Gefahrenabwehr im Katastrophenfall: Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Gefahrenabwehr bei Naturkatastrophen und ihre einfachgesetzliche Umsetzung [1 ed.] 9783428525119, 9783428125111

Henriette Sattler nimmt sich eines jüngst wieder aktuell gewordenen Themas an: Welche Vorgaben macht das Grundgesetz für

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German Pages 358 Year 2008

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Gefahrenabwehr im Katastrophenfall: Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Gefahrenabwehr bei Naturkatastrophen und ihre einfachgesetzliche Umsetzung [1 ed.]
 9783428525119, 9783428125111

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1115

Gefahrenabwehr im Katastrophenfall Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Gefahrenabwehr bei Naturkatastrophen und ihre einfachgesetzliche Umsetzung

Von

Henriette Sattler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

HENRIETTE SATTLER

Gefahrenabwehr im Katastrophenfall

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1115

Gefahrenabwehr im Katastrophenfall Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Gefahrenabwehr bei Naturkatastrophen und ihre einfachgesetzliche Umsetzung

Von

Henriette Sattler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12511-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Arbeit hat dem Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Frühjahr 2006 als Dissertation vorgelegen. Da zum Gelingen eines derartigen Projektes viele Menschen und Faktoren beitragen, muß die folgende Aufzählung notgedrungen fragmentarisch bleiben – auch den nicht Genannten ein herzliches Dankeschön! Mein ausdrücklicher Dank gilt an dieser Stelle vor allem dem Betreuer der Arbeit, Herrn Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger, der mir bereits als Studentin und später auch als wissenschaftlicher Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl seine Arbeitsweise vermittelte und mich immer wieder ermutigte, selbständig zu denken und eigene Positionen – gegebenenfalls auch „quer“ zur Meinung von Literatur und Rechtsprechung – zu vertreten. Frau Prof. Dr. Elke Gurlit und Herr Prof. Dr. Uwe Volkmann haben mir an ihren Lehrstühlen die Weiterführung und Fertigstellung der Arbeit ermöglicht; Herrn Prof. Dr. Volkmann danke ich auch für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Die Kollegen an den öffentlich-rechtlichen Lehrstühlen haben mich mit ihrer Diskussionsbereitschaft und ihrem freundschaftlichen Miteinander unterstützt, Freunde und Mitschwestern haben mich in den verschiedenen Phasen der Arbeit auf je ihre Weise bestärkt und durchgetragen; besonders danken möchte ich Herrn Dr. Ulrich Repkewitz, der die Arbeit von der Themenfindung bis zur Drucklegung durch Höhen und Tiefen begleitet hat. „Gott Behüte uns, wan ein feur Brüntz sollte außbrechen“, so beginnt die Feuerordnung der kurtrierischen Leibgarde aus dem Jahr 1775 (HHStAW Abt. 126, Nr. 342). Auch heute, mehr als 230 Jahre später, sind trotz der sprunghaften Entwicklung in Technik, Forschung und Kommunikation noch längst nicht alle von Naturgewalten oder vom Menschen ausgehenden Gefahren beherrschbar; so schließe ich mit dem Wunsch, daß das Thema dieser Arbeit möglichst selten praktisch relevant werden möge. Tutzing, im März 2008

Henriette Sattler

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erster Teil Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG für die Gefahrenabwehr A. Überblick über die Vorschriften des Grundgesetzes für Fälle außergewöhnlicher Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG einerseits von dem der Art. 91 und Art. 87a Abs. 4 GG andererseits . . . . . . . . . I. Naturkatastrophe und besonders schwerer Unglücksfall . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung des Art. 91 GG auf Naturkatastrophen und besonders schwere Unglücksfälle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Exkurs: Anwendung der Vorschriften über die Katastrophenhilfe (Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG) und über den Inneren Notstand (Art. 91 und 87a Abs. 4 GG) bei Terrorakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tatbestandliche Voraussetzungen einer Anforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Naturkatastrophe oder besonders schwerer Unglücksfall . . . . . . . . . . . 2. Regionale Gefahr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenhang zwischen Naturkatastrophe bzw. Unglücksfall und Hilfeleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erforderlichkeit der Hilfeleistung als Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . II. Formelle Voraussetzungen einer Anforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderbare Kräfte und Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff der „Kräfte und Einrichtungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen . . . . . . . . . . . . . . . c) Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kräfte und Einrichtungen der Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Polizeikräfte anderer Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anforderung von Einrichtungen der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . bb) Polizeibegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

20 23 23 26

32 33 33 34 34 35 38 41 41 41 41 42 46 49 50 50 51

8

Inhaltsverzeichnis cc) Bereitschaftspolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gemeindepolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Polizeikräfte des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entschließungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswahlermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hilfeleistungspflicht und Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Prüfungsrecht des Anforderungsadressaten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weisungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anzuwendendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzgebungsbefugnis für den Katastrophenschutz . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliche Regelungsbefugnis der Länder für ihren jeweiligen Hoheitsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Regelungsbefugnis des Bundes für das Tätigwerden der Streitkräfte auf Anforderung eines Landes im Katastrophenfall . . . . cc) Regelungsbefugnis des Bundes für das Tätigwerden des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und anderer Verwaltungen des Bundes auf Anforderung eines Landes im Katastrophenfall . . . b) Vollzug von Landesrecht durch Behörden des Bundes und anderer Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verwaltungsorganisationsrechtliche Qualifizierung der Katastrophenhilfe a) Katastrophenhilfe als Amtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Katastrophenhilfe als Organleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Katastrophenhilfe als Mandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Konsequenzen der Qualifikation als Mandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überregionale Naturkatastrophe bzw. überregionaler besonders schwerer Unglücksfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Weisung, Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen . . . . . . . . . . . . . . . b) Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatbestandliche Voraussetzungen der Erforderlichkeit . . . . . . . bb) Subsidiarität der Bundesintervention nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG gegenüber anderen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52 55 56 57 58 61 64 67 68 68 68 71 72 72 73

77 79 81 84 86 87 91 94 97 98 98 98 99 100 100 103 105

Inhaltsverzeichnis

9

III. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG: Weisung, Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG: Einsatz von Einheiten des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte durch die Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weisungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anzuwendendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. (Rechtspolitische) Mängel des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . .

105

106 107 109 112 114 115 115

E. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der spontanen Katastrophenhilfe . . . . . . . . I. Begründungsversuche für die Zulässigkeit der spontanen Katastrophenhilfe II. Spontane Katastrophenhilfe durch die Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Spontane Katastrophenhilfe durch andere Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

116 117 119 122

105

Zweiter Teil Vorgaben aus den Grundrechten

125

A. Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage für Maßnahmen der Katastrophenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 B. Freizügigkeit (Art. 11 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Qualifizierter Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . 2. Eingriffsrecht bei eigenverantwortlicher Selbstgefährdung . . . . . . . . . 3. Gesetzgebungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Notwendigkeit einer Spezialermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Notwendiger Inhalt der Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zitiergebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

126 126 129 130 130 131 132 134 136 139

C. Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Faktische Beeinträchtigungen der Berufsausübungsfreiheit . . . . . . . . . . . . III. Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit durch die Heranziehung zu Hilfeleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141 142 145 145 147

10

Inhaltsverzeichnis

D. Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzbereich und Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Öffentliche Dienstleistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herkömmlichkeit der Dienstleistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeinheit und Gleichheit der Dienstleistungspflicht . . . . . . . . . . . 4. Formelle Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage für eine Dienstleistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149 149 152 152 152 154

E. Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Durchsuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingriffe und Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, Art. 13 Abs. 7 Var. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Maßnahmen zur Verhütung dringender anderer Gefahren, Art. 13 Abs. 7 Var. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157 157 159 160 160 162

F. Eigentum (Art. 14 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kriterien für die Abgrenzung der Enteignung von der Inhalts- und Schrankenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen an den Übertragungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsnatur der Entziehung von Gütern zu Versorgungszwecken . . . . 4. Rechtsnatur der Beschädigung oder Vernichtung von Eigentumsobjekten zu Zwecken der Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsnatur des vorübergehenden Besitzentzugs zugunsten der Nutzung im Rahmen der Katastrophenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entschädigungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Formelle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalts- und Schrankenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnismäßigkeit und Ausgleichspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formelle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

156

162 165 167 167 171 172 177 179 180 181 184 184 184 185 186 189 189 189 193

G. Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Inhaltsverzeichnis

11

Dritter Teil Einfachrechtliche Ausgestaltung A. Überblick über den Bestand an Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bundesrechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorschriften über den Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorschriften über den Einsatz der Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bundesrechtliche Vorschriften über den Einsatz der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorschriften im Zivilschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Landesrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . I. Einsatz fremder Kräfte nach den Katastrophenschutzgesetzen . . . . . . . . . . II. Einsatz fremder Kräfte nach den Polizeigesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausgestaltung der Anforderung fremder Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit für die Anforderung fremder Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anforderung von Kräften nach den Landeskatastrophenschutzgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anforderung von Polizeikräften nach den Landespolizeigesetzen . . 2. Sonstige formelle Erfordernisse einer Anforderung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kriterien für die Entscheidung über eine Anforderung fremder Kräfte IV. Ausgestaltung der Entscheidung über die Entsendung eigener Kräfte . . . . 1. Zuständigkeit für die Entscheidung über die Entsendung . . . . . . . . . . . 2. Kriterien für eine Entscheidung über die Entsendung . . . . . . . . . . . . . V. Ausstattung der landesfremden Kräfte mit Eingriffsbefugnissen . . . . . . . . VI. Regelungen über Zurechnung und Weisungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . VII. Kostenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

198 198 198 198 200 200 201 202 214 214 215 219 219 219 223 226 228 229 229 232 235 237 241

C. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG . . . . . . . . . . 244 D. Einfachgesetzliche Regelungen für die spontane Katastrophenhilfe . . . . . . . . . 247 E. Eingriffsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über die Ermächtigungsgrundlagen für Grundrechtseingriffe . . II. Ermächtigungsgrundlagen für Platzverweisungen, Evakuierungen und Betretungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßnahmen nach den Katastrophenschutzgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausdrückliche Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ableitung von Ermächtigungsgrundlagen aus Verhaltenspflichten . 2. Maßnahmen nach den Polizeigesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Forderung an die Landesgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

250 250 256 256 256 259 263 266

12

Inhaltsverzeichnis III. Heranziehung der Bevölkerung zu Hilfeleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hilfeleistungspflichten als Nebenpflichten der Berufsausübung . . . . . . a) Berufsbezogenheit besonderer Hilfeleistungspflichten . . . . . . . . . . aa) Pflichten der Angehörigen der Gesundheitsberufe . . . . . . . . . . bb) Sonstige berufsspezifische Hilfspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erforderlichkeit der Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abwägung mit anderen Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hilfeleistungspflichten als Dienstleistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . IV. Durchsuchungs- und Betretungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Durchsuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betreten und sonstige Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Eingriffe in das Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nutzung von Sachen zur Katastrophenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übersicht über die unterschiedlichen Regelungsmodelle . . . . . . . . . b) Bewertung der Regelungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besondere Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . . 2. Zerstörung von Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entschädigungs- und Ausgleichsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entschädigungs- und Ausgleichsregelungen in den einzelnen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Forderung an die Landesgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Regelungen über die Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Regelungen über die Berücksichtigung mitwirkenden Verschuldens e) Regelungen über die Berücksichtigung anderweitiger Ersatzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

266 266 267 267 270 274 274 275 275 277 280 285 285 286 288 288 288 295 300 302 306 306 313 313 315 316

Vierter Teil Zusammenfassung und Ergebnisse

318

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

Abkürzungsverzeichnis AK-GG

AK-GG (Vorauflage)

Begr. BGSKatHiVwV

BK-GG BT-Drs. BR-Drs. HHStAW HStR LT-Drs. sog. u. a.

Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Reihe Alternativkommentare, 3. Auflage, herausgegeben von Erhard Denninger u. a. Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Reihe Alternativkommentare, herausgeben von Rudolf Wassermann Begründer Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministers des Innern über die Verwendung des Bundesgrenzschutzes bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall sowie zur Hilfe im Notfall vom 2. Mai 1974 (GMBl. S. 171, geändert durch Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 4. November 1975, GMBl. S. 747 f.) Bonner Kommentar zum Grundgesetz, herausgegeben von Rudolf Dolzer u. a. Bundestags-Drucksache Bundesrats-Drucksache Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, herausgegeben von Josef Isensee und Paul Kirchhof Landtags-Drucksache sogenannte(r,s) und andere

Wegen der übrigen verwendeten Abkürzungen verweise ich auf Kirchner, Hildebert (Begr.) / Butz, Cornelie: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage, Berlin 2003.

Verzeichnis der abgekürzt zitierten landesrechtlichen Vorschriften ASOG Bln

BayFwG

BayKSG

BayLStVG

BayPAG

BayPOG

BbgBKG

BbgPolG

BlnVwVfG

BremHilfeG

BremPolG

BremVwVG

Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz – ASOG Bln –) in der Fassung vom 11. Oktober 2006 (GVBl. S. 930) Bayerisches Feuerwehrgesetz (BayFwG) vom 23. Dezember 1981 (GVBl. S. 526), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Dezember 2002 (GVBl. S. 962) Bayerisches Katastrophenschutzgesetz (BayKSG) vom 24. Juli 1996 (GVBl. S. 282), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. April 2001 (GVBl. S. 140) [Bayerisches] Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Dezember 1982 (GVBl. S. 1098), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Dezember 2004 (GVBl. S. 540) Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1990 (GVBl. S. 397), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Dezember 2005 (GVBl. S. 641) Gesetz über die Organisation der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiorganisationsgesetz – POG) vom 10. August 1976 (GVBl. S. 303), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juli 2005 (GVBl. S. 287) Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Brand- und Katastrophenschutzgesetz – BbgBKG) vom 24. Mai 2004 (GVBl. S. 197) Gesetz über die Aufgaben, Befugnisse, Organisation und Zuständigkeit der Polizei im Land Brandenburg (Brandenburgisches Polizeigesetz – BbgPolG) vom 19. März 1996 (GVBl. S. 74), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juni 2004 (GVBl. S. 289) Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung vom 8. Dezember 1976 (GVBl. S. 2735, ber. S. 2898), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2004 (GVBl. S. 516) Bremisches Hilfeleistungsgesetz (BremHilfeG) vom 18. Juni 2002 (GBl. S. 189), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2002 (GBl. S. 605) Bremisches Polizeigesetz (BremPolG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Dezember 2001 (GBl. S. 441), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Februar 2006 (GBl. S. 99) Gesetz über das Verfahren zur Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen (Bremisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz, BremVwVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. April

Verzeichnis der abgekürzt zitierten landesrechtlichen Vorschriften

BrSchG LSA

BrSchG M-V

BrSchG S-H

BSG-Saarland

DVO PolG B-W

FSHG NRW

FwG Bln FwG B-W

FwG Hmb HBKG

HessVwVG HmbKatSG

HSOG

KatSG Bln

15

1960 (GBl. S. 37), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. April 2003 (GBl. S. 147) Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (Brandschutzgesetz – BrSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2001 (GVBl. LSA S. 190), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Dezember 2001 (GVBl. LSA S. 540) Gesetz über den Brandschutz und die Technischen Hilfeleistungen durch die Feuerwehren für Mecklenburg-Vorpommern (Brandschutzund Hilfeleistungsgesetz M-V – BrSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Mai 2002 (GVOBl. M-V S. 254), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Mai 2006 (GVOBl. M-V S. 194) Gesetz über den Brandschutz und die Hilfeleistungen der Feuerwehren (Brandschutzgesetz – BrSchG) [des Landes Schleswig-Holstein] vom 10. Februar 1996 (GVOBl. Schl.-H. S. 200), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Februar 2005 (GVOBl. Schl.-H. S. 57) Gesetz über den Brandschutz und die Hilfeleistung im Saarland (Brandschutzgesetz – BSG) vom 30. November 1988 (ABl. S. 1410, berichtigt ABl. 1989 S. 1397), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2006 (ABl. S. 474) Verordnung des Innenministeriums [des Landes Baden-Württemberg] zur Durchführung des Polizeigesetzes (DVO PolG) vom 16. September 1994 (GBl. S. 567), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Juli 2004 (GBl. S. 469) Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (FSHG) [des Landes Nordrhein-Westfalen] vom 10. Februar 1998 (GV. S. 122), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. April 2005 (GV. S. 332) Feuerwehrgesetz – FwG [des Landes Berlin] vom 23. September 2003 (GVBl. S. 457) Feuerwehrgesetz (FwG) [des Landes Baden-Württemberg] in der Fassung vom 10. Februar 1987 (GBl. S. 105), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Juli 2004 (GBl. S. 469) [Hamburgisches] Feuerwehrgesetz vom 23. Juni 1986 (GVBl. S. 137), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2001 (GVBl. S. 251) Hessisches Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (HBKG) vom 17. Dezember 1998 (GVBl. I S. 530), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. März 2005 (GVBl. I S. 229) Hessisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (HessVwVG) in der Fassung vom 27. Juli 2005 (GVBl. I S. 574) Hamburgisches Katastrophenschutzgesetz (HmbKatSG) vom 16. Januar 1978 (GVBl. S. 31), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2001 (GVBl. S. 251) Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) in der Fassung vom 14. Januar 2005 (GVBl. I S. 14), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Oktober 2005 (GVBl. I S. 674) Berliner Gesetz über die Gefahrenabwehr bei Katastrophen (Katastrophenschutzgesetz – KatSG) vom 11. Februar 1999 (GVBl. S. 78), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Januar 2004 (GVBl. S. 25)

16

Verzeichnis der abgekürzt zitierten landesrechtlichen Vorschriften

KatSG-LSA

LBKG R-P

LKatSG B-W

LKatSG M-V

LKatSG S-H

LKatSG-Saarland

LVwG S-H

LVwVG R-P

NBrandSchG

Nds. SOG

NKatSG

NVwVG

OBGBbg

Katastrophenschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KatSG-LSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 2002 (GVBl. LSA S. 339), geändert durch Gesetz vom 28. Juni 2005 (GVBl. LSA S. 320) Rheinland-pfälzisches Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (Brand- und Katastrophenschutzgesetz – LBKG) vom 2. November 1981, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. April 2005 (GVBl. S. 104) Baden-württembergisches Gesetz über den Katastrophenschutz (Landeskatastrophenschutzgesetz – LKatSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. November 1999 (GBl. S. 625), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. März 2006 (GBl. S. 60, 70) Gesetz über den Katastrophenschutz in Mecklenburg-Vorpommern (Landeskatastrophenschutzgesetz – LKatSG M-V) vom 24. Oktober 2001 (GVOBl. M-V S. 393), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2005 (GVOBl. M-V S. 640) Gesetz über den Katastrophenschutz in Schleswig-Holstein (Landeskatastrophenschutzgesetz – LKatSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Dezember 2000 (GVOBl. Schl.-H. S. 664) Gesetz über den Katastrophenschutz im Saarland (Landeskatastrophenschutzgesetz – LKatSG-Saarland) vom 31. Januar 1979 (ABl. S. 141), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2006 (ABl. S. 474) Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz – LVwG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1992 (GVOBl. Schl.-H. S. 243, ber. S. 534), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. März 2006 (GVOBl. Schl.-H. S. 52) Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVG) Rheinland-Pfalz vom 8. Juli 1957 (GVBl. S. 101), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juli 2003 (GVBl. S. 155) Niedersächsisches Gesetz über den Brandschutz und die Hilfeleistungen der Feuerwehren (Niedersächsisches Brandschutzgesetz – NBrandSchG –) vom 8. März 1978 (GVBl. S. 233), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. September 2004 (GVBl. S. 362) Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) in der Fassung vom 19. Januar 2005 (GVBl. S. 9), zuletzt geändert durch Urteil des BVerfG vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – (BGBl. I S. 2566) Niedersächsisches Katastrophenschutzgesetz (NKatSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Februar 2002 (GVBl. S. 73), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. September 2004 (GVBl. S. 362) Niedersächsisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (NVwVG) vom 2. Juni 1982 (GVBl. S. 139), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. November 2004 (GVBl. S. 394) Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz – OBG) [des Landes Brandenburg] in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. August 1996 (GVBl. I S. 266),

Verzeichnis der abgekürzt zitierten landesrechtlichen Vorschriften

OBG NRW

POG M-V

POG NRW

POG R-P

PolG B-W

PolG NRW

SächsBRKG

SächsPolG

SOG Hmb

SOG LSA

SOG M-V

SPolG

SVwVG

17

zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juni 2004 (GVBl. I S. 289, 294) Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden – Ordnungsbehördengesetz (OBG) [des Landes Nordrhein-Westfalen] in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 1980 (GV.NW S. 528), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. April 2005 (GV.NW S. 274) Gesetz zur Organisation der Landespolizei in Mecklenburg-Vorpommern (Polizeiorganisationsgesetz – POG M-V) vom 10. Juli 2001 (GVOBl. M-V S. 254), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2005 (GVOBl. M-V S. 640) Gesetz über die Organisation und die Zuständigkeit der Polizei im Lande Nordrhein-Westfalen (Polizeiorganisationsgesetz – POG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Juli 2002 (GV.NW S. 308, ber. S. 629), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Mai 2006 (GV.NW S. 266) Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Rheinland-Pfalz (POG) vom 10. November 1993 (GVBl. S. 595), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Juli 2005 (GVBl. S. 320) Polizeigesetz (PolG B-W) [des Landes Baden-Württemberg] in der Fassung vom 13. Januar 1992 (GBl. S. 1, ber. S. 596, 1993 S. 155), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Juli 2004 (GBl. S. 469, ber. S. 653) Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) in der Fassung vom 25. Juli 2003 (GV.NW S. 441), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. April 2005 (GV.NW S. 408) Sächsisches Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz (SächsBRKG) vom 24. Juni 2004 (SächsGVBl. S. 245), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. September 2005 (SächsGVBl. S. 266) Polizeigesetz des Freistaates Sachsen (SächsPolG) vom 13. August 1999 (SächsGVBl. S. 466), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Mai 2004 (SächsGVBl. S. 148) [Hamburgisches] Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) vom 14. März 1966 (GVBl. S. 77), zuletzt geändert durch Gesetz 16. Juni 2005 (GVBl. S. 233) Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2003 (GVBl. LSA S. 214) Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in MecklenburgVorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz – SOG M-V) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. März 1998 (GVOBl. M-V S. 335), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Juli 2006 (GVOBl. M-V S. 551) Saarländisches Polizeigesetz (SPolG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. März 2001 (ABl. S. 1074), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2006 (ABl. S. 474) Saarländisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (SVwVG) vom 27. März 1974 (ABl. S. 430), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2006 (ABl. S. 474)

18

Verzeichnis der abgekürzt zitierten landesrechtlichen Vorschriften

ThBKG

ThOBG

ThPAG

ThPOG

ThürVwZVG

VwVG LSA

VwVG NRW

VwVGBbg

Thüringer Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz – ThBKG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. März 1999 (GVBl. S. 227), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Oktober 2001 (GVBl. S. 274) Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz – OBG) vom 18. Juni 1993 (GVBl. S. 323), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juni 2002 (GVBl. S. 247) Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) vom 4. Juni 1992 (GVBl. S. 199), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. November 2004 (GVBl. S. 853) Gesetz über die Organisation der Polizei des Landes Thüringen (Polizeiorganisationsgesetz – POG) in der Fassung vom 6. Januar 1998 (GVBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Januar 2002 (GVBl. S. 148) Thüringer Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (ThürVwZVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. September 1994 (GVBl. S. 1053), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 2002 (GVBl. S. 432) Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (VwVG LSA) vom 23. Juni 1994 (GVBl. LSA S. 710), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. November 2005 (GVBl. LSA S. 698) Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW – VwVG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2003 (GV.NW S. 156, berichtigt S. 570), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. April 2005 (GV.NW S. 351, berichtigt S. 818) Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (VwVGBbg) vom 18. Dezember 1991 (GVBl. S. 661), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2003 (GVBl. S. 298, 303)

Für die abgekürzt zitierten Bundesgesetze wird verwiesen auf Kirchner, Hildebert (Begr.) / Butz, Cornelie: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage, Berlin 2003.

Einleitung Zwar bedingt die geographische Lage der Bundesrepublik Deutschland, daß ihr Gebiet von extremen Naturereignissen wie Erdbeben, Vulkanausbrüchen und Hurrikanen verschont bleibt, doch hat spätestens das Hochwasser an der Elbe im August 2002 gezeigt, daß auch hierzulande mit Naturkatastrophen gerechnet werden muß. Die neue Dimension des internationalen Terrorismus, die erstmals mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA deutlich wurde, hat zudem das Bewußtsein für von menschlichem Handeln ausgehende Gefahren geschärft. Wie nach jeder Krisensituation, die mit dem vorhandenen Instrumentarium nicht verhindert oder nur unbefriedigend bekämpft werden konnte, wird auch hier in jüngerer Zeit zunehmend der Ruf nach dem Gesetzgeber laut. Jede einfachgesetzliche (Neu-)Regelung muß sich jedoch an den Vorgaben der Verfassung messen lassen. Die folgende Darstellung will diese Vorgaben ermitteln. Dabei soll es primär um die Gefahrenabwehr bei (bereits eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden) Naturkatastrophen gehen. Zum einen stellt sich die Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen dem katastrophenbetroffenen Land, anderen Ländern und dem Bund ausgestaltet ist, zum anderen ist zu klären, inwiefern grundrechtsrelevante Eingriffe gegenüber Bürgern – etwa im Zusammenhang mit Zwangsevakuierungen oder der Inanspruchnahme von Eigentum – zulässig sind. Behandelt wird dabei nur der Extremfall, das heißt die Situation, die mit den „normalen“ zur Gefahrenbekämpfung vorgesehenen Kräften wie kommunaler Feuerwehr und Hilfsdiensten nicht mehr bewältigt werden kann, und bei der eine Gefahr für Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder für die wirtschaftliche Existenzgrundlage der Bevölkerung besteht. Im zweiten Teil der Arbeit wird untersucht, wie die verfassungsrechtlichen Vorgaben in das einfache Recht umgesetzt sind und ob die einfachrechtliche Ausgestaltung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Dabei liegt der Schwerpunkt der Darstellung auf den Katastrophenschutzgesetzen der Länder. Ein Kompendium des Katastrophenschutzrechts will diese Arbeit jedoch nicht sein.

Erster Teil

Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG für die Gefahrenabwehr A. Überblick über die Vorschriften des Grundgesetzes für Fälle außergewöhnlicher Gefahr Für den zivilen Katastrophenschutz gibt es weder bezüglich der Gesetzgebungsnoch bezüglich der Verwaltungskompetenz Sonderzuweisungen an den Bund, so daß es bei der von Art. 30 und Art. 70 GG bestimmten Kompetenzverteilung bleibt und die Katastrophenbekämpfung grundsätzlich Ländersache ist. Auch das Grundgesetz hält jedoch Regelungen für Katastrophen- und Unglücksfälle bereit; die Vorschriften befassen sich mit der Zusammenarbeit zwischen dem betroffenen Land und anderen Ländern sowie dem Bund. Nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG kann ein Land zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) 1 und der Streitkräfte anfordern. Ähnlich bestimmt Art. 91 Abs. 1 GG, daß ein Land zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes Polizeikräfte anderer Länder sowie Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen und des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) – nicht aber der Streitkräfte – anfordern kann. Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen (Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG). Nach Art. 91 Abs. 2 Satz 1 GG kann die Bundesregierung, wenn das Land, in dem die Gefahr droht, nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahr bereit oder in der Lage ist, die Polizei in diesem Lande und 1

Zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei siehe in diesem Teil unter C. III. 1. c) (im Text bei Fn. 152).

A. Überblick über die Vorschriften des Grundgesetzes

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die Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen unterstellen sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) einsetzen. Erstreckt sich die Gefahr auf das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung der Gefahr erforderlich ist, den Landesregierungen Weisungen erteilen (Art. 91 Abs. 2 Satz 3 Hs. 1 GG). Nach Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG kann die Bundesregierung zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, wenn die Voraussetzungen des Art. 91 Abs. 2 GG vorliegen und die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) nicht ausreichen, Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen. Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG 2, wonach ein Land zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) zur Unterstützung seiner Polizei anfordern kann, ist gegenüber den besonderen Regelungen für Katastrophenfälle und Inneren Notstand die allgemeinere Vorschrift 3 und deswegen im Rahmen dieser Arbeit nicht relevant. Art. 35 Abs. 2 Satz 2, Art. 35 Abs. 3, Art. 91 und Art. 87a Abs. 4 GG fanden in dieser Form durch die sogenannte „Notstandsverfassung“ von 1968 Eingang in das Grundgesetz. Nachdem seit 1958 mehrere Entwürfe einer Notstandsverfassung vorgelegt, beraten und revidiert worden waren 4, fand am 30. Mai 1968 der von der Bundesregierung am 13. Juni 1967 dem Bundestag vorgelegte Entwurf 5 in der vom Rechtsausschuß vorgeschlagenen Fassung 6 als 17. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes 7 die erforderliche Mehrheit 8 im Bundestag und am 14. Juni 1968 die Zustimmung des Bundesrates 9. 2 Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG wurde erst nach den Änderungen durch die sogenannte Notstandsverfassung (17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968 [BGBl. I S. 709]; zu deren Entstehung sogleich) in das Grundgesetz eingefügt (31. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 2. August 1972 [BGBl. I S. 1305]). 3 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 21 zu Art. 35 für das Verhältnis von Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG zu Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG. Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 41 zu Art. 91 für das Verhältnis von Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG zu Art. 91 Abs. 1 GG. 4 Zur Entstehungsgeschichte der Notstandsverfassung siehe BT-Drs. V/1879 S. 15; Esklony, Innerer Notstand, S. 199 ff.; Wien, Katastrophenschutz, S. 127 ff. 5 BT-Drs. V/1879. 6 BT-Drs. V/2873. 7 Gesetz vom 24. Juni 1968 (BGBl. I S. 709). 8 Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages, 5. Wahlperiode, 178. Sitzung vom 30. Mai 1968, S. 9606, 9652 ff. 9 Stenographischer Bericht der 326. Sitzung des Bundesrates vom 14. Juni 1968, S. 138, 149 f.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Im Entwurf der Bundesregierung vom 13. Juni 1967 waren die obengenannten Regelungen in einem einheitlichen Art. 91 enthalten. Bereits die bis dahin geltende Fassung des Art. 91 GG 10 sah Vorkehrungen für den Fall eines Inneren Notstandes vor, die bis auf die Möglichkeit des Einsatzes der Kräfte anderer Verwaltungen und des Bundesgrenzschutzes sowie der in Abs. 2 Satz 3 vorgesehenen Weisungsbefugnis der heutigen Regelung des Art. 91 GG entsprachen. Angesichts der Erfahrungen bei der Flutkatastrophe in Hamburg 1962, bei der nur die (damals verfassungsrechtlich problematische 11) Ausstattung von Bundeswehrangehörigen mit Polizeibefugnissen eine sachgerechte Hilfeleistung ermöglicht hatte 12, schien es den Entwurfsverfassern zweckmäßig, auch Hilfsaktionen bei Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen auf eine verfassungsrechtliche Grundlage zu stellen 13. Die Änderungsvorschläge des Rechtsausschusses führten dann zur heute geltenden Verteilung der Regelungsmaterie auf unterschiedliche Normen: Die Bestimmungen über den Einsatz der Streitkräfte – abgesehen vom Fall der Katastrophenhilfe – wurden in einem Artikel (Art. 87a GG) zusammengefaßt. Die Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglücksfall sollte nicht im Zusammenhang mit der Bundesverwaltung, sondern im Rahmen des Bund-LänderVerhältnisses geregelt werden; der Rechtsausschuß schlug vor, die Regelung an Art. 35 GG anzufügen, da die den Katastrophenfall betreffenden Ergänzungen vornehmlich das Zusammenwirken zwischen Bund und Ländern und den Ländern 10 Art. 91 GG lautete in der bis zur Neuregelung geltenden Fassung: (1) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder anfordern. (2) Ist das Land, in dem die Gefahr droht, nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahr bereit oder in der Lage, so kann die Bundesregierung die Polizei in diesem Lande und die Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen unterstellen. Die Anordnung ist nach Beseitigung der Gefahr, im übrigen jederzeit auf Verlangen des Bundesrates aufzuheben. 11 Die damals getroffene Entscheidung halten für verfassungswidrig: Dürig in Maunz / Dürig, GG, Rn. 35 zu Art. 87a; Fiebig, Einsatz der Bundeswehr, S. 130; Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 81; Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 8, 84 f.; Speth, Rechtsfragen, S. 120. Vorsichtiger Klein, ZaöRV 1974 S. 429 (434); Klückmann, DÖV 1976 S. 333 (334). Der damalige Innensenator Helmut Schmidt bezeichnete sein Vorgehen selbst als grundgesetzwidrig (Rede in der 175. Sitzung des 5. Bundestages am 16. Mai 1968, Stenographischer Bericht S. 9444 C). Wohl anderer Ansicht Lohse, Streik und Staatsnotstand, S. 104. Unentschieden Linke, AöR 129 (2004) S. 489 (525): „hart an bzw. sogar jenseits der Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen“. 12 Zur Notwendigkeit, Einheiten der Bundeswehr während der Hamburger Flutkatastrophe mit Hoheitsfunktionen auszustatten, um Verkehrsregelungsaufgaben wahrzunehmen und Plünderungen zu verhindern, vgl. die Schilderung des Senators Ruhnau in der 3. öffentlichen Informationssitzung am 30. November 1967 (59. Sitzung des Rechtsausschusses, 75. Sitzung des Innenausschusses), Protokoll S. 8. 13 BT-Drs. V/1879 S. 23.

B. Abgrenzung des Anwendungsbereichs

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untereinander beträfen 14. Diese Trennung des Katastrophennotstandes von sonstigen Fällen des Notstandes und die Anlehnung an die Amtshilfevorschriften sollen Ausdruck einer deutlichen Entpolitisierung gewesen sein 15 bzw. der Ausräumung des Verdachts gedient haben, daß mit dem Katastrophennotstand zugleich auch ein anderer Fall eines Inneren Notstandes bekämpft werden könnte 16. Der Entwurf des Rechtsausschusses unterschied zudem hinsichtlich der Befugnisse der Bundesregierung zwischen Katastrophenfall und sonstigem Inneren Notstand: In Art. 35 Abs. 3 GG fehlt gegenüber Art. 91 Abs. 2 GG die Befugnis der Bundesregierung, Polizeikräfte der Länder ihren Weisungen zu unterstellen sowie den Landesregierungen Weisungen zu erteilen. Dagegen sind die Regelungen der Rechtsfolgen beim „einfachen“ Notstandsfall in Art. 91 Abs. 1 GG und Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG bis auf die in Art. 91 Abs. 1 GG nicht enthaltene Möglichkeit der Anforderung der Streitkräfte weitgehend identisch geblieben. Zum Verständnis des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG lassen sich daher auch die wesentlich umfangreicheren Kommentierungen zu Art. 91 Abs. 1 GG heranziehen, während eine Übertragung der für Art. 91 Abs. 2 GG gewonnenen Erkenntnisse auf Art. 35 Abs. 3 GG wegen der unterschiedlichen Befugnisse der Bundesregierung ausscheidet.

B. Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG einerseits von dem der Art. 91 und Art. 87a Abs. 4 GG andererseits I. Naturkatastrophe und besonders schwerer Unglücksfall Die Anwendung von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG setzt das Vorliegen einer Naturkatastrophe oder eines besonders schweren Unglücksfalls voraus. Beide Fälle lassen sich unter dem Oberbegriff Schadensereignis von erheblichem bzw. großem Ausmaß zusammenfassen. 17

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BT-Drs. V/2873 S. 9. So Arndt, DVBl. 1968 S. 729 (729). Arndt hatte einen entsprechenden Formulierungsvorschlag des Hamburger Senats im Rechtsausschuß des Bundestags vorgelegt, vgl. Protokoll der 71. Sitzung des Rechtsausschusses am 15. Februar 1968, S. 10. Zweifelnd gegenüber dem Ziel der „Entpolitisierung“ Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 82 sowie Klückmann, NZWehrr 1977 S. 164 (168). Nach Speth, Rechtsfragen, S. 127 zeigt die Praxis, daß die Entpolitisierung zumindest teilweise erreicht wurde. 16 Lenz, Notstandsverfassung, Rn. 2 zu Art. 35 unter Hinweis auf die 71. Sitzung des Rechtsausschusses am 15. Februar 1968, Protokoll S. 10. 15

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Unter Naturkatastrophen werden dabei Schadensereignisse verstanden, die ihre Ursache in Naturgewalten haben. Beispielhaft werden etwa Überschwemmungen und Lawinen 18, Erdbeben-, Flut- oder Schneekatastrophen 19 genannt. 20 Anders als die Naturkatastrophe ist das Schadensereignis „Unglücksfall“ auf menschliches Verhalten oder technische Unzulänglichkeiten zurückzuführen 21. Unter menschliches Verhalten fällt dabei nicht nur „menschliches Versagen“, also nichtvorsätzliche Einwirkungen, sondern auch vorsätzliches Handeln 22. Als 17 Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 7 zu Art. 35. Die Definition unter A.2. bzw. A.3. des Erlasses des Bundesministeriums für Verteidigung über Hilfeleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen und im Rahmen der dringenden Nothilfe vom 8. November 1988 (VMBl. S. 270 [279], im folgenden: Erlaß über Hilfeleistungen der Bundeswehr) übernehmen etwa Bauer in Dreier, GG, Rn. 24 zu Art. 35; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 25 zu Art. 35; Eichhorn, Besondere Formen, S. 107; von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 70 zu Art. 35: „unmittelbar drohende Gefahrenzustände oder Schädigungen von erheblichem Ausmaß“ (Naturkatastrophen) bzw. „Schadensereignisse von großem Ausmaß und von Bedeutung für die Öffentlichkeit“ (besonders schwere Unglücksfälle); Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 37 f. zu Art. 35. 18 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 25 zu Art. 35. Er führt allerdings bereits die Lawinengefahr als Beispiel für eine Naturkatastrophe an. 19 Erbguth in Sachs, GG, Rn. 38 zu Art. 35. 20 Eine amtliche Definition findet sich in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministers des Innern über die Verwendung des Bundesgrenzschutzes bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall sowie zur Hilfe im Notfall (im folgenden: BGS-Katastrophenhilfe-Verwaltungsvorschrift, BGSKatHiVwV) vom 2. Mai 1974 (GMBl. S. 171, geändert durch Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 4. November 1975, GMBl. S. 747 f.) im II. Abschnitt – Technische Katastrophenhilfe unter Nr. 3. – Begriff –: „Naturkatastrophen sind Naturereignisse, die Schäden erheblichen Ausmaßes verursachen, wie z. B. Erdbeben, Erdrutsche, Hochwasser, Unwetter, Schnee, Eis, Wald- und Großbrände“ sowie im Erlaß über Hilfeleistungen der Bundeswehr (Fn. 17) unter A. 2.: „Naturkatastrophen sind unmittelbar drohende Gefahrenzustände oder Schädigungen von erheblichem Ausmaß, die durch Naturereignisse wie Erdbeben, Hochwasser, Eisgang, Unwetter, Wald- und Großbrände durch Selbstentzündung oder Blitze, Dürre oder Massenerkrankungen ausgelöst werden.“ 21 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 25 zu Art. 35; Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 7 zu Art. 35; Stern, Staatsrecht II, § 56 II 2b (S. 1463). Zur völkerrechtlichen Abgrenzung zwischen „Naturkatastrophe“ als einem Schadensereignis, das von Naturgewalten ausgeht, und „Umweltkatastrophe“ als Schädigung von Natur und Mensch durch riskantes menschliches Handeln von Arnauld, AVR 43 (2005) S. 279 (281 f.). 22 BVerfG, Urteil vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 –, BVerfGE 115 S. 118 (143 f.). Baldus, NVwZ 2004 S. 1278 (1282); Esklony, Innerer Notstand, S. 218 f.; Hillgruber / Hoffmann, NWVBl. 2004 S. 176 (177); Hochhuth, NZWehrr 2002 S. 154 (156); Klein in HStR VII, § 169 Rn. 30; Krings / Burkiczak, DÖV 2002 S. 501 (512); dies., NWVBl. 2004 S. 249 (251); Linke, NZWehrr 2004 S. 115 (119); Lorse, DÖV 2004 S. 329 (332); Lutze, NZWehrr 2003 S. 101 (105); Odendahl, Die Verwaltung 38 (2005) S. 425 (440); Seifert / Bünker, ThürVBl. 2006 S. 49 (55); Speth, Rechtsfragen, S. 41; von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 70 zu Art. 35; Wiefelspütz, NZWehrr 2003 S. 45

B. Abgrenzung des Anwendungsbereichs

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Beispiele werden unter anderem Reaktorunfälle und Flugzeugabstürze 23, Brandstiftung und Explosion in einem Chemiewerk 24 aufgezählt. 25 Eine genaue Abgrenzung zwischen Naturkatastrophe und schwerem Unglücksfall wird nicht bei jedem Schadensereignis möglich sein 26, insbesondere nicht in der konkreten Gefahrensituation; so dürfte z. B. bei einem Wald- oder Großbrand nicht immer von vornherein feststehen, ob die Brandursache Blitzschlag, Selbstzündung oder Brandstiftung war. Eine solche Abgrenzung ist jedoch auch nicht erforderlich, da das Grundgesetz hinsichtlich der Rechtsfolgen nicht zwischen Naturkatastrophe und besonders schwerem Unglücksfall unterscheidet. Das Merkmal der besonderen Schwere des Unglücksfalls stellt eine Einschränkung dar: Nicht jeder Unglücksfall unterfällt Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG. Ob ein Unglücksfall „besonders schwer“ ist, soll sich nach dem Einzelfall richten, dabei sei zu berücksichtigen, daß der Verfassungsgeber eine Hilfspflicht nur für seltene Ausnahmefälle vorschreiben will 27. Dieses Kriterium allein reicht allerdings nicht, um einen Unglücksfall als besonders schwer zu charakterisieren. Zur Auslegung des Begriffs läßt sich jedoch die Tatbestandsvariante „Naturkatastrophe“ heranziehen; dort weist bereits der Wortbestandteil „-katastrophe“ 28 darauf hin, daß es sich um ein Schadensereignis von erheblichem und ungewöhnlichem Aus(60 f.); Wilkesmann, NVwZ 2002 S. 1316 (1321). Implizit auch Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 25 zu Art. 35 sowie Bauer in Dreier, GG, Rn. 24 zu Art. 35 und Stern, Staatsrecht II, § 56 II 2b (S. 1463). Anderer Ansicht wohl Wolff, ThürVBl. 2003 S. 176 (177). 23 Erbguth in Sachs, GG, Rn. 38 zu Art. 35. 24 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 25 zu Art. 35. 25 Auch hier finden sich wieder ausführliche Definitionen und Beispiele in der BGSKatastrophenhilfe-Verwaltungsvorschrift (Fn. 20) sowie im Erlaß über Hilfeleistungen der Bundeswehr (Fn. 17): In der BGS-Katastrophenhilfe-Verwaltungsvorschrift heißt es unter II. 3.: „Besonders schwere Unglücksfälle sind andere Ereignisse, die infolge technischen Versagens oder menschlichen Verhaltens Schäden erheblichen Ausmaßes verursachen, wie z. B. besonders schwere Verkehrsunfälle durch Land-, Luft- oder Wasserfahrzeuge, Gebäudeeinstürze, Unglücksfälle in Verbindung mit radioaktiver Verstrahlung und gefährlichen Chemikalien, Explosionen“, im Erlaß über Hilfeleistungen der Bundeswehr unter A. 3.: „Besonders schwere Unglücksfälle sind Schadensereignisse von großem Ausmaß und von Bedeutung für die Öffentlichkeit, die durch Unfälle, technisches oder menschliches Versagen ausgelöst oder von Dritten absichtlich herbeigeführt werden. Hierunter fallen z. B. besonders schwere Verkehrsunfälle, schwere Flugzeug- oder Eisenbahnunglücke, Stromausfall mit Auswirkungen für lebenswichtige Einrichtungen, Großbrände durch Brandstiftung, Unfälle in Kernenergieanlagen und andere Unfälle mit Strahlenrisiko.“ 26 So auch BVerfG, Urteil vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 –, BVerfGE 115 S. 118 (145). 27 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 25 zu Art. 35; ihm folgend Eichhorn, Besondere Formen, S. 108 und Esklony, Innerer Notstand, S. 218. 28 Die Wortbedeutung des Wortes „Katastrophe“ (gr.-lat.: „Umkehr, Wendung“) wird mit „Unglück von großen Ausmaßen und entsetzlichen Folgen“ beschrieben, vgl. Du-

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

maß handeln muß 29 . Damit der Anwendungsbereich des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG eröffnet ist, muß ein Unglücksfall ein einer Naturkatastrophe vergleichbares Gewicht haben. Eine Definition der Begriffe Naturkatastrophe und besonders schwerer Unglücksfall im Sinne des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG, die die Gefahrenursache, das Ausmaß der Gefahr und die betroffenen Rechtsgüter einbezieht sowie dem Charakter als Ausnahmeregelung Rechnung trägt, könnte etwa wie folgt lauten: Naturkatastrophen und besonders schwere Unglücksfälle sind durch natürliche oder technische Ereignisse oder durch menschliches Verhalten hervorgerufene Gefährdungen oder Schädigungen von Leben oder Gesundheit einer Vielzahl 30 von Menschen oder von Sachgütern von bedeutendem Wert oder existentieller Bedeutung, die durch die für die Gefahrenabwehr ordentlich zuständigen Kräfte 31 nicht abgewehrt werden können.

II. Anwendung des Art. 91 GG auf Naturkatastrophen und besonders schwere Unglücksfälle? Mag bei Art. 91 GG ursprünglich nicht an die Möglichkeit eines den Bestand der Bundesrepublik gefährdenden Schadensereignisses gedacht worden sein, so stellt sich doch heute angesichts der Gefahren fortschreitender Technologien (Atomkraft) sowie vor dem Hintergrund einer neuen Dimension von Terroranschlägen die Frage der Abgrenzung des Katastrophennotstands nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Art. 35 Abs. 3 GG einerseits vom „politischen“ oder Inneren Notstand nach Art. 91 GG andererseits. Voraussetzung für eine Anwendung des Art. 91 GG ist eine drohende Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes. Zum Merkmal „Bestand des Bundes oder eines Landes“ wird ausgeführt, es beziehe sich auf die existentiellen Grundlagen der (Gesamtoder Glied-)Staatlichkeit 32; überwiegend werden als Schutzgüter die territoriale Integrität 33, die Souveränität nach außen 34 sowie ein Mindestmaß an Souveränität den „Fremdwörterbuch“, 4. Aufl., Mannheim / Wien / Zürich 1982, Stichwort katastrophal, Unterstichwort Katastrophe. 29 Ähnlich Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 9. 30 Stern, Staatsrecht II, § 56 II 2b (S. 1463) fordert lediglich eine Gefährdung einer „Mehrzahl von Personen“. 31 Hase in AK-GG, Rn. 2 zu Art. 35 Abs. 2, 3 beschreibt die Notstandssituationen des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG als „besondere polizeiliche Störungen und Gefahrenlagen, die aufgrund ihres Gewichts oder ihrer Dimension die regulären Ordnungskräfte der Länder überfordern“. 32 Klein in HStR VII, § 169 Rn. 16; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 9 zu Art. 91; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 11 zu Art. 91.

B. Abgrenzung des Anwendungsbereichs

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nach innen 35 genannt. Störungen des Wirtschafts- und Sozialgefüges sollen nicht erfaßt sein 36. Zwar dürften Naturkatastrophen oder Unglücksfälle unmittelbar kaum eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung darstellen, und es erscheint zweifelhaft, ob sie die territoriale Integrität im Sinne der Zugehörigkeit eines Gebietes zum Staatsgebiet beeinträchtigen können 37, doch ist eine Gefährdung der Souveränität nach innen durchaus denkbar 38: Die innere Souveränität als der „Besitz des Monopols legitimer physischer Gewalt“ 39 ist bedroht, wenn 33 Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 4 zu Art. 91; Heun in Dreier, GG, Rn. 8 zu Art. 91; von Mangoldt / Klein, GG, Anm. III 1b aa zu Art. 91 iVm Anm. VII 1 aaa zu Art. 87a; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 9 zu Art. 91; Schikowski, Rechtsfragen, S. 35; Stern, Staatsrecht II, § 56 III 4a (S. 1470); Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 14 zu Art. 91; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 11 zu Art. 91. Anderer Ansicht wohl Hamann / Lenz, GG, Anm. B. 1. zu Art. 91: „Bestand“ des Bundes sei politisch, nicht gebietsmäßig zu verstehen. 34 Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 4 zu Art. 91; Heun in Dreier, GG, Rn. 8 zu Art. 91; von Mangoldt / Klein, GG, Anm. III 1b aa zu Art. 91 iVm Anm. VII 1a aa zu Art. 87a; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 9 zu Art. 91; Schikowski, Rechtsfragen, S. 35; Stern, Staatsrecht II, § 56 III 4a (S. 1470); Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 15 zu Art. 91; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 11 zu Art. 91. Ipsen in BK-GG, Rn. 139 zu Art. 87a führt aus, der Begriff „Bestand des Bundes“ umfasse nicht die außenpolitische, wohl aber die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit. 35 Heun in Dreier, GG, Rn. 8 zu Art. 91; Klein in HStR VII, § 169 Rn. 16; von Mangoldt / Klein, GG, Anm. III 1b aa zu Art. 91 iVm Anm. VII 1a aa zu Art. 87a; Stern, Staatsrecht II, § 56 III 4a (S. 1470); Windthorst in Sachs, GG, Rn. 11 zu Art. 91. Dieses Merkmal ist in seiner Zuordnung zu den Tatbestandsvarianten des Art. 91 GG und in seinem Gehalt umstritten, vgl. Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 4 zu Art. 91 m.w. N. sowie Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 15 zu Art. 91. Insgesamt kritisch gegenüber einer „Ausdehnung auf den innerstaatlichen Bestand des Bundes“ Esklony, Innerer Notstand, S. 181 ff. 36 Evers in BK-GG, Rn. 20 zu Art. 91; Hase in AK-GG, Rn. 19 zu Art. 91; Hoffmann in Sterzel, Kritik der Notstandsgesetze, S. 86 (103); Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 1 zu Art. 91; Klein in HStR VII, § 169 Rn. 16; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 11 zu Art. 91. Anderer Ansicht nur Stern, Staatsrecht II, § 56 III 4a (S. 1470), der die „Sicherheit der Bevölkerung einschließlich ihrer Existenzgrundlagen“ als Schutzobjekt annimmt. Abgesehen von der politischen Argumentation Hoffmanns (a.a. O.) bietet Volkmann (in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 16 zu Art. 91) als einziger eine Begründung für die Einschränkung: Er argumentiert mit der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Notstandsrechts; gegen ökonomische Krisen helfe weder der Bundesgrenzschutz noch die Bundeswehr. 37 Dagegen Fiebig, Einsatz der Bundeswehr, S. 393 für den Fall eines terroristischen Angriffs auf ein Kernkraftwerk: Um eine Abtrennung eines Teils des Staatsgebiets handele es sich bei der daraus resultierenden Verstrahlung nicht. 38 Fiebig, Einsatz der Bundeswehr, S. 394 nimmt eine Bestandsverletzung wegen Beeinträchtigung der Souveränität im Innern an, wenn mehr als 50% des Staatsgebiets etwa wegen eines terroristischen Angriffs auf ein Kernkraftwerk verstrahlt sind und die Staatsgewalt daher dort nicht mehr ausgeübt werden kann. 39 Isensee in HStR II, § 15 Rn. 53.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

die Durchsetzung der verfassungsmäßigen Staatsgewalt in Frage steht – etwa weil Kommunikationsverbindungen zusammengebrochen oder wichtige Verkehrswege zerstört sind oder weil Plünderungen in größerem Umfang zu erwarten sind. Der Anwendungsbereich des Art. 91 GG erfaßt auch dann Naturkatastrophen und Unglücksfälle, wenn für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Bestand des Bundes oder eines Landes“ die Drei-Elemente-Lehre, nach der sich der Staat durch die Trias von Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt konstituiert 40, konsequent herangezogen wird 41. Zwar geht es bei den Regelungen über den inneren politischen Notstand primär um die Sicherung der Staatsgewalt, doch ist der Schutz der Bevölkerung ebenfalls einbegriffen. Dies ergibt sich aus Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG, wonach die Streitkräfte auch beim Schutz ziviler Objekte eingesetzt werden können. Obwohl streitig ist, welche Objekte im einzelnen unter diesen Begriff fallen 42, besteht Einigkeit darüber, daß Anlagen und Einrichtungen der Infrastruktur und der Daseinsvorsorge zu den Schutzobjekten zählen 43. Dieser Schutz der Infrastruktur kommt in erster Linie der Bevölkerung zugute, während das Funktionieren der Staatsgewalt dadurch nur reflexartig unterstützt wird. Angesichts dieses Schutzobjektes ist davon auszugehen, daß die Bevölkerung, also das Leben der Menschen, vom Schutzgut „Bestand des Bundes oder eines Landes“ erfaßt ist. Im übrigen spricht für eine Einbeziehung des Schutzes der Bevölkerung auch, daß die Existenz eines Staatsvolkes denkgesetzlich notwendig für die Ausübung von Staatsgewalt ist. Daher können eine Naturkatastrophe oder ein Unglücksfall, durch die das Leben und die Existenz eines großen Teils der Bevölkerung 44 gefährdet sind, eine Gefahr 40 Die Drei-Elemente-Lehre geht zurück auf Jellinek, Allgemeine Staatslehre. Sein soziologischer Staatsbegriff lautet: „Der Staat ist die mit ursprünglicher Herrschermacht ausgerüstete Verbandseinheit seßhafter Menschen“ (S. 180 f.), nach seinem juristischen Staatsbegriff ist der Staat „die mit ursprünglicher Herrschermacht ausgerüstete Körperschaft eines seßhaften Volkes“ (S. 183). Die heute geläufigen drei Elemente Staatsgebiet – Staatsvolk – Staatsgewalt finden sich als Überschriften der Unterabschnitte im 13. Kapitel (Die rechtliche Stellung der Elemente des Staates), S. 394 ff. 41 Dagegen allerdings Esklony, Innerer Notstand, S. 182. 42 Vgl. dazu die Darstellung bei Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 73 f. 43 Dürig in Maunz / Dürig, Rn. 119 zu Art. 87a; Heun in Dreier, GG, Rn. 28 zu Art. 87a; Ipsen in BK-GG, Rn. 166 zu Art. 87a; Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 74; Stern, Staatsrecht II, § 56 IV 5d β (S. 1485). Linke, AöR 129 (2004) S. 489 (529) will auch „großtechnische Anlagen mit ausreichend großem Schadenspotential“ einbeziehen. 44 Fiebig, Einsatz der Bundeswehr, S. 339, Speth, Rechtsfragen, S. 38 f. und wohl auch Stern, Staatsrecht II, § 56 III 4a (S. 1470) beziehen den Schutz der Bevölkerung ein, Windthorst in Sachs, GG, Rn. 11 zu Art. 91 trotz ausdrücklicher Berufung auf die DreiElemente-Lehre jedoch nicht. Evers in BK-GG, Rn. 20 zu Art. 91 sieht zwar auch den Schutz der Bevölkerung erfaßt, wendet sich aber gegen eine Heranziehung der „Generalklausel“ des Art. 91 GG für Naturkatastrophen und Unglücksfälle (Rn. 19 [S. 20 Mitte]). Fiebig, Einsatz der Bundeswehr, S. 386 fordert eine Gefahr für mehr als 50% der Bevölkerung, damit das Tatbestandsmerkmal der Bestandsgefährdung erfüllt ist.

B. Abgrenzung des Anwendungsbereichs

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für den Bestand des Staates darstellen. 45 Da eine Gefahr für den Bestand eines Landes ausreicht 46, wäre Art. 91 GG sogar bei solchen Naturkatastrophen und Unglücksfällen anwendbar, die nicht das gesamte Bundesgebiet betreffen, aber große Bevölkerungsteile etwa eines Stadtstaates gefährden. Die Anwendung des Art. 91 GG auf die von Naturkatastrophen oder Unglücksfällen unmittelbar verursachten Gefahren wird jedoch überwiegend abgelehnt. So betont etwa Eichhorn 47, die Fälle des Art. 91 GG bezögen sich „rein auf Gefahren aus dem politischen Bereich“ 48. Hase 49 sieht die Notstandsmaßnahmen des Grundgesetzes auf Situationen gewaltsamer politischer Auseinandersetzungen zugeschnitten und nimmt eine Gefahrenlage nach Art. 91 GG nur dann an, wenn der verfassungsmäßigen Staatsgewalt konkurrierende Gewalt entgegengesetzt wird. Auch Evers 50 und Volkmann 51 wollen Art. 91 GG nicht auf die unmittelbar durch die Katastrophe verursachten Gefahren anwenden, sondern nur auf Unruhen und Ungehorsam bzw. Auflösungserscheinungen im Inneren (z. B. Plünderungen, bürgerkriegsähnliche Verteilungskämpfe) im Gefolge von Naturkatastrophen oder Unglücksfällen 52. Noch weitergehend unterscheidet Windthorst 53 allein nach der 45 So Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 14 zu Art. 91, der als Beispiel einen terroristischen Anschlag auf ein Kernkraftwerk nennt. Ebenso Fiebig, Einsatz der Bundeswehr, S. 392 f. für den Fall, daß über 50% der Bevölkerung betroffen sind. Für eine Bestandsgefährdung auch Baldus in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 100 zu Art. 87a (Verseuchungen und Verstrahlungen weiter Gebietsteile sowie der in ihnen lebenden Bevölkerung); Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 5 zu Art. 91 (Unbewohnbarkeit ganzer Regionen durch terroristischen Einsatz von ABC-Mitteln). Auch Schikowski, Rechtsfragen, S. 14 geht – im Rahmen des Art. 35 GG – davon aus, daß Naturkatastrophen die Existenz eines Landes selbst gefährden und eine gemeine Gefahr für Staatsvolk und Staatsgebiet darstellen können. Klein in HStR VII, § 169 Rn. 30 spricht davon, daß die Tatbestände des Katastrophennotstandes und des innenpolitischen Notstandes zusammentreffen können, ebenso Hochhuth, NZWehrr 2002 S. 154 (156). Dürig in Maunz / Dürig, GG, Rn. 113 zu Art. 87a billigt außergewöhnlich schweren Naturkatastrophen zwar bestandsgefährdende Wirkungen zu, schließt aber aus, daß es sich dabei um inneren Notstand im Sinne der Art. 91, 87a GG handelt, ebenso Esklony, Innerer Notstand, S. 182 f. 46 Zur Bedeutung dieser Tatbestandsvariante vgl. etwa Eichhorn, Besondere Formen, S. 158, Fiebig, Einsatz der Bundeswehr, S. 341, Ipsen in BK-GG, Rn. 140 zu Art. 87a und Schikowski, Rechtsfragen, S. 37 f. einerseits („keine eigenständige Bedeutung“) und Windthorst in Sachs, GG, Rn. 12 zu Art. 91, Klein in HStR VII, § 169 Rn. 16 und Speth, Rechtsfragen, S. 39 andererseits. 47 Besondere Formen, S. 156; siehe auch S. 162: Art. 91 Abs. 1 GG meine „wirklich nur politische Gefahren“, habe „eine lediglich politische Bedeutung“. 48 Ähnlich auch die Charakterisierung bei Giese / Schunck, GG, Anm. II 1 zu Art. 91:„Polizeieinsatz bei inneren Umsturzversuchen“; Maunz, Deutsches Staatsrecht, § 24 III 8 sowie Maunz / Zippelius, Deutsches Staatsrecht, § 44 III 4: „Schutz gegen antidemokratische Aktionen“. 49 In AK-GG, Rn. 19 zu Art. 91. 50 In BK-GG, Rn. Rn. 28 zu Art. 91. 51 In von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 9 zu Art. 91.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Ursache der Notstandslage: Bei Naturkatastrophen oder schweren Unglücksfälle seien allein Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Art. 35 Abs. 3 GG einschlägig, bei auf anderen Gründen beruhenden Gefahren für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes greife ausschließlich Art. 91 GG. 54 Der (auch) politische Charakter des Art. 91 GG ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal der Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung: Eine Gefährdung der inhaltlichen Grundlagen des Gemeinwesens kann nicht von bloßen technischen oder naturbedingten Krisensituationen ausgehen. Schon in seiner ursprünglichen Fassung wurde Art. 91 GG als Regelung zur Abwehr politisch motivierter Gefährdungen verstanden 55; darauf weist auch die anfängliche Suspension 56 der in Art. 91 Abs. 2 GG niedergelegten Polizeibefugnisse der Bundesregierung durch die Alliierten hin. Auch im Rahmen der Grundgesetzänderung im Jahre 1968 wurde davon ausgegangen, daß Art. 91 GG in seiner bis dahin geltenden Fassung Naturkatastrophen und schwere Unglücksfälle nicht erfaßte 57 – dies schlug sich schließlich in der getrennten Regelung in Art. 35 Abs. 2 (Satz 2) und Art. 35 Abs. 3 GG einerseits und Art. 91 GG andererseits nieder. Vor dem Hintergrund dieser Einordnung des Art. 91 GG als „politischer“ Vorschrift lassen sich die Vorschriften nach ihrer Zielrichtung wie folgt voneinander abgrenzen: Die Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Art. 35 Abs. 3 GG findet für die Bevölkerung und zum Schutz der Bevölkerung statt, die Maß52 So wohl auch Dürig in Maunz / Dürig, GG, Rn. 113 zu Art. 87a für den Fall, daß „verfassungsfeindliche Kräfte sich die durch die Krise verursachte Schwäche des Staates zu einem Umsturzversuch zunutze machen“. 53 In Sachs, GG, Rn. 3 zu Art. 91. 54 Windthorst in Sachs, GG, Rn. 3 zu Art. 91 bezeichnet dieses von ihm angenommene Verhältnis der beiden Vorschriften fälschlich als Alternativität. Richtiger für diese Sichtweise Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 9 zu Art. 91: „verdrängende Spezialität“. 55 Folz, Staatsnotstand, S. 116: Die Möglichkeiten des Art. 91 GG seien in erster Linie für innere Unruhen geschaffen worden. Haas, Bundesaufsicht und Bundeszwang, S. 42: „[Die Polizeihilfe des Art. 91 GG] dient somit der Unterwerfung provozierten Aufruhrs, der Tätigkeit revolutionärer Parteien oder Widerstandsorganisationen oder auch der Auflehnung von Verwaltungsbehörden, der Gerichte und insbesondere des Heeres.“ 56 Vgl. Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 (abgedruckt bei Pioch, Polizeirecht, Anlage 43). Die Suspension wurde durch Schreiben der Alliierten Hohen Kommission vom 30. Januar 1951 (abgedruckt bei Pioch, Polizeirecht, Anlage 46) aufgehoben. 57 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. V/1879 S. 7: „Sondervorschriften für den Fall von Naturkatastrophen enthält das Grundgesetz überhaupt nicht“ (Hervorhebung im Original) sowie die Entwurfsfassung des Art. 91 Abs. 1 Satz 1: „Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes sowie [sic!] zur Bekämpfung einer Naturkatastrophe oder eines besonders schweren Unglücksfalles [...]“.

B. Abgrenzung des Anwendungsbereichs

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nahmen im Inneren Notstand nach Art. 91 und Art. 87a Abs. 4 GG richten sich gegen 58 die Bevölkerung (bzw. Teile der Bevölkerung) und dienen dem Schutz des Staates. Diese Zielrichtung eines Einsatzes nach Art. 91 und Art. 87a Abs. 4 GG war im übrigen auch Grund für die im Rahmen der Diskussion um die Notstandsverfassung erhobenen politischen Bedenken gegen einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren. 59 Eine Anwendung des Art. 91 GG bei Naturkatastrophen oder schweren Unglücksfällen scheidet daher aus. Dies gilt jedoch nur für die Bekämpfung der unmittelbar durch das Ereignis verursachten Gefahren, z. B. durch Maßnahmen wie Löscharbeiten, Evakuierungen und Notversorgung. Kommt es auf Grund oder bei Gelegenheit der Naturkatastrophe oder des Unglücksfalls durch menschliches Handeln zu (weiteren) Gefahren für den Bestand des Staates oder für die freiheitliche demokratische Grundordnung, etwa durch das Auftreten guerillaartig organisierter Verbrecherbanden oder in Form bürgerkriegsähnlicher Zustände 60, so müssen für die Bekämpfung dieser Gefahren, bei der es sich um einen Einsatz gegen die Bevölkerung handelt, wegen ihrer strengeren Voraussetzungen und des begrenzten Einsatzzwecks für den Einsatz der Streitkräfte Art. 91 und Art. 87a Abs. 4 GG herangezogen werden. Dies gilt jedoch nur für bestandsgefährdende Unruhen. Die nur gelegentlich einer Naturkatastrophe oder eines Unglücksfalls auftretenden Plünderungen und Übergriffe werden wegen ihrer Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 91 und Art. 87a Abs. 4 GG nicht erfaßt und sollen nach dem Willen des Verfassungsgebers mit den Mitteln des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG bekämpft werden: Nach den Erfahrungen der norddeutschen Flutkatastrophe erschien die Regelung der Zulässigkeit gewisser Notstandsmaßnahmen auch für den Fall von Naturkatastrophen und Unglücksfällen zweckmäßig. 61 Bei der Einführung der Vorschriften ging es insbesondere darum, den Einsatz der Streitkräfte als Polizeikräfte verfassungsrechtlich zu legitimieren: Zu den von den Streitkräften bei der Hamburger Flutkatastrophe wahrgenommenen Aufgaben gehörte unter anderem auch die Verhinderung von Übergriffen und Plünderungen. 62 58 In diesem Sinne wohl auch Esklony, Innerer Notstand, S. 217, der Art. 87a, 91 GG als „Regelungen zur Bekämpfung der – von Menschen ausgehenden [!] – inneren Unruhen“ bezeichnet, und Henneke / Ruge in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 8 zu Art. 87a: Der Einsatz der Bundeswehr „gegen die eigene Bevölkerung“ sei ultima ratio zur Abwehr eines inneren Notstands. 59 Vgl. etwa Hoffmann in Sterzel, Kritik der Notstandsgesetze, S. 86 (97 f.). 60 Evers in BK-GG, Rn. 28 zu Art. 91 nennt zusätzlich Massenungehorsam als mögliche Gefahr für den Bestand des Staates. Ungehorsam etwa in Form eines Steuerstreiks mag zwar auf lange Sicht bestandsgefährdende Auswirkungen haben, der Einsatz von Polizeikräften, Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) und schließlich Streitkräften kann diesbezüglich jedoch keine Abhilfe schaffen und scheidet als ungeeignetes Mittel aus. 61 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. V/1879 S. 23 (noch zu Art. 91).

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Der soeben herausgearbeiteten Abgrenzung widerspräche es, allein auf die Ursache der Notstandslage abzustellen. 63 Gestattete man für die Bekämpfung bestandsgefährdender Unruhen im Gefolge von Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen die Anwendung der Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG, so würden die besonderen Voraussetzungen der Art. 91 und Art. 87a Abs. 4 GG für einen Einsatz der Streitkräfte gegen die Bevölkerung umgangen.

III. Exkurs: Anwendung der Vorschriften über die Katastrophenhilfe (Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG) und über den Inneren Notstand (Art. 91 und 87a Abs. 4 GG) bei Terrorakten Mittels der oben erarbeiteten Abgrenzung der Vorschriften nach ihrer Zielrichtung läßt sich auch ermitteln, welche Vorschrift anzuwenden ist, wenn es um die Gefahrenbekämpfung bei einem aus politischer Motivation verursachten bestandsgefährdenden Unglücksfall geht: 64 Ist das Ereignis bereits eingetreten, so gelten Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Art. 35 Abs. 3 GG für Maßnahmen, die der Bekämpfung der unmittelbar durch den Unglücksfall hervorgerufenen Gefahren für Leib, Leben und Existenzgrundlagen der 62 Vgl. die Schilderung des Senators Ruhnau in der 3. öffentlichen Informationssitzung am 30. November 1967 (59. Sitzung des Rechtsausschusses, 75. Sitzung des Innenausschusses), Protokoll S. 8. 63 So aber Windthorst in Sachs, GG, Rn. 3 zu Art. 91. 64 Diese Frage wird seit den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001 diskutiert und erhielt nicht erst mit den Anschlägen in Madrid am 11. März 2004 neue Relevanz, sondern bereits mit dem Irrflug eines Kleinflugzeugs über Frankfurt am 5. Januar 2003. Die Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung und die Anforderungen an einfachgesetzliche Regelungen sind umstritten. § 14 Abs. 3 des als Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 (BGBl. I S. 78) erlassenen Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG), der den Abschuß eines in terroristischer Absicht verwendeten Flugzeugs ermöglicht, wurde vom Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 –, BVerfGE 115 S. 118 ff. für nichtig erklärt. Vgl. zum Ganzen statt vieler Sattler, NVwZ 2004 S. 1286 ff. m.w. N. Neben der dort aufgeführten Literatur vgl. auch Baldus, NVwZ 2004 S. 1278 ff.; Dreist, NZWehrr 2004 S. 89 ff.; Hase, DÖV 2006 S. 213 ff.; Linke, NZWehrr 2004 S. 115 ff.; ders., AöR 129 (2004) S. 489 ff.; Odendahl, Die Verwaltung 38 (2005) S. 425 ff.; Sannwald in SchmidtBleibtreu / Klein, GG, Rn. 39 zu Art. 35. Die drei letztgenannten Autoren kommen wie die Verfasserin zur Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung für den Fall, daß die Streitkräfte zur Abwehr von Terrorangriffen aus der Luft eingesetzt werden sollen. Auch Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 9 zu Art. 91 fordert eine Verfassungsänderung für den Fall, daß der Einsatz der Streitkräfte bei der Abwehr von Terroranschlägen über die Verwendung nichtmilitärischer Mittel im Sinne der klassischen Katastrophenhilfe hinausgeht.

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Bevölkerung dienen (z. B. Sicherung der Gefahrenstelle, Evakuierung der Bevölkerung, ärztliche Hilfe, Trinkwasser- und Nahrungsmittelversorgung). Sollte ein Vorgehen gegen Attentäter oder Terroristen notwendig werden, etwa weil diese mit bewaffneten Gruppen die Macht übernehmen wollen, so sind dafür Art. 91 und Art. 87a Abs. 4 GG heranzuziehen. Vorteil der Anwendung des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG für Maßnahmen zur Abwehr der unmittelbar durch den Unglücksfall herbeigeführten Gefahren ist, daß kein Unterschied zwischen absichtlich herbeigeführten Unglücksfällen und auf menschlichem oder technischem Versagen beruhenden Unfällen gemacht werden muß; eine derartige Unterscheidung wäre unpraktikabel, da es – von Fällen expliziter Drohungen abgesehen – in der konkreten Einsatzsituation oft nur schwer möglich sein dürfte, etwa die Ursache für einen Störfall in einem Kernkraftwerk oder für einen Flugzeugabsturz auf eine Chemiefabrik zu ermitteln. Steht ein Unglücksfall erst bevor und erlangen die Behörden Kenntnis von den Plänen der Attentäter, so geht es darum, sowohl seinen Eintritt zu verhindern als auch Vorkehrungen für den Fall des Eintritts zu treffen. Ersteres erfordert ein Vorgehen gegen die Verursacher, etwa indem Attentäter ermittelt und festgenommen sowie die Tatmittel unschädlich gemacht werden (nötigenfalls auch durch Abschuß des als „Waffe“ verwendeten Flugzeugs); letzteres erfordert Maßnahmen, die sich nicht gegen Menschen richten, sondern ihrem Schutz dienen, z. B. Evakuierungen und Absperrungen. Für diese „passive“ Gefahrenabwehr kann wieder Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Art. 35 Abs. 3 GG herangezogen werden. Für ein Vorgehen, das sich gezielt gegen Menschen richtet, müssen jedoch Art. 91 und Art. 87a Abs. 4 GG mit ihren erhöhten Anforderungen und begrenzten Möglichkeiten für einen Einsatz der Streitkräfte beachtet werden. 65

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG I. Tatbestandliche Voraussetzungen einer Anforderung Als tatbestandliche Voraussetzung ergibt sich aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG lediglich, daß es sich um eine Anforderung zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglücksfall handeln muß. Diese spärlich formulierten Tatbestandsmerkmale bedürfen der näheren Betrachtung und möglicherweise der Ergänzung.

65 Zwischen dem Schadensereignis selbst und seinen Folgen und Wirkungen für die Bevölkerung unterscheidet auch Hase, DÖV 2006 S. 213 (216): die Streitkräfte sollen nur bei der Bewältigung der Folgen und Wirkungen Hilfe leisten können; die Verhinderung von Schadensereignissen in Form von Terrorangriffen ist und bleibt Aufgabe der Polizei.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

1. Naturkatastrophe oder besonders schwerer Unglücksfall Naturkatastrophe und besonders schwerer Unglücksfall wurden bereits definiert als „durch natürliche oder technische Ereignisse hervorgerufene Gefährdungen oder Schädigungen von Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder von Sachgütern von bedeutendem Wert oder existentieller Bedeutung, die durch die für die Gefahrenabwehr ordentlich zuständigen Kräfte nicht abgewehrt werden können“. 66 Die Verwendung des Begriffs der Gefahr und damit die Einbeziehung des Falles, daß eine Naturkatastrophe oder ein Unglücksfall noch nicht eingetreten ist, sondern erst droht, rechtfertigt sich daraus, daß Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG eine Gefährdung genügen läßt und auf die Naturkatastrophe bzw. den Unglücksfall Bezug nimmt. Wegen dieser Anknüpfung muß auch für Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG das Vorliegen einer Gefahr ausreichen 67. 2. Regionale Gefahr? Die Situation des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG wird vielfach in Abgrenzung zu der des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG als „regionaler“ Notstand bezeichnet 68. Dies ist irreführend, denn Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ist nicht nur bei regionalen, also auf das Gebiet eines Landes beschränkten Schadensereignissen anwendbar, sondern auch bei solchen, die das Gebiet mehrerer Länder betreffen 69. Das ergibt sich aus einer Analyse des Anwendungsbereichs des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG: Danach ist die Bundesregierung zwar zum Handeln berechtigt, wenn das Ereignis das Gebiet mehr als eines Landes gefährdet, dies aber nur unter der Voraussetzung, daß ein Eingreifen zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist. Wegen dieses Vorbehalts kann ein Vorgehen der Länder nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG bei einer überregionalen Gefährdung nicht ausgeschlossen sein, es ist vielmehr sogar vorrangig 70. 66

Siehe oben unter B. I. (S. 26). Anderer Ansicht wohl Hochhuth, NZWehrr 2002 S. 154 (157). Der Begründung von Hillgruber / Hoffmann, NWVBl. 2004 S. 176 (177), wonach die gefahrenabwehrrechtliche Betrachtungsweise aus dem engen Zusammenhang von Art. 35 Abs. 2 Satz 1 und Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG zu entnehmen sei, ist aus entstehungsgeschichtlichen Gründen allerdings nicht zu folgen, da Satz 1 nachträglich vorangestellt wurde. 68 Bauer in Dreier, GG, Überschrift vor Rn. 24 zu Art. 35; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 25 zu Art. 35; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 15 zu Art. 35; Brockmeyer in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG (9. Aufl.), Rn. 10 zu Art. 35. 69 So auch Eichhorn, Besondere Formen, S. 108; Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 48 zu Art. 35. 70 Zur Subsidiarität des Eingreifens der Bundesregierung siehe unten in diesem Teil unter D. I. 2. (im Text bei Fn. 443 ff.). 67

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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3. Zusammenhang zwischen Naturkatastrophe bzw. Unglücksfall und Hilfeleistung Die Anforderung darf nur „zur Hilfe bei“ einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglückfall erfolgen. Der durch diese Formulierung geforderte inhaltliche Zusammenhang zwischen Naturkatastrophe bzw. Unglücksfall und Hilfeleistung besteht nicht, wenn die Hilfe nur gelegentlich einer Naturkatastrophe oder eines Unglücksfalls zu anderen Zwecken erfolgen soll. So dürfen Fremdkräfte nicht aufgrund von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG angefordert (und auf dieser Grundlage angeforderte Kräfte nicht eingesetzt) werden, um Demonstrationen zu sichern, Gefahrguttransporte zu schützen oder sonstige polizeiliche Aufgaben wahrzunehmen, die zeitgleich mit einer Naturkatastrophe oder einem Unglücksfall anfallen können, jedoch nicht damit in Zusammenhang stehen. Des weiteren ist zu klären, in welchem zeitlichen Zusammenhang die Hilfe zu dem Ereignis stehen muß. Das Tatbestandsmerkmal der Hilfe „bei“ einem Schadensereignis ist jedenfalls dann erfüllt, wenn es um Hilfe in der akuten Krisensituation geht, z. B. während eines Unwetters, einer Sturmflut oder eines Großbrandes. Als rechtlicher Terminus läßt sich dafür der Begriff der gegenwärtigen Gefahr heranziehen 71. Dabei handelt es sich um eine Lage, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder unmittelbar mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht. 72 Problematischer wird es dagegen, wenn das Ereignis noch nicht unmittelbar bevorsteht oder wenn es bereits geschehen ist. Praktisch stellt sich die Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG gegeben sind, wenn Hilfe für Maßnahmen der vorbeugenden Katastrophenabwehr oder aber für Maßnahmen zur Wiederherstellung der normalen Verhältnisse angefordert wird. Maßnahmen im Vorfeld kommen bei Unglücksfällen aufgrund technischen oder menschlichen Versagens 73 wegen des plötzlichen Eintretens nicht, bei Naturkatastrophen, deren Eintritt ebenfalls nicht verhindert werden kann, nur in Gestalt 71 Für eine Heranziehung des Begriffs der gegenwärtigen Gefahr für die Hilfe bei einem Unglücksfall Martínez Soria, DVBl. 2004 S. 597 (602). 72 Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 94 und Denninger in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil E Rn. 43 unter Hinweis auf die Definition in § 2 Nr. 3b BremPOG (sowie § 2 Nr. 1 b) NGefAG und § 3 Nr. 3 b) SOG LSA). 73 Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG können zur Verhinderung von Terroranschlägen oder Sabotageakten, also absichtlich herbeigeführten Unglücksfällen, nicht herangezogen werden, siehe oben unter B. III. Schadensmindernde Maßnahmen im Vorfeld kommen nur in Betracht, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte für bevorstehende Anschläge vorliegen.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

von schadensmindernden Maßnahmen in Betracht – sofern es eine hinreichende Vorwarnzeit gibt. Zu derartigen Maßnahmen zählen etwa vorsorgliche Evakuierungen (einschließlich der Errichtung der notwendigen Versorgungseinrichtungen und Unterkünfte, z. B. Zeltstädte), Bau und Verstärkung von Deichen sowie der Schutz von Sachgütern (Vieh, Maschinen, Kulturschätze) durch Verbringung an einen sicheren Ort. Um Maßnahmen nach Beendigung der akuten Krisensituation handelt es sich, wenn eine gegenwärtige Gefahr nicht mehr besteht, wenn es also nicht mehr um die Rettung von Leben und Gesundheit der Bevölkerung sowie von bedeutenden Sachgütern, sondern um die Wiederherstellung des Normalzustandes geht. Dazu dienen etwa der Bau von Behelfsbrücken und Notstraßen oder „Aufräumarbeiten“ wie das Wegräumen von Schutt, Schlamm und umgestürzten Bäumen 74. Für das Stadium vor dem Bestehen einer gegenwärtigen Gefahr hilft der allgemeine polizeirechtliche Gefahrenbegriff 75, die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG genauer zu fassen: Um Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall handelt es sich, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, daß in absehbarer Zeit durch eine Naturkatastrophe oder einen Unglücksfall ein Schaden für Leib oder Leben einer Vielzahl von Menschen oder für bedeutsame Sachgüter eintreten wird. 76 Der in der Literatur teilweise vertretenen Meinung, präventive Maßnahmen der Streitkräfte seien nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Art. 35 Abs. 3 GG nicht möglich 77, ist nicht zuzustimmen: 78 Für eine derartige Einschränkung – die im übrigen nur für die 74 Die Übernahme von Aufräumarbeiten etwa durch Kräfte der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk oder der Streitkräfte ist für die betroffenen Gemeinden und Landkreise auch finanziell von Interesse: Zwar haben sie aufgrund der Aufgabenlast für den Katastrophenschutz die Kosten des Einsatzes zu tragen, doch sieht der Bund unter Umständen – wie etwa im Fall des Elbhochwassers im Jahr 2002 (siehe dazu Punkt 2 des 12-Punkte-Programms der Bundesregierung vom 15. August 2002, http://www.bmi.bund.de/dokumente /Pressemitteilung/ix_90186.htm [abgerufen am 8. September 2004 um 11:42 Uhr]) – von einer entsprechenden Forderung ab. Zur Verfassungswidrigkeit dieses Vorgehens siehe unten in diesem Teil unter C. IV. 6. (im Text bei Fn. 434). 75 Zur Definition vgl. etwa Denninger in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil E Rn. 29 ff. unter Bezugnahme auf die Definition in § 2 Nr. 1a NGefAG, § 2 Nr. 3a BremPolG, § 3 Nr. 3a SOG LSA. Für eine Heranziehung des polizeirechtlichen Gefahrenbegriffs explizit etwa Hillgruber / Hoffmann, NWVBl. 2004 S. 176 (177 f.). Auch Lorse, Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (476) ist der Ansicht, Naturkatastrophen und besonders schwere Unglücksfälle erfüllten den polizeilichen Gefahrenbegriff. 76 Anderer Ansicht BVerfG, Urteil vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 –, BVerfGE 115 S. 118 (145 f.) und bereits zuvor Martínez Soria, DVBl. 2004 S. 597 (602); gefordert wird explizit das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr (für den Einsatz der Streitkräfte zur Abwehr eines Terrorakts). Für das Ausreichen einer unmittelbar drohenden Gefahr insbesondere im Hinblick auf Naturkatastrophen dagegen Schenke, NJW 2006 S. 736 (737).

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Anforderung von Kräften und Einrichtungen der Streitkräfte, nicht aber für die Anforderung der anderen in der Vorschrift genannten Kräfte und Einrichtungen behauptet wird – lassen sich weder Hinweise im Verfassungstext noch eine überzeugende Begründung anführen. Einer Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten der Streitkräfte kann durch die Heranziehung des polizeirechtlichen Gefahrenbegriffs vorgebeugt werden. Eine Beschränkung auf Maßnahmen nach Schadenseintritt wäre zudem im Fall sich langsam aufbauender Naturkatastrophen (insbesondere Hochwasser) nicht sachgerecht: 79 Dort werden Einheiten der Streitkräfte bereits vor Schadenseintritt etwa zur Deichsicherung oder zu vorsorglichen Evakuierungen benötigt. Die Anforderung von Hilfe zur Durchführung schadensmindernder Maßnahmen ist also von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG gedeckt. Nicht darunter fallen jedoch Maßnahmen der Gefahrenvorsorge, die von einer konkreten Situation unabhängig sind, etwa die Inanspruchnahme der Streitkräfte für den regulären Deichbau. Dies ließe sich mit dem Wortlaut „Hilfe bei einer Naturkatastrophe“ nicht mehr vereinbaren; es handelte sich um eine dauerhafte Durchbrechung der Zuständigkeitsordnung und wäre zudem vor dem Hintergrund des Art. 87a Abs. 2 GG nicht zulässig, weil aus dem ausnahmsweise zugelassenen kurzfristigen Auftrag der Streitkräfte keine Daueraufgabe hergeleitet werden kann 80. Offen ist die Frage, wann die von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG vorausgesetzte Situation endet. Bei strikter Anwendung des polizeirechtlichen Gefahrenbegriffs liegt es nahe, dann nicht mehr von Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem Unglücksfall auszugehen, wenn kein weiterer Schaden für die geschützten 77 Fiebig, Einsatz der Bundeswehr, S. 325 f.; Krings / Burkiczak, DÖV 2002 S. 501 (512); dies., NWVBl. 2004 S. 249 (251); Lutze, NZWehrr 2003 S. 101 (105); Odendahl, Die Verwaltung 38 (2005) S. 425 (440); Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 39 zu Art. 35. Wohl auch Wolff, ThürVBl. 2003 S. 176 (177). Hochhuth, NZWehrr 2002 S. 154 (157) hält präventive Maßnahmen nach Art. 35 Abs. 3 GG, anscheinend jedoch nicht nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG für zulässig. 78 Im Ergebnis wie hier BVerfG, Urteil vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 –, BVerfGE 115 S. 118 (144 ff.); Baldus, NVwZ 2004 S. 1278 (1283); Hase, DÖV 2006 S. 213 (216 Fn. 31); Linke, NZWehrr 2004 S. 115 (119); Seifert / Bünker, ThürVBl. 2006 S. 49 (54); Wiefelspütz, NZWehrr 2003 S. 45 (62) und wohl auch Gramm, NZWehrr 2003 S. 89 (93). 79 Darauf wird hingewiesen von Linke, NZWehrr 2004 S. 115 (119); ders., AöR 129 (2004) S. 489 (520 f.). 80 So Repkewitz, Bundeswehr und Umweltschutz, S. 183 Fn. 46 gegen die von Majer, BWV 1992 S. 221 (222) vorgeschlagene Wahrnehmung umweltpolizeilicher Aufgaben durch die Bundeswehr auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 2 und 3 GG. Den Ausnahmecharakter der polizeilichen Verwendungen der Bundeswehr betont auch Martínez Soria, DVBl. 2004 S. 597 (599). Lorse, Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (483) sieht die Grenze unter anderem dort erreicht, „wo über die Erfassung der Sach- und Personalressourcen der Streitkräfte hinaus Tendenzen einer dauerhaften Bindung dieser Mittel für Aufgaben des Katastrophenschutzes sichtbar werden“.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

bedeutenden Rechtsgüter droht; dies wäre etwa dann der Fall, wenn Leben und Gesundheit von Menschen nicht mehr gefährdet sind, etwa weil Evakuierte in ihre Häuser zurück können, Obdachlose untergebracht sind und die Grundversorgung mit Trinkwasser, Elektrizität und Nahrungsmitteln wieder sichergestellt ist. Bei der Prüfung, ob die Inanspruchnahme (Anforderung von Kräften oder Verwendung bereits zur unmittelbaren Gefahrenabwehr angeforderter Kräfte) von Hilfe für „Aufräumarbeiten“ möglich ist, ist danach zu differenzieren, ob die Arbeiten noch zur Abwehr von Gefahren für bedeutende Rechtsgüter dienen – wie etwa die notdürftige Instandsetzung der einzigen zu einem abgelegenen Dorf führenden Straße – oder ob sie lediglich die Wiederherstellung des Normalzustandes beschleunigen sollen – z. B. durch Wegräumen von Schutt und Geröll, wenn dies durch die verantwortlichen Behörden oder Privatpersonen auch (wenngleich mit größerem Aufwand) erledigt werden könnte. Bei den erstgenannten Maßnahmen handelt es sich um Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem Unglücksfall, bei den anderen nicht. 4. Erforderlichkeit der Hilfeleistung als Tatbestandsmerkmal Nach fast einhelliger Auffassung 81 ist die Erforderlichkeit der Hilfeleistung ungeschriebene Voraussetzung einer Anforderung. Sie wird teilweise ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal bezeichnet 82. Die Hilfeleistung soll nur dann erforderlich sein, wenn das betroffene Land die Lage ohne die Unterstützung nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten bewältigen könnte. Als Begründung wird von einigen 83 Autoren der dem Art. 35 GG insgesamt „zugrundeliegende Gedanken der Hilfeleistung“ herangezogen; woraus sich dieser Gedanke ergibt und inwiefern er Art. 35 GG insgesamt zugrunde liegt, ist aber nicht ersichtlich, zumal bei der zweimal mit unterschiedlichen Zielsetzungen ergänzten Vorschrift kaum von einem einheitlichen Grundgedanken die Rede sein kann. Auch eine Bezugnahme auf allgemeine Grundsätze der Amtshilfe dürfte zumindest den Autoren nicht als Begründung ausreichen, die in der Katastrophenhilfe gerade keine Form der Amtshilfe sehen 84. 81 Bauer in Dreier, GG, Rn. 24 zu Art. 35; Eichhorn, Besondere Formen, S. 108; Erbguth in Sachs, GG, Rn. 38 zu Art. 35; Esklony, Innerer Notstand, S. 218; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 25 zu Art. 35; Hase in AK-GG, Rn. 4 zu Art. 35 Abs. 2, 3; Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 7 zu Art. 35; von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 70 zu Art. 35. Wohl auch Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 367; Klückmann, DÖV 1976 S. 333 (338). Unklar Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 15 zu Art. 35. 82 Eichhorn, Besondere Formen, S. 108; von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 70 zu Art. 35. 83 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 25 zu Art. 35; von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 70 zu Art. 35 („Wesen der Hilfeleistung“); Eichhorn, Besondere Formen, S. 108; Esklony, Innerer Notstand, S. 219.

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Von anderen 85 wird an die entsprechende Regelung in Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG angeknüpft. Eine Herleitung der Erforderlichkeit fremder Hilfe als Tatbestandsmerkmal des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG aus dem entsprechenden Tatbestandsmerkmal des Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG ist angesichts der Entstehungsgeschichte der Vorschrift jedoch nicht statthaft, denn Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG wurde später als die Vorschriften über die Katastrophenhilfe eingefügt 86. Kleiner 87 erklärt die Annahme eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals damit, daß Gefahrenlagen, deren Abwehr auch dem Land selbst überlassen werden könne, ein Hinzuziehen der Streitkräfte nicht rechtfertigten. Dies trägt zwar den im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Vorbehalten gegen ein Tätigwerden der Streitkräfte Rechnung, damit ist jedoch nicht geklärt, ob in einem derartigen Fall andere Kräfte (etwa der Polizei oder des Bundesgrenzschutzes [„Bundespolizei“]) angefordert werden dürfen. Auch wenn die aufgeführten Begründungen nicht zu überzeugen vermögen, ist der dargestellten Position doch im Ergebnis zuzustimmen. Das System der Aufgabenverteilung im Bundesstaat und die Eigenstaatlichkeit 88 eines Landes fordern, daß ein betroffenes Land die ihm als Aufgabe obliegende Gefahrenabwehr soweit wie möglich selbst durchführt und nicht auf andere verlagert. Dazu muß es die ihm zur Verfügung stehenden eigenen Möglichkeiten nutzen und hat nur dann nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG einen Anspruch 89 auf Hilfe durch andere Länder oder den Bund, wenn die eigenen Kräfte der Situation nicht gewachsen sind, wenn also eine effektive Gefahrenabwehr durch die eigenen Kräfte nicht möglich ist. Eine Anforderung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG setzt demnach voraus, daß die Hilfeleistung erforderlich ist. Die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme fremder Hilfe hängt nicht nur von tatsächlichen Gegebenheiten ab, sondern insbesondere von der Beurteilung der Lage und der Prognose der weiteren Entwicklung. Diesbezüglich kommt dem betroffenen Land eine Einschätzungsprärogative zu. 90 Daneben bestimmt sich die Erforderlichkeit auch nach dem von dem betroffenen Land verfolgten Gefahrenabwehrkonzept. 84 So etwa Eichhorn, Besondere Formen, S. 80 ff.; von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 59 zu Art. 35. 85 Bauer in Dreier, GG, Rn. 24 zu Art. 35; Erbguth in Sachs, GG, Rn. 38 zu Art. 35; Esklony, Innerer Notstand, S. 219; Hase in AK-GG, Rn. 4 zu Art. 35 Abs. 2, 3. 86 Durch Gesetz vom 28. Juli 1972 (BGBl. I S. 1305). 87 Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 366. 88 So Klein in HStR VII, § 169 Rn. 21 (zu Art. 91 GG), der aber auch auf den Grundsatz der Amtshilfe als „ergänzende“ Hilfe verweist. 89 Zur grundsätzlichen Hilfeleistungspflicht der Anforderungsadressaten siehe unten in diesem Teil unter C. III. 3. 90 Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 40 zu Art. 35: Einschätzungsprärogative bei der Beurteilung des Ausmaßes des Unglücks- oder Katastrophenfalls.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Eine zuverlässige Prognose ist sowohl bei Naturkatastrophen als auch bei schweren Unglücksfällen sehr schwierig: Die Außerordentlichkeit des Ereignisses verhindert den Rückgriff auf Erfahrungswerte, und äußere Umstände – wie etwa die Wetterlage oder die Windrichtung, die erheblichen Einfluß auf die weitere Entwicklung der Situation haben können – lassen sich nicht hinreichend sicher vorhersagen. Hinzu kommt, daß vielfach bereits die der Prognose zugrundeliegende Lagebeurteilung katastrophenbedingt durch Störungen der Kommunikationsverbindungen, durch Falschmeldungen oder durch Ausfall von Meßgeräten oder allgemein durch organisatorische Defizite mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sein wird. 91 Auf der Grundlage der so getroffenen Prognose muß dann ein Gefahrenabwehrkonzept erstellt werden. Zu entscheiden ist nicht nur, wie intensiv und (kosten- oder personal-)aufwendig die Katastrophenabwehr sein soll, sondern auch, ob bestimmte Anlagen und Einrichtungen geschützt werden, ob man ein bestimmtes Gebiet zugunsten eines anderen aufgibt oder ob etwa ein bedeutendes Kulturdenkmal oder statt dessen der Betrieb eines für die Region wichtigen Arbeitgebers gerettet werden soll. Damit handelt es sich bei der Entwicklung des Gefahrenabwehrkonzepts durchaus um eine politische Entscheidung 92, wenn auch das politische Moment im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG weniger offensichtlich ist als bei Art. 91 und Art. 87a Abs. 4 GG 93. Dieses Gefahrenabwehrkonzept ist der Maßstab, nach dem sich die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme fremder Hilfe bestimmt. Ob für die nach dem Gefahrenabwehrkonzept geplanten Abwehrmaßnahmen die (landes-)eigenen Kräfte ausreichen oder die Hilfe fremder Kräfte notwendig ist, ist wiederum prognostisch zu beurteilen. Dabei muß nicht abgewartet werden, bis die eigenen Kräfte erschöpft sind; 94 die Anforderung fremder Hilfe ist vielmehr schon dann zulässig, wenn das Obsiegen mit eigenen Kräften unsicher erscheint. 95 91 Vgl. beispielhaft die Probleme (bzgl. Datenspektrum, Meldewegen, Vernetzung) während der Flut im August 2002 in Sachsen, von Kirchbach / Franke / Biele, Bericht der Unabhängigen Kommission der Sächsischen Staatsregierung Flutkatastrophe 2002, S. 65 ff., 84 ff. 92 Eichhorn, Besondere Formen, S. 125. Zur einfachrechtlichen Ausgestaltung siehe im Dritten Teil unter B. III. 1. und 2. sowie B. IV. 1. 93 Zur Bedeutung politischer Bewertungen im Rahmen des Art. 91 vgl. etwa Hase, AKGG, Rn. 18, 22 zu Art. 91 und Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 13, 22 zu Art. 91. 94 So für den Fall des Art. 91 Abs. 1 GG Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 14 zu Art. 91; Klein in HStR VII, § 169 Rn. 21. 95 Klückmann, DÖV 1976 S. 333 (338). Enger Klein in HStR VII, § 169 Rn. 21 (zu Art. 91): Es genüge, daß das Land erkennt, daß seine eigenen Hilfskräfte nicht ausreichen. Zu weit dagegen Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 83, dem es ausreicht, wenn die Hilfe (der Streitkräfte) „ratsam“ erscheint.

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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II. Formelle Voraussetzungen einer Anforderung Über die formellen Voraussetzungen einer Anforderung wie die Form der Anforderung, die Zuständigkeit für die Anforderung innerhalb des betroffenen Landes oder die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Zurverfügungstellung von Kräften beim Anforderungsadressaten trifft das Grundgesetz keine Aussage. Sie richten sich daher nach dem einfachen Recht. 96

III. Rechtsfolge 1. Anforderbare Kräfte und Einrichtungen Nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG können Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte angefordert werden. a) Begriff der „Kräfte und Einrichtungen“ Der Begriff „Kräfte“ 97 meint alle Bediensteten der betreffenden Verwaltungen 98, des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) oder der Streitkräfte 99; dabei können sowohl ganze Personengruppen einschließlich des logistischen Personals als auch einzelne Personen mit besonderen Qualifikationen angefordert werden 100. Unter „Einrichtungen“ sind alle sächlichen Mittel zu verstehen, z. B. Kraftfahrzeuge, Fernmeldeanlagen, Gebäude, Wasserfahrzeuge, Verkehrsanlagen und -einrichtungen, Sendefrequenzen, Vorräte, Geräte, Decken, Medikamente, Lebensmittel 101. Sie können unabhängig von ihrer ursprünglichen Bestimmung verwendet werden, etwa Postfahrzeuge als Krankenwagen 102 oder öffentliche Verwaltungsgebäude zur Unterbringung von Obdachlosen 103. 96

Eichhorn, Besondere Formen, S. 130 ff. Zum Begriff der Polizei„kräfte“ siehe sogleich unter C. III. 1. e) aa). 98 Zum Begriff der anderen Verwaltungen siehe sogleich unter C. III. 1. b). 99 Arndt, DVBl. 1968 S. 729; Eichhorn, Besondere Formen, S. 112; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 24 zu Art. 35; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 16 zu Art. 35; von Mangoldt / Klein, GG, Anm. III 9b bb zu Art. 91; Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3a (S. 1464); Windthorst in Sachs, GG, Rn. 26 zu Art. 91. 100 Eichhorn, Besondere Formen, S. 112, mit Beispielen (Pilot, Sprengmeister). 101 Siehe die Aufzählungen bei Arndt, DVBl. 1968 S. 729; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 24 zu Art. 35; Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 88; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 26 zu Art. 91. 102 Eichhorn, Besondere Formen, S. 112; von Mangoldt / Klein, GG, Anm. 9 III b cc zu Art. 91. 97

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

„Kräfte“ einerseits und „Einrichtungen“ andererseits können unabhängig voneinander angefordert werden. Andernfalls hätte der Gesetzgeber wie in Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG als Sammelbegriff für „Kräfte und Einrichtungen“ den Begriff „Einheiten“ verwendet. 104 b) Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen Unter den Begriff der anderen Verwaltungen fallen die unmittelbare und die mittelbare Staatsverwaltung 105, also Bund und Länder, Gebietskörperschaften und sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten 106, soweit sie hoheitliche Aufgaben erfüllen 107. Auch Beliehene sind Verwaltungsträger, soweit ihr hoheitlicher Kompetenzbereich reicht 108, und damit zu den „anderen Verwaltungen“ zu rechnen 109 – anders als die Verwaltungshelfer, die nicht selbständig, sondern nur im Auftrag und nach Weisung einer Behörde tätig werden 110. Die Regelung soll insbesondere auf die technischen Sonderverwaltungen der Hoheitsträger zielen. 111 Die in der Literatur beispielhaft aufgeführten Verwaltungen der Bundesbahn und der Bundespost 112 kommen wegen ihrer Umwandlung in private Unternehmen 113 und ihrer rein privatrechtlichen Tätigkeit inzwischen 103 Benda, Notstandsverfassung, S. 146; Eichhorn, Besondere Formen, S. 112; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 16 zu Art. 35; von Mangoldt / Klein, GG, Anm. 9 III b cc zu Art. 91. Die von Maunz (a.a. O.) und von Mangoldt / Klein (a.a. O.) zusätzlich aufgeführte Verwendung von Gebäuden der Bundesverwaltung zur „Unterbringung“ von „Versorgungsgütern oder Geräten“ dürfte auf einer fehlerhaften Lesart der Ausführungen Bendas (a.a. O.) beruhen, der erläutert, daß „z. B. öffentliche Gebäude der Bundesverwaltung für die Unterbringung von Obdachlosen oder Geräte oder Versorgungsgüter zur Betreuung der unmittelbar Betroffenen oder zur Durchführung von technischen Sicherungsaufgaben“ in Anspruch genommen werden können. 104 Eichhorn, Besondere Formen, S. 113 f. 105 Eichhorn, Besondere Formen, S. 119 f.; Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 21 zu Art. 91; Heun in Dreier, GG, Rn. 16 zu Art. 91. 106 Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 88. 107 Eichhorn, Besondere Formen, S. 119 f. 108 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 56. 109 Eichhorn, Besondere Formen, S. 120. 110 Eichhorn, Besondere Formen, S. 120. Zum Begriff des Verwaltungshelfers Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 62. 111 Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 88; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 27 zu Art. 91. 112 Benda, Notstandsverfassung, S. 135 für die Anforderung nach Art. 91 Abs. 1 GG, wörtlich zitiert von Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 88 für die Anforderung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Art. 91 GG. Auch von Mangoldt / Klein, GG, Anm. III 9b aa zu Art. 91 führen beispielhaft die Bundespostverwaltung an. 113 Für die Bundesbahn siehe das Eisenbahnneuordnungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378), für die Bundespost das Postneuordnungsgesetz vom 14. September 1994 (BGBl. I S. 2325).

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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allerdings nicht mehr in Betracht 114, ebenso wenig wie das ebenfalls genannte 115 Zivilschutzkorps, das aus finanziellen Gründen nie aufgestellt wurde 116 und dessen gesetzliche Grundlage mit der Aufhebung des Gesetzes über das Zivilschutzkorps 117 entfallen ist. Primäres Anforderungsobjekt wird das Technische Hilfswerk (THW) sein. Es ist eine nichtrechtsfähige Bundesanstalt mit eigenem Verwaltungsunterbau im Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (§ 1 Abs. 2 THW-HelfRG 118) und wurde durch Erlaß des Bundesministers des Innern vom 25. August 1953 errichtet 119. In den Vorschriften des THW-Helferrechtsgesetzes hat es inzwischen 120 eine ausreichende Rechtsgrundlage für seine Existenz und Betätigung gefunden. Es ist sozusagen „geborener Katastrophenhelfer“: Zu seinen Aufgaben gehört nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 THW-HelfRG neben der technischen Hilfe im Zivilschutz (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 THW-HelfRG) und der technischen Hilfe im Auftrag der Bundesregierung außerhalb der Bundesrepublik (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 THW-HelfRG) die technische Hilfe bei der Bekämpfung von Katastrophen, öffentlichen Notständen und Unglücksfällen größeren Ausmaßes auf Anforderung der für die Gefahrenabwehr zuständigen Stellen, insbesondere im Bergungs- und Instandsetzungsdienst. 121

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Eichhorn, Besondere Formen, S. 120. Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 21 zu Art. 91; Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 88; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 27 zu Art. 91; Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. V/1879 S. 23. 116 Bahro / Eisel, Erweiterter Katastrophenschutz, S. 23 f. unter Verweis auf Art. 18 Nr. 4 des Haushaltssicherungsgesetzes vom 20. Dezember 1965 (BGBl. I S. 2065) und auf Art. 17 Nr. 3 des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967 (BGBl. I S. 1259). 117 Gesetz über das Zivilschutzkorps vom 12. August 1965 (BGBl. I S. 782), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 645), aufgehoben durch Art. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Ergänzung des Katastrophenschutzes und anderer Vorschriften vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 120). 118 Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Helfer der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW-Helferrechtsgesetz – THW-HelfRG) vom 22. Januar 1990 (BGBl. I S. 118), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3592). 119 Erlaß über die Errichtung des Technischen Hilfswerks (THW) als nichtrechtsfähige Bundesanstalt vom 25. August 1953 (GMBl. S. 507), außer Kraft getreten am 1. Januar 1993 gemäß § 7 Abs. 2 des Erlasses über die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk vom 22. Dezember 1992 (GMBl. 1993 S. 3). 120 Die Zulässigkeit der Errichtung des Technischen Hilfswerks sowie der Regelung der Rechtsverhältnisse seiner Helfer durch Erlasse war umstritten. Vgl. dazu die Begründung zum Entwurf eines THW-Helferrechtsgesetzes, BR-Drs. 248/89 S. 9. 121 Der Errichtungserlaß (Fn. 119) sah unter Abschnitt II. (1) folgende Aufgaben vor: „a) Leistung technischer Hilfe bei Katastrophen und Unglücksfällen größeren Ausmaßes, b) Leistung technischer Dienste im zivilen Luftschutz, c) Leistung technischer Hilfe bei der Beseitigung von öffentlichen Notständen, durch welche die lebenswichtige Versorgung der Bevölkerung, der öffentliche Gesundheitsdienst oder der lebensnotwendige Verkehr gefähr115

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Dem Technischen Hilfswerk stehen mehr als 60.000 ehrenamtliche Helfer zur Verfügung, die in Technischen Zügen mit Fachgruppen (u. a. Räumung, Wassergefahren, Elektroversorgung, Trinkwasserversorgung) organisiert sind. 122 So waren beispielsweise beim Elbe-Hochwasser im August 2002 zeitweise rund 11.000 Helfer 123 mit den Schwerpunkten Deichsicherung, Notstromversorgung, Evakuierung und Trinkwasseraufbereitung 124 sowie zum Bau von Behelfsbrücken 125 eingesetzt. Beim Wintereinbruch im Münsterland Ende November 2005 wurde das Technische Hilfswerk vor allem zur Stromversorgung für öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser und Altenheime, aber auch für Privathaushalte und Bauernhöfe eingesetzt. 126 Zu den anderen Verwaltungen zählt auch die Bundeswehrverwaltung 127. Sie ist vom im Grundgesetz verwendeten Begriff der „Streitkräfte“ nicht erfaßt. 128 Die Bundeswehrverwaltung ist eine zivile 129 bundeseigene Verwaltung (Art. 87b Abs. 1 Satz 1 GG). Sie dient nach Art. 87b Abs. 1 Satz 2 GG unter anderem der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte, das heißt der Bereitstellung von Dienstleistungen und Material, erfaßt also insbesondere das Beschaffungs-, Instandsetzungs-, Lager-, Unterkunfts- und Liegenschaftswesen 130. Im Katastrophenfall kommt eine Inanspruchnahme der Bundeswehrverwaltung hauptsächlich zur Bereitstellung von Sachgütern (Decken, Bekleidung, Notrationen, Unterkünfte usw.) in Betracht.

det werden, sofern alle anderen hierfür vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichen [...]“. Zum Verhältnis dieser Aufgaben zu den in § 1 Abs. 2 THW-HelfRG genannten vgl. die Begründung zum Entwurf eines THW-Helferrechtsgesetzes, BR-Drs. 248/89 S. 11 f. 122 www.thw.de/wirueberuns/ueberblick.htm (abgerufen am 9. September 2004 um 17:15 Uhr). 123 Meldung vom 20. August 2002, www.thw.de/thw-inland/meldungen/2002/flut_026 .htm (abgerufen am 9. September 2004 um 17:18 Uhr). 124 Meldung vom 18. August 2002, www.thw.de/thw-inland/meldungen/2002/flut_009 .htm (abgerufen am 9. September 2004 um 17:19 Uhr). 125 Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 198 vom 27. August 2002 S. 7 („THW soll sich auch an Aufräumarbeiten beteiligen“). 126 Bericht des Technischen Hilfswerks vom 28. November 2005, einsehbar unter http://www.thw.bund.de/cln_011/nn_244766/DE/content/meldungen/thw_im_inland /einsaetze/2005/11/meldung_006.html_nnn=true (abgerufen am 30. November 2005 um 9:40 Uhr). 127 Zur derzeitigen Struktur der Bundeswehrverwaltung siehe Fiebig, Einsatz der Bundeswehr, S. 46 ff. 128 Ipsen in BK-GG, Rn. 13 (am Ende) zu Art. 91; Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 13; Sturm, Streitkräfte, S. 7. 129 Heun in Dreier, GG, Rn. 5 zu Art. 87b; Kokott in Sachs, GG, Rn. 2 zu Art. 87b; Reinfried / Steinebach, Bundeswehrverwaltung, S. 31. 130 Heun in Dreier, GG, Rn. 5 zu Art. 87b; Kokott in Sachs, GG, Rn. 6 zu Art. 87b.

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Die im Rahmen des Privatisierungsprozesses 131 der Bundeswehrverwaltung durch das Bundesministerium der Verteidigung gegründete und zu 100% in der Hand des Bundes stehende 132 „Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH“ („g.e.b.b.“), die ein Netzwerk an privaten Gesellschaften auf den Geschäftsfeldern Liegenschaften, Flottenmanagement 133, Bekleidungsmanagement 134 und Informationstechnologie zusammenhalten soll 135, dient als Schnittstelle zwischen Bundeswehr und Wirtschaft 136; sie hat eine Beratungs- und Vermittlungsfunktion für das Bundesministerium der Verteidigung 137. Als rein privatwirtschaftlich handelnde juristische Person des Privatrechts ohne hoheitliche Befugnisse 138 ist sie (ebensowenig wie die aus Bundesbahn und Bundespost hervorgegangenen Unternehmen 139) nicht selbst als „Verwaltung“ im Sinne des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG anzusehen. 140 Eine Anforderung kann sich nur an die Bundeswehrverwaltung richten.

131 Zur Privatisierung bei der Bundeswehr, insbesondere auch zu den verfassungsrechtlichen und vergaberechtlichen Fragestellungen siehe etwa die Beiträge von Dreher, NZBau 2001 S. 360 ff.; Durner, VerwArch 96 (2005) S. 18 ff.; Gramm, NZWehrr 2003 S. 13 ff.; ders., DVBl. 2003 S. 1366 ff.; Lorse, RiA 2002 S. 16 ff.; Wieland, NZWehrr 2003 S. 1 ff. Zur Durchführung vgl. den am 15. Dezember 1999 unterzeichneten Rahmenvertrag „Innovation, Investition und Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehr“ zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und führenden Vertretern der Wirtschaft, einsehbar unter http://sicherheitspolitik.bundeswehr.de/12/24.php (abgerufen am 29. November 2005 um 12:00 Uhr). Dem Vertrag sind ca. 600 Unternehmen und Verbände beigetreten, so Wieland, NZWehrr 2003 S. 1 (2). 132 Gramm, DVBl. 2003 S. 1366 (1366). 133 Eine „Bundeswehr-Fuhrpark-Service GmbH“ wurde am 6. Juni 2002 gegründet, vgl. dazu Wieland, NZWehrr 2003 S. 1 (3). 134 Die „LH Bundeswehr Bekleidungsgesellschaft“ wurde am 13. August 2002 gegründet, vgl. dazu Wieland, NZWehrr 2003 S. 1 (3). 135 Gramm, DVBl. 2003 S. 1366 (1366). 136 Wieland, NZWehrr 2003 S. 1 (2). 137 Vgl. Nr. 7 des in Fn. 131 angeführten Rahmenvertrags: „Der Bundesminister der Verteidigung richtet eine privatwirtschaftlich organisierte ‚Agentur für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb‘ ein mit dem Ziel, bei Bedarfsdeckung und Betrieb der Bundeswehr ein systematisch und institutionell gesichertes Höchstmaß an Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Die Agentur wird das Bundesministerium der Verteidigung beratend und bewertend bei der Auswahl und der Ausgestaltung der Beschaffungs-, Betriebs-, Finanzierungsund Zahlungsmodalitäten unterstützen und unter den jeweiligen Realisierungsformen und -modalitäten die wirtschaftlichste Lösung identifizieren und zur Umsetzung vorschlagen.“ 138 Nach Gramm, DVBl. 2003 S. 1366 (1366) ist „an keiner Stelle die Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf Privatpersonen geplant“. 139 Siehe dazu oben im Text bei Fn. 112 ff. 140 Nach Gramm, DVBl. 2003 S. 1366 (1370) ist die g.e.b.b. aus Sicht der Staatsorganisation selbst kein Bestandteil der Bundeswehrverwaltung im Sinne des Art. 87b Abs. 1 GG.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Hinsichtlich sonstiger anderer Verwaltungen bietet sich neben der Anforderung von Feuerwehren 141 die Anforderung von Bediensteten mit besonderen Fachkenntnissen und entsprechender Ausrüstung an, etwa solchen der Wasser- und Schifffahrtsdirektionen 142, der Straßenverwaltung (mit Bau- und Instandsetzungsfahrzeugen), der Umweltbehörden (z. B. zur Untersuchung der Schadstoffbelastung von Wasser) oder der Gesundheitsämter (für die medizinische Versorgung). c) Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) Der Bundesgrenzschutz – heute: „Bundespolizei“ – ist eine Polizei des Bundes (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BPolG 143). Er war im Jahr 1951 aufgrund der Errichtungskompetenz in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG als Grenzschutzbehörde errichtet worden. Durch die Grundgesetzänderungen der Jahre 1968 144 und 1972 145 wuchsen dem damaligen „Bundesgrenzschutz“ neue Aufgaben zu, insbesondere die Unterstützung der Länder. Eine weitere Veränderung des Aufgabenspektrums ergab sich durch die Wiedervereinigung, den zunehmenden Abbau der Binnengrenzkontrollen in der EU 146 sowie die Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit 147. Diesen neuen Aufgaben und dem Bedürfnis nach eindeutigen Befugnissen 148 wurde 1992 durch eine Neufassung des Bundesgrenzschutzgesetzes 149 Rechnung getragen. Zum 1. Januar 1998 erfolgte eine Umstrukturierung und Neuorganisation 150, die Ende des Jahres 2001 im wesentlichen abgeschlos141 Beispielsweise waren beim Wintereinbruch im Münsterland am 25./26. November 2005 auch Feuerwehren aus Hessen mit Notstromaggregaten für die Stromversorgung eingesetzt, vgl. die Meldung des Wiesbadener Tagblatts vom 30. November 2005, einsehbar unter http://www.wiesbadener-tagblatt.de/region/objekt.php3?artikel_id=2156729 (Toth, „Menschen führen Freudentänze auf“) (abgerufen am 30. November 2005 um 10:00 Uhr). 142 Dieses Beispiel nennt für die Anforderung nach Art. 91 Abs. 1 GG Windthorst in Sachs, GG, Rn. 27 zu Art. 91. 143 Gesetz über die Bundespolizei (Bundespolizeigesetz – BPolG). Verkündet als Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung der Vorschriften über den Bundesgrenzschutz (Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz – BGSNeuRegG) vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2978), umbenannt durch Gesetz vom 21. Juni 2005 (BGBl. I S. 1818), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. S. 2407). 144 17. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968 (BGBl. I S. 709): Anfügung der Abs. 2 und 3 des Art. 35 GG, Neufassung des Art. 91 GG, Einfügung des Art. 115f GG. 145 Gesetz vom 28. Juli 1972 (BGBl. I S. 1305): Neufassung des Art. 35 Abs. 2 GG. 146 Riegel, Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz, Einleitung Rn. 4. 147 Gesetz zur Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit auf den Bundesgrenzschutz vom 23. Januar 1992 (BGBl. I S. 178). 148 Riegel, Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz, Einleitung Rn. 5 f. 149 Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung der Vorschriften über den Bundesgrenzschutz (Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz – BGSNeuRegG) vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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sen wurde 151. Zum 1. Juli 2005 wurde der Bundesgrenzschutz in Bundespolizei umbenannt 152. Mit der Umbenennung sollte lediglich dem seit der Errichtung wesentlich veränderten Aufgabenspektrum Rechnung getragen werden, eine Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs oder eine Umstrukturierung waren nicht beabsichtigt. 153 Die textlichen Änderungen betreffen nur das einfache Recht, nicht die Verfassung. 154 Bundespolizeibehörden sind nach § 57 Abs. 1 BPolG die Bundespolizeidirektion, die zentral wahrzunehmende Aufgaben erfüllt (§ 57 Abs. 3 Satz 1 BPolG) 155, die Bundespolizeiakademie als Aus- und Fortbildungsstätte (§ 57 Abs. 4 Satz 1 BPolG), die Bundespolizeipräsidien als Mittelbehörden 156 und die Bundespolizeiämter als Unterbehörden 157 (§ 57 Abs. 2 Satz 1 BPolG).

S. 2978). Zur Entstehungsgeschichte siehe Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 1 zu § 1. 150 Bundesministerium des Innern, Bundesgrenzschutz-Jahresbericht 1999, Teil III. 1.2 (S. 35 f.) und 1.4 (S. 36 ff.). Zur Neuorganisation ausführlich Bundesministerium des Innern, Konzept zur Neuorganisation des Bundesgrenzschutzes (BGS), Die Polizei 1998 S. 69 ff. 151 Bundesministerium des Innern, Bundesgrenzschutz-Jahresbericht 2000/2001, Teil III 1.3 (S. 49). 152 Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21. Juni 2005 (BGBl. I S. 1818). Zu diesem Gesetz vgl. die überblicksweise Darstellung bei Scheuring, NVwZ 2005 S. 903 f. 153 Vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 87/05 S. 49 f. Zu den Bedenken des Bundesrats hinsichtlich einer drohenden Erweiterung der Kompetenzen vgl. die Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 15/5217 S. 34. 154 In dieser Arbeit wird daher bei allen Ausführungen, die sich mit Vorschriften des Grundgesetzes (und mit noch nicht angepaßten Formulierungen in Verwaltungsvorschriften oder Landesgesetzen) befassen, der im jeweiligen Normtext enthaltene Begriff Bundesgrenzschutz mit der klarstellenden Hinzufügung „Bundespolizei“ verwendet. Vergleichbares gilt für die Wiedergabe von in Literatur oder Rechtsprechung aufzufindenden Positionen. 155 Zur Aufgabenstellung der Bundespolizeidirektion (früher: Grenzschutzdirektion) vgl. die Aufstellung bei Hellenthal, Die Polizei 1995 S. 208 (210 f.). Hellenthal (S. 210) sieht in der vormaligen Grenzschutzdirektion eine Oberbehörde. Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 2 zu § 57 gehen dagegen davon aus, daß es innerhalb des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) keine Oberbehörde gibt. 156 Unter der Bezeichnung „Grenzschutzpräsidien“ errichtet durch Organisationserlaß des Bundesministers des Innern zur Neuordnung der Behörden und Dienststellen des Bundesgrenzschutzes vom 1. April 1992 (GMBl. S. 313). Die fünf Bundespolizeipräsidien sind: Bundespolizeipräsidium Nord in Bad Bramstedt, Bundespolizeipräsidium Ost in Berlin, Bundespolizeipräsidium Mitte in Fuldatal (bei Kassel), Bundespolizeipräsidium Süd in München, Bundespolizeipräsidium West in Sankt Augustin (bei Bonn). 157 19 Bundespolizeiämter mit insgesamt 126 Bundespolizeiinspektionen (Stand: 31. Dezember 2002, Bundesministerium des Innern, Bundesgrenzschutz-Jahresbericht 2002, Teil III 1.1 [S. 50]).

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Neben dem in den Bundespolizeiämtern geleisteten Einzeldienst verfügt die Bundespolizei auch über geschlossene Einsatzverbände, die als bereitschaftspolizeiliche Komponente der Bundespolizei 158 bezeichnet werden können: Den Bundespolizeipräsidien sind Verbände und Einheiten zugeordnet (§ 57 Abs. 1 Satz 2 BPolG). Verbände sind geschlossene Einsatzabteilungen 159, die sich in einen Abteilungsstab, Einsatzhundertschaften sowie eine Unterstützungseinheit gliedern 160, und vergleichbare selbständige Organisationseinheiten (Bundespolizei-Fliegergruppe, Grenzschutzgruppe 9 der Bundespolizei) 161. Einheiten sind Teile eines Verbandes, also etwa Hundertschaften 162. Derzeit sind den fünf Bundespolizeipräsidien elf Einsatzabteilungen 163 zugeordnet, daneben bestehen Spezialverbände (Flugdienst mit Bundespolizei-Fliegerstaffeln bei allen Grenzschutzpräsidien) sowie die Grenzschutzgruppe 9 der Bundespolizei. 164 Von den rund 30.000 165 Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei sind seit der Neuorganisation 1998 fast 70% im Einzeldienst tätig 166. Die Bundespolizei ist bereits mehrfach in großem Umfang zur Hilfe bei Naturkatastrophen eingesetzt worden, zuletzt beim Oder-Hochwasser 1997 mit rund 339.000 Personalstunden 167 sowie beim Elbe-Hochwasser 2002. Dort wurden bis zu 4.000 Beamte unter anderem bei der Evakuierung der Bevölkerung und der polizeilichen Überwachung der evakuierten Gebiete sowie zur Deichsicherung eingesetzt. Von besonderer Bedeutung war der Einsatz des Flugdienstes zur Rettung von Menschen aus vom Hochwasser eingeschlossenen Häusern, bei Flügen zur Überwachung gefährdeter Deiche oder evakuierter Gebiete, vor allem aber als Transportmittel für Sandsäcke, technisches Gerät, medizinische Ausrüstung, Trinkwasser etc. 168 158 Bundespolizei – Bundespolizeidirektion –, Bundespolizei-Infobroschüre S. 10. Bundesministerium des Innern, Konzept zur Neuorganisation des Bundesgrenzschutzes, Die Polizei 1998 S. 69 (70). 159 Walter in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, BGSG, Rn. 2 zu § 59; Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 1 zu § 59. 160 Bundespolizei – Bundespolizeidirektion –, Bundespolizei-Infobroschüre S. 10. 161 Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 2 zu § 59. 162 Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 2 zu § 59. 163 Bundespolizei – Bundespolizeidirektion –, Bundespolizei-Infobroschüre S. 10. 164 Siehe auch das Organigramm der Bundespolizei, Bundespolizei – Bundespolizeidirektion –, Bundespolizei-Infobroschüre S. 11. 165 Ist-Besetzung am 31. Dezember 2002: 29.896 Polizeivollzugsbeamte und 2.095 Polizeianwärter (Bundesministerium des Innern, Bundesgrenzschutz-Jahresbericht 2002, Teil III 2. 3 [S. 54]). 166 Bundespolizei – Bundespolizeidirektion –, Bundespolizei-Infobroschüre, S. 3: von etwa 30.000 Polizeivollzugsbeamten sind rund 21.000 einzeldienstlich tätig, 6.000 in den Verbänden und 3.000 in den Spezialverbänden. 167 Bundesministerium des Innern, Bundesgrenzschutz-Jahresbericht 1996/1997, Teil II 10 (S. 33).

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Bei Katastrophen- und Unglücksfällen im Küstenbereich können die Seefahrzeuge des Bundespolizeiamtes See zu Seenotrettungs- und Hilfsmaßnahmen eingesetzt werden. d) Kräfte und Einrichtungen der Streitkräfte Wegen der Personalstärke (188.171 Berufs- und Zeitsoldaten, rund 38.700 Grundwehrdienstleistende und 24.074 freiwillig länger Wehrdienstleistende 169) und der klaren Struktur der Einheiten sind die Streitkräfte für personalintensive Einsätze im Rahmen der Katastrophenabwehr besonders geeignet. Auch die technische Ausrüstung macht sie zu einem wesentlichen Katastrophenhelfer. So können etwa neben LKW auch Berge- und Transportpanzer, Schlauchboote, Panzer-Schnellbrücken und Faltstraßen zum Einsatz kommen, zudem kann auf Zelte, Feldbetten und Decken zurückgegriffen werden. 170 Für Evakuierungen kommen Transportflugzeuge (evtl. mit medizinischer Ausrüstung) in Betracht, Luftaufklärungsgeschwader können ein Lagebild liefern und z. B. Schwachstellen an Deichen ermitteln 171. Die Anforderung von Einheiten der Streitkräfte ist nicht auf den Einsatzzweck eines unbewaffneten technischen Hilfseinsatzes beschränkt. 172 Die als notwendig erfahrene Ausstattung der Streitkräfte mit hoheitlichen Befugnissen hatte zur Schaffung des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG beigetragen 173, und der Rechtsausschuß 168 Bundesministerium des Innern, Bundesgrenzschutz-Jahresbericht 2002, Teil II 7.2 (S. 42 ff.). Zur Verwendung des Bundesgrenzschutzes beim Elbe-Hochwasser außerdem Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 193 vom 21. August 2002 S. 3 (Leithäuser, Aber man kann doch optimistisch sein, oder?) sowie Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 196 vom 24. August 2002 S. 8 (unter Kleine Meldungen). 169 Stand: August 2005. Die Angaben sind einsehbar unter http://www.bundeswehr.de /C1256EF4002AED30/CurrentBaseLink/N264HU9R434MMISDE (abgerufen am 10. Oktober 2005 um 18:10 Uhr). 170 Vgl. etwa die Auflistung des beim Elbe-Hochwasser 2002 eingesetzten Geräts bei von Kirchbach / Franke / Biele, Bericht der Unabhängigen Kommission der Sächsischen Staatsregierung Flutkatastrophe 2002 S. 192. Beim Wintereinbruch im Münsterland am 25./26. November 2005 halfen die Streitkräfte mit Stromerzeugungsaggregaten, der Bereitstellung von beheizten Unterkünften und warmen Mahlzeiten sowie mit der Ausgabe von Kraftstoff für Einsatzfahrzeuge, siehe Bericht vom 29. November 2005, einsehbar unter http://www .bundeswehr.de/C1256EF4002AED30/CurrentBaseLink/W26JLE7P148INFODE (Braun, Wintereinbruch im Münsterland) (abgerufen am 30. November 2005 um 9:30 Uhr). 171 Zum Einsatz beim Elbe-Hochwasser 2002 vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Hochwasserkatastrophe im August 2002 – Einsatz der Bundeswehr, S. 19 f. 172 Hoffmann in Sterzel, Kritik der Notstandsgesetze, S. 86 (114); Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 381 ff. Für einen begrenzten Einsatzzweck aber wohl Lenz, Notstandsverfassung, Rn. 9 zu Art. 35. Auch Lehnguth, Verwaltungsakte der Streitkräfte, S. 57 sieht den Zweck des Einsatzes „in erster Linie auf technische Maßnahmen ausgerichtet“; Intention des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG sei es, den Streitkräften den Schutz ihrer technischen Einsätze mit hoheitlichen Mitteln zu ermöglichen (vgl. auch a.a. O. S. 56 Fn. 188).

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

des Bundestags ging davon aus, daß der Begriff der Verwendung „zur Hilfe“ „auch die Wahrnehmung der im Rahmen eines solchen Einsatzes durchweg anfallenden Aufgaben polizeilicher Art, wie zum Beispiel Absperrungen von gefährdeten Grundstücken und Verkehrsregelungen“ umfaßt 174. Dabei ist es unerheblich, ob die Streitkräfte zu hoheitlichen Aufgaben im Zusammenhang mit dem Vollzug technischer Hilfe oder losgelöst davon herangezogen werden, solange es sich nur um Hilfe im Rahmen eines Katastropheneinsatzes handelt. 175 e) Polizeikräfte anderer Länder aa) Anforderung von Einrichtungen der Polizei Trotz des unterschiedlichen Wortlauts – Polizeikräfte einerseits, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen etc. andererseits – können auch Einrichtungen der Polizei (z. B. Fahrzeuge, sonstige polizeiliche Ausrüstung) angefordert werden 176. Der Begriff Polizeikräfte wird hier als Sammelbegriff für „Kräfte und Einrichtungen der Polizei“ verwendet. 177 Die Unterschiede in den Formulierungen beruhen auf der Entstehungsgeschichte: 178 Die ursprüngliche Fassung des Art. 91 GG ließ nur die Anforderung von Polizeikräften anderer Länder zu. Bei der Verfassungsänderung wurden in der Entwurfsfassung der Bundesregierung zunächst die Worte „Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte“ eingefügt, ohne die bereits bestehende Formulierung zu ändern. 179 Die Aufzählung der Anforderungsobjekte wurde bei der in einem weiteren Schritt stattfindenden Aufteilung der Regelungsmaterie auf Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG einerseits und Art. 91 Abs. 1 GG andererseits beibehalten. 180 Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Anforderung bei der Polizei auf personale Mittel beschränkt werden sollte, bei den anderen Verwaltungen jedoch nicht.

173

Siehe oben unter A. (im Text bei Fn. 12). BT-Drs. V/2873 S. 10. 175 In diesem Sinne auch Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 382 f. 176 Eichhorn, Besondere Formen, S. 113; von Mangoldt / Klein, GG, Anm. III 9a aa zu Art. 91. 177 Ähnlich Eichhorn, Besondere Formen, S. 113. 178 Evers in BK-GG, Rn. 46 zu Art. 91; Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 24 zu Art. 91. 179 Vgl. BT-Drs. V/1879 S. 3. 180 Vgl. BT-Drs. V/2873 S. 24 ff. (Beschlußempfehlungen des Rechtsausschusses). 174

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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bb) Polizeibegriff Umstritten ist, ob der Begriff „Polizeikräfte“ in Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG die Polizei im formellen Sinne 181, also den Polizeivollzugsdienst 182, oder die Polizei im materiellen Sinne, das heißt zusätzlich auch die Kräfte der Ordnungsverwaltungen 183, meint. Diese Frage kann zwar im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG offen bleiben 184, da die Ordnungsbehörden jedenfalls unter den Begriff der „anderen Verwaltungen“ fallen, deren Kräfte und Einrichtungen ebenfalls angefordert werden können. Sie wird jedoch bei Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG relevant, wonach die Bundesregierung den Landesregierungen die Weisung erteilen kann, Polizeikräfte (nicht jedoch Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen) anderen Ländern zur Verfügung zu stellen. Eine Beschränkung auf den formellen Polizeibegriff folgt nicht zwingend aus der Erwähnung der Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen, da sich dies auf alle Verwaltungen der Länder und des Bundes bezieht und nicht nur auf die Ordnungsverwaltung. Die Behauptung, daß jedenfalls in der der Formulierung des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG zugrundeliegenden alten Fassung des Art. 91 GG 185 der formelle Polizeibegriff verwendet wird, wird jedoch durch den historischen Befund gestützt. Zwar sah sich der Verfassungsgeber im Jahre 1949 einer uneinheitlichen Entwicklung des Polizeiwesens gegenüber 186, doch waren die Vorgaben der amerikanischen und der britischen Besatzungsmacht übereinstimmend auf eine Entpolizeilichung gerichtet. Nach Titel 9-235 der Vorschriften der Militärregierung 187 wurden alle Aufgaben, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit 181 Zum Begriff siehe Martens in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 3 (S. 33 ff.). 182 So Eichhorn, Besondere Formen, S. 113, 116; Erbguth in Sachs, GG, Rn. 39 zu Art. 35; Evers in BK-GG, Rn. 46 zu Art. 91; Hase in AK-GG, Rn. 5 zu Art. 35 Abs. 2, 3; Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 20 zu Art. 91; Heun in Dreier, GG, Rn. 16 zu Art. 91; Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 22; Köttgen, JöR N.F. Bd. 3 (1954) S. 67 (99); Rasch, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 5 zu Art. 35; von Mangoldt / Klein, GG, Anm. III 9a aa zu Art. 91; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 24 zu Art. 91. 183 So Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 24 zu Art. 91 sowie Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 16 zu Art. 35 (anders ausdrücklich in Fn. 1 zu Rn. 18 zu Art. 91); wohl auch Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 42 zu Art. 35: das ersuchende Land sei nicht auf die Polizei im formellen Sinn beschränkt, Ordnungsbehörden seien mitumfaßt. 184 So auch Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 26 zu Art. 35. 185 Zur Entstehung des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG aus Art. 91 GG a.F. siehe oben unter A. (im Text bei Fn. 10 ff.). 186 Siehe etwa die Darstellungen bei Boldt in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil A Rn. 70 –72; Götz in Jeserich, Deutsche Verwaltungsgeschichte Band 5, S. 426 (427 ff.); Pioch, Polizeirecht, Rn. 119 – 185; Scupin, Entwicklung des Polizeibegriffs, S. 117 –127. 187 In der Fassung vom 22. Mai 1947 mit späteren Änderungen, abgedruckt bei Pioch, Polizeirecht, Anlage 7a (S. 203 ff.).

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

dem Schutz von Leben und Eigentum, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Verhütung und Entdeckung von Straftaten stehen, dem polizeilichen Tätigkeitsgebiet entzogen; die diese Funktionen wahrnehmenden anderen behördlichen Stellen durften die Bezeichnung „Polizei“ nicht benutzen. Nach Artikel I der VO Nr. 135 der britischen Militärregierung 188 gehörten nur noch der Schutz von Leben und Eigentum, die Aufrechterhaltung von Gesetz und Ordnung, die Verhütung und Aufklärung von Straftaten und die Überstellung von Rechtsbrechern an die Gerichte zu den Aufgaben der Polizei. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß der Verfassungsgeber dieser strikten Trennung von Polizei und allgemeiner Ordnungsverwaltung zum Trotz einen umfassenden materiellen Polizeibegriff verwenden wollte. cc) Bereitschaftspolizei Als anforderbare Polizeikräfte kommen insbesondere Bereitschaftspolizeieinheiten der Länder in Betracht. 189 In den Jahren 1950/1951 wurden zwischen Bund und Ländern Verwaltungsabkommen geschlossen 190 und Bereitschaftspolizeieinheiten der Länder aufgestellt. Diese Verwaltungsabkommen wurden in den Jahren 1970/1971 191, 1991 (neue Bundesländer) 192 und 1997/1998 193 durch neue, an die geänderten Verhältnisse angepaßte Verwaltungsabkommen abgelöst. 188

In Kraft getreten am 1. März 1948 (Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, S. 713). 189 Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 20 zu Art. 91; Heun in Dreier, GG, Rn. 16 zu Art. 91. 190 Für die Verwaltungsabkommen mit Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Bremen vgl. die Aufstellung bei Grawert, Verwaltungsabkommen, Anhang Nr. 202, 203, 215. Für den Wortlaut des Abkommens siehe GVOBl. Schl.-H. 1951 S. 105 ff. (auch abgedruckt bei Pioch, Polizeirecht, Anlage 41d [S. 287 ff.] sowie Ule / Rasch, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 770 ff.). Niedersachsen ist dem Abkommen 1954 beigetreten, vgl. den Nachweis bei Grawert, Verwaltungsabkommen, Anhang Nr. 202. Mit dem Saarland wurde das Abkommen am 1. Juni 1960 geschlossen, vgl. Ule / Rasch, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 769. 191 Vgl. beispielhaft das Abkommen zwischen dem Bund und dem Land Hessen vom 10./23. Dezember 1970. Es ist abgedruckt im Staatsanzeiger für das Land Hessen 1971 S. 44 f. Zu den Verwaltungsabkommen von 1970/1971 siehe auch Vogel in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 5 1. c) [mit Jahreszahl 1976/1977], Lisken in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil C Rn. 153 und Ritter, Polizeipraktische Notwendigkeit, S. 180. 192 Rimmele in Rommelfanger / Rimmele, SächsPolG, Rn. 9 zu § 71. 193 Verwaltungsabkommen mit allen 16 Ländern (vgl. Manthey, Die Polizei 2000 S. 33 [34]). Zum Wortlaut siehe Verwaltungsabkommen zwischen dem Bund und dem Land Hessen vom 1./4. Dezember 1997, abgedruckt im Staatsanzeiger für das Land Hessen 1998 S. 423 f. oder Verwaltungsabkommen zwischen dem Bund und dem Land Rheinland-Pfalz vom 1./16. Dezember 1997, abgedruckt bei De Clerck / Schmidt, POG R-P, zu § 81 POG.

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Die Aufstellung der Bereitschaftspolizeieinheiten der Länder diente ursprünglich dazu, einsatzfähige Einheiten zu schaffen, die der Bundesregierung für den Fall des Art. 91 Abs. 2 GG zur Verfügung stehen sollten 194 – die von Bundeskanzler Konrad Adenauer geforderte Aufstellung einer Bundesbereitschaftspolizei war am Widerstand der Länder und der Ablehnung der Alliierten gescheitert 195. Die Einheiten waren kaserniert (vgl. Nr. 1 der Abkommen 1950/1951) und ständig für den geschlossenen Einsatz bereit. 196 Die Kosten der Bewaffnung und des Geräts trug der Bund, Personal- und Betriebskosten das jeweilige Land (Nrn. 9 und 10 der Abkommen 1950/1951). Der Einfluß der Bundesregierung war unter anderem durch einen von ihr bestellten Inspekteur gesichert (Nrn. 2 und 7 der Abkommen 1950/1951). 197 Die in den Jahren 1970/1971 abgeschlossenen Verwaltungsabkommen sahen neben dem Notstandsfall (Art. 91 Abs. 2 GG) auch den durch die Grundgesetzänderung vom 24. Juni 1968 in das Grundgesetz aufgenommenen Katastrophenfall (Art. 35 Abs. 3 GG) und den ebenfalls neu aufgenommenen Verteidigungsfall (Art. 115a–115l GG, vgl. insbesondere Art. 115f GG) als Einsatzzweck der Bereitschaftspolizei vor. 198 Mit den neuen Verwaltungsabkommen der Jahre 1997/1998 wurde dem Umstand Rechnung getragen, daß die Länder zur Auflösung der kasernierten Einheiten und zum verstärkten Einsatz der Beamten im Einzeldienst tendierten. 199 Eine Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ist nun nicht mehr erforderlich, und die Unterstützung des polizeilichen Einzeldienstes wird als Aufgabe der Bereitschaftspolizei explizit genannt (§ 2 der Abkommen von 1997/1998). Einige Länder haben Organisationsmodelle entwickelt, die die organisatorische Selbständigkeit der Bereitschaftspolizei zumindest zweifelhaft erscheinen lassen, etwa durch die Eingliederung der Einheiten in den normalen Vollzugsdienst. 200 Bei diesen Mo-

194

Vogel in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 5 1. c) (S. 69 f.). Zur Entwicklung Ritter, Polizeipraktische Notwendigkeit, S. 102 –105. 196 Götz in Jeserich, Deutsche Verwaltungsgeschichte Band 5, S. 426 (433). 197 Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber den Verwaltungsabkommen Vogel in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 5 1. c) (S. 70) und Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 211. 198 Vgl. §§ 1, 3 der Verwaltungsabkommen von 1970/1971 (siehe oben Fn. 191). Angesichts der Tatsache, daß im Katastrophenfall auch nach Art. 35 Abs. 3 GG anders als im Notstandsfall und im Verteidigungsfall keine Weisungsmöglichkeit der Bundesregierung gegenüber den Polizeikräften besteht, scheint die Einbeziehung dieser Einsatzmöglichkeit auf eine Fehldeutung des Art. 35 Abs. 3 GG hinzuweisen. 199 Zur Entwicklung der Bereitschaftspolizei ab 1992 Ritter, Polizeipraktische Notwendigkeit, S. 199 f. 200 Ritter, Polizeipraktische Notwendigkeit, S. 203 – 206 und ihm folgend Kämper, Kriminalistik 2002 S. 102 (107) verneinen das Bestehen einer selbständigen Bereitschaftspolizei für Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein. Zu den Besonderheiten der „Brandenburger Linie“ Diederichs, Bürgerrechte & Polizei / CILIP 44 195

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dellen und – angesichts der Einsparungstendenzen in anderen Ländern sowie der unsicheren Finanzierung durch den Bund 201 – auch beim herkömmlichen Modell der selbständigen Bereitschaftspolizei ist allerdings der Einsatzwert der noch zur Verfügung stehenden Einheiten fraglich. 202 Zwar lag der ursprüngliche Zweck der Aufstellung der Bereitschaftspolizei darin, der Bundesregierung einsetzbare Einheiten für die Fälle des Art. 91 Abs. 2 GG und später auch der Art. 35 Abs. 3 und Art. 115f GG zur Verfügung zu stellen 203, doch eignen sich die Bereitschaftspolizeieinheiten gerade deswegen durch Ausbildung, Ausrüstung und Organisation auch für die Anforderungsfälle des Art. 35 Abs. 2 GG. In den Verwaltungsabkommen von 1997/1998 wird in § 2 die „Unterstützung anderer Länder bei der Bewältigung von Lagen aus besonderem Anlaß einschließlich der Gefahrenlagen nach den Artikeln 35 Abs. 3 und 91 Abs. 2 GG“ ausdrücklich als vorrangige Aufgabe der Bereitschaftspolizei bezeichnet. Die Polizeiorganisationsgesetze von Bayern 204 und Thüringen 205 nennen die Katastrophenhilfe als Einsatzzweck der Bereitschaftspolizei, das Polizeiorganisationsgesetz von Mecklenburg-Vorpommern 206 sowie die baden-württembergische Verordnung zur Durchführung des Polizeigesetzes 207 führen die Mitwirkung bei Hilfeleistungen nach Art. 35 Abs. 2 GG als Aufgabe der Bereitschaftspolizei explizit auf. Das Katastrophenschutzgesetz Sachsen-Anhalt 208 sieht den Einsatz von landeseigenen Einheiten der Bereitschaftspolizei im Katastrophenfall vor. Nach den weitgehend gleichlautenden Verwaltungsabkommen der Länder über die Zusammenarbeit ihrer Polizeikräfte wird die gegenseitige Unterstützung zur Hilfe bei

(1/1993), einsehbar unter http://www.cilip.de/ausgabe/44/bepo.htm (abgerufen am 8. September 2005 um 15:55 Uhr). 201 Vgl. Manthey, Die Polizei 2000 S. 33 (36). 202 Kritisch zur Lage der Bereitschaftspolizeien in den einzelnen Ländern Ritter, Polizeipraktische Notwendigkeit, S. 201 – 206. 203 Vgl. dazu soeben im Text bei Fn. 194 und 198. 204 Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Organisation der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiorganisationsgesetz – POG) vom 10. August 1976 (GVBl. S. 303), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Dezember 1999 (GVBl. S. 541). 205 § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Organisation der Polizei des Landes Thüringen (Polizeiorganisationsgesetz – POG –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Januar 1998 (GVBl. S. 1). 206 § 8 3. Spiegelstrich des Gesetzes zur Organisation der Landespolizei in MecklenburgVorpommern (Polizeiorganisationsgesetz – POG M-V) vom 10. Juli 2001 (GVOBl. M-V S. 254). 207 § 15 Hs. 2 der Verordnung des Innenministeriums [des Landes Baden-Württemberg] zur Durchführung des Polizeigesetzes (DVO PolG) vom 16. September 1994 (GBl.BW S. 567), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Juli 2004 (GBl.BW S. 469). 208 § 18 Abs. 1 des Katastrophenschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (KatSGLSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 2002 (GVBl. LSA S. 339), geändert durch Gesetz vom 28. Juni 2005 (GVBl. LSA S. 320).

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen in erster Linie durch den Einsatz von Einheiten der Bereitschaftspolizei gewährt. 209 Zur im Katastrophenfall nutzbaren Ausrüstung der Bereitschaftspolizei gehören u. a. Mannschaftswagen, LKW, Busse, Rettungswagen, Lautsprecherfahrzeuge, Funkrelaisfahrzeuge, Lichtmastfahrzeuge, Befehlskraftwagen sowie Boote und Hubschrauber. 210 dd) Gemeindepolizei Die Frage, ob auch Gemeindepolizeien zu den Polizeikräften eines Landes zu zählen sind 211, stellt sich derzeit nicht. Gemeindepolizeien waren ursprünglich durch Besatzungsrecht eingerichtet worden 212; sie wurden jedoch später schrittweise verstaatlicht 213. Einzig in Bayern verbleibt den Gemeinden das Recht, eine eigene Polizei zu einzurichten: Aufgrund Art. 13 Abs. 2 BayPOG 214 gelten die die Gemeindepolizei betreffenden Vorschriften des Polizeiorganisationsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Oktober 1974 215 als „Gesetz über die Gemeindepolizei (GemPolG)“ weiter. Aufgabe der Gemeindepolizei ist es nach Art. 7 Satz 1 GemPolG lediglich, Zuwiderhandlungen gegen Ortsrecht zu verhüten und nach den Weisungen der Gemeinde bei der Erfüllung öffentlicher, im eigenen Wirkungskreis der Gemeinde liegender Verwaltungsaufgaben mitzuwirken. Aus Art. 1 Abs. 1 und 2 BayPOG ergibt sich, daß die Gemeindepolizei nicht Polizei im Sinne dieses Gesetzes ist, sie ist auch nicht Polizei im Sinne des Polizeiaufgabengesetzes (Art. 1 BayPAG) 216. Damit dürfte sie bereits nicht unter den formellen Polizeibegriff fallen.

209

Siehe die Nachweise im Dritten Teil in Fn. 107, 197. Vgl. etwa zur Ausrüstung der Bereitschaftspolizei Hamburg http://fhh.hamburg.de / stadt / Aktuell / behoerden / inneres / polizei / wir-ueber-uns / dienststellen / landesbereitschaftspolizei / start.html (abgerufen am 21. Dezember 2005 um 12:10 Uhr). 211 Bejahend Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 20 zu Art. 91; Heun in Dreier, GG, Rn. 16 zu Art. 91; von Mangoldt / Klein, GG, Anm. III 9a dd zu Art. 91; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 24 zu Art. 91, Fn. 78. 212 Vgl. dazu Götz in Jeserich, Deutsche Verwaltungsgeschichte Band 5, S. 426 (428) m.w. N. 213 Götz in Jeserich, Deutsche Verwaltungsgeschichte Band 5, S. 426 (442). 214 Gesetz über die Organisation der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiorganisationsgesetz – POG) vom 10. August 1976 (GVBl. S. 303), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juli 2005 (GVBl. S. 287). 215 Gesetz über die Organisation der Polizei in Bayern (Polizeiorganisationsgesetz – POG –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Oktober 1974 (GVBl. S. 746 ff., ber. S. 814). 210

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Bisher hat keine Gemeinde vom Recht auf Errichtung einer Gemeindepolizei Gebrauch gemacht. 217 Angesichts der finanziellen Lage der Kommunen dürfte damit in absehbarer Zeit auch nicht zu rechnen sein, so daß die Frage, ob Gemeindepolizeien als Polizeikräfte der Länder im Sinne des Grundgesetzes anzusehen sind, derzeit nicht relevant ist. 218 ee) Polizeikräfte des Bundes Nach dem Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG können nur Polizeikräfte anderer Länder, nicht auch solche des Bundes angefordert werden. Zu fragen ist allerdings, ob Polizeikräfte des Bundes, die nicht der Bundespolizei (früher: Bundesgrenzschutz) im Sinne des Bundespolizeigesetzes angehören, „Kräfte anderer Verwaltungen“ sind und somit angefordert werden können. Dagegen spricht der Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG: Wären unter „Kräfte anderer Verwaltungen“ auch Polizeikräfte des Bundes zu verstehen, hätte es einer ausdrücklichen Nennung des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) nicht bedurft – die Formulierung „Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes“ trennt klar zwischen anderen Verwaltungen und Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“). Das Ergebnis, Polizeikräfte des Bundes nicht als Kräfte anderer Verwaltungen anfordern zu können, hat jedoch für die Effektivität der Gefahrenabwehr keine Auswirkungen: Wird – wie oben 219 ermittelt – der formelle Polizeibegriff zugrundegelegt, so scheidet auch nur Bundespolizei im formellen Sinne für eine Anforderung aus. Zieht man den Anwendungsbereich des Bundespolizeibeamtengesetzes (BPolBG) 220 nach § 1 BPolBG 221 zur Bestimmung des Begriffs „Polizeikräfte des Bundes“ heran, so fallen darunter – neben dem ausdrücklich nach Art. 35 216 Art. 1 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) (in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1990 [GVBl. S. 397], zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Dezember 2005 [GVBl. S. 641]): Polizei im Sinne dieses Gesetzes sind die im Vollzugsdienst tätigen Dienstkräfte der Polizei des Freistaates Bayern. 217 Gallwas in Gallwas / Mößle, Polizeirecht, Rn. 148; Keller, Örtliche Polizei und Feuerschutz, S. 21. 218 Mößle in Gallwas / Mößle, Polizeirecht, Rn. 16 meint, das Gesetz über die Gemeindepolizei erfülle einen zwar verfassungsrechtlich vorgesehenen (Art. 83 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 [GVBl. S. 991], zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. November 2003 [GVBl. S. 817], zählt die örtliche Polizei zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden), aber rein akademischen Zweck; Keller, Örtliche Polizei und Feuerschutz, S. 21 nennt die (Neu-)Errichtung einer Gemeindepolizei einen rein theoretischen Vorgang. 219 Siehe oben unter C. III. 1. e) bb). 220 In der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 1976 (BGBl. I S. 1357), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Februar 2006 (BGBl. I S. 334).

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Abs. 2 Satz 2 GG anforderbaren Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) – nur die Polizeivollzugsbeamten beim Deutschen Bundestag, bestimmte Beamtengruppen im kriminalpolizeilichen Vollzugsdienst des Bundes 222 sowie der Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder. Diese wird man für einen Einsatz zur Katastrophenabwehr mangels entsprechender Ausbildung und Ausrüstung nicht heranziehen. Bundesbeamte, die mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betraut sind, können als Kräfte anderer Verwaltungen angefordert werden. Eine Aufstellung der Vollzugsbeamten des Bundes findet sich in § 6 des Gesetzes über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG) 223. Von den dort genannten Beamten kommen die Beamten des Zollgrenzdienstes und die Beamten der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes aufgrund ihrer Ausbildung bzw. Ausrüstung für einen Einsatz am ehesten in Betracht. 2. Ermessen Hinsichtlich der Anforderung fremder Kräfte steht dem betroffenen Land nach dem Wortlaut der Vorschrift Ermessen zu („kann ... anfordern“). Trotz des politischen Elements unterliegt die Entscheidung über eine Anforderung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG rechtlichen Kriterien. Auch wenn zum Teil vertreten wird, Notstandslagen entzögen sich rechtlicher Regelung 224, so hat der verfassungsändernde Gesetzgeber doch gerade eine solche Regelung vorgenommen, ist also davon ausgegangen, daß Notstandslagen regelungsfähig und regelungsbedürftig sind 225. 226 Dieser grundgesetzlichen Vorgabe würde nicht hinreichend Rechnung getragen, sähe man die Entscheidung über eine Anforderung als rechtlich nicht gebundene und daher nicht überprüfbare, rein politische Entscheidung an 227. 221 Vogel in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 5 unter 1 (S. 63) verwenden dafür den Begriff der „Vollzugspolizei des Bundes im engeren Sinne“. 222 Anders Eichhorn, Besondere Formen, S. 120, der das Bundeskriminalamt zu den anderen Verwaltungen rechnen will. Wie hier Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 24 Fn. 58 zu Art. 91 mit der Bemerkung, Sinn mache diese Ausklammerung nicht. 223 Gesetz vom 10. März 1961 (BGBl. I S. 165), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407). 224 Heller, Staatslehre, S. 255; Schmitt, Politische Theologie I, S. 19 f. 225 Vgl. BT-Drs. V/2873 S. 3 (unter A. I. B.: „Notwendigkeit einer grundgesetzlichen Regelung der verschiedenen Fälle des Inneren Notstandes“) sowie S. 9 (zu § 1 Nr. 2 bb): „[...] Ziel der Notstandsverfassung, den Rückgriff auf ungeschriebene Verfassungsgrundsätze durch ausdrückliche Regelungen zu erübrigen [...]“). 226 Zum Ganzen (für Art. 91 GG) ausführlich Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 5 f., 13 zu Art. 91. Zur Problematik der Regelung des Ausnahmezustandes und der Folgen für das Recht der Normallage siehe Böckenförde, NJW 1978 S. 1881 ff.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Da die Erforderlichkeit der Hilfeleistung als unbestimmter Rechtsbegriff zu bewerten ist, stellt sich die Frage, ob es sich bei der Entscheidung über die Anforderung um eine sogenannte „einheitliche Ermessensentscheidung“ 228 handelt. Eine solche hat der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes in einem Fall angenommen, in dem ein unbestimmter Rechtsbegriff (nämlich der Begriff „unbillig“) „wesensmäßig in den Ermessensbereich hineinragte“. 229 Die Entscheidung ist jedoch auf den Einzelfall des § 131 RAO bezogen und läßt sich nicht für alle sogenannten Koppelungstatbestände 230 verallgemeinern 231, bei denen ein unbestimmter Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite mit einer Ermessensermächtigung auf der Rechtsfolgenseite zusammentrifft. Auch im vorliegenden Fall sind keine Gründe für eine Übertragung dieser Rechtsprechung ersichtlich: Die Entscheidung über das Vorliegen der geschriebenen und ungeschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen einer Anforderung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG einerseits und die darauf folgende Ermessensentscheidung über die Anforderung andererseits sind klar unterscheidbar, mag auch der für das Ermessen verbleibende Spielraum relativ klein sein. a) Entschließungsermessen Die Entscheidung über das „Ob“ einer Anforderung, also das Entschließungsermessen, ist nach unten rechtlich begrenzt 232, wenn das betroffene Land verpflichtet ist, die Naturkatastrophe oder den besonders schweren Unglücksfall überhaupt zu bekämpfen. Zur Begründung einer solchen Pflicht lassen sich verschiedene Ansätze heranziehen: Zwar besteht im Polizei- und Ordnungsrecht im Detail keine Einigkeit darüber, wann eine Pflicht zum Einschreiten besteht, doch lassen sich die dazu vertretenen Positionen dahingehend zusammenfassen 233, daß jedenfalls für den Fall der Gefährdung hochwertiger Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, bedeutende Vermögenswerte) überwiegend eine Pflicht zum Einschreiten angenommen wird 234. Um 227 So aber wohl für Art. 91 GG Schikowski, Rechtsfragen, S. 33, 49 f. bezüglich des Beurteilungs- und des Ermessensspielraums. Anders Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 13 zu Art. 91. 228 So von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 75, 62 zu Art. 35. 229 Beschluß vom 19. Oktober 1971 – GmS-OGB 3/70 –, BVerwGE 39 S. 355 (363 f.). 230 Zum Begriff siehe etwa Sachs in Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, Rn. 36 zu § 40. 231 Gegen eine Verallgemeinerung des Begriffs Sachs in Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, Rn. 40 zu § 40. 232 So für Art. 91 GG Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 22 zu Art. 91. 233 So auch Rachor in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil F Rn. 131 m.w. N. zu den vertretenen Positionen.

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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eine solche Gefährdung wird es bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen immer gehen. Auch erfaßt die polizeiliche Gefahrenabwehr seit jeher nicht nur die Abwehr von Gefahren, die durch Dritte verursacht wurden, sondern auch von solchen natürlichen Ursprungs. 235 Durch die Diskussion um staatliche Schutzpflichten erhielt die verwaltungsrechtliche Frage der Ermessensreduzierung beim polizeilichen Entschließungsermessen eine verfassungsrechtliche Dimension 236. Ob sich eine Pflicht, Leben und Gesundheit der Bürger sowie bedeutende Sachwerte vor Schädigungen durch Naturgewalten zu schützen, aus grundrechtlichen Schutzpflichten ergeben kann, ist umstritten 237. Zum Teil wird die Funktion der Grundrechte als Schutzpflichten beschränkt auf die Abwehr von Gefahren, die von einem Dritten ausgehen, also von Menschen verursacht werden, und somit der Schutz vor Bedrohungen durch Naturgewalten ausgenommen. 238 Die Vertreter dieser Auffassung leiten die ver234 Mußmann in Belz / Mußmann, PolG B-W, Rn. 33 zu § 3: Ermessensreduzierung „auf Null“ bei Bedrohung höchster Rechtsgüter; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 100 f.: Handlungspflicht bei Gefährdung besonders hochwertiger Rechtsgüter; vgl. auch Nr. 5.2 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über den Vollzug des Polizeiaufgabengesetzes vom 28. August 1978 (MABl. S. 629), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 13. November 1998 (AllMBl. S. 879) (die Vollzugsbekanntmachung ist abgedruckt bei Schmidbauer / Steiner / Roese, BayPAG [jeweils vor der Kommentierung des entsprechenden Artikels]): Pflicht zum Einschreiten bei „schweren Sicherheitsgefahren“, insbesondere bei Gefahren für Leib oder Leben oder für erhebliche Vermögenswerte. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 18. September 1960 – I C 42.59 –, BVerwGE 11 S. 95 [97]) fordert eine hohe Intensität der Störung oder Gefährdung. Vogel in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 24 8. a) (S. 401): Pflicht zum Einschreiten unter Umständen bereits bei Gefährdungen und Störungen „mittleren Gewichts“. Für eine Pflicht zur Aufgabenwahrnehmung bei allen Gefahren für polizei- und ordnungsbehördliche Schutzgüter Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 41. Einen anderen Ansatz vertritt Gusy, Polizeirecht, Rn. 309: Pflicht zum Einschreiten, wenn die gefährdeten Rechtsgüter die durch das polizeiliche Einschreiten tangierten Belange erheblich überwiegen. Auch Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., Rn. 354 weist darauf hin, daß es auf die gegenüberstehenden Interessen ankommt. 235 Vgl. die Begründung zu § 14 PrPVG (abgedruckt bei Franzen, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 80 ff.): „Als Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 14 gilt der Schutz vor Schäden, die entweder den Bestand des Staates oder seiner Einrichtungen oder das Leben, die Gesundheit, Freiheit, Ehre oder das Vermögen der einzelnen bedrohen, sei es, daß die Gefährdung ausgeht a) von Ereignissen oder Zuständen in der belebten oder unbelebten Natur, b) von Handlungen oder Unterlassungen von Menschen, insbesondere von dem Bruch einer Norm der öffentlichen oder privaten Rechtsordnung. [...]“. 236 Di Fabio, VerwArch 86 (1995) S. 214 (221): „verfassungsrechtliche Hochzonung“. 237 Eichhorn, Besondere Formen, S. 133 geht für die Gefahrenabwehr ohne Rückgriff auf Schutzpflichten von einer „bundesverfassungsmäßigen Pflicht“ aus. Die Länder müßten entstehende Gefahren sofort und wirksam bekämpfen. 238 So Isensee in HStR V, § 111 Rn. 112, Murswiek in Sachs, GG, Rn. 213 zu Art. 2 und wohl auch Hermes, Schutz von Leben und Gesundheit, der den Eingriff durch Dritte voraussetzt (S. 226) und „gegnerloser Not“ durch Leistungsansprüche begegnen will (S. 119).

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

fassungsrechtlichen Schutzpflichten – letztlich übereinstimmend in Ansatz und Ergebnis, nicht aber in der Begründung – aus einer außerhalb der Grundrechte liegenden, der Verfassung vorausgehenden 239 Staatsfunktion her. Aus dem für den Staat als Friedensordnung notwendigen Gewaltverbot 240 für den angegriffenen Bürger gegenüber dem angreifenden Dritten soll sich gleichsam als Kompensation eine staatliche Verpflichtung zum Schutz der Bürger gegenüber Angriffen Dritter ergeben 241, der Staat habe die Unversehrtheit der Grundrechte im Verhältnis der Bürger untereinander zu gewährleisten 242. Nach dieser Sichtweise läßt sich aus den Grundrechten lediglich eine Pflicht zum Einschreiten bei Unglücksfällen begründen, da diese letztlich – und sei es auch nur durch die „Eröffnung“ einer Gefahr – auf menschliches Verhalten zurückzuführen sind. Der Schutz vor Naturgewalten könnte jedoch als sozialstaatliche Leistungspflicht aus Art. 20 Abs. 1 iVm Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abgeleitet werden 243, da es dabei um die Bewältigung von (lebenswichtigen) Aufgaben geht, die nur die staatlich organisierte Gemeinschaft, nicht aber der einzelne alleine lösen kann. Eine andere Argumentationslinie sieht dann, wenn der Staat durch den Erlaß von Aufgaben- und Kompetenznormen die Verantwortung für die Gefahrenabwehr übernimmt, einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der den Staat zu Schutzmaßnahmen verpflichtet 244. Sofern das Schadensereignis das Gebiet eines anderen Landes zu gefährden droht 245, ergibt sich eine Pflicht zur Bekämpfung auch aus dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens. Dabei ist es hier unerheblich, ob dieser Grundsatz als akzessorisch zu vorgegebenen Rechtsbeziehungen verstanden 246, oder ob er Anders Klein, DVBl. 1994 S. 489 (490); Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 124, 127; Sachs in Stern, Staatsrecht III / 1, § 67 V 2a β (S. 734 f.); Schulze-Fielitz in Dreier, GG, Rn. 76 zu Art. 2 II. 239 Isensee in HStR V, § 111 Rn. 83; Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 103. 240 Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 102. 241 Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 104. 242 Isensee in HStR V, § 111 Rn. 84. 243 Vorsichtig in dieser Richtung Murswiek in Sachs, GG, Rn. 214 zu Art. 2. Wohl auch Martens in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 1 1. (S. 2): „Der Schutz gegen Naturgefahren ist also keine verfassungsrechtlich notwendige Aufgabe des Staates, soweit sich diese Aufgabe nicht heute aus dem Sozialstaatsauftrag ableiten läßt“ (Hervorhebungen im Original). 244 Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 191. Dem folgend Wien, Katastrophenschutz, S. 52 f. 245 Beispielsweise betrifft die Verseuchung eines Flusses bei einem Unfall in einem Chemiewerk auch die flußabwärts gelegenen Länder; durch Untätigkeit bei einem Hochwasser (Unterlassen des Flutens von Poldern) kann sich die Gefahrensituation für flußabwärts gelegene Länder verschärfen etc. 246 Sachs in Sachs, GG, Rn. 69 zu Art. 20; Stern, Staatsrecht I, § 19 III 4d (S. 546 f.); Vogel in Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 22 Rn. 48.

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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sowohl im bundesstaatlichen Grundverhältnis als auch in besonderen Rechtsverhältnissen zur Anwendung gebracht wird 247: Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG enthält die auf die Bundestreue rückführbare 248 Pflicht 249, in Situationen außerordentlicher Gefahr einander beizustehen. Daraus ergibt sich auch die Pflicht – im Wege eines Schlusses a maiore ad minus oder als eine diesem Rechtsverhältnis vorgelagerte Verpflichtung –, es nach Möglichkeit zu einer solchen Gefährdung gar nicht erst kommen zu lassen. Das Entschließungsermessen des betroffenen Landes hinsichtlich der Katastrophenabwehr ist demnach auf Null reduziert. Auf welche Weise das Land seiner Gefahrenabwehrpflicht nachkommt, bleibt allerdings ihm überlassen. b) Auswahlermessen Anders als im Fall des Art. 91 Abs. 2 Satz 1 iVm Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG, der den Einsatz der Streitkräfte lediglich als ultima ratio vorsieht, gibt es nach dem Wortlaut 250 des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG kein Stufenverhältnis der anforderbaren Kräfte. Die Entscheidung des betroffenen Landes steht vielmehr in dessen (Auswahl-)Ermessen 251 und richtet sich nach der jeweiligen Gefahrensituation 252. Dabei ist der Kreis der anforderbaren Kräfte von vorneherein durch das (ungeschriebene) Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit begrenzt: Nur geeignete Kräfte können zur Gefahrenabwehr erforderlich sein, und nur erforderliche Kräfte stehen zur Auswahl. Die für Art. 91 Abs. 1 GG entwickelte Subsidiaritätsregel 253, nach der aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes der stärker bewaffnete Bundesgrenzschutz 247 Für eine solche Differenzierung – mit deren Hilfe auch die teilweise widersprüchlich erscheinende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts systematisiert werden kann – Bauer, Bundestreue, S. 303 ff. (mit Hinweis auf die maßgeblichen Entscheidungen). 248 Bauer, Bundestreue, S. 345 f. 249 Genauer zur Hilfsverpflichtung und zu dagegen möglichen Einwänden siehe in diesem Teil unter C. III. 3. 250 Klückmann, Bundeswehr, S. 152 folgert allerdings aus der Reihenfolge der Adressaten ein Stufenverhältnis (anders ders., DÖV 1976 S. 333 [338]). Gegen ein aus der Reihenfolge der Aufzählung abgeleitetes Stufenverhältnis ausdrücklich Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 307; Heesen / Nitsche, Die Polizei 1986 S. 1 (4); Lenz, Notstandsverfassung, Rn. 11 zu Art. 35; Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3a (S. 1464). 251 Bauer in Dreier, GG, Rn. 24 zu Art. 35; Erbguth in Sachs, GG, Rn. 39 zu Art. 35; Hase in AK-GG, Rn. 5 zu Art. 35 Abs. 2, 3; Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 7 zu Art. 35; Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 41 zu Art. 35. Grundsätzlich auch Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 371; Speth, Rechtsfragen, S. 60, 132. 252 Eichhorn, Besondere Formen, S. 123; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 26 zu Art. 35; Lenz, Notstandsverfassung, Rn. 11 zu Art. 35; Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 83 f.; Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3a (S. 1464).

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

(„Bundespolizei“) erst eingesetzt werden darf, wenn der Einsatz der anderen staatlichen Organe nicht ausreicht, ist auf Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG nicht übertragbar (und im übrigen auch für Art. 91 Abs. 1 GG nicht zwingend): Da die eingesetzten Kräfte an das Recht des Einsatzlandes gebunden sind 254, darf nur die vom Landesrecht (etwa in den Landespolizeigesetzen) vorgesehene Bewaffnung verwendet werden. 255 Zu einem Einsatz der stärkeren Bewaffnung käme es also nicht. Teilweise wird eine Subsidiarität des Einsatzes der Streitkräfte angenommen, wenn diese ausschließlich für polizeiliche Vollzugsaufgaben herangezogen werden sollen. 256 Als Begründung dafür wird die verfassungsrechtliche Aufgabenverteilung angeführt. 257 Dies überzeugt jedoch nicht. Wesentlicher Inhalt des Art. 35 253 Hoffmann in Sterzel, Kritik der Notstandsgesetze, S. 86 (90). Ihm folgend Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 23 zu Art. 91; Heun in Dreier, GG, Rn. 16 zu Art. 91; von Mangoldt / Klein, GG, Anm. III 9c zu Art. 91 (anders in Anm. 5b und 6a zu Art. 91). Eine Rangfolge der anforderbaren Kräfte nach Art. 91 Abs. 1 GG verneinen Hase in AKGG, Rn. 24 zu Art. 91; Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 23 zu Art. 91; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 19 zu Art. 91. Für generelle Subsidiarität der Anforderung von Bundespolizeikräften Willich, Rechtsstellung des Bundesgrenzschutzes, S. 236. Gegen die Heranziehung der von Hoffmann (a.a. O.) aufgestellten Subsidiaritätsregel für Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ausführlich auch Eichhorn, Besondere Formen, S. 122. Eichhorn übersieht allerdings, daß Hoffmann (a.a. O., S. 114) für den Fall des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG eine strenge Reihenfolge der Anforderungsadressaten ablehnt, da sie den Erfordernissen einer solchen Situation nicht gerecht werde und nicht zwingend sei. 254 Zur Frage des anwendbaren Rechts ausführlich sogleich unter C. IV. 3. 255 Sattler, NVwZ 2004 S. 1286 (1290) für den Fall des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG. Nun auch explizit von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 76 zu Art. 35. Zum selben Ergebnis kommt Linke, NZWehrr 2004 S. 115 (122) für den Einsatz der Streitkräfte mit der Begründung, die Hilfe, die ein Land anfordern könne, sei auf Maßnahmen beschränkt, die es selbst vornehmen dürfe; Linke (a.a. O. S. 123 Fn. 56) weist jedoch kritisch darauf hin, daß Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG anders als Art. 87a Abs. 3 und 4 GG gerade keine Maßnahmen des bewaffneten Objektschutzes vorsehe. Ebenso bereits Lehnguth, Verwaltungsakte der Streitkräfte, S. 58: die angeforderten Kräfte könnten keine weiteren Befugnisse erhalten als die landeseigenen, weil sie nur zur Hilfe angefordert werden dürften. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 –, BVerfGE 115 S. 118 [146]) bestimmt die Ausrichtung der Hilfeleistung auf die im Zuständigkeitsbereich der Gefahrenabwehrbehörden der Länder liegende Gefahrenabwehraufgabe die Art der zulässigen Hilfsmittel; diese könnten nicht von qualitativ anderer Art sein als die, die den Landeskräften originär zur Verfügung stehen. Das Gericht sieht diese nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck gefundene Auslegung durch den systematischen Standort und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt (a.a. O. S. 147 f.). 256 Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 371; Speth, Rechtsfragen, S. 133. Für generelle Subsidiarität des (bewaffneten) Streitkräfteeinsatzes Dürig in Maunz / Dürig, GG, Rn. 35 zu Art. 87a; anscheinend auch Lorse, DÖV 2004 S. 329 (334). Noch enger Lehnguth, Verwaltungsakte der Streitkräfte, S. 123 f.: keine Betrauung der Streitkräfte mit polizeilichen Aufgaben, die über den Schutz eines eigenen technischen Hilfseinsatzes hinausgehen. 257 Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 371, geht von „allgemeinen Gründen der verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilung (Art. 30 ff/70 ff GG) aus“; Speth, Rechtsfragen,

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Abs. 2 Satz 2 GG ist es, unabhängig von der ansonsten vorgesehenen verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilung die Möglichkeit des Einsatzes „aufgabenfremder“ Kräfte zu ermöglichen. Wie und zu welchen Aufgaben das betroffene Land die angeforderten Kräfte einsetzt, bleibt ihm überlassen, solange es die durch das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit und den Zweck der Anforderung gesetzten Grenzen beachtet. Auch ein Grundgedanke „der Subsidiarität des Streitkräfteeingreifens“, der jeden Einsatz der Streitkräfte im Innern überlagern soll 258, ist jedenfalls für Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG nicht erkennbar; etwaigen Bedenken gegenüber einem Streitkräfteeinsatz ist zu entgegnen, daß dieser hier auf Betreiben eines Landes und nicht als „Eingriff“ durch den Bund stattfindet. Als Kriterien für die Auswahl unter gleich geeigneten und erforderlichen Kräften kommen insbesondere die Effektivität und der (Kosten-)Aufwand eines Einsatzes in Betracht: So wäre es etwa sach- und aufwandsgerecht, Einheiten des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) oder der Streitkräfte noch vor den Polizeikräften anderer Länder anzufordern, wenn die Bundeskräfte in der Nähe des Einsatzortes stationiert sind und die Kräfte der anderen Länder demgegenüber einen längeren Anreiseweg haben. Auch gemeinsam durchgeführte Katastrophenschutzübungen lassen von einem Einsatz der beteiligten Kräfte eine gesteigerte Effektivität erwarten. Ebenfalls zu berücksichtigen sind offensichtliche oder dem anfordernden Land bekannte eigene Belastungen des Anforderungsadressaten. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens, der sich unter anderem als Beschränkung an sich zulässiger Rechts- 259 oder Kompetenzausübung 260 konkretisiert. Maßnahmen dürfen nicht ohne Rücksicht auf die Belange anderer Länder getroffen werden 261 und sind unzulässig, wenn überwiegende Belange der anderen Beteiligten entgegenstehen 262. Sind beispielsweise in einem Land Großdemonstrationen oder Großveranstaltungen angesetzt, so wäre es unbillig, gerade von diesem Land Hilfe anzufordern, sofern anderweitig gleich geeignete Hilfskräfte zur Verfügung stehen. Ob der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei dieser Ermessensentscheidung herangezogen werden kann 263 oder nicht 264, kann hier offenbleiben. Einer Anwendung dieses Grundsatzes bedarf es nicht, da die ErmessensentscheiS. 133, ist der Ansicht, das Hilfeersuchen sei bei gleich geeigneten Institutionen an die „‚rechtlich nähere‘ (z. B. Landes- vor Bundesbehörde)“ zu richten. 258 So Lehnguth, Verwaltungsakte der Streitkräfte, S. 124. 259 Bauer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 31 zu Art. 20. 260 Stern, Staatsrecht I, § 19 III 4e g (S. 548). 261 Stern, Staatsrecht I, § 19 III 4e g (S. 548). 262 Bauer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 31 zu Art. 20. 263 So wohl Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 22 Fn. 50 zu Art. 91, der davon ausgeht, daß es nicht um die Erstreckung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

dung bereits anderweitig vorstrukturiert ist und sich bei einer Prüfung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keine neuen Aspekte ergäben: Bereits das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit einer Anforderung gibt vor, daß die angeforderten Kräfte für ihre Aufgabe erforderlich (und damit notwendigerweise auch geeignet) sein müssen. Wollte man die Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) einer Anforderung prüfen, so müßte man das Ziel der Maßnahme, nämlich die möglichst effektive Gefahrenabwehr, mit den beeinträchtigten Belangen, nämlich den Eigeninteressen der Anforderungsadressaten, abwägen. Eine solche Abwägung fordert aber bereits der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens, so daß es eines Rückgriffs auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht bedarf. 3. Hilfeleistungspflicht und Einwände Aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich wie aus Art. 91 Abs. 1 GG ein Anforderungsrecht eines betroffenen Landes und damit eine grundsätzliche Hilfeleistungspflicht der angeforderten Kräfte. Obwohl bereits der Wortlaut der Vorschrift („anfordern“, nicht „ersuchen“) 265 das Anforderungsrecht begründet und ein Recht ohne korrespondierende Pflicht denkgesetzlich ausgeschlossen ist, werden in der Literatur für das Bestehen einer Hilfspflicht unterschiedliche weitere Begründungen herangezogen: Während einige eine Verpflichtung daraus ableiten, „daß eine Anforderung ohne Auslösen einer rechtlichen Wirkung bedeutungslos wäre und kaum einer Regelung im Grundgesetz bedurft hätte“ 266 oder die ratio der Regelung heranziehen, „nämlich möglichst rasch und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die Notstandssituation zu meistern“ 267, schließen andere die Verpflichtung nicht (nur) aus der Regelung des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG, sondern – wie beauf das Bund-Länder-Verhältnis geht, sondern um die Angemessenheit des Einsatzes eines bestimmten Instrumentariums, weswegen auch das Staat-Bürger-Verhältnis betroffen sei. Diese Erwägung dürfte jedoch auf den „unpolitischen“ Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG nicht zu übertragen sein; zudem sind alle eingesetzten Kräfte mit den gleichen, nämlich landesrechtlichen Befugnissen ausgestattet, so daß der Einsatz etwa von Streitkräften anstelle von Polizeikräften keinen schwerwiegenderen Eingriff in die Rechtssphäre des Bürgers darstellt. 264 So im Zusammenhang mit der Frage nach einer Reihenfolge der Anforderungsadressaten Windthorst in Sachs, GG, Rn. 19 zu Art. 91 unter Verweis auf BVerfG, Urteil vom 22. Mai 1990 – 2 BvG 1/88 –, BVerfGE 81 S. 310 (338), wonach der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im kompetenzrechtlichen Bund-Länder-Verhältnis nicht anwendbar ist. 265 Vgl. für die gleichlautende Formulierung in Art. 91 GG Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 25 zu Art. 91. 266 Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 17 zu Art. 35; ihm folgend Eichhorn, Besondere Formen, S. 133. Ähnlich (für Art. 91 GG) auch Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 25 zu Art. 91. 267 Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3a (S. 1464).

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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reits vom verfassungsändernden Gesetzgeber angedeutet 268 – vorrangig aus dem Verfassungsprinzip der Bundestreue 269. Sowohl in den Gesetzesmaterialien 270 als auch von vereinzelten Stimmen in der Literatur 271 wird ein Rechtsanspruch des betroffenen Landes bzw. eine rechtliche Verpflichtung zur Hilfe allerdings verneint; da gleichzeitig aber eine Verweigerung der Hilfe nur bei hinreichendem sachlichen Grund zugelassen wird, besteht jedenfalls im Ergebnis kein Widerspruch zur hier vertretenen Ansicht 272. Die Hilfe soll verweigert werden können, wenn der Hilfeleistung ein hinreichender sachlicher Grund entgegensteht. 273 Als sachliche Gründe für eine Verweigerung der Hilfe werden akuter dringender Eigenbedarf sowie sonstige Gesichtspunkte mit im Verhältnis zur Anforderung gleicher oder höherer Bedeutung genannt. 274 So soll z. B. der Bund die Gestellung von Bundeswehreinheiten verweigern können, wenn diese sich auf Grund einer internationalen Krise in erhöhter Alarm- oder Verteidigungsbereitschaft befinden müssen 275 oder in einem anderen Land mit höherer Dringlichkeit benötigt werden 276. Dabei soll es für die Verweigerung der Hilfe nicht genügen, wenn die 268

BT-Drs. V/1879 S. 23; BT-Drs. V/2873 S. 15. Bauer in Dreier, GG, Rn. 21 zu Art. 35; Lenz, Notstandsverfassung, Rn. 8 zu Art. 35; Wien, Katastrophenschutz, S. 130 f. 270 BT-Drs. V/1879 S. 23 (Regierungsentwurf), BT-Drs. V/2873 S. 15 (Bericht des Rechtsausschusses). 271 Benda, Notstandsverfassung, S. 148 f.; ihm folgend Brockmeyer in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG (9. Aufl.), Rn. 11 zu Art. 35. 272 So für Art. 91 auch Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 25 zu Art. 91. Evers in BK-GG, Rn. 43 zu Art. 91 nennt die Formulierung in den Gesetzesmaterialien „irreführend“. 273 Bauer in Dreier, GG, Rn. 25, 21 zu Art. 35; Erbguth in Sachs, GG, Rn. 40 zu Art. 35; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 27 zu Art. 35; Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3a (S. 1464); Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 84 f.; Lenz, Notstandsverfassung, Rn. 8 zu Art. 35; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 17 zu Art. 35; Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 5 zu Art. 35 („grundsätzliche Verpflichtung“); Hase in AK-GG, Rn. 25 zu Art. 91; Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 43 zu Art. 35: Beschränkung der Hilfspflicht „nur aus besonderen, verfassungsrechtlich akzeptierten Gründen“; Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 25 zu Art. 91; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 21 zu Art. 91. Zweifelnd gegenüber einer „absoluten Entsendungspflicht“ in Fällen des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 Riegel, BayVBl. 1977 S. 299 (301). 274 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 27 zu Art. 35; Hase in AK-GG, Rn 6 zu Art. 35 Abs. 2, 3; Klückmann, DÖV 1976 S. 333 (338); Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 84; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 17 zu Art. 35; Sannwald in SchmidtBleibtreu / Klein, GG, Rn. 43 zu Art. 35: Unmöglichkeit der Erfüllung der dem Land selbst obliegenden Aufgaben. 275 Arndt, DVBl. 1968 S. 729 (729); Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 27 zu Art. 35; Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 85; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 17 zu Art. 35; Robbers, DÖV 1989 S. 926 (930); Wien, Katastrophenschutz, S. 130. 269

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Hilfeleistung lediglich eine Einschränkung der gewöhnlichen (Polizei-)Aufgaben und des normalen Verwaltungsablaufs mit sich bringt. 277 Derartige Einschränkungen seien – auch wenn es sich um erhebliche handelt – hinzunehmen. 278 Anstelle dieser vereinzelten Beispiele hat Volkmann 279 in Anlehnung an die Vorschriften, die eine Verweigerung von Amtshilfe erlauben, für die Hilfspflicht nach Art. 91 Abs. 1 GG folgende Maßstäbe entwickelt: Die Hilfeleistung kann nur verweigert werden, wenn sie entweder tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist (Einwand der Unmöglichkeit), wenn der Aufgeforderte sich selbst in einer Gefahr im Sinne des Art. 91 Abs. 1 GG befindet (Einwand der Eigengefahr) 280 oder wenn der Aufgeforderte sich gerade durch die Hilfeleistung dem Risiko aussetzt, selbst anforderungsberechtigt zu werden oder elementare Schutzverpflichtungen gegenüber seinen Bürgern nicht mehr erfüllen zu können (Einwand des vorrangigen Eigenbedarfs) 281. Angesichts der Bedrohlichkeit der Lage müssen die Weigerungsgründe aber über diejenigen hinausgehen, die zur Ablehnung eines einfachen Amtshilfeersuchens berechtigen würden, der Angeforderte kann sich also nicht wie nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 und 2 VwVfG auf die Möglichkeit einfacherer Hilfeleistung durch eine andere Behörde oder auf die Höhe des Verwaltungsaufwandes berufen 282. Diese Regeln können auf die Hilfeleistungspflicht nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG übertragen werden, bedürfen allerdings gewisser Modifikationen: Der Fall der tatsächlichen Unmöglichkeit ist auch bei der Katastrophenhilfe denkbar, wenn etwa die angeforderten Kräfte und Einrichtungen nicht vorhanden oder nicht einsatzbereit sind. Rechtliche Unmöglichkeit der Hilfeleistung kommt dagegen (wie übrigens auch im Fall des Art. 91 Abs. 1 GG) nicht in Betracht: Die Hilfeleistung wäre nur dann rechtlich unmöglich, wenn sie gegen eine Verbotsvorschrift verstößt. Ein Verbot könnte sich wegen der grundgesetzlich vorgegebenen Hilfeleistungspflicht nur aus kollidierendem Verfassungsrecht ergeben und ist nicht ersichtlich. Der Einwand der Eigengefahr und des vorrangigen Eigenbedarfs lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß eine Hilfspflicht nicht besteht, wenn die angeforderten Kräfte und Einrichtungen aus vorrangigen Gründen selbst benötigt 276

Arndt, DVBl. 1968 S. 729 (729). Eichhorn, Besondere Formen, S. 106; Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 25 zu Art. 91 (S. 876). 278 Eichhorn, Besondere Formen, S. 106; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 21 zu Art. 91. 279 In von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 25 zu Art. 91. 280 So auch Evers in BK-GG, Art. 91 Rn. 44; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 21 zu Art. 91; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 21 zu Art. 91. 281 Ebenso Evers in BK-GG, Art. 91 Rn. 44; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 21 zu Art. 91. 282 So für Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG schon Klückmann, DÖV 1976 S. 333 (336 f. Fn. 63). 277

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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werden. Vorrangige Gründe können nur solche sein, die von Verfassungs wegen die Hilfspflicht überwiegen. Bei einer an ein Land gerichteten Anforderung kommt als vorrangiger Grund die Bekämpfung einer Katastrophe im Sinne des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG oder eines Notstandes im Sinne des Art. 91 Abs. 1 GG im eigenen Land in Betracht, außerdem muß ein Mindestmaß an Sicherheit für die Bürger gewährleistet werden. Ist die Anforderung an den Bund gerichtet, so wären die erhöhte Alarmbereitschaft der Bundeswehr wegen Eintritts des Spannungsfalls oder der durch innere Unruhen erforderliche verstärkte Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) zum Schutz der öffentlichen Sicherheit im Bundesgebiet, also für Aufgaben nach § 3 (Bahnpolizei), § 4 (Luftsicherheit) und § 5 (Schutz von Bundesorganen) BPolG hinreichende Gründe für eine Verweigerung der Hilfeleistung. Ein Zusammentreffen dieser für den Bund geschilderten Situationen mit einer Naturkatastrophe wäre allerdings rein zufällig. Dem Verweigerungsgrund dürfte insofern eher bei der Hilfeleistung nach absichtlich herbeigeführten Unglücksfällen (z. B. Terroranschläge mit dem Versuch der Machtübernahme durch Terroristen) bzw. im Rahmen des Art. 91 Abs. 1 GG Bedeutung zukommen. Gleiches gilt für das Risiko, gerade durch die Hilfeleistung selbst anforderungsberechtigt zu werden: Lediglich in einer Situation bundesweiter innerer Unruhen oder mehrfacher Terroranschläge könnte der Abzug von Polizeikräften aus einem Land zu einem Vakuum an Staatsgewalt führen, das das Entstehen einer Notstandssituation nach Art. 91 Abs. 1 GG begünstigt und das aufgeforderte Land selbst anforderungsberechtigt macht. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Anforderungsadressat die Hilfe dann verweigern kann, wenn sie tatsächlich unmöglich ist oder wenn die angeforderten Kräfte und Einrichtungen aus vorrangigen Gründen selbst benötigt werden. Tritt einer der Verweigerungsgründe während eines Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ein, so endet damit die ursprünglich bestehende Hilfeleistungspflicht, und die entsandten Kräfte und Einrichtungen können zurückgerufen werden. 283 4. Prüfungsrecht des Anforderungsadressaten? Für eine Anforderung nach Art. 91 Abs. 1 GG wird angenommen, daß dem zuständigen Organ des ersuchten Rechtsträgers ein Prüfungsrecht hinsichtlich der Voraussetzungen des Ersuchens zusteht. 284 Sind verschiedene Beurteilungen 283

So für die Hilfeleistungspflicht nach Art. 91 Abs. 1 GG Evers in BK-GG, Rn. 47 zu Art. 91; Heun in Dreier, GG, Rn. 15 zu Art. 91; Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 26 zu Art. 91. 284 Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 17 zu Art. 91; Klein in HStR VII, § 169 Rn. 19; Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 26 zu Art. 91; Windthorst in Sachs, GG, Rn. 20 zu Art. 91. Zu den durch den politischen Aspekt der Entscheidung hervorgerufenen besonderen Problemen einer solchen Prüfung Hase in AK-GG, Rn. 25 zu Art. 91.

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der Situation rechtlich in gleicher Weise vertretbar, so sei die Lagebeurteilung des betroffenen Landes bindend, wenn sie sich in diesem Rahmen hält. 285Auch im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG muß es grundsätzlich hinsichtlich der Beurteilung von Lage und Erforderlichkeit sowie hinsichtlich des ausgeübten Ermessens auf die Entscheidung des betroffenen Landes ankommen. Lediglich bei offensichtlich rechtswidrigen Anforderungen darf der Anforderungsadressat die Hilfe verweigern; 286 dies kommt etwa dann in Betracht, wenn die angeforderten Kräfte ersichtlich zu anderen Zwecken als zur Katastrophenabwehr verwendet werden sollen.

IV. Rechtliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit 1. Aufgabenwahrnehmung Aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich, daß die Katastrophenabwehr auch im Falle einer Anforderung landesfremder Kräfte Aufgabe des katastrophenbetroffenen Landes bleibt, da diesem die Entscheidung darüber obliegt, ob und welche fremden Kräfte es anfordert, und da die angeforderten Kräfte „zur Hilfe“, also in einer einem anderen obliegenden und für sie fremden Aufgabe tätig werden 287; es findet keine Aufgabenübertragung statt. Die angeforderten Kräfte nehmen daher Aufgaben des anfordernden Landes wahr. 288 Aussagen über die Weisungsverhältnisse und das anzuwendende Recht werden vom Verfassungstext jedoch nicht getroffen, sie waren und sind daher – soweit es keine einfachgesetzlichen Regelungen gibt – umstritten 289. 2. Weisungsverhältnisse Der Rechtsausschuß des Bundestags war in seiner Begründung zu Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG der Ansicht, das Weisungsrecht der zuständigen Bundes- und Landesor285

Volkmann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 26 zu Art. 91. Ähnlich wohl Eichhorn, Besondere Formen, S. 134: „wenn eine offensichtliche Unbegründetheit besteht“. 287 Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 304 f. 288 Arndt, DVBl. 1968 S. 729 (729); Bauer in Dreier, GG, Rn. 25 zu Art. 35; Jou, Einsatz von Streitkräften, S. 77 (für die Streitkräfte); Linke, AöR 129 (2004) S. 489 (521) (für die Bundeswehr); Martínez Soria, DVBl. 2004 S. 597 (601) (für die Bundeswehr); Speth, Rechtsfragen, S. 134. 289 Dreist, NZWehrr 2002 S. 133 (137 f.). Zum Streit um die Weisungsverhältnisse anläßlich der Brandkatastrophe in Niedersachsen 1975 vgl. die Darstellung bei Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 320 ff. und Klückmann, DÖV 1976 S. 333 (339). Zur Frage des von den Streitkräften anzuwendenden Rechts vgl. die Nachweise bei Schlink, Amtshilfe, S. 164 Fn. 35. 286

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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gane gegenüber ihren dem Land zur Verfügung gestellten Vollzugskräften bleibe auch während der Hilfeleistung erhalten; jedoch müsse sich die Verwendung der Hilfskräfte den Zielen der für die Katastrophenabwehr zuständigen Landesbehörden anpassen. Es sei also ein einvernehmliches Zusammenwirken zwischen den Behörden des betroffenen Landes und den zur Verfügung gestellten Hilfskräften erforderlich. 290 Dagegen entwickelte sich in der Literatur schon vor dem Erlaß entsprechender einfachgesetzlicher Rechtsnormen 291 die Ansicht, die eingesetzten Kräfte hätten sich nach den (fachlichen) Weisungen des anfordernden Landes zu richten, da sie dessen Aufgaben wahrnehmen 292. Für eine Lösung des Problems muß zwischen fachlichem und dienstrechtlichem Weisungsrecht differenziert werden. 293 Das fachliche Weisungsrecht, also das Recht, über Inhalt, Ort und Zeit des Einsatzes zu bestimmen, muß dem katastrophenbetroffenen Land zustehen. Zum einen läßt die Formulierung der Anforderung „zur Hilfe“ auf eine starke Stellung des Landes schließen, aufgrund derer es die angeforderten Kräfte innerhalb seines Gefahrenabwehrkonzeptes selbständig einsetzen kann; einen Anhaltspunkt dafür, daß die aus der Zuständigkeit des Landes für die Katastrophenabwehr folgende Gesamtleitung bei der Heranziehung fremder Kräfte nicht mehr ungeteilt dem Land zustehen soll, gibt es nicht. Zum anderen ist das fachliche Weisungsrecht des Landes sachnotwendig. Nur so kann das Gefahrenabwehrpotential des Landes durch eine Anforderung fremder Kräfte tatsächlich verstärkt werden, und nur so ist die Koordinierung und damit der effektive Einsatz von landesfremden neben eigenen Kräften möglich 294.

290 BT-Drs. V/2873 S. 10. Dem folgend Hoffmann in Sterzel, Kritik der Notstandsgesetze, S. 86 (114); Lenz, Notstandsverfassung, Rn. 10 zu Art. 35 Abs. 2 und 3; Speth, Rechtsfragen, S. 137. 291 Vgl. etwa § 9 Abs. 1 Satz 2 BGSG a.F. (Gesetz vom 18. August 1972 [BGBl. I S. 1834], zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Dezember 1993 [BGBl. I S. 2378]). 292 Arndt, DVBl. 1968 S. 729 (729); Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 18 zu Art. 35. Keidel, Polizei und Polizeigewalt, schließt die fachliche Weisungsbefugnis des anfordernden Landes aus dessen Staatshoheit, S. 113 f., 116, 152 f. (differenzierend für die Streitkräfte). Aus der neueren Literatur vgl. etwa Erbguth in Sachs, GG, Rn. 40 zu Art. 35; Martínez Soria, DVBl. 2004 S. 597 (601) (für die Bundeswehr); Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 45 zu Art. 35 (ohne Begründung durch die Aufgabenwahrnehmung). 293 So auch Eichhorn, Besondere Formen, S. 139, von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 75 iVm Rn. 66 zu Art. 35 und Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 45 zu Art. 35 sowie für Art. 91 Abs. 1 GG Evers, BK-GG Rn. 66 zu Art. 91 und Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 113 f. Einwag / Schoen, BGSG, Rn. 34 zu § 9 sowie Walter in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, BGSG, Rn. 41 zu § 11 betonen, daß Anordnungsbefugte des Landes im Rahmen des Einsatzes Fach-, nicht jedoch Dienstvorgesetzte sind. Weniger deutlich Erbguth in Sachs, GG, Rn. 40 zu Art. 35; Hase in AK-GG, Rn. 6 zu Art. 35 Abs. 2, 3; Rasch, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 12 zu Art. 35 Abs. 2 und 3. Unklar Klein in HStR VII, § 169 Rn. 32.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Dabei ist es für eine effektive Katastrophenbekämpfung zweckmäßig und ausreichend, daß die fachliche Weisung als Auftrag – evtl. mit bestimmten Leitlinien für dessen Durchführung – von der zuständigen Landesbehörde an den jeweiligen Führer der Einheit ergeht 295, der dann über die konkrete Art und Weise der Aufgabenerledigung durch die ihm unterstellten Kräfte entscheidet: Ein mit der eingesetzten Einheit vertrauter Vorgesetzter kann besser als ein Außenstehender beurteilen, wie und von wem eine bestimmte Aufgabe am effektivsten gelöst werden kann, zudem kann so auf eine erprobte Weisungskette zurückgegriffen werden. Beim Einsatz von Einheiten der Streitkräfte 296 ist es sogar unumgänglich, daß eine Weisung nur an den jeweiligen Führer einer Einheit ergeht: Die Streitkräfte sind nicht wie andere Verwaltungen nach der Behördenstruktur, sondern nach der militärischen Verbandsstruktur organisiert, bei der das Prinzip von Befehl und Gehorsam gilt. 297 Die eingesetzten Einheiten müssen daher in sich geschlossene Verbände mit eigener Befehlsstruktur 298 bleiben und scheiden nicht aus der Befehlsund Kommandogewalt des Art. 65a GG aus 299. Die zuständige Landesbehörde kann dem jeweiligen Führer der Einheit fachliche Weisungen erteilen 300, die dieser dann in entsprechende Befehle umzusetzen hat 301. Einzelnen Soldaten darf die Landesbehörde keine Befehle erteilen, ebensowenig Weisungen, die nicht auf den Einsatz bezogen sind. 302

294 In diesem Sinne wohl auch Schnupp, Die Polizei 1968 S. 293 (294): „In einem solchen Fall kann nur einer Anordnungen und Weisungen erteilen, nämlich der für den Katastropheneinsatz verantwortliche Leiter. Alle eingesetzten Kräfte müssen ausschließlich seiner Anordnungs- und Weisungsbefugnis unterstehen“ (Hervorhebung im Original). 295 So für den Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) Einwag / Schoen, BGSG, Rn. 34 zu § 9. Dies übernehmend Walter in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, BGSG, Rn. 41 zu § 11. 296 Schlink, Amtshilfe, S. 164 Fn. 36 fordert entsprechendes auch für den Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“). Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 45 zu Art. 35 ist für alle Einsatzkräfte der Ansicht, daß die Weisungsbefugnisse nicht in die innere Befehlsstruktur eingreifen dürften. 297 Zu den wesentlichen Unterschieden zwischen (Bundeswehr-)Verwaltung und Streitkräften vgl. Reinfried / Steinebach, Die Bundeswehrverwaltung, S. 39 f. sowie allgemein Sturm, Streitkräfte – Bundeswehrverwaltung – Rechtspflege. 298 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 28 zu Art. 35; Jou, Einsatz von Streitkräften, S. 96 f.; Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 89: „Das Weisungsrecht bestehender Unterstellungsverhältnisse bleibt unberührt“; Martínez Soria, DVBl. 2004 S. 597 (601); Robbers, DÖV 1989 S. 926 (927 f.). Ebenso bereits Arndt, DVBl. 1968 S. 729 (730). 299 Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 152. 300 Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 152; ihm folgend Rasch, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 12 zu Art. 35 Abs. 2 und 3. 301 Kleiner, DVBl. 1977 S. 240 (241). 302 Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 152 f.

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Für eine Übertragung auch des dienstrechtlichen Weisungsrechts (d. h. der Entscheidung über die persönliche Stellung der angeforderten Beamten oder Angestellten hinsichtlich Urlaub, Besoldung / Vergütung, Disziplinarverfahren etc.) besteht keine Notwendigkeit. Hinzu kommt, daß in diesem Fall ein Rückruf 303 der entsandten Kräfte bei Eigenbedarf des Herkunftslandes oder des Bundes nicht durchsetzbar wäre. 3. Anzuwendendes Recht Im Hinblick auf das bei der Katastrophenabwehr geltende Recht waren im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sowohl die Bundesregierung 304 als auch der Rechtsausschuß des Bundestags 305 der Auffassung, die eingesetzten Kräfte unterstünden „den Rechtsnormen des im Einsatzland geltenden Landespolizeirechts“. Damit war wohl gemeint, daß sich die Befugnisse der Einsatzkräfte nach dem Recht des Einsatzlandes richteten, sie also Landesrecht anzuwenden hätten. Im Verfassungstext niedergeschlagen hat sich dies nicht; die Literatur geht ganz überwiegend von der Anwendung von Landesrecht aus 306. Die Anwendung des im jeweiligen Einsatzland geltenden Rechts (dies kann je nach Regelungsmaterie auch Bundesrecht sein 307) durch alle beteiligten Hilfskräfte im Katastrophenfall erscheint sinnvoll, weil damit ein einheitliches Rechtsregime zur Verfügung steht. Demgegenüber fallen Probleme 308, die sich für die Hilfskräfte aus der Anwendung für sie fremden und damit unbekannten Rechts ergeben, weniger ins Gewicht. Der Bereich des Polizeirechts dürfte inzwischen durch den „Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder“ 303

Zur Möglichkeit eines Rückrufs siehe oben unter C. III. 3. (im Text bei Fn. 283). BT-Drs. V/1879 (S. 23, noch zu Art. 91 Abs. 1). 305 BT-Drs. V/2873 (S. 10, zu Art. 35 Abs. 2). 306 Bauer in Dreier, GG, Rn. 25 zu Art. 35; von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 75, 64 zu Art. 35; Erbguth in Sachs, GG, Rn. 40 zu Art. 35; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 28 zu Art. 35; Hase, AK-GG, Rn. 6 zu Art. 35 Abs. 2, 3; Hillgruber / Hoffmann, NWVBl. 2004 S. 176 (178); Hömig in Seifert / Hömig, GG, Rn. 9, 6 zu Art. 35; Jou, Einsatz von Streitkräften, S. 77 f.; Klein in HStR VII, § 169 Rn. 32; Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 388 f., 397 f.; Linke, AöR 129 (2004) S. 489 (521 f.); Martínez Soria, DVBl. 2004 S. 597 (601); Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 5 zu Art. 35 (Tätigwerden „nach anderem Recht“); Robbers, DÖV 1989 S. 926 (928 f.); Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 4 zu Art. 35; Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3a β (S. 1465). Anderer Ansicht für den Einsatz der Streitkräfte Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 186; Klückmann, Bundeswehr, S. 162 ff.; Speth, Rechtsfragen, S. 139. 307 Linke, AöR 129 (2004) S. 489 (522) weist zu Recht darauf hin, daß sich die Verwendung fremder Kräfte nach dem jeweils einschlägigen Gefahrenabwehrrecht richtet, bei dem es sich je nach Regelungsbereich um Bundes- oder Landesrecht handeln kann. 308 Auf die Notwendigkeit der Ausbildung (der Soldaten) im Landesrecht wird (mit unterschiedlichen Schlußfolgerungen) hingewiesen von Lehnguth, Verwaltungsakte der Streitkräfte, S. 134; Robbers, DÖV 1989 S. 926 (929) und Speth, Rechtsfragen, S. 139. 304

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

(ME-POG) 309, der Vorbild für die Standardbefugnisse in den Landesgesetzen und auch im Bundespolizeigesetz 310 war, in den für die Katastrophenabwehr relevanten Befugnissen hinreichend vereinheitlicht sein 311. Eine solche Vereinheitlichung könnte auch für die Katastrophenschutzgesetze vorgenommen werden, um Ausbildung und Einsatz zu erleichtern. a) Gesetzgebungsbefugnis für den Katastrophenschutz Für die Frage nach dem anzuwendenden Recht ist zunächst die Gesetzgebungsbefugnis zu klären: 312 Sollte die Regelung des Einsatzes von Bundeskräften ausschließlich dem Bund zugewiesen sein, so kommen diesbezügliche landesrechtliche Regelungen (und damit die „Anwendung“ von Landesrecht) nicht in Betracht; möglich wären allenfalls Verweisungsvorschriften, durch die vorhandenes Landesrecht in Bundesrecht rezipiert oder transformiert würde. Steht die Regelungsbefugnis jedoch den Ländern zu, so ist für bundesrechtliche Regelungen (und damit für die „Anwendung“ von Bundesrecht) kein Raum. Vorauszuschicken ist, daß es nur um die Frage geht, nach welchem Rechtsregime sich die Tätigkeit der jeweiligen Kräfte bei einem Einsatz richtet, also um Regelungen hinsichtlich der Eingriffsbefugnisse, der anzuwendenden Mittel, des Einsatzziels und der einzuhaltenden Grundsätze (z. B. besondere Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes). Der Erlaß von Vorschriften über die Einrichtung, Ausstattung und innere Organisation einschließlich der Zuständigkeit und der Kriterien für eine Entscheidung über den Katastropheneinsatz obliegt dem jeweiligen originären Rechtsträger der Einsatzkräfte. aa) Grundsätzliche Regelungsbefugnis der Länder für ihren jeweiligen Hoheitsbereich Einen ausdrücklichen Kompetenztitel für den Katastrophenschutz gibt es nicht. Daher ist der Grundsatz des Art. 70 Abs. 1 GG maßgebend, wonach die Gesetzgebungsbefugnis für nicht ausdrücklich dem Bund zugewiesene Angelegenheiten den Ländern zusteht. Dabei kann wegen der Eigenstaatlichkeit der Länder jedes Land nur für sein eigenes Hoheitsgebiet Regelungen treffen, nicht jedoch für den Katastrophenschutz in anderen Ländern. Als erste Feststellung ergibt sich, daß die aus anderen Ländern stammenden Einsatzkräfte nicht das Recht ihrer Her309 Verabschiedet auf der Sitzung der Innenministerkonferenz am 10./11. Juni 1976. Wortlaut und Begründung des Entwurfs finden sich bei Heise / Riegel, ME-POG. 310 Riegel, Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz, Einleitung Rn. 5. 311 Zu dieser Einschätzung kommt auch Robbers, DÖV 1989 S. 926 (929). 312 Diese Vorfrage kommt in der Diskussion um das „anzuwendende Recht“ meist zu kurz. Eine Ausnahme macht Eichhorn, Besondere Formen, S. 38 ff.

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kunftsländer anwenden können, sondern das Recht des katastrophenbetroffenen Landes anwenden müssen. Problematisch ist allenfalls, welche Voraussetzungen dafür gelten. 313 bb) Regelungsbefugnis des Bundes für das Tätigwerden der Streitkräfte auf Anforderung eines Landes im Katastrophenfall Aus Art. 73 Nr. 1 GG wird überwiegend 314 eine Bundeskompetenz für die Regelung des Einsatzes der Streitkräfte im Katastrophenfall hergeleitet. Das dort aufgeführte Sachgebiet der „Verteidigung“ soll alles erfassen, was mit Aufstellung, Unterhalt und Einsatz von Streitkräften zusammenhängt 315; die Vorschrift wird als „umfassende Kompetenzgrundlage für das Recht der Streitkräfte“ 316 verstanden. Unklar bleibt jedoch, wie die Vertreter dieser Ansicht einerseits von einem derart weiten Verteidigungsbegriff ausgehen können, andererseits den in der Vorschrift ebenfalls genannten „Schutz der Zivilbevölkerung“ auf den Schutz vor kriegsbedingten Gefahren 317 beschränken wollen. Zwar mag zutreffen, daß der Begriff „Verteidigung“ weiter ist als der der „Bundeswehr“ oder der „Streitkräfte“, und 313 Zur verfassungsrechtlichen Problematik des Vollzugs fremden Rechts siehe sogleich unter C. IV. 3. b). 314 BVerwG, Urteil vom 10. November 1972 – VII C 53.71 –, DÖV 1973 S. 490 (492). Aus der Literatur siehe Bothe in AK-GG, Rn. 2 zu Art. 73; Heintzen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 12 zu Art. 73; Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 4 zu Art. 73 („Einsatz der Bundeswehr außerhalb des Verteidigungsfalls“); Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 9 zu Art. 73; Rengeling in HStR IV, § 100 Rn. 74; Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 13 zu Art. 73; Stettner in Dreier, GG, Rn. 10 zu Art. 73. Anders Eichhorn, Besondere Formen, S. 35 ff. (der seine Meinung allerdings damit begründet, daß der ebenfalls in Art. 73 Nr. 1 GG genannte Schutz der Zivilbevölkerung nicht den zivilen Katastrophenschutz erfasse); Pestalozza in von Mangoldt / Klein / Pestalozza, GG, Rn. 37 zu Art. 73 Nr. 1. Auch Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 49 zu Art. 73 scheint den Begriff der Verteidigung nur auf die Abwehr von Angriffen zu beziehen. Kritisch gegenüber einer Heranziehung dieser Kompetenznorm wohl auch Linke, AöR 129 (2004) S. 489 (522). Das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 –, BVerfGE 115 S. 118 [141]) hält Art. 73 Nr. 1 GG für eine Regelung der Katastrophenhilfe der Streitkräfte nicht für einschlägig, da Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG unstreitig den Einsatz der Streitkräfte außerhalb der Verteidigung regelten. 315 Heintzen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 12 zu Art. 73. 316 Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 13 zu Art. 73; wohl auch Degenhart in Sachs, GG, Rn. 6 zu Art. 73. 317 Degenhart in Sachs, GG, Rn. 7 zu Art. 73; Heintzen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 19 zu Art. 73. Implizit auch Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 10 zu Art. 73, der auf die Aufzählung bei Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 51 zu Art. 73 verweist: Errichtung von Schutzanlagen (Bunkern, Unterständen), Durchführung von Luftschutzübungen, andere Belehrungen, Stapelung von Vorräten usw.; ebenso auch Rengeling in HStR IV, § 100 Rn. 76. Vor einer weiten Auslegung und damit einer Ausdehnung auf den Bereich der allgemeinen

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daß somit auch die nichtmilitärische Verteidigung in dieses Sachgebiet fällt 318. Daraus folgt aber nicht zwingend, daß der gesamte Regelungsbereich „Bundeswehr“ bzw. „Streitkräfte“ zum Bereich „Verteidigung“ zu zählen ist 319. Die Sachgebiete „Verteidigung“ einerseits und „Bundeswehr / Streitkräfte“ andererseits können sich auch wie sich überschneidende – und eben nicht wie konzentrische – Kreise zueinander verhalten. Für eine Beschränkung des Begriffs „Verteidigung“ auf die Abwehr militärischer Angriffe spricht die Entstehungsgeschichte 320 der Vorschrift: In den Entwürfen der Fraktionen zum Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 26. März 1954 321, durch das die maßgeblichen Begriffe in Art. 73 Nr. 1 GG eingefügt wurden, wurde vorgeschlagen, die Worte „sowie die militärische Verteidigung und den zivilen Luftschutz“ hinzuzufügen 322. Der Bundestagsausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht war jedoch der Ansicht, „daß der Begriff ‚Verteidigung‘ umfassend sei und alles decke, was zu einer Verteidigung notwendig sei.“ 323 Auf den Zusatz „militärische“ Verteidigung wurde daher verzichtet. Aus dieser Argumentation läßt sich zwar auf einen weiten 324 Verteidigungsbegriff schließen, der sowohl militärische als auch nicht-militärische Mittel erfaßt; ihr ist aber wegen der Betonung der auch-militärischen Komponente ebenso zu entnehmen, daß „Verteidigung“ nur als Abwehr eines Angriffs im Blick war und nicht jeden Einsatz der Streitkräfte erfassen sollte. Aus Art. 73 Nr. 1 GG kann eine Regelungsbefugnis des Bundes für den Einsatz der Streitkräfte im Katastrophenfall daher nicht abgeleitet werden, ebensowenig aus Art. 73 Nr. 10 GG 325.

Gefahrenabwehr warnen ausdrücklich Heintzen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 19 zu Art. 73; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 10 zu Art. 73. 318 BVerwG, Urteil vom 10. November 1972 – VII C 53.71 –, DÖV 1973 S. 490 (492). 319 So aber wohl BVerwG, Urteil vom 10. November 1972 – VII C 53.71 –, DÖV 1973 S. 490 (492). 320 Dazu ausführlich Pestalozza in von Mangoldt / Klein / Pestalozza, GG, Rn. 10 ff. zu Art. 73 Nr. 1. 321 BGBl. I S. 45. 322 Antrag der Fraktionen der CDU / CSU, GB / BHE, DP, BT-Drs. II/124 S. 1; Antrag der Fraktion der FDP, BT-Drs. II/125. 323 Vgl. mündlicher Bericht des Berichterstatters Dr. Merkatz in der Sitzung am 26. Februar 1954, BT-Plenarprotokoll II / 17 S. 555 (A). 324 Als „weitgespannt“ wurden die Begriffe „Verteidigung“ und „Schutz der Zivilbevölkerung“ etwa auch von Dr. Erhard in der 120. Sitzung des Bundesrats am 19. März 1954 (BR-Protokoll 120/54 S. 57 [D]) bezeichnet. 325 Ob diese Vorschrift die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für einen Einsatz im Rahmen des Art. 91 Abs. 2 GG begründet, wie dies Eichhorn, Besondere Formen, S. 37 f. andeutet, muß hier nicht erörtert werden.

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Die bloße Tatsache, daß die Inanspruchnahme der Streitkräfte im Katastrophenfall vom Grundgesetz vorgesehen ist, gibt dem Bund noch keine Regelungsbefugnis. Zwar nimmt das Bundesverfassungsgericht an, die Befugnis zum Erlaß von Ausführungsregelungen zum Streitkräfteeinsatz folge unmittelbar aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 (und Abs. 3) GG selbst 326; dieser Ansatz wird jedoch nicht begründet und vermag auch nicht zu überzeugen: Die Vorschrift regelt verwaltungsorganisatorische Fragen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern und bietet nach ihrem Wortlaut und nach ihrem (ursprünglich vorgesehenen und jetzigen) systematischen Standort keine Anhaltspunkte dafür, daß dadurch eine Gesetzgebungsbefugnis begründet werden sollte 327. Der Möglichkeit einer Inanspruchnahme der Streitkräfte im Katastrophenfall ließe sich im Zusammenhang mit der Aufstellungskompetenz (Art. 87a Abs. 1 GG) allenfalls entnehmen, daß ihr bei organisatorischen Vorschriften oder bei Vorschriften über das „Ob“ eines Einsatzes Rechnung zu tragen ist, etwa durch die Bestimmung der über einen Einsatz entscheidenden Stelle oder die Formulierung der (verfassungsrechtlich vorgegebenen) Entscheidungskriterien. Eine Regelungsbefugnis für die Durchführung des Einsatzes selbst, also für das Einsatzziel, die einzusetzenden Mittel und die Eingriffsbefugnisse folgt daraus aber nicht. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sich die Gesetzgebungsbefugnis nicht anderweitig aus der Verfassung ergeben kann. Eine Kompetenz „kraft Natur der Sache“ kommt nicht in Betracht. Dazu müßte die Regelung durch ein Bundesgesetz begriffsnotwendig und eine andere sachgerechte Lösung ausgeschlossen sein. 328 Dies ist dann nicht der Fall, wenn eine Selbstkoordination der Länder möglich ist 329; auch der Gesichtspunkt der Überregionalität einer Angelegenheit erzwingt also keine bundesrechtliche Regelung 330. Als Fallgruppen für eine Zuweisung an den Bund „kraft Natur der Sache“ lassen sich die nationale, staatliche Selbstdarstellung und Repräsentation einerseits sowie die räumliche Gesamtplanung andererseits aufführen. 331 Zwar könnte man – gäbe es die ausdrückliche Zuweisung des Art. 73 Nr. 1 GG nicht – für Regelungen zur Durchführung einer militärischen Verteidigung nach außen möglicherweise annehmen, solche könnten begrifflich notwendig nur vom Bund erlassen werden, 326

Urteil vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 –, BVerfGE 115 S. 118 (141). Auf Wortlaut und Systematik verweist Schenke, NJW 2006 S. 736 (737); er läßt die Frage im Ergebnis jedoch offen. 328 Siehe insbesondere BVerfG, Beschluß vom 10. Mai 1960 – 2 BvL 76/58 –, BVerfGE 11 S. 89 (98 f.). 329 Vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998 – 1 BvR 1640/97 –, BVerfGE 98 S. 218 (249): Möglichkeit der Selbstkoordination und damit Zuständigkeit der Länder für die Rechtschreibreform. 330 Degenhart in Sachs, GG, Rn. 28 zu Art. 70. 331 Degenhart in Sachs, GG, Rn. 24 zu Art. 70; Rozek in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 40 f. zu Art. 70. 327

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doch gilt dies nicht für die Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG, die einzelnen Ländern nach einer entsprechenden Anforderung geleistet wird. Hier sind durchaus unterschiedliche Regelungen für die Durchführung eines Einsatzes denkbar. Eine Regelung für die Katastrophenhilfe der Streitkräfte läßt sich auch nicht auf eine Annexkompetenz 332 stützen. Dazu müßte ein Kompetenztitel bestehen, der diese Materie zwar nicht ausdrücklich umfaßt, zu dem sie aber in einer solchen funktionalen Beziehung steht, daß sie der Vorbereitung und Durchführung dient bzw. für den wirksamen Vollzug erforderlich ist. 333 Ein Kompetenztitel, zu dessen Vorbereitung, Durchführung oder Vollzug der Katastrophenschutz dient, ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann eine solche Verbindung nicht zum Sachgebiet „Verteidigung“ (Art. 73 Nr. 1 GG) hergestellt werden. Sie ergibt sich auch nicht daraus, daß die (unselbständige) Ordnungs- und Polizeigewalt als Annex zu dem jeweiligen Sachgebiet gesehen wird 334: Nur Maßnahmen, die dem Selbstschutz und damit der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte im Sachgebiet der Verteidigung dienen, können der unselbständigen Ordnungs- und Polizeigewalt zugeordnet werden, nicht jedoch solche, die unabhängig von diesem Sachgebiet im Rahmen der Katastrophenhilfe liegen. In diesem Bereich ist die Ausübung der Ordnungsund Polizeigewalt selbständiger Hauptzweck, die Regelungskompetenz steht daher nur den Ländern zu. 335 Zu überprüfen ist schließlich, ob sich eine Regelungskompetenz des Bundes kraft Sachzusammenhangs begründen läßt. Eine solche wird vom Bundesverfassungsgericht angenommen, „wenn eine dem Bunde zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich geregelte Materien unerläßliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie“ 336. Im Unterschied zur Annexkompetenz, bei der es um die Erstreckung einer zugeteilten Kompetenz 332 Ob die Annexkompetenz ein Unterfall der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ist, ist umstritten – vgl. die Nachweise bei Rozek in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 42 Fn. 210 zu Art. 70 –, im vorliegenden Fall jedoch unerheblich. 333 Vgl. die Voraussetzungen für eine Annexkompetenz bei Degenhart in Sachs, GG, Rn. 31 zu Art. 70. 334 BVerfG, Gutachten vom 16. Juni 1954 – 1 PBvV 2/52 –, BVerfGE 3 S. 407 (433). Dies aufgreifend etwa: Rozek in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 46 zu Art. 70; Stettner in Dreier, GG, Rn. 68 zu Art. 70. 335 Für Gesetzgebungszuständigkeit der Länder, wenn Sicherheit und Ordnung zum Hauptzweck verselbständigt sind: Rozek in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 46 zu Art. 70; Stettner in Dreier, GG, Rn. 68 zu Art. 70. 336 BVerfG, Gutachten vom 16. Juni 1954 – 1 PBvV 2/52 –, BVerfGE 3 S. 407 (421). Aus neuerer Zeit siehe etwa das Urteil vom 27. Oktober 1998 – 1 BvR 2306, 2314/96, 1108, 1109, 1110/97 –, BVerfGE 98 S. 265 (299). Ob angesichts dieser Entscheidung davon gesprochen werden kann, daß der Begriff des Sachzusammenhangs zunächst „for-

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in die „Tiefe“ geht, geht es bei der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs um die Erstreckung in die „Breite“. 337 Auch hier ist wiederum keine dem Bund ausschließlich zugewiesene Materie auffindbar, zu deren Regelung die Katastrophenhilfe durch die Streitkräfte zwingend mitgeregelt werden müßte. Könnte es auch zweckmäßig erscheinen, in einem umfassenden „Streitkräfteeinsatzgesetz“ die verschiedenen Formen des Einsatzes der Streitkräfte zur Verteidigung und zu sonstigen Zwecken zu regeln – zwingend ist dies nicht. Zweckmäßigkeitserwägungen reichen nicht aus 338, sie machen das Übergreifen von der zugewiesenen Materie in eine andere nicht unerläßlich 339. Eine Regelung der dem Bund durch Art. 73 Nr. 1 GG ausdrücklich zugewiesenen Materie der Verteidigung durch die Aufstellung und den Unterhalt von Streitkräften sowie ihren Einsatz zu Verteidigungszwecken ist durchaus möglich, ohne daß zugleich die Art und Weise des Einsatzes zur Katastrophenhilfe geregelt werden müßte. Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß dem Bund nicht die Kompetenz zum Erlaß von Vorschriften für die Durchführung eines Einsatzes der Streitkräfte nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG zusteht. cc) Regelungsbefugnis des Bundes für das Tätigwerden des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und anderer Verwaltungen des Bundes auf Anforderung eines Landes im Katastrophenfall Für den Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) aufgrund einer Anforderung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG stellt sich die Lage ähnlich dar wie für den Einsatz der Streitkräfte. Auch hier ist eine Gesetzgebungsbefugnis kraft Natur der Sache nicht ersichtlich. Sachgebiete, die den Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) betreffen und für die der Bund die Gesetzgebungskompetenz hat, sind der Zoll- und Grenzschutz (Art. 73 Nr. 5 GG), der Luftverkehr (Art. 73 Nr. 6 GG) sowie die Eisenbahnen des Bundes (Art. 73 Nr. 6a GG) 340. Der Einsatz im Katastrophenfall auf Anforderung eines Landes – der von einem Tätigwerden melfrei“ verwendet wurde und dann aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verschwand – so Stettner in Dreier, GG, Rn. 62 zu Art. 70 –, erscheint fraglich. Die Begriffsbestimmung des Bundesverfassungsgerichts wird aufgegriffen unter anderem von: Degenhart in Sachs, GG, Rn. 35 zu Art. 70; Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 5 zu Art. 70; Rozek in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 43 zu Art. 70. 337 So die Abgrenzung von Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 49 zu Art. 70. Ihm folgend etwa Degenhart in Sachs, GG, Rn. 36 zu Art. 70; Rozek in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 42 zu Art. 70; Stettner in Dreier, GG, Rn. 60 zu Art. 70. 338 Degenhart in Sachs, GG, Rn. 35 zu Art. 70; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 24 zu Art. 70. 339 Die Unerläßlichkeit das Übergreifens für eine Regelung als Voraussetzung einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs betont das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 25. Juni 1969 – 2 BvR 128/66 –, BVerfGE 26 S. 246 (256).

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des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) in eigenen Aufgaben etwa bei einem Eisenbahn- oder Flugzeugunglück zu unterscheiden ist – stellt zu diesen Materien weder eine Vertiefung dar, noch ist eine einheitliche Regelung und damit ein Übergreifen in die Sachmaterie Katastrophenschutz zwingend erforderlich. Somit scheiden eine Annexkompetenz und eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ebenfalls aus. An dem Befund, daß die Gesetzgebungsbefugnis für den Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) bei einer Anforderung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG nicht dem Bund zusteht, ändert sich auch nichts dadurch, daß der Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts als Sonderpolizei zur Sicherung der Grenzen des Bundes und zur Abwehr bestimmter, das Gebiet oder die Kräfte eines Landes überschreitender Gefahrenlagen zu verstehen sein soll 341. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) für den Katastrophenschutz ihn als Sonderpolizei für diesen Aufgabenbereich qualifiziert: Bei der Einführung des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ging es darum, in Notsituationen den Zugriff auf bereits vorhandene, personal- und ausrüstungsstarke Einheiten zu ermöglichen, nicht jedoch, aus Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) und Streitkräften Katastrophenschutzorganisationen zu machen. Jedenfalls läßt sich aus der Möglichkeit der Inanspruchnahme – wie bereits für den Einsatz der Streitkräfte dargestellt 342 – nur folgern, daß diesen Aufgaben bei der Einrichtung hinsichtlich organisatorischer Fragen Rechnung getragen werden kann. Die Gesetzgebungsbefugnis für das „Wie“ eines Einsatzes läßt sich jedoch nicht daraus ableiten. Vergleichbares gilt für etwaige Regelungen des Einsatzes anderer Verwaltungen. Hier ist eine Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ebenfalls nicht ersichtlich. Sie besteht auch nicht für den Einsatz des Technischen Hilfswerks: Wie bereits oben im Zusammenhang mit der Gesetzgebungsbefugnis für einen Einsatz der Streitkräfte erläutert 343, bezieht sich die ausschließliche Gesetzgebung nach Art. 73 Nr. 1 GG 340 Zur Zulässigkeit der Übertragung von Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit auf den Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) durch das Gesetz vom 23. Januar 1992 (BGBl. I S. 178) siehe den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 1998 – 2 BvF 3/92 –, BVerfGE S. 198 ff. Papier, DVBl. 1992 S. 1 (2 ff.) hält diese Aufgabenübertragung für verfassungswidrig. Grundlage für die Regelung der polizeilichen Aufgaben dürfte eine Annexkompetenz zur jeweiligen Sachkompetenz sein, so jedenfalls für die Aufgaben der Bahnpolizei Stettner in Dreier, GG, Rn. 27 zu Art. 73; Heintzen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 29 zu Art. 73. Das Bundesverfassungsgericht bemerkt im oben angegebenen Beschluß (S. 221) lediglich, die Kompetenzvorschrift des Art. 73 Nr. 6a GG schließe auch Regelungen über die traditionell dem Bund zukommende Aufgabe der Abwehr von konkreten Gefahren für die Sicherheit und Ordnung auf den Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes mit ein. 341 Beschluß vom 28. Januar 1998 – 2 BvF 3/92 –, BVerfGE S. 198 (218). 342 Siehe oben unter C. IV. 3. a) bb) (im Text nach Fn. 327). 343 Siehe oben unter C. IV. 3. a) bb) (im Text bei Fn. 320).

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(„Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung“) allein auf die Verteidigung und den Zivilschutz gegenüber militärischen Angriffen. Wiederum scheidet eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs aus, da eine Regelung der friedensmäßigen Katastrophenhilfe im Zusammenhang mit dem Zivilschutz zwar für sinnvoll erachtet werden könnte, jedoch nicht erforderlich ist. 344 b) Vollzug von Landesrecht durch Behörden des Bundes und anderer Länder Voraufgehend wurde festgestellt, daß der Bund nicht die Gesetzgebungsbefugnis für den Katastrophenschutz durch Bundeskräfte aufgrund einer Anforderung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG hat. Bundesrechtlichen Vorschriften (sowie landesrechtlichen Vorschriften für den Katastrophenschutz in anderen Ländern) kann insoweit lediglich deklaratorische Funktion zukommen. Daher findet auch keine Transformation oder Rezeption von Landesrecht in Bundesrecht statt. Die eingesetzten Kräfte können also nur das Recht des betroffenen Landes anwenden. Die Anwendung von Landesrecht durch Bundesbehörden könnte jedoch auf ein verfassungsrechtliches Hindernis stoßen: Überwiegend wird angenommen, daß die Ausführung von Landesrecht durch Bundesbehörden unzulässig sei. 345 Die Anwendung von Landesrecht durch die im Katastrophenfall eingesetzten Streitkräfte 346 wird daher teilweise abgelehnt 347. Dagegen ist einzuwenden, daß die dieser Position zugrundeliegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 348 vor der Aufnahme des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG in das Grundgesetz ergingen und diese Fälle daher nicht berücksichtigen konnten. 349 Insbesondere kann bei genauer Betrachtung die Formulierung 344

Majer, NVwZ 1991 S. 653 (655) hält daher die bundesrechtliche Regelung für den Einsatz des Technischen Hilfswerks im Frieden durch das THW-Helferrechtsgesetz für bedenklich, und zwar sowohl aufgrund der Gesetzgebungs- als auch aufgrund der Verwaltungskompetenzen. 345 Vgl. zu diesem Problem statt vieler die umfassende Darstellung bei Repkewitz, Bundeswehr und Umweltschutz, S. 123 ff. m.w. N. 346 Entsprechende Vorbehalte gegen die Anwendung von Landesrecht durch den Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) finden sich in der Literatur bemerkenswerterweise nicht. 347 Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 86; Klückmann, Bundeswehr, S. 162 ff.; Speth, Rechtsfragen, S. 139. 348 BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1961 – 2 BvG 1, 2/60 –, BVerfGE 12 S. 205 (221); Beschluß vom 11. April 1967 – 2 BvG 1/62 –, BVerfGE 21 S. 312 (327). Den maßgeblichen Passus in der erstgenannten Entscheidung („Organe des Bundes werden niemals zum hoheitlichen Vollzug von Landesrecht zuständig sein“) bezeichnet Robbers, DÖV 1989 S. 926 (929) treffend als „krypto-prophetische Aussage“. 349 Robbers, DÖV 1989 S. 926 (929). Im folgend Linke, AöR 129 (2004) S. 489 (521 Fn. 157).

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im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11. April 1967 350 nicht generell gegen den Vollzug von Landesrecht durch eine Bundesbehörde herangezogen werden; vielmehr ermöglicht sie ihn unter bestimmten Voraussetzungen sogar. In der Entscheidung heißt es: „Der Übergriff des Bundes in die Landeshoheit liegt darin, daß er nach Landesrecht greift, das das Land seinen Landesbehörden vorbehalten hat. Das Hinübergreifen und Inanspruchnehmen eines Landesgesetzes durch eine Bundesbehörde stellt sich verfassungsrechtlich als Eingreifen in die Landeshoheit dar, zu der auch gehört, zu bestimmen, wer von einem Landesgesetz ‚Gebrauch machen‘ kann. Zu den ‚staatlichen Befugnissen‘, die nach Art. 30 GG Sache der Länder sind, gehört auch die Bestimmung des Anwendungsbereichs eines Landesgesetzes.“ Daraus läßt sich schließen, daß der Vollzug von Landesrecht durch den Bund – oder durch andere Länder, denn im Verhältnis der Länder untereinander stellt sich das Problem im gleichen Maße – ausnahmsweise dann zulässig ist, wenn das betroffene Land dies erlaubt. Bestimmt ein Land, daß fremde Kräfte ausnahmsweise von seinem Landesrecht Gebrauch machen dürfen, so liegt kein „Eingreifen“ des Bundes oder anderer Länder in die Landeshoheit und auch kein „Hinübergreifen“ vor, sondern das betroffene Land öffnet gleichsam den Anwendungsbereich seiner Gesetze für andere Hoheitsträger. Allein das jeweils betroffene Land kann den Anwendungsbereich seines Landesrechts bestimmen und die landesfremden Kräfte mit Eingriffsbefugnissen ausstatten. Vorschriften des Bundesrecht oder des Rechts anderer Länder, die für einen Einsatz auf das jeweilige Recht des anfordernden Landes verweisen, haben lediglich deklaratorische Funktion und können eine fehlende Regelung im Recht des betroffenen Landes nicht ersetzen: Zum einen fehlt die Gesetzgebungsbefugnis, zum anderen stellt eine solche einseitige Regelung tatsächlich einen Übergriff in fremde Hoheitsrechte dar. Zu betonen ist auch, daß Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG in diesem Zusammenhang keine Regelungswirkung zukommt. Eine bundesverfassungsrechtliche Öffnung des Hoheitsbereichs der Länder ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Ihre Bedeutung beschränkt sich hier darauf, der von den Ländern zu eröffnenden Einsatzmöglichkeit und der konkreten Anforderung eine Verpflichtung der angeforderten Kräfte Hinzu kommt, daß das Bundesverfassungsgericht in einer späteren Entscheidung (Beschluß vom 12. Januar 1983 – 2 BvL 23/81 –, BVerfGE 63 S. 1 [41]) (zumindest für Ausnahmefälle und unter besonderen Voraussetzungen) die „Zuhilfenahme“ landesbehördlicher Einrichtungen für Zwecke der Bundesverwaltung zugelassen und damit eine Ausnahme vom „Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“ erlaubt hat. Es ist also von seiner zuvor postulierten strikten Trennung der Aufgabenwahrnehmung zwischen Bund und Ländern abgewichen. Nach Blümel in HStR IV, § 101 Rn. 14 relativieren die Möglichkeiten der Organleihe und anderer Formen der Zuhilfenahme „das (frühere) Dictum des Bundesverfassungsgerichts, wonach Organe des Bundes niemals zum hoheitlichen Vollzug von Landesrecht zuständig sein würden“. Ähnlich auch Kramer, vr 2003 S. 122 (124). 350 – 2 BvG 1/62 –, BVerfGE 21 S. 312 (327 f.).

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zur Hilfeleistung gegenüberzustellen. Über eine fehlende „Öffnungsklausel“ im Landesrecht kann Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG nicht hinweghelfen. Fraglich ist allerdings, ob eine solche Öffnung des Anwendungsbereichs des Landesrechts durch einfaches Landesgesetz (etwa durch das jeweilige Polizeioder Katastrophenschutzgesetz) erfolgen kann, oder ob eine (landes-)verfassungsrechtliche Regelung erforderlich ist. Letzteres wäre dann der Fall, wenn mit der „Öffnung“ des Landesrechts für den Vollzug durch landesfremde Kräfte die Übertragung von Hoheitsrechten verbunden wäre. 351 Dafür kommt es entscheidend darauf an, ob die landesfremden Kräfte die Angelegenheit als eigene ausführen sollen, oder ob ihre Maßnahmen dem betroffenen Land zugerechnet werden. 352 Die Ausführung als eigene Angelegenheit erfordert eine Übertragung von Hoheitsrechten, die Ausführung als fremde Angelegenheit nicht. Zwar üben die fremden Kräfte in beiden Fällen selbst Hoheitsgewalt aus, doch tun sie dies im ersten Fall aus eigenem – wenn auch: ihnen übertragenem – Hoheitsrecht, im zweiten Fall in Ausübung fremden Hoheitsrechts. Deutlicher wird diese Unterscheidung, wenn man sie aus der Sicht des der Hoheitsgewalt unterworfenen Bürgers betrachtet: Führen die landesfremden Kräfte die Angelegenheit als eigene aus, so ist der Bürger Maßnahmen eines fremden Hoheitsträgers ausgesetzt; der fremde Hoheitsträger ist zur Ausübung eigener Hoheitsgewalt gegenüber dem (fremden) Bürger nur berechtigt, wenn ihm das Recht dazu vom eigentlich zuständigen Hoheitsträger übertragen wurde. Führen die landesfremden Kräfte die Angelegenheit dagegen als eine fremde, nämlich eine Angelegenheit des katastrophenbetroffenen Landes aus, so werden die Maßnahmen diesem Land zugerechnet, und dem Bürger steht das eigene Land als verantwortlicher Hoheitsträger gegenüber; eine Übertragung von Hoheitsrechten ist dann nicht erforderlich. Eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob Maßnahmen der Katastrophenhilfe als eigene Angelegenheit oder als Angelegenheit des betroffenen Landes ausgeführt werden, gibt Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG nicht, wenn auch die Wahrnehmung einer Aufgabe des Landes für eine Ausführung als fremde Angelegenheit spricht. Zur Lösung des Problems könnte eine verwaltungsorganisationsrechtliche Qualifikation der Katastrophenhilfe 353 beitragen. 4. Kosten Für die Frage, wer die Kosten eines Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG zu tragen hat, ist bezüglich des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern 354 die finanzverfassungsrechtliche Regelung des Art. 104a GG heranzuziehen. Sie be351 352 353

Zeidler, DVBl. 1960 S. 573 (578). Zeidler, DVBl. 1960 S. 573 (573, 578). Vgl. dazu sogleich unter C. IV. 5.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

stimmt, daß der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben (Art. 104a Abs. 1 GG, sog. Konnexitätsprinzip 355), und daß der Bund und die Länder die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben tragen (Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Var. 1 GG). Die landesinterne Aufgaben- und Ausgabenverteilung ist dabei unerheblich, Aufgaben und Ausgaben der Kommunen werden denen des Landes zugerechnet 356. Nach der von der Verfassung getroffenen Differenzierung sind Verwaltungsausgaben und Zweckausgaben zu unterscheiden. Verwaltungsausgaben werden als „Kosten des Verwaltungspersonals und der Verwaltungseinrichtungen“ 357 definiert, beispielhaft werden Personalkosten, Ausgaben für Dienstgebäude, Fahrzeuge, Geräte sowie Reise- und Umzugskosten genannt 358. Unter Zweckausgaben sollen dagegen die Kosten zu verstehen sein, die bei der Verwirklichung des Verwaltungszwecks entstehen 359 und unmittelbar der Förderung des jeweiligen Sachanliegens dienen 360; als Beispiel dafür werden Zuwendungen bei der Ausführung von Geldleistungsgesetzen sowie Bau- und Erhaltungskosten beim Fernstraßenbau angeführt 361. Die genaue Differenzierung ist schwierig. 362 Dies zeigt sich auch, wenn es um die Zuordnung der bei einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG entstehenden Kosten geht: Eindeutig Verwaltungsausgaben sind die gewöhnlichen 354

Art. 104a GG gilt nicht im Verhältnis der Länder untereinander, vgl. Brockmeyer in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 6 zu Art. 104a; Heintzen in von Münch / Kunig, GG, Rn. 44 Vorb. Art. 104a – 115, Rn. 6 zu Art. 104a; Hellermann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 53 zu Art. 104a (mit ausführlicher Begründung); Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 26 zu Art. 104a; Prokisch in BK-GG, Rn. 66 zu Art. 104a. Zu dieser Ansicht tendiert auch Stern, Staatsrecht II, § 47 II 4d (S. 1146). Anderer Ansicht Fischer-Menshausen in von Münch / Kunig, GG (3. Aufl.), Rn. 8 zu Art. 104a; Heun in Dreier, GG, Rn. 19 zu Art. 104a. 355 Vgl. dazu etwa Schneider in AK-GG, Rn. 5 f. zu Art. 104a. 356 BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 – 2 BvF 1, 2/88, 1/89 und 1/90 –, BVerfGE 86 S. 148 (215); BVerwG, Urteil vom 30. November 1995 – 7 C 56/93 –, BVerwGE 100 S. 56 (59); Heintzen in von Münch / Kunig, GG, Rn. 24 zu Art. 104a; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 27 zu Art. 104a. 357 Birk in AK-GG (Vorauflage), Rn. 13 zu Art. 104a sowie Heun in Dreier, GG, Rn. 15 zu Art. 104a nach BT-Drs. V/2861 Tz. 292, 301 (Begründung zu Art. 104a [Einfügung durch das Finanzreformgesetz]). Diese Definition wird auch aufgegriffen von Heintzen in von Münch / Kunig, GG, Rn. 19 zu Art. 104a. 358 Heintzen in von Münch / Kunig, GG, Rn. 19 zu Art. 104a; Hellermann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 175 zu Art. 104a GG; Schneider in AK-GG, Rn. 7 zu Art. 104a. 359 Heintzen in von Münch / Kunig, GG, Rn. 19 zu Art. 104a. 360 Hellermann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 175 zu Art. 104a. 361 Heintzen in von Münch / Kunig, GG, Rn. 19 zu Art. 104a; Heun in Dreier, GG, Rn. 16 zu Art. 104a; Schneider in AK-GG, Rn. 7 zu Art. 104a. 362 Darauf wird unter anderem hingewiesen von Heun in Dreier, GG, Rn. 16 zu Art. 104a; Schneider in AK-GG, Rn. 7 zu Art. 104a.

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laufenden Personalkosten. Um Zweckausgaben handelt es sich bei den Kosten für Lebensmittel, Kleidung oder Arzneimittel, die an die Bevölkerung ausgegeben werden, sowie für Einsatzmittel, die wie z. B. Sandsäcke nur einmal verwendet werden können. Unklar ist jedoch die Qualifikation der Kosten, die für den Transport der Einsatzkräfte an ihren Einsatzort und ihre Unterbringung und Verpflegung sowie für den Transport und Einsatz von Fahrzeugen und Geräten entstehen. Als Kosten, die die Tätigkeit der Verwaltung überhaupt erst ermöglichen 363, bzw. als Kosten für das Handeln der Verwaltung 364 wären sie den Verwaltungsausgaben zuzurechnen. Diese Zuordnung mag zwar für den Normalfall, nicht jedoch für den Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG zu überzeugen, bei dem die Einsatzkräfte ausnahmsweise außerhalb ihres gewöhnlichen Tätigkeitsbereichs tätig werden. Hier handelt es sich um eine Konstellation, bei der Personal- und Betriebskosten eindeutig einer bestimmten Verwaltungsleistung zugerechnet werden können 365; die beim Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG entstehenden Mehrkosten, die über den normalen Verwaltungsbetrieb hinausgehen, sind daher als Zweckausgaben einzuordnen 366. Geht man – wie hier – davon aus, daß bei einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG die eingesetzten Kräfte Aufgaben des Landes wahrnehmen, so müßte nach Art. 104a Abs. 1 GG das Land die Zweckausgaben, nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Var. 1 GG der Bund die Verwaltungsausgaben tragen. Für den Fall, daß eine Körperschaft im Zuständigkeitsbereich einer anderen Körperschaft tätig wird, ist die Ausgabenverteilung aber höchst umstritten. 367 Für den Sonderfall der Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG wird einerseits behauptet, die Ausgaben seien insgesamt vom Land zu tragen; wenn ein Verband Aufgaben eines anderen Verbandes wahrnehme, trage dieser (auch) die Verwaltungsausgaben, denn er bleibe Träger der Verwaltungskompetenz. 368 Andere wollen die Ausgaben vollständig 369 oder mindestens hinsichtlich der Verwaltungsausgaben 370 dem Bund 363 Für dieses Begriffsmerkmal der Verwaltungsausgaben Hellermann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 175 zu Art. 104a; Heun in Dreier, GG, Rn. 15 zu Art. 104a. 364 Zwischen Kosten für das Handeln der Verwaltung und Kosten durch das Handeln der Verwaltung unterscheidet Brockmeyer in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 27 zu Art. 104a; ähnlich auch Stern, Staatsrecht II, § 47 II 3a (S. 1139). 365 Für Verwaltungsausgaben als Ausgaben, die nur indirekt der jeweiligen Leistung zugerechnet werden können, und Zweckausgaben als Ausgaben, die direkt zugerechnet werden können, Siekmann in Sachs, GG, Rn. 10 zu Art. 104a. 366 Für die Qualifikation abgrenzbarer Personalkosten als Zweckausgaben Siekmann in Sachs, GG, Rn. 11 zu Art. 104a, ihm folgend Schneider in AK-GG, Rn. 7 zu Art. 104a. 367 So etwa Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 262. 368 Fischer-Menshausen in von Münch / Kunig, GG (3. Aufl.), Rn. 39 zu Art. 104a. Ähnlich auch Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 266, 263: er will bei der Amtshilfe und wohl auch bei der Katastrophenhilfe auf die wahrzunehmende Aufgabe abstellen und die helfende Behörde finanzverfassungsrechtlich wie eine eigene Behörde des ersuchenden Trägers behandeln.

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auferlegen, da die eingesetzten Kräfte auch kraft eigener Zuständigkeit tätig würden 371. 372 Es kommt also darauf an, ob die eingesetzten landesfremden Kräfte nur eine fremde Aufgabe oder gleichzeitig eine eigene wahrnehmen und ob sie in einem fremden oder im eigenen Zuständigkeitsbereich tätig werden. Auch zur Beantwortung dieser Fragen kann eine organisationsrechtliche Qualifikation der Hilfeleistung hilfreich sein. Dies gilt ebenso für das Problem der Kostentragung bei der Hilfeleistung der Länder untereinander. Das Grundgesetz trifft keine ausdrückliche Aussage über die Lastenverteilung zwischen den Ländern. 373 Allenfalls läßt sich der Aufgabenzuweisung an die Länder entnehmen, daß jedes Land die Kosten der ihm zugewiesenen Tätigkeit selbst tragen muß 374; dies ergibt sich auch aus der Eigenstaatlichkeit der Länder. 5. Verwaltungsorganisationsrechtliche Qualifizierung der Katastrophenhilfe Es ist somit festzustellen, daß Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG nur wenige Vorgaben für die Ausgestaltung der Zusammenarbeit macht. Lediglich der Verbleib der Aufgabe beim Land ist festgeschrieben, und das fachliche Weisungsrecht gegenüber den eingesetzten Kräften läßt sich dem Ziel einer effektiven Gefahrenabwehr entnehmen. Über die Kostentragung trifft Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG dagegen keine Aussage. Ebenso ist unklar, ob die landesfremden Kräfte die Angelegenheit als eigene ausführen und ob es deswegen für den Vollzug von Landesrecht durch landesfremde Kräfte einer verfassungsrechtlichen Grundlage bedarf. 369

Schneider in AK-GG, Rn. 8 zu Art. 104a. So Heun in Dreier, GG, Rn. 19 zu Art. 104a; er hält die Begründung von Erstattungspflichten durch Gesetz oder Verwaltungsvereinbarung jedoch für möglich. 371 Birk in AK-GG (Vorauflage), Rn. 9 zu Art. 104a; Heun in Dreier, GG, Rn. 19 zu Art. 104a; Schneider in AK-GG, Rn. 8 zu Art. 104a. Wohl auch Prokisch in BK-GG, Rn. 107 zu Art. 104a; für den Fall der Amtshilfe nimmt er aber ein Tätigwerden im Zuständigkeitsbereichs des ersuchenden Rechtsträgers und damit dessen Kostentragungspflicht an. Wieso dies den von ihm behaupteten grundsätzlichen Ausschluß des internen Kostenausgleichs durch Art. 104a Abs. 1 GG bestätigen, eine Kostenerstattung für die Leistung von Katastrophenhilfe dem aber zuwiderlaufen sollte, bleibt unklar. 372 Hellermann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 57 ff., 61, 183 zu Art. 104a ist der Ansicht, für den Fall des Auseinanderfallens von regulärer Verwaltungskompetenz und Wahrnehmung der Verwaltungsaufgabe schreibe Art. 104a Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 Var. 1 GG weder die Ausgabenlast der unterstützenden Körperschaft noch die des regulären Aufgabenträgers vor. 373 Str., vgl. die Nachweise soeben in Fn. 354. 374 Prokisch in BK-GG, Rn. 66 zu Art. 104a. 370

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Zur Klärung dieser von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG offengelassenen Fragen kann die Zuordnung der Zusammenarbeit zu einem verwaltungsorganisationsrechtlichen Institut beitragen. Gibt es ein Institut, das den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht und das für eine effektive Katastrophenabwehr taugt, so können die für dieses Institut geltenden Grundsätze und Regeln die wenigen von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG getroffenen Vorgaben ergänzen und möglicherweise auch die aufgeworfenen Fragen beantworten. Der Erörterung voranzustellen ist die Klärung einiger Begriffe, die für das Verständnis des zwischen verschiedenen Rechtssubjekten bestehenden Verhältnisses wichtig sind. Unter „Aufgabe“ soll im folgenden ein bestimmter zielorientierter Tätigkeitsbereich 375 verstanden werden. Wer eine Aufgabe hat, der hat das Recht oder die Verpflichtung (je nach Zuweisungsnorm), darauf hinzuwirken, daß ein bestimmtes Ziel erreicht wird. 376 Der Aufgabenträger kann die Aufgabe selbst (durch eigene Organe oder Kräfte) wahrnehmen, oder er kann sie unter Zuhilfenahme anderer (Organe anderer öffentlich-rechtlicher Subjekte oder Privater) erfüllen. Die Katastrophenabwehr beispielsweise ist nach der grundgesetzlichen Verteilung Aufgabe der Länder. Ein katastrophenbetroffenes Land muß auf das Ziel einer möglichst effektiven Gefahrenabwehr hinwirken; es kann dies ausschließlich mit eigenen Kräften tun oder daneben fremde Kräfte heranziehen. „Zuständigkeit“ ist die Berechtigung und Verpflichtung, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen. 377 Durch Zuständigkeitsnormen wird einer staatlichen Stelle ein bestimmtes Aufgabengebiet zur Erledigung zugewiesen. Dabei ist die Aufgabe nicht im Begriff der Zuständigkeit enthalten, sondern ihr vorgelagert, wenn sich auch aus der Zuständigkeit unter Umständen auf die Aufgabe schließen läßt. 378 So kann in einem Land etwa das Ministerium des Innern als Oberste Behörde für die Katastrophenabwehr zuständig sein, das heißt es ist berechtigt und verpflichtet, die Aufgabe „Katastrophenabwehr“ wahrzunehmen. Ein weiterer wesentlicher Begriff ist die „Befugnis“. Befugnisnormen versetzen die zuständigen Organe erst in die Lage, die ihnen zugewiesene Aufgabe zu erfüllen. 379 Eine Behörde wäre ohne Befugnisnormen zumindest im Bereich der Eingriffsverwaltung nicht handlungsfähig. 375 Diese Definition wird aufgestellt von Laubinger in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 10 Rn. 1. 376 Laubinger in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 10 Rn. 1. 377 Laubinger in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 10 Rn. 2 für den Begriff „Zuständigkeit“. Ob Kompetenz und Zuständigkeit dasselbe meinen, ist umstritten. Für eine Begriffsidentität auch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Stettner, Grundfragen, S. 35 ff. 378 So Stettner, Grundfragen, S. 35 für den Begriff der „Kompetenz“, den er allerdings mit „Zuständigkeit“ gleichsetzt (S. 35 ff.).

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Nicht verwendet werden soll für die folgenden verwaltungsorganisationsrechtlichen Ausführungen der schillernde Begriff der „Kompetenz“. Bei diesem ist im herkömmlichen Sprachgebrauch unklar, ob er Zuständigkeit oder Befugnis meint. a) Katastrophenhilfe als Amtshilfe Wegen der Regelung der Katastrophenhilfe in Art. 35 GG liegt es nahe, die dort in Absatz 1 – dem ursprünglich einzigen Absatz des Art. 35 GG – geregelte Amtshilfe als passende Organisationsform für die Zusammenarbeit anzusehen. 380 Das systematische Argument trägt jedoch nicht: Die Katastrophenhilfe wurde aus politischen, nicht aus systematischen Gründen an die Vorschrift über die Amtshilfe angefügt 381. 382 Vor allem ist das Institut der Amtshilfe in seiner einfachgesetzlichen Ausgestaltung, die es in §§ 4 –8 VwVfG gefunden hat, keine geeignete Grundlage für ein Tätigwerden landesfremder Kräfte auf dem Gebiet des anfordernden Landes. Das Recht der Amtshilfe ermöglicht es der helfenden Behörde nicht, in einem sachlich oder örtlich fremden Zuständigkeitsbereich tätig zu werden. 383 Gerade dies ist jedoch im Rahmen der Katastrophenhilfe notwendig: Die eingesetzten Kräfte müssen an einem fremden Ort, nach fremdem Recht und unter fremder Weisungsgewalt tätig werden. 384

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Laubinger in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 10 Rn. 12. Für Katastrophenhilfe als Amtshilfe etwa: Erbguth in Sachs, GG, Rn. 34 zu Art. 35: „Spezialfälle der Amtshilfe“; Gramm, NZWehrr 2003 S. 89 (95); Hoffmann in Sterzel, Kritik der Notstandsgesetze, S. 86 (89 f.) (für das Anforderungsrecht nach Art. 91 Abs. 1); Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 99 ff.: „spezielle Normierung der [...] Amtshilfe“ (dagegen Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 433); Klückmann, DÖV 1976 S. 333 (335) für die Hilfeleistung des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“); ders., Bundeswehr, S. 150 für die Hilfeleistung der Bundeswehr; Speth, Rechtsfragen, S. 126: spezieller Amtshilfetatbestand; für Art. 91 Abs. 1 als „verdichtete bundesgenössische Form der Amtshilfe“ Windthorst in Sachs, GG, Rn. 2 zu Art. 91. Vgl. auch den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, der am 5. März 2004 von den Ländern Bayern, Hessen, Sachsen und Thüringen im Bundesrat eingebracht wurde (BR-Drs. 181/04 S. 4 unter Punkt 3 zu Artikel 1 Nr. 1). 381 Siehe oben unter A. (im Text bei Fn. 14). 382 Gegen das systematische Argument auch Schlink, Amtshilfe, S. 162 Fn. 32 sowie Stein, Amtshilfe, S. 92 Fn. 347. Baldus, NVwZ 2004 S. 1278 (1284) bezeichnet die Stellung der Art. 35 Abs. 2 und 3 GG treffend als „systematische Irreführung“; zustimmend Lorse, Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (476). 383 Statt vieler: Laubinger in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 11 Rn. 10 m.w. N. 384 Schlink, Amtshilfe, S. 163 f. verwendet dagegen umgekehrt diese für eine Hilfe nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG bestimmenden Charakteristika zur Begriffsbestimmung der Amtshilfe. 380

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Außerdem läßt sich die Tätigkeit fremder Kräfte bei der Katastrophenhilfe nicht mit der im System der Amtshilfe angelegten Trennung 385 zwischen dem von der ersuchenden Behörde durchzuführenden „Hauptverfahren“ und dem von der ersuchten Behörde durchzuführenden „Amtshilfeverfahren“ vereinbaren: Bei der Katastrophenhilfe beteiligen sich die angeforderten Kräfte selbst und direkt am Hauptverfahren, ihre Tätigkeit ist die selbe wie die der Kräfte des Einsatzlandes. Wer Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG als Amtshilfe ansehen will, muß daher das Recht der Amtshilfe den Bedürfnissen der Katastrophenhilfe entsprechend modifizieren 386 und diese Form der Zusammenarbeit als spezielle Form der Amtshilfe o. ä. bezeichnen 387, wobei diese dann mit der einfachgesetzlich geregelten Amtshilfe nur die Hilfeleistung durch fremde Behörden gemein hat. Ein solches Vorgehen trägt nicht zur Problemlösung bei, sondern ist ebenso unnötig wie verwirrend. Die Zuordnung der Katastrophenhilfe zu einem rechtlich vorgeprägten Institut der Zusammenarbeit ist nur sinnvoll, wenn sie ohne wesentliche Modifikationen dieses Instituts vorgenommen werden kann. Sonst wird der Zweck einer derartigen Zuordnung verfehlt; aus den für dieses Institut geltenden Regeln können dann keine Schlüsse für durch das Grundgesetz nicht geregelte Bereiche der Katastrophenhilfe gezogen werden. b) Katastrophenhilfe als Organleihe Verbreiteter als die Zuordnung zur Amtshilfe ist in der Literatur die Qualifikation der Katastrophenhilfe als Organleihe 388. Eine Überprüfung dieser Zuordnung Wie hier wohl auch Lorse, Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (477), der es als konstitutiv für die Annahme von Amtshilfe ansieht, daß die ersuchte Behörde an die für sie bestehenden Bestimmungen gebunden bleibt. 385 Siehe dazu Laubinger in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 11 Rn. 2. 386 Vgl. etwa die Modifikationen bei: Erbguth in Sachs, GG, Rn. 40 zu Art. 35: Befugnisse richten sich nach dem Recht des anfordernden Landes; Keidel, Polizei und Polizeigewalt: Ausübung von Staatsgewalt des Einsatzlandes durch die ersuchte Behörde (S. 99), Zurechnung der von der ersuchten Behörde vorgenommenen Maßnahme zur ersuchenden Behörde (S. 102 f.); Klückmann, DÖV 1976 S. 333 (335 f.): Anwendung des im Einsatzland geltenden Rechts. 387 Erbguth in Sachs, GG, Rn. 34 zu Art. 35: „Spezialfälle der Amtshilfe“; Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 99 ff.: „spezielle Normierung der [...] Amtshilfe“; Speth, Rechtsfragen, S. 126: spezieller Amtshilfetatbestand. 388 Martens in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 10 1. b) (S. 145); Eichhorn, Besondere Formen, S. 79 –85: „modifizierte Organleihe“; Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 5 zu § 11; Heesen / Nitsche, Die Polizei 1986 S. 1 (2 f.); Jou, Einsatz von Streitkräften, S. 82 f.; Klein in HStR VII, § 169 Rn. 29 (bzgl. Hilfe nach Art. 35 Abs. 2 Satz 1) und Rn. 20 (bzgl. Hilfe nach Art. 91 Abs. 1: Organleihe, die auf einem Akt der Amtshilfe beruht); Kleiner, DVBl. 1977 S. 240 (241); Lorse, Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (476); Martens, JR 1981 S. 353 (353); Martínez Soria, DVBl. 2004 S. 597

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gestaltet sich hier schwieriger als bei der Amtshilfe, da der Begriff zwar von der Verwaltungsrechtswissenschaft und der Judikatur verwendet wird 389, eine gesetzliche Normierung jedoch nicht stattgefunden hat, und es hinsichtlich einiger Begriffsmerkmale an Übereinstimmung fehlt. Überwiegend wird Organleihe dann angenommen, wenn ein Organ eines Verwaltungsträgers (des Leihgebers 390) Aufgaben eines anderen Verwaltungsträgers (des Leihnehmers) wahrnimmt und insoweit als dessen Organ tätig wird; das Organ ist den Weisungen des Leihnehmers unterworfen, und die von ihm getroffenen Maßnahmen werden dem Leihnehmer zugerechnet 391. Es handelt sich nicht um eine Aushilfe im Einzelfall, sondern um die Übertragung eines ganzen Aufgabenbereichs aufgrund einer allgemeinen Regelung. 392 Das Tätigwerden als Organ und nicht nur als Helfer oder Beauftragter des Leihnehmers erfordert die institutionelle (und nicht lediglich funktionelle) Eingliederung in die Organisation des Leihnehmers 393 und damit ein Tätigwerden für eine gewisse Dauer 394, weil als Organe nur Stellen in Betracht kommen, die ihre Funktionen für den Aufga(601): „Struktur eher mit einer modifizierten Organleihe zu vergleichen“; Walter, Die Polizei 1986 S. 28 (28); Willich, Rechtsstellung des Bundesgrenzschutzes, S. 231 f.: „spezielle Ausgestaltungen des hergebrachten Instituts der Organleihe“. Für Organwalterleihe bei der Hilfe nach Art. 91 Abs. 1 GG a.F. Ule / Rasch, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 779. Schlink, Amtshilfe, S. 164, versteht die Zusammenarbeit als Organleihe, die dabei stattfindende Betrauung mit der Wahrnehmung von Kompetenzen ordnet er je nach Fallgestaltung als Delegation oder Mandat ein. Gegen Organleihe ausdrücklich Robbers, DÖV 1989 S. 926 (928) sowie (bzgl. Hilfe nach Art. 91 Abs. 1 GG) wohl auch Windthorst in Sachs, GG, Rn. 25 zu Art. 91. 389 Vgl. die Nachweise bei Hirschberger, Organleihe, S. 23 ff. Für eine Vermeidung des Begriffs plädiert Rasch, DVBl. 1977 S. 144 (148). 390 Um sprachlichen Unklarheiten vorzubeugen, werden hier nicht wie üblich die Begriffe „ausleihender“, „entleihender“ oder „verleihender“ Verwaltungsträger, sondern das Begriffspaar Leihgeber – Leihnehmer verwendet. 391 So bereits BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1976 – VII A 4.73 –, Buchholz 11, Art. 104a GG Nr. 2 S. 6; Leonhardt in Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, Rn. 10 zu § 4; Klein in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG (5. Aufl.), Rn. 7a zu Art. 35. Diese Begriffsbestimmung hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 12. Januar 1983 (– 2 BvL 23/81 –, BVerfGE 63 S. 1 [31 f.]) übernommen. Ihr haben sich unter anderem Bonk / Schmitz (in Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, Rn. 39 zu § 4), Gubelt (in von Münch / Kunig, GG, Rn. 6 zu Art. 35) und Hömig (in Seifert / Hömig, GG, Rn. 8 vor Art. 83) angeschlossen. Ähnlich auch Loeser, System des Verwaltungsrechts II, § 10 Rn. 37 und Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 54. 392 BVerfG, Beschluß vom 12. Januar 1983 – 2 BvL 23/81 –, BVerfGE 63 S. 1 (32) unter Berufung auf Leonhardt in Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, Rn. 10 zu § 4 und Klein in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG (5. Aufl.), Rn. 7a zu Art. 35. Dem folgend unter anderem Bonk / Schmitz in Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, Rn. 39 zu § 4, Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 14 zu Art. 35, Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 6 zu Art. 35. 393 Hufeld, VBlBW 1999 S. 130 (131); Krebs in HStR III, § 69 Rn. 37: kein (zuordnungs-)rechtlicher Unterschied zwischen geliehenen und eigenen Organen; Lod-

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benträger auf Dauer erfüllen 395. Da ein ganzer Aufgabenbereich für längere Zeit übertragen wird, wird der Leihnehmer in der Regel auf dieser Ebene keine eigenen Organe 396 errichten. Die von Hirschberger 397 gewählte Konstruktion, nach der sowohl vom Leihgeber als auch vom Leihnehmer jeweils ein Organ rechtlich errichtet, aber nur vom Leihgeber eingerichtet wird 398, bedarf des Elements der institutionellen Eingliederung nicht; sie entspricht jedoch inhaltlich im hier wesentlichen Punkt der dargestellten Begriffsbildung, da das „doppelte“ bzw. geliehene Organ, um dessen Stellung es geht, als Organ des Leihnehmers tätig wird.

de, Rechtsfragen der Organleihe, S. 31: entliehenes Organ wird „zum Organ eines anderen Verwaltungsträgers (Entleihers) und damit Bestandteil der Verwaltungshierarchie des Entleihers“; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 54: organisatorische Zuordnung zum Leihnehmer; für entliehenes Organ als Organ des Leihnehmers auch Mayer in Mayer / Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 60 III (S. 518); unklarer Horn, NVwZ 1986 S. 808 (810): handelndes Organ wird „im eigenen Namen und aufgrund der Aufgabenzuweisung an es selbst tätig“, sowie Kopp / Ramsauer, VwVfG, Rn. 10 zu § 4: Tätigwerden „im eigenen Namen für eine gewisse Dauer“. Anderer Ansicht ist Eichhorn, Besondere Formen, S. 62, der aus dem möglichen Bestehenbleiben der institutionellen Bindung an den Leihgeber folgert, daß eine Übertragung der institutionellen Komponente nicht erforderlich ist. Auch die Bundesregierung ging in ihrer Begründung zum Entwurf des § 9 Abs. 1 Nr. 1 BGSG a.F. (im ursprgl. Entwurf § 9 Abs. 1 Nr. 3, entspricht § 11 Abs. 1 Nr. 1 BPolG), BT-Drs. VI/2886 S. 25, davon aus, daß es sich beim Tätigwerden des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit auf Anforderung eines Landes um Organleihe handelt, bei der die entliehenen Bundesorganen den entleihenden Landesorganen funktionell [!] eingegliedert werden. 394 Hufeld, VBlBW 1999 S. 130 (131). Ähnlich Robbers, DÖV 1989 S. 926 (928): unter Organleihe würden in aller Regel lediglich längerfristige, institutionalisierte Verhältnisse verstanden. 395 Knemeyer, DÖV 1988 S. 397 (401). 396 Bonk / Schmitz in Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, Rn. 39 zu § 4; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 56: der Leihnehmer erspart sich die Errichtung und Unterhaltung einer eigenen Behörde oder Verwaltungseinrichtung; Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht II, § 75 Ia 1 β (S. 62): die „Institutionsleihe“ sei ein treffliches Mittel, um die Unterhaltung eigener Behörden zu ersparen. Zum Teil scheint die Tatsache, daß der Leihnehmer aus Zweckmäßigkeitsgründen auf der betreffenden Verwaltungsebene kein eigenes Organ gebildet hat, als Grund für die Organleihe angesehen zu werden: BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1976 – VII A 4.73 –, Buchholz 11, Art. 104a GG Nr. 2 S. 6; BVerfG, Beschluß vom 12. Januar 1983 – 2 BvL 23/81 –, BVerfGE 63 S. 1 (32); Bachof, JZ 1966 S. 510 (513); Pitschas, SGb 1990 S. 233 (242). 397 Organleihe, S. 44 ff., 90. 398 Ähnlich wohl auch Nedden, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 68: Organleihe sei „die Errichtung einer staatlichen Verwaltungsbehörde im funktionalen Sinne durch Entleihung des Organs eines anderen Verwaltungsträgers“.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Soweit ersichtlich, weicht nur Knemeyer 399 wesentlich von der oben gegebenen Definition ab: Er bezeichnet die dauerhafte Wahrnehmung von Funktionen für einen anderen Aufgabenträger unter Integration in dessen Organisationsstruktur als „Doppelorganschaft“ 400; Organleihe liegt nach seiner Ansicht nur dann vor, wenn einzelne Aufgaben ad hoc übernommen werden. Verdienst dieser Ansicht (wie auch der von Hirschberger) ist es, durch die Betonung der Doppelstellung des Organs die Eingliederung in die Organisation des Leihnehmers zu verdeutlichen. Die Verwendung eines neuen Begriffs für ein herkömmlich anders benanntes Phänomen und die Reduzierung des Begriffs der Organleihe tragen jedoch in Anbetracht der herkömmlichen Begriffsverwendung nicht zur Klarstellung bei. Einzuräumen ist, daß das Institut der Organleihe den Eigenheiten der Katastrophenhilfe besser entspricht als das der Amtshilfe: Die Hilfskräfte werden in einem anderen als ihrem originären Zuständigkeitsbereich tätig, und sie unterstehen den fachlichen Weisungen des Leihnehmers. Dennoch kann es sich – werden die oben erörterten Begriffsmerkmale zugrunde gelegt – bei der Katastrophenhilfe nicht um Organleihe handeln: Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG, wonach die landesfremden Kräfte „zur Hilfe“ angefordert werden können. Die Formulierung „zur Hilfe“ impliziert, daß es sich lediglich um unterstützendes Tätigwerden handelt, nicht um die für die Organleihe charakteristische (vollständige) Übernahme eines Aufgabenbereichs. Die angeforderten Kräfte sollen den zuständigen Landesbehörden helfen, das heißt neben und zusammen mit ihnen tätig werden, nicht jedoch sie ersetzen oder gar ihre Einrichtung überflüssig machen. Auch das weitere Begriffsmerkmal des Tätigwerdens als Organ des Leihnehmers ist nicht gegeben. Die dafür erforderliche institutionelle Eingliederung scheitert daran, daß der um Hilfe ersuchte Rechtsträger unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit hat, die Hilfeleistung zu verweigern 401. Die sich daraus ergebende Ungewißheit des Einsatzes verbietet es, von einer dauerhaften Integration der Einsatzkräfte in die Verwaltungsorganisation des hilfesuchenden Landes auszugehen; eine Einrichtung, die (bzw. genauer: deren Rechtsträger) das Tätigwerden ablehnen bzw. sogar die begonnene Tätigkeit wegen Eigenbedarfs beenden kann, kommt als Organ nicht in Betracht. Auch dürfte die Bezeichnung der eingesetzten Streitkräfte als Organe eines Landes zu weit gehen 402, und die Konsequenz, etwa 399

DÖV 1988 S. 397 (401 ff.). Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht II, § 77 IV c S. 115 setzen den Begriff „Institutionsleihe durch Doppelorganschaft“ mit dem der Organleihe gleich. 401 Siehe dazu oben unter C. III. 3. 402 Robbers, DÖV 1989 S. 926 (928); ihm folgend Eichhorn, Besondere Formen, S. 84, der deswegen auf das Merkmal der institutionellen Einbindung verzichtet und „modifizierte Organleihe“ annimmt. Gegen eine Eingliederung der Streitkräfte in die Landesexekutive auch Lehnguth, Verwaltungsakte der Streitkräfte, S. 129 f. 400

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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den Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) gleichzeitig als Organ des Bundes und als Katastrophenschutzorgan aller 16 Länder anzusehen, ist abwegig 403. c) Katastrophenhilfe als Mandat Als Kooperationsform kommt noch das Mandat in Betracht, das bei den bisher vorgenommenen Einordnungsversuchen nicht ins Blickfeld geraten zu sein scheint. Es wird – trotz Anerkennung in Literatur 404 und Rechtsprechung 405 – in der verwaltungsrechtlichen Literatur nur spärlich behandelt. 406 Um ein Mandat handelt es sich, wenn „der Inhaber einer Zuständigkeit [der Mandant] in einem oder mehreren Einzelfällen oder auch abstrakt ein anderes öffentlich-rechtliches Subjekt [den Mandatar] beauftragt und bevollmächtigt, die Kompetenz des Mandanten in dessen Namen auszuüben“. 407 Die Handlungen des Mandatars werden dem Mandanten zugerechnet 408, der Mandant ist jedoch weiterhin berechtigt, die betreffenden Rechtsakte selbst vorzunehmen 409. Anders als bei der Organleihe wird das beauftragte Subjekt nicht institutionell, sondern nur funktionell integriert. 410 Von Interesse ist im Zusammenhang mit der Katastrophenhilfe nur diejenige Form des Mandats, bei der ein Rechtssubjekt von einem anderen Rechtssubjekt 403 Hirschberger, Organleihe, S. 56 ist dagegen der Ansicht, die Länder errichteten mit der Schaffung entsprechender Anforderungsnormen den Bundesgrenzschutz als Landes(!)organ. 404 Siehe dazu die Nachweise sogleich in Fn. 407. 405 BDiG, Beschluß vom 24. Januar 1985 – IX BK 12/84 –, DÖV 1985 S. 450 (451); OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluß vom 14. Dezember 1998 – 2 L 204/98 –, ZBR 2000 S. 102 f. 406 So Horn, NVwZ 1986 S. 808 (808) und Schenke, DÖV 1985 S. 452 (452). 407 So die grundlegende Definition bei Wolff, Verwaltungsrecht II, § 72 IV b 5 (S. 25), der die Begriffsbestimmung bei Triepel, Delegation und Mandat, S. 26 zugrundeliegt. Ihr haben sich angeschlossen BDiG, Beschluß vom 24. Januar 1985 – IX BK 12/84 –, DÖV 1985 S. 450 (451); Dreier, Art. Organlehre in Kunst / Hermann, Evangelisches Staatslexikon, Sp. 1699 (1705); Horn, NVwZ 1986 S. 808 (809); Hufeld, VBlBW 1999 S. 130 (130); Pitschas, SGb 1990 S. 233 (241); Rasch, DVBl. 1983 S. 617 (619); Schenke, VerwArch 68 (1977) S. 119 (148); Schmidt-Jortzig / Wolffgang, VerwArch 75 (1984) S. 107 (115); Weides, FS Armbruster, S. 301 (307). Ähnlich auch Laubinger in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 10 Rn. 18 f. 408 Rasch, DVBl. 1983 S. 617 (619); Schenke, VerwArch 68 (1977) S. 119 (121); Laubinger in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 10 Rn. 18; Weides, FS Armbruster, S. 301 (307). 409 So Heinz, Der Staat 1997 S. 495 (508) mit der Begründung, es werde zwar die Wahrnehmung einer Zuständigkeit erlaubt, jedoch keine neue Zuständigkeit begründet. Schenke, VerwArch 68 (1977) S. 118 (149) hält das Weiterbestehen einer eigenen Handlungsbefugnis für ein Naturale, nicht aber ein Essentiale des Mandats. 410 Hufeld, VBlBW 1999 S. 130 (132).

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

ermächtigt wird, in dessen Namen zu handeln 411. Die dafür verwendeten Begriffe des zwischenbehördlichen 412 oder organisationsrechtlichen 413 Mandats sind jedoch irreführend bzw. wenig aussagekräftig; treffender wäre die Bezeichnung als interpersonales Mandat 414, da damit deutlich wird, daß es um eine Beziehung unterschiedlicher Rechtssubjekte geht. Zu untersuchen ist zunächst, ob ein Mandat nach seinen Voraussetzungen überhaupt als Rechtsform für die Katastrophenhilfe in Betracht kommt. Dabei kann die Frage 415, ob und in welchen Fällen die Mandatserteilung einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, hier offen gelassen werden, da Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG als gesetzliche Grundlage für eine Mandatierung herangezogen werden kann. Klärungsbedürftig ist jedoch, ob das Mandat ein zuvor bestehendes Weisungsverhältnis oder ein Über- / Unterordnungsverhältnis zwischen Mandant und Mandatar voraussetzt. Wäre dies der Fall, so wäre das Mandat als Form der Zusammenarbeit im Rahmen der Katastrophenhilfe ausgeschlossen, da es dabei um die Hilfe durch Einheiten anderer Rechtsträger geht, gegenüber denen zunächst kein Weisungsrecht besteht. Die Autoren, die ein Über- / Unterordnungsverhältnis bzw. ein Weisungsverhältnis zwischen Mandant und Mandatar fordern 416, begründen dies nicht näher. Ihnen ist darin zuzustimmen, daß während der Durchführung des Mandats der Mandatar den Weisungen des Mandanten unterworfen sein muß 417. Nur dann ist es gerechtfertigt, daß die Handlungen des Mandatars dem Mandanten zugerechnet 411 Vereinzelt wird diese Form des Mandats für unzulässig gehalten: Obermayer, JZ 1956 S. 625 (628 f., 630) (für das generelle Mandat); Mangels, JZ 1957 S. 161 (162) (für jede Form des Mandats). 412 Schenke, VerwArch 68 (1977) S. 119 (149). Kluth in Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht Band 3, § 84 Rn. 76: zwischenbehördliches oder externes Mandat. Das Gegenstück zum zwischenbehördlichen Mandat bildet das innerbehördliche Mandat, bei dem Behördenbedienstete im Namen des Behördenvorstands Rechtsakte vornehmen, vgl. Schenke, a.a. O. 413 Horn, NVwZ 1986 S. 808 (809). Andere verwenden den Begriff des organisationsrechtlichen Mandats als Oberbegriff, so etwa Schenke, VerwArch 68 (1977) S. 119 (148 f.) und wohl auch Hufeld, VBlBW 1999 S. 130 (130). 414 Schwabe (DVBl. 1974 S. 69 [72]) sowie Schenke (VerwArch 68 [1977] S. 119 [149]) schlagen den Begriff des „externen Mandats“ vor, da nicht nur Behörden, sondern auch juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sein können. 415 Siehe dazu etwa Nedden, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 73 f. und ausführlich Schenke, VerwArch 68 (1977) S. 119 (153 ff.). 416 So Obermayer, JZ 1956 S. 625 (626): Beauftragung eines nachgeordneten durch ein übergeordnetes Hoheitsorgan; ihm folgend Klein, DVBl. 1968 S. 129 (131). Rasch, DÖV 1957 S. 337 (339) sowie ders., Verwaltungsorganisation, S. 178 fordert explizit ein Überund Unterordnungsverhältnis. 417 Hufeld, VBlBW 1999 S. 130 (132) sieht die „Verfahrensherrschaft des Mandanten“ als Voraussetzung des Mandates an.

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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werden, nur dann wird der gesetzlich bestimmten Zuständigkeitsordnung Rechnung getragen, und nur dann werden sog. „ministerialfreie Räume“ vermieden, also Bereiche, in denen Verwaltungsstellen in sachlicher Unabhängigkeit und ohne parlamentarische Kontrolle tätig werden 418. Allerdings ist dafür nicht erforderlich, daß ein Weisungsverhältnis zwischen Mandant und Mandatar bereits vor der Mandatierung besteht; es genügt, wenn sich das Weisungsrecht des Mandanten aus der Mandatierung ergibt und auf den übertragenen Aufgabenbereich erstreckt. Ein derartiges mandatsbezogenes Weisungsrecht muß jedoch nicht erst begründet werden, sondern es ist der Figur des Mandats immanent 419: Das Verhältnis zwischen Mandant und Mandatar ist gerade dadurch gekennzeichnet, daß der Mandatar Aufgaben des Mandanten für diesen, in dessen Namen und nach dessen Weisungen erfüllt. Wer ein Mandat übernimmt, unterwirft sich insofern den Weisungen des Mandanten. Ein generell bestehendes Weisungsverhältnis ist allenfalls dann von Bedeutung, wenn es um die Verpflichtung zur Übernahme eines Mandats geht. Fehlt eine gesetzliche Bestimmung, so kann einer derartigen Verpflichtung nur ein bestehendes Weisungsverhältnis zugrundeliegen. 420 Ist somit das Bestehen eines Weisungsverhältnisses vor Mandatserteilung grundsätzlich nicht Voraussetzung des Mandats, so kommt auch ein Mandat zwischen unterschiedlichen Rechtsträgern, zwischen denen – wie im Fall der Anforderung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG – zunächst kein Weisungsverhältnis besteht, in Betracht 421. Damit erweist sich das Mandat als mögliche Organisationsform der Zusammenarbeit nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG. Es ist auch die Form, deren Regeln den aus dem Verfassungstext und den Erfordernissen der Katastrophenabwehr abgeleiteten Feststellungen über die Aufgabenwahrnehmung und die Weisungsverhältnisse 422 besser als die der Amtshilfe oder der Organleihe entsprechen: Das hilfeleistende 418

Siehe dazu Müller, JuS 1985 S. 497 ff. Anderer Ansicht ist Kluth in Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht Band 3, § 84 Rn. 80, der ein Weisungsverhältnis nicht für die zwingende Folge einer Mandatserteilung hält. Es sei auch denkbar, daß dem Mandanten die eigene Entscheidungsbefugnis genommen werde. 420 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob bereits ein bestehendes Weisungsverhältnis (und nicht erst eine gesetzliche Bestimmung) zur Erteilung eines Mandats ermächtigt; vgl. dazu Schenke, DÖV 1985 S. 452 (453). 421 Ebenso Schwabe, DVBl. 1974 S. 69 (73) („Deshalb braucht das externe Mandat nicht auf Beteiligte ein und desselben Dienstzweigs beschränkt zu sein“) und wohl auch Weides, FS Armbruster, S. 301 (308), der das Mandat an eine nachgeordnete Behörde für einen möglichen Fall der Mandatierung hält. Eindeutig die Definition des Mandats bei Laubinger in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 10 Rn. 18: „Beauftragung eines Hoheitsträgers [sic!] [...] durch einen anderen Hoheitsträger [...]“. 422 Siehe oben unter C. IV. 1. und 2. 419

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Land bzw. der Bund (der Mandatar) nimmt mittels seiner Einsatzkräfte Aufgaben des ersuchenden Landes (des Mandanten) wahr; dieses bleibt Aufgabenträger. Neben dem Mandatar kann das Land weiterhin selbst in seinem Aufgabenbereich tätig werden. Aufgrund des Mandatsverhältnisses ist der mandatierte Rechtsträger hinsichtlich der Aufgabenerfüllung den Weisungen seines Mandanten unterworfen, das katastrophenbetroffene Land kann somit über die Art und Weise der Aufgabenerfüllung bestimmen. Ein dienstrechtliches Weisungsrecht ergibt sich aus dem Mandat nicht, da der Mandatar organisatorisch selbständig bleibt. Qualifiziert man mithin die Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG als Mandat, so stellt sie sich in den Termini dieser Organisationsform wie folgt dar: Mandant ist das anfordernde Land, Mandatar der Rechtsträger (Bund, Land, Gebietskörperschaft), dessen Kräfte angefordert werden. Gesetzliche Grundlage der Mandatierung ist Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG; aus dieser Vorschrift ergibt sich auch eine Pflicht zur Übernahme des Mandats. Die Mandatierung erfolgt durch die Anforderung, die Mandatsübernahme durch die Zusage der Entsendung der Kräfte oder durch die Entsendung selbst. 6. Konsequenzen der Qualifikation als Mandat Mit der Qualifikation als Mandat läßt sich nun die oben 423 aufgeworfene Frage beantworten, ob es für den Vollzug von Landesrecht durch landesfremde Kräfte einer Grundlage in der jeweiligen Landesverfassung bedarf. Da das Handeln der fremden Kräfte als Handeln des Landes in dessen Namen anzusehen ist, die Fremdkräfte also keine eigenen, sondern fremde Angelegenheiten ausführen, findet eine Übertragung von Hoheitsrechten gerade nicht statt 424. Für die Bestimmung der Anwendung von Landesrecht durch landesfremde Kräfte ist daher eine einfachgesetzliche Vorschrift im Landesrecht ausreichend, einer Öffnungsklausel in der Landesverfassung bedarf es nicht. 425 Auch bezüglich der Kostenverteilung 426 kann die Qualifizierung der Katastrophenhilfe als Mandat zur Klärung beitragen. Die Einsatzkräfte nehmen die Aufgabe des betroffenen Landes als fremde, nicht (auch) als eigene wahr. Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG verpflichtet sie zur Hilfeleistung, weist ihnen jedoch keine eigene Zuständigkeit zu. 423

Siehe oben unter C. IV. 3. b) (im Text vor Fn. 351). Zur Frage, wann eine Übertragung von Hoheitsrechten stattfindet, siehe oben unter C. IV. 3. b) (im Text bei Fn. 352). 425 Der hier vorliegende Fall zählt gerade zu denen, die Zeidler, DVBl. 1960 S. 573 (578) allgemein von der Forderung nach einer verfassungsrechtlichen Grundlage für den Bundesvollzug von Landesrechten ausnimmt: Wenn die fremdstaatlichen Organe als Landesorgane handelten, sei ein von dieser Grundthese abweichendes Ergebnis vertretbar. Es handele sich nicht um das untersuchte Problem, denn es seien keine Hoheitsrechte abgegeben worden. 426 Zum Problem siehe oben unter C. IV. 4. 424

C. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Damit muß nach der Regelung des Art. 104a Abs. 1 GG das Land als Aufgabenträger die Zweckausgaben tragen und dem Bund eventuell entstehende Kosten erstatten. 427 Der Bund muß dagegen nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG für seine Verwaltungsausgaben aufkommen. 428 Zwar ließe sich hier wie für die Organleihe argumentieren, es werde im Außenverhältnis nur die ersuchende Körperschaft, nicht die ersuchte tätig 429. Jedoch wird die helfende Einheit im Falle des Mandats anders als bei der Organleihe nicht dauerhaft in die Organisationsstruktur der ersuchenden Körperschaft integriert, sondern nur ausnahmsweise in Anspruch genommen; die Hilfeleistung gehört nicht zu ihrem regulären Aufgabenbereich. Dies rechtfertigt es, die Verwaltungsausgaben bei dem Träger der helfenden Behörde zu belassen. Die gefundene Lösung entspricht der Struktur der Katastrophenhilfe, die von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG vorgegeben wird: Es geht darum, im Notfall das bereits vorhandene Potential von Behörden und Einrichtungen anderer Körperschaften zu nutzen, das für andere Zwecke und aus anderen Gründen bereitgehalten wird, nicht jedoch sollen spezielle Katastrophenschutzorgane geschaffen werden. Dementsprechend sind auch die Verwaltungskosten für den gewöhnlichen Betrieb von der Trägerkörperschaft zu tragen. Diskutiert wird, ob hinsichtlich der Verwaltungsausgaben in den Fällen zulässigen Zusammenwirkens von Bund und Ländern eine Erstattungspflicht durch Gesetz oder Verwaltungsvereinbarung begründet werden kann. 430 Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG sieht bezogen auf Satz 1 des Absatzes (Kostentragung für die Verwaltungsausgaben, Haftung) vor, daß „das Nähere“ ein Bundesgesetz bestimmt. Dies bedeutet nicht, daß der Gesetzgeber eine eigenständige Verteilung der Kostentra427

Für Kostentragung durch das Land – allerdings ohne (ausdrückliche) Differenzierung zwischen Zweck- und Verwaltungsausgaben – auch Bauer in Dreier, GG, Rn. 25, 23 zu Art. 35; Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 11 zu Art. 35 („Mehrkosten“); von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 75, 67 zu Art. 35; Eichhorn, Besondere Formen, S. 143: Grundsatz, Abweichungen jedoch möglich; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 28 zu Art. 35 („Mehrkosten“); Hase in AK-GG, Rn. 6 zu Art. 35 Abs. 2, 3 („Kosten des Einsatzes“). 428 Für diese Aufteilung der Ausgabenlast – Zweckausgaben trägt die ersuchende Körperschaft, Verwaltungsausgaben die helfende Körperschaft – grundsätzlich auch Heintzen in von Münch / Kunig, GG, Rn. 26 zu Art. 104a, anders jedoch für die Organleihe (Leihnehmer trägt auch Verwaltungsausgaben), da nur der Leihnehmer tätig werde. Für die Hilfeleistung nach Art. 35 Abs. 2 GG soll die Finanzierungskompetenz beim Land liegen, da dessen Aufgaben erfüllt werden (a.a. O. Rn. 27). 429 Heintzen in von Münch / Kunig, GG, Rn. 26 zu Art. 104a will daher dem Leihgeber im Falle der Organleihe einen Erstattungsanspruch für die Zweck- und für die Verwaltungsausgaben einräumen. 430 Eine Verwaltungsvereinbarung halten für ausreichend: Fischer-Menshausen in von Münch / Kunig, GG (3. Aufl.), Rn. 39 zu Art. 104a; Heun in Dreier, GG, Rn. 19 zu Art. 104a. Anderer Ansicht Siekmann in Sachs, GG, Rn. 20 zu Art. 104a.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

gung vornehmen kann; er kann lediglich die vorgegebene verfassungsrechtliche Regelung ausgestalten und konkretisieren und ihre Anwendung für verfassungsrechtlich nicht eindeutige Grenz- und Zweifelsfälle näher bestimmen 431. Bei der vom Grundgesetz vorgesehenen Katastrophenhilfe dürfte es sich um einen derartigen Grenz- und Zweifelsfall handeln; sollte diesbezüglich eine Regelung getroffen werden, so ist dafür angesichts des eindeutigen Wortlauts des Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG ein zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz zu fordern. 432 In der Praxis relevanter als die mögliche Erstattung der Verwaltungsausgaben ist der Verzicht des Bundes auf die Erstattung seiner Zweckausgaben. Der Bund hat sowohl beim Oder-Hochwasser im Jahr 1997 als auch beim Elbe-Hochwasser im Jahr 2002 auf eine Erstattung der Kosten für den Einsatz von Bundesgrenzschutz (heute: „Bundespolizei“) und Streitkräften verzichtet. 433 Dies ist angesichts von Art. 104a Abs. 1 GG, der ein Verbot der Finanzierung fremder Aufgaben enthält 434, verfassungsrechtlich unzulässig. Zwar geht es beim Fremdfinanzierungsverbot 435 darum, Einflußmöglichkeiten des Bundes im Aufgabenbereich der Länder zu verhindern, die geschaffen würden, wenn der Bund den Ländern unter bestimmten Voraussetzungen Mittel zur Verfügung stellte 436, und diese Gefahr ist nicht ersicht431

Hellermann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 185 zu Art. 104a. Nach Art. 1 Abs. 1 des Finanzanpassungsgesetzes vom 30. August 1971 (BGBl. I S. 1426) tragen Bund und Länder gesondert die Verwaltungsausgaben, die sich aus der Wahrnehmung der ihnen obliegenden Verwaltungsaufgaben ergeben (Satz 1), die Erstattung von Verwaltungskosten bei Amtshilfe bleibt jedoch unberührt (Satz 2). Art. 1 Abs. 2 des Finanzanpassungsgesetzes, wonach sich die Erstattung von Verwaltungsausgaben nach den getroffenen Vereinbarungen richtet, wenn die Länder oder der Bund auf Grund von Verwaltungsvereinbarungen Verwaltungsaufgaben erledigen, die dem anderen Teil obliegen, ist insofern problematisch, als damit keine Regelung im Bundesgesetz selbst getroffen, sondern die Verteilung Verwaltungsvereinbarungen überlassen wird. 433 Für das Oder-Hochwasser vgl. BT-Drs. 13/9552 S. 2. Für das Elbe-Hochwasser vgl. Punkt 2 des 12-Punkte-Programms der Bundesregierung vom 15. August 2002, http:/ /www.bmi.bund.de/dokumente/Pressemitteilung/ix_90186.htm (abgerufen am 8. September 2004 um 11:42 Uhr). 434 BVerwG, Urteil vom 15. März 1989 – 7 C 42.87 –, BVerwGE 81 S. 312 (314). Brockmeyer in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 8 zu Art. 104a; Heun in Dreier, GG, Rn. 17 zu Art. 104a; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 25 zu Art. 104a; Prokisch in BK-GG, Rn. 116 zu Art. 104a; Siekmann in Sachs, GG, Rn. 12 zu Art. 104a. Zur Begründung wird zum Teil ein Umkehrschluß aus Art. 104a Abs. 4 GG angeführt, so etwa von Brockmeyer (a.a. O.) und Maunz (a.a. O.). Prokisch (a.a. O.) zweifelt, ob dies zur Begründung erforderlich ist, da Abs. 4 eher das Verbot von Mischfinanzierungen bestätige. 435 Diesen Begriff verwenden Birk in AK-GG (Vorauflage), Rn. 5 zu Art. 104a sowie Prokisch in BK-GG, Rn. 116 zu Art. 104a. 436 Prokisch in BK-GG, Rn. 117 zu Art. 104a; Hellermann in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 52 zu Art. 104a; Heun in Dreier, GG, Rn. 17 zu Art. 104a; vgl. auch (zu Art. 104a Abs. 4 GG) BVerfG, Urteil vom 4. März 1975 – 2 BvF 1/72 –, BVerfGE 39 S. 96 (110). 432

D. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 3 GG

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lich, wenn der Bund wie hier im Nachhinein auf eine Erstattung seiner Ausgaben verzichtet; doch kann dies nicht über den eindeutigen Wortlaut des Art. 104a Abs. 1 GG hinweghelfen, wonach das Konnexitätsprinzip gilt, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Eine derartige anderweitige Bestimmung läßt sich auch nicht Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG entnehmen. Eine explizite Kostenregelung wird dort nicht getroffen, und aus der Verpflichtung zur Hilfeleistung läßt sich nicht ableiten, daß die Hilfe unentgeltlich gewährt werden soll. Wenn also der Bund in Fällen eines Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG auf die Erstattung seiner Zweckausgaben verzichten will, so muß dafür eine verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen werden. Die Kostenverteilung der Länder untereinander richtet sich nach der Aufgabenverteilung. Da die hilfeleistenden Kräfte keine Aufgabe ihres Herkunftslandes, sondern die des Einsatzlandes wahrnehmen, muß dieses auch die Kosten des Einsatzes tragen. Die Kosten, die den helfenden Ländern auch im gewöhnlichen Verwaltungsbetrieb entstehen (also die Verwaltungsausgaben im Sinne des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Var. 1 GG) sind dagegen nicht durch die Erfüllung fremder Aufgaben verursacht und verbleiben daher bei den Herkunftsländern. Für einen möglichen Verzicht auf Kostenerstattung greift das Fremdfinanzierungsverbot des Art. 104a GG nicht. Wird die Reichweite dieser Vorschrift auf das Bund-LänderVerhältnis beschränkt 437, so kann sich auch das Verbot der Finanzierung fremder Aufgaben nur auf die Finanzierung der jeweils anderen Ebene beziehen 438. Für Finanzierungen der Länder untereinander ist allerdings die Schranke des Art. 107 GG zu beachten. 439

D. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 3 GG Im Gegensatz zu Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG, der ein Ersuchen des katastrophenbetroffenen Landes voraussetzt, erlaubt Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG unter bestimmten Voraussetzungen ein Tätigwerden des Bundes aus eigener Initiative (Bundesintervention).

Ein Beispiel für die Probleme der Fremdfinanzierung bot das sog. „Psychatrie-Programm“, vgl. dazu Birk in AK-GG (Vorauflage), Rn. 5 zu Art. 104a, sowie Vogel, JA 1980 S. 577 (578). 437 Vgl. die Nachweise in diesem Teil in Fn. 354. 438 Brockmeyer in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 8 zu Art. 104a: Verbot, Aufgaben „der anderen Seite“ zu finanzieren. Ebenso Prokisch in BK-GG, Rn. 116 zu Art. 104a. 439 Für eine Beschränkung von Finanzierungsmaßnahmen der Länder durch Art. 107 GG Brockmeyer in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 6 zu Art. 104a; Prokisch in BK-GG, Rn. 66 zu Art. 104a.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

I. Tatbestandsvoraussetzungen 1. Überregionale Naturkatastrophe bzw. überregionaler besonders schwerer Unglücksfall Wie Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG setzt Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG eine Naturkatastrophe oder einen Unglücksfall voraus; auch hier muß es sich um einen besonders schweren Unglücksfall handeln 440. Dies ergibt sich aus der Formulierung des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG, die auf Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG Bezug nimmt („der“ Unglücksfall). 441 Die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall müssen das Gebiet mehr als eines Landes gefährden. Aus dem Wortlaut ist zu schließen, daß es ausreicht, wenn mehr als ein Land betroffen ist – nicht erforderlich ist hingegen, daß die Gefahrenursache länderübergreifend ist; der Gefahrenherd muß nicht in mehreren Ländern liegen 442. 2. Erforderlichkeit Die Bundesregierung darf nur eingreifen, soweit dies zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist. Die Bundesintervention ist damit subsidiär zu einem Tätigwerden der Länder 443, die Überregionalität einer Gefahr allein berechtigt noch nicht zum Eingreifen 444. Der Bundesregierung steht eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Auswirkungen der Katastrophe 445 bzw. des Unglücksfalls und hinsichtlich der Erforderlichkeit der Maßnahmen 446 zu.

440 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 29 zu Art. 35. Anders Stern, Staatsrecht I, § 19 III 6d β (S. 546) im Widerspruch zu ders., Staatsrecht II, § 56 II 2 (S. 1462). 441 Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 332 f.; Sannwald in SchmidtBleibtreu / Klein, GG, Rn. 51 zu Art. 35; Stern, Staatsrecht II, § 56 II 2 (S. 1462); von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 78 zu Art. 35. 442 So aber Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 372. 443 Bauer in Dreier, GG, Rn. 26 zu Art. 35; Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 334; Hoffmann in Sterzel, Kritik der Notstandsgesetze, S. 86 (115); Klein in HStR VII, § 169 Rn. 33; Lenz, Notstandsverfassung, Rn. 13 zu Art. 35; Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 51 zu Art. 35: Grundsatz der Subsidiarität. Unklar von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 80 zu Art. 35: Anforderungsrechte haben „in einem rechtlichen strikten Sinne“ keinen Vorrang gegenüber einer Bundesintervention. 444 Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 372; Martínez Soria, DVBl. 2004 S. 597 (603); Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3b (S. 1465). Mißverständlich allerdings Esklony, Innerer Notstand, S. 220, der einen Koordinations- und Kooperationsbedarf bereits wegen der räumlichen Ausdehnung anzunehmen scheint. 445 Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 51 zu Art. 35. 446 Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 54 zu Art. 35; von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 80 zu Art. 35.

D. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 3 GG

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Bei der Ermittlung der Gründe, die ein Handeln der Bundesregierung erforderlich machen können, muß nach den in Betracht kommenden Maßnahmen differenziert werden. Den in Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG zusammengefaßten unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten – einerseits die Weisung, anderen Ländern Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen (Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG), andererseits der Einsatz von Einheiten des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte (Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG) – liegen unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen zugrunde, auch wenn sich dies nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht auf den ersten Blick erschließt. 447 a) Weisung, Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen Nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG kann die Bundesregierung den Landesregierungen die Weisung erteilen, anderen Ländern Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen. Dies beinhaltet keine Weisung an die „anderen“, also die katastrophenbetroffenen Länder, diese Polizeikräfte anzufordern oder einzusetzen. Für die gegenteilige Auffassung 448 bietet der Wortlaut der Vorschrift keinen Ansatzpunkt. Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG verstärkt somit lediglich die Position der betroffenen Länder bei einer Anforderung fremder Hilfe. 449 Mißverständlich sind Formulierungen, nach denen bei Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG die Weisung an die Stelle der Anforderung tritt 450: Die Weisung richtet sich allein an die Regierungen der zur Hilfe verpflichteten, nicht an die der katastrophenbetroffenen Länder. Diese können die fremden Kräfte einsetzen, müssen dies aber nicht tun. Dafür 447 Die Literatur folgt ganz überwiegend einer einheitlichen Betrachtung: Ein Eingreifen der Bundesregierung sei erforderlich, wenn die betroffenen Ländern zur Bekämpfung der Gefahr nicht fähig oder nicht willens sind. Vgl. Hase, AK-GG, Rn. 7 zu Art. 35 Abs. 2, 3; Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 8 zu Art. 35; Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3b (S. 1465). 448 Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 18 zu § 11; Heesen / Nitsche, Die Polizei 1986 S. 1 (8); Kleiner, DVBl. 1977 S. 240 (242). Hömig in Seifert / Hömig, GG, Rn. 11 zu Art. 35 meint, die betroffenen Länder könnten „angehalten“ werden, die landesfremden Polizeikräfte anzunehmen und zur Gefahrenbekämpfung einzusetzen. Auch Arndt, DVBl. 1968 S. 729 (730) nimmt ein allgemeines Weisungsrecht gegenüber den Regierungen der betroffenen Länder an. Davon geht anscheinend auch Stern, Staatsrecht I, § 19 III 6d β (S. 564) aus. Eine Weisung an die Länder, die Streitkräfte einzusetzen, hält Lorse, DÖV 2004 S. 329 (332) für möglich; ebenso ders., Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (476). 449 Wie hier Benda, Notstandsverfassung, S. 147; Roese in Schmidbauer / Steiner / Roese, BayPAG, Rn. 5 zu Art. 11. Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 20 zu Art. 35 spricht zwar einerseits von einer Verstärkung des Anforderungsrechts, andererseits aber auch von einem Weisungsrecht gegenüber dem Katastrophenland. 450 So etwa Eichhorn, Besondere Formen, S. 144 und Klein in HStR VII, § 169 Rn. 33. Genauer dagegen Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 105, der lediglich einen Unterschied im auslösenden Moment der Zur-Verfügung-Stellung sieht.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

spricht die vom Grundgesetz gewählte Formulierung, nach der die Landesregierungen angewiesen werden können, die Kräfte „zur Verfügung zu stellen“ (nicht etwa: sie zu entsenden). Die Entscheidung, ob diese Kräfte auch zum Einsatz kommen, bleibt damit dem betroffenen Land überlassen. Auch im Fall des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG muß das Land über einen Einsatz der zur Verfügung gestellten fremden Polizeikräfte entscheiden, sie dürfen nicht ohne seinen Willen tätig werden. 451 Aus der Rechtsfolge des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG – Weisung an die nicht betroffenen Länder, Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen, nicht jedoch Weisung an das betroffene Land, Gefahrenabwehrmaßnahmen zu ergreifen oder Hilfe anzufordern – läßt sich schließen, daß es tatbestandlich um eine Situation geht, in der die um Hilfe ersuchten Länder diese nicht leisten wollen, nicht jedoch um eine Situation, in der das betroffene Land Hilfe nicht anfordern will. Die von Keidel 452 vertretene Meinung, die Bundesregierung könne bei einer Gefährdung mehrerer Länder die nicht betroffenen Länder von vornherein anweisen, Polizeikräfte den betroffenen Ländern zur Verfügung zu stellen, geht zu weit. Eine solche Anweisung „auf Vorrat“, also ohne konkreten Bedarf, trägt der Subsidiarität des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG nicht Rechnung und greift unnötig in die vom Grundgesetz vorgegebene Kompetenzordnung ein. b) Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte Nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG kann die Bundesregierung auch Einheiten des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen, „soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist“. aa) Tatbestandliche Voraussetzungen der Erforderlichkeit Da auch bei einer überregionalen Naturkatastrophe oder einem überregionalen Unglücksfall eine Anforderung von Kräften und Einrichtungen nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG möglich ist 453 und den Ländern damit bereits das Hilfspotential des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte zur Verfügung steht, ist ein Einsatz durch die Bundesregierung nicht schon dann erforderlich, wenn die Länder der Gefahr mit eigenen Mitteln nicht Herr werden können. Vielmehr muß 451 So wohl auch Roese in Schmidbauer / Steiner / Roese, BayPAG, Rn. 5 zu Art. 11: der Einsatz außerbayerischer Kräfte in Bayern setze stets eine „Anforderung“ Bayerns voraus. 452 Polizei und Polizeigewalt, S. 104. 453 Siehe dazu oben unter C. I. 2.

D. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 3 GG

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es sich um Fälle handeln, in denen die Länder zur eigenständigen Gefahrenabwehr nicht bereit oder – auch unter Inanspruchnahme der Möglichkeiten aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 454 – nicht in der Lage sind: Eine fehlende Bereitschaft der Länder zur Gefahrenabwehr, die sich etwa darin äußern könnte, daß die benötigte auswärtige Unterstützung nicht angefordert wird 455, ist bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen nur schwer vorstellbar 456; politische Bedenken gegen eine Anforderung liegen heute ebenso fern wie die Gefahr einer Überschätzung der eigenen Kräfte 457. Fernliegend ist auch die Annahme, die Länder könnten zur wirksamen Gefahrenabwehr nicht in der Lage sein, obwohl sie bereits von der vorrangigen Möglichkeit des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG Gebrauch gemacht und die Unterstützung des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte angefordert haben. 458 Insbesondere erscheint eine Bundesintervention nicht effektiver als das Vorgehen nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG: Es ist nicht ersichtlich, inwiefern ein Tätigwerden des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte nach Weisung der Bundesregierung praktisch wirksamer sein sollte als ein solches nach Weisung der zuständigen Landesbehörden – zumal der Einsatz „zur Unterstützung“ der Polizeikräfte stattfinden soll, weshalb auf die Interessen der Länder und die Lageeinschätzung der zuständigen Stellen Rücksicht zu nehmen wäre 459. Zwar ließe sich vermuten, Maßnahmen der Bundesregierung nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG kämen dann in Betracht, wenn die beteiligten Länder bei Inanspruchnahme von Hilfe nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG mit der Koordination der Maßnahmen überfordert sind, wenn also eine überregionale Leitung notwendig wird. 460 Eine solche überregionale Leitung steht dem Bund jedoch auch bei einer Intervention nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG nicht zu. Zwar wollte der Rechtsausschuß des Bundestags mit seinem Formulierungsvorschlag zum Ausdruck 454

So bereits (noch für Art. 91 Abs. 2 GG) BT-Drs. V/1879 S. 24. Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 373. 456 Speth, Rechtsfragen, S. 142 ist der Ansicht, der fehlende Wille zur Katastrophenbekämpfung sei als „theoretischer Ausnahmefall“ anzusehen. 457 Dieses Beispiel bildet Kleiner, DVBl. 1977 S. 240 (242). 458 Einwag / Schoen, BGSG, Rn. 28 zu § 9 meinen, ein requisitionsunabhängiger Einsatz des Bundesgrenzschutzes werden in der Regel dann nicht erforderlich sein, wenn die beteiligten Landesregierungen schon von sich aus den Bundesgrenzschutz angefordert haben und die erforderliche Koordinierung des überregionalen Einsatzes sichergestellt ist. Dem folgend Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 334. 459 Zur Problematik dieser Zielsetzung angesichts des praktischen Anwendungsbereichs der Vorschrift siehe unten in diesem Teil unter D. III. 2. b) (im Text nach Fn. 503). 460 So anscheinend Einwag / Schoen, BGSG, Rn. 28 zu § 9 und dem folgend Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 334, wenn sie annehmen, ein Einsatz durch die Bundesregierung sei nicht erforderlich, wenn die Koordination durch die Länder sichergestellt sei. 455

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

bringen, daß der Bund (nur) eine Koordinierungsfunktion hat 461, doch hat die Bundesregierung nach dem Text der Vorschrift keine Koordinierungsbefugnisse hinsichtlich der gesamten Katastrophenabwehr 462. Anders als im Fall des Art. 91 Abs. 2 GG bestehen keine Weisungsbefugnisse gegenüber den Polizeikräften der Länder (Art. 91 Abs. 2 Satz 1 GG) oder allgemein gegenüber den Landesregierungen (Art. 91 Abs. 2 Satz 3 GG) 463. 464 Die Koordinierungsmöglichkeiten beschränken sich auf den Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte. Nur wenn eine derartige Koordination erforderlich ist, wenn also ein Tätigwerden von Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) und Streitkräften aufgrund von Anforderungen nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG nicht ausreicht, kann Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG zur Anwendung kommen. Eine solche Situation ist nur denkbar, wenn die betroffenen Länder die überregionale Gefahr nicht mit einer gemeinsamen Zielsetzung bekämpfen, sondern jeweils eigene oder gar gegenläufige Ziele verfolgen. 465 Als Anwendungsfall des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG kommt schließlich eine Situation in Betracht, in der die zuständigen Landesbehörden aufgrund der Auswirkungen der Katastrophe nicht mehr handlungsfähig 466 und daher zu einer 461 Protokoll der 76. Sitzung vom 15. März 1968, Protokoll Nr. 76 S. 4. Die Koordinierungsfunktion sollte ein Minus gegenüber den zuvor erwogenen weitergehenden Eingriffsrechten des Bundes darstellen. 462 Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 338. 463 So aber Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 20 (unter 2.) zu Art. 35, der eine Anweisung an die Landesregierung des katastrophenbetroffenen Landes für möglich hält, Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) und/oder Bundeswehr [sic!] zur Unterstützung der Polizei einzusetzen; ebenso De Clerck / Schmidt, POG R-P, Erläuterung III. zu § 86 (unter Buchstabe c)) und Lorse, DÖV 2004 S. 329 (332) sowie ders., Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (479) für den Einsatz der Streitkräfte. Möglicherweise beruht diese Sichtweise auf einer falschen Wiedergabe des Verfassungstextes in der Kommentierung von Maunz, vgl. dazu auch den Hinweis bei Lehnguth, Verwaltungsakte der Streitkräfte, S. 122 f. Kleiner, DVBl. 1977 S. 240 (243) hält Weisungen des Bundes zu Koordinationszwecken für zulässig. Ebenso wohl Heesen / Nitsche, Die Polizei 1986 S. 1 (9): auf konkrete Aufträge an die jeweiligen Landesregierungen beschränktes Weisungsrecht. Unklar Eichhorn, Besondere Formen, S. 123, der bei der Untersuchung eines Stufenverhältnisses eine Weisung an die Polizeikräfte anderer Länder annimmt; anders aber auf S. 144. Unklar auch Speth, Rechtsfragen, S. 142, der in bestimmten Situationen den Übergang der vollen Weisungsgewalt auf die Bundesregierung anzunehmen scheint. 464 Insofern kann auch von einer Landesverwaltung auf Weisung des Bundes als speziellem Fall der Auftragsverwaltung nicht die Rede sein. So aber Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 20 (1.) zu Art. 35 (der die Auftragsverwaltung allerdings Art. 86 GG zuordnet); ihm folgend Esklony, Innerer Notstand, S. 218. 465 Dazu kann es kommen, wenn ein Land die Gefahrenabwehr auf Kosten eines anderen Landes betreibt, indem etwa Maßnahmen der Hochwasserbekämpfung die Gefahr einer Überflutung in flußabwärts gelegenen Gebieten eines anderen Landes verstärken. 466 Lorse, Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (478) sieht in der in Art. 35 Abs. 3 GG enthaltenen Weisungsbefugnis eine „Ersatzkompetenz für eine handlungsunfähige oder

D. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 3 GG

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eigenen Gefahrenabwehr, die über örtliche Einzelmaßnahmen hinausgeht, nicht mehr in der Lage sind. Zusätzlich muß die Katastrophe das Gebiet mehr als eines Landes gefährden. 467 Zur Handlungsunfähigkeit kann es kommen, wenn beispielsweise der Sitz der zuständigen Ministerien bzw. Oberbehörden durch einen Großbrand oder einen terroristischen Anschlag zerstört wird oder wenn sämtliche Kommunikationsmittel ausfallen. Dies würde in Stadtstaaten jegliche koordinierte Gefahrenabwehr verhindern, aber auch in Flächenstaaten fehlte es dann an einer Gesamtleitung; eventuell noch mögliche Absprachen der örtlichen Katastrophenschutzbehörden können ein großräumiges Einsatzkonzept nicht ersetzen. bb) Subsidiarität der Bundesintervention nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG gegenüber anderen Maßnahmen Von einigen Autoren wird angenommen, vor einer Bundesintervention nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG müßten die katastrophenbetroffenen Länder zunächst angewiesen werden, nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG Hilfe anzufordern und einzusetzen 468. Dem kann nicht gefolgt werden: Für eine derartige Weisung gibt es keine Rechtsgrundlage; sie könnte allenfalls in Ausübung des Bundeszwangs gemäß Art. 37 GG erfolgen. Voraussetzung dafür wäre jedoch die Verletzung einer sich aus dem Grundgesetz oder einem Bundesgesetz ergebenden Bundespflicht, das heißt einer Pflicht im bundesstaatlichen Rechtsverhältnis, die dem Land gegenüber dem Bund oder gegenüber anderen Ländern obliegt. 469 Eine Bundespflicht ist hier aber nicht berührt. Selbst wenn man eine staatliche Pflicht zur möglichst effektiven Gefahrenabwehr annehmen wollte, handelte es sich dabei doch nicht um eine Bundespflicht 470, da sie weder dem Bund noch anderen Ländern gegenüber besteht. Pflichten des Landes gegenüber seinen Bürgern, Gefahren für Leben und Gesundheit abzuwehren, sind keine Bundespflichten. 471 Die Verletzung einer Bundespflicht ist allenfalls dann anzunehmen, wenn ein Land seine Gefahrenabwehr aber handlungsschwache Landesregierung“, es sei ein „‚verfassungsrechtlicher Notschalter des Grundgesetzes‘“. 467 Wegen der geringen Fläche der Länder, der dichten Besiedlung und insbesondere der über die Ländergrenzen hinausgreifenden Vernetzung (Energie, Wasser, Kommunikation, Verkehr) dürfte ein – ohnehin seltenes – Ereignis, das zur Handlungsunfähigkeit eines Landes führt, fast immer auch das Gebiet mehr als eines Landes gefährden. 468 Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 18 zu § 11; Heesen / Nitsche, Die Polizei 1986 S. 1 (8); Kleiner, DVBl. 1977 S. 240 (242). 469 Bauer in Dreier, GG, Rn. 9 zu Art. 37; Erbguth in Sachs, GG, Rn. 8 zu Art. 37; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 5 zu Art. 37; Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 2 zu Art. 37. 470 Anders Eichhorn, Besondere Formen, S. 147, der die Gefahrenabwehrpflicht ohne weitere Diskussion als Bundespflicht ansieht.

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so betreibt, daß dadurch ein anderes Land gefährdet wird. 472 Auch dann kann ein Vorgehen nach Art. 37 GG aber nicht vorrangig gegenüber der Bundesintervention nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG sein: Die vom Gesetzgeber offensichtlich gewollte rasche und alleinige Entscheidung der Bundesregierung über die Bundesintervention – eine Beteiligung des Bundesrates ist nicht erforderlich, dieser kann lediglich die Aufhebung bereits getroffener Maßnahmen verlangen – wäre praktisch nutzlos, wenn vorher für die Anwendung des Bundeszwangs nach Art. 37 GG die Zustimmung des Bundesrates eingeholt werden müßte. Ebenfalls vertreten wird, der requisitionsunabhängige Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte (Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG) sei auch gegenüber einer – notfalls im Wege des Bundeszwangs durchzusetzenden – Weisung gegenüber den die Hilfeleistung verweigernden Ländern nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG subsidiär 473. Diese Ansicht scheitert jedoch bereits daran, daß die beiden Varianten von unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen ausgehen 474. In diesem Fall kann von einem Subsidiaritätsverhältnis nicht die Rede sein. Im übrigen widerspräche auch hier ein Vorrang des Vorgehens nach Art. 37 GG der in Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG vorgesehenen raschen Entscheidung der Bundesregierung. Die Maßnahmen des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG sind also nicht gegenüber einem Vorgehen nach Art. 37 GG nachrangig. Vielmehr läßt sich die Möglichkeit, den Landesregierungen ohne Zustimmung des Bundesrates Weisungen zu erteilen, als Sonderfall des Bundeszwangs bezeichnen. Bezüglich des Einsatzes von Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) und Streitkräften gilt dies nur, wenn damit eine Bundespflicht durchgesetzt wird. Ob Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2, Art. 91 Abs. 2 und Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG entnommen werden kann, daß der Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundes471 Bauer in Dreier, GG, Rn. 9 zu Art. 37; Erbguth in Sachs, GG, Rn. 8 zu Art. 37; Evers in BK-GG, Rn. 27 zu Art. 37; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 5 zu Art. 37; Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 2 zu Art. 37. Anderer Ansicht nur Bothe in AK-GG, Rn. 11 zu Art. 37. 472 Dagegen dürfte die durch unzureichende Katastrophenbekämpfung entstehende Mehrbelastung für Bund und Länder im Rahmen des Finanzausgleichs die effektive Gefahrenabwehr noch nicht zur Bundespflicht machen; so aber Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 308 ff. 473 Heesen / Nitsche, Die Polizei 1986 S. 1 (8); Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 90 f.; Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 373 f.; ders., DVBl. 1977 S. 240 (242); Speth, Rechtsfragen, S. 141 (für Aufgaben vollziehender Gewalt, nicht für die rein technische Verwendung). Anderer Ansicht (wie hier) Klein in HStR VII, § 169 Rn. 33; Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3b β (S. 1644). 474 Siehe oben unter D. I. 2. a) für Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG und unter D. I. 2. b) aa) für Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG.

D. Gefahrenabwehr nach Art. 35 Abs. 3 GG

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polizei“) und der Streitkräfte im Wege des Bundeszwangs nur unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig ist 475, kann offen bleiben.

II. Zuständigkeit Die Entscheidung über ein Vorgehen nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG obliegt der Bundesregierung als Kollegialorgan 476 (vgl. Art. 62 GG). Sie kann nicht von dem zuständigen Minister getroffen werden, insbesondere reicht die Befehls- und Kommandogewalt des Bundesministers für Verteidigung (Art. 65a GG) dafür nicht aus. 477 Dabei ist den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt, wenn die Bundesregierung im Falle des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG über das „Ob“ eines Einsatzes und die wesentlichen Grundzüge entscheidet. Die Entscheidung über die Einzelheiten des Einsatzes kann dem jeweiligen Fachminister überlassen werden. 478 Dies ist für die Streitkräfte der Bundesminister für Verteidigung (Art. 65a GG), für den Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) der Bundesminister des Innern (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BPolG).

III. Rechtsfolge 1. Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG: Weisung, Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen Die Weisung, Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen, richtet sich an die Landesregierungen. Der Bund hat keine direkten Weisungsbefugnisse gegenüber den Polizeikräften 479, seine Befugnisse reichen also nicht so weit wie im Fall des Art. 91 Abs. 2 GG 480.

475 Bejahend Bauer in Dreier, GG, Rn. 17 zu Art. 37; Bothe in AK-GG, Rn. 23 zu Art. 37; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 14 zu Art. 37. Eine Sperrwirkung des Art. 91 Abs. 2 GG für den Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Polizeikräfte anderer Länder nehmen an: Erbguth in Sachs, GG, Rn. 12 zu Art. 37; Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 3 zu Art. 37. Verneinend von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 9 zu Art. 37. 476 Bauer in Dreier, GG, Rn. 26 zu Art. 35; Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 328 ff.; Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 90; Lenz, Notstandsverfassung, Rn. 14 zu Art. 35; Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 8 zu Art. 35; Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3b (S. 1465). 477 Linke, AöR 129 (2004) S. 489 (537); Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 90 vermutet, daß die „verantwortungsvolle und problematische Entscheidung eines militärischen Eingreifens im Innern grundsätzlich nicht einem einzelnen Kabinettsmitglied aufgebürdet werden“ sollte. 478 So für den Einsatz der Streitkräfte Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 149 (zur Begründung S. 132 f., 137 f.) und Speth, Rechtsfragen, S. 142.

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Wenn die zur Verfügung gestellten Polizeikräfte von den katastrophenbetroffenen Ländern eingesetzt werden, so unterscheidet sich dieser Einsatz nicht von einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG. 481 Daher kann hinsichtlich des Begriffs der Polizeikräfte, der besonders in Frage kommenden Einheiten, der organisationsrechtlichen Form der Zusammenarbeit, des anzuwendenden Rechts, der Weisungsverhältnisse und der Kosten auf die obigen Darstellungen verwiesen werden. 2. Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG: Einsatz von Einheiten des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte durch die Bundesregierung Ein Einsatz nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG ist auch gegen den Willen des betroffenen Landes möglich. 482 Dies ergibt sich daraus, daß zwar der Bundesrat, nicht jedoch ein einzelnes Land nach Art. 35 Abs. 3 Satz 2 GG die Aufhebung der Maßnahmen verlangen kann 483. Der Einsatz der Streitkräfte ist nicht subsidiär gegenüber einem Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“). 484 Für ein derartiges Verständnis bietet die Vorschrift keinerlei Anhaltspunkte. Aus der ausdrücklichen Subsidiarität für den Fall des Inneren Notstands (Art. 91 Abs. 2 Satz 1, Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG) läßt sich vielmehr schließen, daß eine solche für die Katastrophenhilfe nicht 479 Bauer in Dreier, GG, Rn. 27 zu Art. 35; Eichhorn, Besondere Formen, S. 145; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 29 zu Art. 35; Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 8 zu Art. 35; Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 151; Klein in HStR VII, § 169 Rn. 33; Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 56 zu Art. 35; Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3b α (S. 1466). 480 Bauer in Dreier, GG, Rn. 27 Fn. 99 zu Art. 35; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 29 zu Art. 35; Heesen / Nitsche, Die Polizei 1986 S. 1 (3); Kleiner, DVBl. 1977 S. 240 (242). 481 Eichhorn, Besondere Formen, S. 144; Erbguth in Sachs, GG, Rn. 42 zu Art. 35; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 29 zu Art. 35; Hase in AK-GG, Rn. 7 zu Art. 35 Abs. 2, 3; Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 104 f.; Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3b α (S. 1466). 482 Bauer in Dreier, GG, Rn. 27 zu Art. 35; Esklony, Innerer Notstand, S. 220; Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 90; Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 402; Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 21 zu Art. 35; Speth, Rechtsfragen, S. 141; Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3b β (S. 1466). Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 48 zu Art. 35 entnimmt der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten die Verpflichtung des Bundes, außer bei Eilbedürftigkeit dem Land vor einer Bundesintervention Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und Einvernehmen über die Gefahrenabwehr anzustreben. 483 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 31 zu Art. 35. 484 So aber Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 90 f. Für strikte Subsidiarität des Streitkräfteeinsatzes auch Dürig in Maunz / Dürig, GG, Rn. 35 zu Art. 87a. Im Ergebnis wie hier Eichhorn, Besondere Formen, S. 124.

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vorgesehen ist. Die Entscheidung über die einzusetzenden Kräfte ist daher nach Effektivitätsgesichtspunkten zu treffen. 485 Hinsichtlich der Aufgabenwahrnehmung, der Weisungsverhältnisse, des anzuwendenden Rechts, der Zurechnung der Maßnahmen und der Kosten wirft der Einsatz von Einheiten des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte durch die Bundesregierung einige Probleme auf. a) Aufgabenwahrnehmung Fraglich ist, ob die von der Bundesregierung eingesetzten Kräfte eine Bundesoder eine Landesaufgabe wahrnehmen. Die in der Literatur vorzufindende Uneinigkeit 486 ist möglicherweise darauf zurückzuführen, daß zwischen der Entscheidung des Bundes über einen Einsatz der Bundeskräfte einerseits und der eigentlichen Gefahrenabwehr durch die Bundeskräfte andererseits nicht getrennt wird. Entscheidet sich die Bundesregierung für ein Eingreifen, ordnet sie also einen Einsatz an, so tut sie dies aufgrund der Befugnis, die ihr das Grundgesetz in Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG zuweist, und damit in Wahrnehmung einer eigenen Aufgabe 487. Diese obliegt dem Bund zum Zwecke der existentiellen Sicherung des Gesamtstaates 488; bedrohen Gefahren mehrere Länder und damit die bundesstaatliche Gesamtheit, und können sie durch die Länder selbst nicht abgewehrt 485

Eichhorn, Besondere Formen, S. 124. Für Wahrnehmung einer „Bundeskompetenz“ Erbguth in Sachs, GG, Rn. 41 zu Art. 35; Jou, Einsatz von Streitkräften, S. 101; Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 204, 142; Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 402; Rasch, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 18 zu Art. 35 GG. Anders Willich, Rechtsstellung des Bundesgrenzschutzes, S. 228 f.: auch die im Rahmen des Art. 35 Abs. 3 GG erfolgende Tätigkeit sei Wahrnehmung einer gliedstaatlichen Verwaltungskompetenz. Für Wahrnehmung von Landesaufgaben auch Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 57 f. zu Art. 35. Walter in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, BGSG, Rn. 34 zu § 11, Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 18 zu § 11 und Heesen / Nitsche, Die Polizei 1986 S. 1 (9) gehen übereinstimmend davon aus, daß „die Länder in besonderer Weise unterstützt, nicht jedoch Verwaltungskompetenzen des Bundes wahrgenommen“ werden. So wohl auch Einwag / Schoen, BGSG, Rn. 29 zu § 9 sowie Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 338 (Bundesgrenzschutz wird „primär nicht in Wahrnehmung einer Bundesaufgabe tätig“). Unklar Lorse, Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (477): allenfalls „hinkende Bundeskompetenz“; a.a. O. S. 486: gesamtstaatliche Aufgabe der Gefahrenabwehr. 487 Wie hier wohl Linke, NZWehrr 2004 S. 115 (S. 123 Fn. 61): „Die Bundesregierung nimmt gemäß Art. 35 Abs. 3 GG geborene Bundesaufgaben wahr“; ebenso ders., AöR 129 (2004) S. 489 (526). In dieselbe Richtung geht auch die Aussage von Klückmann, NZWehrr 1977 S. 164 (170), der Begriff des „Einsetzens“ in Art. 35 Abs. 3 GG regele ein Eingreifen aufgrund der „originären Befehlsbefugnis der Bundesregierung“. 488 Vgl. Eichhorn, Besondere Formen, S. 88: existentielle Sicherung des Gesamtstaates als Kompetenz kraft Natur der Sache. Nach Linke, NZWehrr 2004 S. 115 (123 Fn. 61) ist die Verantwortung für das Wohl des Gesamtstaats, das durch einen überregionalen Notstand 486

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

werden, so ist der Bund befugt, Maßnahmen zu ergreifen. Ihm kommt insofern gleichsam eine Reservefunktion zu. Die Befugnis des Bundes beschränkt sich im Rahmen des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG allerdings auf die Entscheidung über einen Einsatz von Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) und Streitkräften; übergreifende Koordinierungsbefugnisse hat der Bund nach dieser Vorschrift nicht 489. Die Annahme einer Bundesaufgabe der existentiellen Sicherung des Gesamtstaates, die durch die Entscheidung über einen Einsatz von Bundeskräften wahrgenommen wird, bedeutet aber nicht, daß die eingesetzten (Bundes-)Kräfte vor Ort eine originäre Bundesaufgabe wahrnehmen. Die Gefahrenabwehr ist Aufgabe der Länder, und sie bleibt es auch bei einer Bundesintervention; Art. 35 Abs. 3 GG ändert an dieser Aufgabenverteilung nichts. 490 Der Wortlaut des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG, nach dem Einheiten des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte „zur Unterstützung der Polizeikräfte“ eingesetzt werden können, spricht vielmehr dafür, daß die eigentliche Gefahrenabwehr auch mit dem Einsatz von Bundeskräften nicht originäre Aufgabe des Bundes wird, sondern daß es sich weiterhin um die Aufgabe der an sich zuständigen Polizeikräfte handelt, bei der den Bundeskräften nur eine unterstützende Funktion zukommt. Insoweit unterscheidet sich das Merkmal „zur Unterstützung“ nicht von der Formulierung „zur Hilfe bei“ in Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG. 491 Organisationsrechtlich läßt sich die Aufgabenwahrnehmung durch die bundeseigenen Kräfte als gesetzlich begründete Fremdgeschäftsführung oder Geschäftsbesorgung qualifizieren. Das Institut der Fremdgeschäftsführung wird von der organisationsrechtlichen Literatur nur selten erwähnt 492, wohl aber vorausgesetzt: bedroht wird, bereits historisch eine Bundesangelegenheit; ebenso ders., AöR 129 (2004) S. 489 (526): Sicherheit des Bundesganzen als geborene Aufgabe des Zentralstaates. 489 Nach Lorse, Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (478) stellt sich die in Art. 35 Abs. 3 GG enthaltene Weisungsbefugnis „lediglich als ein Initiativrecht zur Koordination dar“. 490 Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 391 f.; ders., DVBl. 1977 S. 240 (243). Er geht allerdings davon aus, daß die Streitkräfte eine Bundesaufgabe wahrnehmen, vgl. Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 402. Gegen eine „Aufgabenverschiebung“ Sannwald in SchmidtBleibtreu / Klein, GG, Rn. 57 zu Art. 35. Für die Gefahrenabwehr als Landesaufgabe auch Knödler, BayVBl. 2002 S. 107 (110). 491 Maunz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 21 zu Art. 35. 492 Eine Konzeption öffentlich-rechtlicher Aufträge findet sich bei Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht II, S. 389 f. Er hielt „Einzelgeschäfte für fremde Rechnung“ für möglich: „Ein Zusammenwirken der rechtsfähigen Verwaltungen kann auch so vorkommen, daß im Einzelfall die eine das Geschäft der anderen besorgt, deren Angelegenheit für sie erledigt. Rechtsgültig und rechtswirksam kann dergleichen für sie nur vorgenommen werden, wenn es sich bei der fremden Angelegenheit zugleich um eine eigene Angelegenheit handelt oder doch um eine Aufgabe, in der einem bestimmten höheren Zwecke entsprochen wird, dem man beiderseits zu dienen hat.“ Die Übernahme der einem anderen obliegenden Leistungen könne für den bestimmten Einzelfall freiwillig erfolgen, aber auch „einseitig

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Auch das als Organisationsform anerkannte 493 Mandat ist im Innenverhältnis eine Form der Fremdgeschäftsführung, und zwar eine, der eine Beauftragung des Geschäftsführers (Mandatars) durch den Geschäftsherrn (Mandanten) zugrundeliegt. Der Fall des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG ist dagegen eine Fremdgeschäftsführung kraft gesetzlicher Ermächtigung. Auch wenn hierbei keine Beauftragung durch den Geschäftsherrn vorliegt, handelt es sich nicht um eine Geschäftsführung „ohne Auftrag“, da die gesetzliche Ermächtigung eine sonstige Berechtigung im Sinne des § 677 BGB darstellt. Die Form der nicht auf Vertrag beruhenden Geschäftsbesorgung findet sich auch im Zivilrecht, und zwar bei der gesetzlichen Vertretung (der Kinder durch ihre Eltern) und bei der Geschäftsbesorgung aufgrund einer Amts- oder Organstellung (Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter einerseits, Vereinsvorstand, GmbH-Geschäftsführer andererseits) 494. Im öffentlichen Recht könnten etwa die Auftragsverwaltung oder ein Tätigwerden an sich unzuständiger Behörden aufgrund von Notkompetenzen 495 als gesetzlich begründete öffentlich-rechtliche Geschäftsbesorgungsverhältnisse verstanden werden. Eine weitere Untersuchung dieser Fälle ist im Rahmen der Arbeit jedoch nicht erforderlich; zudem sind sie gesetzlich hinreichend ausgestaltet, so daß es des Rückgriffs auf allgemeine Regeln zur Klärung offener Fragen diesbezüglich nicht bedarf. In den Termini der Fremdgeschäftsführung ausgedrückt, stellt sich die Situation des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG folgendermaßen dar: Der Bund als Geschäftsführer ist gesetzlich ermächtigt, ein Geschäft der betroffenen Länder als der Geschäftsherren wahrzunehmen. Insofern besteht eine Befugnis des Bundes, die sich jedoch nur auf die Übernahme des Geschäfts, nicht auf das wahrzunehmende Geschäft selbst bezieht. Dieses, nämlich die Gefahrenabwehr, bleibt eigene Aufgabe der jeweils betroffenen Länder und ist für den Bund ein „fremdes“ Geschäft. b) Weisungsverhältnisse Beim requisitionsunabhängigen Einsatz nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG unterstehen die von der Bundesregierung eingesetzten Einheiten nicht dem fachkraft eines Rechts des Übernehmenden, das ihm dazu eingeräumt ist, ohne und gegen den Willen des anderen Verwaltungskörpers, der zunächst berufen wäre“. Vgl. auch Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht Band 2, § 55 Rn. 9, wo unter den sonstigen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen die „auftragsähnliche Geschäftsführung eines Trägers öffentlicher Verwaltung für einen anderen oder für eine Zivilperson“ aufgeführt wird. 493 Vgl. die Nachweise in diesem Teil in Fn. 407. 494 Larenz, Schuldrecht II, § 56 I (S. 328). 495 Vgl. etwa § 90 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1, § 91 Abs. 2 Satz 1 POG-RP: Tätigwerden der allgemeinen Ordnungsbehörden außerhalb ihres sachlichen oder örtlichen Zuständigkeitsbereichs.

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lichen Weisungsrecht des Einsatzlandes, sondern des Bundes. 496 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, nach dem die Bundesregierung die Einheiten „einsetzen“ (und nicht lediglich zur Verfügung stellen) kann 497; der Einsatz kann also unabhängig vom Willen der betroffenen Länder erfolgen – damit läßt sich ein Weisungsrecht der Landesbehörden nicht vereinbaren 498. Eine in der Literatur vertretenen Auffassung nimmt hinsichtlich des Weisungsrechts eine Differenzierung vor, nach der die Bundesregierung über die zu erledigenden Aufträge zu bestimmen hat und Richtlinien für deren Durchführung geben kann, soweit dies aus überregionalen Gesichtspunkten erforderlich ist, fachliche Weisungen in Form von Aufträgen an die Führer der Verbände oder Einheiten jedoch Sache des Landes sind 499. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Fraglich erscheint bereits, ob bei einem fachlichen Weisungsrecht der Länder noch von „Einsatz“ durch die Bundesregierung gesprochen werden könnte. Vor allem aber paßt dieses Weisungsrecht nicht zum oben geschilderten Anwendungsbereich des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG: Ist ein Land handlungsunfähig, so wird es jedenfalls nicht flächendeckend Landesstellen geben, die Weisungen er496 Eichhorn, Besondere Formen, S. 145 f.; Hase in AK-GG, Rn. 8 zu Art. 35 Abs. 2, 3; Hömig in Seifert / Hömig, GG, Rn. 12 zu Art. 35; Klein in HStR VII, § 169 Rn. 34; Lenz, Notstandsverfassung, Rn. 17 zu Art. 35; Linke, AöR 129 (2004) S. 489 (526) (für die eingesetzten Militäreinheiten); Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 12 zu Art. 35. Wohl auch Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 389 ff.; deutlich ders., DVBl. 1977 S. 240 (242). Wenn Stern, Staatsrecht II, § 56 II 3b β (S. 1466) (und ihm teilweise folgend Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 30 zu Art. 35) die Weisungsbefugnis des Bundes nur für den Fall annimmt, daß das Land zur Bekämpfung nicht fähig oder willens ist, so übersieht er, daß andere Fallkonstellationen nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen. Für grundsätzliche Weisungsbefugnis der Landeskatastrophenschutzbehörden Rasch, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 19 zu Art. 35 GG; wohl auch Lorse, Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (478), der davon ausgeht, daß keine Durchbrechung der fachlichen Unterstellung unter das jeweilige landesrechtliche Regime stattfinde. Für Koordinierungsbefugnis der Länder Erbguth in Sachs, GG, Rn. 43 zu Art. 35. Offengelassen von Bauer in Dreier, GG, Rn. 27 zu Art. 35. 497 Von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 82 zu Art. 35; Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 138 f., 149 ff.; Kleiner, DVBl. 1977 S. 240 (242). 498 Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 391; ders., DVBl. 1977 S. 240 (243). 499 Einwag / Schoen, BGSG, Rn. 34 f. zu § 9; dem folgend Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 340 f. sowie Walter in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, BGSG, Rn. 34 zu § 11. Ebenso (aufgrund einer problematischen Auslegung des § 11 Abs. 2 Satz 2 BPolG), aber insgesamt unklar Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 30 zu Art. 35. Ähnlich Heesen / Nitsche, Die Polizei 1986 S. 1 (9): Koordinationsfunktion des Bundes, auszuüben als auf konkrete Aufträge an die Landesregierungen beschränktes Weisungsrecht – aber kein Durchgreifen auf die Gefahrenabwehr vor Ort; in diese Richtung auch Hoffmann in Sterzel, Kritik der Notstandsgesetze, S. 86 (115); unklar Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 18 zu § 11: Recht des Bundes zur „Rahmenleitung“, jedoch kein fachliches Weisungsrecht der Länder.

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teilen könnten; betreibt es seine Gefahrenabwehr so, daß die Koordination der Bundeskräfte durch den Bund notwendig wird, also etwa zu Lasten anderer Länder, so scheint äußerst fraglich, ob die einzelnen Landesstellen von sich aus zu sachgerechten Weisungen innerhalb der vom Bund vorgegebenen Linie bereit wären – eine Weisungsbefugnis des Bundes gegenüber den Landesbehörden, mit der dies durchgesetzt werden könnte, besteht gerade nicht. Überwiegend wird aus der Formulierung „zur Unterstützung der Polizeikräfte“ jedoch geschlossen, daß bei der Ausübung des Weisungsrechts durch den Bund auf die Vorstellungen der jeweiligen Landesbehörden Rücksicht zu nehmen ist und die Maßnahmen aufeinander abzustimmen sind 500. Der Bund und die betroffenen Länder müßten einvernehmlich zusammenwirken 501. Teilweise wird vorgeschlagen, dies praktisch durch eine „Anweisung auf Zusammenarbeit“ zu lösen 502. Sie soll unter Beibehaltung der strukturell bestehenden Unterstellungsverhältnisse „durch auf dem jeweiligen Befehlsweg erteilte Weisungen die Angewiesenen [verpflichten], zur Erfüllung eines gemeinsamen Auftrages oder zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels die beiderseitigen Mittel und Maßnahmen zu koordinieren“ 503. Auch dieser Forderung nach Zusammenwirken steht der oben skizzierte Anwendungsbereich der Vorschrift entgegen: Wenn es zu einem Einsatz der Bundeskräfte deswegen kommt, weil ein Bedürfnis nach übergeordneter Koordination dieser Kräfte besteht, so wird gerade kein auch im Sinne der überregionalen Bekämpfung taugliches Gefahrenabwehrkonzept der Landesbehörden vorliegen, auf das Rücksicht genommen werden könnte – sonst wäre ein Einsatz durch die Bundesregierung nicht erforderlich. Erfolgt der Einsatz, weil das Land handlungsunfähig ist, so gibt es ebenfalls kein Gefahrenabwehrkonzept der Landesbehörden, und – von örtlich begrenzten Aktionen abgesehen – auch keine Maßnahmen, auf die das Handeln abzustimmen wäre. 500 Von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 82 zu Art. 35; Eichhorn, Besondere Formen, S. 146; Hase in AK-GG, Rn. 8 zu Art. 35 Abs. 2, 3; Klein in HStR VII, § 169 Rn. 34; Lenz, Notstandsverfassung, Rn. 17 zu Art. 35; Hömig in Seifert / Hömig, GG, Rn. 12 zu Art. 35; Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 56 zu Art. 35; Speth, Rechtsfragen, S. 142. Erbguth in Sachs, GG, Rn. 43 zu Art. 35 folgert dies aus dem Charakter der Bundesintervention als Notkompetenz. 501 Vgl. bereits BT-Drs. V/2873 S. 10. Aus der Literatur von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 82 zu Art. 35; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 30 zu Art. 35; Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 91, 89; Robbers, DÖV 1989 S. 926 (928). Dagegen Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 392; ders., DVBl. 1977 S. 240 (242). 502 Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 151; Robbers, DÖV 1989 S. 926 (928). Dagegen Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 391 f.; ders., DVBl. 1977 S. 240 (242). 503 Ipsen in BK-GG, Rn. 182, 112 zu Art. 87a sowie ders., DVBl. 1969 S. 396 (398). Ipsen (a.a. O.) sieht die „Anweisung auf Zusammenarbeit“ als Form der Zusammenarbeit im Rahmen des Art. 87a Abs. 4 GG. Laut Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 89 Fn. 31 findet sich die „Anweisung auf Zusammenarbeit“ in der ZDv 1/50 („Militärische Gliederungsformen, Unterstellungsverhältnisse, Befehle und Richtlinien“) Nr. 30.

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Die Zielsetzung des Einsatzes und der Weisungen kann sich deswegen nur aus den allgemein für Geschäftsbesorgungsverhältnisse geltenden Grundsätzen ergeben, nach denen der Geschäftsführer unter anderem im fremden Interesse fürsorglich tätig zu sein hat 504. Die Gefahrenabwehr muß sich also nach den Interessen der jeweiligen betroffenen Länder richten. Im Falle des handlungsunfähigen Landes kann dafür auf den „mutmaßlichen Willen“ der zuständigen Behörden abgestellt werden. Geht es dagegen um den Einsatz in pflichtwidrig handelnden Ländern, so kann der vorhandene Wille in Form des von den Ländern verfolgten Gefahrenabwehrkonzepts nicht maßgeblich sein; vielmehr ist die Gefahrenabwehr dann so vorzunehmen, wie es das Interesse des Landes unter Berücksichtigung seiner bundesstaatlichen Verpflichtungen erfordert. c) Anzuwendendes Recht Umstritten ist die Frage nach dem von Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) und Streitkräften anzuwendenden Recht. Die wohl überwiegende Meinung in der Literatur nimmt an, es sei das Recht des jeweiligen Einsatzlandes anzuwenden 505. Die Bindung des Einsatzzwecks an die „Unterstützung der Polizeikräfte“ 506 läßt es sinnvoll erscheinen, die Landeskräfte nach ihrem eigenen Recht zu unterstützen. 507 Selbst wenn man von dem oben skizzierten 508 engen Anwendungsbereich ausgeht, wird es zumindest auf örtlicher Ebene zur Zusammenarbeit zwischen 504 Zu den für alle Fälle der Geschäftsführung geltenden Grundsätzen Larenz, Schuldrecht II, § 56 I (S. 329). 505 Von Danwitz in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 84 zu Art. 35; Eichhorn, Besondere Formen, S. 148 f.; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 30 zu Art. 35; Hömig in Seifert / Hömig, GG, Rn. 10 zu Art. 35; Hoffmann in Sterzel, Kritik der Notstandsgesetze, S. 86 (115) (Einsatz nach Landespolizeirecht mit begrenzten hoheitlichen polizeilichen Befugnissen); Klein in HStR VII, § 169 Rn. 34; Knödler, BayVBl. 2002 S. 107 (110); Martínez Soria, DVBl. 2004 S. 597 (603); Robbers, DÖV 1989 S. 926 (928); Sannwald in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 57 zu Art. 35; Stern, Staatsrecht II, § 56 IV 6 (S. 1486); Willich, Rechtsstellung des Bundesgrenzschutzes, S. 228 f. Wohl auch Bauer in Dreier, GG, Rn. 27, 25 zu Art. 35. Hochhuth, NZWehrr 2002 S. 154 (163) hält es für fraglich, ob es sich dabei wirklich um die herrschende Meinung handelt. Für die Anwendung von Bundesrecht Erbguth in Sachs, GG, Rn. 41 zu Art. 35; Hochhuth, NZWehrr 2002 S. 154 (163); Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 180 f., 204; Kleiner, Aufgabe(n) und Befugnisse, S. 403; Linke, AöR 129 (2004) S. 489 (526); Speth, Rechtsfragen, S. 142. 506 Klein in HStR VII, § 169 Rn. 34 (der aber Bundeskompetenz annimmt); Robbers, DÖV 1989 S. 926 (928); Stern, Staatsrecht II, § 56 IV 6 (S. 1486). 507 Linke, AöR 129 (2004) S. 489 (S. 526 f.) geht von der Geltung von Bundesrecht aus, ist aber der Ansicht, der Bundesgesetzgeber könne (unter anderem wegen der Formulierung „zur Unterstützung der Polizeikräfte“) nur Maßnahmen vorsehen, die auch der zivilen Katastrophenabwehr zur Verfügung stünden. 508 Siehe oben unter D. I. 2. b) aa).

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den eingesetzten Bundeskräften und den (unteren oder kommunalen) Verwaltungsbehörden kommen; dies würde durch ein Vorgehen nach einer einheitlichen Rechtsgrundlage und damit nach Landesrecht erleichtert. Gegen den Einwand der Vielfalt des Landesrechts 509 läßt sich auch hier die weitgehende Vereinheitlichung zumindest der Polizeigesetze anführen 510. Entscheidend für die Frage nach dem anzuwendenden Recht ist wiederum die Gesetzgebungsbefugnis. Eine ausdrückliche Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für den Einsatz von Bundeskräften zur Katastrophenabwehr besteht nicht 511, so daß es bei der Gesetzgebungsbefugnis der Länder für die Durchführung eines Einsatzes verbleibt. Die Länder müßten also (wie bei Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG) den Anwendungsbereich ihres Landesrechts für einen Einsatz im Rahmen des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG öffnen, damit die Bundeskräfte nach Landesrecht vorgehen können. Dieses Ergebnis ist unbefriedigend, da die Länder eine Bundesintervention dadurch verhindern könnten, daß sie die Anwendung von Landesrecht durch die Bundeskräfte nicht vorsehen. Die Bundesregierung könnte Einheiten des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte dann nicht einsetzen. Zwei Lösungsmöglichkeiten kommen in Betracht: Zum einen könnte man in Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG eine Vorschrift sehen, die kraft (Bundes-)Verfassungsrechts den Anwendungsbereich des Landesrechts für Bundeskräfte öffnet 512, um einen Einsatz durch die Bundesregierung überhaupt zu ermöglichen. Zum anderen ließe sich aus dieser Vorschrift im Zusammenhang mit dem Ziel der existentiellen Sicherung des Gesamtstaates eine Befugnis des Bundes zur Gesetzgebung im Bereich des überregionalen Katastrophenschutzes durch Bundeskräfte (und nur durch diese, denn sonstige Kräfte werden nicht durch die 509 Hochhuth, NZWehrr 2002 S. 154 (163) meint, die Bindung an das Recht des Einsatzlandes führe praktisch zur Satire. Auch Speth, Rechtsfragen, S. 142, 139 führt praktische Erwägungen gegen die Anwendung von Landesrecht an – konsequenterweise bereits für Maßnahmen im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG. Siehe auch Lorse, Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (487): das übermäßige Vorhandensein von sechzehn unterschiedlichen Katastrophenschutzgesetzen könne Ratlosigkeit mit Blick auf die Effizienz eines Handelns der Streitkräfte erzeugen. 510 So auch Robbers, DÖV 1989 S. 926 (929). 511 Siehe oben unter C. IV. 3. a) bb) und cc). 512 So könnte Robbers, DÖV 1989 S. 926 (929) zu verstehen sein, wenn er ausführt, daß es einer besonderen Übertragung der Vollzugsbefugnisse nach Landesrecht auf die Angehörigen der Bundeswehr nicht bedarf, und daß sie diese Befugnisse kraft Verfassungsrechts mit Beginn des zulässigen Einsatzes wahrnehmen. Auch Lehnguth, Verwaltungsakte der Streitkräfte, S. 134 f. prüft eine „Ermächtigung“ aus Art. 35 Abs. 3 GG zur Anwendung von Landesrecht, lehnt eine solche aber ab.

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Bundesregierung eingesetzt) ableiten 513; dies jedoch nur, soweit es erforderlich ist, soweit also die Länder keine entsprechenden Einsatzmöglichkeiten geschaffen haben (sozusagen eine konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis der Länder). Der Bund könnte dann entweder eigene Ausführungsgesetze schaffen oder aber auf das jeweilige Landesrecht verweisen und es damit in Bundesrecht transformieren. Wegen des Einsatzzwecks der „Unterstützung der Polizeikräfte“ dürften die vom Bund eingesetzten Kräfte jedenfalls keine weitergehenden Befugnisse haben als die Kräfte des Einsatzlandes 514; zöge man bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlagen heran, so wären diese in ihrer Reichweite durch die jeweiligen landesrechtlichen Regelungen begrenzt. Damit entfiele auch der praktische Vorteil, den die Anwendung des einheitlichen Bundesrechts bietet. Geht man wie hier davon aus, daß die eingesetzten Bundeskräfte eine Landesaufgabe wahrnehmen, so ist die direkte Anwendung von Landesrecht und damit der erstgenannte Lösungsvorschlag naheliegend. Bedenken wegen des „zwangsweisen“ Eingriffs in Hoheitsrechte ist entgegenzuhalten, daß auch die damit zu erledigende Aufgabe von den Bundeskräften gegen oder zumindest ohne den Willen der Länder übernommen wird. Zudem greift ein Vorgehen der Bundeskräfte nach Landesrecht weniger tief in das Hoheitsrecht des Landes ein als ein Vorgehen aufgrund bundesrechtlicher Vorschriften. d) Zurechnung Ebenfalls umstritten ist die Frage, wem die von den Bundeskräften bei einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG getroffenen Maßnahmen zuzurechnen sind 515. Versteht man – wie hier – die Konstellation als berechtigte Fremdgeschäftsführung, so sind diese Maßnahmen, die vom Bund (als Geschäftsführer) für das Land (als Geschäftsherrn) getroffen werden, dem Land zuzurechnen. Dabei 513 Eine Annexkompetenz zur Exekutivkompetenz oder eine sonstige ungeschriebene Kompetenz aus Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG wird von Eichhorn, Besondere Formen, S. 39 f. angedacht, jedoch verworfen. Soweit er erstere nicht für erforderlich hält, weil die Bundeskräfte Landesrecht ausführen dürfen, ist darauf hinzuweisen, daß danach ein Einsatz nur möglich ist, wenn den Bundeskräften Landesrecht zur Ausführung zur Verfügung gestellt wird. 514 Ähnlich, aber etwas allgemeiner (zur Zulässigkeit von „Gewaltakten“) Lehnguth, Verwaltungsakte der Streitkräfte, S. 59: von den Soldaten dürften nur die hoheitlichen Maßnahmen ergriffen werden, die auch von Polizeibeamten gegenüber dem Bürger verhängt werden können. 515 Für Zurechnung zum Land Willich, Rechtsstellung des Bundesgrenzschutzes, S. 232; Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 338. Vgl. auch § 52 Abs. 3 iVm Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 ME-POG. Für Zurechnung zum Bund Eichhorn, Besondere Formen, S. 92; Erbguth in Sachs, GG, Rn. 41 zu Art. 35; Hase in AK-GG, Rn. 8 zu Art. 35 Abs. 2, 3; Rasch, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 18 zu Art. 35 (für den Einsatz der Streitkräfte).

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ist es unerheblich, daß die Länder mangels Weisungsbefugnis keinen Einfluß auf die Ausführung des Geschäfts haben; da es sich um eine Fremdgeschäftsführung kraft gesetzlicher Ermächtigung handelt, haben sie bereits keinen Einfluß auf die Übernahme des Geschäfts. e) Kosten Die Kostenverteilung richtet sich wiederum nach Art. 104a Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 Var. 1 GG. Hier wird die zuvor 516 vorgenommene Differenzierung hinsichtlich der Aufgabenverteilung relevant: Die Entscheidung der Bundesregierung über einen Einsatz nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG erfolgt in Wahrnehmung einer Bundesaufgabe. Nennenswerte Kosten – die als Zweckausgaben vom Bund zu tragen wären – entstehen durch die Beschlußfassung selbst jedoch nicht. Kosten verursacht erst die Durchführung des Beschlusses, nämlich der Einsatz der Bundeskräfte. Da diese eine Landesaufgabe wahrnehmen, sind wie bei einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 517 die diesbezüglichen Zweckausgaben von den betroffenen Ländern zu tragen. 518 Der Bund hat vorbehaltlich einer anderweitigen gesetzlichen Regelung 519 die gewöhnlichen Verwaltungsausgaben zu tragen. Für einen Verzicht des Bundes auf Erstattung der ihm entstandenen Kosten gelten ebenfalls die für einen Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG getroffenen Aussagen 520.

IV. (Rechtspolitische) Mängel des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG Insgesamt muß die Regelung des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG als mißlungen bezeichnet werden. 521 Sie hat zumindest in der jetzigen politischen Situation, in der 516

Siehe oben unter D. III. 2. a). Vgl. dazu oben unter C. 6. (im Text bei Fn. 427). 518 Wie hier wegen Ablehnung einer Aufgabenverschiebung Sannwald in SchmidtBleibtreu / Klein, GG, Rn. 58 zu Art. 35 (Erstattung der „Mehrkosten“). Anders wegen Annahme einer eigenen Bundesaufgabe Heintzen in von Münch / Kunig, GG, Rn. 27 zu Art. 104a; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 267. Die Notwendigkeit, eine Harmonisierung mit der Kostentragung für den Einsatz von Landeskräften nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG herbeizuführen, besteht sowohl wegen des identischen Ergebnisses als auch bereits deswegen nicht, weil es sich um völlig unterschiedliche Sachverhalte handelt; anders aber wohl Eichhorn, Besondere Formen, S. 149 f. 519 Zu den Gestaltungsmöglichkeiten eines Bundesgesetzes nach Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG siehe oben unter C. 6. (im Text bei Fn. 430). 520 Oben unter C. 6. (im Text bei Fn. 433). 521 So auch Lorse, Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (486): die gegenwärtige Konstruktion des Art. 35 Abs. 3 GG sei der gesamtstaatlichen Herausforderung nicht gewachsen. 517

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

keine Vorbehalte gegenüber einem Einsatz von Bundeskräften auf Landesebene bestehen, nur einen kleinen Anwendungsbereich, nämlich den Fall des wegen einer Katastrophe handlungsunfähigen Landes und den Fall des seine Gefahrenabwehr zu Lasten eines anderen betreibenden Landes. Die in Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG vorgesehene Befugnis zum Einsatz von Bundeskräften ist jedoch für beide Fälle kein praktisch taugliches Instrument, da dem Bund nicht die Befugnis zusteht, den Einsatz von Landes- und Bundeskräften zu koordinieren. Dies wäre aber erforderlich, um im ersten Fall überhaupt ein Gefahrenabwehrkonzept zu entwickeln und zusammen mit örtlichen Einsatzkräften, Kräften anderer Länder und Hilfsdiensten zu verfolgen, und um im zweiten Fall ein konträres Handeln der eingesetzten Kräfte (Bundeskräfte nach Zielsetzung des Bundes, landeseigene und Kräfte anderer Länder nach Zielsetzung des Landes) zu verhindern. Eine Regelung nach dem Vorbild des Art. 91 Abs. 2 GG, wonach die Bundesregierung nicht nur eigene Kräfte einsetzen, sondern auch die Polizeikräfte anderer Länder und des betroffenen Landes ihren Weisungen unterstellen kann, erschiene insofern effektiver. Daneben wäre zu erwägen, eine derart umfassende subsidiäre Befugnis der Bundesregierung in Fällen der Handlungsunfähigkeit eines Landes nicht nur für überregionale Gefahren vorzusehen. Eine Neuregelung sollte außerdem die Frage der Aufgabenwahrnehmung und des anzuwendenden Rechts – gegebenenfalls auch der Gesetzgebungsbefugnis – klären.

E. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der spontanen Katastrophenhilfe Nicht im Grundgesetz geregelt ist die spontane Katastrophenhilfe 522. Darunter soll die Katastrophenhilfe verstanden werden, die landesfremde Kräfte aus eigener Initiative leisten, ohne daß eine Anforderung durch die zuständige Landesbehörde nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG oder ein Einsatz durch die Bundesregierung nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG vorliegen. 523 Zu einer solchen Hilfeleistung kann es kommen, wenn sich eine Naturkatastrophe oder ein Unglücksfall in der Nähe des Standortes einer einsatzfähigen Einheit ereignet, z. B. ein Wald- oder Industriebrand in der Nähe einer Kaserne, und das Abwarten einer Anforderung die Hilfsmaßnahmen unnötig verzögern würde. 524 Des weiteren kommt diese Form 522 Von der spontanen Katastrophenhilfe ist die Hilfe bei Unglücksfällen unterhalb der Gefahrenschwelle des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG zu unterscheiden. Auch deren Zulässigkeit ist nicht unproblematisch, vgl. dazu etwa Klückmann, NZWehrr 1977 S. 164 ff. 523 Den Begriff der „Spontanhilfe“ wählen für diese Fallkonstellation etwa Klückmann, Bundeswehr, S. 154 und Speth, Rechtsfragen, S. 107.

E. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der spontanen Katastrophenhilfe

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der Hilfe dann in Betracht, wenn ein Land aufgrund der Katastrophe handlungsunfähig ist 525, die Voraussetzungen für eine Bundesintervention nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG aber nicht vorliegen, weil nur das Gebiet eines Landes betroffen ist. 526 Abzugrenzen ist der Begriff der spontanen Katastrophenhilfe von dem der „spontanen Amtshilfe“ oder „Spontanhilfe“, der im Amtshilferecht verwendet wird 527 und ein Tätigwerden der helfenden Behörde innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs voraussetzt.

I. Begründungsversuche für die Zulässigkeit der spontanen Katastrophenhilfe Die Zulässigkeit der spontanen Katastrophenhilfe wird teilweise aus dem Treueverhältnis zwischen Bund und Ländern abgeleitet. Aus diesem folge, daß sich Bund und Länder sowie deren innerstaatliche Verbände in gewissen Grenzen helfen müßten 528. Dagegen wird zutreffenderweise angeführt, daß gerade das in Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG festgeschriebene Erfordernis einer Anforderung eine Schutzfunktion für das Bund-Länder-Verhältnis aufweist 529 – die Länder sollen nicht ohne ihre Zustimmung Eingriffen in ihren Aufgabenbereich ausgesetzt sein –, und daß das Treueverhältnis kein „Freibrief“ dafür sein kann, die durch das Grundgesetz auf Bund, Länder und Gemeinden verteilten Aufgaben beliebig auszutauschen 530. 524 Stellt man – wie hier vertreten – an die Form der Erteilung eines Mandats zur Katastrophenhilfe nur geringe Anforderungen, so dürfte spontane Katastrophenhilfe praktisch nur selten vorkommen: Meldet etwa ein Kasernenkommandant einen Katastrophenfall bei der zuständigen unteren Katastrophenschutzbehörde und teilt mit, daß Einheiten der Streitkräfte bereits zur Gefahrenabwehr tätig werden, so kann die Katastrophenschutzbehörde dies im selben Moment billigen und damit eine Anforderung aussprechen. Darauf weist auch Klückmann, Bundeswehr, S. 155a Fn. 1 hin. 525 Dazu siehe oben unter D. I. 2. b) aa) (im Text bei Fn. 466). 526 Auch dies dürfte praktisch kaum vorkommen, siehe die Überlegungen oben in Fn. 467. 527 Die „Spontanhilfe“ oder „spontane Amtshilfe“ als eine Unterstützungshandlung, die eine Behörde einer anderen ohne deren Ersuchen leistet, ist keine Amtshilfe im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinne, vgl. Laubinger in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 11 Rn. 11 m.w. N. Als Beispiel genannt werden insbesondere Mitteilungen, die von einer Behörde an eine andere ohne entsprechendes – besonderes oder generelles – Ersuchen erfolgen, siehe etwa BGH, Urteil vom 16. Januar 1961 – III ZR 210/59 –, BGHZ 34 S. 184 (187); Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 7 zu Art. 35 m.w. N. 528 So BVerwG, Urteil vom 10. November 1972 – VII C 53.71 –, DÖV 1973 S. 490 (491). Dem folgend Saländer, Truppenpraxis 1974 S. 161 (163), auch explizit für die dringende Nothilfe unterhalb der Katastrophenschwelle (a.a. O. S. 164). 529 Klückmann, Bundeswehr, S. 155. Kritisch gegenüber der Ableitung aus dem Treueverhältnis auch ders., NZWehrr 1977 S. 164 (172).

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Andere wollen die Möglichkeit der spontanen Katastrophenhilfe aus den Grundrechten in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ableiten; das Recht des Bürgers auf Schutz habe Vorrang vor der Einhaltung einer bloßen Kompetenznorm 531. Gleichzeitig merken sie aber an, daß bei Zulassung spontaner Katastrophenhilfe die Grenzen zwischen Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 35 Abs. 3 GG verwischt 532 und die gestuften Regelungen obsolet würden 533. Diesen – berechtigten – Gegenargumenten wollen die Vertreter dieser Ansicht dadurch begegnen, daß sie eine Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts 534 als „verfassungskonforme Auslegung“ 535 heranziehen; das Bundesverwaltungsgericht hatte bezüglich des Tätigwerdens der Streitkräfte bei einem Lawinenunglück auf der Zugspitze im Jahre 1965 bemerkt, daß jedenfalls ein unbewaffneter Einsatz der Streitkräfte bei Naturkatastrophen zulässig und auch geboten gewesen sei, und hatte hinzugefügt: „Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – die nächstgelegene Garnison der Bundeswehr noch vor den zuständigen Stellen des Landes bzw. des Klägers [Landkreis] über die Katastrophe unterrichtet und ihre Hilfe dringend angefordert 536 wurde. Bei offensichtlich schwerer Gefährdung einer noch nicht übersehbaren Zahl von Menschen hätte eine Verzögerung nicht verantwortet, insbesondere die vorherige Anforderung durch die für den Katastrophenschutz zuständigen Stellen des Landes oder eines Gemeindeverbandes nicht abgewartet werden können.“ In dieser Formulierung, wonach anders als vom ausdrücklichen Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG gefordert auf eine Anforderung verzichtet werden kann, eine „Auslegung“ der Verfassungsnorm zu sehen, scheint schwerlich vertretbar. Als weiterer Begründungsansatz ließe sich die Rechtspflicht zur Hilfeleistung nach § 323c 537 StGB heranziehen 538. Dagegen spricht, daß Strafvorschriften den 530

Speth, Rechtsfragen, S. 110. Klückmann, Bundeswehr, S. 155a; ders., NZWehrr 1977 S. 164 (174). Ihm insgesamt folgend (allerdings ohne Nachweis) Wien, Katastrophenschutz, S. 140. Zumindest für die Fälle der Rettung von Menschenleben auch Speth, Rechtsfragen, S. 132 (vgl. auch S. 110 f. für die aus den Grundrechten und dem Sozialstaatsprinzip hergeleitete allgemeine Begründung der Verpflichtung der Streitkräfte zu Hilfeleistungen auf humanitärem, sozialem und karitativem Gebiet). 532 Klückmann, Bundeswehr, S. 154; Wien, Katastrophenschutz, S. 139. 533 Wien, Katastrophenschutz, S. 139. 534 BVerwG, Urteil vom 10. November 1972 – VII C 53.71 –, DÖV 1973 S. 490 (491). 535 Klückmann, Bundeswehr, S. 155 f.; Wien, Katastrophenschutz, S. 140. 536 Die „Anforderung“ erfolgte hier durch die Leitung der Zugspitzbahn AG, die die Bergwacht und den Offizier vom Dienst in der nächstgelegenen Bundeswehrkaserne verständigte. 537 Bis zur Änderung durch das 18. Strafrechtsänderungsgesetz vom 28. März 1980 (BGBl. I S. 373) § 330c StGB (wortgleich). 538 Lohse, Streik und Staatsnotstand, S. 104 sieht im Einsatz [auf Anforderung] während der Hamburger Flutkatastrophe eine Wahrnehmung der Pflicht aus § 330c StGB a.F. 531

E. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der spontanen Katastrophenhilfe

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Strafanspruch des Staates gegenüber dem Bürger regeln, daß sich der Staat als Organisation jedoch nicht selbst unter diese Vorschriften stellt 539. An den Bürger gerichtete Ver- oder Gebotsvorschriften und ihre Ausnahmen wie Rechtsfertigungsoder Entschuldigungsgründe vermögen weder Ermächtigungsgrundlagen für das Handeln von Hoheitsträgern zu ersetzen noch Kompetenzvorschriften zu überspielen. So verständlich das Anliegen sein mag, spontane Katastrophenhilfe zu ermöglichen, so wenig überzeugen die geschilderten Versuche, sie verfassungsrechtlich zu legitimieren.

II. Spontane Katastrophenhilfe durch die Streitkräfte Das (eingreifende) Tätigwerden der Streitkräfte 540 muß an Art. 87a Abs. 2 GG scheitern, wonach die Streitkräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden dürfen, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt. Unter Einsatz 541 ist zwar nicht jede Verwendung zu verstehen, wohl aber die Verwendung als Mittel der vollziehenden Gewalt 542, genauer: jede Verwendung, bei der hoheitlich in die Rechte Dritter eingegriffen wird 543. Zu eng wäre eine Beschränkung auf die Verwendung als (spezifisch militärisch) bewaffnete Vollzugsorgane 544, da damit die Intention (= § 323c StGB). Saländer, Truppenpraxis 1974 S. 161 (164) will für die dringende Nothilfe unter der Katastrophenschwelle zumindest „die Gründe, die den Gesetzgeber über § 330c StGB Hilfe des einzelnen fordern ließ, auch auf das Treueverhältnis zwischen dem Bund und den kommunalen Gebietskörperschaften der Länder“ anwenden. 539 Klückmann, NZWehrr 1977 S. 164 (172 f.). 540 Zum Begriff der Streitkräfte im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG ausführlich Fiebig, Einsatz der Bundeswehr, S. 65 –99. Lohse, Streik und Staatsnotstand, S. 104 hält den Einsatz von Einheiten der Bundeswehr im Rahmen der Hamburger Flutkatastrophe für zulässig, da sie als Nothelfer, nicht als Streitkräfte verwendet worden seien. 541 Der Begriff des Einsatzes ist insbesondere im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr diskutiert worden (vgl. dazu das grundlegende Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 – 2 BvE 3/92, 5/93, 7/93, 8/93 –, BVerfGE 90 S. 286 ff. sowie allgemein etwa Bähr, ZRP 1994 S. 97 ff.; Blumenwitz, NZWehrr 1988 S. 133 ff.; Boldt, ZRP 1992 S. 218 ff.; Brenner / Hahn, JuS 2001 S. 729 ff.; Gornig, JZ 1993 S. 123 ff.; Kersting, NZWehrr 1983 S. 64 ff.; Klein, ZaöRV 1974 S. 429 ff.; Mössner, FS Schlochauer, S. 97 ff.). Die diesbezüglichen Auslegungsprobleme des Art. 87a Abs. 2 GG – ausschließliche Geltung für Einsätze im Inneren (so wohl Kersting, NZWehrr 1983 S. 64 [71 ff.]) oder Art. 24 Abs. 2 GG als Zulassung eines Einsatzes (so Brenner / Hahn, JuS 2001 S. 729 [730 f.]; Gornig, JZ 1993 S. 123 [126 f.]) – spielen im Rahmen dieser Arbeit keine Rolle. 542 BT-Drs. V/2873 S. 13. Dies wird aufgegriffen unter anderem von Arndt, DVBl. 1969 S. 729 (730); Blumenwitz, NZWehrr 1988 S. 133 (141); Heun in Dreier, GG, Rn. 15 zu Art. 87a; Ipsen in BK-GG, Rn. 32 zu Art. 87a. 543 Wie hier Beckert, NZWehrr 1984 S. 9 (11): Eingriffsverwaltung, d. h. Wahrnehmung polizeilicher Befugnisse; Gornig, JZ 1993 S. 123 (126): Eingreifen in die Rechtssphäre

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

der Vorschrift, nämlich die Garantie der strikten Trennung zwischen äußerem militärischem und innerem polizeilichem Gewaltmonopol 545, unterlaufen würde 546 und außerdem die Entstehungsgeschichte dagegen spricht: Im zweiten Regierungsentwurf zur Notstandsverfassung 547 war eine Differenzierung zwischen bewaffnetem und unbewaffnetem Einsatz enthalten, die jedoch keinen Eingang in den später verabschiedeten Regelungskomplex fand 548. Gegen eine weite Auslegung des Einsatzbegriffs, die jedes hoheitliche Tätigwerden und damit auch schlicht-hoheitliches Handeln erfaßt 549, ist einzuwenden, daß bereits die weiter formulierte Vorgängernorm des Art. 87a Abs. 2 GG 550 einen rein technischen (Hilfs-)Einsatz

einzelner als vollziehende Gewalt; Keidel, Polizei und Polizeigewalt, S. 44 f.: Ausübung von hoheitlichen Befugnissen; Seifert / Bünker, ThürVBl. 2006 S. 49 (51): Übertragung der Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten oder zu ihrer Vollstreckung oder Einräumung hoheitlicher Befugnisse dem Bürger gegenüber; Speth, Rechtsfragen, S. 50 ff.: hoheitlicheingreifendes Tätigwerden (nach ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Begriff des hoheitlichen Tätigwerdens, S. 46 ff.). Etwas weiter Fiebig, Einsatz der Bundeswehr, S. 161: jede unmittelbar obrigkeitliche oder jede obrigkeitlichem Handeln anderer Kräfte dienende Verwendung – etwa auch das Zur-Verfügung-Stellen militärischer Waffen (S. 192); Kokott in Sachs, GG, Rn. 14 zu Art. 87a will zunächst die Unterscheidung zwischen bewaffneten und nicht bewaffneten Verwendungen als Abgrenzungskriterium heranziehen, und bei nicht oder nicht hinreichend bewaffneten Verwendungen auf die Regelungs- oder Eingriffsqualität des Handelns abstellen. Andere fassen dagegen unter den Einsatzbegriff jede Verwendung als Instrument der Exekutive, die ihrem unmittelbaren Zweck nach innenpolitisch nicht neutral ist, vgl. Dürig in Maunz / Dürig, GG, Rn. 32 zu Art. 87a und ihm folgend etwa Jahn / Riedel, DÖV 1988 S. 957 (960) sowie Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 15. Karpinski (a.a. O. S. 16 Fn. 16) hält allerdings jegliches mit hoheitlichen Eingriffen verbundene Handeln für innenpolitisch nicht neutral, verwendet letztlich also auch das hier vertretene Kriterium. 544 So aber wohl Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 13 zu Art. 87a. Auch Klein, ZaöRV 1974 S. 429 (435) hält den Dienst mit der Waffe für entscheidend für das Vorliegen eines Einsatzes, führt aber aus, daß im Einzelfall sogar der unbewaffnete Dienst der Streitkräfte Einsatz sein könne. 545 Hernekamp in von Münch / Kunig, GG, Rn. 14 zu Art. 87a; Heun in Dreier, GG, Rn. 18 zu Art. 87a. 546 Heun in Dreier, GG, Rn. 15 zu Art. 87a. 547 Entwurf vom 11. Januar 1963, BT-Drs. IV/891, Art. 115l Abs. 3 GG; deutlicher die Begründung dazu auf S. 16. 548 Darauf wird unter anderem hingewiesen von Bähr, ZRP 1994 S. 97 (101); Blumenwitz, NZWehrr 1988 S. 133 (141); Burmester, NZWehrr 1993 S. 133 (138); Ipsen in BKGG, Rn. 33 zu Art. 87a; Jahn / Riedel, DÖV 1988 S. 957 (959); Kersting, NZWehrr 1983 S. 64 (69). Gornig, JZ 1993 S. 123 (125) weist zusätzlich darauf hin, daß häufig nur schwer zu klären sei, ob Bewaffnung vorliege oder nicht. 549 So etwa Arndt, DVBl. 1969 S. 729 (730): Ausübung öffentlicher („hoheitlicher“) Aufgaben; Bähr, ZRP 1994 S. 97 (101): jede ziel- und zweckgerichtete Inanspruchnahme zur Gefahrenabwehr außerhalb des internen Dienstverkehrs. Wie hier Baldus in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 36 zu Art. 87a.

E. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der spontanen Katastrophenhilfe

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nicht ausschloß 551 und daß sich daran durch die Grundgesetzänderung 1968 auch nichts ändern sollte 552. Ein Einsatz im Rahmen spontaner Katastrophenhilfe wird vom Grundgesetz nicht ausdrücklich zugelassen. Selbst wenn man für eine ausdrückliche Zulassung im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG nicht Nachlesbarkeit im Text des Grundgesetzes 553 fordert, sondern die Ableitbarkeit aus anderen Vorschriften genügen läßt 554, findet sich eine solche im Grundgesetz nicht. Ein Anspruch des Bürgers auf Rettung aus Katastrophensituationen aus den Grundrechten in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip 555 unter Widerspruch zur vorgesehenen Aufgabenund Kompetenzverteilung läßt sich schwerlich als ausdrückliche grundgesetzliche Zulassung eines Einsatzes ansehen. Somit erlaubt Art. 87a Abs. 2 GG im Rahmen der spontanen Katastrophenhilfe durch die Streitkräfte nur solche Hilfeleistungen, die nicht mit Eingriffen verbunden sind und daher nicht unter den Einsatzbegriff fallen. 556 In der Praxis wird die 550 Art. 143 GG in der bis zur Grundgesetzänderung 1968 geltenden Fassung lautete: „Die Voraussetzungen, unter denen es zulässig wird, die Streitkräfte im Falle eines inneren Notstandes in Anspruch zu nehmen, können nur durch ein Gesetz geregelt werden, das die Erfordernisse des Art. 79 erfüllt.“ Die Vorschrift hatte durch die Wehrrechtsnovelle vom 19. März 1956 (BGBl. I S. 111) Eingang in das Grundgesetz gefunden. 551 Dürig in Maunz / Dürig, GG, Rn. 30 zu Art. 87a; Klein, ZaöRV 1974 S. 429 (434) m.w. N. 552 Art. 143 GG in der Fassung der Wehrrechtsnovelle 1956 sollte durch Art. 87a Abs. 2 GG materiell ersetzt werden; Art. 87a Abs. 2 GG muß daher den inhaltlichen Anforderungen des Art. 143 a.F. GG Rechnung tragen, vgl. Dürig in Maunz / Dürig, GG, Rn. 27 zu Art. 87a. Für eine Entsprechung der Vorschriften auch Henneke / Ruge in Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Rn. 5 zu Art. 87a. Im Rechtsausschuß des Bundestags ging es bei der Formulierung des Art. 87a GG unter anderem darum, den „Grundsatz des Art. 143“ zu übernehmen, vgl. die Ausführungen des Abgeordneten Hirsch in der 75. Sitzung vom 13. März 1968, Protokoll S. 8 und des Parlamentarischen Staatssekretärs Benda in der 76. Sitzung vom 15. März 1968, Protokoll S. 4. Siehe auch den schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. V/2873 S. 13, zu Art. 87a Abs. 2 GG: „Verwendungen, die keinen Einsatz in diesem Sinne darstellen, z. B. zur freiwilligen Erntehilfe oder bei repräsentativen Anlässen, werden von dieser Bestimmung nicht berührt.“ 553 Bähr, ZRP 1994 S. 97 (101). So auch das Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 12. Juli 1994 – 2 BvE 3/92, 5/93, 7/93, 8/93 –, BVerfGE 90 S. 286 (357): „Gebot strikter Texttreue“. Kritisch zu dieser Entscheidung und strenger bezüglich der Auslegung des Art. 87a Abs. 2 GG im Verhältnis zu Art. 24 Abs. 2 GG Arndt, NJW 1994 S. 2197 (2198). 554 Brenner / Hahn, JuS 2001 S. 729 (730); Gornig, JZ 1993 S. 123 (126). 555 Vgl. den soeben unter D. V. I. aufgeführten Versuch zur verfassungsrechtlichen Begründung für die Zulässigkeit der spontanen Katastrophenhilfe. 556 So anscheinend auch Klückmann, Bundeswehr, S. 155a: die Anforderungspflicht gelte für jene Fälle, in denen Soldaten angewiesen würden, im Rahmen von „Spontanhilfe“ Hoheitsakte gegenüber dem Bürger zu setzen. Auf der folgenden Seite nimmt Klückmann allerdings eine „Ausweitung“ des Art. 87a Abs. 2 GG für Fälle an, in denen menschliches

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Zahl der danach möglichen Hilfeleistungen gegen Null gehen 557: Ein Tätigwerden zur Katastrophenhilfe ist in der Regel mit Eingriffen verbunden 558, z. B. mit dem Betreten fremder Grundstücke 559, der Inanspruchnahme oder Zerstörung fremden Eigentums, dem Zurückdrängen von Schaulustigen, der Aufforderung zum Verlassen der Gefahrenzone oder der zwangsweisen Evakuierung. Nur „technische Hilfe“ ohne hoheitlich-eingreifende Maßnahmen zu leisten wird gerade dann nicht möglich sein, wenn die Hilfeleistung auf die Eigeninitiative der Streitkräfte zurückgeht. In derartigen Fällen befinden sich meist keine mit Hoheitsbefugnissen ausgestatteten anderen Kräfte vor Ort, die die technische Hilfe mit den notwendigen Eingriffsmaßnahmen (etwa dem Erlaß von Duldungsverfügungen) flankieren könnten und auf deren Eingriffsbefugnisse insofern zurückgegriffen werden könnte.

III. Spontane Katastrophenhilfe durch andere Kräfte Für die spontane Katastrophenhilfe durch andere Kräfte – auf Bundesebene ist dies die Bundespolizei, auf Landesebene kommen nahe der Landesgrenze stationierte Einheiten der Bereitschaftspolizei in Betracht – gibt es keine dem Art. 87a Abs. 2 GG vergleichbare Hürde. Hier ist aber die Eigenstaatlichkeit der Länder zu beachten. Bei aus eigener Initiative erfolgender Katastrophenhilfe werden jedenfalls dann, wenn die Maßnahmen über eine rein technische Hilfe hinausgehen, hoheitliche Befugnisse in einem fremden Hoheitsbereich ausgeübt. Dies ist nur zulässig, wenn der betroffene Hoheitsträger dies gestattet. Da als Rechtsfigur für die Hilfeleistung wie bei der Bundesintervention nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG die Fremdgeschäftsführung in Betracht kommt 560, kann dies für die spontane Katastrophenhilfe wie für die Hilfe nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG durch eine entsprechende gesetzliche ReLeben unmittelbar auf dem Spiel stehe. Ähnlich auch Speth, Rechtsfragen, S. 132, wonach „Spontanhilfe“ auf die ausschließlich technische Hilfeleistung sowie auf die Rettung menschlichen Lebens zu beschränken wäre. 557 Zu einem Ausschluß jeglicher Hilfeleistung müssen diejenigen (vgl. soeben Fn. 549) kommen, die einen weiten Einsatzbegriff vertreten und jedes hoheitliche Tätigwerden darunter fassen. 558 Darauf weisen auch Fiebig, Einsatz der Bundeswehr, S. 147 und Karpinski, Öffentlich-rechtliche Grundsätze, S. 16 Fn. 16 hin. Lorse, Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (476) führt aus, technische Unterstützungshandlungen und hoheitliches Handeln der Streitkräfte vermischten sich bei der Katastrophenbekämpfung in graduellen Abstufungen miteinander, und weist auf die „hohe Grundrechtsrelevanz“ von technischer Hilfe und Realakten hin. Bähr, ZRP 1994 S. 97 (100) meint dagegen, bei der Katastrophenhilfe reduziere sich die Tätigkeit der Soldaten in aller Regel auf schlichthoheitliches Handeln. 559 Die mutmaßliche Einwilligung der Betroffenen (etwa: in Lebensgefahr befindlicher Personen) ändert nichts an der Eingriffsqualität, siehe im Zweiten Teil unter E. II. 560 Dazu siehe oben unter D. III. 2. a) (im Text bei Fn. 492 ff.).

E. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der spontanen Katastrophenhilfe

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gelung erfolgen, wonach in bestimmten Gefahrenlagen auch landesfremde Kräfte zur Gefahrenabwehr tätig werden dürfen. Eine (landes-)verfassungsrechtliche Vorschrift ist nicht erforderlich, da auch hier keine Hoheitsrechte übertragen werden, sondern ein fremdes Geschäft im fremden Namen ausgeübt wird. Ein Beispiel für eine einfachgesetzliche Regelung enthält § 52 Abs. 1 Nr. 3 ME-POG, wonach Polizeivollzugsbeamte eines anderen Landes sowie des Bundes (§ 52 Abs. 3 MEPOG) zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr Amtshandlungen vornehmen dürfen, wenn die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig treffen kann. Gibt es eine derartige landesrechtliche „Öffnungsklausel“, so ist die Hilfeleistung als berechtigte Fremdgeschäftsführung zu verstehen, da sich aus einer solchen Vorschrift schließen läßt, daß das Land mit spontaner Katastrophenhilfe allgemein einverstanden ist. Eine berechtigte Fremdgeschäftsführung ist auch dann anzunehmen, wenn die Leistung von spontaner Katastrophenhilfe etwa in Verwaltungsabkommen zwischen den Ländern oder zwischen Bund und Ländern vorgesehen ist. Verwaltungsabkommen dürften allerdings nicht ausreichen, um den Vollzug von Landesrecht durch landesfremde Kräfte zu ermöglichen. Diese sind dann auf rein technische Hilfe ohne Eingriffsbefugnisse beschränkt. Als Rechtsgrundlage für die Ausübung hoheitlicher Befugnisse lassen sich nicht etwa strafrechtliche Normen heranziehen. 561 Ist keine Berechtigung (durch Gesetz oder Verwaltungsabkommen) zur Hilfeleistung ersichtlich, so handelt es sich bei der spontanen Katastrophenhilfe um eine öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag. 562 Diese Rechtsfigur 563 kann 561 Klückmann, NZWehrr 1977 S. 164 (172 f.); Speth, Rechtsfragen, S. 109, 85 (im Zusammenhang mit Art. 87a Abs. 3 GG) (etwas anders allerdings auf S. 132, wo er § 330c StGB a.F. [= § 323c StGB] vorsichtig als „rechtlichen Anknüpfungspunkt“ für die spontane Hilfeleistung vorschlägt). Gegen eine Legitimation durch den strafrechtlichen Rechtfertigungstatbestand des § 34 StGB Nedden, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 82. Anders für die spontane Katastrophenhilfe Robbers, DÖV 1989 S. 926 (929), der Vollzugsbefugnisse nach dem UZwGBw und nach allgemeinen strafrechtlichen und strafverfahrensrechtlichen Normen annimmt. 562 So anscheinend für alle Fälle der spontanen Katastrophenhilfe Robbers, DÖV 1989 S. 926 (929). Allgemein für die Spontanhilfe (im Amtshilferecht) Bonk in Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, Rn. 32 zu § 4. Nedden, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 80 will die (amtshilferechtliche) Spontanhilfe dagegen von einem weit verstandenen Begriff der Amtshilfe in Art. 35 Abs. 1 GG erfaßt sehen. Wohl auch Schoch, Die Verwaltung 38 (2005) S. 91 (99). Kischel, VerwArch 90 (1999) S. 391 (396 f.) nimmt eine „ungeschriebene allgemeine Notkompetenz“ für die von keiner geschriebenen Eilkompetenz abgedeckten „unmittelbar erforderlichen, ersten Maßnahmen“ an. 563 Zum engen Anwendungsbereich des Rechtsinstituts der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 11, nach dem eine Geschäftsführung ohne Auftrag durch eine Behörde allenfalls in Notfällen sowie

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1. Teil: Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

wegen des Vorbehalts des Gesetzes weder fehlende Befugnisnormen ersetzen 564 noch die Ausübung fremder Hoheitsrechte gestatten. Auch hier ist daher lediglich technische Hilfe möglich. 565

dann in Betracht kommt, wenn die Verwaltung im schlicht-hoheitlichen Bereich gesetzlich nicht determiniert ist. Schoch, Die Verwaltung 38 (2005) S. 91 (106) ist der Ansicht, eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag mit einem Verwaltungsträger als Geschäftsführer könne es nicht geben. Ebenso Kischel, VerwArch 90 (1999) S. 391 (413): „Es gibt keine GoA unter Beteiligung von Verwaltungsträgern.“ 564 Kischel, VerwArch 90 (1999) S. 391 (399); Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht Band 2, § 55 Rn. 12. 565 Auch Nedden, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 81 f., der die Spontanhilfe in Art. 35 Abs. 1 GG legitimiert sieht, weist auf das Fehlen einer Eingriffsermächtigung hin und behält Eingriffsmaßnahmen der zuständigen Behörde vor.

Zweiter Teil

Vorgaben aus den Grundrechten A. Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage für Maßnahmen der Katastrophenabwehr Wird ein Träger öffentlicher Gewalt im Rahmen des abwehrenden Katastrophenschutzes tätig, so können neben nichteingreifenden Maßnahmen wie etwa Feuerlöschen oder Deichverstärkung auch solche Maßnahmen notwendig werden, die den einzelnen Bürger belasten, die sich also als Eingriffsakte darstellen – auch wenn sie letztlich dem Schutz der Bevölkerung oder der betroffenen Einzelperson dienen. Zu nennen sind hier etwa Evakuierungen, das Verbot, bestimmte Gefahrenzonen zu betreten, die Heranziehung von Privatpersonen zu Hilfsleistungen sowie die Inanspruchnahme von Privateigentum. Als Eingriffe zumindest in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit bedürfen derartige Maßnahmen jedenfalls einer Grundlage in einem formellen Gesetz. 1 Nach der sog. Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts muß der Gesetzgeber Regelungen, die für die Grundrechtsausübung wesentlich sind, selbst treffen. 2 Das bedeutet nicht nur, daß er grundrechtsrelevante Regelungen nicht delegieren darf, sondern in einer zweiten Stufe auch, daß er das „besonders Wesentliche“ der Angelegenheit selbst regeln muß, daß also Einzelaktsermächtigungen eine gewisse Regelungsdichte aufweisen müssen 3. Der erforderliche Grad der Bestimmtheit hängt dabei sowohl davon ab, inwieweit der Sachverhalt einer detaillierten Regelung zugänglich ist, als auch davon, wie schwerwiegend der Eingriff für die Betroffenen ist. 4

1

Zum Vorbehalt des Gesetzes für die Eingriffsverwaltung vgl. statt vieler Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 289 ff. 2 Ständige Rechtsprechung, siehe BVerfG, Beschluß vom 8. August 1978 – 2 BvL 8/77 –, BVerfGE 49 S. 89 (126); Beschluß vom 20. Oktober 1982 – 1 BvR 1470/80 –, BVerfGE 61 S. 260 (275); Beschluß vom 2. März 1993 – 1 BvR 1213/85 –, BVerfGE 88 S. 103 (116); Urteil vom 12. Mai 1998 – 1 BvR 1640/97 –, BVerfGE 98 S. 218 (251). 3 BVerfG, Beschluß vom 8. August 1978 – 2 BvL 8/77 –, BVerfGE 49 S. 89 (126); Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 137; Schmitz, Vorgehen gegen Randgruppen, S. 244. Vgl. auch Cremer, NVwZ 2001 S. 1218 (1221).

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

Im folgenden soll untersucht werden, in welche Grundrechte durch Maßnahmen des abwehrenden Katastrophenschutzes eingegriffen wird und welche Anforderungen an Ermächtigungsgrundlagen sich aus den jeweiligen Grundrechten ergeben.

B. Freizügigkeit (Art. 11 GG) Eines der von Gefahrenabwehrmaßnahmen möglicherweise tangierten speziellen Freiheitsrechte ist die durch Art. 11 GG geschützte Freizügigkeit. Als potentiell grundrechtsbeeinträchtigende Maßnahmen im Rahmen der Katastrophenabwehr kommen Evakuierungen und Betretungsverbote sowie Platzverweisungen in Betracht.

I. Schutzbereich Der Schutzbereich des Art. 11 GG umfaßt das Recht, an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen 5, sowie (als negative Freizügigkeit 6) das Recht, an einem Ort bleiben zu dürfen 7. Das Grundrecht gilt nur für Deutsche. Die freie Wahl des Aufenthalts ist für Ausländer als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. 8

4 BVerfG, Beschluß vom 8. Januar 1981 – 2 BvL 2,9/77 –, BVerfGE 56 S. 1 (13). Das Bundesverfassungsgericht trifft diese Aussagen allerdings im Zusammenhang mit dem Bestimmtheitsgrundsatz; es führt jedoch aus, das Bestimmtheitsgebot berühre sich insoweit mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Ebenso ordnet Gassner, DÖV 1996 S. 18 (23 f.) das Problem der Regelungsdichte begrifflich dem Bestimmtheitsgrundsatz zu. 5 Grundlegend BVerfG, Beschluß vom 7. Mai 1953 – 1 BvL 104/52 –, BVerfGE 2 S. 266 (273); ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerfG, Beschluß vom 25. Januar 1977 – 1 BvR 210, 221, 222, 248, 301/74 –, BVerfGE 43 S. 203 (211) sowie Beschluß vom 6. Juni 1989 – 1 BvR 921/85 –, BVerfGE 80 S. 137 (150). 6 Zu dieser Verortung kritisch Gusy in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 34 zu Art. 11. 7 Erbguth, VerwArch 1995 S. 327 (344 f.); Gusy in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 34 zu Art. 11; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 18 zu Art. 11; Rittstieg in AKGG, Rn. 31 zu Art. 11; Pernice in Dreier, GG, Rn. 12 zu Art. 11; Sachs, NVwZ 1985 S. 323 (324). 8 BVerfG, Beschluß vom 18. Juli 1973 – 1 BvR 23, 155/73 –, BVerfGE 35 S. 382 (399); Krüger / Pagenkopf in Sachs, GG, Rn. 11 zu Art. 11; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 8 f. zu Art. 11; Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 83. Für eine Nichtanwendung des restriktiven Merkmals „Deutsche“ auf EU-Bürger dagegen Pernice in Dreier, GG, Rn. 20 zu Art. 11. Allgemein für diese Vorgehensweise bei EG-rechtlich gebotener Gleichstellung zwischen Deutschen und EU-Ausländern Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 10 zu Art. 19.

B. Freizügigkeit (Art. 11 GG)

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Die Reichweite des sachlichen Schutzbereichs ist streitig. Insbesondere ist unklar, welche Kriterien an einen „Aufenthalt“ gestellt werden müssen, um den Anwendungsbereich des Art. 11 GG zu eröffnen. Dies wird im Rahmen der Gefahrenabwehr dann relevant, wenn sich Maßnahmen nicht nur gegen die Bewohner eines Gebietes richten (deren Verbleib am Wohnort unproblematisch dem Schutzbereich unterfällt), sondern auch – wie dies typischerweise der Fall sein wird – gegen alle übrigen Personen, die sich dort aufhalten, seien es Besucher, Urlauber, im Gebiet Beschäftigte, Journalisten oder „Katastrophentouristen“. Einige Autoren stellen für die Qualifikation als „Aufenthalt“ auf die Dauer des Verbleibens an einem Ort ab 9, andere (zum Teil alternativ 10) auf die Bedeutung eines Ortswechsels für die Persönlichkeit 11, wieder andere kumulieren die Kriterien 12. Zum Teil soll in einer sehr weiten Auslegung jeder Ortswechsel von Art. 11 GG erfaßt sein 13. Die letztgenannte Auffassung geht zu weit: Sie macht jede Platzverweisung und jede Absperrung zu einem Problem des Art. 11 GG, und eine Abgrenzung gegenüber anderen Grundrechten, insbesondere gegenüber der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützten körperlichen Bewegungsfreiheit, ist nicht mehr möglich 14. Das bloße „Sich-Aufhalten“ ist nicht gleichbedeutend mit dem gewichtigeren „Aufenthalt (und Wohnsitz) nehmen“; die letztere, vom Bundesverfassungsgericht 15 zur Definition von Freizügigkeit herangezogene Begriffsbildung geht auf einen Formulierungsvorschlag des Ausschusses für Grundsatzfragen zurück, durch den im ersten Satz „Freizügigkeit“ gewährt wurde und der im zweiten Satz das Recht auf Aufenthalts- und Wohnsitznahme an jedem Ort des Bundesgebiets festschrieb 16. Dies wurde vom Allgemeinen Redaktionsausschluß als überflüssige Doppelung 9 Dicke in von Münch, GG, Rn. 8 zu Art. 11: wenige Minuten; Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 44, 52: mindestens eine Übernachtung; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 542: ein Tag mit Übernachtung: Rittstieg in AK-GG, Rn. 33 zu Art. 11: mehr als flüchtiger Aufenthalt. 10 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 791 fordern eine gewisse Dauer oder Bedeutung. 11 Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 13 zu Art. 11 (für die Bedeutung soll die Dauer ein Indiz sein, Rn. 14). Für Alberts, NVwZ 1997 S. 45 (47) kommt es darauf an, ob die Ortsbestimmung „identitätsbezogene Relevanz“ hat. Eine sehr enge Begriffsbildung wählt Gusy, NWVBl. 2004 S. 1 (6), wenn er auf den Lebensmittelpunkt abstellt. 12 Hailbronner in HStR VI, § 131 Rn. 25; Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 2 zu Art. 11: ausreichende Bedeutung und vor allem Dauer; Krüger / Pagenkopf in Sachs, GG, Rn. 16 zu Art. 11. 13 Pernice in Dreier, GG, Rn. 14 zu Art. 11; ähnlich Randelzhofer in BK-GG, Rn. 25 ff. zu Art. 11, der aber eine Begrenzung mit Hilfe einer einschränkenden Definition des Begriffs „Ortswechsel“ als Wechsel von einem Lebenskreis in einen anderen vornimmt (a.a. O., Rn. 28). Vgl. auch die Beispiele bei Dürig in Maunz / Dürig, GG, Rn. 35 zu Art. 11. 14 Rittstieg in AK-GG, Rn. 33 zu Art. 11. 15 Siehe die Nachweise in diesem Teil in Fn. 5.

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

angesehen, „da beide [Sätze] inhaltlich dasselbe besagen“ 17. Freizügigkeit meint also Aufenthalts- (und Wohnsitz-)nahme und damit mehr als bloßes Sich-Aufhalten; daher ist nicht jeder Ortswechsel durch Art. 11 GG geschützt. Sachgerecht ist dagegen das Kriterium der Bedeutung des Aufenthalts bzw. des Aufenthaltswechsels für die Persönlichkeit; dadurch wird eine Abgrenzung zur allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG bzw. zur Freiheit der Fortbewegung aus Art. 2 Abs. 2 GG 18 möglich. Dieses Kriterium ist allerdings für sich genommen häufig nicht objektiv überprüfbar 19, für eine Überprüfung müssen zusätzlich nachprüfbare Indizien herangezogen werden. Einen maßgeblichen Hinweis darauf, ob der Aufenthalt von hinreichender Bedeutung für die Persönlichkeit des Betreffenden ist, gibt die Dauer des Aufenthaltes 20: Wenn sich der Betreffende für einen gewissen Zeitraum an einem Ort eingerichtet hat, wenn er sich nachhaltig an einem Ort aufhält, ist von einer besonderen Relevanz dieses Aufenthalts auszugehen. Ein solches Sich-Einrichten dürfte anzunehmen sein, wenn eine Person am gewählten Ort übernachtet 21: Das Übernachten an einem Ort setzt in der Regel ein Mindestmaß an Sicherheitsgefühl und Bequemlichkeit voraus, so daß von einer zugrundeliegenden bewußten Entscheidung und damit von einer hinreichenden Relevanz dieses Aufenthalts auszugehen ist. Unter den Schutzbereich des Art. 11 GG fällt also das Wohnen(-bleiben) an einem Ort sowie der Aufenthalt mit Übernachtung im Rahmen einer Urlaubsoder Geschäftsreise oder eines Besuchs. Nicht geschützt ist das kurzfristige Verweilen, etwa von Schaulustigen an einer Unglücksstelle. Richten sich allerdings Journalisten oder „Katastrophentouristen“ am Ort der Naturkatastrophe ein und 16 Art. 11 in der vom Ausschuß für Grundsatzfragen in zweiter Lesung angenommenen Fassung vom 1. Dezember 1948 lautete: „Alle Bundesangehörigen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Sie haben das Recht, an jedem Ort des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen“ (abgedruckt in Stelzl / Wernicke / Schick, Der Parlamentarische Rat, Band 5/II, Nr. 35 [S. 786]). 17 Anmerkung zu Art. 11 Abs. 1 in der vom Allgemeinen Redaktionsausschuß redigierten Fassung vom 13. Dezember 1948 (abgedruckt in Stelzl / Wernicke / Schick, Der Parlamentarische Rat, Band 5/II, Nr. 40 [S. 882]). Diese Fassung des Art. 11 Abs. 1 enthielt nur das Recht auf Aufenthalts- und Wohnsitznahme an jedem Ort. Der Vorsitzende des Grundsatzausschusses Dr. von Mangoldt setzte sich im weiteren Verlauf der Beratungen dafür ein, den Begriff der Freizügigkeit unbedingt zu erwähnen (32. Sitzung des Grundsatzausschusses am 11. Januar 1949, Protokoll abgedruckt in Stelzl / Wernicke / Schick, Der Parlamentarische Rat, Band 5/II, Nr. 42 [S. 941]). Art. 11 Abs. 1 bekam schließlich in der Fassung der vierten Lesung des Hauptausschusses am 5. Mai 1949 (Stenographische Protokolle, 57. Sitzung, S. 746) seine heutige Form. 18 Kunig, Jura 1990 S. 306 (308). 19 Schmitz, Vorgehen gegen Randgruppen, S. 49. 20 Schmitz, Vorgehen gegen Randgruppen, S. 50. 21 Für eine Übernachtung als Kriterium oder Indiz: Hitz in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, BGSG, Rn. 3 zu § 38; Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 44, 52; vorsichtiger Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 2 zu Art. 11: in der Regel eine Übernachtung.

B. Freizügigkeit (Art. 11 GG)

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schlagen sie dort ihr Lager auf, so ist dies wiederum Aufenthaltsnahme im Sinne des Art. 11 GG.

II. Eingriff Evakuierungen (Räumungen) von Gebieten und damit verbundene oder eigenständige Betretungsverbote (Sperrungen) von zeitlich unbestimmter Dauer greifen in den Schutzbereich des Art. 11 GG ein: Sie sind darauf gerichtet, den grundrechtlich geschützten Aufenthalt an einem bestimmten Ort zu verhindern. 22 Auch eine zeitlich befristete Maßnahme stellt einen Eingriff dar, sofern sie die oben als Indiz für einen persönlichkeitsrelevanten Aufenthalt bestimmte Übernachtung hindert. Davon dürfte in der Regel dann auszugehen sein, wenn sich die Maßnahme über einen Zeitraum von mehr als 12 Stunden erstreckt 23. Maßnahmen von kürzerer Dauer sind bloße Belästigungen 24 und nicht grundrechtsrelevant; in Katastrophenfällen werden sie zudem praktisch nicht vorkommen, da bei Erlaß der Maßnahme in aller Regel nicht absehbar ist, wann die Gefahrensituation endet, also z. B. wann das Wasser abgelaufen oder wann die Brandgefahr gebannt ist. Die Eingriffsqualität von (längerfristigen) Evakuierungen und Betretungsverboten scheitert auch nicht daran, daß die Maßnahmen für jedermann gelten 25. Art. 11 Abs. 2 GG ermöglicht ausdrücklich freizügigkeitsbeschränkende Maßnahmen zur Katastrophenbekämpfung; diese richten sich typischerweise gegen jedermann: Zwar bezieht sich die Evakuierung eines Gebiets auf einen bestimmbaren Personenkreis, nämlich auf die Menschen, die sich in dem jeweiligen Gebiet aufhalten, doch ist mit ihr notwendig auch ein Rückkehr- und Betretungsverbot (zum Schutz der Adressaten vor Gefahren durch die Katastrophe oder zum Schutz der Habe der Evakuierten vor Plünderungen) verbunden, das sich an jedermann richtet. Vor

22 Auch nach dem klassischen Eingriffsbegriff (vgl. hierzu statt vieler Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 238), der Finalität fordert, dürfte es sich um einen Grundrechtseingriff handeln, da die Maßnahme gerade gegen den Aufenthalt an einem bestimmten Ort gerichtet ist. Anderer Ansicht für Fälle der Platzverweisung Schmitz, Vorgehen gegen Randgruppen, S. 52 unter Hinweis auf den Zweck der Maßnahme (Schutz der Rechtsgüter der Adressaten und nicht Beeinträchtigung ihrer Grundrechte). 23 Für eine 12-Stunden-Grenze auch Schmitz, Vorgehen gegen Randgruppen, S. 231. Für eine solche zeitliche Grenze (neben einer örtlichen Grenze von einem Hektar) auch Helmke, Platzverweis, S. 161. Lang, VerwArch 96 (2005) S. 283 (299) nimmt dagegen an, daß eine länger als 24 Stunden dauernde polizeiliche Platzverweisung einen Eingriff in die Freizügigkeit darstellt. 24 Dazu allgemein Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 248 f. 25 Nach Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 7 zu Art. 11 liegt keine Beeinträchtigung vor, wenn an einem bestimmten Ort jedermann der Aufenthalt untersagt ist.

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

diesem Hintergrund ist die Ansicht, für jedermann geltende Maßnahmen stellten keinen Eingriff dar, zumindest für den Katastrophenschutz nicht haltbar. Auch die Evakuierung von Gebieten, in denen sich zum Zeitpunkt der Evakuierung Menschen nicht im Sinne des Art. 11 GG aufhalten (z. B. unbebaute Grundstücke, reine Betriebsgelände oder Bürogebäude), hat Eingriffsqualität, da das damit verbundene Betretungsverbot eine Aufenthaltsbegründung (z. B. von Journalisten, Campern oder Land-/Stadtstreichern) untersagt. Platzverweisungen als kurzfristige Maßnahmen gegenüber konkret bestimmbaren Schaulustigen – gleichgültig, ob sie zum Schutz der Adressaten oder zur Sicherung der Rettungsarbeiten erlassen werden – stellen demgegenüber keinen Eingriff in Art. 11 GG dar, da das kurzfristige Verweilen an einem Ort bereits nicht vom Schutzbereich gedeckt ist.

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 1. Qualifizierter Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG Das Recht auf Freizügigkeit steht nach Art. 11 Abs. 2 GG unter einem qualifizierten Gesetzesvorbehalt: Ein Eingriff ist nur durch ein Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für besondere Zwecke zulässig. Zu diesen zählt seit der Änderung des Art. 11 GG durch das 17. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes 26 auch die Bekämpfung von Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen. Die Frage, ob ein expliziter Gesetzesvorbehalt für derartige Fälle erforderlich ist 27 oder ob für Freizügigkeitsbeschränkungen auf die bis zur Änderung vorhandenen Vorbehalte hätte zurückgegriffen werden können 28, ist unerheblich: Verfassungswidrig ist die Ergänzung nicht 29. Eine Einschränkung der Freizügigkeit ist in allen Fällen zulässig, in denen dies zur Bekämpfung von Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen erforderlich ist – eine Gesundheits- oder Lebensgefahr für die Betroffenen ist nicht Voraussetzung; mit dem Vorbehalt werden also nicht nur Individualrechtsgüter der Einzelnen geschützt, sondern auch die Effektivität der Gefahrenabwehr. Der Gesetzgeber kann daher Eingriffe in die Freizügigkeit zur Katastrophenabwehr für zulässig erklären, ohne dafür eine konkrete Gefährdung der Adressaten fordern zu müssen. Dies ist insbesondere im Hinblick auf Ermächtigungsgrundlagen für Evakuierungen von Bedeutung. Zum einen können diese in effektiver Weise nur gebietsbezogen (ein bestimmter Straßenzug, ein abgrenzbares Wohnviertel etc.) 26 27 28 29

Gesetz vom 24. Juni 1968 (BGBl. I S. 709). So für Zwangsevakuierungen Randelzhofer in BK-GG, Rn. 162 zu Art. 11. So Dürig in Maunz / Dürig, GG, Rn. 75 zu Art. 11. Dürig in Maunz / Dürig, GG, Rn. 75 zu Art. 11.

B. Freizügigkeit (Art. 11 GG)

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durchgeführt werden. Die Einschätzung der Gefahrenlage muß sich daher auf das Gebiet als solches beziehen. Dabei wird es zwangsläufig zu Generalisierungen kommen; für Einzelfallprüfungen (etwa ob die Bewohner eines bestimmten Hauses wegen seiner Lage oder besonderer Absicherungen nicht gefährdet sind) ist kein Raum. Zum anderen müssen Evakuierungen – sofern dies möglich ist, etwa bei einer herannahenden Naturkatastrophe (Hochwasser) – frühzeitig stattfinden, also noch vor einer akuten Gefährdung von Leben oder Gesundheit. Nur so kann sichergestellt werden, daß die Räumung eines Gebietes systematisch, ohne Panik und ohne Verkehrs- bzw. Transportprobleme erfolgt. 2. Eingriffsrecht bei eigenverantwortlicher Selbstgefährdung Im Zusammenhang mit dem Schutzzweck des Gesetzesvorbehalts aus Art. 11 Abs. 2 GG steht auch das Problem der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung. Evakuierungsanordnungen wird häufig nicht Folge geleistet; die Menschen weigern sich – in Verkennung der Gefahr, aus Angst vor Plünderungen oder aus anderen Gründen –, ihre Wohnungen zu verlassen 30, oder begeben sich aus Neugier oder zu Zwecken der Berichterstattung freiwillig in die Gefahrenzone. Ließe der Gesetzesvorbehalt Eingriffe in das Grundrecht der Freizügigkeit nur zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu, so stellte sich die Frage, ob ein Eingriff auch dann gedeckt ist, wenn die Betroffenen auf den Schutz dieser Rechtsgüter verzichten und sich freiwillig der Gefahr aussetzen. Die effektive Bekämpfung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen, die durch den Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG sichergestellt werden soll, ist jedoch kein Rechtsgut, auf das der Einzelne verzichten kann. Sie wäre nicht mehr gewährleistet, wenn Evakuierungen für bestimmte Gebiete nicht umfassend, sondern nur nach Prüfung der für jeden einzelnen bestehenden Gefährdung und der Wirksamkeit eines eventuellen Verzichts sowie eventuell nach einer Güterabwägung zwischen dem vom Staat zu schützenden Recht auf Leben und Gesundheit und dem Freizügigkeitsrecht des Betroffenen vorgenommen werden könnten. Es ist daher unerheblich, ob der einzelne seine Gefährdung in Kauf nimmt und die Evakuierung verweigert; die Effektivität der Katastrophenbekämpfung ist selbst Schutzgut. Somit muß nicht untersucht werden, ob zur Selbstgefährdung möglicherweise Folgen für die Allgemeinheit (etwa: Risiko bei einem später erforderlichen Rettungseinsatz 31 oder Folgekosten eines Unfalls 32) hinzutreten, die ein Eingreifen trotz der freiwilligen Gefährdung eigener Rechtsgüter rechtfertigen. 30 Dies wurde deutlich beim Hochwasser der Elbe 2002, siehe etwa Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. August 2002 S. 7 (Pergande, Man kennt sich von der Oderflut) sowie Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. August 2002 S. 8 (Freund, Die stille Nacht von Bitterfeld).

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

3. Gesetzgebungsbefugnis Nach Art. 73 Nr. 3 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis für die Freizügigkeit. Daher ist fraglich, ob eine Einschränkung der Freizügigkeit durch Landesrecht – hier: durch Polizeigesetze oder Landeskatastrophenschutzgesetze – überhaupt (ohne Ermächtigung nach Art. 71 GG) möglich ist. Im Ergebnis wird dies für die polizeiliche Gefahrenabwehr, zumindest aber für Notsituationen wie die Bekämpfung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen überwiegend 33 bejaht, allerdings mit unterschiedlicher Begründung: Einige Autoren führen an, die ausschließliche Bundeszuständigkeit betreffe die interterritoriale Freizügigkeit (zwischen den Ländern), nicht jedoch die interlokale (innerhalb der Länder) 34. Andere behaupten, das allgemeine Recht der Gefahrenabwehr sei traditionell von der Bundeskompetenz nach Art. 73 Nr. 3 GG ausgenommen 35; zum Teil wird für die polizeiliche Gefahrenabwehr auch auf den sog. Kriminalvorbehalt in Art. 11 Abs. 2 GG verwiesen, der eine Ermächtigung zur Prävention durch Polizeirecht – also Landesrecht – enthalte 36. Schließlich wird 31 Das Risiko für die Rettungskräfte bei einem eventuell notwendigen Rettungseinsatz (etwa im Hochgebirge) soll genügen, um neben der Selbstgefährdung eine Gefahr für Dritte zu begründen, so Denninger in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil E Rn. 21 und Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 30. 32 Insbesondere wegen der finanziellen Folgen für die Allgemeinheit (Inanspruchnahme von Rettungseinrichtungen, und ärztlicher Versorgung, Pflegebedürftigkeit) soll es sich beim Fahren ohne Anlegen vorgeschriebener Sicherheitsgurte (BGH, Urteil vom 20. März 1979 – VI ZR 152/78 –, BGHZ 74 S. 25 [33 f.]) sowie beim Fahren ohne vorgeschriebenen Schutzhelm (BVerfG, Beschluß vom 26. Januar 1982 – 1 BvR 1295/80, 201, 881, 1074, 1319/81 –, BVerfGE 59 S. 275 [279]) nicht lediglich um Selbstgefährdungen handeln. Ob dies eine Gefährdung Dritter im polizeirechtlichen Sinn darstellt, erscheint mir allerdings fraglich. 33 Anderer Ansicht Pernice in Dreier, GG, Rn. 24 zu Art. 11. Hetzer, ThürVBl. 1997 S. 241 (248) übernimmt die Auffassung von Waechter, NdsVBl. 1996 S. 197(200 f.) und fordert für gezielte Einschränkungen der Freizügigkeit ein Bundesgesetz, greift die von Waechter statuierte Ausnahme für Einschränkungen bei Naturkatastrophen aber nicht auf. 34 Alberts, NVwZ 1997 S. 45 (47); Finger, DVP 2004 S. 367 (368); dem zustimmend Hecker, NVwZ 1999 S. 261 (263), der die Tragfähigkeit der Begründung angesichts des Wortlauts des Art. 73 Nr. 3 GG allerdings bezweifelt. Als unterstützendes Argument bei Lang, VerwArch 96 (2005) S. 283 (292). Wohl auch Cremer, NVwZ 2001 S. 1218 (1223); Seiler, VBlBW 2004 S. 93 (94). Dagegen Waechter, NdsVBl. 1996 S. 197 (200). 35 Cremer, NVwZ 2001 S. 1218 (1223); ausführlich Hailbronner in HStR VI, § 131 Rn. 47; Rittstieg in AK-GG, Rn. 52 zu Art. 11; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 136. Allgemeiner Kunig, Jura 1990 S. 306 (311) und Riegel, BayVBl. 1980 S. 577 (579). 36 Burgi, JuS 1997 S. 1106 (1109); Lang, VerwArch 96 (2005) S. 283 (291); Randelzhofer in BK-GG, Rn. 142 zu Art. 11; Schmitz, Vorgehen gegen Randgruppen, S. 235;

B. Freizügigkeit (Art. 11 GG)

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vertreten, die Bundeskompetenz nach Art. 73 Nr. 3 GG erfasse jedenfalls nicht Regelungen für Notsituationen in Gestalt von Naturkatastrophen 37. Diese These, nach der die Freizügigkeit jedenfalls zur Bewältigung von Notsituationen durch Landesrecht eingeschränkt werden kann, wird durch den historischen Befund gestärkt: Der Verfassungsgeber von 1949 38 ging ebenso wie der verfassungsändernde Gesetzgeber im Jahre 1968 39 von der Einschränkbarkeit durch Polizeirecht, also durch Landesrecht, aus. Vor allem aber läßt sich für den Bereich der Katastrophenabwehr das selbe Argument anführen wie für die Kriminalprävention: Der qualifizierte Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG liefe teilweise ins Leere, wenn im der landesrechtlichen Regelungsbefugnis unterfallenden Bereich der Katastrophenabwehr wegen Art. 73 Nr. 3 GG keine freizügigkeitsbeschränkende Regelung getroffen werden könnte. Beachtenswert ist die Forderung Waechters 40, bei den Regelungen dürfe es nicht um gezielte Einschränkungen der Freizügigkeit durch Aufenthaltsverbote gehen, da für diesen Fall die Bundeszuständigkeit vor dem (von ihm so benannten) „St.Florians-Prinzip“, also vor der Abwälzung der Belastungen auf andere Länder, schützen solle. Dem ist insoweit zuzustimmen, als großflächige Maßnahmen der Bevölkerungsverteilung vom Bund getroffen werden müssen; würde man auch für derartige Fälle eine Gesetzgebungsbefugnis der Länder annehmen, so könnte dies dazu führen, daß ein katastrophenbetroffenes Land durch Freizügigkeitsbeschränkungen und Aufenthaltsverbote für weite Teile des Landesgebiets seine Last für die Grundversorgung der Bürger auf andere Länder abwälzt. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Ermächtigungsgrundlagen für freizügigkeitsbeschränkende Maßnahmen zum Zwecke der Katastrophenabwehr durch in diesem Sinne auch Finger, DVP 2004 S. 367 (368). Aus der Rechtsprechung siehe Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 2. August 1990 – Vf. 3 – VII/89 u. a. –, BayVerfGH 43 S. 107 (125 f.); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juli 2004 – 1 S 2801/03 –, JZ 2005 S. 352 (354). Dagegen Cremer, NVwZ 2001 S. 1218 (1222 f.); Hecker, JuS 1998 S. 575 (576); Waechter, NdsVBl. 1996 S. 197 (200). 37 Martens in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 18 2. f) (S. 278); dem folgend Rasch, DVBl. 1987 S. 194 (196 f.). Mit Einschränkungen ebenso Waechter, NdsVBl. 1996 S. 197 (201). 38 Im Ausschuß für Grundsatzfragen wurde „polizeiliches Gewohnheitsrecht“ als ausreichende Grundlage für Absperrungen zum Schutz vor Plünderungen angesehen, vgl. die Ausführungen von Dr. von Mangoldt in der 36. Sitzung vom 27. Januar 1949 (Protokoll abgedruckt in Stelzl / Wernicke / Schick, Der Parlamentarische Rat, Band 5/II, Nr. 47 [S. 1044]). 39 Vgl. die Debatte in der 174. Sitzung vom 15. Mai 1968, insbesondere die Redebeiträge der Abgeordneten Diemer-Nicolaus (Stenographisches Protokoll S. 9334 [C]) und Schlager (Stenographisches Protokoll S. 9335 [D]): Umstritten war lediglich, ob die vorhandenen polizeirechtlichen Vorschriften für die notwendigen Gefahrenabwehrmaßnahmen, insbesondere Evakuierungen, eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellen; von der Möglichkeit der Regelung durch Landesrecht gingen die Beteiligten jedoch ohne weiteres aus. 40 NdsVBl. 1996 S. 197 (201).

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

Landesrecht geschaffen werden dürfen, sofern die Regelung zum Schutz der Bevölkerung erforderlich ist und nicht lediglich dazu dient, die Last für Unterbringung und Versorgung auf andere Länder zu übertragen. 4. Notwendigkeit einer Spezialermächtigung Zu untersuchen ist weiter, ob für den Erlaß freizügigkeitsbeschränkender Maßnahmen im Rahmen der Katastrophenbekämpfung eine Generalklausel ausreicht, oder ob eine spezielle Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist. Die Frage nach einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage für Maßnahmen, die den Adressaten längerfristig von einem Ort verweisen, stellt sich in neuerer Zeit vor allem für polizeiliche Aufenthaltsverbote im Rahmen der Drogenbekämpfung sowie für die Verweisung gewalttätiger Personen aus ihrer eigenen Wohnung. Diskutiert wird 41, ob derartige Aufenthaltsverbote unter Beachtung der limitierenden Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 2 GG auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden dürfen 42 oder ob wegen der gesonderten Regelung der Platzverweisung bzw. wegen der Intensität des Eingriffs in Art. 11 GG eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist 43. Das Problem ist auch im Zusammenhang mit der Katastrophenabwehr relevant, und zwar sowohl bei Maßnahmen der Polizei aufgrund der Polizeigesetze als auch beim Tätigwerden der Katastrophenschutzbehörde aufgrund der Katastrophenschutzgesetze, sofern diese Gesetze keine spezielle Ermächtigungsgrundlage für Evakuierungen und Aufenthaltsverbote im Rahmen der Katastrophenabwehr enthalten. Bei den für die Katastrophenabwehr notwendigen (längerfristigen) Evakuierungen und Betretungsverboten ergibt sich die Notwendigkeit einer speziellen Regelung aus dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt, genauer aus der zweiten Stufe der Wesentlichkeitstheorie 44. 45 Je nach Katastrophenfall können die Maß41

Vgl. dazu die Nachweise bei Schmitz, Vorgehen gegen Randgruppen, S. 240 ff. So für Aufenthaltsverbote im Rahmen der Drogenbekämpfung OVG Bremen, Urteil vom 24. März 1998 – 1 Ba 27/97 –, NVwZ 1999 S. 314 (315 f.). Vorsichtiger Gusy in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 53 zu Art. 11, der das Vorliegen einer limitierenden Voraussetzung des Art. 11 Abs. 2 GG fordert. Ähnlich wohl auch Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 20 (Stichwort: Polizeiliche Maßnahmen) zu Art. 11. Für den Verweis aus der eigenen Wohnung bei häuslicher Gewalt Seiler, VBlBW 2004 S. 93 (94). 43 Hecker, NVwZ 1999 S. 261 (262); ders., JuS 1998 S. 575 (575); Helmke, Platzverweis, S. 202; Lambiris, Standardbefugnisse, S. 85, insbesondere Fn. 480; Schmitz, Vorgehen gegen Randgruppen, S. 244 f. Vorsichtiger Rachor in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil F Rn. 454; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 134. Für das Erfordernis einer Spezialermächtigung für Aufenthaltsverbote speziell gegenüber Drogenabhängigen Cremer, NVwZ 2001 S. 1218 (1220, 1222). Zum Aufenthaltsverbot gegenüber einem „Hütchenspieler“ VGH Kassel, Beschluß vom 28. Januar 2003 – 11 TG 2548/02 –, NVwZ 2003 S. 1400 ff. 42

B. Freizügigkeit (Art. 11 GG)

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nahmen mehrere Tage bis Wochen andauern, bei der Kontamination von Boden oder Wasser mit Chemikalien oder Radioaktivität bei einem Unglücksfall kommt sogar ein jahrelanges Betretungsverbot bis zur Sperrung für unbestimmte Zeit in Betracht. Insbesondere für die Bewohner des betroffenen Gebiets handelt es sich damit um einen erheblichen, das Grundrecht stark beeinträchtigenden Eingriff, zumal ihnen in der Regel kaum Zeit für Vorbereitungen bleibt und Sachgüter nur in sehr beschränktem Umfang mitgenommen werden können. Angesichts der Schwere dieses Eingriffs muß der Gesetzgeber die Tatbestandsvoraussetzungen und die Rechtsfolge selbst regeln und darf dies nicht über eine Generalklausel der Ausgestaltung durch die Verwaltung überlassen. Der Sachverhalt ist auch einer solchen abstrakt-generellen Regelung in Form der Ermächtigung zum Erlaß einer Standardmaßnahme zugänglich und nicht dermaßen untypisch, daß er nur mittels einer Generalklausel normiert werden könnte 46: Obwohl die Katastrophenbekämpfung einen Ausnahmefall gegenüber der alltäglichen Gefahrenabwehr darstellt, geht es bei der (durch welches Extremereignis auch immer begründeten) Notwendigkeit der Räumung oder Sperrung eines Gebietes für sich genommen nicht um die Bewältigung einer untypischen, in ihrer Struktur und rechtlichen Problematik nicht vorhersehbaren Situation. Vielmehr sind Evakuierungen und Betretungsverbote typische Eingriffe zur Abwehr einer Gefahr, die den Adressaten bei Verbleib an einem bestimmten Ort droht. Da somit der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (kraft Grundrechtswesentlichkeit) die Regelung durch eine besondere Ermächtigungsgrundlage fordert, scheidet eine Generalklausel als Rechtsgrundlage aus. Darauf, ob eine eventuell vorhandene Normierung der Platzverweisung als Standardmaßnahme eine „Sperrwirkung“ 47 entfaltet, die den Rückgriff auf die Generalklausel hindert 48, kommt es deswegen 49 nicht an. 44

Zu dieser siehe oben in diesem Teil unter A. (im Text bei Fn. 3). In diese Richtung – für Wohnungsverweisungen im Rahmen des Gewaltschutzes – wohl auch Gusy, JZ 2005 S. 355 (356 f.) unter Verweis insbesondere auf den Bestimmtheitsgrundsatz, Lang, VerwArch 96 (2005) S. 283 (305) sowie vorsichtig Schenke, Polizeiund Ordnungsrecht, Rn. 134 (Aufenthaltsverbote) und Rn. 135 a.E. (Wohnungsverweisung). Anders als hier (Gesetzesvorbehalt hindert Heranziehung der Generalklausel nicht) für den Verweis aus der eigenen Wohnung bei häuslicher Gewalt Seiler, VBlBW 2004 S. 93 (94). Für einen „Grenzfall zulässiger Ausgestaltung“ hält der VGH Baden-Württemberg die auf die Generalklausel gestützte Wohnungsverweisung (Urteil vom 22. Juli 2004 – 1 S 2801/03 –, JZ 2005 S. 352 [354]); eine Normierung als Standardmaßnahme sei nach einer Phase der Erprobung angezeigt. 46 Butzer, VerwArch 93 (2002) S. 506 (523) ist sogar der Ansicht, daß typisches Eingriffshandeln nicht auf die Generalklausel gestützt werden dürfe, sondern eine besondere gesetzliche Ermächtigung fordere; ebenso Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 20. Dagegen Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 49. 47 Plastisch spricht Lang, VerwArch 96 (2005) S. 283 (301 ff.) von einer „Sperrwirkung der Lücke“, bei der es darum geht, ob die Anwendung der Generalklausel auch dann 45

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

5. Notwendiger Inhalt der Ermächtigungsgrundlage Da Katastrophenfälle vielerlei Gestalt haben können, muß die Ermächtigungsgrundlage so weit gefaßt sein, daß ihre Anwendung in den sehr unterschiedlichen Gefahrensituationen, die mit den vielfältigen Erscheinungsformen von Naturkatastrophen einhergehen, möglich ist. Dies dürfte dann der Fall sein, wenn die Ermächtigungsgrundlage – vergleichbar der Formulierung bei der Platzverweisung – den zuständigen Behörden die Befugnis einräumt, zur Abwehr einer Gefahr die Evakuierung oder Räumung eines Gebiets anzuordnen und das Betreten zu verbieten. Einer dem Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG entsprechenden Konkretisierung dahingehend, daß die Maßnahme zur Abwehr einer Naturkatastrophe oder eines besonders schweren Unglücksfalls notwendig sein muß, bedarf es nur, wenn die Standardmaßnahme in allgemeinen Gefahrenabwehrgesetzen normiert werden soll, oder wenn sich dieses Tatbestandsmerkmal nicht bereits aus dem jeweiligen Katastrophenschutzgesetz ergibt. Nicht erforderlich und im Sinne einer effektiven Katastrophenbekämpfung auch nicht sinnvoll wäre das Tatbestandsmerkmal der Gefahr für Leib oder Leben der Adressaten, da die Katastrophenbekämpfung selbst Schutzzweck des in Art. 11 Abs. 2 GG niedergelegten Gesetzesvorbehalts ist. 50 Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung der Ermächtigungsgrundlage würden sich dann ergeben, wenn Evakuierungen oder Betretungsverbote nur in Form eines Rechtssatzes ergehen könnten. 51 Dies ist aber nicht der Fall: Die Evakuierung eines Gebietes ist eine personenbezogene Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 Var. 1 VwVfG, da sich der Befehl zum Verlassen des Gebietes an einen bestimmten, durch sachliche Merkmale 52 beschriebenen ausgeschlossen ist, wenn es sich um eine Maßnahme von höherer Eingriffsintensität handelt, die von der Spezialermächtigung gerade nicht erfaßt wird. 48 In diesem Sinne wohl Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 134. Zum Verhältnis von Standardermächtigungen und Generalklausel ausführlich Butzer, VerwArch 93 (2002) S. 506 ff. sowie Lambiris, Standardbefugnisse, S. 37 ff.; speziell zum Problem der Sperrwirkung der Platzverweisung – allerdings im Zusammenhang mit Wohnungsverweisungen im Rahmen des Gewaltschutzes – Lang, VerwArch 96 (2005) S. 283 (301 ff.). 49 Butzer, VerwArch 93 (2002) S. 506 (519) weist ausdrücklich darauf hin, daß vor der Auflösung einer Normenkonkurrenz zunächst zu prüfen ist, ob eine solche überhaupt vorliegt. 50 Siehe oben in diesem Teil unter B. III. 1. 51 Zu den Anforderungen an Ermächtigungsgrundlagen für Rechtsverordnungen siehe Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 6. 52 Für die Abgrenzung nach „sachlichen Merkmalen“ Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 201. Zum Problem der Bestimmung nach „allgemeinen Merkmalen“, wie sie der Wortlaut des § 35 Satz 2 Var. 1 VwVfG fordert, Laubinger, FS Rudolf, S. 305 (316 f.).

B. Freizügigkeit (Art. 11 GG)

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und abgrenzbaren Personenkreis richtet, nämlich an alle, die sich in dem betreffenden Gebiet aufhalten. Es handelt sich damit um die Regelung eines „Einzelfalls“ 53, da die Identität der betroffenen Personen zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme feststeht. Bei einem Betretungsverbot ist der Adressatenkreis dagegen offen. Es richtet sich an alle, die im Laufe der Geltungszeit das Gebiet betreten möchten; um wen es sich dabei handeln wird, ist bei Erlaß der Maßnahme noch nicht abzusehen. Geregelt wird somit eine unbestimmte Vielzahl zukünftiger hypothetischer Fälle. Seiner Struktur nach 54 ist ein Betretungsverbot daher ein Rechtssatz. Der Gesetzgeber hat jedoch Rechtssätze, mit denen die Benutzung einer Sache durch die Allgemeinheit geregelt wird, durch § 35 Satz 2 Var. 3 VwVfG als sogenannte „dingliche Allgemeinverfügungen“ den personenbezogenen Allgemeinverfügungen gleichgestellt. 55 Bei Betretungsverboten handelt es sich um derartige Nutzungsregelungen: Durch sie wird festgelegt, daß ein bestimmtes Gebiet nicht betreten, also von einer unbestimmten Vielzahl von Personen (und damit von der Allgemeinheit) nicht genutzt werden darf. Dabei kommt es nicht darauf an, daß von einem Betretungsverbot für ein Gebiet in der Regel auch private Grundstücke betroffen sein werden, da § 35 Satz 2 Var. 3 VwVfG die Möglichkeit der dinglichen Allgemeinverfügung nicht auf Regelungen zur Benutzung öffentlicher Sachen beschränkt 56. Betretungs53

Auch die personenbezogene Allgemeinverfügung dient wie der (normale) Verwaltungsakt und die Sammelverfügung der Regelung eines Einzelfalles, vgl. Laubinger, FS Rudolf, S. 305 (309). 54 Nach Laubinger, FS Rudolf, S. 305 (315) ist maßgebliches Unterscheidungskriterium zwischen Verwaltungsakt (Allgemeinverfügung) und Rechtssatz, ob die Identität der betroffenen Personen im Zeitpunkt des Erlasses feststeht oder nicht. Ebenso Vogel in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 23 Nr. 4 (S. 353); Ule in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 48 Rn. 19. 55 Nach Laubinger, FS Rudolf, S. 305 (321) handelt es sich bei sachbezogenen Allgemeinverfügungen der wahren Rechtsnatur nach um Rechtssätze, die der Gesetzgeber als Allgemeinverfügungen qualifiziert hat. Zumindest für die durch Verkehrszeichen verlautbarten Anordnungen wird dies anerkannt von Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 36a; Koch / Rubel / Heselhaus, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 36; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 135 (S. 97); weniger deutlich Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 143. Für die Rechtsnormqualität von Verkehrszeichen noch vor Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes Renck, JuS 1967 S. 545 (550). Auch von Vogel in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 23 Nr. 7 (S. 366 ff.) werden Verkehrszeichen als Rechtsverordnungen angesehen, eine Zuordnung zu § 35 Satz 2 VwVfG jedoch verneint. Das Vorgehen des Gesetzgebers hält Obermayer, NJW 1980 S. 2386 (2389) für unzulässig. Dagegen Laubinger, FS Rudolf, S. 305 (321 f.) sowie – ohne nähere Begründung – Ule in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 48 Rn. 13 Fn. 18. 56 Stelkens / Stelkens in Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, Rn. 249 zu § 35. Dies wird auch vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 7. September 1984 – 4 C 16/81 –, BVerwGE 70 S. 77 (Leitsatz und insbesondere auch S. 81) vorausgesetzt: Es versteht (inzwischen) die Schutzbereichsanordnung nach § 2 Abs. 1 des Schutzbereichgesetzes (Gesetz über die Beschränkung von Grundeigentum für die militärische Verteidigung vom 7. Dezember 1956

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

verbote unterfallen somit als Allgemeinverfügungen den für Verwaltungsakte geltenden Regeln. Empfehlenswert ist es, den Kreis der Adressaten in der Ermächtigungsnorm zu bestimmen: Ergibt sich nämlich aus einer Spezialbefugnis keine Adressatenbestimmung, so ist auf die allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätze zurückgreifen, um die Adressaten der Maßnahme zu ermitteln. 57 Danach wäre ein Vorgehen nur unter den besonderen Voraussetzungen der Inanspruchnahme von Nichtstörern möglich, da weder die Personen im Gefahrengebiet noch die außerhalb Störer im Hinblick auf die durch die Naturkatastrophe verursachte Gefahr für Leben und Gesundheit sind 58 – davon ausgenommen sind nur die Fälle, in denen die Anwesenheit von Menschen die Katastrophenbekämpfung konkret (etwa durch Behinderung von Rettungsmaßnahmen) oder allgemein (etwa durch Zuwiderhandlung gegenüber Räumungsgeboten) gefährdet. Die Möglichkeiten für Evakuierungen und Betretungsverbote und so auch die Effektivität der Katastrophenbekämpfung wären damit erheblich eingeschränkt. Zwar ließe sich behaupten, Evakuierungen und Betretungsverbote im Rahmen der Katastrophenbekämpfung richteten sich typischerweise unterschiedslos gegen Störer und Nichtstörer und damit gegen jedermann, die Störerkategorien paßten hier also nicht, doch zeigt die Diskussion um die Frage, gegen welche Personen eine Platzverweisung verhängt werden darf 59, daß ein solcher Schluß nicht stets gezogen wird und derartige Normierungen [BGBl. I S. 899], zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. August 2005 [BGBl. I S. 2354]), durch die ein Gebiet, das (auch) private Grundstücke umfaßt, zum Schutzbereich erklärt wird, unter Verweis auf § 35 Satz 2 Var. 2 VwVfG als Allgemeinverfügung. Ähnlich hält Pietzcker in Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Rn. 70 zu § 42 eine Einordnung der Ausweisung von Wasserschutzgebieten nach § 19 WHG als Verwaltungsakt auf der Grundlage von § 35 Satz 2 VwVfG für möglich. 57 Schloer, DÖV 1991 S. 955 (956). 58 Anders wohl Schloer, DÖV 1991 S. 955 (958): Er sieht die Bewohner eines Hauses, die trotz des Fundes einer Fliegerbombe in ihrem Haus bleiben, wegen der zugleich bestehenden Gefahr für die Allgemeinheit als Störer bezüglich einer Gefahr für ihre Gesundheit und ihr Leben an. Ebenso Berner / Köhler, BayPAG, Rn. 2 zu Art. 16: Eine Person kann durch ihr Verbleiben an Ort und Stelle originär eine Gefahr für ihre eigene körperliche Unversehrtheit begründen. Wie hier wohl die Begründung zur Neufassung des § 14 Abs. 1 BremPolG (LTDrs. 15/599 S. 21): Die Betroffenen einer wegen Räumung von Bombenblindgängern notwendigen Evakuierung würden durch ihren Verbleib keine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne verursachen. 59 Vgl. dazu umfassend Schloer, DÖV 1991 S. 955 ff. m.w. N. zu den vertretenen Meinungen. Für ein Vorgehen nur gegen den Störer („die die Gefahr verursachende Person“) etwa Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 218; Riegel, Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz, Rn. 1 zu § 38 BGSG. Diese Ansicht muß auch Personen, die die Gefahr nicht im strengen Sinne verursachen, als Störer qualifizieren, um Maßnahmen zu ermöglichen, die dem Schutz der Anwesenden dienen, z. B. die Räumung bei einem Bombenfund, oder um das Vorgehen gegen eine Menschenmenge mit nur einzelnen konkreten Störern zu rechtfer-

B. Freizügigkeit (Art. 11 GG)

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Rechtsunsicherheit heraufbeschwören können. Eine Standardbefugnis für Evakuierungen und Betretungsverbote sollte daher explizit Maßnahmen gegenüber „jedermann“ ermöglichen. 60 6. Zitiergebot Da Art. 11 Abs. 2 GG eine ausdrückliche Ermächtigung des Gesetzgebers zur Einschränkung des Grundrechts enthält, greift das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG 61. Zu dessen Einhaltung muß der Hinweis nicht an die jeweilige Einzelvorschrift angefügt werden 62, es genügt also, wenn die Nennung des eingeschränkten Grundrechts in einer Vorschrift des einschränkenden Gesetzes erfolgt. Das Zitiergebot mit seiner Warn- und Besinnungsfunktion für den Gesetzgeber 63 soll nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts 64 nicht einschlägig sein, wenn tigen. Konstruiert wird dies mittels der Annahme, allein die Anwesenheit der Betroffenen im örtlichen Gefahrenbereich verstärke den Zustand der Gefahr und mache sie so zu Störern (vgl. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 215; Roos, POG R-P, Rn. 12 zu § 13). Für ein Vorgehen gegen Störer und – bei Vorliegen der Voraussetzungen – gegen Nichtstörer unter anderem Sigrist in Prümm / Sigrist, Sicherheits- und Ordnungsrecht, Rn. 246 (mit weitem Störerbegriff); BayVGH, Urteil vom 7. August 1968 – Nr. 62 VIII 67 –, BayVBl. 1969 S. 105. Unklar Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 16 Rn. 14 ff. sowie Berner / Köhler, BayPAG, Rn. 2 f. zu Art. 16 (mit sehr weitem Störerbegriff). Die Platzverweisung gegenüber jedem, der sich an dem Ort aufhält, hält Habermehl, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 175, für möglich. 60 Für die Standardmaßnahme Platzverweisung insofern eindeutig § 14 Abs. 1 Satz 1 BremPolG, der – ausweislich der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 15/599 S. 21) gerade mit Blick auf Evakuierungen – ein Vorgehen gegen „jede Person“ ermöglicht. 61 Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 3 zu Art. 19; Schmitz, Vorgehen gegen Randgruppen, S. 236. Nach der restriktiven Auslegung des Bundesverfassungsgerichts findet das Zitiergebot nur auf die Grundrechte Anwendung, die aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen, BVerfG, Beschluß vom 27. November 1990 – 1 BvR 402/87 –, BVerfGE 83 S. 130 (154). Weitergehend Dreier in Dreier, GG, Rn. 20 zu Art. 19 Abs. 1: Anwendung auf alle einschränkbaren Freiheitsgrundrechte. 62 Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 2 zu Art. 19; ebenso Huber in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 98 f. zu Art. 19 Abs. 1 und Stern, Staatsrecht III / 2, § 83 III 6 (S. 757), allerdings mit dem Hinweis, daß die Bezugnahme in der Ermächtigungsnorm selbst der Ratio des Zitiergebotes am besten entsprechen dürfte. Anderer Ansicht (Einzelzitat in der Ermächtigungsnorm erforderlich) Dehner / Jahn, JuS 1988 S. 30 (32); Selk, JuS 1992 S. 816 (819); im Grundsatz auch Herzog in Maunz / Dürig, GG, Rn. 56 (unter c)) zu Art. 19 Abs. 1; weniger deutlich Krebs in von Münch / Kunig, GG, Rn. 14 zu Art. 19. 63 Menger in BK-GG, Rn. 141 zu Art. 19 Abs. 1 Satz 2; auf diese Begriffsbildung zurückgreifend BVerfG, Beschluß vom 4. Mai 1983 – 1 BvL 46, 47/80 –, BVerfGE 64 S. 72 (79 f.). Daneben kommt dem Zitiergebot noch eine Verdeutlichungs- bzw. Informationsfunktion gegenüber dem eingriffsunterworfenen Bürger (vgl. Selk, JuS 1992 S. 816 [817]

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

ein Grundrechtseingriff offenkundig ist. Diese Einschränkung ist abzulehnen. 65 Sie geht davon aus, daß ein offenkundiger Grundrechtseingriff dem Gesetzgeber gleichsam per se bewußt ist, und daß es in diesem Fall der Funktion des Zitiergebots nicht bedarf. Wann ein Eingriff in diesem Sinne offenkundig ist, ist jedoch nicht immer eindeutig zu bestimmen 66; insbesondere kann aus der Offenkundigkeit eines Eingriffs nicht zwingend darauf geschlossen werden, daß der Eingriff dem Gesetzgeber auch bewußt ist 67. Weiter soll das Zitiergebot nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 68 dann keine Anwendung finden, wenn das Gesetz bereits geltende Grundrechtsbeschränkungen unverändert oder mit geringen Abweichungen wiederholt. Dies könnte dann relevant werden, wenn z. B. Vorläufer der derzeit geltenden Katastrophenschutzgesetze Vorschriften über Evakuierungen oder Betretungsverbote enthalten. Auch diese Einschränkung ist jedoch abzulehnen. Ob lediglich frühere Beschränkungen wiederholt oder neue geschaffen werden, ist im Hinblick auf die „Warn- und Besinnungsfunktion“ unerheblich. Der Gesetzgeber soll sich (ebenso wie der Gesetzesanwender und der Bürger) bewußt werden, daß mit einer Vorschrift ein Grundrechtseingriff verbunden ist, unabhängig davon, ob die Norm erstmals erlassen oder nur bestätigt wird. 69 Das vom Bundesverfassungsgericht für die restriktive Auslegung herangezogene Argument, die Formvorschrift des Zitiergebots dürfe den die verfassungsmäßige Ordnung konkretisierenden Gesetzgeber nicht unnötig behindern 70, greift im Übrigen in diesem Zusammenhang nicht: Es dürfte weniger aufwendig sein, die von einer Norm betroffenen Grundrechte zu sowie Dreier in Dreier, GG, Rn. 18 zu Art. 19 Abs. 1) und eine Hinweisfunktion gegenüber dem Gesetzesanwender zu (Dreier in Dreier, GG, Rn. 18 zu Art. 19 Abs. 1 m.w. N.). 64 Der Warn- und Besinnungsfunktion soll nur geringes Gewicht zukommen, wenn dem Gesetzgeber ohnehin bewußt ist, daß er sich im grundrechtsrelevanten Bereich bewegt, BVerfG, Beschluß vom 30. Mai 1973 – 2 BvL 4/73 –, BVerfGE 35 S. 185 (189) sowie Beschluß vom 4. Mai 1983 – 1 BvL 46, 47/80 –, BVerfGE 64 S. 72 (80). 65 Ablehnend auch Dreier in Dreier, GG, Rn. 24 Fn. 90 zu Art. 19 Abs. 1; Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 5 zu Art. 19, der die Einschränkung für „sehr zweifelhaft“ hält; Krüger / Sachs in Sachs, GG, Rn. 28 zu Art. 19; Selk, JuS 1992 S. 816 (818); Stern, Staatsrecht III / 2, § 83 III 5g (S. 757) äußert „Bedenken“. 66 In diesem Sinne auch Stern, Staatsrecht III / 2, § 83 III 5g (S. 757). 67 Ähnliche und weitere Argumente bei Selk, JuS 1992 S. 816 (818). 68 BVerfG, Beschluß vom 25. Mai 1956 – 1 BvR 190/55 –, BVerfGE 5 S. 13 (16); Beschluß vom 19. Februar 1963 – 1 BvR 610/62 –, BVerfGE 15 S. 288 (293); Beschluß vom 30. Mai 1973 – 2 BvL 4/73 –, BVerfGE 35 S. 185 (188 f.). Wie sich aus der letztgenannten Entscheidung ergibt, bezieht das Bundesverfassungsgericht die Einschränkung – logisch schlüssig – nicht nur auf die Bestätigung vorkonstitutioneller Grundrechtsbeschränkungen (insoweit verkürzend Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 311). Diese Einschränkung des Zitiergebots wird kritisiert von Alberts, JA 1986 S. 72 (73 f.), Bethge, DVBl. 1972 S. 365 ff. sowie Huber in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 82 ff. zu Art. 19. 69 Huber in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 83 zu Art. 19; Stern, Staatsrecht III / 2, § 83 III 4b α (S. 751).

C. Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG)

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ermitteln und zu zitieren 71, als in möglicherweise verschiedenen Regelwerken nach einer Vorgängernorm zu suchen und zu prüfen, ob die Abweichungen davon nur „gering“ sind. Es bleibt also dabei, daß das Zitiergebot zu beachten ist, wenn eine Ermächtigungsgrundlage für Evakuierungen und Betretungsverbote geschaffen wird. 72 Im jeweiligen Gesetz (Polizeigesetz oder Katastrophenschutzgesetz) muß Art. 11 GG als eingeschränktes Grundrecht genannt werden. Geschieht dies nicht und ist auch eine verfassungskonforme Auslegung nicht möglich 73, so ist die Vorschrift verfassungswidrig und damit nichtig 74.

C. Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) Maßnahmen der Katastrophenabwehr können in vielfältiger Weise Auswirkungen auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübung haben, etwa wenn ein Gebiet evakuiert oder gesperrt wird, in dem Gebäude und Betriebsstätten eines Unternehmens liegen, oder wenn Einsatzkräfte gewerblich genutzte Gegenstände, Grundstücke oder Gebäude zu Zwecken der Gefahrenabwehr nutzen. Derartige Maßnahmen können die Berufsausübung insbesondere von Unternehmern, aber auch von Arbeitnehmern faktisch beeinträchtigen. Vor allem aber kommt die zwangsweise Heranziehung von Personen zur Hilfeleistung in Betracht, wenn der Bedarf nicht durch freiwillige Helfer gedeckt werden kann 75. Dabei lassen sich zwei Fallgruppen unterscheiden: Zum einen die Inpflichtnahme von Angehörigen bestimmter Berufe (beispielsweise Ärzte, 70 BVerfG, Beschluß vom 18. Februar 1970 – 2 BvR 531/68 –, BVerfGE 28 S. 36 (46); Beschluß vom 30. Mai 1973 – 2 BvL 4/73 –, BVerfGE 35 S. 185 (188). 71 Vor einer „prophylaktischen Klausel“ warnt allerdings zu Recht Selk, JuS 1992 S. 816 (817). 72 Für die Geltung des Zitiergebots bei polizeirechtlichen Bestimmungen, die ein Aufenthaltsverbot ermöglichen, Finger, DVP 2004 S. 367 (369). 73 Darauf, daß zunächst die Möglichkeiten verfassungskonformer Auslegung zu nutzen sind, wird hingewiesen von Herzog in Maunz / Dürig, GG, Rn. 60 zu Art. 19 Abs. 1; Huber in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 104 zu Art. 19. Für verfassungskonforme Auslegung auch Dreier in Dreier, GG, Rn. 28 zu Art. 19. Vorsichtiger Krebs in von Münch / Kunig, GG, Rn. 18 zu Art. 19. Zweifelnd dagegen Stern, Staatsrecht III / 2, § 83 III 7 (S. 759). 74 Ganz überwiegende Ansicht, vgl. Dreier in Dreier, GG, Rn. 28 zu Art. 19 Abs. 1; Krebs in von Münch / Kunig, GG, Rn. 18 zu Art. 19 m.w. N. Zur Lage bei einer Änderung der Rechtsprechung hinsichtlich der restriktiven Auslegung vgl. die Vorschläge bei Butzer, VerwArch 93 (2002) S. 506 (521 Fn. 51) sowie Herzog in Maunz / Dürig, GG, Rn. 60 zu Art. 19 Abs. 1. 75 Beim Hochwasser im August 2002 (Erzgebirge und Elbe) sollen sich ca. 23.500 freiwillige nicht organisierte Helfer engagiert haben, vgl. von Kirchbach / Franke / Biele,

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

Fuhrunternehmer oder Handwerker) für berufsbezogene Tätigkeiten, zum anderen die Heranziehung größerer Gruppen von Menschen zu einfachen Arbeiten, die keine Vorkenntnisse erfordern, sondern bei denen es vor allem auf die Zahl der Helfer ankommt (etwa das Befüllen oder Stapeln von Sandsäcken oder das Wegräumen von Schutt). Während die Zulässigkeit einer Heranziehung im zweiten Fall an Art. 12 Abs. 2 GG zu messen ist, könnte im ersten Fall das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen sein, da die Heranziehung an den von den Betroffenen selbst gewählten Beruf anknüpft.

I. Schutzbereich Art. 12 Abs. 1 GG schützt als einheitliches Grundrecht 76 die Freiheit der Berufs(und Arbeitsplatz-)wahl sowie die Freiheit der Berufsausübung. Unter Berufsausübung ist die gesamte berufliche Tätigkeit, also Form, Mittel, Umfang und Inhalt der Betätigung zu verstehen. 77 Mit ihrer negativen Komponente schützt die Berufsausübungsfreiheit davor, einen Beruf in einer bestimmten Weise ausüben zu müssen. 78 Das Grundrecht gilt nur für Deutsche, nicht für Ausländer. Eine Ausweitung des Schutzbereichs auf EU-Ausländer 79 ist wegen des klaren Wortlauts der Vorschrift nicht möglich 80 und im übrigen auch nicht erforderlich, da dem europarechtliBericht der Unabhängigen Kommission der Sächsischen Staatsregierung Flutkatastrophe 2002, S. 211. Angesichts der durch diese Zahl verdeutlichten Hilfsbereitschaft dürfte eine zwangsweise Heranziehung von Helfern allenfalls dann notwendig werden, wenn die Gefahrenlage länger andauert oder wenn Transport- oder Unterbringungsprobleme für weiter entfernt lebende Freiwillige auftreten. 76 BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 – 1 BvR 596/56 –, BVerfGE 7 S. 377 (402); Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –, BVerfGE 92 S. 140 (151); Beschluß vom 26. Februar 1997 – 1 BvR 1864/94 und 1102/95 –, BVerfGE 95 S. 193 (214). Aus der Literatur vgl. statt vieler Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 2 zu Art. 12; Tettinger in Sachs, GG, Rn. 8 zu Art. 12. 77 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 38 zu Art. 12; Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 8 zu Art. 12. 78 Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 67 zu Art. 12. 79 Dagegen Bauer / Kahl, JZ 1995 S. 1077 (1081 ff.) mit weiteren Nachweisen auch zur Gegenmeinung (insbes. Fn. 8 ff.); Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 5 zu Art. 12; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 265 zu Art. 12; Rittstieg in AK-GG, Rn. 155 zu Art. 12; Tettinger in Sachs, GG, Rn. 20 zu Art. 12; wohl auch Wieland in Dreier, GG, Rn. 72 zu Art. 12. Für eine Geltung des Art. 12 für EU-Ausländer Breuer in HStR VI § 147 Rn. 21; Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 10 zu Art. 12; wohl auch Zuleeg, DÖV 1973 S. 361 (364 f.). 80 Auf den Wortlaut als Grenze der europarechtskonformen Auslegung wird hingewiesen von Bauer / Kahl, JZ 1995 S. 1077 (1078 f.). Ebenso Dreier in Dreier, GG, Vorbemerkung Rn. 116.

C. Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG)

143

chen Diskriminierungsverbot aus Art. 12 EGV durch eine europarechtskonforme Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG Rechnung getragen werden kann 81. Soweit eine bestimmte, Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ihrer Art nach in gleicher Weise von einer juristischen wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann, erstreckt sich der personelle Schutzbereich der Berufsfreiheit auch auf inländische juristische Personen des Privatrechts 82 sowie auf nichtrechtsfähige Personengesellschaften (insbesondere Handelsgesellschaften) 83. Die Berufsfreiheit erfaßt dabei auch die Unternehmerfreiheit im Sinne der freien Gründung und Führung von Unternehmen. 84 Die Gewährleistungen aus Art. 12 Abs. 1 und Abs. 2 GG stellen selbständige Grundrechte dar. 85 Während Art. 12 Abs. 1 GG unter anderem vor Zwang in Bezug auf oder im Zusammenhang mit beruflicher Tätigkeit schützt, bezieht sich Art. 12 Abs. 2 GG auf Arbeitszwang allgemein. Da auch berufliche Tätigkeit „Arbeit“ darstellt, ist das Verhältnis beider Vorschriften problematisch, sobald die Auferlegung berufsbezogener Tätigkeitspflichten beurteilt werden soll. Teilweise wird ein Spezialitätsverhältnis mit Art. 12 Abs. 1 GG als speziellerer Norm 86, teilweise Idealkonkurrenz 87 angenommen.

81

Bauer / Kahl, JZ 1995 S. 1079 (1083). Ähnlich Dreier in Dreier, GG, Vorbemerkung Rn. 116; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 260 zu Art. 12. Zur Funktion des Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht und zur dogmatischen Konstruktion siehe unten in diesem Teil unter G. 82 BVerfG, Beschluß vom 16. März 1971 – 1 BvR 52, 665, 667, 754/66 –, BVerfGE 30 S. 292 (312); Urteil vom 1. März 1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 –, BVerfGE 50 S. 290 (363); Beschluß vom 14. Januar 1987 – 1 BvR 1052/79 –, BVerfGE 74 S. 129 (148 f.). BVerwG, Urteil vom 6. November 1986 – 3 C 72.84 –, BVerwGE 75 S. 109 (114); Urteil vom 4. Oktober 1994 – 1 C 13.93 –, BVerwGE 97 S. 12 (23). Badura, DÖV 1990 S. 353 (356); Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 6 zu Art. 12; Tettinger in Sachs, GG, Rn. 22 zu Art. 12. Wegen des personalen Bezugs gegen die Anwendbarkeit auf juristische Personen Rittstieg in AK-GG, Rn. 157 f. zu Art. 12. Zweifelnd auch Wieland in Dreier, GG, Rn. 70 zu Art. 12. 83 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 7 zu Art. 12; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 269 zu Art. 12; Tettinger in Sachs, GG, Rn. 23 zu Art. 12. 84 BVerfG, Urteil vom 1. März 1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 –, BVerfGE 50 S. 290 (363). Badura, DÖV 1990 S. 353 (356); Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 18 zu Art. 12. 85 Göppel, Arbeitszwang, S. 10 ff.; ihm folgend Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 77 zu Art. 12. Ebenso Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 477 zu Art. 12. 86 BVerwG, Urteil vom 16. April 1970 – VIII C 183.67 –, BVerwGE 35 S. 146 (149 f.). Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 316 zu Art. 12. 87 Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 88 zu Art. 12. Unklar Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 81 zu Art. 12: Spezialitätsverhältnis sei „streng genommen nicht anzunehmen“, im Einzelfall könne Idealkonkurrenz bestehen.

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

Beides vermag nicht zu überzeugen: Ein Spezialitätsverhältnis muß am unterschiedlichen personalen Schutzbereich scheitern. Sähe man in Art. 12 Abs. 1 GG die speziellere Vorschrift für Berufsausübungsregelungen in Gestalt beruflicher Nebenpflichten, so müßten berufliche Nebenpflichten von Ausländern wegen des eingeschränkten personalen Schutzbereichs des Art. 12 Abs. 1 GG an der allgemeineren Vorschrift des Art. 12 Abs. 2 GG gemessen werden – und nicht wie sonst am Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG. Weil es sich wegen des Anknüpfens an den ausgeübten Beruf nicht um allgemeine und für alle gleiche Dienstleistungspflichten handelte, wäre es unzulässig, Ausländern berufliche Nebenpflichten aufzuerlegen. Ein solches Verständnis führte zu einer „Inländerdiskriminierung“. Dafür, daß Ausländer der Auferlegung beruflicher Nebenpflichten nicht in gleicher Weise unterliegen sollen wie Deutsche, bzw. daß Deutsche für das Gemeinwohl stärker in Anspruch genommen werden dürften, ist jedenfalls im Regelungsbereich des Art. 12 GG keine Rechtfertigung ersichtlich. Im Gegenteil: Die Berufsfreiheit der Deutschen ist durch Art. 12 Abs. 1 GG besonders geschützt, die der Ausländer nicht. Nimmt man dagegen Idealkonkurrenz der beiden Grundrechte an, so erweist sich Art. 12 Abs. 2 GG als faktische Schranke für alle Berufsausübungsregelungen, die berufsbezogene Tätigkeitspflichten zum Inhalt haben. Hier müßten wegen des Bezugs zum ausgeübten Beruf alle derartigen Pflichten am Erfordernis der allgemeinen und für alle gleichen Dienstleistungspflicht scheitern. Eine Lösung ist bei überschneidungsfreier Bestimmung 88 der Schutzbereiche möglich. Überschneiden sich die Schutzbereiche nicht, liegen also unterschiedliche Tatbestände vor, so gibt es keine Normkonkurrenz, die aufzulösen wäre 89. Die Schutzbereiche stehen ohne Überschneidung nebeneinander, wenn man Zwang im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit an Art. 12 Abs. 1 GG – bzw. für Ausländer an Art. 2 Abs. 1 GG – mißt, Arbeitszwang „im übrigen“ 90, also ohne Bezug zu einer beruflichen Tätigkeit, dagegen an Art. 12 Abs. 2 GG. Die Abgrenzung muß daher von Art. 12 Abs. 1 GG her erfolgen 91, nicht umgekehrt 92. Geht es also wie hier um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer 88 Für überschneidungsfreie Schutzbereiche Göppel, Arbeitszwang, S. 10 ff. (mißverständlich auf S. 12, wo einerseits von Überschneidungsfreiheit, andererseits von Art. 12 Abs. 1 GG als lex specialis die Rede ist); Gusy, JuS 1989 S. 710 (712); wohl auch Uber, FS Schack, S. 167 (174). Auch das Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 13. Januar 1987 – 2 BvR 209/84 –, BVerfGE 74 S. 102 (120) scheint eine Abgrenzung nach Schutzbereichen vorzunehmen. 89 Eine Normkonkurrenz liegt vor, wenn gleichrangige Rechtsnormen auf ein und denselben Sachverhalt tatbestandlich anwendbar sind, vgl. Heß, Grundrechtskonkurrenzen, S. 26. 90 Diese Begriffsbestimmung wählt Uber, FS Schack, S. 167 (174). 91 Darauf wird hingewiesen von Uber, FS Schack, S. 167 (174).

C. Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG)

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Tätigkeitspflicht, so ist zunächst zu untersuchen, ob es sich um eine (zulässige) Berufsausübungsregelung handelt. Nur wenn dies nicht der Fall ist, kann die Tätigkeitspflicht als Arbeitszwang dem Regelungsbereich des Art. 12 Abs. 2 GG unterfallen.

II. Faktische Beeinträchtigungen der Berufsausübungsfreiheit Die oben beispielhaft aufgeführten faktischen Beeinträchtigungen sind nur dann Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit, wenn ein enger Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs besteht und sie eine objektiv berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen 93. Zwar können auch solche Maßnahmen berufsregelnde Tendenz aufweisen, die nicht nur auf Berufstätige Auswirkungen haben, doch ist dafür erforderlich, daß sie im Schwerpunkt Tätigkeiten betreffen, die typischerweise beruflich ausgeübt werden 94. Dies ist bei den aufgeführten Maßnahmen der Katastrophenabwehr nicht der Fall: Sie treffen die Adressaten, weil sie sich in einem bestimmten Gebiet aufhalten oder aufhalten wollen oder weil sie geeignete Grundstücke oder Gegenstände in ihrer Verfügungsgewalt haben. Das Motiv des Aufenthalts oder der mit dem Besitz verfolgte Zweck ist für die Maßnahme unerheblich. Sie knüpft nicht an eine berufliche Tätigkeit an und will auch keine typischerweise beruflich ausgeübte Tätigkeit regeln. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG liegt daher nicht vor.

III. Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit durch die Heranziehung zu Hilfeleistungen Werden Angehörige bestimmter Berufsgruppen verpflichtet, im Katastrophenfall berufsspezifische Hilfeleistungen zu erbringen, so könnte es sich um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit handeln, da solche Pflichten eine zusätzliche berufsspezifische Tätigkeit auferlegen und damit den Umfang der beruflichen Betätigung regeln. 92 So allerdings wohl das Vorgehen des BVerfG, Beschluß vom 13. Januar 1987 – 2 BvR 209/84 –, BVerfGE 74 S. 102 (120 f.), das sich für die Prüfung im Einzelfall an der Zielsetzung des Art. 12 Abs. 2 und 3 GG orientiert. 93 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. etwa Urteil vom 22. Mai 1963 – 1 BvR 78/56 –, BVerfGE 16 S. 147 (162); Beschluß vom 18. Juli 1979 – 2 BvR 488/76 –, BVerfGE 52 S. 42 (54); Urteil vom 8. April 1997 – 1 BvR 48/94 –, BVerfGE 95 S. 267 (302). Aus der Literatur siehe etwa Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 12 zu Art. 12; Rittstieg in AK-GG, Rn. 79 zu Art. 12; Tettinger in Sachs, GG, Rn. 73 zu Art. 12; Wieland in Dreier, GG, Rn. 85, 88 zu Art. 12 fordert zusätzlich Auswirkungen auf die Berufsfreiheit „von einigem Gewicht“. Kritisch dazu Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 73 ff. zu Art. 12. 94 BVerfG, Urteil vom 17. Februar 1998 – 1 BvF 1/91 –, BVerfGE 97 S. 228 (254).

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

Die für Hilfsmaßnahmen interessierenden Tätigkeiten wie etwa die Behandlung von Kranken und Verletzten, die Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen, der Transport von Sachgütern oder Personen oder die Verpflegung von Menschen können als Erwerbstätigkeiten sowohl von natürlichen als auch von juristischen Personen oder von Personengesellschaften ausgeübt werden (z. B. von einem in Form einer GmbH betriebenen Krankenhaus bzw. Handwerksbetrieb). Bei einer Heranziehung könnten daher auch letztere in ihrem Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen sein. In der Literatur werden übereinstimmend einige sogenannte berufliche Nebenpflichten aufgezählt, die Berufsausübungsregelungen nach Art. 12 Abs. 1 GG darstellen (und daher nicht unter den Begriff der Dienstleistungspflicht im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG fallen) sollen. Genannt werden vor allem 95 die nicht kostendeckende Beurkundungspflicht der Notare 96, die Pflicht der Kassenärzte zur Übernahme eines Notfalldienstes 97 und die Pflicht der Rechtsanwälte zur Übernahme von Prozeßvertretungen und Pflichtverteidigungen 98 sowie auch die – einer Heranziehung im Katastrophenfall nicht unähnliche – Verpflichtung zu Erbringung von Werkleistungen oder Verpflegungsleistungen nach dem Bundesleistungsgesetz 99. Ob die sog. Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, etwa die Pflicht des Arbeitgebers zur Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen seiner Arbeitnehmer, eine berufliche Nebenpflicht ist, ist umstritten 100. Kriterien, nach denen berufsbezogene Nebenpflichten (in Abgrenzung zu Dienstleistungspflichten) zu bestimmen sind, wurden – soweit ersichtlich – bisher kaum entwickelt. Art. 12 Abs. 1 GG soll einschlägig sein, wenn es sich um „Modalitätseinwirkungen“ auf die ausgeübte Berufstätigkeit 101 oder um unselbständige Nebenpflichten (im Unterschied zu selbständigen Dienstleistungspflichten) 102 95

Eine umfangreiche Darstellung beruflicher Nebenpflichten findet sich bei Göppel, Arbeitszwang, S. 101 ff. 96 BVerfG, Beschluß vom 1. März 1978 – 1 BvR 786, 793/70, 168/71 und 95/73 – , BVerfGE 47 S. 285 (319). Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 296 zu Art. 12; Tettinger in Sachs, GG, Rn. 149 zu Art. 12. Wohl auch Gusy, JuS 1989 S. 710 (712). 97 BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1971 – I C 30.69 –, BVerwGE 41 S. 261 (269) und Urteil vom 9. Juni 1982 – 3 C 21.91 –, BVerwGE 65 S. 362 (363). Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 296 zu Art. 12; Tettinger in Sachs, GG, Rn. 149 zu Art. 12. Wohl auch Gusy, JuS 1989 S. 710 (712). 98 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 81 zu Art. 12; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 296 zu Art. 12. Wohl auch Gusy, JuS 1989 S. 710 (712). 99 § 2 Abs. 1 Nr. 9 BLG. Vgl. dazu und zu weiteren Verpflichtungen nach Notstandsgesetzen Göppel, Arbeitszwang, S. 105 ff. 100 Für berufliche Nebenpflicht und damit Berufsausübungsregelung Göppel, Arbeitszwang, S. 103 ff.; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 296 zu Art. 12; Rittstieg in AK-GG, Rn. 149 zu Art. 12. Für Dienstleistungspflicht BFH, Urteil vom 5. Juli 1963 – VI 270/62 U –, BStBl. 1963 III S. 468 (469); Gusy, JuS 1989 S. 710 (712). 101 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 81 zu Art. 12.

C. Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG)

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handelt. Dies trägt jedoch ebensowenig wie der Begriff der „berufsinhärenten Arbeitspflichten“ als hoheitlich verhängte Arbeitspflichten im Rahmen der Berufstätigkeit 103 zur Abgrenzung bei. Wird die Bestimmung von Art. 12 Abs. 1 GG her vorgenommen, so muß sie die Definition der Berufsausübungsfreiheit als Grundlage heranziehen. Da diese das Recht schützt, den Umfang der frei gewählten beruflichen Tätigkeit zu bestimmen, ist eine Verpflichtung zu einer bestimmten Tätigkeit dann Berufsausübungsregelung, wenn sie an den gewählten Beruf anknüpft, wenn also Angehörige einer Berufsgruppe wegen ihres Berufes herangezogen werden, und wenn eine zusätzliche Tätigkeit in eben diesem Beruf gefordert wird. Demnach stellt etwa die im Zusammenhang mit Katastrophenabwehrmaßnahmen erfolgende Heranziehung von Angehörigen der Gesundheitsberufe (Ärzte, Krankenpfleger) zur Versorgung von Verletzten, von Handwerkern zu Instandsetzungsmaßnahmen, von Beförderungsunternehmen zum Transport Evakuierter oder von Verpflegungsbetrieben zur Verpflegung von Hilfskräften eine Berufsausübungsregelung dar.

IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Eine Verpflichtung zur berufsspezifischen Hilfeleistung ist als Berufsausübungsregelung nur dann zulässig, wenn sie verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Mit der Zielrichtung, die staatliche Gefahrenabwehr im Katastrophenfall zu unterstützen und damit effektiver zu gestalten, verfolgt eine entsprechende Regelung einen hinreichenden Zweck des Gemeinwohls 104. Die Heranziehung von Fachkräften zu fachspezifischen Aufgaben ist zur Erreichung dieses Zieles auch geeignet. Angesichts der Tatsache, daß nur Angehörige bestimmter Berufsgruppen (beispielsweise Ärzte, sonstige Angehörige der Gesundheitsberufe, Kfz-Mechaniker, Fuhrunternehmer, Verpflegungsbetriebe) für einen fachspezifischen Einsatz in Betracht kommen, während Angehörige anderer Berufsgruppen (etwa Lehrer, kaufmännische Angestellte, Rechtsanwälte, Verwaltungsbedienstete) für die Ka102

Gusy, JuS 1989 S. 710 (712). Wohl auch Tettinger in Sachs, GG, Rn. 149 zu Art. 12. So die Begriffsbestimmung bei Göppel, Arbeitszwang, S. 99. Der Begriff der berufsinhärenten Arbeitspflichten wird auch verwendet von Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 478 zu Art. 12. 104 Zu dieser und den weiteren Voraussetzungen für die Statthaftigkeit von Berufsausübungsregelungen nach der 3-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts vgl. BVerfG, Beschluß vom 15. Dezember 1987 – 1 BvR 563, 582/85, 974/86 und 1 BvL 3/86 –, BVerfGE 77 S. 308 (332). 103

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

tastrophenabwehr nicht eingesetzt werden können, sind an die Erforderlichkeit einer Heranziehung besondere Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist eine Inanspruchnahme im konkreten Fall nur, wenn und solange die staatlichen Kapazitäten für eine effektive Bekämpfung nicht ausreichen, und wenn und solange die Leistungen nicht – in gleicher, insbesondere ebenso zügiger 105 Weise – ohne Zwangsmaßnahmen, also nicht auf der Basis frei abgeschlossener zivilrechtlicher Verträge oder als freiwillige und kostenfreie Hilfeleistungen erlangt werden können. Ob die Maßnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinne ist, muß anhand einer Gesamtabwägung zwischen den nachteiligen Konsequenzen des Eingriffs und den ihn rechtfertigenden Gründe ermittelt werden. Da es sich bei der Katastrophenbekämpfung um einen gewichtigen Belang des Allgemeinwohls handelt, und da die Verpflichtung nicht auf Dauer angelegt, sondern zeitlich begrenzt ist, dürfte eine Heranziehung in der Regel auch verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Anderes gilt jedoch, wenn der Betroffene seine Arbeitskraft und Zeit zur Abwehr von Gefahren für eigene Rechtsgüter oder zur Erfüllung von gegenüber der Hilfspflicht mindestens gleichrangigen Pflichten (etwa Hilfs- und Beistandspflichten gegenüber Angehörigen) benötigt. In diesem Fall bedarf es einer Abwägung im Einzelfall, bei der die betroffenen Rechtsgüter beziehungsweise Pflichten einander gegenüberzustellen sind. Eine Heranziehung zu berufsspezifischen Tätigkeiten von Selbständigen ist nur zulässig, wenn die entsprechende Leistung marktgerecht vergütet wird. 106 Zum einen ist die Heranziehung gegen Vergütung gegenüber der Heranziehung ohne Vergütung das mildere Mittel. Zum anderen wird so die besondere Belastung ausgeglichen, die darin liegt, daß nur bestimmte Personen zur berufsspezifischen Hilfeleistung herangezogen werden und ihnen dadurch ein Sonderopfer abverlangt wird. Die Herangezogenen dürfen zumindest nicht schlechter stehen, als wenn sie die Leistung im Rahmen ihres gewöhnlichen Geschäftsbetriebs erbracht hätten. Keine Vergütungspflicht besteht, wenn die erbrachten Leistungen anderweitig vergütet werden, so etwa, wenn die gesetzliche Krankenkasse eines Patienten dem zwangsweise herangezogenen Arzt die Behandlungskosten zahlt. Erleiden unselbständig Tätige wegen der Heranziehung einen Verdienstausfall, so ist dieser – wie auch sonstige Schäden – zu ersetzen. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden; daher können – eine entsprechende ge105 Werden Leistungen kurzfristig benötigt, so kommen langwierige Vertragsverhandlungen nicht in Betracht, vgl. zum Fall der Leistungsanforderung bei Mobilmachung Grau, BLG, Anm. zu § 3 Abs. 1 (S. 16). 106 Auch Ipsen, FS Kaufmann, S. 141 (153, 156 f.) geht – mit umfangreicher Herleitung – von einem Anspruch auf Vergütung und Aufwendungsersatz bei der Indienstnahme Privater für Verwaltungszwecke aus.

D. Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG)

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setzliche Ermächtigung vorausgesetzt – auch Gemeinden durch Satzung natürliche und juristische Personen zu berufsspezifischen Hilfeleistungen verpflichten. Das Zitiergebot gilt nicht, da Berufsausübungsregelungen keine „Einschränkungen“ im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG sind. 107

D. Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG) I. Schutzbereich und Eingriff Nach Art. 12 Abs. 2 GG darf niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden. Das Grundrecht der Freiheit von Arbeitszwang gilt (anders als das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG) auch für Ausländer 108, wie sich aus der Verwendung des Wortes „niemand“ ergibt 109. Es ist nicht ersichtlich, daß Art. 12 Abs. 2 GG stärker als andere Grundrechte in einem engen Zusammenhang zur Menschenwürde steht 110 oder nur physische Arbeitsleistung meint 111; das Grundrecht erstreckt sich daher auch auf juristische Personen und Personenvereinigungen 112. Unter Arbeit im Sinne der Vorschrift wird jede körperliche oder geistige Tätigkeit verstanden, die mehr als einen unbedeutenden Aufwand verursacht 113 und die keine bloße Geld- oder Sachleistung darstellt 114. Um Arbeitszwang handelt es sich, wenn der Staat den Betroffenen ohne dessen Zustimmung zu Dienstleistungen verpflichtet. 115 Dabei wird nicht nur entwürdi107 BVerfG, Beschluß vom 17. Juli 1961 – 1 BvL 44/55 –, BVerfGE 13 S. 97 (122); Beschluß vom 4. Mai 1983 – 1 BvL 46, 47/80 – BVerfGE 64 S. 72 (80 f.). Anderer Ansicht Krüger / Sachs in Sachs, GG, Rn. 17 zu Art. 19. 108 Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 313 zu Art. 12; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 866; Rittstieg in AK-GG, Rn. 157 zu Art. 12. 109 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 77 zu Art. 12. 110 Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 313 zu Art. 12. 111 So aber Ipsen, FS Kaufmann, S. 141 (157 f., beachte auch Fn. 32). 112 Bachof in Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Grundrechte III / 1, S. 258; ausführlich Göppel, Arbeitszwang, S. 58 ff.; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 77 zu Art. 12; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 313 zu Art. 12; wohl auch Rüfner in HStR V § 116 Rn. 50 für den Fall, daß Art. 12 Abs. 2 GG nicht mit dem Bundesverfassungsgericht als Verbot entwürdigenden Arbeitszwangs verstanden wird. Anderer Ansicht Ipsen, FS Kaufmann, S. 141 (157 f.); Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 92 zu Art. 12. 113 Göppel, Arbeitszwang, S. 74; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 79 zu Art. 12; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 296 zu Art. 12; Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 481 zu Art. 12. 114 Gusy, JuS 1989 S. 710 (712). Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 306 zu Art. 12 und Tettinger in Sachs, GG, Rn. 154 zu Art. 12 verwenden dieses Merkmal zur Bestimmung der Dienstleistungspflicht.

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

gender Arbeitszwang erfaßt. 116 Bei einer derartigen Auslegung 117 erwiese sich Art. 12 Abs. 2 GG als überflüssig, da eine entwürdigende Verpflichtung bereits an Art. 1 Abs. 1 GG scheitern müßte 118 und die in Art. 12 Abs. 2 GG vorgesehene Möglichkeit, im Rahmen herkömmlicher Dienstleistungspflichten zu einer bestimmten Arbeit zu zwingen, leer liefe. Die Verpflichtung zur Hilfeleistung bei der Katastrophenabwehr ist danach Arbeitszwang. Vom Begriff des Arbeitszwangs nicht erfaßt werden allerdings Pflichten zur Übernahme von Ehrenämtern 119 sowie sonstige allgemeine („Bürger-“)Pflichten wie die polizeiliche Meldepflicht, Anzeige- und Auskunftspflichten, die Zeugenpflicht und die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung 120. Teilweise wird auch die Pflicht zur Hilfeleistung bei Unfällen zu den Pflichten dieser Gruppe gezählt 121. Folgte man dieser Meinung, so wäre der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 2 GG von einer Zwangsverpflichtung zur Hilfeleistung im Rahmen der Katastrophenabwehr nicht betroffen. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen: Zwar besteht keine Einigkeit darüber, nach welchen Merkmalen sich die Gruppe der Pflichten bestimmt, deren Erfüllung nicht als „Arbeit“ im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG zu verstehen ist, doch fallen Hilfeleistungen bei Unfällen nach keiner der in der Literatur entwickelten Begriffsbestimmungen darunter: Weder handelt es sich um unvertretbare, höchstpersönliche Leistungen 122, die generell nicht über den Arbeitsmarkt beschafft werden können 123, noch ist es eine Tätigkeit, die gegenüber dem hoheitlich geforderten Erfolg so untergeordnet ist, daß ihr keine eigene Bedeutung zukommt 124. Will man die in der Literatur übereinstimmend aufge115

Gusy, JuS 1989 S. 710 (712). Gusy, JuS 1989 S. 710 (711); Wieland in Dreier, GG, Rn. 68 zu Art. 12. 117 Eine solche wird nahegelegt durch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluß vom 13. Januar 1987 – 2 BvR 209/84 –, BVerfGE 74 S. 103 (118, 120 f.). 118 Gusy, JuS 1989 S. 710 (711). 119 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 79 zu Art. 12; Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 90 zu Art. 12; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 297 zu Art. 12; Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 481 zu Art. 12; Tettinger in Sachs, GG, Rn. 150 zu Art. 12. 120 Göppel, Arbeitszwang, S. 74 f.; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 298 zu Art. 12; Rittstieg in AK-GG, Rn. 150 zu Art. 12; Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 481 zu Art. 12. 121 Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 298 zu Art. 12; wohl auch Rittstieg in AK-GG, Rn. 150 zu Art. 12. 122 Dieses Kriterium verwenden Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 298 zu Art. 12 und Rittstieg in AK-GG, Rn. 150 zu Art. 12. 123 Rittstieg in AK-GG, Rn. 150 zu Art. 12. 124 Dieses Merkmal zieht Göppel, Arbeitszwang, S. 74, heran. Ähnlich bereits Weber, Dienst- und Leistungspflichten, S. 76; ihm folgend Mertens, Zulässigkeit von Arbeitszwang, S. 144 f.: persönliche Betätigungen des Verpflichteten, ohne daß diese einem Dienst oder dem Bewirken eines Leistungserfolges gleichkämen. 116

D. Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG)

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führten Pflichten unter einen Oberbegriff stellen, so kommen ohnehin statt des teilweise verwendeten weiten Begriffs der Handlungspflichten 125 eher die Begriffe der Informations-, Dokumentations- und Beteiligungspflichten in Betracht, unter die die Nothilfepflichten nicht zu fassen sind. Neben den oben erörterten beruflichen Nebenpflichten sind auch Nebenpflichten aus dem Eigentum nicht als Arbeitszwang zu verstehen 126. Dies wird bei der Katastrophenabwehr insbesondere bei der Heranziehung eines Eigentümers zu Sicherungsarbeiten an seinem Grundstück relevant; dabei handelt es sich um aus dem Eigentum folgende Verkehrssicherungspflichten. Schließlich stellen freiwillig übernommene Pflichten oder Pflichten, die sich aus einem freiwillig eingegangenen Dienstverhältnis (z. B. Beamten- oder Angestelltenverhältnis) in diesem Verhältnis ergeben, keinen Arbeitszwang dar. 127 Schon mangels staatlichen Eingriffs fällt es nicht in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 2 GG, wenn ein Arbeitgeber seine Beschäftigten in einer Katastrophensituation über die vertraglich geschuldete Leistung hinaus zu schadensmindernden Maßnahmen in seinem Betrieb heranzieht (Beispiel: Arbeiter und Angestellte sollen außerhalb ihrer Arbeitszeit wertvolle Maschinen oder Archivgut zum Schutz vor Hochwasser in obere Stockwerke verbringen) oder wenn die Beschäftigten wegen der Einbindung des Unternehmens in die Katastrophenabwehr bei der Katastrophenbekämpfung mitwirken müssen (z. B. Krankenhauspersonal eines in den städtischen Alarm- und Einsatzplan eingebundenen Krankenhauses, Rettungssanitäter einer staatlich anerkannten Hilfsorganisation). Bei der Katastrophenabwehr kommt als Arbeitszwang die Heranziehung zu Tätigkeiten in Betracht, für die es keiner Vorkenntnisse und keiner längeren Anlernphase bedarf, sondern bei denen es vor allem auf die Zahl der Helfer ankommt. Zu denken ist etwa an das Befüllen von Sandsäcken, das Wegräumen von Schlamm oder Schutt, die Hilfe beim Anlegen von Brandschneisen bei einem Waldbrand oder die Hilfe bei der Rettung von Gegenständen aus Gebäuden (Museen, Bibliotheken, Lagerhallen mit notwendigen Gütern).

125 Günther, DVBl. 1988 S. 429 (430); Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 481 zu Art. 12. Der Begriff dürfte zurückgehen auf Weber, Dienst- und Leistungspflichten, S. 76 („6. Sonstige Handlungspflichten“) (so Göppel, Arbeitszwang, S. 74 f.). 126 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 79 zu Art. 12; Gusy, JuS 1989 S. 710 (712); Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 90 zu Art. 12; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 299 zu Art. 12; Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 481 zu Art. 12; Tettinger in Sachs, GG, Rn. 150 zu Art. 12; BVerwG, Urteil vom 5. August 1965 – I C 78.62 –, BVerwGE 22 S. 26 (29). 127 Gusy, JuS 1989 S. 710 (712); Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 301 zu Art. 12; Tettinger in Sachs, GG, Rn. 151 zu Art. 12.

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Der Eingriff ist verfassungsrechtlich zulässig, wenn er sich im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht hält. Art. 12 Abs. 2 Hs. 2 GG stellt eine Schrankenbestimmung 128 und nicht lediglich eine Ausnahme vom Schutzbereich 129 dar. 1. Öffentliche Dienstleistungspflicht Eine öffentliche Dienstleistungspflicht bezieht sich auf Tätigkeiten, die zum Nutzen der Allgemeinheit erbracht werden 130 und an deren Erfüllung ein öffentliches Interesse besteht 131. Bei Hilfeleistungen im Rahmen der Katastrophenabwehr handelt es sich um derartige Tätigkeiten. 2. Herkömmlichkeit der Dienstleistungspflicht Entscheidend für die Zulässigkeit ist die Herkömmlichkeit der Dienstleistungspflicht. Die Pflicht muß in vorhergehenden Rechtsordnungen vorhanden 132 und anerkannt 133 gewesen sein. Die Zeit des Nationalsozialismus kann zur Begründung der Herkömmlichkeit nicht herangezogen werden 134, da der Verfassungsgeber durch diese Formulierung Dienstverpflichtungen aus der NS-Zeit (insbesondere den Arbeitsdienst) bewußt ausschließen wollte 135.

128 Überwiegende Ansicht, vgl. etwa Gusy, JuS 1989 S. 710 (711 f.); Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 93 zu Art. 12; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 305 ff. zu Art. 12; Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 484 zu Art. 12. 129 So aber Bachof in Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Grundrechte III / 1, S. 260; Menger in BK-GG, Rn. 174 zu Art. 19 Abs. 1 Satz 2. Dagegen Göppel, Arbeitszwang, S. 116. 130 Breuer in HStR VI, § 147 Rn. 93; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 84 zu Art. 12; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 306 zu Art. 12; Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 485 zu Art. 12; Tettinger in Sachs, GG, Rn. 154 zu Art. 12. Es bedarf nicht des übereinstimmend genannten weiteren Merkmals, daß die Tätigkeit keine Geld- oder Sachleistung darstellen darf, da derartige Leistungen bereits nicht unter den Begriff der Arbeit fallen. 131 Göppel, Arbeitszwang, S. 128; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 306 zu Art. 12; Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 485 zu Art. 12. 132 Dafür soll auch Gewohnheitsrecht ausreichen, vgl. Klein, DÖV 1961 S. 844 (844 Fn. 4). Weniger deutlich Gusy, JuS 1989 S. 710 (713) und Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 486 zu Art. 12. 133 Gusy, JuS 1989 S. 710 (713). 134 Gusy, JuS 1989 S. 710 (713).

D. Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG)

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Die Einführung neuer Pflichten kommt demnach nicht in Betracht 136; überkommene Pflichten dürfen in Zweck, Inhalt und Umfang nicht wesentlich geändert werden 137. Modifizierungen hinsichtlich der Ausgestaltung (etwa aufgrund technischen Fortschritts: Heranziehung nicht nur von Gespann-, sondern auch von Kraftfahrzeughaltern für „Spanndienste“ 138) sind jedoch zulässig, ebenso können herkömmliche Pflichten neu gesetzlich geregelt 139 werden. Ein grundlegender Wandel der sozialen Verhältnisse, an die eine Dienstleistungspflicht anknüpft, kann die Herkömmlichkeit ausschließen. So sind die landwirtschaftsbezogenen Handund Spanndienste in einer verstädterten Gemeinde nicht mehr als herkömmlich anzusehen. 140 Es kommt also darauf an, ob Hilfeleistungspflichten der Bevölkerung in Katastrophenfällen in diesem Sinne herkömmlich sind. Der Verfassungsgeber ging vom Bestehen einer Hilfeleistungspflicht in Notfällen aus: Ihm ging es bei der Zulassung von Dienstleistungspflichten nicht nur darum, die für die Normalsituation geltenden Dienste wie Hand- und Spanndienste oder Feuerwehrdienst zu ermöglichen 141, sondern er hatte auch und gerade Dienstleistungen in Notsituationen vor Augen 142 und wollte diese unter den Begriff des Herkömmlichen gefaßt wissen 143. Als gesetzliche Grundlage einer derartigen Verpflichtung läßt sich für eine allgemeine 144 Pflicht die strafrechtlich sanktionierte Nothilfepflicht heranziehen: 145 135 Dr. Eberhard in der 18. Sitzung des Hauptausschusses am 4. Dezember 1948, Stenographische Protokolle S. 215; Dr. Seebohm in der 44. Sitzung des Hauptausschusses am 19. Januar 1949, Stenographische Protokolle S. 577. 136 Gusy, JuS 1989 S. 710 (713). Weniger restriktiv Bachof in Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Grundrechte III / 1, S. 261. 137 Göppel, Arbeitszwang, S. 143; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 301 zu Art. 12; Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 486 zu Art. 12. 138 BayVGH, Beschluß vom 4. Juni 1954 – Nr. 99 IV 53 –, BayVGHE 7 S. 77 (83). Dem folgend Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 486 zu Art. 12. 139 Mertens, Zulässigkeit von Arbeitszwang, S. 59; von Mangoldt / Klein, GG, Anm. VII 2b zu Art. 12. 140 BVerwG, Urteil vom 9. November 1955 – V C 228.54 –, BVerwGE 2 S. 313 (314 f.); BayVGH, Beschluß vom 4. Juni 1954 – Nr. 99 IV 53 –, BayVGHE 7 S. 77 (82 f.); Göppel, Arbeitszwang, S. 142 f. m.w. N.; Gusy, JuS 1989 S. 710 (713). Für Unzulässigkeit der Hand- und Spanndienste allgemein Gusy, a.a. O., S. 713 Fn. 39; Held, DVBl. 1954 S. 346 ff. 141 Vgl. etwa Zinn in der 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 29. September 1948 (Protokoll abgedruckt in Stelzl / Wernicke / Schick, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5/I, Nr. 6 [S. 89]). 142 Siehe hierzu die Diskussion in der 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 29. September 1948 (Protokoll abgedruckt in Stelzl / Wernicke / Schick, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5/I, Nr. 6), hier insbesondere die Beiträge von Dr. Schmid (a.a. O. S. 91, S. 98 [Formulierungsvorschlag]), Dr. von Mangoldt (S. 94), Schrage (S. 95). 143 Dr. Seebohm in der 44. Sitzung des Hauptausschusses am 19. Januar 1949 (Stenographische Protokolle, S. 577 linke Spalte oben).

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

Nach der zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung geltenden Vorgängernorm des heutigen § 323c StGB (§ 360 Abs. 1 Nr. 10 StGB 1871 146) machte sich einer Übertretung schuldig, wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not einer Aufforderung der Polizeibehörde zur Hilfeleistung keine Folge leistete. Die Nothilfepflicht war also bereits zur Weimarer Zeit von der Rechtsordnung anerkannt. Da sie nicht an bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse anknüpft, sondern von vornherein jedermann betrifft, hat der Wandel der sozialen Verhältnisse keine Auswirkungen 147. Die Verpflichtung der Bevölkerung zur Hilfeleistung zum Zwecke der Katastrophenabwehr ist demnach eine nach Art. 12 Abs. 2 GG zulässige herkömmliche Pflicht. 148 3. Allgemeinheit und Gleichheit der Dienstleistungspflicht Bei der Dienstleistungspflicht muß es sich um eine allgemeine Pflicht handeln, das heißt, sie muß grundsätzlich jeden ohne Ansehen von Person oder Eigenschaften treffen. 149 Sie darf also nicht an besondere Fähigkeiten anknüpfen, etwa nur für Personen mit Fachkenntnissen gelten. 150 Da es sich bei diesem Erfordernis um eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes handelt 151, können 152 und 144 Als spezifische Pflichten kommen insbesondere die Feuer- und die Wasserwehr in Betracht; zu ihren Grundlagen ausführlich Mertens, Zulässigkeit von Arbeitszwang, S. 129 ff., 135 f. 145 Ähnlich leitet Göppel, Arbeitszwang, S. 224 ff. die Zulässigkeit von Hand- und Spanndiensten bei öffentlichen Notständen nach Art. 18 Abs. 1 Nr. 3 der BayLKO aus der strafrechtlichen Nothilfepflicht ab. 146 In der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Februar 1876 (RGBl. S. 39), vor Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Juni 1914 (RGBl. S. 195). 147 Göppel, Arbeitszwang, S. 226. 148 Die Nothilfepflicht wird allgemein zu den zulässigen herkömmlichen Pflichten gezählt, vgl. etwa Götz, VVdStRL 41 S. 7 (28); Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 85 zu Art. 12 für die „Nothilfepflicht bei Unglücksfällen“; Gusy, JuS 1989 S. 710 (713) für die landesverfassungsrechtlichen Hilfspflichten bei Unglücksfällen; Klein, DÖV 1961 S. 844 (846) für die „sog. Notdienste“; von Mangoldt / Klein, GG, Anm. VII 2b zu Art. 12 für die „Nothilfe, Nothilfepflicht, Notleistung, Notdienstleistung schlechthin“. 149 Gusy, JuS 1989 S. 710 (713). Soweit andere (etwa Breuer in HStR VI, § 147 Rn. 93; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 308 zu Art. 12; Tettinger in Sachs, GG, Rn. 155 zu Art. 12) auch die Verpflichtung eines nach abstrakt-generellen Maßstäben bestimmten Personenkreises zulassen, entspricht dies nur dann dem Merkmal der Allgemeinheit, wenn die Differenzierungskriterien mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar sind. 150 Klein, DÖV 1961 S. 844 (845 Fn. 18). Die Ausführungen des BayVGH (Beschluß vom 4. Juni 1954 – Nr. 99 IV 53 –, BayVGHE 7 S. 77 [83]), es könnten keine wesentlich unterschiedlichen Dienstleistungen verlangt werden noch Dienstleistungen, für die eine Vor- oder Ausbildung oder besondere Fertigkeiten Voraussetzung sind, dürften dagegen

D. Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG)

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müssen 153 jedoch die Differenzierungen getroffen werden, die der Gleichheitssatz gebietet. Hier ist vor allem an Beschränkungen auf bestimmte Altersgruppen und Ausnahmen für Menschen mit Behinderung 154 zu denken. Ausnahmen kommen auch bei Kollision der Dienstpflicht mit anderen Pflichten in Betracht. Eventuelle Befreiungen müssen dabei nach festgesetzten, für alle gleichen Gründen erfolgen. 155 Die Gleichheit der Dienstleistungspflicht bezieht sich auf die zu leistenden Dienste, nicht auf den Kreis der betroffenen Personen. 156 Sie besagt, daß jeder Pflichtige grundsätzlich in gleicher Weise belastet werden muß. 157 Auch bezüglich der Gleichheit der Dienstleistungspflicht kann der allgemeine Gleichheitssatz sachlich begründete Differenzierungen rechtfertigen 158 und gebieten, etwa die Berücksichtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei der Verteilung der Aufgaben im Rahmen ein- und desselben Arbeitseinsatzes.

eher dem Merkmal der Gleichheit als dem der Allgemeinheit der Dienstleistungspflicht zuzuordnen sein. 151 Klein, DÖV 1961 S. 844 (845). Ähnlich auch Bachof in Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Grundrechte III / 1, S. 261: Allgemeinheit der Dienstleistungspflicht als Anwendungsfall des Gleichheitssatzes; Göppel, Arbeitszwang, S. 151: Teilaspekt des Gleichheitssatzes; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 89 zu Art. 12: Bezugnahme auf Art. 3 GG; Wieland in Dreier, GG, Rn. 104 zu Art. 12: Verweis auf den Gleichheitssatz. Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 308 zu Art. 12 scheint jedoch Gleichheitsprobleme bei der Bestimmung des Kreises der Pflichtigen nicht am Merkmal der „Allgemeinheit“, sondern direkt an Art. 3 Abs. 1 GG messen zu wollen. Ebenso BVerfG, Beschluß vom 24. Januar 1995 – 1 BvL 18/93 u. a. –, BVerfGE 92 S. 91 (112): Art. 12 Abs. 2 GG scheidet als lex specialis zu Art. 3 Abs. 3 GG aus. 152 Breuer in HStR VI, § 147 Rn. 93; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 88 zu Art. 12. 153 Klein, DÖV 1961 S. 844 (845). 154 Eine Beschränkung der Hilfspflicht auf Männer wäre dagegen mit dem in Art. 12 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommenden Gleichheitsgedanken nicht vereinbar. Vgl. zur Feuerwehrdienstpflicht BVerfG, Beschluß vom 24. Januar 1995 – 1 BvL 18/93 u. a. –, BVerfGE 92 S. 91 ff. sowie EGMR, Urteil vom 18. Juli 1994 – 12/1193/407/486 –, NVwZ 1995 S. 365 f. Anders noch Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 487 zu Art. 12. 155 Gusy, JuS 1989 S. 710 (713); Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 488 zu Art. 12. 156 Gusy, JuS 1989 S. 710 (713); Klein, DÖV 1961 S. 844 (846). Ähnlich Breuer in HStR VI, § 147 Rn. 93. Keine Differenzierung nimmt hingegen vor Bachof in Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Grundrechte III / 1, S. 261. 157 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 89 zu Art. 12; Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 93 zu Art. 12. 158 Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 89 zu Art. 12.

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

4. Formelle Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage für eine Dienstleistungspflicht Bei der Schrankenbestimmung des Art. 12 Abs. 2 Hs. 2 GG handelt es sich um einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt. 159 Überwiegend wird gefordert, daß die Dienstleistungspflicht durch förmliches Gesetz begründet wird 160. Dem ist insoweit zuzustimmen, als Grundrechtsbeschränkungen durch Gewohnheitsrecht allgemein ausscheiden 161; allerdings ist nicht ersichtlich, wieso nicht auch ein materielles Gesetz – eine verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage vorausgesetzt – zur Begründung einer Dienstleistungspflicht genügen soll 162. Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG greift nicht. 163 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet es nur auf die Grundrechte Anwendung, die aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen. 164 Es gilt nicht, wenn das Grundrecht selbst Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen vorsieht. 165 Bei Art. 12 Abs. 2 Hs. 2 GG handelt es sich um eine solche Schrankenbestimmung. Durch die 159 Göppel, Arbeitszwang, S. 116; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 305 zu Art. 12. 160 Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 93 zu Art. 12; Göppel, Arbeitszwang, S. 116; Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 305 zu Art. 12; Tettinger in Sachs, GG, Rn. 154; Scholz in Maunz / Dürig, GG, Rn. 490 zu Art. 12. 161 Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 43 vor Art. 1; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 263. Für Gewohnheitsrecht zur Begründung einer Dienstleistungspflicht allerdings Bachof in Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Grundrechte III / 1, S. 261; Breuer in HStR VI, § 147 Rn. 93; Gubelt in von Münch / Kunig, GG, Rn. 84 zu Art. 12. Gewohnheitsrecht kann jedoch die Herkömmlichkeit einer Dienstpflicht begründen, vgl. Klein, DÖV 1961 S. 844 (844). 162 Dafür Klein, DÖV 1961 S. 844 (845). Sowohl das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 9. November 1955 – V C 228.54 –, BVerwGE 2 S. 313 ff.) als auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Beschluß vom 4. Juni 1954 – Nr. 99 IV 53 –, BayVGHE 7 S. 77 ff.; Urteil vom 31. Juli 1961 – Nr. 201 IV 58 –, BayVGHE 14 S. 67 ff.) problematisieren die Anordnung von Hand- und Spanndiensten durch gemeindliche Satzung nicht. 163 Ebenso Alberts, JA 1986 S. 72 (72). Menger in BK-GG, Rn. 174 zu Art. 19 Abs. 1 Satz 2 verneint die Anwendung konsequenterweise ebenfalls, da er Art. 12 Abs. 2 Hs. 2 GG als Ausnahme vom Schutzbereich versteht. Für eine Geltung des Zitiergebots Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 3 zu Art. 19. In der übrigen Kommentarliteratur wird das Problem der Geltung des Zitiergebots für Art. 12 Abs. 2 GG – sofern der Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ohnehin weit gefaßt wird (z. B. von Dreier in Dreier, GG, Rn. 20 zu Art. 19 Abs. 1; Herzog in Maunz / Dürig, GG, Rn. 58 zu Art. 19 Abs. 1; Huber in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 95 zu Art. 19 Abs. 1; Krüger / Sachs in Sachs, GG, Rn. 29 f. zu Art. 19; Stern, Staatsrecht III / 2, § 83 III 5f [S. 756]) – soweit ersichtlich nicht behandelt. 164 BVerfG, Beschluß vom 27. November 1990 – 1 BvR 402/87 –, BVerfGE 83 S. 130 (154) m.w. N. 165 BVerfG, Beschluß vom 4. Mai 1983 – 1 BvR 209/269/83 –, BVerfGE 64 S. 67 (80).

E. Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)

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Bestimmung einer den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen entsprechenden Dienstleistungspflicht wird das Grundrecht lediglich innerhalb der in ihm selbst angelegten Grenzen eingeschränkt, nicht darüber hinaus 166.

E. Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) Auch das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung kann von Katastrophenabwehrmaßnahmen betroffen sein, beispielsweise dann, wenn die Gefahrenabwehr nicht ausschließlich vom öffentlichen Raum aus stattfinden kann, sondern die Inanspruchnahme von Privatgrundstücken erfordert, wenn Rettungskräfte zur Rettung gefährdeter Personen in Wohnungen eindringen müssen oder wenn Evakuierte oder Verletzte dort einquartiert werden.

I. Schutzbereich Schutzgut des Grundrechts aus Art. 13 GG ist die räumliche Sphäre, in der sich das Privatleben entfaltet. 167 Damit soll dem Einzelnen mit Blick auf die Menschenwürde sowie im Interesse der Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gesichert werden. 168 Der Begriff der Wohnung wird allgemein 169 weit gefaßt. 170 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 171 und einer bereits vor dessen grundlegender Entscheidung überwiegenden Meinung in der Literatur 172 sind auch Geschäfts- und Betriebsräume durch Art. 13 GG geschützt; für solche Räume werden jedoch geringere Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs gestellt als dies nach Art. 13 Abs. 7 GG der Fall ist 173. Diese Konstruktion ist methodisch 166

Nach BVerfG, Beschluß vom 18. Februar 1970 – 1 BvR 226/69 –, BVerfGE 28 S. 41 (46) gilt das Zitiergebot nur für Gesetze, die darauf abzielen, ein Grundrecht über die in ihm selbst angelegten Grenzen hinaus einzuschränken. 167 BVerfG, Beschluß vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, BVerfGE 89 S. 1 (12). Vgl. etwa auch BVerfG, Beschluß vom 13. Oktober 1971 – 1 BvR 280/66 –, BVerfGE 32 S. 54 (72), sowie Urteil vom 17. Februar 1998 – 1 BvF 1/91 –, BVerfGE 97 S. 228 (265); Hermes in Dreier, GG, Rn. 12 zu Art. 13. 168 BVerfG, Beschluß vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, BVerfGE 89 S. 1 (12). 169 So Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 10 zu Art. 13 GG. Kühne in Sachs, GG, Rn. 1 zu Art. 13 GG bezeichnet dies als „herrschende Meinung“. 170 Vgl. die Beispiele bei Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 10 zu Art. 13 GG. 171 Seit dem Beschluß vom 13. Oktober 1971 – 1 BvR 280/66 –, BVerfGE 32 S. 54 (68 ff.). Aus neuerer Zeit siehe Urteil vom 17. Februar 1998 – 1 BvF 1/91 –, BVerfGE 97 S. 228 (265). 172 Vgl. etwa Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 24 ff., 30 m.w. N. sowie die Nachweise bei Stein, Die Wirtschaftsaufsicht, S. 121 Fn. 8.

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

fragwürdig 174, und die Einbeziehung von Geschäfts- und Betriebsräumen ist mit dem herkömmlichen Verständnis des Begriffs „Wohnung“ kaum vereinbar. Zwar ist auch die berufliche Betätigung Persönlichkeitsentfaltung und bedarf eines räumlichen Schutzes 175, doch kann dieser über Art. 12 Abs. 1 GG und über Art. 2 Abs. 1 GG vermittelt werden. Abgrenzungsprobleme – hier zwischen der beruflich-privaten und der persönlich-privaten Sphäre 176 – sind keine Spezifika des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung und können nicht über eine Ausweitung des Schutzbereichs gelöst werden. Entgegen der vom Bundesverfassungsgericht und von der überwiegenden Meinung in der Literatur vertretenen Ansicht sind daher Geschäfts- und Betriebsräume nicht als von Art. 13 GG geschützt anzusehen. Die vom Grundrecht geschützten Flächen müssen sich nicht innerhalb eines Gebäudes befinden. Auch freie Grundstücksflächen können dem Schutzbereich unterfallen, wenn der Nutzungsberechtigte sie zum privaten Bereich bestimmt. Sie müssen jedoch als Rückzugsbereich der individuellen Lebensgestaltung ausgewiesen sein 177, erforderlich ist ein Mindestmaß an räumlicher Abschottung 178. Allerdings unterfällt nicht jedes befriedete Besitztum dem Schutz des Art. 13 GG. 179 Nicht mehr um den von Art. 13 GG bezweckten Schutz der Privatheit geht es etwa bei einem Acker oder einer Weide. 180 Auch ein umzäunter Garten stellt nur dann eine „Wohnung“ dar, wenn auf oder bei ihm ein Gebäude steht. 181 173

Die Voraussetzungen für einen Eingriff im Bereich der Geschäfts- und Betriebsräume werden im Beschluß vom 13. Oktober 1971 – 1 BvR 280/66 –, BVerfGE 32 S. 54 (76 f.) einzeln aufgeführt. 174 Hermes in Dreier, GG, Rn. 27 zu Art. 13: „Kreation eines neuen Grundrechts“; Lübbe-Wolff, DVBl. 1993 S. 762 (764): „juristisch-dogmatisch grob unbefriedigende, im Grunde kunstfehlerhafte Auslegungskonstruktionen“. Kritisch gegenüber dem methodischen Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts auch Battis, JuS 1973 S. 25 ff. Stein, Die Wirtschaftsaufsicht, S. 121 ff. wandte sich bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1971 gegen die damals schon überwiegende weite Auslegung des Wohnungsbegriffs; so auch weiterhin Stein / Frank, Staatsrecht, § 35 II 1 (S. 282). 175 Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 11 zu Art. 13. 176 Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 264. 177 Herdegen in BK-GG, Rn. 27 zu Art. 13. 178 Herdegen in BK-GG, Rn. 28 zu Art. 13; Hermes in Dreier, GG, Rn. 19 zu Art. 13; Ruthig, JuS 1998 S. 506 (512). Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 10 zu Art. 13 läßt dagegen auch die Errichtung eines Schildes genügen. 179 So aber wohl Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 30. Dagegen Berkemann in AK-GG, Rn. 31 zu Art. 13. 180 Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 10 zu Art. 13; ders., Jura 1992 S. 476 (478); Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 873. Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 19, 20 zu Art. 13 nimmt an, bei einem Acker, einer Weide oder einem Wald werde es regelmäßig an der Widmung zum Raum der Privatheit fehlen. 181 Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 19 zu Art. 13; auch Herdegen in BK-GG, Rn. 27 zu Art. 13 fordert die Nähe eines Gebäudes. Ziekow / Guckelberger in Friauf / Höfling, Berliner Kommentar, Rn. 38 (S. 37) zu Art. 13 wollen dann keine

E. Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)

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Versteht man unter „Wohnung“ nur Privat-, nicht auch Betriebs- und Geschäftsräume, so kommen juristische Personen des Privatrechts und nichtrechtsfähige Personengesellschaften nicht als Grundrechtsberechtigte in Betracht. 182

II. Eingriff Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 13 GG liegt nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts 183 dann vor, wenn Vertreter der Staatsgewalt gegen den Willen des Wohnungsinhabers in die Wohnung eindringen oder darin verweilen. Da Art. 13 Abs. 7 GG das Instrumentarium der Rechtfertigung für Eingriffe in Notfällen bereitstellt, kann die Figur der mutmaßlichen Einwilligung nicht herangezogen werden 184. Ist der Berechtigte – was bei Maßnahmen der Katastrophenabwehr nicht selten der Fall sein wird – nicht erreichbar oder nicht einwilligungsfähig, werden Maßnahmen also ohne seinen Willen vorgenommen, so handelt es sich ebenfalls um einen Eingriff. Lediglich ein zweifelsfrei geäußertes Einverständnis schließt den Eingriff aus. 185 Eingriffe kommen im Rahmen der Katastrophenabwehr in vielfältiger Gestalt in Betracht – das jedenfalls nach der Grundgesetzänderung 1998 186 als Eingriff zu wertende unkörperliche Eindringen in die Wohnung (sog. Lausch- und Spähangriff) ist hier allerdings nicht relevant. Um Eingriffe handelt es sich etwa, wenn Rettungskräfte ein (dem Schutzbereich unterfallendes) Grundstück betreten, um dort einen Notdeich zu errichten, einen Rettungsweg oder ein Materiallager anzulegen, oder wenn sie in eine Wohnung eindringen, um dort nach Gefahrgütern (z. B. Öltanks, Benzinkanister) zu suchen oder gefährdete oder hilflose Personen zu bergen. Auch die Einquartierung von Verletzten oder Evakuierten in einer Wohnung stellt als Befehl zur Duldung des Verweilens Dritter einen Eingriff dar.

Wohnung mehr annehmen, wenn sich das befriedete Besitztum außerhalb erkennbarer Wohnungszusammenhänge befindet. 182 Ginge man dagegen von einem weiten Wohnungsbegriff aus, so wäre daraus folgerichtig auf eine Grundrechtsberechtigung von juristischen Personen und Personengesellschaften zu schließen, so etwa BVerfG, Beschluß vom 26. Mai 1976 – 2 BvL 13/75 –, BVerfGE 42 S. 206 (219); Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 44 f.; Herdegen in BKGG, Rn. 39 zu Art. 13; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 8 zu Art. 13. 183 BVerfG, Beschluß vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, BVerfGE 89 S. 1 (12). 184 So wohl Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 20 zu Art. 13; ders., Jura 1992 S. 476 (480). Siehe auch Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 44 zu Art. 13: „Das Einverständnis des Inhabers kann nicht unterstellt werden.“ 185 Kunig, Jura 1992 S. 476 (480). 186 Das 45. Änderungsgesetz zum Grundgesetz vom 25. März 1998 (BGBl. I S. 619) fügte die Abs. 3 –6 ein. Zur Diskussion vgl. die Nachweise bei Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 6 zu Art. 13 sowie bei Ruthig, JuS 1998 S. 506 (507 Fn. 11).

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

Maßnahmen, die die Nutzung der Wohnung verhindern, wie etwa Betretungsverbote oder gar der Abriß des Gebäudes, sind keine Eingriffe in Art. 13 GG, sofern sie sich zwar gegen die Benutzungs- bzw. Verfügungsmöglichkeit des Inhabers, nicht aber gegen die „Privatheit“ der Wohnung richten. 187 Derartige entziehende Eingriffe sind an Art. 14 GG zu messen. 188

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zwischen „Durchsuchungen“ (Art. 13 Abs. 2 GG) und sonstigen „Eingriffen und Beschränkungen“ (Art. 13 Abs. 7 GG) zu differenzieren. 1. Durchsuchungen Um Durchsuchungen als „das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will“ 189, handelt es sich etwa bei der Suche nach hilflosen Personen oder nach solchen, die sich weigern, ihr Haus zu verlassen, oder beim Aufspüren von Gefahrgütern, die bei einem Hochwasser das Wasser vergiften oder bei einem Großbrand gefährliche Stoffe freisetzen können. Durchsuchungen stehen nach Art. 13 Abs. 2 GG unter einem Richtervorbehalt; bei Gefahr im Verzug, das heißt in Situationen, in denen der Durchsuchungszweck durch die wegen Anrufung des Richters bewirkte Verzögerung gefährdet würde 190, 187

BVerfG, Beschluß vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, BVerfGE 89 S. 1 (12); Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 42 zu Art. 13. Anders wohl Berner / Köhler, BayPAG, Rn. 1 (S. 161) zu Art. 16; Rühle, POG R-P, Abschnitt G. Rn. 28; rh.-pf. LTDrs. 14/2287 S. 37; vgl. auch Nr. 16.2 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über den Vollzug des Polizeiaufgabengesetzes vom 28. August 1978 (MABl. S. 629), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 13. November 1998 (AllMBl. S. 879) (die Vollzugsbekanntmachung ist auch abgedruckt bei Schmidbauer / Steiner / Roese, BayPAG [jeweils vor der Kommentierung des entsprechenden Artikels]). Dort wird jeweils im Zusammenhang mit der Wohnungsverweisung auf den Schutz der Wohnung durch Art. 13 GG hingewiesen. Differenzierend Berkemann in AK-GG, Rn. 61 ff. zu Art. 13. 188 Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 42 zu Art. 13 für Eingriffe in die Substanz; Kunig, Jura 1992 S. 476 (479) für den Abriß einer Wohnung; Lang, VerwArch 96 (2005) S. 283 (289); Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 881; Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 16 Rn. 7. 189 BVerfG, Beschluß vom 16. Juni 1987 – 1 BvR 1202/84 –, BVerfGE 76 S. 83 (89). 190 Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 71 zu Art. 13; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 32 zu Art. 13.

E. Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)

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können sie auch durch nichtrichterliche Organe angeordnet werden, wenn dies gesetzlich bestimmt ist. Der Formulierung des Art. 13 Abs. 2 GG, wonach Durchsuchungen auch durch die „in den Gesetzen vorgesehenen“ anderen Organe angeordnet sowie nur „in der dort vorgeschriebenen Form“ durchgeführt werden dürfen, läßt sich ein Gesetzesvorbehalt sowohl für die behördliche als auch für die richterliche Anordnung einer Durchsuchung entnehmen 191. Wegen der besonderen Intensität des Grundrechtseingriffs bedarf die Durchsuchung der Ermächtigung durch ein formelles 192 Gesetz, das die materiellen Voraussetzungen und das Verfahren bei der Durchführung einer Durchsuchung regelt 193. Eine Generalklausel reicht hierfür nicht aus 194. 195 Dies gilt insbesondere für die behördliche Anordnung einer Durchsuchung: 196 Der Verfassungsgeber hat mit dem Richtervorbehalt eine präventive richterliche Kontrolle 197 von Durchsuchungen vorgesehen. Entfällt diese Möglichkeit präventiven Rechtsschutzes ausnahmsweise wegen Gefahr im Verzug, so muß 191 Hermes in Dreier, GG, Rn. 49 zu Art. 13; Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 21 zu Art. 13. Das Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung wird von einigen Autoren nur im Rahmen der Durchsuchungsanordnung durch nichtrichterliche Organe problematisiert, vgl. etwa Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 73 zu Art. 13; Herdegen in BKGG, Rn. 63 zu Art. 13; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 33 zu Art. 33. 192 Hermes in Dreier, GG, Rn. 49 zu Art. 13. Für das Erfordernis eines formellen Gesetzes auch Berkemann in AK-GG, Rn. 84 zu Art. 13; Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 73 f. Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 10 zu Art. 13 läßt dagegen auch eine Ermächtigung auf Grund eines förmlichen Gesetzes genügen. Nach Dagtoglou, JuS 1975 S. 753 (758) soll für die Bestimmung des berechtigten Organs und die Form der Durchführung ein materielles Gesetz ausreichen. 193 Berkemann in AK-GG, Rn. 84 zu Art. 13; Hermes in Dreier, GG, Rn. 49 zu Art. 13. 194 Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 10 zu Art. 13 ist der Ansicht, die polizeiliche Generalklausel genüge nicht dem Bestimmtheitsgebot. Pieroth / Schlink, Grundrechte, 10. Aufl., Rn. 950 halten die Generalklausel für unzureichend, da sie keine Form für die Durchführung der Durchsuchung enthält. 195 Diese Frage hat zwar für den Bereich des Polizeirechts keine praktische Bedeutung mehr, da es inzwischen in allen Ländern Spezialermächtigungen gibt (siehe die Nachweise im Dritten Teil in Fn. 487), sie bleibt jedoch dort relevant, wo Maßnahmen nicht auf Polizeirecht gestützt werden. 196 Ohne nähere Begründung fordern eine Spezialermächtigung für die polizeiliche Anordnung von Durchsuchungen: Berkemann in AK-GG, Rn. 95 zu Art. 13; bis zur 7. Aufl. Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 159; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 34 zu Art. 13; OVG Berlin, Urteil vom 18. Oktober 1972 – I B 86.71 –, DÖV 1974 S. 27 (28). Dagegen BVerwG, Urteil vom 6. September 1974 – I C 17.73 –, BVerwGE 47 S. 31 (38 f.) (im Ergebnis offengelassen). 197 BVerfG, Beschluß vom 3. April 1979 – 1 BvR 994/76 –, BVerfGE 51 S. 97 (114). Dem folgend Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 85 zu Art. 13. Schon zuvor Kemper, DÖV 1974 S. 29 (29).

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

dies dadurch kompensiert werden, daß eine gesetzliche Regelung die materiellen und formellen 198 Voraussetzungen einer Durchsuchung festlegt. 199 Da Art. 13 Abs. 2 GG zur Einschränkung des Grundrechts durch Gesetz ermächtigt, muß das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG beachtet werden 200. 2. Eingriffe und Beschränkungen Nicht bei allen Eingriffen in Art. 13 GG, die bei der Katastrophenabwehr stattfinden, wird es sich um Durchsuchungen handeln. Zu denken ist etwa an das Betreten eines Grundstücks, um von dort aus die Gefahr zu bekämpfen oder um dort einen Notdeich, einen Rettungsweg oder ein Materiallager anzulegen, oder an die Unterbringung von Verletzten oder Evakuierten in einer Wohnung. Derartige Maßnahmen sind „Eingriffe und Beschränkungen“ im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG 201; die Vorschrift erfaßt alle Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG, bei denen es sich nicht um Durchsuchungen nach Art. 13 Abs. 2 GG und nicht um technische Überwachungsmaßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 bis 5 GG handelt 202. Nach Art. 13 Abs. 7 GG dürfen „Eingriffe und Beschränkungen“ (nur) zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorgenommen werden. a) Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, Art. 13 Abs. 7 Var. 1 GG Maßnahmen zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen sind unmittelbar aufgrund der Verfassung zulässig. Einer zu198 Die Notwendigkeit des Erlasses von Formvorschriften ergibt sich nicht aus dem Verweis auf die gesetzliche Form in Art. 13 Abs. 2 GG (so aber Berkemann in AKGG, Rn. 98 zu Art. 13; dagegen Dagtoglou in BK-GG (Zweitbearbeitung), Rn. 83 zu Art. 13 sowie Herdegen in BK-GG, Rn. 64 zu Art. 13), wohl aber aus dem Bedarf nach verfahrensrechtlicher Sicherung bei Fehlen einer richterlichen Anordnung (vgl. Kemper, DÖV 1974 S. 29 [29]). 199 Hermes in Dreier, GG, 1. Aufl., Rn. 34 zu Art. 13; Kemper, DÖV 1974 S. 29 (29); Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 46 zu Art. 13. Ähnlich auch Dagtoglou, Jus 1975 S. 753 (758). 200 Für Anwendbarkeit des Zitiergebots bei Art. 13 Abs. 2 GG auch Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 3 zu Art. 19 GG. 201 Die zeitweise Unterbringung einer in Lebensgefahr befindlichen Person in einer fremden Wohnung sehen anscheinend als Eingriff bzw. „Beschränkung“ an: Berkemann in AK-GG, Rn. 200 zu Art. 13; Herdegen in BK-GG, Rn. 74 zu Art. 13; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 62 zu Art. 13. 202 Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 57 zu Art. 13; Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 148 zu Art. 13.

E. Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)

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sätzlichen Ermächtigung durch einfaches Gesetz bedarf es nicht. 203 Die Gegenansicht, die sich auf den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes stützt 204, geht insofern fehl, als sie nicht berücksichtigt, daß auch eine im Grundgesetz enthaltene Ermächtigungsgrundlage als vom Parlamentsgesetzgeber beschlossenes Gesetz dem Gesetzesvorbehalt genügt. Der alte polizeirechtliche Begriff 205 der „gemeinen Gefahr“ meint eine Gefahr für eine unbestimmte Zahl von Menschen oder Sachen. 206 Charakteristisch für die „gemeine“ (im Sinne von „allgemeiner“) Gefahr ist, daß sie sich schnell ausbreitet und nur schwer unter Kontrolle zu bringen ist. 207 Daraus ergibt sich die quantitative und qualitative Steigerung 208 gegenüber dem normalen Gefahrenbegriff. Diese spezifische Gefährlichkeit genügt, um einschneidende Abwehrmaßnahmen zu rechtfertigen; einer Beschränkung auf Gemeingefahren, die an Bedeutung einer Lebensgefahr nahekommen – dies wird teilweise aus der nachfolgenden Alternative einer Gefahrenabwehrmaßnahme zum Schutz des Lebens einer Person abgeleitet – bedarf es nicht 209. Bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen handelt es sich nach der hier verwendeten Definition 210 immer um eine gemeine Gefahr; dem entsprechen die in der Literatur aufgezählten 211 Gefahrenlagen wie Erdbeben,

203 Dagtoglou in BK-GG (Zweitbearbeitung), Rn. 113 zu Art. 13; ders., JuS 1975 S. 753 (759); Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 96; Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 155 zu Art. 13; Kühne in Sachs, GG, Rn. 50 zu Art. 13; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 61 zu Art. 13; Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 122 zu Art. 13; Rachor in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil F Rn. 625; Roos, POG R-P, Rn. 18 zu § 20. 204 Hermes in Dreier, GG, Rn. 112 zu Art. 13. Ähnlich Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 887: dieses Erfordernis verstehe sich im Rechtsstaat von selbst. Vorsichtiger Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 27 zu Art. 13: Ganz ohne gesetzliche Grundlage könne die Exekutive auch hier nicht tätig werden. 205 Vgl. § 16 Abs. 1 Buchst. a) PrPVG, der auch Vorbild für die Formulierung in Art. 13 Abs. 7 GG gewesen sein soll, vgl. von Mangoldt / Klein, GG, Anm. IV 4 zu Art. 13 (S. 407). Nach dieser Vorschrift ist das Eindringen in eine Wohnung zur Nachtzeit nur gestattet, „soweit diese Maßnahme erforderlich ist zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen“. 206 Grundlegend Wolff / Bachof, Allgemeines Verwaltungsrecht III, § 125 III b 6 (S. 57). Aus der späteren Literatur siehe Denninger in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil E Rn. 51; Herdegen in BK-GG, Rn. 73 zu Art. 13; Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 123 zu Art. 13. 207 Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 98 f.; Ule / Rasch, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 186 zu §§ 15 –17 PrPVG. Beide ziehen auch den Begriff der gemeingefährlichen Straftaten nach dem 28. Abschnitt des StGB zur Begriffsbildung heran. 208 Hansen-Dix, Gefahr, S. 53. 209 So aber Berkemann in AK-GG, Rn. 199 zu Art. 13; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 61 zu Art. 13; ähnlich auch Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 27 zu Art. 13. Wie hier Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 156 zu Art. 13. 210 Siehe oben im Ersten Teil unter B. I. (im Text bei Fn. 30).

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

Überschwemmungen, Lawinenunglücke, Feuersbrünste, Freisetzen gefährlicher Strahlungen etc. Einfachgesetzliche Vorschriften, die zu Eingriffen und Beschränkungen zur Abwehr einer gemeinen Gefahr ermächtigen, haben gegenüber der verfassungsunmittelbaren Ermächtigungsgrundlage keinen eigenständigen Regelungsgehalt. Wird durch Gesetz zu Eingriffen und Beschränkungen aufgrund des Vorbehalts des Art. 13 Abs. 7 Var. 2 GG ermächtigt, so erscheint es aber zweckmäßig, die verfassungsunmittelbare Ermächtigungsgrundlage des Art. 13 Abs. 7 Var. 1 GG einfachgesetzlich zu wiederholen 212, um Rechtsklarheit für Anwender und Adressaten zu schaffen. Das Zitiergebot gilt für diese Fälle nicht, da der Gesetzgeber selbst keine Grundrechtseinschränkung vornimmt, sondern lediglich die bereits unmittelbar von der Verfassung vorgesehene Einschränkung wiedergibt. Auf Art. 13 Abs. 7 Var. 1 GG gestützte Maßnahmen können nicht nur gegen den polizeirechtlich Verantwortlichen (Handlungs- oder Zustandsstörer, z. B. den Inhaber eines in Brand geratenen Chemikalienlagers), sondern auch gegen unbeteiligte Dritte (etwa: Inhaber von Grundstücken, die für Rettungswege oder den Deichbau benötigt werden) als sog. Nichtstörer gerichtet werden. 213 Einer ausdrücklichen einfachgesetzlichen Bestimmung über die Inanspruchnahme Dritter bedarf es dazu nicht. Für die Abwehr einer gemeinen Gefahr ist es typischerweise erforderlich, Nichtstörer in Anspruch zu nehmen: Bei Naturkatastrophen fehlt es meist am Verantwortlichen, bei schweren Unglücksfällen taugt die alleinige Inanspruchnahme des Verantwortlichen wegen der raschen und schwer kontrollierbaren Ausbreitung sowie des Ausmaßes der Gefahr nicht für eine effektive Gefahrenabwehr. Mit der Ermächtigung zur Abwehr einer „gemeinen Gefahr“ hat der Verfassungsgeber zugleich die Befugnis zum Eingriff gegenüber Nichtstörern geschaffen. 214

211 Dagtoglou, JuS 1975 S. 753 (759); Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 156 zu Art. 13; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 61 zu Art. 13; ähnlich auch Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 123 zu Art. 13. Herdegen in BK-GG, Rn. 73 zu Art. 13 nennt explizit Gefahren, „wie sie durch Naturkatastrophen oder außer Kontrolle geratene technische Einrichtungen mit einem hohen Risikopotential [...] verursacht werden können“; ähnlich Kunig, Jura 1992 S. 476 (483). 212 Martens in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 12 9. c) (S. 205). 213 Explizit Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 100 ff. (102); Kunig, Jura 1992 S. 476 (483); ders. in von Münch / Kunig, GG, Rn. 62 zu Art. 13. Mit den von ihnen gewählten Beispielen (Unterbringung eines Verletzten gegen den Willen des Wohnungsinhabers bzw. Durchqueren einer Wohnung, um zu einer außerhalb gelegenen Gefahrenstelle zu gelangen) für die Abwehr einer Lebensgefahr für einzelne Personen gehen von einer Inanspruchnahme des Nichtstörers aus: Herdegen in BK-GG, Rn. 74 zu Art. 13; Dagtoglou, JuS 1975 S. 753 (759); ders. in BK-GG (Zweitbearbeitung), Rn. 118 zu Art. 13.

E. Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)

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Bezüglich der Inanspruchnahme Dritter hat die Behörde (Entschließungs- und Auswahl-)Ermessen; dabei gilt – wie stets – der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zur Konkretisierung sind die für den polizeilichen Notstand in den Polizei- und Ordnungsgesetzen getroffenen 215 und auch außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Gesetze anwendbaren 216 Regeln über die Inanspruchnahme von Nichtstörern heranzuziehen. Aussagen über die Zuständigkeit für einen Eingriff nach Art. 13 Abs. 7 Var. 1 GG trifft das Grundgesetz nicht. Die Zuständigkeit ist daher durch einfachrechtliche Regelungen zu bestimmen. b) Maßnahmen zur Verhütung dringender anderer Gefahren, Art. 13 Abs. 7 Var. 2 GG Nach der in Art. 13 Abs. 7 GG getroffenen Differenzierung 217 gilt die verfassungsunmittelbare Ermächtigungsgrundlage des Art. 13 Abs. 7 Var. 1 GG nur für die Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen. Für Maßnahmen zur Verhütung dringender 218 Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist dagegen nach Art. 13 Abs. 7 Var. 2 GG eine gesetzliche Grundlage erforderlich. Da danach sogar Gefahrenverhütungsmaßnahmen, also Maßnahmen zur Abwehr einer abstrakten Gefahr 219, zulässig sind, deckt die Schrankenregelung auch Maßnahmen zur Abwehr einer konkreten Gefahr (argumentum a maiore ad minus 220), sofern sie auf einer ausreichenden Ermächtigung

214 Anders die Begründung bei Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 102: Die vom Verfassungsgeber intendierte Vorrangigkeit der Gefahrenabwehr vor der Unverletzlichkeit der Wohnung lasse sich nur bei Zugriffsmöglichkeit auf den Nichtstörer effektiv verwirklichen. 215 Vgl. die § 6 ME-POG nachgebildeten Regelungen in den Landesgesetzen (Nachweise bei Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rn. 74 [Fn. 10]). 216 Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 319. 217 Dazu Dagtoglou, JuS 1975 S. 753 (759) sowie ausführlich ders. in BK-GG (Zweitbearbeitung), Rn. 115 zu Art. 13; Kunig, Jura 1992 S. 476 (483). 218 Der Zusatz „dringend“ wird überwiegend im Sinne des Begriffs der „erheblichen Gefahr“ auf den Umfang, nicht auf die Wahrscheinlichkeit oder die zeitliche Nähe des Schadens bezogen, vgl. etwa Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 118; Herdegen in BK-GG, Rn. 77 zu Art. 13; Hermes in Dreier, GG, Rn. 111 zu Art. 13; Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 24 zu Art. 13; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 67 zu Art. 13. Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 159 zu Art. 13 fordert zusätzlich ein zeitliches Element; differenzierend auch Ziekow / Guckelberger in Friauf / Höfling, Berliner Kommentar, Rn. 121 f. zu Art. 13. 219 Aus dem Begriff der Gefahrenverhütung auf die Abwehr abstrakter Gefahren schließen etwa Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 117 f.; Herdegen in BK-GG, Rn. 77 zu Art. 13; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 67 zu Art. 13; Ziekow / Guckelberger in Friauf / Höfling, Berliner Kommentar, Rn. 121 zu Art. 13.

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

durch oder aufgrund eines ausreichend bestimmten förmlichen 221 Gesetzes 222 beruhen. Ob eine Ermächtigung nach Art der polizeilichen Generalklausel – in verfassungskonformer Auslegung 223 – ausreicht, ist umstritten 224. Begründungen für die eine oder die andere Position fehlen allerdings weitgehend. Soweit angeführt wird, die Vielgestaltigkeit der Gefahren verlange eine Auffangvorschrift in Form einer Generalklausel 225, so läßt sich dem die § 19 ME-POG entsprechende Normierung in den Polizeigesetzen 226 entgegenhalten, die für eine Normierbarkeit unterschiedlicher Sachverhalte sogar im vielgestaltigen Bereich des Polizeirechts spricht 227. Maßgeblich ist vielmehr, daß Eingriffe und Beschränkungen im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG in ihrer Intensität durchaus einer Durchsuchung gleichkommen können 228 – zu denken ist etwa an die Einquartierung von Wohnungslosen oder an die Nutzung einer Wohnung als Observationsposten der Polizei. Die Wesent220 Nach Berkemann in AK-GG, Rn. 208 zu Art. 13 ist es weniger, eine Gefahr zu verhüten, als ihr abwehrend oder beseitigend zu begegnen. 221 Berkemann in AK-GG, Rn. 203 zu Art. 13; Dagtoglou, JuS 1975 S. 753 (760) unter ausdrücklicher Aufgabe seiner in BK-GG, Rn. 120 zu Art. 13 (Vorauflage) vertretenen Ansicht; Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 167 zu Art. 13; Herdegen in BKGG, Rn. 75 zu Art. 13; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 63 zu Art. 13. 222 Die allgemeine Satzungsautonomie der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften nach Art. 28 Abs. 2 GG reicht als Grundlage nicht aus: Berkemann in AK-GG, Rn. 203 zu Art. 13; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 63 zu Art. 13; Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 125 Fn. 2 zu Art. 13; VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 15. Dezember 1992 – 10 S 305/92 –, NVwZ 1993 S. 388 (388); Bayerischer VGH, Beschluß vom 4. Februar 1997 – 4 CS 96.3560 und 4 C 96.3573 –, NVwZ 1998 S. 540. Anders für Betretungsrechte mit geringer Eingriffsintensität Hermes in Dreier, GG, Rn. 110 zu Art. 13. 223 Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 68 zu Art. 13; Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 172 zu Art. 13; Herdegen in BK-GG, Rn. 78 zu Art. 13; Hermes in Dreier, GG, Rn. 113 zu Art. 13. 224 Eine Spezialermächtigung halten für erforderlich: Berkemann in AK-GG, Rn. 204 zu Art. 13 (mit Anforderungen an eine gesetzliche Normierung in Rn. 205); Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 124; Kühne in Sachs, GG, Rn. 50 zu Art. 13. Dagegen Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 168 zu Art. 13; Herdegen in BK-GG, Rn. 78 zu Art. 13; Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 28 zu Art. 13; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 68 zu Art. 13; Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 125 zu Art. 13. Differenzierend Hermes in Dreier, GG, Rn. 113 zu Art. 13: Die Generalklausel reicht nicht aus, wenn der Eingriff eine Intensität aufweist, die der Durchsuchung gleicht oder sie übersteigt. 225 Dagtoglou, JuS 1975 S. 753 (760). 226 Die im Dritten Teil in Fn. 487 aufgeführten Vorschriften ermächtigen nach dem Vorbild des § 19 MEPOG nicht nur zur Durchsuchung, sondern auch zum Betreten von Wohnungen. 227 In diese Richtung wohl Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 123 f. 228 Davon geht auch Hermes in Dreier, GG, Rn. 113 zu Art. 13 aus.

F. Eigentum (Art. 14 GG)

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lichkeit derartiger Maßnahmen, die sich aus dem Vergleich mit der Durchsuchung ergibt, erfordert nicht nur, daß sich der Parlamentgesetzgeber damit befaßt, sondern auch 229, daß er die grundlegenden Regelungen selbst trifft 230. Dies ist auch denjenigen Autoren 231 entgegenzuhalten, die zwar ein formelles Gesetz fordern, die Generalklausel aber ausreichen lassen; ihre Argumentation ist wenig konsequent 232, denn die Regelung durch Generalklausel erzwingt nicht die inhaltliche Auseinandersetzung des Parlamentsgesetzgebers mit der Problematik. Leitet man die Erforderlichkeit einer Spezialermächtigung aus der zweiten Stufe der Wesentlichkeitstheorie ab, ist es unerheblich, ob die Generalklausel durch Lehre und Rechtsprechung inzwischen hinreichend konkretisiert 233 ist. Für alle „Eingriffe und Beschränkungen“ der Wohnungsfreiheit durch Maßnahmen des Katastrophenschutzes, die nicht unmittelbar die Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen zum Gegenstand haben (etwa die Beseitigung von Katastrophenschäden), ist daher eine spezielle Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Da Art. 13 Abs. 7 Var. 2 GG zur Einschränkung durch Gesetz ermächtigt, ist das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG zu beachten. 234

F. Eigentum (Art. 14 GG) I. Schutzbereich Zum durch Art. 14 GG gewährleisteten Eigentum gehören alle vom Gesetzgeber gewährten vermögenswerten Rechte. 235 Von der Vielzahl der darunter fallenden 229 Zu dieser „zweiten Stufe“ der Wesentlichkeitstheorie siehe oben in diesem Teil unter A. (im Text bei Fn. 3). 230 OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. März 1994 – 7 C 11302/93 –, DÖV 1994 S. 835 (836) für das Betreten von Grundstücken bei abfallrechtlichen Routinekontrollen. Für die Notwendigkeit einer Entscheidung des Gesetzgebers, der „die Gemeinschaftsbezogenheit der grundrechtsbeschränkenden Interessen [...] zu definieren und damit zu spezifizieren habe“, auch Berkemann in AK-GG, Rn. 204 zu Art. 13; im folgenden erlaubt er jedoch unter streng umrissenen Voraussetzungen die Anwendung der polizeilichen Generalklausel (Rn. 205). 231 Dagtoglou, JuS 1975 S. 753 (760); Gornig in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 167, 168 zu Art. 13; Herdegen in BK-GG, Rn. 75, 78 zu Art. 13; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 63, 68 zu Art. 13. 232 So wohl auch Berkemann in AK-GG, Rn. 204 zu Art. 13: es sei „wenig förderlich, ein formelles Gesetz zu verlangen, sich alsdann aber mit der polizeilichen Generalklausel zu begnügen“. 233 So Dagtoglou, JuS 1975 S. 753 (760). 234 Für die Geltung des Zitiergebots auch Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 23 zu Art. 13.

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

und teilweise umstrittenen Positionen 236 ist im Rahmen des abwehrenden Katastrophenschutzes zunächst das Eigentum im Sinne des bürgerlichen Rechts, also Grund- und Fahrniseigentum, relevant. Grundeigentum ist von Katastrophenabwehrmaßnahmen betroffen, wenn Grundstücke oder Grundstückszubehör in Anspruch genommen oder sonst beeinträchtigt werden, etwa durch Anlegen einer Behelfsstraße oder eines Notdeichs oder durch Beseitigung von Hindernissen wie Zäunen, Bäumen, Gebäuden. Auch bewegliche Sachen können Gegenstand von Maßnahmen sein, indem sie für die Katastrophenabwehr genutzt oder für die Aufrechterhaltung der Grundversorgung benötigt werden; insbesondere geht es dabei um die Inanspruchnahme von Fahrzeugen (z. B. LKW, Traktoren, Boote) und Maschinen (z. B. Baumaschinen, Generatoren, medizinische Geräte) und um die Verteilung von Nahrungsmitteln, Decken und Kleidung an Bedürftige. Vielfach sind allerdings Eigentümer und Besitzer nicht identisch; neben den „klassischen“ Miet- und Pachtverhältnissen spielen im privaten und gewerblichen Bereich Sicherungsübereignungen, Eigentumsvorbehalte und Leasingverträge eine immer größere Rolle 237. In diesen Fällen ist der (Fremd-)Besitzer als unmittelbarer Nutzer von einer Beeinträchtigung der Sache ebenfalls oder noch stärker als der Eigentümer betroffen. Ihm entgeht nicht nur seine Nutzungsmöglichkeit, sondern er trägt oft auch das Risiko des Untergangs der Sache 238, während für den nicht besitzenden Eigentümer die Nutzung der Sache nicht von Interesse und ihr Untergang häufig ohne wirtschaftliche Folgen ist. Sofern die Interessen des Fremdbesitzers nicht wie beim Vorbehaltseigentum durch ein bürgerlich-rechtliches Anwartschaftsrecht geschützt sind, das als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG angesehen werden könnte 239, stellt sich die Frage, 235

BVerfG, Beschluß vom 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 –, BVerfGE 83 S. 201 (209). Diese Definition greifen unter anderem auf Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 7 zu Art. 14 GG und Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 59 zu Art. 14. 236 Vgl. statt vieler die Darstellung bei Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 7 ff. zu Art. 14. 237 Reinicke / Tiedtke, Kreditsicherungsrecht, S. 130 sehen Sicherungsübereignung und Eigentumsvorbehalt als wirtschaftliche Notwendigkeit an und meinen, „ohne sie wäre zur Zeit nicht auszukommen“. Die sogenannte Leasingquote, also der Anteil des Leasing an den gesamtwirtschaftlichen Ausrüstungsinvestitionen, lag 2002 bei 17,9%. Dabei betrug die Mobilien-Leasingquote 22,0%. Der Anteil der Leasing-Fahrzeuge an den Neuzulassungen lag bei 29,5%, die wertmäßige Leasingquote sogar bei 53,8%, vgl. Städtler, ifo Schnelldienst 23/2003 S. 10 (13). 238 Nach der in Leasingverträgen typischerweise enthaltenen sog. Sachgefahrklausel trägt der Leasingnehmer das Risiko eines zufälligen Untergangs und einer zufälligen Verschlechterung des Leasingobjekts, vgl. Martinek, Moderne Vertragstypen I, § 7 I 1 (S. 143). Auch beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt gilt, daß die Sach- und Vergütungsgefahr nach § 446 Satz 1 BGB mit Übergabe der Sache auf den Käufer übergeht, vgl. Putzo in Palandt, BGB, Rn. 2 zu § 446.

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ob auch der Besitz unter den Schutz des Art. 14 GG fällt. Dies wird von einigen Autoren – zum Teil ohne nähere Diskussion – bejaht 240; die überwiegende Zahl problematisiert die Frage jedoch nicht, sondern befaßt sich lediglich mit der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 241 zum Besitzrecht des Wohnraummieters 242. Das Bundesverfassungsgericht sieht es als wesentliches Merkmal des Eigentums im Sinne des Art. 14 GG an, „daß ein vermögenswertes Recht ebenso ausschließlich wie Sacheigentum dem Berechtigten zur privaten Nutzung und eigenen Verfügung zugeordnet ist“ 243. Funktion der Eigentumsgarantie sei es, dem Einzelnen einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu erhalten und ihm die Entfaltung und Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen; ein vermögenswertes Recht soll dann unter den Schutz der Eigentumsgarantie fallen, wenn es ebenso wie Eigentum eine Nutzungs- und Verfügungsbefugnis zum Inhalt hat. 244 Dies hat das Gericht für das Besitzrecht des Wohnraummieters bejaht 245: Da die Wohnung für jedermann Mittelpunkt seiner privaten Existenz sei, der Großteil der Bevölkerung jedoch gezwungen sei, zur Deckung seines Wohnbedarfs Wohnraum zu mieten, erfülle das Besitzrecht des Mieters Funktionen, wie sie typischerweise dem Sacheigentum zukommen. Für die gegenüber jedermann wirkenden Rechte, die dem Mieter eingeräumt sind, verweist das Bundesverfassungsgericht nicht nur auf mietrechtliche Sondervorschriften, sondern vor allem auf die allgemeinen Vorschriften zum Besitzrecht (Beseitigung und Unterlassen von Störungen: § 862 Abs. 1, § 858 Abs. 1 BGB; Wiedereinräumung des Besitzes: § 861 Abs. 1 BGB; Schadensersatz: § 823 Abs. 1 BGB). Die Rechtsstellung des Mieters gleiche insoweit derjenigen des Eigentümers, die Rechtsposition habe eine Nutzungs- und Verfügungsbefugnis zum Inhalt. Die Einschränkung der Ver239 Engel, AöR 118 (1993) S. 169 (183); Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 29. 240 Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 156 zu Art. 14; Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 14 Rn. 22; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 43; Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 29; Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 202 zu Art. 14; ausführlicher Engel, AöR 118 (1993) S. 169 (183); Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 101. 241 BVerfG, Beschluß vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, BVerfGE 89 S. 1 (6 f.); zuvor noch offengelassen im Beschluß vom 13. November 1990 – 1 BvR 275/90 –, BVerfGE 83 S. 82 (88). 242 Der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts folgen etwa Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 14 zu Art. 14; Jarass/Pieroth, GG, Rn. 9 zu Art. 14; Wendt in Sachs, GG, Rn. 24 zu Art. 14; Wieland in Dreier, GG, Rn. 32, 47 zu Art. 14. Dagegen Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 153 ff. zu Art. 14; ders., NJW 1993 S. 2561(2563); Roellecke, JZ 1995 S. 74 ff. sowie bereits zuvor ders., NJW 1992 S. 1649 (1653). 243 BVerfG, Beschluß vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, BVerfGE 89 S. 1 (6). 244 BVerfG, Beschluß vom 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 –, BVerfGE 83 S. 201 (208 ff.) m.w. N.; Beschluß vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, BVerfGE 89 S. 1 (6 f.). 245 BVerfG, Beschluß vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, BVerfGE 89 S. 1 (insbesondere S. 6 f.). Kritisch zu dieser Entscheidung Depenheuer, NJW 1993 S. 2561 ff.; Roellecke, JZ 1995 S. 74 ff.

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fügungsbefugnis wegen fehlender Übertragbarkeit hindere eine Anerkennung des Besitzrechts als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG nicht. Diese Überlegungen sind auf das Besitzrecht an geleasten, sicherungsübereigneten oder unter Eigentumsvorbehalt stehenden Sachen übertragbar: Die diesem Besitzrecht zugrundeliegenden Konstruktionen sind aus dem heutigen Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken 246 und übliche Formen der Sicherung bzw. Finanzierung. Die Sachausstattung eines Betriebs steht – anders als früher – häufig nicht im Eigentum des Betriebsinhabers. Sie ist aber dennoch notwendig, damit wirtschaftliche Betätigung überhaupt stattfinden kann. Um dem Betriebsinhaber die Entfaltung und Gestaltung seines Lebens bzw. genauer: seiner beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung zu ermöglichen, müssen Gegenstände dort vom Schutzbereich des Art. 14 GG erfaßt werden, wo sie einer betrieblichen Aufgabe dienen. 247 Ebenso wie der Besitzer einer Mietwohnung hat der Fremdbesitzer einer Mobilie die Möglichkeit, Eingriffe in sein Besitzrecht abzuwehren. Bei unter Eigentumsvorbehalt stehenden oder unter auflösender Bedingung sicherungsübereigneten Sachen ist er sogar durch § 161 Abs. 1 und 2 BGB gegenüber Verfügungen des Eigentümers abgesichert. Der gewerblich genutzte Fremdbesitz, um den es im Zusammenhang mit der Katastrophenabwehr ausschließlich gehen wird, muß daher als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG angesehen werden. Dabei ist nicht der Gewerbebegriff der Gewerbeordnung zugrundezulegen, sondern es müssen auch Urproduktion und freie Berufe erfaßt werden, da sie eine gleichermaßen schutzwürdige berufliche und wirtschaftliche Betätigung darstellen. 248 Zum selben Ergebnis kommt man, wenn man mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 249 und des Bundesverwaltungsgerichts 250 sowie der überwiegenden Meinung in der Literatur 251 auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten 246

Vgl. die Nachweise soeben in Fn. 237. So im Ergebnis auch Engel, AöR 118 (1993) S. 169 (183). 248 Auch für das „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ ist nicht der enge gewerberechtliche Begriff maßgebend. Vielmehr werden auch landwirtschaftliche (BGH, Urteil vom 28. Juni 1984 – III ZR 35/83 –, BGHZ 92 S. 34 [37]) sowie Forst- (BGH, Urteil vom 30. Mai 1983 – III ZR 195/81 –, BGHZ 87 S. 321 [336]) und Fischereibetriebe (BGH, Urteil vom 31. Januar 1966 – III ZR 110/64 –, BGHZ 45 S. 150 [154]) sowie Praxen freier Berufe (BGH, Urteil vom 4. Juni 1981 – II ZR 31/80 –, BGHZ 81 S. 21 [33] [Arztpraxis]; BVerwG, Urteil vom 20. Juni 1972 – I C 25.71 –, BVerwGE 40 S. 157 [165] [Apotheke]) erfaßt. 249 BGH, Urteil vom 28. Januar 1957 – III ZR 141/55 –, BGHZ 23 S. 158 (160 ff.); Urteil vom 30. September 1976 – III ZR 149/75 –, BGHZ 67 S. 190 (192); Urteil vom 28. Juni 1984 – III ZR 35/83 –, BGHZ 92 S. 34 (37); Urteil vom 7. Juni 1990 – III ZR 74/88 –, BGHZ 111 S. 349 (356). 247

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Gewerbebetrieb als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG anerkennt 252. Zur den Betrieb bildenden Sach- und Rechtsgesamtheit als „alles, was zusammengenommen den wirklichen Wert des Betriebes ausmacht“ 253 gehören auch Maschinen und Fahrzeuge, selbst wenn sie nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehen und lediglich aufgrund schuldrechtlicher Ansprüche genutzt werden. Nicht als Eigentum im Sinne von Art. 14 GG zu werten ist der Fremdbesitz zum privaten Gebrauch. Im gewerblichen Bereich ist der Fremdbesitz der Sachausstattung nicht mehr wegzudenken und Voraussetzung für wirtschaftliche Betätigung; im privaten Bereich ist der Fremdbesitz an Gegenständen der privaten Lebensgestaltung (z. B. Kfz, Möbel, Fernseh- und Elektrogeräte) zwar weit verbreitet, erscheint aber (anders als die Wohnraummiete) nicht unabdingbar für eine freie Entfaltung und Gestaltung des Lebens, sondern ist allenfalls deren Ausdruck.

II. Eingriff Eingriffe in das Eigentum im Rahmen der Katastrophenabwehr lassen sich in drei Gruppen einteilen: Neben der vorübergehenden Inanspruchnahme von Eigentum (z. B. die Nutzung eines LKW als Transportfahrzeug, die Errichtung eines Notdeiches auf einem Grundstück 254, die Nutzung eines Grundstücks als Verbandsplatz oder als Sammelplatz für Evakuierte 255) und der zielgerichteten 250

BVerwG, Urteil vom 20. Juni 1972 – I C 25.71 –, BVerwGE 40 S. 157 (165); Urteil vom 27. Mai 1981 – 7 C 34.77 –, BVerwGE 62 S. 224 (226); Urteil vom 13. April 1983 – 4 C 76.80 –, BVerwGE 67 S. 93 (96). Offengelassen allerdings im Urteil vom 22. April 1994 – 8 C 29.92 –, BVerwGE 95 S. 341 (348). 251 Badura / Huber in Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 277 (Rn. 57 [S. 325 f.]); Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 132 zu Art. 14; Leisner in HStR VI, § 149 Rn. 108 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 159 f.; Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 95 zu Art. 14; Wendt in Sachs, GG, Rn. 67 zu Art. 14; mit Einschränkungen auch Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 10 zu Art. 14. 252 Teile der Literatur lehnen die Einbeziehung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in den Schutzbereich des Art. 14 GG allerdings ab, vgl. Rittstieg in AK-GG, Rn. 106 zu Art. 14; Wieland in Dreier, GG, Rn. 52 zu Art. 14. Das Bundesverfassungsgericht hatte zunächst „die Sach- und Rechtsgesamtheit, als die sich der Gewerbebetrieb darstellt“, dem reinen Sacheigentum gleichgestellt, vgl. Urteil vom 30. April 1952 – 1 BvR 14, 25, 167/52 –, BVerfGE 1 S. 264 (277). Später hat es klargestellt, daß nur ein Eingriff in die Substanz dieser Sach- und Rechtsgesamtheit Art. 14 GG verletzen könne, siehe Urteil vom 29. November 1961 – 1 BvR 148/57 –, BVerfGE 13 S. 225 (229). Inzwischen läßt es die Frage offen, vgl. Beschluß vom 22. Mai 1979 – 1 BvL 9/75 –, BVerfGE 51 S. 193 (221 f.); Beschluß vom 25. Januar 1984 – 1 BvR 272/81 –, BVerfGE 66 S. 116 (145); Beschluß vom 31. Oktober 1984 – 1 BvR 35, 356, 794/82 –, BVerfGE 68 S. 193 (222 f.). 253 BGH, Urteil vom 7. Juni 1990 – III ZR 74/88 –, BGHZ 111 S. 349 (356). 254 Dieses Beispiel (Errichtung eines Notdamms bei Hochwasser) findet sich in der Begründung zu § 15 BbgBKG (LT-Drs. 3/6938 S. 12 der Begründung).

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Zerstörung (z. B. Fällen eines Baumes, Abbruch eines Zaunes 256 oder Abriß eines Gebäudes im Rahmen von Rettungsmaßnahmen, Anlegen von Brandschneisen zur Verhinderung der Ausbreitung eines Brandes 257) kommt auch die Entziehung von Versorgungsgütern (Nahrungsmittel, Decken, Kleidung, Treibstoff, aber auch Verbandmittel und Medikamente 258) in Frage, wenn die bei öffentlichen Stellen vorhandenen Vorräte nicht ausreichen und ein Kauf von Privaten zu regulären Preisen nicht möglich ist 259. 1. Kriterien für die Abgrenzung der Enteignung von der Inhalts- und Schrankenbestimmung Bezüglich der Art von Eingriffen in das Eigentum wird entsprechend der Formulierung des Art. 14 GG zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen 260 einerseits und Enteignungen andererseits 261 unterschieden. Die Differenzierung ist insofern von Bedeutung, als die Eingriffe unterschiedlichen Rechtmäßigkeitserfordernissen 262 unterliegen: Eine Enteignung muß wegen Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG stets entschädigt werden, eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nur ausnahmsweise. Die Qualifikation des Eingriffs liegt nicht in der Definitionsmacht des Gesetzgebers. 263 Den anfangs vom Bundesgerichtshof und vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen „Schwellentheorien“ 264, nach denen das Vorliegen einer Enteignung davon 255

Beispiel aus der Begründung zu § 26 Abs. 1 LKatSG S-H (LT-Drs. 13/1939 S. 46). Beispiel aus der Begründung zu § 26 Abs. 2 LKatSG S-H (LT-Drs. 13/1939 S. 46). 257 Beispiel aus der Begründung zu § 26 Abs. 2 LKatSG S-H (LT-Drs. 13/1939 S. 46). 258 Beispiel für eine Inanspruchnahme von Hilfsmitteln in der Begründung zu § 25 Abs. 1 LKatSG S-H (LT-Drs. 13/1939 S. 45). 259 Es dürfte nicht auszuschließen sein, daß einzelne Händler eine Notlage ausnützen und dringend benötigte Waren nur zu völlig überhöhten Preisen abgeben. Auch Schwabe, FS Thieme, S. 251 (262) führt den Zugriff auf Lebensmittel oder Brennstoffe in Notfällen an. 260 Eine weitere Differenzierung zwischen Inhaltsbestimmungen einerseits und Schrankenbestimmungen andererseits ist nur schwer möglich und führt nicht weiter, vgl. Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 52 zu Art. 14; Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 15 Rn. 3 f.; Rittstieg, AK-GG, Rn. 166 zu Art. 14. Die Begriffe werden daher im folgenden synonym gebraucht. 261 Nach Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 49 ff. zu Art. 14, gibt es noch weitere (rechtmäßige) Eigentumsbeeinträchtigungen. 262 Zum Begriff Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 25. 263 Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 26. 264 Diesen Begriff verwenden etwa Detterbeck, DÖV 1994 S. 273 (274); Lege, NJW 1993 S. 2565 (2565, insbes. Fn. 4), ders., Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 18, ders., JZ 1994 S. 431 (431); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 169; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 23. 256

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abhängt, daß die Intensität des Eingriffs eine gewisse Schwelle überschreitet, indem sie für den Einzelnen ein Sonderopfer 265 darstellt oder eine besondere Schwere 266 aufweist, hat das Bundesverfassungsgericht eine abstrakt-formale Abgrenzung 267 gegenübergestellt. Um eine Enteignung soll es sich handeln, wenn eine Maßnahme auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet ist 268. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung soll vorliegen, wenn Rechte und Pflichten hinsichtlich des Eigentums vom Gesetzgeber generell und abstrakt festgelegt werden 269. Inhalts- und Schrankenbestimmung einerseits und Enteignung andererseits werden so als eigenständige Rechtsinstitute 270 verstanden, die sich gegenseitig ausschließen 271. Ein „Umschlagen“ 272 oder Umdeuten 273 des einen in das andere etwa bei besonderer Schwere des Eingriffs oder bei Rechtswidrigkeit Der Bundesgerichtshof selbst gebraucht in seiner Definition des enteignenden Eingriffs den Begriff der „Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren“, vgl. Urteil vom 12. März 1987 – III ZR 216/85 –, BGHZ 100 S. 136 (144). 265 „Sonderopfertheorie“ des Bundesgerichtshofs, vgl. grundlegend den Beschluß des Großen Zivilsenats vom 10. Juni 1952 – GSZ 2/52 –, BGHZ 6 S. 270 (279 f.). 266 „Schweretheorie“ des Bundesverwaltungsgerichts, grundgelegt im Urteil vom 27. Juni 1957 – I C 3.56 –, BVerwGE 5 S. 143 (145). 267 Als grundlegend wird hierfür wohl der sog. „Naßauskiesungsbeschluß“ vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 –, BVerfGE 58 S. 300 (330 ff.) angesehen, vgl. Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 198 zu Art. 14; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 177. Die dort getroffenen Definitionen finden sich jedoch bereits im Beschluß vom 12. Juni 1979 – 1 BvL 19/76 –, BVerfGE 52 S. 1 (27). Auf eine „Trias von Entscheidungen“ (neben den beiden genannten Beschlüssen auch noch der Beschluß vom 14. Juli 1981 – 1 BvL 24/78 –, BVerfGE 58 S. 137), die einen „Paradigmenwechsel im Enteignungsrecht“ einläutete, weist Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 13 (insbes. Fn. 51) hin. 268 BVerfG, Beschluß vom 12. Juni 1979 – 1 BvL 19/76 –, BVerfGE 52 S. 1 (27); Beschluß vom 19. Juni 1985 – 1 BvL 57/79 –, BVerfGE 70 S. 191 (199 f.); Beschluß vom 12. März 1986 – 1 BvL 81/79 –, BVerfGE 72 S. 66 (76). 269 BVerfG, Beschluß vom 12. Juni 1979 – 1 BvL 19/76 –, BVerfGE 52 S. 1 (27); Beschluß vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 –, BVerfGE 58 S. 300 (330); Beschluß vom 12. März 1986 – 1 BvL 81/79 –, BVerfGE 72 S. 66 (76). 270 So explizit BVerfG, Beschluß vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 –, BVerfGE 58 S. 300 (331). 271 Gegen fließende oder graduelle Übergänge zwischen Art. 14 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 3 GG explizit Burgi, NVwZ 1994 S. 527 (527); Ipsen, DVBl. 1983 S. 1029 (1030); Lege, NJW 1990 S. 864 (865). Anderer Ansicht Schwabe, JZ 1983 S. 273 (274), der einen gleitenden Übergang zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung auch nach den Feststellungen im Naßauskiesungsbeschluß noch für möglich hielt. 272 BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 4 C 47.89 –, BVerwGE 84 S. 361 (367); Burgi, NVwZ 1994 S. 527 (527); Detterbeck, DÖV 1994 S. 273 (274); Lege, JZ 1994 S. 431 (437). 273 Keine Umdeutung einer verfassungswidrigen Inhaltsbestimmung in einen enteignenden Eingriff, vgl. BVerfG, (Kammer-)Beschluß vom 10. Oktober 1997 – 1 BvR 310/84 –,

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kommt daher nicht in Betracht. Die Enteignung ist kein „Mehr“ gegenüber der Inhalts- und Schrankenbestimmung, sondern ein Aliud. 274 Der damit postulierten „Trennungstheorie“ 275 des Bundesverfassungsgerichts ist im Ergebnis zuzustimmen 276: Da Art. 14 GG Inhalts- und Schrankenbestimmung einerseits und Enteignung andererseits mit unterschiedlichen Rechtsfolgen versieht, kann die Abgrenzung nicht von der Intensität des Eingriffs für den Einzelnen abhängen. Um die Vorgaben der Verfassung umsetzen zu können, muß der Gesetzgeber sich bereits bei Erlaß der Vorschrift darüber klarwerden, ob er zu einer (entschädigungspflichtigen) Enteignung ermächtigt oder eine (grundsätzlich nicht ausgleichspflichtige) Inhalts- und Schrankenbestimmung vornimmt. 277 Eine materielle Differenzierung macht eine Einordnung jedoch erst ex post auf der Ebene der Normanwendung möglich 278: Nach dem weiten Enteignungsbegriff der „Schwellentheorien“ war kaum vorhersehbar, ob sich Eingriffe für den betroffenen Bürger enteignend auswirken würden; jedes Gesetz, das die Vermögenssphäre tangierte, konnte im konkreten Fall zu einem unzumutbaren Eingriff in das Eigentum führen 279. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten formalen Merkmale „konkret-individuell-subjektiv“ einerseits und „abstrakt-generell-objektiv“ andererseits sind für eine Abgrenzung ebenfalls wenig tauglich: Auch die konkret-indiNJW 1998 S. 367 (367 f.), oder in eine Enteignung, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 4 C 47.89 –, BVerwGE 84 S. 361 (367). 274 Rittstieg, JZ 1983 S. 161 (166); ders., NJW 1982 S. 721 (723); Schwerdtfeger, JuS 1983 S. 104 (108). Anderer Ansicht Battis, NVwZ 1982 S. 585 (588) unter Hinweis auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (unter anderem im Beschluß vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 –, BVerfGE 58 S. 300 [331 f.]), daß eine in die Zukunft gerichtete objektiv-rechtliche Regelung zugleich eine Legalenteignung bewirken könne. 275 Zum Begriff siehe Lege, NJW 1993 S. 2565 (2565 Fn. 5); ders., Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 20; vgl. auch Detterbeck, DÖV 1994 S. 273 (274). Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 205 zu Art. 14 spricht vom „Trennungsmodell“, ebenso Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 23. 276 Kritisch zur Konzeption des Bundesverfassungsgerichts Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 193 f., ablehnend Wilhelm, JZ 2000 S. 905 (909). Weiterhin für eine Schwellentheorie Maiwald, BayVBl. 1991 S. 101 (104). 277 Lege, NJW 1993 S. 2565 (2565 Fn. 3); Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 23. 278 Kraft, BayVBl. 1994 S. 97 (99, 104). 279 So bereits 1954 Dürig, JZ 1954 S. 4 (8); später auch Schink, DVBl. 1990 S. 1375 (1379). Sehr deutlich warnt Dürig (a.a. O.), jedes förmliche Gesetz, das die Vermögensrechtssphäre berühre, sei „angesichts der Junktimklausel des Art. 14 III gewissermaßen in seiner Gültigkeit auflösend bedingt durch eine bei seinem Vollzug auftauchende besondere unzumutbare Opferlage“. Schink, DVBl. 1990 S. 1375 (1379) hält diese Sicht allerdings für „überzeichnet“.

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viduelle Enteignung beruht auf abstrakt-generellen (Enteignungs-)Gesetzen, und die abstrakt-generelle Bestimmung des Eigentumsinhalts kann sich in konkretindividuellen Vollzugsakten realisieren 280. Die Frage, wann ein abstrakt-generelles Gesetz „nur“ Inhalts- und Schrankenbestimmung und wann es gesetzliche Grundlage einer Administrativenteignung ist, bleibt genauso unbeantwortet wie die Frage, ob es sich bei einem konkreten Vollzugsakt um die praktische Realisierung einer Inhalts- und Schrankenbestimmung oder um eine Administrativenteignung handelt 281. Dieses Problem wird auch im Rahmen des abwehrenden Katastrophenschutzes relevant: Eine gesetzliche Verpflichtung, im Katastrophenfall Fahrzeuge und Maschinen zur Verfügung zu stellen oder die Vernichtung von Pflanzen, Zäunen und Gebäuden zu dulden, falls dies für die Gefahrenabwehr erforderlich ist, ist notwendigerweise abstrakt-generell. Sie realisiert sich erst durch einen konkreten Vollzugsakt. Sucht man vor dem Hintergrund der Trennungstheorie des Bundesverfassungsgerichts nach geeigneten Abgrenzungsmerkmalen, so scheiden wertende Kriterien aus 282. Jede Form von „Schwellentheorie“, die für die Abgrenzung auf die Intensität des Eingriffs (beim Betroffenen) abstellt, ist mit der vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen strikten Trennung zwischen Enteignung und Inhalts- und Schrankenbestimmung logisch nicht zu vereinbaren 283: Eine Abgrenzung kann nur quantitativ oder qualitativ erfolgen. Als qualitatives Abgrenzungsmerkmal eignet sich – nachdem die vom Bundesverfassungsgericht verwendeten formalen Kriterien als zu wenig trennscharf verworfen werden müssen – am ehesten ein wertungsfreies, deskriptives. Dazu kann der sog. „klassische Enteignungsbegriff“ herangezogen werden. Nach diesem war Enteignung ursprünglich „die entschädigungspflichtige Übereignung von Grundeigentum durch gesetzlich zugelassenen Verwaltungsakt an ein aus öffentlich-rechtlichen Gründen begünstigtes Unternehmen“ 284. Angesichts des weiten Schutzbereichs des Art. 14 GG kommt eine Beschränkung auf Grundeigentum zwar nicht mehr in Betracht 285, wesentlich an dieser Definition ist jedoch der Gedanke der Übertragung von Gütern bzw. Rechten. Entgegen der ausdrücklichen 280 Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 58 zu Art. 14; Detterbeck, DÖV 1994 S. 273 (276); Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 50 f.; Pietzcker, JuS 1991 S. 369 (371). 281 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 157 f. 282 Anders Schmidt-Aßmann, JuS 1986 S. 833 (836 f.). 283 Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 30; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 182 f. Beide halten die unterschiedlichen Konzeptionen für „inkommensurabel“, weil sie auf unterschiedlichen Paradigmen beruhten. 284 So die Darstellung der alten Lehre durch den Bundesgerichtshof im Beschluß vom 10. Juni 1952 – GSZ 2/52 –, BGHZ 6 S. 270 (276). Vgl. auch die Nachweise aus der Literatur bei Maurer, FS Dürig, S. 293 (295 Fn. 13). 285 So bereits Dürig, JZ 1954 S. 4 (9) unter Hinweis auf die Funktion materieller Güter für die Sicherung eines menschenwürdigen Daseins.

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Feststellung des Bundesverfassungsgerichts 286 sowie einer ihm folgenden Ansicht in der Lehre, nach der Enteignung auch einen „Überwindungsvorgang“ darstellen könne 287, soll hier mit einer anderen in der Literatur vertretenen Meinung Enteignung als Güterbeschaffungsvorgang 288 definiert werden. Plakativ, wenn auch nicht ganz stimmig – bei der Enteignung als hoheitlicher Maßnahme fehlt es gerade an der Gegenseitigkeit, die einen „Kontrakt“ ausmacht –, läßt sich der Begriff des „Zwangskaufs“ 289 oder allgemeiner des „Zwangskontrakts“ 290 heranziehen. Kennzeichen der Enteignung ist danach nicht der bloße Rechtsverlust, sondern der hoheitlich bewirkte 291 Wechsel des Rechtsträgers. 292 Die entzogene Rechtsposition muß auf einen neuen Inhaber übertragen werden, der Entreicherung auf der einen Seite muß eine Bereicherung auf der anderen Seite entsprechen 293. 286 Beschluß vom 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 –, BVerfGE 83 S. 201 (211): „Das Vorliegen einer Enteignung hängt allerdings nicht davon ab, daß es sich um einen Güterbeschaffungsvorgang handelt. Ihr entscheidendes Merkmal ist der Entzug des Eigentums und der dadurch bewirkte Rechts- und Vermögensverlust, nicht aber die Übertragung des entzogenen Objekts.“ Vgl. auch Urteil vom 19. März 1981 – 1 BvR 92, 96/71 –, BVerfGE 56 S. 249 (271 f.). Hendler, DVBl. 1999 S. 1501 (1502) ist allerdings der Ansicht, daß der Enteignungsbegriff nach der Position des Bundesverfassungsgerichts im wesentlichen auf Güterbeschaffungsvorgänge beschränkt sei; er meint, Enteignungen außerhalb von Güterbeschaffungsvorgängen dürften in der Praxis außerordentlich selten sein. 287 Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 104; Wieland in Dreier, GG, Rn. 77 zu Art. 14. Auch Schoch, Jura 1989 S. 113 (119) lehnt die Übertragung des entzogenen Objekts als Kriterium ab, ebenso Kleinlein, DVBl. 1991 S. 365 (370). Einen „überwölbenden Legitimationsansatz“ vor dem Hintergrund des bundesverfassungsgerichtlichen Modells entwirft Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 212 ff., indem er auf die Durchbrechung und Überwindung der objektiven Eigentumsordnung abstellt. 288 Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 58 zu Art. 14; Deutsch, DVBl. 1995 S. 546 (549); Lege, NJW 1993 S. 2565 (2567); Lege, JZ 1994 S. 431 (438); Osterloh, DVBl. 1991 S. 906 (911); Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 267. Auch Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 236 f. schlagen diese Konzeption zur Lösung der nach der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts bestehenden Abgrenzungsprobleme vor. 289 Der Begriff wird verwendet von Rittstieg in AK-GG, Rn. 193 zu Art. 14. 290 Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 72 f. definiert Enteignung als „Zwangskontrakt“: Enteignung sei ein marktinternes Zwangsgeschäft, die zwangsweise Beschaffung einer Eigentumsposition aufgrund eines Sonderzugriffsrechts auf der Nachfrageseite des Marktes. 291 Anderer Ansicht Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 82 f., der auch Enteignungen durch Private für möglich hält. 292 Rittstieg in AK-GG, Rn. 193 zu Art. 14; ders., JZ 1983 S. 161 (166); ders., NJW 1982 S. 721 (724). Ähnlich auch Schink, DVBl. 1990 S. 1375 (1385), der diese Konstruktion als „rechtsdogmatisch sauber“ bezeichnet. Dürig sah anläßlich seiner bereits 1954 aufgestellten plakativen Forderung „Zurück zum klassischen Enteignungsbegriff!“ (Dürig, JZ 1954 S. 4 ff.) zwar den Rechtsinhaberwechsel als regelmäßiges Merkmal der Enteignung an (vgl. a.a. O. S. 9), hielt dies jedoch nicht für ein entscheidendes Wesensmerkmal; es sei gleichgültig, ob und wem der Rechtsverlust auf der anderen Seite zugute komme (vgl. a.a. O. S. 10).

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Inhalts- und Schrankenbestimmung ist demgegenüber nach dieser Konzeption eine „Güterdefinition“. 294 Anders als bei der Enteignung als zwangsweise durchgesetztem Rechts„geschäft“ handelt es sich um eine rechtsetzende Regelung 295. Eine Güterübertragung mit einer der Belastung auf der einen Seite korrespondierenden Begünstigung auf der anderen Seite findet nicht statt. Vielmehr legt die Regelung Rechte und Pflichten aller 296 (Eigentümer und Nicht-Eigentümer) hinsichtlich eines Objektes fest, indem sie an das Objekt, nicht an die Person des Eigentümers anknüpft 297. Auch darin unterscheidet sie sich von der Enteignung: Die Inhaltsund Schrankenbestimmung gilt für alle, gleichgültig, wer Eigentümer ist. So trifft beispielsweise eine Ausweisung als Naturschutzgebiet sowohl private Eigentümer und Nicht-Eigentümer als auch den Staat 298; ein Grundstück bleibt nicht deswegen von der Ausweisung unberührt, weil es sich in staatlichem Eigentum befindet. Von einer Enteignung zum Zwecke etwa eines Autobahnbaus werden dagegen nur diejenigen Eigentümer betroffen, deren Rechte einer Verwirklichung entgegenstehen; befinden sich die benötigten Grundstücke bereits im Eigentum des Vorhabenträgers, ist eine Enteignung nicht erforderlich. Dabei hängt die Qualifikation als Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht davon ab, daß es sich um eine abstrakt-generelle Regelung handelt. Vielmehr sind auch Anwendung und Vollzug eines inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzes selbst Inhalts- und Schrankenbestimmung. 299 2. Anforderungen an den Übertragungsakt Fraglich ist, welche Rechtsnatur eine Enteignungsmaßnahme aufweisen muß, ob sie etwa nur durch Rechtssatz oder Verwaltungsakt stattfinden kann. Die überwiegende Meinung fordert – meist ohne nähere Begründung – für die Enteignung aufgrund eines Gesetzes (sog. „Administrativenteignung“) einen Rechtsakt 300 (Ver293

Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 75. Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 88. 295 Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 97. Der von Lege zunächst verwendete Begriff der „einseitigen Regelung“ ist im öffentlich-rechtlichen Kontext irreführend, da auch die Enteignung durch „einseitige Regelung“, nämlich durch Verwaltungsakt, vorgenommen wird. 296 Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 101 f. 297 Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 99. 298 Die Geltung der durch die Regelung festgelegten Rechte und Pflichten auch für den Staat, wenn er sich in der Rolle des Eigentümers oder Nicht-Eigentümers befindet, betont Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 102. 299 Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 32. 300 Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 73, 76 zu Art. 14; Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 71 zu Art. 14; Kleinlein, DVBl. 1991 S. 365 (369); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 50; Schoch, Jura 1989 S. 113 (120); Wieland in Dreier, GG, Rn. 77, 294

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waltungsakt oder untergesetzlichen Rechtssatz 301). Gegen die generelle Eignung von Realakten als Enteignungsmaßnahmen läßt sich allerdings weder anführen, ihnen mangele es an Finalität 302, noch sprechen schlechtere Rechtsschutzmöglichkeiten gegen sie: auch ein Realakt kann bewußt auf Güterbeschaffung gerichtet sein, und auch er ist mit Rechtsmitteln angreifbar. Der überwiegend vertretenen Meinung ist allerdings zuzustimmen, sofern Objekt der Enteignung das Eigentum im bürgerlich-rechtlichen Sinne ist. Die bürgerlich-rechtliche Rechtsposition „Eigentum“ ist nicht allein durch In-Besitznahme übertragbar. Die Maßnahme, die die Eigentumsverhältnisse neu bestimmt, muß Regelungscharakter aufweisen und kann daher nicht Realakt sein 303. Eine Ausnahme ist auch nicht für verbrauchbare Sachen (z. B. Treibstoff, Brennmaterial, Löschmittel, Lebensmittel) zu machen. Ein „Besitzrecht mit Verbrauchsberechtigung“ hätte dingliche Wirkung, weil spätestens mit dem Verbrauch das Eigentumsobjekt untergeht. Dementsprechend bestimmt § 1067 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BGB, daß der Nießbraucher Eigentümer der Sachen wird, wenn Gegenstand des Nießbrauchs verbrauchbare Sachen sind 304, und die Bestellung eines Nießbrauchs an einer beweglichen Sache erfolgt wie eine Eigentumsübertragung, § 1032 BGB. Wegen der dinglichen Wirkung eines entsprechenden Nutzungsrechts ist auch hier für seine Begründung eine Maßnahme mit Regelungscharakter zu fordern. Nicht notwendig ist ein Rechtsakt, wenn es um die Enteignung des – unter den oben dargestellten Voraussetzungen – ebenfalls von Art. 14 GG geschützten Besitzes geht. Besitz kann durch faktischen Zugriff und somit durch Realakt entzogen und neu begründet werden. Einer zusätzlichen Übertragung des Rechtes zum Besitz mittels eines Rechtsaktes bedarf es nicht, da eine gesetzliche Regelung, die die Inbesitznahme gestattet, implizit ein Besitzrecht begründet. 82 zu Art. 14. Anderer Ansicht Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 84. Kritisch auch Schwabe, JZ 1983 S. 273 (276 ff.). 301 Wegen der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluß vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 –, BVerfGE 58 S. 300 (331), die Administrativenteignung erfordere „einen behördlichen Vollzugsakt, der – anders als die Legalenteignung – mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann“, wurde die Möglichkeit der Administrativenteignung durch untergesetzlichen Rechtsakt von der Literatur besonders herausgearbeitet, vgl. Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 549 ff. zu Art. 14; Schmidt-Aßmann, JuS 1986 S. 833 (836); Schwabe, JZ 1983 S. 273 (276 ff.). 302 Finalität der Enteignung fordern nach dem Enteignungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 49 f.; Schmidt-Aßmann, JuS 1986 S. 833 (837); Schoch, Jura 1989 S. 113 (120). Auch bei der Konstruktion von Enteignung als „Zwangskontrakt“ zur Güterbeschaffung muß dem Eingriff allerdings ein finales Moment innewohnen – der Vorgang der Güterentziehung und Güterübertragung muß bewußt und kann nicht unbeabsichtigt vorgenommen werden. 303 Ebenso Kleinlein, DVBl. 1991 S. 365 (369): eine tatsächliche Maßnahme könne nicht das Eigentumsrecht selbst entziehen. 304 Der Nießbraucher erlangt das Eigentum bereits mit der Bestellung, vgl. Bassenge in Palandt, BGB, Rn. 1 zu § 1067.

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Die Notwendigkeit eines Rechtsakts für die Enteignung von Eigentum im bürgerlich-rechtlichen Sinne kann bei Enteignungen im Rahmen von Katastrophenabwehrmaßnahmen Probleme aufwerfen: Ist der Eigentümer der Sache nicht erreichbar, so kann ihm ein entsprechender Verwaltungsakt nicht bekanntgegeben werden. Auch die Möglichkeit einer öffentlichen Bekanntgabe nach § 41 Abs. 3, 4 VwVfG führt nicht zum Ziel, da es sich regelmäßig um Eilfälle handeln wird, bei denen die Zwei-Wochen-Frist des § 41 Abs. 4 Satz 3 VwVfG nicht eingehalten werden kann. Mangels Bekanntgabe ist der Verwaltungsakt dann jedenfalls nicht wirksam 305 (§ 43 Abs. 1 VwVfG). In einer solchen Situation kann die Behörde kein Eigentum, sondern lediglich Besitz erwerben. Maßnahmen, zu denen ein bloßes Besitzrecht nicht legitimiert – die verbrauchende Nutzung oder die Weitergabe an gutgläubige Dritte, die nach § 932 BGB Eigentümer werden – sind rechtswidrig. Die Behörde kann ihren Zugriff auf die Sache in praxi nur „legalisieren“, indem sie mit dem Eigentümer nachträglich einen entsprechenden Vertrag schließt und den in Anspruch genommenen Gegenstand freihändig erwirbt; in diesem Fall handelt es sich nicht um eine Enteignung, sondern um eine einverständliche Lösung auf zivilrechtlicher Ebene. Lehnt der Eigentümer den Abschluß eines entsprechenden Vertrages ab, so bleibt es bei dem Verdikt der Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Sie ist gegebenenfalls nach den Grundsätzen über den enteignungsgleichen Eingriff zu entschädigen. Abhilfe schaffen könnte de lege ferenda eine gesetzliche Regelung, nach der bei für die Gefahrenabwehr benötigten Gegenständen, deren Nutzung durch Verbrauch erfolgt oder die an Dritte zu Eigentum überlassen werden sollen, das Eigentum durch den Zugriff der Behörde an diese übergeht. Der erforderliche Rechtsakt für die Enteignung, die Regelung der Eigentumsverhältnisse, fände sich im Gesetz, aktualisiert würde er durch eine Handlung der Exekutive. Einer solchen Vermischung von Legal- und Administrativenteignung hat das Bundesverfassungsgericht allerdings eine Absage erteilt 306. 3. Rechtsnatur der Entziehung von Gütern zu Versorgungszwecken Folgt man dieser Abgrenzung, dann stellt die Entziehung von Gütern zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung fraglos eine Enteignung dar. Es handelt 305 Ob die Bekanntgabe Voraussetzung für die Existenz eines Verwaltungsakts ist, ist streitig. Nach einer Meinung liegt ein Verwaltungsakt im Rechtssinn vor der Bekanntgabe noch nicht vor (Kopp / Ramsauer, VwVfG, Rn. 4 zu § 43), nach anderer Meinung kann der Verwaltungsakt bereits vor seiner Bekanntgabe erlassen sein (Ule in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 53 Rn. 2). 306 Beschluß vom 10. Mai 1977 – 1 BvR 514/68 und 323/69 –, BVerfGE 45 S. 297 (332 f.). Die Begründung, die auf das rechtsstaatliche „System des Grundrechtsschutzes im Bereich der Eigentumsordnung“ und auf den Anspruch auf umfassenden und effektiven Rechtsschutz verweist, wirkt jedoch floskelhaft.

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sich um den typischen Fall eines „Zwangskaufs“: Wenn der Eigentümer den Verkauf zu regulären Bedingungen verweigert, wird das Eigentum hoheitlich entzogen und auf einen Begünstigten (die öffentliche Hand als Versorgungsträger, in staatlichem Auftrag handelnde Hilfsorganisationen oder direkt auf Private) übertragen. 4. Rechtsnatur der Beschädigung oder Vernichtung von Eigentumsobjekten zu Zwecken der Gefahrenabwehr Dagegen ist die gezielte 307 Zerstörung von Eigentumsobjekten zu Zwecken der Gefahrenabwehr nicht als Enteignung anzusehen. Hier findet keine Güterübertragung, kein Wechsel des Rechtssubjektes statt. 308 Es handelt sich bei der zugrundeliegenden Regelung vielmehr um eine Inhaltsbestimmung des Eigentums 309: Mit der Regelung wird einseitig hoheitlich bestimmt, daß ein Eigentümer – gleichgültig ob Privater oder öffentliche Hand – die Vernichtung seines Eigentumsobjekts zu dulden hat, falls dies zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist. Jedes Eigentumsobjekt ist gleichsam mit dieser Duldungspflicht belastet, also so „definiert“, daß es im Notfall zum Schutz höherwertiger Interessen vernichtet werden darf. Der Qualifikation als Inhalts- und Schrankenbestimmung steht nicht entgegen, daß dem Eigentümer die Nutzungsmöglichkeit in der Regel vollständig genommen wird und daß ihm lediglich die rechtliche Zuordnung verbleibt, also die Eigentümerstellung hinsichtlich der Reste des vernichteten Objekts. Auch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung „auf Null“, die dem Eigentümer das Recht lediglich als „ius nudum“, gleichsam also als leere Hülle, beläßt, ist Inhalts- und Schrankenbestimmung. 310 307 Die gezielte Beschädigung oder Vernichtung (etwa: Abriß einer baulichen Anlage oder Fällen eines Baumes, um Rettungsarbeiten zu ermöglichen) ist zu unterscheiden von der Beschädigung oder Vernichtung als unbeabsichtigter Nebenfolge einer Inanspruchnahme (z. B. Unfall eines für Transportzwecke genutzten LKW). 308 Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 73 sieht die Fälle der Beschädigung oder Zerstörung zu Zwecken der Gefahrenabwehr als Maßnahmen des „Marktveranstalters“, der „Marktpolizei“ und daher nicht als Enteignung an; er grenzt sie damit ab von den Fällen, in denen das Eigentum entzogen wird, damit der Begünstigte nach Belieben damit verfahren kann (a.a. O. S. 77 f.). 309 Ebenso bewertet Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 99 f. die Haftung des Zustandsstörers (nach § 228 BGB und nach Polizeirecht) und des Nichtstörers (nach § 904 BGB und nach Polizeirecht) als Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Auch Martens in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 12 11. e) (S. 214) sieht die Unbrauchbarmachung, Vernichtung und Einziehung einer Sache „ungeachtet des Umstandes, daß dem Eigentümer der Sachwert bzw. das Sacheigentum entzogen wird, als Sozialbindungen gemäß Art. 14 I 2, II GG“ an. 310 Engelhardt, NVwZ 1984 S. 337 (338); Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 115; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 181, 234. Anders Maurer, Allgemei-

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Zum selben Ergebnis kam das Bundesverfassungsgericht bezüglich der Vernichtung von Sachen, von denen erhebliche Gefahren für die öffentliche Gesundheit ausgehen 311. Ebenso wie zuvor das Bundesverwaltungsgericht 312 und der Bundesgerichtshof 313 stellte es fest, daß es sich bei der Tötung eines seuchenverdächtigen Tieres nach dem Viehseuchengesetz 314 nicht um eine Enteignung handle. Der Staat sei hier nicht primär am Eigentum interessiert, er brauche es nicht und wolle es nicht nutzen; er gehe gegen das Eigentum nur vor, um Rechtsgüter der Gemeinschaft vor Gefahren zu schützen, die von dem Eigentum ausgehen. 315 Bemerkenswert ist, daß diese Argumentation eine Definition der Enteignung als Güterbeschaffungsvorgang vermuten läßt 316, die das Gericht wenig später allerdings abgelehnt hat 317. 5. Rechtsnatur des vorübergehenden Besitzentzugs zugunsten der Nutzung im Rahmen der Katastrophenabwehr Sieht man – wie oben gefordert – den gewerblichen Besitz als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG an, so ist jedenfalls der dauerhafte Entzug gewerblichen Besitzes zum Zwecke der Nutzung durch einen anderen Enteignung, unabhängig davon, ob der Besitzer auch Eigentümer ist oder nicht: Die von Art. 14 GG geschützte Rechtsposition „Besitz“ wird zwangsweise auf ein anderes Rechtssubjekt übertragen. nes Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 48; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 923. Offengelassen in BVerfG, Beschluß vom 30. November 1988 – 1 BvR 1301/84 –, BVerfGE 79 S. 174 (192). Entgegen der Auffassung Maurers (a.a. O.) läßt sich auch dem Beschluß vom 2. März 1999 – 1 BvL 7/91 –, BVerfGE 100 S. 226 (insbesondere S. 240, 243), nicht entnehmen, daß das Bundesverfassungsgericht eine Inhaltsbestimmung „auf Null“ als Enteignung ansieht: Die Feststellung, daß das mit einer Inhaltsbestimmung wegen deren Unzumutbarkeit nicht erreichbare Ziel auf dem Wege der Enteignung erreicht werden könne, bedeutet keine Qualifikation der Inhaltsbestimmung als Enteignung. 311 BVerfG, Beschluß vom 17. November 1966 – 1 BvL 10/61 –, BVerfGE 20 S. 351 (361). Gegen eine Einordnung als Enteignung Schwabe, FS Thieme, S. 251 (262 f). Kritisch unter Hinweis auf die Überwindungsfunktion auch Wieland in Dreier, GG, Rn. 83 zu Art. 14. 312 Urteil vom 14. Oktober 1958 – I C 59.57 –, BVerwGE 7 S. 257 (262 f.). 313 BGH, Urteil vom 25. Juni 1964 – III ZR 139/62 –, BGHZ 43 S. 196 (201 ff.). 314 Heute findet sich eine dem § 39 Abs. 2 Viehseuchengesetz vergleichbare Regelung in § 18 iVm § 24 Abs. 1 TierSG (Tierseuchengesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1260; berichtigt S. 3588), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. September 2005 (BGBl. I S. 2618). 315 BVerfG, Beschluß vom 17. November 1966 – 1 BvL 10/61 –, BVerfGE 20 S. 351 (359). 316 Auch nach Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 48 Fn. 68 befindet sich das Bundesverfassungsgericht mit diesen Ausführungen noch ganz im Sinne der Güterbeschaffungstheorie. 317 Vgl. bereits Urteil vom 18. Dezember 1968 – 1 BvR 638, 273/64 und 200, 238, 249/65 –, BVerfGE 24 S. 367 (394).

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Dasselbe gilt für die dauerhafte Inbesitznahme bei nicht gewerblich genutztem Eigenbesitz. Auch in diesem Fall wird eine Rechtsposition entzogen und auf ein anderes Rechtssubjekt übertragen. Dabei kommt es nicht darauf an, daß nur dieses einzelne Eigentümerrecht, nicht das Eigentum vollständig als Bündel von Rechten entzogen wird: Auch die Entziehung einzelner von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen ist Enteignung 318. Ob eine solche qualitative Teilentziehung 319, bei der das Zuordnungsverhältnis nur in einzelnen Teilen aufgehoben wird, nur vorliegt, wenn sie sich auf einen rechtlich „verselbständigbaren“ Bestandteil des Vollrechts bezieht 320, ist unerheblich. Der Besitz an einem Gegenstand oder einem Grundstück ist jedenfalls gegenüber dem Eigentum rechtlich abtrennbar, wie die zivilrechtlichen Vertragsformen Leihe, Miete und Pacht zeigen, und ist daher einer Entziehung und Übertragung zugänglich 321. Der nicht gewerblich genutzte Fremdbesitz ist allerdings nicht geschützt, da er bereits nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG fällt 322. Wird also beispielsweise der Besitz an einem gewerblich genutzten Lkw dauerhaft entzogen, so handelt es sich um eine Enteignung. Wird der Besitz an einem privat genutzten Pkw dauerhaft entzogen, so kommt es darauf an, ob der Pkw im Eigentum des Besitzers steht oder nicht. Im ersten Fall liegt eine Enteignung vor, im zweiten nicht. Diese auffällige unterschiedliche Behandlung des nicht gewerblich genutzten Eigenbesitzes sowie des gewerblich genutzten (Eigen- und Fremd-)Besitzes einerseits und des nicht gewerblich genutzten Fremdbesitzes andererseits erklärt sich aus der hier vorgenommenen Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 14 GG: Der gewerblich genutzte Besitz wird als eigenständige Rechtsposition im Sinne des Art. 14 GG geschützt, der privat genutzte Besitz nicht; geschützt wird in diesem Fall nur das Eigentum selbst sowie das damit verbundene Besitzrecht des Eigenbesitzers, nicht jedoch der Besitz des privat besitzenden Fremdbesitzers. 318

Ständige Rechtsprechung, siehe etwa BVerfG, Beschluß vom 12. Juni 1979 – 1 BvL 19/76 –, BVerfGE 52 S. 1 (27); Urteil vom 10. März 1981 – 1 BvR 92, 96/71 – BVerfGE 56 S. 249 (260). 319 Diesen Begriff bildet Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 210 zu Art. 14 GG. 320 So Maurer, FS Dürig, S. 293 (304) und ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 47; Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen, die keinen rechtlich abtrennbaren Teil betreffen, sollen dagegen keine Enteignung darstellen. Ebenso Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 923; Wieland in Dreier, GG, Rn. 79 zu Art. 14. Gegen diese formalistische Eingrenzung Osterloh, DVBl. 1991 S. 906 (912); Pietzcker, NVwZ 1991 S. 418 (419); Schwabe, FS Thieme, S. 251 (257). Ausführlich zu Abgrenzungen zwischen Teilentzug und Beschränkung Burgi, NVwZ 1994 S. 527 ff. 321 Anderer Ansicht Burgi, NVwZ 1994 S. 527 (529), der einen Teilentzug nur dann als Enteignung ansieht, wenn die Teilrechtsposition ihrerseits der Eigentumsgarantie unterfällt. Dies ist beim privaten Besitz nicht der Fall. 322 Siehe oben in diesem Teil unter F. I. (dort S. 171).

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Steht – wie es bei der Inbesitznahme zu Zwecken des abwehrenden Katastrophenschutzes regelmäßig der Fall ist – von vorneherein fest, daß das Enteignungsobjekt zur Erfüllung des Enteignungszweckes nur vorübergehend benötigt wird, so ist es nicht erforderlich und daher unverhältnismäßig, den Gegenstand auf Dauer zu entziehen; eine vorübergehende Entziehung bis zur Beendigung des Vorhabens ist ausreichend. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Qualifikation der dauerhaften Inbesitznahme als Enteignung auch für die vorübergehende Inbesitznahme gilt. Die Dauerhaftigkeit des Entzugs gehört weder nach der Begriffsdefinition des Bundesverfassungsgerichts noch nach der hier vertretenen Güterbeschaffungstheorie zu den begrifflichen Voraussetzungen einer Enteignung. Entfällt der Enteignungszweck, so hat der Enteignete einen Anspruch auf Rückübereignung, die Eigentumsgarantie entfaltet insoweit auch nach bereits erfolgter Enteignung ihre Schutzfunktion. 323 Zwar ist dieser Anspruch insbesondere dann relevant, wenn das beabsichtigte Vorhaben, dem die Enteignung dienen soll, nicht realisiert wird 324, doch besteht er auch dann, wenn der Enteignungszweck erfüllt wurde 325 und die öffentliche Hand nun keinen Bedarf mehr an dem Enteignungsgegenstand hat. 326 Auch aus der Konstruktion der Enteignung als zwangsweiser Güterbeschaffung läßt sich die Notwendigkeit eines dauerhaften Verbleibs des entzogenen Gutes beim Begünstigten nicht ableiten. Als zu beschaffendes Gut kommt auch eine

323 BVerfG, Beschluß vom 12. November 1974 – 1 BvR 32/68 –, BVerfGE 38 S. 175 (181); Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 431 zu Art. 14. 324 Vgl. etwa den dem Beschluß des BVerfG vom 12. November 1974 – 1 BvR 32/68 –, BVerfGE 38 S. 175 ff. zugrundeliegenden Fall. 325 Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 177 für den nachträglichen Wegfall des Enteignungszwecks (z. B. bei der Aufgabe von Truppenstandorten); Rittstieg in AK-GG, Rn. 232 zu Art. 14. Anderer Ansicht für die Rückübertragung eines jahrzehntelang im Sinne des Enteignungszweckes (Eisenbahnstrecke) genutzten Grundstücks BVerwG, Beschluß vom 11. November 1993 – 7 B 180/93 –, NJW 1994 S. 1749. 326 Gesetzlich geregelt ist ein Anspruch auf „Rückenteignung“ beispielsweise in § 57 des Gesetzes über die Landbeschaffung für Aufgaben der Verteidigung (Landbeschaffungsgesetz) in der Fassung vom 23. Februar 1957 (BGBl. I S. 134), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) und in § 45 des Landesenteignungsgesetzes (LEnteigG) für Rheinland-Pfalz vom 22. April 1966 (GVBl. S. 103), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2004 (GVBl. S. 198). Nach § 57 Abs. 1 Satz 2 Landbeschaffungsgesetz kann eine Rückenteignung nicht nur gefordert werden, wenn der Enteignungszweck nicht realisiert wird, sondern auch, wenn das Grundstück nicht mehr für Aufgaben im Sinne des § 1 des Gesetzes benötigt wird. Nach § 10 des Landesstraßengesetzes (LStrG) für Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 1. August 1977 (GVBl. S. 273), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. September 2005 (GVBl. S. 387) müssen durch Enteignung erworbene Grundstücke dem früheren Eigentümer zum Wiederkauf angeboten werden, soweit sie nicht zum Straßenbau verwendet worden sind.

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vorübergehende Position in Betracht. Bei dem „Zwangskontrakt“ muß es sich nicht um einen „Zwangskauf“ handeln, auch eine „Zwangsmiete“ ist denkbar. Wenn man mit der hier vertretenen Ansicht auf jegliche materiellen (Sonderopfer- oder Schwere-)Kriterien verzichten will, kommen zeitliche Merkmale für eine Abgrenzung zwischen Enteignung und Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht in Betracht. Ob das Objekt dem Besitzer dauerhaft oder vorübergehend nicht zur Verfügung steht, ist zeitlich und wirtschaftlich betrachtet eine quantitative, keine qualitative Frage: Das Besitzrecht ist ihm entzogen, er kann das Objekt nicht nutzen. Deutlich wird die Notwendigkeit der Gleichstellung der vorübergehenden mit der dauerhaften Besitzübertragung – und die mangelnde Eignung zeitlicher Kriterien – am Beispiel des Besitzes aufgrund eines Leasingvertrages: Wird etwa ein geleastes Fahrzeug für die Dauer von einem Monat entzogen, läuft der Leasingvertrag jedoch in drei Wochen ab, so stellt sich der „vorübergehende“ Entzug für den Leasingnehmer als dauerhafter Entzug dar. Von der Kombination der Dauer des Entzugs mit der Laufzeit des Leasingvertrages kann die Qualifikation als Enteignung jedoch nicht abhängen. Auch der vorübergehende Besitzentzug zum Zwecke der Nutzung muß demnach als „Güterbeschaffung“, also als Enteignung gewertet werden. 327

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 1. Enteignung a) Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit 328 zulässig. Die Entziehung von Gütern zu Versorgungszwecken zielt auf die Sicherstellung einer Grundversorgung der Bevölkerung, die Inanspruchnahme von Eigentum für die Gefahrenabwehr auf die Ermöglichung oder Effektivierung der Gefahrenabwehr. In beiden Fällen geht es weder um die bloße Erfüllung einer staatlichen Aufgabe noch um den Schutz von Einzelinteressen, sondern um das Wohl einer unbestimmten Vielzahl von Menschen 329 sowie um die Aufrechterhaltung der 327 So wohl auch Rittstieg in AK-GG, Rn. 195 zu Art. 14 (für die vorübergehende Inanspruchnahme von Nutzungsrechten durch Beschlagnahme nach dem Bundesleistungsgesetz). Die Entziehung einer Eigentumsposition auf bestimmte Zeit (und damit die vorübergehende Entziehung) sehen als Enteignung an: Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 85; Pietzcker, JuS 1991 S. 369 (371). 328 Zum Problem einer subsumtionsfähigen Bestimmung des Begriffs des Wohls der Allgemeinheit Wieland in Dreier, GG, Rn. 101 zu Art. 14.

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öffentlichen Sicherheit. Dies überwiegt das Bestandsinteresse des Eigentümers. 330 Für die Katastrophenabwehr erfolgende Enteignungsmaßnahmen dienen also dem Wohl der Allgemeinheit. b) Verhältnismäßigkeit Sowohl die konkrete Maßnahme als auch das zugrundeliegende Gesetz müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. 331 Die Entziehung von Versorgungsgütern und die Inanspruchnahme von bestimmten Eigentumsobjekten sind für die Erreichung der Gemeinwohlziele „Versorgung der Bevölkerung“ bzw. „effektive Gefahrenabwehr“ geeignet. Besonderer Prüfung im Einzelfall bedarf jedoch die Erforderlichkeit. Sie ist nur zu bejahen, wenn der Zweck nicht anderweitig erreicht werden kann. Neben dem Vorrang der Verwendung vorhandener staatlicher Mittel kommt hier insbesondere der freihändige Erwerb in Betracht 332. Kann der Bedarf durch eigene Mittel oder durch den Abschluß von Kauf- oder Mietverträgen mit dem betroffenen oder anderen in Frage kommenden Eigentümern gedeckt werden, so ist eine Enteignung nicht erforderlich. Zu beachten ist allerdings, daß in Katastrophensituationen schnell gehandelt werden muß und für langwierige Vertragsverhandlungen keine Zeit ist, so daß an den Versuch des freihändigen Erwerbs keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist insbesondere der Eigenbedarf des Eigentümers zu berücksichtigen: Benötigt er die betroffenen Gegenstände zur eigenen Gefahrenabwehr (etwa: den Lkw zum Abtransport der persönlichen Habe), so wäre eine Enteignung nur verhältnismäßig, wenn durch sie ein erheblich überwiegendes Gemeingut geschützt werden soll (etwa: wenn der Lkw zur Evakuierung lebensbedrohlich gefährdeter Personen verwendet wird – nicht jedoch, wenn damit lediglich die persönliche Habe anderer Privatpersonen transportiert werden soll).

329

Für dieses Kriterium Wieland in Dreier, GG, Rn. 101 zu Art. 14. Zur vom Begriff des Wohls der Allgemeinheit geforderten Abwägung vgl. Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 81 zu Art. 14; Rittstieg in AK-GG, Rn. 207 zu Art. 14. 331 BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1968 – 1 BvR 638, 673/64 und 200, 238, 249/ 65 –, BVerfGE 24 S. 367 (404 f.). Breuer, DVBl. 1981 S. 971 (974); Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 85 zu Art. 14; Rittstieg in AK-GG, Rn. 214 zu Art. 14. 332 Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 85 zu Art. 14; Wendt in Sachs, GG, Rn. 164 zu Art. 14; Wieland in Dreier, GG, Rn. 128 zu Art. 14. 330

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c) Entschädigungsregelung Gemäß der Junktim-Klausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG muß das der Enteignung zugrundeliegende Gesetz Art und Ausmaß der Entschädigung regeln. Salvatorische Entschädigungsklauseln nach dem Muster „falls Enteignung, dann angemessene Entschädigung“ 333 genügen nicht den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG. 334 Die Junktim-Klausel hat Warn- und Offenbarungsfunktion: Sie soll den Gesetzgeber zwingen, sich über den Charakter einer Maßnahme als Enteignung und über die damit verbundenen finanziellen Folgen Klarheit zu verschaffen und schützt damit auch die Haushaltsprärogative des Parlaments. 335 Gleichzeitig kommt ihr eine grundrechtssichernde Funktion zu: Der Bürger soll einer Enteignung nur dann ausgesetzt werden, wenn bereits über die Entschädigungsfrage entschieden ist 336. Beide Funktionen können salvatorische Klauseln nicht erfüllen; sie wiederholen nur, was sich bereits aus der Verfassung ergibt 337. Im übrigen besteht anders als unter der Geltung der Schwellentheorien 338 bei ei333 Vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 des Denkmalschutzgesetzes Baden-Württemberg in der Fassung vom 6. Dezember 1983 (GBl. S. 797), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Dezember 2004 (GBl. S. 895) sowie § 57 Abs. 2 Satz 1 des [baden-württembergischen] Gesetzes zum Schutz der Natur, zur Pflege der Landschaft und über die Erholungsvorsorge in der freien Landschaft (Naturschutzgesetz – NatSchG) vom 13. Dezember 2005 (GBl. S. 745, ber. 2006 S. 319): „Soweit [...] Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes enteignende Wirkung haben, ist eine angemessene Entschädigung zu leisten.“ 334 Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 90 zu Art. 14; Detterbeck, DÖV 1994 S. 273 (277); Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 141; Ehlers, VVdStRL 51 (1992) S. 211 (242); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 63; Papier, DVBl. 2000 S. 1398 (1405); ders. in Maunz / Dürig, GG, Rn. 566 zu Art. 14; Pietzcker, JuS 1991 S. 369 (371); Schoch, FS Boujong, S. 655 (664); Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 147; Wieland in Dreier, GG, Rn. 111 zu Art. 14. Anderer Ansicht Wendt in Sachs, GG, Rn. 167 zu Art. 14: er hält salvatorische Klauseln im Ausnahmefall für zulässig. So wohl auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 206. Vorsichtig auch BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 4 C 47.89 –, BVerwGE 84 S. 361 (367): Dem Gesetzgeber sei „jedenfalls im Regelfall“ eine hinreichend genaue Beurteilung möglich. Offengelassen in BVerfG, Beschluß vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 –, BVerfGE 58 S. 300 (346). Für die Zulässigkeit salvatorischer Entschädigungsklauseln in materiell-rechtlicher Hinsicht Kleinlein, DVBl. 1991 S. 365 (373 f.). 335 Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 88 zu Art. 14; Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 562 zu Art. 14. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 62 trennt noch einmal zwischen der Warnfunktion, nach der sich der Gesetzgeber des Enteignungscharakters und der finanziellen Folgen bewußt werden soll, und der Kompetenzfunktion, nach der wegen der Festsetzung durch den Gesetzgeber selbständige Entschädigungsfestsetzungen der Verwaltung und der Gerichte ausscheiden. Ebenso Wieland in Dreier, GG, Rn. 108 zu Art. 14. 336 Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 88 zu Art. 14; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 62; Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 563 zu Art. 14. 337 Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 566 zu Art. 14.

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nem Trennungsmodell kein Bedarf 339 für salvatorische Klauseln: Der Gesetzgeber kann ex ante feststellen, ob es sich bei einer Maßnahme um eine Enteignung handelt oder nicht. Die Entschädigung ist gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Eine lediglich nominelle Entschädigung genügt diesem Erfordernis nicht. 340 Andererseits besteht auch keine Verpflichtung zum Schadensersatz 341, da es nicht wie bei rechtswidrigen Eingriffen darum geht, das schädigende Ereignis (etwa durch Ausgleich entgangenen Gewinns) ungeschehen zu machen; die Entschädigung knüpft vielmehr an den Wert des entzogenen Gutes an 342. Dennoch ist eine am Verkehrs- bzw. Marktwert orientierte Entschädigung nicht zwingend erforderlich, der Gesetzgeber kann auch eine darunter liegende Entschädigung bestimmen. 343 Zwar ist streitig, ob rein fiskalische Interessen in die Abwägung einbezogen werden dürfen 344, doch scheint es nicht fehlerhaft, wenn bei der Inanspruchnahme von Eigentum im Rahmen der Katastrophenabwehr eine Entschädigung angesichts der durch die Naturkatastrophe auf alle (Staat wie Private) zukommenden

338 Zur Funktion salvatorischer Entschädigungsklauseln nach der früher herrschenden Lehre vgl. etwa Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 90 zu Art. 14 („Angst-Klauseln“); Kraft, BayVBl. 1994 S. 97 (99); Schink, DVBl. 1990 S. 1375 (1379). 339 Nach BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 4 C 47.89 –, BVerwGE 84 S. 361 (366) haben salvatorische Klauseln ihre innere Berechtigung verloren; so auch Schink, DVBl. 1990 S. 1375 (1379). Anderer Ansicht wohl Ossenbühl, JZ 1991 S. 89 (90). 340 Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 92 zu Art. 14; Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 593 zu Art. 14; Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 144: keine „formale Entschädigung“. 341 Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 92 zu Art. 14; Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 594 zu Art. 14; Wieland in Dreier, GG, Rn. 115 zu Art. 14. 342 Aust in Aust / Jacobs / Pasternak, Enteignungsentschädigung, Rn. 196; Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 445 zu Art. 14; Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 145; Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 594 zu Art. 14. 343 BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1968 – 1 BvR 638, 273/64 und 200, 238, 249/ 65 –, BVerfGE 24 S. 367 (421); Beschluß vom 13. Januar 1976 – 1 BvR 631/69 und 24/ 70 –, BVerfGE 41 S. 126 (161). Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 148 f. und Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 208 f. verstehen diese Rechtsprechung so, daß eine unter dem Verkehrswert liegende Entschädigung nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Weiter Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 92 zu Art. 14; Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 87 zu Art. 14; Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 595 zu Art. 14. Anderer Ansicht (Entschädigung unter dem Verkehrswert unzulässig) Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 445 ff. zu Art. 14. 344 Wieland in Dreier, GG, Rn. 118 zu Art. 14 versteht die finanziellen Möglichkeiten der öffentlichen Hand als wesentliches Interesse der Allgemeinheit; ähnlich Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 94 zu Art. 14. Dagegen Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 447 zu Art. 14; Leisner, NJW 1992 S. 1409 (1415); Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 607 zu Art. 14.

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außergewöhnlichen und unvorhersehbaren finanziellen Lasten unterhalb des Verkehrswertes angesetzt wird 345. Zusätzlich kann der Gedanke der Vorteilsausgleichung herangezogen werden. Danach mindert sich der Entschädigungsbetrag, wenn der Betroffene durch die Maßnahme Vorteile erlangt hat. 346 Angesichts der bei Katastrophen erforderlichen Vielzahl von Hilfsmaßnahmen dürfte sich jedoch deren Ursächlichkeit für einen „Vorteil“, also für eine Minderung des ohne die Maßnahme zu erwartenden Schadens, bei Einzelpersonen kaum bestimmen lassen; etwas anderes gilt nur für konkrete, auf ein bestimmtes Objekt oder eine bestimme Person bezogene Rettungsmaßnahmen (z. B. Bekämpfung eines Hausbrandes mit auf dem Grundstück vorhandenen Löschmitteln). Sofern eine Person für das Ereignis verantwortlich ist (etwa bei einem Unfall mit Gefahrstoffen oder in einem Chemieunternehmen), kann mitwirkendes Verschulden des Betroffenen berücksichtigt werden und zu einer Minderung oder einem Ausschluß der Entschädigung führen 347. Weder die Berücksichtigung der Vorteilsausgleichung noch die eines mitwirkenden Verschuldens müssen gesetzlich normiert werden, da es sich um allgemeine Grundsätze handelt. 348 Der Gesetzgeber darf nicht darauf verzichten, die Höhe der Entschädigung festzulegen. Zwar könnte ein solcher Verzicht als stillschweigender Verweis auf die Entschädigungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstanden werden 349, nach der bei fehlender Festsetzung eine Entschädigung zum Verkehrs- bzw. Marktwert gewollt ist 350. Diese Konstruktion genügt jedoch den Anforderungen der Junktim-Klausel und des Abwägungsgebotes nicht 351: Der Verweis auf die Rechtsprechung wäre ein dynamischer Verweis; damit könnte eine solche „Entscheidung“ des Gesetzgebers weder der grundrechtssichernden noch der Warnfunktion der 345

Ausdrücklich gegen ein „Notstandsrecht der Enteignungsentschädigung“ allerdings Leisner, NJW 1992 S. 1409 (1415). 346 Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 151; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 71; Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 395. 347 Zur Geltung dieses Prinzips bei der Bemessung der Entschädigung Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 152; Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 396. 348 Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 152 für den Grundsatz der Mitverantwortung; Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 395 und 396. 349 So trotz Kritik an der Rechtsprechung Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 92 zu Art. 14. 350 BGH, Urteil vom 30. September 1976 – III ZR 149/75 –, BGHZ 67 S. 190 (192); Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 88 zu Art. 14. Kritisch zur Rechtsprechung Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 92 zu Art. 14. 351 Wieland in Dreier, GG, Rn. 120 zu Art. 14. Ebenso, allerdings nur unter Bezugnahme auf das Abwägungsgebot, Rittstieg in AK-GG, Rn. 230 zu Art. 14.

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Junktim-Klausel gerecht werden. Die Abwägung wäre entgegen der Forderung des Grundgesetzes vom Gesetzgeber auf die Gerichte verlagert. Der Gesetzgeber muß also vorgeben, wie die Höhe der Entschädigung zu ermitteln ist. Dabei ist eine Bezugnahme auf den Verkehrswert zulässig. 352 d) Formelle Anforderungen Enteignungen, die wie die hier behandelten Fälle als Administrativenteignungen durchgeführt werden, benötigen eine gesetzliche Grundlage. Dabei muß es sich um ein Parlamentsgesetz handeln 353, da es dem parlamentarisch-demokratischen Gesetzgeber vorbehalten ist, die eine Enteignung legitimierenden Gemeinwohlaufgaben zu bestimmen 354, und die Junktim-Klausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG unter anderem auch die Budgethoheit des Parlaments wahren soll 355. Das Zitiergebot findet für Enteignungen keine Anwendung, da insofern die Junktim-Klausel hinreichenden Schutz bietet. 356 2. Inhalts- und Schrankenbestimmung a) Verhältnismäßigkeit und Ausgleichspflicht Auch bei einer Inhalts- und Schrankenbestimmung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. 357 Zur Erreichung des Zwecks, Gefahren von der Allgemeinheit abzuwenden und die Katastrophenabwehr effektiv zu gestalten, kann die Zerstörung privaten Eigentums durchaus geeignet und erforderlich sein. Im Rahmen der Angemessenheit ist für die konkrete Maßnahme zu überprüfen, ob das Rechtsgut, das mit der durch die Zerstörung ermöglichten Gefahrenabwehr352 Wieland in Dreier, GG, Rn. 115 zu Art. 14 meint sogar, der Gesetzgeber werde häufig „gut beraten sein, wenn er im Wege der gerechten Abwägung [...] eine Verkehrswertentschädigung festlegt“. 353 Wieland in Dreier, GG, Rn. 96 zu Art. 14. 354 BVerfG, Urteil vom 10. März 1981 – 1 BvR 92, 96/71 –, BVerfGE 56 S. 249 (261). Dem folgend Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 415 zu Art. 14. 355 Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 76, 88 zu Art. 14; Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 415 zu Art. 14. 356 Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 421 zu Art. 14; Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 78 zu Art. 14; Wendt in Sachs, GG, Rn. 158 zu Art. 14. Im Ergebnis ebenso BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1968 – 1 BvR 638, 273/64 und 200, 238, 249/ 65 –, BVerfGE 24 S. 367 (398). 357 Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 62 zu Art. 14; Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 38 zu Art. 14; Wendt in Sachs, GG, Rn. 73 zu Art. 14.

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

maßnahme geschützt werden soll, das zu vernichtende Gut überwiegt. So wäre der Abriß eines Gebäudeteils zulässig, wenn nur so Verletzte von einem dahinter liegenden Grundstück geborgen werden könnten, er wäre jedoch unverhältnismäßig, wenn es dabei lediglich um die Rettung durchschnittlicher Sachwerte ginge. Ist eine solche Gegenüberstellung nicht möglich, weil auf der anderen Seite kein konkretes zu schützendes Rechtsgut bestimmt werden kann, so sind für die Abwägung das Allgemeininteresse an der Abwehr der Gefahr und das Individualinteresse am Bestand des Eigentums gegenüberzustellen (etwa wenn Grundstücke gezielt geflutet werden, um den Wasserpegel insgesamt zu senken und auf diese Weise die Überflutung weiterer Gebiete oder einen Deichbruch zu verhindern). Ist eine Inhaltsbestimmung danach als unverhältnismäßig anzusehen, so ist sie unzulässig. Daran kann auch ein eventueller finanzieller Ausgleich nichts ändern. 358 Ist sie jedoch insoweit verhältnismäßig, so ist weiter zu prüfen, ob ausnahmsweise ein finanzieller Ausgleich erforderlich ist. Das in Rechtsprechung 359 und Literatur 360 weitgehend anerkannte Institut der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung 361 wird damit begründet, daß auch die – nach der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts – generellen Bestimmungen des Eigentums im Einzelfall derart stark in das Eigentumsrecht eingreifen können, daß zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes ein Ausgleich erforderlich ist. Zwar ist die Grundkonstellation der hier vertretenen Konzeption 358

König, DVBl. 1999 S. 954 (958). BVerfG, Beschluß vom 14. Juli 1981 – 1 BvL 24/78 –, BVerfGE 58 S. 137 (148 ff.). Diesen Beschluß bezeichnet Kleinlein, DVBl. 1991 S. 365 (366) als „Geburtsstunde der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung“. Vgl. zur Rechtsprechung auch BVerfG, Beschluß vom 30. November 1988 – 1 BvR 1301/84 –, BVerfGE 79 S. 174 (192); Beschluß vom 2. März 1999 – 1 BvL 7/91 –, BVerfGE 100 S. 226 (244 f.); BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 4 C 47.89 –, BVerwGE 84 S. 361 (367 f.); BGH, Urteil vom 10. Dezember 1987 – III ZR 220/86 –, BGHZ 102 S. 350 (360) (noch offengelassen im Urteil vom 12. März 1987 – III ZR 216/85 –, BGHZ 100 S. 136 [144]). 360 Bryde in von Münch / Kunig, GG, Rn. 65 zu Art. 14; Ehlers, VVdStRL 51 (1992) S. 211 (232); Götz, DVBl. 1984 S. 395 (396 f.); Kischel, JZ 2003 S. 604 (605) m.w. N. (S. 605 Fn. 9); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 181; Schink, DVBl. 1990 S. 1375 (1383); Schoch, Jura 1989 S. 113 (119). Unter Hinweis auf Bedenken auch Maurer, DVBl. 1991 S. 781 (783). Kritisch Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 346 ff. zu Art. 14 sowie Wieland in Dreier, GG, Rn. 135 zu Art. 14: Ausgleichspflicht nur in wirklichen Ausnahmefällen. Skeptisch gegenüber der Eigentumsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts auch Detterbeck, DÖV 1994 S. 273 (276). Explizit gegen die Einführung einer ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung Maiwald, BayVBl. 1991 S. 101 (104). 361 Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 239 zu Art. 14 hält diese Begriffswahl für „unglücklich bis irreführend“ und schlägt die Bezeichnung „ausgleichspflichtige Sozialbindung“ vor. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 187 zeigt auf, daß nicht die Inhaltsbestimmung als generelle Regelung, sondern nur der atypische Fall ausgleichspflichtig sein kann. 359

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eine andere, so daß es nicht darum geht, eine ausnahmsweise und im Einzelfall bestehende gleichheitswidrige Belastung zu kompensieren; richtig ist jedoch, daß das Eigentumsrecht nicht unzumutbar beeinträchtigt werden darf. Wann eine Beeinträchtigung unzumutbar ist, ob die Abgrenzung etwa nach den früher zur Abgrenzung von entschädigungsloser Sozialbindung und entschädigungspflichtiger Enteignung herangezogenen „Schwellentheorien“ 362 vorgenommen wird 363, ist für die hier relevanten Fälle der Vernichtung des Eigentumsgegenstandes unerheblich. Derartige Inhalts- und Schrankenbestimmungen bedürfen auf jeden Fall eines Ausgleichs. Anknüpfungspunkt für die Begründung einer Ausgleichspflicht ist die Überlegung, daß Art. 14 GG neben der vorrangigen Bestandsgarantie auch eine Wertgarantie enthält 364. Für die Enteignung wird angenommen, daß die Bestandsgarantie unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG in eine Wertgarantie umschlägt 365. Diese Überlegung kann nicht auf den Fall der Enteignung beschränkt bleiben. Vielmehr muß von Art. 14 Abs. 1 GG der Schutz des Eigentumswertes auch über den Fall des Art. 14 Abs. 3 GG hinaus erfaßt sein. 366 Äußert sich die Inhalts- und Schrankenbestimmung wie hier darin, daß das Eigentumsobjekt vernichtet wird, so handelt es sich um einen direkten und unmittelbaren Zugriff auf den Bestand des Eigentums; vom Eigentum verbleibt nur noch eine leere Hülle, so daß von einer Bestandswahrung nicht mehr die Rede sein kann. Jedenfalls hier muß die Bestandsgarantie wie bei der Enteignung in eine Wertgarantie umschlagen. 367 Der Eigentümer, dessen Eigentumsgegenstand aufgrund einer Inhalts362

Siehe dazu oben in diesem Teil unter F. II. 1. (im Text bei Fn. 264). Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 190. Eine andere Abgrenzung versucht König, DVBl. 1999 S. 954 (958). 364 Für die Eigentumswertgarantie als Bestandteil des Gewährleistungsinhalts von Art. 14 Abs. 1 GG von Arnauld, VerwArch 93 (2002) S. 394 (396 f.). Die Bestandsgarantie ist vorrangig (so explizit für Inhalts- und Schrankenbestimmungen unter Hinweis auf die Konzeption des Art. 14 GG als Abwehrrecht König, DVBl. 1999 S. 954 [958]), und kann erst bei einem verfassungsmäßigen Eingriff in eine Wertgarantie umschlagen (so für die Enteignung BVerfG, Beschluß vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 –, BVerfGE 58 S. 300 [323]). Anderer Ansicht Axer, DVBl. 2001 S. 1322 (1327): Bestands- und Wertgarantie stehen gleichrangig nebeneinander. 365 BVerfG, Beschluß vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 –, BVerfGE 58 S. 300 (323). 366 Deutlich von Arnauld, VerwArch 93 (2002) S. 394 (396 f.) (im Zusammenhang mit dem enteignungsgleichen und dem enteignenden Eingriff); Sass, Art. 14 GG, S. 191 f. In diese Richtung (Wertschutz als Bestandteil des Gewährleistungsinhalts des Art. 14 Abs. 1 GG) auch Axer, DVBl. 2001 S. 1322 (1327); Friauf, DÖV 1980 S. 480 (488); König, DVBl. 1999 S. 954 (957 f.); Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 255 ff., 261. Zur Bedeutung der Wertgarantie für die Bestandsgarantie Ipsen, DVBl. 1983 S. 1029 (1031). 363

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

und Schrankenbestimmung zerstört wird, ist in seinem Eigentumsrecht ebenso beeinträchtigt wie der Eigentümer, der sein Eigentum aufgrund einer Enteignung verliert. Der Ausgleichspflicht liegt in diesem Fall der allgemeine Aufopferungsgedanke 368 zugrunde 369, der besagt, daß das Individualrecht im Konfliktfall dem Allgemeininteresse zu weichen hat, der Rechtsverlust jedoch entschädigt werden muß 370. 371 Bezüglich der Höhe des Ausgleichs kann grundsätzlich auf die Ausführungen zum Entschädigungsbetrag bei Enteignungen verwiesen werden 372; dies gilt sowohl für einen Ausgleichsbetrag unterhalb des Verkehrswerts als auch für die Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs oder eines mitwirkenden Verschuldens. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum rheinland-pfälzischen Denkmalschutzrecht 373 angedeutet, daß bei für den Eigentümer unzumutbarer Belastung der verfolgte Gemeinwohlzweck unter Umständen nur auf dem Wege der Enteignung erreicht werden kann. Dem ist jedoch nicht zu folgen 374: Versteht man wie hier Enteignung als Güterbeschaffungsvorgang und 367 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 934, erklären die Ausgleichspflicht allgemein mit dem Umschlagen der Bestands- in die Wertgarantie. 368 Zur Geschichte und Entwicklung des Aufopferungsanspruchs vgl. statt vieler Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 124 – 130 m.w. N. 369 In diese Richtung wohl auch Rittstieg in AK-GG, Rn. 183 ff. zu Art. 14, der für Fälle, in denen bei einer Kollision von Eigentumsrechten mit höherwertigen Pflichten die dem Eigentümer zugemuteten Nachteile hinreichend schwerwiegend sind, die Pflicht zu einem Opfer[!]ausgleich annimmt. Gegen eine Grundlegung im allgemeinen Aufopferungsanspruch Lege, JZ 1994 S. 431 (437). 370 Dies wird von Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 1 als Grundgedanke des Aufopferungsanspruchs beschrieben. 371 Für eine Ausgleichspflicht im Ergebnis auch Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 100, der § 904 BGB und die polizeiliche Nichtstörerhaftung als Beispiel einer „entschädigungspflichtigen“ Inhalts- und Schrankenbestimmung nennt. Ebenso erklärt Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 688 die polizeirechtlichen Regelungen über die Entschädigung des Nichtstörers bezögen sich auf ausgleichspflichtige Sozialbindungen des Eigentums. 372 Siehe oben in diesem Teil unter F. III. 1. c) (im Text bei Fn. 340 ff.). Für die Anwendung der Grundsätze für die Festsetzung und Bemessung der Enteignungsentschädigung auch für den Ausgleich bei einer Inhalts- und Schrankenbestimmung auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 86. 373 Beschluß vom 2. März 1999 – 1 BvL 7/91 –, BVerfGE 100 S. 226 (243). In diesem Sinne auch BGH, Urteil vom 18. Februar 1993 – III ZR 20/92 –, BGHZ 121 S. 328 (337); Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 255 zu Art. 14; Deutsch, DVBl. 1995 S. 546 (550). 374 Gegen die Vorgehensweise des BGH im Urteil vom 18. Februar 1993 – III ZR 20/92 –, BGHZ 121 S. 328 (337) Lege, JZ 1994 S. 431 (432). Kritisch gegenüber der

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Inhalts- und Schrankenbestimmung als Güterdefinition, so sind die Maßnahmen nicht austauschbar, und das Gemeinwohlziel der einen kann mit der anderen nicht erreicht werden. Auch eine die Eigentümerposition völlig aushöhlende Inhaltsund Schrankenbestimmung kann bei entsprechendem finanziellem Ausgleich verfassungsrechtlich zulässig sein. 375 Klarzustellen ist allerdings, daß mit der hier vertretenen Konstruktion, wonach Inhaltsbestimmungen jedenfalls immer dann ausgleichspflichtig sind, wenn sie dergestalt in den Eigentumsbestand eingreifen, daß das Eigentumsobjekt zerstört wird, nicht die Grenzen zwischen Enteignung einerseits und Inhalts- und Schrankenbestimmung verwischt werden sollen. Es handelt sich um zwei unterschiedliche, nicht austauschbare Formen der Eigentumsbeeinträchtigung, die lediglich in Sonderfällen zu einer vergleichbaren Rechtsfolge (Entschädigung bzw. Ausgleich) führen. Gegen das hier gefundene Ergebnis spricht nicht, daß der Verfassungsgeber anscheinend nur bei der Enteignung eine finanzielle Kompensation für erforderlich hielt. 376 Er konnte nicht vorhersehen, daß die Bedrohung des Eigentums heute in stärkerem Maße von Inhalts- und Schrankenbestimmungen als von Enteignungen ausgehen würde 377. Ob angesichts dieser Tatsache die im Grundgesetz niedergelegte Konzeption von immer entschädigungspflichtiger Enteignung und grundsätzlich ausgleichsfreier Inhalts- und Schrankenbestimmung noch zeitgemäß und für einen wirksamen Eigentumsschutz tauglich ist, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erörtert werden. b) Formelle Anforderungen Da sich die Junktim-Klausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG nur auf Enteignungen bezieht, gilt sie für Inhalts- und Schrankenbestimmungen nicht. Dennoch ist eine ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung nur dann verfassungsgemäß, wenn zugleich eine entsprechende Ausgleichsregelung getroffen wird. 378 Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Denkmalschutz wohl auch Hendler, DVBl. 1999 S. 1501 (1502 unter 2.). 375 Auch Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 267 hält – vor dem Hintergrund der (älteren) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – eine „Inhaltsbestimmung auf Null“ im Einzelfall für zulässig, wenn ein entsprechender finanzieller Ausgleich erfolgt. 376 Bedenken gegen das Rechtsinstitut der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung äußert Wieland in Dreier, GG, Rn. 135 zu Art. 14: Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sehe im Gegensatz zu Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG für die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gerade keine Entschädigung vor. 377 Leisner, DÖV 1991 S. 781 (786) hält die Auffassung, daß das Eigentum heute weit mehr durch Beschränkungen als durch Entzug gefährdet sei, für „seit langem, soweit ersichtlich stets“ unangefochten.

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

Wie bei der Enteignung, so genügen auch bei der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung salvatorische Entschädigungsklauseln nicht 379. Dies folgt aus der Bedeutung der Ausgleichsregelung für den Grundrechtsschutz und für die Haushaltsprärogative des Parlaments 380 sowie aus dem Bestimmtheitsgrundsatz 381. Aus eben diesen Gründen ist auch zu fordern, daß der Gesetzgeber wie bei der Enteignungsentschädigung selbst über die Höhe des Ausgleichs entscheidet. 382 Jedenfalls dann, wenn die Inhaltsbestimmung wie hier auf jeden Fall ausgleichspflichtig ist, kann der Verpflichtung zum Erlaß einer abstrakt-generellen Regelung nicht die mangelnde Voraussehbarkeit und Normierbarkeit 383 einer ausgleichspflichtigen Situation entgegengehalten werden. Fraglich ist, ob es genügt, wenn der Ausgleich abstrakt-generell im Zusammenhang mit der Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff geregelt wird, oder ob von der handelnden Behörde im konkreten Fall zugleich mit dem Eingriff auch – zumindest dem Grunde nach – über den Ausgleich entschieden werden muß. Letzteres hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung 384 zum rheinland-pfälzischen Denkmalschutzrecht gefordert, und zwar unter Hinweis auf 378

Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 190. Detterbeck, DÖV 1994 S. 273 (277); Krohn, Enteignung, Rn. 9; Rittstieg in AKGG, Rn. 185 zu Art. 14; Wieland in Dreier, GG, Rn. 135 zu Art. 14. In diesem Sinne wohl auch Roller, NJW 2001 S. 1003 (1009). Anderer Ansicht Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 247 zu Art. 14; Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 15 Rn. 33 ff.; Götz, DVBl. 1984 S. 395 (397); Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 54 zu Art. 14; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 190; ders., JZ 1991 S. 89 (90). Offengelassen von Maurer, DVBl. 1991 S. 782 (785) sowie von Papier, DVBl. 2000 S. 1398 (1406 f.). Unklar („tatbestandlich hinreichend bestimmte salvatorische Entschädigungsklauseln, bei denen der Gesetzgeber die Fälle und Kriterien mit Hilfe von durch die Exekutive und Gerichte konkretisierbaren Merkmalen umschrieben hat“) Kluth in Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht Band 2, § 72 Rn. 50. 380 Ehlers, VVdStRL 51 (1992) S. 211 (234); Pietzcker, JuS 1991 S. 369 (372). 381 Für eine Herleitung (unter anderem) aus dem Bestimmtheitsgrundsatz Pietzcker, JuS 1991 S. 369 (372); Schoch, FS Boujong, S. 655 (667). Zweifel an der Bestimmtheit salvatorischer Klauseln äußert auch Wieland in Dreier, GG, Rn. 134 zu Art. 14. Selbst Ossenbühl, Staatshaftungsrecht S. 191, der salvatorische Klauseln für zulässig hält, betont, daß der Gesetzgeber Ausgleichsregelungen präzisieren muß, soweit dies die Vorhersehbarkeit ermöglicht. Nach Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 15 Rn. 35 sollen salvatorische Klauseln allerdings dem Bestimmtheitsgebot genügen. 382 Für eine Bestimmung der Höhe des Ausgleichs durch den Gesetzgeber auch Wieland in Dreier, GG, Rn. 135 zu Art. 14. 383 Dieses Argument führt Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 191 für die Zulässigkeit salvatorischer Klauseln an. 384 Beschluß vom 2. März 1999 – 1 BvL 7/91 –, BVerfGE 100 S. 226 (246). Dem folgend Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 54 zu Art. 14. Bereits zuvor Hermes, NVwZ 1990 S. 733 (734) und in Ansätzen auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1988 – 1 S 1949/87 –, DVBl. 1988 S. 1219 (1223) sowie seither auch Rittstieg in AK-GG, Rn. 185 zu Art. 14. Ablehnend Hendler, DVBl. 1999 S. 1501 (1503). 379

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den Vorrang des Primärrechtsschutzes: Der Betroffene müsse wissen, ob ihm ein Ausgleich zusteht, um über eine Anfechtung des Eingriffsakts entscheiden zu können. Diese Forderungen sind jedoch für die hier interessierenden Fälle praktisch nicht erfüllbar: Bei Eingriffen im Rahmen der Gefahrenabwehr im Katastrophenfall kommt Primärrechtsschutz gegen den Eingriffsakt aus tatsächlichen Gründen nicht in Frage, die Behörde kann nicht eine gerichtliche Entscheidung abwarten, bevor sie z. B. einen störenden Zaun beseitigt oder ein Ackergrundstück flutet. Hinzu kommt, daß nach der hier vertretenen Konzeption die Zerstörung von Eigentum zu Zwecken der Gefahrenabwehr wegen des Zugriffs auf den Eigentumsbestand immer ausgleichspflichtig ist; einer Abgrenzung zu nicht ausgleichspflichtigen Maßnahmen im konkreten Einzelfall bedarf es also nicht. 385 Inhalt und Schranken des Eigentums werden nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Gesetze bestimmt, eine Inhalts- und Schrankenbestimmung muß daher durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes 386 erfolgen. Dafür genügt ein Gesetz im materiellen Sinne 387, also auch eine kommunale Satzung 388. Auch auf Inhalts- und Schrankenbestimmungen findet das Zitiergebot keine Anwendung, da es sich nicht um eine Einschränkung im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG handelt, der Gesetzgeber vielmehr von seiner Aufgabe Gebrauch macht, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. 389

385 Auch das Bundesverfassungsgericht hat in einer neueren Entscheidung (Beschluß vom 26. August 2002 – 1 BvR 142/02 –, NJW 2003 S. 196 [198]) zur Pflicht zur Duldung der Verlegung einer Telekommunikationsleitung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 TKG festgestellt, daß eine Entscheidung über den Ausgleich nicht zugleich mit der zu duldenden behördlichen Handlung erfolgen müsse, wenn der Eigentümer weiß, daß ihm ein Ausgleichsanspruch zusteht, und wenn er diesen vor den Zivilgerichten geltend machen kann, „ohne daß eine entschädigungslos bleibende Duldungspflicht mit einem in Bestandskraft erwachsenden Verwaltungsakt festgesetzt werden“ kann. Aus dieser Entscheidung sowie aus der in die selbe Richtung zielenden Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 31. Januar 2001 – 6 CN 2.00 –, BVerwGE 112 S. 373 [378 f.], wortgleich übernommen im Beschluß vom 15. April 2003 – 7 BN 4.02 –, NuR 2003 S. 618 [619]) folgert Sellmann, NVwZ 2003 S. 1417 (1423), über den Ausgleich müsse nur dann zeitgleich mit dem Eingriff entschieden werden, wenn der betroffene Eigentümer gegen den Primäreingriff gerichtlich vorgehen könne oder müsse. 386 Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 31 f., 103. Dies widerspricht freilich der Definition des Bundesverfassungsgerichts, wonach Kennzeichen der Inhalts- und Schrankenbestimmung die abstrakt-generelle Regelung ist, siehe oben in diesem Teil unter F. II. 1. (im Text bei Fn. 269); insofern inkonsequent Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 928. 387 BVerfG, Beschluß vom 10. Juli 1958 – 1 BvF 1/58 –, BVerfGE 8 S. 72 (79); Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 37 zu Art. 14; Wieland in Dreier, GG, Rn. 86 zu Art. 14. 388 So explizit BGH, Urteil vom 22. Mai 1980 – III ZR 186/78 –, BGHZ 77 S. 179 (183); Papier, DVBl. 1975 S. 461 (464). 389 BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1968 – 1 BvR 638, 273/64 und 200, 238, 249/ 65 –, BVerfGE 24 S. 367 (396) unter Verweis auf Beschluß vom 12. Januar 1967 – 1 BvR

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2. Teil: Vorgaben aus den Grundrechten

G. Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) Eingriffe, die nicht den Schutzbereich eines speziellen Grundrechts berühren, werden an Art. 2 Abs. 1 GG gemessen. Ein einschränkendes Gesetz muß insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Für Ausländer erfüllt Art. 2 Abs. 1 GG eine Auffangfunktion in den Bereichen, die für Deutsche von Deutschen-Grundrechten geschützt werden 390 – das bedeutet aber nicht, daß Ausländer über den Umweg des Art. 2 Abs. 1 GG das selbe Schutzniveau beanspruchen könnten wie Deutsche 391. Vielmehr muß eine Regelung grundsätzlich nur die Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG beachten. Für Maßnahmen gegenüber EU-Ausländern gilt allerdings, daß sie wegen des Diskriminierungsverbotes des Art. 12 EGV in dessen Regelungsbereich 392 nicht schlechter gestellt werden dürfen als Deutsche. Dies läßt sich dadurch erreichen, daß der in Art. 2 Abs. 1 GG enthaltene Regelungsvorbehalt im Wege europarechtskonformer Auslegung mit den Vorbehalten der speziellen Grundrechte in Übereinstimmung gebracht wird 393. 394 Dogmatisch zu begründen ist dies damit, daß das Diskriminierungsverbot eine Gleichstellung bezüglich der staatlichen Re168/64 –, BVerfGE 21 S. 92 (93); dem folgend Papier in Maunz / Dürig, GG, Rn. 337 zu Art. 14. Ebenso Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 37 zu Art. 14. Die fehlende Relevanz des Zitiergebots wird bestritten von Depenheuer in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 235 zu Art. 14; er nimmt jedoch die „gleichsam gewohnheitsrechtliche Geltung“ dieser Ansicht an. 390 BVerfG, Beschluß vom 18. Juli 1973 – 1 BvR 23, 155/73 –, BVerfGE 35 S. 382 (399); BVerfG, Beschluß vom 10. Mai 1988 – 1 BvR 482/84 und 1166/85 – BVerfGE 78 S. 179 (196 f.). Mit ausführlicher Darstellung zum Streitstand Di Fabio in Maunz / Dürig, GG, Rn. 28 ff. (32) zu Art. 2 Abs. 1. Für die Funktion des Art. 2 Abs. 1 GG als personelles Auffanggrundrecht unter anderem auch Dreier in Dreier, GG, Rn. 48 zu Art. 2 Abs. 1; Isensee, VVdStRL 32 (1974) S. 49 (80); Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Rn. 10 zu Art. 2; Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 3 zu Art. 2; Murswiek in Sachs, GG, Rn. 139 zu Art. 2 (m.w. N. auch zur Gegenmeinung); Uber, Freiheit des Berufs, S. 88 (für Art. 12); Zuleeg, DÖV 1973 S. 361 (362). Gegen eine Verwendung als personelles Auffangrecht Erichsen in HStR VI § 152 Rn. 47 ff.; Starck in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 44 zu Art. 2; dogmatische Bedenken äußert auch Quaritsch in HStR V § 120 Rn. 130. 391 So für die Berufsfreiheit BVerfG, Beschluß vom 10. Mai 1988 – 1 BvR 482/84 und 1166/85 – BVerfGE 78 S. 179 (196 f.); Bauer / Kahl, JZ 1995 S. 1077 (1082). 392 Darauf, daß der Anwendungsbereich des EG-Vertrages und der Deutschen-Grundrechte nicht immer deckungsgleich ist, wird hingewiesen von Bauer / Kahl, JZ 1995 S. 1077 (1083). Störmer, AöR 123 (1998) S. 541 (555) führt aus, daß nicht jede innerstaatliche Differenzierung zwischen EU-Ausländern und Inländern in den Anwendungsbereich des Vertrages fällt. 393 Dreier in Dreier, GG, Rn. 18 zu Art. 2. Wohl auch Kunig in von Münch / Kunig, GG, Rn. 3 zu Art. 2. 394 Für eine nicht auf der Ebene der Grundrechte, sondern auf der des einfachen Gesetzesrechts angesiedelte Lösung Di Fabio in Maunz / Dürig, GG, Rn. 35 zu Art. 2

G. Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)

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gelungsbefugnisse fordert 395, daß eine Regelung wegen Art. 12 EGV also nur dann der verfassungsmäßigen Ordnung entspricht, wenn sie auch gegenüber Deutschen zulässig wäre 396. Da es bei den hier in Frage stehenden Vorschriften für die Katastrophenhilfe jedoch um allgemeine Ermächtigungen geht, die gleichermaßen gegenüber Deutschen und Ausländern gelten sollen, und nicht um spezielle Regelungen, die nur Ausländer betreffen, ist eine weitere Vertiefung nicht erforderlich.

Abs. 1. Ähnlich Störmer, AöR 123 (1998) S. 541 (563), der zusätzlich darauf hinweist, daß sich der Anspruch auf Gleichbehandlung unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt. 395 So für Art. 12 Abs. 1 GG Bauer / Kahl, JZ 1995 S. 1077 (1083). 396 So für Art. 12 Abs. 1 GG Manssen in von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Rn. 260 zu Art. 12.

Dritter Teil

Einfachrechtliche Ausgestaltung Im folgenden Abschnitt soll nach einem kurzen Überblick über die vorhandenen bundes- und landesrechtlichen Regelungen für den Katastrophenschutz untersucht werden, ob und wie die zuvor ermittelten verfassungsrechtlichen Vorgaben durch einfaches Recht umgesetzt und ausgestaltet worden sind.

A. Überblick über den Bestand an Vorschriften I. Bundesrechtliche Vorschriften 1. Vorschriften über den Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) Der Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG ist in § 11 BPolG näher geregelt. Die Vorschrift befaßt sich mit der „Verwendung zur Unterstützung eines Landes“ und enthält grundsätzliche Aussagen zum maßgeblichen Recht, zur Weisungsunterstellung, zur Zuständigkeit und zu den Kriterien für die Entscheidung über einen Einsatz sowie zur Kostentragung. Zur Durchführung hat der Bundesminister des Innern die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Verwendung des Bundesgrenzschutzes bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall sowie zur Hilfe im Notfall“ 1 (im Folgenden: BGS-Katastrophenhilfe-Verwaltungsvorschrift [BGSKatHiVwV]) erlassen. Sie enthält unter anderem Definitionen der Begriffe Naturkatastrophe und besonders schwerer Unglücksfall (Nr. 3 BGSKatHiVwV) sowie Bestimmungen über das anzuwendende Recht (Nr. 2 Abs. 1 und 2, Nr. 4 Abs. 4 BGSKatHiVwV), über den Umfang der Katastrophenhilfe (Nr. 7 BGSKatHiVwV), über Zuständigkeit und Verfahren bezüglich einer Entscheidung über die Verwendung (Nr. 8 BGSKatHiVwV) und über die Erstattung der durch einen Einsatz entstehenden Mehrkosten (Nr. 9 BGSKatHiVwV). Auch die 1

BGSKatHiVwV, vom 2. Mai 1974 (GMBl. 1974 S. 171), geändert durch Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 4. November 1975 (GMBl. 1975 S. 747).

A. Überblick über den Bestand an Vorschriften

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Hilfeleistung ohne Anforderung, also die spontane Katastrophenhilfe, ist vorgesehen (Nr. 4 Abs. 4 BGSKatHiVwV). 2 Die BGS-Katastrophenhilfe-Verwaltungsvorschrift unterscheidet zwischen technischer 3 und polizeilicher 4 Katastrophenhilfe – erstere umfaßt ausdrücklich nicht die Ausübung polizeilicher Befugnisse – und trifft unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der Zuständigkeit für eine Entscheidung über die Verwendung (Nr. 8 Abs. 2) sowie hinsichtlich der Kosten (Nr. 9 Abs. 1); dies ist aus einsatzpraktischen Gründen problematisch, da auch „technische“ Maßnahmen mit Eingriffen in Rechte Dritter verbunden sein bzw. zu ihrer Durchführung flankierende Eingriffsmaßnahmen notwendig werden können 5. Die Unterscheidung beruhte darauf, daß im Bundesgrenzschutzgesetz vom 18. August 1972 6, das im Zeitpunkt des Erlasses der BGS-Katastrophenhilfe-Verwaltungsvorschrift galt, die Unterstützung lediglich der Polizei eines Landes vorgesehen war (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BGSG 1972). Die Unterstützung anderer Landesbehörden und damit die gesamte technische Katastrophenhilfe hatte nach dieser Rechtslage keine Grundlage im Bundesgrenzschutzgesetz, sondern wurde allein auf Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 7 gestützt. Nach der heute geltenden Fassung des Bundespolizeigesetzes wird die Bundespolizei jedoch „zur Unterstützung eines Landes“ verwendet (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 BPolG). Mit dieser Neuformulierung wurde das Gesetz an den vom Grundgesetz vorgegebenen Rahmen angepaßt 8; in § 11 Abs. 1 Nr. 2 BPolG findet auch die technische Kata2

Nach Nr. 4 Abs. 4 BGSKatHiVwV ist allerdings nur technische Katastrophenhilfe möglich. 3 Technische Katastrophenhilfe ist nach Nr. 3 BGSKatHiVwV „die Hilfeleistung bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall zur Rettung von Menschenleben und von Tieren sowie zur Erhaltung von für die Allgemeinheit wertvollem Material und lebenswichtigen Anlagen und Einrichtungen“. 4 Polizeiliche Katastrophenhilfe ist nach Nr. 5 BGSKatHiVwV „die dem Polizeivollzugsdienst eines Landes gewährte Unterstützung, um die aus einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglücksfall für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung drohenden Gefahren abzuwehren oder eingetretene Störungen zu beseitigen“. 5 Beispielsweise können Bergungsarbeiten mit einem Eingriff in das Eigentum Dritter verbunden sein, wenn die Unglücksstelle nur über benachbarte Grundstücke erreichbar ist, oder Platzverweisungen oder die Heranziehung Dritter zu Hilfeleistungen erfordern. Walter in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, BGSG, Rn. 35 zu § 11 hält die Unterteilung in technische und polizeiliche Katastrophenhilfe für „nicht sonderlich zweckmäßig, da in der Regel faktische und hoheitliche Aufgabenwahrnehmung von Polizeikräften ineinander übergehen“. Kritisch zur Unterteilung auch Klückmann, DÖV 1976 S. 333 (336 f.). 6 Gesetz über den Bundesgrenzschutz (Bundesgrenzschutzgesetz – BGSG) vom 18. August 1972 (BGBl. I S. 1834), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378). 7 Einwag / Schoen, BGSG, Rn. 25 zu § 9. 8 So die Begründung des Regierungsentwurfs zu Art. 1 § 11 BGSNeuRegG, BR-Drs. 418/94 S. 45. Diese aufgreifend Walter in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, BGSG, Rn. 15 zu § 11.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

strophenhilfe eine einfachgesetzliche Grundlage. Vor diesem Hintergrund wäre es nunmehr möglich und – insbesondere aus einsatzpraktischen Gründen – auch sinnvoll, die Trennung zwischen technischer und polizeilicher Katastrophenhilfe aufzuheben und die BGS-Katastrophenhilfe-Verwaltungsvorschrift an die neuen Vorgaben des Bundespolizeigesetzes anzupassen. 2. Vorschriften über den Einsatz der Streitkräfte Bundesgesetzliche Vorschriften über den Einsatz der Streitkräfte gibt es nicht. Bei der Durchführung eines Einsatzes ist der Erlaß des Bundesministers der Verteidigung über Hilfeleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen und im Rahmen der dringenden Nothilfe 9 (im Folgenden: Erlaß über Hilfeleistungen der Bundeswehr) zu beachten. Er enthält Definitionen der Begriffe Naturkatastrophe (Nr. 2) und besonders schwerer Unglücksfall (Nr. 3) sowie Bestimmungen über die der Bundeswehr zustehenden Befugnisse (Nr. 5), die Zuständigkeit für eine Entscheidung (Nr. 11), die Weisungsund Unterstellungsverhältnisse (Nrn. 14 und 15), den Umfang der Hilfeleistung (Nrn. 16 und 17) und die Kostenerstattung (Nrn. 24 ff.). Spontane Katastrophenhilfe ist nach Nr. 13 möglich. 3. Bundesrechtliche Vorschriften über den Einsatz der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk Auch der Einsatz der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk ist gesetzlich nicht geregelt. Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Helfer der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW-HelfRG) 10 bestimmt in seinem § 1 Abs. 1 lediglich die Rechtsverhältnisse des Technischen Hilfswerks und seiner Helfer. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 THW-HelfRG weist der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk die technische Hilfe bei der Bekämpfung von Katastrophen, öffentlichen Notständen und Unglücksfällen größeren Ausmaßes auf Anforderung der für die Gefahrenabwehr zuständigen Stellen als Aufgabe zu. Nähere Bestimmungen über einen Einsatz enthält die Richtlinie über die Durchführung und Abrechnung von Hilfeleistungen des Technischen Hilfswerks 11 (im Folgenden: THW-Abrechnungsrichtlinie). Sie regelt das Anforderungs- und Über9

Vom 8. November 1988 (VMBl. S. 270 [279]). Vom 22. Januar 1990 (BGBl. I S. 118), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3592). 11 Z4/231 –00 –00, Stand: 1. Januar 2002, einsehbar unter http://www.thw.de/ thw-inland/grundlagen/rechtsgrundlagen/abr_rili.htm (abgerufen am 6. April 2005 um 15:40 Uhr). Regelungen auch zur Entscheidung über einen Einsatz und zur Durchführung enthielt zuvor der Erlaß über die Errichtung des Technischen Hilfswerks (siehe den Nachweis im Ersten Teil in Fn. 119). Dort wurde unter anderem die Hilfeleistung ohne 10

A. Überblick über den Bestand an Vorschriften

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nahmeverfahren für Hilfeleistungen (§ 2), die Zuständigkeit (§ 3), Schadensfälle (§ 4) und die Kostenabrechnung (§§ 5 ff.). Spontane technische Hilfe ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 vorgesehen. 4. Vorschriften im Zivilschutzgesetz Das Gesetz zur Neuordnung des Zivilschutzes (Zivilschutzneuordnungsgesetz – ZSNeuOG) 12 löste mit dem als Artikel 1 ergangenen Zivilschutzgesetz (ZSG) vorher bestehende Regelungen über den Schutz der Bevölkerung im Verteidigungsfall weitgehend ab. 13 Stärker als die Vorgängernormen greift das Zivilschutzgesetz für den Verteidigungsfall auf die für den friedensmäßigen Katastrophenschutz vorhandenen landesrechtlichen Regelungen 14 sowie Strukturen 15 zurück und verzichtet auf zivilschutzbezogene Vorgaben für den Katastrophenschutz 16. behördliche Anordnung (Abschnitt VII Abs. 1 Satz 3) und der Einsatz durch die Bundesregierung bei landesübergreifenden Notständen (Abschnitt VIII Abs. 2) geregelt. Der Erlaß ist am 1. Januar 1993 gemäß § 7 Abs. 2 des Erlasses über die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk vom 22. Dezember 1992 (GMBl. 1993 S. 3) außer Kraft getreten. 12 Gesetz vom 25. März 1997 (BGBl. I S. 726). 13 Mit Inkrafttreten des Zivilschutzneuordnungsgesetzes (bzw. teilweise zu einem späteren Zeitpunkt) traten außer Kraft: Das Gesetz über den Zivilschutz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. August 1976 (BGBl. I S. 2109), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. September 1994 (BGBl. I S. 2325); das Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Februar 1990 (BGBl. I S. 229), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3108) (§ 9 Abs. 2 bis 4 [Rechtsverhältnisse der Helfer] gelten fort, wo die bundesgesetzliche Regelung noch nicht durch Landesrecht ersetzt wurde, vgl. Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 ZSNeuOG); das Gesetz über bauliche Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1232), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. September 1994 (BGBl. I S. 2325) (§§ 7 und 12 Abs. 3 gelten fort, vgl. Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 ZSNeuOG); die Verordnung über den Anschluß von Behörden und Betrieben an den Luftschutzwarndienst vom 20. Juli 1961 (BGBl. I S. 1037), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. September 1994 (BGBl. I S. 2325). Mit dem Außerkrafttreten des Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes ist auch die Rechtsgrundlage für die darauf beruhenden Allgemeinen Verwaltungsvorschriften (unter anderem die Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Organisation des Katastrophenschutzes – KatS-Organisation-VwV) vom 27. Februar 1972 (GMBl. 1972 S. 181) entfallen. 14 Vgl. z. B. § 2 Abs. 1 Satz 2 ZSG (Zuständigkeit und Verwaltungsverfahren), § 20 Abs. 1 Satz 1 ZSG (Mitwirkung der öffentlichen und privaten Organisationen) und § 21 Abs. 1 ZSG (Rechtsverhältnisse der Helfer). 15 Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 ZSG nehmen die nach Landesrecht im Katastrophenschutz mitwirkenden Einheiten und Einrichtungen auch die Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung im Verteidigungsfall wahr. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 ZSG richtet sich die Zuständigkeit grundsätzlich nach den für den Katastrophenschutz geltenden Vorschriften der Länder; die Katastrophenschutzbehörde leitet und koordiniert alle Hilfsmaßnahmen in ihrem Bereich, § 14 Satz 1 ZSG.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Mit § 23 Abs. 4 enthält das Zivilschutzgesetz eine für den friedensmäßigen Katastrophenschutz relevante Regelung; in ihr geht es um die Kostentragung in den Fällen, in denen dem Bund durch die Verwendung von ihm finanzierter Ausstattung und Anlagen des Zivilschutzes bei Katastrophen und Unglücksfällen Kosten entstehen.

II. Landesrechtliche Regelungen Landesrechtliche Regelungen, die bei der Katastrophenabwehr eine Rolle spielen können, finden sich in einer Vielzahl von Gesetzen. Neben den als solchen benannten Katastrophenschutzgesetzen zählen dazu etwa Polizeigesetze bzw. Sicherheits- und Ordnungsgesetze, Feuerwehr- bzw. Brandschutzgesetze und Wassergesetze 17. Eine Untersuchung aller in Betracht kommenden Regelungen würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen; sie beschränkt sich daher auf die Vorschriften der Katastrophenschutzgesetze und – weil diese für die Anforderung fremder Kräfte und für Eingriffe in Rechte Betroffener eine besondere Rolle spielen – der Polizei- bzw. Sicherheits- und Ordnungsgesetze. Baden-Württemberg 18, Bayern 19, Berlin 20, Hamburg 21, Mecklenburg-Vorpommern 22, Niedersachsen 23, das Saarland 24, Sachsen-Anhalt 25 und Schleswig-Hol16

Vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Zivilschutzes, BR-Drs. 317/96 S. 25, 37. Das Zivilschutzgesetz fordert insbesondere anders als § 4 des Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes nicht die Aufstellung von Fachdiensten, sondern greift mit § 11 Abs. 1 Satz 1 ZSG auf die nach Landesrecht im Katastrophenschutz mitwirkenden Einheiten und Einrichtungen zurück. 17 Siehe etwa § 63 des Hamburgischen Wassergesetzes in der Fassung vom 29. März 2005 (GVBl. S. 97), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. September 2005 (GVBl. S. 377, 380); § 173 des Niedersächsischen Wassergesetzes in der Fassung vom 10. Juni 2004 (GVBl. S. 171), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2004 (GVBl. S. 664); § 123 des Wassergesetzes für Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1995 (GV.NW S. 926), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Mai 2005 (GV.NW S. 463); beispielhaft für viele Ortssatzungen die aufgrund § 102 Abs. 1 des Sächsischen Wassergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Oktober 2004 (SächsGVBl. S. 482) erlassene Wasserwehrsatzung der Kreisfreien Stadt Zwickau vom 2. Juni 2005 (einsehbar unter http://www.zwickau.de/rathaus/ortsrecht/30_pdf_ortsrecht _wasserwehrsatzung.pdf [abgerufen am 15. November 2005 um 18:53 Uhr]). 18 Baden-württembergisches Gesetz über den Katastrophenschutz (Landeskatastrophenschutzgesetz – LKatSG) (im Folgenden: LKatSG B-W) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. November 1999 (GBl. S. 625), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. März 2006 (GBl. S. 60, 70). 19 Bayerisches Katastrophenschutzgesetz (BayKSG) vom 24. Juli 1996 (GVBl. S. 282), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. April 2001 (GVBl. S. 140). 20 Berliner Gesetz über die Gefahrenabwehr bei Katastrophen (Katastrophenschutzgesetz – KatSG) (im Folgenden: KatSG Bln) vom 11. Februar 1999 (GVBl. S. 78), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Januar 2004 (GVBl. S. 25).

A. Überblick über den Bestand an Vorschriften

203

stein 26 haben eigenständige Katastrophenschutzgesetze erlassen. Dabei weisen das Niedersächsische Katastrophenschutzgesetz und das Katastrophenschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt etliche Übereinstimmungen auf 27. In Bremen finden sich Vorschriften über den Katastrophenschutz im Hilfeleistungsgesetz 28, in Brandenburg 29, Hessen 30, Rheinland-Pfalz 31 und Thüringen 32 in den Gesetzen über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe (bzw. die Hilfeleistung) und den Katastrophenschutz, in Sachsen 33 im Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Nordrhein-Westfalen 34 trifft Regelungen über „Großschadensereignisse“ im Gesetz über den Feuerschutz und die Hil21 Hamburgisches Katastrophenschutzgesetz (HmbKatSG) vom 16. Januar 1978 (GVBl. S. 31), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2001 (GVBl. S. 251). 22 Gesetz über den Katastrophenschutz in Mecklenburg-Vorpommern (Landeskatastrophenschutzgesetz – LKatSG M-V) vom 24. Oktober 2001 (GVOBl. M-V S. 393), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2005 (GVOBl. M-V S. 640). 23 Niedersächsisches Katastrophenschutzgesetz (NKatSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Februar 2002 (GVBl. S. 73), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. September 2004 (GVBl. S. 362). 24 Gesetz über den Katastrophenschutz im Saarland (Landeskatastrophenschutzgesetz – LKatSG-Saarland) vom 31. Januar 1979 (ABl. S. 141), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2006 (ABl. S. 474). 25 Katastrophenschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KatSG-LSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 2002 (GVBl. LSA S. 339), geändert durch Gesetz vom 28. Juni 2005 (GVBl. LSA S. 320). 26 Gesetz über den Katastrophenschutz in Schleswig-Holstein (Landeskatastrophenschutzgesetz – LKatSG) (im Folgenden: LKatSG S-H) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Dezember 2000 (GVOBl. Schl.-H. S. 664). 27 Vgl. beispielsweise §§ 23 – 25, 28 – 30 NKatSG und §§ 17 – 19, 21 – 23 KatSG-LSA. 28 Bremisches Hilfeleistungsgesetz (BremHilfeG) vom 18. Juni 2002 (GBl. S. 189), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2002 (GBl. S. 605). 29 Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Brand- und Katastrophenschutzgesetz – BbgBKG) vom 24. Mai 2004 (GVBl. I S. 197). 30 Hessisches Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (HBKG) vom 17. Dezember 1998 (GVBl. I S. 530), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. März 2005 (GVBl. I S. 229). 31 Rheinland-pfälzisches Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (Brand- und Katastrophenschutzgesetz – LBKG) (im Folgenden: LBKG R-P) vom 2. November 1981, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. April 2005 (GVBl. S. 104). 32 Thüringer Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz – ThBKG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. März 1999 (GVBl. S. 227), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Oktober 2001 (GVBl. S. 274). 33 Sächsisches Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz (SächsBRKG) vom 24. Juni 2004 (SächsGVBl. S. 245), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. September 2005 (SächsGVBl. S. 266).

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

feleistung. Das Brand- und Katastrophenschutzgesetz Rheinland-Pfalz und das Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz stimmen im Aufbau sowie in den meisten Vorschriften fast wörtlich überein. Die Gesetze enthalten jeweils gemeinsame Vorschriften für den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz und differenzieren nur an einigen Stellen nach der Schwere der Gefahrenlage. Dabei befassen sich das Brand- und Katastrophenschutzgesetz Rheinland-Pfalz und das Thüringer Brandund Katastrophenschutzgesetz lediglich mit Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes, Helfern und ihrer Rechtsstellung in einem eigenen Abschnitt 35 und treffen ansonsten einheitliche Regelungen für die verschiedenen Gefahrenlagen. Einen eigenständigen Teil „Katastrophenschutz“ mit insbesondere organisatorischen Regelungen zu Aufgaben und Mitwirkung im Katastrophenschutz enthalten das Brandenburgische Brand- und Katastrophenschutzgesetz 36, das Bremische Hilfeleistungsgesetz 37, das Hessische Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz 38 und das Sächsische Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz 39. Das nordrheinwestfälische Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung enthält einzelne Sondervorschriften für „Großschadensereignisse“ in seinen verschiedenen Regelungsabschnitten. Nach den landesrechtlichen Regelungen 40 umfaßt der Katastrophenschutz die Vorbereitung der Abwehr (vorbeugender Katastrophenschutz) und die Abwehr von Katastrophen (abwehrender Katastrophenschutz), zum Teil auch die Mitwirkung bei der vorläufigen Beseitigung von Katastrophenschäden 41. Das Landeskatastrophenschutzgesetz Schleswig-Holstein enthält mit § 39 auch eine Regelung über die 34 Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (FSHG) (im Folgenden: FSHG NRW) vom 10. Februar 1998 (GV. S. 122), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. April 2005 (GV. S. 332). 35 Vierter Abschnitt (§§ 19 f.) LBKG R-P bzw. (§§ 20 –22) ThBKG. 36 Teil 4 (§§ 37 – 43) BbgBKG. 37 Teil 4 (§§ 37 – 48) BremHilfeG. 38 Dritter Abschnitt (§§ 24 – 40) HBKG. 39 Abschnitt 5 (§§ 36 – 48) SächsBRKG. 40 § 1 Abs. 1 Satz 1 LKatSG B-W; Art. 1 Abs. 1 BayKSG; § 2 Abs. 2 Satz 2 KatSG Bln; § 1 Abs. 1 Nr. 3 BbgBKG, vgl. auch die Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Nr. 3 BbgBKG; § 37 Abs. 1 Satz 2 BremHilfeG; § 1 Abs. 2 Satz 2 HmbKatSG; § 1 Abs. 1 Nr. 2 HBKG; § 1 Abs. 1 LKatSG M-V; § 1 Abs. 1 NKatSG; § 1 Abs. 1 Nr. 3 LBKG R-P; § 1 Abs. 1 Buchstabe a) und b) LKatSG-Saarland (nach Buchstabe b) fallen allerdings nur Maßnahmen zur Abwehr von Katastrophen unter den Begriff des Katastrophenschutzes); § 2 Abs. 3 Satz 1 SächsBRKG; § 1 Abs. 1 Satz 1 KatSG-LSA; § 1 Abs. 2 Satz 1 LKatSG S-H; § 1 Abs. 1 Nr. 3 ThBKG. 41 § 1 Abs. 1 Satz 1 LKatSG B-W; § 2 Abs. 3 Satz 1 SächsBRKG („Mitwirkung bei der dringlichen vorläufigen Beseitigung von Katastrophenschäden“); § 1 Abs. 2 Satz 1 LKatSG S-H (Mitwirkung „bei der unmittelbar anschließenden vorläufigen Beseitigung von Schäden“).

A. Überblick über den Bestand an Vorschriften

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Abwehr schwerer Gefahren unterhalb der Katastrophenschwelle 42, die wesentliche Vorschriften des Katastrophenschutzes für entsprechend anwendbar erklärt. Soweit die Landesgesetze den Begriff der Katastrophe 43 definieren 44, lassen sich folgende überwiegend einheitliche Elemente feststellen: Schutzgüter des Katastrophenschutzes sind Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen sowie erhebliche 45 oder bedeutende Sachwerte oder Sachgüter 46, die lebensnotwendige Versorgung der Bevölkerung 47 und die Umwelt 48. § 1 42 Das sind nach § 39 Abs. 1 Satz 2 LKatSG S-H Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere durch frei werdende schädliche Stoffe, Strahlen oder Organismen, zu deren Abwehr der Einsatz einzelner Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzdienstes erforderlich ist. 43 Das nordrhein-westfälische Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung verwendet (und definiert) nicht den Begriff der Katastrophe, sondern ausschließlich den des Großschadensereignisses, vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 FSHG NRW. Das Brandenburgische Brand- und Katastrophenschutzgesetz unterscheidet in § 1 Abs. 2 durch verschiedene Definitionen zwischen Großschadensereignissen (Nr. 1) und (darüber nach Gefahrenintensität und notwendigen Maßnahmen hinausgehenden) Katastrophen (Nr. 2), knüpft an die Begriffe jedoch keine unterschiedlichen Rechtsfolgen (vgl. etwa § 4 Abs. 1 Nr. 3, § 43 Abs. 1 BbgBKG). Anders das Bremische Hilfeleistungsgesetz: Nach dessen § 37 Abs. 1 ist eine Katastrophe ein über eine Großschadenslage hinausgehendes Ereignis; die Vorschriften des Teil 4 (Katastrophenschutz) des Gesetzes beziehen sich nur auf Katastrophen, nicht auch auf Großschadenslagen, wie sich aus § 39 Abs. 2 Satz 2 BremHilfeG ergibt. Nach dieser Vorschrift können Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes auch zur Hilfeleistung bei Großschadenslagen unterhalb des Katastrophenfalles durch die Feuerwehr eingesetzt werden. 44 § 1 Abs. 2 LKatSG B-W; Art. 1 Abs. 2 BayKSG; § 2 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln; § 1 Abs. 2 Nr. 2 BbgBKG; § 37 Abs. 2 BremHilfeG; § 1 Abs. 1 HmbKatSG; § 24 HBKG; § 1 Abs. 2 LKatSG M-V; § 1 Abs. 2 NKatSG; § 1 Abs. 3 Satz 1 FSHG NRW; § 1 Abs. 2 LKatSGSaarland; § 2 Abs. 3 Satz 2 SächsBRKG; § 1 Abs. 2 KatSG-LSA; § 1 Abs. 1 LKatSG S-H. Auf eine Definition verzichten nur das Brand- und Katastrophenschutzgesetz RheinlandPfalz und das Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz. Beide Gesetze definieren in § 1 Abs. 1 Nr. 3 lediglich den Katastrophenschutz als Gewährleistung vorbeugender und abwehrender Maßnahmen gegen Gefahren größeren Umfangs. 45 Nach Punkt 1.2 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern zum Brandenburgischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz vom 30. November 2005 (ABl. S. 1090) „beginnen [erhebliche Sachwerte] im einstelligen Millionen-Euro-Bereich, können aber im Einzelfall, zum Beispiel bei einem Kulturdenkmal, darunter liegen“. 46 § 1 Abs. 2 LKatSG B-W; Art. 1 Abs. 2 BayKSG; § 2 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln („sonstige bedeutsame Rechtsgüter“ statt Sachwerte); § 1 Abs. 2 Nr. 2 BbgBKG; § 37 Abs. 2 BremHilfeG; § 24 HBKG; § 1 Abs. 2 LKatSG M-V; § 1 Abs. 2 NKatSG; § 1 Abs. 3 Satz 1 FSHG NRW; § 1 Abs. 2 LKatSG-Saarland; § 2 Abs. 3 Satz 2 SächsBRKG; § 1 Abs. 2 KatSG-LSA; § 1 Abs. 1 LKatSG S-H. 47 Dieses Schutzgut findet sich nicht in Art. 1 Abs. 2 BayKSG, § 2 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln und § 1 Abs. 3 Satz 1 FSHG NRW. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BbgBKG benennt zusätzlich lebensnotwendige Unterkünfte als Schutzgut.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Abs. 2 Nr. 2 BbgBKG fordert zusätzlich erhebliche Störungen oder unmittelbare Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, § 1 Abs. 1 HmbKatSG stellt allein auf eine Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ab, ohne bestimmte Schutzgüter zu nennen. Nach den Definitionen muß die Gefährdung, Schädigung oder Beeinträchtigung dieser Güter ein derartiges Ausmaß erreichen, daß zur Bekämpfung die einheitliche Leitung der Hilfsmaßnahmen erforderlich ist 49. Die Mehrzahl der Gesetze definiert Katastrophen neutral als „Geschehen“ 50, „Notstand“ 51, „Ereignis“ 52 oder „Störung oder Gefährdung“ 53. Eine bestimmte Ursache ist nicht Voraussetzung für das Vorliegen einer Katastrophe. Auch § 1 Abs. 2 Nr. 2 BbgBKG fordert durch seine weite Aufzählung („insbesondere Naturereignisse oder durch Mensch oder Technik verursachte Ereignisse“) ebensowenig eine bestimmte Ursache wie § 1 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 2 FSHG NRW (Unglücksfälle und solche öffentliche Notstände, die durch Naturereignisse, Explosionen oder ähnliche Vorkommnisse verursacht werden). Dies gilt auch für das Brand- und Katastrophenschutzgesetz Rheinland-Pfalz und für das Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz, die den Begriff der Katastrophe nicht definieren und die Abwehr unter anderem von „Gefahren größeren Umfangs“ zum Inhalt haben. Da keine Beschränkung auf Naturereignisse oder (unbeabsichtigtes) technisches oder menschliches Versagen vorgenommen wird, finden alle Katastrophenschutzgesetze auch dann Anwendung, wenn ein Terroranschlag Ursache der Gefahrenlage ist. Dabei geht es bei Maßnahmen nach den Katastrophenschutzgesetzen um den Schutz der Bevölkerung; Maßnahmen gegenüber den Tätern erfolgen nach den Polizeigesetzen bzw. der Strafprozeßordnung. 48 § 1 Abs. 2 LKatSG B-W; § 2 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln; § 37 Abs. 2 BremHilfeG; § 1 Abs. 2 LKatSG M-V; § 1 Abs. 2 NKatSG; § 1 Abs. 2 LKatSG-Saarland; § 2 Abs. 3 Satz 2 SächsBRKG, § 1 Abs. 1 LKatSG S-H. In § 1 Abs. 2 Satz 1 BayKSG werden die natürlichen Lebensgrundlagen, in § 24 HBKG die Tiere als Schutzgut genannt. Das Bemühen um den Schutz der Tiere führt zu beachtenswerten sprachlichen Konstruktionen, wenn etwa in § 1 Abs. 2 LKatSG B-W seit der Änderung durch Gesetz vom 11. März 2004 (GBl. S. 112) Leben oder Gesundheit zahlreicher Menschen und Tiere, in § 1 Abs. 2 LKatSG M-V das Leben, die Gesundheit oder die lebensnotwendige Versorgung zahlreicher Menschen und Tiere als Schutzgüter genannt werden. 49 Lediglich § 2 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln nennt die einheitliche Leitung nicht. § 1 Abs. 3 Satz 1 FSHG NRW fordert für ein Großschadensereignis, daß „aufgrund eines erheblichen Koordinierungsbedarfs eine rückwärtige Unterstützung der Einsatzleitung erforderlich ist, die von einer kreisangehörigen Gemeinde nicht geleistet werden kann“. 50 § 1 Abs. 2 LKatSG B-W; Art. 1 Abs. 2 BayKSG; § 2 Abs. 3 Satz 2 SächsBRKG. 51 § 1 Abs. 2 NKatSG; § 1 Abs. 2 KatSG-LSA. 52 § 2 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln: Großschadensereignis; § 37 Abs. 2 BremHilfeG; § 24 HBKG; § 1 Abs. 2 LKatSG M-V; § 1 Abs. 2 LKatSG-Saarland: Schadensereignis; § 1 Abs. 1 LKatSG S-H. 53 § 1 Abs. 1 HmbKatSG.

A. Überblick über den Bestand an Vorschriften

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In der Mehrzahl der Flächenstaaten wird der Katastrophenschutz explizit sowohl dem Land als auch den Landkreisen und den kreisfreien Städten als Aufgabe zugewiesen 54. Nicht auch Aufgabe des Landes ist der Katastrophenschutz in Niedersachsen 55. In Niedersachsen 56 kann die Aufgabe des Katastrophenschutzes durch Rechtsverordnung auf einzelne kreisangehörige Gemeinden übertragen werden, in BadenWürttemberg auf einzelne Große Kreisstädte, Verwaltungsgemeinschaften oder Gemeinden 57. Der Grad der Einbindung der Polizei und anderer Behörden sowie der Aufsicht des Landes unterstehender juristischer Personen des öffentlichen Rechts in die Katastrophenabwehr unterscheidet sich in den einzelnen Ländern erheblich. Zwar ist die „Mitwirkung“ 58, „Unterstützung“ 59 oder „Hilfe“ 60 durch andere Be54 § 2 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 BbgBKG; § 2 Abs. 1 Nr. 4 HBKG; § 2 Abs. 1 LKatSG M-V; § 1 Abs. 3 und 4, § 3 Abs. 3 FSHG NRW; § 2 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 LBKG R-P; § 2 LKatSGSaarland (Land, Landkreise, kreisfreie Städte und Stadtverband Saarbrücken); § 3 Nr. 4 und 5 SächsBRKG; § 2 Abs. 1 LKatSG S-H; § 2 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 ThBKG. In Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt finden sich lediglich Vorschriften über die Katastrophenschutzbehörden, § 4 LKatSG B-W, § 2 BayKSG, § 2 KatSG-LSA; untere Katastrophenschutzbehörden sind auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte, höhere/obere auf der mittleren Ebene, oberste auf der Ministerialebene angesiedelt. 55 Vgl. § 2 Abs. 1 NKatSG. 56 § 2 Abs. 2 Satz 3 NKatSG: Wahrnehmung der Aufgabe ganz oder teilweise von einzelnen kreisangehörigen Gemeinden. Zwar ist die Aufgabe des Katastrophenschutzes von der Wahrnehmung durch die großen selbständigen Städte (§ 11 Abs. 1 NGO [Niedersächsische Gemeindeordnung in der Fassung vom 28. Oktober 2006, GVBl. S. 472]) und die selbständigen Gemeinden (§ 12 Abs. 1 NGO) durch § 2 Nr. 2 Halbsatz 1 der Allgemeinen Verordnung über die den Landkreisen gegenüber den großen selbständigen Städten und den selbständigen Gemeinden vorbehaltenen Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises (Allgemeine Vorbehaltsverordnung – AllgVorbehVO) vom 14. Dezember 2004 (GVBl. S. 587) ausgeschlossen, doch bleibt § 2 Abs. 2 Satz 3 NKatSG gemäß § 2 Nr. 2 Halbsatz 2 der AllgVorbehVO davon unberührt, so daß eine Übertragung auf einzelne kreisangehörige Gemeinden möglich ist. 57 § 16 Abs. 2 LVG (Landesverwaltungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 2005 [GBl.BW S. 159], zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Dezember 2005 [GBl.BW S. 745]). 58 § 5 Abs. 1 Satz 1 LKatSG B-W: Mitwirkung unter anderem aller der Katastrophenschutzbehörde gleich- oder nachgeordneten Behörden, Einrichtungen und Stellen des Landes sowie der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen und im Bezirk der Katastrophenschutzbehörde eigene Zuständigkeiten besitzen, im Rahmen ihres Aufgabenbereichs. § 15 Satz 1 KatSG Bln: Mitwirkung der der Aufsicht des Landes unterliegenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit die Mitwirkung im Einzelfall zu ihren Aufgaben gehört. § 2 Abs. 3 BbgBKG: Mitwirkungspflicht unter anderem der Gebietskörperschaften sowie der Behörden und Einrichtungen des Landes.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

hörden und die Gebietskörperschaften überwiegend gesetzlich festgeschrieben, die Zuständigkeit der Fachbehörden bleibt jedoch meist unberührt 61. Wie die Zusammenarbeit organisatorisch zu bewältigen ist, wird nur selten explizit geregelt. Nur 62 in Baden-Württemberg 63, Bayern 64, Hessen 65, Nordrhein-Westfalen 66, § 11 Abs. 1 HmbKatSG: Mitwirkung der der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterliegenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn ihre Mitwirkung im Einzelfall zu ihren Aufgaben gehört. § 4 Satz 1 NKatSG: Mitwirkung anderer Behörden, Dienststellen und sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben im Rahmen ihrer Zuständigkeiten oder im Wege der Amtshilfe. § 39 Abs. 1 Satz 1 SächsBRKG: Mitwirkungspflicht unter anderem aller Behörden des Freistaates Sachsen und der Gebietskörperschaften. § 4 Satz 1 KatSG-LSA geht von einer Mitwirkung anderer Behörden, Dienststellen, öffentlicher Einrichtungen und sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben im Rahmen ihrer Zuständigkeiten oder im Wege der Amtshilfe aus, ist aber insofern nicht als konstitutive Regelung formuliert. 59 § 28 HBKG (unter der Überschrift „Mitwirkung von Dienststellen“): Unterstützungspflicht unter anderem der Gebietskörperschaften und der Dienststellen des Landes. § 2 Abs. 4 LBKG R-P: Behörden und Dienststellen des Landes sowie die der Aufsicht des Landes unterstehenden Träger öffentlicher Aufgaben sollen die Aufgabenträger über ihre Zuständigkeiten und die Amtshilfe hinaus unterstützen. Ebenso § 2 Abs. 4 ThBKG. 60 § 11 Abs. 3 Satz 1 LKatSG-Saarland: Hilfspflicht aller Behörden und Dienststellen, die im Bereich der Katastrophenschutzbehörde eigene Zuständigkeiten besitzen. § 8 Abs. 1 LKatSG S-H: Hilfspflicht aller Behörden des Landes und aller der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die im Bezirk der Katastrophenschutzbehörde öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit wahrnehmen, im Rahmen ihres Aufgabenbereichs. Von einer Hilfspflicht geht wohl auch § 15 Abs. 2 LKatSG M-V aus, wonach die untere Katastrophenschutzbehörde Behörden, Dienststellen und öffentliche Einrichtungen in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich um Hilfe ersuchen kann. 61 § 1 Abs. 3 Satz 1 BbgBKG: Die Zuständigkeit anderer Stellen für den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz bleibt unberührt. § 67 BremHilfeG: Die Zuständigkeiten anderer Behörden für die Gefahrenabwehr bleiben unberührt. § 38 Abs. 1 Satz 3 BremHilfeG, wonach die fachliche Zuständigkeit anderer Landesbehörden unberührt bleibt, dürfte sich nur auf die in Satz 2 des Absatzes genannte Aufsicht über die Ortskatastrophenschutzbehörden beziehen. § 4 Satz 2 NKatSG: Die Zuständigkeiten anderer Behörden, Dienststellen und sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben bleiben unberührt; sie sollen im Katastrophenfall nur im Einvernehmen mit der Katastrophenschutzbehörde handeln, § 4 Satz 3 NKatSG. Ähnlich § 3 Satz 1 und 2 KatSG-LSA. § 29 Abs. 3 Satz 1 und 2 FSHG NRW: Die Polizei nimmt eigene Aufgaben wahr und leistet den anderen Behörden Vollzugs- und Amtshilfe. § 42 Abs. 2 FSHG NRW: Die Zuständigkeit anderer Behörden hinsichtlich des Feuerschutzes sowie der Hilfeleistung bei Unglücksfällen und öffentlichen Notständen bleibt unberührt. Eine Einzelregelung für den Polizeivollzugsdienst enthält § 24 Satz 2 LKatSG B-W: Danach bleiben die dem Polizeivollzugsdienst obliegenden Aufgaben (im übrigen, das heißt außerhalb der Wahrnehmung von Aufgaben der Katastrophenschutzbehörde durch den Polizeivollzugsdienst bei Gefahr im Verzug, § 24 Satz 1 LKatSG B-W) unberührt.

A. Überblick über den Bestand an Vorschriften

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Sachsen 67 und Schleswig-Holstein 68 besteht ein Weisungsrecht der Katastrophenschutzbehörden gegenüber den mitwirkenden anderen Behörden. Ansonsten ist etwa die Abstimmung mit den Fachbehörden 69, ihre Beteiligung durch die KatastroUnklar Art. 1 Abs. 3 BayKSG: Die für die im Katastrophenschutz mitwirkenden Behörden, Dienststellen und Hilfsorganisationen sonst geltenden gesetzlichen Bestimmungen bleiben unberührt, soweit dieses Gesetz keine entgegenstehenden Regelungen enthält. § 45 ThBKG: Die Zuständigkeit anderer Stellen auf dem Gebiet des Brandschutzes und der Allgemeinen Hilfeleistung (nicht jedoch auf dem Gebiet des Katastrophenschutzes!) bleibt unberührt. 62 Das Weisungsrecht der Katastrophenschutzbehörde nach § 15 Abs. 1 HmbKatSG bezieht sich zwar unter anderem auf die nach § 11 HmbKatSG mitwirkenden Kräfte juristischer Personen des öffentlichen Rechts, nicht jedoch auf andere Behörden. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 NKatSG kann das Innenministerium Einheiten der Bereitschaftspolizei den Weisungen der Katastrophenschutzbehörde unterstellen. Dies ist jedoch ein Sonderfall, im übrigen besteht kein Weisungsrecht der Katastrophenschutzbehörde, vgl. § 4 Satz 3 NKatSG, wonach andere Behörden im Einvernehmen mit der Katastrophenschutzbehörde handeln sollen. Gleiches gilt für § 18 Abs. 1, § 3 Satz 2 KatsG-LSA. Unklar § 3 Abs. 2 Satz 2 LKatSG M-V: Danach leiten und koordinieren die Katastrophenschutzbehörden die Zusammenarbeit im Katastrophenschutz mit anderen fachlich zuständigen Behörden und übertragen ihnen spezielle damit verbundene Aufgaben wie (unter anderem) Küsten- und Gewässerschutz, Tierschutz, Brandschutz und Maßnahmen auf dem Gebiet des Verkehrswesens. Da es sich bei diesen Aufgaben nicht um originäre Aufgaben der Katastrophenschutzbehörde handelt, ist fraglich, inwiefern sie von dieser „übertragen“ werden können, und ob nach der Übertragung Weisungsrechte der Katastrophenschutzbehörde bestehen. 63 § 19 Abs. 2 Satz 1 LKatSG B-W: Weisungsrecht gegenüber allen im Katastrophenschutz Mitwirkenden im Sinne von § 5 LKatSG (siehe soeben Fn. 58) mit Ausnahme der obersten Landesbehörden. 64 Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BayKSG: Weisungsrecht gegenüber allen für den Einsatzbereich zuständigen staatlichen Behörden und Dienststellen der gleichen oder einer niedrigeren Stufe, mit Ausnahme der obersten Landesbehörden. Das Sachweisungsrecht übergeordneter Fachbehörden bleibt unberührt, Art. 5 Abs. 1 Satz 4 BayKSG. 65 Nach § 43 Abs. 7 HBKG sind alle an der Katastrophenabwehr beteiligten Einsatzkräfte und Dienststellen – dies dürfte sich auf die in § 28 HBKG unter „Mitwirkung von Dienststellen“ aufgezählten Stellen (unter anderem Gemeinden und Landkreise sowie Dienststellen des Landes) beziehen – der die Abwehrmaßnahmen leitenden Katastrophenschutzbehörde unterstellt. 66 Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 FSHG NRW können die kreisfreien Städte und Kreise allen für den Einsatzbereich zuständigen unteren Landesbehörden Weisungen erteilen. Das Weisungsrecht übergeordneter Fachbehörden bleibt jedoch unberührt, § 29 Abs. 2 FSHG NRW. 67 Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 SächsBRKG gilt § 46 Abs. 5 SächsBRKG, wonach die untere Brandschutz-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzbehörde während der Dauer eines Katastrophenvoralarmes allen an der Katastrophenbekämpfung beteiligten Einsatzkräften und Behörden die notwendigen Weisungen erteilen kann, entsprechend (ergänze: bei Katastrophenalarm). 68 Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 LKatSG S-H sind auch die beim Katastrophenschutz Helfenden nach § 8 LKatSG (siehe soeben Fn. 60) verpflichtet, die Weisungen der Katastro-

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

phenschutzbehörde 70 oder die Berücksichtigung 71 von Maßnahmen, die in ihrem Aufgabenbereich berührte Fachbehörden für erforderlich halten 72, vorgesehen. Einen besonderen Weg geht das Katastrophenschutzgesetz des Landes Berlin, indem es den Kreis der Katastrophenschutzbehörden sehr weit faßt: Nach § 3 KatSG Bln sind Katastrophenschutzbehörden die Ordnungsbehörden, die nachgeordneten Ordnungsbehörden und die Sonderbehörden, die für Ordnungsaufgaben zuständig sind, sowie die Polizei. In Hamburg sind für die Durchführung des Katastrophenschutzgesetzes je nach Aufgabe unterschiedliche Behörden zuständig 73. Das von Land zu Land unterschiedliche Verhältnis der Behörden untereinander kann im Rahmen dieser Arbeit, bei der es um die verfassungsrechtlichen Vorgaben und ihre einfachgesetzliche Ausfüllung geht, nicht vertieft werden. Hier kommt es nur darauf an, daß unabhängig von der Art ihrer Einbindung in die Katastrophenabwehr für eigene Maßnahmen der Polizei 74 die jeweiligen Polizeigesetze 75 maßgeblich sind. Auch eine Unterstellung der Polizei unter die phenschutzbehörde zu befolgen. Weisungen gegenüber anderen obersten Landesbehörden kann nur das Innenministerium erteilen, § 17 Abs. 2 Satz 2 LKatSG S-H. 69 Nach § 8 Satz 1 BbgBKG veranlaßt die Gesamtführung die zur Gefahrenabwehr notwendigen Maßnahmen in Abstimmung mit den zuständigen Fachbehörden. 70 Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 LKatSG-Saarland beteiligt die untere Katastrophenschutzbehörde andere für die Gefahrenabwehr verantwortliche Behörden bei der einheitlichen Lenkung der Abwehrmaßnahmen. 71 § 21 Abs. 1 Satz 2 HBKG: Die von den in ihrem Aufgabenbereich berührten Fachbehörden für erforderlich gehaltenen Maßnahmen sollen berücksichtigt werden. Ebenso § 26 Abs. 1 Satz 2 ThBKG. Ähnlich § 25 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P; danach sind die Maßnahmen zu berücksichtigen. 72 Vgl. etwa die Aufzählung möglicher Sofortaufgaben der Gewerbeaufsicht bei Schadensfällen oder Gefahrenlagen bei Eisinger / Gräff, LBKG R-P, Anm. 3 zu § 26. 73 Vgl. Anordnung zur Durchführung des Hamburgischen Katastrophenschutzgesetzes vom 1. Oktober 2002 (Amtlicher Anzeiger S. 4233). Zuständig sind danach je nach Aufgabe die Behörde für Bau und Verkehr, die Behörde für Wirtschaft und Arbeit, die Behörde für Inneres, die Behörde für Umwelt und Gesundheit oder die Bezirksämter. 74 Zu Maßnahmen des ersten Zugriffs, zum Übergang der Verantwortung und zu eigenen Zuständigkeiten der Polizei Eisinger / Gräff, LBKG R-P, Anm. 4.2, 4.3 und 4.5 zu § 1. Instruktive Ausführungen aus der Praxis zur Rolle und Funktion der Polizei im Katastrophenschutz, insbesondere auch zur Durchführung einzelner Aufgaben unter Berücksichtigung taktischer Grundsätze finden sich bei Nowicki, Die Polizei 1975 S. 51 ff. Vgl. auch die allgemeinere Darstellung bei Moder, Die Polizei 1975 S. 45 ff. Interne Regelungen für das Tätigwerden der Polizei (Taktische Ziele, Einsatzgrundsätze, Vorbereitende Maßnahmen, Taktische Maßnahmen, Technische / Organisatorische Maßnahmen) finden sich in der – nicht öffentlich zugänglichen – Polizeidienstvorschrift 100 (PDV 100) unter Ziff. 4.15 „Größere Gefahren- und Schadenslagen, Katastrophen“. 75 Polizeigesetz (PolG B-W) [des Landes Baden-Württemberg] in der Fassung vom 13. Januar 1992 (GBl. S. 1, ber. S. 596, 1993 S. 155), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Juli 2004 (GBl. S. 469, ber. S. 653); Gesetz über die Organisation der Bayerischen Staat-

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Weisungen der Katastrophenschutzbehörde ändert nichts daran, daß die Polizei nach Polizeirecht vorgeht. Leistet die Polizei der Katastrophenschutzbehörde Vollzugshilfe 76, indem sie etwa eine von dieser angeordnete Evakuierung mit unlichen Polizei (Polizeiorganisationsgesetz – POG) (im Folgenden: BayPOG) vom 10. August 1976 (GVBl. S. 303), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juli 2005 (GVBl. S. 287); Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) (im folgenden: BayPAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1990 (GVBl. S. 397), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Dezember 2005 (GVBl. S. 641); Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz – ASOG Bln –) in der Fassung vom 11. Oktober 2006 (GVBl. S. 930); Gesetz über die Aufgaben, Befugnisse, Organisation und Zuständigkeit der Polizei im Land Brandenburg (Brandenburgisches Polizeigesetz – BbgPolG) vom 19. März 1996 (GVBl. I S. 74), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juni 2004 (GVBl. S. 289); Bremisches Polizeigesetz (BremPolG) vom 21. März 1983 (GBl. S. 141, 301), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. September 2001 (GBl. S. 267, berichtigt GBl. 2002 S. 47); [Hamburgisches] Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) (im Folgenden: SOG Hmb) vom 14. März 1966 (GVBl. S. 77), zuletzt geändert durch Gesetz 16. Juni 2005 (GVBl. S. 233); Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) in der Fassung vom 14. Januar 2005 (GVBl. I S. 14), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Oktober 2005 (GVBl. I S. 674); Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz – SOG M-V) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. März 1998 (GVOBl. M-V S. 335), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Juli 2006 (GVOBl. M-V S. 551); Gesetz zur Organisation der Landespolizei in Mecklenburg-Vorpommern (Polizeiorganisationsgesetz – POG M-V) vom 10. Juli 2001 (GVOBl. M-V S. 254), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2005 (GVOBl. M-V S. 640); Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) in der Fassung vom 19. Januar 2005 (GVBl. S. 9), zuletzt geändert durch Urteil des BVerfG vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – (BGBl. I S. 2566); Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) in der Fassung vom 25. Juli 2003 (GV.NW S. 441), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. April 2005 (GV.NW S. 408); Gesetz über die Organisation und die Zuständigkeit der Polizei im Lande Nordrhein-Westfalen (Polizeiorganisationsgesetz – POG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Juli 2002 (GV.NW S. 308, ber. S. 629), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Mai 2006 (GV.NW S. 266);Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Rheinland-Pfalz (POG) (im Folgenden POG R-P) vom 10. November 1993 (GVBl. S. 595), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Juli 2005 (GVBl. S. 320); Saarländisches Polizeigesetz (SPolG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. März 2001 (ABl. S. 1074), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2006 (ABl. S. 474); Polizeigesetz des Freistaates Sachsen (SächsPolG) vom 13. August 1999 (SächsGVBl. S. 466), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Mai 2004 (SächsGVBl. S. 148); Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2003 (GVBl. LSA S. 214); Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz – LVwG, im Folgenden: LVwG S-H) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1992 (GVOBl. Schl.-H. S. 243, ber. S. 534), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. März 2006 (GVOBl. Schl.-H. S. 52); Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG, im Folgenden: ThPAG) vom 4. Juni 1992 (GVBl. S. 199), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. November 2004 (GVBl. S. 853); Gesetz über die Organisation der Polizei des Landes Thüringen (Polizeiorganisationsgesetz – POG, im Folgenden: ThPOG) in der Fassung vom 6. Januar 1998 (GVBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Januar 2002 (GVBl. S. 148).

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mittelbarem Zwang durchsetzt, so richtet sich die Durchführung der Vollstreckung des Verwaltungsakts, den die Katastrophenschutzbehörde aufgrund des Katastrophenschutzgesetzes oder anderer Vorschriften erlassen hat, ebenfalls nach den Vorschriften des Polizeirechts 77. In der Mehrzahl der Katastrophenschutzgesetze ist vorgesehen 78, daß die Katastrophenschutzbehörde 79 Eintritt 80 und Ende einer Katastrophe 81 feststellt 82, teilweise unter Bestimmung des Katastrophengebiets 83. Die Feststellung des Katastrophenfalles ist nicht identisch mit der Auslösung von Katastrophenalarm 84, der die Alarmierung der Einsatzkräfte nach vorbereiteten Alarm- und Einsatzplänen 76 Zum Begriff der Vollzugshilfe siehe Denninger in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil E Rn. 206 ff. Die Vollzugshilfe gehört zu den Aufgaben der Polizei, vgl. die überwiegend § 1 Abs. 3 ME-POG entsprechenden Vorschriften der Polizeigesetze: § 60 Abs. 4 PolG B-W; Art. 2 Abs. 3 BayPAG; § 1 Abs. 5 ASOG Bln; § 1 Abs. 3 BbgPolG; § 1 Abs. 3 BremPolG; § 1 Abs. 5 HSOG; § 7 Abs. 2 SOG M-V; § 1 Abs. 4 Nds. SOG; § 1 Abs. 3 PolG NRW; § 1 Abs. 4 POG R-P; § 1 Abs. 4 SPolG; § 2 Abs. 3 SOG LSA; § 168 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVwG S-H; § 2 Abs. 3 ThPAG. Sie ist in den meisten Bundesländern nach dem Vorbild des § 25 Abs. 1 ME-POG auf die Anwendung unmittelbaren Zwangs beschränkt: Art. 50 Abs. 1 BayPAG; § 52 Abs. 1 ASOG Bln (nach § 52 Abs. 2 ASOG Bln auch Vollzugshilfe durch die Berliner Feuerwehr, soweit diese im Zusammenhang mit den ihr obliegenden Aufgaben steht); § 50 Abs. 1 BbgPolG; § 37 Abs. 1 BremPolG; § 82a SOG M-V; § 51 Abs. 1 Nds. SOG; § 47 Abs. 1 PolG NRW; § 96 Abs. 1 POG R-P; § 41 Abs. 1 SPolG; § 61 Abs. 1 SächsPolG; § 50 Abs. 1 SOG LSA; § 48 Abs. 1 ThPAG. Die Leistung von Vollzugshilfe der Polizei für die Katastrophenschutzbehörden wird in § 29 Abs. 3 Satz 2 FSHG NRW eigens erwähnt. 77 So für Rheinland-Pfalz De Clerck / Schmidt, POG R-P, Anm. 2 zu § 96. § 168 Abs. 2 Satz 2 LVwG S-H verweist für die Vollzugshilfe allerdings lediglich auf die Vorschriften der Amtshilfe. 78 § 18 LKatSG B-W; Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayKSG; § 7 Abs. 1 und Abs. 4 KatSG Bln (zu dieser Regelung siehe sogleich Fn. 84); § 42 Satz 1 BbgBKG; § 14 Abs. 2 HmbKatSG; § 34 Satz 1 HBKG; § 15 Abs. 3 LKatSG M-V; § 20 Satz 1 NKatSG; § 9 Abs. 2 Satz 1 LKatSG-Saarland; § 47 Abs. 1 und Abs. 2 SächsBRKG; § 16 Abs. 1 Satz 1 KatSG-LSA; § 16 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 LKatSG S-H (zu dieser Regelung siehe sogleich Fn. 84). 79 § 20 Satz 1 NKatSG: Hauptverwaltungsbeamtin oder Hauptverwaltungsbeamter der Katastrophenschutzbehörde; § 16 Abs. 1 Satz 1 KatSG-LSA: Leiter der Katastrophenschutzbehörde. 80 § 18 LKatSG B-W: Feststellung des Zeitpunkts, von dem an eine Katastrophe vorliegt; Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayKSG: Feststellung des Vorliegens und des Endes einer Katastrophe. 81 § 42 Satz 1 BbgBKG, § 34 Satz 1 HBKG, § 20 Satz 1 NKatSG, § 16 Abs. 1 Satz 1 KatSG-LSA: des Katastrophenfalles. 82 § 16 Abs. 1 Satz 2 LKatSG S-H: Bestimmung des Zeitpunkts, von dem an die Katastrophe als festgestellt gilt. 83 § 18 LKatSG BW; § 42 Satz 1 BbgBKG und § 34 Satz 1 HBKG: Bekanntmachung unter Angabe des Umfangs des betroffenen Gebiets; § 47 Abs. 1 Satz 1 SächsBRKG; § 16 Abs. 1 Satz 2 LKatSG S-H.

A. Überblick über den Bestand an Vorschriften

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bezweckt 85. Unklar ist, ob die Feststellung konstitutive 86 oder deklaratorische 87 Wirkung hat, ob also die Ausübung besonderer Befugnisse durch die Katastrophenschutzbehörde und Mitwirkungspflichten von Einrichtungen und Einheiten von der Feststellung des Katastrophenfalles abhängen oder ob sie unabhängig davon bereits bei Vorliegen einer Katastrophe bestehen. Das Bedürfnis nach eindeutigen Weisungsstrukturen gerade in einer akuten Gefahrenlage spricht für eine konstitutive Bedeutung der Feststellung: Andere Behörden sowie mitwirkende Einrichtungen und Einheiten müssen definitiv wissen, ob sie den Weisungen der Katastrophenschutzbehörde unterstehen und ob sie besondere Pflichten haben 88; auf eigene und möglicherweise widersprüchliche Einschätzungen der Gefahrenlage darf es nicht ankommen. In einigen Ländern hat eine öffentliche Bekanntmachung der Feststellung des Katastrophenfalles zu erfolgen 89, um die Bevölkerung über die Gefahrenlage und über die mögliche Ausübung besonderer Befugnisse durch die Katastrophenschutzbehörde zu informieren 90. 84 In Berlin dürfte die Feststellung des Katastrophenfalles in der in § 7 Abs. 1 KatSG Bln geregelten Auslösung des Katastrophenalarms enthalten sein. In diese Richtung geht auch die Regelung in § 16 Abs. 1 LKatSG S-H, nach deren Satz 1 die Katastrophenschutzbehörde Katastrophenalarm auslöst, und nach deren Satz 2 sie „dabei [...] zugleich“ den Zeitpunkt bestimmt, von dem an die Katastrophe als festgestellt gilt. 85 Vgl. die Begründung zu § 16 KatSG-LSA (LT-Drs. 1/2369 S. 12). 86 So die Begründung zu § 16 Abs. 1 KatSG S-H (LT-Drs. 13/1939 S. 40). In diesem Sinne wohl auch die Begründung zu § 16 KatSG-LSA (LT-Drs. 1/2369 S. 12); zwar dient die Feststellung danach „der Klarstellung der Rechte und Pflichten der Beteiligten“, gleichzeitig soll mit ihr aber „eine Reihe von Rechtswirkungen“ eintreten. 87 So die Begründung zu Art. 4 Abs. 1 BayKSG (LT-Drs. 13/4784 S. 10). 88 Die Begründung zu Art. 4 Abs. 1 BayKSG (LT-Drs. 13/4784 S. 10), nach der die Feststellung eine interne Entscheidung der Katastrophenschutzbehörde ist und der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit innerhalb der Katastrophenschutzbehörde, insbesondere für die örtliche Einsatzleitung, dient, vermag angesichts der in Art. 5 BayKSG geregelten weitreichenden Befugnisse der Katastrophenschutzbehörde gegenüber anderen staatlichen Behörden und sonstigen zur Katastrophenhilfe Verpflichteten nicht zu überzeugen: Die Feststellung des Katastrophenfalles ist nicht nur behördenintern von Bedeutung. 89 § 42 Satz 1 BbgBKG; § 34 Satz 1 HBKG: Bekanntmachung durch Rundfunk, Fernsehen, Tageszeitungen oder auf andere Weise. In Sachsen-Anhalt ging der Landesgesetzgeber anscheinend davon aus, daß eine öffentliche Bekanntgabe stattfindet: § 16 KatSG-LSA trägt die amtliche Überschrift „Feststellung und öffentliche Bekanntgabe des Katastrophenfalles“, § 16 Abs. 2 KatSG-LSA ermächtigt das Ministerium des Innern zur Regelung der Einzelheiten der öffentlichen Bekanntgabe des Katastrophenfalles. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayKSG enthält hinsichtlich der Bekanntgabe an die Öffentlichkeit eine Sollvorschrift. 90 Vgl. die Begründung zu § 42 BbgBKG (LT-Drs. 3/6938, S. 30 der Begründung), wortgleich übernommen von der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern zum Brandenburgischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz vom 30. November 2005

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG I. Einsatz fremder Kräfte nach den Katastrophenschutzgesetzen Die Katastrophenschutzgesetze enthalten höchst unterschiedliche Vorschriften über den Einsatz fremder Kräfte. In einigen Ländern wird ein solcher Einsatz nicht erwähnt 91 oder es wird lediglich die Mitwirkung der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk geregelt 92, andere Länder bestimmen ausdrücklich die Anforderung oder Mitwirkung fremder Kräfte 93. In Hessen 94 und Sachsen 95 läßt sich nur aus Regelungen bezüglich der Kostentragung bzw. der Teilnahme an Übungen und der Mitwirkung in einer besonderen Führungseinrichtung auf den Einsatz landesfremder Kräfte schließen. Da Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG selbst Grundlage für eine Mandatierung ist 96, bedarf es keiner weiteren (einfachgesetzlichen) Ermächtigung. Deswegen ist das Fehlen entsprechender Regelungen unschädlich; sind sie vorhanden, so kann ihnen keine eigenständige Regelungswirkung zukommen. In Berlin 97 und Nordrhein-Westfalen 98 wird die Hilfeleistung durch Behörden und Einrichtungen des Bundes und anderer Länder als „Amtshilfe“ bezeichnet. Dies ändert nichts an der oben getroffenen 99 Qualifikation der Katastrophenhilfe als Mandat. Der Begriff kann hier nur untechnisch und jedenfalls nicht im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes, sondern allenfalls als Verweis auf Art. 35 GG (ABl. S. 1090, zu § 42) sowie gleichlautend die Begründung zu § 34 HBKG (LT-Drs. 14/ 4015 S. 47). Siehe auch die Begründung zu Art. 4 Abs. 1 BayKSG (LT-Drs. 13/4784 S. 10 f.); die Ausgestaltung als Soll-Vorschrift soll danach den Verzicht auf die Bekanntgabe des Katastrophenfalles ermöglichen, wenn andernfalls eine Panik zu befürchten wäre. Nach der Begründung zu § 16 KatSG-LSA (LT-Drs. 1/2369 S. 12) kann mit der Feststellung (gemeint sein muß: der Bekanntgabe) eine günstige Beeinflussung der Hilfsbereitschaft der Bevölkerung und das Verständnis für restriktive Maßnahmen erwartet werden. 91 So in Baden-Württemberg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Thüringen. 92 § 18 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG; § 10 Abs. 3 LKatSG S-H. 93 Art. 5 Abs. 2 BayKSG; § 16 Abs. 1 KatSG Bln; § 3 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 12 HmbKatSG; § 25 NKatSG; § 25 Abs. 3, § 29 Abs. 1 Satz 3 FSHG NRW; § 10 Abs. 5 LKatSG-Saarland; § 19 KatSG-LSA. 94 § 60 Abs. 4 Satz 1 HBKG. 95 § 13 Abs. 2, § 51 Satz 2 SächsBRKG. 96 Siehe bereits oben im Ersten Teil unter C. IV. 5. c) (im Text bei Fn. 416). 97 § 16 Abs. 1 KatSG Bln: „Kräfte und Einrichtungen des Bundes, der Länder sowie der Kreise und Gemeinden anderer Länder wirken beim Katastrophenschutz mit, wenn eine

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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insgesamt 100 gemeint sein, da nach den Grundsätzen der Amtshilfe ein Tätigwerden außerhalb des originären Zuständigkeitsbereiches nicht zulässig ist 101.

II. Einsatz fremder Kräfte nach den Polizeigesetzen In den Polizei- bzw. Polizeiorganisationsgesetzen ist die Möglichkeit des Einsatzes von Polizeikräften anderer Länder und des Bundes nach dem Vorbild des § 52 ME-POG durchgängig vorgesehen 102. Wegen Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG, der Grundlage für die Mandatierung ist, kann den Vorschriften insoweit keine eigenständige Regelungswirkung zukommen. 103 Ebenfalls keine Regelungswirkung haben die Vorschriften, die die Möglichkeit des Einsatzes landesfremder Kräfte auch auf ausländische (Polizei-)Kräfte erstrecken 104 oder die Vornahme von Katastrophenschutzbehörde ihre Hilfeleistung im Rahmen der Amtshilfe angefordert hat, [...].“ 98 § 25 Abs. 3 Satz 1 FSHG NRW: „Für die Hilfeleistung der Behörden und Einrichtungen des Bundes und der übrigen Länder gelten die Grundsätze der Amtshilfe (Artikel 35 des Grundgesetzes [GG]).“ 99 Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 5. c). 100 So muß § 35 Abs. 3 Satz 1 FSHG NRW zu verstehen sein, der für die „Grundsätze der Amtshilfe“ auf Art. 35 GG, nicht auf §§ 4 – 8 VwVfG verweist. 101 Zudem werden nach § 16 Abs. 2 KatSG Bln den eingesetzten fremden Kräften die gleichen Befugnisse wie den landeseigenen Kräften zugestanden, was ebenfalls nicht mit dem Recht der Amtshilfe zu vereinbaren ist. 102 § 78 PolG B-W; Art. 11 Abs. 3 bis 5 BayPOG; § 8 ASOG Bln; § 77 BbgPolG; § 81 BremPolG; § 30a SOG Hmb; § 102 HSOG; § 9 SOG M-V; § 103 Nds. SOG; § 9 POG NRW; § 86 POG R-P; § 88 SPolG; § 77 SächsPolG; § 91 SOG LSA; § 170 LVwG S-H; § 11 ThPOG. 103 Von nur deklaratorischer Bedeutung des § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ME-POG geht die Begründung zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes aus, vgl. den Abdruck bei Heise / Riegel, ME-POG, S. 140. Für deklaratorische Bedeutung des § 78 Abs. 3 iVm § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PolG BW Wolf in Wolf / Stephan, PolG B-W, Rn. 10 zu § 78; ebenso für § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HSOG Hornmann, HSOG, Rn. 4 zu § 102 sowie die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung vom 5. Dezember 1989 (LT-Drs. 12/5794 S. 106); für § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 POG R-P De Clerck / Schmidt, POG R-P, Anm. III. zu § 86. „Allenfalls“ als Hinweis des Gesetzgebers auf die Zulässigkeit einer Anforderung versteht Roos, POG R-P, Rn. 6 zu § 86 die genannte rheinland-pfälzische Regelung. 104 Nach Art. 11 Abs. 5 Satz 2 Hs. 1 BayPOG gelten die den Einsatz von Polizeivollzugsbeamten regelnden Absätze entsprechend für Bedienstete ausländischer Polizeibehörden und -dienststellen, soweit völkerrechtliche Verträge dies vorsehen oder das Staatsministerium des Innern Amtshandlungen dieser Polizeibehörden oder -dienststellen allgemein oder im Einzelfall zustimmt. Ebenso § 77 Abs. 3 Satz 2 BbgPolG; § 103 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG; § 86 Abs. 3 Hs. 2 POG R-P („wenn völkerrechtliche Verträge dies vorsehen oder sonst die Gegenseitigkeit gewährleistet ist“); § 91 Abs. 3 Satz 2 SOG LSA; § 11 Abs. 5 Hs. 1 ThPOG.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Amtshandlungen durch ausländische Kräfte erlauben 105, wenn völkerrechtliche Verträge dies vorsehen; zwar kann nicht Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG als Grundlage für ein Tätigwerden ausländischer Kräfte herangezogen werden, doch ergibt sich die Zulässigkeit des Handelns direkt aus dem jeweiligen völkerrechtlichen Vertrag 106. Die den Einsatz von Polizeikräften anderer Länder und des Bundes regelnden Vorschriften sind jedoch insofern von Bedeutung, als sie Bestimmungen hinsichtlich der Befugnisse und überwiegend auch hinsichtlich der Weisungsunterstellung treffen. Die Zusammenarbeit der Polizeikräfte einzelner Länder ist durch im wesentlichen gleichlautende Verwaltungsabkommen 107 näher ausgestaltet. Lediglich § 102 Abs. 3 Satz 2 HSOG stellt nicht auf das Vorliegen völkerrechtlicher Verträge ab, sondern erklärt die Regelungen über das Tätigwerden landesfremder Kräfte auf ausländische Kräfte für entsprechend anwendbar, „wenn Gegenseitigkeit gewährleistet ist“ oder bei Zustimmung des Ministeriums des Innern. 105 § 78 Abs. 3 PolG B-W, § 9 Abs. 4 SOG M-V, § 9 Abs. 4 POG NRW, § 88 Abs. 4 SPolG und § 78 Abs. 4 SächsPolG erklären nicht die für den Einsatz von Polizeivollzugsbeamten anderer Länder geltenden Vorschriften für entsprechend anwendbar, sondern legen fest, daß Vollzugsbedienstete anderer Staaten mit polizeilichen Aufgaben Amtshandlungen vornehmen können, soweit völkerrechtliche Vereinbarungen dies vorsehen. 106 Dies betonen De Clerck / Schmidt, POG R-P, Anm. VIII. 4. zu § 86 unter Hinweis auf den Gesetzesrang völkerrechtlicher Verträge. 107 Vgl. etwa: Verwaltungsabkommen zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Land Rheinland-Pfalz über die Zusammenarbeit ihrer Polizeikräfte vom 22. Juli / 10. August 1976 (GABl. [BW] S. 1314); Verwaltungsabkommen zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Land Hessen über die Zusammenarbeit ihrer Polizeikräfte vom 3./17. Mai 1979 (GABl. [BW] S. 545); Verwaltungsabkommen zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Freistaat Bayern über die Zusammenarbeit ihrer Polizeikräfte vom 23. Mai 1979 (GABl. [BW] S. 499); Verwaltungsabkommen zwischen dem Lande Rheinland-Pfalz und dem Lande Hessen über die Zusammenarbeit ihrer Polizeikräfte vom 22. August / 12. September 1980 (Staats-Anzeiger für das Land Hessen S. 1710); Verwaltungsabkommen zwischen dem Land Hessen und dem Freistaat Bayern über die Zusammenarbeit ihrer Polizeikräfte vom 10. Oktober / 4. November 1980 (Staats-Anzeiger für das Land Hessen S. 2148); Verwaltungsabkommen zwischen dem Land Niedersachsen und dem Land Hessen über die Zusammenarbeit ihrer Polizeikräfte vom 14./19. Januar 1981 (Staats-Anzeiger für das Land Hessen S. 275); Verwaltungsabkommen zwischen dem Land Hessen und dem Land Thüringen über die Zusammenarbeit ihrer Polizeikräfte vom 19./ 28. August 1991 (Staats-Anzeiger für das Land Hessen S. 2201); Verwaltungsabkommen zwischen dem Land Thüringen und dem Freistaat Bayern über die Zusammenarbeit ihrer Polizeikräfte vom 9. Juli / 28. September 1993 ([Bay]GVBl. S. 1110). Kürzer gefaßt, jedoch weitgehend übereinstimmend ist die Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit der Polizeikräfte von Rheinland-Pfalz und dem Saarland vom 22. November / 18. Dezember 1973 (GMBl. Saar 1974 S. 58). Das Verwaltungsabkommen zwischen dem Land Brandenburg, dem Land Niedersachsen, dem Freistaat Sachsen, dem Land Sachsen-Anhalt und dem Freistaat Thüringen vom 25. Januar 1995 (Thüringer Staatsanzeiger S. 1255) weist gegenüber den soeben genannten Verwaltungsabkommen eine andere Zählung (in Artikeln statt Paragraphen) auf, ist jedoch inhaltlich weitgehend identisch.

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Die Vorschriften der Polizeigesetze über den Einsatz landesfremder Kräfte weisen Unterschiede im Anwendungsbereich auf: Während die überwiegende Zahl der Gesetze den vom Musterentwurf für ein einheitliches Polizeigesetz vorgegebenen Begriff der „Polizeivollzugsbeamten“ 108 aufgreift, wählen andere den Begriff der „Polizeibeamten“ 109, wieder andere den der „Polizeidienstkräfte“ 110 („Polizeibedienstete“ 111, „polizeiliche Dienstkräfte“ 112). Der Begriff „Polizeivollzugsbeamte“ wurde in § 52 ME-POG verwendet, um im Hinblick auf den Einsatz von Polizeikräften des Bundes sicherzustellen, daß nur solche Bundespolizeibeamte in Betracht kommen, „die eine der Ländervollzugspolizei vergleichbare Ausbildung erhalten haben und hauptamtlich im Polizeivollzugsdienst tätig sind“ 113. Der Begriff der „Polizeibeamten“ stimmt in den hier relevanten Fällen inhaltlich mit dem der „Polizeivollzugsbeamten“ überein: Die Regelung des § 78 PolG B-W befindet sich in einem mit „Der Polizeivollzugsdienst“ überschriebenen Abschnitt des Gesetzes 114, der Begriff der Polizeibeamten in § 85 POG R-P entspricht dem im Vorgängergesetz verwendeten Begriff der Polizeivollzugsbeamten 115, und § 81 Inhaltlich weiter gefaßt ist die bereits im Jahr 1951 zwischen der Hansestadt Hamburg, dem Land Schleswig-Holstein und dem Land Niedersachsen getroffene Vereinbarung über die Erweiterung der örtlichen Zuständigkeit ihrer Polizeien (abgedruckt als Anlage zum Gesetz über eine Vereinbarung zwischen der Hansestadt Hamburg, dem Lande SchleswigHolstein und dem Lande Niedersachsen über die Erweiterung der örtlichen Zuständigkeit ihrer Polizeien vom 31. März 1951 [GVOBl. Schl.-H. S. 96]). 108 Art. 11 Abs. 3 bis 5 BayPOG; § 77 BbgPolG; § 30a SOG Hmb; § 9 SOG M-V; § 103 Nds. SOG; § 9 POG NRW; § 88 SPolG; § 91 SOG LSA; § 170 LVwG S-H. Uneinheitlich § 81 BremPolG: Abs. 1 und 3 „Polizeibeamte“ eines anderen Landes oder des Bundes, Abs. 2 „Polizeivollzugsbeamte“. 109 § 78 PolG B-W; § 86 POG R-P. 110 § 8 ASOG Bln. Differenzierend § 102 HSOG: „Dienstkräfte“ der Polizei anderer Länder, „Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte“ des Bundes. 111 § 77 SächsPolG. 112 § 11 ThPOG: „polizeiliche Dienstkräfte“ eines anderen Landes, „polizeiliche Kräfte“ des Bundes. 113 Begründung zu § 52 ME-POG, abgedruckt bei Heise / Riegel, ME-POG, S. 140. 114 Die Formulierung in § 78 PolG B-W dürfte auf einem redaktionellen Versehen beruhen: In der Begründung zu § 66 (jetzt § 78 PolG) des Regierungsentwurfs zur Änderung des Polizeigesetzes (LT-Drs. 10/5230 S. 59) heißt es: „Durch die zusätzliche Verwendung der Begriffe ‚Polizeivollzugsbeamte‘ wird der Tatsache Rechnung getragen, daß der Bund und einige Länder für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes diese Bezeichnung verwenden.“ Der Entwurf des § 66 selbst enthält jedoch das Wort Polizeivollzugsbeamte nicht. 115 In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Polizeiverwaltungsgesetzes, LT-Drs. 12/2542 S. 36 – aus diesem Änderungsgesetz resultiert das heutige Polizei- und Ordnungsbehördengesetz – heißt es zu §§ 59, 62, 63, 65, wo ebenfalls der Begriff des Polizeivollzugsbeamten durch den des Polizeibeamten ersetzt wird: „Der Begriff ‚Polizeivollzugsbeamter‘ wird durch den Begriff ‚Polizeibeamter‘ ersetzt, ohne inhaltlich eine Änderung vorzunehmen. [...] Diese begriffliche Änderung trägt der Tatsache Rechnung, daß der Polizeibeamte nicht nur vorgegebene Entscheidungen vollzieht, sondern viele Maßnahmen eigenverantwortlich anordnet.“

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Abs. 2 BremPolG regelt Befugnisse und Weisungsverhältnisse der tätig werdenden „Polizeivollzugsbeamten“, woraus zu schließen ist, daß es sich bei den in den Absätzen 1 und 3 genannten „Polizeibeamten“ um Polizeivollzugsbeamte handeln muß. Der Begriff der „Polizeidienstkräfte“ ist dagegen überwiegend weiter und erfaßt auch Personen, die nicht Beamte sind: Nach § 5 Abs. 2 ASOG Bln kann der Senat durch Rechtsverordnung Dienstkräfte der Polizei, die nicht Polizeivollzugsbeamte sind, mit der Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben betrauen, soweit dafür ein Bedürfnis besteht. Die Formulierung in § 102 HSOG soll die Möglichkeit eröffnen, daß auch Angehörige der Wachpolizei eines anderen Bundeslandes in Hessen Amtshandlungen vornehmen. 116 Nach § 59 Nr. 2 SächsPolG steht der Begriff der „Polizeibediensteten“ für den „Polizeivollzugsdienst mit seinen Bediensteten“. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei dem Beschäftigungsverhältnis um ein Beamten- oder ein Arbeitsverhältnis handelt. 117 Nach § 2 Abs. 1 ThürPOG dürfen als Dienstkräfte des polizeilichen Vollzugsdienstes grundsätzlich nur Beamte verwendet werden, Ausnahmen sind in § 2 Abs. 2 und § 14 Abs. 1 zugelassen. In allen drei Fällen geht also der Begriff der „Dienstkräfte der Polizei“ über den der „Polizeivollzugsbeamten“ hinaus. Anderes gilt für das Bayerische Polizeiorganisationsgesetz: Auch dieses kennt den Begriff der „Dienstkräfte der Polizei“ 118; als solche dürfen nach Art. 2 Abs. 1 BayPOG jedoch nur Beamte verwendet werden, so daß sich das aufgezeigte Problem hier nicht stellt. Die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe kann dann zu Problemen führen 119, wenn der Geltungsbereich der Vorschrift im anfordernden Land enger ist als im entsendenden Land. In diesem Fall wird das entsendende Land entsprechend seinem eigenen (begrifflich weiteren) Landesrecht unter Umständen Einsatzkräfte schicken, die im anfordernden Land nicht unter den Geltungsbereich der Vorschrift fallen. Für ihren Einsatz fehlt es dann zwar nicht an der rechtlichen Grundlage – diese ist Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG, der die Anforderung nicht auf Beamte und (mit der Möglichkeit der Anforderung von Kräften anderer Verwaltungen) auch nicht auf den Polizeivollzugsdienst 120 beschränkt –, wohl aber an einer einfachgesetzlichen Vorschrift, die die Übertragung von Eingriffsbefugnissen regelt 121. 122

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So die Begründung zur Änderung des § 102 HSOG (LT-Drs. 16/2352 S. 27). Belz, SächsPolG, Rn. 6 zu § 59. 118 Vgl. die amtliche Überschrift zu Art. 2 BayPOG. 119 Auf die Problematik der unterschiedlichen Begriffe beim Tätigwerden von Berliner Polizeikräften in Brandenburg wird hingewiesen von Berg / Knape / Kiworr, ASOG Bln, Anm. II. A. und II. A. 4. b) cc) zu § 7. 120 Zur Verwendung des formellen Polizeibegriffs in Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG siehe oben im Ersten Teil unter C. III. 1. e) bb). 117

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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III. Ausgestaltung der Anforderung fremder Kräfte 1. Zuständigkeit für die Anforderung fremder Kräfte Die Zuständigkeit für die Anforderung fremder Kräfte zur Unterstützung bei einer Landesaufgabe kann sich nur aus Landesrecht ergeben, da der Bund diesbezüglich keine Gesetzgebungskompetenz hat 123. Dementsprechend wird in der BGS-Katastrophenhilfe-Verwaltungsvorschrift (Nr. 4 Abs. 3, Nr. 6 Abs. 3), im Erlaß über Hilfeleistungen der Bundeswehr (Nr. 4 Buchstabe a), Nr. 5) und im THW-Helferrechtsgesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 THW-HelfRG) sowie in der THW-Abrechnungsrichtlinie (§ 2 Abs. 1 Satz 1 iVm § 1 Abs. 1 Nr. 1) keine Zuständigkeit bestimmt, sondern an die Zuständigkeit nach Landesrecht angeknüpft. a) Anforderung von Kräften nach den Landeskatastrophenschutzgesetzen In einigen Landesgesetzen ist geregelt, wer die Hilfe des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Bundeswehr 124 bzw. die Hilfe von Kräften des Bundes und der Länder 125 oder allgemein „erforderliche Hilfeleistungen“ 126 anfordert. Dies ist je nach Landesrecht die Katastrophenschutzbehörde auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte (Niedersachsen 127, Sachsen 128) oder die ober121 Der hessische Gesetzgeber weist in der Begründung zur Änderung des § 103 HSOG darauf hin, daß es für den Einsatz hessischer Dienstkräfte der Polizei auf fremdem Hoheitsgebiet einer entsprechenden Rechtsvorschrift des anderen Hoheitsträgers bedarf (LTDrs. 16/2352 S. 27). 122 Eine Ausnahme macht das Hamburgische Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, das neben der § 52 ME-POG entsprechenden Regelung (§ 30a) mit § 30 eine weiter gefaßte Vorschrift enthält, nach deren Absatz 2 angeforderte Bedienstete oder Kräfte eines anderen Landes bei Amtshandlungen zur Gefahrenabwehr die gleichen Befugnisse wie die entsprechenden Bediensteten oder Kräfte der Freien und Hansestadt Hamburg haben. 123 So für die Anforderung des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) Einwag / Schoen, BGSG, Rn. 21 zu § 9. 124 § 25 Satz 1 NKatSG; § 19 Satz 1 KatSG-LSA. 125 § 16 Abs. 1 KatSG Bln. 126 § 3 Abs. 1 Nr. 3 LKatSG B-W; § 37 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SächsBRKG; § 7 Abs. 1 Nr. 4 LKatSG S-H. 127 Nach § 25 Satz 1 NKatSG fordert „die Katastrophenschutzbehörde“ die Hilfe der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) an. Nach § 2 Abs. 1 NKatSG sind Katastrophenschutzbehörden die Landkreise und kreisfreien Städte. 128 Nach § 37 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SächsBRKG hat die untere Brandschutz-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzbehörde – dies sind nach § 4 Abs. 1 Satz 3 SächsBRKG die Landkreise und kreisfreien Städte – die zur Leitung der Katastrophenbekämpfung erforderlichen Maßnahmen zu treffen, insbesondere erforderliche Hilfeleistungen anzufordern.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

ste Katastrophenschutzbehörde (Saarland 129, Hamburg 130, Sachsen-Anhalt 131); in anderen Ländern richtet sich die instanzielle Zuständigkeit nach dem Umfang des Katastrophenfalls (Baden-Württemberg 132, Schleswig-Holstein 133), oder es ist jede Katastrophenschutzbehörde anforderungsberechtigt (Berlin 134). In den übrigen Ländern fehlt dagegen eine ausdrückliche Regelung 135. Hier muß sich die Zuständigkeit nach der Zuständigkeit für die zu unterstützenden Gefahrenabwehrmaßnahmen richten. 136 Zuständig für eine Anforderung ist also 129 Nach § 10 Abs. 5 Satz 1 LKatSG-Saarland fordert die oberste Katastrophenschutzbehörde Kräfte des Bundes und der Länder an, nach Satz 2 können die unteren Katastrophenschutzbehörden im Einvernehmen mit der obersten Kräfte des Bundes anfordern, sofern diese im Zuständigkeitsbereich der anfordernden Behörde stationiert sind. 130 § 12 HmbKatSG bestimmt, daß Kräfte und Einrichtungen des Bundes und der Länder beim Katastrophenschutz mitwirken, wenn der Senat oder die Katastrophenschutzbehörde ihre Hilfeleistung angefordert haben; zuständige Behörde ist nach II. 1.2. der Anordnung zur Durchführung des Hamburgischen Katastrophenschutzgesetzes vom 1. Oktober 2002 (Amtlicher Anzeiger S. 4233) die Behörde für Inneres. 131 Nach § 19 Satz 1 KatSG-LSA fordert „die Katastrophenschutzbehörde“ die Hilfe der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) an. Nach § 2a Abs. 3 Satz 4 KatSG-LSA ist die oberste Katastrophenschutzbehörde zuständig für den länderübergreifenden Katastrophenschutz, die länderübergreifende Katastrophenhilfe und für die Zusammenarbeit mit anderen Ländern und dem Bund. 132 Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 LKatSG B-W haben die Katastrophenschutzbehörden erforderliche Hilfeleistungen anzufordern. Sachlich zuständig sind nach § 6 Abs. 1 Satz 1 LKatSG B-W mangels anderweitiger Bestimmung die unteren Katastrophenschutzbehörden (Landratsämter und Bürgermeisterämter der Stadtkreise, § 4 Abs. 1 LKatSG B-W), nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 für Katastrophenschutzaufgaben, die sich über den Bezirk einer unteren Katastrophenschutzbehörde hinaus erstrecken, die höheren Katastrophenschutzbehörde (Regierungspräsidien, § 4 Abs. 2 LKatSG B-W), nach § 6 Abs. 3 LKatSG B-W für Katastrophenschutzaufgaben, die sich über einen Regierungsbezirk hinaus erstrecken, die oberste Katastrophenschutzbehörde (Innenministerium, § 4 Abs. 3 LKatSG B-W). Katastrophenfälle, die die Anforderung landesfremder Hilfe erforderlich machen, dürften sich meist über den Bezirk einer unteren Katastrophenschutzbehörde hinaus erstrecken. 133 Nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 LKatSG S-H hat die Katastrophenschutzbehörde erforderliche Hilfeleistungen anzufordern. Sachlich zuständig ist nach § 4 Abs. 1 LKatSG S-H die untere Katastrophenschutzbehörde (die Landrätinnen und Landräte sowie die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der kreisfreien Städte, § 3 Abs. 2 LKatSG S-H), für Katastrophenschutzaufgaben, die über das Gebiet eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt hinausgehen, das Innenministerium, § 4 Abs. 2 Satz 1 LKatSG S-H. Wird die Hilfe landesfremder Kräfte notwendig, so dürfte es sich meistens um einen derartigen Fall handeln. 134 Nach § 16 Abs. 1 KatSG Bln wirken auswärtige Kräfte und Einrichtungen im Katastrophenschutz mit, wenn „eine Katastrophenschutzbehörde“ ihre Hilfeleistung angefordert hat. Katastrophenschutzbehörden sind nach § 3 KatSG Bln die Ordnungsbehörden, die nachgeordneten Ordnungsbehörden, die Sonderbehörden, die für Ordnungsaufgaben zuständig sind, sowie die Polizei. Danach ist jede dieser Behörden zur Anforderung berechtigt. 135 Zwar kann nach § 9 Abs. 3 Satz 2 BbgBKG die „Einsatzleitung“ (dies ist nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BbgBKG der Einsatzleiter der örtlich zuständigen öffentlichen Feuerwehr) zusätzliche Einsatzmittel und Einsatzkräfte anfordern, jedoch nur bei der „zuständigen

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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die jeweils für die Maßnahme zuständige Katastrophenschutzbehörde. Bezüglich der instanziellen Zuständigkeit ist zu beachten, daß in einigen Ländern (Brandenburg 137, Rheinland-Pfalz 138, Sachsen-Anhalt 139, Thüringen 140) bei Gefahren, die über das Gebiet einer unteren Katastrophenschutzbehörde hinaus wirken, die obere oder oberste Katastrophenschutzbehörde für die Abwehrmaßnahmen zuständig ist; in anderen kann eine obere oder oberste Behörde als Katastrophenschutzbehörde oder als Aufsichtsbehörde die Lenkung der Abwehrmaßnahmen an sich ziehen (Bayern 141, Hessen 142, Mecklenburg-Vorpommern 143, Nordrhein-WestfaBehörde oder Stelle“. Da auswärtige Träger für die Katastrophenbekämpfung im Land nicht zuständig sind, können sie nicht nach dieser Vorschrift angefordert werden. Vergleichbares gilt für § 15 Abs. 2 LKatSG M-V, wonach die untere Katastrophenschutzbehörde Behörden, Dienststellen und öffentliche Einrichtungen in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich um Hilfeleistung ersuchen kann. 136 Dieser Gedanke wird von Einwag / Schoen, BGSG, Rn. 21 zu § 9 für die Anforderung des Bundesgrenzschutzes nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BGSG a.F. (Unterstützung der Polizei zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung) herangezogen. 137 Einsätze werden nach § 7 Satz 1 BbgBKG von der Gesamtführung geleitet und koordiniert. Diese hat nach § 7 Satz 2 Nr. 3 im Rahmen der Aufgaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 (zentrale Aufgaben des Katastrophenschutzes) der für Brand- und Katastrophenschutz zuständige Minister. 138 Nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 LBKG R-P hat bei Gefahren im Sinne von § 6 Nr. 1 LBKG R-P (kerntechnische Anlagen; sonstige Gefahr bringende Ereignisse, von denen Gefahren ausgehen können, die mehrere Landkreise oder kreisfreie Städte betreffen und zentrale Abwehrmaßnahmen erfordern) der Präsident der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion die Einsatzleitung. Der Einsatzleiter veranlaßt nach pflichtgemäßem Ermessen die zur Gefahrenabwehr notwendigen Maßnahmen, § 25 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P. 139 Nach § 2a Abs. 2 Satz 3 KatSG-LSA ist die obere Katastrophenschutzbehörde – dies ist nach § 2 Abs. 2 KatSG-LSA das Landesverwaltungsamt – zuständig für Aufgaben des Katastrophenschutzes, die sich über den Bereich einer unteren Katastrophenschutzbehörde hinaus erstrecken. Nach § 2a Abs. 3 Satz 4 KatSG-LSA ist die oberste Katastrophenschutzbehörde (das Ministerium des Innern, § 2 Abs. 3 KatSG-LSA) unter anderem zuständig für die Zusammenarbeit mit anderen Ländern und dem Bund. 140 Nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 ThBKG hat bei Gefahren im Sinne von § 7 Nr. 1 (Gefahren für mehrere Landkreise und / oder kreisfreie Städte, die zentrale Abwehrmaßnahmen erfordern) der für Brand- und Katastrophenschutz zuständige Minister die Einsatzleitung. Der Einsatzleiter veranlaßt nach pflichtgemäßem Ermessen die zur Gefahrenabwehr notwendigen Maßnahmen, § 26 Abs. 1 Satz 1 ThBKG. 141 Nach Art. 2 Abs. 3 Satz 1 BayKSG kann die Regierung oder das Staatsministerium des Innern die Leitung des Einsatzes sogar „unbeschadet des Absatzes 2“ (dieser befaßt sich mit Ereignissen, die über das Gebiet einer Kreisverwaltungsbehörde hinausgehen) übernehmen. 142 Gemäß § 35 Abs. 2 HBKG kann die obere oder die oberste Katastrophenschutzbehörde (das Regierungspräsidium bzw. das für Katastrophenschutz zuständige Ministerium, § 25 Abs. 1 Nr. 2 und 3 HBKG) die Zuständigkeit an sich ziehen, „insbesondere wenn sich die Katastrophe auf das Gebiet mehrerer unterer Katastrophenschutzbehörden erstreckt“. 143 § 16 Abs. 2 Satz 2 LKatSG M-V.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

len 144, Sachsen-Anhalt 145). 146 Bei Ereignissen, die die Anforderung landesfremder Hilfskräfte erforderlich machen, wird es sich in den meisten Fällen um Gefahren handeln, die über das Gebiet eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt hinaus wirken, so daß entweder eine obere oder oberste Katastrophenschutzbehörde originär zuständig ist oder gegebenenfalls die Zuständigkeit an sich ziehen kann. Gegen die Zuständigkeit unterer Katastrophenschutzbehörden für eine Anforderung läßt sich nicht anführen, nur oberste Landesbehörden als Zentralstellen könnten einschätzen und entscheiden, ob die eigenen Kräfte und Mittel ausreichen oder ob die Anforderung fremder Kräfte erforderlich ist 147. Zum einen dürfte letzteres in vielen Katastrophenfällen offensichtlich sein 148, zum anderen ist es Sache 144 Nach § 33 Abs. 6 Satz 2 FSHG NRW können die Aufsichtsbehörden (Aufsichtsbehörde ist für die kreisfreien Städte und die Kreise die Bezirksregierung, oberste Aufsichtsbehörde ist das Innenministerium, § 32 Abs. 2 und 3 FSHG NRW) „im übrigen“ die Leitung der Abwehrmaßnahmen an sich ziehen, wenn der Erfolg der Abwehrmaßnahmen nicht sichergestellt erscheint. 145 Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 KatSG-LSA kann die obere Katastrophenschutzbehörde (das Landesverwaltungsamt, § 2 Abs. 2 KatSG-LSA) im Rahmen ihrer Fachaufsicht die Gesamtleitung der Abwehrmaßnahmen übernehmen, wenn mehrere Katastrophenschutzbehörden den Katastrophenfall festgestellt haben. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 KatSG-LSA übernimmt die oberste Katastrophenschutzbehörde (das Ministerium des Innern, § 2 Abs. 3 KatSG-LSA) die Gesamtleitung, wenn zu besorgen ist, daß die nachgeordneten Katastrophenschutzbehörden nicht imstande sind, ihre Aufgaben der Katastrophenabwehr zu erfüllen. 146 Lediglich in Bremen gibt es keine entsprechende Regelung. Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 BremHilfeG sind die Ortskatastrophenschutzbehörden für die Durchführung des Katastrophenschutzes zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist. Eine anderweitige Bestimmung ist nicht ersichtlich. Von der Landeskatastrophenschutzbehörde (Senator für Inneres, Kultur und Sport) heißt es nur, daß sie den Katastrophenschutz auf Landesebene „koordiniert“ und die Aufsicht über die Ortskatastrophenschutzbehörden führt, § 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 BremHilfeG. 147 Dieses Argument ziehen Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 7 zu § 11 als Begründung für die Zuständigkeit der Innenminister für die Anforderung des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) heran, fahren dann aber fort, in Katastrophenfällen seien „häufig diejenigen Behörden zur Anforderung berechtigt, denen nach dem Landesrecht die Abwehr der Gefahr obliegt.“ Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 316 geht ebenfalls davon aus, daß nur die für die innere Sicherheit des Landes zuständige Zentralstelle beurteilen kann, ob die eigenen Kräfte ausreichen und meint, „aus Gründen des Ranges und der sachlichen Qualifikation“ sollten nur Zentralstellen des Landes mit den obersten Bundesbehörden verkehren. Dem Bundesinnenminister wäre es nicht zuzumuten, sich mit untergeordneten Landesdienststellen über die Verwendung des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) auseinanderzusetzen (S. 280). Nach Einwag / Schoen, BGSG, Rn. 27 zu § 9 ist es dagegen keineswegs erforderlich, daß die Landesregierung oder eine oberste Landesbehörde die Unterstützung durch den Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“) anfordert. 148 Etwa in Fällen, wo ein besonders personalintensiver Einsatz nötig wird (z. B. beim Deichbau), oder wo notwendige Hilfsmittel bei landeseigenen Stellen nicht vorhanden sind (z. B. Faltstraßen, Schwimmbrücken, Bergepanzer).

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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des Landesgesetzgebers, das Land durch entsprechende Regelungen vor dem Risiko einer unnötigen oder unerwünschten Anforderung zu bewahren. Im übrigen kann die notwendige Koordination gegebenenfalls im Wege der Fachaufsicht 149 oder über Festlegungen in Katastrophenschutzplänen oder Rahmen-Alarm- und Einsatzplänen 150 sichergestellt werden. b) Anforderung von Polizeikräften nach den Landespolizeigesetzen Die § 52 Abs. 1 Satz 1 ME-POG nachgebildeten landesrechtlichen Vorschriften ermöglichen die Vornahme von Amtshandlungen 151 durch landesfremde 152 Polizeikräfte unter Nr. 1 des jeweiligen Satzes „auf Anforderung oder mit Zustimmung“

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Vgl. auch Prandl / Oehler, Katastrophenschutz, Anm. 7 zu Art. 4 (S. 29): würden Kräfte des Bundes zugleich von mehreren Katastrophenschutzbehörden in Anspruch genommen, so müsse bei Nichteinigung letztlich die nächsthöhere Aufsichtsbehörde entscheiden, wo Hilfe zu leisten ist. 150 Für die Ausgestaltung der Anforderung fremder Kräfte sei beispielhaft angeführt: Nach dem vom Ministerium des Innern und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz herausgegebenen „Rahmen-Alarm- und Einsatzplan Hochwasser / Eisgang“ richten die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion und das Ministerium des Innern und für Sport bei Gefahrenlagen größeren Umfangs ständig erreichbare Koordinierungsstellen ein; diese haben unter anderem die Aufgabe, die landeseigene Ausrüstung einzusetzen, den Einsatz der Streitkräfte zu koordinieren, mit den Leitungen der Hilfsorganisationen Kontakt aufzunehmen, Hilfe aus anderen Bundesländern oder Nachbarstaaten anzufordern und die Medien auf Landesebene zu informieren (vgl. die Zusammenfassung bei Eisinger / Gräff, LBKG R-P, Erläuterung 8. 3. zu § 1). In Sachsen-Anhalt ist das Verfahren zur Anforderung von Kräften und Mitteln zur Bewältigung von Katastrophen und Großschadenslagen durch einen Runderlaß des Ministeriums des Innern geregelt (Erlaß vom 15. August 2005 – 25.31 –14600/12, MBl. LSA S. 545 ff.). 151 Nach § 11 Abs. 2 ThPOG dürfen polizeiliche Dienstkräfte in den genannten Fällen „polizeiliche Aufgaben wahrnehmen“. 152 Für Polizeibeamte des Bundes wird überwiegend nach dem Vorbild des § 52 Abs. 3 ME-POG auf die in den vorhergehenden Absätzen getroffenen Regelungen verwiesen: § 78 Abs. 3 PolG B-W; Art. 11 Abs. 5 Satz 1 BayPOG; § 77 Abs. 3 Satz 1 BbgPolG; § 81 Abs. 3 BremPolG; § 102 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 HSOG; § 103 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG; § 9 Abs. 3 POG NRW; § 86 Abs. 3 Hs. 1 POG R-P; § 88 Abs. 3 SPolG; § 77 Abs. 3 SächsPolG; § 91 Abs. 3 Satz 1 SOG LSA. Keine § 52 Abs. 3 ME-POG entsprechende Verweisungsvorschrift für Polizeibeamte des Bundes, sondern eine einheitliche Regelung für Polizeikräfte anderer Länder oder des Bundes findet sich in § 8 ASOG Bln; § 30a SOG Hmb; § 9 SOG M-V; § 170 LVwG S-H (für Polizeivollzugsbeamte, „die nicht in einem Dienstverhältnis zum Land SchleswigHolstein stehen“). § 11 ThPOG unterscheidet hinsichtlich der Möglichkeit eines Einsatzes, nicht jedoch hinsichtlich der Befugnisse, der Zurechnung und der Weisungsunterstellung zwischen den Kräften anderer Länder und solchen des Bundes.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

des Staatsministeriums des Innern (Bayern, Sachsen) 153, des Polizeipräsidenten (Berlin) 154 bzw. der „zuständigen“ Behörde 155 und führen unter Nr. 2 die Fälle der Art. 35 Abs. 2 und 3 und Art. 91 Abs. 1 GG an. Wer in diesen Fällen für eine Anforderung zuständig sein soll, wird in Nr. 2 nicht bestimmt. 156 Eine Ausnahme bildet das Polizeiorganisationsgesetz des Landes Thüringen, das in § 11 Abs. 2 Nr. 1 die beiden (in den übrigen Gesetzen getrennten) Nummern zusammenfaßt und die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben durch polizeiliche Dienstkräfte eines anderen Landes „vorübergehend in Einzelfällen auf Anforderung oder mit Zustimmung des für die Polizei zuständigen Ministeriums 157, insbesondere zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall (Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes)“ ermöglicht. Die zwischen einzelnen Ländern bestehenden Verwaltungsabkommen sehen für alle Fälle der Anforderung die Zuständigkeit des Ministeriums des Innern vor 158, in Bayern 159 und Thüringen 160 ist die Anforderung für den Fall des Art. 91 Abs. 1 GG allerdings bereits nach den Polizeigesetzen dem Ministerpräsidenten vorbehalten. Fehlen solche Zuständigkeitsregelungen, so kann jedenfalls hinsichtlich einer Anforderung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG die in den § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MEPOG entsprechenden Vorschriften getroffene Regelung herangezogen werden. 161 Dort ist das Tätigwerden landesfremder Kräfte allgemein „auf Anforderung oder 153

Art. 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayPOG; § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SächsPolG. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ASOG Bln. 155 § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG B-W („einer zuständigen Stelle“); § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BbgPolG; § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BremPolG; § 30a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SOG Hmb; § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HSOG („der zuständigen Polizeibehörde“); § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V; § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG; § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG NRW; § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG R-P; § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SPolG; § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SOG LSA; § 170 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVwG S-H. 156 Darauf, daß die Fälle nach Art. 35 Abs. 2 GG in den Polizeigesetzen gesondert erwähnt sind, eine Regelung der Zuständigkeit für diese Fälle jedoch „meist“ fehlt, wird hingewiesen von Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 7 Fn. 24 zu § 11. 157 Dies ist gemäß Beschluß der Thüringer Landesregierung über die Zuständigkeit der einzelnen Ministerien nach Artikel 76 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen vom 19. Oktober 2004 (GVBl. S. 829) das Thüringer Innenministerium. 158 Vgl. § 4 (Satz 1) der in diesem Teil in Fn. 107 aufgeführten Verwaltungsabkommen (für das Verwaltungsabkommen zwischen Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen: Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1). Keine Regelung über die Zuständigkeit für die Anforderung enthält § 4 der Verwaltungsvereinbarung zwischen Rheinland-Pfalz und dem Saarland sowie die Verwaltungsvereinbarung zwischen Hamburg, SchleswigHolstein und Niedersachsen. 159 Art. 11 Abs. 1 BayPOG. 160 § 11 Abs. 1 ThPOG. 161 Roese in Schmidbauer / Steiner / Roese, BayPAG, Rn. 5 zu Art. 11 BayPOG wendet für die in Art. 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayPOG genannten Fälle Art. 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 154

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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mit Zustimmung“ einer bestimmten bzw. „der zuständigen“ Behörde vorgesehen. Jedenfalls für den (im Gegensatz zu den Fällen der Art. 35 Abs. 2 Satz 1 und Art. 91 Abs. 1 GG) politisch unbedenklichen Fall der Anforderung zur Katastrophenhilfe spricht nichts dagegen, ihn als Unterfall der Anforderung nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ME-POG anzusehen. Demnach ist das Staatsministerium des Innern (Bayern, Sachsen) 162, der Polizeipräsident (Berlin) 163 bzw. „die zuständige Behörde“ 164 für eine Anforderung zuständig. Zuständige Behörde ist vorbehaltlich ausdrücklicher Regelungen 165 die, die für die zu unterstützende Maßnahme zuständig ist 166; es muß sich nicht um eine oberste Landesbehörde handeln 167. Zusammenfassend ist festzustellen, daß sich für eine Anforderung des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Polizeikräfte anderer Länder unterBayPOG (Zuständigkeit des Staatsministeriums des Innern) entsprechend an. Ähnlich gehen Berg / Knape / Kiworr, ASOG Bln, Anm. III. B. zu § 8 offenbar für alle Anforderungsfälle von der nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ASOG Bln begründeten Zuständigkeit – hier: des Polizeipräsidenten – aus. 162 Art. 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayPOG; § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SächsPolG. 163 § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ASOG Bln. 164 § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG B-W („einer zuständigen Stelle“); § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BbgPolG; § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BremPolG; § 30a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SOG Hmb; § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HSOG („der zuständigen Polizeibehörde“); § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V; § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG; § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG NRW; § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG R-P; § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SPolG; § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SOG LSA; § 170 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVwG S-H. 165 Nach Punkt III. Nr. 1 der Anordnung [des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg] zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei vom 9. Dezember 1991 (Amtl. Anz. S. 2493), zuletzt geändert durch Anordnung vom 22. Februar 2005 (Amtl. Anz. S. 413) ist zuständige Behörde im Sinne des § 30a SOG Hmb die Behörde für Inneres. 166 Vgl. Einwag / Schoen, BGSG, Rn. 21 zu § 9 zur Anforderung des Bundesgrenzschutzes nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BGSG a.F. Siehe auch De Clerck / Schmidt, POG R-P, Anm. II. 2. zu § 86: sie gehen von der grundsätzlichen Zuständigkeit des Ministeriums des Innern und für Sport aus, lassen bei Dringlichkeit jedoch Ausnahmen zu. Habe eine Polizeibehörde im Rahmen ihrer sachlichen und örtlichen Zuständigkeit gehandelt, so sei sie als zuständige Stelle im Rahmen der Vorschrift anzusehen. 167 Einwag / Schoen, BGSG, Rn. 27 zu § 9. Für eine Zuständigkeit auch unterer Behörden (unter Hinweis auf die Zurechnung der Maßnahmen und die systematische Stellung des § 78 PolG B-W) auch Wolf in Wolf / Stephan, PolG B-W, Rn. 2 zu § 78: baden-württembergische Polizeidienststellen und das Innenministerium. Für eine Zuständigkeit des jeweiligen Ministers des Innern für die Anforderung des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) Ernst, Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten, S. 315 f.; im Anschluß daran auch Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 7 zu § 11. Ebenso Walter in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, BGSG, Rn. 29 zu § 11 (unter Bezugnahme auf die „in den Ländern getroffenen Regelungen“). Von einer Zuständigkeit des jeweiligen Innenministers „nach der in den Ländern getroffenen Regelung“ geht auch Nr. 6 Abs. 3 BGSKatHiVwV aus. Allgemein Belz in Belz / Mußmann, PolG B-W, Rn. 3, 16 zu § 78: Innenministerium oder von ihm bestimmte Stelle.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

schiedliche Zuständigkeiten ergeben: Die Anforderung nach den Katastrophenschutzgesetzen und damit zur Unterstützung der Aufgaben der Katastrophenschutzbehörde (etwa durch schweres Gerät oder besondere technische Einrichtungen) erfolgt durch die Katastrophenschutzbehörden (verschiedener Instanzen), die Anforderung nach den Landespolizeigesetzen, also zur Unterstützung originär polizeilicher Aufgaben (etwa der Verkehrsregelung oder des Schutzes von Objekten vor Plünderern) obliegt den Polizeibehörden, überwiegend aber den Innenministerien. Zur Koordination der Anforderungen bedarf es daher der Absprache der anforderungsberechtigten Stellen, beispielsweise in einem Katastrophenschutzstab. 2. Sonstige formelle Erfordernisse einer Anforderung Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG macht keine formellen Vorgaben für eine Anforderung. Sowohl das Bundespolizeigesetz (§ 11 Abs. 4 Satz 2 BPolG) als auch die überwiegende Anzahl der Polizeigesetze der Länder sehen vor, daß die Anforderung alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrags enthalten soll 168. Entsprechende Bestimmungen enthalten auch die zwischen einzelnen Ländern geschlossenen Verwaltungsabkommen über die Zusammenarbeit ihrer Polizeikräfte 169, und zwar teilweise auch für Länder, in denen es eine derartige gesetzliche Regelung nicht gibt. Die entsprechenden Vorschriften sollen zum einen der entsendenden Stelle die Prüfung ihrer Entsendungspflicht ermöglichen 170: Nur anhand der wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrages kann eine Abwägung mit der Sicherheitslage im eigenen Land (bzw. im Bund) vorgenommen und entschieden werden, ob möglicherweise vorrangiger Eigenbedarf besteht 171 und die Kräfte im eigenen Land dringender 172 gebraucht werden 173. Zum anderen ist nur mittels genauer Angaben zum Einsatzauftrag eine Entscheidung darüber möglich, welche 168

Art. 10 Abs. 3 Satz 2 BayPOG; § 76 Abs. 2 Satz 2 BbgPolG; § 82 Abs. 2 Satz 1 BremPolG; § 30b Abs. 2 Satz 2 SOG Hmb; § 103 Abs. 2 Satz 3 HSOG; § 104 Abs. 2 Satz 2 Nds. SOG; § 8 Abs. 2 Satz 2 POG NRW; § 87 Abs. 2 Satz 2 POG R-P; § 89 Abs. 2 Satz 2 SPolG. 169 § 4 Satz 2 der in diesem Teil in Fn. 107 aufgeführten Verwaltungsabkommen (für das Verwaltungsabkommen zwischen Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen: Art. 2 Abs. 1 Satz 2). Das Verwaltungsabkommen zwischen BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz, die Verwaltungsvereinbarung zwischen RheinlandPfalz und dem Saarland und die Verwaltungsvereinbarung zwischen Hamburg, SchleswigHolstein und Niedersachsen enthalten keine entsprechende Regelung. 170 Schmidbauer in Schmidbauer / Steiner / Roese, BayPAG, Rn. 11 zu Art. 10. Nach Hornmann, HSOG, Rn. 5 zu § 103, enthält die Vorschrift einen allgemeinen Gedanken des Amtshilferechts. 171 Zum Eigenbedarf siehe im Ersten Teil unter C. III. 3. (dort S. 66 f.). 172 Zur Auslegung dieses in den Landespolizeigesetzen verwendeten Begriffs siehe sogleich unter B. IV. 2. (im Text bei Fn. 201 ff.).

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Kräfte mit welcher Ausrüstung den Einsatzauftrag am besten erfüllen können. 174 Schließlich kann das Land durch entsprechende Angaben bei der Anforderung auf die Art der zu entsendenden Einheit und ihre Einsatzmittel Einfluß nehmen. 175 Sonstige Formerfordernisse sind lediglich für die Bundespolizei und das Technische Hilfswerk geregelt. Nach Nr. 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGSKatHiVwV ist die Anforderung an keine Form gebunden, soll jedoch schriftlich ergehen. Eine nicht schriftliche Anforderung ist nachträglich schriftlich zu bestätigen. In vergleichbarer Weise regelt § 2 Abs. 1 der THW-Abrechnungsrichtlinie, daß die technische Hilfe auf schriftliche Anforderung (Formblatt) durchgeführt wird; wenn das Einholen einer schriftlichen Anforderung vor Durchführung der technischen Hilfe nicht möglich ist, so ist dies nachträglich durchzuführen oder die Anforderung durch einen Vermerk aktenkundig zu machen. Eine solche Regelung erscheint aus Gründen der Rechtsklarheit 176 zum Schutze des Anforderungsadressaten, dessen Kräfte grundsätzlich nicht ohne Anforderung in einem fremden Hoheitsbereich tätig werden dürfen, und der bei einem berechtigten Hilfseinsatz Anspruch auf Kostenerstattung hat, sinnvoll. Derartige Formerfordernisse sind zulässig, solange dadurch eine Hilfeleistung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG nicht unnötig erschwert wird. Dies ist bei einem grundsätzlichen Schriftformerfordernis, das im Ausnahmefall die nachträgliche schriftliche Bestätigung ausreichen läßt, nicht der Fall. Problematisch ist es allerdings, wenn nach einigen Landesgesetzen einer Anforderung nur dann entsprochen werden muß, wenn sie alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrags enthält 177. Derartige Regelungen sind verfassungsrechtlich und einsatzpraktisch bedenklich. Sie stellen eine Hürde auf, die in Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG nicht vorgesehen ist und rasches Handeln verhindern kann. Vorzuziehen ist die Formulierung als Soll-Vorschrift, die in begründeten Fällen Ausnahmen zuläßt 178. Gemäß Art. 7 Abs. 5 Satz 2 iVm Abs. 4 Sätze 2 und 3 BayKSG ist ein Ersuchen anderer Länder um die Hilfe von Kräften, die nach dem Bayerischen 173 Walter in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, BGSG, Rn. 45 zu § 11; Roos, POG R-P, Rn. 4 zu § 87; Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 7 zu § 11; Schmidbauer in Schmidbauer / Steiner / Roese, BayPAG, Rn. 11 zu Art. 10. 174 Walter in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, BGSG, Rn. 45 zu § 11; Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 7 zu § 11. 175 Darauf wird hingewiesen von Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 7 zu § 11; Schmidbauer in Schmidbauer / Steiner / Roese, BayPAG, Rn. 10 zu § 10. 176 Nach Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 8 zu § 11 ist die Anforderung des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) formfrei, sie sollte jedoch aus Gründen der Rechtsklarheit schriftlich festgehalten werden. 177 So § 7 Abs. 2 ASOG Bln; § 10 Abs. 2 SOG M-V; § 171 Abs. 2 LVwG S-H. 178 So für Art. 10 Abs. 3 Satz 2 BayPOG Schmidbauer in Schmidbauer / Steiner / Roese, BayPAG, Rn. 11 zu Art. 10.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Katastrophenschutzgesetz zur Katastrophenhilfe verpflichtet sind 179, über die für den Sitz oder den Standort der Verpflichteten zuständige Katastrophenschutzbehörde zu stellen 180; bei Gefahr im Verzug kann die Hilfe unter Benachrichtigung der zuständigen Katastrophenschutzbehörde unmittelbar angefordert werden. Diese Regelung trägt der Tatsache Rechnung, daß von einer Hilfeleistung außerhalb des eigenen Gebiets nicht nur der Träger der Kräfte und Einrichtungen, sondern auch die für dieses Gebiet zuständige Katastrophenschutzbehörde betroffen ist, weil die entsandten Kräfte für eine möglicherweise erforderliche Katastrophenabwehr in ihrem Gebiet nicht zur Verfügung stehen. 3. Kriterien für die Entscheidung über eine Anforderung fremder Kräfte Die § 52 ME-POG nachgebildeten Vorschriften der Landespolizeigesetze 181 enthalten keine Kriterien für die Entscheidung über die Anforderung, sondern stellen lediglich fest, daß landesfremde Polizeikräfte „in den Fällen der Artikel 35 Abs. 2 und 3 und Artikel 91 Abs. 1 des Grundgesetzes“ tätig werden können. Auch die Landeskatastrophenschutzgesetze, die den Einsatz fremder Kräfte vorsehen 182, bestimmen nicht, wann die Hilfe fremder Kräfte anzufordern ist. Lediglich § 10 Abs. 5 Satz 1 LKatSG-Saarland gibt vor, daß die Kräfte des Bundes und der Länder „im Bedarfsfalle“ angefordert werden, und in anderen Gesetzen gehört die Anforderung der „erforderlichen“ Hilfeleistung – allerdings ohne Benennung der Hilfskräfte – zu den Maßnahmen bei Katastrophen 183. Durch derartige Regelungen wird das oben 184 als Tatbestandsmerkmal ermittelte Kriterium der Erforderlichkeit der Hilfeleistung aufgegriffen, aber nicht näher konkretisiert.

179 Dies sind unter anderem Behörden und Dienstellen des Freistaates Bayern, Gemeinden, Landkreise, Bezirke, Feuerwehren, vgl. Art. 7 Abs. 3 BayKSG. 180 § 25 Abs. 5 Satz 2 FSHG NRW enthält trotz des mißverständlichen Wortlauts, wonach die Anforderung überörtlicher Hilfe (unter anderem der Gemeinden und der Landesbehörden und Einrichtungen des Landes) „über die Leitstelle“ erfolgt, keine vergleichbare Regelung. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (LT-Drs. 12/1993 S. 58) ging es bei Einführung der Vorschrift darum, aufgedrängte Hilfsleistungen zu verhindern; diesem Zweck dient die Verpflichtung, nur auf Anforderung der Leitstelle Hilfe zu leisten. 181 § 78 PolG B-W; Art. 11 Abs. 3 bis 5 BayPOG; § 8 ASOG Bln; § 77 BbgPolG; § 81 BremPolG; § 30a SOG Hmb; § 102 HSOG; § 9 SOG M-V; § 103 Nds. SOG; § 9 POG NRW; § 86 POG R-P; § 88 SPolG; § 77 SächsPolG; § 91 SOG LSA; § 170 LVwG S-H; § 11 ThPOG. 182 Vgl. dazu die in diesem Teil in Fn. 93 ff. aufgeführten Nachweise. 183 § 3 Abs. 1 Nr. 3 LKatSG B-W; § 37 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SächsBRKG; § 7 Abs. 1 Nr. 4 LKatSG S-H. 184 Im Ersten Teil unter C. I. 4.

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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IV. Ausgestaltung der Entscheidung über die Entsendung eigener Kräfte 1. Zuständigkeit für die Entscheidung über die Entsendung Nach den zwischen einigen Ländern 185 abgeschlossenen Verwaltungsabkommen werden Polizeikräfte unmittelbar beim jeweiligen Ministerium des Innern angefordert 186; diesem muß als Fachaufsichtsbehörde 187 auch die Zuständigkeit für eine Entscheidung über die Entsendung zukommen. In Bayern folgt die Entschei-

185 Zu den nicht durch Verwaltungsabkommen oder Gesetz geregelten Fällen siehe sogleich unten im Text bei Fn. 195. 186 Vgl. § 4 Satz 1 (Hs. 1) der in diesem Teil in Fn. 107 genannten Verwaltungsabkommen (für das Verwaltungsabkommen zwischen Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen: Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1). Zwar ist in § 4 der Verwaltungsvereinbarung zwischen Rheinland-Pfalz und dem Saarland lediglich die Anforderung von Einheiten der Bereitschaftspolizei geregelt; jedoch wird diese Formulierung darauf zurückzuführen sein, daß nach § 2 der Vereinbarung die gegenseitige Unterstützung in erster Linie durch den Einsatz von Einheiten der Bereitschaftspolizei gewährt wird. Auch sonstige Polizeikräfte dürften daher beim jeweiligen Ministerium des Innern anzufordern sein. Keine Regelung über die Anforderung enthält die Vereinbarung zwischen Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. 187 § 73 Abs. 1 PolG B-W: Fachaufsicht führen je nach Polizeidienststelle das Innenministerium oder das fachlich zuständige Ministerium (dies ist für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie für den Katastrophenschutz das Innenministerium, siehe Art. 1 Nr. III. 7. und 9. der Bekanntmachung der Landesregierung über die Abgrenzung der Geschäftsbereiche der Ministerien vom 24. Juli 2001, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 14. Juni 2005 [GBl.BW S. 420]); § 9 Abs. 2 Hs. 1 ASOG Bln; § 77 Abs. 1 Satz 1 BremPolG: Fachaufsicht des Senators für Inneres über den Polizeivollzugsdienst; § 96 Abs. 1 Satz 2, § 91 Abs. 3 Nr. 1 HSOG: Ministerium des Innern und für Sport als Landespolizeipräsidium (oberste Polizeibehörde); § 2 Abs 2 POG M-V: Innenministerium als oberste Polizeibehörde; § 94 Abs. 1 Nds. SOG; § 6 Abs. 3 POG NRW: das Innenministerium führt die oberste Fachaufsicht; § 92 Abs. 1 Satz 1 POG R-P: fachlich zuständiges Ministerium ist Aufsichtsbehörde, § 76 Abs. 1 POG R-P: Polizeibehörden und -einrichtungen unterstehen unmittelbar dem fachlich zuständigen Ministerium (fachlich zuständig für die Polizei ist nach § 4 Nr. 12 der Anordnung über die Geschäftsverteilung der Landesregierung Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 2006 [GVBl. S. 248] das Ministerium des Innern und für Sport); § 83 SPolG: Dienst- und Fachaufsicht, § 82 Abs. 4 Satz 1 SPolG: oberste Dienstbehörde der Vollzugspolizei; § 82 Abs. 2 Nr. 2 SOG LSA; § 2 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (Polizeiorganisationsgesetz – POG) vom 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408): das Innenministerium – Landespolizeiamt –. In Hamburg ist in der Anordnung [des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg] zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei vom 9. Dezember 1991 (Amtl. Anz. S. 2493), zuletzt geändert durch Anordnung vom 22. Februar 2005 (Amtl. Anz. S. 413) lediglich die Zuständigkeit für eine Anforderung fremder Kräfte (Punkt III Nr. 1), nicht aber die Zuständigkeit für die Entsendung eigener Kräfte geregelt.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

dungszuständigkeit aus Art. 1 Abs. 3 Satz 2 BayPOG, in Sachsen aus § 72 Abs. 1 SächsPolG: nach diesen Vorschriften ist das Staatsministerium des Innern oberste Führungsstelle der Polizei 188. Für die bayerische Bereitschaftspolizei ergibt sich die Entscheidungszuständigkeit des Staatsministeriums des Innern auch aus Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayPOG. 189 Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 DVO PolG B-W 190 dürfen Einheiten der baden-württembergischen Bereitschaftspolizei nur vom Innenministerium eingesetzt werden, eine Übertragung der Zuständigkeit auf die Dienststellen der Bereitschaftspolizei ist möglich 191. Nach § 10 Nr. 1 ThPOG darf die Polizei nur mit „Zustimmung“ des für die Polizei zuständigen Ministeriums, derzeit also des Innenministeriums 192, unter den Voraussetzungen des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG außerhalb Thüringens tätig werden. Ob mit „Zustimmung“ die Entscheidung über einen Einsatz gemeint ist, oder ob das zuständige Ministerium einer von einer anderen Stelle getroffenen Entscheidung zustimmen muß, ist unklar. Jedenfalls nach § 4 Satz 1 Hs. 1 der zwischen Thüringen und Bayern bzw. Hessen geschlossenen Verwaltungsabkommen werden die Polizeikräfte beim jeweiligen Ministerium des Innern angefordert. Über die Verwendung des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) entscheidet nach § 11 Abs. 3 Satz 1 BPolG im Fall des Art. 35 Abs. 3 GG die Bundesregierung, im übrigen das Bundesministerium des Innern. Das Bundesministerium des Innern kann seine Entscheidungsbefugnis in bestimmten Fällen durch Verwaltungsvorschrift auf die Grenzschutzpräsidien übertragen (§ 11 Abs. 3 Satz 2 BPolG). Diese Übertragungsmöglichkeit ist rechtliche Grundlage für die Zuständigkeitsregelungen der BGS-Katastrophenhilfe-Verwaltungsvorschrift. Nach Nr. 8 Abs. 2 Buchstabe a) BGSKatHiVwV trifft die Entscheidung über eine Verwendung in Fällen der technischen Katastrophenhilfe in der Regel das 188

§ 72 Abs. 1 SächsPolG: des Polizeivollzugsdienstes. So für die Begründung der Entscheidungszuständigkeit Schmidbauer in Schmidbauer / Steiner / Roese, BayPAG, Rn. 10 zu Art. 10. 190 Verordnung des Innenministeriums [des Landes Baden-Württemberg] zur Durchführung des Polizeigesetzes (DVO PolG, im Folgenden: DVO PolG B-W) vom 16. September 1994 (GBl. S. 567), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Juli 2004 (GBl. S. 469). 191 Nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 DVO PolG B-W dürfen Einheiten der Bereitschaftspolizei auch von ihren Vorgesetzten eingesetzt werden, wenn bei Katastrophen, Unglücksfällen oder sonstigen Ereignissen ein sofortiger Einsatz notwendig ist. Hierbei dürfte es sich um eine Regelung der selbst initiierten Hilfe (auch im eigenen Land) handeln: Eine Anforderung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG hat nach den zwischen dem Land Baden-Württemberg und anderen Ländern getroffenen Verwaltungsabkommen (siehe die Nachweise in diesem Teil in Fn. 107) beim Ministerium des Innern zu erfolgen; in diesem Fall kann das Ministerium des Innern auch über den Einsatz entscheiden, es besteht kein Bedarf an einer Eilzuständigkeit des Vorgesetzten. 192 Vgl. Beschluß der Thüringer Landesregierung über die Zuständigkeit der einzelnen Ministerien nach Artikel 76 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen vom 19. Oktober 2004 (GVBl. S. 829). 189

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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zuständige 193 Grenzschutzpräsidium („Bundespolizeipräsidium“) 194; in dringenden Fällen kann auch der Kommandeur eines Verbandes oder der Führer einer selbständigen Einheit entscheiden; ein solcher Einsatz ist dem zuständigen Grenzschutzpräsidium („Bundespolizeipräsidium“) unverzüglich zu melden. Die Entscheidung über eine Verwendung in Fällen der polizeilichen Katastrophenhilfe trifft nach Nr. 8 Abs. 2 Buchstabe b) BGSKatHiVwV der Bundesminister des Innern. Wenn bei Gefahr im Verzug die durch vorherige Einholung der Entscheidung des Bundesministers des Innern eintretende Verzögerung den Einsatzerfolg gefährden würde, hat das Grenzschutzpräsidium („Bundespolizeipräsidium“) – soweit es dienstlich vertretbar ist – einer Anforderung bis zur Stärke einer Hundertschaft zu entsprechen (Nr. 8 Abs. 3 BGSKatHiVwV). Über den Einsatz von „Truppenteilen und militärischen Dienststellen der Bundeswehr“ entscheiden nach Nr. 11 Abs. 1 des Erlasses über Hilfeleistungen der Bundeswehr grundsätzlich „entsprechend dem Ausmaß die jeweils regional oder örtlich zuständigen Befehlshaber / Kommandeure (Territorialkommando [TerrKdo], Wehrbereichskommando [WBK], Verteidigungsbezirkskommando [VBK], Verteidigungskreiskommando [VKK]) im Einvernehmen mit den Kommandobehörden und Einheitsführern der Teilstreitkräfte“; die zuständige Wehrbereichsverwaltung ist zu beteiligen (Nr. 11 Abs. 2). Für die Entscheidung über die Abgabe von persönlicher Ausrüstung, Liegenschaftsmaterial, Verpflegung und Bekleidung sind abweichende Regelungen getroffen (Nr. 17 Abs. 1 bis 3), ebenso für die Entscheidung über Durchführung oder Weiterführung von Hilfsmaßnahmen nach erstmaliger Erhöhung des Bereitschaftsstandes der Bundeswehr oder nach Auslösung einer Alarmmaßnahme oder einer Alarmstufe gemäß Alarmplan der Bundeswehr (Nr. 12). Über die Übernahme von Hilfeleistungen durch das Technische Hilfswerk entscheidet nach § 3 Abs. 1 der THW-Abrechnungsrichtlinie bei Teilnahme eines Ortsverbandes der Ortsbeauftragte (Nr. 1), bei Teilnahme mehrerer Ortsverbände eines Geschäftsführerbereiches die Ortsbeauftragten im Benehmen mit der Geschäftsstelle (Nr. 2), bei Teilnahme von Ortsverbänden aus mehreren Geschäfts193 Zur örtlichen Zuständigkeit der Bundespolizeipräsidien (früher: Grenzschutzpräsidien) siehe § 2 der Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden (BPolZV) vom 28. Juni 2005 (BGBl. I S. 1870). 194 Mit der Neuorganisation des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) durch das Gesetz zur Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit auf den Bundesgrenzschutz vom 23. Januar 1992 (BGBl. I S. 178) traten Grenzschutzpräsidien („Bundespolizeipräsidien“) an die Stelle der bisherigen Grenzschutzkommandos und Grenzschutzverwaltungen. Die durch Nr. 8 Abs. 2, 3 BGSKatHiVwV begründete Zuständigkeit der Grenzschutzkommandos und der Grenzschutzverwaltungen ging nach Nr. I.3. des Organisationserlasses zur Neuordnung der Behörden und Dienststellen des Bundesgrenzschutzes vom 1. April 1992 (GMBl. S. 313) auf das jeweilige Grenzschutzpräsidium („Bundespolizeipräsidium“) über.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

führerbereichen der Landesbeauftragte im Benehmen mit den beteiligten Ortsbeauftragten und Geschäftsstellen (Nr. 3); in den Fällen der Nrn. 1 und 2 ist bei Hilfeleistungen größeren Umfangs, längerer Dauer oder mit besonderer Gefährlichkeit Einvernehmen mit dem Landesbeauftragten herzustellen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 THW-Abrechnungsrichtlinie). Sofern es keine ausdrücklichen Zuständigkeitsbestimmungen 195 gibt, muß die Entscheidung über eine Entsendung der für die angeforderten Einrichtungen oder Kräfte zuständigen Stelle oder Behörde des Trägers zustehen – bei Einrichtungen oder Kräften des Selbstverwaltungsbereichs der Gemeinden oder Kreise also der Gemeinde- bzw. Kreisverwaltung, bei Einrichtungen oder Kräften des Landes der jeweils zuständigen Mittelbehörde bzw. dem Ministerium. Formelle Anforderungen an eine Entscheidung über die Entsendung gibt es nicht. 196 2. Kriterien für eine Entscheidung über die Entsendung Diverse gesetzliche Regelungen legen fest, ob und wie einer Anforderung zu entsprechen ist. Bezüglich der Auswahl der zu entsendenden Kräfte sehen die zwischen einigen Ländern geschlossenen Verwaltungsabkommen 197 vor, daß die gegenseitige Unterstützung in erster Linie durch den Einsatz von Einheiten der Bereitschaftspolizei gewährt wird. Nach Nr. 16 des Erlasses über Hilfeleistungen der Bundeswehr müssen Art und Umfang der Hilfeleistungen dem Ausmaß der Katastrophe entsprechen, ein unangemessen hoher personeller und materieller Aufwand ist zu vermeiden. Soweit erforderlich, werden auch Fahrzeuge, Geräte und Material eingesetzt und Notunterkünfte zur Verfügung gestellt; dies gilt auch für Sanitätsmaterial und -einrichtungen.

195 In Sachsen-Anhalt ist die oberste Katastrophenschutzbehörde – dies ist nach § 2 Abs. 3 KatSG-LSA das Ministerium des Innern – für die länderübergreifende Katastrophenhilfe zuständig; siehe auch Punkt 3.1 des Runderlasses des Ministeriums des Innern über die Anforderung von Kräften und Mitteln zur Bewältigung von Katastrophen und Großschadenslagen vom 15. August 2005 – 25.31 – 14600/12 (MBl. S. 545). 196 Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 8 zu § 11; die Autoren raten jedoch, die „Zustimmung“ (gemeint ist wohl: die zustimmende Entscheidung über eine Entsendung) aus Gründen der Rechtsklarheit schriftlich festzuhalten. 197 Siehe § 2 der in diesem Teil in Fn. 107 genannten Verwaltungsabkommen (für das Verwaltungsabkommen zwischen Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen: Art. 1 Abs. 4). Die Vereinbarung zwischen Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen sieht die Entsendung geschlossener Polizei-Einheiten vor (Art. 3 Abs. 1).

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Ein Einsatzverbot enthält § 2 Abs. 5 der THW-Abrechnungsrichtlinie: Danach dürfen Hilfeleistungen aller Art nicht übernommen werden, wenn keine geeignete ausgebildete Führungskraft, nicht genügend ausgebildete Helfer oder nicht genügend geeignete Ausstattung zur Verfügung stehen. Nach § 82 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 BremPolG darf dem Ersuchen nicht entsprochen werden, wenn aus ihm ersichtlich ist, daß die geforderten Amtshandlungen nach dem Recht des ersuchenden Landes oder des Bundes rechtswidrig sind. Dies folgt bereits aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Demgegenüber sind die Regelungen einiger Landesgesetze, nach denen einer Anforderung nur dann zu entsprechen ist, wenn sie alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrags enthält, verfassungsrechtlich bedenklich. 198 Sowohl nach § 11 Abs. 4 Satz 1 BPolG als auch nach den meisten der § 53 Abs. 2 Satz 1 ME-POG nachgebildeten landesrechtlichen Regelungen 199 ist einer Anforderung zu entsprechen, soweit nicht die Verwendung für Bundesaufgaben bzw. im eigenen Land dringender ist als die Unterstützung des Landes bzw. der Polizei des anderen Landes. Nach dem Wortlaut scheint diese einfachgesetzliche Selbstverpflichtung über die für die Hilfeleistung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ermittelte Verpflichtung 200 hinauszugehen: Wenn einer Anforderung zu entsprechen ist, soweit nicht die Verwendung im eigenen Land dringender ist als die Unterstützung des anderen Landes, so besteht auch dann eine Entsendungspflicht, wenn die Verwendung im eigenen Land gleich dringend 201 ist wie die Unterstützung des anderen Landes. Der verfassungsrechtlichen Hilfspflicht nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG kann 198

Siehe dazu soeben in diesem Teil unter B. III. 2. (im Text bei Fn. 177). § 79 Abs. 2 PolG B-W; Art. 10 Abs. 3 Satz 1 BayPOG; § 76 Abs. 2 Satz 1 BbgPolG; § 30b Abs. 2 Satz 1 SOG Hmb; § 103 Abs. 2 Satz 1 HSOG; § 104 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG; § 8 Abs. 2 Satz 1 POG NRW; § 87 Abs. 2 Satz 1 POG R-P; § 78 Abs. 2 SächsPolG; § 92 Abs. 2 SOG LSA. Negativ, aber inhaltlich gleichbedeutend formulieren § 82 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BremPolG und § 89 Abs. 2 Satz 1 SPolG, einer Anforderung brauche nicht entsprochen zu werden, wenn die Verwendung im eigenen Land dringender sei als die Unterstützung des anderen Landes. Vgl. auch § 1 Abs. 3 bzw. Art. 1 Abs. 3 der in diesem Teil in Fn. 107 aufgeführten Verwaltungsabkommen. Ausnahmen: Die Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit der Polizeikräfte von Rheinland-Pfalz und dem Saarland enthält keine vergleichbare Regelung. Nach § 1 Abs. 3 des Verwaltungsabkommens zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Land Rheinland-Pfalz wird Unterstützung gewährt, „soweit es die Sicherheitslage im eigenen Land zuläßt“. Nach Art. 3 Abs. 1 der Vereinbarung zwischen Hamburg, SchleswigHolstein und Niedersachsen sind die vertragschließenden Länder bereit, Hilfe zu entsenden, „soweit sich dies nach ihrem Ermessen mit den eigenen Belangen verträgt“. 200 Dazu siehe im Ersten Teil unter C. III. 3. (dort S. 66 f.). 199

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

jedoch bereits Eigenbedarf in einer das Anforderungsrecht nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 oder Art. 91 Abs. 1 GG begründenden Situation entgegengehalten werden. Ein von einer Katastrophe betroffenes, selbst anforderungsberechtigtes Land darf also einem anderen anforderungsberechtigten Land die Hilfe verweigern, selbst wenn in einem derartigen Fall die Verwendung im eigenen Land lediglich „gleich dringend“ ist wie die Unterstützung des ersuchenden Landes. Ähnliches gilt für eine Anforderung der Bundespolizei – auch wenn es in diesem Fall wegen des unterschiedlichen Aufgabenbereichs der Landespolizei einerseits und der Bundespolizei andererseits schwieriger ist, die Dringlichkeit einer Situation zu vergleichen. Für die Bundespolizei besteht verfassungsrechtlich keine Hilfspflicht, wenn wesentliche Interessen der inneren Sicherheit – etwa bei inneren Unruhen – den Einsatz im originären Aufgabenbereich erforderlich machen. Zwar ist es grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen, ob er sich über die im Grundgesetz vorgesehene Hilfspflicht hinaus binden will. Die Folge der getroffenen Regelung ist jedoch wenig sinnvoll: Ginge man mit dem Wortlaut des einfachen Gesetzes von einer Entsendungspflicht auch bei gleicher Dringlichkeit aus, so müßte ein ersuchtes und selbst katastrophenbetroffenes Land A dem gleichermaßen betroffenen anfordernden Land B Kräfte zur Unterstützung schicken, während gleichzeitig das Land B dem ebenso betroffenen Land A Hilfe leisten müßte. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, muß bei der Auslegung des Begriffs „dringender“ die verfassungsrechtliche Überlegung herangezogen werden, daß bei gleicher Gefährdungslage die Bekämpfung der Gefahr im eigenen Land bzw. im originären Aufgabenbereich Vorrang vor der Hilfeleistung in einem fremden Land bzw. in einem fremden Aufgabenbereich hat. Bei gleicher Gefahrenintensität im anfordernden und im ersuchten Land ist die Verwendung der landeseigenen Kräfte zur Gefahrenabwehr im eigenen Land „dringender“ als die Hilfeleistung. 202 Der Einsatz der Bundespolizei in ihr originär zugewiesenen Aufgaben ist, wenn es um wesentliche Interessen der inneren Sicherheit geht, „dringender“ als der Einsatz zur Unterstützung eines Landes. 203 201 Eine Situation mit gleich dringender Gefährdung dürfte praktisch selten vorkommen; wenn mehrere Länder von einer Katastrophe betroffen sind, so werden sie die nicht betroffenen Länder, nicht aber die ebenfalls betroffenen um Hilfe ersuchen. 202 Unklar Wolf in Wolf / Stephan, PolG B-W, Rn. 6 zu § 79, der darauf hinweist, daß ein Verweigerungsrecht nur besteht, wenn die Verwendung im eigenen Land dringender, nicht gleich dringend ist. Gleichzeitig verweist er jedoch auf Rn. 3 zu § 78, wonach die Verpflichtung nach 35 Abs. 2 Satz 2 GG nicht besteht, wenn dem Gründe von gleicher oder stärkerer Bedeutung entgegenstehen. 203 Nach Einwag / Schoen, BGSG, Rn. 38 zu § 9 kann es nicht Sinn des § 9 Abs. 3 Satz 1 BGSG a.F. (heute in leicht geänderter Form § 11 Abs. 4 Satz 1 BPolG) sein, daß einer Anforderung von Kräften des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) bereits dann entsprochen werden muß, wenn der Einsatz zur Unterstützung des Landes lediglich ebenso

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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Da sich eine Hilfspflicht direkt aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt, ist es unschädlich, wenn sie – wie im Polizeiorganisationsgesetz des Landes Thüringen – nicht einfachgesetzlich festgeschrieben ist. Problematisch ist allerdings die Formulierung lediglich als Sollvorschrift in § 78 Abs. 2 SächsPolG 204. Die vom Grundgesetz vorgegebene Hilfspflicht kann durch einfaches Gesetz nicht eingeschränkt werden. Die Möglichkeit, die Hilfsleistung im Ausnahmefall auch ohne Berufung auf Eigenbedarf zu verweigern, muß sich auf Anforderungsfälle außerhalb der grundgesetzlichen Hilfspflichten beschränken. 205

V. Ausstattung der landesfremden Kräfte mit Eingriffsbefugnissen Wie oben 206 erläutert, kann nur das jeweils betroffene Land den Anwendungsbereich seines Landesrechts bestimmen und landesfremde Kräfte mit Eingriffsbefugnissen ausstatten. § 11 Abs. 2 Satz 1 BPolG, wonach sich die Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei nach dem für das Land geltenden Recht richtet, hat deswegen ebensowenig eigenständige Bedeutung 207 wie die noch auf § 10 Abs. 3 BGSG a.F. gestützte Vorschrift der Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 BGSGKatHiVwV, nach der der Bundesgrenzschutz bei der Durchführung der polizeilichen Katastrophenhilfe die Befugnisse der jeweiligen Landespolizei hat. Ebenfalls keine Regelungswirkung kommt Nr. 5 des Erlasses über Hilfeleistungen der Bundeswehr zu, wonach der Bundeswehr kraft Gesetzes hoheitliche Befugnisse auch polizeilicher Art zustehen sollen 208, soweit sie zur Durchführung der Hilfeleistung erforderlich sind. dringend ist wie die Verwendung des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) für Bundesaufgaben. Die Vorschrift sei also so zu verstehen, daß einer Anforderung zu entsprechen ist, wenn der Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) zur Unterstützung des Landes dringender sei als die Verwendung für Bundesaufgaben. 204 „Einer Anforderung [...] soll entsprochen werden, soweit nicht die Verwendung der Polizeikräfte im Freistaat Sachsen dringender ist als die Unterstützung des Bundes oder des anderen Bundeslandes.“ 205 In diese Richtung wohl auch Belz, SächsPolG, Rn. 4 zu § 78: danach greift die Sollvorschrift nur, soweit keine Verpflichtung aus dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens oder aus Amtshilfegrundsätzen besteht. Ähnlich Rommelfanger / Rimmele, SächsPolG, Rn. 7 zu § 79, die § 78 Abs. 2 SächsPolG für „sonstige Fälle“ (außerhalb der Art. 35 und 91 GG) als Sollvorschrift ausgestaltet sehen. 206 Im Ersten Teil unter C. IV. 3. 207 Für deklaratorischen Charakter des § 11 Abs. 2 Satz 1 BPolG Walter in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, BGSG, Rn. 39 zu § 40. 208 Nach Lorse, Die Verwaltung 38 (2005) S. 471 (479) handelt es sich dabei um die Vorstellung eines derivativen Erwerbs landesgesetzlicher Befugnisse kraft Anforderung durch die Länder. Für hoheitliche Befugnisse kraft Gesetzes auch Saländer, Truppenpraxis 1974 S. 161 (162).

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Wegen der Qualifikation der Hilfeleistung als Mandat genügt eine einfachgesetzliche „Öffnungsklausel“, eine (landes-)verfassungsrechtliche Regelung ist nicht erforderlich, da keine Hoheitsrechte übertragen werden. 209 Für den Einsatz von Polizeikräften anderer Länder und solchen des Bundes gibt es in allen Ländern derartige einfachgesetzliche Vorschriften: Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 ME-POG haben Polizeivollzugsbeamte eines anderen Landes bei einem Tätigwerden nach Abs. 1 (dort ist in Satz 1 Nr. 2 unter anderem der Fall des Art. 35 Abs. 2 GG erfaßt) die gleichen Befugnisse wie die des Einsatzlandes, nach § 52 Abs. 3 ME-POG gilt dies für Polizeivollzugsbeamte des Bundes entsprechend. Entsprechende Regelungen wurden von allen Ländern in ihre Polizei(organisations)gesetze aufgenommen 210. Damit werden jedoch nur Polizeikräfte der Länder und des Bundes erfaßt. Für den Einsatz von Kräften anderer Verwaltungen und für den Einsatz der Streitkräfte finden sich lediglich in Berlin 211 und Hamburg 212 sowie partiell in Bayern 213 in den Katastrophenschutzgesetzen Vorschriften, durch die fremde Einsatzkräfte mit Eingriffsbefugnissen ausgestattet werden. Zu beachten ist, daß das Technische Hilfswerk nach seiner Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 2 Nr. 3 THW-HelfRG

209

Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 6. (im Text bei Fn. 424). § 52 Abs. 2 Satz 1 ME-POG entsprechen: § 78 Abs. 2 Satz 1, § 78 Abs. 3 PolG B-W; Art. 11 Abs. 4 Satz 1, Art. 11 Abs. 5 Satz 1 BayPOG; § 8 Abs. 2 Satz 1 ASOG Bln; § 7 Abs. 2 Satz 1, § 77 Abs. 3 Satz 1 BbgPolG; § 81 Abs. 2 Satz 1, § 81 Abs. 3 BremPolG; § 30a Abs. 2 Satz 1 SOG Hmb; § 102 Abs. 2 Satz 1, § 102 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 HSOG; § 9 Abs. 2 Satz 1 SOG M-V; § 103 Abs. 2 Satz 1, § 103 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG; § 9 Abs. 2 Satz 1, § 9 Abs. 3 POG NRW; § 86 Abs. 2 Satz 1, § 86 Abs. 3 Hs. 1 POG R-P; § 88 Abs. 2 Satz 1, § 88 Abs. 3 SPolG; § 77 Abs. 2 Satz 1, § 77 Abs. 3 SächsPolG; § 91 Abs. 2 Satz 1, § 91 Abs. 3 Satz 1 SOG LSA; § 170 Abs. 2 Satz 1 LVwG S-H. Das Polizeiorganisationsgesetz des Landes Thüringen wählt demgegenüber eigenständige Formulierungen; nach seinem § 11 Abs. 4 Satz 1 haben polizeiliche Dienstkräfte eines anderen Landes oder des Bundes die gleichen Befugnisse wie die Thüringer Polizei, wenn sie nach den Absätzen 2 (Aufgabenwahrnehmung polizeilicher Dienstkräfte eines anderen Landes unter anderem im Fall des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG) oder 3 (Aufgabenwahrnehmung polizeilicher Kräfte des Bundes zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr oder auf Anforderung oder mit Zustimmung des zuständigen Ministeriums) tätig werden. 211 § 16 Abs. 2 KatSG Bln. 212 § 3 Abs. 2 HmbKatSG. Hamburg hält mit § 30 SOG Hmb sogar eine allgemeine Vorschrift bereit, wonach Bedienstete oder Kräfte des Bundes, eines anderen Landes, eines Kreises oder einer Gemeinde im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg bei Maßnahmen zur Gefahrenabwehr auf Anforderung oder mit Zustimmung der zuständigen Behörde Amtshandlungen vornehmen können und bei diesen Amtshandlungen die gleichen Befugnisse wie die entsprechenden Bediensteten oder Kräfte der Freien und Hansestadt Hamburg haben. 213 Art. 10 Satz 2 BayKSG: Bei Gefahr im Verzug Befugnis der von der Katastrophenschutzbehörde dazu beauftragten eingesetzten Kräfte zur Platzverweisung und Räumung, soweit Polizei nicht zur Verfügung steht. 210

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

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lediglich technische Hilfe leistet 214, also unabhängig von der Ausstattung mit Eingriffsbefugnissen durch Landesrecht keine Eingriffe vornehmen kann. Regelungen, nach denen die landesfremden Kräfte der zuständigen Katastrophenschutzbehörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben „helfen“ 215, versehen die eingesetzten Kräfte ebensowenig mit Eingriffsbefugnissen wie Vorschriften, nach denen sie den Weisungen der zuständigen Katastrophenschutzbehörde unterstehen. In diesen Fällen fehlt es an einer „Öffnungsklausel“. Die landesfremden Kräfte haben keinerlei hoheitliche Befugnisse, sie können nur sog. „technische Hilfe“ leisten. Alle Eingriffsmaßnahmen müssen von der (landeseigenen oder -fremden) Polizei und der landeseigenen Katastrophenschutzbehörde – sofern diese mit hinreichenden Eingriffsbefugnissen ausgestattet ist – getroffen werden.

VI. Regelungen über Zurechnung und Weisungsverhältnisse Auch für die Ausgestaltung des Einsatzes landesfremder Kräfte liegt die Gesetzgebungsbefugnis bei den Ländern; eine Bundeskompetenz ist nicht ersichtlich 216. § 11 Abs. 2 Satz 2 BPolG, wonach die Bundespolizei bei einer Verwendung zur Unterstützung eines Landes (vorbehaltlich des Art. 35 Abs. 3 GG) den fachlichen Weisungen des Landes unterliegt, kann daher lediglich klarstellende Funktion zukommen. Gleiches gilt für die die Weisungsverhältnisse regelnden Vorschriften der BGS-Katastrophenhilfe-Verwaltungsvorschrift 217 und des Erlasses über Hilfeleistungen der Bundeswehr 218.

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Deutlich formulierte insofern Abschnitt II Abs. 2 des inzwischen außer Kraft getretenen Erlasses über die Errichtung des Technischen Hilfswerks (siehe den Nachweis im Ersten Teil unter C. III. 1. b) in Fn. 119): „Hoheitliche Aufgaben werden vom Technischen Hilfswerk nicht wahrgenommen“. 215 § 19 Satz 2 KatSG-LSA; § 25 Satz 2 NKatSG. 216 Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 3. a) bb) und cc). 217 Nach Nr. 8 Abs. 6 BGSKatHiVwV unterliegen (außer im Fall des Art. 35 Abs. 3 GG) die Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) den fachlichen Weisungen des Landes, in dem sie verwendet werden; sie erhalten den Auftrag für ihren Einsatz von der Einsatzleitung des Landes. Für die Art und Weise der Durchführung sind sie selbst verantwortlich, soweit nicht hierfür dem Führer der eingesetzten Kräfte und Einrichtungen Rahmenweisungen gegeben werden. 218 Nach Nr. 14 des Erlasses über Hilfeleistungen der Bundeswehr erhält der den Einsatz der Truppenteile und Dienststellen leitende Offizier seine Weisung für den Einsatz von dem für den Gesamteinsatz aller beteiligten Helfer verantwortlichen Katastropheneinsatzleiter der zuständigen Behörde der inneren Verwaltung der Länder; nach Nr. 15 Satz 1 bleiben die zur Hilfeleistungen eingesetzten Bundeswehrangehörigen ihren Kommandeuren, Dienststellenleitern und Einheitsführern unterstellt.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Regelungen zu den Weisungsverhältnissen finden sich in den § 52 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 ME-POG nachgebildeten Vorschriften der Polizei(organisations)gesetze 219. Danach gelten Maßnahmen der landesfremden Kräfte als Maßnahmen derjenigen Polizeibehörde, in deren Zuständigkeitsbereich sie tätig geworden sind, und sie unterliegen insoweit deren Weisungen. Lediglich in Mecklenburg-Vorpommern 220 und in Schleswig-Holstein 221 gibt es keine Regelung der Weisungsbefugnisse. Der Formulierung „insoweit“ läßt sich entnehmen, daß sich die Weisungsbefugnisse nur auf die jeweilige polizeiliche Maßnahme beziehen 222, nicht etwa auf sonstige (z. B. personalrechtliche 223) Entscheidungen über die Rechte und Pflichten des Beamten. Für diese bleibt es bei der Weisungsbefugnis der zuständigen Herkunftsbehörde. Unklar ist die Formulierung einiger Landesgesetze 224, die fremden Polizeikräfte unterstünden „insoweit auch“ den Weisungen der Behörde, in deren Zuständigkeitsbereich sie tätig werden. Eine Unterstellung unter die Weisungen zweier Behörden hinsichtlich der selben Maßnahme kommt nicht in Betracht, zumal es auch in diesen Vorschriften bei der in § 52 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 ME-POG vorgesehenen Zurechnung der Maßnahme zur fremden Behörde bleibt. Die Formulierung kann nur als Hinweis darauf verstanden werden, daß sich an den dienstrechtlichen Weisungsbefugnissen der Herkunftsbehörde nichts ändert, und daß daneben lediglich für die in Frage stehenden Maßnahmen eine fachliche Weisungsbefugnis der fremden Behörde begründet wird. Nach den zwischen einzelnen Ländern geschlossenen Verwaltungsabkommen werden die zur Verfügung gestellten Kräfte dem für den Einsatzort zuständigen Einsatzleiter unterstellt 225. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 DVO PolG B-W führen die Einheiten der Bereitschaftspolizei ihre Aufgaben nur nach den Weisungen ihrer Vorgesetzten durch; demnach können Weisungen eines Einsatzleiters nur an den Führer einer Einheit ergehen. Nach Art. 3 Abs. 2 der Vereinbarung zwischen Ham219 § 78 Abs. 2 Satz 3 PolG B-W; Art. 11 Abs. 4 Satz 2 Hs. 2 BayPOG; § 8 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 ASOG Bln; § 77 Abs. 2 Satz 3 BbgPolG; § 81 Abs. 2 Satz 3 BremPolG; § 30a Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 SOG Hmb; § 102 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 HSOG; § 103 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 Nds. SOG; § 9 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 POG NRW; § 86 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 POG R-P; § 88 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 SPolG; § 77 Abs. 2 Satz 3 SächsPolG; § 91 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 SOG LSA; § 11 Abs. 4 Satz 2 Hs. 2 ThPOG. 220 Vgl. § 9 SOG M-V. 221 Vgl. § 170 LVwG S-H. 222 De Clerck / Schmidt, POG R-P, Anm. VII. 2. zu § 86. 223 Hornmann, HSOG, Rn. 9 zu § 102; Martell in Meixner / Martell, SOG LSA, Rn. 8 zu § 91. 224 § 81 Abs. 2 Satz 3 BremPolG; § 103 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 Nds. SOG; § 91 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 SOG LSA. 225 § 5 Satz 1 der in diesem Teil in Fn. 107 nachgewiesenen Verwaltungsabkommen (für das Verwaltungsabkommen zwischen Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen: Art. 2 Abs. 2). Zur Vereinbarung zwischen Hamburg, SchleswigHolstein und Niedersachsen siehe sogleich im Text.

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

239

burg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen 226 erfolgt der Einsatz der zur Hilfe entsandten Polizei-Einheiten geschlossen unter Führung eines vom abgebenden Land beauftragten Einheitsführers, der den Weisungen des örtlichen Polizeichefs unterliegt. Die dienstrechtlichen Befugnisse verbleiben bei den zuständigen Stellen des entsendenden Landes 227. Diese Beschränkung auf das fachliche Weisungsrecht entspricht den oben 228 angestellten Überlegungen, wonach eine Übertragung des dienstrechtlichen Weisungsrechts nicht notwendig ist und einem Rückruf entgegenstehen würde. Die Unterstellung der eingesetzten landesfremden Kräfte unter die Weisungen der jeweiligen Katastrophenschutzbehörde ist nur in wenigen Katastrophenschutzgesetzen explizit geregelt 229. In anderen finden sich Vorschriften, nach denen Einheiten und Einrichtungen öffentlicher Träger 230 oder sonstige Hilfskräfte 231 226

Vgl. den Nachweis in Fn. 107 in diesem Teil. § 5 (Satz 2 [bzw. 3]) der in diesem Teil in Fn. 107 nachgewiesenen Verwaltungsabkommen (für das Verwaltungsabkommen zwischen Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen: Art. 2 Abs. 3 Satz 2). Wohl auch Art. 4 der Vereinbarung zwischen Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, nach der die „disziplinare Stellung“ der Polizeibeamten „unter die Disziplinarbestimmungen ihres Landes“ unberührt bleibt. Keine Regelung bezüglich der dienstrechtlichen Befugnisse enthält die Verwaltungsvereinbarung zwischen Rheinland-Pfalz und dem Saarland. 228 Siehe im Ersten Teil unter C. IV. 2. (im Text nach Fn. 302). 229 Art. 5 Abs. 2 BayKSG; § 15 Abs. 2 iVm Abs. 1 HmbKatSG; § 29 Abs. 1 Satz 3 iVm Satz 2 FSHG NRW; § 10 Abs. 5 Satz 3 LKatSG-Saarland. 230 § 40 Satz 2 BremHilfeG. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 LKatSG S-H sind unter anderem die Träger der Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzdienstes verpflichtet, die Weisungen der Katastrophenschutzbehörde zu befolgen; nach § 10 Abs. 3 Satz 2 LKatSG S-H sind die Vorschriften für die Träger des Katastrophenschutzdienstes sinngemäß auf das Technische Hilfswerk anzuwenden, soweit sein Charakter als Bundesanstalt oder Vorschriften des Bundes nicht entgegenstehen. Die Unterstellung von Einheiten und Einrichtungen der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk unter fachliche Weisungen ist demnach möglich. Nicht auf Einheiten und Einrichtungen des Bundes oder anderer Länder anwendbar sind die vergleichbaren Vorschriften in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen: Nach § 17 Abs. 1 LKatSG M-V unterstehen zwar die im Katastrophenschutz mitwirkenden Einheiten und Einrichtungen den Weisungen der Katastrophenschutzbehörde, unter den Begriff der Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes nach § 5 LKatSG M-V fallen aber nur Einheiten und Einrichtungen privatrechtlicher Träger oder solche von Trägern der öffentlichen Verwaltung im Land Mecklenburg-Vorpommern, wie aus § 5 Abs. 4 LKatSG M-V zu schließen ist, wonach das Innenministerium Stärke, Gliederung und Ausstattung festlegt. Vergleichbares gilt für § 16 Abs. 1 NKatSG – auch hier kann es sich wegen § 15 Abs. 2 Satz 1 NKatSG bei den Einheiten und Einrichtungen öffentlicher Träger nur um solche aus dem Land Niedersachsen handeln. 231 Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 BbgBKG sind der Einsatzleitung neben den Feuerwehren sowie den Einheiten und Einrichtungen der Hilfsorganisationen auch „sonstige Hilfskräfte“ unterstellt. Nach § 46 Abs. 5 SächsBRKG kann die zuständige Behörde während der 227

240

3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

den Weisungen der Katastrophenschutzbehörde unterstellt sind. Regelungen über die Zurechnung der von den landesfremden Kräften getroffenen Maßnahmen sind in den Katastrophenschutzgesetzen nicht enthalten. Da sich sowohl die Zurechnung der vom Mandatar in Ausübung der Kompetenz des Mandanten getroffenen Maßnahmen 232 als auch die Weisungsunterworfenheit des Mandatars bezüglich des übertragenen Aufgabenbereichs 233 aus dem Mandatsverhältnis selbst ergibt, sind entsprechende gesetzliche Regelungen nicht zwingend erforderlich. Ihr Fehlen ist daher unschädlich. Um eine gesetzgeberische Fehlleistung, zumindest aber um eine äußerst mißverständliche Formulierung handelt es sich bei § 27 Abs. 4 Satz 3 HBKG. Danach gelten die für die im Katastrophenschutz mitwirkenden Einheiten und Einrichtungen sowie deren Träger aufgestellten Verpflichtungen – darunter auch die Verpflichtung, aufgrund des Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes ergangene Vorschriften und Weisungen zu befolgen (§ 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 HBKG) – nicht für Einheiten und Einrichtungen des Bundes oder anderer Länder. Der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift anscheinend klarstellen, daß durch das Landesgesetz keine Mitwirkungspflicht für Einheiten und Einrichtungen des Bundes und anderer Länder angeordnet werden kann, die Anforderung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG jedoch nicht ausschließen 234. Um trotz des insoweit problematischen Wortlauts eine Weisungsunterstellung der fremden Kräfte zu ermöglichen, müssen der systematische Standort und die Gesetzesbegründung herangezogen werden. Die Vorschrift findet sich unter dem Titel „Organisation des Katastrophenschutzes“, und nach der Begründung steht bei den Verpflichtungen nach § 27 Abs. 4 Satz 1 und 2 HBKG die Gewährleistung der Einsatzbereitschaft im Vordergrund 235. Diese kann für Einheiten und Einrichtungen des Bundes und anderer Länder in der Tat nicht durch (fremdes) Landesrecht geregelt werden. Wenn man vor diesem Hintergrund die Verweisung des § 27 Abs. 4 Satz 3 HBKG auf § 27 Abs. 4 Satz 1 und 2 HBKG restriktiv auslegt und lediglich auf organisatorische Fragen, insbesondere die Einsatzbereitschaft, bezieht, so wird eine Weisungsunterstellung fremder Kräfte im Einsatzfall nicht gehindert. 236

Dauer eines Katastrophenvoralarmes allen an der Katastrophenbekämpfung beteiligten Einsatzkräften und Behörden die notwendigen Weisungen erteilen. 232 Siehe dazu im Ersten Teil unter C. IV. 5. c) (im Text bei Fn. 408). 233 Siehe dazu im Ersten Teil unter C. IV. 5. c) (im Text bei Fn. 419). 234 LT-Drs. 14/4015 S. 45. 235 LT-Drs. 14/4015 S. 45. 236 Diegmann / Lankau, HBKG, Erläuterung 7 zu § 27 gehen davon aus, daß bei der Katastrophenhilfe auch hilfeleistende Einheiten des Bundes den Weisungen der zuständigen Katastrophenschutzbehörde unterworfen sind.

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

241

Das Katastrophenschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt verzichtet in § 19 auf eine Regelung der Weisungsbefugnisse gegenüber Bundeswehr und Bundesgrenzschutz („Bundespolizei“), während in den vorhergehenden Vorschriften über die Nachbarschaftshilfe und überörtliche Hilfe sowie über die Hilfeleistung der Polizei die Weisungsunterstellung explizit geregelt wird (§ 17 Abs. 4, § 18 Abs. 1 KatSG-LSA). In § 19 KatSG-LSA ist lediglich von Hilfe bei der Erfüllung der Aufgaben der Katastrophenschutzbehörde die Rede. Aus dieser Unterlassung kann jedoch nicht auf einen Verzicht auf die Weisungsbefugnisse gegenüber Bundeskräften geschlossen werden; die Gesetzesmaterialien lassen diesbezüglich ebenfalls nichts erkennen 237. Auch in diesem Fall bleibt es daher dabei, daß sich die Weisungsunterworfenheit aus dem Mandatsverhältnis ergibt.

VII. Kostenregelungen Da bei einem Einsatz fremder Kräfte diese die Aufgabe des betroffenen Landes wahrnehmen, muß nach Art. 104a Abs. 1 GG im Verhältnis zwischen Bund und Land das Land als Aufgabenträger die Zweckausgaben tragen und dem Bund eventuell entstehende Kosten erstatten. 238 Zweckausgaben sind die durch einen Einsatz entstehenden, nicht durch den normalen Verwaltungsbetrieb verursachten Kosten. 239 Der durch die Verfassung vorgegebenen Kostenverteilung entsprechen die für die Bundespolizei getroffenen Regelungen: Nach § 11 Abs. 4 Satz 3 BPolG trägt die durch eine Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei entstehenden Mehrkosten das Land, sofern nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen in einer Verwaltungsvereinbarung etwas anderes bestimmt wird. Mit dieser Kostenregelung ist die für die Kostentragung zwischen polizeilicher und technischer Katastrophenhilfe differenzierende Regelung in Nr. 9 Abs. 1 Buchstabe a) und b) BGSKatHiVwV obsolet geworden. Nr. 9 Abs. 3 Satz 1 BGSKatHiVwV definiert die durch einen Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) zur Katastrophenhilfe entstehenden Mehrkosten als „die durch die Hilfeleistung unmittelbar verursachten Aufwendungen, die ohne diese nicht entstanden wären“, und zählt dazu zusätzliche Personalkosten, Betriebskosten und Kosten für Instandsetzungen und Ersatzbeschaffungen sowie Aufwendungen, die durch Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen Dritter entstehen (Nr. 9 Abs. 3 Satz 2 BGSKatHiVwV) 240. Das Bundesministerium des Innern hat die Mehrkosten für einen Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) zum Teil pauschaliert 241. 237 238 239

Vgl. LT-Drs. 1/2369 S. 27. Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 6. (im Text bei Fn. 427). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 4. (im Text bei Fn. 366).

242

3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Nach § 23 Abs. 4 ZSG sind die Kosten, die dem Bund durch Verwendung von ihm finanzierter Ausstattung und Anlagen des Zivilschutzes bei Katastrophen und Unglücksfällen entstehen, vom Aufgabenträger zu erstatten, es sei denn, der Einsatz dient gleichzeitig überwiegend zivilschutzbezogenen Ausbildungszwecken. Unter „Aufgabenträger“ kann hier nur das jeweilige Land als Ganzes verstanden werden, da der Bund die landesinterne Verteilung aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht regeln kann. Nach Nr. 24 Abs. 1 des Erlasses über Hilfeleistungen der Bundeswehr haben die für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden der Länder der Bundeswehr ihre bei der Katastrophenhilfe entstandenen Aufwendungen zu erstatten. Auch hier gilt, daß der Bund die landesinterne Kostenverteilung nicht regeln kann; im übrigen können nicht die Behörden, sondern nur die von ihnen vertretenen Gebietskörperschaften als Rechtspersonen erstattungspflichtig sein. Nicht nachvollziehbar ist, warum für die Erstattungspflicht auf § 14 Abs. 3 des Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes verwiesen wird, wonach dem Bund die Kosten zu erstatten sind, die ihm durch Einsatz des Katastrophenschutzes bei Katastrophen und Unglücksfällen entstehen. Diese Vorschrift ist die Vorgängernorm zu § 23 Abs. 4 ZSG. Bei einem Einsatz der Bundeswehr handelt es sich jedoch weder um die Verwendung von Ausstattung und Anlagen des Zivilschutzes noch um den Einsatz des Katastrophenschutzes. Die Feststellung des Kostenumfangs bei einem Einsatz der Bundeswehr richtet sich nach Nr. 28 des Erlasses über Hilfeleistungen der Bundeswehr. 242 Die Kostenerstattung für Einsätze des Technischen Hilfswerks ist in §§ 5 ff. THWAbrechnungsrichtlinie geregelt. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 THW-Abrechnungsrichtlinie sind Kosten für technische Hilfe grundsätzlich der zuständigen Stelle – dies dürfte die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 THW-Abrechnungsrichtlinie genannte „für die Gefahrenabwehr zuständige[n] Stelle“ sein – in Rechnung zu stellen. Soweit die zuständigen Stellen aufgrund der sie bindenden Gebührenvorschriften auf die Erhebung von Kosten verzichten, werden von seiten des Technischen Hilfswerks keine Kosten in Rechnung gestellt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 THW-Abrechnungsrichtlinie). Die Ermittlung der Kosten erfolgt nach § 5 Abs. 4 THW-Abrechnungsrichtlinie 243. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 THW-Abrechnungsrichtlinie können Kostenermäßigungen 241 BMI-Erlaß BGS I 2 –632 204 –0/15 vom 30. Oktober 2001, zitiert nach Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 20 (Fn. 70) zu § 11. 242 Die Sachkosten für den Einsatz von Fahrzeugen, Luftfahrzeugen, Wasserfahrzeugen und Geräten sind nach der Anlage 11 der Einzelerlasse über Hilfeleistungen der Bundeswehr im Frieden (VMBl. 1988 S. 299) zu errechnen. Die derzeit gültigen Erstattungskostensätze ergeben sich aus dem Erlaß des Bundesministers der Verteidigung vom 8. Januar 2003 (VMBl. S. 59 ff.). Wenn für den Einsatz ein „überwiegendes Ausbildungsinteresse“ besteht, so ist dies kostenmindernd zu berücksichtigen, Nr. 29 Abs. 2 des Erlasses über Hilfeleistungen der Bundeswehr.

B. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG

243

gewährt werden, wenn ein besonderes Ausbildungsinteresse an der Durchführung der technischen Hilfe besteht. Sofern im Bundeshaushaltsplan nach § 63 Abs. 3 Satz 2 BHO zugelassen wird, daß mit Einwilligung des Bundesministeriums der Finanzen bewegliche Sachen und Leistungen der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk 244 oder des Bundesministeriums der Verteidigung 245 „aus Anlaß von Katastrophen, größeren Unglücksfällen und Notständen unentgeltlich überlassen werden, wenn die Überlassung zur Abwendung oder Milderung einer nicht vorhergesehenen Notlage erfolgt“, ist dies wegen des Fremdfinanzierungsverbots verfassungsrechtlich unzulässig 246. Das Fremdfinanzierungsverbot schränkt auch die Möglichkeit von Verwaltungsvereinbarungen nach § 11 Abs. 4 Satz 3 Hs. 2 BPolG erheblich ein. Sie müssen dem Konnexitätsprinzip 247 genügen. Eine andere als die in § 11 Abs. 4 Satz 3 Hs. 1 BPolG vorgesehene Kostenverteilung kommt daher allenfalls dann in Betracht, wenn mit der Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei auch Bundesaufgaben wahrgenommen werden, etwa weil der Einsatz auch Ausbildungs- oder Übungszwecken dient 248. Dies dürfte jedoch nur dann der Fall sein, wenn bei der Unterstützung überwiegend polizeiliche Aufgaben wahrgenommen werden, die den originären Aufgaben der Bundespolizei nahekommen, nicht jedoch bei vorwiegend technischer Katastrophenhilfe. Über die Kostenerstattung der Länder untereinander trifft das Grundgesetz keine explizite Aussage, jedoch muß auch in diesem Zusammenhang gelten, daß die Länder als Aufgabenträger die Kosten der ihnen zugewiesenen Tätigkeit jeweils selbst tragen 249. Werden ihre Aufgaben von fremden Kräften wahrgenommen, so müssen sie die (Mehr-)Kosten dieses Einsatzes tragen. 250 Eine Kostenregelung für die Erstattung von Kosten der Länder untereinander findet sich in § 6 251 der zwischen einzelnen Ländern geschlossenen Verwaltungs243 Danach setzen sich die Kosten wie folgt zusammen: Pauschalbetrag von 6 Euro pro Helfer und Stunde, Erstattung von fortgewährten Leistungen und Verdienstausfall, Kosten der eingesetzten Ausstattung gemäß Kostenkatalog, Kosten für Verbrauchsmaterial und Betriebsstoffe, Verwaltungskostenpauschale. 244 Bundeshaushaltsplan 2005, Kapitel 06 29 Titel 119 99. 245 Bundeshaushaltsplan 2005, Kapitel 14 02 Titelgruppe 01. 246 Siehe dazu im Ersten Teil unter C. IV. 6. (im Text bei Fn. 434). 247 Siehe dazu im Ersten Teil unter C. IV. 4. (im Text bei Fn. 355). 248 Ähnlich auch das Beispiel bei Heesen / Hönle in Heesen / Hönle / Peilert, BGSG, Rn. 20 zu § 11. 249 Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 4. (im Text bei Fn. 374). 250 Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 6. (S. 97). 251 Art. 3 des Verwaltungsabkommens zwischen Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen; Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Vereinbarung zwischen Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

244

3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

abkommen 252. Danach werden die Kosten der Hilfeleistung (vorbehaltlich einer Einzelfallvereinbarung und vorbehaltlich spezieller Regelungen, z. B. für einen Einsatz mit nicht mehr als 24 Stunden Dauer) erstattet 253. „Kosten“ in diesem Sinne sind die durch die Hilfeleistung unmittelbar verursachten Aufwendungen, die ohne diese nicht entstanden wären. 254 Einige Katastrophenschutzgesetze enthalten Regelungen zur landesinternen Kostentragung beim Einsatz landesfremder Kräfte. Die durch einen Einsatz entstehenden Kosten sind danach entweder vom Land 255 oder von der betroffenen Gebietskörperschaft 256 zu tragen.

C. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG Geht man für die Frage des anwendbaren Rechts mit dem oben aufgezeigten Lösungsansatz 257 davon aus, daß Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG den Anwendungsbereich des Landesrechts für Bundeskräfte öffnet, so bedarf es dafür keiner landesrechtlichen Normen. Es ist daher unschädlich, daß sich eine entsprechende „Öffnungsklausel“ zwar in den Landespolizeigesetzen 258, nicht aber in den Landeskatastrophenschutzgesetzen 259 findet. 252

Vgl. den Nachweis in diesem Teil in Fn. 107. Die Vereinbarung zwischen Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen enthält keine derart detaillierte Regelung. Geregelt ist in Art. 5 Abs. 2 Satz 3 lediglich, daß „Kosten aus Einsatz von Polizei-Einheiten gemäß Artikel 3“ zu Lasten des Landes gehen, zu dessen Gunsten der Einsatz erfolgt. Die Verwaltungsvereinbarung zwischen Rheinland-Pfalz und dem Saarland sieht in § 6 neben einem Kostenverzicht für Einsätze, die nicht länger als 24 Stunden dauern, die Ermittlung und Erstattung der Kosten „von Fall zu Fall“ vor und verzichtet auf eine Definition des Begriffs der Kosten. 254 § 6 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsabkommen (für das Verwaltungsabkommen zwischen Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen: Art. 3 Abs. 2 Satz 1). Die Vereinbarung zwischen Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen trifft keine derartige Regelung. 255 § 32 Abs. 3 NKatSG (bezüglich der Hilfeleistung durch andere Länder und im Rahmen der internationalen Katastrophenhilfe); wortgleich § 25 Abs. 3 KatSG-LSA; § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LKatSG-Saarland (Kosten des Einsatzes von Kräften des Bundes und der Länder). 256 § 33 Abs. 2 Nr. 5 LKatSG B-W: Stadt- und Landkreise; Art. 11 Abs. 2 Nr. 1 BayKSG: zuständige Katastrophenschutzbehörde; § 60 Abs. 4 Satz 1 HBKG: Gebietskörperschaft, deren Katastrophenschutzbehörde den Einsatz geleitet hat; § 65 Nr. 5 SächsBRKG: Landkreise und kreisfreie Städte. 257 Siehe im Ersten Teil unter D. III. 2. c) (dort S. 114). 253

C. Ausgestaltung des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG

245

Bei einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG unterstehen die Einheiten des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte den Weisungen der Bundesregierung. 260 Dieses Weisungsrecht ergibt sich aus der Auslegung des Verfassungstextes, der die Bundesregierung berechtigt, Einheiten des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“) und der Streitkräfte einzusetzen. Den vom Anforderungsfall des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG abweichenden Weisungsverhältnissen wird in § 11 Abs. 2 Satz 2 BPolG 261 sowie Nr. 8 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 BGSKatHiVwV Rechnung getragen. Von den Bundesländern berücksichtigt lediglich Hessen die verfassungsrechtlichen Vorgaben: Nach § 103 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 HSOG besteht in den Fällen des Art. 35 Abs. 3 GG gegenüber den Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten des Bundes kein Weisungsrecht 262. Den übrigen – nach dem Vorbild des § 52 Abs. 3 258 § 78 Abs. 2 Satz 1, § 78 Abs. 3 PolG B-W; Art. 11 Abs. 4 Satz 1, Art. 11 Abs. 5 Satz 1 BayPOG; § 8 Abs. 2 Satz 1 ASOG Bln; § 77 Abs. 2 Satz 1, § 77 Abs. 3 Satz 1 BbgPolG; § 81 Abs. 2 Satz 1, § 81 Abs. 3 BremPolG; § 30a Abs. 2 Satz 1 SOG Hmb; § 102 Abs. 2 Satz 1, § 102 Abs. 3 Satz 1 HSOG; § 9 Abs. 2 Satz 1 SOG M-V; § 103 Abs. 2 Satz 1, § 103 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG; § 9 Abs. 2 Satz 1, § 9 Abs. 3 POG NRW; § 86 Abs. 2 Satz 1, § 86 Abs. 3 Hs. 1 POG R-P; § 88 Abs. 2 Satz 1, § 88 Abs. 3 SPolG; § 77 Abs. 2 Satz 1, § 77 Abs. 3 SächsPolG; § 91 Abs. 2 Satz 1, § 91 Abs. 3 Satz 1 SOG LSA; § 170 Abs. 2 Satz 1 LVwG S-H. Eine Ausnahme bildet § 11 Abs. 4 Satz 1 ThPOG; der dort in Bezug genommene Abs. 3 erfaßt den Fall des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG nicht. 259 Zu den Öffnungsklauseln in den Landeskatastrophenschutzgesetzen siehe oben in diesem Teil unter B. V. 5. (im Text bei Fn. 211 ff.). § 16 Abs. 2 KatSG Bln und § 3 Abs. 2 HmbKatSG dürften den Fall des Einsatzes nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG nicht erfassen. Die landesfremden Kräfte haben danach Befugnisse der entsprechenden landeseigenen Kräfte „im Rahmen ihrer Mitwirkung, insbesondere im Rahmen der ihnen von Katastrophenschutzbehörden erteilten Aufträge“; der Einsatz im Rahmen einer Bundesintervention läßt sich jedoch schwerlich als „Mitwirkung“ im Katastrophenschutz bezeichnen. Art. 10 Satz 2 BayKSG verleiht die Befugnis zu Platzverweisung und Räumung nur den von der Katastrophenschutzbehörde hierzu beauftragten eingesetzten Kräften, ist also für den Fall der Bundesintervention, bei der kein Einsatz durch die Katastrophenschutzbehörde vorliegt, nicht anwendbar. 260 Siehe im Ersten Teil unter D. III. 2. b). 261 Walter in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, BGSG, Rn. 41 zu § 11 versteht die Vorschrift allerdings dahingehend, daß das fachliche Weisungsrecht des Landes grundsätzlich auch im Fall des Art. 35 Abs. 3 GG gilt. „Es ist davon auszugehen, daß die Bundesregierung fachliche Weisungen nur insoweit trifft, wie es aus überregionalen Gesichtspunkten erforderlich ist [...]. An der fachlichen Gebundenheit im Innenverhältnis zwischen Land und jeweils eingesetzten BGS-Kräften ändert sich hierdurch nichts.“ Diese Lesart entspricht nicht der verfassungsrechtlichen Regelung, nach der ein Weisungsverhältnis der Landesbehörden gerade nicht angenommen werden kann, siehe im Ersten Teil unter D. III. 2. b). 262 Ausweislich der Begründung zur Änderung des § 102 HSOG (LT-Drs. 16/2352 S. 27), durch die Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 angefügt wurde, ging es dem Gesetzgeber dabei allerdings um eine „Harmonisierung des § 102 mit § 11 BGSG [= BPolG]“.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

iVm § 52 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 ME-POG formulierten – Landespolizeigesetzen läßt sich wegen der Nennung des Art. 35 Abs. 3 GG in § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ME-POG auch für den Fall des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG ein fachliches Weisungsrecht der zuständigen Polizeibehörde entnehmen 263. Die Landesgesetze sind insoweit verfassungswidrig. Dies gilt auch für Nr. 14 des Erlasses über Hilfeleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen, der keine Unterscheidung für die in Nr. 4 aufgeführten Einsatzfälle (nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG einerseits und Art. 35 Abs. 3 GG andererseits) trifft. Anders stellt sich die Lage für die (wenigen) Landeskatastrophenschutzgesetze dar, die die landesfremden Kräfte den Weisungen der jeweiligen Katastrophenschutzbehörde unterstellen. Nach § 15 Abs. 2 iVm Abs. 1 HmbKatSG gilt das Weisungsrecht für die „auf Anforderung“ bereitgestellten, nach § 10 Abs. 5 Satz 3 LKatSG-Saarland für die „angeforderten“ Kräfte; eine Anforderung liegt bei einer Bundesintervention nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG aber gerade nicht vor, so daß sich das Weisungsrecht nicht auf die dabei eingesetzten Kräfte bezieht. Nach Art. 5 Abs. 2 BayKSG unterstehen zwar auch Kräfte des Bundes den Weisungen der Katastrophenschutzbehörde, wenn sie Katastrophenhilfe leisten, gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayKSG ist Katastrophenhilfe jedoch „die auf Ersuchen der Katastrophenschutzbehörden zu leistende Mitwirkung im Katastrophenschutz“, also nicht der im Rahmen einer Bundesintervention erfolgenden Einsatz. In § 29 Abs. 1 Satz 3 iVm Satz 2 FSHG NRW findet sich allerdings kein Bezug auf die Anforderung oder das Ersuchen. Die Vorschrift muß daher verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, daß im Fall eines Einsatzes nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG keine Weisungsbefugnisse bestehen. Eine solche Auslegung wird nicht vom Wortlaut der Vorschrift gehindert, weil der Fall des Tätigwerdens nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG anders als in den Landespolizeigesetzen nicht explizit genannt wird. Hinsichtlich der Zurechnung der Maßnahmen regeln die § 52 Abs. 3 iVm Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 ME-POG entsprechenden Landespolizeigesetze 264, daß die Maßnah263 § 78 Abs. 3 iVm § 78 Abs. 2 Satz 3 PolG BW; Art. 11 Abs. 5 Satz 1 iVm Art. 11 Abs. 4 Satz 2 Hs. 2 BayPOG; § 8 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 ASOG Bln; § 77 Abs. 3 Satz 1 iVm § 77 Abs. 2 Satz 3 BbgPolG; § 81 Abs. 3 iVm § 81 Abs. 2 Satz 3 BremPolG; § 30a Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 SOG Hmb; § 103 Abs. 3 Satz 1 iVm § 103 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 Nds. SOG; § 9 Abs. 3 iVm § 9 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 POG NRW; § 86 Abs. 3 Hs. 1 iVm § 86 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 POG R-P; § 88 Abs. 3 iVm § 88 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 SPolG; § 77 Abs. 3 iVm § 77 Abs. 2 Satz 3 SächsPolG; § 91 Abs. 3 Satz 1 iVm § 91 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 SOG LSA. Keine Regelungen bezüglich des Weisungsrechts treffen § 9 SOG M-V und § 170 LVwG S-H. § 11 Abs. 3 ThPOG, der die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben durch polizeiliche Kräfte des Bundes regelt, nennt Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG nicht als Einsatzfall; die Bundesintervention des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG dürfte auch nicht unter die dort genannten Fälle zu subsumieren sein. Deswegen handelt es sich bei einem derartigen Einsatz nicht um ein Tätigwerden nach § 11 Abs. 3 ThPOG, für das nach § 11 Abs. 4 Satz 1 Hs. 2 ThPOG die Unterstellung unter die Weisungen der Landesbehörde vorgesehen ist.

D. Einfachgesetzliche Regelungen für die spontane Katastrophenhilfe

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men der eingesetzten Bundespolizeikräfte als Maßnahmen der Polizeibehörde gelten, in deren örtlichem und sachlichem Zuständigkeitsbereich sie tätig geworden sind. Dies entspricht der oben gewählten Konstruktion der Bundesintervention als berechtigter Fremdgeschäftsführung 265. Bezüglich der Kostentragung unterscheiden weder § 11 Abs. 4 Satz 3 BPolG und Nr. 9 BGSKatHiVwV noch Abschnitt F des Erlasses über Hilfeleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen zwischen einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG und einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG. Die durch den Einsatz entstehenden Mehrkosten sind danach auch im Fall eines Einsatzes nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG vom jeweiligen Land zu tragen. Dies entspricht der verfassungsrechtlich vorgegebenen 266 Kostenverteilung.

D. Einfachgesetzliche Regelungen für die spontane Katastrophenhilfe Zur spontanen Katastrophenhilfe, also zu einem Tätigwerden ohne Anforderung durch die zuständige Landesbehörde, kann es nur dann kommen, wenn sich die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall in unmittelbarer Nähe des Standortes einer einsatzfähigen Einheit ereignet, oder wenn ein Land handlungsunfähig ist, ohne daß sich die Gefahr auf das Gebiet mehr als eines Landes erstreckt. Beides dürfte nur äußerst selten der Fall sein. 267

264

§ 78 Abs. 3 iVm § 78 Abs. 2 Satz 2 PolG BW; Art. 11 Abs. 5 Satz 1 iVm Art. 11 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1 BayPOG; § 8 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 ASOG Bln; § 77 Abs. 3 Satz 1 iVm § 77 Abs. 2 Satz 2 BbgPolG; § 81 Abs. 3 iVm § 81 Abs. 2 Satz 2 BremPolG; § 30a Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 SOG Hmb; § 102 Abs. 3 Satz 1 iVm § 102 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 HSOG; § 9 Abs. 2 Satz 2 SOG M-V; § 103 Abs. 3 Satz 1 iVm § 103 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 Nds. SOG; § 9 Abs. 3 iVm § 9 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 POG NRW; § 86 Abs. 3 Hs. 1 iVm § 86 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 POG R-P; § 88 Abs. 3 iVm § 88 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 SPolG; § 77 Abs. 3 iVm § 77 Abs. 2 Satz 2 SächsPolG; § 91 Abs. 3 Satz 1 iVm § 91 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 SOG LSA; § 170 Abs. 2 Satz 2 LVwG S-H. Keine entsprechende Regelung findet sich im Polizeiorganisationsgesetz des Landes Thüringen, da der durch § 11 Abs. 4 ThPOG in Bezug genommene § 11 Abs. 3 ThPOG die Bundesintervention nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG nicht erfaßt. Das Fehlen ist unschädlich, da sich die Zurechnung aus der Qualifikation als Fremdgeschäftsführung ergibt. 265 Siehe dazu im Ersten Teil unter D. III. 2. d). 266 Siehe dazu im Ersten Teil unter D. III. 2. e). 267 Vgl. die Ausführungen im Ersten Teil unter D. I. 2. b) bb) (im Text bei Fn. 467 und in Fn. 467 sowie in Fn. 524).

248

3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Den § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ME-POG nachgebildeten landesrechtlichen Vorschriften 268 zufolge können landesfremde Polizeikräfte 269 zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr tätig werden, wenn die zuständige Stelle die erforderlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig treffen kann. Eine Anforderung oder Zustimmung der zuständigen Behörde ist nicht erforderlich; jedoch ist diese unverzüglich zu unterrichten (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 2 ME-POG 270). Da es bei Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen immer um die Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr gehen wird, ermöglicht diese Vorschrift die spontane Hilfeleistung, sofern die zuständige Stelle nicht rechtzeitig handeln kann. Den landesfremden Beamten stehen in diesem Fall nach Landesrecht die gleichen Befugnisse zu wie landeseigenen Beamten; die entsprechenden Vorschriften der Landespolizeigesetze behandeln nach dem Vorbild des § 52 Abs. 2 Satz 1 MEPOG die in § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ME-POG genannten Fälle insofern gleich 271. Aus ihnen ergibt sich, daß das jeweilige Land mit der spontanen Hilfeleistung einverstanden ist. Es handelt sich also um berechtigte Fremdgeschäfts268 § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PolG B-W; Art. 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BayPOG; § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ASOG Bln; § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BbgPolG; § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BremPolG; § 30a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SOG Hmb; § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HSOG; § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SOG M-V; § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Nds. SOG; § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 POG NRW; § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 POG R-P; § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SPolG; § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SächsPolG; § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SOG LSA; § 170 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LVwG S-H; § 11 Abs. 2 Nr. 2 ThPOG, § 11 Abs. 3 Nr. 1 ThPOG (Kräfte des Bundes dürfen im Einzelfall polizeiliche Aufgaben wahrnehmen, wenn Thüringer Polizei nicht rechtzeitig ausreichend zur Verfügung steht). 269 Zur Gestaltung der Vorschriften hinsichtlich der Anwendung auf Landes- und Bundesbeamte siehe oben in diesem Teil in Fn. 152. 270 § 78 Abs. 1 Satz 2 PolG B-W; Art. 11 Abs. 3 Satz 2 BayPOG; § 8 Abs. 1 Satz 2 ASOG Bln; § 7 Abs. 1 Satz 2 POG Bbg; § 81 Abs. 1 Satz 2 BremPolG; § 30a Abs. 1 Satz 2 SOG Hmb; § 102 Abs. 1 Satz 2 HSOG; § 9 Abs. 1 Satz 2 SOG M-V; § 103 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG; § 9 Abs. 1 Satz 2 POG NRW; § 86 Abs. 1 Satz 2 POG R-P; § 88 Abs. 1 Satz 2 SPolG; § 77 Abs. 1 Satz 2 SächsPolG; § 91 Abs. 1 Satz 2 SOG LSA; § 170 Abs. 1 Satz 2 LVwG S-H; § 11 Abs. 4 Satz 3 ThPOG. 271 § 52 Abs. 2 Satz 1 ME-POG entsprechen: § 78 Abs. 2 Satz 1, § 78 Abs. 3 PolG B-W; Art. 11 Abs. 4 Satz 1, Art. 11 Abs. 5 Satz 1 BayPOG; § 8 Abs. 2 Satz 1 ASOG Bln; § 77 Abs. 2 Satz 1, § 77 Abs. 3 Satz 1 BbgPolG; § 81 Abs. 2 Satz 1, § 81 Abs. 3 BremPolG; § 30a Abs. 2 Satz 1 SOG Hmb; § 102 Abs. 2 Satz 1, § 102 Abs. 3 Satz 1 HSOG; § 9 Abs. 2 Satz 1 SOG M-V; § 103 Abs. 2 Satz 1, § 103 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG; § 9 Abs. 2 Satz 1, § 9 Abs. 3 POG NRW; § 86 Abs. 2 Satz 1, § 86 Abs. 3 Hs. 1 POG R-P; § 88 Abs. 2 Satz 1, § 88 Abs. 3 SPolG; § 77 Abs. 2 Satz 1, § 77 Abs. 3 SächsPolG; § 91 Abs. 2 Satz 1, § 91 Abs. 3 Satz 1 SOG LSA; § 170 Abs. 2 Satz 1 LVwG S-H. Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 ThPOG haben polizeiliche Dienstkräfte eines anderen Landes oder des Bundes die gleichen Befugnisse wie die Thüringer Polizei, wenn sie nach den Absätzen 2 (Aufgabenwahrnehmung polizeilicher Dienstkräfte eines anderen Landes unter anderem zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr) oder 3 (Aufgabenwahrneh-

D. Einfachgesetzliche Regelungen für die spontane Katastrophenhilfe

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führung. Um die Ausübung hoheitlicher Befugnisse im fremden Hoheitsbereich zu ermöglichen, ist eine einfachgesetzliche Norm ausreichend, weil keine Hoheitsrechte übertragen werden, sondern ein fremdes Geschäft im fremden Namen ausgeübt wird. 272 Da einer Leistung auch „polizeilicher“ Hilfe somit nichts entgegensteht, greift die BGS-Katastrophenhilfe-Verwaltungsvorschrift zu kurz, wenn sie die Hilfe ohne Anforderung nur für die Technische Katastrophenhilfe vorsieht (Nr. 4 Abs. 4). Hervorzuheben ist, daß sich die entsprechenden Vorschriften der Landespolizeigesetze nur auf Polizeibeamte der Länder und des Bundes beziehen, nicht jedoch auf Soldaten der Bundeswehr. Zwar sieht der Erlaß über Hilfeleistungen der Bundeswehr die Leistung sofortiger Hilfe vor, wenn die vorherige Anforderung nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist (Nr. 13), doch fehlen landesrechtliche Regelungen, aus denen sich ergeben würde, daß die Länder mit selbst initiierter Hilfe durch die Streitkräfte einverstanden wären. Es handelt sich daher in diesen Fällen um eine öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag. Wegen Art. 87a Abs. 2 GG, der einen Einsatz der Streitkräfte außerhalb der vom Grundgesetz vorgesehenen Fälle verbietet, dürfen die Streitkräfte bei einer solchen Hilfeleistung bereits von Verfassungs wegen nicht in Grundrechte eingreifen. 273 Die Hilfeleistung des Technischen Hilfswerks ohne vorhergehende Anforderung ist ebenfalls öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag. 274 Auch hierfür gibt es keine landesrechtlichen Regelungen, denen sich das Einverständnis mit einer derartigen Hilfeleistung entnehmen läßt. Unter Vorschriften, nach denen die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk gemäß ihrer Aufgabenzuweisung nach dem THW-Helferrechtsgesetz mitwirkt 275, kann ein eigenständiges Tätigwerden nicht gefaßt werden. Auch eine Hilfeleistung des Technischen Hilfswerks darf nicht mit Eingriffen verbunden sein, da das Technische Hilfswerk nach seiner Aufgabenzuweisung nur technische Hilfe leisten darf. 276

mung polizeilicher Kräfte des Bundes zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr oder auf Anforderung oder mit Zustimmung des zuständigen Ministeriums) tätig werden. 272 Dazu siehe im Ersten Teil unter E. III. (dort S. 122 f.). 273 Siehe dazu im Ersten Teil unter E. II. 274 So auch § 2 Abs. 1 Satz 3 THW-Abrechnungsrichtlinie, wonach das Tätigwerden des Technischen Hilfswerks bei Gefahr im Verzug „auch ohne Anforderung in analoger Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) zulässig“ ist. 275 § 18 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG; § 25 Abs. 3 Satz 3 FSHG NRW; § 12 Abs. 1 Satz 2 KatSG-LSA. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 LKatSG S-H wirkt der Bund mit der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk nach den Vorschriften des THW-Helferrechtsgesetzes beim Katastrophenschutz mit. 276 Siehe dazu bereits oben in diesem Teil unter B. V. (im Text bei Fn. 214).

250

3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

E. Eingriffsbefugnisse I. Überblick über die Ermächtigungsgrundlagen für Grundrechtseingriffe In diesem Abschnitt soll es vorrangig um die Eingriffsbefugnisse der Katastrophenschutzbehörden gehen. Lediglich für den Fall, daß diese für eine wirksame Katastrophenbekämpfung nicht ausreichen, wird untersucht, ob andere Behörden (insbesondere die Polizei) oder Einsatzkräfte – dies werden vor allem Einsatzkräfte der Feuerwehr sein 277 – aufgrund eigener Ermächtigungsgrundlagen die notwendigen Maßnahmen vornehmen dürfen. Im Gegensatz zu den Polizei- und Ordnungsbehördengesetzen, die nach dem Vorbild des Musterentwurfs für ein einheitliches Polizeigesetz 278 jeweils eine Generalklausel 279 sowie Spezialermächtigungen zu Standardmaßnahmen 280 enthalten, bieten die Katastrophenschutzgesetze ein uneinheitliches Bild: 277 Die Mitwirkung der Feuerwehr im Katastrophenschutz wird in einigen Landesgesetzen explizit erwähnt: § 3 Abs. 2 Var. 2 FwG Bln; § 39 Abs. 1 Nr. 1 BremHilfeG; § 3 Abs. 1 lit. d) FwG Hmb; § 7 Abs. 1 Satz 2 BrSchG M-V; § 16 Abs. 1 Satz 1 SächsBRKG; § 1 Nr. 4 BrSchG S-H. 278 Generalklausel: § 8 ME-POG, Standardermächtigungen: §§ 9 bis 24 ME-POG. 279 § 3 PolG B-W; Art. 11 Abs. 1 BayPAG, Art. 7 Abs. 2 des [Bayerischen] Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG, im Folgenden: BayLStVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Dezember 1982 (GVBl. S. 1098), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Dezember 2004 (GVBl. S. 540); § 17 Abs. 1 ASOG Bln; § 10 Abs. 1 BbgPolG, § 13 Abs. 1 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz – OBG, im Folgenden OBGBbg) [des Landes Brandenburg] in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. August 1996 (GVBl. I S. 266), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juni 2004 (GVBl. I S. 289, 294); § 10 Abs. 1 Satz 1 BremPolG; § 3 Abs. 1 SOG Hmb; § 11 HSOG; § 13 SOG M-V; § 11 Nds. SOG; § 8 Abs. 1 POG NRW, § 14 Abs. 1 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden – Ordnungsbehördengesetz (OBG, im Folgenden OBG NRW) [des Landes Nordrhein-Westfalen] in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 1980 (GV.NW S. 528), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. April 2005 (GV.NW S. 274); § 9 Abs. 1 POG R-P; § 8 Abs. 1 SPolG; § 3 Abs. 1 SächsPolG; § 13 SOG LSA; § 174 LVwG S-H; § 12 Abs. 1 ThPAG, § 5 Abs. 1 Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz – OBG –, im Folgenden: ThOBG) vom 18. Juni 1993 (GVBl. S. 323), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juni 2002 (GVBl. S. 247). 280 §§ 19 –48 PolG B-W; Art. 12 –48 BayPOG; §§ 18 –51 ASOG Bln; §§ 11 –49 BbgPolG, § 23 OBGBbg; §§ 11 –36j BremPolG; §§ 11 –16a SOG Hmb; §§ 12 –43 HSOG; §§ 25 –67 SOG M-V; §§ 12 –48 Nds. SOG; §§ 9 –46 PolG NRW, § 24 OBG NRW; §§ 9 – 40 SPolG; §§ 18 – 29, 35 – 51 SächsPolG; §§ 14 – 48a SOG LSA; §§ 177 – 216 LVwG S-H; §§ 13 – 47 ThPAG, §§ 15 – 26, 39 – 47 ThOBG. Den Ordnungsbehörden stehen nicht alle Spezialermächtigungen zur Verfügung, auf die sich die Polizei stützen kann, vgl. die Aufstellung bei Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizeiund Ordnungsrecht, § 12 Rn. 20.

E. Eingriffsbefugnisse

251

Nicht in allen Gesetzen sind Generalklauseln enthalten. Spezialermächtigungen werden überwiegend nicht als ausdrückliche Ermächtigungen („die Behörde kann ...“) formuliert, sondern ergeben sich implizit aus Verhaltens- 281 oder Duldungspflichten 282 gegenüber Maßnahmen der Katastrophenschutzbehörde, der Einsatzleitung oder der Einsatzkräfte. Die Ausgestaltung als Verhaltens- oder Duldungspflicht hat einsatzpraktische Gründe: Während bei der allgemeinen Gefahrenabwehr die Behörde in der Regel dem Verantwortlichen (ausnahmsweise auch dem Nichtstörer) aufgibt, eine Handlung zur Gefahrenabwehr vorzunehmen, und nur dann selbst tätig wird, wenn dieser sich weigert oder wenn der Zweck der Maßnahme durch seine Inanspruchnahme nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann, geht es bei der Katastrophenabwehr immer um möglichst schnelles und effektives Handeln; Störer wie Nichtstörer werden oft nicht erreichbar oder zur geforderten Maßnahme nicht in der Lage sein. Die Behörde muß daher bei der Katastrophenabwehr vorrangig selbst (bzw. durch Beauftragte und Hilfskräfte) tätig werden. 283 Wäre die Eingriffsgrundlage lediglich als Handlungsermächtigung formuliert, so müßten vor Durchführung der Maßnahme, etwa der Inanspruchnahme eines Grundstücks oder der Beseitigung eines Bauwerks, entsprechende Duldungsbescheide gegenüber allen Betroffenen (Eigentümer, Nutzungsberechtigte) erlassen und deren sofortige Vollziehung angeordnet werden; ein Einsatz dürfte dann meist daran scheitern, daß die Bescheide wegen Abwesenheit der Adressaten nicht rechtzeitig wirksam bekannt gegeben 284 werden können. 285 Das Landeskatastrophenschutzgesetz Baden-Württemberg enthält einzelne Spezialermächtigungen 286 für die Katastrophenschutzbehörde, den technischen Leiter des Einsatzes oder seinen Beauftragten.

281

Zum Beispiel § 21 Abs. 1 KatSG-LSA: „In einem Katastrophenfall ist jedermann verpflichtet, bei Abwehrmaßnahmen Hilfe zu leisten, wenn er von der Katastrophenschutzbehörde oder einem von ihr Beauftragten dazu aufgefordert wird.“ 282 Zum Beispiel § 28 Abs. 1 LKatSG BW: „Die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken [...] haben zu dulden, daß eingesetzte Kräfte und andere beim Einsatz dienstlich anwesende Personen ihre Grundstücke [...] betreten und benutzen, soweit dies zur Bekämpfung der Katastrophe und für die unmittelbar anschließende Beseitigung erheblicher Katastrophenschäden erforderlich ist.“ 283 Auf den Unterschied zwischen Maßnahmen nach Polizeirecht und Katastrophenschutzrecht wird hingewiesen von De Clerck / Schmidt, POG R-P, Anm. XI. 1. b) zu § 1: nach § 1 Abs. 1 LBKG R-P hätten die Aufgabenträger ihre Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu gewährleisten, „d. h. selbst durchzuführen“. 284 Zum Problem der Bekanntgabe bei Abwesenheit des Adressaten siehe bereits oben im Zweiten Teil unter F. II. 2. (im Text vor Fn. 305). 285 Siehe das plastische Beispiel bei Eisinger / Gräff, LBKG R-P, Anm. 3 zu § 29 (S. 282a). 286 § 25 Abs. 1, § 27 Abs. 1 und 2, §§ 28, 29 LKatSG B-W.

252

3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Fraglich ist, ob die Katastrophenschutzbehörde ergänzend auf Befugnisse des Polizeigesetzes zurückgreifen kann. Baden-Württemberg folgt bei der Organisation der Gefahrabwehr dem Einheitssystem 287, das nicht zwischen Polizei- und Ordnungsbehörden trennt. Unter den Begriff der Polizei fallen grundsätzlich alle Behörden, die die Aufgabe der Gefahrenabwehr nach § 1 PolG BW wahrnehmen. 288 Umstritten ist jedoch, ob die in § 62 Abs. 1 bis 4 PolG BW unter der Überschrift „Allgemeine Polizeibehörden“ aufgeführten allgemeinen Verwaltungsbehörden (Ministerien, Regierungspräsidien, untere Verwaltungsbehörden, Gemeinden) als allgemeine Polizeibehörden oder als „andere Stellen“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 PolG BW 289 anzusehen sind, wenn sie in einem spezialgesetzlich geregelten Aufgabenbereich – wie in dem der Katastrophenabwehr – gefahrenabwehrend tätig werden. Im ersten Fall können sie sich der polizeigesetzlichen Eingriffsgrundlagen bedienen, im zweiten nicht. Der wohl überwiegenden Ansicht, nach der eine Behörde funktionell als allgemeine Polizeibehörde handelt, wenn sie gefahrenabwehrend tätig wird 290, und die daher einen weitgehenden Rückgriff auf polizeirechtliche Befugnisse zuläßt, ist entgegenzuhalten, daß in den letzten Jahren weite Teile des Gefahrenabwehrrechts spezialgesetzlich geregelt wurden und der Gesetzgeber durchaus danach differenziert, ob er die Aufgaben den unteren Verwaltungsbehörden oder den Gemeinden als Verwaltungsbehörden oder als Kreis- oder Ortspolizeibehörden überträgt 291. Dies spricht dafür, die allgemeinen Verwaltungsbehörden als „andere Stellen“ 292 und nicht als allgemeine Polizeibehörden anzusehen. Für den Bereich des Katastrophenschutzrechts wird diese Auffassung gestärkt durch § 24 Satz 1 LKatSG B-W, wonach der Polizeivollzugsdienst die Aufgaben der Katastrophenschutzbehörde wahrnimmt und die notwendigen 287

Dazu Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 15. Stephan, VBlBW 1984 S. 47 (47). 289 § 2 Abs. 1 PolG BW befaßt sich mit dem Tätigwerden für andere Stellen; aus der Vorschrift ergibt sich eine Differenzierung zwischen der „Polizei“ und einer „anderen Stelle“, die „zur Wahrnehmung einer polizeilichen Aufgabe im Sinne des § 1 Abs. 1 nach gesetzlicher Vorschrift“ zuständig ist. 290 Nach Würtenberger / Heckmann / Riggert, Polizeirecht, Rn. 134 sowie Zeitler, Polizeirecht, Rn. 28 kommt es dafür auf den Charakter der einzelnen Maßnahme an. Allgemeiner auf den spezialgesetzlich geregelten Aufgabenbereich abstellend Stephan, VBlBW 1984 S. 47 (47); wohl auch Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 10. Ebenso für die vergleichbare Regelung im sächsischen Landesrecht Wagner, SächsVBl. 1998 S. 193 (194); wohl auch Rommelfanger in Rommelfanger / Rimmele, SächsPolG, Rn. 8 zu § 64 und Rimmele in Rommelfanger / Rimmele, SächsPolG, Rn. 6 zu § 2. Im Ergebnis auch Belz in Belz / Mußmann, PolG B-W, Rn. 4 zu § 61 und Mußmann in Belz / Mußmann, PolG B-W, Rn. 6 zu § 2; unklar bleibt, ob es auf das Aufgabengebiet oder die konkret wahrgenommene Aufgabe ankommen soll. 291 Wolf in Wolf / Stephan, PolG B-W, Rn. 5 ff. zu § 61 mit mehreren Beispielen. 292 So Wolf in Wolf / Stephan, PolG B-W, Rn. 4 zu § 2 (mit ausdrücklicher Nennung der Katastrophenschutzbehörden), Rn. 3 zu § 61. 288

E. Eingriffsbefugnisse

253

vorläufigen Maßnahmen trifft, wenn und solange bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der zuständigen Katastrophenschutzbehörde nicht erreichbar ist. Diese Vorschrift stimmt inhaltlich mit § 60 Abs. 2 PolG B-W überein, wonach der Polizeivollzugsdienst vorbehaltlich anderer Anordnungen der Polizeibehörde die polizeilichen Aufgaben wahrnimmt, wenn ein sofortiges Tätigwerden erforderlich erscheint. Der Regelung im Katastrophenschutzgesetz bedürfte es nicht, wenn es sich bei der Katastrophenschutzbehörde um eine Polizeibehörde handelte. Ein Rückgriff auf die im Polizeigesetz geregelten Befugnisse ist also nicht möglich. Das Bayerische Katastrophenschutzgesetz gesteht der Katastrophenschutzbehörde einzelne Spezialbefugnisse zu 293. Nach dem Berliner Katastrophenschutzgesetz stehen den Katastrophenschutzbehörden eine Generalklausel 294 sowie einzelne Spezialermächtigungen 295 zur Verfügung. Da in Berlin nach § 3 KatSG Bln die Ordnungsbehörden sowie die Polizei Katastrophenschutzbehörden sind, können diese sich ergänzend zu den Vorschriften des Katastrophenschutzgesetzes der Ermächtigungsgrundlagen des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes bedienen. Im Brandenburgischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz finden sich Generalklauseln 296 und Spezialermächtigungen 297 für die Gesamtführung 298 und die Einsatzleitung 299 sowie eine Generalklausel für die Katastrophenschutzbehörden 300. Da letztere ihre Aufgaben nach § 2 Abs. 2 BbgBKG als Sonderordnungsbehörden wahrnehmen, haben sie gemäß § 11 Abs. 2, § 13 Abs. 2 Satz 2 OBGBbg ergänzend Befugnisse nach dem Brandenburgischen Ordnungsbehördengesetz 301. § 23 Nr. 1 OBGBbg verweist dazu auf bestimmte Vorschriften des Brandenburgischen Polizeigesetzes.

293 Art. 9, 10 BayKSG. Die Befugnis zur Räumung und Sperrung eines Gebietes haben nach Art. 10 Abs. 2 BayKSG bei Gefahr im Verzug auch die von der Katastrophenschutzbehörde hierzu beauftragten eingesetzten Kräfte, soweit Polizei nicht zur Verfügung steht. 294 § 7 Abs. 2 KatSG Bln. 295 § 7 Abs. 3, § 8 Abs. 1 und 2 KatSG Bln. 296 § 8 Satz 1, § 9 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 BbgBKG. 297 § 8 Satz 2, § 9 Abs. 4 Satz 1, § 13 Abs. 1 und 3, § 15 Abs. 1 und 2 BbgBKG. 298 Zur Gesamtführung § 7 BbgBKG. 299 Zur Einsatzleitung § 9 Abs. 1 und 2 BbgBKG. 300 § 43 Abs. 1 BbgBKG. 301 Auf die ergänzende Geltung des Ordnungsbehördengesetzes wird in der Begründung zu § 2 Abs. 2 BbgBKG (LT-Drs. 3/6938, S. 4 der Begründung) und in der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern zum Brandenburgischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz vom 30. November 2005 (ABl. S. 1090, Punkt 2. 2 zu § 2) explizit hingewiesen.

254

3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Das Bremische Hilfeleistungsgesetz enthält Spezialermächtigungen 302 für den Einsatzleiter 303. Nach dem Hamburgischen Katastrophenschutzgesetz stehen den Katastrophenschutzbehörden eine Generalklausel 304 sowie mehrere Spezialermächtigungen 305 zur Verfügung. Da das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als Querschnittsgesetz für den Bereich der Gefahrenabwehr für alle Verwaltungsbehörden gilt 306, können die Katastrophenschutzbehörden auf die darin enthaltenen Ermächtigungsgrundlagen ergänzend zurückgreifen. Das Hessische Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz enthält neben einer Generalklausel für die Katastrophenschutzbehörden 307 auch eine Generalklausel für die technische Einsatzleitung 308. Durch Spezialermächtigungen 309 wird lediglich die technische Einsatzleitung 310, nicht jedoch die Katastrophenschutzbehörde berechtigt. Nach dem Landeskatastrophenschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern stehen den Katastrophenschutzbehörden eine Generalklausel 311 sowie einzelne Spezialermächtigungen 312 als Eingriffsgrundlagen zur Verfügung. In diesem Land werden jedenfalls 313 die unteren und die oberste Katastrophenschutzbehörde als (Landesbzw. Kreis-)Ordnungsbehörden tätig (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und 3 LKatSG M-V) und 302 § 5 Abs. 1 bis 3 BremHilfeG. Eine Spezialermächtigung enthält auch § 4 Abs. 3 BremHilfeG; deren Inhaber wird allerdings nicht bestimmt. 303 Zur Einsatzleitung siehe § 3 BremHilfeG. 304 § 14 Abs. 1 HmbKatSG. 305 § 16 Abs. 1 und 2, § 17 HmbKatSG. 306 Rogosch in Alberts / Merten / Rogosch, SOG Hmb, Rn. 3 vor §§ 3 ff. 307 § 33 Abs. 1 HBKG. 308 § 42 Abs. 1 HBKG. Zur technischen Einsatzleitung siehe § 41 HBKG. Sie wird bei der Katastrophenabwehr vom Katastrophenschutzstab bestimmt, § 43 Abs. 4 Satz 3 HBKG. 309 § 46 Abs. 1 und 2, §§ 49, 51 HBKG. Zusätzlich kann die technische Einsatzleitung die notwendigen Sicherungsmaßnahmen treffen, um an der Einsatzstelle ungehindert tätig sein zu können, soweit nicht entsprechende Maßnahmen von den Polizeidienststellen oder anderen Stellen getroffen werden (§ 42 Abs. 2 Satz 1 HBKG). 310 Die in den Vorschriften ebenfalls ermächtigte Gesamteinsatzleitung gibt es nur im Bereich des Abwehrenden Brandschutzes und der Allgemeinen Hilfe (siehe den Standort des § 20 HBKG „Gesamteinsatzleitung“ im Siebten Titel des Zweiten Abschnitts des Gesetzes), technische Einsatzleitungen dagegen auch im Katastrophenfall, da sie nach § 43 Abs. 4 Satz 3 HBKG vom Katastrophenschutzstab bestimmt werden. 311 § 15 Abs. 1 LKatSG M-V. 312 §§ 18, 19 LKatSG M-V. 313 Nach der bis zur Änderung durch das Gesetz vom 19. Dezember 2005 (GVBl. S. 640) geltenden Fassung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 LKatSG M-V wurde das Landesamt für Katastrophenschutz (jetzt: Landesamt für zentrale Aufgaben und Technik der Polizei, Brand- und Katastrophenschutz Mecklenburg-Vorpommern) als Sonderordnungsbehörde tätig. Diese Formulierung ist in der Neufassung entfallen. Möglicherweise ging der Gesetzgeber davon

E. Eingriffsbefugnisse

255

können daher auf die Ermächtigungsgrundlagen des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes zurückgreifen. Das niedersächsische Katastrophenschutzgesetz enthält keine Generalklausel, wohl aber mehrere Spezialermächtigungen 314 für die Katastrophenschutzbehörde. Im nordrhein-westfälischen Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung finden sich Spezialermächtigungen 315 für den Einsatzleiter 316. Das rheinland-pfälzische Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz enthält eine Generalklausel 317 und Spezialermächtigungen 318 für den Einsatzleiter 319. Im Landeskatastrophenschutzgesetz des Saarlandes finden sich eine Generalklausel 320 sowie einzelne Spezialermächtigungen 321 für die Katastrophenschutzbehörden. Das Sächsische Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz enthält Spezialermächtigungen 322 für die zuständige Behörde, die Einsatzleitung 323, die Technische Einsatzleitung 324 und ihre Beauftragten. Die bereits für Baden-Württemberg erörterte 325 Frage, ob die Katastrophenschutzbehörden allgemeine Polizeibehörden sind und daher auf polizeirechtliche Befugnisse zurückgreifen können, stellt sich auch in Sachsen, da die baden-württembergischen Regelungen dort übernommen wurden 326; sie ist hier ebenfalls zu verneinen 327.

aus, daß dem neuen Landesamt die ihm als Polizeibehörde zustehenden Befugnisse auch als Katastrophenschutzbehörde zustehen; jedenfalls für die Dienst- und Fachaufsicht hielt er eine Regelung im Polizeiorganisationsgesetz für ausreichend (LT-Drs. 4/1730 S. 24). 314 §§ 26, 28, 29 NKatSG. 315 §§ 27, 28 FSHG NRW. 316 Zur Einsatzleitung siehe § 30 Abs. 1 FSHG NRW. 317 § 25 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P. 318 §§ 27, 28 Abs. 1 LBKG R-P. Nach § 25 Abs. 1 Satz 3 LBKG R-P führt der Einsatzleiter auch die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen durch, soweit diese nicht von der Polizei oder anderen zuständigen Stellen getroffen werden. 319 Zum Einsatzleiter siehe § 24 Abs. 1 LBKG R-P. 320 § 9 Abs. 1 LKatSG-Saarland. 321 §§ 13, 14 LKatSG-Saarland. 322 §§ 54, 55 Abs. 1, § 58 Abs. 1 SächsBRKG. 323 Zur Einsatzleitung siehe § 49 SächsBRKG. 324 Zur Technischen Einsatzleitung siehe § 50 BRKG. 325 Siehe soeben im Text bei Fn. 289 ff. 326 § 2 Abs. 1 Satz 1 SächsPolG ist wortgleich mit § 2 Abs. 1 Satz 1 PolG B-W. Die Regelung in § 64 SächsPolG entspricht inhaltlich der Regelung in §§ 61, 62 Abs. 1 bis 4 PolG B-W.

256

3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Im Katastrophenschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt und im Landeskatastrophenschutzgesetz Schleswig-Holstein gibt es keine Generalklausel, wohl aber Spezialermächtigungen 328 für die Katastrophenschutzbehörden (in Schleswig-Holstein auch für den Leiter einer nachgeordneten Führungsebene). Im Thüringer Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz finden sich eine Generalklausel 329 und Spezialermächtigungen 330 für den Einsatzleiter (Bürgermeister, Landrat, Minister, bzw. ein Beauftragter) 331, nicht jedoch für die Katastrophenschutzbehörden.

II. Ermächtigungsgrundlagen für Platzverweisungen, Evakuierungen und Betretungsverbote 1. Maßnahmen nach den Katastrophenschutzgesetzen a) Ausdrückliche Ermächtigungsgrundlagen Nur einige Katastrophenschutzgesetze enthalten ausdrückliche Ermächtigungsgrundlagen für Platzverweisungen, Evakuierungen und Betretungsverbote. In Bayern (Art. 10 BayKSG) kann die Katastrophenschutzbehörde 332 das Betreten des Katastrophengebiets verbieten, Personen von dort verweisen und das Katastrophengebiet sperren und räumen, wenn das zur Katastrophenabwehr erforderlich ist. Diese Vorschrift ermöglicht Platzverweisungen, Evakuierungen und Betretungsverbote. Nach den fast identischen Vorschriften in Niedersachsen (§ 26 Abs. 1 und 2 NKatSG) und Sachsen-Anhalt (§ 20 Abs. 1 und 2 KatSG-LSA) kann die Katastrophenschutzbehörde ein durch den Katastrophenfall betroffenes oder unmittelbar gefährdetes Gebiet zum Sperrgebiet erklären und sie kann anordnen, daß Bewohner und andere Personen ein durch den Katastrophenfall betroffenes oder unmittelbar gefährdetes Gebiet vorübergehend zu verlassen haben. Im Gegensatz 327 Anderer Ansicht Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 34; Rommelfanger in Rommelfanger / Rimmele, SächsPolG, Rn. 8 zu § 64 und Rimmele in Rommelfanger / Rimmele, SächsPolG, Rn. 6 zu § 2; Wagner, SächsVBl. 1998 S. 193 (194). 328 § 20 Abs. 2 bis 5, § 21 Abs. 1, § 22 Abs. 1 und 2 KatSG-LSA; § 24 Abs. 1, § 25, § 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 27 LKatSG S-H. 329 § 26 Abs. 1 Satz 1 ThBKG. 330 § 28 Abs. 1 und 3, § 29 Abs. 1 ThBKG. Nach § 25 Abs. 1 Satz 3 LBKG R-P, § 26 Abs. 1 Satz 3 ThBKG führt der Einsatzleiter auch die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen durch, soweit diese nicht von der Polizei oder anderen zuständigen Stellen getroffen werden. 331 Vgl. § 25 Abs. 1 ThBKG. 332 Bei Gefahr im Verzug haben diese Befugnis von der Katastrophenschutzbehörde hierzu beauftragte eingesetzte Kräfte, soweit Polizei nicht zur Verfügung steht (Art. 10 Satz 2 BayKSG).

E. Eingriffsbefugnisse

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zu den § 12 ME-POG nachgebildeten polizeirechtlichen Vorschriften über die Platzverweisung bedürfen diese Normen nicht der einschränkenden Auslegung 333. Die Verwendung des Wortes „vorübergehend“ dient hier nicht dazu, die Befugnis zum Eingriff in Art. 11 GG auszuschließen, sondern zielt auf eine zeitliche Beschränkung der Maßnahme 334. Die Vorschriften ermöglichen demnach sowohl Platzverweisungen als auch Evakuierungen. Mit der Erklärung eines Gebietes zum Sperrgebiet dürfte – auch wenn dies in den Gesetzen nicht deutlich zum Ausdruck kommt 335 – ein Betretungsverbot bezüglich dieses Gebietes verbunden sein, denn die Möglichkeit einer Sperrgebietserklärung ohne diese Rechtsfolge wäre sinnlos. In Sachsen-Anhalt war das Betretungsverbot sogar Ziel der Regelung: Dort ging der Gesetzgeber davon aus, daß die Katastrophenschutzbehörde mit der Erklärung eines Gebietes zum Sperrgebiet generell den Zutritt beschränken und so auch den Katastrophentourismus einschränken könne 336. § 14 Abs. 1 Satz 2 LKatSG-Saarland ermöglicht lediglich Platzverweisungen und Evakuierungen. Nach dieser Vorschrift kann die Katastrophenschutzbehörde unter anderem auch die Räumung von Grundstücken und baulichen Anlagen anordnen, wenn zur Abwehr der Katastrophe keine anderen Maßnahmen zur Verfügung stehen. Die Befugnis zum Erlaß von Betretungsverboten läßt sich jedoch den in § 14 Abs. 2 LKatSG-Saarland geregelten Verhaltenspflichten entnehmen. 337 Nach ihrem Wortlaut ermöglichen auch die insoweit beinahe wortgleichen Vorschriften der Katastrophenschutzgesetze Berlins (§ 7 Abs. 3 KatSG Bln) und Hamburgs (§ 17 Abs. 1 bis 3 HmbKatSG) Platzverweisungen, Evakuierungen und Betretungsverbote: Die Katastrophenschutzbehörden dürfen die von einer Katastrophe betroffenen oder bedrohten Gebiete und ihre Zugangs- und Zufahrtswege zu Sperrgebieten erklären und gegenüber den darin anwesenden Personen Anordnungen zur Räumung, Absperrung oder Sicherung des Sperrgebiets treffen;

333 Zur einschränkenden Auslegung der polizeirechtlichen Vorschriften über die Platzverweisung siehe unten in diesem Teil unter E. II. 2. (im Text bei Fn. 374 ff.). 334 Nach der Begründung zu § 20 Abs. 2 KatSG-LSA (LT-Drs. 1/2369 S. 28 [S. 15 der Begründung]) ist die Anordnung auf die Dauer einer bestehenden Gefahr für Leben und Gesundheit zu beschränken. 335 Deutlicher etwa § 7 Abs. 3 Satz 4 KatSG Bln und § 17 Abs. 3 HmbKatSG, wonach Personen, die nicht zur Hilfeleistung oder zur Versorgung der betroffenen Bevölkerung benötigt werden, das Sperrgebiet nur mit Genehmigung der Katastrophenschutzbehörde betreten dürfen. 336 Begründung zu § 20 Abs. 1 KatSG-LSA (LT-Drs. 1/2369 S. 27 [S. 14 der Begründung]). Allerdings wurde trotz der erklärten gesetzgeberischen Zielsetzung ein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 KatSG-LSA nicht in den Katalog der Ordnungswidrigkeiten in § 26 KatSG-LSA aufgenommen. 337 Siehe dazu unten in diesem Teil unter E. II. 1. b) (im Text bei Fn. 346 ff., 350 ff.).

258

3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Personen, die nicht zur Hilfeleistung oder Versorgung benötigt werden, dürfen das Sperrgebiet nur mit Genehmigung betreten. In beiden Gesetzen wird allerdings das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nicht beachtet: Sie enthalten jeweils eine Vorschrift 338, in der die durch das Gesetz eingeschränkten Grundrechte genannt werden, das Grundrecht der Freizügigkeit aus Art. 11 GG wird dabei jedoch nicht erwähnt. Dies führt zwar nicht zur Verfassungswidrigkeit von § 7 Abs. 3 KatSG Bln und § 17 Abs. 1 bis 3 HmbKatSG, da diese Vorschriften einschränkend ausgelegt werden können 339: Beschränkt man die zulässige Dauer der Maßnahmen auf einen Zeitraum von maximal 12 Stunden 340, so ist ein Eingriff in das Grundrecht der Freizügigkeit ausgeschlossen. Die zur Katastrophenabwehr in der Regel erforderlichen längerfristigen Evakuierungen und Betretungsverbote, die einen Eingriff in Art. 11 GG darstellen, sind aber in beiden Ländern nach dieser Auslegung nicht möglich. Auch die Feuerwehrgesetze enthalten keine geeignete Ermächtigungsgrundlage: Nach dem Gesetz über die Feuerwehren im Land Berlin 341 besteht keine vergleichbare Befugnis. § 25 FwG Hmb 342, der die vorübergehende Verweisung vom Einsatzort der Feuerwehr und dessen Umgebung und die vorübergehende Untersagung des Betretens erlaubt, ist wiederum wegen fehlender Zitierung des Art. 11 GG einschränkend auszulegen 343. In Sachsen (§ 58 Abs. 1 SächsBRKG) können die Brandschutz-, Rettungsdienstund Katastrophenschutzbehörde, die Einsatzleitung, die Technische Einsatzleitung und ihre Beauftragten das Betreten des Katastrophengebietes verbieten, Personen von dort verweisen und das Katastrophen- oder Einsatzgebiet sperren und räumen lassen, soweit dies für die Bekämpfung von Katastrophen oder die dringliche vorläufige Beseitigung von Katastrophenschäden einschließlich der Vermeidung weiterer Einsätze am selben Einsatzort erforderlich ist. Diese Vorschrift ermöglicht Platzverweisungen, Evakuierungen und Betretungsverbote und erfaßt mit der Einbeziehung des „Einsatzgebietes“ auch vom eigentlichen Katastrophengebiet abgelegene Einsatzorte 344. Mit der Befugnis, Maßnahmen auch zur Vermeidung weiterer Einsätze am selben Einsatzort zu treffen, nimmt sie sich des Problems evakuierungsunwilliger Personen an und stellt klar, 338

§ 20 KatSG Bln, § 30 HmbKatSG. Zur einschränkenden Auslegung bei Verstoß gegen das Zitiergebot vgl. die Nachweise im Zweiten Teil in Fn. 73. 340 Siehe oben im Zweiten Teil unter B. II. (im Text bei Fn. 23 f.). 341 Feuerwehrgesetz – FwG (im Folgenden: FwG Bln) vom 23. September 2003 (GVBl. S. 457). 342 Feuerwehrgesetz (im Folgenden: FwG Hmb) vom 23. Juni 1986 (GVBl. S. 137), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2001 (GVBl. S. 251). 343 Zur Auslegung des Wortes „vorübergehend“ in den § 12 ME-POG entsprechenden Vorschriften der Polizeigesetze siehe in diesem Teil unter E. II. 2. (im Text bei Fn. 374 ff.). 339

E. Eingriffsbefugnisse

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daß eine Maßnahme keine konkrete Gefahr für Leben oder Gesundheit der Betroffenen voraussetzt, sondern daß auch die Effektivität der Katastrophenbekämpfung selbst Schutzgut ist 345. b) Ableitung von Ermächtigungsgrundlagen aus Verhaltenspflichten Der überwiegende Teil der Katastrophenschutzgesetze enthält keine explizit formulierten Ermächtigungsgrundlagen für Platzverweisungen, Evakuierungen und Betretungsverbote, sondern entsprechende Verhaltenspflichten der Bevölkerung. In weitgehend identischer Formulierung bestimmen § 29 LKatSG B-W, § 51 HBKG, § 14 Abs. 2 LKatSG-Saarland und § 27 LKatSG S-H, daß alle im Katastrophengebiet oder an einem Einsatzort 346 anwesenden Personen 347 Anordnungen der Katastrophenschutzbehörde, des technischen Leiters des Einsatzes oder seines Beauftragten 348 über Räumung, Absperrung oder Sicherung des Katastrophengebietes oder des Einsatzortes unverzüglich zu befolgen haben 349. In Bremen ist nach § 4 Abs. 3 BremHilfeG jeder verpflichtet, die angeordneten Räumungs-, Sicherungs- und Absperrmaßnahmen zu befolgen, um es den Einsatzkräften zu ermöglichen, am Schadensort ungehindert tätig sein oder von dort ausgehende Gefahren abwehren zu können. Den Vorschriften läßt sich eine Ermächtigung zu den dort genannten Maßnahmen entnehmen 350, denn ohne eine derartige Ermächtigung bliebe die Begründung von Verhaltenspflichten gegenstandslos. Sie können auch nicht lediglich als Verweis auf bereits anderweitig – etwa nach einer Generalklausel – bestehende Ermächtigungen 351 verstanden werden 352. Dies ergibt sich aus den Bußgeldvorschriften der entsprechenden Katastrophenschutzgesetze 353: Dort wird die 344 So die Begründung zu § 57 des Entwurfs zum Gesetz zur Neuordnung des Brandschutzes, Rettungsdienstes und Katastrophenschutzes, LT-Drs. 3/9866 S. 92 [S. 37 der Begründung]). Dies soll unter anderem dazu dienen, „Räume außerhalb des Katastrophengebietes für Einheiten und Einrichtungen (Führungsstäbe, Verbandplätze, Versorgungseinrichtungen) nutzen zu können.“ 345 Dazu siehe oben im Zweiten Teil unter B. III. 2. 346 § 14 Abs. 2 LKatSG-Saarland und § 51 HBKG beziehen sich nicht auf das Katastrophengebiet, sondern allgemein auf den „Einsatzort“. 347 § 27 LKatSG S-H: „jede [...] anwesende Person“. 348 § 51 HBKG: Anordnungen der Einsatzleitung im Sinne des Gesetzes oder der von ihr beauftragten Person. § 27 LKatSG S-H: Anordnungen der Katastrophenschutzbehörde oder der Leiterin oder des Leiters einer nachgeordneten Führungsebene. 349 § 51 HBKG enthält zusätzlich das Tatbestandsmerkmal „in Fällen des Brandschutzes, der Allgemeinen Hilfe und des Katastrophenschutzes“. 350 Auch Diegmann / Lankau, HBKG, Erläuterung zu § 51 verstehen § 51 HBKG als Ermächtigungsgrundlage, wenn sie ausführen, daß die Vorschrift es der Einsatzleitung „ermöglicht“, Absperrungen, Räumungs- und Sicherungsmaßnahmen durchzuführen.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Nichtbefolgung und die nicht vollständige oder nicht rechtzeitige Befolgung von „vollziehbaren Anordnungen“ nach den die Verhaltenspflicht begründenden Vorschriften – und nicht etwa nach der jeweiligen Generalklausel – zur Ordnungswidrigkeit bestimmt. Die Regelungen genügen auch den Anforderungen, die aufgrund der Wesentlichkeitstheorie an eine Spezialermächtigung zu stellen sind 354. Die Tatbestandsvoraussetzung „Naturkatastrophe“ ergibt sich bereits aus dem Anwendungsbereich der Gesetze; die Rechtsfolge (Räumungs-, Sicherungs- und Absperrmaßnahmen) wird in den Vorschriften hinreichend bestimmt, indem die zu befolgenden Maßnahmen, überwiegend jedoch auch der räumliche Bereich und der Adressatenkreis festgelegt werden. Zwar wäre der Begriff der Sicherungsmaßnahmen allein zu weit, er wird jedoch durch die Begriffe der „Räumung“ (Platzverweisungen und Evakuierungen) und der „Absperrung“ (Platzverweisungen und Betretungsverbote) näher konkretisiert. Die Vorschriften sind damit in ihrem Regelungsgehalt bestimmter als eine Generalklausel und ermächtigen zu Platzverweisungen, Betretungsverboten und Evakuierungen. In Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen sind lediglich Platzverweisungen sowie Evakuierungen bestimmter Personen, nicht jedoch Betretungsverbote zulässig: § 15 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG, § 28 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P und § 29 Abs. 1 Satz 2 ThBKG 355, wonach Eigentümer, Besitzer und sonstige Nutzungsberechtigte von Grundstücken und baulichen Anlagen 356 an oder in der Nähe der Ein351 Zwar besteht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 LKatSG-Saarland eine Anordnungsbefugnis der Katastrophenschutzbehörde für die Räumung von Grundstücken und baulichen Anlagen, doch bleibt diese Ermächtigung hinsichtlich des Kreises der möglichen Maßnahmen hinter der der Verhaltenspflicht in § 14 Abs. 2 LKatSG-Saarland zu entnehmenden Befugnis zurück. 352 So könnte jedoch die Begründung zu § 17 LKatSG M-V a.F. (heute: § 19 LKatSG M-V) (LT-Drs. 1/1262 S. 23) zu verstehen sein. Danach ergibt sich das Recht der Katastrophenschutzbehörden, die in der Vorschrift enthaltenen Maßnahmen zu treffen, „bereits“ aus § 13 Abs. 1 LKatSG M-V a.F. (heute: § 15 LKatSG M-V), also aus der Generalklausel. Im Interesse der ungestörten und schnellen Durchführung der Katastrophenabwehrmaßnahmen müßten die Duldungspflichten aber auch gegenüber den Einheiten des Katastrophenschutzes und sonstigen Hilfskräften bestehen. 353 § 35 Abs. 1 Nr. 3 LKatSG B-W; § 60 Abs. 1 Nr. 2 BremHilfeG; § 65 Nr. 9 HBKG; § 22 Abs. 1 Nr. 4 LKatSG M-V; § 22 Abs. 1 Nr. 3 LKatSG-Saarland; § 38 Abs. 1 Nr. 3 LKatSG S-H. 354 Zu diesen Anforderungen siehe oben im Zweiten Teil unter B. III. 4. (im Text nach Fn. 45). 355 Die folgenden Ausführungen gelten auch für die vergleichbaren Vorschriften in anderen Ländern (§ 28 Abs. 2 LKatSG B-W; § 46 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 HBKG; § 28 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 FSHG NRW). § 14 Abs. 1 Satz 2 LKatSG-Saarland enthält keine Duldungspflicht, sondern eine Anordnungsbefugnis zur Räumung von Grundstücken.

E. Eingriffsbefugnisse

261

satzstelle 357 die vom Einsatzleiter 358 angeordneten Maßnahmen, insbesondere die Räumung des Grundstücks oder die Beseitigung von Gebäuden, Gebäudeteilen, Anlagen, Lagergut, Einfriedungen und Pflanzen zu dulden haben, lassen zwar Evakuierungsmaßnahmen zu, sofern man trotz der Ausgestaltung als Duldungspflicht unter der „Räumung“ eines Grundstücks nicht die Entfernung von Sachen, sondern die Evakuierung von Personen versteht 359. Umfassende Evakuierungen sind danach jedoch nicht möglich, da die Vorschriften nur einen bestimmten Personenkreis verpflichten, nicht jedoch alle Personen, die sich am betreffenden Ort aufhalten. Allgemeine Betretungsverbote kommen wegen der Beschränkung auf die Räumung eines Grundstücks ebenfalls nicht in Betracht. Nach § 13 Abs. 5 BbgBKG, § 29 LBKG R-P und § 30 ThBKG dürfen Personen, die an Hilfsmaßnahmen oder Übungen nicht beteiligt sind, den Einsatz 360 nicht behindern. Sie sind verpflichtet, die Anweisungen des Einsatzleiters, der Polizei oder in bestimmten Fällen 361 der Angehörigen der Hilfsorganisationen zu befolgen 362. Die hier bestimmte Rechtsfolge, daß „Anweisungen“ erteilt werden können, die dann zu „befolgen“ sind, geht nicht über den Regelungsgehalt einer Generalklausel hinaus und genügt daher nicht für einen Eingriff in Art. 11 GG 363, sondern ermöglicht lediglich Platzverweisungen. Ebenfalls zu unbestimmt für eine Spezialermächtigung sind § 25 Abs. 1 Satz 4 LBKG R-P und § 26 Abs. 1 Satz 3 ThBKG, wonach der Einsatzleiter für die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen 364 sorgt, soweit 365 diese nicht von der Polizei oder anderen zuständigen Stellen getroffen werden. 366

356 § 28 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P und § 29 Abs. 1 Satz 2 ThBKG nennen zusätzlich Schiffe. 357 In Brandenburg ergibt sich die Verpflichtung von Eigentümern, Besitzern oder sonstigen Nutzungsberechtigten der in der Nähe der Einsatzstelle gelegenen Grundstücke und baulichen Anlagen aus § 15 Abs. 2 BbgBKG. 358 § 15 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG: von der Gesamtführung oder der Einsatzleitung. 359 In diesem Sinne die Begründung zu § 15 BbgBKG (LT-Drs. 3/6938, S. 12 der Begründung) und Punkt 15.1 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern zum Brandenburgischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz vom 30. November 2005 (ABl. S. 1090). 360 § 13 Abs. 5 Satz 1 BbgBKG: „diese“ (= Hilfsmaßnahmen oder Übungen). 361 Fälle des § 25 Abs. 3 LBKG R-P bzw. § 26 Abs. 3 ThBKG. 362 § 13 Abs. 5 Satz 2 BbgBKG nennt Anweisungen lediglich der Einsatzleitung und führt als Beispiele „insbesondere Platzverweise und Sperrungen von Einsatzgebieten“ auf. 363 Eisinger / Gräff, LBKG R-P, Anm. 1 zu § 30 (a.F.) (S. 282f) halten dagegen Evakuierungsanordnungen auf Grundlage des § 29 Satz 2 LBKG anscheinend für möglich. 364 § 26 Abs. 1 Satz 3 ThBKG: „Sicherungsmaßnahmen“. 365 § 26 Abs. 1 Satz 3 ThBKG: „bis“. 366 Ebenso wohl Eisinger / Gräff, LBKG R-P, Anm. 1 zu § 30 (a.F.) (S. 282f): Für die zwangsweise Durchsetzung der Evakuierung eines größeren Gebiets reiche eine allgemeine,

262

3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

In Mecklenburg-Vorpommern regelt § 19 Abs. 2 LKatSG M-V, daß jeder die im Katastrophengebiet auf Anordnung der Katastrophenschutzbehörde von den Einheiten des Katastrophenschutzes und sonstigen Hilfskräften getroffenen Sicherungs- und Absperrmaßnahmen zu befolgen hat. Unter Absperrmaßnahmen lassen sich insbesondere Platzverweise und Betretungsverbote fassen. Problematisch ist dagegen die Verwendung des sehr weiten Begriffs „Sicherungsmaßnahmen“. Zwar dürfte er neben Platzverweisungen und anderen Maßnahmen auch Evakuierungen beinhalten, doch ist er ohne nähere Konkretisierung nicht hinreichend bestimmt 367, um den Anforderungen an eine Spezialermächtigung zu genügen. Die Vorschrift ermöglicht daher lediglich Platzverweisungen und Betretungsverbote. Nur einen bestimmten Personenkreis betreffende, nicht jedoch umfassende Evakuierungen lassen sich auf die den soeben erwähnten Regelungen in Brandenburg, RheinlandPfalz und Thüringen entsprechende Vorschrift des § 24 Abs. 1 Satz 3 BrSchG M-V 368 stützen, wonach Eigentümer und Besitzer betroffener Gebäude, Grundstücke und Schiffe unter anderem die vom Einsatzleiter oder seinem Beauftragten angeordnete Räumung von Grundstücken und Gebäuden zu dulden haben. In Nordrhein-Westfalen sind die zulässigen Maßnahmen auf Platzverweisungen beschränkt: Gemäß § 27 Abs. 2 FSHG NRW haben Personen, die den Einsatz stören oder sich oder andere gefährden, auf Weisung von Einsatzkräften den Einsatzort umgehend zu verlassen. Die Vorschrift ermöglicht Maßnahmen nur hinsichtlich des genannten Personenkreises. Gebietsweise und frühzeitige Maßnahmen, bei denen für einzelne Betroffene (noch) keine Gefahr besteht, kommen bereits nach dem Wortlaut nicht in Betracht. Auch die Pflicht zur Duldung der Räumung von Grundstücken, Gebäuden und Schiffen nach § 28 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 FSHG NRW trifft nur einen begrenzten Adressatenkreis, nämlich die jeweiligen Eigentümer und Besitzer. Da der Gesetzgeber mit § 27 Abs. 2 FSHG NRW lediglich zum Platzverweis ermächtigen wollte 369 und Art. 11 GG in dem Gesetz nicht als eingeschränktes Grundrecht zitiert wird 370, müssen die Vorschriften restriktiv ausgelegt werden: Zulässig sind lediglich Maßnahmen unterhalb der Schwelle eines Eingriffs in das Grundrecht der Freizügigkeit, also nur Maßnahmen von kurzer Dauer. generalklauselartige Ermächtigungsnorm wie § 26 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P (a.F.) nicht aus. 367 Hinreichend deutlich dagegen § 29 LKatSG B-W, § 51 HBKG, § 14 Abs. 2 LKatSGSaarland und § 27 LKatSG S-H (siehe soeben im Text bei Fn. 346 ff.). 368 Gesetz über den Brandschutz und die Technischen Hilfeleistungen durch die Feuerwehren für Mecklenburg-Vorpommern (Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz M-V – BrSchG, im Folgenden: BrSchG M-V) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Mai 2002 (GVOBl. M-V S. 254), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Mai 2006 (GVOBl. M-V S. 194). 369 Vgl. die Begründung zu § 27 Abs. 2 FSHG NRW (LT-Drs. 12/1993 S. 58). 370 In § 38 FSHG NRW werden zwar andere Grundrechte, nicht jedoch Art. 11 GG genannt.

E. Eingriffsbefugnisse

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2. Maßnahmen nach den Polizeigesetzen Die in fast allen Landesgesetzen 371 enthaltene und weitgehend einheitlich formulierte 372 Ermächtigung zu der polizeirechtlichen Standardmaßnahme der Platzverweisung, die die vorübergehende 373 Verweisung von einem Ort bzw. ein vorübergehendes Betretungsverbot ermöglicht, kann nicht als Rechtsgrundlage für Evakuierungen und Betretungsverbote durch die Polizei bzw. die allgemeinen Ordnungsbehörden herangezogen werden: Zwar wären solche Maßnahmen zeitlich beschränkt und damit „vorübergehend“, jedoch ist die Norm einschränkend auszulegen 374: Der Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, der den Formulierungen in den Landesgesetzen zugrunde liegt, wollte durch die Beschränkung auf vorübergehende Maßnahmen eine Befugnis zum Eingriff in die Freizügigkeit ausschließen 375. Mit der Verwendung des Wortes „vorübergehend“ 371

Lediglich in Baden-Württemberg gibt es keine spezielle gesetzliche Regelung. § 12 ME-POG (zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes vgl. Fn. 309 im Ersten Teil) formuliert die Ermächtigung wie folgt: „Die Polizei kann zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Die Platzverweisung kann ferner gegen Personen angeordnet werden, die den Einsatz der Feuerwehr oder von Hilfs- oder Rettungsdiensten behindern.“ Die landesrechtlichen Regelungen der Platzverweisung entsprechen weitgehend der Formulierung des Musterentwurfs, vgl. Art. 16 BayPAG; § 29 Abs. 1 ASOG Bln; § 16 Abs. 1 BbgPolG, § 23 Nr. 1 lit. e) OBGBbg iVm § 16 Abs. 1 BbgPolG; § 14 BremPolG; § 12a Abs. 1 SOG Hmb (ohne Entsprechung zu § 12 Satz 2 ME-POG); § 31 Abs. 1 HSOG; § 52 Abs. 1 SOG M-V; § 17 Abs. 1 Nds. SOG; § 34 Abs. 1 PolGNRW, § 24 Nr. 13 OBG NRW iVm § 34 Abs. 1 PolGNRW; § 12 SPolG; § 21 Abs. 1 SächsPolG; § 36 Abs. 1 SOG LSA; § 201 LVwG S-H; § 18 Abs. 1 ThPOG, § 17 Abs. 1 ThOBG (ohne Entsprechung zu § 12 Satz 2 ME-POG). 373 In § 13 Abs. 1 POG R-P wurde das Wort „vorübergehend“ durch die Formulierung „zeitlich befristet“ ersetzt, vgl. dazu sogleich unten im Text bei Fn. 380 ff. 374 Schmitz, Vorgehen gegen Randgruppen, S. 231. 375 Vgl. Anmerkung Nr. 2 zu § 12 ME-POG (Heise / Riegel, ME-POG, S. 60), die vom Vorsitzenden des für die Erarbeitung des Musterentwurfs eingesetzten Ausschusses, Ministerialrat Heise (zur Besetzung und Funktion des Ausschusses siehe der in der Begründung zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes wiedergegebene Beschluß des Arbeitskreises II der Ständigen Konferenz der Innenminister / -senatoren des Bundes und der Länder, abgedruckt bei Heise / Riegel, ME-POG, S. 13), verfaßt wurde (vgl. Punkt A.1.4 der Begründung zum Musterentwurf, abgedruckt bei Heise / Riegel, ME-POG, S. 15): „Die Platzverweisung ist kein Eingriff in das Grundrecht der Freizügigkeit (Art. 11 GG), da dem Betroffenen nur vorübergehend das Betreten eines eng begrenzten Ortes verwehrt werden kann.“ Zum Teil wird angenommen, durch die Einschränkung habe die Bundeskompetenz für freizügigkeitsbeschränkende Maßnahmen aus Art. 73 Nr. 3 GG gewahrt werden sollen, so Hecker, NVwZ 1999 S. 261 (262); ebenso Cremer, NVwZ 2001 S. 1218 (1220). Dafür, daß ein Eingriff in Art. 11 GG bewußt vermieden werden sollte, spricht auch, daß der Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage für Platzverweisungen nicht an die Schranken 372

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

ist dies jedoch nicht vollständig gelungen, da auch vorübergehende Maßnahmen bei entsprechender Dauer einen grundrechtlich relevanten Zeitraum betreffen und einen Aufenthalt im Sinne des Grundrechts auf Freizügigkeit hindern können. Erforderlich ist daher über den vorübergehenden Charakter hinaus, daß die Maßnahme nur eine kurze zeitliche Wirkung entfaltet. 376 Sieht man eine Übernachtung als wesentliches Indiz für einen persönlichkeitsrelevanten und daher grundrechtlich geschützten Aufenthalt an 377, muß die maximale Dauer einer Platzverweisung so bemessen sein, daß ein Verweilen mit Übernachtung nicht gehindert wird. Dies dürfte bei einem Zeitraum von maximal 12 Stunden der Fall sein. 378 Die kurze zeitliche Wirkung muß bei Erlaß der Maßnahme feststehen. Daher lassen sich Evakuierungen und Betretungsverbote zum Zwecke der Katastrophenbekämpfung in der Regel nicht auf die Standardbefugnis zur Platzverweisung stützen 379; die Art der Gefahr und der Umfang der erforderlichen Bekämpfungsmaßnahmen dürften es ausschließen, bei Erlaß der Maßnahme eine zeitliche Befristung auf maximal 12 Stunden festzulegen. Anders verhält es sich bei der (neuen) Formulierung der Ermächtigungsgrundlage in § 13 Abs. 1 und Abs. 2 POG-RP. Danach kann die Platzverweisung ebenso wie die – nicht auf Fälle häuslicher Gewalt beschränkte – Wohnungsverweisung „zeitlich befristet“ erfolgen. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es, mit dieser Formulierung Eingriffe in die Freizügigkeit zu ermöglichen 380. Im Gegensatz zu dem vom Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes vorgegebenen Merkmal „vorübergehend“ ist es hier also nicht erforderlich, die Vorschrift hinsichtlich der möglichen Dauer der Maßnahme einschränkend auszulegen, um Eingriffe in die Freizügigkeit auszuschließen. Ob eine solche (landesrechtliche) Ermächtigung für Eingriffe in die Freizügigkeit für alle Zwecke der Gefahrenabwehr zulässig ist oder ob die Norm einer des Art. 11 Abs. 2 GG anknüpft (so Schmitz, Vorgehen gegen Randgruppen, S. 231) und Art. 11 GG in § 7 ME-POG nicht als einschränkbares Grundrecht zitiert wird. Auch Gusy, NWVBl. 2004 S. 1 (5) ist der Ansicht, der Tatbestand der Platzverweisung sei auf einen Eingriff in Art. 11 GG nicht angelegt. 376 Denninger in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil E Rn. 15 (S. 208) will anscheinend eine Ausnahme für Rettungsarbeiten machen: „‚vorübergehend‘, das heißt höchstens einige Stunden, es sei denn, es handelt sich zum Beispiel um länger andauernde Rettungsarbeiten“. 377 Siehe dazu oben im Zweiten Teil unter B. I. (im Text bei Fn. 20 f.). 378 Siehe dazu die Nachweise im Zweiten Teil in Fn. 23. 379 Anders Berner / Köhler, BayPAG, Rn. 1 (S. 161) zu Art. 16, die Art. 16 BayPAG als hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Räumung einer Wohnung im Katastrophenfall sehen, „weil in einem solchen Fall auch die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 7 erste Alternative GG gegeben sein werden.“ 380 Vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung vom 24. Juni 2003, LT-Drs. 14/2287 S. 36.

E. Eingriffsbefugnisse

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einschränkenden Auslegung dahingehend bedarf, daß eine länger andauernde Maßnahme nur für Zwecke der Kriminalprävention und der Katastrophenabwehr statthaft ist, ist sowohl wegen der materiellen Anforderungen des Art. 11 Abs. 2 GG als auch kompetenzrechtlich problematisch, hier aber unerheblich: Jedenfalls Ermächtigungsgrundlagen für Eingriffe, die zur Bekämpfung von Naturkatastrophen oder schweren Unglücksfällen erfolgen, sind vom qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG gedeckt 381 und unterfallen der Gesetzgebungskompetenz der Länder 382. Unklar ist, warum der Gesetzgeber den Terminus der „zeitlichen“ Befristung gewählt hat, da sich eine Befristung immer auf einen durch ein Datum oder ein Ereignis bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum 383 bezieht. 384 Eine Beschränkung auf eine datumsmäßige Befristung (nach Stunden oder Tagen oder einem Kalenderdatum) kann damit nicht gemeint sein. Gerade bei Gefahrenabwehrmaßnahmen wird sich das Ende nur durch den Eintritt eines Ereignisses bestimmen lassen (beispielsweise das Abklingen des Hochwassers). Dies war dem Gesetzgeber auch bewußt, wie in der Begründung zu § 13 Abs. 2 POG R-P deutlich wird, für dessen Anwendungsbereich beispielhaft die Räumung von Wohnungen bei Bombenfunden angeführt wird 385. Der Begriff der zeitlichen Befristung muß daher als Tautologie gewertet werden; gemeint sein kann nur die Ermächtigung zu (durch einen bestimmbaren Zeitpunkt oder den Eintritt eines bestimmten Ereignisses) befristeten Maßnahmen. Dem Zitiergebot wird durch die Nennung des Art. 11 GG in § 8 Nr. 4 POG R-P Rechnung getragen. § 13 Abs. 1 und Abs. 2 POG R-P ermächtigen somit die Polizei und die allgemeinen Ordnungsbehörden sowohl zu Platzverweisungen als auch zu (länger andauernden) Evakuierungen und Betretungsverboten für die Katastrophenbekämpfung.

381 Zum Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG siehe oben im Zweiten Teil unter B. III. 1. 382 Zum Problem der Gesetzgebungskompetenz siehe oben im Zweiten Teil unter B. III. 3. 383 Vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG. 384 Wird auf Ereignisse abgestellt, die sicher eintreten werden, handelt es sich um eine Befristung. Zur Abgrenzung zwischen Befristung und Bedingung nach der Definition in § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG vgl. Ule in Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 50 Rn. 7 (S. 501), Rn. 10. 385 LT-Drs. 14/2287 S. 37.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

3. Forderung an die Landesgesetzgeber In den Ländern, in denen die Katastrophenschutzgesetze keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für längerfristige oder umfassende Evakuierungen und Betretungsverbote enthalten und in denen auch die allgemeinen Polizei- und Ordnungsgesetze derartige Maßnahmen nicht ermöglichen (Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Thüringen), besteht ein erhebliches Regelungsdefizit. Für Evakuierungen und Sperrungen kann hier nur an den guten Willen der Betroffenen appelliert werden; die Anordnung und nötigenfalls die Vollstreckung derartiger Maßnahmen kommt nicht in Betracht. Da Menschen aber ihre Wohnungen häufig nicht verlassen wollen 386 oder sich freiwillig an den Ort der Gefahr begeben, sind unverbindliche Aufforderungen zur Gefahrenabwehr nicht ausreichend. In den betroffenen Ländern ist der Erlaß entsprechender Ermächtigungsgrundlagen dringend erforderlich.

III. Heranziehung der Bevölkerung zu Hilfeleistungen Alle Katastrophenschutzgesetze enthalten – unterschiedlich ausgestaltete – Vorschriften über die Heranziehung der Bevölkerung zu Hilfeleistungen. Entsprechend der oben 387 herausgearbeiteten Abgrenzung muß dabei unterschieden werden zwischen Hilfspflichten, die an eine berufliche Tätigkeit anknüpfen, und sonstigen, „allgemeinen“ Hilfspflichten. 1. Hilfeleistungspflichten als Nebenpflichten der Berufsausübung Die Pflicht zur Hilfeleistung im Katastrophenfall ist berufliche Nebenpflicht, und damit ist die Statuierung einer solchen Verpflichtung eine Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG, wenn die Verpflichtung an den gewählten Beruf anknüpft und wenn eine zusätzliche Tätigkeit in eben diesem Beruf gefordert wird. 388

386 Dies zeigte sich beispielsweise beim Hochwasser der Elbe 2002, siehe etwa Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. August 2002 S. 7 (Pergande, Man kennt sich von der Oderflut) sowie Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. August 2002 S. 8 (Freund, Die stille Nacht von Bitterfeld). 387 Im Zweiten Teil unter C. I. (im Text bei Fn. 88 ff.). 388 Siehe oben im Zweiten Teil unter C. III. (dort S. 147).

E. Eingriffsbefugnisse

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a) Berufsbezogenheit besonderer Hilfeleistungspflichten aa) Pflichten der Angehörigen der Gesundheitsberufe Ausdrücklich berufsspezifisch sind die in einigen Katastrophenschutzgesetzen 389 geregelten und teilweise auch in der Überschrift der jeweiligen Vorschrift so benannten 390 besonderen Pflichten von Angehörigen der Gesundheitsberufe. Der Kreis der betroffenen Berufe wird dabei unterschiedlich weit gefaßt und reicht von der relativ engen Bestimmung des § 56 Abs. 2 SächsBRKG, die nur niedergelassene Ärzte erfaßt 391, bis zur weiten Aufzählung 392 in § 23 Abs. 1 LBKG R-P, die Ärzte, Zahnärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Angehörige der Fachberufe des Gesundheits- und Veterinärwesens sowie das ärztliche und tierärztliche Hilfspersonal in Pflicht nimmt. Dabei ist nur in Brandenburg 393, Hessen 394, Rheinland-Pfalz 395 und Thüringen 396 die – im Zusammenhang dieser Arbeit interessierende – Möglichkeit vorgesehen, diese Personen zur Teilnahme an Einsätzen zu verpflichten; die Regelungen in BadenWürttemberg 397 und Sachsen 398 beschränken sich darauf, für niedergelassene Ärzte die Fortbildung für die besonderen Anforderungen einer Hilfeleistung bei der Bekämpfung von Katastrophen und der unmittelbar anschließenden vorläufigen Beseitigung erheblicher Katastrophenschäden auf der Grundlage der berufsstän389 § 26 LKatSG B-W; § 21 BbgBKG; § 37 HBKG; § 23 LBKG R-P; § 56 Abs. 2 und 3 SächsBRKG; § 24 ThBKG. § 23 Abs. 1 LKatSG S-H verpflichtet lediglich die Kammern und Berufsverbände zur Datenübermittlung und zum Angebot von Fortbildungsmaßnahmen, eine Verpflichtung der Berufsträger ergibt sich daraus nicht. Dies gilt auch für § 8 Abs. 3 LKatSG M-V. 390 Vgl. § 26 LKatSG B-W; § 21 BbgBKG; § 37 HBKG; § 23 LBKG R-P; § 24 ThBKG. 391 § 56 Abs. 3 Satz 2 SächsBRKG enthält zwar eine Pflicht zur Ermittlung der Daten des Krankenpflege-, Röntgen- oder medizinischen Laborpersonals, jedoch keine eigenen Pflichten dieser Personen. 392 Weniger umfangreich: § 26 Abs. 1 und 3 LKatSG B-W: niedergelassene Ärzte sowie Personen, die als Krankenpflege-, Röntgen- oder medizinisch-technisches Laborpersonal ausgebildet sind. § 21 Abs. 1 BbgBKG: Ärzte, Psychotherapeuten, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und Angehörige sonstiger Gesundheitsberufe. § 37 Abs. 1 HBKG: Ärztinnen oder Ärzte, Zahnärztinnen oder Zahnärzte, Tierärztinnen oder Tierärzte, Apothekerinnen oder Apotheker und Angehörige sonstiger Gesundheitsberufe sowie das ärztliche und tierärztliche Hilfspersonal. Die gleiche Aufzählung, allerdings ohne die jeweilige weibliche Form, enthält § 24 Abs. 1 ThBKG. 393 § 21 Abs. 2 Satz 2 BbgBKG. 394 § 37 Abs. 1 HBKG. 395 § 23 Abs. 1 LBKG R-P. 396 § 24 Abs. 1 ThBKG. 397 § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2 LKatSG B-W, § 26 Abs. 3 Satz 1 iVm § 26 Abs. 1 Satz 2 LKatSG B-W. 398 § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 Hs. 1 SächsBRKG.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

dischen Fortbildungspflicht vorzusehen, und die Verpflichtung zur Teilnahme an Übungen zu ermöglichen 399. Bei der Statuierung einer berufsspezifischen Hilfeleistungspflicht handelt es sich nur dann um eine Berufsausübungsregelung, wenn sie sich ausschließlich auf die in dem jeweiligen Beruf auch tatsächlich tätigen Personen bezieht. Würden auch Personen verpflichtet, die in dem Beruf lediglich ausgebildet, jedoch nicht tätig sind, so knüpfte die Verpflichtung nicht mehr an einen gewählten Beruf an, sondern stellte eine berufsunabhängige Tätigkeitsverpflichtung und damit Arbeitszwang im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG dar; als solcher wäre sie unzulässig, da es sich wegen des Anknüpfens an besondere Kenntnisse und Fähigkeiten nicht um eine allgemeine 400 Dienstleistungspflicht handelt. Sofern die entsprechenden Vorschriften in den Katastrophenschutzgesetzen nicht lediglich die in ihrem Beruf tätigen Angehörigen der Gesundheitsberufe verpflichten 401, bedürfen sie einer entsprechend einschränkenden Auslegung. Dies gilt für § 37 Abs. 1 HBKG (sämtliche dort aufgeführten Berufe), § 23 Abs. 1 LBKG R-P 402 (ärztliches und tierärztliches Hilfspersonal) und § 24 Abs. 1 ThBKG (ärztliches und tierärztliches Hilfspersonal). 403 In der Praxis wird es zur selbständigen Heranziehung von Gesundheits- und Krankenpflegern sowie ärztlichem Hilfspersonal allerdings selten kommen. Diese Berufsgruppen sind in der Regel über ihren Arbeitgeber (Krankenhaus oder niedergelassener Arzt) an Hilfsmaßnahmen beteiligt – sei es, weil dieser ohnehin für derartige Maßnahmen zur Verfügung steht (zB Akutkrankenhaus), sei es, weil er mit seinem Betrieb zu Hilfeleistungen herangezogen wird. Ihre Verpflichtung zum Tätigwerden ergibt sich dann bereits aus dem Arbeitsverhältnis und ist keine staatlich auferlegte berufliche Nebenpflicht. 399

Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 iVm § 26 Abs. 1 Satz 1 LKatSG B-W bezieht sich das auch auf Personen, die als Krankenpflege-, Röntgen- oder medizinisch-technisches Laborpersonal ausgebildet sind. 400 Zum Merkmal der Allgemeinheit der Dienstleistungspflicht siehe oben im Zweiten Teil unter D. II. 3. 401 Eine solche Einschränkung enthalten § 26 Abs. 1 Satz 1 LKatSG B-W, § 21 Abs. 1 BbgBKG, § 56 Abs. 2 Satz 1 SächsBRKG (durch die Beschränkung der Verpflichtung auf die niedergelassenen Ärzte) sowie – für bestimmte Berufsgruppen, vgl. die folgende Fußnote – § 23 Abs. 1 LBKG R-P und § 24 Abs. 1 ThBKG. 402 Das in § 23 Abs. 1 LBKG R-P eingangs erwähnte Merkmal „in ihrem Beruf tätige“ bezieht sich nach dem Wortlaut nur auf Ärzte, Zahnärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Tierärzte, Apotheker und Angehörige der Fachberufe des Gesundheits- und Veterinärwesens, nicht auch auf das ärztliche und tierärztliche Hilfspersonal. Vergleichbares gilt für die Regelung in § 24 Abs. 1 ThBKG. 403 Einer Einschränkung auf in ihrem Beruf tätige Personen bedarf auch § 26 Abs. 3 Satz 1 LKatSG B-W (Personen, die als Krankenpflege-, Röntgen- oder medizinisch-technisches Laborpersonal ausgebildet sind) für die darin vorgesehenen beruflichen Nebenpflichten (Teilnahme an Übungen).

E. Eingriffsbefugnisse

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Neben der durch einige Katastrophenschutzgesetze eröffneten Möglichkeit, Ärzte zur Teilnahme an Einsätzen zu verpflichten, besteht eine grundsätzliche, von der behördlichen Inanspruchnahme unabhängige Hilfspflicht von Ärzten jedenfalls insoweit, als sie eine Behandlung in Notfällen nicht ablehnen dürfen. Dies ergibt sich bereits aus den von den Landesärztekammern beschlossenen Berufsordnungen 404; einer Ableitung aus dem „Wesen des Arztseins“, wozu die Hilfeleistung in Notfällen gehören soll, bedarf es dazu nicht 405. Über die Behandlungspflicht in Notfällen hinaus sind die niedergelassenen Ärzte nach den § 26 Abs. 1 Satz 1 der Musterberufsordnung entsprechenden Vorschriften der Berufsordnungen verpflichtet, am Notfalldienst teilzunehmen. Der Notfalldienst wird von den Ärztekammern und den kassenärztlichen Vereinigungen organisiert 406 und soll in erster Linie in jenen Fällen die ärztliche Versorgung sicherstellen, in denen der behandelnde (Haus-)Arzt nicht erreichbar ist (insbesondere nachts und an sprechstundenfreien Tagen). Die jeweiligen Notfalldienstordnungen enthalten jedoch teilweise auch Bestimmungen, wonach bei Epidemien und sonstigen außergewöhnlichen Situationen von den Regelungen über den (regulären) Notfalldienst abgewichen werden kann und alle – auch die nicht zum Notfalldienst eingeteilten – Ärzte herangezogen werden können 407.

404

Die Berufsordnungen werden von den Landesärztekammern aufgrund der jeweiligen Heilberufegesetze / Kammergesetze als Satzung beschlossen und müssen von den Aufsichtsbehörden genehmigt werden. Sie stimmen überwiegend mit der vom Deutschen Ärztetag beschlossenen Musterberufsordnung ([Muster-]Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte in der Fassung der Beschlüsse des 100. Deutschen Ärztetages 1997 in Eisenach, zuletzt geändert durch die Beschlüsse des 107. Deutschen Ärztetages 2004 in Bremen) überein. Die Musterberufsordnung ist einsehbar unter http://www.bundesaerztekammer.de /30/Berufsordnung/10Mbo/ (abgerufen am 2. August 2005 um 15:16 Uhr). § 7 Abs. 2 Satz 2 der (Muster-)Berufsordnung lautet: „Andererseits ist – von Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen – auch der Arzt frei, eine Behandlung abzulehnen.“ 405 Das Bundesverwaltungsgericht hat die Pflicht von Kassenärzten zur Übernahme eines Notfalldienstes deswegen als zumutbare Berufsausübungsregelung angesehen, weil die Hilfeleistung in Notfällen zum „Wesen des Arztseins“ gehöre (Urteil vom 12. Dezember 1971 – I C 30.69 –, BVerwGE 41 S. 261 [270]). 406 § 26 Abs. 2 Satz 1 der Musterberufsordnung, wonach für die Einrichtung und Durchführung eines Notfalldienstes im einzelnen die von der Ärztekammer erlassenen Richtlinien maßgebend sind. Die Bundesärztekammer hat für die Landesärztekammern und die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder Richtlinien aufgestellt, die Empfehlungscharakter tragen. Diese Richtlinien mit Stand vom 1. Januar 1978 sind einzusehen unter http://www.bundesaerztekammer.de/30/Richtlinien/Empfidx/Notfall.html (abgerufen am 2. August 2005 um 16:16 Uhr). 407 Vgl. etwa § 17 Abs. 2 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der Bezirksärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Pfalz in der Fassung vom 11. Dezember 2002, einsehbar unter http://www.kv-pfalz.de/pub/Notfalldienstordnung_NEU111202.pdf (abgerufen am 2. August 2005 um 16:20 Uhr); § 11 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der Ärztekammer Nordrhein und der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein vom 27. Okto-

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

bb) Sonstige berufsspezifische Hilfspflichten In Bayern 408, Brandenburg 409, Hamburg 410, Mecklenburg-Vorpommern 411, Rheinland-Pfalz 412, dem Saarland 413 und Thüringen 414 ermöglichen die Katastrophenschutzgesetze explizit die Heranziehung zu „Werkleistungen“. § 16 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG, § 13 Satz 1 LKatSG-Saarland und § 28 Abs. 6 ThBKG verweisen dafür auf die Vorschriften des Bundesleistungsgesetzes. 415 Werkleistungen dürften auch nach § 29 Abs. 1 Satz 1 NKatSG und § 22 Abs. 1 Satz 1 KatSG-LSA anforderbar sein. Zwar stehen beide Vorschriften unter der Überschrift „Sachleistungen“, und nach § 22 Abs. 1 Satz 1 KatSG-LSA kann die Katastrophenschutzbehörde ausdrücklich „Sachleistungen“ – und nicht „Leistungen“ wie nach § 29 Abs. 1 Satz 1 NKatSG – anfordern. Doch ist nach beiden Vorschriften die Anforderung von (Sach-)Leistungen „im Umfang des § 2 des Bundesleistungsgesetzes“ möglich. Dafür, daß durch diese Verweisung alle nach § 2 BLG möglichen Leistungen, also auch die in § 2 Abs. 1 Nr. 9 BLG genannten Werkleistungen, erfaßt sein sollen, spricht auch die jeweilige Entschädigungsber / 24. November 2001, einsehbar unter http://www.aekno.de/htmljava/a/kammerarchiv /notfalldienstordnung.htm#11 (abgerufen am 2. August 2005 um 16:29 Uhr); § 10 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt und der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt in der Fassung vom 10. Dezember 2003, einsehbar unter http://www.kvsa.de/pub/recht/notfallverord.pdf (abgerufen am 2. August 2005 um 16:33 Uhr). 408 Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayKSG. 409 § 13 Abs. 3 BbgBKG. 410 § 16 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG. 411 Die Befugnis, zur Erbringung von Werkleistungen zu verpflichten, ergibt sich nur aus der Zusammenschau von § 18 Satz 1 und 2 Hs. 1 LKatSG M-V: Nach Satz 1 können die Katastrophenschutzbehörden Personen verpflichten, bei der Bekämpfung von Katastrophen Hilfe zu leisten, nach Satz 2 Hs. 1 können bei Gefahr im Verzug Sach-, Werk- oder Dienstleistungen auch unmittelbar in Anspruch genommen werden. Die Verpflichtung zur Erbringung von Werkleistungen muß nach dieser Formulierung in der Verpflichtung zu Hilfeleistungen nach Satz 1 enthalten sein. Wie es allerdings möglich sein soll, Werk- und Dienstleistungen, die anders als Sachleistungen eine Tätigkeit erfordern, in Abwesenheit der Leistungspflichtigen (vgl. § 18 Satz 2 Hs. 2) in Anspruch zu nehmen, ist fraglich; dieser Teil der Regelung kann sich nur auf die Inanspruchnahme von Sachleistungen beziehen. 412 § 27 Abs. 3 LBKG R-P. 413 § 13 Satz 1 LKatSG-Saarland. 414 § 28 Abs. 3 ThBKG. 415 § 16 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG und § 13 Satz 1 LKatSG-Saarland sehen eine Inanspruchnahme im Umfang des § 2 Abs. 1 BLG vor, § 28 Abs. 6 ThBKG ordnet für die Inanspruchnahme der notwendigen Sach-, Werk- und Dienstleistungen die entsprechende Geltung des Bundesleistungsgesetzes an. Der mit § 28 Abs. 6 ThBKG gleichlautende § 28 Abs. 6 LBKG R-P a.F. ist mit der Änderung durch das Gesetz vom 5. April 2005 (GVBl. S. 104) entfallen.

E. Eingriffsbefugnisse

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vorschrift (§ 30 Abs. 1 Satz 2 NKatSG, § 23 Abs. 1 Satz 2 KatSG-LSA), die die entsprechende Anwendung unter anderem des § 22 BLG vorsieht, der sich mit Entschädigungen in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 9 und 10 BLG befaßt: Diese Verweisung liefe ins Leere, wenn nicht auch Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 9 BLG angefordert werden könnten. Ein gesetzgeberisches Versehen bei der Verweisung ist nicht zu unterstellen, da in den Vorschriften im übrigen nur auf ausgesuchte, auf die Situation des Katastrophenschutzes passende Vorschriften des Bundesleistungsgesetzes Bezug genommen wird. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 BLG umfassen Werkleistungen insbesondere Instandsetzungsleistungen, Verpflegungsleistungen und Verkehrsleistungen. 416 In den Gesetzen, die keinen Verweis auf das Bundesleistungsgesetz enthalten – teilweise wurde dieser Verweis bewußt gestrichen 417 –, ist für die Bestimmung des Inhalts einer Werkleistung der allgemeine (zivilrechtliche) Sprachgebrauch heranzuziehen. Danach geht es bei der Werkleistung darum, durch Arbeit oder Dienstleistung einen bestimmten Erfolg herbeizuführen (§ 631 Abs. 2 BGB). Instandsetzungs-, Verpflegungs- und Verkehrsleistungen oder allgemein die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges setzen entsprechende Kenntnisse und gegebenenfalls das Vorhandensein von Werkzeugen oder Ausrüstungsgegenständen voraus. Werkleistungen (etwa die Reparatur von Fahrzeugen, Maschinen oder Leitungen oder die Beförderung von Personen oder Gütern mit Bussen oder Lkw) können daher nur von Personen mit spezifischer Ausbildung und – wenn diese nicht anderweitig zur Verfügung steht – eigener Ausrüstung erbracht werden. Bei der Verpflichtung zur Erbringung von Werkleistungen handelt es sich demnach um eine Pflicht, die nur bestimmte Personen(gruppen) treffen kann. Sie ist nur als Berufsausübungsregelung in Gestalt einer beruflichen Nebenpflicht zulässig, es dürfen also nur Personen herangezogen werden dürfen, die die geforderte Tätigkeit auch beruflich ausüben 418; bei Betrieben genügt es dabei, 416 Der Begriff der Werkleistung ist als Oberbegriff zu den übrigen in § 2 Abs. 1 Nr. 9 BLG aufgezählten Begriffen zu verstehen, vgl. in diesem Sinne Bauch in Bauch / Danckelmann / Kerst, BLG, Anm. 2. i) zu § 2 (S. 18). 417 Vgl. zu Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayKSG die Begründung des Gesetzentwurfs (LTDrs. 13/4784 S. 13 f.), wonach bei den Sach- und Werkleistungen auf den – in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes vom 31. Juli 1970 (GVBl. S. 360) noch enthaltenen – „Hinweis auf das Bundesleistungsgesetz mit seiner katalogartigen Aufzählung“ verzichtet wird. Inwiefern dies „in gleicher Weise“ geschehen soll, bleibt unklar, da zuvor für die Beschränkung einer Dienstleistungspflicht nach Tagen auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verwiesen wird. Der zuvor in § 28 Abs. 6 LBKG R-P a.F. enthaltene Verweis auf die Vorschriften des Bundesleistungsgesetzes ist in § 27 LBKG R-P wegen des aufwendigen Verfahrens für eine Anforderung nach dem Bundesleistungsgesetz nicht mehr enthalten, vgl. die Begründung zu § 27 LBKG R-P in LT-Drs. 14/3502 S. 51. 418 Siehe oben im Zweiten Teil unter C. III. (dort S. 147).

272

3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

wenn die geforderte Leistung im Rahmen des allgemeinen Geschäftsbetriebs auch vorgenommen wird, sie muß nicht ausschließlicher Gegenstand des Geschäftsbetriebs sein 419. Würde man die Leistungsverpflichtung dagegen auf alle Personen erstrecken, die zu dieser Tätigkeit (aus welchen Gründen auch immer – etwa wegen einer inzwischen aufgegebenen Berufstätigkeit oder rein privater, „hobbymäßiger“ Fortbildung) in der Lage sind, handelte es sich nicht mehr um eine Berufsausübungsregelung, sondern um eine Dienstleistungspflicht. Diese wäre jedoch nicht mehr „allgemein“ im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG, da sie an besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten anknüpfte 420, und daher unzulässig. Die jeweiligen Vorschriften der Katastrophenschutzgesetze bedürfen insofern einer einschränkenden Auslegung. Dies gilt auch für das Niedersächsische Katastrophenschutzgesetz und das Katastrophenschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt: Zwar verweisen § 29 Abs. 1 Satz 3 NKatSG und § 22 Abs. 1 Satz 3 KatSG-LSA für die leistungspflichtigen Personen auf § 9 Abs. 1 BLG, und nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BLG ist bei Anforderungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 BLG (Werkleistungen) der Inhaber des Betriebes leistungspflichtig 421; nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BLG sind jedoch unter anderem auch Eigentümer und Besitzer von Verkehrsmitteln für Verkehrsleistungen leistungspflichtig, auch wenn es sich nicht um Verkehrsunternehmen handelt (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 BLG). Wegen der notwendigen Beschränkung auf berufsmäßig ausgeübte Tätigkeiten können Verkehrsleistungen mit Verkehrsmitteln, die rein privat und nicht für gewerbliche Zwecke genutzt werden, allerdings nicht angefordert werden. 422 Einer entsprechenden einschränkenden Auslegung bedarf auch § 16 Abs. 1 Satz 2 HmbKatSG, wonach die Katastrophenschutzbehörden, wenn zur Bekämpfung einer Katastrophe der Einsatz von Personen mit einer besonderen Ausbildung oder mit Spezialkenntnissen erforderlich ist, jede im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg wohnhafte volljährige Person mit dieser Ausbildung oder diesen Kenntnissen bis zu einer Dauer von drei Tagen innerhalb eines Monats zur Hilfeleistung beim Katastrophenschutz in Anspruch nehmen können, soweit sie nicht über ausreichende Kräfte verfügen. Auch hier darf eine Inanspruchnahme nur an eine Ausbildung oder an Spezialkenntnisse anknüpfen, die mit einer ausgeübten beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang stehen.

419 Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 9 BLG. Beispiel ist etwa der Kantinenbetrieb einer Bank, die insoweit für Verpflegungsleistungen in Anspruch genommen wird, vgl. Grau, BLG, Anm. zu § 2 Abs. 1 Nr. 9 (S. 13). 420 Zum Merkmal der Allgemeinheit der Dienstleistungspflicht siehe oben im Zweiten Teil unter D. II. 3. 421 Der Kreis der leistungspflichtigen Personen ist hier enger als notwendig gefaßt, da unselbständig Tätige nicht einbezogen sind. 422 Die Anforderung des Verkehrsmittels selbst als Sachleistung (§ 29 Abs. 1 Satz 1 NKatSG iVm § 2 Abs. 1 Nr. 1 BLG) ist jedoch möglich.

E. Eingriffsbefugnisse

273

Nach § 27 Abs. 2 LKatSG B-W und dem gleichlautenden § 25 Abs. 2 LKatSG S-H kann, wer in seinem Geschäftsbetrieb üblicherweise Instandsetzungen vornimmt, während eines Katastropheneinsatzes insbesondere zur sofortigen Instandsetzung von Fahrzeugen, Maschinen oder Geräten herangezogen werden. Anders als bei den soeben erörterten Vorschriften über die Heranziehung zu Werkleistungen ist hier der Kreis der Leistungspflichtigen bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift beschränkt, durch die Beschränkung auf Inhaber eines Geschäftsbetriebs ist er allerdings noch enger gefaßt, als dies für eine Qualifikation als berufliche Nebenpflicht notwendig wäre. Nach § 7 Abs. 2 LKatSG M-V haben für den betrieblichen Katastrophenschutz 423 vorgehaltene eigene Einheiten auf Anforderung der unteren Katastrophenschutzbehörde auch außerhalb der eigenen Einrichtung Hilfe zu leisten, soweit hierdurch der Schutz der Einrichtung nicht beeinträchtigt wird. Hinsichtlich der Verpflichteten etwas weiter gefaßt ist § 12 Abs. LKatSG-Saarland, wonach die genannte Pflicht zur Hilfeleistung Gewerbebetriebe und sonstige Einrichtungen trifft, die außergewöhnliche Gefahren herbeiführen können und deshalb eigene Katastrophenschutzmaßnahmen durchführen, insbesondere eigene Einheiten des betrieblichen Katastrophenschutzes vorhalten. Neben diesen besonderen Regelungen über Einheiten des betrieblichen Katastrophenschutzes gibt es in allen Ländern Vorschriften, nach denen Werkfeuerwehren auch außerhalb des eigenen Betriebes zur Hilfeleistung verpflichtet sind 424. Diese Verpflichtung ist eine Nebenpflicht zur beruflichen Tätigkeit und damit Berufsausübungsregelung: Der Betrieb, der im Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit eigene Katastrophenschutzmaßnahmen durchführt oder eigene 423

Die Regelung knüpft an Abs. 1 der Vorschrift an, wonach Betreiber von genehmigungsbedürftigen gewerblichen Anlagen sowie Betriebe und sonstige Einrichtungen, von denen besondere Brand-, Explosions-, Vergiftungs- oder sonstige schwerwiegende Gefahren nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes ausgehen können, verpflichtet sind, unter anderem betriebliche Alarm- und Gefahrenabwehrpläne aufzustellen und mit der unteren Katastrophenschutzbehörde in gemeinsamen Übungen zu erproben (Satz 1) und eigene wirksame Katastrophenschutzmaßnahmen zu treffen (Satz 2). 424 § 29 Abs. 2 Satz 1 FwG B-W; Art. 15 Abs. 6 Satz 1 BayFwG; § 12 Abs. 2 FwG Bln; § 30 Abs. 5 Satz 2 BbgBKG; § 21 BremHilfeG; § 21 Abs. 1 FwG Hmb; § 14 Abs. 3 Satz 1 HBKG; § 17 Abs. 5 Satz 2 BrSchG M-V; § 17 Satz 1 NBrandSchG; § 25 Abs. 4 FSHG NRW; § 15 Abs. 4 Satz 1 LBKG R-P; § 14 Abs. 4 Satz 1 iVm Abs. 1 und 2 Gesetz über den Brandschutz und die Hilfeleistung im Saarland (Brandschutzgesetz – BSG, im Folgenden: BSG-Saarland) vom 30. November 1988 (ABl. S. 1410, berichtigt ABl. 1989 S. 1397), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2006 (ABl. S. 474); § 21 Abs. 5 Satz 1 SächsBRKG; § 12 Abs. 6 BrSchG LSA; § 17 Abs. 8 Satz 2 Gesetz über den Brandschutz und die Hilfeleistungen der Feuerwehren (Brandschutzgesetz – BrSchG, im Folgenden: BrSchG S-H) [des Landes Schleswig-Holstein] vom 10. Februar 1996 (GVOBl. Schl.H. S. 200), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Februar 2005 (GVOBl. Schl.-H. S. 57); § 17 Abs. 4 Satz 1 ThBKG.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Einheiten des betrieblichen Katastrophenschutzes vorhält, wird – anknüpfend an eben diesen Aspekt der Tätigkeit – verpflichtet, mit diesen besonderen Fähigkeiten bzw. Einrichtungen außerhalb des betrieblichen Zusammenhangs Hilfe zu leisten. Die Regelungen einiger Katastrophenschutzgesetzen, nach denen Personen nach ihren 425 bzw. im Rahmen ihrer 426 Kenntnisse 427 und Fähigkeiten zur Hilfeleistung verpflichtet sind, begründen keine berufsspezifischen Hilfspflichten. Kenntnisse und Fähigkeiten des einzelnen sind nach diesen Vorschriften nicht Voraussetzung der Verpflichtung, sondern sie sind bei der Ausgestaltung der zu fordernden Hilfsleistung zu berücksichtigen. Auch die Tatsache, daß in fast allen der betroffenen Gesetze neben diesen allgemeinen Hilfspflichten noch die Verpflichtung zur Erbringung von Werkleistungen 428 oder zur Vornahme von Instandsetzungsleistungen 429 sowie besondere Pflichten von Angehörigen der Gesundheitsberufe 430 gesondert geregelt sind, spricht dafür, daß es sich nicht um berufsspezifische Hilfspflichten handelt 431: Die gesonderten Regelungen wären überflüssig, erfaßte die jedermann im Rahmen seiner Kenntnisse und Fähigkeiten obliegende Hilfspflicht auch berufsspezifische Pflichten. b) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung aa) Erforderlichkeit der Inanspruchnahme Da die Verpflichtung zu berufsspezifischen Hilfeleistungen in den Katastrophenschutzgesetzen der Unterstützung der staatlichen Gefahrenabwehr dient, verfolgen die entsprechenden Regelungen einen hinreichenden Zweck des Gemeinwohls. Bei der Frage nach der Erforderlichkeit einer Heranziehung sind insbesondere die oben 432 aufgestellten Maßstäbe zu beachten: Die staatlichen Kapazitäten dürfen nicht ausreichen, und die Leistungen dürfen nicht auf andere Weise als durch eine zwangsweise Heranziehung zu erlangen sein.

425

§ 25 Abs. 1 LKatSG B-W; § 24 Abs. 1 LKatSG S-H. § 13 Abs. 1 Satz 1 BbgBKG; § 5 Abs. 1 Satz 1 BremHilfeG; § 27 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P; § 28 Abs. 1 Satz 1 ThBKG. 427 „Kenntnisse“ werden in § 5 Abs. 1 Satz 1 BremHilfeG nicht erwähnt. 428 § 13 Abs. 3 BbgBKG; § 27 Abs. 3 LBKG R-P; § 28 Abs. 3 ThBKG. 429 § 27 Abs. 2 LKatSG B-W; § 25 Abs. 2 LKatSG S-H. 430 § 21 Abs. 2 Satz 2 BbgBKG; § 23 Abs. 1 LBKG R-P; § 24 Abs. 1 ThBKG. 431 Anders die Begründung zu § 21 Abs. 2 Satz 2 BbgBKG (LT-Drs. 03/6938, S. 15 der Begründung) und Punkt 21.2 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern zum Brandenburgischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz vom 30. November 2005 (ABl. S. 1090): Die Heranziehung von Angehörigen der Gesundheitsberufe zu Einsätzen sei eine Konkretisierung der allgemeinen Hilfeleistungspflicht. 432 Siehe dazu oben im Zweiten Teil unter C. IV. (im Text bei Fn. 105). 426

E. Eingriffsbefugnisse

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Diese Kriterien finden sich vereinzelt in den Katastrophenschutzgesetzen explizit niedergelegt. § 13 Satz 3 Nr. 1 LKatSG-Saarland, wonach Satz 1 der Vorschrift mit seinen Heranziehungsmöglichkeiten nicht gilt, soweit die vorhandenen Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes und sonstige Mittel oder Kräfte der Katastrophenschutzbehörde für die Abwehr der Katastrophe ausreichen, formuliert die erste der beiden Voraussetzungen sogar als Tatbestandsmerkmal. In vier Katastrophenschutzgesetzen wird auf die entsprechende Regelung in § 3 Abs. 1 BLG Bezug genommen, und zwar durch fast wörtliche Übernahme der Formulierung (§ 29 Abs. 1 Satz 2 NKatSG, § 22 Abs. 1 Satz 2 KatSG-LSA), durch allgemeinen Verweis auf das Bundesleistungsgesetz (§ 28 Abs. 6 ThBKG 433) oder durch Verweis auf diese Vorschrift (§ 16 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG 434). Nach § 3 Abs. 1 BLG dürfen Leistungen nur angefordert werden, wenn der Bedarf auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln gedeckt werden kann. Die Deckung des Bedarf auf andere Weise kann durch Einsatz eigener (staatlicher) Kräfte oder durch Leistung aufgrund vertraglicher Regelung erfolgen 435. Auch wo die Katastrophenschutzgesetze keine derartigen expliziten Regelungen enthalten, sind die aufgezeigten Kriterien zu beachten, um dem Grundrecht der Berufsfreiheit hinreichend Rechnung zu tragen. bb) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (1) Abwägung mit anderen Pflichten Wegen der Bedeutung der Katastrophenabwehr für die Allgemeinheit ist ihre Unterstützung ein gewichtiger Belang des Gemeinwohls, der Eingriff in die Berufsfreiheit durch eine entsprechende Berufsausübungsregelung ist in der Regel verhältnismäßig im engeren Sinne. Einer besonderen Abwägung bedarf es dann, wenn der Betroffene seine Arbeitskraft und -zeit zur Abwehr von Gefahren für eigene Rechtsgüter oder zur Erfüllung mindestens gleichrangiger Pflichten benötigt. Dies ist allerdings – sieht man von den Vorschriften über den Einsatz der Werkfeuerwehren 436 ab – nur in wenigen der Katastrophenschutzgesetze, die eine berufsspezifische Hilfeleistungspflicht vorsehen, gesetzlich fixiert:

433

Nach § 28 Abs. 6 ThBKG gilt „im Übrigen“, also für alles, was im Thüringer Brandund Katastrophenschutzgesetz nicht geregelt ist, für die Inanspruchnahme der notwendigen Sach-, Werk- und Dienstleistungen das Bundesleistungsgesetz entsprechend. 434 Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG erfolgt die Heranziehung nach Maßgabe unter anderem des § 3 Abs. 1 BLG. 435 Auf den Vorrang vertraglicher Regelung wird hingewiesen von Grau, BLG, Anm. zu § 3 Abs. 1 (S. 16). 436 Siehe dazu die Nachweise sogleich in Fn. 440.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Lediglich in Hessen ist festgelegt 437, daß die Angehörigen der Gesundheitsberufe nur dann zur Hilfeleistung herangezogen werden dürfen, wenn sie „ohne erhebliche eigene Gefahr oder Verletzung anderer wichtiger Pflichten in Anspruch genommen werden können“. Für sonstige berufsspezifische Hilfspflichten gibt es entsprechende Regelungen nur in Hamburg und dem Saarland. Sie sind jedoch nicht als Abwägungsgrundsätze formuliert: Nach § 16 Abs. 3 HmbKatSG kann Hilfeleistungen (nur) verweigern, wer durch sie eine unzumutbare gesundheitliche Schädigung befürchten oder höherwertige Pflichten verletzen müßte; nach § 13 Satz 3 Nr. 2 LKatSG-Saarland gilt Satz 1 – nämlich die Möglichkeit der Heranziehung zu Sach- und Werkleistungen – nicht, wenn die Heranziehung mit erheblicher Gefahr für Leib oder Leben für den Herangezogenen oder der Verletzung anderer überwiegender Pflichten verbunden ist. In den übrigen Ländern beziehen sich vergleichbare Regelungen 438 (sofern vorhanden 439) nach ihrem Standort im Gesetz nur auf die allgemeinen Hilfeleistungspflichten. Das Fehlen gesetzlicher Regelungen ist jedoch unschädlich, da sich sowohl das Verbot einer Heranziehung, die mit erheblichen gesundheitlichen Gefährdungen verbunden ist, als auch die Notwendigkeit einer Abwägung mit anderweitigen Pflichten bereits aus dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt. Für die Heranziehung von Einheiten des betrieblichen Katastrophenschutzes sowie der Werkfeuerwehr außerhalb des Betriebes verlangen – in unterschiedlicher Formulierung – alle Vorschriften, daß der Schutz des Betriebes nicht gefährdet sein darf 440. 437

§ 37 Abs. 1 HBKG. Siehe die Aufzählung in Fn. 477 und Fn. 478 in diesem Teil. 439 Derartige Regelungen fehlen in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. 440 § 29 Abs. 2 Satz 1 FwG B-W: soweit der Schutz des eigenen Betriebes dadurch nicht wesentlich gefährdet wird; Art. 15 Abs. 6 Satz 1 BayFwG: wenn die Erfüllung der eigenen Aufgaben dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt wird; § 12 Abs. 2 FwG Bln: wenn dies ohne wesentliche Gefährdung des eigenen Betriebes zumutbar ist; § 30 Abs. 5 Satz 2 BbgBKG: es sei denn, die Eigenart des Betriebes oder der Einrichtung erfordern die ständige Anwesenheit der Werkfeuerwehr; § 21 Satz 2 BremHilfeG: wenn die Gefahrenbekämpfung des Unternehmens oder der öffentlichen Einrichtung gewährleistet bleibt; § 21 Abs. 1 FwG Hmb: soweit der abwehrende Brandschutz ihrer Betriebe gesichert ist; § 14 Abs. 3 Satz 1 HBKG: soweit die Sicherheit des Betriebs dadurch nicht erheblich gefährdet wird; § 17 Abs. 5 Satz 2 BrSchG M-V: soweit der abwehrende Brandschutz gesichert ist; § 7 Abs. 2 LKatSG M-V: soweit hierdurch der Schutz der Einrichtung nicht beeinträchtigt wird; § 17 Satz 1 NBrandSchG: soweit der Brandschutz und die Hilfeleistung im eigenen Bereich nicht gefährdet werden; § 25 Abs. 4 FSHG NRW: nicht, wenn die besondere Eigenart des Betriebes die ständige Anwesenheit der angeforderten Einheit der Werkfeuerwehr erfordert; § 15 Abs. 4 Satz 1 LBKG R-P: sofern die Sicherheit des Betriebes dadurch nicht erheblich gefährdet wird; § 12 LKatSG-Saarland: soweit hierdurch der Schutz der Einrichtung nicht beeinträchtigt wird; § 14 Abs. 4 Satz 1 iVm Abs. 1 und 2 BSG-Saarland: soweit nicht die 438

E. Eingriffsbefugnisse

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(2) Vergütung Selbständige können nur gegen Vergütung herangezogen werden, da eine Heranziehung gegen Vergütung das mildere Mittel gegenüber einer Heranziehung ohne Vergütung ist, und da so die besondere Belastung durch die berufsspezifische Hilfeleistungspflicht ausgeglichen wird. Die Herangezogenen dürfen nicht schlechter stehen, als wenn sie die Leistung im Rahmen ihres gewöhnlichen Geschäftsbetriebs erbracht hätten. Die Vergütungspflicht besteht nicht, wenn die Leistung anderweitig (etwa durch den unmittelbar Begünstigten, z. B. durch den behandelten Patienten oder seine Krankenkasse) vergütet wird. Unselbständig Tätigen ist ein etwaiger Verdienstausfall zu ersetzen. 441 Daß sich in keinem der Gesetze, die die besondere Verpflichtung von Angehörigen der Gesundheitsberufe zur Teilnahme an Einsätzen vorsehen, eine Vergütungsregelung findet, ist solange unproblematisch, wie die Leistung anderweitig vergütet wird. Dies wird bei Ärzten überwiegend der Fall sein: Bei Privatpatienten ergibt sich ein Vergütungsanspruch aus dem Behandlungsvertrag, bei fehlendem Behandlungsvertrag in Notfällen aus den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag 442. Für die Behandlung gesetzlich Krankenversicherter steht den niedergelassenen Ärzten ein Anspruch nach den §§ 69 ff., 82 ff. SGB V gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen zu. Bei den Angehörigen der für einen Einsatz im Katastrophenfall in Frage kommenden Fachberufe des Gesundheitswesens (insbesondere Gesundheits- und Krankenpfleger) und dem ärztlichen Hilfspersonal ist eine anderweitige Vergütung nicht ersichtlich, da ein Behandlungsvertrag mit ihnen nicht zustande kommt bzw. ein eigenständiger Anspruch gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen nicht besteht 443. Ihre selbständige Heranziehung ist daher nicht möglich; sie wird aber auch praktisch selten in Frage kommen, da diese besondere Eigenart des Betriebes die ständige Anwesenheit der Werkfeuerwehr erfordert; § 21 Abs. 5 Satz 1 SächsBRKG: wenn nicht die Wahrnehmung eigener Aufgaben vorrangig ist; § 12 Abs. 6 BrSchG LSA: soweit der eigene Bereich nicht gefährdet ist; § 17 Abs. 8 Satz 2 BrSchG S-H: soweit der eigene abwehrende Brandschutz und die eigene Technische Hilfe innerhalb ihres Einsatzbereiches gesichert sind; § 17 Abs. 4 Satz 1 ThBKG: sofern die Sicherheit des Betriebes dadurch nicht erheblich gefährdet wird. 441 Vgl. dazu bereits oben im Zweiten Teil unter C. IV. (dort S. 148). 442 Nach überwiegender Ansicht kann der Geschäftsführer über den Wortlaut des § 683 BGB hinaus die Zahlung der üblichen Vergütung verlangen, wenn die Besorgung des Geschäfts in seinen Beruf oder sein Gewerbe fällt, vgl. Sprau in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Rn. 8 zu § 683 m.w. N. Ausführliche Nachweise bei Seiler in Rebmann / Säcker / Rixecker, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Rn. 24 zu § 683. 443 Nach § 15 Abs. 1 SGB V wird ärztliche Behandlung von Ärzten erbracht. Hilfeleistungen anderer Personen dürfen nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt angeordnet und von ihm verantwortet werden. Die nach §§ 132 ff. SGB V selbst anspruchsberechtigten Leistungserbringer (z. B. Hebammen, Gesundheits- und Krankenpfleger in häuslicher Krankenpflege) dürften in ihrem Tätigkeitsgebiet für einen Einsatz im Katastrophenfall nicht in Betracht kommen.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Personen in der Regel im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses an Hilfsmaßnahmen beteiligt werden 444. Für die sonstigen berufsspezifischen Hilfspflichten sind wie die Verpflichtungen selbst auch die diesbezüglichen Erstattungsleistungen in den einzelnen Katastrophenschutzgesetzen sehr unterschiedlich geregelt: Nur wenige Gesetze sehen eine Vergütung für bestimmte Hilfeleistungen vor. Nach Art. 14 Abs. 1 BayKSG ist unter anderem angemessen in Geld zu entschädigen, wer zu Dienst-, Sach- oder Werkleistungen nach Art. 9 des Gesetzes herangezogen wird, die über verkehrsübliche Hilfeleistungen oder über die außerhalb des Gesetzes bestehenden Rechtspflichten hinausgehen. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG hat die Katastrophenschutzbehörde für die Heranziehung zu Sach-, Werk- oder Hilfeleistungen den Betroffenen, der Vermögensnachteile erlitten oder Leistungen erbracht hat, auf seinen Antrag angemessen in Geld zu entschädigen. In vergleichbarer Weise regelt § 15 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland, daß auf Antrag angemessen in Geld zu entschädigen ist, wer bei der Erfüllung von Pflichten nach §§ 12 bis 14 des Gesetzes Vermögensnachteile erlitten oder Leistungen erbracht hat, die nicht geringfügig sind. In allen genannten Vorschriften knüpft der Vergütungsanspruch ohne weitere Voraussetzungen an die Erbringung von Leistungen an. „Angemessen“ ist die Entschädigung, wenn der in Anspruch Genommene nicht schlechter steht, als wenn er die Leistung im Rahmen seines gewöhnlichen Geschäftsbetriebs erbracht hätte, wenn er also ein marktübliches Entgelt für seine Leistung bekommt. 445 In § 15 Abs. 1 Satz 3 LKatSG-Saarland ist dies auch gesetzlich bestimmt, indem für die Bemessung und Zahlung der Entschädigung unter anderem die entsprechende Anwendung des § 22 BLG angeordnet wird. Nach § 22 Abs. 1 BLG ist im Falle einer Anforderung nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 BLG, also einer Anforderung von Werkleistungen, eine „Entschädigung zu zahlen, die sich nach den im Wirtschaftsverkehr für vergleichbare Leistungen üblichen Entgelten und Tarifen bemißt“. § 28 Abs. 6 ThBKG 446 schreibt für die Inanspruchnahme von Sach-, Werk- und Dienstleistungen „im übrigen“ – also soweit das Gesetz selbst keine Regelung trifft – die entsprechende Geltung des Bundesleistungsgesetzes vor. Das Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz enthält mit § 31 ThBKG zwar eine Schadensersatzregelung, mit der in § 22 Abs. 1 BLG für die Anforderung von Werkleistungen vorgesehenen „Entschädigung“ ist jedoch ein für die Leistung zu gewährendes Entgelt gemeint 447. Eine derartige Abgeltungsregelung enthält das Landesgesetz nicht, so daß § 22 Abs. 1 BLG zur Anwendung kommen dürfte. 444

Siehe bereits oben in diesem Teil unter E. III. 1. a) aa) (dort S. 268). Siehe oben im Zweiten Teil unter C. IV. (im Text bei Fn. 106). 446 Der gleichlautende § 28 Abs. 6 LBKG R-P a.F. ist mit der Änderung durch das Gesetz vom 5. April 2005 (GVBl. S. 104) entfallen. 445

E. Eingriffsbefugnisse

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Die übrigen Gesetze lassen für eine Entschädigung nicht bereits die Erbringung einer Leistung genügen, sondern stellen weitere Voraussetzungen auf: § 30 Abs. 1 Satz 2 NKatSG und § 23 Abs. 1 Satz 2 KatSG-LSA verweisen zwar für die Bemessung und Zahlung der Entschädigung unter anderem auf § 22 BLG, doch ist die Entschädigung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 NKatSG bzw. § 23 Abs. 1 Satz 1 KatSG-LSA (nur) zu leisten, wenn durch die Anforderung von Leistungen Vermögensnachteile entstehen. Ähnlich kann nach § 30 Abs. 1 Satz 2 LKatSG S-H der Berechtigte für „weitere Vermögensnachteile“ – in Satz 1 wird die Entziehung oder nicht nur unwesentliche Beeinträchtigung des Eigentums oder eines anderen Rechtes genannt – eine Entschädigung verlangen. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BbgBKG, § 20 Abs. 1 LKatSG M-V und § 30 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P ist ein Schaden Voraussetzung für einen Ersatzanspruch des für Hilfeleistungen in Anspruch genommenen. Die Erbringung einer berufsspezifischen Leistung führt jedoch nicht zwingend zu einem Vermögensnachteil oder einem Schaden. Ein solcher wäre etwa dann anzunehmen, wenn ein Unternehmer wegen der Heranziehung vertragliche Verpflichtungen nicht eingehen oder erfüllen kann (z. B. ein Kfz-Mechaniker kann wegen der Heranziehung keine für diesen Zeitraum vertraglich geschuldeten Reparaturen vornehmen, die Betriebskantine nicht die Beschäftigten verpflegen), nicht jedoch, wenn solche Verpflichtungen für die Zeit der Heranziehung nicht bestehen oder ihre Erfüllung nicht gehindert wird (etwa weil der Kfz-Mechaniker in seiner Freizeit herangezogen wird oder die Werkstatt ohnehin nicht ausgelastet ist). Vorschriften, die für eine Entschädigung für die Erbringung einer Leistung einen Vermögensnachteil oder einen Schaden fordern, können die von Art. 12 Abs. 1 GG geforderte Vergütung demnach nicht in allen Fällen gewährleisten. Eine Heranziehung von Personen, denen durch die Erbringung der Leistung kein Schaden entsteht, ist danach verfassungsrechtlich nicht zulässig. Das Problem ließe sich durch Gesetzesänderungen etwa nach dem Vorbild des Art. 14 Abs. 1 BayKSG, § 18 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG oder § 15 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland lösen. Für die Heranziehung zu Instandsetzungsleistungen nach § 27 Abs. 2 Satz 1 LKatSG B-W gibt es weder Vergütungs- noch Schadensersatzregelungen. In Betracht kommt allenfalls, § 25 Abs. 3 LKatSG B-W, der im Rahmen der Regelung allgemeiner Hilfspflichten den zur Hilfeleistung herangezogenen Personen für die Dauer ihrer Hilfeleistung die Rechtsstellung von Helfern des Katastrophenschutzdienstes einräumt, auch für die Fälle der Heranziehung zu Instandsetzungs447 Danckelmann / Kerst in Bauch / Danckelmann / Kerst, BLG, Vorbemerkungen zum Sechsten Abschnitt Nr. 1, 2 und 3 (S. 59 f.) unter anderem mit Hinweis auf den im Vorgängergesetz verwendeten Begriff der „Vergütung“. Für dieses Verständnis spricht auch die Überschrift des Sechsten Abschnitts, durch die die dort getroffenen Regelungen über „Entschädigung“ und „Ersatzleistung“ unter dem Begriff der „Abgeltung“ zusammengefaßt werden.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

leistungen anzuwenden. Helfer des Katastrophenschutzdienstes haben nach § 12 Abs. 2 LKatSG B-W jedoch explizit keinen Vergütungsanspruch für ihre Tätigkeit, lediglich einen Anspruch auf Lohnfortzahlung (§ 13 Abs. 1 Satz 3 LKatSG B-W), Erstattung eines etwaigen Verdienstausfalls (§ 13 Abs. 2 LKatSG B-W) und Ersatz von Aufwendungen (§ 14 LKatSG B-W). Auch hier bedürfte es einer Gesetzesänderung. Für den Einsatz von Einheiten des betrieblichen Katastrophenschutzes oder einer Werkfeuerwehr außerhalb des eigenen Betriebes gibt es in allen Ländern Erstattungsvorschriften. Dabei wird nicht nur durch Regelungen, die eine Entschädigung 448 gewähren, sondern auch durch solche, die die Erstattung von entstandenen Kosten 449 oder Aufwendungen 450 vorsehen, der Vergütungspflicht genügt, da dem Träger der Einheiten bei einem außerbetrieblichen Einsatz auf jeden Fall Kosten entstehen. 2. Hilfeleistungspflichten als Dienstleistungspflichten Außer dem Hamburgischen Katastrophenschutzgesetz, das eine Inanspruchnahme nur zu bestimmten Leistungen ermöglicht, enthalten alle Katastrophenschutzgesetze Vorschriften über die Heranziehung der Bevölkerung zur Hilfeleistung 451. 448 § 19 Abs. 8 Satz 2 FwG B-W; § 21 Abs. 2 FwG Hmb iVm § 10 Abs. 3 Satz 1 SOG Hmb. Einen Anspruch auf Entschädigung enthält auch § 20 Abs. 4 Nr. 2 LKatSG-MV. Danach ist unter anderem Absatz 1 der Vorschrift, in dem ein Anspruch auf Entschädigung für einen durch die Inanspruchnahme entstandenen Schaden geregelt ist, entsprechend anzuwenden, wenn Anlagenbetreiber, Betriebe oder sonstige Einrichtungen auf Anforderung der Katastrophenschutzbehörde außerhalb der Einrichtung Hilfe leisten. Bei der Verweisung dürfte es sich um eine Rechtsfolgeverweisung handeln, so daß Entschädigung unabhängig von einem entstandenen Schaden zu leisten ist. Dies wird aus § 20 Abs. 4 Nr. 1 lit. a) LKatSG M-V deutlich, wo ein Schaden als Tatbestandsmerkmal gefordert wird; handelte es sich um eine Rechtsgrundverweisung, so wäre dieses Tatbestandsmerkmal nicht notwendig, da es bereits in Absatz 1 der Vorschrift enthalten ist. 449 § 12 Abs. 2 FwG Bln; § 30 Abs. 5 Satz 3 BbgBKG; § 21 Satz 2 BremHilfeG: Erstattung der Kosten einschließlich der auf die Dauer der Heranziehung entfallenden Arbeitsentgelte für die nicht hauptberuflichen Werkfeuerwehrangehörigen; § 14 Abs. 3 Satz 3 HBKG; § 17 Satz 2 NBrandSchG; § 40 Abs. 8 Satz 2 FSHG NRW; § 15 Abs. 4 Satz 3 LBKG R-P; § 14 Abs. 4 Satz 2 iVm Abs. 3 Satz 2 BSG-Saarland; § 22 Abs. 2 BrSchG LSA: Rückerstattung der aus dem Einsatz entstandenen Kosten; § 17 Abs. 4 Satz 3 ThBKG. Mit der Formulierung „Entschädigung für die Kosten“ in § 27 Abs. 4 BrSchG M-V und § 34 BrSchG S-H wird an entstandene Kosten angeknüpft, so daß es sich ebenfalls um Kostenerstattung handelt. 450 Art. 15 Abs. 6 Satz 2 BayFwG; § 21 Abs. 5 Satz 2 SächsBRKG. 451 Nahezu wortgleich sind die Regelungen in § 27 LBKG R-P und § 28 ThBKG, weitgehend identisch mit den Absätzen 1 bis 3 dieser Vorschriften § 13 Abs. 1 bis 3 BbgBKG. Ebenfalls untereinander nahezu wortgleich sind § 25 LKatSG B-W und § 24 LKatSG S-H.

E. Eingriffsbefugnisse

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Teilweise sind diese als Berechtigung der Katastrophenschutzbehörde bzw. der Einsatzleitung ausgestaltet 452, teilweise als Pflicht, auf Aufforderung oder Anordnung der Katastrophenschutzbehörde bzw. der Einsatzleitung Hilfe zu leisten 453. In Baden-Württemberg 454, Mecklenburg-Vorpommern 455 und Sachsen 456 gibt es zusätzlich zur allgemeinen Hilfeleistungspflicht Sonderregelungen für Waldbrände, nach der bei Waldbränden alle in der Nähe befindlichen geeigneten Personen 457 unaufgefordert (!) zur Hilfeleistung verpflichtet sind. Ganz überwiegend wird der Begriff der „Hilfeleistung“ 458 verwendet. Unter diesen weiten Begriff fallen jedenfalls auch Tätigkeiten, die keiner besonderen Kenntnisse oder Voraussetzungen bedürfen. Dies gilt auch für den in Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayKSG und § 13 Satz 1 LKatSG-Saarland verwendeten Begriff der „Dienstleistung“ 459, und für die in § 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln genannte „Mitwirkung bei der Katastrophenabwehr“. 452 Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayKSG: die Katastrophenschutzbehörde kann die Erbringung unter anderem von Dienst- und Werkleistungen verlangen; § 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln: Inanspruchnahme „zur Mitwirkung bei der Katastrophenabwehr“; § 16 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG: Heranziehung unter anderem zu Werkleistungen im Umfang des § 2 Abs. 1 BLG; § 49 Abs. 1 Satz 1 HBKG; § 18 Satz 1 LKatSG M-V: Katastrophenschutzbehörden können verpflichten, Hilfe zu leisten; § 27 Abs. 1 FSHG; § 13 Satz 1 LKatSGSaarland: Heranziehung unter anderem zu Werkleistungen im Umfang des § 2 Abs. 1 BLG sowie zu Dienstleistungen. 453 § 25 Abs. 1 LKatSG B-W; § 13 Abs. 1 Satz 1 BbgBKG; § 5 Abs. 1 Satz 1 BremHilfeG; § 28 Abs. 1 NKatSG; § 27 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P; § 54 Abs. 1 SächsBRKG; § 21 Abs. 1 KatSG-LSA; § 24 Abs. 1 LKatSG S-H; § 28 Abs. 1 Satz 1 ThBKG. 454 § 32 Abs. 3 Satz 1 Feuerwehrgesetz (FwG) (im Folgenden FwG B-W) in der Fassung vom 10. Februar 1987 (GBl. S. 105), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1 Juli 2004 (GBl. S. 469). 455 § 17 Abs. 1 der Verordnung zur Verhütung und Bekämpfung von Waldbränden im Land Mecklenburg-Vorpommern (Waldbrandschutzverordnung) vom 14. Februar 1994 (GVOBl. M-V S. 366), zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. April 1994 (GVOBl. M-V S. 599). 456 § 54 Abs. 2 Satz 1 SächsBRKG. 457 § 17 Abs. 1 Waldbrandschutzverordnung M-V: jedermann. 458 § 25 Abs. 1 LKatSG B-W; § 13 Abs. 1 Satz 1 BbgBKG; § 5 Abs. 1 Satz 1 BremHilfeG; § 49 Abs. 1 Satz 1 HBKG; § 18 Satz 1 LKatSG M-V; § 28 Abs. 1 NKatSG; § 27 Abs. 1 FSHG NRW; § 27 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P; § 54 Abs. 1 SächsBRKG; § 24 Abs. 1 LKatSG S-H; § 28 Abs. 1 Satz 1 ThBKG. 459 Nach Prandl / Oehler, Katastrophenschutz, Anm. 5 zu Art. 5 a.F. sind Dienstleistungen persönliche Dienste jeder Art, die der in Anspruch Genommene auf Grund seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten ohne weiteres verrichten kann. Da der Begriff der Hilfeleistung jedenfalls auch Dienstleistungen in diesem Sinne erfaßt, ist die Änderung des § 27 Abs. 3 (früher § 28 Abs. 3) LBKG R-P, nach der nun auch Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen sind, überflüssig: Die Verpflichtung zur Hilfeleistung ist bereits in § 27 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P enthalten. Wie Dienstleistungen, die ein persönliches Tätigwerden voraussetzen, nach § 18 Satz 2 Hs. 1 LKatSG M-V

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG können Personen zu Sach- und Werkleistungen im Umfang des § 2 Abs. 1 BLG, nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Personen mit einer besonderen Ausbildung oder mit Spezialkenntnissen herangezogen werden. Unter Werkleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 9 BLG ist die Leistung eines Werks im Sinne des § 631 BGB durch einen wirtschaftlich selbständigen Hersteller zu verstehen. 460 Dienstleistungen als abhängige Tätigkeiten, bei denen die reine Tätigkeit, nicht ein Erfolg Gegenstand der Leistung ist, können nach dem Bundesleistungsgesetz nicht angefordert werden. 461 Eine Heranziehung zu Hilfeleistungen, die weder eine Leistung nach dem Bundesleistungsgesetz darstellen noch spezieller Kenntnisse bedürfen (also z. B. das Befüllen oder Schleppen von Sandsäcken), ist daher nach § 16 Abs. 1 HmbKatSG nicht möglich. Als Grundlage einer Inanspruchnahme für derartige Hilfeleistungen kommt jedoch die allgemeine ordnungsrechtliche Vorschrift 462 über die Heranziehung von Nichtstörern in Betracht. Nach § 10 Abs. 2 SOG Hmb dürfen die Verwaltungsbehörden unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 – wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Gefahr nicht abgewehrt oder eine Störung nicht beseitigt werden kann und soweit die Verwaltungsbehörde nicht über ausreichende eigene Kräfte und Mittel verfügt – eine Person zu körperlicher Mithilfe heranziehen. § 16 HmbKatSG entfaltet keine Sperrwirkung, die den Rückgriff auf die ordnungsrechtliche Vorschrift hindern würde: § 16 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG erweitert die in § 10 Abs. 2 SOG Hmb enthaltene Möglichkeit, Sachen zur Leistung in Anspruch zu nehmen, auf die Inanspruchnahme von Werkleistungen, und erlaubt die Heranziehung von Personen mit berufsspezifischen Spezialkenntnissen; eine Einschränkung bereits vorhandener Heranziehungsmöglichkeiten kann mit der Vorschrift nicht bezweckt sein. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Heranziehung bzw. für die Hilfeleistungspflicht sind unterschiedlich ausgestaltet. Während die ausschließlich den Katastrophenschutz regelnden Gesetze eine Hilfeleistungspflicht bei der Bekämpfung von Katastrophen 463 vorsehen, besteht die Hilfspflicht in den Gesetzen, die unmittelbar, d. h. auch in Abwesenheit des Leistungspflichtigen, in Anspruch genommen werden können, ist unverständlich. 460 Grau, BLG, S. 13. 461 Grau, BLG, S. 13. 462 Zur Geltung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für die Katastrophenschutzbehörden siehe oben in diesem Teil unter E. I. (im Text bei Fn. 306). 463 § 25 Abs. 1 LKatSG B-W, § 24 Abs. 1 LKatSG S-H: und der anschließenden vorläufigen Beseitigung erheblicher Katastrophenschäden; Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayKSG: Inanspruchnahme „zur Katastrophenabwehr“; § 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln: Mitwirkung bei der Katastrophenabwehr; § 18 Satz 1 LKatSG M-V; § 28 Abs. 1 NKatSG; § 21 LSA Abs. 1: bei Abwehrmaßnahmen. § 54 Abs. 1 SächsBRKG: bei Katastrophen, Bränden oder Unglücksfällen. In § 13 Satz 1 LKatSG-Saarland ergibt sich der notwendige Bezug der Hilfeleistung daraus, daß die Heranziehung zur Abwehr der Katastrophe erforderlich sein muß.

E. Eingriffsbefugnisse

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auch den Brandschutz und die allgemeine Hilfe erfassen, um unmittelbare Gefahren für die Allgemeinheit oder den einzelnen abzuwenden 464. Voraussetzung einer Hilfsverpflichtung ist also, daß mit der Hilfsleistung eine Katastrophe bekämpft oder eine unmittelbare Gefahr für die Allgemeinheit oder den einzelnen abgewendet werden soll. Einige Gesetze verlangen ausdrücklich, daß die Heranziehung zur Katastrophenbekämpfung erforderlich ist 465, und 466 / oder 467 daß die vorhandenen Einsatzkräfte 468 nicht ausreichen. § 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln und § 27 Abs. 1 FSHG NRW verweisen für die Voraussetzungen auf die jeweiligen Vorschriften 469 des Polizei- und Ordnungsrechts über die Inanspruchnahme von Nichtstörern. Wird die Notwendigkeit einer Inanspruchnahme nicht bereits gesetzlich gefordert, so verlangt der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, daß die Maßnahme erforderlich ist. 470 Werden Personen zu Hilfeleistungen bei der Katastrophenabwehr herangezogen, so werden sie zu einer – in der Regel körperlichen – Tätigkeit verpflichtet, die einen mehr als unbedeutenden Aufwand verursacht. Damit handelt es sich um Arbeitszwang im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG 471, der nur im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht zulässig ist. Oben 472 wurde bereits herausgearbeitet, daß die Pflicht zu Hilfeleistungen bei der Katastrophenabwehr eine öffentliche und herkömmliche Dienstleistungspflicht ist.

464

§ 13 Abs. 1 Satz 1 BbgBKG; § 5 Abs. 1 Satz 1 BremHilfeG; § 49 Abs. 1 Satz 1 HBKG, § 27 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P, § 28 Abs. 1 Satz 1 ThBKG: oder erhebliche Schäden zu beseitigen. 465 § 16 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG; § 18 Satz 1 LKatSG M-V: zwingend geboten; § 13 Satz 1 LKatSG-Saarland; § 54 Abs. 1 SächsBRKG begründet eine Hilfeleistungspflicht, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die Allgemeinheit oder einen Einzelnen (Nr. 1), zur Katastrophenbekämpfung (Nr. 2) oder zur dringlichen vorläufigen Beseitigung von Katastrophenschäden (Nr. 3) erforderlich ist. 466 § 18 Satz 1 LKatSG M-V; § 13 Satz 3 LKatSG-Saarland. 467 § 28 Abs. 1 NKatSG. 468 § 18 Satz 1 LKatSG M-V: Helfer. 469 § 16 Abs. 1 und 2 ASOG Bln; § 19 OBG NRW. 470 Darauf, daß Hilfeleistungspflichten Dritter gegenüber der Gefahrenabwehr durch Einsatzkräfte nachrangig sind, wird hingewiesen von Eisinger / Gräff, LBKG R-P, Anm. 1 zu § 28 (a.F.). 471 Zum Begriff des Arbeitszwangs siehe oben im Zweiten Teil unter D. I. (im Text bei Fn. 115 ff.). 472 Im Zweiten Teil unter D. II. 1. und 2.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Die Pflicht ist allgemein, wenn sie grundsätzlich jeden ohne Ansehen von Person oder Eigenschaften trifft. 473 Der allgemeine Gleichheitssatz ermöglicht sachgerechte Differenzierungen. 474 Dem genügen die Regelungen in den Katastrophenschutzgesetzen: Nach ihnen kann grundsätzlich „jede Person“ zu Hilfeleistungen herangezogen werden. Die in der Hälfte der Gesetze vorgenommene Festlegung eines Mindestalters – dieses liegt bei 16 475 bzw. 18 476 Jahren – und die Höchstaltersgrenze nach § 18 Satz 1 LKatSG M-V (Vollendung des 60. Lebensjahres) lassen sich mit der für Hilfeleistungen erforderlichen körperlichen Leistungsfähigkeit und der praktischen Einsetzbarkeit, die Mindestaltersgrenze auch mit der Wahrung des Bestimmungsrechts der Sorgeberechtigten begründen, und tragen als sachgerechte Differenzierungen dem allgemeinen Gleichheitssatz Rechnung. Fast alle Katastrophenschutzgesetze – eine entsprechende Regelung fehlt lediglich in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern – statuieren Ausnahmen von der Hilfeleistungspflicht. In einigen Ländern ist Voraussetzung für eine Heranziehung, daß die Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können 477. Die überwiegende Zahl der Gesetze 478 formuliert dies jedoch nicht als Voraussetzung, sondern bestimmt, daß die Hilfeleistung nur verweigern kann, wer durch sie eine erhebliche Gefährdung 479 befürchten oder höherwertige Pflichten 480 verletzen müßte. Diese Ausnahmen haben ebenfalls vor den Anforderungen des allgemeinen Gleich473

Siehe dazu oben im Zweiten Teil unter D. II. 3. Siehe dazu oben im Zweiten Teil unter D. II. 3. (im Text bei Fn. 151 ff.). 475 § 25 Abs. 1 LKatSG B-W; § 54 Abs. 2 Satz 1 SächsBRKG (Personen, die noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, dürfen zur Hilfeleistung aber nur außerhalb der Gefahrenzone herangezogen werden, § 54 Abs. 2 Satz 2 SächsBRKG); § 24 Abs. 1 LKatSG S-H. 476 § 13 Abs. 1 Satz 1 BbgBKG; § 49 Abs. 1 Satz 1 HBKG; § 18 Satz 1 LKatSG M-V; § 27 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P; § 28 Abs. 1 Satz 1 ThBKG. 477 § 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln iVm § 16 Abs. 1 Nr. 4 ASOG Bln; § 49 Abs. 1 Satz 1 HBKG; § 27 Abs. 1 FSHG iVm § 19 Abs. 1 Nr. 4 OBG NRW. Nach § 13 Satz 3 Nr. 2 LKatSG-Saarland „gilt“ Satz 1 der Vorschrift (die Möglichkeit zur Heranziehung) nicht, wenn die Heranziehung mit erheblicher Gefahr für Leib oder Leben für den Herangezogenen oder der Verletzung anderer überwiegender Pflichten verbunden ist. 478 § 25 Abs. 2 LKatSG B-W; § 13 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG; § 5 Abs. 1 Satz 2 BremHilfeG; § 16 Abs. 3 HmbKatSG; § 28 Abs. 2 NKatSG; § 27 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P; § 54 Abs. 2 Satz 3 SächsBRKG; § 21 Abs. 2 KatSG-LSA; § 24 Abs. 2 LKatSG S-H; § 28 Abs. 1 Satz 2 ThBKG. 479 § 25 Abs. 2 LKatSG B-W, § 16 Abs. 3 HmbKatSG, § 24 Abs. 2 LKatSG S-H: unzumutbare gesundheitliche Schädigung; § 5 Abs. 1 Satz 2 BremHilfeG: Gefahr für Leib und Leben; § 13 Satz 3 LKatSG-Saarland: erhebliche Gefahr für Leib oder Leben. 480 § 13 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG: mindestens gleichrangige Pflichten; § 5 Abs. 1 Satz 2 BremHilfeG: vorrangige Pflichten; § 49 Abs. 1 Satz 1 HBKG, § 54 Abs. 2 Satz 3 474

E. Eingriffsbefugnisse

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heitssatzes Bestand, sie beruhen nicht auf einer willkürlichen, sondern auf einer sachgerechten Differenzierung. Die Dienstleistungspflicht ist gleich, wenn jeder Pflichtige grundsätzlich in gleicher Weise belastet wird. 481 Dabei genügt es für eine Belastung „in gleicher Weise“, wenn die zu leistenden Dienste lediglich vergleichbar sind, sie brauchen nicht auch gleich zu sein; die Betrauung aller Dienstleistungspflichtigen mit der selben Arbeit, also mit einer identischen Tätigkeit, ist bereits praktisch kaum möglich. Differenzierungen hinsichtlich der zu leistenden Tätigkeit sind zulässig, wenn sie durch den allgemeinen Gleichheitssatz gerechtfertigt sind 482. So darf und muß etwa die Verteilung der verschiedenen bei einem Arbeitseinsatz anfallenden Aufgaben auf die Dienstleistungspflichtigen nach ihrer Eignung, etwa der körperlichen Leistungsfähigkeit, erfolgen. Dieser Grundsatz ist in einigen Katastrophenschutzgesetzen niedergelegt, nach denen Personen nach ihren 483 bzw. im Rahmen ihrer 484 Kenntnisse 485 und Fähigkeiten zur Hilfeleistung verpflichtet sind.

IV. Durchsuchungs- und Betretungsrechte 1. Durchsuchungen Die Katastrophenschutzgesetze enthalten durchweg keine Ermächtigungsgrundlage für Durchsuchungen. Da es für Durchsuchungen, die wegen Gefahr im Verzug ausnahmsweise von nichtrichterlichen Organen angeordnet werden, einer Spezialermächtigung bedarf 486, können sie auch nicht auf eine katastrophenschutzrechtliche Generalklausel gestützt werden. Durchsuchungen dürfen daher nur aufgrund polizeirechtlicher Vorschriften 487 vorgenommen werden. Die in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ME-POG vorgeschlageSächsBRKG: andere wichtige Pflichten; § 13 Satz 3 LKatSG-Saarland: andere überwiegende Pflichten. 481 Siehe oben im Zweiten Teil unter D. II. 3. (im Text bei Fn. 157). 482 Siehe oben im Zweiten Teil unter D. II. 3. (im Text bei Fn. 158). 483 § 25 Abs. 1 LKatSG B-W; § 24 Abs. 1 LKatSG S-H. 484 § 13 Abs. 1 Satz 1 BbgBKG; § 5 Abs. 1 Satz 1 BremHilfeG; § 27 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P; § 28 Abs. 1 Satz 1 ThBKG. 485 „Kenntnisse“ werden in § 5 Abs. 1 Satz 1 BremHilfeG nicht erwähnt. 486 Siehe dazu oben im Zweiten Teil unter E. III. 1. (im Text bei Fn. 196 ff.). 487 Entsprechende Spezialermächtigungen finden sich in allen Polizeigesetzen: § 31 PolG B-W; Art. 23, 24 BayPAG; §§ 36, 37 ASOG Bln; §§ 23, 24 BbgPolG, § 23 Nr. 1 lit. e) OBGBbg iVm §§ 23, 24 BbgPolG; §§ 21, 22 BremPolG; §§ 16, 16a SOG Hmb; §§ 38, 39 HSOG; §§ 59, 60 SOG M-V; §§ 24, 25 Nds. SOG; §§ 41, 42 PolG NRW, § 24 Nr. 13 OBG NRW iVm §§ 41, 42 PolG NRW; §§ 20, 21 POG R-P; §§ 19, 20 SPolG; § 25 SächsPolG; §§ 43, 44 SOG LSA; § 208, 209 LVwG S-H; §§ 25, 26 ThPAG, §§ 20, 21 ThOBG.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

ne und von den meisten Landesgesetzen übernommene 488 Voraussetzung, daß (das Betreten und) das Durchsuchen zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich sein muß, dürfte bei Durchsuchungen im Zusammenhang mit der Katastrophenbekämpfung immer gegeben sein. Außer in Bayern 489, MecklenburgVorpommern 490 und Schleswig-Holstein 491, wo Durchsuchungen der Polizei im formellen Sinne vorbehalten sind, dürfen sie auch von den allgemeinen Ordnungsbehörden durchgeführt werden – in Berlin, Brandenburg und Hamburg auch von den Katastrophenschutzbehörden, da diese dort auf die ordnungsrechtlichen Befugnisse zurückgreifen dürfen 492. 2. Betreten und sonstige Inanspruchnahme Im Gegensatz zu Durchsuchungen ist das Betreten und die sonstige Inanspruchnahme von Grundstücken in der Mehrzahl 493 der Katastrophenschutzgesetze geregelt. Notwendig sind solche Regelungen wegen der verfassungsunmittelbaren 488 Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayPAG; § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ASOG Bln; § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BbgPolG, § 23 Nr. 1 lit. e) OBGBbg iVm § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BbgPolG; § 16 Abs. 2 Nr. 4 SOG Hmb; § 38 Abs. 2 Nr. 2 HSOG; § 24 Abs. 2 Nr. 3 Nds. SOG; § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 PolG NRW, § 24 Nr. 13 OBG NRW iVm § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 PolG NRW; § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 POG R-P; § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SPolG; § 43 Abs. 2 Nr. 2 SOG LSA; § 208 Abs. 3 Nr. 3 LVwG S-H; § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ThPAG, § 20 Satz 1 ThOBG. Weiter gefaßt sind § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BremPolG und § 59 Abs. 3 Nr. 3 SOG M-V: Danach sind Durchsuchungen zulässig, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr erforderlich ist. Engere Voraussetzungen stellen § 31 Abs. 2 PolG B-W und (wortgleich) § 25 Abs. 2 SächsPolG auf: Die Polizei kann eine Wohnung durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sich eine Person in der Wohnung befindet, die infolge Hilflosigkeit an Leib oder Leben gefährdet ist (Nr. 1 lit. b)), oder daß sich eine Sache in der Wohnung befindet, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden darf (Nr. 2). 489 Nach Art. 7 Abs. 4 BayLStVG darf die Unverletzlichkeit der Wohnung durch Maßnahmen der Sicherheitsbehörden nicht eingeschränkt werden. 490 § 59 Abs. 6 SOG M-V. 491 § 208 Abs. 6 LVwG S-H. 492 Siehe oben in diesem Teil unter E. I. (im Text nach Fn. 295 für Berlin, bei Fn. 300 für Brandenburg und bei Fn. 306 für Hamburg). 493 § 28 Abs. 1 LKatSG BW; § 8 Abs. 2 KatSG Bln; § 15 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 BbgBKG; § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BremHilfeG; § 46 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 HBKG; § 19 Abs. 1 LKatSG M-V; § 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 FSHG NRW; § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBKG R-P; § 14 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland; § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 SächsBRKG; § 20 Abs. 4 Satz 1 KatSG-LSA; § 26 Abs. 1 Satz 1 LKatSG S-H; § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 ThBKG. Keine Regelung in den Katastrophenschutzgesetzen treffen Bayern, Hamburg und Niedersachsen. Zur Problematik der bayerischen Regelung siehe sogleich im Text bei Fn. 498.

E. Eingriffsbefugnisse

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Ermächtigungsgrundlage des Art. 13 Abs. 7 Var. 1 GG für die Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen allerdings nicht. Außer in Sachsen, wo § 55 Abs. 1 SächsBRKG in Satz 1 die zuständige Behörde, die Einsatzleitung, die Technische Einsatzleitung oder ihre Beauftragten explizit dazu berechtigt, Grundstücke, Gebäude, Anlagen und Schiffe zu betreten und zu benutzen und in Satz 2 eine Duldungspflicht der Eigentümer, Besitzer oder sonstigen Nutzungsberechtigten gegenüber diesen Maßnahmen festschreibt, sind die Vorschriften als Verhaltens- oder Duldungspflichten ausgestaltet. Danach sind etwa Eigentümer, Besitzer oder sonstige Nutzungsberechtigte von Grundstücken, baulichen Anlagen oder Schiffen an oder in der Nähe der Einsatzstelle verpflichtet, den Einsatzkräften zur Abwehr oder Beseitigung von Gefahren den Zutritt zu gestatten und die angeordneten Maßnahmen zu dulden 494, oder Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, Bauwerken oder Schiffen haben zu dulden, daß eingesetzte Kräfte und andere beim Einsatz dienstlich anwesende Personen ihre Grundstücke, Bauwerke oder Schiffe betreten und benutzen, soweit dies zur Bekämpfung der Katastrophe erforderlich ist 495. In § 19 Abs. 1 LKatSG M-V und § 14 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland wird als Fall der Benutzung („insbesondere“) die vorübergehende Unterbringung Katastrophengeschädigter genannt. § 28 Abs. 1 LKatSG BW und § 26 Abs. 1 Satz 1 LKatSG S-H bestimmen, daß das Betreten und Benutzen auch zu dulden ist, soweit dies für die unmittelbar anschließende Beseitigung erheblicher Katastrophenschäden erforderlich ist. Sie weisen damit gegenüber der verfassungsunmittelbaren Ermächtigungsgrundlage einen eigenen Regelungsgehalt auf und machen von der Beschränkungsmöglichkeit des Art. 13 Abs. 7 Var. 2 GG 496 Gebrauch. Das Zitiergebot wird in beiden Gesetzen beachtet 497. 494

§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBKG R-P; § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 ThBKG. Ähnlich § 15 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 BbgBKG; § 46 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 HBKG; § 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 FSHG NRW. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BremHilfeG haben Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und baulichen Anlagen den Einsatzkräften Zutritt und Benutzung zur Vornahme der Gefahrenbekämpfung zu gestatten. Ähnlich § 20 Abs. 4 Satz 1 KatSG-LSA, wonach Eigentümer, Besitzer oder sonstige Nutzungsberechtigte von Grundstücken und Gebäuden verpflichtet sind, den Katastrophenabwehrkräften das Betreten und die Benutzung ihrer Grundstücke und Gebäude zur Katastrophenabwehr zu gestatten, soweit dies zur Abwehr der Katastrophe erforderlich ist. 495 § 28 Abs. 1 LKatSG BW; fast wortgleich § 26 Abs. 1 Satz 1 LKatSG S-H. Ähnlich § 19 Abs. 1 LKatSG M-V und der wortgleiche § 14 Abs. 1 Satz 1 LKatSGSaarland. Nach § 8 Abs. 2 KatSG Bln haben Eigentümer und Besitzer insbesondere die Nutzung und sonstige Inanspruchnahme unter anderem von Grundstücken und Gebäuden zu dulden, soweit es zur Bekämpfung einer Katastrophe erforderlich ist. 496 Dazu siehe oben im Zweiten Teil unter E. III. 2. b).

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Ausweislich der Gesetzesbegründung 498 soll die in Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayKSG enthaltene Befugnis der Katastrophenschutzbehörde, die Inanspruchnahme von Sachen anzuordnen, auch die Befugnis zur Anordnung eines Betretungsrechts für Grundstücke und Schiffe beinhalten. Ob unter den Begriff der „Sachen“ auch Grundstücke zu fassen sind, und ob eine derart weite Auslegung noch dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt, erscheint zweifelhaft, ist angesichts der verfassungsunmittelbaren Ermächtigungsgrundlage des Art. 13 Abs. 7 Var. 1 GG aber unerheblich. Diese ist jedoch nur für Maßnahmen der Katastrophenschutzbehörde von Bedeutung. Für Feuerwehrleute und andere Hilfskräfte enthält Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 BayFwG 499 ein einfachgesetzliches Betretungsrecht für fremde Gebäude, Grundstücke und Schiffe zur Brandbekämpfung und Hilfeleistung. Dem korrespondiert eine Befolgungs- und Duldungspflicht für Eigentümer, Besitzer und sonstige Nutzungsberechtigte in Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BayFwG. Vergleichbares gilt für Niedersachsen. Dort fehlt es an einem einfachgesetzlichen Betretungsrecht für die Katastrophenschutzbehörde, nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 NBrandSchG sind Eigentümer, sonstige Nutzungsberechtigte und Besitzer jedoch verpflichtet, den Feuerwehren das Betreten ihrer Grundstücke und Gebäude zur Hilfeleistung zu gestatten. In Hamburg bedarf es des Rückgriffs auf die verfassungsunmittelbare Ermächtigungsgrundlage nicht, da sich dort die Katastrophenschutzbehörde der ordnungsrechtlichen Befugnis zum Betreten von Wohnungen nach § 16 Abs. 2 Nr. 4 SOG Hmb bedienen kann 500.

V. Eingriffe in das Eigentum 1. Nutzung von Sachen zur Katastrophenabwehr a) Übersicht über die unterschiedlichen Regelungsmodelle Sämtliche Katastrophenschutzgesetze enthalten Vorschriften, nach denen Sachen für die Katastrophenbekämpfung in Anspruch genommen werden dürfen oder zur Verfügung gestellt werden müssen, oder nach denen Sachleistungen zu erbringen sind. Die Regelungen sind teilweise sehr unterschiedlich ausgestaltet. 497

§ 36 LKatSG B-W; § 42 LKatSG S-H. Zur Geltung des Zitiergebots für Einschränkungen nach Art. 13 Abs. 7 Var. 2 GG siehe oben im Zweiten Teil unter E. III. 2. b) (im Text bei Fn. 234). 498 LT-Drs. 13/4784 S. 14. 499 Bayerisches Feuerwehrgesetz (BayFwG) vom 23. Dezember 1981 (GVBl. S. 526), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Dezember 2002 (GVBl. S. 962). 500 Zur Möglichkeit des Rückgriffs auf ordnungsrechtliche Befugnisse siehe oben in diesem Teil unter E. I. (im Text bei Fn. 306).

E. Eingriffsbefugnisse

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Es lassen sich drei Arten von Vorschriften unterscheiden, deren Regelungsinhalte sich teilweise überschneiden: − Vorschriften, nach denen meist genauer bezeichnete Sachen auf Anforderung zur Verfügung zu stellen sind oder nach denen ihre Inanspruchnahme zu dulden ist, − Vorschriften, nach denen Eigentümer und Besitzer unter anderem die Benutzung von Grundstücken und Gebäuden zu dulden haben, und − Vorschriften, nach denen „Sachleistungen“ angefordert werden können. Nicht alle Katastrophenschutzgesetze enthalten Regelungen aller drei Gruppen. Sachsen und Bremen haben eigenständige Regelungsmodelle gewählt. Vorschriften der ersten Gruppe finden sich in den Katastrophenschutzgesetzen bzw. in den Gesetzen über den Brand- und Katastrophenschutz in Baden-Württemberg 501, Berlin 502, Brandenburg 503, Hessen 504, Nordrhein-Westfalen 505, RheinlandPfalz 506, Sachsen-Anhalt 507, Schleswig-Holstein 508 und Thüringen 509. Vergleichbare Regelungen treffen in Bayern 510, Berlin 511, Mecklenburg-Vorpommern 512, Niedersachsen 513, Sachsen-Anhalt 514 und Schleswig-Holstein 515 (auch) die Feuerwehrgesetze. Die Vorschriften enthalten überwiegend sehr weit gefaßte Aufzählungen von Sachen, die auf Anordnung 516 bzw. Anforderung 517 der Katastrophenschutzbehörde 518 bzw. des Einsatzleiters 519 zur Verfügung zu stellen sind 520 bzw. deren Inanspruchnahme zu dulden ist 521: Genannt werden etwa Fahrzeuge 522, Tiere 523, 501

§ 27 Abs. 1 LKatSG B-W. § 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln. 503 § 13 Abs. 3 BbgBKG. 504 § 49 Abs. 2 HBKG. 505 § 27 Abs. 1 FSHG NRW. 506 § 27 Abs. 3 LBKG R-P. 507 § 20 Abs. 5 KatSG-LSA. 508 § 25 Abs. 1 LKatSG S-H. 509 § 28 Abs. 3 ThBKG. 510 Art. 24 Abs. 3 BayFwG. 511 § 14 Abs. 2 Satz 1 FwG Bln iVm § 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln. 512 § 23 Abs. 4 BrSchG M-V; nach § 7 Abs. 3 lit. b) BrSchG M-V sind öffentliche Feuerwehren befugt, Sachen unabhängig von Eigentums- oder Besitzverhältnissen einzusetzen. 513 § 30 Abs. 4 Satz 1 NBrandSchG. 514 § 26 Abs. 4 Satz 1 BrSchG LSA. 515 § 25 Abs. 1 Nr. 2 BrSchG S-H. 516 § 27 Abs. 1 LKatSG B-W; § 13 Abs. 3 BbgBKG; § 27 Abs. 3 LBKG R-P; § 25 Abs. 1 LKatSG S-H; § 28 Abs. 3 ThBKG. 517 § 49 Abs. 2 HBKG; § 30 Abs. 4 Satz 1 NBrandSchG; § 20 Abs. 5 KatSG-LSA; § 26 Abs. 4 Satz 2 BrSchG LSA. 502

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Maschinen 524, Werkzeuge 525, bauliche Anlagen 526, Einrichtungen 527, Geräte 528, Materialien 529, Betriebsstoffe 530, elektrische Energie 531 und Hilfsmittel 532. 518 § 27 Abs. 1 LKatSG B-W: der Katastrophenschutzbehörde, des technischen Leiters des Einsatzes oder seines Beauftragten; § 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln: die Katastrophenschutzbehörde und die in ihrem Auftrag handelnden Personen können Personen zur Gestellung von Hilfsmitteln oder Fahrzeugen in Anspruch nehmen; § 20 Abs. 5 KatSG-LSA: der Katastrophenschutzbehörde oder des Einsatzleiters. 519 § 49 Abs. 2 HBKG: der Gesamteinsatzleitung oder der technischen Einsatzleitung; § 30 Abs. 4 Satz 1 NBrandSchG: der Feuerwehr; § 27 Abs. 3 LBKG R-P; § 26 Abs. 4 Satz 1 BrSchG LSA: der Feuerwehr; § 28 Abs. 3 ThBKG. Nach Art. 24 Abs. 3 BayFwG kann der Einsatzleiter verpflichten, Sachen zur Verfügung zu stellen; nach § 27 Abs. 1 FSHG NRW ist der Einsatzleiter berechtigt, Personen zur Gestellung von Hilfsmitteln oder Fahrzeugen heranzuziehen; nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 BrSchG S-H kann die örtliche Ordnungsbehörde, die Polizei und die Einsatzleitung der Feuerwehr sowie die Aufsichtsbehörde zur Bereitstellung von Sachen verpflichten. 520 Art. 24 Abs. 3 BayFwG; § 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln: Inanspruchnahme zur „Gestellung von Hilfsmitteln oder Fahrzeugen“; § 13 Abs. 3 BbgBKG; § 49 Abs. 2 HBKG; § 23 Abs. 4 BrSchG M-V; § 27 Abs. 1 FSHG NRW: Heranziehung zur „Gestellung von Hilfsmitteln oder Fahrzeugen“; § 30 Abs. 4 Satz 1 NBrandSchG; § 27 Abs. 3 LBKG R-P; § 20 Abs. 5 KatSG-LSA; § 26 Abs. 4 Satz 1 BrSchG LSA; § 25 Abs. 1 Nr. 2 BrSchG S-H: Möglichkeit der Verpflichtung zur „Bereitstellung“ bestimmter Sachen; § 28 Abs. 3 ThBKG. Nach § 30 Abs. 4 Satz 2 NBrandSchG und § 26 Abs. 4 Satz 2 BrSchG LSA sind Eigentümer und Besitzer bestimmter, von der Gemeinde bezeichneter Fahrzeuge „darüber hinaus verpflichtet, mit diesen Fahrzeugen bei Alarm für Einsätze und Übungen unverzüglich ohne Aufforderung zum Alarmplatz zu kommen.“ 521 § 27 Abs. 1 LKatSG B-W; § 25 Abs. 1 LKatSG S-H. 522 § 27 Abs. 1 LKatSG B-W; Art. 24 Abs. 3 BayFwG; § 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln; § 13 Abs. 3 BbgBKG; § 49 Abs. 2 HBKG; § 23 Abs. 4 BrSchG M-V: bestimmte, von der Gemeinde bezeichnete Fahrzeuge; § 30 Abs. 4 Satz 1 NBrandSchG; § 27 Abs. 1 FSHG NRW; § 27 Abs. 3 LBKG R-P; § 20 Abs. 5 KatSG-LSA; § 26 Abs. 4 Satz 1 BrSchG LSA; § 25 Abs. 1 Nr. 2 BrSchG S-H; § 25 Abs. 1 LKatSG S-H. 523 § 27 Abs. 1 LKatSG B-W: Zugtiere; § 49 Abs. 2 HBKG; § 25 LKatSG S-H: Zugtiere. 524 § 27 Abs. 1 LKatSG B-W; § 49 Abs. 2 HBKG; § 25 LKatSG S-H. 525 § 27 Abs. 1 LKatSG B-W; § 25 LKatSG S-H. 526 § 27 Abs. 1 LKatSG B-W: Anlagen; § 13 Abs. 3 BbgBKG; § 49 Abs. 2 HBKG; § 27 Abs. 3 LBKG R-P; § 25 LKatSG S-H: Anlagen; § 28 Abs. 3 ThBKG. 527 § 27 Abs. 1 LKatSG B-W; § 13 Abs. 3 BbgBKG: technische Einrichtungen; § 49 Abs. 2 HBKG; § 30 Abs. 4 Satz 1 NBrandSchG; § 27 Abs. 3 LBKG R-P: bauliche Einrichtungen; § 20 Abs. 5 KatSG-LSA; § 26 Abs. 4 Satz 1 BrSchG LSA; § 25 LKatSG S-H; § 28 Abs. 3 ThBKG: bauliche Einrichtungen. 528 § 27 Abs. 1 LKatSG B-W; § 13 Abs. 3 BbgBKG; § 49 Abs. 2 HBKG; § 23 Abs. 4 BrSchG M-V: bestimmte, von der Gemeinde bezeichnete Geräte; § 30 Abs. 4 Satz 1 NBrandSchG; § 27 Abs. 3 LBKG R-P; § 20 Abs. 5 KatSG-LSA; § 26 Abs. 4 Satz 1 BrSchG LSA; § 25 LKatSG S-H; § 25 Abs. 1 Nr. 2 BrSchG S-H; § 28 Abs. 3 ThBKG. 529 § 27 Abs. 3 LBKG R-P; § 25 Abs. 1 Nr. 2 BrSchG S-H: Materialien aller Art; § 28 Abs. 3 ThBKG. 530 § 27 Abs. 3 LBKG R-P.

E. Eingriffsbefugnisse

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Zu den Vorschriften dieser Gruppe zählen auch die in den Brand- und Katastrophenschutzgesetzen Brandenburgs 533, Hessens 534 und Nordrhein-Westfalens 535 und den Brandschutz- und Feuerwehrgesetzen Baden-Württembergs 536 und Mecklenburg-Vorpommerns 537 im Zusammenhang mit weiteren Pflichten von Grundstückseigentümern und -besitzern geregelten Verpflichtungen: Eigentümer und Besitzer 538 von Grundstücken und baulichen Anlagen 539 haben Wasservorräte 540 bzw. Löschmittelvorräte 541, die sich in ihrem Besitz befinden oder auf ihrem Grundstück gewonnen werden können, zur Verfügung zu stellen 542. 543 In BadenWürttemberg erfaßt die Verpflichtung auch die Überlassung von zum Lösch- und Rettungsdienst verwendbaren Geräten 544, in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern auch von sonstigen Hilfsmitteln, insbesondere für die Schadensbekämpfung verwendbaren Geräten 545. 531

§ 27 Abs. 3 LBKG R-P. § 27 Abs. 1 LKatSG B-W: sonstige geeignete Hilfsmittel; § 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln; § 49 Abs. 2 HBKG – der Begriff dient hier als Oberbegriff; § 27 Abs. 1 FSHG NRW; § 25 LKatSG S-H: sonstige geeignete Hilfsmittel (zu diesen sollen nach der Begründung zu § 25 LKatSG S-H [LT-Drs. 13/1939 S. 45] etwa Löschwasservorräte, Medikamente und Verbandmittel gehören). 533 § 15 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 2 BbgBKG. 534 § 46 Abs. 1 Satz 2, § 46 Abs. 2 HBKG. 535 § 28 Abs. 2 Satz 2, § 28 Abs. 3 FSHG NRW. 536 § 33 Abs. 1 Satz 1, § 33 Abs. 2 Satz 1 FwG B-W. 537 § 24 Abs. 1 Satz 2 und Satz 5 BrSchG M-V. 538 § 24 Abs. 1 Satz 5 BrSchG M-V verpflichtet bezüglich der umliegenden Grundstücke und Gebäude lediglich die Eigentümer. 539 § 33 Abs. 1 Satz 1 FwG B-W: der von Bränden und öffentlichen Notständen betroffenen Grundstücke, Gebäude, Gebäudeteile und Schiffe, § 33 Abs. 2 Satz 1 FwG BW: der benachbarten Grundstücke und Schiffe; § 15 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG: von Grundstücken und baulichen Anlagen, § 15 Abs. 2 BbgBKG: der in der Nähe der Einsatzstelle liegenden Grundstücke und baulichen Anlagen; § 46 Abs. 1 Satz 2 HBKG: von Grundstücken, baulichen Anlagen, Schiffen oder Luftfahrzeugen, § 46 Abs. 2 HBKG: der in der Nähe der Einsatzstelle gelegenen Grundstücke und Gebäude; § 24 Abs. 1 Satz 2 BrSchG M-V: der von Bränden, Unglücksfällen oder öffentlichen Notständen betroffenen Gebäude, Grundstücke und Schiffe, § 24 Abs. 1 Satz 5 BrSchG M-V: der umliegenden Grundstücke und Gebäude; § 28 Abs. 2 Satz 1 FSHG NRW: der von Schadenfeuer, Unglücksfällen oder öffentlichen Notständen betroffenen Grundstücke, Gebäude und Schiffe, § 28 Abs. 3 FSHG NRW: der umliegenden Grundstücke, Gebäude und Schiffe. 540 § 33 Abs. 1 Satz 1 FwG B-W; § 46 Abs. 1 Satz 2 HBKG; § 24 Abs. 1 Satz 2 BrSchG M-V; § 28 Abs. 2 Satz 2 FSHG NRW. 541 § 15 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG; § 46 Abs. 1 Satz 2 HBKG. 542 § 28 Abs. 2 Satz 2 FSHG NRW: ... und zur Benutzung zu überlassen. 543 Ähnlich § 28 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BrSchG S-H, wonach die Verfügungsberechtigten von betroffenen und umliegenden Grundstücken, baulichen Anlagen und Wasserfahrzeugen die Entnahme von Löschwasser zu dulden haben. 544 Diese sind nach § 33 Abs. 1 Satz 1 FwG B-W zur Benutzung zu überlassen. 532

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Ebenfalls zu den Regelungen dieser Gruppe gehören § 27 Abs. 2 Satz 2 LKatSG B-W und § 25 Abs. 2 Satz 2 LKatSG S-H, wonach, wer in seinem Geschäftsbetrieb üblicherweise Instandsetzungen vornimmt, im Rahmen des Geschäftsbetriebs auch erforderliche Ersatz- und Zubehörteile sowie Betriebsmittel mitzuliefern hat. Diese Pflicht knüpft an die im jeweiligen Satz 1 der Vorschrift geregelte Pflicht zur Vornahme von Instandsetzungen von Fahrzeugen, Maschinen oder Geräten an. Die zweite Gruppe von Vorschriften 546 regelt Duldungspflichten der Eigentümer und Besitzer 547 von Grundstücken 548, baulichen Anlagen 549 und Schiffen 550. Zu dulden ist nach einigen Vorschriften ausdrücklich die Nutzung 551; in § 19 Abs. 1 LKatSG M-V und § 14 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland wird als ein Fall der Nutzung („insbesondere“) die vorübergehende Unterbringung Katastrophengeschädigter aufgeführt. Andere Vorschriften sehen lediglich vor, daß den Einsatzkräften 552 der Zutritt zu gestatten ist 553 und daß vom Einsatzleiter 554 angeordnete 555 Maßnahmen zu 545 Diese sind nach § 28 Abs. 2 Satz 2 FSHG NRW und § 24 Abs. 1 Satz 2 BrSchG M-V zur Verfügung zu stellen und zur Benutzung zu überlassen. 546 § 28 Abs. 1 und 2 LKatSG B-W; § 8 Abs. 2 KatSG Bln; § 15 Abs. 1 bis 3 BbgBKG; § 46 Abs. 1 bis 3 HBKG; § 19 Abs. 1 LKatSG M-V; § 30 Abs. 3 Nr. 1 NBrandSchG; § 28 Abs. 2 und 3 FSHG NRW; § 28 Abs. 1 LBKG R-P; § 14 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland; § 20 Abs. 4 KatSG-LSA; § 26 LKatSG S-H; § 29 Abs. 1 ThBKG. 547 § 46 Abs. 1 Satz 1, § 46 Abs. 2 HBKG, § 28 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P und § 29 Abs. 1 Satz 1 ThBKG nennen zusätzlich sonstige Nutzungsberechtigte. 548 § 28 Abs. 1 und 2 LKatSG B-W; § 8 Abs. 2 KatSG Bln; § 15 Abs. 1 und 2 BbgBKG; § 46 Abs. 1 und 2 HBKG; § 19 Abs. 1 LKatSG M-V; § 28 Abs. 2 und 3 FSHG NRW; § 28 Abs. 1 LBKG R-P; § 14 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland; § 20 Abs. 4 KatSG-LSA; § 26 LKatSG S-H; § 29 Abs. 1 ThBKG. 549 § 28 Abs. 1 LKatSG B-W, § 26 Abs. 1 Satz 1 LKatSG S-H: Bauwerke; § 8 Abs. 2 KatSG Bln, § 46 Abs. 2 HBKG, § 19 Abs. 1 LKatSG M-V, § 28 Abs. 2 und 3 FSHG NRW, § 14 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland, § 20 Abs. 4 Satz 1 KatSG-LSA: Gebäude; § 15 Abs. 1 Satz 1 BbgBKG, § 46 Abs. 1 Satz 1 HBKG, § 28 Abs. 1 LBKG R-P, § 29 Abs. 1 ThBKG: bauliche Anlagen. 550 § 28 Abs. 1 und 2 LKatSG B-W; § 8 Abs. 2 KatSG Bln; § 46 Abs. 1 Satz 1 HBKG; § 19 Abs. 1 LKatSG M-V; § 28 Abs. 2 und 3 FSHG NRW; § 28 Abs. 1 LBKG R-P; § 14 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland; § 26 LKatSG S-H; § 29 Abs. 1 ThBKG. In § 8 Abs. 2 LKatSG Bln zusätzlich: Fahrzeuge aller Art; in § 46 Abs. 1 Satz 1 HBKG zusätzlich: Luftfahrzeuge. 551 § 28 Abs. 1 LKatSG B-W: durch eingesetzte Kräfte und andere beim Einsatz dienstlich anwesende Personen; § 8 Abs. 2 LKatSG Bln: Nutzung und sonstige Inanspruchnahme; § 19 Abs. 1 LKatSG M-V; § 14 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland; § 20 Abs. 4 Satz 1 KatSGLSA: Benutzung ist zu gestatten; § 26 Abs. 1 Satz 1 LKatSG S-H. 552 § 28 Abs. 2 Satz 1 FSHG NRW: den beim Einsatz dienstlich tätigen Personen. 553 § 15 Abs. 1 Satz 1 BbgBKG; § 46 Abs. 1 Satz 1 HBKG; § 28 Abs. 1 Satz 1 FSHG NRW; § 28 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P; § 29 Abs. 1 Satz 1 ThBKG.

E. Eingriffsbefugnisse

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dulden sind 556. Beispielhaft („insbesondere“) werden für zu duldende Maßnahmen etwa die Räumung des Grundstückes und die Beseitigung von Gebäuden, Gebäudeteilen, Anlagen, Einfriedungen und Pflanzen 557 angeführt, in § 15 Abs. 1 Satz 3 BbgBKG auch die Errichtung von baulichen Anlagen, die für die Gefahrenabwehr erforderlich sind 558. Auch wenn die Benutzung von Objekten einerseits und ihre Zerstörung andererseits eigentumsrechtlich unterschiedlich zu beurteilen sind (Enteignung einerseits 559, Inhalts- und Schrankenbestimmung andererseits 560), kann aus der Befugnis zu den aufgeführten Maßnahmen auf ein Nutzungsrecht geschlossen werden, da die Beseitigung etwa von Gebäuden oder Einfriedungen zur Gefahrenabwehr eine Nutzung durch Einsatzkräfte impliziert: Wenn ein Gebäude oder eine Einfriedung beseitigt werden, um beispielsweise an einen Gefahrenherd zu gelangen oder ein Löschfahrzeug in Stellung zu bringen, dann wird damit das betroffene Grundstück auch genutzt. Die dritte Gruppe von Vorschriften 561 ermöglicht die Heranziehung zu Sachleistungen. In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, dem Neben der Pflicht zur Duldung der Nutzung enthalten eine solche Gestattungspflicht auch: § 28 Abs. 1 LKatSG B-W (Duldungspflicht gegenüber dem Betreten); § 19 Abs. 1 LKatSG M-V; § 14 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland; § 20 Abs. 4 Satz 1 KatSG-LSA; § 26 Abs. 1 Satz 1 LKatSG S-H (Duldungspflicht gegenüber dem Betreten). 554 § 28 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P, § 20 Abs. 4 Satz 2 KatSG-LSA, § 29 Abs. 1 Satz 2 ThBKG: Einsatzleiter; § 26 Abs. 2 LKatSG S-H: Katastrophenschutzbehörde oder Leiterin / Leiter einer nachgeordneten Führungsebene. 555 Unter „angeordneten Maßnahmen“ sind Einsatzanweisungen an die Einsatzkräfte, nicht Duldungsanordnungen gegenüber dem Duldungspflichtigen zu verstehen, vgl. Eisinger / Gräff, LBKG R-P, Anm. 3 zu § 29 (a.F.) (S. 282). 556 § 15 Abs. 1 Satz 3 BbgBKG; § 46 Abs. 1 Satz 3 HBKG; § 28 Abs. 2 Satz 1 FSHG NRW: Arbeiten zur Abwehr der Gefahr sind zu dulden, § 28 Abs. 2 Satz 3 FSHG NRW: angeordnete Maßnahmen sind zu dulden; § 28 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P; § 29 Abs. 1 Satz 2 ThBKG. Eine Duldungspflicht gegenüber angeordneten Maßnahmen enthalten – neben der Pflicht zur Duldung der Nutzung – auch: § 28 Abs. 2 LKatSG B-W; § 20 Abs. 4 Satz 1 KatSG-LSA; § 26 Abs. 2 LKatSG S-H: Duldungspflicht gegenüber Maßnahmen, die in den Bestand oder die bisherige Nutzung eingreifen. 557 Vgl. etwa § 15 Abs. 1 Satz 3 BbgBKG, § 46 Abs. 1 Satz 3 HBKG. 558 Nach der Begründung zu § 15 BbgBKG wird dies beispielsweise dann relevant, wenn bei Hochwasser ein Notdamm gebaut werden muß (LT-Drs. 3/6938, S. 12 der Begründung). 559 Siehe oben im Zweiten Teil unter F. II. 5. 560 Siehe oben im Zweiten Teil unter F. II. 4. 561 Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayKSG; § 13 Abs. 3 BbgBKG; § 16 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG; § 29 Abs. 1 Satz 1 NKatSG: „Leistungen“; § 27 Abs. 3 LBKG RP; § 13 Satz 1 LKatSGSaarland; § 22 Abs. 1 Satz 1 KatSG-LSA; § 28 Abs. 3 ThBKG. Wenn nach § 18 Satz 2 LKatSG M-V bei Gefahr im Verzug Sachleistungen „auch unmittelbar“ in Anspruch genommen werden können, so läßt sich aus dieser Formulierung schließen, daß sie im Normalfall vom Leistungspflichtigen angefordert werden können. Die Erbringung von Sachleistungen fällt dann unter die in Satz 1 der Vorschrift geregelte Hilfeleistungspflicht.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen stehen die jeweiligen Vorschriften neben denen der ersten und / oder zweiten Gruppe, in Bayern, Hamburg und Niedersachsen sind es die einzigen Regelungen der Katastrophenschutzgesetze, die den Zugriff auf Eigentumsobjekte gestatten. Für den Umfang der Sachleistungen wird von einigen Vorschriften 562 auf § 2 BLG verwiesen. Für die Katastrophenabwehr kommen von den dort genannten Leistungen vor allem in Betracht: die Überlassung von beweglichen Sachen zum Gebrauch, zum Mitgebrauch oder zu anderer Nutzung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BLG) 563, die Überlassung beweglicher Sachen zum Eigentum, sofern unter anderem der Verbrauch der Sache wahrscheinlich ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 BLG) 564, und die Überlassung von baulichen Anlagen oder Teilen von baulichen Anlagen, unbebauten Grundstücken oder freien Flächen von bebauten Grundstücken zum vorübergehenden Gebrauch, Mitgebrauch oder zu einer anderen zeitlich beschränkten Nutzung (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 BLG) 565. Auch nach den Vorschriften, die eine Verpflichtung zur Erbringung von Sachleistungen ermöglichen, aber nicht auf das Bundesleistungsgesetz Bezug nehmen 566, dürfte der Begriff im Sinne der Überlassung von beweglichen Sachen zur Nutzung oder zu Eigentum und der Überlassung von unbeweglichen Sachen zur Nutzung zu verstehen sein. Die Regelungsinhalte von Vorschriften der ersten Gruppe (Zur-Verfügung-Stellen von Sachen) und der zweiten Gruppe (Duldungspflichten von Grundstückseigentümern und -besitzern) kombiniert § 5 Abs. 3 BremHilfeG, nach dessen Satz 1 Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, baulichen Anlagen, Fahrzeugen, 562 § 16 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG; § 29 Abs. 1 Satz 1 NKatSG: „Leistungen“; § 13 Satz 1 LKatSG-Saarland; § 22 Abs. 1 Satz 1 KatSG-LSA. § 28 Abs. 3 ThBKG enthält zwar keine ausdrückliche Verweisung auf § 2 BLG, doch gilt nach § 28 Abs. 6 ThBKG für die Inanspruchnahme der notwendigen Sach-, Werk und Dienstleistungen im übrigen das Bundesleistungsgesetz entsprechend. Da § 28 Abs. 3 ThBKG insofern keine abschließende Regelung trifft, sondern lediglich vorsieht, daß bestimmte Sachen und sonstige Sachleistungen zur Verfügung zu stellen sind, kann § 2 BLG zur Konkretisierung des Leistungsumfangs herangezogen werden. 563 Beispielsweise die Überlassung eines Lkw, einer Pumpe oder eines Notstromaggregats. 564 Beispielsweise die Lieferung von Treibstoff, Verbandstoffen, Medikamenten oder Nahrungsmitteln. 565 Beispielsweise die Nutzung eines Gebäudes zur Unterbringung Katastrophengeschädigter oder die Nutzung eines Grundstücks als Lagerfläche oder zur Errichtung eines Notdeichs. 566 Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayKSG; § 18 Satz 1 LKatSG M-V; § 27 Abs. 3 LBKG R-P. Der zuvor in § 28 Abs. 6 LBKG R-P a.F. enthaltene Verweis auf die Vorschriften des Bundesleistungsgesetzes ist in § 27 LBKG R-P nicht mehr enthalten, vgl. die Begründung zu § 27 LBKG R-P (LT-Drs. 14/3502 S. 51), die auf das aufwendige Verfahren einer Anforderung nach dem Bundesleistungsgesetz verweist.

E. Eingriffsbefugnisse

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Geräten, Luft- und Wasserfahrzeugen verpflichtet sind, diese zur Verfügung zu stellen; diese Pflicht wird in Satz 2 der Vorschrift durch beispielhafte Regelungen („insbesondere“) näher ausgestaltet (Satz 2 Nr. 1: Gestattung von Zutritt und Benutzung, Satz 2 Nr. 2: Zur-Verfügung-Stellen von Wasservorräten, Satz 2 Nr. 3: Duldung angeordneter Maßnahmen). In Sachsen regelt § 55 Abs. 1 Satz 1 SächsBRKG die Befugnis der Behörde, der Einsatzleitung, der Technischen Einsatzleitung oder ihrer Beauftragten, Sachen unmittelbar in Anspruch zu nehmen sowie Grundstücke, Gebäude, Anlagen und Schiffe zu betreten, zu benutzen, zu verändern oder zu beseitigen; Satz 2 enthält entsprechende Duldungspflichten von Eigentümern, Besitzern oder sonstigen Nutzungsberechtigten. 567 b) Bewertung der Regelungsmodelle Die Vorschriften aller Regelungsmodelle ermöglichen Enteignungen im Sinne des Art. 14 GG: Sowohl die vorübergehende Nutzung von Grundstücken oder beweglichen Sachen zum Zwecke der Gefahrenabwehr als auch die Überlassung von beweglichen Sachen zu Eigentum sind Enteignungen 568. Den weitesten Regelungsumfang bei hinreichender Regelungsdichte bezüglich der möglichen Maßnahmen enthalten – trotz ihrer Knappheit – die Vorschriften der dritten Gruppe, die für den Umfang der zu fordernden Sachleistungen auf § 2 BLG verweisen. Durch den Bezug auf das Bundesleistungsgesetz kann die Überlassung von Grundstücken und beweglichen Sachen zum Gebrauch und zur sonstigen Nutzung sowie von beweglichen Sachen zu Eigentum gefordert werden. Diese Vorschriften vereinen damit Regelungsinhalte der ersten und zweiten Gruppe. Sie ermöglichen auch eine Nutzung, bei der der Verbrauch der Sache wahrscheinlich ist (etwa von Brennmaterial oder Betriebsstoffen), sowie die Enteignung zum Zwecke der Weitergabe an Hilfsbedürftige. Ob die Enteignung von Versorgungsgütern (Nahrungsmittel, Kleidung, Decken usw.) zum Zwecke der Weitergabe auch nach den Vorschriften der ersten Gruppe 567 Ein vergleichbares Regelungsmodell findet sich in Art. 24 Abs. 2 BayFwG: Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 enthält ein Betretungs- und Benutzungsrecht bezüglich Gebäuden, Grundstücken und Schiffen für Feuerwehrleute und andere Hilfskräfte, Satz 2 eine Befolgungsund Duldungspflicht der Eigentümer, Besitzer und sonstigen Nutzungsberechtigten. Ebenfalls eine Befugnis, jedoch keine entsprechende Duldungspflicht begründet § 7 Abs. 3 lit. b) BrSchG M-V, wonach öffentliche Feuerwehren befugt sind, Sachen unabhängig von Eigentums- oder Besitzverhältnissen einzusetzen. 568 Auch der vorübergehende Besitzentzug zum Zwecke der Nutzung ist „Güterbeschaffung“ und damit Enteignung, siehe oben im Zweiten Teil unter F. II. 5. (dort S. 183 f.). Eine Ausnahme gilt lediglich für den nicht gewerblich genutzten Fremdbesitz, der bereits nicht unter den Begriff des Eigentums im Sinne des Art. 14 GG fällt, siehe oben im Zweiten Teil unter F. I. (dort S. 171).

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

möglich ist, erscheint dagegen zweifelhaft: Bei den dort aufgezählten Gegenständen handelt es sich überwiegend um technische Hilfsmittel der Gefahrenbekämpfung, bei denen lediglich eine vorübergehende Inanspruchnahme in Betracht kommt. Auch wenn die Vorschriften ergänzend zur Aufzählung „Hilfsmittel“ 569 oder „Materialien“ 570 nennen, dürften damit vergleichbare Gegenstände gemeint sein. Zudem läßt die Formulierung „zur Verfügung stellen“ – außer in den Fällen, in denen die Nutzung der benannten Sachen mit ihrem Verbrauch einhergeht, etwa bei Betriebsmitteln 571, elektrischer Energie 572, Wasser- 573 und Löschmittelvorräten 574 – auf eine vorübergehende Nutzung, nicht auf den Entzug von Eigentum im bürgerlich-rechtlichen Sinne schließen. Im konkreten Einsatzfall ist es problematisch, wenn die Vorschriften als Handlungs-, nicht als Duldungspflichten formuliert sind. Für die Inanspruchnahme bedarf es in diesen Fällen grundsätzlich einer an den oder die jeweiligen Berechtigten gerichteten Verfügung – deren wirksamer Erlaß bei Abwesenheit der Betroffenen bereits Probleme bereitet 575 – und gegebenenfalls der Vollstreckung. Sinnvoll sind daher die in Art. 9 Abs. 2 BayKSG, § 16 Abs. 2 Satz 1 HmbKatSG, § 18 Satz 2 Hs. 1 LKatSG M-V und § 55 Abs. 1 Satz 1 SächsBRKG getroffenen Regelungen, wonach Sachen 576 bei Gefahr in Verzug 577 unmittelbar 578 in Anspruch genommen werden können; eine entsprechende Grundverfügung ist dann nicht erforderlich. In den Ländern, die Sachleistungen weder als Duldungspflichten ausgestaltet noch Regelungen über die unmittelbare Inanspruchnahme getroffen haben 579, ergibt sich die Möglichkeit des unmittelbaren Zugriffs für die Katastrophenschutzbehörde – nicht aber für sonstige Einsatzkräfte, die nicht „Behörde“ sind – aus den Bestimmungen der Verwaltungsvollstreckungsgesetze 580. Für Maßnahmen des Einsatzleiters verweisen § 25 Abs. 1 Satz 4 LBKG R-P und § 26 Abs. 1 569 § 27 Abs. 1 LKatSG B-W; § 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln; § 49 Abs. 2 HBKG; § 27 Abs. 1 FSHG NRW; § 25 LKatSG S-H. 570 § 27 Abs. 3 LBKG R-P; § 28 Abs. 3 ThBKG. 571 § 27 Abs. 3 LBKG R-P. 572 § 27 Abs. 3 LBKG R-P. 573 § 46 Abs. 1 Satz 2 HBKG; § 28 Abs. 2 Satz 2 FSHG NRW. 574 § 15 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG; § 46 Abs. 1 Satz 2 HBKG. 575 Siehe dazu bereits oben im Zweiten Teil unter F. II. 2. (im Text vor Fn. 305). 576 § 18 Satz 2 Hs. 1 LKatSG M-V: Sachleistungen. 577 Dieses Merkmal fehlt in § 55 Abs. 1 Satz 1 SächsBRKG. 578 § 16 Abs. 2 Satz 1 HmbKatSG: im Wege unmittelbarer Ausführung. 579 Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen. 580 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (VwVGBbg) vom 18. Dezember 1991 (GVBl. S. 661), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 298, 303); Gesetz über das Verfahren zur Erzwingung von Handlungen, Dul-

E. Eingriffsbefugnisse

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Satz 4 ThBKG selbst auf das Vollstreckungsrecht: Nach diesen Vorschriften hat der Einsatzleiter die Befugnisse eines Vollstreckungsbeamten 581. In Berlin sind die Ordnungsbehörden und die Polizei Katastrophenschutzbehörden (§ 3 KatSG Bln) und können mangels Regelung im Katastrophenschutzgesetz auf die Bestimmungen des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes zurückgreifen 582: § 15 Abs. 1 Satz 1 ASOG Bln regelt unter anderem, daß die Ordnungsbehörden und die Polizei eine Maßnahme selbst unmittelbar ausführen können, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Nach den jeweiligen Vorschriften 583 der Landesverwaltungsvollstreckungsgesetze können Zwangsmittel auch ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr 584 notwendig ist und die Behörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt. Dieser sog. sofortige Volldungen oder Unterlassungen (Bremisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz, BremVwVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. April 1960 (GBl. S. 37), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. April 2003 (GBl. S. 147); Hessisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (HessVwVG) in der Fassung vom 27. Juli 2005 (GVBl. I S. 574); Niedersächsisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (NVwVG) vom 2. Juni 1982 (GVBl. S. 139), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. November 2004 (GVBl. S. 394); Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW – VwVG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2003 (GV.NW S. 156), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. April 2005 (GV.NW S. 351, berichtigt S. 818); Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVG) Rheinland-Pfalz (im Folgenden: LVwVG R-P) vom 8. Juli 1957 (GVBl. S. 101), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juli 2003 (GVBl. S. 155); Saarländisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (SVwVG) vom 27. März 1974 (ABl. S. 430), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2006 (ABl. S. 474); Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (VwVG LSA) vom 23. Juni 1994 (GVBl. LSA S. 710), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. November 2005 (GVBl. LSA S. 698); Thüringer Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (ThürVwZVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. September 1994 (GVBl. S. 1053), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 2002 (GVBl. S. 432). 581 § 25 Abs. 1 Satz 4 LBKG R-P: ... nach dem III. Abschnitt des Ersten Teiles des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes. § 26 Abs. 1 Satz 4 ThBKG: ... im Sinne des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Bundes. Die Aufrechterhaltung dieser Verweisung verwundert, da Thüringen seit 1994 über ein eigenes Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz verfügt. Sie führt dazu, daß der Einsatzleiter nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Bundes, (sonstige) Behörden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes des Landes tätig werden. Die in § 21 Abs. 1 Satz 4 HBKG enthaltene entsprechende Regelung für die Gesamteinsatzleitung wurde für die im Katastrophenfall tätige technische Einsatzleitung nicht getroffen. 582 Siehe dazu oben in diesem Abschnitt unter E. I. (im Text nach Fn. 295). 583 § 15 Abs. 2 VwVGBbg; § 11 Abs. 2 Satz 1 BremVwVG; § 72 Abs. 2 Satz 1 HessVwVG; § 70 Abs. 1 NVwVG iVm § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG; § 55 Abs. 2 VwVG NRW; § 61 Abs. 2 LVwVG R-P; § 18 Abs. 2 SVwVG; § 71 Abs. 1 VwVG LSA iVm § 53 Abs. 2 SOG LSA; § 54 Satz 1 ThürVwVZG; § 26 Abs. 1 Satz 4 ThBKG iVm § 6 Abs. 2 VwVG.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

zug 585 setzt nicht voraus, daß ein entgegenstehender Wille gebrochen wird, er kann also auch bei Abwesenheit des Handlungspflichtigen vorgenommen werden 586. 587 Vollstreckungsbehörde und damit zur Anwendung von Zwangsmitteln berechtigt ist die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat 588. Soweit die Wegnahme von Sachen nicht als eigenständiges Zwangsmittel geregelt ist 589, ist fraglich, ob die unmittelbare Inanspruchnahme Ersatzvornahme 590 oder unmittelbarer Zwang 591 ist. 592 Dies ist hier weniger wegen der Kostenfrage von Bedeutung – die Kosten der Ersatzvornahme hat stets der Pflichtige zu tra584 § 11 Abs. 2 Satz 1 BremVwVG: einer drohenden Gefahr; § 72 Abs. 2 Satz 1 HessVwVG: einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung; § 71 Abs. 1 VwVG LSA iVm § 53 Abs. 2 SOG LSA: einer Gefahr; § 54 Satz 1 ThürVwVZG: einer unmittelbar drohenden oder gegenwärtigen Gefahr, § 26 Abs. 1 Satz 4 ThBKG iVm § 6 Abs. 2 VwVG: einer drohenden Gefahr. 585 Dieser Begriff wird nur von § 18 Abs. 2 SVwVG verwendet; ansonsten findet sich diese Benennung lediglich in der Literatur, vgl. etwa Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 36; Rachor in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil F Rn. 757. 586 Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 20 Rn. 42; Rachor in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil F Rn. 770. Explizit § 72 Abs. 2 Satz 2 HessVwVG, wonach „dies“ – also die Möglichkeit des sofortigen Vollzugs – insbesondere gilt, wenn Maßnahmen gegen den Pflichtigen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind. Ähnlich § 70 Abs. 1 NVwVG iVm § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG und § 71 Abs. 1 VwVG LSA iVm § 53 Abs. 2 SOG LSA. 587 Einer Abgrenzung zwischen sofortigem Vollzug und unmittelbarer Ausführung, die danach vorgenommen werden soll, ob es um die Brechung eines entgegenstehenden Willens des Betroffenen geht (Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 564), bedarf es hier nicht, da in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen nur der sofortige Vollzug geregelt ist. 588 § 16 Abs. 1 Hs. 1 VwVGBbg; § 12 Abs. 1 Satz 1 BremVwVG („Vollzugsbehörde“); § 68 Abs. 1 Hs. 1 HessVwVG; § 70 Abs. 2 NVwVG; § 56 Abs. 1 Hs. 1 VwVG NRW; § 4 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 LVwVG R-P; § 71 Abs. 2 Satz 1 VwVG LSA; § 14 Abs. 1 SVwVG; § 43 Abs. 1 Hs. 1 ThürVwVZG. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs ist in einigen Ländern jedoch auf bestimmte Dienstkräfte beschränkt, vgl. die Nachweise unten in Fn. 594. 589 Nach § 77 Abs. 1 HessVwVG kann der Vollziehungsbeamte eine Sache wegnehmen, wenn der Pflichtige sie herauszugeben oder vorzulegen hat. Die Aufgaben des Vollziehungsbeamten sind jedoch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 HessVwVG besonders bestellten Bediensteten bei der Vollstreckungsbehörde vorbehalten. Nicht jeder Behördenmitarbeiter kann also Sachen in Anspruch nehmen. Vergleichbares gilt in Thüringen, wo § 52 Abs. 1 ThürVwVZG die Wegnahme durch Vollziehungsbeamte (§ 23 ThürVwVZG) regelt. 590 § 19 Abs. 1 VwVGBbg; § 15 BremVwVG; § 70 Abs. 1 NVwVG iVm § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG; § 59 Abs. 1 VwVG NRW; § 63 Abs. 1 LVwVG R-P; § 71 Abs. 1 VwVG LSA iVm § 55 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA; § 21 SVwVG. 591 § 22 Abs. 1, §§ 26, 27 VwVGBbg; § 16 BremVwVG; § 70 Abs. 1 NVwVG iVm § 69 Nds. SOG; § 62 Abs. 1, § 66 VwVG NRW; § 65 Abs. 1 LVwVG R-P; § 71 Abs. 1 VwVG LSA iVm § 58 SOG LSA; § 22 Abs. 1 SVwVG. 592 Nach § 26 Abs. 1 Satz 4 ThBKG iVm § 12 VwVG ist die Selbstvornahme durch die Behörde ein Fall des unmittelbaren Zwangs. Die Problematik der Abgrenzung stellt sich hier also nicht.

E. Eingriffsbefugnisse

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gen 593 –, sondern vor allem deswegen, weil die Vornahme unmittelbaren Zwangs in einigen Ländern auf bestimmte Dienstkräfte beschränkt ist 594. Eine Ersatzvornahme kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die geschuldete Handlung eine vertretbare Handlung ist. Bezüglich der Wegnahme einer an eine Behörde herauszugebenden Sache ist streitig, ob dies eine vertretbare oder eine unvertretbare Handlung ist 595. Da es bei der Verpflichtung, der Behörde eine Sache zur Verfügung zu stellen, ihr also den Besitz an der Sache zu verschaffen, nicht darauf ankommt, wie die Behörde in den Besitz gelangt und wer ihn ihr verschafft, geht es jedoch nicht um eine unvertretbare Handlung 596, eine Ersatzvornahme ist also nicht von vorne herein ausgeschlossen. Die Kriterien zur Abgrenzung von Ersatzvornahme und unmittelbarem Zwang sind umstritten. Teilweise wird darauf abgestellt, ob der geschuldete Zustand durch die Behörde (Ersatzvornahme) oder aber letztlich nach Einwirkung durch die Behörde vom Pflichtigen herbeigeführt wird (unmittelbarer Zwang) 597, andere wollen danach unterscheiden, ob die Handlung, die die Behörde zwangsweise vornimmt, mit der dem Pflichtigen obliegenden Handlung identisch ist (Ersatzvornahme) oder darüber hinausgeht (unmittelbarer Zwang) 598. Beide Ansichten kommen hier zum selben Ergebnis, nämlich zum Vorliegen einer Ersatzvornahme: Nimmt die Behörde eine Sache selbst weg, so führt sie den geschuldeten Zustand – daß sie sich im Besitz der Sache befindet – selbst herbei; die Handlung ist auch mit der des Pflichtigen identisch und geht nicht über sie hinaus 599. 600 Die Anwendung der Ersatzvornahme ist nicht auf bestimmte Dienstkräfte beschränkt.

593 § 19 Abs. 1 VwVGBbg; § 15 BremVwVG; § 70 Abs. 1 NVwVG iVm § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG; § 59 Abs. 1 VwVG NRW; § 63 Abs. 1 LVwVG R-P; § 71 Abs. 1 VwVG LSA iVm § 55 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA; § 21 SVwVG. 594 § 26 Abs. 1 VwVGBbg: Vollzugsdienstkräfte; § 70 Abs. 1 NVwVG iVm § 69 Abs. 8 Satz 1 Nds. SOG: die mit polizeilichen Befugnissen betrauten Personen, wenn sie hierzu (= zur Anwendung unmittelbaren Zwangs) ermächtigt sind; § 66 Abs. 1 VwVG NRW: Vollzugsdienstkräfte; § 71 Abs. 1 VwVG LSA iVm § 58 Abs. 8 SOG LSA: die Polizeibeamten, Verwaltungsvollzugsbeamten und sonstigen Personen, denen die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch ein Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes gestattet ist, dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie hierzu ermächtigt sind; § 65 Abs. 4 LVwVG R-P: Personen, die durch Rechtsvorschrift oder vom Leiter der Vollstreckungsbehörde allgemein oder im Einzelfall ermächtigt sind. 595 Die Herausgabe des Führerscheins nach Entziehung der Fahrerlaubnis wird als unvertretbare Handlung angesehen von Patella, NVwZ 1992 S. 247 (248), als vertretbare Handlung vom VGH Kassel, Beschluß vom 30. Juli 1993 – 7 TM 498/92 –, NVwZ-RR 1994 S. 89 (90). 596 Mit dieser Argumentation zur Vollstreckung der Herausgabe eines Führerscheins VGH Kassel, Beschluß vom 30. Juli 1993 – 7 TM 498/92 –, NVwZ-RR 1994 S. 89 (90). 597 Gusy, Polizeirecht, Rn. 356. In diese Richtung wohl auch Vogel in Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, § 28 7. a) (S. 541). 598 Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 20 Rn. 14; Rachor in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil E Rn. 778.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Problematisch ist allerdings, daß das Eigentum im bürgerlich-rechtlichen Sinne nur durch Rechtsakt, also nur durch eine Maßnahme mit Regelungscharakter, übertragen werden kann. Einem abwesenden Eigentümer kann ein entsprechender Verwaltungsakt nicht bekanntgegeben werden. Allein durch Inbesitznahme ist die Rechtsposition „Eigentum“ nicht übertragbar; daran ändert auch eine Regelung nichts, nach der ein Gegenstand unmittelbar „in Anspruch“ genommen werden darf. Lediglich der Besitz kann auf diese Weise erworben werden. 601 c) Besondere Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Da die Enteignungen zur Gefahrenabwehr vorgenommen werden, dienen sie dem Wohl der Allgemeinheit. 602 Sie sind nur erforderlich, wenn der Bedarf nicht in gleich effektiver Weise durch staatliche Mittel oder im Wege des freihändigen Erwerbs gedeckt werden kann. 603 Die meisten Vorschriften verweisen lediglich auf den allgemeinen Grundsatz der Erforderlichkeit, indem sie regeln, daß Gegenstände zur Verfügung zu stellen sind 604 oder daß die Nutzung von Grundstücken zu dulden ist 605, soweit dies zur Bekämpfung einer Katastrophe erforderlich ist 606. Auch mit der Verpflichtung, „dringend benötigte“ Gegenstände zur Verfügung zu stellen 607, wird an den Grundsatz der Erforderlichkeit angeknüpft.

599 Anderer Ansicht Rachor in Lisken / Denninger, Hdb PolR, Teil F Rn. 779: Die Behörde handele, wenn sie sich selbst etwas nehme, was ihr zusteht, nicht anstelle des Pflichtigen. Die Ansichnahme ersetze nicht die Herausgabe. 600 Dieses Ergebnis gilt nur für die Inanspruchnahme des Gegenstands an sich. Sind dafür weitere Maßnahmen erforderlich, etwa das Festhalten einer Person, die ihren Besitz an einer Sache nicht aufgeben will, so handelt es sich dabei um unmittelbaren Zwang. 601 Siehe zu dieser Problematik ausführlich oben im Zweiten Teil unter F. II. 2. 602 Siehe dazu ausführlicher oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. a). 603 Siehe dazu bereits oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. b). 604 § 55 Abs. 1 Satz 1 SächsBRKG (für die Befugnis zur Inanspruchnahme von Sachen); § 20 Abs. 5 KatSG-LSA. 605 § 28 Abs. 1 LKatSG B-W; § 8 Abs. 2 KatSG Bln; § 19 Abs. 1 LKatSG M-V; § 14 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland; § 55 Abs. 1 SächsBRKG; § 20 Abs. 4 Satz 1 KatSG-LSA; § 26 Abs. 1 Satz 1 LKatSG S-H. 606 § 28 Abs. 1 LKatSG B-W: zur Bekämpfung der Katastrophe und für die unmittelbar anschließende Beseitigung erheblicher Katastrophenschäden; § 19 Abs. 1 LKatSG M-V, § 20 Abs. 4 und 5 KatSG-LSA: zur Abwehr der Katastrophe; § 55 Abs. 1 Satz 1 SächsBRKG: für die Bekämpfung von Bränden, öffentlichen Notständen oder Katastrophen oder für die dringliche vorläufige Beseitigung von Katastrophenschäden; § 26 Abs. 1 Satz 1 LKatSG S-H: zur Bekämpfung der Katastrophe oder für die unmittelbar anschließende vorläufige Beseitigung von Schäden.

E. Eingriffsbefugnisse

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Darüber hinausgehende, speziellere Regelungen zur Erforderlichkeit finden sich nur in wenigen Vorschriften und nur im Zusammenhang mit der Anforderung von Sachleistungen. Nach dem Vorbild des § 3 Abs. 1 Satz 1 BLG dürfen gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 NKatSG und § 22 Abs. 1 Satz 2 KatSG-LSA Leistungen nur angefordert werden, wenn der Bedarf auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln gedeckt werden kann. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG muß die Heranziehung zu Sachleistungen unter anderem nach Maßgabe der genannten Vorschrift des Bundesleistungsgesetzes erfolgen. Ebenfalls zur Anwendung dieser Vorschrift gelangt man in Thüringen über § 28 Abs. 6 ThBKG, wonach für die Inanspruchnahme der notwendigen Sachleistungen das Bundesleistungsgesetz entsprechend gilt. 608 § 13 Satz 3 Nr. 1 LKatSGSaarland bestimmt den Vorrang der Nutzung eigener Einrichtungen des Katastrophenschutzes und sonstiger Mittel der Katastrophenschutzbehörde 609. Gleiches ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln und § 27 Abs. 1 FSHG NRW, die für eine Inanspruchnahme zur Gestellung von Hilfsmitteln auf die ordnungsrechtlichen Vorschriften über die Inanspruchnahme von Nichtstörern verweisen; diese hat unter anderem zur Voraussetzung, daß die Behörde die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch Beauftragte abwenden kann 610. § 18 Satz 1 LKatSG M-V, wonach Personen zur Hilfeleistung verpflichtet werden können, soweit das zur Abwehr einer Katastrophe zwingend geboten ist und die vorhandenen Helfer im Einzelfall nicht ausreichen, kann sich nach seinem Wortlaut („Helfer“ statt „Mittel“) allerdings nur auf Werk- oder Dienstleistungen, nicht auf Sachleistungen beziehen 611. Auch wo dies keine gesetzliche Regelung gefunden hat, ist bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Maßnahme immer der Vorrang der Nutzung staatlicher Mittel zu berücksichtigen; ebenfalls zu erwägen ist die Möglichkeit des freihändigen Erwerbs als gegenüber einer Enteignung milderes Mittel. Besondere Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne finden sich in den Katastrophenschutzgesetzen nur vereinzelt und nur insoweit niedergelegt, als die Inanspruchnahme nicht zu einer erheblichen eigenen Gefährdung 607 § 13 Abs. 3 BbgBKG; § 49 Abs. 2 HBKG: dringend benötigte Hilfsmittel usw., die zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr oder zur Beseitigung einer öffentlichen Notlage geeignet und erforderlich sind; § 27 Abs. 3 LBKG R-P; § 28 Abs. 3 ThBKG. 608 Der gleichlautende § 28 Abs. 6 LBKG R-P a.F. ist mit der Änderung durch das Gesetz vom 5. April 2005 (GVBl. S. 104) entfallen. 609 Nach § 13 Satz 3 Nr. 3 LKatSG-Saarland gilt Satz 1 der Vorschrift (die Möglichkeit der Heranziehung unter anderem zu Sachleistungen) nicht, soweit die vorhandenen Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes und sonstige Mittel oder Kräfte der Katastrophenschutzbehörde für die Abwehr der Katastrophe ausreichen. 610 § 16 Abs. 1 Nr. 3 ASOG Bln; § 19 Abs. 1 Nr. 3 OBG NRW. 611 Zum Regelungsgehalt des § 18 Satz 1 LKatSG M-V siehe in diesem Teil Fn. 561 (am Ende).

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

des Betroffenen und nicht zu einer Verletzung höherrangiger Pflichten führen darf 612. Praktisch bedeutsamer als die Abwägung des Interesses am Schutz des Gemeinwohls mit anderweitigen Pflichten dürfte jedoch dessen Abwägung mit einem etwaigen Eigenbedarf des Eigentümers sein. 613 2. Zerstörung von Sachen Die gezielte Zerstörung von Eigentumsobjekten zur Gefahrenabwehr ist mangels Güterübertragung nicht Enteignung, sondern Inhalts- und Schrankenbestimmung. 614 In Baden-Württemberg 615, Berlin 616, Brandenburg 617, Hessen 618, NordrheinWestfalen 619, Rheinland-Pfalz 620, dem Saarland 621, Sachsen 622, Schleswig-Holstein 623 und Thüringen 624 enthalten die Katastrophenschutzgesetze bzw. die Gesetze über den Brand- und Katastrophenschutz Vorschriften, wonach Eigentumsobjekte „beseitigt“ 625 werden dürfen. In Mecklenburg-Vorpommern findet sich eine entsprechende Regelung im Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz 626. Genannt werden in allen Vorschriften Gebäude bzw. Bauwerke 627, in den meisten daneben 612

§ 8 Abs. 1 Satz 1 KatSG Bln iVm § 16 Abs. 1 Nr. 4 ASOG Bln; § 27 Abs. 1 FSHG NRW iVm § 19 Abs. 1 Nr. 4 OBG NRW. Nach § 16 Abs. 3 HmbKatSG kann Hilfeleistungen (nur) verweigern, wer durch sie eine unzumutbare gesundheitliche Schädigung befürchten oder höherwertige Pflichten verletzen müßte. Gemäß § 13 Satz 3 LKatSG-Saarland gilt Satz 1 der Vorschrift – nämlich die Möglichkeit der Heranziehung zu Sachleistungen – nicht, wenn die Heranziehung mit erheblicher Gefahr für Leib oder Leben für den Herangezogenen oder der Verletzung anderer überwiegender Pflichten verbunden ist. 613 Siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. b) (dort S. 185). 614 Dazu siehe oben im Zweiten Teil unter F. II. 4. 615 § 28 Abs. 2 LKatSG B-W. 616 § 8 Abs. 2 KatSG Bln. 617 § 15 Abs. 1 Satz 3 BbgBKG. 618 § 46 Abs. 1 Satz 3 HBKG. 619 § 28 Abs. 2 Satz 3 FSHG NRW. 620 § 28 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P. 621 § 14 Abs. 1 Satz 2 LKatSG-Saarland. 622 § 55 Abs. 1 Satz 1 SächsBRKG. 623 § 26 Abs. 2 LKatSG S-H. 624 § 29 Abs. 1 Satz 2 ThBKG. 625 Nach § 8 Abs. 2 KatSG Bln ist „das Entfernen“ bestimmter Objekte zu dulden. Da sich unter den aufgezählten auch ortsfeste Objekte (Einfriedungen, Pflanzen, bauliche Anlagen) befinden, die nur mittels Zerstörung von ihrem Platz entfernt werden können, ist unter „Entfernen“ hier auch die Beseitigung, nicht nur das bloße Wegräumen zu verstehen. Nach § 26 Abs. 2 LKatSG S-H sind Maßnahmen zu dulden, die in den Bestand oder die bisherige Nutzung des Grundstückes, Bauwerkes oder Schiffes eingreifen. 626 § 24 Abs. 1 Satz 3 und 5 BrSchG M-V.

E. Eingriffsbefugnisse

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Pflanzen 628 und Einfriedungen 629, in einigen auch Anlagen 630, Schiffe 631, Lagergut 632, in Berlin auch Fahrzeuge und „sonstige Gegenstände“ 633. Die Vorschriften sind überwiegend 634 als Duldungspflichten 635 gegenüber von der Katastrophenschutzbehörde oder dem Einsatzleiter 636 angeordneten Maßnahmen formuliert, teilweise 637 unmittelbar als (Anordnungs-)Befugnis der Katastrophenschutzbehörde. Der betroffene Personenkreis wird in den meisten Vorschriften 638 räumlich näher spezifiziert; verpflichtet sind die Eigentümer und Besitzer 639 sowie teilweise auch die sonstigen Nutzungsberechtigten 640 von betroffenen und benachbarten 641 627 § 55 Abs. 1 Satz 1 SächsBRKG: Gebäude; § 28 Abs. 2 LKatSG B-W, § 14 Abs. 1 Satz 2 LKatSG-Saarland, § 26 Abs. 2 LKatSG S-H: Bauwerke; § 8 Abs. 2 KatSG Bln: bauliche Anlagen; § 15 Abs. 1 Satz 3 BbgBKG, § 46 Abs. 1 Satz 3 HBKG, § 24 Abs. 1 Satz 3 BrSchG M-V, § 27 Abs. 2 Satz 3 FSHG NRW, § 28 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P, § 29 Abs. 1 Satz 2 ThBKG: Gebäude, Gebäudeteile. 628 § 28 Abs. 2 LKatSG B-W; § 8 Abs. 2 KatSG Bln; § 15 Abs. 1 Satz 3 BbgBKG; § 46 Abs. 1 Satz 3 HBKG; § 24 Abs. 1 Satz 3 BrSchG M-V, § 28 Abs. 2 Satz 3 FSHG NRW: Bäume, Sträucher und Pflanzen; § 28 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P; § 14 Abs. 1 Satz 2 LKatSGSaarland; § 55 Abs. 1 Satz 1 SächsBRKG; § 29 Abs. 1 Satz 2 ThBKG. 629 § 28 Abs. 2 LKatSG B-W; § 8 Abs. 2 KatSG Bln; § 15 Abs. 1 Satz 3 BbgBKG; § 46 Abs. 1 Satz 3 HBKG; § 24 Abs. 1 Satz 3 BrSchG M-V; § 28 Abs. 2 Satz 3 FSHG NRW; § 28 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P; § 14 Abs. 1 Satz 2 LKatSG-Saarland; § 55 Abs. 1 Satz 1 SächsBRKG; § 29 Abs. 1 Satz 2 ThBKG. 630 § 15 Abs. 1 Satz 3 BbgBKG; § 46 Abs. 1 Satz 3 HBKG; § 28 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P; § 55 Abs. 1 Satz 2 SächsBRKG; § 29 Abs. 1 Satz 2 ThBKG. 631 § 8 Abs. 2 KatSG Bln; § 55 Abs. 1 Satz 2 SächsBRKG; § 26 Abs. 2 LKatSG S-H. 632 § 28 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P; § 29 Abs. 1 Satz 2 ThBKG. 633 § 8 Abs. 2 KatSG Bln. 634 § 28 Abs. 2 LKatSG B-W; § 8 Abs. 2 KatSG Bln; § 15 Abs. 1 Satz 3 BbgBKG; § 46 Abs. 1 Satz 3 HBKG; § 24 Abs. 1 Satz 3 BrSchG M-V; § 28 Abs. 2 Satz 3 FSHG NRW; § 28 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P; § 26 Abs. 2 LKatSG S-H; § 29 Abs. 1 Satz 2 ThBKG. 635 Zur Ausgestaltung als Duldungspflichten siehe oben in diesem Teil unter E. I. (dort S. 251). 636 § 28 Abs. 2 LKatSG B-W: Katastrophenschutzbehörde, technischer Leiter des Einsatzes oder sein Beauftragter; § 15 Abs. 3 BbgBKG: Gesamtführung oder Einsatzleitung; § 46 Abs. 1 Satz 3 HBKG: Gesamteinsatzleitung oder technische Einsatzleitung; § 24 Abs. 1 Satz 3 BrSchG M-V: Einsatzleiter oder sein Beauftragter. 637 Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 LKatSG-Saarland kann die Katastrophenschutzbehörde die Beseitigung anordnen, nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SächsBRKG können die zuständige Behörde, die Einsatzleitung, die Technische Einsatzleitung oder ihre Beauftragten Gebäude, Anlagen und Schiffe unter anderem beseitigen; nach § 55 Abs. 1 Satz 2 SächsBRKG haben Eigentümer, Besitzer oder sonstige Nutzungsberechtigte diese Maßnahmen zu dulden. 638 Auf eine nähere Bestimmung nach der Lage des Grundstücks verzichten § 8 Abs. 2 KatSG Bln, § 14 Abs. 1 Satz 2 LKatSG-Saarland, § 55 Abs. 1 Satz 2 SächsBRKG. 639 Die Verpflichtung der Besitzer umliegender Grundstücke und Gebäude fehlt in § 24 Abs. 1 Satz 5 BrSchG M-V. 640 In § 15 Abs. 1 Satz 3 iVm Satz 2 BbgBKG, § 46 Abs. 1 Satz 3 iVm Satz 2 HBKG, § 28 Abs. 1 Satz 2 iVm Satz 1 LBKG R-P, § 55 Abs. 1 Satz 2 SächsBRKG und § 29 Abs. 1

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

oder umliegenden 642 Grundstücken oder Gebäuden oder von Grundstücken und Gebäuden an oder in der Nähe der Einsatzstelle 643. Nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 BayFwG dürfen Feuerwehrleute und andere Hilfskräfte (nicht näher benannte) Sachen entfernen, die den Einsatz behindern. Diese Vorschrift muß zur Zerstörung von Sachen berechtigen, die auf andere Weise nicht entfernt werden können. 644 Mit der ausdrücklichen Benennung der „Beseitigung“ oder „Entfernung“ von Einfriedungen, Pflanzen, Gebäuden usw. sind die soeben benannten Vorschriften hinreichend bestimmt und taugliche Ermächtigungsgrundlagen für die Zerstörung dieser Sachen. Anders ist dies bei jenen Normen, die lediglich eine Duldungspflicht gegenüber nicht näher beschriebenen, vom Einsatzleiter „angeordneten Maßnahmen“ 645 oder gar nur gegenüber der „Benutzung“ 646 des Grundstücks enthalten. Sie weisen Satz 2 iVm Satz 1 ThBKG werden neben den Eigentümern und Besitzern noch „sonstige Nutzungsberechtigte“ genannt. 641 § 28 Abs. 2 LKatSG B-W, § 26 Abs. 2 LKatSG S-H: Eigentümer und Besitzer der von einer Katastrophe betroffenen oder der diesen benachbarten Grundstücke, Bauwerke und Schiffe. 642 § 24 Abs. 1 Satz 3 und 5 BrSchG M-V: Eigentümer und Besitzer der von Bränden, Unglücksfällen oder öffentlichen Notständen betroffenen Gebäude, Grundstücke und Schiffe sowie Eigentümer (nicht auch Besitzer!) der umliegenden Grundstücke und Gebäude; § 28 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 FSHG NRW: Eigentümer und Besitzer der von Schadenfeuer, Unglücksfällen oder öffentlichen Notständen betroffenen sowie der umliegenden Grundstücke, Gebäude und Schiffe. 643 § 15 Abs. 2 BbgBKG sowie inhaltlich übereinstimmend § 46 Abs. 2 HBKG: „auch“ Eigentümer, Besitzer oder sonstige Nutzungsberechtigte der in der Nähe der Einsatzstelle liegenden Grundstücke und baulichen Anlagen. § 28 Abs. 1 Satz 2 LBKG R-P, § 29 Abs. 1 Satz 2 ThBKG: Eigentümer, Besitzer oder sonstige Nutzungsberechtigte von Grundstücken, baulichen Anlagen oder Schiffen an oder in der Nähe der Einsatzstelle. 644 Zwar haben auch nach § 27 Abs. 3 FSHG NRW Eigentümer und Besitzer von Gegenständen, durch die der Einsatz behindert wird, deren „Entfernung“ zu dulden, doch ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang, daß es hierbei um das Wegräumen, nicht um die Zerstörung der Gegenstände geht: Nach der ersten Variante der Regelung sind Eigentümer und Besitzer verpflichtet, den Einsatz behindernde Gegenstände auf Weisung von Einsatzkräften wegzuräumen, die zweite Variante regelt die Duldungspflicht. 645 § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BremHilfeG; § 20 Abs. 4 Satz 2 KatSG-LSA. Auch in § 30 Abs. 3 Nr. 2 NBrandSchG und § 26 Abs. 3 Nr. 2 BrSchG LSA werden die zu duldenden angeordneten Maßnahmen ihrem Inhalt nach nicht weiter bestimmt. Eine Aussage wird lediglich über die Zweckrichtung der Maßnahmen getroffen – die Duldungspflicht besteht gegenüber den „im Zusammenhang mit diesen Arbeiten [dabei dürfte es sich um die in Nr. 1 genannte Brandbekämpfung oder Hilfeleistung handeln] oder zur Verhütung einer Brand[bzw. Gefahren-]ausweitung angeordneten Maßnahmen“. Wegen fehlender Regelungsdichte kommen auch diese beiden Vorschriften als Grundlage für eine Zerstörung von Sachen bei der Katastrophenbekämpfung nicht in Betracht. 646 § 19 Abs. 1 LKatSG M-V.

E. Eingriffsbefugnisse

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nicht die Regelungsdichte auf, die angesichts des schwerwiegenden Grundrechtseingriffs – das Eigentumsobjekt wird vernichtet – erforderlich wäre 647 und sind daher als Ermächtigungsgrundlagen für die Zerstörung von Sachen nicht geeignet. Ebenfalls nicht geeignet sind Vorschriften, die die Heranziehung zu Sachleistungen ermöglichen 648. Unter „Leistung“ ist die Überlassung einer Sache zur Nutzung oder zu Eigentum zu verstehen, die Duldung der Zerstörung der Sache fällt nach dem Wortsinn nicht mehr darunter. Auch die unmittelbare Inanspruchnahme von Sachen 649 kann nicht auf ihre Zerstörung gerichtet sein, da die entsprechenden Vorschriften die Sachleistungspflichten für den Fall ergänzen, daß Gefahr im Verzug ist. Maßnahmen der unmittelbaren Inanspruchnahme dürfen nach ihrem Inhalt also nicht über den Inhalt der Sachleistungspflicht hinausgehen. In den Ländern, in denen die Duldungspflicht gegenüber Maßnahmen nicht hinreichend bestimmt ist (Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt) oder in denen lediglich Sachleistungen angefordert werden können (Hamburg), ist die Zerstörung von Eigentumsobjekten zur Katastrophenabwehr weder aufgrund der Katastrophenschutzgesetze noch aufgrund der Feuerwehr- bzw. Brandschutzgesetze möglich. Einige Gesetze enthalten Regelungen hinsichtlich der Erforderlichkeit der Maßnahmen: Nach § 8 Abs. 2 KatSG Bln besteht die Duldungspflicht, soweit es zur Bekämpfung einer Katastrophe erforderlich ist, nach § 55 Abs. 1 Satz 2 SächsBRKG die Befugnis der Behörde, soweit es für die Bekämpfung unter anderem von Katastrophen oder für die dringliche vorläufige Beseitigung von Katastrophenschäden erforderlich ist. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 LKatSG-Saarland ist die Beseitigung ultima ratio: Die Katastrophenschutzbehörde kann sie anordnen, wenn zur Abwehr der Katastrophe keine anderen Maßnahmen zur Verfügung stehen. Wo es keine gesetzliche Regelung gibt, ist der Grundsatz der Erforderlichkeit dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 650 zu entnehmen. Die gleichlautende Formulierung in § 24 Abs. 1 Satz 3 BrSchG M-V und § 28 Abs. 2 Satz 3 FSHG NRW, nach der die „im Interesse eines wirkungsvollen Einsatzes und zur Verhütung einer weiteren Ausdehnung des Schadensfalles“ angeordneten Maßnahmen zu dulden sind, kann nur so zu verstehen sein, daß damit der zulässige Zweck der Maßnahmen bestimmt wird, nicht jedoch als Verzicht auf den Grundsatz der Erforderlichkeit und als Ermächtigung zu lediglich zweckmäßigen (im „Interesse“ eines wirkungsvollen Einsatzes liegenden) Maßnahmen.

647 Zur notwendigen Regelungsdichte als zweiter Stufe der sog. Wesentlichkeitstheorie siehe oben im Zweiten Teil unter A. (im Text bei Fn. 3). 648 So beispielsweise § 16 HmbKatSG. 649 Etwa nach § 16 Abs. 2 HmbKatSG. 650 Dieser ist auch bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung zu beachten, vgl. die Nachweise im Zweiten Teil in Fn. 357.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Der Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme kommt vor allem dann besonderes Gewicht zu, wenn es um hohe Sachwerte geht: Gegenüberzustellen sind das zu schützende Rechtsgut dem zu vernichtenden bzw. das Allgemeininteresse an der Abwehr der Gefahr dem Individualinteresse am Bestand des Eigentums 651. Gesetzliche Regelung hat dieser Gedanke in § 15 Abs. 3 BbgBKG, § 46 Abs. 3 HBKG, § 24 Abs. 1 Satz 3 BrSchG M-V und § 28 Abs. 2 Satz 4 FSHG NRW gefunden; danach dürfen die Maßnahmen nicht zu Schäden führen, die erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen. 3. Entschädigungs- und Ausgleichsregelungen Für eine Enteignung muß gemäß der Junktim-Klausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG das der Enteignung zugrundeliegende Gesetz Art und Ausmaß der Entschädigung regeln. Bei einer Inhalts- und Schrankenbestimmung, die – wie hier – die Vernichtung des Eigentumsobjektes zum Gegenstand hat, muß die Bestandsgarantie des Eigentums in eine Wertgarantie umschlagen; die Maßnahme ist daher auf jeden Fall ausgleichspflichtig. 652 In beiden Fällen genügen salvatorische Entschädigungsklauseln nicht 653, und der Gesetzgeber muß festlegen, wie die Höhe der Entschädigung zu ermitteln ist 654. a) Entschädigungs- und Ausgleichsregelungen in den einzelnen Ländern Regelungen über „Entschädigung“ oder „Schadensersatz“ finden sich in allen Katastrophenschutzgesetzen. Sie sind jedoch sehr unterschiedlich ausgestaltet und entsprechen nur in wenigen Fällen den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Bei § 32 Abs. 1 LKatSG B-W, wonach auf Antrag eine angemessene Entschädigung zu leisten ist, „soweit Maßnahmen auf Grund dieses Gesetzes enteignende Wirkung haben“, handelt es sich um eine typische salvatorische Klausel. Damit genügt die Vorschrift nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Enteignungsregelung. Für den Ausgleich der in der Zerstörung von Eigentum liegenden Inhaltsbestimmung fehlt jegliche Regelung. In Baden-Württemberg dürfen daher nach dem Katastrophenschutzgesetz weder Enteignungen noch ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen vorgenommen werden. 651

Siehe dazu oben im Zweiten Teil unter F. III. 2. a) (dort S. 189 f.). Siehe dazu oben im Zweiten Teil unter F. III. 2. a) (dort S. 191 ff.). 653 Siehe dazu oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. c) (im Text bei Fn. 334) für die Enteignung, unter F. III. 2. b) (im Text bei Fn. 379) für die Inhalts- und Schrankenbestimmung. 654 Siehe dazu oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. c) (im Text bei Fn. 351) für die Enteignung, unter F. III. 2. b) (im Text bei Fn. 382) für die Inhalts- und Schrankenbestimmung. 652

E. Eingriffsbefugnisse

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Auch nach dem baden-württembergischen Feuerwehrgesetz sind weder Enteignungen noch Inhaltsbestimmungen zulässig. Zwar ist nach § 33 Abs. 2 Satz 1 FwG B-W den Eigentümern und Besitzern der benachbarten Grundstücke, Gebäude und Schiffe für den ihnen durch die Verpflichtung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 und 2 FwG B-W (Gestattung der Benutzung von Grundstücken, Gebäuden und Schiffen für Lösch- und Rettungsarbeiten, Zur-Verfügung-Stellen von Wasservorräten, Überlassung von Geräten zur Benutzung, Duldung der Beseitigung von Pflanzen, Einfriedungen, Gebäudeteilen und Gebäuden) verursachten Schaden eine angemessene Entschädigung zu leisten, doch ist auch diese Regelung wegen der Bezugnahme auf einen entstandenen Schaden 655 und mangels Bestimmung der Entschädigungshöhe unzureichend: Der Gesetzgeber muß selbst Vorgaben für die Höhe der Entschädigung bzw. des Ausgleichs machen 656. Die Bestimmung, daß eine Entschädigung „angemessen“ zu sein habe, ist dafür nicht ausreichend. Nach Art. 14 Abs. 1 BayKSG ist angemessen in Geld zu entschädigen, wer zu Sachleistungen nach Art. 9 des Gesetzes herangezogen wird, die über verkehrsübliche Hilfeleistungen oder über die außerhalb des Gesetzes bestehenden Rechtspflichten hinausgehen, oder wer auf Grund von Maßnahmen nach Art. 9 oder 10 des Gesetzes einen nicht zumutbaren Schaden erleidet. Zwar setzt die erste Variante der Vorschrift keinen Schaden voraus, doch genügt auch diese Regelung wegen der Festsetzung einer „angemessenen“ Entschädigung den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Entschädigungs- bzw. Ausgleichsregelung nicht 657. Gleiches gilt für § 18 Abs. 1 Satz 1 HmbKatSG, wonach der Betroffene, der Vermögensnachteile erlitten oder Leistungen erbracht hat, für die Heranziehung unter anderem zu Sachleistungen angemessen in Geld zu entschädigen ist. Wie in Baden-Württemberg, so kann auch in Bayern nicht auf die Regelungen des Feuerwehrgesetzes zurückgegriffen werden, da es auch hier wegen des Anknüpfens an einen entstandenen Schaden in Art. 27 Abs. 1 BayFwG an einer verfassungskonformen Entschädigungsregelung fehlt. Ebenfalls ungenügend sind die Regelungen in Berlin 658, Brandenburg 659, Bremen 660, Hessen 661, Mecklenburg-Vorpommern 662, Nordrhein-Westfalen 663, Rhein655 Schadensersatzregelungen können nicht als Regelungen einer Enteignungsentschädigung oder eines Ausgleichs für eine Inhaltsbestimmung herangezogen werden, siehe sogleich unten im Text bei Fn. 667 ff. 656 Siehe dazu oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. c) (im Text bei Fn. 351) für die Enteignung, unter F. III. 2. b) (im Text bei Fn. 382) für die Inhalts- und Schrankenbestimmung. 657 Prandl / Oehler, Katastrophenschutz, Anm. 2 zu Art. 6 wollten für die in den hier maßgeblichen Teilen wortgleiche Vorgängervorschrift des Art. 14 Abs. 1 BayKSG die Vorschriften des Bundesleistungsgesetzes als Anhalt für die Bemessung einer angemessenen Entschädigung heranziehen. Allein durch das Vorhandensein geeigneter Bemessungsregeln in einem anderen Gesetz ist der Pflicht zur Bestimmung der Höhe der Entschädigung jedoch nicht genügt, es bedürfte vielmehr der gesetzlichen Anordnung der entsprechenden Anwendung der Vorschriften.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

land-Pfalz 664 und Thüringen 665, die Schadensersatzansprüche vorsehen 666. Enteignungsentschädigung einerseits und Schadensersatz andererseits sind nicht identisch 667: Die Enteignungsentschädigung ist Wertausgleich 668, sie soll die durch die Enteignung herbeigeführte Vermögensverschiebung 669 ausgleichen und richtet

658 § 8 Abs. 1 Satz 3 iVm § 14 Abs. 2 KatSG Bln iVm § 10 Abs. 1 Satz 1 Feuerwehrgesetz Bln (für die Heranziehung zur Gestellung von Hilfsmitteln oder Fahrzeugen), § 8 Abs. 3 KatSG Bln iVm §§ 59 bis 65 ASOG Bln (für die Nutzung und Inanspruchnahme von Grundstücken, Gebäuden, Schiffen und Fahrzeugen aller Art). 659 § 47 Abs. 1 Satz 1 BbgBKG. Nicht erfaßt wird dabei der Schaden, der durch das ZurVerfügung-Stellen von Löschmitteln von Eigentümern, Besitzern oder sonstigen Nutzungsberechtigten betroffener Grundstücke nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG entsteht. Sollte der Geschädigte nicht durch die Maßnahme einen Vorteil erlangt haben (zum Prinzip der Vorteilsausgleichung siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. c) [im Text bei Fn. 346]), besteht für den Ausschluß kein hinreichender Grund. 660 § 55 Abs. 1 Satz 1 BremHilfeG. 661 § 50 Abs. 1 Satz 1 HBKG. 662 § 20 Abs. 1 LKatSG M-V. Die Entschädigungsregelung für die Inanspruchnahme von Sachen in § 27 Abs. 2 Satz 1 BrSchG M-V ist für die Entschädigung bei Maßnahmen nach dem Brandschutzund Hilfeleistungsgesetz unzureichend, da die Höhe der Entschädigung nicht gesetzlich bestimmt wird. Eine Ausgleichsregelung für die durch § 24 Abs. 3 BrSchG M-V ermöglichte Zerstörung von Sachen enthält das Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz nicht. 663 § 36 Abs. 1 Nr. 1 FSHG NRW iVm §§ 39 bis 43 OBG NRW. Nicht erfaßt werden Schäden, die Eigentümern und Besitzern betroffener Grundstücke, Gebäude und Schiffe durch das Zur-Verfügung-Stellen von Wasservorräten und sonstigen Hilfsmitteln, insbesondere von für die Schadensbekämpfung verwendbaren Geräten, nach § 28 Abs. 2 Satz 2 FSHG NRW entstehen. Sollte der Geschädigte nicht durch die Maßnahme einen Vorteil erlangt haben (zum Prinzip der Vorteilsausgleichung siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. c) [im Text bei Fn. 346]), besteht für diesen Ausschluß kein hinreichender Grund. 664 § 30 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P. 665 § 31 Abs. 1 Satz 1 ThBKG. 666 Auch in den Gesetzen, in denen die Bezeichnung „Entschädigung“ gewählt wurde – § 55 Abs. 1 Satz 1 BremHilfeG; § 50 HBKG (Überschrift der Vorschrift); § 20 Abs. 1 LKatSG MV (siehe auch die Überschrift der Vorschrift); § 36 FSHG NRW (Überschrift der Vorschrift); § 30 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P (siehe auch die Überschrift der Vorschrift); § 31 Abs. 1 Satz 1 ThBKG (siehe auch die Überschrift der Vorschrift) – handelt es sich um Schadensersatzansprüche, da die Regelungen sämtlich einen entstandenen Schaden voraussetzen. 667 Zur Unterscheidung zwischen Entschädigung und Schadensersatz auch BGH, Urteil vom 20. Dezember 1971 – III ZR 79/69 –, BGHZ 57 S. 359 (368); Urteil vom 28. September 1972 – III ZR 44/70 –, BGHZ 59 S. 250 (258); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 65; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 207 f. 668 Aust in Aust / Jacobs / Pasternak, Enteignungsentschädigung, Rn. 196; Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 145. 669 Urteil vom 28. September 1972 – III ZR 44/70 –, BGHZ 59 S. 250 (258).

E. Eingriffsbefugnisse

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sich allein nach dem Wert der entzogenen Rechtsposition 670. Der Schadensersatz soll den Geschädigten dagegen so stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde 671, und ist nach einer fiktiven Vermögenslage zu berechnen 672. Der Schadensersatzanspruch ist daher einerseits in seinem Umfang regelmäßig weiter als die Enteignungsentschädigung, da er auch den entgangenen Gewinn erfaßt 673. Andererseits ist er insofern enger, als er einen kausal durch die Maßnahme entstandenen Schaden voraussetzt; dies ist bei der Enteignungsentschädigung nicht der Fall. Gleiches muß für den Unterschied zwischen dem Ausgleich für eine Inhaltsbestimmung und Schadensersatz gelten, wenn die Ausgleichspflicht wie hier aus dem Umschlag der Bestandsgarantie in eine Wertgarantie hergeleitet wird 674: Es geht um den (Wert-)Ausgleich für die zerstörte Substanz, nicht um die Wiederherstellung des vor der Schädigung bestehenden Zustands. Wegen der grundlegenden Unterschiede der Rechtsinstitute können Schadensersatzregelungen nicht als Entschädigungsregelungen für Enteignungen oder als Ausgleichsregelungen für Inhalts- und Schrankenbestimmungen herangezogen werden, selbst wenn die Schadensersatzleistung im Einzelfall zufällig in ihrer Höhe der Höhe einer Enteignungsentschädigung oder eines Ausgleichs entsprechen sollte. Insbesondere genügte eine Deutung von Schadensersatzklauseln als Regelungen einer Enteignungsentschädigung nicht den Anforderungen der JunktimKlausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG: Die Junktim-Klausel hat Warn- und Offenbarungsfunktion; unter anderem soll sich der Gesetzgeber bewußt werden, daß eine Maßnahme eine Enteignung darstellt 675. Dieser Forderung wird durch eine Schadensersatzregelung, bei der es dem Gesetzgeber um die Wiederherstellung des früheren Zustands, nicht um den Ausgleich für den Entzug der Substanz geht, nicht Genüge getan. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 NKatSG und dem weitgehend gleichlautenden § 23 Abs. 1 Satz 1 KatSG-LSA hat die Katastrophenschutzbehörde auf Antrag eine Entschädigung in Geld zu leisten, wenn durch die Anforderung von Leistungen 676 Vermögensnachteile entstehen. Versteht man den Begriff des Vermögensnachteils 670 BGH, Urteil vom 8. November 1962 – III ZR 86/61 –, BGHZ 39 S. 198 (200); BGH, Urteil vom 20. Dezember 1971 – III ZR 79/69 –, BGHZ 57 S. 359 (368); Urteil vom 28. September 1972 – III ZR 44/70 –, BGHZ 59 S. 250 (258); Urteil vom 22. Mai 1984 – III ZR 18/83 –, BGHZ 91 S. 243 (257); Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 388. 671 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 65. 672 BGH, Urteil vom 28. September 1972 – III ZR 44/70 –, BGHZ 59 S. 250 (258); Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 388. 673 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 65. 674 Dazu siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 2. a) (im Text bei Fn. 364 ff.). 675 Zur Funktion der Junktim-Klausel siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. c) (dort S. 186).

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

als Vermögensschaden, so handelt es sich auch hierbei um eine für eine Enteignungsentschädigung untaugliche Schadensersatzvorschrift. Bei systematischer Auslegung läßt sich jedoch unter „Vermögensnachteil“ auch die enteignungsrechtliche und durch Entschädigung wertmäßig auszugleichende Vermögenseinbuße verstehen, die bereits in der bloßen Inanspruchnahme einer Sache liegen kann. Vermögensnachteil ist dann der Entzug der Rechtsposition. Für dieses Verständnis sprechen die Regelungen über die Bemessung der Entschädigung 677, die die entsprechende Anwendung unter anderem des § 20 BLG vorschreiben. § 20 Abs. 1 Satz 1 BLG gewährt eine Entschädigung unabhängig davon, ob dem Leistungspflichtigen ein Schaden entstanden ist oder nicht. Die Entschädigung bemißt sich nach dem für vergleichbare Leistungen im Wirtschaftsverkehr üblichen Entgelt, nicht nach einem eventuellen Schaden des Leistungspflichtigen. 678 Legt man dieses Verständnis zugrunde, so genügen die genannten Vorschriften den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Entschädigungsregelungen. Sie sehen einen Wertausgleich für den durch den (auch vorübergehenden) Entzug einer Rechtsposition hervorgerufenen Vermögensnachteil vor und setzen keinen kausal verursachten Schaden voraus. Da Wertausgleich, nicht Schadensersatz, gewährt wird, darf angenommen werden, daß dem Gesetzgeber bei der Gestaltung der Vorschrift der Enteignungscharakter der Maßnahmen bewußt war; somit wird der Junktim-Klausel Rechnung getragen. Die Höhe der Entschädigung wird mit der Bezugnahme auf die Vorschriften des Bundesleistungsgesetzes hinreichend bestimmt. Eine Ausgleichsregelung für eine in der Zerstörung von Eigentum liegende Inhaltsbestimmung ist in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt nicht erforderlich, da bereits entsprechende Ermächtigungsgrundlagen fehlen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland ist auf seinen Antrag angemessen zu entschädigen, wer bei der Erfüllung von Pflichten Vermögensnachteile erlitten oder Leistungen erbracht hat, die nicht geringfügig sind. Die Tatbestandsvariante der Erbringung von Leistungen bezieht sich auf die nach § 13 Satz 1 LKatSG-Saarland zu erbringenden Sach- (und Werk-)Leistungen und erfaßt wegen der dort getroffenen Bezugnahme auf § 2 BLG die Überlassung beweglicher und unbeweglicher Sachen zur Nutzung sowie die Überlassung beweg676

Bezug genommen wird auf Leistungen nach § 29 NKatSG bzw. nach § 22 KatSGLSA. Beide Male handelt es sich um Leistungen im Umfang des § 2 BLG (§ 29 Abs. 1 Satz 1 NKatSG und § 22 Abs. 1 Satz 1 KatSG-LSA), also auch um Sachleistungen. 677 § 30 Abs. 1 Satz 2 NKatSG; § 23 Abs. 1 Satz 2 KatSG-LSA. 678 Deutlich Danckelmann / Kerst in Bauch / Danckelmann / Kerst, BLG, Anm. 5 a) zu § 20: „Darauf, ob der Leistungspflichtige tatsächlich einen entsprechenden Vermögensnachteil erlitten hat (er hätte sein Gut vielleicht ungenutzt gelassen) oder ob er die Nutzungen hätte ziehen können, kommt es nicht an, da der objektive wirtschaftliche Gegenwert maßgebend ist.“

E. Eingriffsbefugnisse

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licher Sachen zu Eigentum, also alle nach dem Landeskatastrophenschutzgesetz möglichen Enteignungen. Ein Schaden ist nicht Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs, es handelt sich daher insoweit nicht um eine Schadensersatzvorschrift, sondern um die Regelung einer Enteignungsentschädigung. Die Tatbestandsvariante, die an erlittene Vermögensnachteile anknüpft, kann auf die Zerstörung von Eigentumsobjekten nach § 14 Abs. 1 Satz 2 LKatSG-Saarland bezogen werden. Auch nach § 15 Abs. 1 Satz 3 LKatSG-Saarland finden für die Bemessung und Zahlung der Entschädigung Vorschriften des Bundesleistungsgesetzes entsprechende Anwendung. Diese gewähren Wertausgleich, nicht Schadensersatz, es handelt sich also um eine für den Ausgleich einer Inhaltsbestimmung taugliche Regelung. Daß das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils hier auf die Zerstörung von Eigentumsobjekten, also auf eine Inhaltsbestimmung, in § 30 Abs. 1 Satz 1 NKatSG und § 23 Abs. 1 Satz 1 KatSG-LSA dagegen auf die Erbringung von Sachleistungen, also auf Enteignungen, bezogen sein soll, ist nicht widersprüchlich: Das Gesetz über den Katastrophenschutz im Saarland enthält Ermächtigungsgrundlagen für beide Arten von Maßnahmen, § 15 Abs. 1 Satz 1 LKatSG-Saarland eine Entschädigungsvorschrift mit zwei voneinander unabhängigen Tatbestandsvarianten, dem Erleiden von Vermögensnachteilen einerseits und der Erbringung von Leistungen andererseits. Diese beiden Varianten können jeweils einer der beiden Maßnahmen zugeordnet werden. In Niedersachsen und in Sachsen-Anhalt ermächtigen die Katastrophenschutzgesetze dagegen lediglich zu Enteignungen (in Form der Heranziehung zu Leistungen) und differenzieren in der Entschädigungsvorschrift nicht. Diese gewährt Entschädigung explizit für Vermögensnachteile, die durch die Anforderung von Leistungen entstehen. Damit muß das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils der Anforderung von Leistungen zugeordnet werden. Für die Bemessung der Entschädigung wird in § 15 Abs. 1 Satz 3 LKatSGSaarland auf Vorschriften des Bundesleistungsgesetzes verwiesen. Dies reicht zur Bestimmung der Höhe der Entschädigung aus. In Sachsen ging der Gesetzgeber unzutreffenderweise davon aus, daß es sich bei den aufgrund des Sächsischen Gesetzes über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz getroffenen Maßnahmen, durch die in Eigentumsrechte eingegriffen wird, sämtlich um Inhalts- und Schrankenbestimmungen handelt 679. Entsprechend regelt § 60 Abs. 1 SächsBRKG, daß Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums entschädigungslos zu dulden sind, und § 60 Abs. 2 SächsBRKG bestimmt, daß der Betroffene Anspruch auf eine Entschädigung hat, wenn die Einschränkungen dieses Maß übersteigen und hierdurch die wirtschaftliche Nutzbarkeit eines Grundstücks oder einer Sache unvermeidlich und erheblich beeinträchtigt wird, sofern und soweit die Beeinträchti679

So explizit die Begründung des Entwurfs zu § 59 (jetzt: § 60) SächsBRKG (LTDrs. 3/9866, S. 40 der Begründung).

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

gung nicht durch anderweitige Maßnahmen vollständig oder teilweise ausgeglichen werden kann. Die in § 60 Abs. 2 bis 4 SächsBRKG vorgesehene Entschädigung dient nach ihrem Wortlaut und nach ihrer Entstehung dem Ausgleich einer ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung. Die Ausgleichsregelung ist jedoch insofern unzureichend, als die Höhe des Ausgleichs darin nicht bestimmt wird 680: § 60 Abs. 2 Satz 2 SächsBRKG sieht lediglich vor, daß die Entschädigung die entstandenen Vermögensnachteile „angemessen“ ausgleichen muß. Die Ausgleichsregelung könnte auch ohne diesen Fehler nicht in die Regelung einer Enteignungsentschädigung umgedeutet werden. Dies verbietet die JunktimKlausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG, nach der der Gesetzgeber für eine Enteignung Art und Ausmaß der Entschädigung regeln muß. Verkennt der Gesetzgeber den Enteignungscharakter, so kann eine für andere Zwecke getroffene Ausgleichsoder Schadensersatzregelung nicht ersatzweise herangezogen werden. Im übrigen wäre die Ausgleichsregelung auch insofern als Entschädigungsregelung unzureichend, als die Höhe der Entschädigung darin nicht bestimmt wird. Auch § 60 Abs. 5 Satz 1 iVm § 63 Abs. 2 SächsBRKG, wonach herangezogenen Personen Sachschäden zu ersetzen sind, kann als Schadensersatzregelung keine Grundlage für eine Enteignungsentschädigung sein 681. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 LKatSG S-H kann die oder der Berechtigte von der Katastrophenschutzbehörde eine Entschädigung verlangen, wenn durch eine Maßnahme der Katastrophenschutzbehörde nach den §§ 25 bis 27 des Gesetzes das Eigentum oder ein anderes Recht entzogen oder nicht nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Zwar ging der Gesetzgeber in der Begründung zu § 30 Abs. 1 LKatSG S-H anscheinend davon aus, daß es sich bei der Inanspruchnahme von Rechten oder Vermögenswerten zur Katastrophenbekämpfung über einen geringfügigen Umfang hinaus jeweils um Enteignungen handelt 682, doch ist für die Auslegung in erster Linie der Wortlaut maßgeblich. Dieser unterscheidet zwischen dem Entzug und der nicht nur unwesentlichen Beeinträchtigung von Eigentum oder anderen Rechten. Nach der hier gewählten Abgrenzung zwischen Enteignungen und Inhalts- und Schrankenbestimmungen läßt sich die erste Tatbestandsvariante auf Enteignungen, die zweite auf Inhalts- und Schrankenbestimmungen in Form der Zerstörung von Eigentumsobjekten beziehen. Das Gesetz ist somit in seiner Formulierung „klüger“ als der Gesetzgeber. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Entschädigungsregelungen dürfte die Vorschrift genügen. Ausweislich der Begründung hat der Gesetzgeber 680 Zu dieser Anforderung siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 2. b) (im Text bei Fn. 382). 681 Zum Unterschied zwischen Schadensersatz und Enteignungsentschädigung siehe soeben oben im Text bei Fn. 667. 682 Dies ergibt sich aus dem Hinweis auf Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG in der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 13/1939 S. 48).

E. Eingriffsbefugnisse

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eine Enteignungsentschädigung bezweckt und mit der ersten Tatbestandsvariante auch getroffen; damit sind die strengen Voraussetzungen der Junktim-Klausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG hinsichtlich der Enteignungsentschädigung erfüllt. Da die Junktim-Klausel mit ihrer Warn- und Offenbarungsfunktion für Inhaltsund Schrankenbestimmungen nicht gilt, ist es unschädlich, wenn sich der Gesetzgeber wie hier in der zweiten Tatbestandsvariante hinsichtlich des Charakters der Maßnahme irrt: Maßgeblich ist, daß er erkannt hat, daß es sich um einen Eingriff in Art. 14 GG handelt und daß dieser Eingriff auszugleichen ist. Eine Entschädigungsregelung für Enteignungen läßt sich – soweit der Wortlaut der Vorschrift nicht entgegensteht – als Ausgleichsregelung für Inhaltsbestimmungen verstehen. 683 Die Entschädigung bemißt sich nach dem für vergleichbare Leistungen im Wirtschaftsverkehr üblichen Entgelt, § 30 Abs. 1 Satz 3 LKatSG S-H, und ist damit nach ihrer Höhe hinreichend bestimmt. b) Forderung an die Landesgesetzgeber Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Entschädigungs- und Ausgleichsregelungen in der Mehrzahl der Bundesländer, nämlich in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Sachsen, nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen. Enteignungen und Inhaltsbestimmungen zur Katastrophenabwehr sind in diesen Ländern verfassungswidrig. Hier besteht dringender Handlungsbedarf für die Landesgesetzgeber. c) Regelungen über die Vorteilsausgleichung Die in der Mehrzahl der Katastrophenschutzgesetze 684 enthaltenen Regelungen, wonach der Ersatzanspruch nicht besteht, soweit die Maßnahmen zum Schutz des Geschädigten oder seines Vermögens getroffen worden sind 685, greifen den 683 Umgekehrt (Ausgleichsregelung als Regelung einer Enteignungsentschädigung) ist dies nicht möglich, da die Junktim-Klausel fordert, daß der Gesetzgeber einen Eingriff als Enteignung erkennt. 684 In den Feuerwehr- und Brandschutzgesetzen finden sich vergleichbare Regelungen, siehe § 33 Abs. 2 Satz 3 FwG B-W; Art. 27 Abs. 3 BayFwG; § 27 Abs. 2 Satz 2 BrSchG M-V; § 31 Abs. 1 Satz 1 NBrandSchG; § 23 Abs. 6 Satz 2 BSG-Saarland; § 33 Abs. 1 Satz 5 BrSchG S-H. 685 § 47 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG iVm § 38 Abs. 2 lit. a) OBGBbg, fast wortgleich § 36 Abs. 1 Nr. 1 FSHG NRW iVm § 39 Abs. 2 lit. b) OBG NRW, ähnlich § 18 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 HmbKatSG, § 20 Abs. 2 Nr. 2 LKatSG M-V, § 15 Abs. 3 Hs. 2 LKatSG-Saarland: wenn durch die Maßnahmen die Person oder das Vermögen des Geschädigten geschützt worden ist.

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3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Gedanken des Vorteilsausgleichs 686 auf. Allerdings dürften Maßnahmen der Katastrophenabwehr – von konkreten Rettungsmaßnahmen wie beispielsweise der Rettung aus einem einsturzgefährdeten Haus abgesehen – nur selten allein zum Schutz bestimmter Personen getroffen werden. Sie dienen zunächst dem Schutz der Allgemeinheit und nur reflexartig dem Schutz von Einzelpersonen. So bezweckt die Errichtung eines Notdamms auf Privatgrundstücken vorrangig den Schutz eines größeren Gebietes, nicht den Schutz der jeweils auf dem Grundstück befindlichen Häuser. Es erscheint nicht gerechtfertigt, bei derartigen Maßnahmen einen Anspruch völlig auszuschließen, da die Leistung bzw. die Inanspruchnahme auch und vor allem vorrangig im Interesse der Allgemeinheit erfolgte. Die genannten Vorschriften sind daher restriktiv auszulegen und können nur Anwendung finden, wenn die schadensverursachende Maßnahme ausschließlich dem Schutz der Person oder des Eigentums des Geschädigten diente 687. 688 Sachgerecht ist dagegen die in § 8 Abs. 3 KatSG Bln iVm § 60 Abs. 5 Satz 1 ASOG Bln getroffene Regelung, die einen Anspruch nicht ausschließt, sondern nach der bei der Bemessung des Ausgleichs zu berücksichtigen ist, ob der Geschädigte oder sein Vermögen durch die Maßnahme geschützt worden ist. 689 Diese Formulierung ermöglicht es, den Gedanken der Vorteilsausgleichung auch bei Maßnahmen in Ansatz zu bringen, die vorrangig dem Schutz der Allgemeinheit, aber auch dem Schutz des Einzelnen dienen. Im übrigen bedarf es für die Anwendung der Regeln der Vorteilsausgleichung keiner gesetzlichen Normierung, da es sich um einen allgemeinen Grundsatz für die Berechnung der Enteignungsentschädigung 690 und des Ausgleichs einer Inhaltsbestimmung handelt.

Weiter § 55 Abs. 1 Satz 2 BremHilfeG: zum Schutz des Geschädigten, der zu seinem Haushalt gehörenden Personen oder seiner Betriebsangehörigen sowie seines Vermögens; § 50 Abs. 2 HBGK, ähnlich § 30 Abs. 2 LBKG R-P und § 31 Abs. 2 ThBKG: zum Schutz der Gesundheit oder des Eigentums der geschädigten Person, der zu ihrem Haushalt gehörenden Personen oder ihrer Betriebsangehörigen. 686 Dazu siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. c) (im Text bei Fn. 346). 687 Dieser Gedanke liegt wohl auch Art. 27 Abs. 3 BayFwG zugrunde, wonach ein Entschädigungsanspruch nicht besteht, soweit eine Maßnahme unmittelbar dem Schutz der Person oder des Vermögens des Geschädigten oder seiner Haushalts- oder Betriebsangehörigen gedient hat. 688 Anders explizit Prandl / Oehler, Katastrophenschutz, Anm. 5 zu Art. 6 (a.F.): der Verdienstausfall eines zum Sandsäckefahren in Anspruch Genommenen werde nicht ersetzt, wenn diese Maßnahme auch dem Schutz des hinter einem Damm liegenden Hauses des Leistungspflichtigen gedient habe. 689 Auch Art. 14 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1 BayKSG schließt einen Anspruch nicht aus, sondern bestimmt, daß Vermögensvorteile, die aus der zur Entschädigung verpflichtenden Maßnahme zufließen, zu berücksichtigen sind. 690 Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 395.

E. Eingriffsbefugnisse

315

Ebenfalls auf den Gedanken des Vorteilsausgleichs lassen sich die Vorschriften zurückführen, die nur den Eigentümern und Besitzern der umliegenden, nicht der betroffenen Grundstücke und Gebäude einen Schadensersatzanspruch für das ZurVerfügung-Stellen von Löschmitteln und 691 / oder 692 die Beseitigung von Eigentumsobjekten zugestehen. In diesen Fällen ist eine restriktive Auslegung nicht möglich, da der Kreis der Anspruchsberechtigten gegen den Wortlaut des Gesetzes erweitert, nicht die Reichweite einer Ausschlußklausel verringert werden müßte. Unabhängig davon, daß die Vorschriften bereits wegen ihrer Ausgestaltung als Schadensersatzregelungen keine verfassungskonformen Entschädigungsregelungen darstellen, leiden sie daher auch deswegen an einem erheblichen Fehler, weil sie Eigentümer und Besitzer betroffener Grundstücke von vornherein und nicht nur ausnahmsweise aus ihrem Anwendungsbereich ausnehmen, ihnen also keine Ersatzansprüche zubilligen. d) Regelungen über die Berücksichtigung mitwirkenden Verschuldens Auch der allgemeine Grundsatz, daß die Verursachung der Gefahrenlage zu einer Minderung oder einem Ausschluß der Entschädigung bzw. des Ausgleichs für Gefahrenabwehrmaßnahmen führen kann 693, findet in einigen Gesetzen Niederschlag: Nach Art. 14 Abs. 4 Satz 2 Hs. 2 BayKSG 694 ist mitwirkendes Verschulden von Berechtigten zu berücksichtigen. In Berlin 695 hängt die Verpflichtung zum Ausgleich sowie der Umfang des Ausgleichs insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem Geschädigten oder durch die Ordnungsbehörde oder die Polizei verursacht worden ist, wenn Umstände, die der Geschädigte zu vertreten hat, auf die Entstehung oder Ausweitung des Schadens eingewirkt haben. In Brandenburg 696 und Nordrhein-Westfalen 697 ist das Mitverschulden des 691 § 36 Abs. 1 Nr. 1 FSHG NRW bezieht sich nur auf die Inanspruchnahme nach § 28 Abs. 3 (Verpflichtung von Eigentümern und Besitzern der umliegenden Grundstücke, Gebäude und Schiffe), nicht nach § 28 Abs. 2 (Verpflichtung von Eigentümern und Besitzern der betroffenen Grundstücke, Gebäude und Schiffe). 692 § 47 Abs. 1 Satz 1 BbgBKG gewährt einen Ersatzanspruch für eine Inanspruchnahme nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG nur den Eigentümern, Besitzern oder sonstigen Nutzungsberechtigen der in der Nähe der Einsatzstelle liegenden Grundstücke und baulichen Anlagen (§ 15 Abs. 2 BbgBKG). 693 Siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. c) (im Text bei Fn. 347) für die Enteignung, unter F. III. 2. a) (im Text bei Fn. 372) für die ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung. 694 Ebenso Art. 27 Abs. 4 Satz 2 Hs. 2 BayFwG. 695 § 8 Abs. 3 KatSG Bln iVm § 60 Abs. 5 Satz 2 ASOG Bln. 696 § 47 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG iVm § 39 Abs. 4 OBGBbg. 697 § 36 Abs. 1 Nr. 2 FSHG NRW iVm § 40 Abs. 4 OBG NRW.

316

3. Teil: Einfachrechtliche Ausgestaltung

Betroffenen an der Entstehung des Schadens bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen. Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 HmbKatSG besteht der Anspruch unter anderem nicht, soweit der betroffenen Person zugemutet werden kann, den Nachteil selbst zu tragen. Dies dürfte jedenfalls bei schuldhafter oder fahrlässiger Verursachung der Gefahr der Fall sein. In Hessen 698, Rheinland-Pfalz 699 und Thüringen 700 kann der zur Entschädigung verpflichtete Aufgabenträger von demjenigen, der das den Einsatz erfordernde Ereignis schuldhaft verursacht hat, oder der für den dadurch entstandenen Schaden nach einer besonderen gesetzlichen Bestimmung auch ohne Verschulden haftet, Ersatz für Entschädigungen verlangen, die er an Betroffene leistet. 701 Daraus ergibt sich, daß der Verursacher der Gefahrenlage oder der nach einer gesetzlichen Bestimmung Verantwortliche für Maßnahmen, die ihn treffen, keine Entschädigung bzw. keinen Ausgleich erhält. Nach § 30 Abs. 2 LKatSG S-H hat keinen Anspruch auf Entschädigung, wer selbst für das Ereignis verantwortlich ist, das die Katastrophe verursacht oder zur Auslösung des Katastrophenvoralarms geführt hat. 702 e) Regelungen über die Berücksichtigung anderweitiger Ersatzmöglichkeiten Nach einigen Vorschriften 703 besteht ein (Entschädigungs- bzw. Schadensersatz-) Anspruch nur, wenn 704 oder soweit 705 der Betroffene nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen 706 vermag. 707

698

§ 50 Abs. 3 HBKG. § 30 Abs. 3 LBKG R-P. 700 § 31 Abs. 3 ThBKG. 701 Ähnlich § 31 Abs. 2 iVm § 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG, § 27 Abs. 3 iVm § 22 Abs. 1 Satz 3 BrSchG LSA (bei der Verweisung auf § 22 Abs. 1 Satz 2 dürfte es sich um ein Redaktionsversehen handeln). 702 Ähnlich § 27 Abs. 3 BrSchG M-V, wonach der Anspruch auf Entschädigung für denjenigen entfällt, der bei der Beseitigung von ihm schuldhaft verursachter Brände oder anderer Ereignisse einen Schaden erleidet. 703 Art. 14 Abs. 1 BayKSG; § 50 Abs. 1 Satz 1 HBKG; § 30 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P; § 15 Abs. 3 LKatSG-Saarland (der Ausschluß gilt nur für den Anspruch auf Entschädigung für erbrachte Leistungen, nicht für den Anspruch auf Entschädigung erlittener Vermögensnachteile); § 31 Abs. 1 Satz 1 ThBKG. Siehe auch § 33 Abs. 2 Satz 2 FwG B-W; Art. 27 Abs. 1 BayFwG; § 23 Abs. 6 Satz 1 BSG-Saarland. 704 Art. 14 Abs. 1 BayKSG. 705 § 50 Abs. 1 Satz 1 HBKG; § 30 Abs. 1 Satz 1 LBKG R-P; § 15 Abs. 3 LKatSGSaarland; § 31 Abs. 1 Satz 1 ThBKG. 699

E. Eingriffsbefugnisse

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Diese Subsidiaritätsklausel kann beim eigentumsrechtlichen Entschädigungsanspruch nicht zur Anwendung kommen: Der Staat darf sich seiner verfassungsrechtlichen Pflicht zur Entschädigung einer Enteignung nicht durch Verweis auf anderweitige – möglicherweise nur in langjährigen Verfahren durchsetzbare – Ersatzmöglichkeiten entziehen. Zulässig ist lediglich, eine von anderer Seite bereits gewährte Ersatzleistung als erlangten Vorteil anzurechnen 708. Führt man den Anspruch auf Ausgleich einer Inhaltsbestimmung auf den allgemeinen Aufopferungsgedanken zurück 709, so ist dieser Anspruch allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegenüber anderweitigen Ansprüchen gegen die öffentliche Hand subsidiär. 710

706

§ 50 Abs. 1 Satz 1 HBKG, § 15 Abs. 3 LKatSG-Saarland: „verlangen“. Nicht zu den Vorschriften dieser Gruppe gehört § 60 Abs. 2 SächsBRKG, wonach der Betroffene einen Anspruch auf Entschädigung hat, sofern und soweit die Beeinträchtigung nicht durch anderweitige Maßnahmen vollständig oder teilweise ausgeglichen werden kann. Hier wird nicht auf anderweitige Ersatzmöglichkeiten, also auf Leistungen Dritter verwiesen, sondern lediglich der Vorrang ausgleichender (staatlicher) Maßnahmen vor der finanziellen Entschädigung festgeschrieben. 708 Dies regeln § 47 Abs. 1 Satz 2 BbgBKG iVm § 38 Abs. 2 lit. a) OBG Bbg, § 20 Abs. 2 Nr. 1 LKatSG M-V und § 36 Abs. 1 FSHG NRW iVm § 39 Abs. 2 lit. a) OBG NRW. Danach besteht der Ersatzanspruch nicht, soweit der Geschädigte auf andere Weise Ersatz erlangt hat. 709 Siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 2. a) (im Text bei Fn. 368 ff.). 710 Urteil vom 16. Februar 1956 – III ZR 169/54 –, BGHZ 20 S. 81 ff.; Urteil vom 3. November 1958 – III ZR 139/57 –, BGHZ 28 S. 297 (301); Urteil vom 31. Januar 1966 – III ZR 118/64 –, BGHZ 45 S. 58 (80): Aufopferungsanspruch als „äußerster Rechtsbehelf“. Die Subsidiarität wird explizit nur gegenüber Ansprüchen gegen die öffentliche Hand (insbesondere aus der Sozialversicherung) behauptet; ob die Ausführungen im Urteil vom 3. November 1958 (a.a. O.) auf eine Subsidiarität auch gegenüber privatrechtlichen Ansprüchen schließen lassen, erscheint wegen der Besonderheiten des Falles (Frage des Ausgleichs im Verhältnis der Gesamtschuldner, Verschuldenshaftung neben verschuldensfreier Haftung) fraglich. 707

Vierter Teil

Zusammenfassung und Ergebnisse 1. Naturkatastrophen und besonders schwere Unglücksfälle im Sinne von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG sind durch natürliche oder technische Ereignisse hervorgerufene Gefährdungen oder Schädigungen von Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder von Sachgütern von bedeutendem Wert oder existentieller Bedeutung, die durch die für die Gefahrenabwehr ordentlich zuständigen Kräfte nicht abgewehrt werden können. 1 2. Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG findet für die Bevölkerung und zum Schutz der Bevölkerung statt, Maßnahmen im Inneren Notstand nach Art. 91 und 87a Abs. 4 GG richten sich gegen die Bevölkerung (bzw. Teile der Bevölkerung) und dienen dem Schutz des Staates. Eine Anwendung des Art. 91 GG zur Abwehr von durch Naturkatastrophen oder schwere Unglücksfälle unmittelbar verursachten Gefahren scheidet aus. 2 3. Sind Terrorakte Ursache eines Unglücksfalls, so gelten Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG für Maßnahmen, die der Bekämpfung der unmittelbar durch den Unglücksfall hervorgerufenen Gefahren für Leib, Leben und Existenzgrundlagen der Bevölkerung dienen. Für ein Vorgehen gegen Attentäter oder Terroristen, die mit bewaffneten Gruppen die Macht übernehmen wollen, sind Art. 91 und 87a Abs. 4 GG heranzuziehen. 3 4. a) Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ist auch bei Schadensereignissen anwendbar, die das Gebiet mehrerer Länder betreffen. 4 Um die von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ermöglichte Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall handelt es sich, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, daß in absehbarer Zeit durch eine Naturkatastrophe oder einen Unglücksfall ein Schaden für Leib oder Leben einer Vielzahl von Menschen oder für bedeutsame Sachgüter eintreten wird, oder wenn ein solcher Schaden bereits eingetreten ist. Von einer konkreten Situation unabhängige Maßnahmen der Gefahrenvorsorge

1 2 3 4

Siehe oben im Ersten Teil unter B. I. Siehe oben im Ersten Teil unter B. II. (S. 26 ff., insbesondere S. 30 f.). Siehe oben im Ersten Teil unter B. III. Siehe oben im Ersten Teil unter C. I. 2.

4. Teil: Zusammenfassung und Ergebnisse

319

sind nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG nicht zulässig. Eine Hilfeleistung kommt nicht (mehr) in Frage, wenn kein (weiterer) Schaden für die geschützten Rechtsgüter droht. 5 b) Fremde Hilfe darf nur dann angefordert werden, wenn dies erforderlich ist, wenn also das betroffene Land die Lage ohne fremde Unterstützung nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten bewältigen könnte. 6 c) Die formellen Voraussetzungen einer Anforderung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG richten sich nach dem einfachen Recht. 7 Die Zuständigkeit für eine Anforderung nach den Katastrophenschutzgesetzen und damit zur Unterstützung der Aufgaben der Katastrophenschutzbehörden liegt bei den Katastrophenschutzbehörden (verschiedener Instanzen) 8, die Zuständigkeit für eine Anforderung nach den Landespolizeigesetzen und damit zur Unterstützung originär polizeilicher Aufgaben bei den Innenministerien bzw. bei den Polizeibehörden 9. Formerfordernisse für eine Anforderung – wie etwa die Mitteilung aller für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrags – dürfen die Hilfeleistung nicht verhindern und sollten daher als Soll-Vorschrift formuliert werden. 10 d) Bezüglich der Anforderung fremder Kräfte steht dem betroffenen Land Ermessen zu. 11 Das Entschließungsermessen ist dabei nach unten durch die Pflicht zur Gefahrenabwehr begrenzt. 12 Bei der Auswahl unter den anforderbaren Kräften sind die Effektivität des Einsatzes und eigene Belastungen des Anforderungsadressaten zu beachten; die Anforderung der Streitkräfte ist nicht subsidiär gegenüber einer Anforderung anderer Kräfte. 13 e) Dem Anforderungsrecht korrespondiert eine grundsätzliche Hilfeleistungspflicht. Der Anforderungsadressat darf die Hilfe verweigern, wenn sie tatsächlich unmöglich ist oder wenn er die angeforderten Kräfte und Einrichtungen aus vorrangigen Gründen selbst benötigt. 14 Die in der Mehrzahl der Polizeigesetze enthaltene und über die verfassungsrechtliche Hilfspflicht hinausgehende Regelung, nach der einer Anforderung zu entsprechen ist, soweit nicht die Verwendung im eigenen Land dringender ist als die Unterstützung der Polizei des anderen Landes, ist dahingehend auszulegen, daß bei gleicher Gefahrenintensität im anfordernden und im ersuchten Land 5

Siehe oben im Ersten Teil unter C. I. 3. Siehe oben im Ersten Teil unter C. I. 4. 7 Siehe oben im Ersten Teil unter C. II. 8 Siehe oben im Dritten Teil unter B. III. 1. a). 9 Siehe oben im Dritten Teil unter B. III. 1. b). 10 Siehe oben im Dritten Teil unter B. III. 2. (im Text bei Fn. 177 f.). 11 Siehe oben im Ersten Teil unter C. III. 2. 12 Siehe oben im Ersten Teil unter C. III. 2. a). 13 Siehe oben im Ersten Teil unter C. III. 2. b). 14 Siehe oben im Ersten Teil unter C. III. 3. 6

320

4. Teil: Zusammenfassung und Ergebnisse

die Verwendung der landeseigenen Kräfte zur Gefahrenabwehr im eigenen Land „dringender“ ist als die Hilfeleistung. 15 f) Für die Lagebeurteilung kommt es auf die Entscheidung des betroffenen Landes an. Lediglich bei offensichtlich rechtswidrigen Anforderungen darf der Anforderungsadressat die Hilfe verweigern. 16 g) Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG kann weder als Amtshilfe 17 noch als Organleihe 18 qualifiziert werden, Organisationsform ist vielmehr das verwaltungsrechtliche Institut des Mandats in der Form des interpersonalen Mandats, bei dem ein Rechtssubjekt durch ein anderes beauftragt und bevollmächtigt wird, die Kompetenz des Mandanten in dessen Namen auszuüben. Gesetzliche Grundlage dieser Mandatierung ist Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG. 19 h) Die Katastrophenabwehr bleibt auch im Fall einer Anforderung landesfremder Kräfte Aufgabe des katastrophenbetroffenen Landes. Eine Aufgabenübertragung auf die angeforderten Kräfte findet nicht statt, sie nehmen Aufgaben des anfordernden Landes wahr. 20 i) Das fachliche Weisungsrecht als das Recht, über Inhalt, Ort und Zeit des Einsatzes zu bestimmen, steht dem katastrophenbetroffenen Land zu. Bei einem Einsatz der Streitkräfte muß die fachliche Weisung an den jeweiligen Führer der Einheit ergehen. 21 Das dienstrechtliche Weisungsrecht geht nicht auf das anfordernde Land über. 22 j) Die Gesetzgebungsbefugnis für die Katastrophenabwehr steht jedem Land für seinen Hoheitsbereich zu. 23 Der Bund hat für den Einsatz bundeseigener Kräfte weder eine ausdrückliche noch eine ungeschriebene Gesetzgebungsbefugnis. 24 Landesfremde Einsatzkräfte können daher nur das Recht des betroffenen Landes anwenden. Der Vollzug von Landesrecht durch den Bund oder durch andere Länder ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn das betroffene Land dies erlaubt und den Anwendungsbereich seiner Gesetze für andere Hoheitsträger öffnet. 25 Da eine Übertragung von Hoheitsrechten bei der Katastrophenhilfe nicht stattfindet, reicht eine einfachgesetzliche Vorschrift im Landesrecht als Öffnungsklausel 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

Siehe oben im Dritten Teil unter B. IV. 2. (im Text bei Fn. 199 ff.). Siehe oben im Ersten Teil unter C. III. 4. Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 5. a). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 5. b). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 5. c). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 1. Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 2. Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 2. (im Text vor Fn. 303). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 3. a) aa). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 3. a) bb) und cc). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 3. b).

4. Teil: Zusammenfassung und Ergebnisse

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aus. 26 Derartige Vorschriften finden sich für den Einsatz von Polizeikräften der Länder und des Bundes in allen Polizeigesetzen. 27 Für den Einsatz von Kräften anderer Verwaltungen und für den Einsatz der Streitkräfte fehlen sie jedoch in allen Ländern außer Berlin und Hamburg; die landesfremden Kräfte haben daher keinerlei hoheitliche Befugnisse und können nur solche Hilfe leisten, die nicht mit Eingriffen in Rechte Dritter verbunden ist 28. k) Bei einem Einsatz von Kräften des Bundes zur Katastrophenhilfe muß der Bund nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG für seine Verwaltungsausgaben (die für den laufenden Betrieb anfallenden Kosten für Personal und Betrieb der jeweiligen Kräfte und Einrichtungen 29) aufkommen. 30 Eine Erstattungspflicht des betroffenen Landes könnte durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz begründet werden. 31 Bei einem Einsatz von Kräften anderer Länder müssen diese ihre Verwaltungsausgaben ebenfalls selbst tragen. 32 Die Zweckausgaben, zu denen neben den Kosten für zum Verbrauch bestimmte Hilfsgüter und Einsatzmittel auch die durch die Katastrophenhilfe entstehenden Mehrkosten für Personal und Betrieb zu rechnen sind 33, muß bei einem Einsatz von Kräften des Bundes das Land als Aufgabenträger nach Art. 104a Abs. 1 GG tragen und dem Bund erstatten. 34 Ein Verzicht des Bundes auf die Kostenerstattung, wie ihn der Bundeshaushaltsplan ermöglicht 35, ist verfassungsrechtlich nicht zulässig. 36 Werden Kräfte anderer Länder eingesetzt, so sind diesen die Mehrkosten des Einsatzes zu erstatten; auf die Kostenerstattung kann verzichtet werden. 37 5. a) Die Bundesintervention nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG ist subsidiär zu einem Tätigwerden der Länder, die Überregionalität einer Gefahr allein berechtigt nicht zum Eingreifen. 38 Die beiden Varianten des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG haben unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen: Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG ist anwendbar, 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 6. (im Text bei Fn. 424 f.). Siehe oben im Dritten Teil unter B. V. (vgl. die Nachweise in Fn. 210). Siehe oben im Dritten Teil unter B. V. (im Text bei Fn. 211 ff.). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 4. (im Text bei Fn. 357 f.). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 6. (im Text bei Fn. 428). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 6. (im Text bei Fn. 430 ff.). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 6. (dort S. 97). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 4. (dort S. 83). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 6. (im Text bei Fn. 427). Siehe oben im Dritten Teil unter B. VII. (vgl. den Nachweis in Fn. 244 f.). Siehe oben im Ersten Teil C. IV. 6. (im Text bei Fn. 434 ff.). Siehe oben im Ersten Teil unter C. IV. 6. (dort S. 97). Siehe oben im Ersten Teil unter D. I. 2.

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4. Teil: Zusammenfassung und Ergebnisse

wenn die um Unterstützung ersuchten Länder die Entsendung angeforderter Kräfte verweigern 39, Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG setzt voraus, daß die Länder zur eigenständigen Gefahrenabwehr nicht bereit oder – auch unter Ausschöpfung der Möglichkeiten nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG – nicht in der Lage sind 40. Ein Einsatz nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG ist weder subsidiär gegenüber einem Vorgehen im Wege des Bundeszwangs nach Art. 37 GG noch gegenüber einer Weisung nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG. 41 b) Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 GG gibt dem Bund keine unmittelbaren Weisungsbefugnisse gegenüber den Polizeikräften 42 und auch kein Weisungsrecht gegenüber den Regierungen der katastrophenbetroffenen Länder 43. Wenn die zur Verfügung gestellten Polizeikräfte von den katastrophenbetroffenen Ländern eingesetzt werden, so unterscheidet sich dieser Einsatz nicht von einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG. 44 c) Ein Einsatz nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG ist auch gegen den Willen des betroffenen Landes zulässig. 45 Der Einsatz der Streitkräfte ist nicht subsidiär gegenüber einem Einsatz des Bundesgrenzschutzes („Bundespolizei“). 46 Die Entscheidung über einen Einsatz der Bundeskräfte trifft die Bundesregierung in Erfüllung einer ihr zum Zwecke der existentiellen Sicherung des Gesamtstaates obliegenden eigenen Aufgabe. Die eigentliche Gefahrenabwehr bleibt Aufgabe der Länder, eine Aufgabenverschiebung findet nicht statt. Die eingesetzten Kräfte nehmen daher vor Ort eine Aufgabe des jeweils betroffenen Landes wahr. 47 Organisationsrechtlich läßt sich die Aufgabenwahrnehmung durch die bundeseigenen Kräfte als Fremdgeschäftsführung kraft gesetzlicher Ermächtigung qualifizieren. 48 Die von der Bundesregierung eingesetzten Einheiten unterstehen dem fachlichen Weisungsrecht des Bundes, nicht der Einsatzländer. 49 Die § 52 Abs. 3 iVm § 52 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 ME-POG entsprechenden Regelungen der Mehrzahl

39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49

Siehe oben im Ersten Teil unter D. I. 2. a). Siehe oben im Ersten Teil unter D. I. 2. b) aa). Siehe oben im Ersten Teil unter D. I. 1. b) bb). Siehe oben im Ersten Teil unter D. III. 1. (im Text bei Fn. 479). Siehe oben im Ersten Teil unter D. I. 2. a). Siehe oben im Ersten Teil unter D. III. 1. (im Text bei Fn. 481). Siehe oben im Ersten Teil unter D. III. 2. (im Text bei Fn. 482 f.). Siehe oben im Ersten Teil unter D. III. 2. (im Text bei Fn. 484). Siehe oben im Ersten Teil unter D. III. 2. a). Siehe oben im Ersten Teil unter D. III. 2. a) (dort S. 108 f.). Siehe oben im Ersten Teil unter D. III. 2. b).

4. Teil: Zusammenfassung und Ergebnisse

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der Landespolizeigesetze sind ebenso wie Nr. 14 des Erlasses über Hilfeleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen insoweit verfassungswidrig. 50 Für die Zielsetzung des Einsatzes und der Weisungen kommt es nicht auf eine Abstimmung mit den jeweiligen Landesbehörden, sondern nach den allgemein für Geschäftsbesorgungsverhältnisse geltenden Grundsätzen auf die Interessen der Einsatzländer an. 51 Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG öffnet kraft (Bundes-)Verfassungsrechts den Anwendungsbereich des Landesrechts für Bundeskräfte, von diesen ist also das Recht des jeweiligen Einsatzlandes anzuwenden. 52 Die von den Bundeskräften getroffenen Maßnahmen werden dem jeweiligen Einsatzland zugerechnet. 53 Bei einem Einsatz von Bundeskräften haben die betroffenen Länder die durch den Einsatz verursachten Zweckausgaben zu tragen, der Bund trägt die gewöhnlichen Verwaltungsausgaben. 54 d) Die Regelung des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG muß als mißlungen bezeichnet werden. Sie hat nur einen sehr kleinen Anwendungsbereich und ermöglicht selbst dort keine effektive Katastrophenabwehr, weil der Bundesregierung mangels umfassenden Weisungsrechts keine Koordinierungsbefugnisse 55 hinsichtlich der gesamten Katastrophenabwehr zustehen. 56 6. a) Spontane Katastrophenhilfe als ohne Anforderung durch die Länder und ohne Einsatzbefehl der Bundesregierung geleistete Hilfe läßt sich weder durch das Treueverhältnis zwischen Bund und Ländern noch aus den Grundrechten in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip noch durch die Pflicht zur Hilfeleistung nach § 323c StGB legitimieren. 57 b) Wegen Art. 87a Abs. 2 GG dürfen die Streitkräfte im Wege der spontanen Katastrophenhilfe nur solche Hilfeleistungen tätigen, die nicht in Rechte Dritter eingreifen und daher nicht unter den Einsatzbegriff fallen. 58 Für andere Kräfte kann die Berechtigung zu spontaner Katastrophenhilfe durch Gesetz oder Verwaltungsabkommen vorgesehen werden. Es handelt sich dann um einen Fall der berechtigten Fremdgeschäftsführung. Zum Eingriff in Rechte Dritter bedarf es einer Regelung durch Gesetz. 59 Eine entsprechende Berechtigung 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59

Siehe oben im Dritten Teil unter C. (im Text bei Fn. 263). Siehe oben im Ersten Teil unter D. III. 2. b) (im Text bei Fn. 500 ff., 504). Siehe oben im Ersten Teil unter D. III. 2. c). Siehe oben im Ersten Teil unter D. III. 2. d). Siehe oben im Ersten Teil unter D. III. 2. e). Siehe oben im Ersten Teil unter D. I. 2. b) aa) (im Text bei Fn. 462 f.). Siehe oben im Ersten Teil unter D. IV. Siehe oben im Ersten Teil unter E. I. Siehe oben im Ersten Teil unter E. II. Siehe oben im Ersten Teil unter E. III.

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4. Teil: Zusammenfassung und Ergebnisse

für Polizeibeamte des Bundes und der Länder findet sich in allen Landespolizeigesetzen. 60 Ist keine Berechtigung zur Hilfeleistung durch Gesetz oder Verwaltungsabkommen ersichtlich, so handelt es sich bei der spontanen Katastrophenhilfe um eine öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag. Eingriffsbefugnisse gegenüber Dritten bestehen in diesem Fall nicht. 61 7. a) In den Schutzbereich des Art. 11 GG fällt auch der Aufenthalt mit (mindestens) einer Übernachtung. Nicht geschützt ist das kurzfristige Verweilen. 62 Evakuierungen und Betretungsverbote mit einer Dauer von mehr als einem Tag greifen daher in den Schutzbereich des Art. 11 GG ein, kurzfristige Maßnahmen (insbesondere Platzverweisungen) nicht. 63 b) Eine Einschränkung des Grundrechtes auf Freizügigkeit ist in allen Fällen zulässig, in denen dies zur Bekämpfung von Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen erforderlich ist; eine Gesundheits- oder Lebensgefahr für die Betroffenen ist nicht Voraussetzung. 64 Daher ist ein Eingriff zum Zweck der Katastrophenabwehr auch dann gerechtfertigt, wenn die Betroffenen sich freiwillig der Gefahr aussetzen und auf den Schutz ihrer Rechtsgüter verzichten. 65 c) Trotz der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Freizügigkeit (Art. 73 Nr. 3 GG) dürfen die Landesgesetzgeber Rechtsgrundlagen für freizügigkeitsbeschränkende Maßnahmen zum Zwecke der Katastrophenabwehr schaffen, soweit die Regelungen zum Schutz der Bevölkerung erforderlich sind und nicht lediglich dazu dienen, die Last für Unterbringung und Versorgung auf andere Länder abzuwälzen. 66 Generalklauseln kommen als Rechtsgrundlage für freizügigkeitsbeschränkende Evakuierungen und Betretungsverbote nicht in Betracht, erforderlich sind besondere Ermächtigungsgrundlagen. 67 In Berlin und Hamburg sowie in Nordrhein-Westfalen sind Evakuierungen nach den Katastrophenschutzgesetzen überhaupt nicht, in Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Rheinland-Pfalz und Thüringen nur bezüglich eines bestimmten Personenkreises statthaft. 68 Ermächtigungsgrundlagen für Betretungsverbote fehlen in Berlin und Hamburg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen. 69 Außer in Rheinland-Pfalz dürfen Evakuierungen und Betretungs60 61 62 63 64 65 66 67 68 69

Siehe oben im Dritten Teil unter D. (im Text bei Fn. 268 ff.). Siehe oben im Ersten Teil unter E. III. (im Text bei Fn. 562 ff.). Siehe oben im Zweiten Teil unter B. I. Siehe oben im Zweiten Teil unter B. II. Siehe oben im Zweiten Teil unter B. III. 1. Siehe oben im Zweiten Teil unter B. III. 2. Siehe oben im Zweiten Teil unter B. III. 3. Siehe oben im Zweiten Teil unter B. III. 4. Siehe oben im Dritten Teil unter E. II. 1. Siehe oben im Dritten Teil unter E. II. 1.

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verbote auch nicht auf die polizeirechtliche Ermächtigung zur Platzverweisung gestützt werden. 70 Bezüglich der Ermächtigung zu Evakuierungen und Betretungsverboten besteht in den betroffenen Ländern dringender Handlungsbedarf der Landesgesetzgeber. 8. a) Die Gewährleistungen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 2 GG sind selbständige Grundrechte. Ihre Schutzbereiche müssen überschneidungsfrei bestimmt werden. Zwang im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit ist an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, Arbeitszwang „im übrigen“, d. h. ohne Bezug zur beruflichen Tätigkeit, an Art. 12 Abs. 2 GG. 71 b) Maßnahmen wie Evakuierungen, Betretungsverbote oder die Nutzung eines Gewerbegrundstücks sind lediglich faktische Beeinträchtigungen der Berufsausübungsfreiheit und stellen keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG dar. 72 9. Eine Verpflichtung zu einer bestimmten Tätigkeit ist dann Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG, wenn sie an den gewählten Beruf anknüpft, wenn also Angehörige einer Berufsgruppe wegen ihres Berufs herangezogen werden, und wenn eine zusätzliche Tätigkeit in diesem Beruf gefordert wird. 73 Berufsausübungsregelungen sind etwa Hilfeleistungspflichten der Angehörigen der Gesundheitsberufe 74 und der Einheiten des betrieblichen Katastrophenschutzes und der Werkfeuerwehren 75, aber auch die in der Mehrzahl der Katastrophenschutzgesetze vorgesehene Verpflichtung zur Erbringung von Werkleistungen 76. Vorschriften bezüglich der letztgenannten Verpflichtung sind einschränkend auszulegen: Es dürfen nur Personen herangezogen werden, die die geforderte Tätigkeit auch beruflich ausüben. 77 Eine Heranziehung zu berufsspezifischen Tätigkeiten ist nur erforderlich, wenn und solange die staatlichen Kapazitäten nicht ausreichen und wenn und solange die Leistung nicht ohne Zwangsmaßnahmen bewirkt werden kann. Sie darf nur gegen Entgelt erfolgen. 78 Vorschriften, nach denen ein Vermögensnachteil oder ein Schaden Voraussetzung einer Entschädigung ist, genügen dafür nicht. In Baden-Württemberg (hier fehlt jegliche Entschädigungsregelung), Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und SchleswigHolstein bedarf es daher einer Gesetzesänderung. 79 70 71 72 73 74 75 76 77 78

Siehe oben im Dritten Teil unter E. II. 2. Siehe oben im Zweiten Teil unter C. I. (im Text bei Fn. 88 ff.). Siehe oben im Zweiten Teil unter C. II. Siehe oben im Zweiten Teil unter C. III. Siehe oben im Dritten Teil unter E. III. 1. a) aa). Siehe oben im Dritten Teil unter E. III. 1. a) bb) (im Text bei Fn. 423 f.). Siehe oben im Dritten Teil unter E. III. 1. a) bb) (im Text bei Fn. 408 ff.). Siehe oben im Dritten Teil unter E. III. 1. a) bb) (im Text bei Fn. 418 ff.). Siehe oben im Zweiten Teil unter C. IV. (dort S. 147 f.).

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10. a) Das in Art. 12 Abs. 2 GG niedergelegte Grundrecht der Freiheit von Arbeitszwang gilt auch für Ausländer sowie für juristische Personen und Personenvereinigungen. 80 b) Um Arbeitszwang handelt es sich, wenn der Staat den Betroffenen ohne dessen Zustimmung zu Dienstleistungen verpflichtet. Erfaßt wird jeder Zwang zu einer körperlichen oder geistigen Tätigkeit, die mehr als einen unbedeutenden Aufwand verursacht und die keine bloße Geld- oder Sachleistung darstellt. Die Verpflichtung der Bevölkerung zur Hilfeleistung bei der Katastrophenabwehr fällt unter den Begriff des Arbeitszwangs. 81 Sie ist eine öffentliche und herkömmliche Dienstleistungspflicht im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG. 82 Sie muß jeden ohne Ansehen von Person oder Eigenschaften treffen (Allgemeinheit der Pflicht) und muß jeden Pflichtigen in gleicher Weise belasten (Gleichheit der Pflicht); dabei kann der allgemeine Gleichheitssatz Differenzierungen, die Kollision mit anderen Pflichten Ausnahmen rechtfertigen. 83 Außer in Hamburg ist die Möglichkeit der Heranziehung der Bevölkerung zur Hilfeleistung in allen Katastrophenschutzgesetzen geregelt. 84 11. a) Vom Schutzbereich des Art. 13 GG werden Geschäfts- und Betriebsräume nicht erfaßt. Freie Grundstücksflächen unterfallen dem Schutzbereich, wenn der Nutzungsberechtigte sie zum privaten Bereich bestimmt hat. Juristische Personen und nichtrechtsfähige Personengesellschaften sind nicht grundrechtsberechtigt. 85 Ein Eingriff liegt dann vor, wenn Vertreter der Staatsgewalt gegen den Willen des Wohnungsinhabers in die Wohnung eindringen oder darin verweilen. Lediglich ein zweifelsfrei geäußertes Einverständnis schließt den Eingriff aus. 86 b) Soll eine Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug auch durch nichtrichterliche Organe angeordnet werden können, so bedarf es dafür einer Spezialermächtigung, die die materiellen und formellen Voraussetzungen regelt. 87 Eine entsprechende Vorschrift fehlt in den Katastrophenschutzgesetzen durchgängig, findet sich jedoch – mit Unterschieden hinsichtlich der berechtigten Organe – in allen Landespolizeigesetzen. 88 c) Bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen liegt eine gemeine Gefahr im Sinne des Art. 13 Abs. 7 Var. 1 GG vor. Eingriffe und Be79 80 81 82 83 84 85 86 87 88

Siehe oben im Dritten Teil unter E. III. 1. b) bb) (2) (dort S. 279 f.). Siehe oben im Zweiten Teil unter D. I. (im Text bei Fn. 108 ff.). Siehe oben im Zweiten Teil unter D. I. (im Text bei Fn. 113 ff.). Siehe oben im Zweiten Teil unter D. II. 1 und 2. Siehe oben im Zweiten Teil unter D. II. 3. Siehe oben im Dritten Teil unter E. III. 2. Siehe oben im Zweiten Teil unter E. I. Siehe oben im Zweiten Teil unter E. II. Siehe oben im Zweiten Teil unter E. III. 1. (im Text bei Fn. 196 ff.). Siehe oben im Dritten Teil unter E. IV. 1.

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schränkungen zur Abwehr einer solchen Gefahr sind unmittelbar aufgrund der Verfassung zulässig. Sie können auch gegen unbeteiligte Dritte als sog. Nichtstörer gerichtet werden. 89 Die Mehrzahl der Katastrophenschutzgesetze enthält eigene Ermächtigungsgrundlagen für das Betreten und die sonstige Inanspruchnahme von Grundstücken. 90 12. a) Zum Eigentum im Sinne des Art. 14 GG gehört neben dem Eigentum im bürgerlich-rechtlichen Sinne wegen seiner wirtschaftlichen Bedeutung auch der gewerblich genutzte Fremdbesitz, nicht jedoch der Fremdbesitz zum privaten Gebrauch. 91 b) Enteignung ist ein Güterbeschaffungsvorgang. Ihr Kennzeichen ist nicht der bloße Rechtsverlust, sondern der hoheitlich bewirkte Wechsel des Rechtsträgers. Der Entreicherung auf der einen Seite muß eine Bereicherung auf der anderen Seite entsprechen. 92 Die Entziehung von Gütern zu Versorgungszwecken ist Enteignung 93, ebenso der vorübergehende Besitzentzug zum Zwecke der Nutzung 94. Sämtliche Katastrophenschutzgesetze enthalten – in unterschiedlichen Regelungsmodellen – Vorschriften, nach denen Sachen für die Katastrophenbekämpfung in Anspruch genommen werden dürfen oder zur Verfügung gestellt werden müssen, oder nach denen Sachleistungen zu erbringen sind. 95 Bei einigen Vorschriften ist zweifelhaft, ob sie auch die Enteignung von Versorgungsgütern zum Zwecke der Weitergabe ermöglichen. 96 Enthalten die Katastrophenschutzgesetze keine Regelung über die unmittelbare Inanspruchnahme von Sachen, so muß bei Abwesenheit des Berechtigten nach den Vorschriften der Verwaltungsvollstreckungsgesetze über die Wegnahme von Sachen bzw. die Ersatzvornahme vorgegangen werden. 97 Dies führt allerdings nur zu einer Enteignung des Besitzes, da Eigentum im bürgerlich-rechtlichen Sinne nur durch Rechtsakt, nicht durch bloße Inbesitznahme übertragen werden kann. 98 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist die Möglichkeit der Verwendung staatlicher Mittel oder des freihändigen Erwerbs zu untersuchen sowie der Eigenbedarf des Eigentümers zu berücksichtigen. 99

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

Siehe oben im Zweiten Teil unter E. III. 2. a). Siehe oben im Dritten Teil unter E. IV. 2. b). Siehe oben im Zweiten Teil unter F. I. Siehe oben im Zweiten Teil unter F. II. 1. (im Text bei Fn. 288 ff.). Siehe oben im Zweiten Teil unter F. II. 3. Siehe oben im Zweiten Teil unter F. II. 5. Siehe oben im Dritten Teil unter E. V. 1. a). Siehe oben im Dritten Teil unter E. V. 1. b) (dort S. 295 f.). Siehe oben im Dritten Teil unter E. V. 1. b) (im Text bei Fn. 579 ff.). Siehe oben im Zweiten Teil unter F. II. 2. Siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. b).

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Administrativenteignungen bedürfen der Grundlage in einem formellen Gesetz. 100 Für die Regelung von Art und Ausmaß der Entschädigung ist eine Bezugnahme auf den Verkehrswert zulässig. Salvatorische Klauseln genügen nicht. 101 Unzureichend sind – aus unterschiedlichen Gründen – die Entschädigungsregelungen in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Sachsen. 102 Hier ist eine Korrektur durch die Landesgesetzgeber dringend erforderlich, da die Vorschriften über die Enteignung mangels ordnungsgemäßer Entschädigungsregelung verfassungswidrig sind. c) Inhalts- und Schrankenbestimmung ist „Güterdefinition“. Durch sie werden Rechte und Pflichten aller (Eigentümer und Nicht-Eigentümer) hinsichtlich eines Objektes festgelegt. Es muß sich nicht um eine abstrakt-generelle Regelung handeln. Auch Anwendung und Vollzug eines inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzes sind selbst Inhalts- und Schrankenbestimmung. 103 Die gezielte Zerstörung von Eigentumsobjekten fällt unter den Begriff der Inhaltsbestimmung. 104 Ermächtigungsgrundlagen hierfür gibt es in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen. 105 Jedenfalls dann, wenn eine Inhalts- und Schrankenbestimmung sich darin äußert, daß das Eigentumsobjekt vernichtet wird, muß die Bestandsgarantie in eine Wertgarantie umschlagen. 106 Eine ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung ist nur dann verfassungsgemäß, wenn zugleich eine entsprechende Ausgleichsregelung getroffen wird. Salvatorische Entschädigungsklauseln genügen nicht. Der Ausgleich darf jedenfalls für Maßnahmen der Katastrophenabwehr abstrakt-generell im Zusammenhang mit der Ermächtigungsgrundlage geregelt werden. 107 In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Sachsen genügen die Ausgleichsregelungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht 108; auch hier sind die Landesgesetzgeber gefordert.

100 101 102 103 104 105 106 107 108

Siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. d). Siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 1. c). Siehe oben im Dritten Teil unter E. V. 3. a). Siehe oben im Zweiten Teil unter F. II. 1. (im Text bei Fn. 291 ff.). Siehe oben im Zweiten Teil unter F. II. 4. Siehe oben im Dritten Teil unter E. V. 2. Siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 2. a) (im Text bei Fn. 364 ff.). Siehe oben im Zweiten Teil unter F. III. 2. b). Siehe oben im Dritten Teil unter E. V. 3. a).

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Sachverzeichnis allgemeine Handlungsfreiheit – Abgrenzung zur Freizügigkeit 128 – Auffangfunktion 126, 196 – Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe 125 – und Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV 143, 196 f. Allgemeinverfügung – Betretungsverbot als dingliche Allgemeinverfügung 137 f. – Evakuierung als personenbezogene Allgemeinverfügung 136 f. Amtshilfe – Katastrophenhilfe keine Amtshilfe 86 f., 214 andere Verwaltungen im Sinne des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 42 ff. Anforderung landesfremder Kräfte – Entscheidungskriterien 228 – Formerfordernisse 227 ff. – Zuständigkeit nach den Katastrophenschutzgesetzen 219 ff. – Zuständigkeit nach den Polizeigesetzen 223 ff. Angehörige der Gesundheitsberufe – einfachgesetzliche Hilfeleistungspflichten 267 ff. – Hilfeleistungspflicht als Berufsausübungsregelung 147 – Vergütung der Hilfeleistung 148, 277 anzuwendendes Recht – im Fall des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 71 ff. – im Fall des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG 112 ff. Arbeitszwang – Abgrenzung zur Berufsausübungsregelung 143 ff.

– Begriff 149 ff. – siehe auch Dienstleistungspflicht; Hilfeleistungspflichten der Bevölkerung Ärzte – einfachgesetzliche Hilfeleistungspflichten 267 ff. – Hilfeleistungspflicht als Berufsausübungsregelung 147 – Vergütung der Hilfeleistung 148, 277 Aufenthalt (Begriff) 127 ff. Aufgabe (Begriff) 85 Aufgabenwahrnehmung – im Fall des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 68 – im Fall des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG 107 ff. Ausführung von Landesrecht durch landesfremde Behörden siehe Vollzug von Landesrecht durch landesfremde Behörden Ausgleich für Inhalts- und Schrankenbestimmung – Abgrenzung zum Schadensersatz 309 – Ausgleichspflicht 189 ff. – Berücksichtigung mitwirkenden Verschuldens 192, 315 f. – Heranziehung einer Entschädigungsregelung 313 – Höhe des Ausgleichs 192 – landesrechtliche Regelungen 306 ff. – Regelungsdefizite 306 ff., 313 – salvatorische Entschädigungsklauseln 194 – Subsidiarität 317 – Vorteilsausgleich 192, 313 – siehe auch Inhalts- und Schrankenbestimmung Ausländer – Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG 196 f.

350

Sachverzeichnis

– Berufsfreiheit 142 f. – freie Wahl des Aufenthalts 126 – Freiheit von Arbeitszwang 149 Befugnis (Begriff) 85 Beliehene 42 Bereitschaftspolizei – Katastrophenhilfe als Aufgabe 54 f. – Organisation 52 ff. Berufsausübungsregelung – Abgrenzung zum Arbeitszwang 143 ff. – berufsbezogene Nebenpflichten 146 f. – Hilfeleistungspflichten der Bevölkerung 145 ff., 266 ff., 270 ff., 274 – Heranziehung des betrieblichen Katastrophenschutzes und der Werkfeuerwehren 273 f. – keine Geltung des Zitiergebots 149 Besitzentzug – Enteignung 181 ff. besonders schwerer Unglücksfall – Abgrenzung zur Naturkatastrophe 24 f. – Begriff nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 23 ff. – Begriff nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG 34 – Verursachung durch vorsätzliches Handeln 24 f. Bestimmtheit – einer Ausgleichsregelung 194 – von Ermächtigungsgrundlagen 125, 161 Betreten von Grundstücken – einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen 286 ff. – Eingriff in Art. 13 GG 162 Betretungsverbot – Adressaten 137 ff. – dingliche Allgemeinverfügung 137 f. – Ermächtigungsgrundlagen 256 ff. – Geltung des Zitiergebots 139 ff. – Grundrechtseingriff 129 f. – keine berufsregelnde Tendenz 145

– Notwendigkeit einer Spezialermächtigung 134 f. – Regelungsdefizite 266 – und Standardmaßnahme Platzverweisung 263 f. – verfassungsrechtliche Rechtfertigung 130 f. betrieblicher Katastrophenschutz – Erstattung der Einsatzkosten 280 – Heranziehung zur Hilfeleistung 273 f., 276 Bundesbahn 45 Bundesgrenzschutz siehe Bundespolizei Bundesintervention nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG – anwendbares Recht 112 ff. – Anwendungsbereich 100 ff. – Aufgabenwahrnehmung 107 ff. – besonders schwerer Unglücksfall 98 – einfachrechtliche Regelungen 244 ff. – Einsatz des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte 100 ff. – Erforderlichkeit 98 ff. – keine Koordinierungsbefugnisse der Bundesregierung 101 f., 116 – keine Subsidiarität 103 ff. – Kostenverteilung 115, 247 – Pflicht zur Rücksichtnahme 111 – überregionale Gefahr 98 – verwaltungsorganisationsrechtliche Qualifizierung 108 f. – Weisung, Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen 105 f. – Weisungsverhältnisse 109 ff., 245 f. – Zurechnung der Maßnahmen 114 f., 246 f. – Zuständigkeit 105 Bundespolizei (Bundesgrenzschutz) – Anforderung nicht subsidiär 61 f. – einfachrechtliche Vorschriften über einen Einsatz 198 ff., 235, 237, 245 ff. – Einsatzgebiete bei Katastrophenhilfe 48 f.

Sachverzeichnis – Formerfordernisse einer Anforderung 226 f. – Hilfeleistungspflicht 67, 234 – Organisation 46 ff. – Sonderpolizei für bestimmte Aufgaben 78 – Verteilung der Einsatzkosten 81 ff., 96 f., 241, 243, 247 – Zuständigkeit für die Anforderung 219 ff. – Zuständigkeit für die Entsendung 230 f. Bundesregierung – Einschätzungsprärogative bei Bundesintervention 98 – keine Koordinierungsbefugnisse 101 f., 116 Bundeswehr siehe Bundeswehrverwaltung; Streitkräfte Bundeswehrverwaltung 44 f. Bundeszwang (Art. 37 GG) 103 ff. Dienstleistungspflicht im Sinne des Art. 12 Abs. 2 Hs. 2 GG – Abgrenzung zu beruflichen Nebenpflichten 144, 146 f. – Begriff 152 ff. – einfachgesetzliche Hilfeleistungspflichten 280 ff. – Geltung des Zitiergebots 156 f. – siehe auch Arbeitszwang; Hilfeleistungspflichten der Bevölkerung Durchsuchung – Begriff 160 – Ermächtigungsgrundlage 285 f. – Notwendigkeit einer Spezialermächtigung 161 f. Eigentum – Begriff 167 ff. – Bestandsgarantie 191 f., 309 – eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb 170 f. – Fremdbesitz als Eigentum 168 ff.

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– Wertgarantie 191 f., 309 – siehe auch Ausgleich für Inhalts- und Schrankenbestimmung; Enteignung; Entschädigung für Enteignung; Inhalts- und Schrankenbestimmung Eingriffe und Beschränkungen im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG – Adressaten 164 f. – Begriff 162 – einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen 286 ff. – gemeine Gefahr 163 f. – Notwendigkeit einer Spezialermächtigung 166 f. – verfassungsunmittelbare Ermächtigungsgrundlage 162 f. Eingriffsbefugnisse – Ausgestaltung als Verhaltens- und Duldungspflichten 251 – bei spontaner Katastrophenhilfe 121, 123 f., 248 f. – landesfremder Kräfte 71 ff., 80, 235 ff. Einsatz landesfremder Kräfte – nach den Katastrophenschutzgesetzen 214 f., 236 f. – nach den Polizeigesetzen 215 ff., 236 f. Einschätzungsprärogative 39, 98 Elbe-Hochwasser 2002 44, 48, 96, 131, 141, 266 Enteignung – Abgrenzung von der Inhalts- und Schrankenbestimmung 172 ff. – Eigenbedarf des Eigentümers 185 – einfachgesetzliche Regelungen 288 ff., 295 – Erforderlichkeit 185 – Güterbeschaffungsvorgang 176 – Höhe der Entschädigung 187 ff. – klassischer Enteignungsbegriff 175 – Notwendigkeit eines Rechtsakts 177 ff., 300 – salvatorische Entschädigungsklauseln 186 f., 306 – Schadensersatzklauseln 308 f.

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Sachverzeichnis

– Vorrang des freihändigen Erwerbs 185, 300 f. – siehe auch Inanspruchnahme von Sachen Entschädigung für Enteignung – Abgrenzung zum Schadensersatz 308 f. – Berücksichtigung mitwirkenden Verschuldens 188, 315 f. – keine Heranziehung einer Ausgleichsregelung 312 – Höhe 187 ff. – keine Subsidiarität 316 f. – landesrechtliche Regelungen 306 ff. – Regelungsdefizite 306 ff., 313 – Vorteilsausgleich 188, 313 ff. Entsendung von Hilfskräften – Entscheidungskriterien 232 ff. – Zuständigkeit für die Entscheidung 229 ff. Entziehung von Versorgungsgütern – Enteignung 179 f. – Ermächtigungsgrundlagen 288 ff., 295 ff. Ermächtigungsgrundlagen – Ableitung aus Verhaltenspflichten 251 – Bestimmtheitsgrundsatz 125, 161 – für Betretungsverbote 256 ff., 263 ff. – für die Entziehung von Versorgungsgütern 288 ff., 295 ff. – für die Zerstörung von Sachen 302 ff. – für Durchsuchungen 285 f. – für Eingriffe und Beschränkungen nach Art. 13 Abs. 7 GG 286 ff. – für Evakuierungen 256 ff., 263 ff. – für Platzverweisungen 256 ff., 263 ff. – verfassungsunmittelbare 162 ff. Ermessen hinsichtlich der Anforderung von Katastrophenhilfe – Auswahlermessen 61 ff. – Entschließungsermessen 58 ff. – Ermessensreduzierung 59 ff. – keine „einheitliche Ermessensentscheidung“ 58 Ersatzvornahme 298 f. Evakuierung – Adressaten 136 ff. – eigenverantwortliche Selbstgefährdung 131

– – – – –

Ermächtigungsgrundlagen 256 ff. Geltung des Zitiergebots 139 ff. Grundrechtseingriff 129 f. keine berufsregelnde Tendenz 145 Notwendigkeit einer Spezialermächtigung 134 f. – personenbezogene Allgemeinverfügung 136 f. – Regelungsdefizit 266 – verfassungsrechtliche Rechtfertigung 130 ff.

Feststellung des Katastrophenfalles 212 f. Flutkatastrophe Hamburg 1962 22, 31, 118 f. freihändiger Erwerb – Vorrang vor Enteignung 185, 300 f. Fremdbesitz als Eigentum 168 ff., 182 Fremdgeschäftsführung – bei Bundesintervention nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG 108 f., 114 f., 247 – bei spontaner Katastrophenhilfe 122 f. – Mandat als Fremdgeschäftsführung 109 Gefahrenvorsorge – nicht nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 37 Gemeindepolizei 55 f. Generalklausel – in den Katastrophenschutzgesetzen 251 ff. – keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage 134 f., 161, 166 f., 260 f., 285 Geschäfts- und Betriebsräume – kein Schutz durch Art. 13 GG 157 f. Geschäftsbesorgungsverhältnis siehe Fremdgeschäftsführung Geschäftsführung ohne Auftrag, öffentlichrechtliche 123 f., 249 Gesetzgebungsbefugnis – Annexkompetenz 76 – für den Einsatz der Streitkräfte im Katastrophenfall 73 ff. – für den Einsatz nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG 113 f.

Sachverzeichnis – für den Einsatz von Kräften des Bundes im Katastrophenfall 77 ff. – für den zivilen Katastrophenschutz 72 ff., 113 – für die Einschränkung der Freizügigkeit 132 ff. – kraft Natur der Sache 75 f. – kraft Sachzusammenhangs 76 f. Gewerbebetrieb – Eigentum im Sinne des Art. 14 GG 170 f. GG Art. 12 – Verhältnis von Abs. 1 und 2 143 ff. – siehe auch Arbeitszwang; Berufsausübungsregelung; Dienstleistungspflicht im Sinne des Art. 12 Abs. 2 Hs. 2 GG; Hilfeleistungspflichten der Bevölkerung GG Art. 35 Abs. 2 Satz 2 – Abgrenzung vom Anwendungsbereich des Art. 91 GG 26 ff., 30 f. – Entstehungsgeschichte 21 ff., 30 – siehe auch Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG GG Art. 35 Abs. 3 Satz 1 – Anwendungsbereich 98 ff. – rechtspolitische Mängel 115 f. – siehe auch Bundesintervention nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG GG Art. 87a Abs. 2 37, 119 ff., 249 GG Art. 91 – Anwendbarkeit im Katastrophenfall 26 ff. – politischer Charakter 30 f. – Zielrichtung der Maßnahmen 30 f. GG Art. 104a Abs. 1 – Fremdfinanzierungsverbot 96 f., 243 – Konnexitätsprinzip 82, 97, 243 Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens 60, 63 f. Handlungsunfähigkeit eines Landes 102 f. Hilfeleistungspflicht eines Landes nach einfachem Recht 233 ff. Hilfeleistungspflichten der Bevölkerung

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– als Arbeitszwang 149 ff. – als Berufsausübungsregelung 145 ff., 266 ff., 270 ff. – als herkömmliche Dienstleistungspflicht 152 ff., 283 – Begründung durch gemeindliche Satzung 148 f., 156 – einfachgesetzliche Dienstleistungspflichten 280 ff. – einschränkende Auslegung 268, 272 – Erforderlichkeit der Heranziehung 147 f., 274 f., 283 – Gleichbehandlung 154 f., 284 f. – Heranziehung des betrieblichen Katastrophenschutzes 273 f., 276, 280 – Heranziehung von Werkfeuerwehren 273 f., 276, 280 – Heranziehung zu Werkleistungen 270 ff. – Pflichten der Angehörigen der Gesundheitsberufe 147, 267 ff., 277 – Pflichtenkollision 155, 275 f., 284 – Vergütungspflicht 148, 277 ff. – Verhältnismäßigkeit einer Heranziehung 148, 274 ff. Inanspruchnahme von Sachen – Duldungspflichten 292 f. – Enteignung 181 ff. – Erforderlichkeit 185, 300 f. – Heranziehung zu Sachleistungen 293 ff., 295 – Regelungsmodelle 288 ff. – Vollstreckungsmöglichkeiten 296 ff. Inhalts- und Schrankenbestimmung – Abgrenzung von der Enteignung 172 ff. – auf Null 180 – Ausgleichspflicht 189 ff. – durch gemeindliche Satzung 195 – Güterdefinition 177 – Höhe des Ausgleichs 192 – salvatorische Entschädigungsklauseln 194 – Schadensersatzklauseln 309 – Verhältnismäßigkeit 189 f.

354

Sachverzeichnis

– siehe auch Ausgleich für Inhalts- und Schrankenbestimmung; Zerstörung von Sachen Innerer Notstand 22 f., 26 ff. Katastrophe – Begriff nach Landesrecht 205 f. – siehe auch Naturkatastrophe Katastrophenalarm 212 Katastrophenfall – Abgrenzung zum Inneren Notstand 26 ff. – Feststellung 212 f. Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG – anzuwendendes Recht 71 ff. – Aufgabenwahrnehmung 68 – Begriff der anderen Verwaltungen 42 ff. – Begriff der Kräfte und Einrichtungen 41 f. – Begriff der Polizeikräfte 50 ff. – Erforderlichkeit der Hilfeleistung 38 ff. – Ermessen hinsichtlich der Anforderung 57 ff. – formeller Polizeibegriff 51 f. – keine Amtshilfe 86 f., 214 – keine Organleihe 90 f. – Kostenverteilung 81 ff., 94 ff. – Mandat 93 f. – Pflicht zur Hilfeleistung 64 ff. – Prüfungsrecht des Anforderungsadressaten 67 f. – regionale Gefahr 34 – verwaltungsorganisationsrechtliche Qualifizierung 84 ff. – Verweigerung der Hilfeleistung 65 ff., 68, 233 f. – Vorliegen einer Gefahr 34, 36 ff. – Weisungsverhältnisse 68 ff. – Zusammenhang zwischen Katastrophenfall und Hilfeleistung 35 ff. – siehe auch GG Art. 35 Abs. 2 Satz 2 Katastrophenschutz

– Aufgabenzuweisung nach Landesrecht 207 – Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes 201 f., 242 – Zusammenarbeit der Behörden 207 ff. Katastrophentouristen 127 f., 257 Koordinierungsbefugnisse der Bundesregierung 101 f. Kostenerstattung siehe Kostenverteilung; Verwaltungsausgaben; Zweckausgaben Kostenverteilung – bei einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 81 ff., 94 ff. – bei einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG 115 – der Länder untereinander 84, 97, 243 f. – einfachrechtliche Regelungen 199 ff., 241 ff., 247 Kräfte und Einrichtungen (Begriff) 41 f. Landesrecht – Katastrophenschutzgesetze im Überblick 202 ff., 250 ff. – Öffnung für den Vollzug durch landesfremde Kräfte 81, 94, 113, 122 f., 235 ff., 244 – Vollzug durch landesfremde Kräfte 79 ff., 94 Mandat 91 ff., 109 mitwirkendes Verschulden 315 f.

188, 192,

Naturkatastrophe – Abgrenzung vom besonders schweren Unglücksfall 24 f. – Begriff der Katastrophe nach Landesrecht 205 f. – Begriff nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 26 Nebenpflichten – aus Eigentum 151 – beruflicher Tätigkeit 144, 146, 266 ff., 273 Nichtstörer 138 f., 164 f., 282 f.

Sachverzeichnis Notstandsverfassung 21, 31, 57, 120 Nutzung von Sachen siehe Inanspruchnahme von Sachen Organleihe 87 ff. Pflicht zur Gefahrenabwehr 58 ff. Platzverweisung – Ermächtigungsgrundlagen 256 ff., 263 ff. – Grundrechtseingriff 130 – polizeiliche Standardmaßnahme 135, 263 ff. Polizei – Einbindung in die Katastrophenabwehr 210 ff. – Einsatz landesfremder Kräfte 215 ff., 236 – formeller Polizeibegriff 51 f. – Formerfordernisse für die Anforderung 226 ff. – Polizeidienstkräfte 217 f. – Polizeikräfte des Bundes 56 f. – Polizeikräfte im Sinne des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 50 ff. – Polizeivollzugsbeamte 217 f. – Vorgehen nach Polizeirecht 210 ff. – Weisungsverhältnisse 238 f. – Zuständigkeit für die Anforderung 223 ff. – Zuständigkeit für die Entsendung 229 f. Prüfungsrecht bezüglich der Hilfsanforderung 67 f. Regelungsdefizite – bei Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG 115 f. – bei Entschädigungs- und Ausgleichsregelungen 306 ff., 313 – bei Ermächtigungsgrundlagen für Evakuierungen und Betretungsverbote 266 Regelungsdichte von Einzelaktsermächtigungen 125, 166 f., 295, 304 f. Sachleistungen 270, 293 ff., 301, 305 salvatorische Entschädigungsklauseln

355

– bei Enteignung 186 f., 306 – bei Inhalts- und Schrankenbestimmung 194 – im Landesrecht 306 Schadensersatz – Abgrenzung von der Enteignungsentschädigung 308 f. Schwellentheorien 172 f., 191 Schweretheorie 173 Selbstgefährdung, eigenverantwortliche 131 f. Sonderopfertheorie 173 Sperrgebiet 256 ff. spontane Katastrophenhilfe – Begriff 116 f. – Beschränkung auf technische Hilfe 121 f., 123 f. – durch andere Kräfte 122 ff., 199, 201, 247 ff. – durch die Streitkräfte 119 ff., 200, 249 – durch Polizeikräfte 122 ff., 247 ff. – Fremdgeschäftsführung 122 f. – nach den Polizeigesetzen 247 ff. – öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag 123 f., 249 – verwaltungsorganisationsrechtliche Qualifizierung 122 ff. – Zulässigkeit 117 ff. Spontanhilfe 117 StGB § 323c – keine Ermächtigungsgrundlage 118 f. Streitkräfte – Anforderung nicht subsidiär 62 f. – einfachrechtliche Vorschriften über einen Einsatz 200, 236 – Einsatz bei der Hamburger Flutkatastrophe 1962 22, 31, 119 – Einsatz im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG 119 ff. – Einsatz nicht subsidiär 106 f. – Einsatzgebiete bei der Katastrophenhilfe 49 f. – keine Beschränkung auf technische Hilfe 49 f.

356

Sachverzeichnis

– Verteilung der Einsatzkosten 81 ff., 96 f., 242 f., 247 – Zulässigkeit präventiver Maßnahmen 36 f. – Zulässigkeit spontaner Katastrophenhilfe 119 ff., 249 – Zuständigkeit für die Entsendung 231 Subsidiarität – der Anforderung der Bundespolizei nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 61 f. – der Anforderung der Streitkräfte nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 62 f. – des Ausgleichs für Inhalts- und Schrankenbestimmung 317 – des Eingreifens der Bundesregierung nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG 103 f. – des Einsatzes der Streitkräfte nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG 106 f. – der Enteignungsentschädigung 317 technische Hilfe – Beschränkung auf technische Hilfe bei spontaner Katastrophenhilfe 121 f., 124, 249 – Beschränkung auf technische Hilfe mangels Eingriffsbefugnissen 237 – keine Beschränkung der Streitkräfte auf technische Hilfe 49 f. Technisches Hilfswerk (THW) – einfachrechtliche Vorschriften über einen Einsatz 200 f., 214, 236 f. – Einsatzgebiete bei der Katastrophenhilfe 44 – Formerfordernisse einer Anforderung 227 – keine Eingriffsbefugnisse 236 f. – Organisation 43 f. – spontane Katastrophenhilfe 201, 249 – Verteilung der Einsatzkosten 242 f. – Zuständigkeit für die Entsendung 231 f. Terroranschläge – anwendbare Vorschriften 32 f., 206 Trennungstheorie 174 f.

Übertragung von Hoheitsrechten 81, 94, 123 unmittelbarer Zwang 212, 298 f. Verhaltenspflichten – Ableitung von Ermächtigungsgrundlagen 259 ff. Verteidigung im Sinne des Art. 73 Nr. 1 GG 73 ff., 78 f. Verwaltungsabkommen über die Zusammenarbeit von Polizeikräften 55, 216, 224, 229, 232, 238, 243 Verwaltungsausgaben – Begriff 82 f. – Kostentragung bei einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 83 f., 95 – Kostentragung bei einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG 115 – Möglichkeit einer Erstattungsregelung 95 f. Verwaltungshelfer 42 Verweigerung der Hilfeleistung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 65 ff., 68, 233 f. Vollstreckungsmöglichkeiten bei der Inanspruchnahme von Sachen 296 ff. Vollzug von Landesrecht durch landesfremde Behörden 79 ff., 94, 113, 122 f., 235 ff., 244 Vorteilsausgleich bei Ersatzansprüchen 188, 192, 313 ff. Weisungsrecht gegenüber den Hilfskräften – dienstrechtliches Weisungsrecht 71 – fachliches Weisungsrecht 69 f. – im Fall des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 68 ff. – im Fall des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG 102, 109 ff. – nach den Katastrophenschutzgesetzen 207 ff., 239 ff. – nach den Polizeigesetzen 238 f. Werkfeuerwehren – Erstattung der Einsatzkosten 280

Sachverzeichnis – Heranziehung zu Hilfeleistungen 273 f., 276 Werkleistungen – berufsspezifische Hilfeleistungspflichten 270 ff. – Vergütung 278 f. Wesentlichkeitstheorie – Anforderungen an Regelungsdichte 125 – bei Eingriffen und Beschränkungen im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG 167 – bei Evakuierungen und Betretungsverboten 134 f., 260 Wohnung (Begriff) 157 ff. Zerstörung von Sachen – einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen 302 ff. – Inhalts- und Schrankenbestimmung 180 f. – Verhältnismäßigkeit 189 f., 305 f. Zitiergebot – Anwendbarkeit 139 ff. – bei Art. 11 GG 139 ff., 258, 265 – bei Art. 12 GG 149, 156 f.

357

– bei Art. 13 GG 162, 164, 167, 287 – bei Art. 14 GG 189, 195 – Funktion 139 ff. Zivilschutzgesetz 201 f., 242 Zusammenarbeit – der Behörden im Katastrophenschutz 207 ff. – der Polizeikräfte einzelner Länder 238 f. Zuständigkeit – Begriff 85 – für die Anforderung fremder Kräfte 219 ff., 223 ff. – für die Entsendung eigener Kräfte 229 ff. – für ein Vorgehen nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG 105 Zweckausgaben – Begriff 82 f. – Kostentragung bei einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG 83 f., 95, 241 – Kostentragung bei einem Einsatz nach Art. 35 Abs. 3 Satz 3 GG 115 – Verzicht auf Erstattung 96 f., 243