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB

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Zusammenfassend kann demnach festgehalten werden, dass es dem Gesetzgeber sowohl bei der Ausgestaltung des § 1598a Abs. 1 BGB als auch des § 1598a Abs. 2 BGB nicht gelungen ist, die Grundrechte aller unmittelbar an § 1598a BGB beteiligten Personen gleichermaßen zur Verwirklichung zu bringen und zu gewährleisten, dass in allen erdenklichen Situationen die tangierten Grundrechte gewahrt werden.

B. Vom Regelungsgegenstand des § 1598a BGB Betroffene Vom Regelungsgegenstand des § 1598a BGB („Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse“) sind nicht nur der rechtliche Vater, das Kind und die Mutter, sondern auch der potentiell biologische Vater betroffen. Gleichwohl werden nur der rechtliche Vater, das Kind und die Mutter, nicht aber der potentiell biologische Vater vom Anwendungsbereich des § 1598a BGB erfasst. Dies hat zur Folge, dass der potentiell biologische Vater weder als Klärungsberechtigter nach § 1598a BGB vorgehen kann, um die genetischen Abstammungsverhältnisse klären zu lassen (vgl. I.), noch als Anspruchsverpflichteter im Rahmen einer von einem anderen betriebenen privaten Abstammungsuntersuchung in Anspruch genommen werden kann (vgl. II.). Ob dies mit den Grundrechten der vom Regelungsgegenstand Betroffenen vereinbar ist, wird im Folgenden überprüft. I. Fehlende Klärungsberechtigung 1. Einleitung Die fehlende Klärungsberechtigung des potentiell biologischen Vaters geht einzig auf den Willen des Gesetzgebers683 und nicht auf die dem § 1598a BGB zu Grunde liegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurück. Zwar wurde dem Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht im ersten Leitsatz der Entscheidung vom 13. Februar 2007 aufgetragen, ein Verfahren zu schaffen, mit dem der rechtliche Vater die Vaterschaft feststellen lassen kann, allerdings darf allein aus der dortigen Nichterwähnung des Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 30, die sich dagegen ausspricht, § 1598a Abs. 3 BGB mit § 1568 Abs. 1 1. Fall BGB zu vergleichen, da es ein Unterschied sei, ob sich die Eltern scheiden oder ob sich ein Elternteil vom Kind scheidet. 683 BT-Drucks. 16/6561, S. 10, 12.

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2. Teil: Vaterschaft

potentiell biologischen Vaters nicht geschlossen werden, dass dieser im neu zu schaffenden Verfahren nicht in den Kreis der Klärungsberechtigten aufzunehmen ist. Dies liegt daran, dass die Formulierung des Leitsatzes losgelöst von der Urteilsbegründung betrachtet werden muss, da sich der Leitsatz nicht an der Urteilsbegründung, sondern an dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Gegenstand orientiert. Da sich dieser wiederum nach dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt bestimmt und in diesem vorliegend ein rechtlicher und kein potentiell biologischer Vater das Bundesverfassungsgericht angerufen hat, ist der Grund für die Beschränkung des ersten Leitsatzes auf den rechtlichen Vater in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Gegenstand zu sehen und nicht darin, dass dem potentiell biologischen Vater aus Sicht der Verfassungsrichter kein Verfahren zur Klärung der Vaterschaft bereitzustellen ist. Dass die Verfassungsrichter vielmehr der Ansicht sind, dass der potentiell biologische Vater in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten einzubeziehen sei, lässt sich zum einen daran erkennen, dass sie dem potentiell biologischen Vater überhaupt Einzug in die Urteilsbegründung gewährt haben, wovon sie wahrscheinlich, um Missverständnissen vorzubeugen, abgesehen hätten, wenn sie der Ansicht wären, dass der potentiell biologische Vater von dem neu zu schaffenden Klärungsverfahren auszuschließen ist. Zum anderen lässt sich dies daran erkennen, dass sie dem Gesetzgeber in der Urteilsbegründung gerade nicht auftragen, einen Verfahrensweg zu eröffnen, mit dem der rechtliche Vater die Vaterschaft feststellen lassen kann, sondern „einen Verfahrensweg zu eröffnen, der dem Recht auf Kenntnis und Feststellung der Abstammung aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG zur Verwirklichung verhilft“684. Vor dem Hintergrund, dass sich die einschränkende Formulierung des an den Gesetzgeber gerichteten Auftrags nur aus dem Kontext der Entscheidung ergibt, ist der erste Leitsatz und damit der Auftrag an den Gesetzgeber dahingehend zu verstehen, dass der rechtliche Vater stellvertretend für jede Person steht, die ein Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem in Rede stehenden Kind hat, dieses Recht aber nach der bisherigen Rechtslage nicht verwirklichen kann, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen685. Konkret auf den potentiell biologischen Vater bezogen bedeutet dies, dass dieser dann in den Kreis der nach § 1598a BGB Klärungsberechtigten 684

BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 97). So auch Rotax, ZFE 2007, 124 (124); ausdrücklich wird dieses von den Verfassungsrichtern in BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 97) formuliert. 685

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB

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einzubeziehen ist, wenn ihm ein Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem in Rede stehenden Kind zusteht und er dieses Recht nach der bisherigen Rechtslage nicht verwirklichen kann, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Dieser Interpretation kann in Bezug auf die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters auch nicht entgegen gehalten werden, dass die Verfassungsrichter aufgrund der von ihnen gewählten Formulierung davon ausgehen, dass die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters nicht zwingend ist, sondern in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt wird686 („soweit der Gesetzgeber [. . .] ein Verfahren auf Feststellung der Abstammung des Kindes von ihm [dem potentiellen biologischen Vater] eröffnet“687). Dass die Verfassungsrichter in dem Urteil das Ermessen des Gesetzgebers bezüglich der Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters nicht auf Null reduzieren, hängt nicht damit zusammen, dass sie seine Einbeziehung für nicht zwingend erforderlich erachten, sondern damit, dass sie sich, da der potentiell biologische Vater nicht Gegenstand der Entscheidung war, nicht ausführlicher mit diesem auseinandersetzen und somit auch nicht zu einer verbindlichen Aussage kommen können bzw. wollen688. Vielmehr wird dadurch, dass er dennoch Einzug in die Urteilsbegründung erhält, noch unterstrichen, dass nach Ansicht der Verfassungsrichter das neu zu schaffende Klärungsverfahren auch dem potentiell biologischen Vater offen stehen muss. Diese Ansicht wird auch von der ganz überwiegenden Literatur geteilt689. Da sich der Gesetzgeber gleichwohl gegen die Einbeziehung des vom Regelungsgegenstand betroffenen potentiell biologischen Vaters entschieden hat, soll im Folgenden festgestellt werden, ob es verfassungsgemäß ist, den potentiell biologischen Vater nicht in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten aufzunehmen. Dies ist dann der Fall, wenn der potentiell biologische Vater durch die Nichteinbeziehung in keinem Grundrecht verletzt wird; anders formuliert ist § 1598a BGB dann verfassungswidrig, wenn der potentiell biologische Vater durch die Nichteinbeziehung in einem Grundrecht verletzt wird690. 686

So auch BT-Drucks. 16/8219, S. 14 f. BVerfG, NJW 2007, 753 (757 Rn. 89). 688 BVerfG, NJW 2007, 753 (757 Rn. 89); ähnlich Rotax, ZFE 2007, 124 (124 f.), der das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls dahingehend interpretiert, dass nach Ansicht der Verfassungsrichter das neu zu schaffende Verfahren auch für den potentiell biologischen Vater offen stehen muss. 689 Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1279); Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1188); Muscheler, FPR 2007, 389 (391). 690 Sachs in Sachs, Art. 20 Rn. 95. 687

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2. Teil: Vaterschaft

2. Grundrechtsverletzung a) Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Verletzt sein könnte der potentiell biologische Vater durch die Nichteinbeziehung in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1691. Dies setzt voraus, dass dem potentiell biologischen Vater ein Recht auf Kenntnis der genetischen Verbindung zwischen sich und dem in Rede stehenden Kind zusteht. Ist dies zu bejahen, so wird von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auch das Recht geschützt, eine Möglichkeit zu haben, diese Kenntnis in einem rechtsförmlichen Verfahren erlangen zu können, ohne rechtliche Konsequenzen in Kauf nehmen zu müssen. aa) Schutzbereich Aufgabe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ist die Gewährleistung der engeren persönlichen Lebenssphäre, zu der ein Bereich der privaten autonomen Lebensgestaltung zählt, in dem der Einzelne seine Persönlichkeit und Individualität frei entwickeln kann692, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Persönlichkeitsentwicklung ein lebenslanger Prozess ist693 und somit unabhängig vom Alter und der Festigkeit der Persönlichkeit vorherrscht. Wie bereits unter Zweiter Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.a) festgestellt wurde, wird die eigene Persönlichkeit neben den genetischen Anlagen insbesondere durch das eigene Selbstverständnis geprägt, das nicht nur von dem Umfeld, in dem der Einzelne sich befindet, sondern auch von dem Wissen, ob eine genetische Beziehung zu einer anderen Person besteht oder nicht, beeinflusst wird. Neben dem Wissen um die eigene genetische Abstammung nimmt demnach das Wissen, ob und an wen eigene Gene weitergegeben wurden, maßgeblichen Einfluss auf das eigene Selbstverständnis und damit auf die Persönlichkeitsentwicklung. Vor diesem Hintergrund wurde von einigen Stimmen in der Literatur ein verfassungsrechtlich verankertes Recht des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Verbindung zwischen sich und dem in Rede stehenden Kind befürwortet694. Das Bundesverfassungsgericht folgte diesen 691 So auch Zimmermann, NJOZ 2008, 1703 (1721); Brosius-Gersdorf, http:// www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stel lungnahmen/index.html, S. 9; Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1188). 692 BVerfG, NJW 1989, 891 (891); BVerfG, NJW 2007, 753 (753 Rn. 59). 693 Meili-Lüthy, S. 195 ff. 694 Fleisch, S. 112 ff.; Helms, FamRZ 1997, 913 (914); Lenze, ZfJ 1998, 101 (105).

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Stimmen erst im Jahre 2003, als es erstmals feststellte, dass die Kenntnis der Vaterschaft vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst ist695 und dieses Recht nicht nur dem Mann zusteht, der Kenntnis darüber haben möchte, ob das ihm rechtlich zugeordnete Kind auch genetisch von ihm abstammt696, sondern auch dem Mann, der erfahren möchte, ob ein ihm rechtlich nicht zugeordnetes Kind genetisch von ihm abstammt. In der Entscheidung vom 13. Februar 2007 bestätigte das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht, dass dem potentiell biologischen Vater ein Recht auf Kenntnis der Vaterschaft zusteht, ausdrücklich unter Bezugnahme auf die Entscheidung aus 2003697. Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in der Literatur auf Zustimmung gestoßen698. Auch der Gesetzgeber anerkennt in der Gesetzesbegründung, dass der potentiell biologische Vater ein Interesse an der Gewissheit der Vaterschaft hat699. Wenngleich der Gesetzgeber dieses Interesse des potentiell biologischen Vaters lediglich in den Raum stellt, ohne es verfassungsrechtlich zu verankern, kann aufgrund der dem Gesetzgebungsverfahren zu Grunde liegenden Gesetzesmaterialien700 davon ausgegangen werden, dass sich der Gesetzgeber des verfassungsrechtlichen Schutzes des Interesses an den tatsächlichen genetischen Abstammungsverhältnissen bewusst war. Folglich steht dem potentiell biologischen Vater das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zu.

695

BVerfG, Beschluss v. 09.04.2003 – 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151 (2154). Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.1.a). 697 BVerfG, Urteil v. 13.02.2007 – 1 BvR 421/05 Rn. 59. 698 Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1279); Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1188); Muscheler, FPR 2007, 389 (391); Rakete-Dombek, FPR 2003, 471 (478); Plautz, ZRP 2004, 215 (215); Glaser/Dahl-manns, JR 2007, 316 (317); Gernhuber/ Coester-Waltjen, § 52 I Rn. 20; Genenger, S. 204 f. 699 BT-Drucks. 16/6561, S. 12. 700 Nake, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 3; Borth, http://www.bundestag.de/ ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index. html, S. 4; Helms, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klae rung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 12; Groß, http://www.bundes tag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/ index.html, S. 2; Rixe, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_ Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 6 f.; Rotax, http://www. bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellung nahmen/index.html, S. 6 f.; Brosius-Gersdorf, http://www.bundestag.de/ausschuesse/ a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 3, 8 f. 696

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2. Teil: Vaterschaft

bb) Eingriff Eingegriffen ist in dieses Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen potentiell biologischem Vater und Kind dann, wenn der potentiell biologische Vater keine Möglichkeit hat, sein Recht in einem rechtsförmlichen Verfahren zu verwirklichen, ohne rechtliche Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts übertragen bedeutet dies, dass das hinsichtlich der Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters eingeräumte Ermessen auf Null reduziert ist, wenn dieser nach bisheriger Rechtslage keine Möglichkeit hat, sein Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG in einem rechtsförmlichen Verfahren zu verwirklichen, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen701. (1) Private Abstammungsuntersuchung Der potentiell biologische Vater kann jederzeit eine private Abstammungsuntersuchung durchführen und auf diesem Wege klären lassen, ob das in Rede stehende Kind tatsächlich genetisch von ihm abstammt oder nicht. Bezüglich der Durchführung dieser Untersuchung gilt nichts anderes, als wenn der rechtliche Vater das private Abstammungsgutachten einholt, sodass das Gutachten nur dann rechtmäßig ist, wenn alle Betroffenen ihre Einwilligung zu der Abstammungsuntersuchung erteilen702. (2) Heimliche Abstammungsuntersuchung Auch wenn ein heimlich eingeholtes Abstammungsgutachten mangels Einwilligung der Betroffenen rechtswidrig ist703 und deshalb im sich möglicherweise anschließenden gerichtlichen Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c BGB oder im gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahren gemäß § 1600d BGB nicht verwertet werden kann, verschafft es dem potentiell biologischen Vater doch Gewissheit über die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem in Rede stehenden Kind, wenngleich es sich freilich um eine illegal erlangte Gewissheit handelt. 701

A. A. BT-Drucks.16/8219, S. 14, in der davon ausgegangen wird, dass die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der Klärungsberechtigten nach der Entscheidung des Bundesverfas-sungsgerichts dem Gesetzgeber offengelassen wurde. 702 Ausführlich dazu Erster Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.b)aa). 703 Ausführlich dazu Erster Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.b)bb).

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB

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(3) Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c BGB Verweigert einer der Beteiligten sein Einverständnis zu einer privaten Abstammungsuntersuchung, so hat der potentiell biologische Vater die Möglichkeit die rechtliche Vaterschaft nach §§ 1600–1600c BGB unter Einhaltung der Zwei-Jahres-Frist des § 1600b BGB anzufechten, da bei Schlüssigkeit der Vaterschaftsanfechtungsklage im Rahmen des Anfechtungsprozesses wegen des dort geltenden Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 640 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 616 Abs. 1 ZPO nach § 372a ZPO auch gegen den Willen von Kind und Mutter ein Abstammungsgutachten eingeholt wird und damit auch gegen den Willen von Kind und Mutter die genetische Abstammung auf legale Weise in einem rechtsförmlichen Verfahren überprüft wird704. Zum Schutze der Betroffenen ist diese Vorgehensweise allerdings an die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Anfechtungsberechtigung (vgl. § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB), der Einhaltung der zweijährigen Anfechtungsfrist (vgl. § 1600b BGB) und der Begründung des Anfangsverdachts geknüpft705. Um zu verhindern, dass der potentiell biologische Vater von Außen in eine intakte und funktionierende Familie eingreift und diese gefährdet706, wird das Anfechtungsrecht des potentiell biologischen Vaters noch zusätzlich durch die materiell-rechtliche Voraussetzung des § 1600 Abs. 2 BGB eingeschränkt, sodass eine Vaterschaftsanfechtung des potentiell biologischen Vaters nur dann begründet ist, wenn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zwischen Kind und rechtlichem Vater keine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB besteht und der Anfechtende tatsächlich der biologische Vater des Kindes ist. Diese Einschränkung würde den potentiell biologischen Vater nicht über Gebühr beanspruchen, wenn die Anfechtungsfrist erst in dem Zeitpunkt zu laufen begänne, in dem die sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater entfiele bzw. die Anfechtungsfrist während des Vorliegens einer sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater gehemmt wäre707. Zur Vermeidung dieses vaterfreundlichen Verständnisses stellt § 1600b Abs. 1 S. 2 2. HS BGB klar, dass die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft durch den potentiell biologischen Vater immer dann aus704

LG München I, FamRZ 2003, 1580 (1580); Wanitzek, FPR 2002, 390 (398). BGH, FamRZ 1998, 955 (957); Eckebrecht, MDR 1999, 71 (73). 706 Ausführlich dazu Rauscher in Staudinger, § 1600 Rn. 6 ff.; Frank, StAZ 2003, 129 (132); dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass grundsätzlich dann, wenn die Mitglieder der sozialen Familie von einer Anfechtung absehen, die Anfechtung des potentiell biologischen Vaters dem Wohle der sozialen Familie und damit dem Wohle des Kindes zuwiderliefe. 707 Genenger, S. 192. 705

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2. Teil: Vaterschaft

geschlossen ist, wenn während der zweijährigen Anfechtungsfrist zwischen Kind und rechtlichem Vater eine sozial-familiäre Beziehung besteht708; insbesondere lebt das Anfechtungsrecht nicht wieder auf, wenn die während der Anfechtungsfrist bestehende sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater irgendwann beendet wird. Auch wenn zwischen den beiden Begründetheitserfordernissen des § 1600 Abs. 2 BGB, namentlich dem Nichtvorliegen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater und der tatsächlich biologischen Vaterschaft des Anfechtenden, kein Rangverhältnis besteht, ist in der Praxis davon auszugehen, dass zum Schutze der körperlichen Integrität erst dann die der Feststellung der biologischen Vaterschaft dienende Abstammungsuntersuchung angeordnet wird, wenn nach der Überzeugung des Gerichts mit hoher Wahrscheinlichkeit keine sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater vorliegt, die der Anfechtung entgegensteht709. Für die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse bedeutet diese schützende Vorgehensweise, dass dann, wenn zwischen Kind und rechtlichem Vater eine sozial-familiäre Beziehung besteht, eine Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse unterbleibt. Aber selbst dann, wenn es zu einer gerichtlichen Überprüfung der genetischen Abstammungsverhältnisse kommt, sei es, weil zwischen Kind und rechtlichem Vater im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder weil sich das Gericht nicht der schonensten Vorgehensweise bedient, trägt das Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB entgegen der Auffassung des Rechtsausschusses710 nicht dem von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Recht des potentiell biologischen Vaters auf isolierte Klärung der genetischen Abstammung ausreichend Rechnung. Nach § 640h Abs. 2 ZPO beinhaltet das Urteil, das die fehlende genetische Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater feststellt, nicht nur die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft, sondern zugleich die rechtskräftige Feststellung der Vaterschaft des Anfechtenden, sodass das Urteil in seinen Wirkungen einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d BGB in nichts nachsteht711 und für den Anfechtenden rechtliche Wirkung entfaltet. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB unabhängig davon, ob es dem potentiell biologischen 708 709 710 711

Rausch in JurisPK Bd. 4, § 1600b Rn. 20; Höfelmann, FamRZ 2004, 745 (749). Rauscher in Staudinger, § 1600 Rn. 47. BT-Drucks. 16/8219, S. 14; ebenso Stein, FF 2009, 10 (11). Rauscher in Staudinger, § 1592 Rn. 69.

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Vater gelingt, die Abstammungsverhältnisse inzident klären zu lassen oder nicht, nicht geeignet ist, das Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auf bloße Klärung der genetischen Abstammung zu verwirklichen, da der potentiell biologische Vater möglicherweise zwar Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse erlangt, es aber nicht bei dieser Kenntnis bleibt, sondern er zudem die Stellung des rechtlichen Vaters mitsamt der damit verbundenen Rechtsfolgen (Unterhaltspflichten gegenüber Kind und Mutter aus §§ 1601 ff., 1615l BGB, elterliche Sorge, Umgangsrecht, Erbrecht)712 übertragen bekommt. (4) Gerichtliche Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Nach Ansicht sowohl des Gesetzgebers713 als auch des Rechtsausschusses714 kann der potentiell biologische Vater sein Interesse an der Gewissheit über die Vaterschaft zumindest dann, wenn das Kind keinen rechtlichen Vater hat, durch das Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO verwirklichen. Zuzustimmen ist dem Gesetzgeber insoweit, als dass der potentiell biologische Vater zur positiven Feststellung einer noch nicht erfolgten rechtlichen Zuordnung nach §§ 1600d, e BGB Vaterschaftsfeststellungsklage erheben und durch das wegen des geltenden Untersuchungsgrundsatzes (vgl. § 640 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 616 Abs. 1 ZPO) nach § 372a ZPO einzuholende gerichtliche Abstammungsgutachten in einem rechtsförmlichen Verfahren Gewissheit über die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen sich und dem in Rede stehenden Kind erlangen kann715. Insoweit allerdings das Verfahren nach § 1600d BGB als zur Verwirklichung des Rechts des potentiell biologischen Vaters aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geeignet erachtet wird, ist vehement zu widersprechen. Da der potentiell biologische Vater im Falle des Bestehens der biologischen Vaterschaft automatisch in die Stellung des rechtlichen Vaters einrückt716, ist das Verfahren nach § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 BGB gerade kein rechtsförmliches Verfahren, mit dem die genetische Abstammung festgestellt werden kann, ohne rechtliche Konsequenzen in Kauf zu nehmen.

712

Bohnert, FPR 2002, 383 (384); Deutscher Anwaltsverein, FPR 2007, 415

(415). 713 714 715 716

BT-Drucks. 16/6561, S. 12; ebenso Stein, FF 2009, 10 (11). BT-Drucks. 16/8219, S. 14. Ausführlich dazu Erster Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.b)dd). Schwab, Rn. 542.

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(5) Gerichtliche Feststellung der genetischen Abstammung gemäß § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erfasst mit § 1600d GB nicht nur Streitigkeiten über das Bestehen einer rechtlich noch nicht erfolgten Zuordnung, sondern auch Streitigkeiten über das Nichtbestehen einer rechtlich noch nicht erfolgten Zuordnung717. Zwar ist der potentiell biologische Vater zur Erhebung einer derartigen negativen Feststellungsklage nach § 1600e BGB befugt, allerdings wird die Klage wohl überwiegend am erforderlichen Rechtsschutzinteresse scheitern, da dieses nur dann vorliegt, wenn die genetische Abstammung des in Rede stehenden Kindes vom potentiell biologischen Vater öffentlich behauptet wird718, die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den potentiell biologischen Vater angekündigt wurde oder dieser zur Anerkennung nach § 1594 BGB aufgefordert wurde719. Da das Rechtsschutzbedürfnis aber Voraussetzung für die Bejahung der Zulässigkeit ist und es nur im Falle der Zulässigkeit der Klage nach § 372a ZPO zur Einholung eines gerichtlichen Abstammungsgutachtens und damit zur Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse kommt, ist davon auszugehen, dass der potentiell biologische Vater grundsätzlich nicht die Möglichkeit hat, die genetischen Abstammungsverhältnisse nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO klären zu lassen. (6) Isolierte Abstammungsfeststellungsklage Obwohl eine speziell geregelte isolierte Abstammungsfestsgellungsklage des potentiell biologischen Vaters vereinzelt in der Literatur vorgeschlagen wurde720, ist eine solche dem bisherigen Recht fremd, wovon insbesondere auch die Rechtsprechung ausgeht721. (7) Allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO Genau wie der rechtliche kann auch der potentiell biologische Vater die genetische Abstammung nicht durch eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO isoliert feststellen lassen, da es zum einen an dem erforder717 718 719 720 721

Ausführlich dazu Erster Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.b)ee). Schwab, Rn. 546. Gutzeit/Klebeck in AnwaltKommentar BGB Bd. 4, § 1600d Rn. 20. Mutschler, FamRZ 1994, 65 (70); Gernhuber/Coester-Waltjen, § 52 I Rn. 20. BGH, FamRZ 2007, 538 (542).

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lichen Rechtsverhältnis und zum anderen an dem erforderlichen alsbaldigen rechtlichen Feststellungsinteresse fehlt722. Überdies wird die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO durch die Vaterschaftsfeststellungsklage gemäß § 1600d BGB als lex specialis verdrängt723. (8) Auskunftsanspruch des potentiell biologischen Vaters gegen die Mutter Lenze erwägt, dem potentiell biologischen Vater aufgrund seines von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rechts auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse einen Anspruch gegen die Mutter auf Auskunft darüber einzuräumen, ob das in Rede stehende Kind (möglicherweise) von ihm abstammt oder nicht724. Unabhängig davon, dass ein derartiger Anspruch dem potentiell biologischen Vater von der herrschenden Meinung nicht zugesprochen wird725, wäre dieser ohnehin nicht geeignet, das Recht des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zu verwirklichen. Auch wenn die Mutter als einzige wissen kann, ob der potentiell biologische Vater als Erzeuger des in Rede stehenden Kindes in Betracht kommt, kann sie zumindest dann, wenn mehrere Männer als Erzeuger in Betracht kommen, keine verbindliche Aussage liefern. Aber auch dann, wenn nur ein Mann als Erzeuger in Betracht kommt, ist nicht gewährleistet, dass sie willens ist, die korrekte Auskunft zu erteilen. (9) Zwischenergebnis Für den potentiell biologischen Vater stellt sich nach aktueller Rechtslage die Situation so dar, dass er zwar ein von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschütztes Recht darauf hat, die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem in Rede stehenden Kind in einem rechtsförmlichen Verfahren klären zu lassen, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen, ihm aber kein rechtsförmliches Verfahren zur Verfügung steht, das die rechtmäßige Geltendmachung und Durchsetzung dieses Rechts gewährleistet. 722 723 724 725

Ausführlich dazu Erster Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.b)gg). Pieper in Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, 3. Kapitel Rn. 116. Lenze, ZfJ 1998, 101 (105). Seidel in MüKo BGB, § 1589 Rn. 48.

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2. Teil: Vaterschaft

– Das private Abstammungsgutachten gibt dem potentiell biologischen Vater zwar die Möglichkeit, die genetische Abstammung ohne Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen festzustellen, macht die rechtmäßige Ausübung des Rechts aber von der Einwilligung des/der Betroffenen und damit vom Willen anderer abhängig und stellt kein rechtsförmliches Verfahren dar. – Das heimliche Abstammungsgutachten gewährleistet dem potentiell biologischen Vater zwar die Feststellung der genetischen Abstammung, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen, ist allerdings nach aktueller Rechtsprechung rechtswidrig und stellt kein rechtsförmliches Verfahren dar. – Das Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§ 1600–1600c BGB gewährleistet zwar, wenn es dem potentiell biologischen Vater gelingt, sämtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen, die Klärung der genetischen Abstammung von Amts wegen in einem rechtsförmlichen Verfahren, belässt es aber nicht bei dieser, sondern hebt den Anfechtenden, wenn dieser tatsächlich der biologische Vater des in Rede stehenden Kindes ist, automatisch in die Stellung des rechtlichen Vaters. – Das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO stellt kein rechtsförmliches Verfahren zur isolierten Klärung der genetischen Abstammung dar, da der potentiell biologische Vater im Falle der genetischen Verbindung zwischen sich und dem in Rede stehenden Kind automatisch in die Stellung des rechtlichen Vaters einrückt. – Das gerichtliche Feststellungsverfahren nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO stellt aufgrund des selten vorliegenden Rechtsschutzinteresses kein geeignetes rechtsförmliches Verfahren dar, um die genetischen Abstammungsverhältnisse zu klären. Da der potentiell biologische Vater nicht in den Kreis der nach § 1598a BGB Klärungsberechtigten aufgenommen wurde, gibt es kein rechtsförmliches Verfahren, das der rechtsfolgenlosen Verwirklichung seines Rechts auf Kenntnis der Abstammung des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gerecht wird. Folglich liegt ein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG vor. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass der vom Gesetzgeber726 und Rechtsausschuss727 genannte Rechtfertigungsgrund, der potentiell biologi726 727

BT-Drucks. 16/6561, S. 12. BT-Drucks. 16/8219, S. 14.

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sche Vater könne bei nicht bestehender rechtlicher Vaterschaft sein Recht durch ein Vorgehen nach § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und bei bestehender rechtlicher Vaterschaft durch ein Vorgehen nach §§ 1600–1600c BGB verwirklichen, den Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigen vermag, da diese Verfahren dem potentiell biologischen Vater die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse gerade nicht ermöglichen, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. cc) Ergebnis Da der potentiell biologische Vater durch die Nichteinbeziehung in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt ist, ist § 1598a BGB wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungswidrig. b) Art. 3 Abs. 1 GG Zudem könnte § 1598a BGB mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sein728. Neben der Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG setzt dies allerdings voraus, dass die Legislative überhaupt an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden ist, was nur dann der Fall ist, wenn die Legislative Verpflichtungsadressat des Art. 3 Abs. 1 GG ist. aa) Verpflichtungsadressat des Art. 3 Abs. 1 GG Auch wenn bereits dargestellt wurde, dass die Legislative nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte, zu denen auch Art. 3 Abs. 1 GG gehört, gebunden ist, kommen bezüglich der Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG Zweifel auf. Die Formulierung „vor dem Gesetz“ könnte darauf hindeuten, dass der Gleichheitssatz nur bei der Anwendung des Gesetzes, nicht aber bei der Schaffung des Gesetztes einschlägig ist, was zur Folge hätte, dass Verpflichtungsadressat des Art. 3 Abs. 1 GG nur die Exekutive und Judikative, nicht aber die Legislative wären. Dieser Einschränkung des Kreises der Ver728 So auch Borth, FPR 2007, 381 (382 Fn. 3); ders., http://www.bundestag.de/ ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index. html, S. 4; Nake, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 19; a. A. Groß, http://www.bun destag.de/auschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnah men/index.html, S. 2, die die gewählte Gestaltung im Sinne des Schutzes des Kindes für verfassungsrechtlich vertretbar erachtet.

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pflichtungsadressaten steht allerdings Art. 1 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG entgegen, sodass neben der Exekutiven und Judikativen auch die Legislative an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden ist729. Wie stark diese Bindung allerdings tatsächlich ist, kann nicht allgemein gesagt werden, sondern bestimmt sich danach, wie nachteilig sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirkt; je stärker die Ausübung der Freiheitsrechte eingeschränkt wird, umso stärker ist die Bindung der Legislativen730. Da, bereits dargelegt, durch die Nichteinbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten das Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eingeschränkt wird, ergibt sich eine starke Bindung des Gesetzgebers an Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist somit durchaus möglich. bb) Ungleichbehandlung Verletzt ist das Recht des potentiell biologischen Vaters aus Art. 3 Abs. 1 GG dann, wenn eine Ungleichbehandlung vorliegt. Da sich der Gesetzgeber bei der Schaffung materiellen Rechts an der Leitlinie zu orientieren hat, „Gleiches gleich [und] Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden731“ zu behandeln, ist eine Ungleichbehandlung dann zu bejahen, wenn er entweder wesentlich Gleiches ungleich oder wesentlich Ungleiches gleich behandelt, sodass eine Ungleichbehandlung nur dann vorliegen kann, wenn zwei vergleichbare Gruppen (sog. Vergleichsgruppen) ungleich oder zwei nicht miteinander vergleichbare Gruppen gleich behandelt werden. Konkret auf § 1598a BGB und den potentiell biologischen Vater bezogen bedeutet dies, dass eine Ungleichbehandlung des potentiell biologischen Vaters dann bejaht werden kann, wenn dieser im Vergleich zu einer mit dem potentiell biologischen Vater vergleichbaren Gruppe ungleich behandelt wird. Bei dieser Gruppe könnte es sich um die Gruppe des rechtlichen Vaters handeln, vorausgesetzt die Gruppe des rechtlichen Vaters ist mit der Gruppe des potentiell biologischen Vaters vergleichbar. 729

Ausführlich dazu Gubelt in Münch von/Kunig Bd. 1, Art. 3 Rn. 8; Denninger in AK-GG, Art. 1 Abs. 2, 3 Rn. 17; Rüfner in BK Bd. 1, Art. 3 Abs. 1 Rn. 163 ff. 730 BVerfG, NJW 1995, 2977 (2979). 731 Gubelt in Münch von/Kunig Bd. 1, Art. 3 Rn. 11 m. w. N.

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Gemeinsam haben der potentiell biologische und der rechtliche Vater ein von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf Kenntnis und Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem in Rede stehenden Kind, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen, wobei der rechtliche732 genau wie der potentiell biologische Vater733 im Zeitpunkt der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung keine Möglichkeit hatte, dieses Recht zu verwirklichen. Was die beiden allerdings unterscheidet ist ihre Verbindung zum Kind. Der rechtliche Vater ist durch seine rechtliche Beziehung zum Kind zwingend mit diesem verbunden (im Folgenden als einfache Verbindung bezeichnet). Wenn neben der rechtlichen auch noch eine soziale Beziehung zum Kind besteht, ist er sogar doppelt mit ihm verbunden. Zwar ist die soziale Beziehung zum Kind im Gegensatz zur rechtlichen nicht zwingend, allerdings rückt der Mann in erster Linie deshalb in die Stellung des rechtlichen Vaters ein734, weil er zumindest in der ersten Lebenszeit des Kindes mit diesem zusammengelebt hat, sodass davon auszugehen ist, dass der Mann, der eine rechtliche Beziehung zu einem Kind hat, mit diesem auch sozial verbunden ist735. Folglich geht überwiegend mit der rechtlichen die soziale Beziehung einher736. Von dieser mit der rechtlichen Verbindung einhergehenden sozialen Verbindung scheint auch der Gesetzgeber ausgegangen zu sein, der in seiner Gesetzesbegründung darauf hinweist, dass der potentiell biologische Vater als Außenstehender bereits durch das bloße Vorgehen nach § 1598a BGB eine funktionierende soziale Familie gefährden könne737. Diese Formulierung impliziert, dass das Kind keine soziale Beziehung zum potentiell biologischen Vater, sondern zu einem anderen Mann hat, der aus dem Kontext nur im rechtlichen Vater gesehen werden kann. Auch das Bundesverfassungsgericht hat zum Ausdruck gebracht, dass der potentiell biologische Vater im Unterschied zum rechtlichen Vater gegenüber dem Kind die Rolle eines Außenstehenden innehat738. Für den rechtlichen Vater kann somit festgehalten werden, dass er zumeist nicht nur einfach, sondern sogar doppelt mit dem Kind verbunden ist. 732

Ausführlich dazu Erster Teil, Erstes Kapitel, B.II.2. Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.2.a)bb). 734 Der Mann rückt in die Stellung des rechtlichen Vaters ein, weil er mit der Frau, die das Kind zur Welt gebracht hat, verheiratet ist (vgl. § 1592 Nr.1 BGB) oder weil er das Kind wirksam anerkannt hat (vgl. § 1592 Nr. 2 BGB). 735 Stein-Hilbers, S. 68. 736 Dafür spricht auch die Vermutungsregel des § 1600 Abs. 3 S. 2 BGB. 737 BT-Drucks. 16/6561, S. 12. 738 BVerfG, NJW 2007, 753 (757 Rn. 89). 733

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2. Teil: Vaterschaft

Dagegen ist es für den potentiell biologischen Vater nur möglich, eine einfache Verbindung zum Kind aufzubauen. Eine doppelte Verbindung wie beim rechtlichen Vater ist von vornherein ausgeschlossen, da die rechtliche Beziehung dem rechtlichen Vater vorbehalten ist. Zwar ist es möglich, dass der potentiell biologische Vater durch eine soziale Beziehung einfach mit dem Kind verbunden ist, allerdings wird dieses häufig daran scheitern, dass schon eine soziale Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater besteht, mit der Folge, dass der potentiell biologische Vater häufig gar nicht mit dem Kind verbunden ist. Es steht demnach die auf Seiten des rechtlichen Vaters bestehende einfache und gegebenenfalls doppelte Verbindung der gegebenenfalls einfachen Verbindung auf Seiten des potentiell biologischen Vaters gegenüber. Aufgrund der stets bestehenden rechtlichen Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater kann der rechtliche Vater niemals von Außen in die rechtliche Familie eingreifen. Da der rechtliche Vater zumeist auch eine soziale Beziehung zum Kind hat, greift er zumeist auch nicht von Außen in die soziale Familie ein. Anders dagegen der potentiell biologische Vater. Dieser greift stets von Außen in eine bestehende rechtliche Familie ein und mit Ausnahme der seltenen Fälle, in denen zwischen Kind und rechtlichem Vater keine soziale Beziehung besteht, auch in eine soziale Familie. Somit ergibt sich, dass der potentiell biologische Vater die Gefährdung der sozialen Familie im Unterschied zum rechtlichen Vater überwiegend als Unbeteiligter, also Außenstehender739, vornimmt, sodass der potentiell biologische und der rechtliche Vater eine unterschiedliche Stellung gegenüber dem Kind einnehmen. Der Vergleich der Gruppe des potentiell biologischen mit der Gruppe des rechtlichen Vaters ergibt somit, dass die Stellung des rechtlichen und die des potentiell biologischen Vaters zwar nicht identisch, wohl aber wesentlich gleich sind und damit als Vergleichsgruppen einander gegenübergestellt werden können. Dadurch, dass sich der Gesetzgeber für die Einbeziehung des rechtlichen und gegen die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten entschieden hat, werden diese Vergleichsgruppen ungleich behandelt. Während der rechtliche Vater sein Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG unbeschränkt (unbefristet, voraussetzungslos) und rechtsfolgenlos740 verwirk739 Diese Formulierung wählte Helms, FamRZ 1997, 913 (917) bezüglich der Stellung des potentiell biologischen Vaters gegenüber dem Kind im Rahmen einer Vaterschaftsanfechtung. 740 Zuvor konnte der rechtliche Vater sein Recht nur beschränkt (befristet, an Voraussetzungen geknüpft) und mit Rechtsfolge verwirklichen.

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lichen kann, kann der potentiell biologische Vater sein Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG weder rechtsfolgenlos noch, zumindest bei bestehender rechtlicher Vaterschaft, unbeschränkt (befristet, an Voraussetzungen geknüpft) verwirklichen. Zudem kann der rechtliche Vater sein Recht auf Kenntnis und Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse jederzeit verwirklichen, während der potentiell biologische Vater dieses Recht in vielen Fällen gar nicht verwirklichen kann741. Dies liegt daran, dass die Verwirklichung des Rechts für den potentiell biologischen Vater bei der den Normalfall darstellenden bestehenden rechtlichen Vaterschaft nur unter den strengen Voraussetzungen des § 1600 Abs. 2, 3 BGB möglich ist und diese beispielsweise dann, wenn zwischen Kind und rechtlichem Vater eine sozial-familiäre Beziehung besteht bzw. während der Anfechtungsfrist bestand, wenn es dem potentiell biologischen Vater nicht gelingt, die Hürde des Anfangsverdachts zu überwinden oder wenn die Anfechtungsfrist bereits abgelaufen ist, nicht erfüllt werden können. Durch die Einbeziehung des rechtlichen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten hat sich demnach die Situation des rechtlichen Vaters im Hinblick auf sein Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erheblich verbessert, wohingegen die Situation des potentiell biologischen Vaters unverändert geblieben ist742. Folglich wird der potentiell biologische Vater im Vergleich zum rechtlichen Vater ungleich behandelt. Diese Ungleichbehandlung der beiden Vergleichsgruppen stellt eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG dar, die zur Verfassungswidrigkeit des § 1598a BGB führt, wenn die Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt ist. cc) Rechtfertigung Gerechtfertigt ist die Ungleichbehandlung nur dann, wenn zwischen den Vergleichsgruppen Unterschiede solcher Art und Gewicht bestehen, dass sie geeignet sind, die ungleiche Behandlung zu rechtfertigen743 (sog. sachlicher Grund). Bereits vor Einführung des § 1598a BGB war das Verhältnis der Verwirklichung des Rechts auf Kenntnis der wahren Abstammungsverhältnisse zwischen rechtlichem und potentiell biologischem Vater unausgewogen. Zwar konnten sowohl der rechtliche als auch der potentiell biologische 741

So auch Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1279); Zimmermann, NJOZ 2008, 1703 (1721). 742 So auch Zypries, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15325D. 743 Osterloh in Sachs, Art. 3 Rn. 13.

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Vater ihr Recht, wenn auch nicht rechtsfolgenlos, nach §§ 1600–1600c BGB unter Wahrung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen verwirklichen, allerdings war dieses für den potentiell biologischen Vater im Verhältnis zum rechtlichen Vater schwieriger, da dieser zusätzlich die Voraussetzungen des § 1600 Abs. 2, 3 BGB erfüllen musste. Aus dieser schon immer bestehenden Unausgewogenheit zwischen rechtlichem und potentiell biologischem Vater darauf zu schließen, dass diese auch nach Einführung des § 1598a BGB gerechtfertigt ist, wäre allerdings verfehlt, da sich die vor Einführung des § 1598a BGB bestehende Unausgewogenheit durch Einführung des § 1598a BGB noch verschärft hat. Während der rechtliche Vater sein Recht nunmehr vollumfänglich verwirklichen kann, kann der potentiell biologische Vater dieses weiterhin nur in dem sehr beschränkten Rahmen des §§ 1600–1600c BGB unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen bzw. nach § 1600d BGB unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen. (1) Argumentation des Gesetzgebers Dieser Unausgewogenheit bzw. dem Terminus des Art. 3 GG entsprechend, Ungleichbehandlung des potentiell biologischen Vaters gegenüber dem rechtlichen Vater, scheint sich der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung für die Einbeziehung des rechtlichen und gegen die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters zumindest ansatzweise bewusst gewesen zu sein. Wenngleich er nicht den Begriff der Ungleichbehandlung erwähnte, so fühlte er sich doch veranlasst zu erklären, warum er nur den rechtlichen, nicht aber den potentiell biologischen Vater in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten aufgenommen hat, obwohl er davon ausgeht, dass beide gleichermaßen ein Interesse an der Gewissheit über die Vaterschaft haben („zwar ist auch ihm [dem potentiell biologischen Vater] ein Interesse an der Gewissheit über die Vaterschaft nicht abzusprechen“744). Im Rahmen seiner rechtfertigenden Erklärung unterscheidet der Gesetzgeber zwischen dem Be- bzw. Nichtbestehen einer rechtlichen Vaterschaft. Bei nicht bestehender rechtlicher Vaterschaft fehle es schon am Regelungsbedürfnis für die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten, da der potentiell biologische Vater sein Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG durch ein jederzeit mögliches Vorgehen nach § 1600d BGB verwirklichen könne und damit ohne auf § 1598a BGB angewiesen zu sein745. Im Unterschied dazu bestehe bei bestehender rechtlicher Vaterschaft zwar ein 744

BT-Drucks. 16/6561, S. 12.

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Regelungsbedürfnis für die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten, allerdings sei es zum Schutze der bestehenden funktionierenden sozialen Familie gerechtfertigt, sowohl die Verwirklichung des Rechts auf Kenntnis der genetischen Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG an Beschränkungen zu binden, als auch das Recht nur unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen verwirklichen zu können746, da verhindert werden müsse, dass der potentiell biologische Vater allein durch sein Klärungsinteresse, also schon durch das bloße Vorgehen nach § 1598a BGB, Zweifel in eine funktionierende soziale Familie hineintragen könne. Die Ansicht des Gesetzgebers, dass die Klärung der genetischen Abstammung für den potentiell biologischen Vater nicht uneingeschränkt möglich sein dürfe, entspricht der des Bundesverfassungsgerichts. Allerdings nennt das Bundesverfassungsgericht einen anderen Rechtfertigungsgrund für die beschränkte Klärungsmöglichkeit als der Gesetzgeber. Während der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Beschränktheit zum Schutze der intakten sozialen Familie erforderlich sei, geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Beschränktheit zum Schutze von Kind und Mutter vor der Preisgabe persönlicher Daten und der Offenlegung intimer Begebenheiten gegenüber Unbeteiligten erforderlich sei747. Die Ansicht des Gesetzgebers allerdings, dass der Schutz der intakten sozialen Familie es auch rechtfertige, dass der potentiell biologische Vater sein Recht nur unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen verwirklichen könne, wird vom Bundesverfassungsgericht nicht geteilt, da dieses unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass das Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG unabhängig davon, ob sich ein rechtlicher oder ein potentiell biologischer Vater darauf beruft, beinhaltet, dass es verwirklicht werden können muss, ohne rechtliche Konsequenzen auszulösen.

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Diese Ansicht wird vom Gesetzgeber fälschlicherweise vertreten – der potentiell biologische Vater kann die Abstammung nach § 1600d BGB nur unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen klären lassen und damit sein Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gerade nicht verwirklichen [ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.2.a)bb)(4)]. 746 BT-Drucks. 16/6561, S. 12; Muscheler, FPR 2008, 257 (258). weist zu Recht darauf hin, dass dieses Argument des Gesetzgebers jedenfalls dann nicht greift, wenn kein rechtlicher Vater vorhanden ist oder keine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind besteht. 747 BVerfG, NJW 2007, 753 (757 Rn. 89).

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2. Teil: Vaterschaft

(2) Eigene Stellungnahme Für die Beantwortung der Frage, ob die Ungleichbehandlung durch Vorliegen eines sachlichen Grundes gerechtfertigt ist, darf nicht das vom Gesetzgeber gewählte Rechtfertigungsschema zu Grunde gelegt und zwischen dem Bestehen und Nichtbestehen einer rechtlichen Vaterschaft getrennt werden. Dies liegt daran, dass es im Falle des Nichtbestehens der rechtlichen Vaterschaft bereits am Vorliegen einer Ungleichbehandlung fehlt, deren Rechtfertigung geprüft werden könnte. Da eine Ungleichbehandlung zwingend die Existenz von Vergleichsgruppen voraussetzt, es bei nicht bestehender rechtlicher Vaterschaft allerdings am Vorliegen eines rechtlichen Vaters und damit an einer Vergleichsgruppe fehlt, gibt es keine Vergleichsgruppe, die der Gruppe des potentiell biologischen Vaters gegenüber gestellt werden könnte. Da es somit nur bei bestehender rechtlicher Vaterschaft einen rechtlichen Vater gibt, der als Vergleichsgruppe der Gruppe des potentiell biologischen Vaters gegenüber gestellt werden kann, ist eine Ungleichbehandlung nur bei bestehender rechtlicher Vaterschaft möglich, sodass infolge dessen für die Beantwortung der Frage, ob die Ungleichbehandlung des potentiell biologischen Vaters durch Vorliegen eines sachlichen Grundes gerechtfertigt ist, allein auf die Situation einer bestehenden rechtlichen Vaterschaft abgestellt wird. Für die Situation, in der keine rechtliche Vaterschaft existiert, liegt somit keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG vor, wohl aber eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG748. (a) Sachlicher Grund für beschränkte Verwirklichung des Rechts Zunächst soll festgestellt werden, ob ein sachlicher Grund dafür besteht, dass der rechtliche Vater sein Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse unbeschränkt verwirklichen kann, der potentiell biologische Vater dagegen nur nach § 1600 Abs. 2, 3 BGB beschränkt. (a) Schutz der sozialen Familie Der Gesetzgeber nannte als sachlichen Grund für die nur beschränkte Verwirklichung des Rechts des potentiell biologischen Vaters den Schutz der sozialen Familie, da die bestehende intakte soziale Familie vor dem 748

Ausführlich Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.2.a).

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Vorgehen eines unbeteiligten Dritten geschützt werden müsse749. Dass der Gesetzgeber unter einem unbeteiligten Dritten insbesondere auch den potentiell biologischen Vater versteht, wird durch die von der Bundesjustizministerin Zypries in Bezug auf den potentiell biologischen Vater gewählte Formulierung deutlich, dass die Gesellschaft kein Verfahren für Leute brauche, „die aus bloßer Neugier oder um die Familie zu stören, behaupten, sie seien der Vater“750. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht nicht ausdrücklich deutlich macht, dass der soziale Bestand der Familie vor dem Vorgehen des potentiell biologischen Vaters geschützt werden müsse, meint die FDP-Abgeordnete Laurischk751 dieses gleichwohl aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herauslesen zu können, da die Verfassungsrichter dem Gesetzgeber aufgetragen haben, auch nach Einführung des § 1598a BGB zu gewährleisten, dass die bereits bestehende [rechtliche und] soziale Familie geschützt werde752. Die zitierte Stelle mag zwar aus dem Kontext gerissen die Ansicht Laurischks’ untermauern, kann aber tatsächlich nicht zur Unterstützung der Auffassung, dass die soziale Familie vor einem Vorgehen des potentiell biologischen Vaters geschützt werden müsse, herangezogen werden, da die Verfassungsrichter die Aussage nicht auf die Klärungsberechtigung des potentiell biologischen Vaters, sondern auf das Vaterschaftsanfechtungsverfahren bezogen haben. Gleichwohl soll im Folgenden untersucht werden, ob die soziale Familie durch ein Vorgehen des potentiell biologischen Vaters nach § 1598a BGB gefährdet wird753. Vor dem Hintergrund, dass das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die Ungleichbehandlung des potentiell biologischen Vaters im Vergleich zum rechtlichen Vater untersucht wird und bereits festgestellt wurde, dass die soziale Familie durch ein Vorgehen des rechtlichen 749 Es „muss verhindert werden, dass [. . .] Zweifel in eine funktionierende soziale Familie [hineingetragen werden]“ (vgl. BT-Drucks. 16/6561, S. 12). 750 Zypries, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15326A. 751 Laurischk, Plenarprotokoll d. BT 16/145, S. 15326D. 752 BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 99). 753 Kritisch dazu Nake, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/ 27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 3, die der Ansicht ist, dass der Schutz der sozialen Familie keinen sachlichen Grund für die Nichteinbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a BGB Klärungsberechtigten darstellt. Dem rechtlichen Vater würde bewusst durch die Möglichkeit nach § 1598a BGB vorzugehen, das Recht eingeräumt, zu jeder Zeit und ohne Frist die soziale Familie zu gefährden. Vor diesem Hintergrund bestehe kein Grund, warum der potentiell biologische Vater dann die soziale Familie schützen solle. Zur Entkräftung dieses Einwands kann allerdings angeführt werden, dass es einen Unterschied macht, ob die soziale Familie durch eine außenstehende Person (in der Regel ist dieses der potentiell biologische Vater) oder durch ein Mitglied der sozialen Familie selbst (in der Regel ist dies der rechtliche Vater) gefährdet wird – ausführlich dazu sogleich Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.2.b)cc)(2)(a)(b).

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2. Teil: Vaterschaft

Vaters gefährdet wird754, darf allerdings nicht untersucht werden, ob durch ein Vorgehen des potentiell biologischen Vaters nach § 1598a BGB die soziale Familie gefährdet wird, sondern es darf nur untersucht werden, ob die soziale Familie durch ein Vorgehen des potentiell biologischen Vaters nach § 1598a BGB stärker als durch ein Vorgehen des rechtlichen Vaters nach § 1598a BGB gefährdet wird. Keine Verbindung zwischen Kind und potentiell biologischem Vater Dass die Familie in ihrem sozialen Bestand durch ein Vorgehen nach § 1598a BGB gefährdet werden kann, wurde bereits dargelegt755. Diese bereits dargelegten Ausführungen können allerdings nicht auf die vorliegende Konstellation übertragen werden, da sich diese von der bereits behandelten Konstellation dadurch unterscheidet, dass das Verfahren nach § 1598a BGB nicht von einem Mitglied der sozialen Familie, sondern von einem Außenstehenden und unbeteiligten Dritten, also dem potentiell biologischen Vater, betrieben würde. Die Gefährdung der sozialen Familie fußt auf dem mit dem Vorgehen nach § 1598a BGB verbundenen Vertrauensverlust. Gegenüber einem unbeteiligten Dritten besteht aber kein Vertrauen, das allein durch den Wunsch, ein privates Abstammungsgutachten einzuholen, verletzt werden könnte. Was allerdings auch im Falle eines die Vaterschaft des potentiell biologischen Vaters nicht bestätigenden Abstammungsgutachtens Unruhe in die soziale Familie bringen kann, ist, dass die Mitglieder der sozialen Familie, insbesondere der rechtliche Vater, durch das Vorgehen des potentiell biologischen Vaters vielleicht erstmals Zweifel an der Treue der Mutter und damit an der Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater erlangen, die bereits geeignet sind die soziale Familie zu gefährden756. Dennoch wird die soziale Familie in den Fällen, in denen die Vaterschaft des potentiell biologischen Vaters nicht bestätigt wird, weniger gefährdet, als wenn ein Mitglied der sozialen Familie nach § 1598a BGB vorgeht, da in diesem Fall aufgrund des mit dem Vorgehen nach § 1598a BGB verbundenen Vertrauensverlustes, die soziale Familie grundsätzlich unabhängig vom Ergebnis der Abstammungsuntersuchung gefährdet wird757, während bei einem Vorgehen des potentiell biologischen Vaters zumindest noch die Möglichkeit besteht, dass die Familie derart gefestigt ist, dass die Zweifel an der Treue 754 755 756 757

Ausführlich Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a). Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a). Vgl. Fn. 398. Ausführlich Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a).

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der Mutter, durch die der potentiell biologische Vater zu einem Vorgehen nach § 1598a BGB veranlasst wird, keinen Einzug in die soziale Familie erhalten. Wird allerdings ausnahmsweise758 durch das Abstammungsgutachten die Vaterschaft des potentiell biologischen Vaters bestätigt, so bringt dieses Unruhe in die soziale Familie. Der rechtliche Vater erfährt möglicherweise zum ersten Mal von der Untreue der Mutter des Kindes und bekommt damit erstmals Zweifel an der genetischen Verbindung zwischen sich und dem ihm rechtlich zugeordneten Kind. Aber auch dann, wenn die Mutter den rechtlichen Vater über ihre Untreue unterrichtet hat, wird Unruhe in die bis dato funktionierende Familie gebracht, da durch das Bohren in alten Wunden ein erneutes schmerzhaftes Auseinandersetzen mit der Situation provoziert wird759. In jedem Fall aber entsteht Unruhe dadurch, dass durch die Kenntnis der fehlenden genetischen Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater Statusunsicherheit entsteht, da nun alle Beteiligten mit Ausnahme der Mutter, für die in aller Regel die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB bereits abgelaufen ist, die Möglichkeit haben, aus dieser neu gewonnenen Kenntnis rechtliche Konsequenzen zu ziehen. Es tritt somit der Zustand der konkreten Statusunsicherheit ein, der sich belastend auf den Einzelnen und damit auf den Familienfrieden auswirkt und folglich den sozialen Bestand der Familie gefährdet, auch wenn dieser Zustand der konkreten Statusunsicherheit nach spätestens zwei Jahren durch den Zustand der Statussicherheit abgelöst wird. Es kann somit festgehalten werden, dass die Beantwortung der Frage, ob die soziale Familie durch ein Vorgehen des potentiell biologischen Vaters nach § 1598a BGB gefährdet wird stark, vom Ergebnis der Abstammungsuntersuchung beeinflusst wird, während die Gefährdung der sozialen Familie bei einem Vorgehen des rechtlichen Vaters nach § 1598a BGB grundsätzlich unabhängig vom Ergebnis der Abstammungsuntersuchung eintritt760. Da bei Einholung des privaten Abstammungsgutachtens das Ergeb758

Legt man zu Grunde, dass der rechtliche Vater in 80% der Fälle auch der biologische Vater des Kindes ist und geht man zu Gunsten der Mutter davon aus, dass nur zwei und nicht mehr Männer als potentielle Väter in Betracht kommen, so ergibt sich aus dem Umkehrschluss, dass in nur 20% der Fällen die Vaterschaft des potentiell biologischen Vaters bestätigt würde. 759 Meyer, S. 134. 760 Entgegen der Auffassung von Rotax (vgl. Rotax, http://www.bundestag.de/ ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index. html, S. 7.) hängt die Gefährdung der sozialen Familie nicht von der Intention des das Verfahren nach § 1598a BGB betreibenden potentiell biologischen Vaters ab. Zwar ist Rotax insoweit zuzustimmen, als dass der potentiell biologische Vater das Verfahren nach § 1598a BGB nicht unbedingt mit dem Ziel betreiben muss, eine

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nis der Untersuchung aber noch ungewiss ist, kann lediglich festgehalten werden, dass in den Fällen, in denen zwischen Kind und potentiell biologischem Vater keinerlei Verbindung besteht, die soziale Familie durch ein Vorgehen des potentiell biologischen Vaters zumindest nicht stärker als durch ein Vorgehen des rechtlichen Vaters gefährdet wird. Wie stark die Gefährdung des sozialen Bestands der Familie letztlich ist, hängt aber nicht nur vom Untersuchungsergebnis, sondern vor allem davon ab, wie groß das Vertrauen der Familienmitglieder zueinander und die Bindung aneinander sind; je stärker der Zusammenhalt innerhalb der sozialen Familie ist, umso weniger kann diese von Außen gefährdet werden. Einfache Verbindung zwischen Kind und potentiell biologischem Vater Wenngleich seltener, ist es denkbar, dass das Kind eine soziale Beziehung zum potentiell biologischen Vater hat, weil das Kind beispielsweise ohnehin mit dem potentiell biologischen Vater in einer Familiengemeinschaft lebt oder die Familiengemeinschaft mit dem rechtlichen Vater bereits aufgelöst bzw. zerrüttet ist761. In derartig gelagerten Fällen darf der potentiell biologische Vater nicht als unbeteiligter Dritter behandelt werden, da er durch sein Vorgehen nach § 1598a BGB gerade keine bestehende und funktionierende fremde soziale Familie gefährdet. Was er allerdings durch sein Vorgehen nach § 1598a BGB gefährdet, ist seine eigene soziale Beziehung zum Kind. Insoweit kann auf die unter Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a).getätigten Ausführungen verwiesen werden, da es keinen Unterschied macht, ob das Verfahren des § 1598a BGB durch den potentiell biologischen oder den rechtlichen Vater betrieben wird. Entscheidend für die Gefährdung der sozialen Beziehung ist einzig, dass zwischen dem das Verfahren Betreibenden und dem Kind eine soziale Verbindung besteht. Abschließend kann demnach festgehalten werden, dass auch in der Konstellation, in der der potentiell biologische Vater eine Verbindung zum Kind hat, die soziale Familie durch sein Vorgehen nach § 1598a BGB zumindest nicht stärker als durch ein Vorgehen des rechtlichen Vaters nach § 1598a BGB gefährdet wird. Bindung zu dem Kind aufzubauen und damit eine bestehende intakte soziale VaterKind-Beziehung zu gefährden, sondern es genauso denkbar ist, dass er das Verfahren mit dem Ziel betreibt, endlich Gewissheit darüber zu erlangen, nicht der biologische Vater des in Rede stehenden Kindes zu sein, allerdings ändert diese Intention des potentiell biologischen Vaters nichts daran, dass die Familie in ihrem sozialen Bestand gefährdet wird, da bereits durch das bloße Vorgehen Zweifel und damit Unruhe in die soziale Familie gebracht werden, die geeignet sind, die Familie in ihrem sozialen Bestand zu gefährden. 761 Wellenhofer in MüKo BGB, § 1600 Rn. 12.

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Zwischenergebnis Durch ein Vorgehen des potentiell biologischen Vaters nach § 1598a BGB wird die soziale Familie zumindest nicht stärker gefährdet als durch ein Vorgehen des rechtlichen Vaters, sodass der Schutz der sozialen Familie keinen sachlichen Grund dafür darstellt, dass der potentiell biologische Vater sein Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG im Vergleich zum rechtlichen Vater nur nach § 1600 Abs. 2, 3 BGB beschränkt verwirklichen kann. Folglich ist die nach § 1600 Abs. 2, 3 BGB beschränkte Verwirklichung des Rechts des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG durch den Schutz der sozialen Familie nicht gerechtfertigt. Allerdings ist die beschränkte Verwirklichung des Rechts des potentiell biologischen Vaters dann gerechtfertigt, wenn sich ein sachlicher Grund dafür finden lässt, dass es einen Unterschied macht, ob die bestehende soziale Familie durch den rechtlichen oder durch den potentiell biologischen Vater gefährdet wird. (b) Unterschiedliche Stellung gegenüber dem Kind Als derartiger sachlicher Grund kommt die unterschiedliche Stellung des rechtlichen und potentiell biologischen Vaters gegenüber dem Kind in Betracht. Wie bereits aufgezeigt762, gefährdet der potentiell biologische Vater die soziale Familie im Unterschied zum rechtlichen Vater überwiegend als Unbeteiligter, und damit als Außenstehender. Im Hinblick auf den Schutz der sozialen Familie macht es einen Unterschied, ob diese von Innen (durch den rechtlichen Vater) oder von Außen (durch den potentiell biologischen Vater) gefährdet wird. So kann die vom Gesetzgeber im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform bezüglich des Vaterschaftsanfechtungsrechts des potentiell biologischen Vaters getätigte Überlegung herangezogen werden, die maßgeblich von dem Gedanken getragen wurde, dass grundsätzlich dann, wenn die Mitglieder der sozialen Familie von einer Anfechtung absehen, die Anfechtung des potentiell biologischen Vaters dem Wohle der sozialen Familie zuwiderläuft763. Übertragen auf das Verfahren zur Klärung der genetischen Abstammung nach § 1598a BGB, bei dem ebenfalls die soziale Familie gefährdet wird, bedeutet dies, dass 762 763

Vgl. Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.2.b)bb). BT-Drucks. 13/4899, S. 58.

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2. Teil: Vaterschaft

der potentiell biologische Vater als Unbeteiligter von Außen Unruhe in eine intakte soziale Familie bringt, die ohne sein Vorgehen nach § 1598a BGB weiterhin friedlich und glücklich leben würde. Folglich ist die nach § 1600 Abs. 2, 3 BGB beschränkte Verwirklichung des Rechts des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG durch die unterschiedliche Stellung des rechtlichen und potentiell biologischen Vaters gegenüber dem Kind gerechtfertigt, vorausgesetzt der potentiell biologische Vater hat gegenüber dem Kind die Stellung eines Unbeteiligten. Umgekehrt formuliert ist die nach § 1600 Abs. 2, 3 BGB beschränkte Verwirklichung des Rechts des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG dann nicht gerechtfertigt, wenn der potentiell biologische Vater nicht als Unbeteiligter von Außen, sondern als derjenige, der eine soziale Beziehung zum Kind hat, also von Innen, sein Recht verwirklichen möchte764. (g) Zwischenergebnis Es kann somit festgehalten werden, dass die Ungleichbehandlung in Bezug auf die nach § 1600 Abs. 2, 3 BGB beschränkte Verwirklichung des Rechts des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG dann gerechtfertigt ist, wenn sie nur den potentiell biologischen Vater erfasst, der gegenüber dem Kind und damit gegenüber der sozialen Familie die Stellung eines Außenstehenden bzw. unbeteiligten Dritten einnimmt und nicht den potentiell biologischen Vater, der eine soziale Beziehung zum Kind hat. Zwar findet § 1600 Abs. 2, 3 BGB auf jeden potentiell biologischen Vater Anwendung, unabhängig davon, ob er eine soziale Beziehung zum Kind hat oder nicht, allerdings sagt dies nichts darüber aus, ob es den potentiell biologischen Vätern auch gleichermaßen gelingt, die von § 1600 Abs. 2, 3 BGB aufgestellten Voraussetzungen zu erfüllen, also, ob sie faktisch gleichermaßen an die Beschränkung des § 1600 Abs. 2, 3 BGB gebunden sind: – Hat das Kind keine sozial-familiäre Beziehung zum potentiell biologischen Vater, so hat es diese in den überwiegenden Fällen stattdessen zum 764 Ebenso Wellenhofer in MüKo BGB, § 1598a Rn. 6; ähnlich hatte das Bundesverfassungsgericht schon im Zusammenhang mit dem Anfechtungsrecht des potentiell biologischen Vaters argumentiert, als es ausführte, dass es nur dann haltbar sei, den potentiell biologischen Vater zum Schutze der fremden sozialen Familie aus dem Kreis der Anfechtungsberechtigten auszuschließen, wenn überhaupt eine fremde soziale Familie besteht [vgl. BVerfG, NJW 2003, 2151 (2155)].

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rechtlichen Vater, was bedeutet, dass dem Vorgehen des potentiell biologischen Vaters § 1600 Abs. 2, 3 BGB entgegensteht. Etwas anderes gilt allerdings in den Fällen, in denen das Kind weder zum potentiell biologischen noch zum rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Beziehung hat. Vorstellbar ist dieses beispielsweise dann, wenn die Mutter ihren Ehemann betrogen hat, das Kind aber von klein auf bei dem von Ehemann und Seitensprung personenverschiedenen neuen Partner der Mutter aufwächst. Da in dieser Konstellation die sozial-familiäre Beziehung einzig zwischen Kind und Partner der Mutter besteht, gelingt es dem potentiell biologischen Vater die Voraussetzungen des § 1600 Abs. 2, 3 BGB zu erfüllen und damit die genetischen Abstammungsverhältnisse nach §§ 1600–1600c BGB faktisch unbeschränkt klären zu lassen, obwohl er selbst keine sozial-familiäre Beziehung zum Kind hat und deshalb als Außenstehender vorgeht. Da diese Fälle allerdings ein besonders sprunghaftes Verhalten der Mutter voraussetzten und ein solches wohl eher atypisch ist, stellen diese Fälle eher eine Ausnahme dar. – Hat das Kind eine sozial-familiäre Beziehung zum potentiell biologischen Vater, so hat es eine derartige grundsätzlich nicht auch noch zum rechtlichen Vater, was bedeutet, dass es dem potentiell biologischen Vater gelingt, die Voraussetzungen des § 1600 Abs. 2, 3 BGB zu erfüllen und die genetischen Abstammungsverhältnisse faktisch unbeschränkt klären zu lassen. Dies ändert aber nichts daran, dass es Fälle gibt, in denen es auch dem potentiell biologischen Vater, der eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind hat, nicht gelingt, die Voraussetzungen des § 1600 Abs. 2, 3 BGB zu erfüllen, sodass dieser die Abstammungsverhältnisse gerade nicht faktisch unbeschränkt klären lassen kann. Denkbar sind solche Fälle deshalb, weil das Anfechtungsrecht des potentiell biologischen Vaters wegen § 1600b Abs. 1 S. 2 2. HS BGB nicht wieder auflebt, wenn die ursprünglich zwischen Kind und rechtlichem Vater bestehende sozial-familiäre Beziehung nach Ablauf der zweijährigen Anfechtungsfrist beseitigt wird. Dieser endgültige Ausschluss des Anfechtungsrechts hat die Konsequenz, dass der potentiell biologische Vater, der zwar noch nicht während der zweijährigen Anfechtungsfrist des § 1600b BGB, wohl aber nach deren Ablauf eine soziale Beziehung zum Kind hat und deshalb gerade nicht als Außenstehender die Abstammungsverhältnisse klären lassen möchte, nicht nach §§ 1600–1600c BGB vorgehen kann765. Da diese Konstellation beispielsweise dann auftreten kann, wenn die Mutter sich nach Ablauf der Anfechtungsfrist vom rechtlichen Vater trennt, und dieses genau 765

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.2.a)bb)(3).

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2. Teil: Vaterschaft

wie die Tatsache, dass dadurch auch das Vater-Kind-Verhältnis leidet766, keine Seltenheit darstellt, kann diese Konstellation nicht unberücksichtigt bleiben. Somit kann bezüglich des potentiell biologischen Vaters, der keine sozial-familiäre Beziehung zum Kind hat, festgehalten werden, dass dieser in aller Regel an der Beschränkung des § 1600 Abs. 2, 3 BGB scheitert. Bezüglich des potentiell biologischen Vaters, der eine soziale Beziehung zum Kind hat, kann dagegen festgehalten werden, dass dieser in aller Regel zwar die Voraussetzungen des § 1600 Abs. 2, 3 BGB erfüllt, wegen der Existenz des § 1600b Abs. 1 S. 2 2. HS BGB allerdings nicht gewährleistet ist, dass er auch stets sein Recht faktisch unbeschränkt verwirklichen kann. Da demnach nicht gewährleistet ist, dass nur der potentiell biologische Vater, der keine sozial-familiäre Beziehung zum Kind hat, nicht aber auch derjenige, der eine solche hat, faktisch von der Beschränkung des § 1600 Abs. 2, 3 BGB erfasst wird, ist die durch § 1600 Abs. 2, 3 BGB beschränkte Verwirklichung des Rechts des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt. (b) Sachlicher Grund für nicht rechtsfolgenlose Verwirklichung des Rechts Wie bereits festgestellt, ist es für den potentiell biologischen Vater, der keinerlei Beziehungen zum Kind bzw. zur sozialen Familie hat, gerechtfertigt, dass die Verwirklichung seines Rechts auf Kenntnis der genetischen Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG im Unterschied zum rechtlichen Vater nur eingeschränkt möglich ist. Zu dieser Einschränkung gehört es aber nicht nur, dass die Verwirklichung des Rechts an strengere Voraussetzungen geknüpft ist, sondern möglicherweise auch, dass sie nicht rechtsfolgenlos möglich ist. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass dem potentiell biologischen Vater nicht nur ein Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, sondern auch ein Recht auf rechtsfolgenlose Verwirklichung dieses Rechts zusteht. Da somit der Rechtsfolgenlosigkeit der Verwirklichung des Rechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG besonders großes Gewicht beizumessen ist, wird deutlich, dass die Verwirklichung des Rechts auf Kennt766

Ausführlich dazu Werneck in Zartler/Wilk/Kränzl-Nagl, S. 155 ff.

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB

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nis der genetischen Abstammungsverhältnisse unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen nur in Ausnahmen gerechtfertigt sein kann. Eine solche Ausnahme soll angenommen werden, wenn keine Möglichkeit besteht, nach der das Recht des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung sowohl rechtsfolgenlos als auch unter Berücksichtigung des Aspekts, dass die Verwirklichung nur für den potentiell biologischen Vater, der keine Beziehung zum Kind hat, beschränkt sein darf, verwirklicht werden kann. (a) Möglichkeit nach Gesetzesentwurf des Bundesrates Überträgt man den Vorschlag des Bundesrates767 auf das Verfahren des § 1598a BGB, so wäre der potentiell biologische Vater nur dann klärungsberechtigt, wenn zwischen Kind und rechtlichem Vater keine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2, 3 BGB besteht. Durch die grundsätzliche Klärungsberechtigung wäre gewährleistet, dass der potentiell biologische Vater sein Recht rechtsfolgenlos verwirklichen kann. Gleichzeitig wäre gewährleistet, dass nur das Vorgehen des potentiell biologischen Vaters, der keine Beziehung zum Kind hat und deshalb wie ein unbeteiligter Dritter vorgeht, an Beschränkungen gebunden ist, nicht aber das Vorgehen des potentiell biologischen Vaters, der eine soziale Beziehung zum Kind hat und deshalb nicht als Außenstehender vorgeht. Dem potentiell biologischen Vater, der eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind hat und deshalb sein Recht nicht als Außenstehender verwirklichen möchte, gelingt es stets die Beschränkung des § 1600 Abs. 2, 3 BGB zu überwinden, da der im Rahmen des Anfechtungsverfahrens erhobene Einwand, dass wegen der Anwendung des § 1600b Abs. 1 S. 2 2. HS BGB auch Konstellationen denkbar sind, in denen der potentiell biologische Vater, der eine soziale Beziehung zum Kind hat, an der Beschränkung des § 1600 Abs. 2, 3 BGB scheitert, vorliegend nicht erhoben werden kann, weil § 1600b Abs. 1 S. 2 2. HS BGB nach dem Vorschlag des Bundesrates keine Anwendung auf das Klärungsverfahren findet. Da dadurch erreicht wird, dass das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater in dem Zeitpunkt überprüft werden muss, in dem der Anspruch geltend gemacht wird, kommt es einzig darauf an, dass im Zeit767 BT-Drucks. 16/5370; zustimmend dazu Borth, http://www.bundestag.de/aus schuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 4; Wagner/Albers/Nake, http://www.djb.de/Kommissionen/kommision-gentechno logie/st-07-02-Vaterschaftstests/, S. 7; Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1188).

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punkt der Geltendmachung des Anspruchs zwischen Kind und rechtlichem Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht, sodass es irrelevant ist, ob irgendwann einmal eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater bestand. Anders dagegen der potentiell biologische Vater, der keine soziale Beziehung zum Kind hat. Dieser scheitert, bis auf die aufgrund ihrer Seltenheit zu vernachlässigende Ausnahme, dass das Kind weder zum potentiell biologischen noch zum rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Beziehung hat, an der Überwindung der Hürde des § 1600 Abs. 2, 3 BGB, da das Kind die soziale Bindung in aller Regel statt zum potentiell biologischen zum rechtlichen Vater hat. Somit gewährleistet der Vorschlag des Bundesrates, dass das Recht des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung sowohl rechtsfolgenlos als auch unter Berücksichtigung des Aspekts, dass die Verwirklichung nur für den potentiell biologischen Vater, der keine Beziehung zum Kind hat, beschränkt sein darf, verwirklicht werden kann. (b) Möglichkeit nach Vorschlag des Bundesverfassungsgerichts Nach dem Vorschlag des Bundesverfassungsgerichts768 wäre der potentiell biologische Vater in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten aufzunehmen, allerdings steht ihm der Anspruch nur dann zu, wenn er Umstände vorträgt, „die es möglich erscheinen lassen, dass er der biologische Vater des Kindes sein könnte“769. Durch die grundsätzliche Aufnahme in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten wäre die rechtsfolgenlose Verwirklichung des Rechts des potentiell biologischen Vaters gewährleistet. Fraglich ist allerdings, ob der Vorschlag der Verfassungsrichter auch gewährleistet, dass nur das Vorgehen des potentiell biologischen Vaters, der keine Beziehung zum Kind hat und deshalb wie ein unbeteiligter Dritter vorgeht, an Beschränkungen gebunden ist, nicht aber das Vorgehen des potentiell biologischen Vaters, der eine soziale Beziehung zum Kind hat und deshalb nicht als Außenstehender vorgeht. Sowohl der potentiell biologische Vater, der eine soziale Beziehung zum Kind hat, als auch der, der keine soziale Beziehung zum Kind hat, müssen Umstände vortragen, „die es möglich erscheinen lassen, dass er der biologi768 BVerfG, NJW 2007, 753 (757 Rn. 89); zustimmend dazu Rotax, ZFE 2007, 124 (127); ders., http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klae rung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.; html, S. 7; Brosius-Gersdorf, http:// www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stel lungnahmen/index.html, S. 9. 769 BVerfG, NJW 2007, 753 (757 Rn. 89).

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sche Vater des Kindes sein könnte“770. Da die Frage der genetischen Vaterschaft aber völlig losgelöst von der sozialen Vaterschaft ist, haben sowohl der potentiell biologische Vater, der eine soziale Beziehung zum Kind hat, als auch der, der keine soziale Beziehung zum Kind hat, Schwierigkeiten diese Eingangshürde zu überwinden, mit der Folge, dass die Verwirklichung des Rechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht nur für den potentiell biologischen Vater, der als Außenstehender handelt, beschränkt ist, sondern auch für den potentiell biologischen Vater, der aufgrund einer sozialen Beziehung zum Kind nicht als Außenstehender handelt. (g) Zwischenergebnis Der Vorschlag des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet nicht, dass das Recht des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung sowohl rechtsfolgenlos als auch unter Berücksichtigung des Aspekts, dass die Verwirklichung nur für den potentiell biologischen Vater, der keine Beziehung zum Kind hat, beschränkt sein darf, verwirklicht werden kann771. Anders dagegen der Vorschlag des Bundesrates, der beide Aspekte zu berücksichtigen vermag und somit eine Möglichkeit aufzeigt, nach der das Recht des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG rechtsfolgenlos und unter Berücksichtigung des Aspekts, dass die Verwirklichung nicht für jeden potentiell biologischen Vater, sondern nur für den, der keine Beziehung zum Kind hat, beschränkt werden darf, verwirklicht werden kann. Da eine derartige Möglichkeit besteht, ist die Tatsache nicht gerechtfertigt, dass der potentiell biologische Vater durch die Nichteinbeziehung in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten sein Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG nur unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen verwirklichen kann. 770

BVerfG, NJW 2007, 753 (757 Rn. 89). Damit soll allerdings nicht angedeutet werden, dass der Vorschlag des Bundesverfassungsgerichts nicht hinnehmbar ist. Das Bundesverfassungsgericht wollte mit seinem Vorschlag nicht primär die soziale Familie schützen, sondern „das Kind und die Mutter vor der Preisgabe persönlicher Daten und der Offenlegung intimer Begebenheiten“ [vgl. BVerfG, NJW 2007, 753 (757 Rn. 89)]. Dieses Ziel wird mit dem vom Bundesverfassungsgericht gemachten Vorschlag erreicht, da dadurch verhindert wird, dass gegenüber jeder x-beliebigen Person persönliche Daten und Fakten offenbart werden müssen, sondern gewähr leistet ist, dass dies nur gegenüber solchen Personen geschieht, die, wenn auch nur für kurze Zeit, näheren Kontakt zu der Familie hatten. 771

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2. Teil: Vaterschaft

Es sei am Rande darauf hingewiesen, dass sich durch den Vorschlag des Bundesrates die Situation aller potentiell biologischer Väter im Hinblick auf die Verwirklichung ihres Rechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG im Vergleich zu ihrer jetzigen Situation verbessern würde, auch wenn dieses für den potentiell biologischen Vater, der keine Beziehung zum Kind hat, auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. – Dem potentiell biologischen Vater, der eine Beziehung zum Kind hat, würde grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt, frei zu entscheiden, ob er die genetischen Abstammungsverhältnisse vollumfänglich nach § 1598a BGB oder unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen nach §§ 1600–1600c BGB klären lassen möchte, da in aller Regel das Kind, das eine soziale Beziehung zum potentiell biologischen Vater hat, eine derartige nicht auch noch zum rechtlichen Vater hat. Selbst dann, wenn das Vorgehen nach §§ 1600–1600c BGB wegen § 1600b Abs. 1 S. 2 2. HS BGB ausgeschlossen ist, so würde dies keinen Nachteil für den potentiell biologischen Vater darstellen. Zwar stünden ihm nicht mehr beide Klärungsmöglichkeiten offen, allerdings stünde ihm weiter die Möglichkeit offen, nach der er sein Recht vollumfänglich klären lassen kann. – Dem potentiell biologischen Vater, der keine Beziehung zum Kind hat, würde grundsätzlich die Möglichkeit genommen, die genetischen Abstammungsverhältnisse überhaupt klären zu lassen772, da nach dem Vorschlag des Bundesrates sowohl das Klärungsverfahren nach § 1598a BGB als auch das Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§ 1600–1600c BGB für den potentiell biologischen Vater an dieselben Voraussetzungen gebunden sind, und damit das gleiche Schicksal teilen, und das Kind die soziale Beziehung statt zum potentiell biologischen, grundsätzlich zum rechtlichen Vater hat. Obwohl für den potentiell biologischen Vater, der keine Beziehung zum Kind hat, grundsätzlich beide Verfahren gesperrt wären und er überhaupt keine Möglichkeit hätte, die genetischen Abstammungsverhältnisse klären zu lassen und sein Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung zu verwirklichen773, würde sich die Situation dieses potentiell biologischen Vaters gegenüber seiner momentanen Situation verbessern. Wie bereits festgestellt wurde, ist es für diesen potentiell 772 Der Fall der nicht bestehenden rechtlichen Vaterschaft wird hier aus o. g. Gründen nicht behandelt. 773 So auch Zimmermann, NJOZ 2008, 1703 (1721); Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1279), die aus diesem Grund vorschlagen, dem potentiell biologischen Vater zumindest dann einen Anspruch aus § 1598a BGB zu gewähren, wenn feststeht, dass der rechtliche Vater nicht der Erzeuger des Kindes ist, gleichwohl aber die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft für den potentiell biologischen Vater nach § 1600 Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist, da zwischen Kind und rechtlichem Vater eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB besteht.

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biologischen Vater nicht schlechterdings ausgeschlossen die Voraussetzungen des § 1600 Abs. 2, 3 BGB zu erfüllen, da es, wenn auch selten, möglich ist, dass das Kind ebenfalls keine soziale Beziehung zum rechtlichen Vater hat. In diesem Fall wäre es dem potentiell biologischen Vater dann nicht nur möglich, wie bisher, die genetischen Abstammungsverhältnisse nach §§ 1600–1600c BGB unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen klären zu lassen, sondern sein Recht vollumfänglich nach § 1598a BGB zu verwirklichen. dd) Ergebnis Da der potentiell biologische Vater durch die Nichteinbeziehung in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist, ist § 1598a BGB mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. c) Ergebnis § 1598a BGB ist ohne die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten wegen Verletzung des Grundrechts des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungswidrig und wegen Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Nach dem Dargestellten könnte die fehlende Verfassungskonformität dadurch behoben werden, dass der potentiell biologische Vater in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten aufgenommen wird, er allerdings nur dann einen Anspruch gegen den/die Anspruchsverpflichteten auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe hat, wenn das Kind entsprechend den Voraussetzungen des § 1600 Abs. 2, 3 BGB keine sozial-familiäre Beziehung zum rechtlichen Vater hat. Darauf, dass sich die Klärungsberechtigung des potentiell biologischen Vaters nach § 1598a BGB nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen, sondern auch aus dem Wandel der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt, wurde der Gesetzgeber bereits während des Gesetzgebungsverfahrens hingewiesen774. Sowohl im Rahmen des Verfahrens nach 774

Nake, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 3; Rixe, http://www.bundestag.de/aus schuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 7, der darauf hinweist, dass die Abwägung der wechselseitigen Interessen beim rechtlichen und potentiell biologischen Vater in gleicher Weise vorzunehmen sind.

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2. Teil: Vaterschaft

§§ 1600–1600c BGB als auch im Rahmen des Verfahrens nach § 1598a BGB stehen sich das Interesse des Anfechtenden/Klärungsberechtigten an der genetischen Abstammung und das Interesse des Beklagten/Anspruchsverpflichteten am Erhalt der sozialen Familie gegenüber. Während das Bundesverfassungsgericht im Rahmen des §§ 1600–1600c BGB dem Interesse des Beklagten am Erhalt der sozialen Familie Vorrang eingeräumt hat, räumt es im Rahmen des § 1598a BGB dem Interesse des Klärungsberechtigten an der genetischen Abstammung Vorrang ein. Da sowohl der rechtliche als auch der potentiell biologische Vater von §§ 1600–1600c BGB erfasst werden, wäre es nur konsequent, den Wandel in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Interessenabwägung nicht nur auf den rechtlichen, sondern auch auf den potentiell biologischen Vater zu übertragen. II. Fehlende Anspruchsverpflichtung Die Folge davon, dass der potentiell biologische Vater nicht in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten aufgenommen wurde, ist, dass von einem Klärungsberechtigten zur Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse nicht nach § 1598a BGB gegen ihn vorgegangen werden kann, was bedeutet, dass eine Klärung der genetischen Verbindung zwischen Kind und potentiell biologischem Vater nicht möglich ist. Unter allen nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten hat das Kind aber ein gesteigertes Interesse an dieser Klärung und damit an der Inanspruchnahme des potentiell biologischen Vaters, da dieses, wenn es Kenntnis davon erlangt, nicht vom rechtlichen Vater abzustammen, in aller Regel erfahren möchte, von wem es tatsächlich genetisch abstammt. Darauf, dass die Mutter auch ein grundrechtlich geschütztes Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung des Kindes vom potentiell biologischen Vater hat, soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden775. 1. Grundrechtsverletzung Diesem Interesse des Kindes an der Kenntnis der eigenen genetischen Abstammung wird ein so großes Gewicht beigemessen, dass es grundsätzlich776 775

Dazu Vierter Teil, Erstes Kapitel, B.III. Zu der Ausnahme, in der das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung nicht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, sondern nach Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 GG geschützt ist, ausführlich Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.2.a)bb). 776

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durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützt ist777, wobei zu der Kenntnis der eigenen Abstammung sowohl die Kenntnis zu wissen, von wem man nicht als auch die Kenntnis zu wissen, von wem man tatsächlich genetisch abstammt, gehört. Die Nichtaufnahme des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten ist dann verfassungsgemäß, wenn das Kind durch die fehlende Möglichkeit gegen den potentiell biologischen Vater nach § 1598a BGB vorgehen zu können, nicht in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt wird. a) Schutzbereich Der grundrechtliche Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erschöpft sich allerdings nicht darin, dass das Kind ein Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse hat, sondern erstreckt sich auch auf die Möglichkeit, dieses Recht in einem rechtsförmlichen Verfahren verwirklichen zu können, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen778. b) Eingriff Ein Eingriff in das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung liegt somit vor, wenn das Kind keine Möglichkeit hat, sein Recht in einem rechtsförmlichen Verfahren zu verwirklichen, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. aa) Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB Das Verfahren nach § 1598a BGB soll dem nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten die Möglichkeit geben, in einem rechtsförmlichen Verfahren die genetischen Abstammungsverhältnisse klären zu können, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Da das Kind nach § 1598a Abs. 1 Nr. 3 klärungsberechtigt ist kann es nach § 1598a BGB vorgehen. Allerdings ist ein derartiges Vorgehen nicht gegenüber Jedermann, sondern nur gegenüber den nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten möglich. 777 778

Ausführlich dazu bereits Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.2.a)aa). BVerfG, NJW 2007, 753 (753 Rn. 58).

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Da der rechtliche Vater in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten einbezogen ist, kann das Kind durch ein Vorgehen nach § 1598a BGB klären lassen, ob es genetisch vom rechtlichen Vater abstammt und damit, wenn durch das eingeholte private Abstammungsgutachten die genetische Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater bejaht wird, positive Kenntnis darüber erlangen, von wem es abstammt bzw., wenn durch das eingeholte private Abstammungsgutachten die fehlende genetische Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater attestiert wird, negative Kenntnis darüber erlangen, von wem es nicht abstammt779. Um in diesem Fall nach § 1598a BGB feststellen zu können, von welchem Mann das Kind tatsächlich genetisch abstammt, müsste es nach § 1598a BGB die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem potentiell biologischen Vater klären lassen können. Diese Möglichkeit ist dem Kind aber verwehrt, da der potentiell biologische Vater nicht in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten einbezogen ist. Somit kann das Kind nicht nach § 1598a BGB die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem potentiell biologischen Vater klären lassen780. Da § 1598a BGB dem Kind demnach lediglich ermöglicht, die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem rechtlichen Vater, nicht aber die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen sich und dem potentiell biologischen Vater klären zu lassen, stellt das Verfahren nach § 1598a BGB keine Möglichkeit dar, mit der das Kind sein von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht vollumfänglich verwirklichen kann. bb) Private Abstammungsuntersuchung Grundsätzlich kann das Kind jederzeit eine private Abstammungsuntersuchung durchführen und auf diesem Wege klären lassen, ob der rechtliche auch der biologische Vater ist. Ebenso kann es aber auch jeden anderen Mann testen, der als potentiell biologischer Vater in Betracht kommt. Bezüglich der Durchführung dieser Untersuchung gilt nichts anderes, als wenn der rechtliche Vater das private Abstammungsgutachten einholt, so779 Helms, FamRZ 2008, 1033 (1033); Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1278); Borth, FPR 2007, 381 (382). 780 Helms, FamRZ 2008, 1033 (1033); Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1278); Borth, FPR 2007, 381 (382).

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dass das Gutachten nur dann rechtmäßig ist, wenn alle Betroffenen ihre Einwilligung zu der Abstammungsuntersuchung erteilt haben781. Da diese Vorgehensweise aber mangels gesetzlicher Regelung kein rechtsförmliches Verfahren darstellt, scheidet eine private Abstammungsuntersuchung als Möglichkeit, nach der das Kind sein von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht verwirklichen kann, aus. cc) Heimliche Abstammungsuntersuchung Auch wenn ein heimlich eingeholtes Abstammungsgutachten mangels Einwilligung der Betroffenen rechtswidrig ist782, verschafft es dem Kind doch, wenngleich illegal erlangt Gewissheit darüber, vom wem es tatsächlich genetisch abstammt, da sowohl der rechtliche Vater als auch jeder andere Mann, der als potentiell biologischer Vater in Betracht kommt, getestet werden kann. Allerdings scheidet die heimliche Abstammungsuntersuchung nicht nur wegen ihrer Rechtswidrigkeit als Möglichkeit, nach der das Kind von seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Gebrauch machen kann, aus, sondern auch deshalb, weil sie mangels gesetzlicher Regelung kein rechtsförmliches Verfahren darstellt. dd) Vaterschaftsanfechtungsverfahren gemäß §§ 1600–1600c Das Kind ist nach § 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB zur Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft berechtigt. Unabhängig davon, dass die Vaterschaftsanfechtung solange das Kind geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig ist, durch den gesetzlichen Vertreter nur dann betrieben werden kann, wenn sie dem Wohle des Kindes dient (vgl. § 1600a Abs. 3, 4 BGB), gibt das Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§ 1600–1600c BGB dem Kind nicht die Möglichkeit, sein Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG vollumfänglich in einem rechtsförmlichen Verfahren zu verwirklichen, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Durch das im Rahmen des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens nach § 372a ZPO einzuholende gerichtliche Abstammungsgutachten wird lediglich die genetische Abstammung des Kindes von seinem rechtlichen Vater überprüft. Für den Fall, dass sich durch das Gutachten die Nichtabstam781 782

Ausführlich dazu Erster Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.b)aa). Ausführlich dazu Erster Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.b)bb).

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mung von diesem ergibt, wird das Kind rechtlich vaterlos, ohne dass das Gericht dem Kind von Amts wegen als neuen rechtlichen Vater den Mann zuordnet, vom dem das Kind tatsächlich genetisch abstammt. Einen neuen rechtlichen Vater erhält das Kind nur dadurch, dass ein anderer Mann nach §§ 1594 ff. BGB die Vaterschaft anerkennt oder gerichtlich nach § 1600d BGB als Vater festgestellt wird783. Nur in letzterem Fall ist gewährleistet, dass der dem Kind zugeordnete rechtliche Vater gleichzeitig auch der genetische Vater des Kindes ist. ee) Gerichtliche Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Die positive Vaterschaftsfeststellungsklage gemäß § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gibt die Möglichkeit den biologischen Vater zu ermitteln, wenn das Kind, sei es weil es nicht in eine bestehende Ehe geboren wurde und kein Mann die Vaterschaft wirksam anerkannt hat oder weil die rechtliche Vaterschaft wirksam nach §§ 1600–1600c BGB angefochten wurde, rechtlich vaterlos ist. In einem solchen Fall ungeklärter Vaterschaft kann das Kind nach §§ 1600d, e BGB auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft klagen, in deren Verlauf aufgrund des nach § 640 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 616 Abs. 1 ZPO geltenden Untersuchungsgrundsatzes der Mann ermittelt wird, von dem das Kind tatsächlich genetisch abstammt. Auch wenn dem Kind durch § 1600d BGB die Möglichkeit eingeräumt wird, festzustellen, von wem es tatsächlich genetisch abstammt, ist das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren gemäß § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht geeignet, dem Kind diese Kenntnis ohne die Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen zu verschaffen, da der Mann, von dem das Kind genetisch abstammt, automatisch in die Stellung des rechtlichen Vaters eintritt784. Hat das Kind einen rechtlichen Vater, so muss es sogar, um überhaupt die Möglichkeit zu erlangen, nach § 1600d BGB vorgehen zu können, zunächst die rechtliche Vaterschaft nach §§ 1600–1600c BGB durch Anfechtung beseitigen.

783 784

Wellenhofer in MüKo BGB, § 1599 Rn. 28. Schwab, Rn. 542.

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ff) Isolierte Abstammungsfeststellungsklage Das bisherige Recht kennt keine spezielle Regelung einer isolierten Klage des Kindes, die lediglich auf die Feststellung der genetischen Abstammung gerichtet ist785. Wenngleich eine solche isolierte Abstammungsfeststellungsklage in der Literatur teilweise, wenn auch unter anderer Bezeichnung, bereits seit Jahren gefordert wird786 und auch das Bundesverfassungsgericht bereits in den Jahren 1989787 und 1994788 darin einen Weg aus der Verfassungswidrigkeit der damaligen gesetzlichen Regelung gesehen hat, hat sich der Gesetzgeber im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform ausdrücklich gegen die Zulassung einer solchen Klage zur Feststellung der Vaterschaft entschieden789. gg) Allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO Genau wie der rechtliche und potentiell biologische Vater kann auch das Kind die genetische Abstammung nicht durch eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO isoliert feststellen lassen, da es zum einen an dem erforderlichen Rechtsverhältnis und zum anderen an dem erforderlichen alsbaldigen rechtlichen Feststellungsinteresse fehlt790. hh) Auskunftsanspruch des Kindes gegen die Mutter Um zu erfahren, von welchem Mann das Kind tatsächlich genetisch abstammt, steht ihm nach überwiegender Literaturansicht791 sowie gefestig785 Löhnig, Rn. 65; Merkel, NJW-Spezial 2007, 468 (468); Brosius-Gersdorf, NJW 2007, 806 (812). 786 Wellenhofer in MüKo BGB, vor § 1599 Rn. 19; Mutschler, FamRZ 1994, 65 (70); Edenfeld, FuR 1996, 190 (195); Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 407 (409); Dethloff, NJW 1992, 2200 (2208); Oberloskamp, FuR 1991, 263 (269); Kemper, FuR 1994, 231 (233); Gernhuber/Coester-Waltjen, § 52 I Rn. 20; Coester, JZ 1992, 809 (811); Coester-Waltjen, Jura 1989, 520 (522); Ramm, NJW 1989, 1594 (1597); ablehnend: Frank, FamRZ 1995, 975 (980); ders., StAZ 2003, 129 (135); Rauscher in Staudinger, Einl zu §§ 1589 ff., Rn. 81; Giesen, JZ 1989, 364 (375); Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1443); Lüderitz/Dethloff, § 10 Rn. 37; Reinke, S. 154 ff.; Donhauser, S. 148 ff.; Smid, JR 1990, 221 (223); Helms, S. 135; Sethe von, S. 126 f., 149 ff. 787 BVerfG, Urteil v. 31.01.1989 – 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891 (893). 788 BVerfG, Urteil v. 26.04.1994 – 1 BvR 1299/89, NJW 1994, 2475 (2476). 789 BT-Drucks. 13/4899, S. 57, 166. 790 Ausführlich dazu Erster Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.b)gg). 791 Helms, S. 151 Fn. 97 m. w. N.; Muscheler/Bloch, FPR 2002, 339 (348 Fn. 121 m. w. N.); Donhauser, S. 98.

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ter792 und vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandeter Rechtsprechung grundsätzlich ein Anspruch gegen die Mutter auf Nennung aller in Betracht kommender potentiell biologischer Väter zu. Nur grundsätzlich und nicht ausnahmslos besteht dieser Anspruch des Kindes deshalb, weil durch die Auskunftserteilung das ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter tangiert wird793. Durch die namentliche Nennung des oder der potentiell biologischen Väter, werden Informationen aus dem Sexualleben der Mutter zum Zeitpunkt der Empfängnis offenbart, die dem von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Bereich entstammen, sodass durch Benennung des oder der potentiell biologischen Väter in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung eingegriffen wird. Dies führt dazu, dass sich das grundrechtlich geschützte Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung und das grundrechtlich geschützte Recht der Mutter auf sexuelle Selbstbestimmung gegenüberstehen. Diese sich gegenüberstehenden Grundrechte müssen im Wege der praktischen Konkordanz gegeneinander abgewogen werden, wobei die Abwägung nicht abstrakt erfolgen kann, sondern auf jeden konkreten Einzelfall bezogen vorgenommen werden muss. Überwiegt das Recht des Kindes das Recht der Mutter, ist der Eingriff in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter gerechtfertigt, mit der Folge, dass das Kind einen Anspruch gegen die Mutter auf Auskunftserteilung hat; überwiegt dagegen das Recht der Mutter das Recht des Kindes, so ist der Eingriff in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter nicht gerechtfertigt, mit der Folge, dass das Kind keinen Anspruch gegen die Mutter auf Auskunftserteilung hat. (1) Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht anerkennt, auch wenn es seine Rechtsprechung des ausnahmslosen Vorrangs des Rechts des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegenüber dem Recht der Mutter auf sexuelle Selbstbestimmung794 mittlerweile aufgegeben hat795, einen grundsätzlichen Vorrang des Rechts des Kindes, das allerdings ausnahmsweise hinter dem Recht der Mutter zurücktreten kann, wenn diese im konkreten Einzelfall gravierende Belange geltend machen kann, die gegen eine Auskunftsertei792

Rauscher in Staudinger, Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 92 m. w. N. Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.3.d). 794 BVerfG, Beschluss v. 18.01.1988 – 1 BvR 1589/87, NJW 1988, 3010; dazu Wanitzek, S. 367. 795 BVerfG, Beschluss v. 06.05.1997 – 1 BvR 409/90, NJW 1997, 1769. 793

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lung sprechen796. Zumeist ergebe die vorgenommene Einzelfallbetrachtung aber einen Vorrang des Rechts des Kindes gegenüber dem Recht der Mutter797, da sich die Mutter in der Regel durch Benennung ihrer Geschlechtspartner aufgrund der gesellschaftlichen Haltung zu einer außerehelichen Zeugung weder der Unehre aussetze noch zur Herabwürdigung ihrer eigenen Person genötigt werde. Auch der Aspekt, dass durch die Auskunft der Fortbestand der neuen Familie des potentiell biologischen Vaters gefährdet werden könnte, ändere zumeist nichts an diesem Ergebnis. Als Grund dafür wird zum einen angeführt, dass die Situation des Kindes von der Mutter und dem potentiell biologischen Vater verursacht worden sei, sodass es gerechtfertigt erscheine, diesen eine gesteigerte Verantwortung für den Ausgleich der Nachteile des Kindes aufzuerlegen (sog. Verschuldensprinzip) und zum anderen, dass nach heute verbreitetem Verständnis eine frühere intime Beziehung eine später eingegangene Partnerschaft nicht berühre798. Dies führt dazu, dass das Kind mit Ausnahme weniger Einzelfälle, einen Anspruch gegen die Mutter auf Nennung aller Männer, die als potentiell biologische Väter in Betracht kommen, aus § 1618a BGB hat. Dieses Ergebnis des Bundesverfassungsgerichts ist in der Literatur nach meinem Dafürhalten zu Recht auf Kritik gestoßen799. (2) Eigene Stellungnahme (a) Schutz durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hat das Kind, wenn sein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt wird, nur grundsätzlich einen Anspruch gegen die Mutter, was bedeutet, dass das Recht des Kindes das Recht der Mutter nur grundsätzlich überwiegt. Da bei einer Grundrechtsabwägung in erster Linie auf Art und Ranghöhe der betroffenen Grundrechtspositionen zu achten ist800, muss die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene und von der Literatur durch das Ver796

Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Löhnig, Rn. 67; Seidel in MüKo BGB, § 1589 Rn. 30. 797 Diederichsen in Palandt, § 1618a Rn. 3; Rauscher in Staudinger, Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 93. 798 Muscheler/Bloch, FPR 2002, 339 (343); Eidenmüller, JuS 1998, 789 (792); Rauscher in Staudinger, Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 95. 799 Eidenmüller, JuS 1998, 789; Frank/Helms, FamRZ 1997, 1258; Lenze, ZfJ 1998, 101; Helms, S. 160 f. 800 Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163).

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2. Teil: Vaterschaft

schuldensprinzip vervollständigte Abwägung dahingehend ergänzt werden, dass das von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht des Kindes nicht nur grundsätzlich, sondern ausnahmslos das Recht der Mutter überwiegt, mit der Folge, dass dem Kind stets ein Anspruch gegen die Mutter aus § 1618a BGB zusteht. Weil sowohl das Recht des Kindes als auch das Recht der Mutter von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt werden, stehen sich zwei grundsätzlich gleichrangige Rechte gegenüber, deren Vorrangverhältnis sich dann unter Berücksichtigung der Art und Ranghöhe lösen lässt, wenn die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützten Rechte ausnahmsweise nicht als gleichwertige Rechte denselben Rang einnehmen. Ausgehend von diesen Erwägungen ist es für die Abwägung der vorliegend tangierten Rechte entscheidend, welche Persönlichkeitssphären durch die Auskunftserteilung bei Kind und Mutter betroffen werden801. Für die Beantwortung dieser Frage kann auf die bereits unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)aa)(3)(a) vorgenommene Abwägung verwiesen werden, sodass auf Seiten des Kindes die grundrechtsdogmatisch der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG nahestehende Intimsphäre und auf Seiten der Mutter die grundrechtsdogmatisch der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG nahestehende Privatsphäre betroffen sind. Es stehen sich somit im Rahmen der Abwägung der kollidierenden allgemeinen Persönlichkeitsrechte auf Seiten des Kindes die Intimsphäre und auf Seiten der Mutter die Privatsphäre gegenüber. Da die Intimsphäre der Menschenwürde nahe steht, ist sie keiner Abwägung mit dem kollidierenden Recht der Mutter zugänglich, was bedeutet, dass das Recht der Mutter hinter dem Recht des Kindes zurücktreten muss. Somit ergibt sich aus Art und Ranghöhe der betroffenen Rechte, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, wenn dieses von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt wird, ausnahmslos und nicht nur grundsätzlich Vorrang vor dem Recht der Mutter auf Geheimhaltung ihres Sexuallebens hat. (b) Schutz durch Art. 2 Abs. 1 GG/Art. 14 GG Das Bundesverfassungsgericht spricht dem Kind einen Auskunftsanspruch gegen die Mutter aus § 1618a BGB unabhängig davon zu, ob das Kind die Kenntnis der eigenen Abstammung aus erb- oder unterhaltsrechtlichen, also materiellen, oder aus immateriellen Gründen erfahren möchte802. 801 Geis, JZ 1991, 112 (115); ausführlich dazu Podlech in AK-GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 35 ff.

2. Kap.: Verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1598a BGB

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Diese Ansicht verkennt allerdings, dass sich die beiden Konstellationen grundlegend unterscheiden und somit gerade nicht gleich behandelt werden dürfen. Der grundlegende Unterschied der beiden Konstellationen besteht darin, dass das Kind in der einen Konstellation ein materielles und in der anderen Konstellation ein immaterielles Interesse an der Kenntnis der eigenen Abstammung hat, das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung aber nur dann von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt wird, wenn das Kind aus immateriellen Interessen handelt. Möchte das Kind dagegen aus materiellen Gründen erfahren, wer sein biologischer Vater ist, so kann das Kind sich nicht auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen, sondern seiner Intention entsprechend entweder auf die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG oder die Eigentumsfreiheit nach Art. 14 GG803. Da somit die allgemeine Handlungsfreiheit/Eigentumsfreiheit des Kindes mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Mutter kollidiert, stehen sich bei der Abwägung zwei nicht gleichwertige Rechte gegenüber804, mit der Folge, dass unter Berücksichtigung der Art und Ranghöhe der betroffenen Rechte das von Art. 2 Abs. 1 GG/Art. 14 GG geschützte Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung stets hinter dem Recht der Mutter auf Geheimhaltung ihres Sexuallebens zurücktreten muss. (c) Zwischenergebnis Möchte das Kind aus immateriellen, persönlichkeitsprägenden Interessen Kenntnis über die eigene Abstammung erlangen, so überwiegt das Recht des Kindes stets das Recht der Mutter, mit der Folge, dass das Kind ausnahmslos einen Auskunftsanspruch gegen die Mutter auf Nennung aller in Betracht kommender potentiell biologischer Väter aus § 1618a BGB hat. Möchte das Kind dagegen aus materiellen, vermögensrechtlichen Interessen Kenntnis über die eigene Abstammung, so hat es keinen Auskunftsanspruch gegen die Mutter aus § 1618a BGB, da das Recht des Kindes hinter dem Recht der Mutter zurücktreten muss805. 802 BVerfG, NJW 1997, 1769 (1769); so auch Muscheler/Bloch, FPR 2002, 339 (349); Schwer in JurisPK Bd. 4, § 1618a Rn. 7. 803 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.2.a)bb). 804 Ausführlich bereits Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)aa)(3)(b). 805 Helms, S. 156 weist allerdings nicht unbegründet darauf hin, dass der Auskunftsanspruch zu einem Zufallsprodukt werde, da die Parteien versuchen werden, unwahre Behauptungen aufzustellen.

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(3) Fazit Während das Kind nach der herrschenden Meinung unabhängig davon, ob es mit seinem Begehren vermögensrechtliche oder persönlichkeitsprägende Interessen verfolgt, grundsätzlich einen Auskunftsanspruch gegen die Mutter aus § 1618a BGB hat, besteht nach meinem Dafürhalten dieser Anspruch nur dann, wenn das Kind aus persönlichkeitsprägenden Interessen handelt, dann aber nicht nur grundsätzlich, sondern ausnahmslos. Aber unabhängig davon, welcher Ansicht gefolgt wird, hilft dieser Anspruch dem Kind bei der Verwirklichung seines Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung nicht weiter806. Zwar ist die Mutter die einzige Person, die wissen kann, von wem das Kind genetisch abstammt, sodass das Kind bei wahrheitsgemäßer Auskunft der Mutter Kenntnis über seine genetische Auskunft erhalten könnte; allerdings ist weder gewährleistet, dass die Mutter diese Kenntnis tatsächlich hat807, geschweige denn, dass sie willens ist, dem Kind die korrekte Auskunft zu erteilen. Somit kann festgehalten werden, dass ein Anspruch des Kindes gegen die Mutter auf Benennung aller in Betracht kommender potentiell biologischer Väter unabhängig davon, ob er bejaht werden kann oder nicht, nicht geeignet ist, das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu verwirklichen, da er dem Kind gerade nicht die gewünschte Gewissheit über die eigene Abstammung verschafft. ii) Zwischenergebnis Für das Kind stellt sich nach aktueller Rechtslage die Situation so dar, dass es zwar ein von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung und Feststellung dieser in einem rechtsförmlichen Verfahren hat, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, ihm aber kein rechtsförmliches Verfahren zur Verfügung steht, das die rechtmäßige Geltendmachung und Durchsetzung dieses Rechts gewährleistet. – Das Verfahren nach § 1598a BGB stellt ein rechtsförmliches Verfahren dar, mit dem das Kind rechtsfolgenlos klären lassen kann, ob es genetisch vom rechtlichen Vater abstammt. Im Falle der Nichtabstammung 806

Seidel in MüKo BGB, § 1589 Rn. 35; Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1189). Weber, FamRZ 1996, 1254 (1259) weist diesbezüglich auf Gedächtnislücken der Mutter, die durch nachlassendes Erinnerungsvermögen oder durch den psychologischen Effekt der Verdrängung hervorgerufen werden können, sowie die Mehrverkehrsproblematik hin, bei der es nur möglich ist, alle potentiellen Väter zu benennen, nicht aber konkret den biologischen Vater. 807

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bietet es dem Kind aber keine Möglichkeit positiv feststellen zu können, von wem es stattdessen genetisch abstammt. Das private Abstammungsgutachten gibt dem Kind zwar die Möglichkeit die eigene Abstammung ohne Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen festzustellen, macht die rechtmäßige Ausübung des Rechts aber von der Einwilligung des/der Betroffenen und damit vom Willen anderer abhängig und stellt kein rechtsförmliches Verfahren dar. Das heimliche Abstammungsgutachten gewährleistet dem Kind zwar die Feststellung der genetischen Abstammung ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen, ist allerdings nach aktueller Rechtsprechung rechtswidrig und stellt kein rechtsförmliches Verfahren dar. Das Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§ 1600–1600c BGB bietet dem Kind lediglich die Möglichkeit, die genetische Verbindung zwischen sich und dem rechtlichen Vater unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen in einem rechtsförmlichen Verfahren klären zu lassen, nicht aber die zwischen sich und dem potentiell biologischen Vater. Das Verfahren zur gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft nach § 1600d BGB i. V. m. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO stellt zwar ein rechtsförmliches Verfahren dar, in dem das Kind die genetische Verbindung zwischen sich und dem potentiell biologischen Vater überprüfen lassen kann, gewährt dem Kind diese Möglichkeit aber nur unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen. Der Auskunftsanspruch des Kindes gegen die Mutter auf Nennung aller potentiell biologischer Väter aus § 1618a BGB ist nicht geeignet die genetischen Abstammungsverhältnisse verlässlich zu klären.

Da es somit kein Verfahren gibt, das der vollumfänglichen rechtsfolgenlosen Verwirklichung des Rechts des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gerecht wird, liegt ein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG vor, der zu einer Verletzung des Grundrechts des Kindes und damit zur Verfassungswidrigkeit des § 1598a BGB führt. c) Ergebnis Durch die Nichteinbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten liegt ein Verstoß gegen das Grundrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG vor, der die Verfassungswidrigkeit des § 1598a BGB zur Folge hat808. 808 Ebenso Rixe, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klae rung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 6 f.; a. A. Groß, http://www.

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2. Eigene Stellungnahme Die Nichteinbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten führt aber nicht nur zur Verfassungswidrigkeit des § 1598a BGB, sondern hat vor allem für das grundrechtlich geschützte Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung und damit für das Kind selbst massive Folgen. Sie führt nicht nur dazu, dass das Kind lediglich die genetische Abstammung vom rechtlichen Vater in einem rechtsförmlichen Verfahren ohne Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen klären lassen kann, während es die tatsächliche genetische Abstammung in einem rechtsförmlichen Verfahren lediglich unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen klären lassen kann [vgl. a)], sondern unter Umständen sogar auch dazu, dass es dem Kind, das weiß, nicht vom rechtlichen Vater abzustammen, nicht nur im Hinblick auf die Rechtsfolgenlosigkeit, sondern komplett verwehrt ist, klären zu lassen, von wem es genetisch abstammt [vgl. b)]. a) Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen Weiß das Kind genetisch nicht vom rechtlichen Vater abzustammen und möchte es in einem rechtsförmlichen Verfahren positive Kenntnis darüber erlangen, von wem es tatsächlich genetisch abstammt, so bleibt ihm nur die Möglichkeit nach § 1600d BGB vorzugehen. Bevor es dies tun kann, muss es zunächst eine bestehende rechtliche Vaterschaft durch Anfechtung nach §§ 1600–1600c BGB mit all den damit verbundenen Rechtsfolgen (Verlust des Unterhaltsanspruchs, Verlust der Stellung als gesetzlicher Erbe) beseitigen. Da es zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, ob seine Suche nach dem biologischen Vater von Erfolg gekrönt sein wird, nimmt es damit in Kauf, in Zukunft rechtlich vaterlos zu bleiben. Sollte die Suche nach dem potentiell biologischen Vater allerdings erfolgreich verlaufen, so rückt dieser, wenn er im Rahmen des § 1600d BGB als biologischer Vater festgestellt wird, automatisch in die Stellung des rechtlichen Vaters ein, mit der Folge, dass das Kind einen vielleicht nicht gewollten Wechsel des rechtlichen Vaters in Kauf nehmen muss bzw. in dem Fall, in dem es zuvor rechtlich vaterlos war, vielleicht gegen seinen Willen einen rechtlichen Vater erhält809. bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellung nahmen/index.html, S. 2 f. 809 Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1278 f.); Rixe, http://www.bundestag.de/ ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index. html, S. 7.

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Folglich ist es dem Kind, das sich bezüglich seiner eigenen genetischen Abstammung unsicher ist, wohl aber weiß, nicht vom rechtlichen Vater abzustammen, verwehrt, die genetische Abstammung klären zu lassen, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Das Kind befindet sich somit in einem Dilemma – es hat die Wahl zwischen dem Leben in Unsicherheit bezüglich der eigenen genetischen Abstammung und der Gefahr, ganz ohne rechtlichen Vater bzw. ohne den rechtlichen „Wunschvater“ leben zu müssen. b) Leerlaufen des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung Dieses Dilemma kann insbesondere dann, wenn das Kind unter der Nichtkenntnis der eigenen Abstammung nicht allzu schwer leidet, dazu führen, dass es sich dafür entscheidet, auf die Kenntnis der eigenen Abstammung zu verzichten. Zwar beruht dieser Verzicht auf der eigenverantwortlichen Entscheidung des Kindes, allerdings wird sich das Kind aufgrund des soeben dargestellten Dilemmas häufig in seiner Entscheidung nicht frei fühlen. Dieser nicht ganz unfreiwillige Verzicht hat das faktische Leerlaufen des Rechts des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zur Folge. Allerdings läuft das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung nicht nur faktisch leer, sondern es wird auch Fälle geben, in denen sogar dem Kind, das bereit wäre, die Kenntnis über seine genetische Abstammung unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen zu erlangen, diese Möglichkeit verwehrt wird. Besteht eine rechtliche Vaterschaft, die wegen Fristablaufs nach § 1600b BGB nicht mehr angefochten werden kann, so versperrt diese dem Kind dauerhaft ein Vorgehen nach § 1600d BGB, mit der Folge, dass sein Interesse an der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse nicht nur nicht ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen möglich ist, sondern sogar „vollends auf der Strecke“810 bleibt und lediglich noch auf dem Papier besteht. Insbesondere dann, wenn das Kind unter der Nichtkenntnis der eigenen Abstammung leidet, hat dies massive Auswirkungen auf seine Persönlichkeit und sein künftiges Leben.

810 Helms, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 2; so auch Rixe, http://www.bundes tag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/ index.html, S. 7.

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c) Fazit Diese dargestellten Konsequenzen der Nichteinbeziehung des potentiell biologischen Vaters erscheinen für das Kind noch weniger hinnehmbar, wenn man bedenkt, dass rechtlicher Vater und Mutter durch ein Vorgehen nach § 1598a BGB das Kind jederzeit in die Situation bringen können, dass das Kind Kenntnis darüber hat, nicht vom rechtlichen Vater abzustammen, es ihm aber tatsächlich oder faktisch verwehrt ist, klären zu lassen, von wem es tatsächlich genetisch abstammt. Insbesondere dann, wenn sowohl der rechtliche Vater als auch die Mutter ein Interesse an der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse haben, hat das Kind nach geltendem Recht in aller Regel keine Möglichkeit die Durchführung der Abstammungsuntersuchung zu verhindern811. Ergibt diese die Nichtabstammung des Kindes vom rechtlichen Vater, so wird das Kind gegen seinen Willen vor vollendete Tatsachen gestellt, ohne dass ihm vom Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt wird, sich die ihm auf einfachem Wege genommene Kenntnis auf ebenso einfachem Wege wieder zu beschaffen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Kind von der Frage über die genetische Abstammung in der Regel von all den Personen, die ein berechtigtes Interesse an der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse haben, am intensivsten betroffen ist812, da es in dem Zeitpunkt, in dem eine Abstammungsuntersuchung durchgeführt wird, noch nicht über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt, nicht hinnehmbar. III. Ergebnis Es kann demnach festgehalten werden, dass die Nichteinbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a BGB Berechtigten und Verpflichteten nicht mit den Grundrechten der vom Regelungsgegenstand des § 1598a BGB unmittelbar Betroffenen zu vereinbaren ist und dass dieses die Verfassungswidrigkeit des § 1598a BGB zur Folge hat. Allerdings führt die Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters nicht nur zur Verfassungswidrigkeit des § 1598a BGB, sondern auch zur Nichteinhaltung einer bundesverfassungsgerichtlichen Vorgabe. Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts war es, jedem, der ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse hat, die Möglichkeit zu eröffnen, die genetischen Abstammungsverhältnisse in 811 812

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, B.II. Meysen, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 18.

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einem rechtsförmlichen Verfahren klären und feststellen lassen zu können, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen813. Der Gesetzgeber war somit gehalten, demjenigen, der ein berechtigtes Interesse an den genetischen Abstammungsverhältnisses hat, die Möglichkeit einzuräumen, vollumfängliche Kenntnis von diesen in einem rechtsförmlichen Verfahren zu erlangen, ohne dabei rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Dass dieses dem Gesetzgeber bezüglich der Vollumfänglichkeit nicht gelungen ist, lässt bereits die amtliche Überschrift des § 1598a BGB vermuten. Auch wenn § 1598a BGB dem Klärungsberechtigten nach dieser einen „Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung“ verspricht und damit darauf hinweisen könnte, dass die Abstammung eines Kindes vollumfänglich geklärt werden kann814, lässt sich doch bereits aus der amtlichen Überschrift erkennen, dass eine vollumfängliche Klärung der Abstammung nicht gewährleistet ist. Der Gesetzgeber räumt dem Klärungsberechtigten einen „Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung“ ein, obwohl ihm das Bundesverfassungsgericht aufgetragen hat, ein Verfahren zur Klärung und Feststellung der Abstammung zu schaffen815. Da nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine bereits bestehende Situation geklärt werden kann, während eine Feststellung auf die Schaffung einer neuen Situation abzielt, deutet bereits die amtliche Überschrift des § 1598a BGB darauf hin, dass im Rahmen des § 1598a BGB nur die bereits bestehende Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater auf ihre genetische Komponente hin untersucht werden kann, nicht aber untersucht werden kann, zwischen welcher anderen Person als dem rechtlichen Vater und Kind eine genetische Verbindung besteht. Dieses anhand der amtlichen Überschrift gefundene Ergebnis wird durch die fehlende Klärungsberechtigung und die fehlende Anspruchsverpflichtung des potentiell biologischen Vaters bestätigt, da dadurch eine Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen Kind und potentiell biologischem Vater ausgeschlossen ist. Somit ist Gegenstand des Verfahrens nach § 1598a BGB entgegen der bundesverfassungsrechtlichen Vorgabe nicht die vollumfängliche Klärung 813

Nach Ansicht der Verfassungsrichter sind dies Kind, rechtlicher und potentiell biologischer Vater [vgl. Rotax, ZFE 2007, 124 (124)]. 814 So Hammermann, FamRB 150 (151). 815 BVerfG, NJW 2007, 753 (755 Rn. 75,756 Rn. 76,757 Rn. 85,88,758 Rn. 98).

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und Feststellung der genetischen Abstammungsverhältnisse, sondern die Klärung der Frage, „ob eine bereits bestehende abstammungsrechtliche Zuordnung mit den biologischen Tatsachen übereinstimmt“816. Da die Klärung dieser Frage für den rechtlichen Vater gleichzeitig die vollumfängliche Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse bedeutet, wurde die bundesverfassungsrechtliche Vorgabe einer vollumfänglichen Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse ohne die Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen einzig für den rechtlichen Vater umgesetzt, nicht dagegen für das Kind, den potentiell biologischen Vater817 und die Mutter: – Der rechtliche Vater kann die genetischen Abstammungsverhältnisse vollumfänglich in einem rechtsförmlichen Verfahren klären lassen, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, indem er nach § 1598a BGB klären lässt, ob das ihm rechtlich zugeordnete Kind genetisch von ihm abstammt. – Das Kind kann die genetischen Abstammungsverhältnisse nicht vollumfänglich, wohl aber teilweise, in einem rechtsförmlichen Verfahren klären lassen, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, da die bundesverfassungsgerichtliche Vorgabe nur im Verhältnis zum rechtlichen, nicht aber im Verhältnis zum potentiell biologischen Vater umgesetzt wurde818. Im Verhältnis zum potentiell biologischen Vater ist noch nicht einmal gewährleistet, dass jedes Kind wenigstens unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen seine genetische Verbindung zum potentiell biologischen Vater in einem rechtsförmlichen Verfahren klären lassen kann819. – Die Mutter kann die genetischen Abstammungsverhältnisse nicht vollumfänglich, wohl aber teilweise in einem rechtsförmlichen Verfahren klären lassen, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, da die bundesverfassungsgerichtliche Vorgabe nur bezüglich der genetischen Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater umgesetzt wurde. Im Hinblick auf die genetische Verbindung zwischen Kind und potentiell biologischem Vater ist noch nicht einmal gewährleistet, dass die Mutter 816

Helms, FamRZ 2008, 1033 (1033); ebenso Hammermann, FamRB 2007, 150

(151). 817 Helms, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 1. 818 Borth, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 5; Helms, http://www.bundestag.de/ ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index. html, S. 3; Rotax, ZFE 2007, 124 (125). 819 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.II.2.b).

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diese wenigstens unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen in einem rechtsförmlichen Verfahren klären lassen kann820. – Der potentiell biologische Vater hat unter Umständen noch nicht einmal die Möglichkeit, sein Recht wenigstens unter Inkaufnahme rechtlicher Konsequenzen in einem rechtsförmlichen Verfahren klären zu lassen821. Somit ist es dem Gesetzgeber nicht gelungen ein Verfahren zu schaffen, das es jedem, der ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse hat, ermöglicht, im gleichen Umfang Kenntnis von den genetischen Abstammungsverhältnissen zu erlangen, ohne dabei rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen822. Dies erscheint insbesondere vor dem Hintergrund nicht hinnehmbar, dass sowohl das berechtigte Interesse des rechtlichen Vaters als auch das des Kindes und des potentiell biologischen Vaters grundrechtlich geschützt wird, wobei das Recht des Kindes sogar schon seit dem Jahre 1989 anerkannt wird, während das Recht des rechtlichen Vaters und das des potentiell biologischen Vaters erst seit dem Jahre 2003 anerkannt wird823. Vor diesem Hintergrund muss die Feststellung, dass sich die Verfassungswidrigkeit des § 1598a BGB daraus ergibt, dass die Nichteinbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a BGB Berechtigten und Verpflichteten nicht mit den Grundrechten der vom Regelungsgegenstand des § 1598a BGB unmittelbar Betroffenen zu vereinbaren ist, dahingehend ergänzt werden, dass sich die Verfassungswidrigkeit des § 1598a BGB daraus ergibt, dass durch die Nichteinbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a BGB Berechtigten und Verpflichteten nicht alle Grundrechte der vom Regelungsgegenstand des § 1598a BGB unmittelbar Betroffenen gleichermaßen gewährleistet werden824. Durch eine Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters sowohl in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten als auch in 820

Der Weg in das rechtsförmliche Verfahren nach § 1600d BGB ist der Mutter dann verwehrt, wenn eine rechtliche Vaterschaft besteht, die nicht beseitigt werden kann, sei es weil die Frist des § 1600b BGB bereits verstrichen ist oder weil es der Mutter nicht gelingt, den Anfangsverdacht zu begründen. 821 Der Weg in das rechtsförmliche Verfahren nach § 1600d BGB ist dem potentiell biologischen Vater dann verwehrt, wenn eine rechtliche Vaterschaft besteht und diese nicht beseitigt werden kann, sei es weil die Frist des § 1600b BGB verstrichen ist, weil es dem potentiell biologischen Vater nicht gelingt einen Anfangsverdacht oder die Voraussetzungen des § 1600 Abs. 2, 3 BGB zu begründen. 822 Ebenso Schwab, Rn. 559. 823 Helms, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 3. 824 Ebenso Wellenhofer in MüKo BGB, § 1598a Rn. 6.

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2. Teil: Vaterschaft

den der Anspruchsverpflichteten würde aber nicht nur der Mangel der Verfassungswidrigkeit, sondern auch der Mangel der nicht umgesetzten bundesverfassungsgerichtlichen Vorgabe behoben: – Wäre der potentiell biologische Vater unter den Voraussetzungen des § 1600 Abs. 2, 3 BGB klärungsberechtigt, so wäre der Mangel der Verfassungswidrigkeit behoben825, da kein Verstoß mehr gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG des potentiell biologischen Vaters vorläge und der Mangel der Nichtumsetzung der bundesverfassungsgerichtlichen Vorgabe wäre behoben, da der potentiell biologische Vater genau wie der rechtliche Vater die genetischen Abstammungsverhältnisse vollumfänglich in einem rechtsförmlichen Verfahren klären lassen könnte, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. – Wäre der potentiell biologische Vater anspruchsverpflichtet, so wäre der Mangel der Verfassungswidrigkeit behoben826, da kein Verstoß mehr gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG des Kindes und der Mutter vorläge und der Mangel der Nichtumsetzung der bundesverfassungsgerichtlichen Vorgabe wäre behoben, da das Kind und die Mutter genau wie der rechtliche Vater die genetischen Abstammungsverhältnisse nicht nur teilweise, sondern vollumfänglich in einem rechtsförmlichen Verfahren klären lassen könnten, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

C. Ergebnis Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass § 1598a BGB der verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhält, weil sowohl § 1598a Abs. 1 BGB als auch § 1598a Abs. 2 BGB in ihrer jetzigen Gestalt verfassungswidrig sind. Dies liegt daran, dass es dem Gesetzgeber weder gelungen ist, die Grundrechte der unmittelbar an § 1598a BGB Beteiligten noch die Grundrechte der vom Regelungsgegenstand des § 1598a BGB unmittelbar Betroffenen gleichermaßen zu gewährleisten.

825 826

Dazu Vierter Teil, Erstes Kapitel, A. Dazu Vierter Teil, Erstes Kapitel, B.

Dritter Teil

Mutterschaft Im Zweiten Teil der Arbeit wurde das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB unter dem Aspekt der Klärung der väterlichen Abstammung des Kindes untersucht. Da aber möglicherweise mit dem Verfahren nach § 1598a BGB neben der väterlichen auch die mütterliche Abstammung überprüft werden kann827, wird im Ersten Kapitel des Dritten Teils der Arbeit untersucht, ob § 1598a BGB auf die Klärung der mütterlichen Abstammung des Kindes Anwendung findet, bevor im Zweiten Kapitel des Dritten Teils die sich daraus ergebenden, bislang ungelösten Probleme aufgezeigt und gelöst werden. Erstes Kapitel

Anwendung des § 1598a BGB auf die Klärung der mütterlichen Abstammung In diesem Kapitel ist der Frage nachzugehen, ob § 1598a BGB nicht nur auf die Klärung der väterlichen, sondern auch auf die Klärung der mütterlichen Abstammung des Kindes Anwendung findet. Da weder das der Schaffung des § 1598a BGB zu Grunde liegende Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch die Gesetzesbegründung eine Aussage darüber enthalten, ist dieses durch Auslegung zu ermitteln828.

A. Auslegung I. Wortlautauslegung Nach dem Wortlaut des § 1598a BGB kann der Klärungsberechtigte die „leibliche Abstammung des Kindes“ klären lassen. 827 So auch Borth, FPR 2007, 381 (382); Schwab, FamRZ 2008, 23 (24); Hammermann in Erman Bd. II,§ 1591 Rn. 5; ders., FamRB 2008, 150 (151); Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1189); Muscheler, FÜR 2007, 389 (389 Fn. 7); Groß, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/ 04_Stellungnahmen/index.html, S. 3. 828 Ausführlich zu den Grundlagen der Auslegung Zweiter Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.a).

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3. Teil: Mutterschaft

Da unter Abstammung „die biologische Herkunft des Abkömmlings aus der Reihe seiner Vorfahren“829 verstanden wird, erfasst der Begriff der leiblichen Abstammung nicht nur die genetische Abstammung vom Vater, sondern auch die genetische Abstammung von der Mutter. Nach dem Wortlaut des Gesetzestextes kann mit dem Verfahren nach § 1598a BGB folglich nicht nur die genetische Vaterschaft, sondern auch die genetische Mutterschaft festgestellt werden830. II. Systematische Auslegung Systematisch ist das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB im die Abstammung regelnden 2. Titel des Abschnitts über die Verwandtschaft eingegliedert. Dieser 2. Titel behandelt neben der Vaterschaft in den §§ 1592 ff. BGB in § 1591 BGB auch die Mutterschaft. § 1598a BGB ist dabei inmitten der Vorschriften über die Vaterschaft weit entfernt von der Vorschrift über die Mutterschaft platziert worden, was dafür sprechen könnte, dass nur die genetische Vaterschaft, nicht aber die genetische Mutterschaft nach § 1598a BGB geklärt werden kann831. Ebenso könnte die systematische Stellung des § 1598a BGB inmitten des die Abstammung regelnden 2. Titels (§§ 1591–1600e BGB) aber auch dafür sprechen, dass § 1598a BGB auf die gesamte leibliche Abstammung Anwendung findet, was zur Folge hätte, dass sowohl die genetische Vater- als auch die genetische Mutterschaft erfasst würde. Aus der systematischen Stellung lässt sich folglich weder ein Argument für noch gegen die Anwendung des § 1598a BGB auf die Klärung der mütterlichen Abstammung erkennen. III. Teleologische Auslegung Bei der teleologischen Auslegung kommt es entscheidend auf den objektiven Sinn und Zweck sowie die Zielsetzung der auszulegenden Norm an. Ziel des § 1598a BGB ist es, die genetische Abstammung klären zu können. Eine Klärung der genetischen Abstammung macht allerdings nur dann 829

Diederichsen in Palandt, Einf v § 1591 Rn. 1. Ebenso Helms, FamRZ 2008, 1033 (1033); Rotax, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 22; Wellenhofer in MüKo BGB, § 1598a Rn. 14; Diederichsen in Palandt, § 1598a BGB Rn. 5; Schwab, Rn. 558. 831 Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1189). 830

1. Kap.: Anwendung des § 1598a BGB

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Sinn, wenn die genetische Abstammung nicht unbedingt feststeht und, im Falle der Bejahung, wenn nach bisheriger Rechtslage keine Möglichkeit besteht, die genetische Abstammung in einem rechtsförmlichen Verfahren klären zu lassen. Konkret auf die Klärung der genetischen Mutterschaft übertragen bedeutet dies, dass eine Anwendung des § 1598a BGB nur dann Sinn macht, wenn die genetische Mutter nicht unbedingt feststeht, sodass ein Bedürfnis bestehen kann, die genetische Mutterschaft klären zu lassen (vgl. 1.) und, falls ein derartiges Bedürfnis bejaht werden kann, wenn nach bisheriger Rechtslage keine Möglichkeit besteht, die genetische Mutterschaft in einem rechtsförmlichen Verfahren klären zu lassen (vgl. 2.). 1. Bedürfnis für die Klärung der genetischen Mutterschaft Ein Bedürfnis dafür, die genetische Mutterschaft klären zu lassen, besteht dann, wenn die genetische Mutter nicht unbedingt feststeht. Dies ist dann der Fall, wenn die dem Kind rechtlich zugeordnete Mutter nicht zwingend auch gleichzeitig die biologische Mutter ist. Wer rechtliche Mutter des Kindes ist, bestimmt sich nach § 1591 BGB, wonach (rechtliche) Mutter eines Kindes die Frau ist, die es geboren hat. Für das Zuordnungskriterium der Geburt hat sich der Gesetzgeber zum einen entschieden, weil diese im Unterschied zur Zeugung bzw. Befruchtung der Eizelle offenkundig ist und zum anderen, weil der Geburt zwingend eine Schwangerschaft vorausgeht, während der grundsätzlich durch die enge körperliche Bindung von Kind und Mutter zwischen diesen eine psychosoziale Beziehung entsteht. Diese Entscheidung des Gesetzgebers findet zudem dadurch Unterstützung, dass sie zumeist dazu führt, dass die rechtliche Mutter gleichzeitig auch die biologische Mutter ist. Bringt die Frau allerdings ein genetisch nicht von ihr stammendes Kind zur Welt, fallen rechtliche und biologische Mutterschaft auseinander. a) Natürliche Zeugung Bei einer natürlichen Zeugung führt das Zuordnungskriterium der Geburt unweigerlich dazu, dass die Frau, die das Kind zur Welt bringt auch die biologische Mutter ist; das „Prinzip der biologisch-genetischen Wahrheit“832 ist gewährleistet. 832

Spickhoff in Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, 13 (19).

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3. Teil: Mutterschaft

Zu einem Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Mutterschaft kann es nur in den seltenen Fällen kommen, wenn es entweder unmittelbar nach der Geburt zu einer Verwechslung des Kindes kommt, das Kind der Mutter aber im Glauben, dass dieses von ihr auch tatsächlich geboren wurde, rechtlich zugeordnet wird oder der Mutter nach der Geburt bewusst ein falsches Kind untergeschoben wird, das der Mutter dann, obwohl sie es gar nicht zur Welt gebracht hat, wider besseren Wissens rechtlich zugeordnet wird. b) Künstliche Zeugung Anders dagegen in den Fällen künstlicher Befruchtung, in denen es nicht unbedingt gewährleistet ist, dass die gebärende Frau auch zugleich die genetische Mutter des Kindes ist. Kann eine Frau (sog. Wunschmutter) auf natürliche Weise kein Kind empfangen oder austragen und/oder der Mann (sog. Wunschvater) kein Kind zeugen, so gibt es verschiedenen Möglichkeiten, diesen Wunscheltern auf künstliche Art und Weise zu einem Kind zu verhelfen833. Da sich dieser Abschnitt mit dem Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Mutterschaft beschäftigt, werden im Folgenden nur die Fälle dargestellt, in denen es auf Seiten der Wunschmutter zu Schwierigkeiten kommt, wohingegen die auf Seiten des Wunschvaters ausgeblendet werden. aa) In-vivo-Fertilisation Bei der In-vivo-Fertilisation wird die Eizelle der Wunschmutter künstlich befruchtet, indem entweder der Samen ihres Partners (homolog) oder der eines Dritten (heterolog) direkt in die Vagina oder Gebärmutter eingeführt wird834. Da die Wunschmutter somit stets ein biologisch von ihr stammendes Kind zur Welt bringt, stellt sich das Problem des Auseinanderfallens von rechtlicher und genetischer Mutterschaft grundsätzlich nicht. Zu einem Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Mutterschaft kann es demnach nur in den gleichen Fällen wie bei einer natürlichen Zeugung kommen.

833 Ausführlich dazu Harder, JuS 1986, 505 (505); in ca. 40% der Fällen liegt die Ursache bei der Frau, in ca. 40% beim Mann und in ca. 20% bei beiden (vgl. Kentenich in Dierks/Wienke/Eberbach/Schmidtke/Lippert, S. 41). 834 Ausführlich dazu Sethe von, S. 35 f.; Marian, S. 12 f.; Weyrauch, S. 4 f.

1. Kap.: Anwendung des § 1598a BGB

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bb) In-vitro-Fertilisation Wahrscheinlicher ist es, dass es bei einer In-vitro-Fertilisation zu Abstammungsfragen auf Seiten der Mutter kommt, da die Befruchtung außerhalb des weiblichen Körpers die Möglichkeit eröffnet hat, die befruchtete Eizelle oder das entstandene Embryo einer anderen Frau als der Eispenderin einzupflanzen und somit die biologische von der gebärenden Mutter zu trennen. (1) Befruchtung der Eizelle der Wunschmutter Wird der Wunschmutter eine Eizelle entnommen, die außerhalb ihres Körpers mit dem Samen ihres (homolog) oder eines Mannes (heterolog) befruchtet wird, um ihr danach wieder eingepflanzt zu werden, so bringt die Wunschmutter stets ein biologisch von ihr abstammendes Kind zur Welt. Zu einem Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Mutterschaft kann es demnach nur in den gleichen Fällen wie bei einer natürlichen Zeugung kommen. Wird die außerhalb des Körpers befruchtete Eizelle der Wunschmutter allerdings nicht dieser selbst, sondern einer Leihmutter835 eingepflanzt, so bringt die Leihmutter ein genetisch nicht von ihr, sondern von der Wunschmutter abstammendes Kind zur Welt, mit der Folge, dass die rechtliche und die biologische Mutterschaft auseinanderfallen. (2) Eispende Auch wenn nicht der Wunschmutter, sondern einer anderen Frau eine Eizelle entnommen wird, die dann außerhalb deren Körpers mit einem männlichen Samen befruchtet wird, hängt das Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Mutterschaft kommt, von der Tatsache ab, welcher Frau anschließend die befruchtete Eizelle eingepflanzt wird. Wird die Eizelle der Eispenderin selbst, die das Kind häufig als Ersatzmutter836 austrägt, eingepflanzt, bleibt es dabei, dass die Geburtsmutter auch die biologische Mutter ist und sich das Problem des Auseinanderfal835 Unter ausgetragen geben. 836 Unter ausgetragen geben.

einer solchen wird verstanden, wenn ein fremdbefruchtetes fremdes Ei wird, die Gebärende aber willens ist, das Kind nach der Geburt abzueiner solchen wird verstanden, wenn ein fremdbefruchtetes eigenes Ei wird, die Gebärende aber willens ist, das Kind nach der Geburt abzu-

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3. Teil: Mutterschaft

lens der rechtlichen und biologischen Mutterschaft nur bei einer Kindesverwechslung oder -unterschiebung stellt. Wird die Eizelle dagegen nicht der Eispenderin, sondern der Wunschmutter eingepflanzt, die das Kind dann austrägt und zur Welt bringt, fallen rechtliche und biologische Mutterschaft auseinander. cc) Embryonenspende Zu einem Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Mutterschaft kommt es auch dann, wenn ein natürlich oder künstlich gezeugter Embryo der Gebärmutter einer Frau entnommen und einer anderen Frau implantiert wird, die das Kind dann austrägt837. c) Eigene Stellungnahme Zum Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Mutterschaft kommt es recht selten – die Fälle einer Kindesverwechslung oder -unterschiebung sind rar und die Ei- und Embryonenspende ist in Deutschland nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften verboten838. Gleichwohl hindert dies Menschen, die von dem unbedingten Wunsch, ein Kind zu haben, getrieben werden, nicht daran, die Spende ungeachtet des Verbots im Inland oder von vornherein zur Umgehung des inländischen Verbots im Ausland vornehmen zu lassen. Insbesondere geht das Ziel des Gesetzgebers ins Leere, dieses durch die Regelung des § 1591 BGB zu verhindern839. § 1591 BGB entfaltet seine Wirkung erst mit der Geburt des Kindes. Ist es aber durch die, wie auch immer geartete, Zeugung bereits zu einer gespaltenen Mutterschaft gekommen, kann diese durch eine bloße Definition nicht mehr verhindert werden840; § 1591 BGB gewährleistet demnach lediglich die Bewältigung der zivilrechtlichen Folgen der gespaltenen Mutterschaft. d) Zwischenergebnis Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es, wenn auch seltener als bei der Vaterschaft, auch bei der Mutterschaft zu einem Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Elternschaft kommen kann. 837

Rauscher in Staudinger, § 1591 Rn. 7; ausführlich dazu Sethe von, S. 38. Nach § 1 Abs. 1 Nr.1 ESchG ist die medizinische Assistenz verboten und nach §§ 13c, d AdVermG ist die Vermittlung von Leihmutterschaften verboten. 839 BT-Drucks. 13/4899, S. 82. 840 Ebenso Schlegel, FuR 1996, 284 (285); Coester, JZ 1992, 809 (811). 838

1. Kap.: Anwendung des § 1598a BGB

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Da dies bedeutet, dass die genetische Mutter nicht unbedingt feststeht, besteht ein Bedürfnis, die genetische Mutterschaft klären zu lassen. 2. Klärung der genetischen Mutterschaft nach bisheriger Rechtslage Dies wirft die Frage auf, ob es nach der bisherigen Rechtslage die Möglichkeit gibt, in einem rechtsförmlichen Verfahren festzustellen, ob die rechtliche auch die biologische Mutter ist bzw. falls die rechtliche nicht die biologische Mutter ist, festzustellen, wer die biologische Mutter ist. a) Private Abstammungsuntersuchung Genauso wie jederzeit mit Einwilligung aller beteiligten Personen überprüft werden kann, ob der rechtliche auch der biologische Vater ist, kann eine Abstammungsuntersuchung auch mit dem Ziel durchgeführt werden, festzustellen, ob die rechtliche Mutter auch die biologische Mutter ist. Ebenso kann aber auch jede andere beliebige Frau, die als potentiell biologische Mutter in Betracht kommt, ihr Einverständnis vorausgesetzt, getestet werden. Rechtliche Konsequenzen dahingehend, dass bei Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Mutterschaft die rechtliche Mutterschaft beseitigt wird oder dass die biologische Mutter in die Stellung der rechtlichen Mutter eintritt, können allerdings nicht gezogen werden. Bezüglich der Durchführung einer privaten Abstammungsuntersuchung kann auf die Ausführungen im Rahmen der Feststellung der Vaterschaft verwiesen werden [vgl. Zweiter Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.b)aa)]. b) Heimliche Abstammungsuntersuchung Da die Abstammungsuntersuchung zur Feststellung der genetischen Mutterschaft nicht anders verläuft als die zur Feststellung der genetischen Vaterschaft, können die für ein ohne Einwilligung eingeholtes Abstammungsgutachten im Rahmen der Feststellung der genetischen Vaterschaft entwickelten Grundsätze auf die Feststellung der genetischen Mutterschaft übertragen werden [vgl. Zweiter Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.b)bb)]. Trotz der Rechtswidrigkeit des eingeholten Abstammungsgutachtens verschafft dieses dem Einholenden Gewissheit über die genetischen Abstammungsverhältnisse, da sowohl die rechtliche Mutter als auch jede andere Frau, die als potentiell biologische Mutter in Betracht kommt, getestet werden kann.

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3. Teil: Mutterschaft

c) Mutterschaftsanfechtung Eine inzidente Feststellung im Rahmen einer Mutterschaftsanfechtung, ob die rechtliche auch die genetische Mutter ist, ist mangels einer Möglichkeit zur Anfechtung der Mutterschaft nicht gegeben. Der Gesetzgeber hat sich bei der Kindschaftsrechtsreform ausdrücklich gegen die früher diskutierte841 Anfechtung der Mutterschaft entschieden842, indem er zum einen den § 1591 BGB als definitiv „unverrückbare“843 Zuweisungsnorm und nicht als widerlegbare Vermutung844 ausgestaltet hat und er zum anderen die §§ 1600 ff. BGB nach dem ausdrücklichen Wortlaut nur für die Anfechtung der Vaterschaft für anwendbar erklärt hat845. Folglich besteht mangels einer gesetzlichen Regelung nach geltendem Recht keine Möglichkeit die Mutterschaft anzufechten und, wie bei der Vaterschaftsanfechtung gemäß §§ 1600–1600c BGB, inzident feststellen zu lassen, ob das Kind genetisch von der ihm zugeordneten rechtlichen Mutter abstammt. d) Gerichtliche Feststellung der genetischen Abstammung gemäß § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Eine positive Feststellung der genetischen Mutterschaft nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO setzt voraus, dass es dem Antragsteller um das Bestehen oder Nichtbestehen eines bereits begründeten oder noch nicht begründeten Eltern-Kind-Verhältnisses geht. Da auch das Verhältnis zwischen Kind und Mutter ein Eltern-Kind-Verhältnis darstellt, wird die Feststellung der Mutterschaft grundsätzlich vom Anwendungsbereich des § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erfasst. Dass gleichwohl nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eine Feststellung der Mutterschaft nur in absoluten Ausnahmefällen möglich ist, ergibt sich insbesondere aus der Regelung des § 1591 BGB. Zum einen ergibt sich aus § 1591 BGB, dass nur zwischen rechtlicher Mutter und Kind, nicht aber zwischen biologischer Mutter und Kind ein 841 Meyer, S. 163 Fn. 686 m. w. N.; Coester-Waltjen in Verhandlungen 56.DJT 1986 Bd. 1, B9 (B113), die bloß Kind und rechtlicher Mutter ein Anfechtungsrecht zuspricht; Mutschler, FamRZ 1994, 65 (69), der lediglich dem Kind ein Anfechtungsrecht zuspricht. 842 BT-Drucks. 13/4899, S. 82. 843 BT-Drucks. 13/4899, S. 82. 844 Seidl, FPR 2002, 402 (403). 845 Wolf, FuR 1998, 392 (395).

1. Kap.: Anwendung des § 1598a BGB

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Eltern-Kind-Verhältnis besteht. Dieses Fehlen einer rechtlichen Beziehung zwischen Kind und biologischer Mutter schließt ein Vorgehen der biologischen Mutter nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aus, sodass die Eispenderin als biologische Mutter weder positiv feststellen lassen kann, dass das in Rede stehende Kind genetisch von ihr abstammt, noch negativ feststellen lassen kann, dass dieses Kind genetisch nicht von der rechtlichen Mutter abstammt. Darüber hinaus ist ein Vorgehen der biologischen Mutter nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO schon deshalb ausgeschlossen, weil die biologische Mutter nicht nach § 1600e Abs. 1 BGB klageberechtigt ist846. Folglich kann die biologische Mutter keine Klage auf Feststellung der Mutterschaft nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erheben. Etwas anderes ergibt sich auch nicht in den Fällen, in denen Ungewissheit darüber besteht, wer die rechtliche Mutter ist, weil die Personalien der Frau, die das Kind unter Zuhilfenahme einer Babyklappe oder anonymen Geburt zur Welt gebracht hat, nicht bekannt sind. Möchte sich diese Frau nachträglich nicht nur zu dem Kind bekennen, sondern auch die Stellung der rechtlichen Mutter übernehmen, so muss sie den Nachweis führen, dass sie das Kind zur Welt gebracht hat. Gelingt ihr dieses nicht, so kann sie zwar eine Abstammungsfeststellungsklage beim Familiengericht erheben, in deren Rahmen eine Abstammungsuntersuchung durchgeführt wird, allerdings verfolgt diese nicht das Ziel, die genetische Abstammung nachzuweisen, sondern das Ziel, nachträglich den Vorgang der Geburt zu rekonstruieren847. Zum anderen ergibt sich aus der Unwiderruflichkeit der Regelung des § 1591 BGB, dass eine Korrektur des Mutter-Kind-Verhältnisses ausgeschlossen ist848. Da aber mit der Feststellung der Mutterschaft nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 BGB automatisch eine Korrektur des Mutter-Kind-Verhältnisses verbunden ist, können sowohl das Kind als auch die rechtliche Mutter weder positiv feststellen lassen, dass das von der rechtlichen Mutter zur Welt gebrachte Kind genetisch von einer anderen Frau abstammt, noch negativ, dass dieses genetisch nicht von der rechtlichen Mutter abstammt849. 846

Philippi in Zöller ZPO, § 640 Rn. 3. Rotax, ZFE 2007, 9 (10); ders., http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/ anhoerungen/27_KlaerungVaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 3; Helms, FamRZ 2008, 1033 (1033). 848 Wellenhofer in MüKo BGB, vor § 1599 Rn. 17. 849 Hingegen ist eine Korrektur des Mutter-Kind-Verhältnisses dann möglich, wenn die rechtliche Mutter feststellen lassen möchte, dass sie das ihr zugeordnete Kind nicht zur Welt gebracht hat [vgl. OLG Bremen, FamRZ 1995, 1291 (1291)], also eine fehlerhafte rechtliche Zuordnung vorgenommen wurde. Da, um dieses festzustellen, alle Beweismittel inklusive eines Abstammungsgutachtens herangezogen werden können, können die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen Kind und rechtlicher Mutter nur dann nach § 640 Abs. 2 Nr.1 ZPO überprüft werden, 847

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3. Teil: Mutterschaft

Folglich können weder das Kind noch die rechtliche Mutter eine Klage auf Feststellung der Mutterschaft nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erheben. e) Allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO Nach dem Willen des Gesetzgebers soll zumindest das Kind zur Wahrung seines in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung850 die genetische Mutterschaft im Rahmen einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO feststellen können. Begründet wird dies damit, dass die genetische Abstammung ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO darstelle, da an sie in einigen wenigen Vorschriften (vgl. § 1307 BGB, § 173 StGB) rechtliche Konsequenzen geknüpft werden. Einer derartigen Begründung des Rechtsverhältnisses stünde insbesondere nicht der § 1591 BGB entgegen. Zwar besagt dieser, dass nur zwischen rechtlicher Mutter und Kind, nicht aber zwischen biologischer Mutter und Kind ein Rechtsverhältnis besteht, allerdings gelte dieser Grundsatz nur hinsichtlich der familienrechtlichen Beziehungen zwischen Kind und Mutter, nicht aber hinsichtlich der übrigen Bereiche, in denen es auf die genetische Abstammung ankomme851. Die Möglichkeit nach § 256 ZPO vorgehen zu können, ermöglicht es dem Kind, sowohl die genetische Verbindung zwischen sich und der rechtlichen Mutter klären zu lassen als auch die genetische Verbindung zwischen sich und jeder anderen Frau, die als potentiell biologische Mutter in Betracht kommt. Diese Entscheidung des Gesetzgebers hat in der Literatur sowohl Zustimmung852 als auch Unverständnis853 hervorgerufen. wenn die rechtliche Mutter feststellen lassen möchte, dass ein Fall einer Kindesverwechslung oder -unterschiebung vorliegt (vgl. Coester-Waltjen in MüKo ZPO, § 640 Rn. 8; Pieper in Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, 3. Kapitel Rn. 77; a. A. Seidel in MüKo BGB, § 1591 Rn. 24; Muscheler, Rn. 528.), also sie das Kind nicht zur Welt gebracht hat, nicht aber dann, wenn die rechtliche Mutter die fehlende genetische Verbindung zwischen sich und dem von ihr zur Welt gebrachten Kind feststellen lassen möchte (vgl. Gernhuber/Coester/Waltjen, § 51 II Rn. 7–9). 850 Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung wird von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht nur bezüglich der Vaterschaft, sondern auch bezüglich der Mutterschaft geschützt (ebenso Wolf, FuR 1998, 392 (396); Busse, S. 176 f.; Lüderitz/Dethloff, § 10 Rn. 89). 851 BT-Drucks. 13/4899, S. 83. 852 Luxburg von, Rn. 125; Seidl, FPR 2002, 402 (403); Quantius, FamRZ 1998, 1145 (1150); Muscheler, Rn. 531 Fn. 12 m. w. N.; Rotax in Praxis des Familienrechts, Teil 4 Rn. 52.

1. Kap.: Anwendung des § 1598a BGB

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In der Tat ist es kaum verständlich, warum die Feststellung der genetischen Mutterschaft anders behandelt wird als die Feststellung der genetischen Vaterschaft854, obwohl sich in beiden Fällen überwiegend die gleichen Probleme stellen [vgl. Zweiter Teil, Erstes Kapitel, B.II.2.b)gg)]. Zwar könnte man für die Ungleichbehandlung das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ins Feld führen, das im Rahmen der väterlichen Abstammung bereits in der Vaterschaftsanfechtung nach §§ 1600–1600c BGB und der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft nach § 1600d BGB Berücksichtigung findet, während im Rahmen der mütterlichen Abstammung keinerlei Durchsetzungsmöglichkeiten in einem rechtsförmlichen Verfahren zur Verfügung stehen. Auch ist dem Gesetzgeber zuzugestehen, dass im Falle der Feststellung der Mutterschaft im Gegensatz zur Feststellung der Vaterschaft, das Verfahren nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO mangels Einschlägigkeit nicht als lex specialis die allgemeine Feststellungsklage des § 256 ZPO verdrängt855. Allerdings ändern diese Gegebenheiten nichts daran, dass bei der Begründung des Rechtsverhältnisses und des Feststellungsinteresses die gleichen Schwierigkeiten bestehen wie bei der Feststellung der väterlichen Abstammung. Dazu kommt noch, dass der Gesetzgeber sich durch die Einräumung einer Feststellungsmöglichkeit selbst widerspricht. Ausdrückliches Ziel des Gesetzgebers war es, die gespaltene Mutterschaft im Interesse des Kindes zu vermeiden856. Aus diesem Grund wurde eine Anfechtung der Mutterschaft abgelehnt und die Norm des § 1591 BGB nicht als widerlegbare Vermutung, sondern als definitive Zuweisungsnorm ausgestaltet857. Durch die Möglichkeit, die genetische Mutterschaft feststellen zu lassen, kann es aber, da das Kind keine Möglichkeit hat, die rechtliche Lage der genetischen anzupassen, zur dauerhaft gespaltenen Mutterschaft kommen und damit gerade zu der Situation, die eigentlich verhindert werden sollte858. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass die besseren Argumente gegen die Bejahung einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO sprechen.

853 Gaul, FamRZ 2000, 1461 (1474); Schwab/Wagenitz, FamRZ 1997, 1377 (1377 f.); Muscheler, Rn. 532; Hammermann in Erman Bd. II, § 1591 Rn. 5; Wax in FamRefK, § 1591 Rn. 6. 854 BT-Drucks. 13/4899, S. 57, 166. 855 Ebenso Rauscher in Staudinger, § 1591 Rn. 22. 856 BT-Drucks. 13/4899, S. 82. 857 BT-Drucks. 13/4899, S. 82; Seidl, FPR 2002, 402 (402). 858 Ebenso Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1464); Weyrauch, S. 203.

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3. Teil: Mutterschaft

f) Isolierte Abstammungsfeststellungsklage Eine spezielle Regelung zur isolierten Feststellung der genetischen Mutterschaft, ohne dadurch zugleich die bestehende rechtliche Mutterschaft zu beseitigen, sieht das Gesetz bislang nicht vor. Wenngleich eine solche isolierte Abstammungsfeststellungsklage in der Literatur bereits seit Jahren teilweise, wenn auch unter anderer Bezeichnung, gefordert wird859, hat sich der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzesentwurfs zur Kindschaftsrechtsreform ausdrücklich gegen die Einführung einer speziellen Norm entschieden und es stattdessen für zulässig erachtet, die isolierte Feststellung der Mutterschaft auf die allgemeine Klage nach § 256 ZPO zu stützen860. g) Auskunftsansprüche des Kindes aa) Anspruch gegen die rechtliche Mutter Naturgemäß wird das Kind zunächst versuchen von der rechtlichen Mutter Auskunft darüber zu erlangen, von welcher Frau es genetisch abstammt861. Im Falle der künstlichen Zeugung steht dem Kind diesbezüglich ein Anspruch auf Nennung der Eispenderin aus § 1618a BGB zu862. Dieser bei Zweifeln der mütterlichen Abstammung bestehende Anspruch unterscheidet sich von dem bei Zweifeln der väterlichen Abstammung bestehenden Auskunftsanspruch des Kindes gegen die Mutter auf Nennung aller potentiell biologischen Väter dadurch, dass das Kind mangels einer Anfechtungsmöglichkeit aus der erlangten Auskunft im Falle der Mutterschaft keinerlei rechtliche Konsequenzen ziehen kann, während es im Falle der Vaterschaft im Ermessen des Kind steht, bei Kenntnis über den biologischen Vater unter Zuhilfenahme der §§ 1600–1600c BGB und des § 1600d BGB die rechtliche der genetischen Lage anzupassen863. Da das Kind im 859

Seidel in MüKo BGB, § 1591 Rn. 27; Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 407 (411); Dethloff, NJW 1992, 2200 (2208); Oberloskamp, FuR 1991, 263 (269); Coester, JZ 1992, 809 (811); Coester-Waltjen, Jura 1989, 520 (522); ablehnend: Frank, FamRZ 1995, 975 (980); Klinkhammer, FF 2005, 150 (151); Schwonberg, JAmt 2005, 265 (273); Rauscher in Staudinger, Einl zu § 1591 Rn. 21; Giesen, JZ 1989, 364 (375); Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1464). 860 BT-Drucks. 13/4899, S. 83. 861 Müller, FamRZ 1986, 635 (636). 862 Rauscher in Staudinger, § 1591 Rn. 25; Seidel in MüKo BGB, § 1589 Rn. 32, 40 ff. 863 Ebenso Gaul, FamRZ 2000, 1461 (1475).

1. Kap.: Anwendung des § 1598a BGB

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Falle der Mutterschaft die Auskunft somit lediglich um seines eigenen Friedens willen erhält, kann es mit dem Auskunftsanspruch lediglich immaterielle Interessen verfolgen, wohingegen es beim aufgrund väterlicher Zweifel bestehenden Anspruchs sowohl aus immateriellen als auch aus materiellen Interessen handeln kann. Für das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung bedeutet dies, dass dieses vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt wird und dem ebenfalls vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützten Recht der Mutter auf sexuelle Selbstbestimmung gegenübersteht864. Das Vorrangverhältnis dieser beiden grundsätzlich gleichrangigen Rechte lässt sich unter Berücksichtigung der Art und Ranghöhe nur dann lösen, wenn die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützten Rechte in der vorliegenden Konstellation einen unterschiedlichen Rang einnehmen. Die Kenntnis der eigenen Abstammung hat großen Einfluss auf das Selbstverständnis des Kindes und damit auf seine Identitätsfindung und Persönlichkeitsentwicklung, sodass dieses im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG näher steht als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Dagegen steht das Recht der Mutter der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG näher als der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG, da die rechtliche Mutter dem ohnehin schon künstlichen und damit technisierten Zeugungsvorgang durch Hinzuziehung der Eispenderin als dritter Person seine Intimität genommen hat865 und somit nur in der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Privatsphäre betroffen wird. Unter Zugrundelegung der von Brosius-Gersdorf entwickelten Leitlinien866, wird dieses Ergebnis noch dadurch unterstützt, dass das Kind nicht als fremde, unbeteiligte Person Auskunft begehrt; fremd ist das Kind für die rechtliche Mutter deshalb nicht, weil durch die Schwangerschaft zwischen Mutter und Kind ein sehr enges Bindungsverhältnis entstanden ist und unbeteiligt ist das Kind deshalb nicht, weil es, auch wenn es freilich nicht an der Zeugung beteiligt war, wohl aber aus dieser hervorgegangen ist und deshalb zumindest eine mittelbar beteiligte Person darstellt, die lediglich die der allgemeinen Handlungsfreiheit näher stehende Privatsphäre der Mutter berührt. Es stehen sich somit im Rahmen der Abwägung die Intimsphäre des Kindes und die Privatsphäre der Mutter gegenüber. Da die Intimsphäre der Menschenwürde nahe steht und deshalb keiner Abwägung zugänglich ist, führt bereits die Tatsache, dass unterschiedliche Persönlichkeitssphären be864 865 866

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.II.1.b)hh). Wolf, FuR 1998, 392 (396). Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)aa)(3)(a).

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3. Teil: Mutterschaft

troffen sind, dazu, dass das Recht des Kindes gegenüber dem Recht der Mutter vorrangig ist. Da somit das Recht des Kindes unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Rangverhältnisses der kollidierenden Rechte stets Vorrang vor dem Recht der rechtlichen Mutter hat, hat das Kind stets einen Anspruch gegen die rechtliche Mutter auf Nennung der biologischen Mutter aus § 1618a BGB. Vielfach wird dem Kind dieser Auskunftsanspruch aber wenig nutzen, da die rechtliche Mutter selbst keine Kenntnis über die Identität der Eispenderin, also biologischen Mutter, hat. In diesem Fall wandelt sich der Auskunftsanspruch des Kindes um in einen Auskunftsanspruch gegen die rechtliche Mutter auf Nennung des die Fortpflanzungstechnik ausführenden Arztes aus § 1618a BGB, der, um seiner ärztlichen Pflicht aus § 10 Musterberufsordnung gerecht zu werden, die Eispenderin dokumentieren muss867. bb) Anspruch gegen den Arzt Bei Zweifeln bezüglich der väterlichen genetischen Abstammung hat das Kind gegen den die Fortpflanzungstechnik ausführenden Arzt nach ganz überwiegender Ansicht einen Anspruch auf Nennung des Samenspenders868. Da dieser Anspruch des Kindes aus seinem durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung hergeleitet wird und dieses Recht nicht nur die väterliche, sondern auch die mütterliche Abstammung schützt869, hat das Kind auch einen Anspruch gegen den Arzt auf Nennung der Eispenderin870, den der Arzt auch nicht unter Berufung auf seine ärztliche Schweigepflicht871 verweigern kann. Nach überwiegender Ansicht muss die Schweigepflicht gegenüber dem verfassungsrechtlich verankerten 867

Marian, S. 139. Dieser Anspruch wird entweder aus § 810 BGB oder durch die Annahme eines Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter begründet (vgl. Merz, S. 189 f.); ausführlich dazu Wanitzek, S. 412 ff.; einschränkend dazu Bernat, MedR 1986, 245 (249), der den Auskunftsanspruch nur dann bejaht, wenn das Kind ohne Nennung des Samenspenders rechtlich vaterlos bliebe. 869 Wolf, FuR 1998, 392 (396); Busse, S. 176 f.; Lüderitz/Dethloff, § 10 Rn. 89; Donhauser, S. 181; Schlüter, Rn. 268; Wellenhofer, NJW 2008, 1185 (1189); dies., MüKo BGB, § 1599 Rn. 19; Spickhoff in Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, 13 (28 Fn. 52 m. w. N.). 870 Rauscher in Staudinger, § 1591 Rn. 25; Sethe von, S. 190. 871 Das ärztliche Schweigerecht ist u. a. normiert in § 9 Musterberufsordnung und § 203 StGB, sowie den Prozessrechten. 868

1. Kap.: Anwendung des § 1598a BGB

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und damit höherrangigem Recht des Kindes zurücktreten872. Nach Donhauser ist es bereits fraglich, ob die ärztliche Schweigepflicht überhaupt einschlägig ist, da diese nur bei einer Heilbehandlung nicht aber bei einem hier vorliegenden „ärztlichen Handeln sui generis“873 Anwendung finde. Zimmermann874 propagiert eine einschränkende Anwendung der ärztlichen Schweigepflicht, nach der die ärztliche Schweigepflicht dem Recht des Kindes von vornherein nicht entgegenstehe, da sich auf den Schutz der ärztlichen Schweigepflicht nur derjenige berufen könne, der sich hilfesuchend an den Arzt wende und sich, um die geforderte Hilfe zu erlangen, in der Zwangslage befinde, dem Arzt Einblicke in Lebensbereiche gewähren zu müssen, die er unter normalen Umständen einem Fremden gegenüber nicht offen legen würde. Angewendet auf einen Samenspender führt diese Ansicht tatsächlich dazu, dass dieser sich nicht auf die ärztliche Schweigepflicht berufen kann, da es an der erforderlichen Zwangslage fehlt, weil sich der Samenspender gerade nicht mit dem Ziel an den Arzt wendet, einen fachmännischen Rat zu erhalten, sondern lediglich mit dem Ziel sein Genmaterial loszuwerden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Samenspender möglicherweise auf die Verschwiegenheit des Arztes vertraut875. Von Sethe876 weist aber zu Recht darauf hin, dass sich die Situation der Eispenderin von der des Samenspenders dadurch unterscheidet, dass die Entnahme der Eizelle einen operativen Eingriff und damit eine ärztliche Behandlung erfordert877. Auch wenn die Frau dabei keine Einblicke in intime Lebensbereiche gewähren muss, so muss sie sich doch in die Vertrauenssphäre des Arztes begeben, sodass der Spendevorgang den durch die ärztliche Schweigepflicht geschützten Geheimnischarakter erlangt. Aus diesem Grund kann sich die Eispenderin zwar im Gegensatz zum Samenspender auf die ärztliche Schweigepflicht berufen, allerdings tritt diese gegenüber dem vorrangigen Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zurück.

872 Wolf, FuR 1998, 392 (396); Seidel in MüKo BGB, § 1589 Rn. 43; Müller, FamRZ 1986, 635 (636); Sethe von, S. 191; Coester-Waltjen in Verhandlungen 56. DJT 1986 1. Bd., B9 (B59); Rotax, ZFE 2007, 9 (15). 873 Donhauser, S. 173. 874 Zimmermann, FamRZ 1981, 929 (932). 875 A. A. Müller, FamRZ 1988, 635 (636). 876 Sethe von, S. 190 f. 877 Ausführlich zur Entnahme einer Eizelle Bernat, MedR 1986, 245 (252 f.); in einem ca. 15-minütigen operativen Eingriff werden die Eizellen von der Scheide aus aus den Follikeln abgesaugt [vgl. http://www.ivf-bocholt.de/index.php?id=901 (zuletzt abgerufen am 15.01.2009)]; Starck in Verhandlungen 56. DJT 1986 Bd. 1, A7 (A37).

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3. Teil: Mutterschaft

cc) Eigene Stellungnahme Ein Auskunftsanspruch des Kindes auf Nennung der Eispenderin eröffnet dem Kind zwar die Möglichkeit, Auskunft darüber zu erhalten, von welcher Frau es genetisch abstammt, bietet allerdings keine Gewähr dafür, auch tatsächlich eine, geschweige denn die richtige Auskunft zu erhalten. Bereits die Erlangung einer Auskunft hängt von Faktoren ab, die das Kind nicht beeinflussen kann. So müssen beispielsweise Mutter und/oder Arzt noch leben, der Arzt muss seiner Dokumentationspflicht nachgekommen sein und darf die Unterlagen nicht vernichtet haben. Aufgrund dieser Unsicherheit bezüglich der Auskunftserlangung stellt der Auskunftsanspruch kein taugliches Instrument zur Erlangung der genetischen Wahrheit dar. Aber auch dann, wenn das Kind die korrekte Auskunft erhält, ändert dies nichts am Vorliegen einer dauerhaft gespaltenen Mutterschaft. Mangels einer rechtlichen Handhabe hat das Kind von nun an eine rechtliche und eine biologische Mutter und kann lediglich versuchen, Kontakt mit der Frau aufzunehmen, von der es genetisch abstammt. h) Zwischenergebnis Nach aktueller Rechtslage stellt sich die Situation so dar, dass weder das Kind noch die rechtliche und biologische Mutter die Möglichkeit haben, die genetischen Abstammungsverhältnisse bezüglich der Mutterschaft in einem rechtsförmlichen Verfahren klären zu lassen. – Dem Kind steht für die Klärung der mütterlichen Abstammung neben dem privaten, heimlichen Abstammungsgutachten lediglich der unsichere Auskunftsanspruch zur Verfügung, der, genau wie das private Abstammungsgutachten, kein rechtsförmliches Verfahren darstellt und zusätzlich keine Gewissheit über die genetische Abstammung verschafft. – Die rechtliche Mutter kann nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO lediglich klären lassen, ob sie das ihr zugeordnete Kind auch tatsächlich zur Welt gebracht hat, nicht aber, ob sie die biologische Mutter dieses Kindes ist. – Die biologische Mutter hat keine Möglichkeit feststellen zu lassen, ob aus ihrer Eizelle ein Kind entstanden ist. 3. Ergebnis Da das Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Mutterschaft möglich ist und weder das Kind noch die rechtliche und biologische Mutter nach geltendem Recht die Möglichkeit haben, die genetischen Abstam-

1. Kap.: Anwendung des § 1598a BGB

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mungsverhältnisse bezüglich der Mutterschaft in einem rechtsförmlichen Verfahren klären zu lassen, ist es sinnvoll § 1598a BGB auf die Klärung der genetischen Mutterschaft anzuwenden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 1598a BGB auf die Klärung der genetischen Mutterschaft nicht nur sinnvoll, sondern sogar verfassungsrechtlich geboten ist, weil sowohl das Kind als auch die rechtliche und biologische Mutter ein verfassungsrechtlich verankertes Recht auf Kenntnis der genetischen mütterlichen Abstammungsverhältnisse haben, das das Recht mitumfasst, die genetischen Abstammungsverhältnisse in einem rechtsförmlichen Verfahren klären und feststellen lassen zu können. – Das Kind hat ein von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, das neben der väterlichen auch die mütterliche Abstammung erfasst878. – Die rechtliche Mutter hat ein von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung des ihr zugeordneten Kindes879. Dass der Mutter dieses Recht zusteht, ergibt sich daraus, dass die Mutter ein von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf Klärung der väterlichen Abstammung hat880. Wenn die Mutter ein Recht darauf hat, die Abstammung des Kindes in einem Verhältnis klären zu lassen, an dem sie nur mittelbar beteiligt ist (väterliche Abstammung), so muss ihr dieses Recht erst recht dann zustehen, wenn sie an dem Verhältnis unmittelbar beteiligt ist (mütterliche Abstammung). – Die biologische Mutter hat ein von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht darauf zu wissen, ob sie ihre Gene weitergegeben hat oder nicht881.

878

Vgl. Fn. 869. So auch Zimmermann, S. 246 f., der davon spricht, dass den Eltern spiegelbildlich zum Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ein ebenfalls von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht zustehe, sich in ihren Kindern wiederzufinden. 880 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.3.a). 881 So auch Zimmermann, S. 246 f., der davon spricht, dass den Eltern spiegelbildlich zum Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ein ebenfalls von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht zustehe, sich in ihren Kindern wiederzufinden. Der Grund dafür, dass dieses Recht der Mutter noch nicht von der Rechtsprechung anerkannt wurde, ist nach Rotax, ZFE 2007, 9 (10) darin zu sehen, dass ein derartiges Recht von der Rechtsprechung wegen der Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine gespaltenen Mutterschaft schon gar nicht diskutiert werden könne. 879

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3. Teil: Mutterschaft

IV. Historische Auslegung 1. Vorgeschichte der Norm Die Schaffung des § 1598a BGB geht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2007 zurück, in dem die Verfassungsrichter dem Gesetzgeber im ersten Leitsatz aufgetragen haben, ein Verfahren zur Feststellung der genetischen Vaterschaft zu schaffen882. Dieser bundesverfassungsgerichtliche Auftrag könnte dagegen sprechen, dass das vom Gesetzgeber daraufhin geschaffene Verfahren nach § 1598a BGB auch die Feststellung der genetischen Mutterschaft erfasst. Allerdings stellt dieser erste Leitsatz kein Spiegelbild der Urteilsbegründung dar. Wie bereits dargelegt883, ist der beschränkten Formulierung des Leitsatzes kein übermäßiges Gewicht beizumessen, da diese allein auf den Gegenstand des der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalts zurückgeht, in dem es um die Klärung der Vaterschaft und nicht der Mutterschaft geht. Vielmehr ist auf die Urteilsbegründung selbst abzustellen, in der die Verfassungsrichter nicht ausschließlich davon sprechen, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, ein Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft zu schaffen, sondern davon, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, ein Verfahren zur Feststellung der Abstammung zu schaffen884. 2. Entstehungsgeschichte Mit § 1598a BGB hat der Gesetzgeber, dem im ersten Leitsatz enthaltenen Auftrag des Bundesverfassungsgerichts folgend, ein Verfahren zur Feststellung der genetischen Vaterschaft zu schaffen, ein „Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren“ erlassen. Quasi als Bestätigung dafür, dass mit dem Verfahren nur die Vaterschaft geklärt werden kann, wird in der gesamten Gesetzesbegründung lediglich die Feststellung der genetischen Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater thematisiert. Dagegen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur die Klärung der genetischen Vater-, sondern auch die Klärung der genetischen Mutterschaft von § 1598a BGB erfasst werden soll, sprechen aber nicht nur die Überschrift sowie die rigorose Nichterwähnung in der Gesetzesbegründung885, sondern auch die Tatsache, dass aus der Sicht des Gesetzgebers 882 883 884

BVerfG, NJW 2007, 753 (753). Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I. BVerfG, NJW 2007, 753 (758 Rn. 97).

1. Kap.: Anwendung des § 1598a BGB

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eine Klärung der genetischen Mutterschaft nach § 1598a BGB nicht erforderlich ist, weil dieser dafür bereits das Verfahren nach § 256 ZPO für einschlägig erklärt hat. Dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur die Klärung der genetischen Vater-, sondern auch die Klärung der genetischen Mutterschaft von § 1598a BGB erfasst werden soll, spricht, dass der Gesetzgeber im Laufe des Gesetzgebungsverfahren mehrfach auf die missverständliche Formulierung des § 1598a BGB hingewiesen wurde886, er es aber gleichwohl unterlassen hat, den Gesetzestext dahingehend zu ändern, dass eindeutig nur die Klärung der genetischen Vaterschaft von § 1598a BGB erfasst wird. Hätte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass § 1598a BGB nur auf die Klärung der genetischen Vaterschaft Anwendung findet, hätte er entweder die „Klärung der leiblichen Abstammung“ auf die Vaterschaft beschränken müssen oder besser noch die „Klärung der leiblichen Abstammung“ durch die „Klärung der Vaterschaft“, die „Klärung der väterlichen Abstammung“ oder die „Klärung der leiblichen Abstammung vom Vater“ ersetzen müssen. Da er dieses aber trotz der Hinweise auf die unglückliche Formulierung unterlassen hat, kann er sich nicht darauf berufen, sich der Bedeutung seiner Wortwahl nicht bewusst gewesen zu sein. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er von einer Anpassung abgesehen hat, da es seinem Willen entspricht, mit dem Verfahren nach § 1598a BGB nicht nur die genetische Vater-, sondern auch die genetische Mutterschaft klären lassen zu können. Wenn man zu Grunde legt, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit die genetische Mutterschaft nach § 256 ZPO feststellen zu lassen nur dem Kind zuerkennt, spricht der Wille des Gesetzgebers zumindest nicht dagegen, dass das Kind als Klärungsberechtigter nach § 1598a Abs. 1 Nr. 3 BGB die genetische Mutterschaft klären lassen kann. V. Zwischenergebnis Da nach den Auslegungskriterien, die zu einem eindeutigen Ergebnis führen, die Klärung der mütterlichen Abstammung von § 1598a BGB erfasst wird und zudem nach den Auslegungskriterien, die zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, die Anwendung des § 1598a BGB auf die Klärung der 885 So auch Muscheler, FPR 2007, 389 (389 Fn. 7); Groß, http://www.bundes tag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/ index.html, S. 3. 886 Rotax, http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_ Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 2 f.; Groß, http://www.bundestag.de/ ausschusse/a06/anhoerungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index. html, S. 3.

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3. Teil: Mutterschaft

mütterlichen Abstammung zumindest nicht ausgeschlossen ist, findet § 1598a BGB nicht nur auf die Klärung der väterlichen, sondern auch auf die Klärung der mütterlichen Abstammung Anwendung.

B. Ergebnis Nach § 1598a BGB kann nicht nur die väterliche, sondern auch die mütterliche Abstammung geklärt werden887.

Zweites Kapitel

Darstellung der ungelösten Probleme Nachdem im vorangegangenen Kapitel festgestellt wurde, dass mit dem Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB nicht nur die väterliche, sondern auch die mütterliche Abstammung des Kindes überprüft werden kann, sowohl das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als auch die Gesetzesbegründung aber nur auf die Klärung der väterlichen Abstammung des Kindes abzielt, werden in diesem Kapitel die sich durch die Anwendung des § 1598a BGB auf die Klärung der mütterlichen Abstammung des Kindes ergebenden bisher ungelösten Probleme aufgezeigt und gelöst.

A. Mutter im Sinne des § 1598a BGB Die Gesetzesbegründung enthält keine Aussage darüber, wer unter Mutter im Sinne des § 1598a BGB zu verstehen ist. Da die rechtliche nicht unbedingt auch die genetische Mutter ist, muss durch Auslegung versucht werden, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob unter Mutter im Sinne des § 1598a BGB die rechtliche und/oder die biologische Mutter zu verstehen ist. I. Wortlautauslegung Ausgangspunkt einer jeden Auslegung ist dabei der Wortlaut, wobei es sowohl darauf ankommt, wie das Wort in umgangssprachlicher Hinsicht als auch in juristischer Hinsicht verstanden und verwendet wird888. 887 Ebenso Wellenhofer, MüKo BGB, § 1598a BGB Rn. 14; dies., MüKo BGB, § 1599 Rn. 19. 888 Maurer, § 1 Rn. 51.

2. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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Umgangssprachlich werden die biologischen Eltern als „Eltern“ bezeichnet889. Überträgt man diesen allgemeinen Sprachgebrauch von beiden Elternteilen auf den Elternteil der Mutter, so wird umgangssprachlich als „Mutter“ die Frau bezeichnet, von der das Kind genetisch abstammt. Daneben wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch die Frau als „Mutter“ bezeichnet, die das Kind aufzieht, bei der das Kind lebt und zu der das Kind das größte Näheverhältnis hat890. Dies wird dadurch deutlich, dass die Adoptivmutter, die das Kind weder zur Welt gebracht hat noch eine genetische Verbindung zum Kind hat, als „Mutter“ bezeichnet wird und nicht, wie in der juristischen Fachsprache, als „Annehmende“ (vgl. §§ 1741 ff. BGB). Die Bezeichnung „Annehmende“ wird in der juristischen Fachsprache bewusst gewählt, da unter „Mutter“ nur die Frau verstanden wird, die das Kind zur Welt gebracht hat, also die rechtliche Mutter (vgl. § 1591 BGB). Die genetischen, sozialen und emotionalen Verhältnisse werden dabei nicht berücksichtigt. Folglich gelangt die Wortlautauslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis. Während nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter „Mutter“ die biologische oder emotionale Mutter verstanden wird, verstehen die Juristen unter „Mutter“ stets die rechtliche Mutter. II. Systematische Auslegung Versucht man die Frage, wer Mutter im Sinne des § 1598a BGB ist, systematisch zu beantworten, so müssen die Normen untersucht werden, in deren Kontext § 1598a BGB angesiedelt ist. § 1598a BGB ist im das Abstammungsrecht regelnden 2. Titel des Abschnitts über die Verwandtschaft angesiedelt, in dem nur die rechtliche, niemals aber die biologische Mutter Erwähnung findet. Folglich spricht die systematische Auslegung dafür, dass unter Mutter im Sinne des § 1598a BGB ausschließlich die rechtliche Mutter zu verstehen ist. Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn man den Kontext, in dem § 1598a BGB angesiedelt ist, nicht nur auf den 2. Titel (Abstammung), sondern auf den gesamten die Verwandtschaft regelnden 2. Abschnitt erstreckt. Der Begriff Mutter wird nur dann verwendet, wenn es sich um die Mutter im Sinne des § 1591 BGB, also um die Frau, die das Kind zur Welt gebracht hat, handelt. Andernfalls wird nicht der Begriff 889

Fleisch, S. 15. BVerfG, FamRZ 2003, 816 (818) nicht explizit in Bezug auf die Mutterschaft, sondern allgemein in Bezug auf die Elternschaft. 890

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3. Teil: Mutterschaft

Mutter, sondern beispielsweise der Begriff Annehmende (vgl. §§ 1741 ff. BGB) verwendet. III. Teleologische Auslegung Sinn und Zweck des § 1598a BGB ist die Klärung der genetischen Abstammung. Dazu gehört nicht nur zu klären, ob das Kind genetisch von dem ihm rechtlich zugeordneten Personen abstammt, sondern auch zu klären, von welchen Personen das Kind tatsächlich genetisch abstammt. Eine an Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung spricht somit dafür, sowohl die rechtliche als auch die biologische Mutter von § 1598a BGB zu erfassen. IV. Historische Auslegung Die historische Auslegung ist unter Abstellung auf die Entstehungs- und Vorgeschichte der Norm vorzunehmen. 1. Vorgeschichte der Norm Der auszulegende Begriff Mutter blickt auf eine geschichtliche Entwicklung zurück. Das bis zur Kindschaftsrechtsreform 1998 geltende Recht ging von dem ungeschriebenen Grundsatz mater semper certa est aus, wonach die biologische auch die rechtliche Mutter war. Vor dem Hintergrund der immer verbreiteteren Fortpflanzungsmedizin hat der Reformgesetzgeber sich allerdings veranlasst gesehen, die Frage der Mutterschaft neu zu ordnen. Durch die Einführung des § 1591 BGB entscheidet nicht mehr das Merkmal der genetischen Verbindung, sondern das Merkmal der Geburt darüber, wer rechtliche Mutter des Kindes ist, was dazu führt, dass es zum Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Mutter kommen kann [vgl. Dritter Teil, Erstes Kapitel, A.III.1.b)]. Dieser Wandel des Begriffs Mutter im Bürgerlichen Gesetzbuch verdeutlicht, dass der Gesetzgeber bei der Verwendung des Begriffs Mutter stets davon ausgeht, dass es sowohl eine rechtliche als auch eine biologische Mutter des Kindes gibt, die allerdings nicht immer personenidentisch sein müssen. Für die Auslegung des Begriffs Mutter hilft demnach die historische Entwicklung der Mutterschaft nicht weiter.

2. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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2. Entstehungsgeschichte Für die Ermittlung des subjektiven Willens des Gesetzgebers kann vorliegend nicht unmittelbar auf die Gesetzesmaterialien zurückgegriffen werden, da in diesen die Frage der Feststellung der Mutterschaft entweder überhaupt nicht thematisiert wird oder aber lediglich auf die missverständliche Formulierung hingewiesen wird und auch im Rahmen der thematisierten Feststellung der Vaterschaft stets nur von „Mutter“ gesprochen wird, ohne dabei deutlich zu machen, ob die rechtliche oder die biologische Mutter gemeint ist. Was allerdings aus der Gesetzesbegründung eindeutig hervorgeht ist, dass im Falle der Feststellung der genetischen Vaterschaft nur der rechtliche, nicht aber der biologische Vater klärungsberechtigt ist891. Dies spricht dafür, dass die außerhalb des Statusverhältnisses stehenden Personen nicht am Verfahren beteiligt sein sollen. Legt man dieses zu Grunde, so wird von § 1598a BGB nur die rechtliche, nicht aber die biologische Mutter erfasst. Dieses Ergebnis entspricht auch dem mehrheitlichen Willen der deutschen Juristen, die sich auf dem Deutschen Juristentag 1992 mit deutlicher Mehrheit892 dafür ausgesprochen haben, dass die Möglichkeit einer isolierten Abstammungsfeststellung nur den Beteiligten des rechtlichen ElternKind-Verhältnisses zur Verfügung stehen solle und gerade nicht den genetischen Elternteilen, was mit deutlicher Mehrheit abgelehnt wurde893. Am Rande soll auch noch auf die Gesetzesbegründung der Kindschaftsrechtsreform hingewiesen werden, da sich der Gesetzgeber in dieser ausführlich zu der im Rahmen des § 1598a BGB in Rede stehenden Feststellung der genetischen Mutterschaft geäußert und seitdem seine diesbezügliche Haltung nicht geändert hat. In dieser vertritt er die Auffassung, dass die Eispenderin, also die biologische Mutter, keine Möglichkeit zur Feststellung der genetischen Mutterschaft haben solle894, während der rechtlichen Mutter nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in seltenen Ausnahmefällen eine Feststellungsmöglichkeit eröffnet wurde. V. Ergebnis Die eindeutigen Auslegungskriterien kommen zu dem Ergebnis, dass unter Mutter im Sinne des § 1598a BGB nur die rechtliche Mutter zu verste891 892 893 894

BT-Drucks. 13/6561, S. 10, 12. 65:12 Stimmen bei 7 Enthaltungen [vgl. FuR 1992, 278 (279)]. 11:72 Stimmen bei 4 Enthaltungen [vgl. FuR 1992, 278 (279)]. BT-Drucks. 13/4899, S. 83.

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3. Teil: Mutterschaft

hen ist. Da auch das Ergebnis der nicht eindeutigen Auslegungskriterien diesem Verständnis nicht entgegensteht, soll davon ausgegangen werden, dass unter Mutter im Sinne des § 1598a BGB die rechtliche Mutter zu verstehen ist895. Daraus ergibt sich, dass nach § 1598a BGB nur geklärt werden kann, ob die bereits bestehende abstammungsrechtliche Zuordnung mit den biologischen Tatsachen übereinstimmt, nicht aber die tatsächlichen genetischen Abstammungsverhältnisse aufgedeckt werden können.

B. Gespaltene Mutterschaft Die Folge davon, dass unter Mutter im Sinne des § 1598a BGB nur die rechtliche, nicht aber die biologische Mutter zu verstehen ist, ist, dass es durch ein Vorgehen nach § 1598a BGB zu einer gespaltenen Mutterschaft kommen kann. I. Einleitung Wird durch das nach § 1598a BGB eingeholte Abstammungsgutachten festgestellt, dass das Kind nicht von der rechtlichen Mutter abstammt, so führt diese Kenntnis für das Kind dazu, zu wissen, dass es nicht von der rechtlichen Mutter, sondern zwangsläufig von einer anderen Frau abstammt. Das Kind hat also Kenntnis vom Vorliegen einer gespaltenen Mutterschaft, ohne zu wissen, wer seine biologische Mutter ist oder zumindest als solche potentiell in Betracht kommt. Zwar steht ihm diesbezüglich ein Auskunftsanspruch zu. Allerdings ist dieser nicht geeignet, stets Klarheit über die genetische Abstammung zu erlangen896. Insoweit ist die Lage mit der bei der Feststellung der genetischen Vaterschaft identisch. Allerdings hat das Kind, das wegen eines nach § 1598a BGB eingeholten Abstammungsgutachtens Kenntnis von einer gespaltenen Elternschaft erlangt, je nachdem, ob es sich um eine gespaltene Vater- oder Mutterschaft handelt, unterschiedliche Möglichkeiten mit der Kenntnis der gespaltenen Elternschaft umzugehen897. – Bei Kenntnis einer gespaltenen Vaterschaft hat das Kind grundsätzlich die Möglichkeit, sich zumindest rechtlich von dieser zu befreien, da es 895 896 897

Ohne Begründung ebenso Helms, FamRZ 2008, 1033 (1033). Ausführlich dazu Dritter Teil, Erstes Kapitel, A.III.2.g). Ebenso kritisch Schwab, FamRZ 2008, 23 (25).

2. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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unabhängig davon, ob es Kenntnis hat, wer sein biologischer Vater ist oder nicht, die rechtliche und damit die gespaltene Vaterschaft durch Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB beseitigen kann. Zudem steht es dem Kind in den Fällen, in denen es Auskunft darüber erhalten hat, wer als potentiell biologischer Vater in Betracht kommt, offen, nach Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft gemäß § 1600d BGB klären zu lassen, ob es auch tatsächlich genetisch von diesem abstammt und dadurch nicht nur sich persönlich von der gespaltenen Vaterschaft zu befreien, sondern durch die damit verbundene gerichtliche Feststellung der genetischen Vaterschaft gleichzeitig auch die rechtliche der genetischen Lage anzupassen898. – Bei der Kenntnis einer gespaltenen Mutterschaft handelt es sich dagegen um eine dauerhaft gespaltene Mutterschaft, da das Kind mangels Anfechtungsmöglichkeit unter keinen Umständen die Möglichkeit hat, sich zumindest rechtlich von dieser zu befreien. Zudem kann das Kind in den Fällen, in denen es Auskunft darüber erhalten hat, wer als potentiell biologische Mutter in Betracht kommt, nicht klären lassen, ob es sich bei dieser Frau tatsächlich um seine biologische Mutter handelt, um sich persönlich von der gespaltenen Mutterschaft zu befreien und die rechtliche Lage der genetischen anzupassen899. Da bei einer gespaltenen Vaterschaft sowohl eine rechtliche als auch eine persönliche Befreiung von der gespaltenen Vaterschaft möglich ist, während bei einer gespaltenen Mutterschaft weder eine rechtliche noch eine persönliche Befreiung möglich ist, kann zusammenfassend festgehalten werden, dass das Kind mit einer gespaltenen Vaterschaft leben kann, mit einer gespaltenen Mutterschaft dagegen leben muss. II. Konsequenz Vor dem Hintergrund, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform gerade zum Ziel gesetzt hat, eine dauerhaft gespaltene Mutterschaft zu vermeiden900 und er bislang keine diesbezügliche Änderung seiner Haltung zum Ausdruck gebracht hat, könnte Konsequenz dieser dauerhaft gespaltenen Mutterschaft sein, dass nach § 1598a BGB nur die väterliche, nicht aber die mütterliche Abstammung geklärt werden kann. 898

Äußerst kritisch dazu Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1278 f.). Ebenso kritisch Helms, FuR 1996, 178 (188); eine derartige Anpassung kann das Kind nur erreichen, indem es sich von der biologischen Mutter nach §§ 1741 ff. BGB adoptieren lässt [vgl. Schlegel, FuR 1996, 284 (289)]. 900 Ausführlich dazu Dritter Teil, Erstes Kapitel, A.III.2.e). 899

306

3. Teil: Mutterschaft

Dass diese Konsequenz aber gerade nicht aus dem Willen des Gesetzgebers gezogen werden kann, ergibt sich aus der bereits im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform nicht konsequent verfolgten Haltung des Gesetzgebers im Hinblick auf die Frage der gespaltenen Mutterschaft. Auf der einen Seite setzte er sich das Ziel, eine gespaltene Mutterschaft zu vermeiden, auf der anderen Seite nahm er eine solche durch die Feststellungsmöglichkeit des Kindes nach § 256 ZPO sehenden Auges in Kauf. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die durch § 256 ZPO verursachte gespaltene Mutterschaft im Gegensatz zu der nach § 1598a BGB verursachten nicht zwingend dauerhaft ist. Zwar ist es richtig, dass das Kind bei einem Vorgehen nach § 256 ZPO im Unterschied zu einem Vorgehen nach § 1598a BGB zumindest dann, wenn es Auskunft darüber erlangt, wer als potentiell biologische Mutter in Betracht kommt, die Möglichkeit hat, das genetische Abstammungsverhältnis zu allen als biologische Müttern in Betracht kommenden Frauen feststellen zu lassen und damit zumindest sich persönlich von der gespaltenen Mutterschaft zu befreien. Allerdings ändert diese unsichere Möglichkeit nichts daran, dass aus der möglicherweise erlangten Erkenntnis niemals rechtliche Konsequenzen gezogen werden können, sodass auch bei einem Vorgehen nach § 256 ZPO niemals eine rechtliche Befreiung von der gespaltenen Mutterschaft möglich ist. Die fehlende Möglichkeit, rechtliche Konsequenzen aus der Kenntnis der gespaltenen Mutterschaft ziehen zu können, führt dazu, dass es sowohl bei § 256 ZPO als auch bei § 1598a BGB zwingend zu einer dauerhaft gespaltenen Mutterschaft kommt; der Unterschied besteht lediglich darin, dass das Kind bei § 256 ZPO wenigstens die Möglichkeit hat, sich persönlich aus der gespaltenen Mutterschaft zu befreien. Als Konsequenz daraus, dass durch Klärung der mütterlichen Abstammung eine dauerhaft gespaltene Mutterschaft verursacht werden kann, darf somit nicht geschlossen werden, dass § 1598a BGB keine Anwendung auf die Klärung der mütterlichen Abstammung findet, zumal dieses, wie bereits dargelegt901, dem Willen des Gesetzgebers gerade zuwiderlaufen würde. Gleichwohl erscheint es vor dem Hintergrund, dass eine Klärung der genetischen mütterlichen Abstammung des Kindes nach § 1598a BGB zu einer dauerhaft gespaltenen Mutterschaft führt, fragwürdig § 1598a BGB auf die Klärung der mütterlichen Abstammung anzuwenden.

901

Vgl. Dritter Teil, Erstes Kapitel, A.IV.2.

2. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

307

III. Darstellung des Problems Da § 1598a BGB nur die Möglichkeit gibt zu klären, „ob eine bereits bestehende abstammungsrechtliche Zuordnung mit den biologischen Tatsachen übereinstimmt“902, nicht aber die Möglichkeit gibt, die tatsächlichen genetischen Abstammungsverhältnisse feststellen zu können, wird dem Kind dann, wenn durch das nach § 1598a BGB eingeholte private Abstammungsgutachten die fehlende genetische Verbindung zwischen Kind und rechtlicher Mutter belegt wird, möglicherweise sogar gegen seinen Willen, die überaus wichtige Kenntnis der eigenen Herkunft genommen, da es nur negativ weiß, von welcher Frau es nicht abstammt, es aber ungewiss ist, ob es jemals positiv erfährt, von welcher Frau es tatsächlich abstammt. Dass die Kenntnis bezüglich der tatsächlichen genetischen Abstammung ungewiss ist liegt daran, dass das Kind, selbst wenn es aufgrund des ihm zustehenden Auskunftsanspruchs903 Auskunft über seine tatsächliche genetische mütterliche Abstammung erlangt, keine rechtliche Grundlage hat, die erlangte Auskunft auf ihre Richtigkeit hin überprüfen zu lassen. Betrachtet man diese Konsequenz aus Sicht des Kindes, so wird dieses bezüglich der genetischen Abstammung von der rechtlichen Mutter vor vollendete Tatsachen gestellt; ein Werkzeug, persönlich, insbesondere emotional, mit dieser Kenntnis umzugehen, kann der Gesetzgeber dem Kind nicht zur Seite stellen. Allerdings hätte er dem Kind diesbezüglich wenigstens ein juristisches Werkzeug schaffen können. IV. Lösung des Problems Es ist somit nach einer Möglichkeit dafür zu suchen, dass dem Kind nicht gegen seinen Willen eine gespaltene Mutterschaft aufgezwungen wird. 1. Nichtanwendung des § 1598a BGB auf die Klärung der genetischen Mutterschaft Dass dem Kind gegen seinen Willen eine gespaltene Mutterschaft aufgezwungen wird, würde durch Nichtanwendung des § 1598a BGB auf die Klärung der genetischen Mutterschaft verhindert. Allerdings verstieße die Nichtanwendung des § 1598a BGB, wie dargelegt, sowohl gegen den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes als auch gegen den 902

Helms, FamRZ 2008, 1033 (1033); ebenso Hammermann, FamRB 2007, 150

(151). 903

Ausführlich dazu Dritter Teil, Erstes Kapitel, A.III.2.g).

308

3. Teil: Mutterschaft

Willen des Gesetzgebers, sodass die Lösung des Problems nicht darin bestehen darf, § 1598a BGB nicht auf die Klärung der genetischen Mutterschaft anzuwenden, sondern darin bestehen muss, dem Kind zu seinem Schutze nicht gegen seinen Willen die gespaltene Mutterschaft aufzudrängen. Folglich muss nach einer Möglichkeit gesucht werden, die sowohl gewährleistet, dass nach § 1598a BGB die mütterliche Abstammung geklärt werden kann als auch dem Interesse des Kindes gerecht wird, nicht mit einer gespaltenen Mutterschaft leben zu müssen904. 2. Weite Auslegung des Begriffs Mutter im Sinne des § 1598a BGB Eine Möglichkeit, das Verfahren des § 1598a BGB anzuwenden und gleichzeitig dem Interesse des Kindes gerecht zu werden, wäre, in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten neben der rechtlichen auch die potentiell biologische Mutter einzubeziehen. Dadurch wäre gewährleistet, dass das Kind dann, wenn es aufgrund eines nach § 1598a BGB eingeholten Abstammungsgutachten erfahren sollte, genetisch nicht von der rechtlichen Mutter abzustammen, wenigstens die möglicherweise erlangte Auskunft über die als potentiell biologische Mutter in Betracht kommende Frau überprüfen lassen könnte, indem es nach § 1598a BGB ein Abstammungsgutachten einholen würde, mit dem die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen Kind und potentiell biologischer Mutter geklärt würden. Da sich das Kind bei dieser Vorgehensweise unter Umständen zumindest persönlich von der gespaltenen Mutterschaft befreien könnte, würde durch dieses weite Verständnis des Begriffs Mutter im Sinne des § 1598a BGB die gleiche Situation wie durch § 256 ZPO geschaffen. Es wurde aber bereits dargelegt, dass dieses weite Verständnis des Begriffs Mutter im Sinne des § 1598a BGB nicht vertretbar ist905, sodass die Lösungsmöglichkeit der weiten Auslegung des Begriffs Mutter nach der hier vertretenen Auffassung ausscheidet. 3. Nebeneinander von § 1598a BGB und § 256 ZPO Eine weitere Möglichkeit zur Lösung des Problems wäre, es bei dem hier vertretenen engen Verständnis des Begriffs Mutter zu belassen und dem 904 Ebenso Diederichsen in Palandt, § 1598a BGB Rn. 6, der das mit der Klärung der Mutterschaft nach § 1598a BGB einhergehende Problem der gespaltenen Mutterschaft erkennt und sich diesbezüglich Klarstellung durch den Gesetzgeber wünscht. 905 Vgl. Dritter Teil, Zweites Kapitel, A.

2. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

309

Kind für den Fall, dass sich aufgrund des nach § 1598a BGB eingeholten Abstammungsgutachtens herausstellt, dass die rechtliche nicht auch die biologische Mutter des Kindes ist, die Möglichkeit einzuräumen, im Rahmen einer gegen die potentiell biologische Mutter gerichteten allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO die genetische Abstammung von dieser feststellen zu lassen. Da allerdings nach der hier vertretenen Auffassung die allgemeine Feststellungsklage bereits nicht zulässig ist906, ist auch dieser Lösungsvorschlag nicht realisierbar. 4. Restriktive Anwendung der Klärungsberechtigung nach § 1598a Abs. 1 BGB Die Lösung des Problems, den § 1598a BGB unter Wahrung der Interessen des Kindes anzuwenden, würde durch eine restriktive Anwendung der Klärungsberechtigung nach § 1598a Abs. 1 BGB erreicht. Nach dem Wortlaut des § 1598a Abs. 1 BGB und der hier vertretenen engen Auslegung des Begriffs Mutter können rechtlicher Vater, rechtliche Mutter und Kind als Klärungsberechtigte die mütterliche Abstammung klären lassen. Dadurch wird dem rechtlichen Vater und der rechtlichen Mutter die Möglichkeit eingeräumt, auch gegen den Willen des Kindes die mütterliche Abstammung klären zu lassen, indem sie als Klärungsberechtigte entsprechend ihrem eigenen Willen, nicht aber dem des nicht einwilligungsfähigen Kindes, bereits außergerichtlich die Einwilligung zu der Abstammungsuntersuchung erteilen. Vor dem Hintergrund, dass die Klärung der mütterlichen Abstammung für das Kind zu der Kenntnis einer gespaltenen Mutterschaft führen kann, ohne dass es die Möglichkeit hat, sich sowohl rechtlich als auch persönlich von dieser zu befreien, ist es problematisch, dass rechtlicher Vater und rechtliche Mutter auch gegen den Willen des Kindes die genetische Mutterschaft klären lassen können und dem Kind so entgegen seinem Willen die Kenntnis einer dauerhaft gespaltenen Mutterschaft aufzwängen können. Um zu gewährleisten, dass dem Kind die Klärung der mütterlichen Abstammung und damit die mögliche gespaltene Mutterschaft nicht gegen seinen Willen aufgezwungen werden kann, darf eine Klärung der mütterlichen Abstammung nur dann zugelassen werden, wenn sie, genau wie die mögliche gespaltene Mutterschaft, dem Willen des Kindes entspricht. Da dieses nur dann mit Sicherheit gewährleistet ist, wenn das Kind selbst die Abstammungsuntersuchung betreiben möchte, erscheint es sinnvoll die 906

Vgl. Dritter Teil, Erstes Kapitel, A.III.2.e).

310

3. Teil: Mutterschaft

Klärungsberechtigung nach § 1598a Abs. 1 BGB bezüglich der Klärung der mütterlichen Abstammung auf das Kind zu beschränken907. Durch diese restriktive Anwendung der Klärungsberechtigung nach § 1598a Abs. 1 BGB ist gewährleistet, dass das Verfahren nach § 1598a BGB zwar zur Anwendung kommt, allerdings nur dann, wenn das Kind auch bereit ist, mit einer gespaltenen Mutterschaft zu leben. Diese Lösung ist auch mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar, der im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform einzig dem Kind einen Anspruch auf Feststellung der mütterlichen Abstammung eingeräumt hat908. Das Ergebnis, dass das Kind die genetische Abstammung klären lassen kann, obwohl es keine rechtlichen Konsequenzen aus der erlangten Kenntnis ziehen kann, ist dem deutschen Recht nicht fremd. Im Bereich der Volladoption, bei der die rechtliche und genetische Elternschaft und damit auch die rechtliche und genetische Mutterschaft auseinanderfallen, ist das Interesse des Kindes, Kenntnis von der biologischen Abstammung zu erhalten, obwohl aus dieser, bis auf ganz seltene Ausnahmefälle, keine rechtliche Konsequenz gezogen werden kann, nicht nur allgemein anerkannt, sondern sogar gesetzlich verankert909. V. Ergebnis Soll nach § 1598a BGB die mütterliche Abstammung des Kindes geklärt werden, so ist wegen der restriktiven Auslegung der Klärungsberechtigung einzig das Kind klärungsberechtigt.

C. Klärungsberechtigung des Kindes Daraus, dass einzig das Kind die genetische Mutterschaft nach § 1598a BGB klären lassen kann, darf allerdings nicht geschlossen werden, dass es auch verfassungsgemäß ist, dass das Kind stets einen Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme einer dafür geeigneten genetischen Probe aus § 1598a Abs. 1 BGB hat und auch das Gericht die Ersetzung der Einwilligung nach § 1598a Abs. 2 BGB nicht verhindern kann. Dieser jederzeit bestehende Anspruch des Kindes gegen die rechtliche Mutter ist nur dann verfassungsgemäß, wenn durch die Klärung der geneti907 908 909

Ähnliche Überlegungen stellt bereits Reinke auf S. 158 an. BT-Drucks. 13/4899, S. 83. Rotax, ZFE 2007, 9 (12).

2. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

311

schen Mutterschaft in keiner denkbaren Konstellation Grundrechte der rechtlichen Mutter verletzt werden. Da die rechtliche Mutter zur Duldung der Entnahme und Untersuchung einer genetischen Probe verpflichtet wird, werden die Grundrechte der Mutter auf körperliche Unversehrtheit und informationelle Selbstbestimmung tangiert. Da das Genmaterial der rechtlichen Mutter untersucht und ausgewertet wird, wird das Intimleben der rechtlichen Mutter zum Zeitpunkt der Empfängnis des Kindes teilweise offengelegt910. Verletzt werden diese Grundrechte dann, wenn das in Rede stehende Grundrecht Vorrang vor dem Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung hat. Dabei ist vorab festzuhalten, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung stets vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt wird. Dass das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung bei der Klärung der mütterlichen Abstammung im Gegensatz zur Klärung der väterlichen Abstammung nicht auch von der allgemeinen Handlungsfreiheit oder der Eigentumsfreiheit geschützt werden kann, liegt daran, dass das Kind aus der Kenntnis über die mütterliche Abstammung keine rechtlichen Konsequenzen ziehen kann und somit mit der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse keine materiellen, sondern nur immaterielle Interessen verfolgt. I. Recht des Kindes gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht Die Untersuchung und Auswertung des Genmaterials wird bei der Überprüfung der mütterlichen Abstammung in der gleichen Weise wie bei der Überprüfung der väterlichen Abstammung vorgenommen, sodass hinsichtlich des Abwägungsvorgangs auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)aa)(1)(a) im Verhältnis zwischen Kind und Mutter getätigten Ausführungen verwiesen werden kann. Bekräftigt wird dieses Abwägungsergebnis noch dadurch, dass das Kind ohne die Möglichkeit, auf das Genmaterial der rechtlichen Mutter zugreifen zu können, niemals von seinem verfassungsrechtlich verankerten Recht Gebrauch machen könnte911. Die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Rechts des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung unterscheidet die vorlie910

Ausführlich zu den einzelnen Grundrechten Zweiter Teil, Zweites Kapitel,

A.I.3. 911 Canaris, JuS 1989, 161 (163); Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); so auch BVerfG, NJW 2007, 753 (755 Rn. 73).

312

3. Teil: Mutterschaft

gende Konfliktlage, bei der das Genmaterial im Hinblick auf die mütterliche Abstammung untersucht wird, von der, in der das Genmaterial im Hinblick auf die väterliche Abstammung untersucht wird, da das Kind in letzterem Fall auch Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse erlangen könnte, ohne zusätzlich das Genmaterial der Mutter auszuwerten. Wenn aber schon dann dem Recht des Kindes Vorrang zukommt, wenn der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Grundrechts nicht zwingend erforderlich ist, so kann nichts anderes gelten, wenn der Eingriff zwingend erforderlich ist. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung als vorrangig gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der rechtlichen Mutter zu betrachten ist. II. Recht des Kindes gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit Auch bei der Abwägung dieser kollidierenden Rechte ergibt sich grundsätzlich nichts anderes als bei der im Verhältnis zwischen Kind und Mutter vorgenommenen Abwägung, die auf die Untersuchung der väterlichen Abstammung gerichtet ist, da es für die Entnahme des Genmaterials keinen Unterschied macht, ob das Genmaterial für die Untersuchung der väterlichen oder mütterlichen Abstammung entnommen wird. Da somit auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)aa)(2) vorgenommene Abwägung verwiesen werden kann, ist dem Interesse des Kindes stets Vorrang vor dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit der rechtlichen Mutter einzuräumen. Dieses aufgrund der unterschiedlichen Art und Ranghöhe sowie der unterschiedlichen Intensität und Schwere der betroffenen Rechte gefundene Abwägungsergebnis wird dann, wenn der Mutter das Genmaterial im Hinblick auf die Klärung der mütterlichen Abstammung entnommen wird gegenüber dem Fall, in dem der Mutter das Genmaterial im Hinblick auf die Klärung der väterlichen Abstammung entnommen wird, noch durch die Funktionsfähigkeit des Rechts des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung unterstützt, da das Kind ohne die Entnahme einer genetischen Probe der rechtlichen Mutter und deren Untersuchung schon gar nicht die Möglichkeit hätte von seinem Recht Gebrauch zu machen912.

912 Canaris, JuS 1989, 161 (163); Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); so auch BVerfG, NJW 2007, 753 (755 Rn. 73).

2. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

313

III. Recht des Kindes gegen sexuelles Selbstbestimmungsrecht Da sowohl das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung als auch das sexuelle Selbstbestimmungsrecht vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt werden913, stehen sich zwei grundsätzlich gleichrangige Rechte gegenüber, deren Vorrangverhältnis nur dann nach Art und Ranghöhe gelöst werden kann, wenn die grundsätzlich gleichrangigen Rechte in der vorliegenden Konstellation einen unterschiedlichen Rang einnehmen. Da die Kenntnis der eigenen Abstammung großen Einfluss auf das Selbstverständnis des Kindes und damit auf seine Identitätsfindung und Persönlichkeitsentwicklung hat, steht dieses Recht im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG näher als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Fraglich ist dagegen, wo das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter grundrechtsdogmatisch im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu verorten ist. Wurde das Kind auf natürliche Weise gezeugt, so wurde bereits unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, AII.2.b)aa)(3)(a) dargelegt, dass das Recht der Mutter der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG näher steht als der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG. Da sich nichts anderes ergibt, wenn das Kind künstlich gezeugt wurde914, stehen sich im Rahmen der Abwägung die Intimsphäre des Kindes und die Privatsphäre der Mutter gegenüber. Da die Intimsphäre wegen ihrer Nähe zur Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG keiner Abwägung zugänglich ist, führt bereits die Tatsache, dass unterschiedliche Persönlichkeitssphären betroffen sind, dazu, dass das Recht des Kindes stets vorrangig gegenüber dem Recht der Mutter ist. IV. Ergebnis Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung generell Vorrang vor dem Recht der rechtlichen Mutter auf körperliche Unversehrtheit sowie deren informationellen und sexuellen Selbstbestimmungsrecht hat, sodass keine Grundrechte der rechtlichen Mutter verletzt werden. Da somit in allen denkbaren Konstellationen die Rechte der rechtlichen Mutter hinter dem Recht des Kindes zurücktreten müssen, hat das Kind 913 914

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)aa)(3)(a). Ausführlich dazu Dritter Teil, Erstes Kapitel, A.III.2.g)aa).

314

3. Teil: Mutterschaft

stets einen Anspruch gegen die rechtliche Mutter auf Erteilung der Einwilligung und Duldung der Entnahme des Genmaterials. Dies hat zur Folge, dass sowohl § 1598a Abs. 1 BGB als auch § 1598a Abs. 2 BGB in ihrer jetzigen Gestalt verfassungsgemäß sind. Drittes Kapitel

Zusammenfassung des Dritten Teils Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Kind die Möglichkeit hat nach § 1598a BGB klären zu lassen, ob es genetisch von der rechtlichen Mutter abstammt. Diesbezüglich steht dem Kind jederzeit ein Anspruch gegen die rechtliche Mutter auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme der dafür geeigneten genetischen Probe aus § 1598a BGB zu, wobei die Einwilligung der Mutter im Falle der außergerichtlichen Verweigerung durch das Gericht ersetzt werden muss915.

915

Dazu später Vierter Teil, Zweites Kapitel, I.

Vierter Teil

Änderungsvorschlag Nachdem in den ersten Teilen der Arbeit das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB sowohl isoliert unter Berücksichtigung des deutschen Abstammungsrechts als auch unter direkter Einbeziehung des deutschen Abstammungsrechts im Hinblick auf ungelöste Probleme, Mängel und Verfassungsmäßigkeit untersucht wurde, soll § 1598a BGB im Zweiten Kapitel des Vierten Teils der Arbeit auf Grundlage der erarbeiteten Ergebnisse modifiziert und neugefasst werden. Bevor dies allerdings möglich ist, werden im Ersten Kapitel des Vierten Teils in dieser Arbeit bislang noch nicht gelöste Probleme, die sich aus der Aufnahme des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten und Anspruchsverpflichteten ergeben, aufgeworfen und gelöst916. Erstes Kapitel

Darstellung der ungelösten Probleme Durch die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten und Anspruchsverpflichteten ergeben sich Probleme, die bislang noch nicht berücksichtigt wurden. Im Folgenden werden diese Probleme dargestellt und gelöst.

A. Klärungsberechtigung des potentiell biologischen Vaters Die Nichteinbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten ist verfassungswidrig und mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar917. 916 Wegen der Unvereinbarkeit des § 1598a BGB mit Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.) ist auch der Gesetzgeber nicht nur gehalten, sondern sogar verpflichtet (vgl. Osterloh in Sachs, Art. 3 Rn. 132.), sich Gedanken darüber zu machen, wie er durch Modifizierungen des § 1598a BGB die Verfassungskonformität des Klärungsverfahrens gewährleisten kann. 917 Ausführlich Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.

316

4. Teil: Änderungsvorschlag

Allein durch die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten wird allerdings noch nicht automatisch Verfassungskonformität erreicht. Würde der potentiell biologische Vater in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten aufgenommen, so hätte er jederzeit einen Anspruch gegen das Kind und die Mutter auf Erteilung einer Einwilligung in eine private Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme einer dafür geeigneten genetischen Probe aus § 1598a Abs. 1 BGB und auch das Gericht könnte die Ersetzung der verweigerten Einwilligung nur für das minderjährige Kind unter den strengen Voraussetzungen des § 1598a Abs. 3 BGB, nicht aber für die Mutter und das volljährige Kind, aussetzen. Diese Rechtslage wäre nur dann verfassungskonform, wenn das Kind und die Mutter als Anspruchsverpflichtete durch den grundsätzlich, mit Ausnahme des § 1598a Abs. 3 BGB, bestehenden Anspruch des potentiell biologischen Vaters auf Klärung der genetischen Verbindung zwischen sich und dem in Rede stehenden Kind nicht in ihren Grundrechten verletzt würden. Verletzt würden ihre Grundrecht nur dann nicht, wenn das grundsätzlich918 vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Recht des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse stets Vorrang vor den betroffenen Grundrechten von Kind (vgl. I.) und Mutter (vgl. II.) hätte. I. Abwägung des Rechts des potentiell biologischen Vaters gegen die Rechte des Kindes Da das Kind zur Duldung der Entnahme und Untersuchung einer genetischen Probe verpflichtet wird, werden die Grundrechte des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und informationelle Selbstbestimmung tangiert. Zudem wird das Recht des Kindes auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen sowie das Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung tangiert919. 918 Nicht vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht, sondern von der allgemeinen Handlungsfreiheit wird das Recht des potentiell biologischen Vaters dann geschützt, wenn er nicht aus immateriellen, sondern aus materiellen Gründen handelt [vgl. Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.2.a)aa)]. Da der potentiell biologische Vater gegenüber dem Kind bislang weder Rechte noch Pflichten hat, er aber durch Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft in die Stellung des rechtlichen Vaters einrücken und damit nicht nur unterhalts- und erbverpflichtet, sondern auch unterhalts- und erbberechtigt werden kann, sind durchaus Fälle denkbar, in denen der potentiell biologische Vater einzig aus materiellen Interessen Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse erlangen möchte. 919 Ausführlich zu den einzelnen Grundrechten Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.2.

1. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

317

1. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht Da es für die Untersuchung und Auswertung des Genmaterials des Kindes unerheblich ist, in wessen Auftrag sie erfolgt, wird das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes bei einem Vorgehen des potentiell biologischen Vaters genauso wie bei einem Vorgehen des rechtlichen Vaters oder der Mutter beeinträchtigt. Folglich kann auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)bb)(1) getätigten Ausführungen verwiesen werden, sodass das Recht des potentiell biologischen Vaters dann, wenn dieser aus immateriellen Gründen handelt, Vorrang vor dem Recht des Kindes hat, während es hinter dem Recht des Kindes zurückstehen muss, wenn der potentiell biologische Vater aus materiellen Gründen handelt. 2. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit Auch bei der Abwägung dieser kollidierenden Rechte ergibt sich nichts anderes als bei der im Verhältnis zwischen rechtlichem Vater und Kind bzw. Mutter und Kind vorgenommenen Abwägung, da es keinen Unterschied macht, von wem die genetische Probe entnommen wird. Aus diesem Grund kann auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)bb)(2) vorgenommene Abwägung verwiesen werden, sodass das Recht des potentiell biologischen Vaters, unabhängig davon, ob dieser aus immateriellen oder materiellen Gründen handelt, wegen der Schwere und Intensität der Beeinträchtigung der betroffenen Rechte und der Funktionsfähigkeit des Rechts des potentiell biologischen Vaters stets Vorrang vor dem Recht des Kindes hat. 3. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen Recht auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen Vor dem Hintergrund, dass zumeist zwischen Kind und potentiell biologischem Vater keine soziale Beziehung besteht920, soll vorliegend nur der Fall untersucht werden, dass das Kind durch ein Vorgehen des unbeteiligten potentiell biologischen Vaters aus der bestehenden intakten sozialen Familie herausgerissen wird921. 920

Dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.2.b)bb). Dazu, dass auch durch ein Vorgehen des unbeteiligten potentiell biologischen Vaters die bestehende intakte Familie in ihrem sozialen Bestand gefährdet wird, vgl. Seite 250 ff. 921

318

4. Teil: Änderungsvorschlag

a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Kenntnis des potentiell biologischen Vaters über die genetischen Abstammungsverhältnisse beeinflusst sein Selbstverständnis sowie seine Persönlichkeitsentwicklung und wirkt sich demnach merklich auf sein gegenwärtiges und künftiges Leben aus. Aus diesem Grund steht sein allgemeines Persönlichkeitsrecht grundrechtsdogmatisch der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG näher als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Diesem Interesse des potentiell biologischen Vaters steht das Interesse des Kindes gegenüber, nicht aus den gewohnten sozialen Beziehungen herausgerissen zu werden, um zu einer gefestigten Persönlichkeit heranwachsen zu können. Wegen seines großen Einflusses auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und sein gegenwärtiges und künftiges Leben wird dieses Interesse ebenfalls vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt und steht dabei der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG näher als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Weil sich somit zwei gleichrangige Rechte gegenüberstehen, kann das Vorrangverhältnis dieser Rechte nicht unter Beachtung ihrer Art und Ranghöhe, sondern nur unter Beachtung der Intensität und Schwere ihrer Beeinträchtigung ermittelt werden922, wobei das Recht des Betroffenen stärker beeinträchtigt wird, dessen Persönlichkeitsentwicklung und damit gegenwärtiges und künftiges Leben durch die Klärung bzw. Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse stärker beeinträchtigt wird. Da der potentiell biologische Vater das Interesse an der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse grundsätzlich in einem Alter hat, in dem er aufgrund seiner Lebenserfahrung und der damit verbundenen Reife über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt, wird seine Persönlichkeitsentwicklung und damit sein gegenwärtiges und künftiges Leben durch die Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse relativ gering beeinträchtigt923. Demgegenüber hängt die Beantwortung der Frage, wie stark das Kind durch die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse in seiner Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt wird, nicht nur von der im jeweiligen Einzelfall zu ermittelnden Festigkeit seiner Persönlichkeit, sondern auch von der Intaktheit der sozialen Familie ab. 922

Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163). Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)bb)(3)(a), da es im Hinblick auf die Festigkeit der Persönlichkeit keinen Unterschied macht, ob es sich um die Persönlichkeit des potentiell biologischen oder des rechtlichen Vaters handelt. 923

1. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

319

Dass die Stärke der Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung neben der Festigkeit der Persönlichkeit von der Intaktheit der sozialen Familie abhängt, liegt zum einen daran, dass das Risiko für ein Auseinanderbrechen der sozialen Familie davon abhängt, wie groß das Vertrauen der Familienmitglieder zueinander und ihre Bindung aneinander ist; je stärker der Zusammenhalt innerhalb der sozialen Familie, also die Intaktheit, umso weniger wird diese von Außen gefährdet und bricht auseinander und zum anderen daran, dass die Beantwortung der Frage, wie stark das Herausreißen des Kindes aus der intakten sozialen Familie die Persönlichkeitsentwicklung und das gegenwärtige und künftige Leben des Kindes beeinträchtigt, davon abhängt, wie fest das Kind in dieser verwurzelt war, was wiederum davon abhängt, wie intakt der soziale Bestand der Familie war; je stärker die Intaktheit, umso stärker die Verwurzelung und umso stärker die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung und je geringer die Intaktheit, umso geringer die Verwurzelung und umso geringer die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung. Da somit die Stärke der Verwurzelung von der Intaktheit der sozialen Familie abhängt, hängt die Intensität und Schwere der Beeinträchtigung des Rechts des Kindes neben der Festigkeit der Persönlichkeit von der Intaktheit der sozialen Familie ab. aa) Wenig intakte soziale Familie Ist die Familie in ihrem sozialen Bestand wenig intakt, so ist die Gefahr, dass der potentiell biologische Vater durch sein Vorgehen nach § 1598a BGB nicht nur Unruhe in die soziale Familie bringt, sondern diese sogar zerstört, recht groß. Gleichwohl hat das Herausreißen des Kindes aus seinen gewohnten sozialen Beziehungen auf seine Persönlichkeitsentwicklung und sein gegenwärtiges und künftiges Leben lediglich geringe Auswirkungen, da das Kind wegen der wenig intakten sozialen Familie nicht sonderlich fest in dieser verankert war. bb) Intakte soziale Familie Anders dagegen, wenn der soziale Bestand der Familie intakt ist. Auch wenn die Gefahr, dass die soziale Familie auseinander bricht geringer ist, kann der soziale Bestand der Familie durch das Vorgehen des potentiell biologischen Vaters nach § 1598a BGB gleichwohl gefährdet werden. Ist das Kind wegen der Intaktheit der Familie stark in dieser verwurzelt, so wird die Persönlichkeitsentwicklung und damit das gegenwärtige und

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4. Teil: Änderungsvorschlag

künftige Leben des Kindes nicht nur durch das Auseinanderbrechen der sozialen Familie, sondern durch jede Veränderung innerhalb dieser stark beeinträchtigt. cc) Zwischenergebnis Die Intensität und Schwere der Beeinträchtigung des Rechts des Kindes hängt von der Intaktheit der sozialen Familie und der Festigkeit der Persönlichkeit des Kindes ab, wobei die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes umso schwerer beeinträchtigt wird, je intakter die Familie in ihrem sozialen Bestand ist, was bedeutet, dass dem Recht des Kindes umso mehr Gewicht zukommt, je intakter die Familie in ihrem sozialen Bestand ist. Unabhängig von der Intaktheit der sozialen Familie hat allerdings bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes stets das Recht des potentiell biologischen Vaters Vorrang vor dem Recht des Kindes, da die Erinnerungsfähigkeit des Kindes hinsichtlich Dauer und Umfang des Behaltens bis zu diesem Alter noch recht schlecht ausgebildet ist924, sodass das Kind, auch wenn es stark in der sozialen Familie, aus der es durch das Vorgehen nach § 1598a BGB herausgerissen wird, verwurzelt war, keine bzw. kaum Erinnerungen an den Verlust der Vertrauensperson hat und deshalb die kindliche Psyche nahezu unbeschadet bleibt. Ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes dagegen besteht kein genereller Vorrang eines Rechts, sondern es muss die Intaktheit der sozialen Familie und die Festigkeit der Persönlichkeit des Kindes im jeweiligen Einzelfall ermittelt werden. Da das Kind, je älter es ist, in seiner Persönlichkeit immer gefestigter wird, wird die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und damit sein gegenwärtiges und künftiges Leben durch das Herausreißen aus der sozialen Familie, je älter das Kind wird, deutlich geringer beeinträchtigt, als wenn das Kind aufgrund seines jungen Alters in seiner Persönlichkeit noch nicht so gefestigt ist. Daraus ergibt sich, dass bis zum zweiten Lebensjahr stets das Recht des potentiell biologischen Vaters Vorrang vor dem Recht des Kindes hat. Ab dem zweiten Lebensjahr lässt sich dagegen kein generelles Vorrangverhältnis begründen, sondern es kann ein solches nur unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden. Dabei gilt die Leitlinie, dass dann, wenn die Familie in ihrem sozialen Bestand nur wenig intakt ist, das Recht des potentiell biologischen Vaters überwiegt und dass dann, wenn 924

Nickel, Bd. 1, S. 222 ff.

1. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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die Familie in ihrem sozialen Bestand intakt ist, je älter das Kind wird, wegen der gefestigteren Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht des potentiell biologischen Vaters überwiegt und je jünger das Kind ist, wegen der weniger gefestigten Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht des Kindes überwiegt. b) Allgemeine Handlungsfreiheit Bei der Abwägung des materiellen Interesses des potentiell biologischen Vaters an der Klärung der genetischen Abstammung des in Rede stehenden Kindes mit dem Interesse des Kindes in den gewohnten sozialen Beziehungen aufzuwachsen, muss berücksichtigt werden, dass das Recht des potentiell biologischen Vaters lediglich durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist925, während das Recht des Kindes weiterhin durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt wird, wobei das Kind in seiner der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG nahestehenden Intimsphäre betroffen wird. Da das Recht des Kindes folglich keiner Abwägung zugänglich ist926, ergibt sich bereits aus Art und Ranghöhe der kollidierenden Rechte927, dass dem Recht des Kindes stets Vorrang vor dem Recht des potentiell biologischen Vaters einzuräumen ist. c) Zwischenergebnis Bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes hat das Recht des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse dann, wenn der potentiell biologische Vater aus immateriellen Gründen handelt, Vorrang vor dem Recht des Kindes auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen. Ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes hängt die Frage des Vorrangs davon ab, wie intakt die Familie in ihrem sozialen Bestand ist und wie gefestigt die Persönlichkeit des Kindes ist. Handelt der potentiell biologische Vater dagegen aus materiellen Gründen, so überwiegt stets das Recht des Kindes.

925 926 927

Dazu bereits Vierter Teil, Erstes Kapitel, A. Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(3)(a). Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163).

322

4. Teil: Änderungsvorschlag

4. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Wie bereits dargelegt928, wird das immaterielle Kenntnisinteresse des potentiell biologischen Vaters vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt, wobei das Interesse grundrechtsdogmatisch der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG näher steht als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Da auch das Recht des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung aufgrund der persönlichkeitsprägenden Wirkung vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt wird und dort grundrechtsdogmatisch der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG nahe steht929, stehen sich zwei gleichrangige Rechte gegenüber, deren Vorrangverhältnis nicht unter Berücksichtigung ihrer Art und Ranghöhe, sondern nur unter Berücksichtigung der Intensität und Schwere ihrer Beeinträchtigung ermittelt werden kann930, wobei das Recht des Betroffenen stärker beeinträchtigt wird, dessen Persönlichkeitsentwicklung stärker beeinträchtigt wird. Für das Vorrangverhältnis bedeutet dies, dass dem Recht des Betroffenen Vorrang einzuräumen ist, dessen Persönlichkeitsentwicklung durch die Klärung bzw. Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse stärker beeinträchtigt wird. Da der potentiell biologische Vater im Zeitpunkt seines Vorgehens nach § 1598a BGB in aller Regel bereits über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt, wird seine Persönlichkeitsentwicklung durch die Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse nicht allzu stark beeinträchtigt931. Anders dagegen beim Kind. Auch wenn dieses im Zeitpunkt des Vorgehens des potentiell biologischen Vaters in der Regel noch nicht über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt, ist es genauso denkbar, dass es im fraglichen Zeitpunkt bereits eine gefestigte Persönlichkeit hat. Aus diesem Grund kann kein genereller Vorrang des Rechts des Kindes angenommen werden, sondern es ist in jedem konkreten Einzelfall festzustellen, wessen Persönlichkeitsentwicklung stärker beeinträchtigt wird. Für die Beeinträchtigung der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung macht es keinen Unterschied, ob die Abstammungsuntersuchung auf Betreiben des potentiell biologischen Vaters, des rechtlichen Vaters oder der Mut928 929 930 931

Siehe Vierter Teil, Erstes Kapitel, A.I.3.a). Dazu bereits Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)bb)(4)(a). Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163). Vgl. Vierter Teil, Erstes Kapitel, A.I.3.a).

1. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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ter durchgeführt wird, da das Kind in allen Fällen Kenntnis über die eigene Abstammung erlangt. Da somit auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)bb)(4)(a) getätigten Auswirkungen verwiesen werden kann, hat das Recht des potentiell biologischen Vaters bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes stets Vorrang vor dem Recht des Kindes. Ab dem zweiten Lebensjahr lässt sich dagegen kein generelles Vorrangverhältnis begründen, sondern es kann ein solches nur unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden, wobei das Recht des potentiell biologischen Vaters dann hinter dem Recht des Kindes zurücktreten muss, wenn die Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit durch die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse stärker beeinträchtigt wird als die des potentiell biologischen Vaters durch die Nichtklärung. Wie stark die Beeinträchtigung auf Seiten des Kindes ist, hängt von der Festigkeit seiner Persönlichkeit ab. Auch wenn dieses nur anhand des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden kann, gilt die Leitlinie, dass je älter das Kind wird, wegen der gefestigteren Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht des potentiell biologischen Vaters überwiegt und je jünger das Kind ist, wegen der weniger gefestigten Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht des Kindes überwiegt. b) Allgemeine Handlungsfreiheit Bei der Abwägung des materiellen Interesses des potentiell biologischen Vaters an der Klärung der genetischen Abstammung des in Rede stehenden Kindes mit dem Interesse des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung muss berücksichtigt werden, dass das Recht des potentiell biologischen Vaters lediglich durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist932, während das Recht des Kindes weiterhin durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt wird, wobei das Kind in seiner der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG nahestehenden Intimsphäre betroffen wird, mit der Folge, dass das Recht des Kindes keiner Abwägung zugänglich ist933. Somit ergibt sich bereits aus Art und Ranghöhe der kollidierenden Rechte934, dass dem Recht des Kindes stets Vorrang vor dem Recht des potentiell biologischen Vaters einzuräumen ist.

932 933 934

Ausführlich dazu Vierter Teil, Erstes Kapitel, A. Vgl. dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(3)(a). Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163).

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4. Teil: Änderungsvorschlag

c) Zwischenergebnis Bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes hat das Recht des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse dann, wenn der potentiell biologische Vater aus immateriellen Gründen handelt, stets Vorrang vor dem Recht des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung. Ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes hängt die Frage des Vorrangs davon ab, wie gefestigt die Persönlichkeit des Kindes ist. Handelt der potentiell biologische Vater dagegen aus materiellen Gründen, so überwiegt stets das Recht des Kindes. 5. Ergebnis Abschließend kann festgehalten werden, dass das Recht des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse ausnahmslos Vorrang vor dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit hat. Gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes besteht dagegen kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, ob der potentiell biologische Vater die genetischen Abstammungsverhältnisse aus immateriellen oder aus materiellen Interessen feststellen lassen möchte. Auch gegenüber dem Recht des Kindes auf Aufwachsen in seinen gewohnten sozialen Beziehungen und dem auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung besteht kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, zu welcher Zeit der potentiell biologische Vater die genetischen Abstammungsverhältnisse klären lassen möchte und ob er dabei von immateriellen oder aus materiellen Interessen getrieben wird. Da bei einem Vorgehen des potentiell biologischen Vaters gegen das Kind nach § 1598a BGB aber stets alle Grundrechte einschlägig sind, hat der potentiell biologische Vater nur dann einen Anspruch gegen das Kind aus § 1598a BGB, wenn er aus immateriellen Gründen handelt und das Kind entweder das zweite Lebensjahr noch nicht erreicht hat oder die Einzelfallbetrachtung ergibt, dass das Recht des Kindes hinter dem Recht des potentiell biologischen Vaters zurücktreten muss. Weil das Kind aber nach § 1598a Abs. 1 BGB ausnahmslos zur Erteilung der Einwilligung und Duldung der Entnahme des Genmaterials verpflichtet ist, wäre § 1598a Abs. 1 BGB verfassungswidrig, wenn dieser bei Aufnahme des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der Klärungsberechtigten in seiner jetzigen Gestalt belassen würde. Nichts anderes gälte für § 1598a Abs. 2 BGB, weil das Gericht im gerichtlichen Verfahren wegen der Beschränkung des § 1598a Abs. 3 BGB auf minderjährige Kinder

1. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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und der restriktiven Anwendung des § 1598a Abs. 3 BGB kaum eine Möglichkeit hätte, die Ersetzung der verweigerten kindlichen Einwilligung auszusetzen. II. Abwägung des Rechts des potentiell biologischen Vaters gegen die Rechte der Mutter Da die rechtliche Mutter zur Duldung der Entnahme und Untersuchung einer genetischen Probe verpflichtet wird, werden die Grundrechte der Mutter auf körperliche Unversehrtheit und informationelle Selbstbestimmung tangiert. Da das Genmaterial der rechtlichen Mutter untersucht und ausgewertet wird, wird das Intimleben der rechtlichen Mutter zum Zeitpunkt der Empfängnis des Kindes teilweise offengelegt935. 1. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht Da es für die Untersuchung und Auswertung des Genmaterials der Mutter keinen Unterschied macht, auf wessen Betreiben die Auswertung erfolgt, wird das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter bei einem Vorgehen des potentiell biologischen Vaters genauso wie bei einem Vorgehen des rechtlichen Vaters oder des Kindes beeinträchtigt. Folglich kann auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(1) getätigten Ausführungen verwiesen werden, sodass das Recht des potentiell biologischen Vaters dann Vorrang vor dem Recht der Mutter hat, wenn der potentiell biologische Vater aus immateriellen Gründen handelt, während das Recht des potentiell biologischen Vaters hinter dem Recht der Mutter zurücktreten muss, wenn dieser aus materiellen Gründen handelt. 2. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit Auch bei der Abwägung dieser kollidierenden Rechte ergibt sich nichts anderes als bei der im Verhältnis zwischen rechtlichem Vater und Mutter bzw. Kind und Mutter vorgenommenen Abwägung, da es keinen Unterschied macht, von wem die genetische Probe entnommen wird. Aus diesem Grund kann auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(2) vorgenommene Abwägung verwiesen werden, mit der Folge, dass das Recht 935

A.I.3.

Ausführlich zu den einzelnen Grundrechten Zweiter Teil, Zweites Kapitel,

326

4. Teil: Änderungsvorschlag

des potentiell biologischen Vaters, unabhängig davon, ob dieser aus immateriellen oder materiellen Gründen handelt, wegen der Intensität und Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechte und der Funktionsfähigkeit des Rechts des potentiell biologischen Vaters stets Vorrang vor dem Recht der Mutter hat. 3. Recht des potentiell biologischen Vaters gegen sexuelles Selbstbestimmungsrecht a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Hat der potentiell biologische Vater ein immaterielles Kenntnisinteresse an der genetischen Verbindung zwischen sich und dem in Rede stehenden Kind, so werden sowohl sein Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse als auch das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt. Da sich somit zwei vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Rechte gegenüber stehen, kann das Vorrangverhältnis nur dann anhand ihrer Art und Ranghöhe geklärt werden, wenn diese grundsätzlich gleichrangigen Rechte ausnahmsweise einen unterschiedlichen Rang einnehmen. Das geschützte Interesse des potentiell biologischen Vaters steht der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG näher als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, da die Kenntnis über die genetischen Abstammungsverhältnisse sein Selbstverständnis sowie, wenn auch in geringerem Maße, seine Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt und sich somit merklich auf sein gegenwärtiges und künftiges Leben auswirkt. Dagegen lässt sich die Frage, ob das Interesse der Mutter an der Geheimhaltung ihres Sexuallebens grundrechtsdogmatisch eher der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG oder der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG zuzuordnen ist, nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls beantworten. Wie bereits bei der im Verhältnis zwischen rechtlichem Vater und Mutter vorgenommenen Abwägung erläutert936, wird die Mutter nur in ihrer der allgemeinen Handlungsfreiheit nahestehenden Privatsphäre betroffen, wenn sie der die Abstammungsuntersuchung begehrenden Person in der Vergangenheit Zutritt zu ihrem persönlichen Lebensbereich oder sogar zu ihrem Sexualleben gewährt hat. Da die Mutter dem Mann, der tatsächlich als potentiell biologischer Vater in Betracht kommt, in der Vergangenheit Zutritt 936

Ausführlich Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(3)(a).

1. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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zu ihrer Sexualsphäre gewährt hat, stehen sich bei der Abwägung der kollidierenden allgemeinen Persönlichkeitsrechte auf Seiten des potentiell biologischen Vaters die Intimsphäre und auf Seiten der Mutter die Privatsphäre gegenüber. Da die Intimsphäre der Menschenwürde nahe steht, ist sie keiner Abwägung zugänglich, sodass das Recht der Mutter hinter dem Recht des potentiell biologischen Vaters zurücktreten muss. Somit ergibt sich bereits aus Art und Ranghöhe der betroffenen Rechte937, dass das Recht des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung des in Rede stehenden Kindes stets Vorrang vor dem Recht der Mutter auf Geheimhaltung ihres Sexuallebens hat. Dasselbe Abwägungsergebnis ergibt sich, wenn auf die Intensität und Schwere der Betroffenheit der kollidierenden Rechte abgestellt wird938. Der Eingriff in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter ist vergleichsweise gering, da durch die Einholung eines negativen Abstammungsgutachtens lediglich offenbart wird, dass die Mutter im Zeitpunkt der Empfängnis mit mindestens zwei Männern geschlechtlich verkehrt hat, nicht aber Details aus ihrem Sexualleben, wie beispielsweise der Name der Männer oder die Intensität der Beziehungen, zu Tage treten939. Problematisch sind allerdings die Fälle, in denen nicht ein tatsächlich als potentiell biologischer Vater in Betracht kommender Mann die genetischen Abstammungsverhältnisse überprüfen lassen möchte, sondern ein beliebiger Mann. In diesem Fall wäre die Mutter nicht in ihrer der allgemeinen Handlungsfreiheit nahestehenden Privat-, sondern in ihrer der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG nahestehenden Intimsphäre betroffen, da sie diesem beliebigen Mann weder Zutritt zu ihrem Sexualleben noch zu ihrem persönlichen Lebensbereich gewährt hat, mit der Folge, dass nicht eine Vertrauensperson, sondern ein Fremder Einsichtnahme in sexuelle Angelegenheiten begehrt940. Um derartige Fälle von vornherein zu unterbinden, macht das Bundesverfassungsgericht die Klärungsberechtigung des potentiell biologischen Vaters davon abhängig, dass es ihm gelingt Umstände vorzutragen, „die es möglich erscheinen lassen, dass er der biologische Vater des Kindes sein könnte“941. 937 938 939 940 941

Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163). Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163). Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(3)(a). Ausführlich zu den Abgrenzungskriterien Brosius-Gersdorf, S. 75 f. BVerfG, NJW 2007, 753 (757 Rn. 89).

328

4. Teil: Änderungsvorschlag

Durch Aufnahme dieser Einschränkung in § 1598a BGB wäre gewährleistet, dass immer nur der Mann gegen die Mutter vorgeht, der auch tatsächlich als potentiell biologischer Vater in Betracht kommt, sodass das Recht des potentiell biologischen Vaters stets Vorrang vor dem Recht der Mutter hat. b) Allgemeine Handlungsfreiheit Bei der Abwägung des materiellen Interesses des potentiell biologischen Vaters an der genetischen Verbindung zwischen sich und dem in Rede stehenden Kind mit dem Interesse der Mutter an der Geheimhaltung ihres Sexuallebens kollidiert die allgemeine Handlungsfreiheit des potentiell biologischen Vaters nach Art. 2 Abs. 1 GG942 mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Mutter nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, wobei die Mutter, wie gerade festgestellt, in ihrer der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG nahestehenden Privatsphäre betroffen ist. Da dies aber nichts an der grundsätzlichen Nähe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu Art. 1 Abs. 1 GG ändert, nimmt das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter aufgrund dieser einen höheren Rang als das Recht des potentiell biologischen Vaters ein. Folglich ist unter Berücksichtigung der Art und Ranghöhe943 der kollidierenden Rechte dem Geheimhaltungsinteresse der Mutter Vorrang gegenüber dem Recht des Vaters einzuräumen ist. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass das Geheimhaltungsinteresse der Mutter stets Vorrang vor dem materiellen Feststellungsinteresse des potentiell biologischen Vaters an der genetischen Abstammung des in Rede stehenden Kindes hat. c) Zwischenergebnis Das Recht des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse hat nur dann Vorrang vor dem sexuellen Selbstbestimmungsrecht der Mutter, wenn der potentiell biologische Vater aus immateriellen Gründen handelt. Handelt er dagegen aus materiellen Gründen, so überwiegt das Recht der Mutter.

942 943

Ausführlich dazu bereits Vierter Teil, Erstes Kapitel, A. Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163).

1. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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4. Ergebnis Abschließend kann festgehalten werden, dass das Recht des potentiell biologischen Vaters auf Kenntnis der genetischen Abstammung des in Rede stehenden Kindes ausnahmslos Vorrang vor dem Recht der Mutter auf körperliche Unversehrtheit hat. Gegenüber dem informationellen und sexuellen Selbstbestimmungsrecht der Mutter besteht dagegen kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des jeweiligen Einzelfalls ermittelt werden, ob der potentiell biologische Vater die genetischen Abstammungsverhältnisse aus immateriellen oder aus materiellen Interessen feststellen lassen möchte. Da bei einem Vorgehen des potentiell biologischen Vaters gegen die Mutter nach § 1598a BGB aber stets alle Grundrechte einschlägig sind, hat der potentiell biologische Vater nur dann einen Anspruch gegen die Mutter aus § 1598a BGB, wenn er aus immateriellen Gründen handelt. Weil die Mutter aber nach § 1598a Abs. 1 BGB ausnahmslos zur Erteilung der Einwilligung und Duldung der Entnahme des Genmaterials verpflichtet ist, wäre § 1598a Abs. 1 BGB verfassungswidrig, wenn dieser bei Aufnahme des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der Klärungsberechtigten in seiner jetzigen Gestalt belassen würde. Nichts anderes gälte für § 1598a Abs. 2 BGB, weil das Gericht im gerichtlichen Verfahren keine Möglichkeit hätte, die Ersetzung der verweigerten Einwilligung auszusetzen. III. Ergebnis Da sowohl das Kind als auch die Mutter durch die jederzeitige Verpflichtung in eine private Abstammungsuntersuchung einzuwilligen und die Entnahme der dafür geeigneten genetischen Probe zu dulden, in ihren Grundrechten verletzt werden, würde der Gesetzgeber seiner Verpflichtung, eine verfassungskonforme Regelung zu erlassen, allein durch die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der Klärungsberechtigten, nicht genügen. Vielmehr wird Verfassungskonformität des § 1598a BGB nur dann erreicht, wenn die Norm des § 1598a BGB neben der Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der Klärungsberechtigten weiteren Modifizierungen unterzogen wird. Bei diesen durch die Neueinbeziehung des potentiell biologischen Vaters zur Erreichung der Verfassungsmäßigkeit erforderlich gewordenen Modifizierungen handelt es sich um die gleichen, die zur Erreichung der Verfassungsmäßigkeit im Hinblick auf den bereits in § 1598a BGB einbezogenen rechtlichen Vater vorgenommen werden müs-

330

4. Teil: Änderungsvorschlag

sen, da die Abwägung der kollidierenden Grundrechte bei einem Vorgehen des potentiell biologischen Vaters genauso wie bei einem Vorgehen des rechtlichen Vaters ausfällt944.

B. Anspruchsverpflichtung des potentiell biologischen Vaters Die Nichteinbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten ist verfassungswidrig945. Genau wie bei der fehlenden Klärungsberechtigung des potentiell biologischen Vaters gilt, dass allein durch die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten noch nicht automatisch die erstrebte Verfassungskonformität erreicht wird. Dies liegt daran, dass die Erweiterung des Kreises der Anspruchsverpflichteten um den potentiell biologischen Vater zum einen bedeuten würde, dass sowohl Kind und Mutter als auch rechtlicher Vater die genetische Verbindung zwischen Kind und potentiell biologischem Vater nach § 1598a BGB klären lassen könnten (vgl. I.) und zum anderen daran, dass der potentiell biologische Vater und das Kind bzw. die Mutter jederzeit vom Klärungsberechtigten nach § 1598a Abs. 1 BGB auf Erteilung einer Einwilligung in eine private Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme einer dafür geeigneten genetischen Probe in Anspruch genommen werden könnten, ohne dass die gerichtliche Ersetzung der verweigerten Einwilligung nach § 1598a Abs. 2 BGB ausgesetzt werden kann (vgl. II., III.). I. Klärungsberechtigung? Würde der potentiell biologische Vater in den Kreis der Anspruchsverpflichteten aufgenommen, so könnte dieser sowohl vom rechtlichen Vater als auch von Mutter und Kind nach § 1598a BGB in Anspruch genommen werden, obwohl neben dem potentiell biologischen Vater946 nur dem 944

Ebenso Rixe, der bereits in http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoe rungen/27_Klaerung_Vaterschaft/04_Stellungnahmen/index.html, S. 7 darauf hinweist, dass „die Abwägung der wechselseitigen Interessen [im Hinblick auf den potentiell biologischen Vater] in gleicher Weise wie im Hinblick auf den rechtlichen Vater vorzunehmen ist“; vgl. Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(4) und Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)bb)(5). 945 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.II. 946 Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I.2.a)aa).

1. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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Kind947 und der Mutter948 ein grundrechtlich verankertes Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung des Kindes vom potentiell biologischen Vater zusteht, nicht aber dem rechtlichen Vater. Da somit der rechtliche Vater kein grundrechtlich verankertes Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung des Kindes vom potentiell biologischen Vater hat, wäre eine diesbezügliche Klärungsberechtigung des rechtlichen Vater verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Vor diesem Hintergrund muss aus verfassungsrechtlichen Gründen der Kreis der Klärungsberechtigten bei der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen Kind und potentiell biologischem Vater auf potentiell biologischen Vater949, Kind und Mutter beschränkt werden. II. Klärungsberechtigung des Kindes Bei Klärungsberechtigung des Kindes bedeutet die Erweiterung des Kreises der Anspruchsverpflichteten um den potentiell biologischen Vater für diesen und die Mutter, dass sie jederzeit vom Kind nach § 1598a Abs. 1 BGB auf Erteilung einer Einwilligung in eine private Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme einer dafür geeigneten genetischen Probe in Anspruch genommen werden könnten, ohne dass die gerichtliche Ersetzung der verweigerten Einwilligung nach § 1598a Abs. 2 BGB ausgesetzt werden kann. Diese Rechtslage wäre nur dann verfassungskonform, wenn der potentiell biologische Vater und die Mutter als Anspruchsverpflichtete durch den bestehenden Anspruch des Kindes auf Klärung der genetischen Verbindung zwischen sich und dem in Rede stehenden potentiell biologischen Vater nicht in ihren Grundrechten verletzt würden, was nur dann gewährleistet wäre, wenn das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung stets Vorrang vor den betroffenen Grundrechten von potentiell biologischem Vater (vgl. 1.) und Mutter (vgl. 2.) hätte. 1. Abwägung des Rechts des Kindes gegen die Rechte des potentiell biologischen Vaters Da der potentiell biologische Vater als Jedermann Träger von Grundrechten ist und er zur Duldung der Entnahme sowie Untersuchung und Auswertung einer genetischen Probe verpflichtet wird, werden seine Grund947 948 949

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.2.a). Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.3.a). Dazu bereits Vierter Teil, Erstes Kapitel, A.

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4. Teil: Änderungsvorschlag

rechte auf körperliche Unversehrtheit und informationelle Selbstbestimmung tangiert950. Weil es sowohl für die Entnahme des Genmaterials als auch für seine Auswertung und Untersuchung keinen Unterschied macht, ob es sich um Genmaterial des potentiell biologischen Vaters oder um solches des rechtlichen Vaters oder der Mutter handelt, kann für die Abwägung der kollidierenden Grundrechte von Kind und potentiell biologischem Vater vollumfänglich auf die im Verhältnis zwischen Kind und rechtlichem Vater unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)bb) vorgenommene Abwägung verwiesen werden. Überträgt man die dort gefundenen Abwägungsergebnisse auf das Verhältnis zwischen Kind und potentiell biologischem Vater, so ergibt sich, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ausnahmslos Vorrang vor dem Recht des potentiell biologischen Vaters auf körperliche Unversehrtheit hat. Gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des potentiell biologischen Vaters besteht dagegen kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, ob das Kind die genetischen Abstammungsverhältnisse aus immateriellen oder aus materiellen Interessen klären lassen möchte. Da bei einem Vorgehen des Kindes gegen den potentiell biologischen Vater nach § 1598a BGB aber stets alle Grundrechte einschlägig sind, hat das Kind gegen diesen nur dann einen Anspruch aus § 1598a BGB, wenn es aus immateriellen Gründen handelt. Weil aber der potentiell biologische Vater nach § 1598a Abs. 1 BGB ausnahmslos zur Erteilung der Einwilligung und Duldung der Entnahme des Genmaterials verpflichtet wäre, wäre § 1598a Abs. 1 BGB in seiner jetzigen Gestalt verfassungswidrig. Gleiches gälte für § 1598a Abs. 2 BGB, da das Gericht im gerichtlichen Verfahren keine Möglichkeit hätte, die Ersetzung der verweigerten väterlichen Einwilligung auszusetzen. 2. Abwägung des Rechts des Kindes gegen die Rechte der Mutter Da die rechtliche Mutter zur Duldung der Entnahme und Untersuchung einer genetischen Probe verpflichtet wird, werden die Grundrechte der Mutter auf körperliche Unversehrtheit und informationelle Selbstbestimmung tangiert. Da das Genmaterial der rechtlichen Mutter untersucht und aus950

Da bei der Anspruchsverpflichtung des rechtlichen Vaters die selben Grundrechte betroffen sind, wird bezüglich der Grundrechte im Einzelnen auf Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.1 verwiesen.

1. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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gewertet wird, wird das Intimleben der rechtlichen Mutter zum Zeitpunkt der Empfängnis des Kindes teilweise offengelegt951. Weil es keinen Unterschied macht, ob das Kind das Genmaterial der Mutter im Hinblick auf die Klärung der genetischen Verbindung zwischen sich und dem potentiell biologischen Vater oder im Hinblick auf die Klärung der genetischen Verbindung zwischen sich und dem rechtlichen Vater erlangt, untersucht und auswertet, kann in vollem Umfang auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)aa) getätigten Ausführungen verwiesen werden. Folglich kann festgehalten werden, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ausnahmslos Vorrang vor dem Recht der Mutter auf körperliche Unversehrtheit hat. Gegenüber dem informationellen und sexuellen Selbstbestimmungsrecht der Mutter besteht dagegen kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, ob das Kind die genetischen Abstammungsverhältnisse aus immateriellen oder aus materiellen Interessen feststellen lassen möchte. Da bei einem Vorgehen des Kindes gegen die Mutter nach § 1598a BGB aber stets alle Grundrechte einschlägig sind, hat das Kind nur dann gegen die Mutter einen Anspruch aus § 1598a BGB, wenn es aus immateriellen Gründen handelt. Weil die Mutter aber nach § 1598a Abs. 1 BGB ausnahmslos zur Erteilung der Einwilligung und Duldung der Entnahme des Genmaterials verpflichtet ist, wäre § 1598a Abs. 1 BGB in seiner jetzigen Gestalt verfassungswidrig. Gleiches gälte für § 1598a Abs. 2 BGB, da das Gericht im gerichtlichen Verfahren keine Möglichkeit hätte, die Ersetzung der verweigerten mütterlichen Einwilligung auszusetzen. 3. Ergebnis Da sowohl der potentiell biologische Vater als auch die Mutter durch die jederzeitige Verpflichtung in eine private Abstammungsuntersuchung einzuwilligen und die Entnahme einer genetischen Probe zu dulden, in ihren Grundrechten verletzt werden, würde der Gesetzgeber seiner Verpflichtung, eine verfassungskonforme Regelung zu erlassen, allein durch die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten, nicht genügen. Vielmehr wird die Verfassungskonformität des § 1598a BGB nur dann erreicht, wenn die Norm des § 1598a BGB neben der Einbeziehung des 951

A.I.3.

Ausführlich zu den einzelnen Grundrechten Zweiter Teil, Zweites Kapitel,

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4. Teil: Änderungsvorschlag

potentiell biologischen Vaters in den Kreis der Anspruchsverpflichteten weiteren Modifizierungen unterzogen wird. Bei diesen zur Erreichung der Verfassungsmäßigkeit erforderlichen Modifizierungen handelt es sich im Falle der Klärungsberechtigung des Kindes um die gleichen, die zur Erreichung der Verfassungsmäßigkeit im Hinblick auf die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen Kind und rechtlichem Vater vorgenommen werden müssen, da die Abwägung der kollidierenden Grundrechte bei einem Vorgehen des Kindes gegen den potentiell biologischen Vater und die Mutter im Hinblick auf die Klärung der Abstammung des Kindes vom potentiell biologischen Vater genauso wie bei einem Vorgehen des Kindes gegen den rechtlichen Vater und die Mutter im Hinblick auf die Klärung der Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater ausfällt952. III. Klärungsberechtigung der Mutter Würde die Mutter in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten aufgenommen, so hätte sie jederzeit einen Anspruch gegen den potentiell biologischen Vater und das Kind auf Erteilung einer Einwilligung in eine private Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme einer dafür geeigneten genetischen Probe aus § 1598a Abs. 1 BGB und auch das Gericht könnte die Ersetzung der verweigerten Einwilligung nur für das minderjährige Kind unter den strengen Voraussetzungen des § 1598a Abs. 3 BGB, nicht aber für den potentiell biologischen Vater und das volljährige Kind, aussetzen. Diese Rechtslage wäre nur dann verfassungskonform, wenn der potentiell biologische Vater und das Kind als Anspruchsverpflichtete durch den grundsätzlich, mit Ausnahme des § 1598a Abs. 3 BGB, bestehenden Anspruch der Mutter auf Klärung der genetischen Verbindung zwischen Kind und potentiell biologischem Vater nicht in ihren Grundrechten verletzt würden. Verletzt würden ihre Grundrechte nur dann nicht, wenn das grundsätzlich953 vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Recht der Mutter auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse stets Vorrang vor den betroffenen Grundrechten vom potentiell biologischen Vater (vgl. 1.) und Kind (vgl. 2.) hätte.

952 Vgl. Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)aa)(4) und Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.b)bb)(3). 953 Vgl. Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.3.a).

1. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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1. Abwägung des Rechts der Mutter gegen die Rechte des potentiell biologischen Vaters Da der potentiell biologische Vater bei einem Vorgehen der Mutter nach § 1598a BGB, genau wie bei einem Vorgehen des Kindes, zur Duldung der Entnahme sowie Untersuchung und Auswertung einer genetischen Probe verpflichtet wird, werden seine Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und informationelle Selbstbestimmung tangiert. Weil es dabei keinen Unterschied macht, ob das Genmaterial auf Betreiben des Kindes oder der Mutter entnommen, untersucht und ausgewertet wird, kann für die Abwägung der kollidierenden Grundrechte von Mutter und potentiell biologischem Vater vollumfänglich auf die im Verhältnis zwischen Kind und potentiell biologischem Vater unter Vierter Teil, Erstes Kapitel, B.II.1 vorgenommene Abwägung verwiesen werden. Folglich hat das Recht der Mutter auf Kenntnis der genetischen väterlichen Abstammung ausnahmslos Vorrang vor dem Recht des potentiell biologischen Vaters auf körperliche Unversehrtheit. Gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des potentiell biologischen Vaters besteht dagegen kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, ob die Mutter die genetischen Abstammungsverhältnisse aus immateriellen oder aus materiellen Interessen klären lassen möchte. Da bei einem Vorgehen der Mutter gegen den potentiell biologischen Vater nach § 1598a BGB aber stets alle Grundrechte einschlägig sind, hat die Mutter gegen diesen nur dann einen Anspruch aus § 1598a BGB, wenn sie aus immateriellen Gründen handelt. Weil aber der potentiell biologische Vater nach § 1598a Abs. 1 BGB ausnahmslos zur Erteilung der Einwilligung und Duldung der Entnahme des Genmaterials verpflichtet wäre, wäre § 1598a Abs. 1 BGB in seiner jetzigen Gestalt verfassungswidrig. Gleiches gälte für § 1598a Abs. 2 BGB, da das Gericht im gerichtlichen Verfahren keine Möglichkeit hätte, die Ersetzung der verweigerten väterlichen Einwilligung auszusetzen. 2. Abwägung des Rechts der Mutter gegen die Rechte des Kindes Da das Kind zur Duldung der Entnahme und Untersuchung einer genetischen Probe verpflichtet wird, werden die Grundrechte des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und informationelle Selbstbestimmung tangiert. Zudem wird das Recht des Kindes auf Aufwachsen in den gewohnten sozia-

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4. Teil: Änderungsvorschlag

len Beziehungen sowie das Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung tangiert954. a) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht Da es für die Untersuchung und Auswertung des Genmaterials des Kindes unerheblich ist in wessen Auftrag sie erfolgt, wird das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes bei einem Vorgehen der Mutter genauso wie bei einem Vorgehen des potentiell biologischen Vaters beeinträchtigt, sodass auf die unter Vierter Teil, Erstes Kapitel, A.I.1 getätigten Ausführungen verwiesen werden kann. Somit hat das Recht der Mutter dann, wenn diese aus immateriellen Gründen handelt, Vorrang vor dem Recht des Kindes, während es hinter dem Recht des Kindes zurückstehen muss, wenn die Mutter aus materiellen Gründen handelt. b) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf körperliche Unversehrtheit Auch bei der Abwägung dieser kollidierenden Rechte ergibt sich nichts anderes als bei der im Verhältnis zwischen potentiell biologischem Vater und Kind vorgenommenen Abwägung, da es keinen Unterschied macht, von wem die genetische Probe entnommen wird. Aus diesem Grund kann auf die unter Vierter Teil, Erstes Kapitel, A.I.2 vorgenommene Abwägung verwiesen werden, sodass das Recht der Mutter, unabhängig davon, ob sie aus immateriellen oder materiellen Gründen handelt, wegen der Schwere und Intensität der Beeinträchtigung der betroffenen Rechte und der Funktionsfähigkeit des Rechts der Mutter stets Vorrang vor dem Recht des Kindes hat. c) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen Das Recht auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen kann nur dann tangiert sein, wenn überhaupt eine soziale Beziehung besteht, aus der das Kind herausgerissen werden kann. 954

A.I.2.

Ausführlich zu den einzelnen Grundrechten Zweiter Teil, Zweites Kapitel,

1. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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Dies ist bei der Klärung der genetischen Abstammung des Kindes vom potentiell biologischen Vater fraglich, da das Verlangen nach Klärung dieser, mit Ausnahme des potentiell biologischen Vaters, nur bei Kenntnis über die fehlende genetische Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater besteht und die Erlangung dieser Kenntnis in aller Regel bereits mit der Beseitigung der sozialen Vater-Kind-Beziehung einhergeht, sodass dann, wenn die genetische Abstammung des Kindes vom potentiell biologischen Vater geklärt wird, bereits keine soziale Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater mehr besteht, aus der das Kind herausgerissen werden könnte. Dass diese Kenntniserlangung mit der Beseitigung der sozialen VaterKind-Beziehung einhergeht gilt allerdings nicht für die Mutter. Da diese die Kenntnis der (möglicherweise) fehlenden genetischen Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater seit dem Zeitpunkt der Zeugung des Kindes hat, kann sie das Verlangen, die genetische Verbindung zwischen Kind und potentiell biologischem Vater klären zu lassen, zu einem Zeitpunkt haben, in dem weder Kind noch rechtlicher Vater Kenntnis von der (möglichen) Nichtabstammung des Kindes vom rechtlichen Vater haben und damit zu einem Zeitpunkt, in dem noch eine intakte Vater-Kind-Beziehung besteht, aus der das Kind herausgerissen werden kann955. Da somit die Gefahr besteht, dass im Falle des Vorgehens der Mutter das Kind und der rechtliche Vater Kenntnis über die anderweitige Abstammung erlangen und sich der rechtliche Vater häufig im Falle der fehlenden genetischen Verbindung zwischen sich und dem ihm zugeordneten Kind vom Kind zurückzieht, besteht die Gefahr, dass das Kind aus der bestehenden sozialen Beziehung zum rechtlichen Vater gerissen wird. aa) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Möchte die Mutter die genetischen Abstammungsverhältnisse zumindest überwiegend aus immateriellen Gründen feststellen lassen, so wird dieses Interesse vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt, wobei das Interesse der Mutter grundrechtsdogmatisch der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG näher steht als der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, da die Kenntnis bzw. Nichtkenntnis über die genetische Verbindung zwischen Kind und potentiell biologischem Vater für das Selbstver955

Vor dem Hintergrund, dass das Kind zumeist zum rechtlichen und nicht zum potentiell biologischen Vater eine soziale Beziehung hat und diese unabhängig vom Bestehen einer intakten sozialen Familie bestehen kann, soll hier nur der Fall untersucht werden, dass das Kind aus seiner gewohnten sozialen Beziehung zum rechtlichen Vater herausgerissen wird [vgl. Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.c)bb)(3)].

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4. Teil: Änderungsvorschlag

ständnis und die Persönlichkeitsentwicklung der Mutter prägend und damit in der persönlichsten Lebenssphäre der Mutter anzusiedeln ist. Da gleiches für das Interesse des Kindes, nicht aus den gewohnten sozialen Beziehungen herausgerissen zu werden, gilt, stehen sich zwei gleichrangige Rechte gegenüber, deren Vorrangverhältnis nicht unter Beachtung ihrer Art und Ranghöhe, sondern nur unter Beachtung der Intensität und Schwere ihrer Beeinträchtigung ermittelt werden kann956, wobei das Recht des Betroffenen stärker beeinträchtigt wird, dessen Persönlichkeitsentwicklung und damit gegenwärtiges und künftiges Leben durch die Klärung bzw. Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse stärker beeinträchtigt wird. Da die Mutter das Interesse an der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse grundsätzlich in einem Alter hat, in dem sie über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt, wird ihre Persönlichkeitsentwicklung und damit ihr gegenwärtiges und künftiges Leben durch die Nichtklärung der genetischen Abstammungsverhältnisse relativ gering beeinträchtigt957. Demgegenüber hängt die Beantwortung der Frage, wie stark das Kind durch die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse in seiner Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt wird, nicht nur von der im jeweiligen Einzelfall zu ermittelnden Festigkeit seiner Persönlichkeit, sondern auch von der Beschaffenheit der Vater-Kind-Beziehung ab. Da die Frage des Einflusses der Beschaffenheit der Vater-Kind-Beziehung bereits ausführlich unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.c)bb)(3)(a) beantwortet wurde, soll an dieser Stelle auf die dort getätigten Ausführungen verwiesen werden, sodass die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes umso schwerer beeinträchtigt wird, je intensiver die Vater-Kind-Beziehung ist, was bedeutet, dass dem Recht des Kindes umso mehr Gewicht zukommt, je intensiver die Vater-Kind-Beziehung ist. Da die Erinnerungsfähigkeit des Kindes allerdings bis zum zweiten Lebensjahr hinsichtlich Dauer und Umfang des Behaltens noch recht schlecht ausgebildet ist958, hat das Recht der Mutter, unabhängig von der Intensität der Vater-Kind-Beziehung, bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes stets Vorrang vor dem Recht des Kindes. Ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes dagegen besteht kein genereller Vorrang eines Rechts, sondern es muss die Intensität der Vater-Kind-Bezie956

Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163). Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)bb)(3)(a), da es für die Festigkeit der Persönlichkeit keinen Unterschied macht, ob es sich um die Persönlichkeit der Mutter oder des rechtlichen Vaters handelt. 958 Nickel, Bd. 1, S. 222 ff. 957

1. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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hung und die Festigkeit der Persönlichkeit des Kindes im jeweiligen Einzelfall ermittelt werden. Da das Kind, je älter es ist, in seiner Persönlichkeit immer gefestigter wird, wird die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und damit sein gegenwärtiges und künftiges Leben durch das Herausreißen aus der sozialen Familie, je älter das Kind wird, deutlich geringer beeinträchtigt, als wenn das Kind aufgrund seines jungen Alters in seiner Persönlichkeit noch nicht so gefestigt ist. Daraus ergibt sich, dass bis zum zweiten Lebensjahr stets das Recht der Mutter Vorrang vor dem Recht des Kindes hat. Ab dem zweiten Lebensjahr lässt sich dagegen kein generelles Vorrangverhältnis begründen, sondern es kann ein solches nur unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden. Dabei gilt die Leitlinie, dass dann, wenn nur eine geringe emotionale Bindung des Kindes an den rechtlichen Vater besteht, das Recht der Mutter überwiegt und dass dann, wenn eine emotionale Bindung des Kindes an den rechtlichen Vater besteht, je älter das Kind wird, wegen der gefestigteren Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht der Mutter überwiegt und je jünger das Kind ist, wegen der weniger gefestigten Persönlichkeit des Kindes umso eher das Recht des Kindes überwiegt. bb) Allgemeine Handlungsfreiheit/Eigentumsfreiheit Bei der Abwägung des materiellen Interesses der Mutter an der Klärung der genetischen Abstammung des in Rede stehenden Kindes mit dem Interesse des Kindes in den gewohnten sozialen Beziehungen aufzuwachsen, muss berücksichtigt werden, dass das Recht der Mutter lediglich durch Art. 2 Abs. 1 GG/Art. 14 GG geschützt ist959, während das Recht des Kindes weiterhin durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt wird, wobei das Kind in seiner der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG nahestehenden Intimsphäre betroffen wird. Da das Recht des Kindes folglich keiner Abwägung zugänglich ist960, ergibt sich bereits aus Art und Ranghöhe der kollidierenden Rechte961, dass dem Recht des Kindes stets Vorrang vor dem Recht der Mutter einzuräumen ist.

959 960 961

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.3.a). Ausführlich bereits Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.a)aa)(3)(a). Eidenmüller, JuS 1998, 789 (791); Canaris, JuS 1989, 161 (163).

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4. Teil: Änderungsvorschlag

cc) Zwischenergebnis Bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes hat das Recht der Mutter auf Kenntnis der genetischen Abstammungsverhältnisse dann, wenn die Mutter aus immateriellen Gründen handelt, Vorrang vor dem Recht des Kindes auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen. Ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes hängt die Frage des Vorrangs davon ab, wie intensiv die Vater-Kind-Beziehung und wie gefestigt die Persönlichkeit des Kindes ist. Handelt die Mutter dagegen aus materiellen Gründen, so überwiegt stets das Recht des Kindes. d) Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung gegen Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung Betreibt die Mutter das Verfahren nach § 1598a BGB zu einer Zeit, in der auch das Kind bereits Kenntnis über seine fehlende genetische Abstammung vom rechtlichen Vater hat, so wird möglicherweise schon nicht das Recht des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung tangiert, weil auch das Kind ein Interesse hat zu erfahren, von wem es tatsächlich abstammt. Allerdings muss dieses Interesse des Kindes nicht bestehen, da bereits dargelegt wurde, dass sich die Kenntnis der eigenen Abstammung auch nachteilig auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken kann962. In diesem Fall wird durch das Vorgehen der Mutter das Recht des Kindes tangiert. Gleiches gilt für den Fall, in dem die Mutter die genetischen Abstammungsverhältnisse zu einer Zeit klären lassen möchte, zu der das Kind noch überhaupt keine Kenntnis von der (möglichen) Nichtabstammung vom rechtlichen Vater hat. Weil es keinen Unterschied macht, ob das Kind die Kenntnis über die eigene Abstammung gegen seinen Willen bei einer Klärung der genetischen Abstammung vom potentiell biologischen oder vom rechtlichen Vater erlangt, kann vollumfänglich auf die unter Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.c)bb)(4) getätigten Ausführungen verwiesen werden. Somit hat das Recht der Mutter auf Kenntnis der genetischen Abstammung bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes dann Vorrang vor dem Recht des Kindes auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung, wenn die Mutter aus immateriellen Gründen handelt. Ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes hängt die Frage des Vorrangs davon ab, wie gefestigt die Persönlichkeit des Kindes ist. Handelt die Mutter dagegen aus materiellen Gründen, so überwiegt stets das Recht des Kindes. 962

Ausführlich dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.I.2.e).

1. Kap.: Darstellung der ungelösten Probleme

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e) Ergebnis Abschließend kann festgehalten werden, dass das Recht der Mutter auf Kenntnis der genetischen Abstammung ausnahmslos Vorrang vor dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit hat. Gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes besteht dagegen kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, ob die Mutter die genetischen Abstammungsverhältnisse aus immateriellen oder aus materiellen Interessen feststellen lassen möchte. Auch gegenüber dem Recht des Kindes auf Aufwachsen in seinen gewohnten sozialen Beziehungen und dem auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung besteht kein genereller Vorrang, sondern es muss anhand des konkreten Einzelfalls ermittelt werden, zu welcher Zeit die Mutter die genetischen Abstammungsverhältnisse klären lassen möchte und ob sie dabei von immateriellen oder aus materiellen Interessen getrieben wird. Da bei einem Vorgehen der Mutter gegen das Kind nach § 1598a BGB aber stets alle Grundrechte einschlägig sind, hat die Mutter gegen dieses nur dann einen Anspruch aus § 1598a BGB, wenn sie aus immateriellen Gründen handelt und das Kind entweder das zweite Lebensjahr noch nicht erreicht hat oder die Einzelfallbetrachtung ergibt, dass das Recht des Kindes hinter dem Recht der Mutter zurücktreten muss. Weil das Kind aber nach § 1598a Abs. 1 BGB ausnahmslos zur Erteilung der Einwilligung und Duldung der Entnahme des Genmaterials verpflichtet ist, wäre dieser in seiner jetzigen Gestalt verfassungswidrig. Nichts anderes gälte für § 1598a Abs. 2 BGB, weil das Gericht im gerichtlichen Verfahren wegen der Beschränkung des § 1598a Abs. 3 BGB auf minderjährige Kinder und der restriktiven Anwendung des § 1598a Abs. 3 BGB kaum eine Möglichkeit hätte, die Ersetzung der verweigerten kindlichen Einwilligung auszusetzen. 3. Ergebnis Da sowohl der potentiell biologische Vater als auch das Kind durch die jederzeitige Verpflichtung in eine private Abstammungsuntersuchung einzuwilligen und die Entnahme einer genetischen Probe zu dulden, in ihren Grundrechten verletzt werden, würde der Gesetzgeber seiner Verpflichtung, eine verfassungskonforme Regelung zu erlassen, allein durch die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten, nicht genügen. Vielmehr wird die Verfassungskonformität des § 1598a BGB nur dann erreicht, wenn die Norm des § 1598a BGB neben der Einbeziehung des

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4. Teil: Änderungsvorschlag

potentiell biologischen Vaters in den Kreis der Anspruchsverpflichteten weiteren Modifizierungen unterzogen wird. Bei diesen zur Erreichung der Verfassungsmäßigkeit erforderlich gewordenen Modifizierungen handelt es sich im Falle der Klärungsberechtigung der Mutter um die gleichen, die zur Erreichung der Verfassungsmäßigkeit im Hinblick auf die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen Kind und rechtlichem Vater vorgenommen werden müssen, da die Abwägung der kollidierenden Grundrechte bei einem Vorgehen der Mutter gegen den potentiell biologischen Vater und das Kind im Hinblick auf die Klärung der Abstammung des Kindes vom potentiell biologischen Vater genauso wie bei einem Vorgehen der Mutter gegen den rechtlichen Vater und das Kind im Hinblick auf die Klärung der Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater ausfällt963. IV. Ergebnis Allein durch die Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Anspruchsverpflichteten würde der Gesetzgeber seiner Verpflichtung eine verfassungskonforme Regelung zu erlassen, nicht genügen. Vielmehr wird die Verfassungskonformität des § 1598a BGB nur dann erreicht, wenn die Norm des § 1598a BGB neben der Einbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der Anspruchsverpflichteten weiteren Modifizierungen unterzogen wird. Zweites Kapitel

Modifizierung und Neufassung Mit den im Folgenden dargestellten Neufassungen des § 1598a BGB und des § 1629 Abs. 2 BGB wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, da als kursiv kenntlich gemachte Modifizierungen lediglich die in dieser Arbeit bei der Aufzeigung der ungelösten Probleme und Mängel gefundenen Ergebnisse eingearbeitet werden. So wird berücksichtigt, dass – es nicht mit den Grundrechten der Anspruchsverpflichteten zu vereinbaren ist, dass diese nach § 1598a BGB stets in die Durchführung einer 963 Vgl. Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.c)aa)(3) und Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A.II.2.c)bb)(5).

2. Kap.: Modifizierung und Neufassung



– –

– – –

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Abstammungsuntersuchung und die Entnahme der dafür erforderlichen genetischen Probe einzuwilligen haben964. das Verfahren nach § 1598a BGB sowohl aufgrund seiner Ausgestaltung als offenes Verfahren und der Verwertungsmöglichkeit der in seinem Rahmen erlangten Kenntnis im Rahmen des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens nach §§ 1600–1600c BGB als auch zum Schutze der sozialen Familie im Rahmen des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens nach §§ 1600–1600c BGB an die Frist des § 1600b BGB gebunden sein muss965. der potentiell biologische Vater sowohl in den Kreis der Klärungsberechtigten als auch in den Kreis der Anspruchsverpflichteten aufzunehmen ist966. der potentiell biologische Vater nur dann einen Anspruch aus § 1598a BGB gegen die Anspruchsverpflichteten hat, wenn der rechtliche Vater keine sozial-familiäre Beziehung zum Kind hat967 und er Umstände vorträgt, die es möglich erscheinen lassen, dass er der biologische Vater des Kindes sein könnte968. unter Mutter im Sinne des § 1598a BGB nur die rechtliche Mutter zu verstehen ist969. mit dem Verfahren nach § 1598a BGB die genetische mütterliche Abstammung geklärt werden kann970. Die Vertretungsbefugnis bereits im Rahmen der außergerichtlichen Erteilung der Einwilligung nach § 1598a Abs. 1 BGB nach § 1796 BGB durch das Familiengericht zu entziehen ist971. I. § 1598a BGB § 1598a BGB Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung

(1) 1Zur Klärung der väterlichen Abstammung des Kindes können 1. der rechtliche Vater jeweils von rechtlicher Mutter und Kind, 2. der potentiell biologische Vater jeweils von rechtlicher Mutter und Kind, 964 965 966 967 968 969 970 971

Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu

Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A. Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D. Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B. Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B.I. Vierter Teil, Erstes Kapitel, A.II.3.a). Dritter Teil, Zweites Kapitel, A. Dritter Teil, Erstes Kapitel. Zweiter Teil, Erstes Kapitel, B.

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4. Teil: Änderungsvorschlag

3. die rechtliche Mutter jeweils von a) rechtlichem Vater und Kind und b) potentiell biologischem Vater und Kind, 4. das Kind jeweils von a) rechtlichem Vater und rechtlicher Mutter und b) potentiell biologischem Vater und rechtlicher Mutter verlangen, dass diese in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe dulden. 2Die Probe muss nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen werden. 3§ 1600b Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 1. Halbsatz finden entsprechend Anwendung. (2) 1Die Klärung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht und der potentiell biologische Vater Umstände vorträgt, die es möglich erscheinen lassen, dass er der biologische Vater des Kindes sein könnte. 2Eine sozial-familiäre Beziehung nach Satz 1 besteht, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt. 3Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der rechtliche Vater mit der rechtlichen Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. (3) Ein Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe besteht dann nicht, wenn 1. der rechtliche Vater klärungsberechtigt ist und gegen a) die rechtliche Mutter oder das Kind aus materiellen Interessen vorgeht oder b) das Kind aus immateriellen Interessen vorgeht, das Kind das zweite Lebensjahr erreicht hat und die Interessen des Kindes an der Nichtklärung der väterlichen Abstammung das Interesse des rechtlichen Vaters an der Klärung der väterlichen Abstammung überwiegen. 2. der potentiell biologische Vater klärungsberechtigt ist und gegen a) die rechtliche Mutter oder das Kind aus materiellen Interessen vorgeht oder b) das Kind aus immateriellen Interessen vorgeht, das Kind das zweite Lebensjahr erreicht hat und die Interessen des Kindes an der Nichtklärung der väterlichen Abstammung das Interesse des potentiell biologischen Vaters an der Klärung der väterlichen Abstammung überwiegen.

2. Kap.: Modifizierung und Neufassung

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3. die rechtliche Mutter klärungsberechtigt ist und gegen a) den rechtlichen Vater, den potentiell biologischen Vater oder das Kind aus materiellen Interessen vorgeht oder b) das Kind aus immateriellen Interessen vorgeht, das Kind das zweite Lebensjahr erreicht hat und die Interessen des Kindes an der Nichtklärung der väterlichen Abstammung das Interesse der Mutter an der Klärung der väterlichen Abstammung überwiegen. 4. das Kind klärungsberechtigt ist und gegen die rechtliche Mutter, den rechtlichen Vater oder den potentiell biologischen Vater aus materiellen Interessen vorgeht. (4) 1Zur Klärung der mütterlichen Abstammung des Kindes kann das Kind von der rechtlichen Mutter verlangen, dass diese in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligt und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe duldet. 2Die Probe muss nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen werden. (5) Auf Antrag eines Klärungsberechtigten hat das Familiengericht eine nicht erteilte Einwilligung zu ersetzen und die Duldung einer Probeentnahme anzuordnen, es sei denn, der Anspruch besteht nach Absatz 3 nicht. (6) 1Wer in eine genetische Abstammungsuntersuchung eingewilligt und eine genetische Probe abgegeben hat, kann von dem Klärungsberechtigten, der eine Abstammungsuntersuchung hat durchführen lassen, Einsicht in das Abstammungsgutachten oder Aushändigung einer Abschrift verlangen. 2 Über Streitigkeiten aus dem Anspruch nach Satz 1 entscheidet das Familiengericht. II. § 1629 Abs. 2 BGB § 1629 Abs. 2 BGB Vertretung des Kindes (2) 3Das Familiengericht kann dem Vater oder der Mutter nach § 1796 die Vertretungsmacht entziehen; dies gilt nicht für die Feststellung der Vaterschaft. 4Im Verfahren nach § 1598a Absatz 1 und Absatz 4 hat das Familiengericht dem Vater oder der Mutter nach § 1796 BGB die Vertretungsmacht zu entziehen.

Schluss A. Schlusswort Rechtsfortschritt kann in zweifacher Weise erfolgen – entweder über den Gesetzgeber oder hilfsweise über die Rechtsprechung972. Sind sowohl der Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung an der Schaffung neuen Rechts beteiligt, so sollte davon ausgegangen werden dürfen, dass die Mitwirkung dieser beiden eine Garantie für die Schaffung von Rechtsfortschritt ist. Das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB ist jedoch ein Beispiel dafür, dass dies nicht zwingend der Fall sein muss. Da sich der Gesetzgeber bereits vor dem gleichlautenden bundesverfassungsgerichtlichen Auftrag das Ziel gesetzt hat, ein rechtsförmliches Verfahren zu schaffen, mit dem die genetischen Abstammungsverhältnisse des Kindes geklärt werden können, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen973, wird § 1598a BGB unter Mitwirkung des Gesetzgebers und des Bundesverfassungsgerichts geschaffen. Gleiches gilt für die Ausgestaltung des § 1598a BGB, da das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber, trotz des ihm für die Ausgestaltung eingeräumten Gestaltungsspielraums, gewisse zu berücksichtigende Vorgaben gemacht hat974. Obwohl die Rechtsprechung in Form des Bundesverfassungsgerichts somit an der Schaffung und Ausgestaltung des § 1598a BGB neben dem Gesetzgeber maßgeblich beteiligt war, hat mit § 1598a BGB ein Verfahren Einzug in das deutsche Abstammungsrecht erhalten, das, geschaffen um eine verfassungswidrige Situation zu beheben, selbst verfassungswidrig ist und somit nicht als Rechtsfortschritt bezeichnet werden kann. Der Grund dafür, dass es trotz Mitwirkung beider nicht gelingt, mit Einführung des § 1598a BGB Rechtsfortschritt zu erreichen, ist sowohl auf Seiten des Bundesverfassungsgerichts als auch auf Seiten des Gesetzgebers zu finden. 972

Ramm, NJW 1989, 1594 (1595). Vgl. Seite 123 des Koalitionsvertrags zwischen der CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005. 974 A. A. Janott, ZfRV 2008, 184 (185). 973

Schluss

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Bereits die der Schaffung des § 1598a BGB zu Grunde liegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist mit Mängeln behaftet, da zum einen die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Grundrechtsabwägung unvollständig ist und zum anderen, da die bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben für den Gesetzgeber, teilweise begründet durch die unvollständige Abwägung, nicht gut durchdacht, fragwürdig und unklar sind. Doch anstatt sich zu bemühen, eine besser durchdachte und zufriedenstellendere Lösung als die des Bundesverfassungsgerichts zu finden, folgt der Gesetzgeber den bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben nicht nur, sondern verkehrt die grundlegendsten Vorgaben ins Gegenteil und sorgt damit dafür, dass nicht nur ein auf mit Mängeln behafteter Grundlage entstandenes Verfahren Gesetz wird, sondern dafür, dass ein auf mit Mängeln behafteter Grundlage entstandenes mit Mängeln behaftetes Verfahren Gesetz wird. – Die Vorgabe, ein Verfahren zu schaffen, dem ein angemessener Ausgleich der tangierten Grundrechte zu Grunde liegt, wird vom Gesetzgeber dadurch umgesetzt, dass er nicht nur der vom Bundesverfassungsgericht einzigen und im Hinblick auf den rechtlichen Vater vorgenommenen mit Mängeln behafteten Abwägung folgt, sondern diese mit Mängeln behaftete Abwägung auf alle Klärungsberechtigten erstreckt und damit ein Verfahren schafft, in dem, ungeachtet eines angemessenen Ausgleichs der tangierten Grundrechte, stets dem Recht des Klärungsberechtigten Vorrang vor den kollidierenden Rechten eingeräumt wird975. – Die Vorgabe, ein rechtsförmliches Verfahren zu schaffen, mit dem jeder, der ein verfassungsrechtlich verankertes Recht auf Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse hat, diese umfassend klären lassen kann, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, wird einzig zu Gunsten des rechtlichen Vaters umgesetzt976. – Die Vorgabe, dafür zu sorgen, dass im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§ 1600–1600c BGB das von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Kindes am Erhalt der rechtlichen und sozialen Familie auch nach Einführung des § 1598a BGB berücksichtigt wird, verfehlt der Gesetzgeber. Der Schutz der rechtlichen Familie wird dadurch verfehlt, dass der Gesetzgeber auf der einen Seite die Verwertung der im Rahmen des § 1598a BGB erlangten Kenntnis im Rahmen des §§ 1600–1600c BGB zulässt und auf der anderen Seite keine Möglichkeit schafft, nach der die Anfechtung der Vaterschaft unter bestimmten Voraussetzungen abgewendet werden kann977 und der Schutz der sozialen Familie wird 975 976 977

Dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, A. Dazu Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B. und Dritter Teil. Dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, C.

348

Schluss

dadurch verfehlt, dass die Frist des § 1600b BGB nach Einführung des § 1598a BGB im Rahmen des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens die soziale Familie nicht mehr in gleicher Weise wie vor Einführung des § 1598a BGB zu schützen vermag978. – Der Vorgabe, das Verfahren nach § 1598a BGB als ein Verfahren auszugestalten, das nicht an die gleichen Voraussetzungen wie das Verfahren nach §§ 1600–1600c BGB gebunden sein muss, wird gefolgt, ohne zu berücksichtigen, dass aufgrund der Ausgestaltung des Klärungsverfahrens als offenes Verfahren und der Möglichkeit, die im Rahmen des Klärungsverfahrens erlangte Kenntnis im Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu verwerten, die vom Bundesverfassungsgericht für die Voraussetzungslosigkeit genannten Voraussetzungen entfallen sind979. – Die Vorgabe nach Unabhängigkeit des Klärungsverfahrens vom Vaterschaftsanfechtungsverfahren wird lediglich dogmatisch, nicht aber faktisch umgesetzt980. – Die Vorgabe nach Isoliertheit und somit Rechtsfolgenlosigkeit des neu zu schaffenden Klärungsverfahrens wird durch die vom Gesetzgeber gewählte Umsetzung ins Gegenteil verkehrt981. Dieses Beispiel zeigt, dass bereits die bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben fragwürdig sind. Der Gesetzgeber beachtet bei der Schaffung des § 1598a BGB die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, die im Rahmen des Klärungsverfahrens erlangte Kenntnis zur Begründung des Anfangsverdachts im Rahmen des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens verwerten zu können und erreicht damit, dass eine andere Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, nämlich die nach Rechtsfolgenlosigkeit, ins Gegenteil verkehrt wird. Die Umsetzung der Vorgabe bezüglich der Verwertung der im Rahmen des Klärungsverfahrens erlangten Kenntnis zur Begründung des Anfangsverdachts im Rahmen des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens, einhergehend mit der fehlenden Möglichkeit die Anfechtung der Vaterschaft unter bestimmten Voraussetzungen abwenden zu können, führt aber nicht nur zur Nichtumsetzung der bundesverfassungsgerichtlichen Vorgabe nach Rechtsfolgenlosigkeit des Klärungsverfahrens. Ebenso führt sie dazu, dass der Gesetzgeber wohl nicht umhin kommen wird, sich den Vorwurf gefallen zu lassen, dass er mit der Schaffung des § 1598a BGB nicht das vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Ziel verfolgte, ein rechtsförmliches Verfahren zu schaffen, mit dem die genetischen Abstammungsverhältnisse iso978 979 980 981

Dazu Dazu Dazu Dazu

Zweiter Zweiter Zweiter Zweiter

Teil, Teil, Teil, Teil,

Erstes Erstes Erstes Erstes

Kapitel, Kapitel, Kapitel, Kapitel,

D. D. C. C.

Schluss

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liert und unabhängig vom Vaterschaftsanfechtungsverfahren geklärt werden können, sondern das Ziel, ein rechtsförmliches Verfahren zu schaffen, mit dem die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft erleichtert werden kann982. Aber nicht nur die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts werden vom Gesetzgeber in einer Weise umgesetzt, durch die das mit der Schaffung des § 1598a BGB verfolgte Ziel nur teilweise und wenn, dann nur in Bezug auf den rechtlichen Vater erreicht wird, sondern es gelingt dem Gesetzgeber ebenfalls nicht, die Norm des § 1598a BGB in der Weise auszugestalten, dass sie geeignet ist, die von ihm selbst mit der Schaffung des § 1598a BGB verfolgten Ziele zu erreichen. Ziel des Gesetzgebers war die Förderung des Dialogs in der Familie und Gesellschaft, der Schutz der Familie in ihrem sozialen Bestand, die Vermeidung der Einschaltung der Gerichte sowie die Abschaffung heimlicher Abstammungsgutachten983. Während hinsichtlich des Dialogs in Familie und Gesellschaft schon die Frage erlaubt sein muss, wie der Gesetzgeber auf diesen überhaupt Einfluss nehmen, geschweige denn diesen fördern möchte984, wäre es ihm durchaus möglich gewesen, § 1598a BGB derart auszugestalten, dass die übrigen Ziele hätten erreicht werden können. – Den Schutz der sozialen Familie vermag § 1598a BGB wegen seiner Ausgestaltung als offenes Verfahren nicht zu gewährleisten985. – Die Einschaltung der Gerichte zu vermeiden mag zwar im Hinblick auf die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse gelungen sein, nicht aber im Hinblick auf das gesamte deutsche Abstammungsrecht, da durch die Schaffung des § 1598a BGB die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft erleichtert wird, mit der Folge, dass auch häufig Vaterschaftsanfechtungsklagen erhoben werden986. – Die Abschaffung heimlicher Abstammungsgutachten wird vor allem deshalb nicht erreicht, weil das Verfahren nach § 1598a BGB als offenes Verfahren ausgestaltet ist987. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Einholung privater heimlicher Abstammungsgutachten mit Einführung des § 1598a BGB weder ab982 Ebenso Muscheler, FPR 2008, 257 (262); Rotax, Wortlautprotokoll d. BT 16/82, S. 27; MANNdat e. V., http://www.manndat.de/index.php?id=450; Spickhoff, NJW 2008, 1636 (1643). 983 BT-Drucks. 16/6561, S. 8. 984 Lesenswert dazu Schwab, FamRZ 2008, 23. 985 Dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.1.a). 986 Dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, D.II.2.b)bb). 987 Dazu Zweiter Teil, Erstes Kapitel, E.

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geschafft noch eingedämmt wird, sodass nach Einführung des § 1598a BGB in den gleichen Fällen wie vor Einführung des § 1598a BGB private heimliche Abstammungsgutachten eingeholt werden, ist die praktische Bedeutung des § 1598a BGB nicht in der Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse zu sehen, sondern diese beschränkt sich bei noch nicht abgelaufener Frist des § 1600b BGB darauf, als Vorverfahren zur Vaterschaftsanfechtung zu dienen und diese zu erleichtern. Das deutsche Abstammungsrecht wurde somit mit Schaffung des § 1598a BGB nicht um einen Rechtsfortschritt, sondern um ein verfassungswidriges Verfahren bereichert, dessen praktischer Anwendungsbereich nicht entsprechend seiner Zielvorgabe in der rechtsfolgenlosen Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse, sondern in der Erleichterung der Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft zu sehen ist. Es bleibt abzuwarten, ob es dem Gesetzgeber gelingt Nachbesserungen vorzunehmen, bevor er vom Bundesverfassungsgericht dazu aufgefordert wird. Die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts scheint aufgrund der Verfassungswidrigkeit des § 1598a BGB nur eine Frage der Zeit. Das Ziel des Gesetzgebers, die Einschaltung der Gerichte zu vermeiden, wird demnach auch in dieser Hinsicht nicht erreicht. Ob allerdings eine vom Bundesverfassungsgericht angestoßene und womöglich durch Vorgaben beeinflusste Nachbesserung überhaupt erfolgsversprechend wäre, darf zumindest bezweifelt werden, hat doch die Mitwirkung von Bundesverfassungsgericht und Gesetzgeber bereits bei der Schaffung des § 1598a BGB gezeigt, dass sie keine Garantie für Rechtsfortschritt ist. Es bleibt folglich spannend.

B. Zusammenfassung 1. Das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB ist auf Grundlage des mit Mängeln behafteten Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2007 entstanden. Es räumt dem Klärungsberechtigten (rechtlicher Vater, Kind und Mutter) die Möglichkeit ein, jederzeit die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen Kind und rechtlichem Vater klären lassen zu können. Zu diesem Zweck steht dem Klärungsberechtigten nach § 1598a Abs. 1 BGB ein Anspruch gegen die Anspruchsverpflichteten auf Erteilung einer Einwilligung in die genetische Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme der dafür erforderlichen genetischen Probe zu. Wird diese Einwilligung verweigert, so hat das Gericht nach § 1598a Abs. 2 BGB die verweigerte Einwilligung zu ersetzten, es sei denn es liegen die Voraussetzungen des § 1598a Abs. 3 BGB vor. 2. Durch die Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse und die Entnahme der dafür erforderlichen genetischen Probe wird in Grundrechte

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aller Beteiligten eingegriffen. Allerdings sind diese Grundrechtseingriffe bei Vorliegen einer wirksamen Einwilligung gerechtfertigt. Die Erteilung einer die Grundrechtseingriffe rechtfertigenden Einwilligung setzt Einwilligungsfähigkeit voraus. Im Rahmen des § 1598a BGB liegt Einwilligungsfähigkeit dann vor, wenn der Betroffene über die erforderliche Reife und Einsichtsfähigkeit verfügt, um zu ermessen, welche Bedeutung es hat, die genetische Abstammung zu klären und den damit zusammenhängenden, durch immaterielle und möglicherweise materielle Intentionen hervorgerufenen, Tatsachen ausgeliefert zu sein. Fehlt es an dieser Fähigkeit, so muss die Einwilligung, um wirksam zu sein, vom gesetzlichen Vertreter erteilt werden. Dieser bestimmt sich im Falle eines einwilligungsunfähigen Kindes nach §§ 1626, 1629 BGB und im Falle eines einwilligungsunfähigen Elternteils nach §§ 1896 ff. BGB. 3. Im Falle eines einwilligungsunfähigen Kindes kommt es zu einer Interessenkollision zwischen dem vertretenen Kind und den gesetzlichen Vertretern, wenn das Kind die genetischen Abstammungsverhältnisse im Gegensatz zu den gesetzlichen Vertretern klären lassen möchte bzw., wenn das Kind die genetischen Abstammungsverhältnisse im Gegensatz zu den gesetzlichen Vertretern nicht klären lassen möchte. Aus diesem Grund wird im Rahmen des gerichtlichen Vorgehens nach § 1598a Abs. 2 BGB die Vertretungsbefugnis des gesetzlichen Vertreters von Amts wegen nach § 1629a Abs. 2 BGB „entzogen“. Im Rahmen des außergerichtlichen Vorgehens nach § 1598a Abs. 1 BGB kann die Vertretungsbefugnis des gesetzlichen Vertreters bei Interessenkollision nach § 1796 BGB i. V. m. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB entzogen werden, da § 1629 Abs. 2 S. 3 2. HS BGB keine Anwendung auf § 1598a Abs. 1 BGB findet. Zumindest dann, wenn das Kind die genetischen Abstammungsverhältnisse im Gegensatz zu seinen gesetzlichen Vertretern nicht klären lassen möchte, sollte allerdings die Vertretungsbefugnis auch im Rahmen des § 1598a Abs. 1 BGB nicht nur entzogen werden können, sondern stets von Amts wegen entzogen werden. 4. Durch die Einführung des § 1598a BGB hat das Erfordernis des begründeten Anfangsverdachts im Rahmen der Vaterschaftsanfechtung gemäß §§ 1600–1600c BGB seinen Anwendungsbereich verloren, weil die im Rahmen des § 1598a BGB erlangte Kenntnis im Rahmen des §§ 1600–1600c BGB zur Begründung des Anfangsverdachts verwertet werden kann. Da durch diese faktische Beseitigung des begründeten Anfangsverdachts das Klärungs- und das Vaterschaftsanfechtungsverfahren, entgegen der bundesverfassungsgerichtlichen Vorgabe nach Unabhängigkeit des Klärungs- vom Anfechtungsverfahrens, faktisch zu einem Verfahren verschmelzen, ist im Rahmen des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft an keinerlei Voraussetzungen gebunden und beim Klärungsverfahren handelt es sich nicht, wie vom Bundesverfassungsgericht ge-

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fordert, um ein rechtsfolgenloses Verfahren, sondern um ein Verfahren, durch das der rechtliche Bestand der Familie konkret gefährdet wird. 5. Einer Frist kommt im deutschen Abstammungsrecht die Funktion zu, die Familie in ihrem sozialen Bestand zu schützen. Nach Einführung des § 1598a BGB wird diese Funktion schlechter als vor Einführung des § 1598a BGB gewährleistet. 6. Da das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB als offenes Verfahren ausgestaltet ist, wird durch ein Vorgehen des Klärungsberechtigten nach § 1598a BGB die Familie in ihrem sozialen Bestand gefährdet. Durch die faktische Beseitigung des begründeten Anfangsverdachts wird durch das bloße Vorgehen nach § 1598a BGB auch der rechtliche Bestand der Familie konkret gefährdet. Diese Gefährdung der sozialen und rechtlichen Familie führt dazu, dass die Unbefristetheit des Klärungsverfahrens verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. Behoben werden könnte dieser Mangel, genau wie der Mangel, dass der Schutz der sozialen Familie durch Fristen im Rahmen des deutschen Abstammungsrechts nach Einführung des § 1598a BGB schlechter als vor seiner Einführung gewährleistet wird, durch eine Bindung des § 1598a BGB an die Frist des § 1600b BGB. 7. Durch Einführung des § 1598a BGB wird der Einholung heimlicher Abstammungsgutachten nicht entgegengewirkt. Dies liegt daran, dass das Vorgehen nach § 1598a BGB nicht jedem, der ein Interesse an der Klärung der genetischen Abstammung des Kindes hat, offensteht, sondern nur einem bestimmten Personenkreis, dass ein heimliches Vorgehen weniger zeit- und kostenintensiv ist und dass durch ein Vorgehen nach § 1598a BGB, im Gegensatz zu einem heimlichen Vorgehen, der soziale Bestand der Familie gefährdet wird. 8. § 1598a BGB ist in seiner jetzigen Gestalt verfassungswidrig, weil sowohl die Grundrechte der unmittelbar an § 1598a BGB Beteiligten (rechtlicher Vater, Kind und Mutter) als auch die Grundrechte der vom Regelungsgegenstand des § 1598a BGB („Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse“) unmittelbar Betroffenen (rechtlicher Vater, Kind, Mutter und potentiell biologischer Vater) verletzt werden. Die Grundrechte der unmittelbar an § 1598a BGB Beteiligten werden deshalb verletzt, weil es nicht mit den Grundrechten der Anspruchsverpflichteten zu vereinbaren ist, dass der Klärungsberechtigte jederzeit die genetischen Abstammungsverhältnisse klären lassen kann und die Grundrechte der vom Regelungsgegenstand unmittelbar Betroffenen werden deshalb verletzt, weil durch die Nichteinbeziehung des potentiell biologischen Vaters in den Kreis der nach § 1598a Abs. 1 BGB Klärungsberechtigten und Anspruchsverpflichteten nur der rechtliche Vater, nicht aber die übrigen vom Regelungsgegenstand des § 1598a BGB unmittelbar Betroffenen, sein grundrechtlich geschütztes

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Recht auf Kenntnis und Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse vollumfänglich verwirklichen kann. 9. Der potentiell biologische Vater ist nur dann klärungsberechtigt, wenn der rechtliche Vater keine sozial-familiäre Beziehung zum Kind hat und er Umstände vorträgt, die es möglich erscheinen lassen, dass er der biologische Vater des Kindes sein könnte. 10. Mit dem Verfahren nach § 1598a BGB kann nicht nur die väterliche, sondern auch die mütterliche Abstammung des Kindes geklärt werden. Klärungsberechtigt ist diesbezüglich lediglich das Kind. Es hat jederzeit einen Anspruch gegen die rechtliche Mutter auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und Duldung der Entnahme der dafür geeigneten genetischen Probe aus § 1598a BGB. Sollte die rechtliche Mutter diese Einwilligung verweigern, so hat das Gericht die Einwilligung ausnahmslos zu ersetzen.

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Sachwortverzeichnis Abstammungsgutachten 32, 34, 37, 39, 43–44, 46–48, 55, 61, 63, 68–73, 75–76, 78, 80, 82, 88–89, 92, 94, 96–98, 103–104, 107–109, 123–131, 133–137, 149–150, 152–157, 159–161, 167, 175–176, 181–183, 188, 192–194, 210, 234–235, 237–238, 240, 250–251, 264–265, 273, 287, 289, 296, 304, 307–309, 327, 345, 349, 352 allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO 28, 309 – Feststellungsinteresse 51, 239, 267, 291 – Klärung der Mutterschaft 290–291 – Klärung der Vaterschaft 50–51, 238–239, 267 – Rechtsverhältnis 50, 239, 267, 290, 291 allgemeine Handlungsfreiheit 165, 179, 186, 190–192, 194–195, 200, 205–206, 208–209, 211–214, 222–224, 226, 270–271, 293, 311, 313, 316, 318, 321–323, 326–328, 337, 339 allgemeines Persönlichkeitsrecht 38–42, 63, 65, 164–166, 168–171, 173, 178–180, 184–186, 188–189, 191–192, 194–195, 197, 200–201, 206–207, 210–212, 214, 222, 224, 232–233, 248, 270–271, 293, 311, 313, 316, 318, 322, 326, 328, 334, 337 Amtspflegschaft 85–86 Anfangsverdacht 34, 37–39, 46–47, 61–62, 67, 70, 72, 93–99, 100–103, 105–109, 111–113, 115, 123–126, 131, 143, 235, 245, 279, 348, 351–352

Anfechtung/Anfechtungsklage – der Mutterschaft siehe Mutterschaftsanfechtung – der Vaterschaft siehe Vaterschaftsanfechtung Anfechtungsberechtigung siehe Vaterschaftsanfechtung gemäß §§ 1600–1600c BGB Anfechtungsfrist siehe Vaterschaftsanfechtung gemäß §§ 1600–1600c BGB Anspruchsverpflichtung siehe Klärungsverfahren gemäß § 1598 BGB Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen siehe Recht auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen Auskunftsanspruch – des Kindes 193, 214–215, 267, 270–273, 292, 294, 296, 304, 307 – des potentiell biologischen Vaters 239 – des rechtlichen Vaters 51–55, 64–65 Auslegung 83–85, 87–88, 90, 145–148, 281–282, 298, 300–302, 308–310 – Entstehungsgeschichte 33, 36, 84, 87–88, 90, 146–147, 298, 303 – historische Auslegung 87–88, 298, 302 – Systematische Auslegung 85, 282, 301 – Teleologische Ausbildung 85, 282, 302 – verfassungskonforme Auslegung 145–146, 148 – Vorgeschichte der Norm 87, 298, 302

Sachwortverzeichnis – Wortlautauslegung 84, 146–147, 281, 300–301 Beistandschaft 85 Beweisverwertungsverbot 37–38, 40 biologischer Vater siehe potentiell biologischer Vater Defizienfall 109, 185, 188, 211 Dispositionsmaxime 50 DNA-Gutachten 37–40 Ehelichkeitsanfechtung/Ehelichkeitsanfechtungsklage 27, 29–30 Eigentumsfreiheit 211, 214, 223, 226, 271, 311, 339 Einwilligung 32, 34, 44, 55, 62, 64, 67–69, 71–78, 80, 82, 89, 91–92, 96–97, 99, 101, 125, 127–131, 149, 152–156, 160, 163, 171, 176, 179, 181–183, 196, 210, 216, 218–219, 227–228, 234, 240, 261, 265, 273, 277, 287, 309–310, 314, 316, 324, 329–335, 341, 343–345, 350–351, 353 Einwilligungsfähigkeit 34, 44, 71–80, 82, 351 Eispende 285–286, 289, 292–296, 303 Eizelle 283–286, 295–296 Embryonenspende 286 Ergänzungspfleger 69, 86, 88, 92 Ersatzmutter 285 Familienrechtsänderungsgesetz 29–30 Feststellungsklage – allgemeine gemäß § 256 ZPO siehe allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO – gerichtlich gemäß §1600d BGB siehe gerichtliche Vaterschaftsfeststellung gemäß §1600d BGB – gerichtlich gemäß § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO siehe gerichtliche Feststellung der Abstammung gemäß § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO

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Frist 34, 45, 65, 67, 72, 94–95, 99, 102, 109–118, 122, 124–125, 130–133, 136, 138–149, 153, 235, 249, 275, 279, 343, 348, 350, 352 – Fristablauf 67, 111–112, 116, 133, 140, 153, 275 – Fristbeginn 94–95 – Hemmung 69, 131 Geburtsmutter 285 Gendiagnostikgesetz 45 gerichtliche Feststellung der Abstammung gemäß § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO 47, 49, 288 gerichtliche Vaterschaftsfeststellung gemäß §1600d BGB 47, 55, 177, 237, 266, 305 Geschäftsfähigkeit 75, 77, 80 Gesetzgebungsverfahren 83, 88, 105, 123, 147, 233, 261, 299 gespaltene Mutterschaft siehe Mutterschaft Heimliche Abstammungsuntersuchung 32, 63, 149, 161 – Klärung der Mutterschaft 287 – Klärung der Vaterschaft 44, 234, 265 heimlicher DNA-Test siehe heimliche Abstammungsuntersuchung heimlicher Vaterschaftstest siehe heimliche Abstammungsuntersuchung Individualsphäre 191 informationelles Selbstbestimmungsrecht 32, 39, 44, 184–185, 197, 210, 216, 218, 220, 311, 317, 325, 336 Intimsphäre 188, 191–193, 205, 208, 213, 224, 226, 270, 293, 313, 321, 323, 327, 339 Isolierte Abstammungsfeststellungsklage siehe rechtfolgenlose Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse

370

Sachwortverzeichnis

isolierte Klärung siehe rechtsfolgenlose Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse Kenntnis der genetischen Abstammung siehe Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung Kindesverwechslung 286, 290 Kindeswohl 89–90, 99–101, 157–160, 197 – Kindeswohlklausel 100 – Kindeswohlprinzip 100 – Kindeswohlprüfung 99–100 Kindschaftsrechtsreform 31, 49, 51, 110, 113, 133, 140, 177, 253, 267, 288, 292, 302–303, 305–306, 310 Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse siehe rechtsfolgenlose Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse Klärungsberechtigung siehe Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB 27, 33–36, 67, 71–72, 88–89, 101–103, 105–107, 117–118, 121, 123, 125, 127, 131–132, 135, 140–143, 145–149, 157, 161–162, 183, 230–231, 257, 260, 263, 281–282, 300, 315, 346, 348, 350–352 – Anspruchsverpflichtung 67–69, 72, 118–120, 148, 152, 154–155, 162–163, 166–167, 171, 175–176, 179–183, 227–229, 261–264, 273–274, 277, 280, 308, 315–316, 330–334, 341–343, 350, 352 – Einwilligung siehe Einwilligung – Einwilligungsfähigkeit siehe Einwilligungsfähigkeit – Gefährdung der rechtlichen Familie 121–122 – Gefährdung der sozialen Familie 103, 113, 116–118, 122, 127, 140, 144, 244, 250–251 – Interessenkollision siehe Vertretung

– Kindeswohl siehe Kindeswohl – Klärungsberechtigung 150, 178, 229, 249, 257, 261, 277, 309–310, 315, 327, 330–331, 334, 342 – Vertretung siehe Vertretung körperliche Unversehrtheit siehe Recht auf körperliche Unversehrtheit leiblicher Vater siehe potentiell biologischer Vater Leihmutter 285–286 Minderjähriger 75, 77, 89, 228, 316, 324, 334, 341 Mutterschaft – Anfechtung siehe Mutterschaftsanfechtung – gespaltene Mutterschaft 286, 291, 296–297, 305–310 Mutterschaftsanfechtung 288 Nichtkenntnis der genetischen Abstammung siehe Recht auf Nichtkenntnis der genetischen Abstammung Paternitätsklage siehe Unterhaltsklage Persönlichkeitsentwicklung 42, 59, 169, 172–176, 179, 184, 188, 192, 200–203, 207, 210, 212, 222–225, 232, 293, 313, 318–320, 322, 326, 338–340 Persönlichkeitssphären siehe Individualsphäre, Intimsphäre, Privatsphäre, Sexualsphäre Personensorge siehe Sorgerecht potentiell biologischer Vater 53–54, 56, 150, 152–154, 159, 193, 195, 213, 215, 229–239, 242, 244–265, 268–269, 273–274, 276–277, 279–280, 292, 305, 315–337, 341–342, 344, 352 Private Abstammungsuntersuchung 72, 80–81, 89, 92, 123, 128, 149, 151–152, 156–157, 229

Sachwortverzeichnis – Klärung der Mutterschaft 287 – Klärung der Vaterschaft 43, 45, 234–235, 264 Privatsphäre 191–195, 213–214, 270, 293, 313, 326, 328 Recht auf Aufwachsen in den gewohnten sozialen Beziehungen 172, 199, 220, 317, 336 Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung 65, 272, 275, 290 Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung 29, 36, 181 – des Kindes 168–171, 210–212, 216–218, 262–263, 269, 272, 294, 297, 311, 331 – der Mutter 177, 218–220, 224, 297, 336, 340 – des potentiell biologischen Vaters 232, 247, 256, 259–260 – des rechtlichen Vaters 41, 56, 65, 164–165, 184, 187–188, 197–199 Recht auf körperliche Unversehrtheit 167, 171, 180, 187, 198, 211, 217, 219–220, 312, 317, 325, 336 Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung 173, 206–207, 224, 316, 322, 336, 340 rechtlicher Vater 33, 36, 38, 40–42, 45, 47–57, 58–61, 64, 93, 98–99, 101, 103–107, 109–111, 114–116, 118–120, 125, 128, 130, 132–135, 138–141, 144, 152–153, 163–165, 171, 178–181, 183–190, 192–210, 213, 216–225, 230, 237, 240, 242–253, 255–256, 258, 260–262, 264–266, 272–279, 298, 309, 316–318, 322, 325, 329–334, 337–340, 342, 344–345, 347, 349, 350, 352 rechtsfolgenlose Klärung der genetischen Abstammungsverhältnisse 27–31, 33–34, 49, 56, 60, 62–63, 65, 71, 79, 93, 102–103, 105, 107–109, 120, 123, 140, 151–154, 160, 162–164, 178, 201, 204–205, 208,

371

223, 225, 227–229, 236, 238, 240–241, 243–246, 256–259, 262, 267, 272–273, 275–278, 292, 311, 318, 323, 331, 334, 338, 342, 347, 349–350, 352 – gemäß § 1598a BGB siehe Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB Rechtsgeschäft 74–76 Rechtssicherheit 57, 77, 109, 113, 148 Rechtsunsicherheit 113–114, 127 Samenspender 294–295 Scheinvater 38 Schlüssigkeit 37, 46, 62, 235 Sexualsphäre 189, 327 sexuelles Selbstbestimmungsrecht 53, 188, 192, 196, 212–213, 215, 313, 326, 328–329, 333 Sorgerecht – Personensorge 79 – Sorgeberechtigter 37, 79–80, 89 – Vermögenssorge 79 Statusklage 28, 30, 142 Statussicherheit 109–110, 113–114, 117, 127–134, 139, 251 Statusunsicherheit 113–114, 116–117, 127–132, 138–139, 144–145, 251 Ungleichbehandlung 242, 245–246, 248–249, 254, 291 Unterhaltsklage 27–28 Unterhaltsregress 52 Untersuchungsgrundsatz 46, 48, 235, 237, 266 Vaterschaft – Anfechtung siehe Vaterschaftsanfechtung – biologische Vaterschaft siehe potentiell biologischer Vater – rechtliche Vaterschaft siehe rechtlicher Vater Vaterschaftsanfechtung nach §§ 1600–1600c BGB 29–30, 37,

372

Sachwortverzeichnis

69, 93–95, 98, 102, 110–114, 122–126, 128–133, 135–139, 141, 143, 152, 235, 245, 251, 255 – Anfechtungsberechtigung 27, 29, 63–64, 93, 114–115, 128, 235 – Hemmung der Anfechtungsfrist siehe Frist – Neubeginn der Anfechtungsfrist 132 – Schlüssigkeit siehe Anfangsverdacht Vaterschaftsanfechtungsklage 33, 37, 46, 62, 98, 112, 235, 349 Vaterschaftsanfechtungsverfahren 33–34, 37, 41, 45, 47, 55, 67, 70, 72, 96, 100, 106, 110, 122, 142, 234–235, 240, 249, 260, 265, 273, 347–349, 351 Vermögenssorge siehe Sorgerecht

Verpflichtungsadressat 241, 242 Vertretung – Entziehung der Vertretungsmacht 80, 83, 86, 89–92 – Interessenkollision 69, 80–93, 182, 351 – Vertretungsbefugnis 78, 80, 82–93, 343, 351 – Vertretungsberechtigter 78 – Vertretungsberechtigung 79 Willenserklärung 75, 78–79 Zeugung – künstliche Zeugung 284, 292 – natürliche Zeugung 58, 283–285