Fernhaltemaßnahmen: Eine Untersuchung zur polizeilichen Gefahrenabwehr bei Fußballspielen [1 ed.] 9783428581931, 9783428181933

Die Arbeit befasst sich mit einem Bündel unterschiedlicher polizei- und ordnungsbehördlicher Maßnahmen der personenbezog

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Fernhaltemaßnahmen: Eine Untersuchung zur polizeilichen Gefahrenabwehr bei Fußballspielen [1 ed.]
 9783428581931, 9783428181933

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Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit

Band 12

Fernhaltemaßnahmen Eine Untersuchung zur polizeilichen Gefahrenabwehr bei Fußballspielen

Von

Tobias Friedrich Fleißner

Duncker & Humblot · Berlin

TOBIAS FRIEDRICH FLEI ẞNER

Fernhaltemaßnahmen

Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Markus Thiel, Köln

Band 12

Fernhaltemaßnahmen Eine Untersuchung zur polizeilichen Gefahrenabwehr bei Fußballspielen

Von

Tobias Friedrich Fleißner

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 2199-3475 ISBN 978-3-428-18193-3 (Print) ISBN 978-3-428-58193-1 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Mutter und im Andenken an meine Großeltern in ewiger Dankbarkeit

Vorwort Die vorliegende Arbeit befasst sich mit einem Bündel unterschiedlicher polizeiund ordnungsbehördlicher Maßnahmen, die sich in den vergangenen Jahren zunehmend in der Praxis etabliert haben, um den von einzelnen Personen ausgehenden Störungen an einem bestimmten Ort frühzeitig zu begegnen. Diese Maßnahmen eint das Ziel, Personen bereits vom Aufsuchen derjenigen Örtlichkeiten abzuhalten, an denen mit einem störenden Verhalten dieser Personen gerechnet wird. Ausgerichtet an diesem Ziel, werden die einzelnen Maßnahmen im Rahmen dieser Arbeit unter dem Begriff der Fernhaltemaßnahmen zusammengefasst und einer eingehenden Untersuchung hinsichtlich ihres Anwendungsbereiches, ihrer Grundrechtsrelevanz und ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen unterzogen. Zudem widmet sich die Arbeit der Frage, welche Maßstäbe an die personenbezogene Gefahrenprognose anzulegen sind, um eine Fernhaltemaßnahme erlassen zu können. Die Untersuchung konzentriert sich überwiegend auf den in der Praxis wohl wichtigsten Anwendungsbereich, die Anwendung von Fernhaltemaßnahmen im Rahmen von Fußballspielen. Ihre Ergebnisse dürften jedoch ohne Einschränkungen auch auf andere Anwendungsbereiche übertragen werden können. Die Arbeit entstand weitgehend während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) sowie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zwischen November 2014 und Oktober 2017. Abgeschlossen wurde die Arbeit schließlich parallel zu meiner im Anschluss aufgenommenen Tätigkeit als Staatsanwalt. Sie wurde im Mai 2019 an der juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereicht und dort als Dissertation angenommen. Die hier zitierten Quellen aus Literatur und Rechtsprechung sind auf dem Stand der Einreichung. Auf dem Weg zur Fertigstellung dieser Arbeit haben mich mehrere Menschen begleitet, denen ich an dieser Stelle von Herzen für ihre Unterstützung danken möchte. Mein besonderer Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Matthias Bäcker, der meine Arbeit sowohl während als auch nach unserer gemeinsamen Zeit an der LMU und am KIT mit Rat und Tat, insbesondere durch zahlreiche Anregungen, kritische Rückfragen und konstruktive Gespräche, begleitet und hierdurch gefördert hat. Gleichsam möchte ich mich bei ihm für die stets vertrauensvolle Zusammenarbeit an den Lehrstühlen in München und Karlsruhe bedanken.

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Vorwort

Ein großer Dank gilt auch seiner Nachfolgerin an der LMU, Frau Prof. Dr. Kaufhold, an deren Lehrstuhl ich weiterhin tätig sein durfte. Auch bei ihr möchte ich mich recht herzlich für das angenehme und vertrauensvolle Miteinander am Lehrstuhl, ihren hilfreichen Rat und ihr stets offenes Ohr bedanken. Zudem gebührt ihr mein Dank für die Erstellung des Zweitgutachtens. Ferner gilt mein Dank den Kolleginnen und Kollegen an den Universitäten in München und Karlsruhe. Euch allen möchte ich für die kollegiale Zusammenarbeit und den akademischen Austausch besonders danken. Die letzten Zeilen meiner Danksagung gehören denjenigen Personen, deren Unterstützung für mich im Privaten stets von unschätzbarem Wert war. Dies ist zum einen meine Freundin Julia, die meine zeitliche Beanspruchung tolerieren musste und dennoch mit großem Engagement bereit war, das Lektorat zu übernehmen. Zum anderen sind dies meine Mutter und meine Großeltern. Ihnen bin ich besonders dankbar, denn ihre Unterstützung, ihre Fürsorge und ihr Zuspruch auf meinem bisherigen Lebensweg waren stets ein wichtiges Fundament, welches mir das Erreichen meiner Ziele ermöglicht hat. Diese Arbeit sei ihnen gewidmet. Bonn im Oktober 2020

Tobias F. Fleißner

Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Teil 1 Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen als Teil eines vielschichtigen Systems zur Abwehr von Gefahren im Rahmen von Fußballspielen

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I. Die Gewährleistung der Sicherheit im Rahmen von Fußballspielen als hoheitliche Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Verhaltensbezogene Störungen als spezifische Gefahr im Rahmen von Fußballspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. Zuständigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden für die Abwehr von Gefahren im Rahmen von Fußballspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 IV. Die Verantwortung nicht-hoheitlicher Akteure für die Sicherheit eines Fußballspiels 44 V. Maßnahmen nicht-hoheitlicher Akteure zur Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 VI. Grenzen der Gefahrenabwehr im Rahmen von Fußballspielen als Ausgangspunkt für den Erlass hoheitlicher Fernhaltemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 VII. Ergebnisse Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Teil 2 Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

69

I. Versammlungsfreiheit, Art. 8 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 II. Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 IV. Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 V. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . 110 VI. Ergebnisse Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

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Inhaltsübersicht Teil 3 Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

116

I. Gefährderansprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Aufenthaltsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 III. Ausreisebeschränkende Maßnahmen des Pass- und Personalausweisrechts . . . . . . . 152 IV. Meldeauflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 V. Ergebnisse Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Teil 4 Die Negativprognose als Ausgangspunkt für den Erlass von Fernhaltemaßnahmen in der Praxis

217

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 II. Die Ermittlung des Sachverhalts als Voraussetzung der Prognose . . . . . . . . . . . . . . . 218 III. Die (Gefahren-)Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 IV. Ergebnisse Teil 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Schlussteil: Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Teil 1 Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen als Teil eines vielschichtigen Systems zur Abwehr von Gefahren im Rahmen von Fußballspielen

29

I. Die Gewährleistung der Sicherheit im Rahmen von Fußballspielen als hoheitliche Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Verhaltensbezogene Störungen als spezifische Gefahr im Rahmen von Fußballspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Räumliche Ausdehnung verhaltensbezogener Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Typologische Zuordnung verhaltensbezogener Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Soziologische Zuordnung verhaltensbezogener Störungen – „Problematische Zuschauergruppen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Zuständigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden für die Abwehr von Gefahren im Rahmen von Fußballspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. „Klassische“ Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Schutz der öffentlichen Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Schutz der öffentlichen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 c) Vorbeugende Bekämpfung von Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Einschränkungen beim Schutz privater Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Schutz von Fußballspielen als Aufgabe der Polizei- und Ordnungsbehörden? . . . 41 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 IV. Die Verantwortung nicht-hoheitlicher Akteure für die Sicherheit eines Fußballspiels 44 1. Staatliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Vertragliche Schutzpflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 aa) Heimverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Gastverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 cc) Verbände, Träger und Betreiber von Fußballstadien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

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Inhaltsverzeichnis b) Verkehrssicherungspflichten gemäß § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 aa) Heimverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 bb) Gastverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 cc) Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 dd) Träger und Betreiber von Sportstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Öffentliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Verbandsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

V. Maßnahmen nicht-hoheitlicher Akteure zur Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Maßnahmen der Vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Vor-Ort Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 aa) Einsatz und Maßnahmen von Ordnungskräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 bb) Einsatz automatisierter Kontroll- und Überwachungssysteme . . . . . . . . . . 53 b) Privatrechtliche Fernhaltemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) Verkaufs- und Weitergabebeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 bb) Stadionverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (1) Charakter und rechtliche Grundlagen eines einfachen (örtlichen) Stadionverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (2) Bundesweites Stadionverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (3) Zeitliche Dimension eines Stadionverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (4) Einwendungen der Zuschauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (5) Strafrechtliche Folgen bei Verstoß gegen ein Stadionverbot . . . . . . . . . 59 2. Maßnahmen der Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Maßnahmen der Träger und Betreiber von Sportstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4. Fanprojekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 VI. Grenzen der Gefahrenabwehr im Rahmen von Fußballspielen als Ausgangspunkt für den Erlass hoheitlicher Fernhaltemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Grenzen der Gefahrenabwehr durch Vor-Ort-Maßnahmen hoheitlicher und nichthoheitlicher Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Grenzen der Gefahrenabwehr durch Maßnahmen nicht-hoheitlicher Akteure im Vorfeld der Veranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Fernhaltemaßnahmen als wesentlicher Teil polizei- und ordnungsbehördlicher Handlungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 VII. Ergebnisse Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

Inhaltsverzeichnis

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Teil 2 Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

69

I. Versammlungsfreiheit, Art. 8 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Der Zusammenschluss mehrerer Zuschauer als Versammlung? . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 II. Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Der Stadionbesuch als Informationsquelle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 III. Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Der Schutzbereich des Freizügigkeitsrechts gemäß Art. 11 Abs. 1 GG . . . . . . . . . 77 a) Das Freizügigkeitsrecht des Art. 11 GG im grundrechtlichen Gefüge . . . . . . . 77 b) Überblick über das Meinungsspektrum zum Schutzbereich des Art. 11 GG . . 79 aa) Aufenthaltsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 bb) Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 cc) Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 11 GG auf Grundlage einer Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 c) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Enge Auslegung des Schutzbereichs von Art. 11 GG als Folge historischer Kontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (1) Entwicklung des Freizügigkeitsrechts in Deutschland . . . . . . . . . . . . . 84 (2) Folgen für die Auslegung des Schutzbereichs des Art. 11 Abs. 1 GG 88 bb) Gemeinschaftsrecht als Grund für einen Bruch mit der historischen Kontinuität des Freizügigkeitsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 cc) Zum Bruch mit der historischen Kontinuität des Freizügigkeitsrechts in Bezug auf den Ortsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (1) Veränderte rechtliche und tatsächliche Umstände als Grund für einen veränderten Ortsbegriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (2) Weitere Argumente für einen veränderten Ortsbegriff . . . . . . . . . . . . . 94 (a) Art. 11 GG als Ausdruck individueller Selbstentfaltung . . . . . . . . . 94 (b) Lebenskreis als gerechterer Maßstab? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (c) Gründe für ein Festhalten am klassischen Ortsbegriff . . . . . . . . . . 96 (3) Teilergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 dd) Zum Bruch mit der historischen Kontinuität in Bezug auf den Aufenthaltsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (1) Überblick über die Kriterien zur Bestimmung eines Aufenthalts . . . . . 99 (2) Einfluss veränderter Lebensbedingungen auf die Bestimmung des Aufenthalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

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Inhaltsverzeichnis (3) Stellungnahme zu den einzelnen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (a) Objektive Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (b) Subjektive Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (4) Teilergebnis und eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Zusammenfassung und eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

IV. Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Die Freiheit der Person als ein Recht der Fortbewegungsfreiheit? . . . . . . . . . . . . 106 2. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 V. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . 110 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Das „Fan-Sein“ als Teil der Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Abgrenzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur allgemeinen Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 VI. Ergebnisse Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Teil 3 Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

116

I. Gefährderansprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Beschreibung der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Grundrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Klassischer Eingriffsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Moderner Eingriffsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Verhältnis der Gefährderansprache zu den Standardmaßnahmen . . . . . . . . . . . 121 b) Bedeutung der Wesentlichkeitstheorie für die Gefährderansprache . . . . . . . . . 122 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4. Formelle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5. Materielle Rechtmäßigkeit der Gefährderansprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Tatbestandliche Voraussetzungen einer Gefährderansprache . . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Der bayerische Sonderweg: die „drohende Gefahr“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (1) Sinn und Zweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

Inhaltsverzeichnis

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(2) Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (a) Der Prognosemaßstab der beiden Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (b) Die Abgrenzung zur konkreten Gefahr – Bedeutung der Norm . . . 133 cc) Verantwortlichkeit des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Inhaltliche Grenzen der Gefährderansprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Ermessen und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) Geeignetheit und Erforderlichkeit von Gefährderansprachen . . . . . . . . 138 (2) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 6. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 II. Aufenthaltsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Grundrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Standardermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4. Formelle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 c) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 5. Materielle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Tatbestandliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 aa) Auswahlermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 bb) Intensität des Aufenthaltsverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 cc) Räumliche Dimension des Aufenthaltsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 dd) Zeitliche Dimension des Aufenthaltsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 6. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 III. Ausreisebeschränkende Maßnahmen des Pass- und Personalausweisrechts . . . . . . . 152 1. Beschreibung und Abgrenzung der Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Die verfassungsrechtliche Einordnung pass- und ausweisrechtlicher Maßnahmen 153 a) Grundrechtlicher Schutz der Ausreisefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Eingriff in die Ausreisefreiheit durch das Pass- und Ausweisrecht . . . . . . . . . . 153 c) Verfassungsmäßige Rechtfertigung von pass- und ausweisrechtlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Anforderungen an den Erlass passrechtlicher Maßnahmen nach dem PaßG . . . . . 156 a) Formelle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

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Inhaltsverzeichnis b) Materielle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 aa) Passversagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (1) „Bestimmte Tatsachen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (2) „Annahme einer Gefährdung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (3) „Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (a) Ansehen der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (b) Schutz der auswärtigen Beziehungen und Einhaltung völkerrechtlicher Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (c) Abwehr von Straftaten im Ausland als eigener Belang . . . . . . . . . 164 (d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (aa) Ansehen als sonstiger erheblicher Belang . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (bb) Schutz der auswärtigen Beziehungen und Einhaltung völkerrechtlicher Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (cc) Verhindern von Straftaten im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Entziehen des Passes sowie Passbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Passversagung (§ 7 Abs. 1 PaßG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb) Entziehen des Passes (§ 8 PaßG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 cc) Räumliche und zeitliche Beschränkung des Passes (§ 7 Abs. 2 PaßG) . . . 173 4. Voraussetzungen für den Erlass ausweisrechtlicher Maßnahmen nach dem PAuswG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Formelle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Materielle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 aa) Ausweisbeschränkungen (§ 6 Abs. 7 PAuswG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 bb) Ausweisversagung und Entziehung (§ 6a PAuswG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Ausweisbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Versagen und Entziehen des Personalausweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 5. Ausreiseuntersagung, grenzpolizeiliche Kontrolle und strafrechtliche Sanktionen 176 6. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

IV. Meldeauflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Beschreibung und Abgrenzung der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Grundrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 a) Freizügigkeit, Art. 11 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 aa) Die Pflicht zum Erscheinen und Melden auf einer Dienststelle . . . . . . . . . 180 bb) Die faktische Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . 182 cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Die Pflicht zum Erscheinen und Melden auf einer Dienststelle . . . . . . . . . 184

Inhaltsverzeichnis

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bb) Die Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit als Folge der Erscheinenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (1) Anforderungen an einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (2) Freiheitsentziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (a) Entzug der Bewegungsfreiheit bei mehreren Meldepflichten . . . . . 186 (b) Entzug der Bewegungsfreiheit während der Meldung . . . . . . . . . . 186 (3) Freiheitsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 c) Informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . 189 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Standardermächtigung über den Erlass von Meldeauflagen . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 aa) Vorrang einer sonstigen Standardermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (1) Vorladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (2) Aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (3) Passgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Sperrwirkung durch Maßnahmen gleicher Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (1) Vorladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (2) Aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (3) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 cc) Verfassungsrechtliche Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (1) Fehlende Kompetenz der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (a) Ausschließliche Kompetenz des Bundes über die Freizügigkeit . . 196 (b) Ausschließliche Kompetenz des Bundes über das Pass- und Ausweiswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (2) Vorbehalt des Gesetzes, Art. 20 Abs. 3 GG und Wesentlichkeitstheorie 199 (3) Art. 11 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 4. Formelle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Form der Meldeauflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 c) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 5. Materielle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Tatbestandliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) § 12a POG RhlPf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 bb) Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (1) Minusmaßnahme zum Gewahrsam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (2) Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung . . . 206

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Inhaltsverzeichnis b) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (1) Subsidiarität der Meldeauflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (2) Inhalt und Umfang der Meldeauflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Besonderheiten im Rahmen des § 12a POG RhlPf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 6. Rechtsvergleichende Betrachtung, § 49c SPG (Österreich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 a) Zuständigkeit und Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 d) Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 7. Übertragung der Erkenntnisse in einen eigenen Gesetzesentwurf . . . . . . . . . . . . . 214 8. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

V. Ergebnisse Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

Teil 4 Die Negativprognose als Ausgangspunkt für den Erlass von Fernhaltemaßnahmen in der Praxis

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I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 II. Die Ermittlung des Sachverhalts als Voraussetzung der Prognose . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Umfang der Sachverhaltsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Erkenntnisquellen der Behörde bei der Sachverhaltsermittlung . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Befragung des potentiellen Adressaten einer Fernhaltemaßnahme . . . . . . . . . . 221 b) Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 c) Örtlicher Ausschuss für Sport und Sicherheit (ÖASS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 d) Rückgriff auf Dateien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 aa) Die Datei Gewalttäter Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 bb) SKB-Dateien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Würdigung der Ermittlungsergebnisse durch die Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 4. Folgen einer fehlerhaften Sachverhaltsermittlung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . 236 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 III. Die (Gefahren-)Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 1. Inhalt und Maßstab der Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2. Indizien zur Begründung einer Negativprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) Szene- oder Gruppenzugehörigkeit des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 aa) Szenen und Gruppen mit erhöhtem Gefahrenpotential . . . . . . . . . . . . . . . . 242 bb) Bestimmung der Zugehörigkeit der Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 cc) Erforderliche Intensität der Gruppen- bzw. Szenenzugehörigkeit . . . . . . . 245

Inhaltsverzeichnis

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dd) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Vorstrafen und Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 aa) Vorstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 bb) Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (1) Freispruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (2) Einstellung des Strafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (a) Einstellung gemäß § 153 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (b) Einstellung gemäß § 153a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (c) Verweisung auf den Privatklageweg gemäß §§ 374, 376 StPO . . . 256 (d) Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (e) Sonderfall: Kein Anfangsverdacht, § 152 Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . 259 cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 c) Stadionverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 aa) Einfluss der Stadionverbotsrichtlinie auf den indiziellen Wert des Stadionverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 bb) Stadionverbot als Gegenindiz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 d) Eintragungen in einer polizeilichen Datensammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 aa) Datei Gewalttäter Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 bb) Ausblick: Eintragungen im Informationssystem gemäß § 13 BAKG . . . . . 270 cc) SKB-Dateien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 dd) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 IV. Ergebnisse Teil 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Schlussteil: Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

Abkürzungsverzeichnis A. A. (a. A.) Abs. AEMR

Anderer Ansicht Absatz Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (A/ RES/217/UN-Doc.217/A-(III)) vom 10.12.1948 AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union A. F. (a. F.) Alte Fassung AG Amtsgericht AG NKSS Arbeitsgruppe Nationales Konzept Sport und Sicherheit AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AGPaßG/AGPAuswG Ausführungsgesetz zum Passgesetz/Ausführungsgesetz zum Personalausweisgesetz Alt. Alternative Anm. Anmerkung AöR Archiv des öffentlichen Rechts Art. Artikel ASOG Bln. Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Berlin Aufl. Auflage Az. Aktenzeichen BAnz. Bundesanzeiger BayGO Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern BayPAG Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei BayVBl. Bayerische Verwaltungsblätter BB Betriebs-Berater BbgPolG Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei im Land Brandenburg Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz BeckOK Beck’scher Online-Kommentar BeckRS Beck-Rechtsprechung BfDI Bundesbeauftragte/-r für den Datenschutz und die Informationsfreiheit BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen BKA Bundeskriminalamt BKADV Verordnung über die Art der Daten, die nach den §§ 8 und 9 des Bundeskriminalamtgesetzes gespeichert werden dürfen BKAG Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten BPolG Gesetz über die Bundespolizei

Abkürzungsverzeichnis BremPolG Bspw. (bspw.) BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE Ders. (ders.) DFB DFL D. h. (d. h.) DNP DÖV DPolBl DS DStR DVBl. EG EGStGB EM EMRK EU EuGH EUGRCh EUV EuZW FIFA Fn. FreizG FreizG/EU FS G7 Gem. (gem.) GewArch GG ggf. HbgDSG HbgSOG Hrsg. Hs. HSOG IGH ILC ILC ARS IPBPR

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Bremisches Polizeigesetz Beispielsweise Bundesverfassungsgericht Entscheidungen der amtlichen Sammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen der amtlichen Sammlung des Bundesverwaltungsgerichts Derselbe Deutscher Fußball Bund Deutsche Fußball Liga GmbH Das heißt Die neue Polizei Die öffentliche Verwaltung Deutsches Polizeiblatt Der Sachverständige Das Deutsche Steuerrecht Deutsches Verwaltungsblatt Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Europameisterschaft Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten Europäische Union Europäischer Gerichtshof Charta der Grundrechte der Europäischen Union Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Fédération International de Football Association Fußnote Gesetz über die Freizügigkeit vom 1. November 1867 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern Festschrift Gruppe der Sieben (Anm. Zusammenschluss von sieben Industrienationen) Gemäß Gewerbearchiv Grundgesetz Gegebenenfalls Hamburgisches Datenschutzgesetz Hamburgisches Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vom 14.3.1966 Herausgeber Halbsatz Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Internationaler Gerichtshof International Law Commission International Law Commission, Articles on State Responsibility Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

22 i. S. d. i. V. m. JA JöR JR JURA JurionRS JuS JZ KG KGBl. KommJur LG LKV LO LVwG S-H MEPolG Mrz. MVStättV Nds.SOG NdsVbl. NJ NJW NJW-RR NK NKSS NordÖR NPA Nr. NStZ NStZ-RR NVwZ NVwZ-RR NWVBl. NZV ÖASS OBG TH OLG OWiG PaßG PassV PassVwV PAuswG POG RhlPf. PolG BW PolG NRW

Abkürzungsverzeichnis Im Sinne des In Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Jurion-Rechtsprechung Juristische Schulung Juristen Zeitung Kammergericht Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts Kommunaljurist Landgericht Landes- und Kommunalverwaltung Lizensierungsordnung Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes März Musterversammlungsstättenverordnung Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Niedersächsische Verwaltungsblätter Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Neue Kriminalpolitik Nationales Konzept Sport und Sicherheit Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland Neues Polizeiarchiv Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungs-Report Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Örtlicher Ausschuss für Sport und Sicherheit Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Ordnungsbehörden Oberlandesgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Passgesetz Passverordnung Passverwaltungsvorschrift Gesetz über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis Polizei- und Ordnungsbehördengesetz des Landes Rheinland-Pfalz Polizeigesetz des Landes Baden-Württemberg Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen

Abkürzungsverzeichnis RG RGZ RiStBV RL Rn. RW S. SaarPolG SächsPolG SächsVBl. SBauVO Sep. SKB SOG LSA SOG M-V Sog. (sog.) SPG SprengG SpuRt StGB StPO str. SVRL TH PAG U. a. (u. a.) UEFA UN Var. VersammlG VerwArch VG VGH Vgl. (vgl.) VO VR VwGO VwVfG WaffG WM WRP WRV ZaöRV Z. B. (z. B.) ZD

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Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Richtlinie Randnummer Rechtswissenschaft Seite Saarländisches Polizeigesetz Polizeigesetz des Freistaates Sachsen Sächsische Verwaltungsblätter Verordnung über Bau und Betrieb von Sonderbauten des Landes Nordrhein-Westfalen September Szenekundige/-r Beamte/-r Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in MecklenburgVorpommern Sogenannte/-r Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Österreich) Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe Sport und Recht Strafgesetzbuch Strafprozessordnung streitig Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei Unter anderem Union des Associations Européennes de Football Vereinte Nationen Variante Gesetz über Versammlungen und Aufzüge Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Vergleiche Verordnung Verwaltungsrundschau Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes Waffengesetz Weltmeisterschaft Wettbewerb in Recht und Praxis Weimarer Reichsverfassung Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zum Beispiel Zeitschrift für Datenschutz

24 ZIS zit. ZPO ZUM ZustG

Abkürzungsverzeichnis Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze zitiert Zivilprozessordnung Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente (Österreich)

Einführung Ob beim G7 Gipfel, bei Versammlungen, bei Sportveranstaltungen oder zur Bekämpfung offener Drogenszenen, Fernhaltemaßnahmen haben sich in den letzten Jahren als typisches Mittel der Polizei- und Ordnungsbehörden zur Abwehr von Gefahren etabliert. Fernhaltemaßnahmen zielen darauf ab, eine Person möglichst frühzeitig vom Aufsuchen bestimmter Örtlichkeiten abzuhalten. Dieses Ziel folgt einer einfachen, aber naheliegenden sicherheitsrechtlichen Überlegung: Eine Person, die daran gehindert wird, eine bestimmte Örtlichkeit aufzusuchen, kann an dieser in aller Regel auch keine Probleme bereiten.1 Fernhaltemaßnahmen kommen daher typischerweise schon zur Anwendung, bevor sich eine Person überhaupt in Richtung einer Örtlichkeit, von der sie ferngehalten werden soll, in Bewegung gesetzt hat. Sie werden vor allem dann erlassen, wenn die Behörden aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abwarten können oder wollen, bis eine Person an einer bestimmten Örtlichkeit erscheint, um erst dann die notwendigen Maßnahmen zur Abwehr der dort bestehenden Gefahren zu ergreifen.2 Als in der polizeilichen Praxis etablierte Fernhaltemaßnahmen können die Gefährderansprache, das Aufenthaltsverbot, die Meldeauflage sowie pass- und ausweisrechtliche Maßnahmen angesehen werden.3 Fernhaltemaßnahmen verfolgen das angestrebte Ziel, eine Person vom Veranstaltungsort fernzuhalten, ohne der Person ihre körperliche Bewegungsfreiheit zu entziehen. Darin unterscheiden sie sich von der Ingewahrsamnahme, mit der zwar ebenfalls erreicht werden kann, dass eine Person einem Ort fernbleibt. Bei der Ingewahrsamnahme ist dieses Ziel aber die unweigerliche Folge aus dem Entzug der körperlichen Bewegungsfreiheit. Wegen ihrer erheblichen Eingriffsintensität ist die Ingewahrsamnahme an enge Voraussetzungen geknüpft, die allenfalls im unmit-

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Der Anknüpfungspunkt von Fernhaltemaßnahmen ist das einzelne Individuum. Die Maßnahmen lassen sich daher dem Regime der individuellen Prävention zuordnen. Siehe: Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 61. 2 Fernhaltemaßnahmen fügen sich somit in den allgemeinen sicherheitspolitischen Trend zu einer möglichst frühzeitig einsetzenden Prävention ein. Vgl. Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 5. 3 Kießling, DVBl. 2012, 1210 ff. (1212 f.). In zeitlicher Hinsicht dürfte der Erlass von Fernhaltemaßnahmen jedenfalls ab Beginn des Kartenvorverkaufs in Betracht kommen, da ab diesem Moment eine ausreichende Nähe zwischen der Maßnahme und dem schädigenden Ereignis vorliegt. Siehe: Peters/Rind, LKV 2017, 251 ff. (255).

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Einführung

telbaren zeitlichen Vorfeld einer Veranstaltung vorliegen können.4 In den meisten Fällen dürfte diese Maßnahme schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht in Betracht kommen.5 Gleichwohl kommt sie in der Praxis ebenso zur Anwendung, wie der sogenannte Verbringungsgewahrsam. Bei diesem werden Personen, die am Veranstaltungsort oder auf dem Weg zu diesem angetroffen werden, in polizeilichen Gewahrsam genommen und an einen anderen Ort verbracht.6 Die Maßnahme dient daher vorrangig dem Wegschaffen und erst nachrangig dem daraus folgenden Fernhalten von Personen.7 Beim Verbringungsgewahrsam handelt es sich nach dem hiesigen Verständnis deshalb nicht um eine Fernhaltemaßnahme. Ein Bedürfnis für die Anwendung von Fernhaltemaßnahmen kann schon aus faktischen Gründen bestehen, beispielsweise wenn aufgrund der vor Ort herrschenden Umstände das Risiko besteht, dass mit den zur Verfügung stehenden Mitteln die im Einzelfall drohenden Gefahren nicht mit hinreichender Sicherheit abgewehrt werden können. Dieses Risiko besteht insbesondere in den Fällen, in denen mit einem relativ unübersichtlichen Szenario gerechnet werden muss, so dass ein vor Ort anwesender Störer nicht mehr rechtzeitig ausgemacht werden kann, bevor es zum Eintritt eines Schadens kommt. Das Bedürfnis einer möglichst frühzeitigen Abwehr von Gefahren unter Anwendung von Fernhaltemaßnahmen ist umso größer, wenn im Einzelfall mit dem Eintritt eines Schadens an einem hochrangigen Rechtsgut oder mit einem Schaden größeren Ausmaßes gerechnet werden muss. In diesen Fällen kann ein längeres Zuwarten bei der Gefahrenabwehr gegebenenfalls nicht mehr möglich sein, da ein effektiver Schutz der bedrohten Rechtsgüter zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr hinreichend sicher gewährleistet werden kann. Ein möglichst frühzeitiges Vorgehen kann somit nicht nur aus praktischen, sondern auch aus rechtlichen Gründen notwendig sein. Dies betrifft auch diejenigen Fälle, in denen der für die Abwehr einer Gefahr zuständigen Behörde keine Befugnisse an dem Ort zustehen, an dem die Gefahr in einen Schaden umzuschlagen droht. Die Anwendung von Fernhaltemaßnahmen ist mit einer Vielzahl von rechtlichen Problemen verknüpft, die den Gegenstand dieser Untersuchung bilden. Im Gefahrenabwehrrecht ist grundsätzlich eine konkrete Gefahr erforderlich, um mit konkretindividuellen Maßnahmen gegen eine Person vorgehen zu können.8 Je frühzeitiger die Behörde tätig wird, desto ungewisser ist jedoch der Eintritt eines Schadens. Fernhaltemaßnahmen bewegen sich daher schon strukturell an der Grenze zwischen dem Frühstadium einer (konkreten) Gefahr und dem Gefahrenvorfeld, bei dem der 4

Niemeyer, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 97 f., 110 f. Barczak, JURA 2014, 888 (899 f.). 6 Vgl. Siegel, NJW 2013, 1035 (1038); Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 369; Niemeyer, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 115 ff. 7 So auch: Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 370 ff., 377; ebenso: Niemeyer, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 115 ff., die jedoch zu einer anderen grundrechtlichen Würdigung kommt. 8 Dieser Grundsatz wird aktuell durch die im bayerischen PAG eingeführte Kategorie der drohenden Gefahr in Frage gestellt. Hierzu vertiefend: Teil 3 I. 5. a) bb). 5

Einführung

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Eintritt eines Schadens noch nicht hinreichend wahrscheinlich ist.9 Im Zusammenhang mit Fernhaltemaßnahmen bedarf es deshalb einer besonders sorgfältigen Gefahrenprognose, die die Annahme einer konkreten Gefahr trotz des zeitlichen Abstands bis zum Eintritt des erwartenden Schadens stützen kann. Fernhaltermaßnahmen können zudem erheblich in die Rechte des Betroffenen eingreifen, indem sie die (Fort-)Bewegungsfreiheit faktisch oder rechtlich beschränken. Die Intensität des Eingriffs hat zwangsläufig Auswirkungen auf Art und Inhalt der zum Erlass von Fernhaltemaßnahmen erforderlichen Ermächtigungsgrundlage, vor allem auf die tatbestandlichen Voraussetzungen, die bei ihrem Erlass erfüllt sein müssen. Schließlich stellt sich die Frage, ob der Rückgriff auf hoheitliche Fernhaltemaßnahmen dort gerechtfertigt ist, wo bereits andere nicht-hoheitliche Akteure Verantwortung für die Abwehr von Gefahren übernehmen, weil sie selbst hierzu verpflichtet sind. Dies trifft in besonderem Maße auf Sportveranstaltungen zu, bei denen der Veranstalter umfangreiche eigene Maßnahmen und Vorkehrungen zur Absicherung der Veranstaltung vornehmen muss. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll diesen Fragen mit der erforderlichen Gründlichkeit nachgegangen werden. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der behördlichen und gerichtlichen Praxis. Ein Großteil der Fernhaltemaßnahmen wird anlässlich der Durchführung von Fußballspielen im professionellen und halbprofessionellen Bereich erlassen. Die Ursache liegt nicht zuletzt an der Vielzahl und Regelmäßigkeit von Fußballveranstaltungen sowie dem üblicherweise beträchtlichen Zuschauerandrang. So besuchten in der Bundesligasaison 2017/2018 im Schnitt etwa 43.879 Personen die Spiele der ersten Bundesliga. In der zweiten Bundesliga waren es in demselben Zeitraum etwa 17.473 Personen und in der dritten Liga immerhin noch 6.132 Personen.10 Selbst in der Regionalliga, der höchsten Amateurliga, werden Zuschauerzahlen von durchschnittlich mehr als 1.000 Personen pro Begegnung erreicht.11 Mit Fußballveranstaltungen sind somit, allein schon aufgrund des enormen Besucherandrangs, vielfältige Gefahren verbunden, denen zum Teil mit dem Erlass von Fernhaltemaßnahmen begegnet wird.12 Da sich auch in der Rechtsprechung zahlreiche Entscheidungen zu Fernhaltemaßnahmen mit einem Bezug zu Fußballspielen finden lassen, lag es nahe, die vorliegende Arbeit an diesem spezi9

Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 194 f. Für die erste und zweite Bundesliga, siehe Bundesligastatistik des DFB, abrufbar unter: https://www.dfb.de/bundesliga/statistik/zuschauerzahlen/; Für die 3. Liga, siehe Statistik zur 3. Liga auf der Homepage des DFB, abrufbar unter: http://www.dfb.de/3-liga/statistik/zuschauer zahlen/; beide Seiten zuletzt abgerufen am: 7.5.2019. 11 Zuschauerzahlen für die Regionalligen abrufbar unter: http://www.4-liga.com/regionalli ga-suedwest/zuschauer-1718.html, mit weiteren Zuschauerzahlen zu den übrigen Regionalligen, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019. 12 Gädeke, Sportveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S.102 ff.; Lege, VerwArch 1998, 71 (75 f.); Haurand, DNP 1994, 12 (12). 10

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Einführung

fischen Anwendungsfall auszurichten. Die wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit lassen sich aber zweifelsohne auch auf andere Großveranstaltungen übertragen. Die Arbeit ist in vier Teile untergliedert. Im ersten Teil werden die Grundlagen für die weitere Bearbeitung des Themas erörtert. Zu diesen Grundlagen zählt die thematische Einführung in den Anwendungsbereich in dem Fernhaltemaßnahmen erlassen werden, die Eingrenzung des Adressatenkreises gegen den sich die Maßnahmen richten sowie die Charakterisierung der abzuwehrenden Gefahren. Des Weiteren wird erörtert, wie sich Fernhaltemaßnahmen in den Kanon der übrigen Maßnahmen einreihen, die zur Gewährleistung der Sicherheit im Rahmen eines Fußballspiels ergriffen werden. In diesem Zusammenhang wird auch das Verhältnis der unterschiedlichen Akteure beleuchtet, die bei der Absicherung von Fußballveranstaltungen tätig werden. Der zweite Teil befasst sich mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen. Hier werden die einzelnen Grundrechte herausgearbeitet, die durch den Erlass von Fernhaltemaßnahmen im Zusammenhang mit Fußballspielen tangiert werden. Im dritten Teil werden die einzelnen Fernhaltemaßnahmen sowie ihre tatbestandlichen Voraussetzungen dargestellt und in den verfassungsrechtlichen Kontext eingebettet. Der vierte Teil befasst sich schließlich mit der Negativprognose, die den Ausgangspunkt für den Erlass von Fernhaltemaßnahmen bildet, wobei in diesem Teil ein besonderes Augenmerk auf den in der Praxis gängigen Indizien liegt, die zur Begründung dieser Negativprognose herangezogen werden. Dabei werden die einzelnen Indizien auf ihre jeweilige Belastbarkeit hin untersucht. Am Schluss der Arbeit werden die wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst.

Teil 1

Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen als Teil eines vielschichtigen Systems zur Abwehr von Gefahren im Rahmen von Fußballspielen I. Die Gewährleistung der Sicherheit im Rahmen von Fußballspielen als hoheitliche Aufgabe Es liegt in der Natur der Sache, dass dort, wo viele Menschen aufeinandertreffen, die Ausübung individueller Freiheiten potentiell in Konflikt mit der Ausübung individueller Freiheiten auf der anderen Seite geraten kann.1 Die Durchführung von Großveranstaltungen, insbesondere Fußballspielen, berührt daher einen Belang, der dem originären Aufgabenbereich des Staates, als Garant von Sicherheit und Hüter von Recht und Ordnung, zuzuordnen ist.2 Den von Fußballspielen ausgehenden abstrakten Gefahren ist grundsätzlich mit abstrakt-generellen Regelungen zu begegnen, die einerseits die Rechtsgüter derjenigen, die an der Veranstaltung beteiligt sind, und andererseits die Rechtsgüter derjenigen, die anderweitig mit der Veranstaltung in Berührung kommen, schützen.3 Eine Beeinträchtigung von Rechtsgütern droht in vielfältiger Weise. Zum einen belasten Fußballspiele die öffentliche Infrastruktur. Sie verursachen Lärm und beeinträchtigen dadurch ihre Umgebung. Diese Beeinträchtigungen treffen vor allem die Anwohner am Ort der Veranstaltung sowie entlang der An- und Abfahrtswege.4 Zur Durchführung von Fußballspielen wird daher zunächst ein geeigneter Veranstaltungsort benötigt, der so beschaffen ist, dass er keine zusätzlichen Gefahren für die Teilnehmer der Veranstaltung oder für Dritte hervorruft und mit den typischerweise mit der Veranstaltung verbundenen Gefahren vereinbar ist.5 Eine besondere Herausforderung für das friedliche Zusammenleben stellt im Zusammenhang mit Fußballspielen das im Vergleich zu anderen Sportveranstal1 Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 101 f.; Gusy, NdsVbl. 2013, 57 (57, 60 – 61). 2 Allgemein: Depenheuer, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 87a GG Rn. 12 f. 3 Gusy, NdsVbl. 2013, 57 (60). 4 Breucker, NJW 2006, 1233 (1234). 5 Siehe hierzu: Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (MVStättV) in der Fassung vom Juni 2005, zuletzt geändert durch Beschluss der Fachkommission Bauaufsicht vom Februar 2010.

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

tungen deutlich höhere Risiko störender oder sogar strafbarer Verhaltensweisen durch Zuschauer oder sonstige Personen dar, das sich mitunter durch den Einsatz von körperlicher Gewalt kennzeichnet. Entgegen einzelner Stimmen besteht zwar keine unvermeidbare Symbiose zwischen Gewalt und dem Veranstalten von Fußballspielen6 – die überwiegende Zahl der durchschnittlich 80.000 Fußballspiele pro Wochenende verläuft friedlich7 – gleichwohl können, gerade im Zusammenhang mit Spielen in den oberen Spielklassen, störende Verhaltensweisen und Straftaten durch die Zuschauer nicht ausgeschlossen werden. Dieses Verhalten kann im Einzelfall nicht nur geeignet sein, den Ablauf der Veranstaltung zu stören, sondern auch hochrangige Rechtsgüter anderer, insbesondere die Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und das Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) und damit den öffentlichen Frieden als solches, bedrohen. Die Bekämpfung derartiger Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Durchführung von Fußballspielen fällt in den originären hoheitlichen Aufgabenkreis.

II. Verhaltensbezogene Störungen als spezifische Gefahr im Rahmen von Fußballspielen 1. Räumliche Ausdehnung verhaltensbezogener Störungen Mit dem Auftreten verhaltensbezogener Störungen im Rahmen von Fußballspielen muss nicht nur innerhalb des Stadions gerechnet werden. Auch abseits des Stadions kann es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen oder anderen störenden oder strafbaren Handlungen durch Zuschauer sowie anderen Personen kommen. Ein erhöhtes Risiko hierfür besteht, wenn die Anhänger der sich gegenüberstehenden Mannschaften im öffentlichen Raum aufeinandertreffen, und wird vor allem durch den Spielverlauf und das grundsätzliche Verhältnis der aufeinandertreffenden Vereine und ihrer Anhänger beeinflusst.8 Eine bestehende sportliche oder regionale Rivalität der beiden Vereine oder ein besonders dramatischer Spielverlauf können erheblich zu einer aufgeheizten bis feindseligen Stimmung zwischen den Anhängern der Vereine beitragen. Besonders sensible Orte, an denen es oftmals zu Störungen kommt, sind das unmittelbare Umfeld des Stadions, die Zu- und Abfahrtswege zum Stadion, das Stadtzentrum am jeweiligen Spielort sowie die üblicherweise ver6 Dramatisierend etwa Nolte, NVwZ 2001, 147 f., der von „bürgerkriegsähnlichen“ Zuständen spricht; sowie: Zimmermann, DPolBl 1990, 2 f.; dagegen: Rathgeb, in: Württembergischer Fußballverband (Hrsg.), Sicherheit im Stadion, S. 20 und Hennes, in: Württembergischer Fußballverband (Hrsg.), Sicherheit im Stadion, S. 34. 7 Spahn, in: Walker (Hrsg.), Hooliganismus, S. 10; Feltes, in: ders. (Hrsg.), Polizei und Fußball S. 9 ff. (10); Friederici, Sportbegeisterung und Zuschauergewalt, S. 94; Böhm, NJW 2015, 3000 (3001); Behnsen, NordÖR 2013, 1 ff. (3). 8 Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (Hrsg.), Wandel der Fankultur, S. 48, 53.

II. Verhaltensbezogene Störungen als spezifische Gefahr

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wendeten Nah- und Fernverkehrsmittel einschließlich der Bahnhöfe und Haltestellen.9 Das Risiko, dass es selbst an entlegenen Orten während der An- und Abreise zu Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der beteiligten Mannschaften kommt, steigt, wenn zwei Vereine einer dicht besiedelten Region aufeinander treffen, da sich in diesem Fall die Zuschauerströme beider Vereine stärker durchmischen und schwieriger steuern lassen.10 Um sich der Aufmerksamkeit der Polizei- und Sicherheitskräfte zu entziehen, verabreden sich einige Personen, die gezielt aus Anlass eines Fußballspiels die Auseinandersetzung mit Anhängern der gegnerischen Mannschaft suchen, bewusst an Örtlichkeiten abseits des Stadions (sogenannte Drittorte).11 Dieses Verhalten ist vor allem bei den sogenannten Hooligans zu beobachten.12 Sämtliche Orte, an denen es typischerweise zu Störungen kommt, weisen eine gewisse Vulnerabilität auf. Innerhalb des Stadions kann aufgrund der hohen Personendichte, schon von einer kleineren Störung eine Gefahr für eine Vielzahl von Personen ausgehen. Durch die baulichen Maßnahmen innerhalb des Stadions sowie die hohe Zahl an Sicherheitskräften kann diese Gefahr zwar eingegrenzt und – im Idealfall – auch schneller beherrscht, jedoch nicht gänzlich beseitigt werden. An öffentlichen Orten fehlt es in der Regel an vergleichbaren Vorkehrungen, um verhaltensbezogenen Störungen effektiv begegnen zu können. Da aber auch an diesen Orten mit einer erhöhten Personendichte im Rahmen von Fußballspielen gerechnet werden muss, besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass unbeteiligte Personen zu Schaden kommen.

2. Typologische Zuordnung verhaltensbezogener Störungen Das für Fußballspiele typische störende Verhalten der Zuschauer wird häufig unter dem Begriff „Fangewalt“ zusammengefasst und die für dieses Verhalten verantwortlichen Personen dementsprechend als Gewalttäter bezeichnet.13 Diese Begriffe sind in sprachlicher Hinsicht jedoch nicht passend, denn sie suggerieren einen Zusammenhang zur Gewaltkriminalität. Der Begriff „Fangewalt“ impliziert zudem, dass es um das Verhalten von Fußballfans geht. Dem Begriff des Fans liegt allerdings

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Diekhof, Fußball – ein Sport und seine Zuschauer, S. 47; Friederici, Sportbegeisterung und Zuschauergewalt, S. 108. 10 Ein Beleg dafür ist die höhere Zahl von „Transitsachverhalten“ bei Spielen zwischen Mannschaften aus Nordrhein-Westfalen. Vgl. ZIS, Jahresbericht Fußball, Saison 2014/2015, S.19. Zu den Ursachen des erhöhten Risikos bei „Derbys“: Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S. 28. 11 Gabler, Die Ultras, S. 26. 12 Vgl. Blaschke, Im Schatten des Spiels, Rassismus und Randale im Fußball, S. 75; Böttger, in: Rössner/Jehle (Hrsg.), Kriminalität, Prävention und Kontrolle, S. 327. 13 Martens, NJW 2016, 3691 (3694).

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

kein einheitliches, sozialwissenschaftliches Verständnis zu Grunde.14 Seine Verwendung kann daher schnell zu Missverständnissen führen. Mitunter wird bei dem Begriff Fan nämlich eine bestimmte innere Einstellung der Person – im Sinne einer gesteigerten Verbundenheit mit einem Fußballverein – vorausgesetzt.15 Bei der Gefahrenabwehr spielt die innere Einstellung einer Person allerdings keine Rolle. Entscheidend ist allein, ob jemand als Störer für die Verursachung einer Gefahr verantwortlich gemacht werden kann.16 Auch der Begriff der Gewalt ist irreführend, denn diesem liegt ein engeres Verständnis zu Grunde. So werden in der Kriminologie nur bestimmte Delikte zu den Gewaltdelikten oder zu Fällen von Gewaltkriminalität gezählt.17 Die Kategorie der Gewaltkriminalität umfasst in erster Linie Delikte schwerster Kriminalität und nimmt auf eine „eher enge, forensisch brauchbare Aggressions- und Gewaltdefinition Bezug“18. Diesem engeren Verständnis folgt der Begriff der Gewaltkriminalität im Sinne der polizeilichen Kriminalstatistik.19 Straftaten im Sinne dieses Gewaltbegriffs werden im Rahmen von Fußballspielen jedoch nur äußerst selten verwirklicht und sind demnach nicht „fußball- oder fantypisch“.20 Zu den typischen Handlungen, die regelmäßig bei Teilen der Zuschauer zu beobachten sind, gehören unter anderem das Werfen von Gegenständen auf das Spielfeld, das Abbrennen und Werfen von Feuerwerkskörpern, schriftliche oder mündliche Äußerungen herabwürdigenden Inhalts sowie das Anwenden körperlicher Gewalt.21 Typischerweise verwirklichte Delikte im Zusammenhang mit Fußballspielen sind Körperverletzung (§ 223 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB) und Beleidigung (§ 185 StGB).22 Diese Delikte werden aber klassischerweise nicht vom kriminologischen Gewaltbegriff erfasst. Ein Großteil der typischerweise bei Fußballspielen zu beobachtenden Störungen liegt vielmehr unterhalb der Schwelle zur Gewaltkriminalität, teilweise sogar unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit. Dies wird auch aus der Auflistung der Delikte deutlich, die gemäß der Errichtungsanordnung zur Datei Gewalttäter Sport eine Eintragung in dieser Datei zur Folge haben. Zu diesen Straftaten gehören: 14 Einige verwenden den Begriff synonym für alle Zuschauer eines Fußballspiels, z. B.: Friedmann, Polizei und Fans, S. 4; Heitmeyer/Peter, Jugendliche Fußballfans, S. 30 ff. Andere bezeichnen nur bestimmte Teile der Zuschauer als Fans, z. B.: Pilz/Silberstein, in: Pilz/ Schippert/Silberstein (Hrsg.), Das Fußballfanprojekt Hannover, S. 27. 15 Roose/Schäfer/Schmidt-Lux, in: Roose/Schäfer/Schmidt-Lux (Hrsg.), Fans, Soziologische Perspektiven, S. 12. 16 Gusy, Polizei und Ordnungsrecht, Rn. 334, 349 ff. 17 Jost, Gefährliche Gewalttäter?, S. 13. 18 Jost, Gefährliche Gewalttäter?, S. 13. 19 Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Übersicht Summenschlüssel, S. 3 f. 20 Vgl. ZIS, Jahresbericht Fußball, Saison 2016/2017, S. 33 ff. 21 Bruder/Göbbel/Hahn/Löffelholz/Pilz, in: Hahn/Pilz/Stollenwerk/Weis (Hrsg.), Fanverhalten, Massenmedien und Gewalt im Sport, S. 29; Feltes, in: ders. (Hrsg.), Polizei und Fußball, S. 10. 22 Vgl. Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 54.

II. Verhaltensbezogene Störungen als spezifische Gefahr

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- Straftaten unter Anwendung von Gewalt gegen – Leib und Leben oder – fremde Sachen mit der Folge eines nicht unerheblichen Schadens - Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) - gefährliche Eingriffe in den Verkehr (§§ 315 ff. StGB) - Störung öffentlicher Betriebe (§ 316b StGB) - Nötigung (§ 240 StGB) - Verstöße gegen das Waffengesetz - Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz - Landfriedensbruch (§§ 125, 125a, 126 Abs. 1 Nr. 1 StGB) - Hausfriedensbruch (§§ 123, 124 StGB) - Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) - Diebstahls- und Raubdelikte (§§ 242 ff., 249 ff. StGB) - Missbrauch von Notrufeinrichtungen (§ 145 StGB) - Handlungen nach § 27 Abs. 2 VersammlG - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) - Volksverhetzung (§130 StGB) - Beleidigung (§ 185 StGB) Diese Aufzählung bestätigt, dass die Delikte, denen die Behörden im Zusammenhang mit Fußballspielen eine besondere Bedeutung beimessen, nur wenig mit klassischer Gewaltkriminalität zu tun haben. Wegen der besonderen Sensibilität von Großveranstaltungen ist es ohnehin nur von nachrangiger Bedeutung, ob ein störendes Verhalten im Einzelfall strafbar ist oder nicht, entscheidend ist allein das Ausmaß der Gefahr, das von diesem Verhalten ausgeht. Auch die Bekämpfung nichtphysisch wirkender Beeinträchtigungen, wie Provokationen oder Beleidigungen, kann gegebenenfalls von hoher Bedeutung sein, da ein derartiges Verhalten ein erhebliches Eskalationspotential aufweisen kann.23 Es geht somit nicht darum, Personen an der Begehung von Delikten, die der Gewaltkriminalität zuzurechnen sind, zu hindern, sondern darum, diejenigen Handlungen zu bekämpfen, die die Sicherheit der Veranstaltung sowie die Rechts23

Fehlgehend: Kraft, Die Bekämpfung der Gewalt im Umfeld des Sports, S. 9, der nicht physisch wirkenden Handlungsweisen eine generell nachrangige Bedeutung im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Sicherheit einer Veranstaltung beimisst. Ein plakatives Gegenbeispiel aus der jüngeren Vergangenheit liefert Müller-Eiselt, VR 2014, 85 ff. Während eines Europapokalspiels hatten Anhänger des FC Schalke 04 im Fanblock eine Fahne mit einem Vergina-Stern auf rotem Grund gezeigt (Flagge der ehemaligen Jugoslawischen Teilrepublik Makeonien). Die Anhänger des gegnerischen Vereins, PAOK Saloniki, sahen in dieser Flagge eine Provokation und drohten damit, den Fanblock zu stürmen, um die Flagge zu entfernen.

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

güter anderer bedrohen. Aufgrund der Regelmäßigkeit, mit der störende Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Fußballspielen im Profi- und gehobenen Amateurbereich beobachtet werden können, ist bei Fußballspielen in den höheren Spielklassen grundsätzlich vom Vorliegen einer abstrakten Gefahr, mit der es zu störenden Handlungen einzelner Personen kommen kann, auszugehen.24 Dies rechtfertigt die Anwendung abstrakt-genereller Maßnahmen. Aus der abstrakten Gefahr störender Verhaltensweisen kann sich im Rahmen eines Fußballspiels aber jederzeit eine konkrete Gefahr entwickeln, die nur mit entsprechend geeigneten, konkreten Maßnahmen abgewehrt werden kann.

3. Soziologische Zuordnung verhaltensbezogener Störungen – „Problematische Zuschauergruppen“ Zu den Gruppierungen innerhalb der Fanszene, die regelmäßig im Zusammenhang mit störenden Verhaltensweisen im Rahmen von Fußballspielen auffällig werden, gehören die Ultra- und die Hooliganszene.25 Charakteristisch für die Ultraszene ist ihr besonders hoher Identifikationsgrad mit dem von ihnen unterstützten Verein und insbesondere der eigenen Ultraszene.26 Ultras treten in der Regel geschlossen auf und kennzeichnen sich durch ein besonders organisiertes Fanverhalten, das vor allem aus aufwendigen Choreographien, Fangesängen und Anfeuerungsrufen besteht.27 Sie betreiben auch zwischen den Spieltagen einen hohen zeitlichen Aufwand, um ihre Choreografien zu entwerfen und einzustudieren.28 Die Organisationsstrukturen der Ultragruppen und die von ihnen vertretenen Ideale weichen in Teilen voneinander ab und können nicht einheitlich beurteilt werden.29 Insbesondere ist das Verhältnis zur Gewalt stark von individuellen und regionalen Faktoren abhängig.30 Während an einigen Orten eine Radikalisierung einzelner Ultragruppen oder eine Überschneidung zur Hooliganszene festzustellen ist, bleiben die Ultragruppen an anderen Orten weitgehend unauffällig.31 Konfliktpotential besteht im

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Weller, NJW 2007, 960 (961); Fritzweiler, in: ders./Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, V 2 Rn. 20. 25 Statt vieler: Giurgi, Gewalt bei Sportereignissen, S. 28 f., 50 f. sowie: Niemeyer, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 33 ff. 26 U. a. Pilz/Behn/Klose/Schwenzer/Steffan/Wölki, Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball, S. 70 ff.; Friedmann, Polizei und Fans, S. 13 ff. 27 Gabler, Die Ultras, S. 60 ff. 28 Pilz/Behn/Klose/Schwenzer/Steffan/Wölki, Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball, S. 84 ff. 29 Sommerey, Die Jugendkultur der Ultras, S. 62. 30 Gabler, Die Ultras, S. 124 ff.; Friedmann, Polizei und Fans, S. 13; Klode, Pyrotechnik und Stadionverbote aus der Perspektive der Ultras, S. 19 ff. 31 Vgl. Klode, Pyrotechnik und Stadionverbote aus der Perspektive der Ultras, S. 19, 20.

II. Verhaltensbezogene Störungen als spezifische Gefahr

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Verhältnis zur Polizei, die für viele Ultras ein Feindbild darstellt, sowie zu anderen Ultragruppen.32 Im Gegensatz zu den Ultragruppen nehmen Hooligangruppen Fußballspiele vornehmlich zum Anlass, gewalttätige Handlungen vorzunehmen. Sie suchen in erster Linie die gezielte körperliche Auseinandersetzung mit rivalisierenden Hooligans, greifen gelegentlich aber auch andere Personen oder die Sicherheitskräfte an.33 Bei Teilen der Hooliganszene gibt es Überschneidungen zum Rockermilieu und rechtsradikalen Kreisen, so dass entsprechende Parallelen hinsichtlich der szenetypischen Motive und Straftaten zu beobachten sind.34 Der BGH betrachtet Hooligangruppen, die einen gewissen Organisationsgrad aufweisen und deren Zweck in erster Linie darin besteht, körperliche Auseinandersetzungen mit anderen Gruppierungen zu verabreden, als kriminelle Vereinigungen im Sinne des § 129 StGB.35

4. Zwischenfazit Bei Fußballspielen besteht grundsätzlich die abstrakte Gefahr, dass es zu störenden Verhaltensweisen kommt. Diese Gefahr besteht nicht nur innerhalb, sondern auch jenseits des Stadions und seiner unmittelbaren Umgebung. Anders als es die üblicherweise verwendeten Begrifflichkeiten suggerieren, drohen typischerweise keine störenden Handlungen, die der Gewaltkriminalität zuzuordnen sind. Die üblichen Störungen liegen vielmehr unterhalb dieser Schwelle, teilweise auch unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit. Dennoch kann störendes Verhalten zu Schäden an fremden Rechtsgütern führen und den sicheren Ablauf der Veranstaltung beeinträchtigen. Mit störendem Verhalten ist nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Stadions zu rechnen. Die abstrakte Gefahr, dass es im Rahmen von Fußballspielen zu störenden Verhaltensweisen kommt, kann in eine konkrete Gefahr umschlagen. In diesem Fall bedarf es der Anwendung konkreter Maßnahmen der Gefahrenabwehr, um die im Einzelfall bestehende Gefahr abzuwenden.

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Pilz, Deutsche Polizei 11/2005, 6 (10); Pilz/Behn/Klose/Schwenzer/Steffan/Wölki, Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball, S. 14, 176; nach Gabler, Die Ultras, S. 80, verstehen sich die Ultras als „Fan-Elite“. 33 Böttger, in: Rössner/Jehle (Hrsg.), Kriminalität, Prävention und Kontrolle, S. 330 ff.; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 52 f., Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 24, 25. 34 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 56 f.; Gensing, HoGeSa, Wie Hooligans rechte Brücken schlagen, Bundeszentrale für politische Bildung: http://www.bpb.de/politik/ex tremismus/rechtsextremismus/199362/hogesa-wie-hooligans-rechte-bruecken-schlagen, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019. 35 BGH, Urteil vom 22.1.2015, 3 StR 223/14 = BeckRS 2015, 04136.

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

III. Zuständigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden für die Abwehr von Gefahren im Rahmen von Fußballspielen 1. „Klassische“ Gefahrenabwehr Mit Ausnahme der beim Bund verbliebenen Kompetenzbereiche,36 haben gemäß Art. 70 Abs. 1 GG die Länder das Recht zur Gesetzgebung über das allgemeine Recht der Gefahrenabwehr. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, als wesentliches Element bei der Gewährleistung innerer Sicherheit, wird nach den Regelungen der einzelnen Länder den Polizei- und Ordnungsbehörden zugewiesen. Bei den von den Behörden abzuwehrenden Gefahren kann es sich sowohl um abstrakte als auch um konkrete Gefahren handeln.37 a) Schutz der öffentlichen Sicherheit Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger mit Hoheitsgewalt.38 Hinter dem Begriff der öffentlichen Sicherheit verbirgt sich somit ein ganzes Bündel unterschiedlicher Rechte und Rechtsgüter mit sowohl individual- als auch kollektivbezogener Schutzrichtung.39 Zur öffentlichen Sicherheit gehört jedoch nicht der Schutz der Durchführung eines Fußballspiels als solches, da es sich nicht um eine staatliche Veranstaltung handelt.40 Geschützt sind allerdings die Rechtsgüter derjenigen, die an der Veranstaltung beteiligt sind, also insbesondere der Vereine, Spieler und Zuschauer.41 Da die typischerweise im Zusammenhang mit Fußballspielen drohenden verhaltensbezogenen Störungen durch Zuschauer oder sonstige Personen mitunter eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, indem sie Leib, Leben, Gesundheit, Eigentum oder sonstige subjektive Rechte anderer bedrohen,42 fällt ihre Bekämpfung in den Aufgabenbereich der Polizei- und Ordnungsbehörden.

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Vgl. Art. 73 Abs. 1 GG: u. a. Nr. 5 Grenzschutz; Nr. 9a Abwehr von Gefahren durch den internationalen Terrorismus; Nr. 10a) Bundeskriminalamt; Nr. 10b) Verfassungsschutz; Nr. 10c) Gefahrenabwehr zum Schutz auswärtiger Belange des Bundes; Nr. 12 Waffen- und Sprengstoffrecht, Nr. 14 Kernenergie. 37 So bspw. Art. 2 Abs. 1 BayPAG; Allgemein zum Gefahrenbegriff: Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 101 ff. 38 Vgl. § 2 Nr. 2 BremPolG; Denninger, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, D 16. 39 Denninger, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, D 16. 40 Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 80 ff. 41 Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, S. 348, ders., Sport und Recht, S. 131. 42 Siehe oben Teil 1 II. 2.; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 64.

III. Zuständigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden für die Abwehr von Gefahren 37

b) Schutz der öffentlichen Ordnung Inhalt und Umfang des Schutzguts der öffentlichen Ordnung sind weniger klar umrissen, als im Fall der öffentlichen Sicherheit.43 Nach der gängigen Definition schützt die öffentliche Ordnung die Summe aller ungeschriebenen Regeln, die für ein geordnetes, friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft unabdingbar sind.44 Um ausufernden Eingriffsmöglichkeiten durch den Staat entgegenzuwirken, ist der Begriff der öffentlichen Ordnung in einem situativen und regionalen Kontext auszulegen.45 Das Schutzgut der öffentlichen Ordnung dürfte im Zusammenhang mit Fußballspielen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Zum einen, da es sich bei den typischen verhaltensbezogenen Störungen durch Zuschauer und sonstige Personen bereits häufig um Gefahren für die öffentliche Sicherheit handelt, zum anderen, weil eine Störung der öffentlichen Ordnung in aller Regel nur außerhalb der Stadionmauern zu befürchten sein dürfte. Innerhalb des Stadions bestehen in einem gewissen Umfang eigene gesellschaftliche und moralische Regeln, die das Schutzgut der öffentlichen Ordnung nahezu bedeutungslos werden lassen.46 Einige Verhaltensweisen, die im Rahmen von Fußballspielen typisch sind, können innerhalb des Stadions noch als sozialkonform bewertet werden, obwohl sie außerhalb des Stadions geeignet sind, das friedliche Zusammenleben zu gefährden.47 Exemplarisch sei auf das lautstarke Singen und Grölen von Schlachtrufen und Fangesängen mit teils provokativem Inhalt hingewiesen. Dieses Verhalten ist außerhalb des Stadions selbst unterhalb der Schwelle des § 117 OWiG (Unzulässiger Lärm) nur schwer hinnehmbar. Dies bedeutet nicht, dass die öffentliche Ordnung innerhalb des Stadions keinen Schutz genießt. Ihr Anwendungsbereich wird jedoch aufgrund der durch das positive Recht vorgegebenen Schwelle zur öffentlichen Sicherheit schmaler. Provokative Äußerungen (u. a. durch Fangesänge oder entsprechend gestaltete Transparente und Fahnen) können beispielsweise auch innerhalb des Stadions je nach ihrem Inhalt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen.48 Dabei müssen allerdings Inhalt und Reichweite der grundrechtlich gewährten Freiheiten auf Seiten des Senders (insbesondere die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1, 1. Hs. GG) und des Empfängers (Allgemeines Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 1 Abs. 1, Art. 2 43 Dies führt mitunter zu erheblicher Kritik, vgl.: Fechner, JuS 2003, 734 (734); Waechter, NVwZ 1997, 729 (734). 44 So die Legaldefinition in § 3 Nr. 2 SOG LSA, siehe auch: BVerfG, Beschluss vom 24.3.2001, 1 BvQ 13/01 = NJW 2001, 2069. 45 Fechner, JuS 2003, 734 (734, 738); Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz und Polizeiorganisationsgesetz, Art. 11 PAG Rn. 76; Wohl auch Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 314; a. A. u. a. Dietlein, in: ders./Hellermann (Hrsg.), Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 55, der sich dagegen ausspricht, regionale Gepflogenheiten zu berücksichtigen. 46 Heck, DPolBl 2001, 2 (3). 47 Breucker, SpuRt 2005, 154. 48 Müller-Eiselt, VR 2014, 85 ff.

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

Abs. 1 GG) ausreichend Berücksichtigung finden.49 Der mitunter übermäßige Alkoholkonsum im Zusammenhang mit Fußballspielen stellt per se weder innerhalb noch außerhalb des Stadions eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar.50 Er kann sich aber zu einer solchen Gefahr entwickeln und gegebenenfalls in eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit umschlagen.51 c) Vorbeugende Bekämpfung von Straftaten Zum klassischen Aufgabenspektrum der Polizei gehört nicht nur die Verfolgung von Straftaten, sondern auch deren Verhinderung.52 Neben der Gefahrenabwehr und der Verfolgung von Straftaten wird daher in einigen Landespolizeigesetzen auch die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten als polizeiliche Aufgabe erwähnt, während bei den Ordnungsbehörden eine entsprechende Aufgabenzuweisung fehlt. Die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten umfasst sowohl die Verhinderung künftiger Straftaten als auch die Strafverfolgungsvorsorge.53 Teile der Lehre betrachten die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten als eigenständige, zusätzliche Aufgabe.54 Diese Auffassung übersieht in ihrer Pauschalität jedoch, dass die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten den klassischen polizei- und ordnungsbehördlichen Aufgaben zugeordnet werden kann. Das Verhindern künftiger Straftaten wird bereits vom Begriff der Gefahrenabwehr umfasst und bedarf daher im Grunde keiner gesonderten Erwähnung.55 Der Zweck dieser Erwähnung erschließt sich in der Regel darin, dass einige Länder bei dieser Teilaufgabe der Gefahrenabwehr keine Beschränkung der Polizei auf eine Eilkompetenz vorsehen.56 Soweit aufgrund verhaltensbezogener Störungen im Zusammenhang mit Fußballspielen Straftaten zu befürchten sind, fällt deren Verhinderung somit in den Aufgabenbereich der Polizei und, jedenfalls dem Grunde nach, auch der Ordnungsbehörden. Die typologische Zuordnung der Strafverfolgungsvorsorge kann demgegenüber weniger eindeutig vorgenommen werden. Zur Strafverfolgungsvorsorge gehören 49 Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle (Hrsg.), Praxishandbuch Polizei- und Ordnungsrecht, § 1 Rn. 56. 50 Vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 28.7.2009, 1 S 2200/08 (juris) sowie Urteil vom 28.7.2009, 1 S 2340/08 (juris); Hecker, NVwZ 2010, 359 ff.; ders., NVwZ 2009, 1016 ff.; Ruder, NVwZ 2001, 1223; a. A. Faßbender, NVwZ 2009, 563 ff. (565 f.), der in bestimmten Fällen vom Vorliegen einer abstrakten Gefahr ausgeht. 51 VGH Mannheim, Urteil vom 28.7.2009, 1 S 2200/08 (juris). 52 Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 45. 53 Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 230; Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 142. 54 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 101; a. A.: Lepsius, JURA 2006, 929 (931); siehe auch: Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 53 f. 55 Graulich, NVwZ 2014, 685 (685). 56 Siehe u. a.: § 1 Abs. 1 S. 3 PolG NRW; § 2 BbgPolG; § 3 TH PAG; § 4 ASOG Bln.

III. Zuständigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden für die Abwehr von Gefahren 39

diejenigen Maßnahmen, die ein später zu erwartendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren erleichtern sollen.57 Präziser müsste man sie als die einer Straftat vorgelagerten Hilfsmaßnahmen beschreiben, die die Durchführung eines künftig erwarteten Strafverfahrens erleichtern sollen. Sie zählen nicht zu den Maßnahmen der Gefahrenabwehr, da Erschwernisse im Rahmen eines Strafverfahrens – mögen diese auch mit einem gewissen Ermittlungsaufwand verbunden sein – keine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne darstellen.58 Da es im Zeitpunkt ihrer Anwendung an einer bereits begangenen Straftat bzw. an einem Anfangsverdacht mangelt, können Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge auch nicht der Strafverfolgung im engeren Sinn, der u. a. in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommt, zugeordnet werden.59 Bei der Charakterisierung dieser Aufgabe handelt es sich keinesfalls um ein rein dogmatisches Problem, denn mit der Zuordnung der Strafverfolgungsvorsorge ist unmittelbar die Frage nach der gesetzgeberischen Kompetenz verbunden. Weil die Strafverfolgungsvorsorge weder eindeutig dem präventiven noch dem repressiven Handeln zugeordnet werden kann, handelt es sich bei ihr meines Erachtens um eine Aufgabe sui generes, die gemäß Art. 70 GG in die Regelungskompetenz der Länder fällt. Das Bundesverfassungsgericht nimmt allerdings eine andere Zuordnung vor. Es ordnet die Strafverfolgungsvorsorge seit seiner Entscheidung vom 27.7.2005 dem gerichtlichen Verfahren zu.60 Unter dem Aspekt der Finalität handele es sich um vorverlagerte Maßnahmen eines eventuellen Strafverfahrens.61 Nach dieser Rechtsprechung haben die Bundesländer gemäß Art. 72 Abs. 1 GG nur dann die Regelungskompetenz über die Strafverfolgungsvorsorge, wenn der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat. Das Bundesverfassungsgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Bund in Bezug auf die Verfolgung von Straftaten durch Telekommunikationsüberwachung abschließend von seiner Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch gemacht habe. Den Ländern stehe keine Kompetenz (mehr) zu, auf diesem Gebiet eigene Regelungen zur Strafverfolgungsvorsorge zu treffen.62 Diese Entscheidung kann allerdings nicht dahingehend gedeutet werden, den Ländern stünde überhaupt keine Kompetenz mehr über die Strafverfolgungsvorsorge zu.63 Es ist vielmehr im Einzelfall abhängig von der konkret vorgesehenen Maß57

Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 144. Graulich, NVwZ 2014, 685 (686); a. A.: Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, S. 252, der sie als eine Form vorverlagerter Gefahrenabwehr charakterisiert. 59 Kniesel/Paeffgen/Keppel/Zenker, Die Polizei 2011, 333 (339 f.); siehe auch: Graulich, NVwZ 2014, 685 (686). 60 BVerfG, Urteil vom 27.7.2005, 1 BvR 668/04 = BVerfGE 113, 348; zuvor bereits BVerfG, Beschluss vom 14.12.2000, 2 BvR 1741/99 = NStZ 2001, 328. 61 BVerfG, Urteil vom 27.7.2005, 1 BvR 668/04 = BVerfGE 113, 348, Rn. 99, 102. 62 BVerfG, Urteil vom 27.7.2005, 1 BvR 668/04 = BVerfGE 113, 348, (Ls.). 63 So wohl aber fälschlicherweise interpretiert von: Tegtmeyer/Vahle, Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen, § 1 Rn. 23 f. sowie einigen Ländern, die die Strafverfolgungsvorsorge in 58

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

nahme zu prüfen, ob der Bund von seiner Kompetenz abschließend Gebrauch gemacht hat.64 Für die offen durchgeführte Videoüberwachung wurde dies vom Bundesverfassungsgericht verneint.65 Diese Rechtsprechung mag aus funktionalen Erwägungen mit der Nähe der Strafverfolgungsvorsorge zum Strafverfahren begründet werden können,66 aus dogmatischer Perspektive sind indes Zweifel veranlasst. Im Hinblick auf die Durchbrechung der Grenzen des § 152 Abs. 2 StPO verdient die mitunter erhebliche Kritik Zustimmung.67 Die Anerkennung der Strafverfolgungsvorsorge als Aufgabe sui generes, wäre dogmatisch konsequenter und im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit vorzugswürdig gewesen, da der Gesetzgeber aufgefordert gewesen wäre, entsprechende Regelungen zu erlassen. Ungeachtet der Diskussionen um die Strafverfolgungsvorsorge gehört die Verhinderung von Straftaten im Zusammenhang mit der Durchführung von Fußballspielen jedoch stets zum Aufgabenbereich der Polizei- und Ordnungsbehörden.

2. Einschränkungen beim Schutz privater Rechte Zur Abwehr von Gefahren für private Rechte68 werden Polizei- und Ordnungsbehörden nur subsidiär tätig.69 Die Polizeigesetze drücken die gesetzgeberische Erwartung aus, dass sich der Bürger zunächst selbst um den Schutz seiner Rechte zu bemühen hat. Diese Erwartung ist in rechtsstaatlicher Hinsicht unbedenklich, da dem mündigen Bürger die Verteidigung seiner Rechte in einem gewissen Umfang zugemutet werden kann.70 Polizei- oder Ordnungsbehörden werden daher erst dann zum Schutz privater Rechte tätig, wenn es dem Betroffenen nicht mehr möglich ist, rechtzeitigen Rechtsschutz durch die Gerichte, also insbesondere vor Eintritt des zu

Ansehung der Rechtsprechung des BVerfG aus ihren Polizeigesetzen gestrichen haben, darunter: Brandenburg, Niedersachasen und Nordrhein-Westfalen, vgl. hierzu Kniesel/Paeffgen/ Keppel/Zenker, Die Polizei 2011, 333 (333). 64 BVerwG, Urteil vom 25.1.2012, 6 C 9/11 = NVwZ 2012, 757 (761); Söllner, in: Pewestorf/Söllner/Tölle (Hrsg.), Praxishandbuch Polizei- und Ordnungsrecht, § 18 Rn. 17; Graulich, NVwZ 2014, 685 (686 f.). 65 BVerwG, Urteil vom 25.1.2012, 6 C 9/11 = NVwZ 2012, 757. 66 Vgl. Lepsius, JURA 2006, 929 (936), der den Schutz individueller Freiheit durch die Entscheidung des BVerfG hervorhebt. 67 Überzeugend: Kniesel/Paeffgen/Keppel/Zenker, Die Polizei 2011, 333 (339 f.). 68 Vgl. die Legaldefinitionen in § 2 Nr. 2 BremPolG, § 3 Nr. 1 SOG LSA und § 54 Nr. 1 OBG TH; In einigen Ländern wird diese Aufgabe jedoch nur der Polizei und nicht den Ordnungsbehörden zugewiesen. Vgl.: § 1 Abs. 2 PolG NRW; § 1 Abs. 4 ASOG Bln., Art. 2 Abs. 2 BayPAG hierzu Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz und Polizeiorganisationsgesetz, Art. 2 PAG Rn. 30a; anders hingegen § 1 Abs. 3 POG RhlPf., § 2 Abs. 2 OBG TH, § 1 Abs. 3 HSOG. 69 Petri, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, G 834. 70 Stober, DÖV 2000, 261 (262).

III. Zuständigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden für die Abwehr von Gefahren 41

erwartenden Schadens, zu erlangen.71 Zudem muss ihm die Verwirklichung seines Rechts ohne polizei- oder ordnungsbehördliche Hilfe unmöglich oder zumindest wesentlich erschwert sein. In der Praxis verbleiben daher nur wenige Anwendungsfälle für ein polizei- oder ordnungsbehördliches Einschreiten zum Schutz privater Rechte.72 Demnach kommt ein behördliches Handeln in aller Regel nicht in Betracht, wenn ein störendes Verhalten der Zuschauer oder sonstiger Personen lediglich private Rechte beeinträchtigt, ohne dass gleichzeitig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliegt.

3. Schutz von Fußballspielen als Aufgabe der Polizei- und Ordnungsbehörden? Die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung umfassen nicht den Schutz der Durchführung von Fußballspielen als solches. Gleichwohl könnte der Schutz von Sportveranstaltungen – und damit auch der Schutz von Fußballspielen – wegen ihrer herausgehobenen Bedeutung für die Gesellschaft, zum polizei- und ordnungsbehördlichen Aufgabenkreis zählen. Eine explizite Übertragung dieser Aufgabe lässt sich den Gesetzen über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei- und Ordnungsbehörden nicht entnehmen. Es könnte sich aber beim Schutz von Sportveranstaltungen um eine staatliche Schutzpflicht handeln, für deren Erfüllung die staatlichen Behörden Sorge zu tragen haben. Eine ausdrücklich geregelte Pflicht des Staates, Sportveranstaltungen zu schützen, existiert nicht. Sie ist, anders als die Staatsaufgabe innere Sicherheit, dem Staatswesen auch nicht immanent.73 Innerhalb der Gesellschaft nimmt der Sport zwar eine bedeutende Rolle ein. So treiben große Teile der Bevölkerung entweder selbst Sport, engagieren sich in Sportvereinen oder sind dem Sport zumindest in der Rolle des Zuschauers verbunden.74 Im Rahmen großer internationaler Veranstaltungen, wie Olympia, Welt- oder Europameisterschaften werden die teilnehmenden Sportler sogar zu Repräsentanten ihrer Heimatländer und nicht selten strahlen gute

71 Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz und Polizeiorganisationsgesetz, Art. 2 PAG Rn. 32. 72 Dies dürfte insbesondere für den Schutz privater Rechte durch die Ordnungsbehörden gelten, der im Hinblick auf die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes selten schneller erreicht werden dürfte, als durch gerichtliche Inanspruchnahme. 73 Insbesondere besteht auch keine Förderungspflicht des Sports als Teil des staatlichen Kulturauftrags gem. Art. 5 Abs. 3 GG, vgl. Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 80 ff.; a. A.: Sport als Teil der „materiellen Verfassung“, Häberle, in: Becker/Bull/Seewald (Hrsg.), Festschrift für Werner Thieme, S. 28, 52. 74 So zählt der Deutsch Olympische Sportbund (DOSB) 27 Millionen Mitglieder in 90.000 Turn- und Sportvereinen, siehe: https://www.dosb.de/ueber-uns/mitgliedsorganisationen/, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019.

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

Ergebnisse im Sport positiv auf die Gesellschaft zurück.75 Die gesellschaftliche Bedeutung des Sports genügt jedoch nicht, um von ihr auf eine staatliche Schutzpflicht schließen zu können. Forderungen, die Förderung des Sports im Grundgesetz zu verankern, sind bislang stets ungehört geblieben.76 Hieraus im Umkehrschluss jegliche Schutzpflichten abzulehnen und sich auf die Gewährleistung des Individualsports, als Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG zu beschränken, griffe indes zu kurz. Hierfür gibt es zwei Gründe. Zum einen können sich bei der Durchführung von Sportveranstaltungen nicht nur die einzelnen Sportler, sondern auch die an der Sportveranstaltung beteiligten Vereine und Verbände auf ihre grundrechtlichen Freiheiten berufen. Neben der allgemeinen Handlungsfreiheit, werden Profisportler, Vereine und Verbände bei der Durchführung von Sportveranstaltungen auch durch die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG geschützt.77 Die Möglichkeit Sportveranstaltungen durchführen zu können, um den für den Sport notwendigen Wettkampf zu fördern, sich dem Publikum und den Sponsoren zu präsentieren und dadurch Einnahmen generieren zu können, ist für die Profisportler, Vereine und Verbände von mitunter existenzieller Bedeutung. Zudem fördern Sportveranstaltungen auch den Erhalt und die Entwicklung des Sports. Zum anderen finden sich, mit Ausnahme des Landes Hamburg, in allen Landesverfassungen der Bundesrepublik Deutschland Staatszielbestimmungen zur Förderung des Sports. Aus diesen Umständen lassen sich zwei Prinzipien herleiten. Erstens, ein grundsätzlicher Vorrang des Sports gegenüber anderen grundrechtlich nicht geschützten Verhaltensweisen. Zweitens, eine grundsätzliche Pflicht des Staates, die Durchführung von Sportveranstaltungen zu schützen. Weder aus den Grundrechten, noch aus den Staatszielbestimmungen ergeben sich indes konkrete Aufgaben der Polizei- und Ordnungsbehörden bzw. ein Anspruch der Sportler, Vereine oder Verbände in Form konkreter Schutzmaßnahen zu Gunsten von Sportveranstaltungen. Die Grundrechte und die Staatszielbestimmungen führen auch nicht zur Annahme eines allgemeinen Vorrangs des Sports gegenüber anderen hoheitlichen Aufgaben.78 75

Böhm, NJW 2015, 3000 (3001); Schmidt/Bünning, in: Höfling/Horst/Nolte (Hrsg.), Fußball, Motor des Sportrechts, S. 20; Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 37 ff. 76 Für die Einführung einer Sportförderungsklausel im Grundgesetz: Nolte, Sport und Recht, S. 81; ders., in: Müller (Hrsg.) Staat und Recht, S. 158 ff.; dagegen: Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 80. 77 Ob sich Sportvereine, als nicht-wirtschaftliche Vereine auf die Berufsfreiheit berufen können, ist allerdings umstritten. Pro: BVerwG, Urteil vom 22.12.1993, 11 C 46/92; a. A. Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, S. 117 f.; Für den Bereich des professionellen Fußballsports hat dieser Streit jedoch nahezu keine Relevanz mehr, da fast alle Profimannschaften inzwischen unter ausgegliederten Berufsfußballabteilungen, die als Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft organisiert sind, firmieren und sich somit auf ihre Berufsfreiheit berufen können. Siehe hierzu auch: Fuhrmann, Ausgliederung der Berufsfußballabteilungen, S. 36 ff.; Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 69 ff. 78 Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 85.

III. Zuständigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden für die Abwehr von Gefahren 43

Es besteht demnach kein Anspruch auf eine lückenlose Absicherung von Sportveranstaltungen durch den Staat.79 Er muss dem Sport aber denjenigen Rahmen ermöglichen, den er zu seiner Entfaltung benötigt.80 Dies führt dazu, dass alle staatlichen Behörden im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung den Schutz des Sports und seiner Veranstaltungen berücksichtigen müssen. Dies erfolgt in der Regel im Rahmen des behördlichen Ermessens.81 Unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr verbleibt den Behörden zwar stets ein Entscheidungsspielraum darüber, welche Maßnahmen sie im Einzelfall für geeignet, erforderlich und angemessen erachten. Im Einzelfall sind daher – trotz der grundsätzlichen Förderungspflicht – auch Maßnahmen gegen eine Sportveranstaltung denkbar. Die Behörden können die Veranstaltung sogar verbieten oder dem Veranstalter gewisse Pflichten zur Abwehr von Gefahren auferlegen.82 Das Verbot einer Sportveranstaltung kann aber nur durch äußerst gewichtige Gründe gerechtfertigt werden, da sich die staatliche Förderungspflicht zu Gunsten des Sports auswirkt.83 Die bereits dargestellten negativen Auswirkungen und potentiellen Störungen zu Lasten der Allgemeinheit, die typischerweise von Sportveranstaltungen ausgehen, genügen daher nicht, um ein Veranstaltungsverbot rechtfertigen zu können. Ein Veranstaltungsverbot ist vielmehr als ultima ratio zu betrachten und nur gerechtfertigt, wenn eine schwerwiegende Beeinträchtigung eines hochrangigen Rechtsguts droht, zu dessen Schutz keine anderen gleichermaßen geeigneten Mittel zur Verfügung stehen.84

4. Zwischenfazit Polizei- und Ordnungsbehörden sind grundsätzlich dazu berufen, die im Zusammenhang mit Fußballspielen auftretenden Gefahren durch störendes Verhalten der Zuschauer und anderer Personen abzuwehren. Dabei bestehen jedoch Einschränkungen, soweit es nur um den Schutz privater Rechte geht. Der Schutz der Sportveranstaltungen als solches ist zwar eine hoheitliche Aufgabe, die ihre Wurzeln im grundrechtlichen Schutz der Sportler, Vereine und Verbände sowie dem in den Landesverfassungen verankerten Sportförderungsauftrag hat, es handelt sich allerdings nicht um ein polizeiliches Schutzgut. Im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben haben aber die Polizei- und Ordnungsbehörden den Sportförderungs79

Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, S. 359 f. Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, S. 4. 81 Stern, in: Becker/Bull/Seewald (Hrsg.), Festschrift für Werner Thieme, S. 280. 82 BVerwG, Urteil vom 3.3.1994, 4 C 1/93 („Luftsicherheitsgebühr“) = NVwZ 1994, 1102; Stober, NJW 1997, 889 (893); Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, S. 228. 83 Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 85 f.; Stern, in: Becker/Bull/Seewald (Hrsg.), Festschrift für Werner Thieme, S. 282. 84 Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 266 f.; Behnsen, NordÖR 2013, 1 ff. (4, 6); Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 85 f., 166 ff. 80

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

auftrag und die Ausübung der grundrechtlichen Freiheiten der Beteiligten zu beachten.85 Das Verbot einer Sportveranstaltung kommt deshalb nur als ultima ratio in Betracht.

IV. Die Verantwortung nicht-hoheitlicher Akteure für die Sicherheit eines Fußballspiels Die Abwehr von Gefahren, die mit einem Fußballspiel verbunden sind, ist auch eine Aufgabe derjenigen, die für dessen Durchführung verantwortlich sind. Hierfür kommen Vereine, Verbände sowie Träger und Betreiber der jeweiligen Sportstätten in Betracht. Tatsächlich sind einige dieser Akteure in jeweils unterschiedlich großem Umfang zu Maßnahmen verpflichtet, um die sichere Durchführung der Veranstaltung zu gewährleisten und die von der Veranstaltung ausgehenden Gefahren abzuwenden.86 Diese Pflichten ergeben sich sowohl aus Normen des staatlichen Rechts, insbesondere des Zivil- und des öffentlichen Rechts, als auch aus dem nicht-staatlichen, sportlichen Innenrecht.

1. Staatliches Recht a) Vertragliche Schutzpflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB aa) Heimverein Auf Seiten des Heimvereins bestehen vor allem schuldrechtliche Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB gegenüber den Zuschauern sowie Verkehrssicherungspflichten gemäß § 823 Abs. 1 BGB gegenüber jedem, der mit der Veranstaltung in Berührung kommt. Zwischen dem Veranstalter eines Fußballspiels – in der Regel der Heimverein, in Ausnahmefällen ein Fußballverband87 – und dem Erwerber einer Eintrittskarte besteht ein Vertrag, nach dessen Inhalt der Veranstalter grundsätzlich dazu verpflichtet ist, die Veranstaltung durchzuführen sowie dem Inhaber der Karte die Ausübung der mit der Eintrittskarte verbundenen Rechte zu ermöglichen.88 Hierzu gehören das Zutrittsrecht zur Veranstaltung sowie das Recht, den jeweils auf der Karte angege85

Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 85. Weller, NJW 2007, 960 (961). 87 Stein, Haftungsrechtliche Folgen von Zuschauerausschreitungen bei Massensportveranstaltungen, S. 57; Stümper, Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Großsportveranstaltungen, S. 20 ff. 88 Zur Frage, ob schuldrechtliche Ansprüche beim witterungsbedingten Ausfall eines Tennisturniers bestehen, siehe: AG Halle/Westfalen, Urteil vom 15.11.1993, 7 C 311/93 = NJW-RR 1994, 884. 86

IV. Die Verantwortung nicht-hoheitlicher Akteure für die Sicherheit

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benen Platz einnehmen zu können.89 Gemäß § 241 Abs. 2 BGB wird der Veranstalter aber zusätzlich dazu verpflichtet, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen Teils Rücksicht zu nehmen. Dazu gehört die Verpflichtung, Leib, Leben, Gesundheit und Eigentum des Karteninhabers im Rahmen seines Stadionbesuchs zu schützen.90 Der Maßstab, den er bei Erfüllung dieser Pflicht einzuhalten hat, entspricht dem der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten gemäß § 823 Abs. 1 BGB.91 Demnach wird der Veranstalter nicht zur Gewährleistung absoluter Sicherheit verpflichtet, da diese nach allgemeiner Lebenserfahrung, auch bei Einhaltung größtmöglicher Sorgfalt, nicht erreicht werden.92 Es müssen aber diejenigen Vorkehrungen getroffen werden, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zu erwarten sind.93 Dabei kann der im Verbandsrecht definierte Sicherheitsaufwand einen Anhaltspunkt für das zu erwartende Schutzniveau bieten.94 Auch wenn das Verbandsrecht keine Außenwirkung hat, kann vom Veranstalter zumindest die Einhaltung derjenigen Sorgfalt erwartet werden, zu der er sich binnenrechtlich verpflichtet hat. Im Rahmen seiner Schutzpflichten hat der Veranstalter auch solche Gefahren abzuwehren, die durch ein vorsätzliches Verhalten Dritter hervorgerufen werden, sofern dieses Verhalten im Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis typischerweise zu erwarten und die Gefährdung des Vertragspartners somit vorhersehbar ist.95 Da im Rahmen von Fußballveranstaltungen jederzeit mit störendem Zuschauerverhalten gerechnet werden muss, ist der Veranstalter verpflichtet, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Zuschauer zu treffen und diese beim Auftreten konkreter Gefahren vor Schaden zu bewahren. bb) Gastverein Im Gegensatz zum Heimverein besteht auf Seiten des Gastvereins kein vertragliches Verhältnis gegenüber den Zuschauern. Der Verkauf von Eintrittskarten für 89 BGH, Urteil vom 30.10.2009, V ZR 253/08 = BeckRS 2009, 29234, Rn. 13; Stein, Haftungsrechtliche Folgen von Zuschauerausschreitungen bei Massensportveranstaltungen, S. 64; Richtsfeld, Das Rechtsverhältnis zwischen Sportveranstalter und Zuschauer, S. 73 ff. 90 Weller, NJW 2007, 960 (960 ff.). 91 Sutschet, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, § 241 Rn. 92 f. 92 BGH, Urteil vom 1.10.2013, VI ZR 369/12 = NZV 2014, 167; Stein, Haftungsrechtliche Folgen von Zuschauerausschreitungen bei Massensportveranstaltungen, S. 137. Köhler, in: Schild (Hrsg.), Rechtliche Aspekte von Sportgroßveranstaltungen, S. 15; Haas/Jansen, in: Arter/Baddeley (Hrsg.), Sport und Recht, Sicherheit im Sport, Bd. 5, S. 137 f. 93 BGH, Urteil vom 1.10.2013, VI ZR 369/12 = NZV 2014, 167; BGH, Urteil vom 11.12.1984, VI ZR 218/83 = NJW 1985, 1076; Fritzweiler, in: ders./Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, V 2 Rn. 20 und V 3 Rn. 84. 94 Dies entbindet die Gerichte aber nicht davon, diese Regelungen im Einzelfall einer strengeren Prüfung zu unterziehen, siehe: BGH Urteil vom 29.11.1983, VI ZR 137/82 = NJW 1984, 801; Haas/Jansen, in: Arter/Baddeley (Hrsg.), Sport und Recht, Sicherheit im Sport, Bd. 5, S. 136; Weller, NJW 2007, 960 (961). 95 BGH, Urteil vom 19.12.1989, VI ZR 182/89 = NJW 1990, 1236; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.6.2005, 7 U 104/04 = NJW-RR 2005, 1264.

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

seine Auswärtsspiele erfolgt ausschließlich und erkennbar im Namen des Heimvereins. Der Gastverein ist allerdings aufgrund der vertraglichen Abreden im Verhältnis zum Heimverein gemäß § 241 Abs. 2 BGB dazu verpflichtet, auf dessen Rechtsgüter und Interessen Rücksicht zu nehmen. Auch bei ihm lässt sich der Umfang seiner Schutzpflichten aus dem Verbandsrecht ableiten. Er hat daher Sorge dafür zu tragen, dass er keine Eintrittskarten an Personen veräußert, bei denen zu befürchten ist, dass sie im Rahmen des Spiels die Rechtsgüter und Interessen des Heimvereins bedrohen.96 Sollte der Gastverein Kenntnis davon erlangen, dass eine Person, bei der diese Befürchtung zutrifft, eine Karte aus dem Gästekontingent erhalten hat, hat er den Heimverein hiervon in Kenntnis zu setzen.97 cc) Verbände, Träger und Betreiber von Fußballstadien Auf Seiten der Fußballverbände sowie der Träger und Betreiber von Fußballstadien kommen keine vertraglichen Schutzpflichten in Betracht, die sie zu einem Vorgehen gegen störendes Zuschauerverhalten verpflichten könnten. b) Verkehrssicherungspflichten gemäß § 823 Abs. 1 BGB aa) Heimverein Gemäß § 823 Abs. 1 BGB hat derjenige, der eine Gefahrenlage schafft oder aufrechterhält, geeignete Maßnahmen zu treffen, damit Personen, die mit dieser Gefahrenquelle in Berührung kommen, keine Schäden erleiden.98 Diese allgemeine Verkehrssicherungspflicht ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil sie, anders als die Schutzpflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB, auch gegenüber Dritten besteht, die nicht durch vertragliche Schutzpflichten geschützt sind.99 Adressat der Verkehrs96 Die Gefahr, dass sich rivalisierende Fangruppen im Stadion durchmischen ist ein Grund, weshalb Vereine einen freien Handel von Eintrittskarten durch Dritte überwiegend versuchen zu unterbinden, siehe hierzu: Summerer, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, IV 2 Rn. 62; Diese Maßnahmen entbinden den Heimverein jedoch nicht, seinerseits geeignete Maßnahmen zu treffen, um ein Aufeinandertreffen rivalisierender Fangruppen im Stadion zu unterbinden, vgl. BGH, Urteil vom 11.9.2008, I ZR 74/06 = BGHZ 178, 63, Rn. 42 ff. (bundesligakarten.de). 97 Haslinger, Zuschauerausschreitungen und Verbandssanktionen im Fußball, S. 205; Schulze, in: ders. (Hrsg.), HK-BGB, § 241 Rn. 7. 98 Sprau, in: Palandt, BGB, § 823 Rn. 46; Förster, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, § 823 Rn. 292 mit Verweis auf die wegweisende Rechtsprechung des Reichsgerichts, vgl. Reichsgericht, Urteil vom 23.2.1903, VI 349/02 = RGZ 54, 53 (55 ff.) sowie Urteil vom 30.1.1902, VI 208/02 = RGZ 52, 373 ff. 99 In Betracht kommen z. B. Absicherungspflichten gegenüber der Umgebung vor abirrenden Bällen: OLG Brandenburg, Urteil vom 16.4.2002, 2 U 44/01 = NVwZ 2002, 1145; LG Mainz, Urteil vom 31.8.2005, 3 S 89/05 = BeckRS 2011, 11703; LG Arnsberg, Urteil vom 18.6.2008, 3 S 33/08 = BeckRS 2008, 21386; hierzu auch: Heermann, in: Arter/Baddeley (Hrsg.), Sport und Recht, Sicherheit im Sport, Bd. 5, S. 197 f.; Schutz der Nachbarschaft:

IV. Die Verantwortung nicht-hoheitlicher Akteure für die Sicherheit

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sicherungspflicht ist grundsätzlich der Heimverein, da er über die maßgebliche Organisationsgewalt im Zusammenhang mit der Veranstaltung verfügt.100 Er hat daher auch gegenüber Dritten geeignete Maßnahmen zu treffen, damit diese im Zusammenhang mit der Veranstaltung keine Schäden erleiden.101 bb) Gastverein Den Gastverein treffen ebenfalls Verkehrssicherungspflichten, da er durch seine Teilnahme an der Veranstaltung zur Schaffung einer Gefahrenquelle beiträgt.102 Demnach hat er im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht Vorkehrungen bei der Veräußerung von Eintrittskarten zu treffen und den Heimverein über drohende Störungen durch auswärtige Zuschauer zu informieren.103 Bei sogenannten Risikospielen, also Spielen, bei denen von vornherein eine erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, dass es zu störendem Zuschauerverhalten kommt, kann der Gastverein dazu verpflichtet sein, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um Störungen durch seine Anhänger zu unterbinden.104

Fritzweiler, in: ders./Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, I 2 Rn. 117 ff.; Denkbar sind u. a. Fälle des fehlerhaften Vertragsschlusses (z. B. §§ 105, 108 Abs. 1 BGB), Fälle, in denen sich eine Person unbefugt Zutritt zum Stadion verschafft oder Fälle in denen eine Person auf Einladung des Vereins Zutritt zum Stadion erhält; eine Haftung in solchen Fällen bejaht Heermann, in: Arter/Baddeley (Hrsg.), Sport und Recht, Sicherheit im Sport, Bd. 5, S. 194 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 21.2.1978, VI ZR 202/76 = NJW 1978, 1629; differenzierter hingegen Sprau, in: Palandt, BGB, § 823 Rn. 47, der die Haftung davon abhängig macht, ob sich eine Gefahr verwirklicht hat, die beim Befugten nicht eingetreten wäre, mit Verweis auf BGH, Urteil vom 11.12.1956, VII ZR 20/56 = NJW 1957, 499; a. A. Stein, Haftungsrechtliche Folgen von Zuschauerausschreitungen bei Massensportveranstaltungen, S. 136. 100 Stein, Haftungsrechtliche Folgen von Zuschauerausschreitungen bei Massensportveranstaltungen, S. 57; Stümper, Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Großsportveranstaltungen, S. 20 ff. 101 Sprau, in: Palandt, BGB, § 823 Rn. 48, 51. 102 Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, S. 121 ff. (123); Haas/Jansen, in: Arter/Baddeley (Hrsg.), Sport und Recht, Sicherheit im Sport, Bd. 5, S. 137. 103 Haslinger, Zuschauerausschreitungen und Verbandssanktionen im Fußball, S. 205; AG Koblenz, Urteil vom 21.2.2003, 411 C 367/03 = BeckRS 2003, 16349; Fritzweiler, in: ders./ Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, V 2 Rn. 20; Bachmann, in: Säcker/ Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), MüKo BGB II, § 241 Rn. 101, 108. 104 Beispielsweise durch Begleitung der eigenen Zuschauer mit eigenen Ordnungskräften, siehe: Art. 55 Abs. 2 i. V. m. Art. 56 Anhang VI zur LO DFL (Regelwerk für Stadien und Sicherheit); lediglich empfehlend hingegen: § 32 Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen des DFB.

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

cc) Verbände Tritt ein Fußballverband als Veranstalter auf, treffen ihn dieselben Verkehrssicherungspflichten wie den Heimverein.105 Die bloße Organisation sportlicher Wettbewerbe genügt indes noch nicht, um vom Erschaffen einer Gefahrenquelle auszugehen.106 Durch die Vorgabe des organisatorischen Rahmens eines Wettbewerbs gibt ein Fußballverband zwar den entsprechenden Anlass, um Spiele innerhalb dieses Wettbewerbs auszutragen, die konkrete Art der Durchführung bleibt aber, ungeachtet verbandsrechtlicher Regelwerke, in der Verantwortung der beteiligten Vereine. dd) Träger und Betreiber von Sportstätten Träger und Betreiber von Sportstätten treffen eigene Verkehrssicherungspflichten. In der Regel delegieren sie die Wahrnehmung dieser Pflichten aber an den Heimverein.107 Das Delegieren von Verkehrssicherungspflichten ist zwar grundsätzlich möglich, entbindet jedoch nicht gänzlich von ihrer Wahrnehmung in eigener Verantwortung. Träger und Betreiber einer Sportstätte bleiben dazu verpflichtet, die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflichten durch den Heimverein zu kontrollieren und müssen sich vorab von seiner Sachkunde und Eignung überzeugen.108 Erkennt der Träger oder Betreiber einer Sportstätte, dass eine Gefahrenlage vorliegt, ist er selbst dazu verpflichtet, für Abhilfe zu sorgen.109 c) Öffentliches Recht Aus dem öffentlichen Recht ergeben sich vor allem sicherheitsbezogene Pflichten für die Träger und Betreiber von Sportstätten. Hier muss insbesondere auf die in derzeit 14 Bundesländern erlassenen Versammlungsstättenverordnungen (VStättV bzw. VStättVO) hingewiesen werden.110 Im Sinne der VStättV trägt stets der Betreiber die Verantwortung für die Sicherheit der Veranstaltung und die Einhaltung der 105 Stein, Haftungsrechtliche Folgen von Zuschauerausschreitungen bei Massensportveranstaltungen, S. 55; Stümper, Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Großsportveranstaltungen, S. 22. 106 Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S. 50; Böhm, NJW 2015, 3000 (3001). 107 Ständige Rechtsprechung, siehe: BGH, Urteil vom 22.1.2008, VI ZR 126/07 = NZV 2008, 240. 108 OLG Saarbrücken, Urteil vom 16.5.2006, 4 UH 711/04 = NJW-RR 2006, 1165; Heermann, in: Arter/Baddeley (Hrsg.), Sport und Recht, Sicherheit im Sport, Bd. 5, S. 201; Köhler, in: Schild (Hrsg.), Rechtliche Aspekte von Sportgroßveranstaltungen, S. 22. 109 Martin, DS 2007, 130 (131). 110 Lediglich Bremen und Thüringen haben keine entsprechenden Verordnungen erlassen. Nordrhein-Westfalen hat seine zuvor erlassene VStättVO 2009 im Wesentlichen unverändert in eine neue Verordnung (SBauVO) übertragen.

IV. Die Verantwortung nicht-hoheitlicher Akteure für die Sicherheit

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Verordnung.111 Diese Verantwortung besteht unabhängig davon, ob der Betreiber zugleich Träger (Eigentümer) der Sportstätte, Veranstalter (regelmäßig der Heimverein) oder lediglich ein mit der wirtschaftlichen Verwertung der Sportstätte beauftragter Dritter ist.112 Von besonderer Bedeutung für den Betreiber sind die in §§ 38, 43 MVStättV geregelten Pflichten. Demnach muss der Betreiber bei der Veranstaltung anwesend sein (§ 38 Abs. 2 MVStättV), soweit es die Veranstaltung erfordert. Des Weiteren muss er ein Sicherheitskonzept aufstellen und einen Ordnungsdienst einrichten (§ 43 Abs. 1 MVStättV) sowie die Zusammenarbeit von Ordnungsdienst, Brandsicherheitswache und Sanitätswache mit der Polizei, der Feuerwehr und dem Rettungsdienst gewährleisten (§ 38 Abs. 3 MVStättV).

2. Verbandsrecht Nehmen die an einem Fußballspiel beteiligten Vereine an einem Wettbewerb teil, haben sie sich dem Verbandsrecht desjenigen Verbandes zu unterwerfen, der den Wettbewerb organisiert.113 Die Verbandslandschaft im deutschen Fußball ist geprägt von der Parallelität mehrerer Regional- und Landesverbände.114 Der DeutscheFußball-Bund (DFB) fungiert dabei als Dachverband im deutschen Amateur- und Profifußball. Mitglieder des DFB sind alle Regional- und Landesverbände sowie der Ligaverband.115 Der DFB ist selbst Mitglied der internationalen Fußballverbände FIFA und UEFA116 und sorgt für die Durchsetzung der internationalen Fußballregeln innerhalb seines Einflussbereiches.117 Mannschaften, die an der ersten und zweiten Bundesliga118 teilnehmen, sind Mitglieder des Ligaverbandes.119 Für Spiele der ersten beiden Bundesligen gelten daher die besonderen Bestimmungen des Ligaverbands (bzw. der Deutschen Fußball Liga GmbH „DFL“, die der Ligaverband zur Erfüllung seines Zwecks und seiner Aufgaben gegründet hat120) neben den allge111 112 113 114

DFB. 115

Vgl. § 38 Abs. 1 MVStättV. Martin, DS 2007, 103 (105). Vgl. § 14 Nr. 1 c) Satzung des DFB; § 1 Nr. 3 Lizensierungsordnung der DFL. Derzeit bestehen fünf Regionalverbände und 21 Landesverbände, vgl. § 7 Satzung des

§ 7 Nr. 2 a), b) Satzung des DFB; Der Ligaverband ist der Zusammenschluss der lizensierten Vereine und Kapitalgesellschaften, die an der ersten und zweiten Bundesliga teilnehmen, vgl. Ligaverband (Hrsg.), Satzung Gesellschaftsvertrag Deutsche Fußball Liga DFL Deutsche Fußball Liga GmbH, Präambel. 116 § 3 Nr. 1 und 2 Satzung des DFB. 117 § 4 Nr. 1 d) Satzung des DFB. 118 Gemeint sind die erste und zweite Fußballbundesliga der Männer; für die Durchführung der Fußballbundesliga der Frauen ist der DFB zuständig, vgl. § 1 Nr. 1 Statut Frauen-Bundesliga und 2. Frauen-Bundesliga. 119 § 7 Satzung Die Liga – Fußballverband e.V. (Ligaverband). 120 § 4 Nr. 2 Satzung Die Liga – Fußballverband e.V. (Ligaverband).

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

meinen Regeln des DFB.121 Für den DFB-Pokal und die dritte Liga gelten allein die Regelungen des DFB.122 In den Ligen unterhalb der dritten Liga und den regionalen Pokalwettbewerben sind die Regelungen der jeweiligen Regional- und Landesverbände maßgeblich.123 Bei internationalen Begegnungen gelten die Regelungen der UEFA oder der FIFA.124 Unabhängig davon, welches Verbandsrecht im Einzelfall zur Anwendung kommt, finden sich in jedem verbandsrechtlichen Regelwerk neben den Regeln, die die Durchführung des Fußballspiels als solches bestimmen, auch Regelungen zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung bei Fußballspielen.125 Demnach müssen gewisse Rahmenbedingungen erfüllt sein, um ein Spiel in einem Verbandswettbewerb austragen zu dürfen.126 Darunter fallen Vorgaben zur Trennung von Fangruppen sowie zur Überwachungstechnik im Stadion.127 Ferner werden auch Anforderungen und organisatorische Strukturen zum Einsatz von privaten Sicherheitskräften und bei der Durchführung der Einlasskontrolle vorgegeben.128 Grundsätzlich ist nach dem Verbandsrecht stets der Heimverein für die „einwandfreie Abwicklung“ eines Fußballspiels verantwortlich und zwar auch dann, wenn das Spiel nicht auf einem vereinseigenen Platz stattfindet.129 Einzelne Pflichten treffen aber auch den Gastverein, beispielsweise beim Verkauf von Eintrittskarten für Auswärtsspiele.130 121 § 4 Nr. 1 a) Satzung Die Liga – Fußballverband e.V. (Ligaverband) i. V. m. Präambel der Satzung des Gesellschaftsvertrags Deutsche Fußball Liga, DFL Deutsche Fußball Liga GmbH und § 1 Nr. 3 Lizensierungsordnung der DFL. 122 § 4 Nr. 1 g) Satzung des DFB. 123 So z. B. für die Regionalliga West der Westdeutsche Fußball und Leichtathletik Verband (WFLV): § 1 Statut für die Regionalliga West oder für die Regionalliga Bayern der Bayerische Fußballverband (BFV): § 1 Abs. 1 Regionalligaordnung des BFV. 124 Vgl. Artikel 49, 50 UEFA Statuten (2014) sowie insbesondere Art. 1 UEFA-Sicherheitsreglement (2006); Art. 80 ff. FIFA Statuten (April 2015) und Art. 1 FIFA Reglement für Stadionsicherheit. 125 Vgl. im Allgemeinen: FIFA, Reglement für Stadionsicherheit; UEFA, UEFA-Sicherheitsreglement; DFB, Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen; BFV, Sicherheitsrichtlinie für den Spielbetrieb in der Regionalliga Bayern. 126 So z. B. § 6 Nr. 2 Lizensierungsordnung der DFL (LO DFL) i. V. m. Anhang VI (Regelwerk für Stadien und Sicherheit – Anforderungen an Fußballstadien in baulicher, infrastruktureller, organisatorischer und betrieblicher Hinsicht) oder exemplarisch für den Amateurfußball: § 7 Abs. 1 Regionalligaordnung Bayern. 127 Exemplarisch in Anhang VI LO DFL (Regelwerk für Stadien und Sicherheit), zum Fassungsvermögen: Art. 8; zu den Tribünen: Art. 6, 9, 28 ff.; zur Trennung von Fangruppen: Art. 31; zu den Flucht- und Rettungswegen: Art. 66; zur Überwachungstechnik: Art. 21. 128 Art. 51 Anhang VI LO DFL (Regelwerk für Stadien und Sicherheit). 129 Vgl. § 3 Nr. 1 RIL-SPOL; § 20 Durchführungsbestimmungen zur Spielordnung des DFB. 130 Vgl. bspw. § 3 Richtlinien zur Spielordnung des Ligaverbandes (RIL-SPOL). Gem. § 3 Nr. 4 Abs. 3 c) ist der Gastverein bspw. verpflichtet, angemessene Anstrengungen zu unternehmen, damit Karten aus dem Gästekontingent auch nur an Anhänger des Gastvereins verkauft werden; Gem. Art. 50 Abs. 1 Anhang VI LO DFL (Regelwerk für Stadien und Sicherheit) muss

V. Maßnahmen nicht-hoheitlicher Akteure zur Gewährleistung der Sicherheit

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Die Relevanz sicherheitsrechtlicher Belange im Verbandsrecht zeigt sich in den umfangreichen Organisations- und Nachweispflichten der Vereine gegenüber den Verbänden. So müssen innerhalb des jährlich durch die Vereine zu durchlaufenden Lizensierungsverfahren nicht nur wirtschaftliche, sondern auch infrastrukturelle und sicherheitstechnische Kriterien erfüllt werden.131 Bei schwerwiegenden Verstößen gegen die verbandsrechtlichen Pflichten zur Gewährleistung der Sicherheit kann einem Verein die Lizenz zur Teilnahme am Wettbewerb entzogen werden.132

3. Zwischenfazit Eine Verantwortung für die Gewährleistung der Sicherheit im Rahmen von Sportveranstaltungen trifft auch die an der Veranstaltung beteiligten Privatrechtssubjekte, also die Vereine, Verbände sowie die Träger und Betreiber der jeweiligen Sportstätten. Wesentliche Pflichten treffen vor allem den Heimverein als Veranstalter. Dazu gehören die vertraglichen Schutzpflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB sowie die Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Inhaltlich muss der Heimverein zumindest diejenige Sorgfalt beachten, zu der sich selbst nach den Regelungen des Verbandsrechts verpflichtet hat.

V. Maßnahmen nicht-hoheitlicher Akteure zur Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen 1. Maßnahmen der Vereine Zu den wesentlichen Maßnahmen der Vereine, die der Sicherheit und Ordnung im Rahmen von Fußballspielen dienen, zählen der Einsatz von Ordnungskräften, die Einlasskontrollen an den Zugängen zum Stadion, eventuelle Beschränkungen beim Verkauf von Eintrittskarten sowie das Aussprechen von Stadionverboten. a) Vor-Ort Maßnahmen aa) Einsatz und Maßnahmen von Ordnungskräften Innerhalb des Stadions und auf dem Stadiongelände setzen die Heimvereine bei ihren Spielen zur Innen- und Außensicherung des Stadions private Ordnungskräfte bei Spielen mit erhöhtem Risiko auch der Sicherheitsbeauftragte des Gastvereins anwesend sein. 131 § 2 Abs. 1 LO DFL; für die 3. Liga erfolgt die Zulassung durch Zulassungsvertrag, der ähnliche Kriterien wie § 2 Abs. 1 LO DFL vorsieht, siehe § 6 Statut 3. Liga i. V. m. den Richtlinien zur Zulassung zur 3. Liga. 132 § 10 LO DFL bzw. § 3 Statut 3. Liga (DFB).

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

ein.133 Dabei handelt es sich um Angestellte des Vereins oder um einen beauftragten privaten Sicherheitsdienst.134 Die vom Heimverein eingesetzten Ordnungskräfte werden auf der Grundlage seines zivilrechtlichen Hausrechts tätig.135 Dieses übt der Heimverein entweder als Eigentümer der Sportstätte oder aufgrund vertraglicher Ermächtigung anstelle des Trägers oder Betreibers aus.136 Durch Einbeziehung entsprechend formulierter AGB sind die Zuschauer dazu verpflichtet, den Anweisungen des Ordnungsdienstes Folge zu leisten.137 Weder aus den AGB noch aus dem Hausrecht leitet sich allerdings eine Befugnis der Ordnungskräfte zum Einsatz von Zwangsmitteln ab.138 Einzelne Maßnahmen der Ordnungskräfte, die jenseits hausrechtlicher Befugnisse liegen, können daher allenfalls gemäß § 127 Abs. 1 StPO, §§ 228, 904 BGB, §§ 32, 34, 35 StGB gerechtfertigt bzw. entschuldigt sein.139 Zur Durchsetzung des Hausrechts sind die Ordnungskräfte dazu befugt, den Zuschauern gegenüber Weisungen zu erteilen und diesen den Zutritt zum Stadion oder zu bestimmten Bereichen zu verweigern.140 Zur Gewährleistung der Sicherheit der Veranstaltung trägt vor allem die Durchführung der Eingangskontrolle durch die Ordnungskräfte bei. Neben der Aufforderung, die Eintrittskarte vorzuzeigen, umfasst die Eingangskontrolle das Abtasten der Besucher auf verbotene Gegenstände sowie die Kontrolle eventuell mitgeführter weiterer Kleidungsstücke und Taschen.141 Verweigert sich ein Zuschauer ihrer Durchführung, kann ihm der Einlass verwehrt 133 Markert/Schmidbauer, in: Schild (Hrsg.), Rechtliche Aspekte von Sportgroßveranstaltungen, S. 56. 134 Gemäß § 26 Abs. 3 Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen (DFB) ist der Einsatz eines professionellen Ordnungsdienstes gemäß § 34a GewO an bestimmten sicherheitsrelevanten Orten des Stadions verpflichtend; Friedmann, Polizei und Fans, S. 30 f. 135 Im Umfang der Übertragung der hausrechtlichen Befugnisse auf den Ordnungsdienst durch den Veranstalter, Müller-Eiselt, GewArch 2014, 232 (233); Auch professionelle Sicherheitsdienste, die für die Ausübung ihres Gewerbes einer Genehmigung gem. § 34a GewO bedürfen, erhalten durch die Genehmigung nicht das Recht, hoheitliche Befugnisse auszuüben. Stober, NJW 1997, 889 (889). 136 Haslinger, Zuschauerausschreitungen und Verbandssanktionen im Fußball, S. 25 ff. 137 Stümper, Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Großsportveranstaltungen, S. 90 f.; Breucker, NJW 2006, 1233; zu den Grenzen derartiger Klauseln siehe: OLG Naumburg, Urteil vom 10.9.1996, 9 U 119/96 = BeckRS 1996, 31214310. 138 Stümper, Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Großsportveranstaltungen, S. 94; Müller-Eiselt, GewArch 2014, 232 (233). 139 Stümper, Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Großsportveranstaltungen, S. 93 f.; kritisch hingegen: Jeand’Heur, AöR 1994, 107 (128), der darauf hinweist, dass die als Ausnahme gedachten Notrechte nicht als Standardbefugnisse privater Sicherheitsdienste missbraucht werden dürfen. 140 Haslinger, Zuschauerausschreitungen und Verbandssanktionen im Fußball, S. 25 ff.; Stümper, Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Großsportveranstaltungen, S. 94 f. 141 Siehe Art. 60 Anhang VI zur LO DFL und § 22 Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen (DFB); Friedmann, Polizei und Fans, S. 31.

V. Maßnahmen nicht-hoheitlicher Akteure zur Gewährleistung der Sicherheit

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werden.142 Wird im Rahmen der Einlasskontrolle ein nach der Hausordnung verbotener Gegenstand aufgefunden, wird dem Zuschauer entweder mit seinem Einverständnis der Gegenstand abgenommen oder der Einlass ins Stadion verwehrt.143 Hat sich der Betroffene durch das Mitführen des Gegenstandes strafbar gemacht,144 kann der Ordnungsdienst die Person gemäß § 127 Abs. 1 StPO vorläufig festnehmen.145 In aller Regel behalten sich die Heimvereine zudem in ihren AGB das Recht vor, Zuschauer bei dem Verdacht einer erheblichen Alkoholisierung von der Veranstaltung auszuschließen.146 Auch nach dem Einlass kann eine Person jederzeit bei Verstößen gegen die Hausordnung von den Ordnungskräften des Stadions verwiesen werden.147 Dies wird insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn von einer Person aufgrund ihres Verhaltens die Rechtsgüter Dritter oder des Vereins bedroht sind oder bereits Schaden genommen haben. bb) Einsatz automatisierter Kontroll- und Überwachungssysteme Der Einsatz privater Ordnungskräfte wird zunehmend durch den Einsatz moderner Überwachungssysteme flankiert. Auch diese Maßnahmen erfolgen auf Grundlage des zivilrechtlichen Hausrechts. Nach dem Verbandsrecht sind die Vereine dazu verpflichtet, Videoüberwachungssysteme mit Zoomfunktion zu installieren, die auf die Zuschauerwege, die Zuschauerplätze und die Außenbereiche vor den Eingängen ausgerichtet sind. Dabei haben sowohl der private Ordnungsdienst, 142 Auch insoweit besteht kein Recht zur zwangsweisen Durchsetzung, vgl.: Deusch, in: Vieweg (Hrsg.), Prisma des Sportrechts, S. 118. 143 Art. 60 Abs. 4 Anhang VI zur LO DFL sowie § 22 Abs. 4 Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen (DFB); Beim Auffinden gewisser Gegenstände (bspw. Pyrotechnik) kann der Einlass wohl selbst dann verweigert werden, wenn der Zuschauer auf das Mitführen des verbotenen Gegenstands verzichtet. Das Auffinden eines verbotenen Gegenstandes kann geeignet sein, den Verdacht zu begründen, dass der Betroffene nicht gewillt ist, die Hausordnung zu respektieren. An eine derartigen Schlussfolgerung sind keine erhöhten Anforderungen zu stellen, siehe: BGH, Urteil vom 30.10.2009, V ZR 253/08 = NJW 2010, 534; Die Grenze der Ausübung des Hausrecht wird durch das Willkürverbot gem. § 826 BGB markiert, AG Dortmund, Urteil vom 1.8.2013, 435 C 1010/13 = BeckRS 2014, 20612, bestätigt durch LG Dortmund, Urteil vom 23.9.2014, 1 S 299/13 = NJW-RR 2015, 407. Zu den Grenzen eines Hausverbots auf Verdacht siehe auch: AG Kulmbach, Urteil vom 15.12.1997, 2 C 252 – 97 = NJW 1998, 3360. Nach Auffassung des LG Essen ist es allerdings unzulässig, dem Inhaber einer Eintrittskarte den Eintritt allein wegen des unzulässigen Versuchs des Weiterverkaufs oder unzulässigen Zweiterwerbs zu verwehren, LG Essen, Urteil vom 26.3.2009, 4 O 69/09 = BeckRS 2009, 11739. 144 Bspw. §§ 51 ff. WaffG oder § 40 SprengG. 145 Vgl. § 22 Abs. 4 Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen (DFB). 146 Dies entspricht der verbandsrechtlich vorgesehenen Praxis. Siehe: Art. 60 Abs. 2 u. 6 Anhang VI LO DFL sowie § 22 Abs. 2 u. 5 Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen (DFB). 147 Breucker, NJW 2006, 1233; Weller, NJW 2007, 960 (962).

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

als auch die Polizei Zugriff auf die Bilder dieses Überwachungssystems.148 Im Rahmen der Eingangskontrolle werden zum Teil elektronische Zugangskontrollsysteme eingesetzt. Diese sollen das Erschleichen des Zutritts durch die Verwendung gefälschter Eintrittskarten verhindern und sind außerdem mit einem Zählsystem verbunden, so dass die tatsächliche Auslastung des Stadions schneller festgestellt werden kann.149 Die vereinzelt erhobene Forderung, bei der Zugangskontrolle auf sogenannte „Körperscanner“ (auch bekannt als „Nacktscanner“) zurückzugreifen,150 wurde bislang noch nicht umgesetzt und sieht sich praktischer und – aufgrund der mit ihrem Einsatz einhergehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen, insbesondere des Persönlichkeitsrechts – rechtlicher Bedenken ausgesetzt.151 b) Privatrechtliche Fernhaltemaßnahmen Die Vereine verfügen über die Möglichkeit, eigene Fernhaltemaßnahmen zu erlassen. Hierzu gehören Verkaufs- und Weitergabebeschränkungen bei der Veräußerung von Eintrittskarten sowie der Erlass von Stadionverboten. In beiden Fällen wird erreicht, dass es den betroffenen Personen zumindest wesentlich erschwert wird, Zugang zur Sportstätte zu erhalten. aa) Verkaufs- und Weitergabebeschränkungen Bei einigen Spielen schränken die Vereine bereits die Möglichkeiten zum Erwerb von Eintrittskarten ein. Derartige Verkaufsbeschränkungen werden vor allem dann angewendet, wenn es sich um Fußballspiele handelt, bei denen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Zuschauerausschreitungen besteht (Risikospiele). Durch die Beschränkungen soll der Gefahr potentieller Konfrontationen, die besteht, wenn sich Anhänger rivalisierender Vereine innerhalb des Stadions zu nahe kommen, entgegnet werden.152 Verkaufsbeschränkungen kommen sowohl auf Seiten des Heimvereins

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Vgl. Art. 21 Abs. 4 Anhang VI zur LO DFL und § 10 Abs. 5 Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen (DFB). 149 Vgl. Art. 27 Anhang VI zur LO DFL. 150 Nesemann, NJW 2010, 1703 (1707); Voogt, NRW-SPD, fordert Nacktscanner in Stadien, in: Rheinische-Post, Artikel vom 2.3.2010, abrufbar unter: http://www.rp-online.de/politik/ deutschland/nrw-spd-fordert-nacktscanner-in-stadien-aid-1.479425, zuletzt abgerufen am 7.5.2019. 151 Eine erschöpfende Auseinandersetzung mit den rechtlichen Problemen beim Einsatz von Nacktscannern würde den hier zur Verfügung stehenden Rahmen sprengen. Eingehend zu den einzelnen rechtlichen Problemen u. a.: Busche, DÖV 2011, 225 (233), deren Kritik auf den Einsatz von Körperscannern im Stadion übertragen werden kann; Siehe ergänzend auch: Gartenschläger, Nacktscanner lösen das Problem nicht, in: Die Welt, Artikel vom 28.10.2013, abrufbar unter: www.welt.de/121266335, zuletzt abgerufen am 7.5.2019. 152 Lösel/Bliesener/Fischer/Pabst, Hooliganismus in Deutschland, S. 13; LG Hamburg, Urteil vom 29.1.2009, 406 O 159/09 = BeckRS 2010, 05364.

V. Maßnahmen nicht-hoheitlicher Akteure zur Gewährleistung der Sicherheit

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wie auch auf Seiten des Gastvereins, der über ein Gästekartenkontingent verfügt, in Betracht. Zu den Beschränkungen, die in der Praxis vorgenommen werden, gehören unter anderem die Herabsetzung gewisser Kartenkontingente, das Verbot des Weiterverkaufs153 sowie mengenmäßige Beschränkungen beim Erwerb von Eintrittskarten.154 Darüber hinaus finden auch personenbezogene Kriterien Anwendung. So werden mitunter Karten für bestimmte Bereiche des Stadions nicht an Personen veräußert, die einen fremden Wohnsitz haben.155 Noch strengere Beschränkungen sind der ausschließliche Verkauf von Eintrittskarten an Mitglieder der beteiligten Vereine oder die Ausgabe personalisierter Tickets.156 Gegen die Zulässigkeit von Verkaufsbeschränkungen wird teilweise eingewendet, es bestünde ein Kontrahierungszwang der Vereine beim Verkauf von Eintrittskarten.157 Diese Auffassung geht jedoch fehl.158 Den Vereinen steht es aufgrund ihrer Privatautonomie frei, über den Kreis der Erwerber von Eintrittskarten zu befinden. Dadurch entstehen keine unzumutbaren Härten für diejenigen, die nicht zum Kreis der Erwerbsberechtigten gehören, da der Besuch eines Fußballspiels kein essentielles Lebensbedürfnis darstellt, dessen Bedeutung einen Kontrahierungszwang zu Lasten der Vereine rechtfertigen würde.159

153 Zu den Rechten des berechtigten Verkäufers gegenüber einem AGB-widrig handelnden Weiterverkäufer, siehe: BGH, Urteil vom 11.9.2008, I ZR 74/06 = NJW 2009, 1504 (bundesligakarten.de); Zu der Frage, ob der Erwerber von Tickets eines unbefugten Zwischenhändlers, mit dem Ticket ein Recht auf Zutritt zur Veranstaltung erwirbt, siehe: LG Essen, Urteil vom 26.3.2009, 4 O 69/09 = BeckRS 2009, 11739. 154 Eine Begrenzung des Kartenkontingents ist gem. Art. 56 Abs. 1 Anhang VI zur LO DFL sowie § 32 Abs. 1 d) Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen (DFB) bei Spielen mit erhöhtem Risiko grundsätzlich. in Erwägung zu ziehen. 155 LG Hamburg, Urteil vom 29.1.2009, 406 O 159/09 = BeckRS 2010, 05364. 156 Müller-Eiselt, NVwZ 2016, 643 (644). 157 Schmitt, Das bundesweite Stadionverbot, S. 40, 54. 158 Statt vieler: Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S. 39 f. 159 BGH, Urteil vom 30.10.2009, V ZR 253/08 = NJW 2010, 534; nicht nachvollziehbar entnehmen Schmitt, Das bundesweite Fußball-Stadionverbot, S. 55, sowie Orth/Schiffbauer, RW 2011, 177 (181), dem Urteil des BGH einen (mittelbaren) Kontrahierungszwang im Fußball. Dagegen spricht, dass sich der BGH zum einen mit seinem Urteil auf einer Linie mit den Vorinstanzen (AG Duisburg, Urteil vom 13.3.2008, 73 C 1565/07 und LG Duisburg, Urteil vom 22.7.2005, 7 S 63/05) bewegt, die ausdrücklich den fehlenden Kontrahierungszwang betont haben. Zum anderen ist die Konstruktion eines mittelbaren Kontrahierungszwangs bereits per se abzulehnen. Hierzu: Busche, Jan, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), MüKo BGB I, Vor § 145 Rn. 21 f.; Zum Verbot des Weiterverkaufs durch einen nichtautorisierten Dritthändler, siehe BGH, Urteil vom 11.9.2008, I ZR 74/06 = NJW 2009, 1504 (bundesligakarten.de).

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bb) Stadionverbot Eine weitere Maßnahme, mit der bereits im Vorfeld versucht wird die Sicherheit im Rahmen von Fußballspielen zu gewährleisten, ist das Verhängen von Stadionverboten. Stadionverbote werden gegen diejenigen Zuschauer erlassen, bei denen Anlass zur Befürchtung besteht, dass sie sich bei künftigen Fußballspielen gewalttätig verhalten oder in anderer Form der Hausordnung widersetzen werden.160 Sie sind somit grundsätzlich präventiver Natur.161 Die Prognose, auf die sich ein Stadionverbot stützt, beruht allerdings häufig auf bereits begangenen Verfehlung des Betroffenen. Für den Betroffenen hat ein Stadionverbot daher auch eine subjektiv repressive Wirkung.162 Das Recht zum Erlass eines Stadionverbots steht grundsätzlich jedem Verein zu. Es ergibt sich aus den hausrechtlichen Befugnissen gemäß §§ 903, 1004 BGB, die er entweder selbst als Eigentümer seiner Spielstätte oder anstelle des Eigentümers ausübt, sofern ihm dieser das Recht zur Ausübung der hausrechtlichen Befugnisse übertragen hat. Das Recht zum Erlass eines Stadionverbotes steht einem Verein gemäß §§ 859, 862 Abs. 1 S. 2 BGB aber auch als berechtigter Besitzer der Spielstätte zu.163 Die räumliche Ausdehnung eines Stadionverbots ist abhängig davon, wie weit das Hausrecht des Vereins reicht. In der Regel erstrecken sich Stadionverbote auf das Stadion, das in der Regel umzäunte Stadiongelände und gegebenenfalls dessen unmittelbare Umgebung. (1) Charakter und rechtliche Grundlagen eines einfachen (örtlichen) Stadionverbots Das Stadionverbot ist in seiner Grundkonzeption lediglich ein anderer Begriff für das zivilrechtlich bekannte Instrument des Hausverbots. Es untersagt den Zutritt zu der Spielstätte desjenigen Vereins, der das Stadionverbot ausspricht. Ein solches Stadionverbot wird auch als örtliches oder lokales Stadionverbot bezeichnet.164 Teilweise wird für das Verweisen einer Person aus dem Stadion während einer laufenden Veranstaltung der Begriff des „Ad-hoc-Stadionverbots“ verwendet.165 Der Begriff führt jedoch schnell zu Missverständnissen und sollte daher vermieden werden. Zum einen taucht dieser Begriff nicht in der für die Vereine bindenden verbandsrechtlichen Stadionverbotsrichtlinie auf, zum anderen handelt es sich auch 160 BGH, Urteil vom 30.10.2009, V ZR 253/08, Rn. 19 = NJW 2010, 534; § 1 Abs. 2 und § 4 der Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten des DFB. 161 BGH, Urteil vom 30.10.2009, V ZR 253/08, Rn. 19 = NJW 2010, 534 (536). 162 Schmitt, Das bundesweite Fußball-Stadionverbot, S. 40, 106. 163 Soweit die Vereine Mieter oder Pächter sind und ihnen nicht die Ausübung des Hausrechts übertragen wurde, vgl. Haslinger, Zuschauerausschreitungen und Verbandssanktionen im Fußball, S. 26; Blumberg, Stadionverbot, S. 19. 164 § 1 Abs. 4 Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten (DFB). 165 Schmitt, Das bundesweite Fußball-Stadionverbot, S. 66; Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 59, 80 f.

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strukturell um eine andere Maßnahme. Während Stadionverbote im Vorfeld einer Veranstaltung ausgesprochen werden und eine Person vom Aufsuchen der Veranstaltung abhalten sollen, ist das sogenannte „Ad-hoc-Stadionverbot“ keine Fernhalte- sondern eine Entfernungsmaßnahme, da der bereits Anwesende durch ein aktives Handeln aus dem Stadion verwiesen wird. (2) Bundesweites Stadionverbot Lange Zeit waren örtliche Stadionverbote die einzig geläufige Form von Stadionverboten. Dies änderte sich infolge der Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Nationales Konzept Sport und Sicherheit“ (AG NKSS). Die Arbeitsgruppe wurde im Mai 1991 durch die Innenministerkonferenz eingesetzt und erarbeitete ein Sicherheitskonzept für die Durchführung von Sportveranstaltungen (NKSS), welches 1993 von der Innenministerkonferenz verabschiedet und seither stetig fortentwickelt wurde. Ziel des NKSS ist die Gewährleistung eines einheitlichen, koordinierten Vorgehens zur sicheren Durchführung von Sportveranstaltungen.166 Im NKSS wurden sowohl einheitliche Richtlinien für die Verhängung von Stadionverboten formuliert, als auch das Instrument des bundesweiten Stadionverbots entwickelt,167 das der DFB in seinen Stadionverbotsrichtlinien übernommen hat. Gemäß § 1 Abs. 4 der Stadionverbotsrichtlinie können Stadionverbote entweder als örtliche oder als bundesweite Stadionverbote ausgesprochen werden. Nach § 4 Abs. 2 und 3 der Stadionverbotsrichtlinie soll ein örtliches Stadionverbot bei minderschweren Fällen (einfache Verstöße gegen die Stadionordnung), ein bundesweites Stadionverbot in den übrigen Fällen (insbesondere wegen der Begehung von Straftaten) ausgesprochen werden. Das bundesweite Stadionverbot wird auf Grundlage gegenseitiger Ermächtigungen des DFB, des Ligaverbands und aller Vereine der obersten drei Profiligen sowie der Regionalligisten ausgesprochen. Es gilt für alle Stadien dieser Vereine, beziehungsweise für alle (Heim-) Spiele des DFB und des Ligaverbandes.168 Das Verbot hat somit nur im weiteren Sinne bundesweite Wirkung, da der Besuch von Spielen unterklassiger Vereine weiterhin möglich bleibt. Das bundesweite Stadionverbot hat sich, trotz einer seit 2010 deutlich rückläufigen Tendenz,169 als relativ effektives Instrument in der 166

Blumberg, Stadionverbot, S. 6 f.; Vor Erlass des NKSS existierten regional unterschiedliche Konzepte, die jedoch bereits einige derjenigen Maßnahmen anwendeten, die sich später auch im NKSS wiederfanden. Vgl. exemplarisch Grigowski/Bonk, Kriminalistik 1991, 351 f. 167 NKSS (1993) Teil C. 168 § 1 Abs. 4 Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten (DFB); Haslinger, Zuschauerausschreitungen und Verbandssanktionen im Fußball, S. 27; BGH, Urteil vom 30.10.2009, V ZR 253/08, Rn. 19 = NJW 2010, 534. 169 Zahl der bundesweiten Stadionverbote (Zahlen gemäß den Jahresberichten der ZIS): – Juli 2001: 1.221 2000/2001, S. 11, – Juni 2007: 3.158 2005/2006, S. 11, – Juni 2008: 3.335 2007/2008, S. 14, – Mrz. 2010: 3.735 2008/2009, S. 15,

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

Praxis etabliert, um Personen, bei denen störende Verhaltensweisen im Rahmen von Fußballspielen zu befürchten sind, von einem Stadionbesuch abzuhalten.170 (3) Zeitliche Dimension eines Stadionverbots Das Recht der Vereine, einer Person den Zutritt aufgrund ihres Hausrechts durch Ausspruch eines örtlichen Stadionverbots zu verweigern, unterliegt gewissen zeitlichen Einschränkungen. Grundsätzlich kann ein Stadionverbot zwar für einen beliebig langen Zeitraum ausgesprochen werden, so dass sogar ein lebenslanges Stadionverbot denkbar ist, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und dem Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens verbleibt für derartig lange Stadionverbote allerdings nur ein begrenzter Anwendungsbereich.171 Wegen der zeitlichen Beschränkung des § 864 Abs. 1 BGB lassen sich Stadionverbote, die länger als ein Jahr andauern sollen, ohnehin nur auf die Befugnisse des Eigentümers gemäß §§ 903, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB stützen.172 Um eine gewisse Einheitlichkeit hinsichtlich der Dauer von Stadionverboten zu gewährleisten, gibt die Stadionverbotsrichtlinie des DFB zeitliche Grenzen vor, die die Vereine bei der Verhängung von (bundesweiten) Stadionverboten zu berücksichtigen haben. Gemäß § 5 Abs. 2, 3 der Stadionverbotsrichtlinie wird ein Stadionverbot für mindestens eine Woche und maximal 60 Monate ausgesprochen. Ein kürzeres, längeres oder gar lebenslanges Stadionverbot ist verbandsrechtlich nicht vorgesehen. Zwar wäre es bei einem örtlichen Stadionverbot außenrechtlich möglich, dass sich ein Verein den Richtlinien widersetzt und ein Stadionverbot für einen abweichenden Zeitraum erlässt, dies gilt jedoch nicht für die Verhängung von bundesweiten Stadionverboten, bei denen die gegenseitigen Ermächtigungen der Vereine und Verbände nicht über die in der Stadionverbotsrichtlinie festgelegten Grenzen hinausreichen. Ein derartiges Stadionverbot könnte daher durch den Betroffenen gemäß §§ 180 S. 2, 174 BGB mit Erfolg beanstandet werden. (4) Einwendungen der Zuschauer Dem Erlass eines Stadionverbots kann nicht entgegengesetzt werden, dass auf Seiten der Vereine ein Kontrahierungszwang mit den Zuschauern besteht, der ihnen – – – – –

Sep. 2014: 2.720 2014/2015, S. 28, Sep. 2015: 2.218 2014/2015, S. 28, Sep. 2016: 1.621 2015/2016, S. 27, Sep. 2017: 1.667 2016/2017, S. 25, Sep. 2018: 1.852 2017/2018, S. 26. 170 Stoll/Lüers, DÖV 2014, 222 ff. (222); Darüber hinaus s. u. Teil 4 III. 2. c). 171 Das Verbot der sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB markiert die Grenze bei der Ausübung des Hausrechts, siehe: BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018, 1 BvR 3080/09 = NJW 2018, 1667 (1668 f.); Friedmann, Polizei und Fans, S. 34; Breucker, NJW 2006, 1233 (1235). 172 Schmitt, Das bundesweite Fußball-Stadionverbot, S. 72.

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den Zutritt zum Stadion sichert.173 Ebenso wie die Vereine im Rahmen des Verkaufs von Eintrittskarten frei darüber befinden können, wem sie Karten verkaufen, steht es ihnen auch frei über das Zutrittsrecht zum Stadiongelände zu entscheiden, wenngleich sich ihre Entscheidung an den Grenzen des § 826 BGB messen lassen muss.174 Der von einem Stadionverbot Betroffene, kann sich auch nicht auf ein Zutrittsrecht zum Stadion als Inhaber einer Eintrittskarte berufen. Dies gilt auch dann, wenn er Inhaber einer Dauerkarte ist.175 (5) Strafrechtliche Folgen bei Verstoß gegen ein Stadionverbot Betritt ein Zuschauer, gegen den ein Stadionverbot verhängt wurde, dennoch den Bereich, auf den sich das Verbot erstreckt, kann ihn der Ordnungsdienst auf hausrechtlicher Grundlage unverzüglich vom Stadiongelände verweisen. Zudem begeht der Zuschauer eine Straftat in Gestalt des Haufriedensbruchs gemäß § 123 Abs. 1 StGB und riskiert somit strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden.176 Die Gegenansicht, die eine Strafbarkeit gemäß § 123 Abs. 1 StGB wegen „Eindringens“ in den Fällen verneint, in denen ein Zuschauer das Stadion ordnungsgemäß betritt und trotz eines bestehenden Stadionverbots im Rahmen der Eingangskontrolle nicht am Betreten des Stadions gehindert wird,177 bewertet die tatsächlichen Gegebenheiten bei der Einlasskotrolle nur unzureichend beziehungsweise legt sie ohne erkennbaren Grund zu Gunsten des Betroffenen aus. Tatsächlich wird der Ordnungsdienst bei Fußballspielen gar nicht in der Lage sein, jeden Adressaten eines Stadionverbots im Rahmen der Einlasskontrolle zu identifizieren und aufzuhalten, da es sich hierbei in der Regel um eine vierstellige Zahl von Personen handelt.178 Zudem erfordert ein Eindringen i. S. d. § 123 Abs. 1 StGB lediglich „das Betreten des geschützten Raumes gegen den Willen des Berechtigten“.179 Der Wille des Berechtigten, einer Person das Recht zum Betreten zu versagen, tritt aber bereits durch das 173 BGH, Urteil vom 30.10.2009, V ZR 253/08 = NJW 2010, 534; Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S. 39 f.; Breucker, JR 2005, 133 (136 f.); a. A.: Schmitt, Das bundesweite Fußball-Stadionverbot, S. 40, 53 ff. 174 Vgl. Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbotes, S. 78 f., die wegen dieser Grenze sodann von einem mittelbaren Kontrahierungszwang ausgeht. Diese Schlussfolgerung ist jedoch irreführend, da von § 826 BGB eine übergeordnete, allgemeine Wirkung ausgeht (siehe Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 826 Rn. 1 ff.) und somit in jedem Schuldverhältnis ein – in den Worten Henselers – „mittelbarer Kontrahierungszwang“ bestünde. Das Verbot willkürlicher Benachteiligung führt nicht automatisch zur Annahme eines Kontrahierungszwanges. Siehe im Übrigen bereits Fn. 159. 175 BGH, Urteil vom 30.10.2009, V ZR 253/08 = NJW 2010, 534 Rn. 28. 176 Gietl, JR 2010, 50 (54); Kulhanek, JA 2016, 102 (102); exemplarisch: AG Düsseldorf, Urteil vom 10.8.2012, 132 Ds-80 Js 362/12 – 162/12 = BeckRS 2012, 22844. 177 Schild, NStZ 1986, 346 (351) sowie Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), StGB, § 123 Rn. 30. 178 So waren im September 2018 insg. 1.852 Stadionverbote in Kraft, siehe: ZIS, Jahresbericht Fußball, Saison 2017/2018, S. 26. 179 Fischer, StGB, § 123 Rn. 16.

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Stadionverbot deutlich und offenkundig hervor. Eine fehlerhafte Kontrolle kann keine Zweifel an der Aufrechterhaltung dieses Willens begründen. Dies würde voraussetzen, dass eine fehlerhafte Kontrolle als Willenserklärung im Namen des Hausrechtsinhabers (§ 164 Abs. 1 BGB) ausgelegt werden könnte, die auf das Aufheben oder Nichtvollziehen eines Stadionverbotes gerichtet ist. Es ist allerdings fraglich, ob überhaupt eine Willenserklärung des Ordners vorliegt, der eine Person lediglich irrtümlich oder unerkannt passieren lässt. Selbst wenn man in dieser Handlung eine konkludente Willenserklärung sehen möchte, handelt es sich hierbei um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die gemäß §§ 133, 157 BGB nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auszulegen ist.180 Aus der Perspektive des für die Auslegung maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts181 gibt es keine Anhaltspunkte dafür, einer fehlerhaften Kontrolle zu entnehmen, dass ein geltendes Stadionverbot aufgehoben oder vorübergehend nicht vollstreckt wird. Der Handlung kann lediglich konkludent entnommen werden, dass die Kontrolle ohne Beanstandung geblieben ist. Damit geht jedoch nicht die Feststellung einher, dass die Person tatsächlich befugt ist, das Stadion zu betreten. Zudem ist der mit einem Stadionverbot belegte und auf Fehler bei der Kontrolle spekulierende Zuschauer nicht schutzwürdig, da es ihm wegen der Kenntnis des gegen ihn verhängten Stadionverbotes an der erforderlichen Redlichkeit mangelt.182 Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der böswillige Zuschauer privilegiert werden sollte. Ferner käme es zu Wertungswidersprüchen, wenn eine Strafbarkeit gemäß § 123 Abs. 1 StGB davon abhinge, wie intensiv der Inhaber des Hausrechts den geschützten Raum nach außen hin abschirmt. Etwas anderes ergäbe sich nur, wenn auf jegliche Sicherungsmaßnahmen verzichtet würde.183 Hiervon kann jedoch angesichts umfangreicher Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen im Rahmen von Fußballspielen keinesfalls die Rede sein, zumal diese Maßnahmen für jedermann erkennbar den Zweck verfolgen, unbefugte Personen am Zutritt zu hindern. Schließlich kann dem geringeren Unrechtsgehalt des Einschleichens im Verhältnis zum Eindringen in hinreichendem Maße auf Ebene der Rechtsfolgen des § 123 StGB begegnet werden.

180 Wendtland, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, § 133 Rn. 27; BGH, Urteil vom 12.3.1992, IX ZR 141/91 = NJW 1992, 1446. 181 Hierzu u. a.: Dörner, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, § 133 Rn. 8, m. w. V. 182 Die Redlichkeit ist Inhalt des Gebots von Treu und Glauben (§ 242 BGB), das bei der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu beachten ist, Sutschet, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, § 242 Rn. 60 ff. 183 Hinsichtlich des Stadiongeländes ist von befriedetem Besitztum auszugehen. Voraussetzung ist eine „äußerlich erkennbare, nicht allein symbolische Eingrenzung“. Der um das Stadion verlaufende Stadionzaun ist eine Eingrenzung in diesem Sinne, siehe: Fischer, StGB, § 123 Rn. 8 f.

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2. Maßnahmen der Verbände Auf den sicheren Ablauf einer laufenden Veranstaltung können die Verbände ausschließlich durch Maßnahmen des Schiedsrichters eingreifen. Diesem steht beispielsweise das Recht zu, ein Spiel wegen akuter Sicherheitsbedenken, beispielsweise im Falle von Zuschauerausschreitungen, abzubrechen.184 Im Übrigen können die Verbände lediglich mittelbar durch Ausgestaltung, Fortentwicklung und Durchsetzung des Verbandsrechts auf die Sicherheit einzelner Spiele einwirken.

3. Maßnahmen der Träger und Betreiber von Sportstätten Dem Träger einer Sportstätte stehen grundsätzlich die mit dem Eigentum verbundenen hausrechtlichen Befugnisse zu. Daher kann auch er Ordnungskräfte einsetzen oder Personen den Zutritt zur Sportstätte verweigern. In der Praxis hat der Träger der Sportstätte seine hausrechtlichen Befugnisse jedoch meist dauerhaft an den Betreiber übertragen und seine Befugnisse somit nicht mehr selbst aus.185 Ein Hausverbot durch den Träger einer Sportstätte dürfte in der Praxis somit nur in den Fällen in Betracht kommen, in denen er, auch über den Zeitraum der Nutzung durch den Betreiber hinaus, ein eigenes Interesse daran hat, eine Person dauerhaft und umfassend daran zu hindern, die Sportstätte zu betreten. Ansonsten dürfte regelmäßig das vom Heimverein zu erlassende Stadionverbot den Interessen des Trägers genügen. Für die Ausübung der vom Träger abgeleiteten hausrechtlichen Befugnisse durch einen Betreiber, der dauerhaft mit der wirtschaftlichen Verwertung einer Sportstätte beauftragt ist, gilt dies entsprechend.

4. Fanprojekte Fanprojekte dienen in erster Linie dazu, die Ursachen für störendes Verhalten im Rahmen von Fußballspielen zu bekämpfen.186 Sie sind an fast allen Orten, an denen sich Profimannschaften befinden, eingerichtet und sind entweder in privater, in öffentlicher oder in gemischt öffentlich-privatrechtlicher Trägerschaft.187 In den Fanprojekten arbeiten Pädagogen oder Sozialpsychologen, die teilweise in ihrer Arbeit durch Spieler oder ehemalige Spieler des jeweiligen Vereins unterstützt werden. Ihre Aufgabe ist die pädagogische und sozialpsychologische Betreuung der

184

§ 7 insbesondere Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen (DFB) i. V. m. Anmerkung zu Regel 5 der Fußballregeln des DFB 2015/2016. 185 Stümper, Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Großsportveranstaltungen, S. 92 f., 96 f. 186 Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S. 37. 187 Pannicke, DPolBl 3/2001, 14 (16).

62

Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

Anhänger des ortsansässigen Vereins.188 Bei Personen, die bereits im Rahmen von Fußballspielen gewalttätig in Erscheinung getreten sind, soll eine Abkehr von der Gewalt erreicht, bei den übrigen, das Abgleiten in gewalttätige oder gewaltgeneigte Szenen verhindert werden.189 Ein weiteres Ziel ist die Steigerung des Selbstwertgefühls der Fußballfans und die Stärkung der Selbstregulierungskräfte innerhalb der Fangruppen.190 Hinzu tritt die Betreuung von Fans auf Vereinsseite durch den sogenannten „Fanbeauftragten“.191 Fanbeauftragte dienen als Bindeglied zwischen Verein und Fanszene. Sie kümmern sich u. a. um fanspezifische, organisatorische Belange bei Heim- und Auswärtsspielen und helfen durch einen ständigen Austausch mit den Sicherheitsverantwortlichen und dem Fanprojekt, Aggressionen und Gewalt innerhalb der Fanszene entgegenzuwirken.192

5. Zwischenfazit Auf nicht-hoheitlicher Seite stehen unterschiedliche Maßnahmen unterschiedlicher Akteure zur Verfügung, mit denen auf die Sicherheit der Veranstaltung eingewirkt werden kann. Wesentlich zur Sicherheit tragen die Vor-Ort-Maßnahmen durch den Heimverein bei, der durch den Einsatz der Ordnungskräfte, der Einlasskontrolle und unter Zuhilfenahme automatisierter Kontroll- und Überwachungssysteme einerseits den Zugang zum Stadion kontrollieren und andererseits auf Grundlage seines Hausrechts gegen störende Zuschauer vorgehen kann. Zudem kann der Heimverein durch Regelungen beim Verkauf der Eintrittskarten und durch das Verhängen von Stadionverboten selbst Vorkehrungen treffen, um bestimmte Personen von vornherein von der Veranstaltung fernzuhalten. Zur Vorsorge und Bekämpfung der Ursachen störender Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Fußballspielen werden an den Spielorten Fanprojekte eingerichtet, die durch pädagogische und sozialpsychologische Angebote einen Beitrag zur Prävention leisten können.

188 189 190 191 192

Friederici, Sportbegeisterung und Zuschauergewalt, S. 109. Friederici, Sportbegeisterung und Zuschauergewalt, S. 109. Pannicke, DPolBl 3/2001, 14 (17). Sommerey, Die Jugendkultur der Ultras, S. 110. NKSS (2012), S. 12 f.

VI. Grenzen der Gefahrenabwehr im Rahmen von Fußballspielen

63

VI. Grenzen der Gefahrenabwehr im Rahmen von Fußballspielen als Ausgangspunkt für den Erlass hoheitlicher Fernhaltemaßnahmen 1. Grenzen der Gefahrenabwehr durch Vor-Ort-Maßnahmen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Akteure Die Durchführung von Fußballspielen in den oberen Spielklassen ist mit spezifischen Gefahren verbunden. Dazu zählen auch verhaltensbezogene Störungen durch die Zuschauer. Störendes Verhalten droht nicht nur im Stadion, sondern auch an zahlreichen anderen Orten, insbesondere entlang der An- und Abmarschwege. Dieses Verhalten bedroht einerseits die privaten Rechte des Veranstalters, andererseits die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Abwehr dieser Gefahren fällt in den Aufgabenbereich der Polizei- und Ordnungsbehörden. Ihnen stehen zur Erfüllung dieser Aufgabe außerhalb und innerhalb des Stadiongeländes – ungeachtet der hausrechtlichen Befugnisse des Veranstalters – unterschiedliche Handlungsoptionen offen. Allein durch den Einsatz von Polizeikräften am Veranstaltungsort kann indes kein ausreichender Schutz gewährleistet werden. Bei verhaltensbezogenen Störungen im Rahmen von Fußballspielen, beispielsweise bei Anwendung körperlicher Gewalt, besteht aufgrund der Vielzahl der anwesenden Personen ein erhebliches Risiko, dass es unmittelbar zum Eintritt eines erheblichen, in seinem Ausmaß nur schwer zu kalkulierenden Schaden kommt. Dies gilt insbesondere innerhalb des Stadions, wo sich auf engem Raum besonders viele Menschen aufhalten. Hinzu tritt, dass die Gefahrenabwehr durch die Zahl der anwesenden Personen erschwert wird, da einzelne Personen innerhalb einer Gruppe weder zuverlässig als Störer identifiziert, noch ohne weiteres aus der Gruppe entfernt werden können. Der Einsatz polizeilicher Kräfte vor Ort birgt daher erfahrungsgemäß ein erhebliches Eskalationspotential und kann zu weiteren Schäden führen.193 Schließlich kann die Polizei auch nicht sämtliche Örtlichkeiten, an denen im Zusammenhang mit Fußballspielen Gefahren drohen, lückenlos durch ihre Präsenz absichern. Dies würde einen nicht zu leistenden Personalaufwand erfordern.194 193 Exemplarisch: Müller-Eiselt, VR 2014, 85 ff., der einen polizeilichen Einsatz im Stadion des FC Schalke 04 behandelt. Ein vergleichbarer Fall ereignete sich wenig später im Stadion des Hamburger SV, siehe: Glindmeier, Dutzende Verletzte, Blocksturm der Polizei empört HSVFans, Spiegel Online vom 4.5.2014, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/sport/fussball/polizis ten-stuermen-fanblock-beim-hsv-a-967454.html; und Zand-Vakili/Laux, Heftige Auseinandersetzung, Polizei stürmt HSV-Kurve mit Schlagstöcken und Pfefferspray, Hamburger Abendblatt vom 5.5.2014, abrufbar unter: http://www.abendblatt.de/hamburg/polizeimeldungen/article12 7625395/Polizei-stuermt-HSV-Kurve-mit-Schlagstoecken-und-Pfefferspray.html; beide Seiten zuletzt abgerufen am 7.5.2019. 194 Zum aktuellen und früheren Personalaufwand der Polizei im Rahmen von Fußballspielen siehe: ZIS, Jahresbericht Fußball, Saison 2016/2017, S. 25 ff.; Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 58; sowie vergleichend Manssen, SpuRt, 1994, 169 (169 f.).

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Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

Die Möglichkeiten der Polizei- und Ordnungsbehörden durch Vor-Ort-Maßnahmen im Rahmen der Veranstaltung die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleisten zu können, sind somit begrenzt. Neben den Polizei- und Ordnungsbehörden ist es daher auch Aufgabe der nichthoheitlichen Akteure, für die Sicherheit der Veranstaltung Sorge zu tragen. Durch das Handeln dieser Akteure können die faktischen Defizite auf Seiten der hoheitlichen Akteure jedoch nicht vollständig kompensiert werden. Zum einen erstrecken sich die Schutzpflichten der nicht-hoheitlichen Akteure nur auf die Abwehr der typischerweise mit der Veranstaltung verbundenen Gefahren. Zur Verhinderung atypischer Gefahren oder solchen, die keinen Zusammenhang mit der Veranstaltung aufweisen, sind sie nicht verpflichtet.195 Zum anderen stehen den nicht-hoheitlichen Akteuren nur zivilrechtliche Handlungsmöglichkeiten offen. Über hoheitliche Befugnisse verfügen sie nicht. Es ist ihnen deshalb auch nicht gestattet, Zwangsmittel anzuwenden, sofern sie sich nicht auf gesetzlich anerkannte Notrechte berufen können, bei denen der Staat ausnahmsweise die Durchbrechung seines Gewaltmonopols toleriert, beziehungsweise sanktionslos stellt.196 Ferner ist der Wirkbereich nichthoheitlicher Akteure begrenzt. Der Einsatz privater Ordnungskräfte zur Abwehr von Gefahren jenseits des Stadiongeländes kommt wegen der Beschränkung auf hausrechtliche Befugnisse auch dann nicht in Betracht, wenn es um die Abwehr von Gefahren geht, die im Zusammenhang mit der Veranstaltung stehen.197 Die Handlungsmöglichkeiten, die den Polizei- und Ordnungsbehörden sowie den privatrechtlichen Akteuren im Rahmen der Veranstaltung zur Verfügung stehen, genügen somit nicht, um eine ausreichende Sicherheit gewährleisten zu können.

2. Grenzen der Gefahrenabwehr durch Maßnahmen nicht-hoheitlicher Akteure im Vorfeld der Veranstaltung Der Mangel an effektiven Vor-Ort-Maßnahmen löst einen umso größeren Bedarf an Maßnahmen im Vorfeld der Veranstaltung aus, um ein möglichst hohes Sicherheitsniveau gewährleisten zu können. In diesem Vorfeld agieren in erster Linie nichthoheitliche Akteure. Diesen stehen vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung mit denen sie frühzeitig auf die Sicherheit einer Veranstaltung Einfluss nehmen können. So können die Vereine den Verkauf von Eintrittskarten reglementieren oder Stadionverbote erlassen, so dass es bestimmten Personen erschwert oder unmöglich ge195

Siehe bereits Fn. 93. Jeand’Heur, AöR 1994, 107 (128); a. A.: Stober, NJW 1997, 889 (893 f.). 197 Ausnahmen sind hier aber denkbar. So wäre es durch Beleihung möglich, Sicherheitsdienste mit der Verkehrsregelung und der Überwachung des Parkraums in der Umgebung des Stadions zu beauftragen. Zu den Möglichkeiten der Einbindung privater Sicherheitsdienste siehe exemplarisch: Schmidt am Busch, DÖV 2007, 533 (534); Stober, DÖV 2000, 261 (268 f.); Krölls, NVwZ 1999, 233. 196

VI. Grenzen der Gefahrenabwehr im Rahmen von Fußballspielen

65

macht wird, Zutritt zum Stadion zu erhalten.198 Über die Arbeit der Fanprojekte kann den Ursachen der Gewalt im Rahmen von Fußballspielen mit Hilfe pädagogischer und sozialpsychologischer Angebote entgegengetreten werden.199 Wenngleich diese Maßnahmen im Einzelfall durchaus Wirkung zeigen, können auch diese nicht genügen, um eine ausreichende Sicherheit im Rahmen eines Fußballspiels zu gewährleisten. Der Erfolg eines Fanprojekts oder anderer sozialer Projekte hängt maßgeblich von der Bereitschaft potentieller Störer ab, an den Angeboten teilzunehmen und künftig auf störende Handlungen zu verzichten. Einschränkungen beim Kartenverkauf und Stadionverbote sind ohne die Möglichkeit, hoheitliche Zwangsmaßnahmen anzuwenden, wenig wirkungsvoll und können in der Praxis relativ leicht umgangen werden.200 Zudem werden Störer durch diese Maßnahmen nicht davon abgehalten, den Spielort aufzusuchen, und können so weiterhin Gefahren verursachen oder sich an störenden Handlungen Dritter beteiligen. Durch die im Vorfeld angewendeten Maßnahmen der nicht-hoheitlichen Akteure können verhaltensbezogene Störungen und deren Folgen im Rahmen von Fußballspielen somit nicht hinreichend sicher bekämpft werden.

3. Fernhaltemaßnahmen als wesentlicher Teil polizei- und ordnungsbehördlicher Handlungsoptionen Da weder durch Vor-Ort-Maßnahmen noch durch das Handeln der nicht-hoheitlichen Akteure ein ausreichendes Sicherheitsniveau gewährleistet werden kann, bedarf es im Vorfeld der Veranstaltung zusätzlicher Maßnahmen durch die Polizeiund Ordnungsbehörden, um verhaltensbezogene Störungen und deren Folgen im Rahmen von Fußballspielen zu bekämpfen. Maßnahmen, die zur Abwehr abstrakter Gefahren im zeitlichen Vorfeld einer Veranstaltung zur Anwendung kommen, wie baurechtliche oder veranstaltungsrechtliche Maßnahmen, sind nicht geeignet, konkrete Gefahren durch verhaltensbezogene Störungen im Rahmen einer Veranstaltung abzuwehren. Ein Handeln der Polizei- und Ordnungsbehörden zur Abwehr konkreter Gefahren ist im zeitlichen Vorfeld einer Veranstaltung aber keineswegs ausgeschlossen. Insbesondere bedarf es zur Annahme einer konkreten Gefahr nicht notwendigerweise einer besonderen zeitlichen Nähe des erwarteten schädigenden Ereignisses.201 Eine konkrete Gefahr kann schon im zeitlichen Vorfeld einer Veranstaltung anzunehmen sein, so dass die Polizei- und Ordnungsbehörden auf ein durchaus umfangreiches und wirkungsvolles Repertoire an Maßnahmen zur Abwehr konkreter Gefahren zurückgreifen können. Hierzu gehört unter anderem ein Vor198

Siehe oben, Teil 1 V. 1. b). Siehe oben, Teil 1 V. 4. 200 Daher wäre beispielsweise auch eine Maßnahme mit der der Veranstalter zum Erlass von Stadionverboten verpflichtet wird weniger effektiv, als eine eigene hoheitliche Fernhaltemaßnahme, siehe: Stoll/Lüers, DÖV 2014, 222 (230). 201 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 125 ff. 199

66

Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

gehen gegen die Veranstaltung als solches, beispielsweise in Gestalt eines Verbots oder dem Auferlegen von Verkaufsbeschränkungen.202 Derartige Maßnahmen kommen allerdings nur als ultima ratio in Betracht.203 Die Behörden müssen deshalb vorrangig versuchen, die durch verhaltensbezogene Störungen verursachten Gefahren durch Maßnahmen, die sich unmittelbar gegen die für dieses Verhalten verantwortlichen Störer richten, zu bekämpfen. Dies kann im Vorfeld einer Veranstaltung gelingen, wenn es durch Anwendung konkreter hoheitlicher Maßnahmen in wirkungsvoller Art und Weise gelingt, diejenigen Personen, bei denen ein störendes Verhalten im Rahmen der Veranstaltung zu befürchten ist, vom Veranstaltungsort fernzuhalten. Hinter diesem Vorgehen verbirgt sich dieselbe sicherheitsrechtliche Überlegung, wie beim Erlass privatrechtlicher Stadionverbote. Personen, die erst gar nicht am Veranstaltungsort erscheinen, können sich dort auch nicht störend verhalten. Als hierfür geeignete Maßnahmen haben sich in der polizeilichen Praxis die Gefährderansprache, das Aufenthaltsverbot, die Meldeauflage sowie pass- und ausweisrechtliche Maßnahmen etabliert.204 Diese Maßnahmen können mit dem Begriff der Fernhaltemaßnahmen beschrieben werden205 und sind ein wesentlicher Teil des Sicherheitskonzepts, das bei der Abwehr von Gefahren im Rahmen von Fußballspielen zur Anwendung kommt.206

VII. Ergebnisse Teil 1 Eine wesentliche Herausforderung bei der Gewährleistung der Sicherheit im Rahmen von Fußballspielen ist die Bekämpfung von Gefahren infolge verhaltensbezogener Störungen durch Einzelpersonen. Aus der Gruppe der Zuschauer kommt es im Rahmen von Fußballspielen regelmäßig zu störenden Handlungen. Dieses Verhalten kann sowohl innerhalb als auch außerhalb des Stadions beobachtet werden. Als typisches Verhalten kann insbesondere die Anwendung körperlicher Gewalt bezeichnet werden. Delikte, die der Gewaltkriminalität im kriminologischen Sinne zuzurechnen sind, werden dabei allerdings äußerst selten verübt. Innerhalb der Gruppe der Zuschauer sind in sicherheitsrechtlicher Hinsicht vor allem zwei Gruppierungen besonders auffällig, die sogenannten Hooligans und Ultras. Störende 202 Behnsen, NordÖR 2013, 1 ff.; Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 85. 203 Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 266 f.; Behnsen, NordÖR 2013, 1 ff. (4, 6); Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 166 ff. 204 Kießling, DVBl.. 2012, 1210 ff. (1212 f.). In zeitlicher Hinsicht dürfte der Erlass von Fernhaltemaßnahmen jedenfalls ab Beginn des Kartenvorverkaufs in Betracht kommen, da ab diesem Moment eine ausreichende Nähe zwischen der Maßnahme und dem schädigenden Ereignis vorliegt. Siehe: Peters/Rind, LKV 2017, 251 ff. (255). 205 Zur Definition von Fernhaltemaßnahmen darf auf die Ausführungen in der Einleitung verweisen werden. 206 NKSS (2012) S. 24 ff.; Breucker, NJW 2004, 1631 ff.; ders., NJW 2006, 1233 ff.

VII. Ergebnisse Teil 1

67

Handlungen können aber durchaus auch von Personen ausgehen, die sich außerhalb dieser Szenen bewegen. Um ein möglichst hohes Sicherheitsniveau bei der Durchführung von Fußballspielen gewährleisten zu können, ist die umfassende Einbeziehung aller Akteure, die zur Sicherheit der Veranstaltung beitragen können, erforderlich.207 Dies betrifft Akteure auf hoheitlicher und auf nicht-hoheitlicher Seite. Die Aufgabenbereiche und Handlungsmöglichkeiten dieser Akteure weichen zum Teil stark voneinander ab. Aufgabe der Polizei- und Ordnungsbehörden ist die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Zur Abwehr von Gefahren für private Rechte werden sie nur subsidiär tätig. Zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung können die Behörden auf eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen zurückgreifen. Dabei können sie auch gegen die Veranstaltung selbst vorgehen, soweit keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Die nicht-hoheitlichen Akteure stehen aus unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlich großem Umfang in der Pflicht, die Veranstaltung abzusichern. Schutzpflichten treffen in erster Linie den Veranstalter. Dies ist in der Regel der Heimverein. Er hat die typischerweise mit der Veranstaltung einhergehenden Gefahren abzuwehren und diejenigen vor Beeinträchtigungen ihrer Rechtsgüter zu schützen, die mit der Veranstaltung in Berührung kommen. Sein primäres Interesse liegt gleichwohl, allein schon aus wirtschaftlichen Gründen, in der Durchführung der Veranstaltung.208 Notwendige Voraussetzung, die Veranstaltung durchführen zu können, ist, dass sie durch die Behörden nicht verboten oder nur unter Auflagen zugelassen wird und dass ihr Ablauf nicht beeinträchtigt wird. Dies führt zu einem gewissen Eigeninteresse des Veranstalters, die ihm auferlegten Sicherungspflichten zu erfüllen.209 Die Abwehr von Gefahren ist somit in erster Linie Mittel zum Zweck. Die bisherige Darstellung offenbart, dass es zur Abwehr von Gefahren infolge verhaltensbezogener Störungen unterschiedlicher Vorkehrungen und Maßnahmen vor, während und nach einem Fußballspiel bedarf. Die für die Sicherheit verantwortlichen Akteure sind jedoch im Umfang ihrer Möglichkeiten, mit denen sie auf die Sicherheit der Veranstaltung einwirken können, jeweils beschränkt. Weder den Behörden, noch den nicht-hoheitlichen Akteuren ist es möglich, die Veranstaltung vollumfänglich durch die vor Ort zur Verfügung stehen Maßnahmen abzusichern. Demnach besteht bei der Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit Fußballspielen ein spezifisches Defizit, das nur durch die Anwendung von Maßnahmen im Vorfeld und nur durch Anwendung hoheitlicher Gewalt ausgeglichen werden kann. Es bedarf insbesondere hoheitlicher Maßnahmen, mit denen Personen, bei denen ein störendes 207 Diese Feststellung hatte bereits die IMK in der Sitzung im Mai 1991 getroffen und zur Grundlage der Arbeiten des NKSS gemacht. Siehe: AG NKSS, Ergebnisbericht, S. 7. Stober, DÖV 2000, 261 (261). 208 Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 35 f., 151; Heck, DPolBl 2001, 2 (4). 209 Heck, DPolBl 2001, 2 (4).

68

Teil 1: Der Anwendungsbereich von Fernhaltemaßnahmen

Verhalten zu erwarten ist, wirkungsvoll vom Veranstaltungsort ferngehalten werden können. Genau dieses Ziel kann durch den Erlass von Fernhaltemaßnahmen durch Polizei- und Ordnungsbehörden erreicht werden. Hoheitliche Fernhaltemaßnahmen können naturgemäß kein Allheilmittel sein, um sämtliche Gefahren, die von einer Großveranstaltung ausgehen, abzuwehren. Sie fügen sich vielmehr in ein umfangreiches Sicherheitskonzept ein, das sich aus den unterschiedlichen Maßnahmen der verschiedenen Akteure zusammensetzt, wobei sich diese Maßnahmen in Teilen ergänzen und aufeinander aufbauen.

Teil 2

Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen wird maßgeblich durch die Schranken derjenigen Grundrechte begrenzt, die durch sie beeinträchtigt werden. Im Hinblick auf das bekannte Repertoire polizeilicher Maßnahmen, wie beispielsweise das Anhalten von Personen zur Feststellung ihrer Identität, das Durchsuchen oder die Ingewahrsamnahme von Personen, gehören insbesondre kurzfristige Einschränkungen für die allgemeine Fortbewegungsfreiheit zu den typischen Folgen polizeilichen Handelns. Beim Erlass von Fernhaltemaßnahmen, mit denen der von der Maßnahme Betroffene schon vom Besuch eines Fußballspiels abgehalten werden soll, drohen ungleich schwerere Beeinträchtigungen. Zum einen handelt es sich üblicherweise nicht um eine bloß kurzfristige Beeinträchtigung zu Lasten des Betroffenen, zum anderen ist zu berücksichtigen, dass sowohl der Besuch als auch die Anreise zu einem Fußballspiel zum Teil durch spezielle Grundrechte geschützt sein kann. Jenseits eines Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG sind insbesondere Eingriffe in das Recht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG oder in das Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 11 Abs. 1 GG nicht von vornherein auszuschließen. Wegen der unterschiedlichen Schranken der einzelnen Grundrechte bedarf es einer eingehenden Untersuchung, welche Grundrechte durch den Erlass von Fernhaltemaßnahmen tangiert werden.

I. Versammlungsfreiheit, Art. 8 Abs. 1 GG 1. Der Zusammenschluss mehrerer Zuschauer als Versammlung? Vereinzelt finden sich in der Literatur Stimmen, die, unter Heranziehung des sogenannten „weiten Versammlungsbegriffes“,1 den Besuch eines Fußballspiels vom sachlichen Schutzbereich der Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG als erfasst ansehen.2

1

Zum weiten Versammlungsbegriff siehe: Patz/Rode, LKV 2010, 114 ff. (115); Bredt, NVwZ 2007, 1358 ff. (1361); Deutelmoser, NVwZ 1999, 240 ff. 2 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 8 Rn. 26; Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 315.

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

Eine durch Art. 8 GG geschützte Versammlung setzt einen räumlich tatsächlichen Zusammenschluss einer Mehrzahl von Personen voraus, welche durch einen gemeinsamen Zweck oder Willen innerlich miteinander verbunden sind.3 Nach dem weiten Versammlungsbegriff genügt bereits jeder beliebige gemeinsame Zweck, um von einer Versammlung ausgehen zu können.4 Dem weiten Versammlungsbegriff wird jedoch entgegengehalten, dass er eine Vielzahl von Arten kollektiver Selbstentfaltung privilegiere, bei denen das einer Versammlung innewohnende erhöhte Schutzbedürfnis nicht vorliege.5 Dies führe rechtspraktisch zu unnötigen Erschwernissen bei der Einschränkung dieser Verhaltensweisen.6 Zudem biete der weite Versammlungsbegriff kaum trennscharfe Anhaltspunkte, um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG von einer bloßen Ansammlung von Personen zu unterscheiden.7 Die Einordnung eines Fußballspiels als Versammlung im Sinne des Art. 8 GG kann allerdings selbst bei Annahme eines weiten Versammlungsbegriffs nicht überzeugen. Zum einen bilden die Teilnehmer und Zuschauer eines Fußballspiels eine äußerst heterogene Gruppe von Menschen, die zwar gemeinsam anwesend sind, deren innere Ziele und Motive jedoch divergieren.8 Zum anderen handelt es sich bei Fußballspielen in erster Linie um unterhaltende Veranstaltungen, in deren Rahmen sogar Gewinnspiele sowie musikalische oder andere künstlerische Darbietungen stattfinden.9 Bei unterhaltenden Veranstaltungen fehlt es indes an einem „interpersonalen Informationsaustausch“, der das Wesen einer Versammlung im Sinne des Art. 8 GG ausmacht.10 Selbst die Gruppe der Zuschauer wird nicht durch einen von Art. 8 GG geschützten gemeinsamen Zweck innerlich verbunden. Als einziger gemeinsamer Zweck bleibt der Wille an der Veranstaltung teilzuhaben. Dies gilt selbst für die Gruppe derjenigen, die neben der Teilnahme auch das kollektive Anfeuern der Akteure auf dem Spielfeld beabsichtigen.11 Die üblicherweise im Stadion verwendeten Anfeuerungsrufe und Gesänge dienen in aller Regel nicht dem Austausch von Informationen, sondern entspringen der ungewissen Erwartung, durch sie bessere 3 Jarass, in: ders./Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 8 Rn. 3; Depenheuer, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 8 Rn. 44. 4 Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, K 53 f.; Bredt, NVwZ 2007, 1358 (1361) sowie: Deutelmoser, NVwZ 1999, 240 (241). 5 Hoffmann-Riem, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 106 Rn. 43 f. 6 Bredt, NVwZ 2007, 1358 (1361 f.). 7 Hoffmann-Riem, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 106 Rn. 43. 8 Pilz/Silberstein, in: Pilz/Schippert/Silberstein (Hrsg.) Das Fußballfanprojekt Hannover, S. 27. 9 So zum Beispiel der umstrittene Auftritt der Schlagersängerin Helene Fischer im Finale des DFB-Pokals 2017, hierzu: Marthaler, Helene Fischer brutal ausgepfiffen, Welt Online vom 27.5.2017, abrufbar unter: https://www.welt.de/sport/fussball/article164993848/Helene-Fi scher-brutal-ausgepfiffen.html, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019. 10 Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 164 Rn. 31; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 8 Rn. 25. 11 So auch Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, S. 78.

I. Versammlungsfreiheit, Art. 8 Abs. 1 GG

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sportliche Leistungen dargeboten zu bekommen. Dies entspricht in etwa dem Verhalten von Besuchern einer Konzertveranstaltung, die nicht deshalb schon eine Versammlung bilden, weil sie den oder die Musiker durch Klatschen oder Jubelschreie zu weiteren Leistungen, beispielsweise in Gestalt einer Zugabe, motivieren wollen.12 Eine pauschale Öffnung des Schutzbereiches von Art. 8 GG auf derartige Veranstaltungen würde seinem grundrechtlichen Wesen letztlich nicht mehr gerecht.13 Mitunter kommt es während eines Fußballspiels zu kollektiven Protestbekundungen durch die Zuschauer oder einzelner Gruppen. In der Regel handelt es sich hierbei nur um gelegentliche oder kurzfristige Meinungskundgaben. Sie drängen den unterhaltenden Charakter der Veranstaltung in einem allenfalls unwesentlichen Ausmaß zurück und führen nicht dazu, dass die Veranstaltung durch sie den Charakter einer Versammlung im Sinne des Art. 8 GG annimmt.14 Diejenigen Zuschauer, die während des Spiels an einer kollektiven Meinungskundgabe teilnehmen, bilden auch keine durch Art. 8 GG geschützte eigene Versammlung innerhalb der Veranstaltung.15 Ob es sich um kritische oder positive Äußerungen handelt ist hierbei unbeachtlich, da sowohl positive als auch negative Zuschauerreaktionen zu den typischen Folgen einer Fußballveranstaltung zählen und sich – als Teil der sogenannten „Stadionatmosphäre“ – in das Wesen der Gesamtveranstaltung einfügen. Sie genießen daher keinen eigenständigen Schutz durch Art. 8 GG, sondern bleiben Teil der vornehmlich unterhaltenden Gesamtveranstaltung. Dies gilt zumindest für die typischerweise zu erwartenden Meinungskundgaben während eines Spiels, die in einem inhaltlichen Bezug zu der Veranstaltung stehen.16 Eine andere rechtliche Würdigung kann in denjenigen Fällen angezeigt sein, in denen es an einem derartigen Bezug fehlt.17 Diese Fälle dürften indes eher die 12 So auch Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 8 Rn. 17; a. A. u. a. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 8 Rn. 26. 13 Hoffmann-Riem, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 106 Rn. 43; a. A.: Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 291, 315. 14 So bereits BVerfG, Beschluss vom 12.7.2001, 1 BvQ 28/01 und 1 BvQ 30/01 („Fuckparade“) = NJW 2001, 2459, wobei die Kammer der Entscheidung einen engen Versammlungsbegriff zugrunde legte; Dessen ungeachtet fallen die Äußerungen jedenfalls in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG, vgl. Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, S. 78; in engen Ausnahmefällen, kann eine andere Bewertung angezeigt sein, bspw. wenn der Zweck der Veranstaltung selbst kein kommerzielles Ziel verfolgt (Benefizspiele, etc.), siehe: Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 8 Rn. 26. 15 Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 291 ff. 16 Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 296 f. 17 Ist in diesen Fällen das Stadion in privatrechtlichem Eigentum, stellt sich indes die Folgefrage, inwieweit Art. 8 GG Versammlungen auf privatem Grund schützt. Wegen der grundsätzlichen Öffnung des Stadions für den Publikumsverkehr, dürfte der Schutzbereich des Art. 8 GG jedoch eröffnet sein. Siehe u. a.: BVerfG, Urteil vom 22.2.2011, 1 BvR 699/06 (Fraport) = NJW 2011, 1201; BVerfG, Beschluss vom 18.7.2015, 1 BvQ 25/15 (BierdosenFlashmob) = NJW 2015, 2485.

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

Ausnahme als die Regel sein und bedürfen im Zweifelsfall einer gesonderten rechtlichen Bewertung.18 Beschränkungen des Rechts, ein Fußballspiel besuchen zu können, greifen in der Regel daher nicht in das Recht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 GG ein.19 Bei Fernhaltemaßnahmen, die sich auch auf das Umfeld des Stadions oder sogar den kompletten Spielort erstrecken, kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an. Gelegentlich kommt es auch außerhalb des Stadions im Zusammenhang mit einem Fußballspiel zu Protesten, Demonstrationen oder anderen Formen kollektiver Meinungskundgaben. Da es sich hierbei um Meinungskundgaben handelt, die lediglich in einem räumlich-zeitlichen Zusammenhang mit einem Fußballspiel stehen, aber nicht innerhalb dessen Rahmen erfolgen, kann es auf den kommerziellen, unterhaltenden Charakter der anlassgebenden Veranstaltung nicht mehr ankommen. Bei kollektiven Meinungskundgaben dieser Art handelt es sich vielmehr um eigenständige Veranstaltungen, die häufig die Voraussetzungen einer Versammlung im Sinne von Art. 8 GG erfüllen dürften, soweit es ihnen nicht an der erforderlichen Friedlichkeit fehlt.20 Finden derartige Versammlungen im Rahmen von Fußballspielen im Ausland statt, kann eine Fernhaltemaßnahme auch in diesem Fall in die Versammlungsfreiheit eingreifen, da Art. 8 Abs. 1 GG auch die Teilnahme an Versammlungen im Ausland schützt.21

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Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 295 f. Nimmt man einen Schutz des Fußballspiels durch Art. 8 GG an, so wäre im nächsten Schritt zu klären, ob es sich um eine Versammlung unter freiem Himmel handelt. Im Veranstaltungsrecht wird über diesen Punkt seit geraumer Zeit gestritten. Teile der Rechtsprechung sehen in einem Fußballspiel eine Veranstaltung unter freiem Himmel, so u. a.: OLG Hamm, Beschluss vom 7.9.2017, 4 RVs 97/17 = NStZ-RR 2017, 390; OLG Bamberg, Beschluss vom 24.11.2015, 3 Ss OWi 1176/15 = NStZ 2016, 487; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.4.2011, 2 Ss 36/11 = NStZ-RR 2011, 257; Entschieden anderer Ansicht hingegen: AG Nürnberg, Urteil vom 12.5.2016, 431 OWi 403 Js 430391/15 (juris); Dem AG Nürnberg dürfte zuzustimmen sein, da es zumindest im Versammlungsrecht auf die Abgrenzung zu den Seiten ankommt und darauf, ob das Umfeld mit in die Veranstaltung integriert wird. Hiervon kann angesichts der Umzäunung um das Stadiongelände herum keine Rede sein. Eine vom Versammlungsrecht abweichende Auslegung des Tatbestandsmerkmals ist nicht veranlasst. Zum Versammlungsrecht siehe auch: Hoffmann-Riem, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 106 Rn. 104 a. E.; Wache, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, § 1 VersammlG Rn. 27. 20 In diesem Zusammenhang hat zuletzt auch die Frage der Behandlung von Sitzblockaden wieder aktuelle Relevanz erlangt, vgl. Midasch, 22 Streikbrecher, Spiegel-Online vom 26.9.2016, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/sport/fussball/bundesliga-rb-leipzig-und-1-fckoeln-trennen-sich-unentschieden-a-1113877.html, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019. 21 BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = BVerwGE 129, 142. 19

II. Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG

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2. Zwischenfazit Die Teilnahme an einem Fußballspiel wird in der Regel nicht durch Art. 8 GG geschützt. Ein Eingriff kommt indes in Betracht, wenn die Meinungsäußerungen entweder einen inhaltlichen Bezug zu der Veranstaltung vermissen lassen oder in zeitlicher und räumlicher Hinsicht außerhalb der Veranstaltung erfolgen. Führt der Erlass einer Fernhaltemaßnahme dazu, dass der Person die Teilnahme an einer solchen Versammlung rechtlich unmöglich ist, liegt ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 GG vor. In diesem Fall dürfte für den Erlass einer Fernhaltemaßnahme regelmäßig der einfache Gesetzesvorbehalt für die Beschränkung von Versammlungen unter freiem Himmel zu beachten sein.

II. Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG 1. Der Stadionbesuch als Informationsquelle? Teile der Literatur sehen den Besuch eines Fußballspiels durch die Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG geschützt.22 Der Schutz durch die Informationsfreiheit ergebe sich daraus, dass auch ein Ereignis als solches, und somit auch ein Fußballspiel, eine Quelle im Sinne des sachlichen Schutzbereichs dieses Grundrechts sein könne. Die Informationsfreiheit schütze nicht nur den Zugang zur Berichterstattung, sondern auch den Zugang zur Informationsgewinnung am Ort des Ereignisses selbst.23 Der grundrechtliche Schutz erstrecke sich jedoch nur auf allgemeinzugängliche Ereignisse.24 Die Allgemeinzugänglichkeit einer Quelle hänge davon ab, ob sie dazu „geeignet und bestimmt sei, der Allgemeinheit, das heißt einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen“25. Bei einem Fußballspiel handelt es sich jedenfalls um eine Quelle, da dem Ereignis eine Reihe unterschiedlicher Informationen, wie Aufstellung, Spielverlauf und Ergebnis entnommen werden können.26 Ein Fußballspiel weist zudem auch die technische Eignung, der Allgemeinheit als Informationsquelle zu dienen, auf. Fußballspiele müssten allerdings auch dazu bestimmt sein, der Allgemeinheit als Informationsquelle zu dienen. Bei Fußballspielen handelt es sich um privatrechtlich organisierte Veranstaltungen, die nur einem begrenzten Zuschauerkreis eröffnet sind.27 22 Berbel/Engels, WRP 2005, 191 (199 ff.); Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 323. 23 BVerfG, Urteil vom 24.1.2001, 1 BvR 2623/95 = BVerfGE 103, 44 (60). 24 BVerfG, Urteil vom 24.1.2001, 1 BvR 2623/95 = BVerfGE 103, 44 (60). 25 Dörr, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 103, Rn. 27; BVerfG, Beschluss vom 3.10.1969, 1 BvR 46/65 = BVerfGE 27, 71 (83). 26 So auch Grabenwarter, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 1004. 27 Kritisch: Tettinger, ZUM 1986, 497 (501), a. A. Schmidt-Jortzig, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 162 Rn. 38.

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

Es hängt letztlich vom Willen des Verfügungsberechtigten (dem Veranstalter) ab, ob ein Fußballspiel allgemeinzugänglich ist oder nicht.28 Es wäre daher denkbar, von einer durch den Veranstalter gewollten Beschränkung des Zuschauerkreises auf Personen auszugehen, von denen keine Störungen oder Verstöße gegen die Hausordnung sowie sonstige Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu erwarten sind.29 Eine derartige Beschränkung wäre indes zu unbestimmt, denn es entspricht grundsätzlich dem Willen jedes Verfügungsberechtigten, dass er keine Nachteile durch den Informierenden bei Inanspruchnahme der Informationsquelle zu befürchten hat. Auch eine Bibliothek erwartet beispielsweise von ihren Nutzern, dass diese die Hausordnung beachten und spricht erforderlichenfalls Hausverbote gegen Personen aus, die in der Vergangenheit gegen diese verstoßen haben. Der Ausschluss einzelner Personen hat jedoch keinen Einfluss auf die Frage der Allgemeinzugänglichkeit einer Quelle, sondern ist eine Frage der Rechtfertigung der jeweiligen Ausschlüsse im Einzelfall. Im Übrigen kann grundsätzlich jedermann Zutritt zu einem Fußballspiel erlangen. Davon muss selbst dann ausgegangen werden, wenn der Verein personalisierte Eintrittskarten ausgibt, denn auch in diesem Fall steht es grundsätzlich jedem frei, ein Ticket zu erwerben. Die Angabe des Namens auf den Tickets soll in erster Linie den unerwünschten Weiterverkauf der Tickets unterbinden.30 Eine Person, die nach dem Willen des Verfügungsberechtigten keinen Zutritt zur Veranstaltung erhalten soll, wird bei personalisierten Tickets lediglich dadurch schlechter gestellt, dass es ihr in der Regel bereits nicht möglich sein dürfte, ein Ticket zu erwerben, da sie ihre Identität bereits bei Anbahnung des Vertrages offenbaren müsste. Sie wäre allerdings auch bei Ausgabe nicht-personalisierter Tickets kaum bessergestellt, da sie durch den Erwerb einer Eintrittskarte kein Zutrittsrecht zur Veranstaltung erwerben könnte und damit rechnen müsste, bei der Einlasskontrolle abgewiesen zu werden. Bei Fußballspielen handelt es sich demnach in der Regel um eine allgemeinzugängliche Quelle. Soweit der Veranstalter eine tatsächliche Begrenzung des Zuschauerkreises auf bestimmte Personen vornimmt, beispielsweise indem er den Zutritt zum Stadion von einer Vereinsmitgliedschaft abhängig macht, steht ihm diese Möglichkeit allerdings im Wege der Privatautonomie offen.31 Ein Zwang auf Seiten des Veranstalters, die Veranstaltung für jedermann zugänglich zu machen, besteht regelmäßig nicht.32 Die 28

Dörr, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 103 Rn. 30. BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018, 1 BvR 3080/09 = NJW 2018, 1667 (1669); Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 323. 30 Müller-Eiselt, NVwZ 2016, 643 (644). 31 Dörr, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 103 Rn. 30. 32 Im Einzelfall bestehen jedoch ggf. kartellrechtliche Grenzen. Siehe hierzu die Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 1.12.2017 zur Vergabepraxis von WM-Tickets durch den DFB, abrufbar unter: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemit teilungen/2017/01_12_2017_DFB_Ticketvergabe.html, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019. 29

II. Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG

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Gegenansicht, die aufgrund der Bedeutsamkeit eines Fußballspiels als Informationsquelle davon ausgeht, dass dem Verfügungsberechtigten das Recht zur Zugangsverengung abgeschnitten ist,33 verkennt, dass das immense Interesse der Gesellschaft am professionellen Fußballsport inzwischen durch eine nahezu lückenlose Berichterstattung abgedeckt wird, bei der selbst über Nebensächlichkeiten am Rande des Spiels berichtet wird und sogar Aspekte behandelt werden, die außerhalb der durchschnittlichen Wahrnehmung des Zuschauers vor Ort liegen.34 Dass Teile dieses Informationsangebotes kostenpflichtig sind, ändert nichts an der Gleichwertigkeit dieser Zugangsmöglichkeit, da auch der Besuch eines Fußballspiels, also der Zugang zur eigentlichen Informationsquelle, Kosten verursacht und sich Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG kein Recht auf kostenlosen Informationszugang entnehmen lässt.35 Ob ein Fußballspiel im In- oder Ausland stattfindet, spielt für die grundrechtliche Würdigung einer Fernhaltemaßnahme keine Rolle, da Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG auch den Zugang zu Informationsquellen im Ausland schützt.36

2. Zwischenfazit Fußballspiele sind eine taugliche Informationsquelle im Sinne der Informationsfreiheit. Der Besuch eines Fußballspiels wird durch die Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG geschützt, sofern die Veranstaltung allgemeinzugänglich ist, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis offensteht. Zwar kann der Veranstalter, aufgrund des Bestehens alternativer und gleichwertiger Informationsmöglichkeiten, prinzipiell den Zugang zu einem Fußballspiel beschränken, mit der Folge, dass es sich dann nicht mehr um eine allgemein zugängliche Quelle handelt. In der Regel werden derartige Beschränkungen indes nicht vorgenommen. Der Besuch von Fußballspielen wird daher in den meisten Fällen durch die Informationsfreiheit geschützt sein, so dass Fernhaltemaßnahmen wegen des qualifizierten Gesetzesvorbehaltes gemäß Art. 5 Abs. 2 GG nur erlassen werden können, wenn die Behörden aufgrund eines allgemeinen Gesetzes hierzu ermächtigt werden.

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Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 320 ff.; sowie Berbel/Engels, WRP 2005, 191 (197 f.), wobei sich letztere mit der Frage befassen, ob einem Hörfunksender hausrechtlich der Zutritt zum Stadion zum Zweck der Berichterstattung verweigert werden kann, was der BGH mit Urteil vom 8.11.2005, KZR 37/03 = ZUM 2006, 137 bejahte. 34 So werden beispielsweise durch die zahlreichen Kameras und Mikrophone im Stadion auch Vorkommnisse am Spielfeldrand oder im Spielertunnel erfasst und in Funk und Fernsehen übertragen, die ein Zuschauer vor Ort wegen der Entfernung zum Geschehen weder optisch noch akustisch wahrzunehmen imstande ist. 35 Dörr, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 103 Rn. 27. 36 U. a.: BVerfG, Beschluss vom 9.2.1994, 1 BvR 1687/92 = BVerfGE 90, 27 (32).

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

III. Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG 1. Einführung Obwohl das in Art. 11 GG enthaltene Freizügigkeitsrecht in der Literatur häufig im Zusammenhang mit polizei- und ordnungsbehördlichen Fernhaltemaßnahmen erwähnt wird,37 wird es durch weite Teile der Rechtsprechung bei der Auseinandersetzung mit der Frage der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen nur unzureichend berücksichtigt.38 Dieser Umstand ist verwunderlich, zumal sich bereits mehrere Obergerichte zur Möglichkeit einer Verletzung des Freizügigkeitsrecht durch den Erlass von Fernhaltemaßnahmen geäußert haben.39 Zwar mögen die grundrechtlichen Auswirkungen der verschiedenen Fernhaltemaßnahmen von unterschiedlicher Art und Intensität sein, die zum Teil mangelnde Auseinandersetzung mit Art. 11 GG kann jedoch keinesfalls damit erklärt werden, dass der Schutzbereich des Grundrechts bei einem Teil der Fernhaltemaßnahmen offensichtlich nicht tangiert wird, sind doch dessen Grenzen höchst umstritten und die Entwicklung eindeutiger und klarer Abgrenzungskriterien äußerst schwierig.40 Eine Erklärung mag in dem von Pieroth konstatierten „Schattendasein“41 des Grundrechts innerhalb der Rechtswissenschaft liegen, an dem sich nach wie vor nur wenig geändert zu haben scheint.42 Gerade deshalb und mit Blick auf die verhältnismäßig engen Schranken des Art. 11 GG liegt es auf der Hand zu untersuchen, ob Maßnahmen, die den Besuch und die Anreise zu einem Fußballspiel unterbinden, in den Schutzbereich des Freizügigkeitsrechts eingreifen.

37 Siehe zum Beispiel Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 83; Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 41. 38 Allerdings sind die Verwaltungsgerichte in vielen Fällen ausschließlich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit der Frage der Rechtmäßigkeit von Fernhaltemaßnahmen befasst, so dass die unzureichende Auseinandersetzung mit den grundrechtlichen Aspekten der jeweiligen Maßnahmen durch den verkürzten Prüfungsmaßstab erklärt werden kann. Gleichwohl wird Art. 11 GG regelmäßig auch dann ignoriert, wenn sich eine Verletzung des Grundrechts nahezu aufdrängt. Exemplarisch: VG Darmstadt, Beschluss vom 28.4.2016, 3 L 642/16.DA = NVwZ 2016, 1344. 39 BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = NVwZ 2007, 1439; vorangehend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.3.2006, OVG 1 B 7.04. = BeckRS 2006, 12241; VGH Mannheim, Urteil vom 18.5.2017, 1 S 1194/16 = NVwZ-RR 2017, 873; VGH Mannheim, Urteil vom 18.5.2017, 1 S 160/17 = DÖV 2017, 783; OVG Bremen, Urteil vom 24.3.1998, 1 BA 27/97 = NVwZ 1999, 314. 40 Beinahe resignierend Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 82. 41 Pieroth, JuS 1985, 81 (81); Ähnlich: Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 913. 42 An dieser bereits durch Alberts, NVwZ 1997, 45 (46), getroffenen Feststellung lässt sich auch nach 20 Jahren kaum rütteln, auch wenn zwischenzeitlich das BVerfG einen begrüßenswerten Beitrag zur Dogmatik des Art. 11 GG geleistet hat, BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 (Garzweiler) = BVerfGE 134, 242.

III. Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG

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2. Der Schutzbereich des Freizügigkeitsrechts gemäß Art. 11 Abs. 1 GG a) Das Freizügigkeitsrecht des Art. 11 GG im grundrechtlichen Gefüge Im Vergleich zu seinen verfassungsrechtlichen Vorgängern, § 131 Paulskirchenverfassung und Art. 111 WRV, ist Art. 11 Abs. 1 GG relativ knapp formuliert. Anders als bei diesen – und auch abweichend vom Wortlaut des Freizügigkeitsgesetzes43 – finden sich in Art. 11 GG weder die Begriffe Wohnsitz, Aufenthalt oder Ort wieder. Stattdessen beschränkt sich der Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 GG auf den Schutz von „Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet“. Mit Blick auf die historischen Wurzeln des Freizügigkeitsrechts mag zwar die Nennung von Wohnsitz, Aufenthalt und Ort bei Ausarbeitung des Art. 11 GG zu Recht als redundant erachtet worden sein,44 gerade der verschlankte Wortlaut lässt jedoch Raum zur Interpretation, dass sich der Freizügigkeitsbegriffs des Art. 11 GG von seinem historisch übermittelten Sinngehalt emanzipiert und fortentwickelt haben könnte.45 So könnte die in Art. 11 GG geschützte Freizügigkeit auch im Sinne vergleichbarer internationaler Regelungen ausgelegt werden. Hierzu zählt vor allem der etwa sechs Monate vor InKraft-Treten des Grundgesetzes von der UN erlassene Art. 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR). Dieser schützt, neben der freien Wahl des Wohnortes, die Freiheit sich innerhalb der Grenzen eines Staates frei bewegen zu können („freedom of movement“). An diesen Wortlaut lehnt sich auch Art. 2 des EMRK Protokolls Nr. 4 vom 16.9.1963 an („liberty of movement“).46 In beiden Artikeln wird die Bewegungsfreiheit somit generell und ohne Bezugnahme auf die Begriffe Ort oder Aufenthalt gewährleistet.47 Allerdings spricht die nur schwer mit dem Grundgesetz vergleichbare Systematik von AEMR und EMRK gegen eine entsprechende Lesart des Art. 11 GG.48 Auch die Gesetzgebungsgeschichte deutet darauf hin, dass Art. 11 GG grundsätzlich der deutschen Tradition des Freizügigkeitsrechts folgt und nicht unmittelbar auf die AEMR Bezug nimmt. Bei der Ausarbeitung des Art. 11 GG diente vielmehr das Freizügigkeitsgesetz von 1867 als

43 Gesetz über die Freizügigkeit vom 1.11.1867, Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1867 Nr. 7, S. 55 ff. 44 Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 5/II, S. 882; eine Zusammenfassung der Diskussionen um den Wortlaut des Art. 11 GG findet sich u. a. bei Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 402 ff. 45 Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 4 f. 46 Auf Art. 45 AEUV wird hier bewusst nicht eingegangen, da er sich ausschließlich auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beschränkt. Entsprechendes Pendant im GG wäre jedoch Art. 12 GG und nicht Art. 11 GG, da Art. 12 GG für die berufsbezogene Freizügigkeit das speziellere Grundrecht ist. 47 Dies gilt auch für den französischen Text (Art. 13 AEMR: „le droit de circuler librement“ bzw. Art. 2 EMRK Protokoll Nr. 4: „le droit d’y circuler librement“). Die deutsche Version ist daher eine ungenaue und somit wenig glückliche Übersetzung. 48 So auch Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 11 Rn. 11; Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 49 f.

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

Vorlage für die Schranken des Abs. 2.49 Das Freizügigkeitsgesetz (1867) knüpfte seinerseits bei seinem Erlass an das Freizügigkeitsrecht der letztlich gescheiterten Paulskirchenverfassung an und sollte die Freizügigkeit, in Ermangelung einer verfassungsrechtlichen Regelung, zumindest auf einfachgesetzlicher Ebene schützen und die mit ihr verknüpften Rechte näher spezifizieren.50 Das Gesetz galt auch nach dem Erlass des Grundgesetzes bis zum Beginn des Jahres 1975 fort.51 Daher kann das Freizügigkeitsgesetz gewissermaßen als Brücke zwischen den verschiedenen deutschen Verfassungen angesehen und zum näheren Verständnis der in Art. 11 GG gewährleisteten Freizügigkeit herangezogen werden.52 Über eine, jedenfalls im Grundsatz, bestehende nationale Kontinuität des Freizügigkeitsrechts in Deutschland besteht in Ansehung dieses historischen Hintergrundes daher auch weitgehender Konsens.53 So definierte das Bundesverfassungsgericht bereits in einer frühen Entscheidung die Freizügigkeit i. S. d. Art. 11 Abs. 1 GG als das Recht, „an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen“54 und rekurriert damit auf das Verständnis der Freizügigkeit, das bereits in der Paulskirchenverfassung, dem Freizügigkeitsgesetz von 1867 und der Verfassung der Weimarer Republik zum Ausdruck kam.55 Diese Definition von Freizügigkeit genügt für sich gesehen noch nicht zu einer eindeutigen Bestimmung des Schutzbereiches von Art. 11 Abs. 1 GG und ist somit nicht geeignet, das Grundrecht von anderen Freiheitsrechten, insbesondere von 49

Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 34. Zudem führte es das Freizügigkeitsrecht nach dem preußischen Gesetz über die Freizügigkeit vom 31.12.1842 fort. Vgl. die nur im historischen Teil haltbare Dissertation von Schmitt, Die Freizügigkeit, S. 12 f. sowie Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 229 ff. (239). 51 Siehe Art. 287 Nr. 14, Art. 326 Abs. 1 EGStGB vom 2.3.1974, BGBl. 1974 Teil I Nr. 22 S. 632 u. 648. 52 Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 21. Kritisch hingegen: Randelzhofer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 11 Rn. 17. 53 Vgl. Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 407; Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 71. 54 BVerfG, Beschluss vom 7.5.1953, 1 BvL 104/52 = BVerfGE 2, 266 (273); Das BVerfG hat später mitunter auch andere Definitionen verwendet, siehe bspw. BVerfG, Beschluss vom 23.7.1958, 1 BvL 1/52 = BVerfGE 8, 95 (97), scheint aber weiterhin an seiner ursprünglichen Definition festzuhalten, exemplarisch: BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 (Garzweiler) = BVerfGE 134, 242 (323). 55 § 131 Paulskirchenverfassung: Jeder Deutsche hat das Recht, an jedem Orte des Reichsgebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, (…). § 1 Freizügigkeitsgesetz (1867): Jeder Bundesangehörige hat das Recht, innerhalb des Bundesgebietes: 1) an jedem Orte sich aufzuhalten oder niederzulassen, wo er eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen sich zu verschaffen im Stande ist; (…). Art. 111 WRV: Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Reiche. Jeder hat das Recht, sich an beliebigem Orte des Reichs aufzuhalten und niederzulassen (…). 50

III. Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG

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Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG, abzugrenzen. Für die Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung sprechen jedoch die grundrechtliche Systematik sowie die voneinander abweichenden Schranken dieser Grundrechte. Während das Freizügigkeitsrecht gemäß Art. 11 Abs. 2 GG einem qualifizierten Gesetzesvorbehalt unterliegt, gelten für die körperliche Bewegungsfreiheit die Schranken des Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG, die einen speziellen einfachen Gesetzesvorbehalt vorsehen.56 Dieser wird durch die zusätzlichen Voraussetzungen des Art. 104 GG zu einem qualifizierten Gesetzesvorbehalt.57 Die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG unterliegt hingegen einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Die Abgrenzung des Art. 11 GG zu diesen Grundrechten macht eine nähere Auseinandersetzung mit seinem Schutzbereich erforderlich. b) Überblick über das Meinungsspektrum zum Schutzbereich des Art. 11 GG Bis auf den Umstand, dass es sich bei Art. 11 GG um ein Deutschen-Grundrecht handelt, weist der persönliche Schutzbereich des Grundrechts keine weiteren Besonderheiten auf. Ausgangspunkt für die Auslegung des sachlichen Schutzbereiches von Art. 11 GG ist das historische Verständnis des Freizügigkeitsrechts,58 an dem sich die folgende Darstellung orientiert. Demnach schützt das Freizügigkeitsrecht die Wohnsitz- und Aufenthaltsnahme an jedem Ort innerhalb Deutschlands.59 Da bei Anreise und Besuch eines Fußballspiels einzig die Aufenthaltsnahme von praktischer Relevanz ist, beschränkt sich die Darstellung im Wesentlichen auf diesen Schutzgehalt des Grundrechts.60 Art. 11 Abs. 1 GG vermittelt indes mangels unmittelbarer Drittwirkung keinen Anspruch darauf, fremdes Eigentum in Anspruch zu nehmen.61 Ein Zuschauer kann sich daher gegenüber dem Träger oder Betreiber einer Sportstätte nicht auf sein Freizügigkeitsrecht berufen, um Einlass ins Stadion zu erlangen.62 Er muss sich insoweit dem Willen des Verfügungsberechtigten beugen.63 56

Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2 Rn. 42. Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2 Rn. 45. 58 Pagenkopf, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 11 Rn. 29, der jedoch auch, wie andere Stimmen in der Literatur der Auffassung ist, dass veränderte Lebensumstände inzwischen zu einem anderen Verständnis von Freizügigkeit zwingen. So u. a. Hailbronner, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 152 Rn. 45; Alberts, NVwZ 1997, 45 (47); Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 32 ff. 59 Zuletzt: BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 (Garzweiler) = BVerfGE 134, 242 (323). 60 Indes wirft aber gerade diese Variante erhebliche Probleme bei der inhaltlichen Bestimmung und Abgrenzung zu Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG auf, die sich beim Begriff „Wohnsitz“, insbesondere wegen der Möglichkeit, diesen durch Heranziehung des einfachen Rechts (v. a. § 7 BGB) näher zu bestimmen, nicht stellen. Siehe auch: Pagenkopf, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 11 Rn. 15. 61 Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG I, Art. 11 Rn. 49. 62 Hofmann, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Band 1, Heidelberg 2002, Art. 11 Rn. 15; Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1142. 57

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

Soweit der Betroffene jedoch grundsätzlich zum Betreten des Stadions befugt ist, könnten hoheitliche Maßnahmen, die ihn ausschließlich davon abhalten, ein Stadion zu betreten, einen Eingriff in Art. 11 GG darstellen. Dies setzt voraus, dass erstens, ein Stadion ein Ort ist, an dem im Sinne des Freizügigkeitsrechts Aufenthalt genommen werden kann, und zweitens, ein Stadionbesucher bei Besuch des Stadions tatsächlich Aufenthalt im Sinne des Art. 11 GG nimmt. aa) Aufenthaltsort Der Begriff „Ort“ kann einerseits eine im räumlichen Sinne bestimmte, lokalisierbare Stelle („Örtlichkeit“) oder aber das einer Gemeinde zugeordnete Territorium („Ortschaft“) bezeichnen.64 Bei letzterem Verständnis wäre das Stadion kein tauglicher Bezugspunkt für einen „Aufenthalt“ im Sinne der Freizügigkeit, sondern ausschließlich die Gemeinde, in dem sich das Stadion befindet (Spielort).65 Eng mit dem Verständnis des Begriffs „Ort“ ist auch die Frage verknüpft, über welche räumliche Dimension sich die durch Art. 11 GG geschützte Freizügigkeit erstreckt. Wenn nämlich „Ort“ im Sinne von „Ortschaft“ und nicht im Sinne von „Örtlichkeit“ zu verstehen ist, können sich diejenigen Zuschauer, deren Wohnort zugleich der Spielort ist, beim Besuch des Stadions nicht auf Art. 11 Abs. 1 GG berufen, da sie ihren Aufenthaltsort nicht verändern. Ohne den Schutz der sogenannten interlokalen Freizügigkeit wäre Art. 11 Abs. 1 GG, bezogen auf den Fußball, in erster Linie ein Grundrecht für Auswärtsfans. Bis zum Erlass des Grundgesetzes gab es kaum Zweifel hinsichtlich der Bedeutung des Begriffes „Ort“. Das Freizügigkeitsgesetz verwendete diesen im territorialen Sinne, also im Sinne von Ortschaft oder Gemeinde.66 Dieses Verständnis legten einige Stimmen in Literatur und Rechtsprechung, unter ihnen das Bundesverfassungsgericht, zunächst auch dem Freizügigkeitsrecht i. S. d. Art. 11 Abs. 1 GG zu Grunde.67 Inzwischen lehnen Bundesverfassungsgericht und überwiegende Teile 63 Insoweit bestehen indes Einschränkungen durch das Verbot der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB, hierzu siehe bereits Teil 1 Fn. 174; Eine mittelbare Drittwirkung des Freizügigkeitsrechts wird in anderen Konstellationen gleichwohl anerkannt. Vgl. Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 109; BGH, Urteil vom 29.9.1977, III ZR 164/75 = NJW 1977, 2356 sowie Urteil vom 26.4.1972, IV ZR 18/71, = NJW 1972, 1414. 64 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 43 ff. 65 In diesem Sinne: Dürig, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte 2, S. 507 ff. (514). 66 Dieses Verständnis lag auch Art. 111 WRV zu Grunde, siehe: Schlottner, Das Grundrecht der Freizügigkeit, S. 5; Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 45; ders., Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 31. 67 Siehe u. a.: BVerfG, Beschluss vom 23.7.1958, 1 BvL 1/52 = BVerfGE 8, 95 (97); VG Sigmaringen, Beschluss vom 14.9.1994, 9 K 1533/94 = NVwZ-RR 1995, 327; Wohl auch BVerwG, Beschluss vom 22.8.1983, 8 B 78.83 = JurionRS 1983, 15569 und Beschluss vom 28.9.1972, I B 23/72 = JurionRS 1972, 12575; Dürig, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte 2, S. 507 ff. (514).

III. Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG

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von Literatur und Rechtsprechung dieses historische Verständnis ab,68 ohne jedoch Aufschluss darüber zu geben, wo die räumlichen Grenzen des Begriffs „Ort“ stattdessen zu ziehen sein sollten. Das Bundesverfassungsgericht hält sich mit Ausführungen zur näheren Dimension der Freizügigkeit, ob also die interlokale Freizügigkeit den Ortswechsel von Stadtteil zu Stadtteil oder gar den von einer Straßenecke zur nächsten schützen soll, bislang zurück.69 Die Verwaltungsgerichte gehen, sofern sie sich überhaupt mit Art. 11 GG auseinandersetzen,70 mit mehr oder weniger großem Begründungsaufwand überwiegend davon aus, dass durch Art. 11 GG auch der Aufenthalt an einer bestimmten Örtlichkeit geschützt sei.71 In der Literatur ist das Meinungsbild nicht eindeutig. Weitgehend verbreitet scheint die Auffassung zu sein, das Freizügigkeitsrecht habe sich durch gesellschaftliche Veränderungen von seinem ursprünglichen Verständnis entfernt.72 So müsse beispielsweise der Bildung von Großgemeinden Rechnung getragen werden, so dass Gemeindegrenzen für einen Ortswechsel im Sinne des Freizügigkeitsrechts nicht mehr maßgeblich sein könnten.73 Andere sehen in Art. 11 GG ein Recht zum Schutz der individuellen Selbstentfaltung, das daher auch vor Einschränkungen, eine bestimmte Örtlichkeit aufzusuchen, schütze.74 Randelzhofer hingegen meint, dass

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BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 (Garzweiler) = BVerfGE 134, 242 (324); Beschluss vom 25.3.2008, 1 BvR 1548/02 (juris); Urteil vom 17.3.2004, 1 BvR 1266/00 = BVerfGE 110, 177 (191); für die Literatur exemplarisch: Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 54; Gusy, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), GG I, Art. 11 Rn. 26; Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 12. 69 In der Entscheidung BVerfG, Beschluss vom 25.3.2008, 1 BvR 1548/02 (juris), beschränkt sich das Gericht hinsichtlich Art. 11 GG einzig auf Ausführungen zum Begriff des Aufenthalts. 70 Etwas überraschend insoweit die Entscheidung des VG Darmstadt, Beschluss vom 28.4.2016, 3 L 642/16.DA = NVwZ 2016, 1344, in der durchaus Ausführungen zu Art. 11 GG hätten erwartet werden können. In den Gründen wird jedoch einzig auf Art. 2 Abs. 1 GG eingegangen und offen gelassen, ob das Gericht Art. 11 GG schlicht übersehen oder für offensichtlich nicht einschlägig erachtet hat. 71 Siehe: OVG Bremen, Urteil vom 24.3.1998, 1 BA 27 – 97 = NVwZ 1999, 314; zuvor: VG Bremen, Urteil vom 29.5.1997, 2 A 149/96 = BeckRS 2014, 46588. Der schlichte erst-rechtSchluss, den das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 19.5.1924, 46.T.119.24. = KGBl. 1924, 63) im Zusammenhang mit Art. 111 WRV, dem historischen Vorläufer des Art. 11 GG, gezogen hatte, hat sich jedoch zu Recht weder in Literatur noch Rechtsprechung durchsetzen können. Kritisch hierzu: Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 53; ähnlich wie das KG Berlin hingegen Gnatzy, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 11 Rn. 15. 72 U. a.: Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 152 Rn. 45; Alberts, NVwZ 1997, 45 (47). 73 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 45; ders., Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 31; kritisch abwägend hingegen Baer, NVwZ 1997, 27 (30). 74 Alberts, NVwZ 1997, 45 (47).

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sich eine Person bei Aufsuchen eines Ortes nur dann auf ihr Freizügigkeitsrecht berufen könne, wenn dieser Ort außerhalb ihres Lebenskreises liege.75 bb) Aufenthalt Durch den Stadionbesuch müsste eine Person Aufenthalt im Sinne des Art. 11 GG nehmen, um sich auf den sachlichen Schutzbereich des Freizügigkeitsrechts berufen zu können. In diesem Fall wäre auch die Anreise zum Stadion vom sachlichen Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 GG umfasst, denn das Freizügigkeitsrecht wäre unvollkommen, würde es nur den Aufenthalt schützen, nicht jedoch die hierfür erforderliche Anreise.76 Nicht vom sachlichen Schutzbereich umfasst ist indes die Anreise über einen konkreten Reiseweg oder mit einem bestimmten Verkehrsmittel.77 Maßnahmen, die nur den Anreiseweg betreffen, stellen daher grundsätzlich keinen Eingriff in das Freizügigkeitsrecht dar, sofern sie nicht faktisch dazu führen, dass der Gewährleistungsgehalt des Grundrechts entfällt.78 Unter welchen Bedingungen von einem Aufenthalt im Sinne des Art. 11 Abs. 1 GG gesprochen werden kann, ist weitgehend unklar. Nach einer älteren Ansicht, sei der Begriff des Aufenthalts weit auszulegen und umfasse jeden Fortbewegungsvorgang.79 Konsequenz dieser weiten Auslegung ist, dass Art. 11 Abs. 1 GG für den Schutz jeglicher Ortsveränderungen zum lex specialis gegenüber Art. 2 Abs. 1 bzw. Abs. 2 S. 2 GG wird.80 Hiergegen spricht, dass ein derart weitgehendes Verständnis des Aufenthalts weder der historischen Entwicklung des Grundrechts noch dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG, der einer sinnvollen und angemessenen Beschränkung kürzeren Verweilsens entgegensteht, genügend Rechnung trägt.81 Die Auffassung dürfte inzwi75

Randelzhofer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 11 Rn. 26. 76 Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1138. 77 BVerfG, Beschluss vom 6.6.1989, 1 BvR 921/85 (Reiten im Walde) = BVerfGE 80, 137 (150); zustimmend u. a. Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1138 f. 78 Ein hypothetisches Verbot, Fernverkehrsmittel nutzen zu dürfen, schränkt ab einer gewissen Distanz zwischen Start- und Zielort die Freizügigkeit des Grundrechtsträgers jedoch derart ein, dass von der eigentlich geschützten Freiheit kein sinnvoller Gehalt mehr übrigbleibt und ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 11 GG anzunehmen ist. So auch Hofmann, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, Band 1, Art. 11 Rn. 23 sowie Pieroth, JuS 1985, 81 (83). 79 Pernice, Ingolf, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, 2. Aufl. 2004, Art. 11, Rn. 12, 14; In diesem Sinne aber auch noch Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 461; abgeschwächt, weil bezugnehmend auf einen wenn auch eng begrenzten allgemeinen Lebenskreis: Randelzhofer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 11 Rn. 12, 14, 26. 80 Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 78. 81 Siehe u. a. Jarass, in: ders./Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 2; So bereits im Ergebnis auch BVerwG, Urteil vom 29.5.1956, IV C 012/55 = BVerwGE 3, 309 (312). Ein tendenziell enges Verständnis des Art. 11 GG liegt auch der Entscheidung BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 (Garzweiler) = BVerfGE 134, 242 zugrunde.

III. Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG

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schen ohnehin als überholt anzusehen sein, da sie in aktuellen Werken nicht mehr vertreten wird.82 Stattdessen werden von Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Kriterien exklusiv, kumulativ oder alternativ für maßgeblich erachtet, um einen Aufenthalt im Sinne des Art. 11 Abs. 1 GG bestimmen zu können.83 Dabei wird sowohl an objektive wie auch an subjektive Umstände angeknüpft. Zu den objektiven Kriterien die genannt werden, zählt vor allem die Dauer eines Aufenthalts. Die Definition „Aufenthalt bedeutet vorübergehendes Verweilen“84 dürfte zwar weitgehend konsensfähig sein, hilft jedoch kaum weiter, um die Grenzen des Schutzbereiches zu bestimmen, denn es bleibt offen, wo die untere Grenze des Vorübergehenden zu ziehen sein sollte.85 Die Meinungen hierzu variieren zwischen einer Mindestverweildauer von wenigen Minuten,86 mehreren Stunden87 oder mindestens einer Übernachtung.88 Andere erachten die Dauer des Aufenthalts hingegen für gänzlich irrelevant89 oder sehen in ihr allenfalls ein Indiz für die Annahme eines Aufenthalts.90 Als weiteres objektives Indiz für einen Aufenthalt wird gelegentlich auch ein gewisses Einrichten vor Ort, gegebenenfalls unter Mitnahme persönlicher „Habe“, angesehen.91 Teilweise wird für einen Aufenthalt zusätzlich der Wille der Person verlangt, vorwiegend zum Zwecke des Aufenthalts zuzuziehen,92 oder es werden sonstige persönliche Motive des Ortswechsels für notwendig erachtet, um von einem Aufenthalt im Sinne des Art. 11 GG ausgehen zu können.93

82 Vgl. Pernice, I., in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, 2. Aufl. 2004, Art. 11 Rn. 12, 14; nicht mehr jedoch Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, 3. Aufl. 2013, Art. 11 Rn. 27. 83 Vgl. den Überblick bei Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1137 f. 84 Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 916. 85 Kritisch zu Recht u. a.: Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1137; Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 41 und Pieroth, JuS 1985, 81 (83). 86 Rittstieg, in: Stein/Denninger/Hoffmann-Riem (Hrsg.), AK GG, Art. 11 Rn. 33; Pieroth, JuS 1985, 81 (83). 87 Dicke, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 1981, Art. 11 Rn. 7. 88 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, IV, § 94 Rn. 45. 89 Randelzhofer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 11 Rn. 26. 90 Jarass, in: ders./Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 2, der den zeitlichen Faktor als wesentliches Indiz für „die räumliche gebundene Gestaltung des alltäglichen Lebenskreises“ erachtet; Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1137 f.; Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 14. 91 Jarass, in: ders./Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 3. 92 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 41. Dieser „Zuziehwille“ ist jedoch von dem in der Frühphase der Bundesrepublik mitunter verlangtem Willen des dauerhaften Zuziehens zu unterscheiden. So einst: Dürig, in: Neumann/Nipperdey/ Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte 2, S. 507 ff. (514 f.) und ihm folgend: BVerwG, Urteil vom 29.5.1956, IV C 012/55 = BVerwGE 3, 309 (312); in diese Richtung aber auch noch Tiemann, NVwZ 1987, 10 (13). 93 So u. a.: Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1137.

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cc) Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 11 GG auf Grundlage einer Gesamtbetrachtung Verbreitet ist auch eine weitere Auffassung, die nicht zwischen den Merkmalen Ort und Aufenthalt zur Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 11 GG trennt, sondern stattdessen im Wege einer Gesamtwürdigung auf die individuelle Bedeutung des Ortswechsels für den Grundrechtsträger abstellt, die vorwiegend durch räumliche und zeitliche Kriterien zu bestimmen sei.94 Ortswechsel, denen keine derart hohe Bedeutung für die Person zukommen, werden dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG zugerechnet.95 c) Eigene Stellungnahme aa) Enge Auslegung des Schutzbereichs von Art. 11 GG als Folge historischer Kontinuität (1) Entwicklung des Freizügigkeitsrechts in Deutschland Das „moderne“ Freizügigkeitsrecht entwickelte sich im engen Zusammenhang mit den Lebensumständen des 19. Jahrhunderts.96 Durch die Aufhebung der Leibeigenschaft wurde die Gewährleistung von Freizügigkeit zu einer rein staatlichen Angelegenheit.97 Ein entsprechend verbürgtes Recht fehlte jedoch zunächst. Das Freizügigkeitsrecht war vielmehr erst eine Folge sich verändernder Lebensumstände, denen die Staaten kaum mehr gewachsen waren.98 Maßgebliche Faktoren, die Einfluss auf diese Entwicklung hatten, waren die steigenden Geburtenraten, die wirtschaftlichen Folgen der Bauernbefreiung und die weit verbreitete Armut in der Bevölkerung. Durch diese Umstände bestand ein hoher wirtschaftlicher, aber auch sozialer Druck auf Teile der Bevölkerung, der zu Aus- oder Umsiedlung an Orte führte, die bessere Lebensumstände versprachen.99 Zu diesen Orten zählten die Städte, in denen durch die aufstrebenden Wirtschafts- und Industriebetriebe ein erhöhter Bedarf an Arbeitskräften bestand, was zu einem schnellen Anstieg der Einwohnerzahlen führte. Gleichzeitig wurden den Städten und Gemeinden aber

94 So u. a.: Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 13; Durner, in: Maunz/ Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 82; Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 11 Rn. 28. 95 Vgl. Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 13. 96 Siehe auch die umfassende chronologische Darstellung bei Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 140 ff., sowie etwas knapper: Schmitt, Die Freizügigkeit, S. 11 ff. 97 Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 152, 212. 98 Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 212. 99 Ein Recht auf Auswanderung wurde jedoch erst wesentlich später mit Erlass des Art. 112 WRV ausdrücklich gewährleistet.

III. Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG

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durch das sich entwickelnde Selbstverwaltungsrecht100 Rechte zuerkannt, um den Zuzug zu beschränken oder erheblich zu erschweren.101 Die Staaten versuchten den gesellschaftlichen Entwicklungen zunehmend mit Gesetzen über Aufenthaltsrechte und Armenfürsorge zu entgegnen. In diesem Zusammenhang muss das, noch vor der Paulskirchenverfassung erlassene, preußische Freizügigkeitsgesetzes von 1842 verstanden werden.102 Das Gesetz sollte das Siedlungs- und Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung durch Eindämmung der Einflussnahme der Städte und Gemeinden auf die Aufenthalts- und Wohnsitznahme absichern und damit auch die finanzielle und wirtschaftliche Not der Bevölkerung insgesamt bekämpfen.103 Gleichwohl trat mit ihm erstmals ein Gesetz in Kraft, das das Niederlassungsrecht einer Person nicht vom Erwerb der Bürgerrechte abhängig machte und damit den Wandel der Bürgergemeinde zur Einwohnergemeinde einläutete.104 Das Freizügigkeitsgesetz (1842) brach somit mit dem bis dato in den deutschen Ländern vorherrschenden Verständnis von Freizügigkeit.105 An dieses Verständnis knüpften sowohl die Paulskirchenverfassung als auch das Freizügigkeitsgesetz des Norddeutschen Bundes von 1867 an.106 Nach § 1 S. 1 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz (1867) hatte jeder Bundesangehörige das Recht, „innerhalb des Bundesgebietes: an jedem Orte sich aufzuhalten oder niederzulassen, wo er eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen sich zu verschaffen im Stande ist“.107 Aufmerksamkeit verdient die Bedingung, der Betroffene müsse im Stande sein, sich am Ort des Aufenthalts ein Unterkommen zu verschaffen. Eine derartige Bedingung war in der Paulskirchenverfassung nicht enthalten.108 Auch in den späteren Artikeln 100

Das heutige Verständnis der kommunalen Selbstverwaltung wurde insbesondere durch die Stein-Hardenbergschen Reformen Anfang des 19 Jahrhunderts geprägt. Zu den gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben zählen seither die Polizeiverwaltungsaufgaben im Sinne des alten, weiten Polizeibegriffes. Vgl. § 184 c) Paulskirchenverfassung. Zur Geschichte der kommunalen Selbstverwaltung, statt vieler: Burgi, Kommunalrecht, Teil 1 § 3 Rn. 4 ff. 101 Vgl. Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 154 f. Schmitt, Die Freizügigkeit, S. 11 f. 102 Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 156. 103 Schmitt, Die Freizügigkeit, S. 13. 104 Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 210; Schmitt, Die Freizügigkeit, S. 12. 105 Schmitt, Die Freizügigkeit, S. 12. 106 Wobei hier eine stärkere Gewichtung auf der Gewährleistung individueller Freiheit lag, Schmitt, Die Freizügigkeit, S. 13. 107 Ob es sich bei § 1 FreizG um ein in Gesetzesform gegossenes Grundrecht handelte, ist umstritten. Dagegen: Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 230; dafür: Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 20 f.; Huber, in: Ehmke/Kaiser/Kewenig/Meessen/ Rüfner (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Scheuner zum 70. Geburtstag, S. 168 f. Die Diskussion ist jedoch für die historische Auslegung ohne Belang, da es sich jedenfalls um ein subjektiv öffentliches Recht handelte. So auch zeitgenössisch bereits: Dames, Freizügigkeit und Aufenthalt und deren Beschränkungen, S. 8. 108 Gleichwohl sah § 131 Abs. 2 der Paulskirchenverfassung einen Gesetzesvorbehalt vor. § 131 Abs. 2 Paulskirchenverfassung:

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über die Freizügigkeit in der Weimarer Reichsverfassung und im Grundgesetz fand sich dieses Kriterium nicht wieder.109 Der Begriff „Unterkommen“ kann unter systematischen Gesichtspunkten nur im Sinne des Wortes „Unterkunft“ und nicht im Sinne des Wortes „Anstellung“ verstanden werden.110 § 1 S. 1 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz (1867) betrifft daher die nicht berufsgeprägte Freizügigkeit.111 Das Verschaffen eines Unterkommens steht unter zwei Bedingungen. Es bedarf der subjektiven Fähigkeit des Zuziehenden, Unterkunft zu nehmen,112 sowie objektiver Voraussetzungen am Aufenthaltsort. Durch das objektive Kriterium werden diejenigen Orte vom Schutzbereich der Freizügigkeit ausgeschlossen, an denen sich der Zuziehende erst eigenhändig die Voraussetzungen für ein Unterkommen schaffen müsste. Aufenthalte auf öffentlichen Plätzen, auf offener Straße, im Wald, auf offenem Feld, Parkanlagen oder ähnlichen Örtlichkeiten sind von diesem Freizügigkeitsrecht von vornherein nicht geschützt.113 Das Freizügigkeitsgesetz (1867) bestimmte zudem abschließend, aus welchen Gründen der Aufenthalt beschränkt oder versagt werden konnte. Demnach konnte die Freizügigkeit insbesondere zur Vorbeugung einer unkontrollierten Zuwanderung und den mit ihr verbundenen Gefahren beschränkt werden.114 Freizügigkeit war „Die Bedingungen für den Aufenthalt und Wohnsitz werden durch ein Heimathsgesetz, jene für den Gewerbebetrieb durch eine Gewerbeordnung für ganz Deutschland von der Reichsgewalt festgesetzt.“ 109 Übermittelt ist aber eine unwidersprochen gebliebene Äußerung von Mangoldts im parlamentarischen Rat, nach der ein Aufenthalt die Möglichkeit Unterkunft zu finden voraussetze. Siehe: Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 5/II, S. 1044 f. 110 Der Wortlaut steht beiden Auslegungen offen. Beide Auslegungsmöglichkeiten stünden zudem im Einklang mit dem damaligen Verständnis von Freizügigkeit, welches in der Paulskirchenverfassung zum Ausdruck kam und von der Weimarer Reichsverfassung übernommen wurde. Demnach wurde, anders als schließlich im Grundgesetz, nicht zwischen berufsbezogener und nicht-berufsbezogener Freizügigkeit unterschieden. Der Begriff „Unterkommen“ in § 1 S. 1 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz wird jedoch unmittelbar im Zusammenhang mit dem Begriff „Wohnung“ genannt. Zudem existierte mit § 1 S. 1 Nr. 3 Freizügigkeitsgesetz eine explizite Regelung über die berufliche Dimension der Freizügigkeit. 111 Dies entspricht dem Verständnis von Freizügigkeit im Sinne des Art. 11 GG, welches ebenfalls keinen Berufsbezug aufweist. 112 Hierzu zählt insbesondere eine ausreichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder zumindest persönliche Beziehungen am Ort (bspw. Übernachtungsmöglichkeit bei Freunden oder Verwandten). Zu Recht stellt aber das BVerwG heraus, dass die subjektiven Fähigkeiten des Einzelnen kein Kriterium sein dürfen, um das durch Art. 11 GG gewährleistete Freizügigkeitsrecht zu versagen. Widersprüchlich sind daher die weiteren Ausführungen des Gerichts, nach denen einem Landstreicher das Freizügigkeitsrecht abzusprechen sei. BVerwG, Urteil vom 29.5.1956, BVerwG IV C 012.55 = BVerwGE 3, 309 (312 f.). 113 In diesem Sinne auch BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 (Garzweiler) = BVerfGE 134, 242 (325), nach dem Art. 11 GG keinen Anspruch auf Schaffung der Voraussetzungen für einen Aufenthalt vermittelt. So auch Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 36. 114 Siehe §§ 3 – 5 FreizG (1867), die maßgeblich den Zweck verfolgen, drohende Belastungen der Allgemeinheit abzuwenden.

III. Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG

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daher nicht nur individuelles Recht, sondern auch Ausdruck eines staatlichen Ordnungsdenkens.115 Weder in der Paulskirchenverfassung noch im Freizügigkeitsgesetz (1867) war ein besonderer Schutz der interlokalen Freizügigkeit vorgesehen.116 Dies änderte sich auch nicht mit dem Erlass der Weimarer Reichsverfassung, welche an das bisherige Verständnis des Freizügigkeitsrechts anknüpfte.117 Als schließlich das Grundgesetz erlassen wurde, waren die gesellschaftlichen Lebensumstände zwar durch ein anderes historisches Ereignis geprägt, dessen Auswirkungen jedoch zu ähnlichen Bedürfnissen wie bereits zur Zeit der Paulskirchenverfassung etwa 100 Jahre zuvor führten. So befanden sich nach dem zweiten Weltkrieg große Teile der Bevölkerung an Orten, von denen sie wegdrängten. Zahlreiche Menschen waren während oder nach dem Krieg an anderen Orten untergekommen, in Kriegsgefangenschaft geraten, vertrieben worden oder durch Grenzverschiebungen nach dem Zerfall des Deutschen Reiches außerhalb deutscher Landesgrenzen geraten. Nach dem Krieg drängten diese Menschen aus persönlichen, politischen oder wirtschaftlichen Gründen zurück in ihre Heimat- oder an andere Orte, an denen sie sich bessere Zukunftschancen erhofften. Die Lebensbedingungen in Deutschland waren durch die Folgen des Krieges und dem unterschiedlich schnell verlaufenden Wiederaufbau sehr verschieden. Bei der Erarbeitung des Grundgesetzes befürchtete man deshalb zunächst, die Lebensbedingungen würden ein Freizügigkeitsrecht faktisch nicht zulassen, so dass man von seiner Aufnahme zunächst absah.118 Die schließlich erfolgte Aufnahme des Freizügigkeitsrechts in das Grundgesetz zeugt demnach einerseits von einem Bekenntnis zur individuellen Freiheit, sie ist aber andererseits auch Ausdruck der Aufrechterhaltung eines territorialen staatlichen Ordnungswillens, der sich nach dem damaligen Verständnis nicht auf die interlokale Freizügigkeit erstreckte.119 Der territoriale Ordnungswille des Staates wird durch die Schranken gemäß Art. 11 Abs. 2 GG und die Fortgeltung des Freizügigkeitsgesetzes nach Erlass des Grundgesetzes verdeutlicht.120 Auch im Sinne des Grundgesetzes sollte Freizügigkeit nur innerhalb geordneter Bahnen 115

Pieroth, JuS 1985, 81 (82). Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 45; Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 31. 117 Schmitt, Die Freizügigkeit, S. 14; a. A. KG Berlin, Beschluss vom 19.5.1924, 46.T.119.24. = KGBl. 1924, 63. 118 Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 152 Rn. 13; v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl., Berlin/Frankfurt am Main 1953, Art. 11 Ziffer 1. 119 So auch zeitgenössisch: Dürig, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte 2, S. 507 ff. (514), dessen Ansicht aber zwingend sein dürfte, da es keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass der parlamentarische Rat Art. 11 GG einen weiteren Sinngehalt als Art. 111 WRV zumessen wollte. Siehe auch: Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 129. 120 Pieroth, JuS 1985, 81 (82); Die Schranken des Art. 11 Abs. 2 GG wurden mit Gesetz vom 24.6.1968 in der heute gültigen Form geändert. Siehe auch BGBl. 1968 Teil I Nr. 41, S. 709. 116

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

stattfinden.121 Dieses Verständnis von Freizügigkeit, als ein Ausdruck von individueller Freiheit auf der einen Seite und staatlichem Ordnungsanspruch auf der anderen, darf als wesentliche Konstante seit der Paulskirchenverfassung122 bis zum Erlass des Grundgesetzes angesehen werden.123 (2) Folgen für die Auslegung des Schutzbereichs des Art. 11 Abs. 1 GG Historisch gesehen ist daher, auch mit Blick auf § 1 S. 1 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz (1867), eine enge Auslegung des Schutzbereichs des Art. 11 Abs. 1 GG naheliegend. Dürig hat zwar zu Recht darauf verwiesen, dass § 1 Freizügigkeitsgesetz nicht dazu dienen darf, den Schutzbereich des Art. 11 GG einzuschränken, sondern sich das Freizügigkeitsgesetz vielmehr unter Art. 11 GG bewähren müsse,124 die Brückenfunktion des Freizügigkeitsgesetzes gebietet es aber, § 1 Freizügigkeitsgesetz (1867) als Indiz für das Verständnis von Freizügigkeit bei Erlass des Grundgesetzes zu berücksichtigen. Nach Erlass des Grundgesetzes befassten sich Literatur und Rechtsprechung unter anderem damit, ob das Unterkommenskriterium auf das Freizügigkeitsrecht i. S. d. Art. 11 GG zu übertragen sei. Die Auffassungen reichten von weitgehender Ablehnung125 bis zur völligen Zustimmung.126 Im Laufe der Zeit scheint das Unterkommenskriterium in Bezug auf den Ort des Aufenthalts jedoch nahezu vergessen worden zu sein.127 Dabei könnte es gerade dann weiterhelfen, wenn man wie weite Teile der Literatur und Rechtsprechung einem weiten Freizügigkeitsverständnis folgt,128 da in diesem Fall die Konturen des Ortsbegriffes unklarer werden. 121 Dieser Befund deckt sich auch mit der übrigen Dogmatik zu Art. 11 GG. Demnach wird durch abstrakte Regelungen, wie dem Straßen- und Wegerecht nicht in den Schutzbereich der Freizügigkeit eingegriffen. Vgl. Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG I, Art. 11 Rn. 32. Andere Regelungen, wie bspw. solche des Bau- und Bodenrechts, stellen von vornherein zulässige Beschränkungen des Schutzbereiches dar, weil Art. 11 GG nur dort Freizügigkeit gewährt, wo diese faktisch und rechtlich möglich ist. BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 (Garzweiler) = BVerfGE 134, 242; in diesem Sinne auch Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 20. 122 § 131 Paulskirchenverfassung beinhaltete von vornherein einen Regelungsvorbehalt über das Recht von Aufenthalt und Wohnsitz. Siehe Fn. 108. 123 Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 407; Pieroth, JuS 1985, 81 (82). 124 Dürig, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte 2, S. 512 f. 125 Dürig, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte 2, S. 512 f. und BVerwG, Urteil vom 29.5.1956, IV C 012/55 = BVerwGE 3, 309 (313). 126 Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 36 f.; v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl. 1953, Art. 11 Ziffer 2 a. E. bzw. v. Mangoldt/Klein (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl. 1966, S. 349. 127 Es findet allenfalls noch sporadische Erwähnung, so bspw. bei Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 55. 128 Beispielsweise indem man sich vom Begriff der Ortschaft löst und Ort im Sinne von jeder in Betracht zu ziehenden „Örtlichkeit“ versteht. Vgl. u. a. Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 12; Alberts, NVwZ 1997, 45 (47); Merten, Der Inhalt des Freizü-

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Eine weite Auslegung des Schutzbereiches des Art. 11 GG bedeutet aber zweifelsohne einen Bruch mit dem historischen Verständnis des Freizügigkeitsrechts. Dieser ließe sich durch veränderte rechtliche oder tatsächliche Umstände rechtfertigen, wenn aufgrund dieser das Freizügigkeitsrecht heute in einem anderen rechtlichen oder tatsächlichen Kontext verstanden werden müsste. Kein genügender rechtlicher Umstand ist indes das Außer-Kraft-Treten des Freizügigkeitsgesetzes (1867) zu Beginn des Jahres 1975. Das Freizügigkeitsgesetz trat im Zusammenhang mit dem Erlass des EGStGB außer Kraft, das sich mit einer völlig anderen Regelungsmaterie befasst und keine Rückschlüsse auf ein eventuell gewandeltes Verständnis des Freizügigkeitsrechts zulässt.129 bb) Gemeinschaftsrecht als Grund für einen Bruch mit der historischen Kontinuität des Freizügigkeitsrechts? Das Verständnis des Freizügigkeitsrechts könnte sich aber durch europarechtliche Einflüsse gewandelt haben, so dass eine vom historischen Verständnis losgelöste oder zumindest modifizierte Auslegung des Art. 11 GG vorzunehmen wäre. Das Europarecht enthält unterschiedliche Regelungen über die Freizügigkeit. Aus der EU-Grundrechtecharta (EUGRCh) sind vor allem Art. 6 und Art. 15 Abs. 2 zu erwähnen, aus dem AEUV die Artikel 21 und 45 ff. Die in Art. 6 EUGRCh gewährleistete Freiheit ist jedoch im Sinne der habeas corpus Garantie zu verstehen und schützt vor allem die körperliche Bewegungsfreiheit vor Einschränkungen durch Verhaftung, Festnahme oder ähnlichen Maßnahmen.130 Art. 15 Abs. 2 EUGRCh enthält hingegen ein Recht auf berufsbezogene Freizügigkeit. Dies gilt ebenso für die Art. 45 ff. AEUV. Für die Auslegung der nicht-berufsbezogenen Freizügigkeit gemäß Art. 11 GG können diese Artikel daher nicht herangezogen werden. Art. 21 AEUV schützt hingegen die nicht-berufsbezogene Freizügigkeit. Sinn und Zweck der Norm ist der Schutz einer freien Einreise von Unionsbürgern in einen Mitgliedsstaat der Union, der weitestgehend ungehinderten Wohnsitz- und Aufenthaltsnahme in diesem Staat sowie des Rechts zur Ausreise.131 Dieses Freizügigkeitsrecht ist jedoch dem Wortlaut nach nur unter Vorbehalten gewährleistet. Zudem wendet der EuGH Art. 21 AEUV nicht auf Inlandssachverhalte, sondern nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte an.132 Selbst wenn man entgegen dem EuGH gigkeitsrechts, S. 34; OVG Bremen, Urteil vom 24.3.1998, 1 BA 27 – 97 = NVwZ 1999, 314; zuvor: VG Bremen, Urteil vom 29.5.1997, 2 A 149/96 = BeckRS 2014, 46588. 129 Art. 287 Nr. 14, Art. 326 Abs. 1 EGStGB vom 2.3.1974, BGBl. 1974 Teil I Nr. 22 S. 632 u. 648. 130 Vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 6 EU-GRCh Rn. 6 f. 131 Haag, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Bd. 1, Art. 21 AEUV Rn. 16. 132 EuGH, Urteil vom 5.5.2011, C-434/09 (McCarthy) = EuZW 2011, 522; Kritik an dieser Rechtsprechung übt Frenz, ZAR 2011, 221.

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Art. 21 AEUV auf Inlandssachverhalte anwenden würde,133 ist nicht erkennbar, dass dieser inhaltlich über den Schutzbereich des Art. 11 GG hinausgehen könnte. Mit Blick auf den Schutzbereich des Art. 21 AEUV wäre allenfalls denkbar, das traditionell nicht von Art. 11 GG umfasste Recht zur Ausreise im Wege unionsrechtskonformer Auslegung als ein durch Art. 11 GG geschütztes Recht anerkennen zu müssen.134 Hierfür gibt es jedoch keine Notwendigkeit, da die Ausreisefreiheit ohnehin durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt wird. Die Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG werden bereits durch Art. 21 AEUV stark verkürzt, so dass es nicht des besonderen Schutzes durch die engeren Schranken es Art. 11 Abs. 2 GG bedarf.135 Auch das Freizügigkeitsgesetz/EU136 bietet keine Anhaltspunkte, die ein Loslösen vom historischen Verständnis des Freizügigkeitsrechts rechtfertigen könnten. Das Gesetz regelt die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern und ihrer Familienangehörigen innerhalb deutscher Hoheitsgrenzen. Einschränkungen zur Freizügigkeit innerhalb deutscher Hoheitsgrenzen enthält das Gesetz nicht. Ein näherer Ortsbezug ist für die Zwecke des Gesetzes daher nicht erforderlich. Aus dem Europarecht ergeben sich somit keine Anhaltspunkte, um die Annahme eines weiten Schutzbereichs des Art. 11 GG erklären zu können. cc) Zum Bruch mit der historischen Kontinuität des Freizügigkeitsrechts in Bezug auf den Ortsbegriff (1) Veränderte rechtliche und tatsächliche Umstände als Grund für einen veränderten Ortsbegriff? Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2004, in Abweichung zu seiner früheren Rechtsprechung,137 ohne nähere Erläuterungen den verfassungsrechtlichen Freizügigkeitsbegriff i. S. d. Art. 11 GG auch auf interlokale Ortswechsel erstreckt.138 Damit hat es sich ohne nähere Begründung der in der Literatur vorherrschenden Auffassung angeschlossen. Für die Erweiterung des Schutzbereichs des Art. 11 GG auf die interlokale Freizügigkeit werden dort unterschiedliche Argumente vorgetragen. So fehle es heutzutage an einer ernsthaften Bedrohungslage, dass ein „Landesherr“ Anstrengungen tätigt, um eine Person an der Inanspruchnahme 133

Frenz, ZAR 2011, 221. So Pagenkopf, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, München 2011, Art. 11 Rn. 18. 135 Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 105; Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 11 Rn. 31. 136 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern vom 30.7.2004, BGBl. 2004 Teil I Nr. 41, S. 1986. 137 BVerfG, Beschluss vom 23.7.1958, 1 BvL 1/52 = BVerfGE 8, 95 (97). Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 440, ist jedoch der Ansicht, dass die das BVerfG keine abschließende Umschreibung der Freizügigkeit vornehmen wollte. Zustimmend: Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1136. 138 BVerfG, Urteil vom 17.3.2004, 1 BvR 1266/00 = BVerfGE 110, 177 (191). 134

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ihres Freizügigkeitsrechts zu hindern.139 Des Weiteren müsse der Bildung von Großgemeinden Rechnung getragen werden. Es sei nicht einzusehen, weshalb der Ortswechsel zwischen zwei selbständigen Gemeinden unter Art. 11 GG falle, nicht jedoch der zwischen zwei Stadtteilen einer Großstadt.140 Schließlich wird angeführt, die weitestgehende Rechtsangleichung zwischen den Gemeinden habe dazu geführt, dass Einheimische und Neuankömmlinge im Wesentlichen gleich behandelt würden und die rechtlichen Anreize für den Zug von einer Gemeinde in die nächste verloren gegangen seien. Da die Lebensbedingungen inzwischen überall gleich seien, müsse erst recht der Ortswechsel innerhalb einer Gemeinde durch Art. 11 GG geschützt sein.141 Andere erkennen im Überschreiten von Gemeindegrenzen ein rein zufälliges Ereignis, das für die Frage der Reichweite des Schutzbereichs von Art. 11 Abs. 1 GG nicht maßgeblich sein könne.142 Nach einer weiteren Auffassung seien Gemeindegrenzen keine taugliche Begrenzung des Schutzbereiches von Art. 11 GG, weil sie sich im Zuge von Gebietsreformen in der Vergangenheit verschoben hätten, dies auch künftig jederzeit geschehen könne und allein von einer Entscheidung der Exekutive abhänge.143 Ein Festhalten an Gemeindegrenzen sei vor diesem Hintergrund nicht mehr zeitgemäß.144 Diese Argumente können allerdings eine weite Auslegung des Schutzbereiches in Bezug auf den Aufenthaltsort in Abkehr des historisch hergeleiteten Verständnisses des Freizügigkeitsrechts nicht rechtfertigen, da sie einer näheren Untersuchung auf ihre Belastbarkeit nicht standhalten. Zunächst ist bereits der Befund, es fehle an einer ernsthaften Bedrohungslage, im hohen Maße zweifelhaft, schließlich bestehen nach wie vor rechtliche und faktische Möglichkeiten der Gemeinden und ihrer Organe, die Freizügigkeit einer Person zwischen zwei Gemeinden (sogenannte interkommunale Freizügigkeit) zu unterbinden oder wesentlich zu erschweren.145 Selbst wenn man die 139

Alberts, NVwZ 1997, 45 (47). Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 152 Rn. 45; Pieroth, JuS 1985, 81 (83); Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 54. 141 Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 34. 142 Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 12. 143 VG Bremen, Urteil vom 29.5.1997, 2 A 149/96 = BeckRS 2014, 46588; Pieroth, JuS 1985, 81 (83). 144 Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG I, Art. 11 Rn. 26; Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 152 Rn. 45. 145 Siehe bspw.: 1) Bestimmungen über den Aufenthalt im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Sozialleistungen BVerfG, Urteil vom 17.3.2004, 1 BvR 1266/00 = BeckRS 2005, 25904. Das BVerfG bejahrte einen Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG, sah diesen aber als gerechtfertigt an. 2) Faktische Beschränkungen der Freizügigkeit durch gemeindliches Abgabenrecht, siehe: BVerfG, Beschluss vom 17.2.2010, 1 BvR 529/09 = BeckRS 2010, 47955. Das BVerfG lehnte in dieser Entscheidung zwar einen Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG durch Erhebung einer Zweitwohnungssteuer ab, ließ aber erkennen, dass im Einzelfall anders entschieden werden könnte. In diesem Sinne bereits: BVerwG, Beschluss vom 9.4.2009, 6 B 80/08 (juris). 140

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Richtigkeit dieser Behauptung unterstellen möchte, ergeben sich aus dieser keine Konsequenzen für die Auslegung des Schutzbereiches von Art. 11 GG. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die fehlende Bedrohung einer grundrechtlich gewährleisteten Freiheit Anlass dazu geben sollte, den sachlichen Schutzbereich eines Grundrechts so weit auszudehnen, bis wieder eine Bedrohungslage angenommen werden kann. Soweit auf die Bildung von Großgemeinden als Argument für eine Erweiterung des Schutzbereiches verwiesen wird, wird dabei leichtfertig übersehen, dass bereits weit vor dem Erlass des Grundgesetzes Gemeinden expandierten und es auch im 19. Jahrhundert schon erhebliche Größenunterschiede zwischen einzelnen Städten und Gemeinden gab. Zwar waren die großen Städte in der damaligen Zeit deutlich kleiner als die großen Städte in der Gegenwart, allerdings gab es damals auch insgesamt weniger Einwohner in Deutschland, so dass die Verhältnisse annähernd vergleichbar sind.146 Es darf auch nicht übersehen werden, dass innergemeindliche Ortswechsel schon seinerzeit eine gewisse Relevanz aufweisen konnten. Auch im 19. Jahrhundert gab es durchaus ein öffentliches Leben in Gestalt von kulturellen oder sportlichen Veranstaltungen sowie sonstige Anlässe, die Anreiz boten, innerhalb einer Stadt den Aufenthalt zu wechseln. Ferner gab es auch zu jener Zeit Wohnviertel, in denen überwiegend die sozial schwache Bevölkerung wohnte, und solche, in denen die besser verdienenden Bürger lebten, so dass auch der Wohnsitzwechsel innerhalb einer Stadt von gewisser Relevanz sein konnte. Es ist daher nicht nachzuvollziehen, inwieweit die heutigen Großgemeinden tatsächlich derart andere Lebensbedingungen geschaffen haben sollten, die eine Ausweitung des sachlichen Schutzbereiches in Bezug auf den Ortsbegriff stützen könnten. Auch die Veränderbarkeit von Gemeindegrenzen ist kein Grund, an ihrer Tauglichkeit als Abgrenzungskriterium für den sachlichen Schutzbereich des Freizügigkeitsrechts zu zweifeln. Sie sind durch oder aufgrund eines Gesetzes klar festgelegt und objektiv überprüfbar. Änderungen richten sich ausschließlich nach dem Gesetz und sind ein verhältnismäßig seltenes Ereignis. Im Übrigen liegt es in der Natur jeder Grenze, dass ihr Verlauf verändert werden kann. Dies betrifft unter anderem auch die Grenzen eines Grundstücks,147 die der Länder oder die der Bundesrepublik.148 Die Anwendbarkeit eines Grundrechts kann im Einzelfall daher durchaus von abänderbaren Faktoren abhängig sein, ohne dass die Tauglichkeit 3) str. hingegen Residenzpflichten. Vgl. Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 124 f.; sowie Dicke, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 1981, Art. 11 Rn. 13. 146 Siehe: Bundeszentrale für politische Bildung, Bevölkerungsentwicklung, abrufbar unter: http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61 532/bevoelkerungsentwicklung, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019. 147 Mit entsprechenden Folgen für das Recht am Eigentum gemäß Art. 14 Abs. 1 GG, vgl. in diesem Zusammenhang die Entscheidung des VG Freiburg, Urteil vom 23.11.2005, 2 K 453/04 = BeckRS 2006, 22034, in dem das Gericht sich mit der Grundstücksgrenze eines an einem Bach gelegenen Grundstücks befassen musste, nachdem es durch Korrekturarbeiten am Bachlauf zu einem Landgewinn im Uferbereich gekommen war. 148 Auch hier sind insbesondere bei Grenzen, die entlang eines Gewässers verlaufen, Änderungen des Grenzverlaufs durch Landgewinn oder Landverlust denkbar.

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dieser Faktoren in Zweifel zu ziehen ist.149 Es ist somit nicht ersichtlich, weshalb die potentielle Änderung von Gemeindegrenzen ihrer Tauglichkeit als Anwendungskriterium des Freizügigkeitsrechts entgegenstehen sollte. Ferner ist äußerst zweifelhaft, inwiefern die These, dass das Überschreiten einer Gemeindegrenze ein überwiegend zufälliges Ereignis sein soll, dem Wahrheitsbeweis zugänglich und darüber hinaus Folgen für den Grundrechtsschutz haben sollte. Derjenige, der sich bewusst an einen anderen Ort begibt, mag möglichweise mitunter keine aktive Kenntnis davon haben, dass er eine Gemeindegrenze überschreitet. Dies macht den Vorgang als solches jedoch nicht zu einem zufälligen Ereignis. Der Schutz eines (Reise-)Verhaltens durch Art. 11 GG ist in erster Linie ohnehin nicht vom Überschreiten einer Gemeindegrenze oder einem entsprechenden Bewusstsein abhängig, sondern allein davon, ob das Überschreiten der Gemeindegrenze zum Zweck der Wohnsitz- oder Aufenthaltsnahme erfolgt.150 Schließlich ist auch die weitestgehende Rechtsangleichung zwischen den Gemeinden kein hinreichender Grund für einen weiten Ortsbegriff. Es wird zum einen ohne jegliche empirische Grundlage behauptet, dass eine örtlich divergierende Rechtslage das vornehmliche Motiv für einen Ortswechsel sei. Dies dürfte allerdings weder die gegenwärtigen Lebensumstände noch die des 19. Jahrhunderts zutreffend beschreiben. Jedenfalls fehlt es an entsprechenden Beweisen dieser These. Selbst wenn man aber von ihrer Richtigkeit ausgeht, bleiben, trotz einer gewissen rechtlichen Harmonisierung, genügend rechtliche Unterschiede zwischen den Gemeinden, die potentiell Einfluss auf die Freizügigkeit nehmen können. Rechtliche Unterschiede zwischen den Gemeinden als Ergebnis kommunaler Satzungsautonomie betreffen insbesondere den Bereich des kommunalen Abgabenrechts und tangieren in besonderem Maße die Interessen derjenigen, die innerhalb einer Gemeinde wohnen, und derjenigen, die beabsichtigen dort Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen.151 Die Existenz und Höhe einer Zweitwohnsitzsteuer ist dabei nur eine der denkbaren Ausprägungen.152 Durch die Versagung des Schutzes interlokaler Frei149

Dies betrifft beispielsweise auch den Erwerb oder Verlust der Staatsangehörigkeit, den Beitritt eines Staates zur EU bzw. sein Austritt einschließlich der damit verbundenen Auswirkungen für den Grundrechtsschutz sowie rechtliche und gesellschaftliche Veränderungen im Zusammenhang mit normgeprägten Grundrechten. Diese Faktoren sind zum Teil relativ unberechenbar und für den Betroffenen nicht durchweg beeinflussbar. 150 Jede andere Auffassung würde dazu führen, in Art. 11 GG ein Recht zum Schutz der allgemeinen Bewegungsfreiheit zu sehen, siehe Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S.458, was aufgrund der grundrechtlichen Systematik und den Schranken in Art. 11 Abs. 2 GG kaum zu vertreten ist. Vgl. Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 11 Rn. 26 f.; Schoch, JURA 2005, 34 (35 f.). 151 Gerade diese Umstände dürften im Einzelfall durchaus ein gewisses Gewicht bei der Wahl des Wohnortes haben. 152 Wobei der Schutzbereich des Art. 11 GG bei einer Zweitwohnsitzsteuer nur in bestimmten Fällen eröffnet sein dürfte. Hierzu: Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 152 Rn. 45 m. w. V. Einen Eingriff in Art. 11 GG erkennt hingegen Koops, DStR 1998, 1455 (1457).

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zügigkeit durch Art. 11 GG wird dieses Verhalten zudem weder entwertet noch schutzlos gestellt, da jede Ortsveränderung zumindest durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt bleibt.153 Ein rechtlicher und daher im Sinne der Freizügigkeit maßgeblicher Unterschied ist somit nur ein Ortswechsel, bei dem der Betroffene aus seinem bisherigen Verband ausbricht und sich einem neuen Verband zuordnet. Denn nur dann stellt sich die Frage, welche Rechte und Pflichten er am alten Aufenthalts- bzw. Wohnort ablegt und welche er an seinem neuen Aufenthalts- bzw. Wohnort begründet. Nach alledem ist bei der Bestimmung des sachlichen Schutzbereichs von Art. 11 GG weiterhin an den Gemeindegrenzen festzuhalten. (2) Weitere Argumente für einen veränderten Ortsbegriff Die Annahme eines weiten Schutzbereiches von Art. 11 GG, der auch die interlokale Freizügigkeit umfasst, drängt sich auch im Übrigen nicht auf. (a) Art. 11 GG als Ausdruck individueller Selbstentfaltung Nach einer Auffassung werde durch Art. 11 GG der Aufenthalt an jeder Örtlichkeit mit identitätsstiftender Relevanz geschützt, da das Grundrecht vor allem Ausdruck individueller Selbstentfaltung sei.154 Dieser Ansicht ist zu widersprechen. Sie verkennt, dass Art. 11 GG nicht nur der individuellen Selbstentfaltung dient, sondern auch Ausdruck eines staatlichen Ordnungswillens ist.155 Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass sich der staatliche Ordnungswille durch veränderte Lebensumstände endgültig erledigt haben könnte.156 Art. 11 GG ist seinem Wesen nach ein normgeprägtes Grundrecht.157 Andernfalls wären die Schranken des Art. 11 Abs. 2 GG kaum geeignet, die notwendigen Beschränkungen der Freizügigkeit zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung rechtfertigen zu können.158 Es muss dem Staat deshalb vorbehalten sein, durch abstrakt generelle Regelungen vorab festzulegen, in welchem Rahmen das Freizügigkeitsrecht gewährleistet wird.159 153 So auch BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 (Garzweiler) = BVerfGE 134, 242 (329). 154 Alberts, NVwZ 1997, 45 (47). 155 Pieroth, JuS 1985, 81 (82). 156 So auch Schoch, JURA 2005, 34 (34); Vgl. auch BVerfG, Urteil vom 17.3.2004, 1 BvR 1266/00 = BVerfGE 110, 177. 157 BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 (Garzweiler) = BVerfGE 134, 242 (325 f.); BVerwG, Beschluss vom 29.9.2008, 7 B 20/08 = NVwZ 2009, 331 (331); Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG I, Art. 11 Rn. 49; Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1041 f.; a. A.: Schulz, NWVBl. 2014, 331 (335). 158 Siehe: BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 (Garzweiler) = BVerfGE 134, 242 (326 f.). 159 Dies führt indes nicht dazu, dass solche Regelungen einer Prüfung anhand der Maßstäbe des Art. 11 GG entzogen wären, denn auch Inhalts- und Schrankenbestimmungen müssen

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Art. 11 GG ist damit zwar ein Grundrecht, das der Entfaltung individueller Selbstentfaltung dient, es stellt diese aber keinesfalls über jeglichen Ordnungsanspruch. Baer, die diesen Ordnungsanspruch anerkennt und feststellt, dass es im Sinne negativer Freizügigkeit grundrechtlich weder gewollt noch sinnvoll sein kann, das Verweilen an jeder denkbaren Örtlichkeit durch Art. 11 GG zu schützen, verweist zu Recht auf den Widerspruch der bestünde, wollte man Art. 11 GG in positiver Hinsicht auf den freien Zug an jede Örtlichkeit beliebiger Größe erstrecken, in negativer Hinsicht aber nicht den dortigen Verbleib schützen.160 Ein derartiges Auseinanderfallen von positiver und negativer Freizügigkeit wäre in der Tat weder konsequent noch überzeugend. Die Persönlichkeitsentfaltung durch das Verweilen an bestimmten Örtlichkeiten ist daher in erster Linie durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt und unterliegt einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Für besondere Teilaspekte der Persönlichkeitsentfaltung, bei denen das Aufsuchen und Verweilen an einer bestimmten Örtlichkeit von besonderer Bedeutung ist, enthält das Grundgesetz spezielle Freiheitsgrundrechte.161 Diese sind davon geprägt, dass sie strengere Schrankenregelungen enthalten. Der Grund für diese engeren Schranken ist die vergleichsweise höhere Schutzwürdigkeit der spezielleren grundrechtlich gewährleisteten Freiheiten. Belange der individuellen Selbstentfaltung werden innerhalb des Art. 11 GG nicht bei der Bestimmung der räumlichen Dimension des Schutzbereichs berücksichtigt, sondern bei der Frage, ob ein im Sinne des Art. 11 GG geschützter Aufenthalt anzunehmen ist.162 (b) Lebenskreis als gerechterer Maßstab? Randelzhofer grenzt den sachlichen Schutzbereich der Freizügigkeit räumlich nach dem Lebenskreis des Grundrechtsträgers ab. Dies führe zu gerechteren Ergebnissen, da es nicht überzeuge, dass der Ortswechsel zwischen zwei Dörfern von Art. 11 GG, nicht jedoch der innerhalb einer Großstadt, geschützt sei. Der sachliche Schutzbereich des Art. 11 GG müsse vielmehr dann eröffnet sein, wenn der Betroffene seinen Lebenskreis verlasse. Dieser Lebenskreis sei allerdings „eng“ zu verstehen.163 wegen der Grenze des Art. 19 Abs. 2 GG den Wesensgehalt des betroffenen Grundrechts wahren. Zu Unrecht daher die Kritik von Schulz, NWVBl. 2014, 331 (335). 160 Baer, NVwZ 1997, 27 (30). 161 Hierzu zählen im Grunde nahezu alle weiteren Grundrechte, wie Art. 4, Art. 5, Art. 8, Art. 12, Art. 14 GG. 162 Diese Ansicht korrespondiert im Ergebnis mit der Auffassung derjenigen, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung auf die individuelle Bedeutung des Ortswechsels abstellen wollen (z. B. Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 82), stellt jedoch anders als diese, zunächst auf den Bezugsort ab, um erst in einem zweiten Schritt im Rahmen einer Gesamtwürdigung die zu prüfen, ob es sich um einen Aufenthalt im Sinne des Art. 11 GG handelt. 163 Randelzhofer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 11 Rn. 28.

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Die Auffassung Randelzhofers scheint zunächst durchaus geeignet zu sein, den Schutzbereich des Art. 11 GG von dem anderer Grundrechte abzugrenzen, denn bis auf wenige Ausnahmen dürfte nahezu jede Person über einen Lebenskreis in einer messbaren Dimension verfügen.164 Sie führt jedoch zu praktischen Problemen bei der Rechtsanwendung. Die Größe des Lebenskreises kann von Person zu Person stark variieren und sowohl mehrere Gemeinden umfassen als auch ausschließlich innerhalb einer Gemeinde oder ihrer Ortsteile liegen. Selbst bei einem engen Verständnis des Lebenskreises dürften seine Grenzen, und damit auch die Grenzen des Schutzbereichs von Art. 11 GG, kaum zweifelsfrei zu bestimmen sein. Es wäre beispielsweise nur schwer zu beurteilen, ob wöchentliche Besuche bei Angehörigen oder Bekannten noch zum Lebenskreis des Grundrechtsträgers zählen oder wie sich Veränderungen des persönlichen Lebenskreises auswirken. Wäre beispielsweise der „Erste Fall“ eines künftig alltäglichen Weges schon durch Art. 11 GG geschützt, obwohl er nach bisheriger Praxis nicht zum Lebenskreis des Betroffenen zählte? Ferner wäre auch der Lebenskreis dauerhaft reisender bzw. nicht sesshafter Personen nur schwer zu bestimmen.165 Darüber hinaus erscheint es zweifelhaft, weshalb derjenige, der sich innerhalb eines größeren Lebenskreises bewegt, grundrechtlich schlechter gestellt sein sollte, als derjenige, der sich nur innerhalb eines eng begrenzten Raumes aufhält. Der Versuch vermeintliche Ungerechtigkeiten aufgrund unterschiedlich großer Städte und Gemeinden zu vermeiden, würde daher nur zu neuen Ungerechtigkeiten führen, für die sich keine Rechtfertigungsmöglichkeiten finden ließen, zumal die Bestimmung des Lebenskreises ohne das Ermitteln von Informationen über die privaten Lebensverhältnisse des Betroffenen nicht gelingen könnte.166 Dadurch gingen Eingriffe in Art. 11 GG potentiell stets mit Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einher.167 Die Abgrenzung des Art. 11 GG anhand des Lebenskreises des Betroffenen erweist sich somit weder als gerechte noch als taugliche Alternative. (c) Gründe für ein Festhalten am klassischen Ortsbegriff Nach den Ergebnissen der bisherigen Darstellung muss die interlokale Freizügigkeit als aliud angesehen werden, bei der das Bedürfnis des besonderen Schutzes durch Art. 11 GG nicht vorliegt.168 Auch § 7 BGB, der sich mit der Frage des Wohnsitzes befasst, ist dahingehend zu verstehen, dass unter dem Ort, an dem sich der Wohnsitz befindet, die Gemeinde zu verstehen ist, in der der Wohnsitz ge-

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Für eine gewisse Größe des Bezugsorts plädiert auch Baer, NVwZ 1997, 27 (30). Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 8 Rn. 13. 166 Zurecht: Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 8 Rn. 13. 167 Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 8 Rn. 13. 168 Zur interlokalen Freizügigkeit als Aliud siehe: Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 33 f., der diese im Anschluss jedoch gleichwohl dem Schutzbereich des Art. 11 GG zurechnet. 165

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nommen wird.169 In Anbetracht der mit einem Wechsel des Wohnsitzes verbundenen Rechte und Pflichten ist diese Auslegung nicht nur mit Blick auf das Zivilrecht naheliegend. Es mag gemessen an der Wohnsituation ein tatsächlicher Unterschied sein, ob eine Person in der Altstadt oder im Bahnhofsviertel derselben Stadt wohnt. Ein rechtlicher Unterschied geht damit aber nicht einher, da die Zugehörigkeit zu dieser Stadt mitsamt aller Rechte und Pflichten als Einwohner oder Bürger der Stadt erhalten bleibt.170 Wenn sich aber der Begriff des Wohnsitzes in Art. 11 GG stets auf eine Gemeinde bezieht, ist wegen des Stufenverhältnisses von Aufenthalt und Wohnsitz und der Einheitlichkeit des Grundrechts auch der Begriff des Aufenthaltsorts in diesem Sinne zu verstehen.171 Für ein Festhalten an den Gemeindegrenzen spricht zudem, dass diejenigen, die für eine interlokale Freizügigkeit plädieren, keine Antwort darauf geben können, welche Grenzen an Stelle der Gemeindegrenzen treten sollen. Es mag sein, dass das Ablehnen interkommunaler Freizügigkeit angesichts unterschiedlich großer Städte und Gemeinden zu unterschiedlich großen Gebieten führt, innerhalb derer das Freizügigkeitsrecht gemäß Art. 11 Abs. 1 GG keine Wirkung entfaltet. Es ließe sich jedoch ebenfalls nur schwer begründen, welche innergemeindlichen Grenzen stattdessen maßgeblich sein sollten, da auch die Größe einzelner Stadtteile mitunter erheblich variiert. Dies gilt erst recht für den kaum zu definierenden Umfang des persönlichen Lebenskreises. Art. 11 Abs. 1 GG würde somit gewissermaßen durch die Hintertür doch noch zu einem räumlich nicht weiter abgrenzbaren Grundrecht, das jeglichen Fortbewegungsvorgang zum Zweck der Aufenthaltsnahme, wie beispielsweise ein mehrtägiges Verweilen inmitten einer Fußgängerzone, erfassen würde. Dem sachlichen Schutzbereich des Art. 11 GG könnten kaum noch sinnvolle und objektiv überprüfbare Grenzen gesetzt werden. Das vermeintlich gut gemeinte Bestreben, die Freizügigkeit zwischen zwei Stadtteilen unter den Schutz von Art. 11 GG zu stellen,172 würde im Ergebnis den Schutz der Freizügigkeit von einer Straßenlaterne zur nächsten herbeiführen. Das einzige Kriterium, das Art. 11 GG dann noch von Art. 2 Abs. 1 GG abgrenzen könnte, wäre das Aufenthaltskriterium. Es scheint jedoch nicht sachgerecht, die Eröffnung des Schutzbereiches allein von diesem Kriterium abhängig zu machen, da die Schranken des Art. 11 Abs. 2 GG im Wesentlichen nur dann Sinn ergeben, wenn sowohl eine räumliche Komponente (Ort) als auch eine zeitlich finale Komponente (Aufenthalt) zusammentreffen.173 Die Verweise auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erweisen sich zudem als unergiebig. Das Bundesverfassungsgericht dürfte inzwischen selbst 169 So jedenfalls noch: Schmitt, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), MüKo BGB I, 7. Aufl. 2015, § 7 Rn. 22; in der Folgeauflage allerdings nunmehr differenzierend: Spickhoff, § 7 Rn. 23. 170 Nicht zu vergessen sind hierbei die mit dem Wohnort verbundenen Rechte der Einwohner. Exemplarisch Art. 15 ff. BayGO. 171 Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 152 Rn. 40. 172 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 54. 173 Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 152 Rn. 41.

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nicht mehr erklären können, weshalb es den Schutzbereich des Art. 11 GG einst auch auf die interlokale Freizügigkeit erstreckt hat. Bislang musste es in keiner Entscheidung mehr zu dieser Frage Stellung beziehen, da stets, soweit ersichtlich, gemeindeübergreifende Sachverhalte im Zusammenhang mit Art. 11 GG zu entscheiden waren. Die Annahme des Schutzes interlokaler Freizügigkeit durch Art. 11 GG wird durch das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung aus dem Jahre 2004 nicht weiter begründet.174 Zwar wiederholt es in seiner Garzweiler Entscheidung aus dem Jahr 2013 erneut seine Definition zur Freizügigkeit aus seinem Urteil vom 17.3.2004,175 verweist dabei aber auch auf einen Beschluss vom 23. Juli 1958176 und damit auf eine Entscheidung, die tendenziell eher darauf hindeutet, dass das Gericht die interlokale Freizügigkeit damals nicht als ein durch Art. 11 GG geschütztes Recht angesehen hat.177 Dies unterstreicht die These der offenbaren Unkenntnis des Gerichts von der eigenen Widersprüchlichkeit. In der Garzweiler Entscheidung ergreift das Bundesverfassungsgericht die Gelegenheit, umfassend Stellung zu seinem Verständnis von Art. 11 GG zu beziehen und dieses zu erläutern. Dabei offenbart es eine enge Auslegung des Schutzbereichs.178 Die Chance dieses Verständnis konsequent zu Ende zu führen und sich mit einem obiter dictum endgültig von der interlokalen Freizügigkeit zu verabschieden, hat das Gericht, wohl weil es auch in dieser Entscheidung nicht auf den Schutz der interlokalen Freizügigkeit ankam, leider nicht ergriffen. Schließlich spricht für eine enge Auslegung des Schutzbereiches auch, dass eine Ausdehnung des sachlichen Schutzbereiches von Art. 11 GG nicht zu einem verbesserten Grundrechtsschutz für den Einzelnen führen würde. Stattdessen würden die Unsicherheiten in der Handhabung des Art. 11 GG steigen, da durch die relativ engen Schranken des Grundrechts, einem weiten Ortsbegriff nicht sinnvoll auf Ebene der Schranken entgegen getreten werden könnte.179 Dies würde zu überstrengen Anforderungen in Bezug auf den Aufenthaltsbegriff führen, um einen sachgerechten 174 Insbesondere nicht in der vielfach zitierten Entscheidung BVerfG, Urteil vom 17.3.2004, 1 BvR 1266/00 = BVerfGE 110, 177, in der das BVerfG erstmals die interlokale Freizügigkeit als durch Art. 11 GG geschützt bezeichnete. 175 BVerfG, Urteil vom 17.3.2004, 1 BvR 1266/00 = BVerfGE 110, 177. 176 BVerfG, Beschluss vom 23.7.1958, 1 BvL 1/52 = BVerfGE 8, 95. 177 Das Gericht ließ damals die interlokale Freizügigkeit im Rahmen der Definition des Schutzbereiches gänzlich unerwähnt, obwohl die Regelungsmaterie der verfahrensgegenständlichen Regelung durchaus Anlass dazu gegeben hätte, sich zur interlokalen Freizügigkeit zu äußern. In der Folge sprach das Gericht jedoch nur vom Zuzug in eine Gemeinde und ließ den Umzug innerhalb der Gemeinde unerwähnt. 178 BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 (Garzweiler) = BVerfGE 134, 242 (325 ff.). Diese Auslegung hatte das Gericht bereits zuvor in BVerfG, Urteil vom 17.3.2004, 1 BvR 1266/00 = BVerfGE 110, 177 angedeutet. Für eine enge Auslegung des Art. 11 GG plädiert auch Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 11 Rn. 23. Kritisch hingegen Schulz, NWVBl. 2014, 331 (333, 335). 179 Anders als im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG, dessen weitem Schutzbereich auf Schrankenebene begegnet wird. Siehe: Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 2 I Rn. 51.

III. Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG

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Grundrechtsschutz noch gewährleisten zu können.180 Hierdurch würde das durch Art. 11 GG gewährleistete Schutzniveau jedoch nicht erhöht sondern faktisch abgesenkt.181 (3) Teilergebnis Die durch Art. 11 Abs. 1 GG gewährleistete Freizügigkeit schützt den freien Ortswechsel zum Zwecke der Aufenthaltsnahme innerhalb des Bundesgebietes. Geschützt ist der Ortswechsel zwischen verschiedenen Bundesländern sowie von einer Gemeinde zur anderen.182 Interlokale Ortswechsel sind ein aliud183 und werden nicht durch Art. 11 GG geschützt. Der Begriff Ort ist im Zusammenhang mit Art. 11 GG grundsätzlich im Sinne des Begriffs Ortschaft und nicht im Sinne von Örtlichkeit zu verstehen.184 Diese Auslegung entspricht dem historischen Verständnis des Freizügigkeitsgrundrechts und trägt den Vorteil eines klaren und objektiv überprüfbaren Abgrenzungskriteriums in sich. Der Schutzbereich des Art. 11 GG kann dadurch genauer bestimmt und klarer von anderen Grundrechten abgegrenzt werden. Ein lückenhafter Grundrechtsschutz ist demgegenüber nicht zu befürchten. Im Gegenteil, ebenso wie Art. 11 GG kein dauerhaftes Verbleiben an einer Örtlichkeit schützt,185 schützt er in positiver Hinsicht auch nicht den Aufenthalt an einer solchen, dies ist nur konsequent.186 dd) Zum Bruch mit der historischen Kontinuität in Bezug auf den Aufenthaltsbegriff (1) Überblick über die Kriterien zur Bestimmung eines Aufenthalts Obwohl der Aufenthalt im Stadion selbst nicht unmittelbar durch Art. 11 GG geschützt wird, da nur der Aufenthalt an einem Ort und nicht an einer Örtlichkeit durch Art. 11 GG geschützt ist, sind Eingriffe in Art. 11 GG denkbar, wenn die Möglichkeit, den Spielort aufzusuchen, durch hoheitliche Fernhaltemaßnahmen beschränkt wird. Hierfür müsste das Verweilen am Spielort als ein Aufenthalt im Sinne des Art. 11 GG anzusehen sein. 180 181 182 183 184

(514). 185

Siehe: Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG I, Art. 11 Rn. 27 ff. Vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2 Rn. 23. Wie BVerfG, Beschluss vom 23.7.1958, 1 BvL 1/52 = BVerfGE 8, 95 (97). Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 33. Wie u. a. Dürig, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte 2, S. 507 ff.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 (Garzweiler) = BVerfGE 134, 242 (325); sowie Urteil vom 17.3.2004, 1 BvR 1266/00 = BVerfGE 110, 177. Ebenso auch: BVerwG, Beschluss vom 29.9.2008, 7 B 20/08 = NVwZ 2009, 331. 186 Auf die Widersprüchlichkeit positiver und negativer Dimensionen des Schutzbereichs von Art. 11 GG bei Annahme eines weiten Schutzbereiches bereits hindeutend: Baer, NVwZ 1997, 27 (30).

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

Ein Aufenthalt umfasst die Zeitspanne zwischen der Einreise und der Ausreise aus einer Gemeinde. Dabei muss die Person allerdings zumindest über ein flüchtiges Verweilen hinweg in der Gemeinde verweilen, da ansonsten auch die bloße Durchreise durch eine Ortschaft als Aufenthalt angesehen werden müsste. Dies hätte zur Folge, dass eine Abgrenzung zu Art. 2 Abs. 1 GG erschwert würde.187 Für die Bestimmung eines Aufenthalts kommt es somit, und im Übrigen auch seinem Wortlaut nach, auf eine gewisse Dauer an. Unter teleologischen Gesichtspunkten kann dies jedoch nicht das einzige Kriterium sein. Wer beispielsweise rein zufällig in einen Stau gerät, dürfte wohl noch keinen Aufenthalt und damit auch nicht sein Freizügigkeitsrecht in Anspruch nehmen.188 Es dürfte daher erforderlich sein, neben der Dauer auch einen Willen zu einem mehr als flüchtigen Verweilen zu verlangen. Die Literatur benennt zudem weitere Kriterien zur Bestimmung eines Aufenthalts, darunter ein Einrichten vor Ort, gegebenenfalls unter Mitnahme persönlicher Habe189 oder einen besonderen Zweck des Aufenthalts.190 (2) Einfluss veränderter Lebensbedingungen auf die Bestimmung des Aufenthalts Zweifelsohne haben sich die tatsächlichen Lebensbedingungen in Deutschland seit Erlass des Grundgesetzes und erst recht seit der Paulskirchenverfassung verändert. Diese Veränderungen werden besonders an der gewachsenen Bedeutung der Mobilität für die heutige Gesellschaft sichtbar. Gerade wegen dieser Entwicklung erkennen einige Stimmen ein eigenes Grundrecht auf Mobilität an.191 Soweit darunter ein Recht verstanden wird, das vor jeglichen Einschränkungen der Mobilität schützen und gleichzeitig ein Leistungsrecht auf Sicherung und Ausbau von Infrastruktur statuieren soll, geht diese Auffassung jedoch zu weit.192 Ein derartiges Leistungsrecht würde den Staat faktisch überfordern und stünde zwangsläufig im ständigen Konflikt mit den Allgemeinwohlinteressen.193

187 Vgl. Gnatzy, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 11 Rn. 15; Rittstieg, in: Stein/Denninger/Hoffmann-Riem (Hrsg.), AK GG, Art. 11 Rn. 33; Dicke, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 1981, Art. 11 Rn. 8; a. A. hingegen Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 6. Aufl., München 2012, Art. 11 Rn. 14; Randelzhofer, in: Kahl/ Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 11 Rn. 26 sowie Schoch, JURA 2005, 34 (35), nach denen das Kriterium der Dauer völlig ungeeignet sein soll. 188 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 41. 189 Jarass, in: ders./Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 3. 190 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 41; Schoch, JURA 2005, 34 (35); Rittstieg, in: Stein/Denninger/Hoffmann-Riem (Hrsg.), AK GG, Art. 11 Rn. 33. 191 Ronellenfitsch, in: Rodi (Hrsg.), Recht auf Mobilität – Grenzen der Mobilität, S. 73 ff.; ders. JöR 1996, 167 ff.; Zur Mobilität als Voraussetzung für Freizügigkeit gem. Art. 11 GG, siehe: Röthel, NZV 1999, 63 (66 f.). 192 Wollenschläger, in: Dreier, Grundgesetz I, Art. 11 Rn. 34. 193 Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG I, Art. 11 Rn. 33.

III. Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG

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Im Hinblick auf Art. 11 GG finden die veränderten Reisemöglichkeiten sowie das veränderte Reiseverhalten indes kaum Berücksichtigung.194 Dieser Umstand muss vor allem deshalb verwundern, weil die veränderten Lebensbedingungen regelmäßig herangezogen werden, um eine Ausweitung des räumlichen Verständnisses auf die interlokale Freizügigkeit zu begründen.195 Tatsächlich erscheint es naheliegender, die veränderten Lebensbedingungen bei den zeitlichen Anforderungen an einen Aufenthalt zu berücksichtigen. Bereits § 12 Freizügigkeitsgesetz (1867) offenbarte, dass das Freizügigkeitsrecht auch den vorübergehenden Aufenthalt schützt.196 Allerdings blieb stets umstritten, welche Zeitspanne die untere Grenze des vorübergehenden Aufenthalts markiert.197 Mit Blick auf das an dieser Stelle offenbar doch nicht vergessene Unterkommenskriterium verlangen nach wie vor einige Stimmen in der Literatur mindestens eine Übernachtung, um von einem Aufenthalt ausgehen zu können.198 Dies kann inzwischen nicht mehr überzeugen. Wo früher eine Übernachtung aufgrund der Reisedistanz nahezu unerlässlich war, kann heute zumindest innerhalb Deutschlands jeder Ort mit Hilfe schneller (Fern-)Verkehrsmittel binnen kürzester Zeit aufgesucht und auch wieder verlassen werden. Es ist daher weder zeitgemäß noch einleuchtend, dass Art. 11 Abs. 1 GG nur den nächtlichen nicht aber den Aufenthalt bei Tage schützen soll.199 Noch weniger gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der verfassungsgebende Gesetzgeber Art. 11 Abs. 1 GG in dieser Hinsicht in seinem tradierten Verständnis einzementiert sehen wollte. Ebenso wie andere Grundrechte auch,200 ist Art. 11 GG ein entwicklungsoffenes Grundrecht. Aufgrund der veränderten Reisemöglichkeiten ist es daher widersinnig, an dem Kriterium der Übernachtung festzuhalten.201

194 Ausnahme u. a. Randelzhofer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 11 Rn. 25. 195 Hierzu bereits weiter oben in diesem Kapitel im Abschnitt III. 2. c) cc) (1). 196 § 12 Freizügigkeitsgesetz (1867): „Die polizeiliche Ausweisung Bundesangehöriger aus dem Orte ihres dauernden oder vorübergehenden Aufenthalts in anderen, als in den durch dieses Gesetz vorgesehenen Fällen, ist unzulässig.“ 197 So auch Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 38. 198 Jarass, in: ders./Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 2; Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 41. 199 So kann heutzutage eine frühe An- und Abreise problemlos mit Hilfe eines Flugzeugs oder eines Nachtzugs bewältigt werden und der Aufenthalt vor Ort dadurch mitunter wesentlich länger ausfallen, als ein bloßer Aufenthalt über Nacht. So zu Recht auch die Kritik von Randelzhofer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 11 Rn. 25. 200 Zu Art. 10 GG bspw. Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 10 Rn. 47; Zum Pressebegriff in Art. 5 GG Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 5 Rn. 90. 201 Randelzhofer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 11 Rn. 25; Dicke, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 1981, Art. 11 Rn. 8.

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

(3) Stellungnahme zu den einzelnen Kriterien (a) Objektive Kriterien Wenn aus den bereits dargestellten Gründen das Verweilen über Nacht nicht mehr verlangt werden kann, gibt es jedoch keinen objektiven Anhaltspunkt mehr dafür, eine bestimmte Zeitspanne als ausreichend zu erachten. Jede Zeitspanne, unabhängig davon, ob sie wenige Minuten oder mehrere Stunden umfasst, erscheint hingegen willkürlich.202 Von der Dauer des Verweilsens können daher allenfalls indizielle Schlüsse gezogen werden. Ein längeres Verweilen indiziert, dass es sich um einen Aufenthalt handelt, ein kurzes Verweilen indiziert das Gegenteil. Als weiteres objektives Kriterium, das auf einen Aufenthalt hindeuten soll, wird ein irgendwie geartetes „Sich-Einrichten“203 gegebenenfalls unter Mitnahme persönlicher Habe genannt. Doch auch dieses Kriterium ist für sich gesehen nicht hilfreich. Fraglich ist bereits, wo die Grenzen liegen sollen, also in welchem Umfang sich eine Person vor Ort einzurichten hat. Es erscheint außerdem nicht sachgerecht, dass derjenige, der über keine Mittel verfügt und sich daher auch nicht in irgendeiner Form einrichten kann, nicht am Schutz des Art. 11 GG partizipieren soll.204 Insoweit kann allenfalls ein Grund vorliegen, um die Freizügigkeit im Hinblick auf die Schranke einer fehlenden ausreichenden Lebensgrundlage zu beschränken.205 Den objektiven Kriterien kommt damit allenfalls indizielle Bedeutung zu. (b) Subjektive Kriterien Vor dem Hintergrund der Schwächen der objektiven Kriterien plädiert Tiemann für eine Abgrenzung des Schutzbereichs von Art. 11 GG allein anhand von subjektiven Kriterien.206 Demnach sei von Art. 11 GG nur die Ortsveränderung mit der Absicht zur Verlegung des Lebensschwerpunkts geschützt.207 Dass ein Aufenthalt im Sinne der Freizügigkeit nur dann geschützt sein soll, wenn dieser mit der Absicht der Verlegung des Lebensschwerpunkts erfolgt, lässt sich jedoch weder systematisch 202 Es lässt sich kein wirklich zuverlässiges Kriterium finden, das Merkmal des Aufenthalts allein nach seiner Dauer zu bestimmen. Wie lange jemand an einem Ort verweilt ist letztlich eine individuelle Entscheidung, die einer grundrechtlichen Wertung nur schwer zugänglich ist. Wer mag schon danach differenzieren, ob der Kaffee bei der Großmutter 10 Minuten oder einen kompletten Nachmittag in Anspruch nimmt. Vgl. Randelzhofer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 11 Rn. 25. 203 Jarass, in: ders./Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 3. 204 In diesem Sinne aber wohl BVerwG, Urteil vom 29.5.1956, IV C 012/55 = BVerwGE 3, 309 (312). 205 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.9.1972, I B 23/72 = JurionRS 1972, 12575; Zum Schrankenvorbehalt: Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 22; Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 133 ff. 206 Tiemann, NVwZ 1987, 10 (13). 207 Tiemann, NVwZ 1987, 10 (14). In diesem Sinne auch: BVerwG, Urteil vom 29.5.1956, BVerwG IV C 012.55 = BVerwGE 3, 309 (312 f.).

III. Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG

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noch teleologisch noch historisch herleiten. Selbst die Wohnsitznahme verlangt nicht, dass der Betroffene seinen Lebensschwerpunkt an diesen verlegt, denn zu Recht sieht die absolut herrschende Ansicht auch die Begründung eines Zweit- oder Mehrfachwohnsitzes vom Schutzbereich des Art. 11 GG als erfasst an.208 Ebenso wie nicht die Absicht der Verlegung des Lebensschwerpunkts erforderlich ist, kommt es auch im Übrigen nicht darauf an, welchen Zweck der Betroffene mit dem Aufenthalt verfolgt.209 Zum einen sind die Motive und Erwartungen, die mit einem Aufenthalt verknüpft sind, nicht immer eindeutig und können gegebenenfalls auch ein Bündel unterschiedlicher Vorstellungen umfassen. Zum anderen spricht der Wortlaut des Art. 11 GG gegen die weitere Eingrenzung des Schutzbereichs auf besonders „wertvolle“ Arten der Aufenthaltsnahme.210 Dies zeigt sich am Kriminalvorbehalt in Art. 11 Abs. 2 GG. Demnach wird die Freizügigkeit selbst dann geschützt, wenn der Zweck des Ortswechsels darin besteht, am Zielort strafbare Handlungen zu begehen.211 Die Bedeutung der Freizügigkeit erschöpft sich daher schon im Ortswechsel zum Zwecke eines Verweilens von gewisser Erheblichkeit, wobei die Erheblichkeit des Verweilens nicht davon abhängt, was die Person über das bloße Verweilen hinaus bezweckt. Teilweise wird in der Literatur ein „Zuzugswille“ des Zuziehenden im Sinne einer gewissen Intensität seiner Bindung zum Aufenthaltsort verlangt.212 Dieser Wille fehle beispielsweise beim Im-Stau-Stehenden und dem Besucher einer Kultur- oder Sportveranstaltung, der den Ort unmittelbar nach der Veranstaltung wieder verlässt. Bei Kur-, Klinik-, oder Erholungsaufenthalten liege er jedoch vor.213 Damit offenbart sich dieser Abgrenzungsversuch letztlich als eine kasuistische Abgrenzung, die nicht weniger Probleme aufwirft, als sie zu lösen gedenkt. Gerade Kur- und Klinikaufenthalte dürften nicht selten faktisch erzwungene Aufenthalte sein, die mangels Einfluss- oder Wahlmöglichkeiten des Betroffenen zustande kommen. Kürzere Aufenthalte, wie der Besuch einer Sportveranstaltung, können indes regelmäßig auf einer sehr bewussten Entscheidung beruhen, bei der durchaus eine intensive Bindung zum Aufenthaltsort bestehen kann. Weshalb ein eintägiger Kulturaufenthalt grundrechtlich weniger wert sein soll als ein Wochenendausflug erscheint zudem

208 Vgl. statt vieler: Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1136 m. w. V. und für die Rechtsprechung BVerfG, Beschluss vom 17.2.2010, 1 BvR 529/09 = NVwZ 2010, 1022. Dafür spricht auch, dass es keinen Anlass dafür gibt, an die Freizügigkeit i. S. d. Art. 11 GG strengere Anforderungen zu stellen, als in § 1 S. 1 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz. 209 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 40; Randelzhofer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 11 Rn. 22. 210 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 40. 211 Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 73; Rachor/Graulich, in: Lisken/ Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 442. 212 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 41. 213 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 41; In diese Richtung auch: Rittstieg, in: Stein/Denninger/Hoffmann-Riem (Hrsg.), AK GG, Art. 11 Rn. 34.

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

ebenfalls zweifelhaft.214 Zum anderen stellt sich die Frage, wie der Rechtsanwender erkennen soll, ob beim Betroffenen ein Zuzugswille besteht oder nicht. Daher ist auch dieses Kriterium kaum geeignet einen Aufenthalt vom bloßen Verweilen abzugrenzen. (4) Teilergebnis und eigene Lösung Nach alledem sind sowohl die objektiven als auch die subjektiven Kriterien für sich gesehen ungeeignet, um den Begriff des Aufenthalts sicher bestimmen zu können. Besser scheint daher die etwas vereinfacht formulierte Abgrenzungsformel, nach der die Freizügigkeit um des Aufenthalts Willen durch Art. 11 Abs. 1 GG und der Aufenthalt um der Fortbewegung Willen durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sei.215 Diese Formel mag zwar ebenfalls nicht ausreichen, um den Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 GG zu definieren, sie trifft aber den Kern der Abgrenzungsproblematik. Ausgangpunkt dabei ist, dass ein Aufenthalt seinem Wortlaut nach ein „Mehr“ als ein bloß flüchtiges Verweilen erfordert. Bei einem Verweilen von nur geringfügiger Dauer ist deshalb, um die Erheblichkeit des Verweilens feststellen zu können, im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände zu prüfen, ob der Schwerpunkt der Handlung auf dem Verweilen oder auf der Fortbewegung liegt.216 Von einem Aufenthalt im Sinne des Art. 11 GG ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Bedeutung des Verweilens unter subjektiven und objektiven Gesichtspunkten so hoch ist, dass das Interesse des Betroffenen an der Fortbewegung mit dem Erreichen des Zuzugsortes steht und fällt. Auf die weiteren Zwecke des Aufenthalts kann es dabei jedoch nicht ankommen. Es ist daher einerlei, ob der Betroffene einen Ort aufsuchen möchte, um dort beispielsweise eine kulturelle oder historische Stätte aufzusuchen oder um dort Freunde oder Verwandte zu besuchen. Ein Indiz für einen Aufenthalt kann unter anderem die fehlende Austauschbarkeit des Ortes sein. Wem es darauf ankommt, eine bestimmte Örtlichkeit aufzusuchen, nimmt auch dann, wenn er nur wenige Minuten an dieser Örtlichkeit verweilt, einen Aufenthalt im Sinne des Art. 11 GG, da es dem Betroffenen gerade darauf ankommt, genau diese Örtlichkeit aufzusuchen und er deshalb auf keine wesensgleiche Ersatzörtlichkeit verwiesen werden könnte. 214 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 94 Rn. 41 versucht dies mit eventuell anfallenden Meldepflichten oder dem Anfallen von Kurtaxe zu begründen. Hierbei handelt es sich aber schlichtweg und einfach-rechtlich begründete Pflichten. Dass gerade diese Folgen für die Eröffnung des grundrechtlichen Schutzbereiches haben sollen, ist dogmatisch nur wenig überzeugend und jedenfalls mit Blick auf das gleichzeitige Loslösen von den Gemeindegrenzen widersprüchlich. 215 Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 917; Schoch, JURA 2005, 34 (35). 216 So im Ergebnis auch: Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 82; Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1137 f.; Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 152 Rn. 41; Hofmann, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, Band 1, Heidelberg 2002, Art. 11 Rn. 22.

III. Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG

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3. Zusammenfassung und eigene Lösung Ein Fußballstadion ist kein tauglicher Bezugspunkt für einen Aufenthalt im Sinne des Freizügigkeitsrechts, da es sich um eine Örtlichkeit und nicht um einen Ort handelt. Durch Art. 11 GG wird jedoch der Aufenthalt am Spielort geschützt. Bei Fußballzuschauern, die nur zum Zwecke eines Spiels an einen Spielort anreisen, ist davon auszugehen, dass sie sich am Spielort im Sinne des Art. 11 GG aufhalten. Dafür spricht, dass ein Zuschauer den Spielort aus einem bestimmten Zweck und einer gewissen inneren Verbundenheit zu diesem Ort bewusst aufsucht, um dort für eine nicht bloß flüchtige Zeit zu verweilen. Bei Auswärtsspielen in größerer Entfernung wird häufig sogar eine Übernachtung am Spielort erfolgen, so dass sich der Zuschauer auch vorübergehend am Aufenthaltsort einrichtet.217 Aber auch dann, wenn ein Zuschauer nur für die Dauer des Spiels anreist, ist von einem Aufenthalt im Sinne des Art. 11 GG auszugehen, da die Anreise zum Spielort unmittelbar von der Möglichkeit, das Spiel zu besuchen, abhängt und keine gleichwertige Ersatzörtlichkeit zur Verfügung steht. Wird das Recht des Betroffenen Aufenthalt an einer bestimmten Örtlichkeit, wie dem Stadion und seinem unmittelbaren Umfeld, zu nehmen beschränkt, handelt es sich nach dem hier vertretenen Ergebnis nicht um einen unmittelbaren Eingriff in den Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 GG, da ihm der Aufenthalt im übrigen Teil des Spielorts möglich bleibt. Dies schließt jedoch die Annahme eines mittelbaren Eingriffs nicht aus. Ein mittelbarer Eingriff ist anzunehmen, wenn eine hoheitliche Maßnahme ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht, wobei es ausreichend ist, dass diese Wirkung faktisch und nicht rechtlich eintritt.218 Ein mittelbarer Eingriff in Art. 11 GG dürfte in denjenigen Fällen anzunehmen sein, in denen eine Person faktisch oder rechtlich daran gehindert wird, sich innerhalb eines Gebietes aufzuhalten, das weitgehend aber nicht völlig deckungsgleich mit dem Gemeindegebiet ist, sofern der Aufenthalt in dem übrigbleibenden (Gemeinde-)Fragment subjektiv und objektiv wertlos ist, weil der eigentliche Zugang zur Gemeinde verwehrt bleibt.219

217 Hier zeigt sich erneut, dass eine Übernachtung zwar ein Indiz, aber nicht das entscheidende Kriterium sein kann. Es kann grundrechtlich keinen Unterschied machen, ob beispielsweise ein Spiel an einem Freitagabend stattfindet und die Zuschauer von auswärts erst am Samstag zurückreisen oder das Spiel an einem Samstagnachmittag stattfindet und die Zuschauer an einem Tag an- und abreisen. a. A.: Rittstieg, in: Stein/Denninger/Hoffmann-Riem (Hrsg.), AK GG, Art. 11 Rn. 34, dessen Ausführungen jedoch Widersprüche beinhalten, schließlich ist kein Grund ersichtlich, weshalb der kurzfristige Verwandtenbesuch Art. 11 GG zugeordnet sein sollte, der Theaterbesuch hingegen nicht. 218 Siehe u. a. Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 294. 219 Dies kann bspw. angenommen werden, wenn dem Betroffenen lediglich der Aufenthalt in einer wenig erschlossenen Randlage der Gemeinde gestattet bzw. möglich ist. Gewissermaßen im Umkehrschluss zu Hailbronner, der schon dann einen Eingriff in Art. 11 GG erkennt,

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

4. Zwischenfazit Bei Zuschauern eines Fußballspiels, die von einer auswärtigen Gemeinde zum Spielort anreisen, können hoheitliche Fernhaltemaßnahmen, mit denen ihnen der Aufenthalt am Spielort untersagt oder unmöglich gemacht wird, in das durch Art. 11 GG geschützte Freizügigkeitsrecht eingreifen. Die Frage, ob tatsächlich ein Eingriff in Art. 11 GG vorliegt, kann jedoch nur für den jeweiligen Einzelfall und nur für die konkret angewendeten Maßnahmen beantwortet werden.

IV. Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG 1. Die Freiheit der Person als ein Recht der Fortbewegungsfreiheit? Indem sie den Betroffenen davon abhalten, ein Fußballspiel aufzusuchen, könnten Fernhaltemaßnahmen in die Freiheit der Person gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG eingreifen. Bei der Freiheit der Person handelt es sich, wie auch bei den übrigen in Art. 2 GG verbürgten Grundrechten, um ein Jedermannsrecht. Die Bestimmung von Inhalt und Grenzen des sachlichen Schutzbereichs dieses Grundrechts bereitet indes Schwierigkeiten. Eine Ursache hierfür ist der aus Art. 114 Abs. 1 S. 1 WRV übernommene Wortlaut des Grundrechts, der zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten bietet und um den schon zu Weimarer Zeit gestritten wurde.220 Der Vergleich mit Art. 2 Abs. 1 GG legt allerdings nahe, dass die „Freiheit der Person“ einen engeren sachlichen Schutzbereich aufweist als die „freie Entfaltung der Persönlichkeit“, da für letztere ansonsten kein eigenständiger Regelungsbereich verbliebe. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG wäre anderenfalls eine bloße Dopplung der bereits durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Freiheiten.221 Ungeachtet dessen, dass in diesem Fall eine der beiden Regelungen obsolet wäre, gäbe es keine Erklärung für die engere Schrankenregelung des Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG. Neben Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ist zusätzlich Art. 104 GG zu beachten, der die Schranken des Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG präzisiert222 und in einem „untrennbaren Zusammenhang“223 mit der Freiheit der Person steht. Die engeren Schranken des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG deuten darauf hin,

wenn der Zugang zu einer bestimmten Örtlichkeit versperrt ist. Siehe: Hailbronner, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 152 Rn. 59 ff. 220 Vgl. v. Mangoldt/Klein (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl. 1966, Art. 2 VI.2. 221 Vgl. Wittreck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 151 Rn. 8; Gusy, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 93 Rn. 5; ders., NJW 1992, 457 (457); Zudem ergeben sich Abgrenzungsfragen zu Art. 11 GG, siehe: Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG I, Art. 2 Abs. 2 Rn. 252. 222 Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2 Rn. 42. 223 Gusy, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 93 Rn. 2.

IV. Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG

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dass die Freiheit der Person das gegenüber Art. 2 Abs. 1 GG speziellere Grundrecht ist. Die Schrankenpräzisierung des Art. 104 GG gestattet schließlich auch einen Rückschluss auf den sachlichen Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG.224 Demnach wird erkennbar, dass Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG dem Einzelnen in erster Linie Schutz vor willkürlicher Freiheitsentziehung durch Verhaftung oder ähnlichen Maßnahmen bieten soll.225 Das Grundrecht steht folglich in der Tradition des HabeasCorpus-Rechts, das als klassisches Abwehrrecht zu verstehen ist.226 Der Wortlaut des Art. 104 GG offenbart aber auch, dass sich Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG nicht allein auf die Habeas-Corpus-Garantie beschränkt. Andernfalls wäre die Differenzierung zwischen Beschränkungen der Freiheit der Person (Abs. 1 S. 1) und besonderen Eigriffen in Gestalt des Festhaltens (Abs. 1 S. 2) oder der Freiheitsentziehung (Abs. 2 – 4) überflüssig. Der sachliche Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG geht daher über den Schutz vor Festnahme und Verhaftung hinaus.227 Zu den Grenzen des sachlichen Schutzbereichs des Grundrechts werden jedoch unterschiedliche Auffassungen vertreten.228 So wird die Freiheit der Person zum Teil als körperliche Bewegungsfreiheit im weiteren Sinne verstanden, die das Recht umfasst, sich an jede Örtlichkeit begeben zu können und sich dort aufzuhalten.229 Mitunter wird jedoch einschränkend eingewendet, die (Fort-)Bewegungsfreiheit des Einzelnen sei nur im Hinblick auf diejenigen Örtlichkeiten geschützt, die rechtlich und tatsächlich zugänglich sind.230 224 Gusy, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 93 Rn. 2; Vgl. Murswiek/Rixen, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 2 Rn. 229; Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1089; Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 73. 225 Dazu gehört der Schutz vor jeglichen Maßnahmen gleicher Wirkung, also insbesondere Maßnahmen des körperlichen Zwangs, wie das Ergreifen, Fesseln oder Einsperren Wittreck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 151 Rn. 9; Jarass, in: ders./Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 111. Es genügt aber auch psychischer Zwang, Dürig, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 104 Rn. 6. 226 Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2 Rn. 22; Kunig, in: v. Münch/ Kunig (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 73. 227 So auch Gusy, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 93 Rn. 2.; Vgl. Murswiek/Rixen, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 2 Rn. 229; Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1089; Tiemann, NVwZ 1987, 10 (13); a. A.: Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 56 f. 228 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 2 II Rn. 99. 229 Murswiek/Rixen, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 2 Rn. 229; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 496. 230 BVerfG, Urteil vom 14.5.1996, 2 BvR 1516/93 = BVerfGE 94, 166 (198); Zustimmend u. a.: Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2 Rn. 26 f.; Gusy, in: Merten/ Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 93 Rn. 5; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG I, Art. 2 Abs. 2 Rn. 196; Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1091. Noch weiter geht: Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 2 Rn. 23, der den Schutzbereich des Art. 2 II 2 GG vorab auch durch richterliche Entscheidungen begrenzt sieht; Insgesamt kritisch hingegen: Wittreck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

Rechtliche Einschränkungen, die von vornherein den Schutzbereich beschränken, könnten sich dabei durch allgemeine Gesetze, also Gesetze, deren Ziel nicht die Einschränkung der körperlichen Fortbewegungsfreiheit als solches, sondern der Schutz eines hochrangigen Rechtsguts ist, ergeben.231 Da selbst das Fußballstadion, zumindest für die Dauer eines Spiels, dazu geeignet und nach dem Willen des Verfügungsberechtigten auch dazu bestimmt ist, betreten zu werden, wäre demnach sowohl die Anreise zum Stadion als auch der Besuch eines Fußballspiels durch die Freiheit der Person geschützt. Nach anderer Auffassung ist Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG von vornherein kein Recht zu entnehmen, andere Orte aufsuchen zu können. Die Erweiterung des sachlichen Schutzbereichs auf eine allgemeine körperliche (Fort-)Bewegungsfreiheit überdehne den eigentlichen Sinn des Grundrechts. Die Freiheit der Person sei nicht als ein Unterfall des Art. 11 GG zu verstehen, sondern müsse vielmehr in einem engen Zusammenhang mit dem Habeas-Corpus-Recht verstanden werden.232 Unter der Freiheit der Person sei daher ein negatives Schutzrecht im engeren „physischen Sinne“ zu verstehen.233 Folgt man dieser Sichtweise, wären Anreise und Stadionaufenthalt nicht durch Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG geschützt. Die Auffassung, die in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ein Recht auf körperliche Bewegungsfreiheit im weiteren Sinne sieht, stützt sich neben dem offenen Wortlaut des Grundrechts auf den ebenfalls offenen Wortlaut des Art. 104 Abs. 1 GG sowie den Umstand, dass sämtliche Verhaltensge- oder -verbote im modernen Staat potentiell mit der Ausübung oder der Androhung unmittelbaren Zwangs einhergehen und dadurch die Freiheit der Person beeinträchtigen können.234 Dies führe dazu, den Schutzbereich des Grundrechts über das ursprüngliche Habeas-Corpus-Recht hinaus erweitern zu müssen.235 Zudem werde dem Einzelnen das Recht, seinen Aufenthaltsort frei zu wählen, im Fall des „klassischen Eingriffs“ in das Habeas-CorpusRecht, also bei einer Freiheitsentziehung, entzogen. Im Umkehrschluss ergebe sich daher, dass die Freiheit der Person das Recht zur freien Wahl des Aufenthaltsorts umschließe.236 Der Umgang mit den modernen Maßnahmen des Staates erfordert indes nicht zwangsläufig eine Erweiterung des sachlichen Schutzbereiches einzelner Grundrechte. Mit einer derartigen Erweiterung geht grundsätzlich die Gefahr einer des Staatsrechts VII, § 151 Rn. 8, der aber durch restriktive Auslegung des Schutzbereiches (Rn. 9) zum selben Ergebnis kommt. 231 Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2 Rn. 26 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG I, Art. 2 Abs. 2 Rn. 196; Murswiek,/Rixen in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 2 Rn. 235a. 232 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 95 Rn. 6. 233 Heidebach, Grundrechtsschutz durch Verfahren bei gerichtlicher Freiheitsentziehung, S. 33; Merten, ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 95 Rn. 6. 234 U. a.: Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 495; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 104 Rn. 19. 235 Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 497. 236 Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2 Rn. 26.

IV. Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG

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inhaltlichen Aushöhlung ihrer Schranken einher.237 Zudem steht mit Art. 2 Abs. 1 GG ein subsidiäres Auffanggrundrecht zur Verfügung, das an Stelle des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG herangezogen werden kann, soweit dessen Schutzbereich nicht tangiert wird. Maßnahmen, die eine höhere Eingriffsintensität aufweisen, müssen auch im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG einem strengeren Rechtfertigungsmaßstab gerecht werden. Den Herausforderungen durch moderne Handlungsformen des Staates kann somit grundsätzlich mit den zur Verfügung stehenden Mitteln der Grundrechtsdogmatik begegnet werden. Der aus den Folgen einer Freiheitsentziehung gezogene Umkehrschluss ist ebenfalls nicht überzeugend. Dies liegt zunächst daran, dass mit einer Freiheitsentziehung die Beschränkung zahlreicher weiterer Rechte einhergeht. Würden diese Rechte allesamt in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG fallen, müsste dieser letztlich doch als ein Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit verstanden werden. Zudem spricht auch die systematische Stellung des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG mitsamt seiner besonderen Schranken gemäß Art. 104 GG dagegen, in der Freiheit der Person ein Recht auf allgemeine Bewegungsfreiheit im Raum zu sehen. Würde Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG jegliche Ortsveränderung schützen, gäbe es keinen Grund für die besonderen Schranken des Art. 2 Abs. 2 S. 3 i. V. m. Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG.238 Der Versuch, dieses Problem durch eine Beschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit auf rechtlich und tatsächlich zugängliche Orte zu beheben, ist dogmatisch nicht tragfähig, denn er führt contra legem dazu, dass sich Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG zu einem normgeprägten Grundrecht wandelt.239 Für ein enges Verständnis der Freiheit der Person im Sinne der Verfügungsgewalt über den eigenen Körper spricht auch der historische Ursprung des Grundrechts. Seinen Ursprung findet Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG in den historischen Bemühungen, die Zwänge der Leibeigenschaft aufzulösen.240 Sinn und Zweck des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ist daher vor allem, dem Einzelnen, als wesentlicher Teil seines Selbstbehauptungsanspruchs als freier Mensch, das Recht über die freie Bestimmung seines Körpers zu garantieren.241 Für ein derartiges Verständnis des Grundrechts spricht schließlich auch die unmittelbare Erwähnung der Freiheit der Person im Anschluss an den Schutz der körperlichen Integrität.242 Nach alledem sprechen ebenso wie im Rahmen des Art. 11 GG überwiegende Gründe dafür, den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG restriktiv zu verstehen. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG schützt somit nicht die körperliche Bewegungsfreiheit des Einzelnen, sondern schützt diesen stattdessen vor Beschränkungen seiner räumlichen 237

Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2 Rn. 23. Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 95 Rn. 6. 239 Wittreck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 151 Rn. 3. 240 Wittreck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 151 Rn. 9. 241 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 95 Rn. 6; sowie Wittreck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 151 Rn. 9. 242 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 2 II Rn. 98. 238

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

Verfügungsgewalt über den eigenen Körper durch Verhaftung oder Festnahme.243 Darüber hinaus schützt die Freiheit der Person auch vor Maßnahmen, von denen eine ähnliche Wirkung ausgeht, ohne dass sie die Intensität einer Festnahme oder Verhaftung erreichen.244 Es kommt also im Ergebnis darauf an, ob der Einzelne ein freier Mensch bleibt, weil er auch in räumlicher Hinsicht über seinen Körper frei verfügen kann, oder unfrei ist, weil ihm diese Verfügungsgewalt entzogen wurde. Der Entzug der Verfügungsgewalt über den Körper erfordert stets eine Maßnahme, mit der in einem gewissen Ausmaß hoheitlicher, jedoch nicht notwendigerweise körperlicher, Zwang zu Lasten des Betroffenen ausgeübt wird.245 Das Untersagen des Zugangs oder des Aufenthalts an einer bestimmten Örtlichkeit führt daher nicht dazu, dass dem Einzelnen die räumliche Verfügungsgewalt über seinen Körper entzogen wird. Es fehlt bereits an der einer Festnahme oder Verhaftung entsprechenden Zwangswirkung. Das Aufsuchen und Aufhalten an einer bestimmten Örtlichkeit ist mithin nicht vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG erfasst.

2. Zwischenfazit Anreise und Besuch eines Fußballspiels sowie der vor Ort genommene Aufenthalt sind nicht durch die Freiheit der Person gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG geschützt. Der Erlass einer Fernhaltemaßnahme, durch die der Betroffene davon abgehalten wird, ein Fußballspiel zu besuchen, stellt daher für sich gesehen noch keinen Eingriff in die Freiheit der Person dar. Dies schließt jedoch nicht die Möglichkeit aus, dass eine Fernhaltemaßnahme aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung oder der Art ihrer Ausführung in die Freiheit der Person eingreifen kann.

V. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG 1. Einführung In jüngerer Zeit werden in der Literatur Stimmen laut, die einen Schutz des Stadionbesuchs durch das in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verkörperte

243 So bereits BVerfG, Beschluss vom 23.5.1967, 2 BvR 534/62 = BVerfGE 22, 21 (26); ebenso: BVerfG, Urteil vom 14.5.1996, 2 BvR 1516/93 = BVerfGE 94, 166 (198); Jarass/ Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 104 Rn. 2; v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG I, Art. 2 Abs. 2 Rn. 196; Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2 Rn. 22. 244 Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 95 Rn. 11 f. 245 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG I, Art. 2 Abs. 2 Rn. 197; Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte IV, § 95 Rn. 11 f.

V. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG

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allgemeine Persönlichkeitsrecht in Erwägung ziehen.246 So ist Henseler der Auffassung, dass für zahlreiche Menschen die Hingabe zu einem Verein oder zum Fußballsport persönlichkeitsfüllenden Charakter aufweise. Die „Lebensform des Fan-Seins“ sei daher eine eigenständige Kategorie innerhalb des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit anzuerkennen und umfasse auch den Besuch von Fußballspielen.247 Niemeier zieht demgegenüber nur für „extreme Fans“ einen Schutz des Stadionbesuchs durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Betracht,248 lehnt diesen im Ergebnis allerdings ab.249 Rechtliche Relevanz hat die Frage nach dem Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor allem im Hinblick auf das potentiell stärkere Schutzniveau des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.250

2. Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das als solches im Grundgesetz keine Erwähnung findet, hat erst im Wege richterlicher Rechtsfortbildung durch das Bundesverfassungsgericht als Recht auf Respektierung der Privatsphäre und des sozialen Geltungsanspruchs Konturen erhalten. Seine Wurzeln hat das Grundrecht in Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG. Zwar schützt bereits Art. 2 Abs. 1 GG die freie Entfaltung der Persönlichkeit, erweist sich jedoch bei näherer Betrachtung seiner Schranken als relativ schwaches Grundrecht, das dem nur schwer zu trennenden Zusammenhang zwischen der Entfaltung der Persönlichkeit und der Würde des Menschen kaum in ausreichendem Maße Rechnung tragen kann. Ohne den besonderen Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, könnte das Schutzinteresse des Einzelnen bei Eingriffen in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsentfaltung selbst dann, wenn diese auf den Kernbereich der Persönlichkeit zielen, im Wesentlichen nur durch den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt werden.251 Gewisse Eingriffe in die Persönlichkeit müssen im Hinblick auf den in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten menschlichen Würde- und Achtungsanspruch stärker vor staatlichen Eingriffen geschützt werden.252

246

Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 79; Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 273; offen gelassen von BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018, 1 BvR 3080/09 = NJW 2018, 1667 (1669). 247 Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 273. 248 Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 79. 249 Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 83. 250 Murswiek/Rixen, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 2 Rn. 103. 251 Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn. 30. 252 Dies betrifft insbesondere „die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen“. Siehe: BVerfG, Beschluss vom 3.6.1980, 1 BvR 185/77 = BVerfGE 54, 148 (153); in diesem Sinne bereits BVerfG, Beschluss vom 16.7.1969; 1 BvL 19/63 (Mikrozensus) = BVerfGE 27, 1 (6 f.).

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht besteht aus drei Teilbereichen, dem Recht der Selbstbewahrung, der Selbstdarstellung und dem der Selbstbestimmung.253 Es schützt die „Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung“254. Das Bundesverfassungsgericht hat im Laufe der Zeit verschiedene Fallgruppen benannt, die es dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugeordnet hat.255 Die Entstehung und Benennung neuer Fallgruppen ist insbesondere vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Gesellschaft und ihrer Werte sowie mit Rücksicht auf bislang unbekannte Gefährdungen für die Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit möglich.256

3. Das „Fan-Sein“ als Teil der Persönlichkeit Sowohl Niemeier wie auch Henseler erstrecken den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf das für die innere Sphäre wesentliche Verhalten,257 zu dem sie den Besuch eines Fußballspiels zählen,258 da gewisse Verhaltensweisen für die Entfaltung der Persönlichkeit konstituierende Bedeutung haben können. In diesem Zusammenhang ziehen beide Parallelen zu anderen Freiheitsrechten, insbesondere zur Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.259 Der sachliche Schutzbereich der Religionsfreiheit umfasst neben der inneren Überzeugung (Abs. 1) auch jegliches religiös geleitete Handeln (Abs. 2).260 Der Vergleich mit der Religionsfreiheit dürfte wohl nicht nur auf rechtlichen, sondern auch auf soziologischen Erwägungen beruhen. In Zeiten in der sich Kirchenaustritte mehren, christliche Bekenntnisse seltener werden und die individuellen und gesellschaftlichen Erfolge in das Zentrum des persönlichen Strebens gerückt zu sein scheinen, mögen Parallelen zwischen religiösen und alternativen „Bekenntnissen“ auf den ersten Blick nahe liegen.261 Allerdings war auch bei der Religionsfreiheit die Reichweite des sachlichen Schutzbereiches zunächst umstritten. Erst 253

Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 441 ff. BVerfG, Beschluss vom 3.6.1980, 1 BvR 185/77 = BVerfGE 54, 148 (153). 255 Vgl. hierzu die Auflistung bei Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 2 I Rn. 71 ff. 256 BVerfG, Beschluss vom 3.6.1980, 1 BvR 185/77 = BVerfGE 54, 148 (153 f.); Zustimmend: Kube, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 37. 257 Des „Fan-Seins“, so: Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 272. 258 Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 79 ff.; Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 268 ff. 259 Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbots, S. 271. 260 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 4 Rn. 63 ff. 261 Nicht zuletzt wird dies belegt durch den mehr oder weniger ernst gemeinten Glauben an den „Fußballgott“. Zu diesem und zur soziologischen Bedeutung des Fußballs im Übrigen vgl.: Rossen-Stadtfeld, in: Binder/Vesting (Hrsg.), Rundfunkrecht, § 4 RStV Rn. 6; Pilz/Behn/Klose/ Schwenzer/Steffan/Wölki, Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball, S. 72 ff. 254

V. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG

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mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur „Aktion Rumpelkammer“ vom 16. Oktober 1968262 setzte sich die Auffassung durch, dass auch objektiv religionsneutrales Verhalten vom Schutz des Art. 4 GG umfasst sein kann, wenn es einen subjektiven Religionsbezug aufweist.263 Überträgt man dieses Verständnis der Religionsfreiheit auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht, ist dem Stadionbesuch ohne weiteres eine besondere Relevanz für den „bekennenden Fußball-Fan“ zuzusprechen, so dass er in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fiele. Der Vergleich mit der Religionsfreiheit verfängt jedoch nicht. Art. 4 GG trennt explizit zwischen der Freiheit des Bekenntnisses (forum internum, Abs. 1) und der Religionsausübungsfreiheit (forum externum, Abs. 2) als Modalitäten eines einheitlichen Rechts der Religionsfreiheit.264 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist demgegenüber bereits ein Teilausschnitt, bzw. eine Modalität des durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Daher muss es zu dem verbleibenden Rest des durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit abgrenzbar sein, da von diesem Grundrecht ansonsten kein eigenständiger Teil mehr übrig bliebe. Das Grundrecht wäre somit obsolet.265

4. Abgrenzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur allgemeinen Handlungsfreiheit Die Abgrenzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur allgemeinen Handlungsfreiheit erfolgt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts typologisch.266 Zur Abgrenzung können Begriffspaare, wie passiv/aktiv, Sein/Tun, Status/Aktus sowie Integrität/Aktivität herangezogen werden.267 Demnach schützt die allgemeine Handlungsfreiheit die verhaltensgeprägte Entfaltung der Persönlichkeit, wohingegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht die Integrität, also die geistig-seelische Komponente der Persönlichkeitsentfaltung, schützt.268

262 BVerfG, Beschluss vom 16.10.1968, 1 BvR 241/66 (Aktion Rumpelkammer) = BVerfGE 24, 236. 263 Vgl. aber Herzog, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 4 Rn. 103 ff., der zu einer etwas restriktiveren Auslegung mahnt. 264 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 4 Rn. 58, 63 ff. 265 Zu Recht betont Niemeier, dass andernfalls jegliches für die Person relevante Verhalten in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fiele und die allgemeine Handlungsfreiheit „weitestgehend entleert würde“. Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 81. 266 BVerfG, Beschluss vom 3.6.1980, 1 BvR 185/77 = BVerfGE 54, 148 (153). 267 So mit Verweis auf BVerfGE 54, 148 (153) auch Kube, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 28. 268 Murswiek/Rixen, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 2 Rn. 61.

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Teil 2: Grundrechtlicher Schutz des Besuchs von Fußballspielen

Das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit wäre ohne den Schutz der körperlichen Integrität allerdings nahezu wertlos. Der Schutz der körperlichen Integrität durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG macht die Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG somit erst vollkommen.269 Dies gilt jedoch auch im umgekehrten Sinn. Entgegen der Verheißung eines bekannten Sprichworts dürfte wohl nicht in jedem gesunden Körper ein gesunder Geist wohnen.270 Umgekehrt scheint es medizinisch wohl erwiesen zu sein, dass eine geistig-seelische Beeinträchtigung ein körperliches Leiden zumindest begünstigt.271 Systematisch lässt sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht daher als Gegenstück zum Recht auf Schutz der körperlichen Integrität begreifen.272 Dadurch werden auch die Bezüge zu Art. 1 Abs. 1 GG offenbar, der den Grundrechtsträger davor bewahrt, zum bloßen Objekt staatlichen Handelns degradiert zu werden. Erst dieser Würde- und Achtungsanspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG kann den Inhalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts definieren273 und den stärkeren Schutz im Vergleich zur allgemeinen Handlungsfreiheit plausibel begründen. Der stärkere Schutz rechtfertigt sich gerade dadurch, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Innere der Person (das „Sein“) und nicht das Verhalten eines Menschen (das „Tun“) betrifft. Letzteres ist potentiell eher dazu geeignet, die Rechte Dritter zu beeinträchtigen und wird deshalb stärkeren Schranken unterworfen.274 Es sprechen somit sowohl systematische, als auch teleologische Gründe dafür, der Auffassung des Verfassungsgerichts zu folgen.

5. Zwischenfazit Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist typologisch zu bestimmen. Als reines Verhalten, fällt der Besuch eines Fußballspiels somit nicht in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.275 Eine Maßnahme, die eine Person davon abhält, ein Fußballspiel zu besuchen, berührt als solches keine Belange des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 269

Kube, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 29. Nach: Iuvenalis, Satire 10.356. 271 Rosenkranz/Jackson/Dalton/Dolski/Ryff/Singer/Muller/Kalin/Davidson, PNAS 2003, 1148 ff. 272 Murswiek/Rixen, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 2 Rn. 61. 273 Murswiek/Rixen, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 2 Rn. 62. 274 Dies bedeutet nicht, dass nicht auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch entgegenstehende Rechte Dritter Einschränkungen unterliegen kann. Im Einzelnen sind die Schranken des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gleichwohl umstritten. Auch die vom BVerfG vorgenommene Abstufung nach Sphären (siehe u. a. BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, 1 BvR 253/ 56 = BVerfGE 6, 32 (41); BVerfG, Beschluss vom 16.7.1969, 1 BvL 19/63 = BVerfGE 27, 1 (6); BVerfG, Beschluss vom 19.7.1972, 2 BvL 7/71 = BVerfGE 33, 367 (376 ff.)) scheint diese Diskussion nicht beendet zu haben. Vgl. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 2 II Rn. 91 ff. 275 Im Ergebnis so auch Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S 81 f. 270

VI. Ergebnisse Teil 2

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VI. Ergebnisse Teil 2 Fernhaltemaßnahmen können in unterschiedlicher Art und Weise in die Grundrechte des Betroffenen eingreifen. Zielen die Maßnahmen darauf ab, eine Person am Besuch eines Fußballspiels zu hindern, liegt neben einem Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in aller Regel auch ein Eingriff in die Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG vor. Fernhaltemaßnahmen dürfen daher nur aufgrund eines allgemeinen Gesetzes erlassen werden. Ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG liegt nur vor, wenn der Betroffene an einer im Zusammenhang mit einem Fußballspiel stattfindenden Versammlung teilnehmen möchte, aufgrund der Fernhaltemaßnahme aber vom Versammlungsort abgehalten wird. Da derartige Versammlungen üblicherweise außerhalb des Stadions stattfinden, dürfte es sich stets um Versammlungen unter freiem Himmel handeln. Auch insoweit wäre demnach lediglich ein einfacher Gesetzesvorbehalt zu beachten. Je nach Art und Ausgestaltung einer Fernhaltemaßnahme ist es allerdings auch möglich, dass diese in das Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 11 Abs. 1 GG eingreift. In diesem Fall ist der qualifizierte Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 11 Abs. 2 GG zu beachten. Nach diesem dürfen Eingriffe in das Freizügigkeitsrecht nur zur Verfolgung bestimmter Zwecke erfolgen. Einer dieser Zwecke ist es, strafbaren Handlungen durch den Betroffenen vorzubeugen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird durch den Erlass von Fernhaltemaßnahmen nicht tangiert. Im Regelfall wird durch sie auch nicht in die Freiheit der Person gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG eingegriffen. Eingriffe in die Freiheit der Person kommen nur im Einzelfall aufgrund der Ausgestaltung oder der Art der Durchführung einer Fernhaltemaßnahme in Betracht.

Teil 3

Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden Fernhaltemaßnahmen, die zum Zwecke der Gefahrenabwehr im Rahmen von Fußballspielen erlassen werden, greifen potentiell in sämtliche Grundrechte ein, die den Besuch und den Aufenthalt bei einem Fußballspiel schützen.1 Gleichwohl variiert die Eingriffsintensität der einzelnen Maßnahmen. Bei einem Teil der Maßnahmen kommen zudem Eingriffe in weitere Grundrechte in Betracht, so dass insoweit mitunter besondere Voraussetzungen bei ihrem Erlass zu berücksichtigen sind. Zu den Fernhaltemaßnahmen, die zur Abwehr von Gefahren im Rahmen von Fußballspielen angewendet werden, gehören Gefährderansprachen, Aufenthaltsverbote, pass- und ausweisrechtliche Maßnahmen sowie Meldeauflagen. In der Folge sollen die einzelnen Maßnahmen, ihr jeweiliger Anwendungsbereich sowie ihre tatbestandlichen Voraussetzungen dargestellt und erläutert werden.

I. Gefährderansprache 1. Beschreibung der Maßnahme Die Gefährderansprache erfolgt durch mündliche Aussprache des handelnden Beamten gegenüber dem Betroffenen. Der Betroffene wird hierfür an demjenigen Ort aufgesucht, wo er sich üblicherweise aufzuhalten pflegt. Typischerweise erfolgt die Gefährderansprache daher an der Wohnung oder am Arbeitsplatz des Betroffenen.2 Eine Gefährderansprache im engeren Sinne besteht in der Regel aus einem aufklärenden, einem warnenden und einem empfehlenden Teil.3 Dem Betroffenen wird zunächst offenbart, dass die Behörde von seinem früheren, dem für die Zukunft angekündigten Verhalten oder von sonstigen Umständen Kenntnis habe, die darauf schließen lassen, dass von ihm die Gefahr eines störenden Verhaltens im Rahmen eines anstehenden Fußballspiels ausgeht. Aus diesem Grund stehe er im Fokus der zuständigen Behörden und sei den vor Ort für die Sicherheit verantwortlichen Akteuren bekannt (aufklärender Teil).4 Er habe deshalb mit weiteren präventivpoli1

Siehe hierzu die Ausführungen in Teil 2 dieser Arbeit. Gädeke, Sportveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 124; Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S.61. 3 Barczak, JURA 2014, 888 (890); Tomschütz, Gefährderansprachen, S. 19 ff. 4 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 316. 2

I. Gefährderansprache

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zeilichen Maßnahmen und im Falle eventueller Verfehlungen mit strafrechtlichen Sanktionen zu rechnen, sollte er am Veranstaltungsort erscheinen oder dort störend in Erscheinung treten (warnender Teil).5 Der Betroffene wird schließlich dazu ermahnt, sich rechtstreu zu verhalten und gegebenenfalls im eigenen Interesse vom Besuch des anstehenden Fußballspiels abzusehen (empfehlender Teil).6 Die Gefährderansprache im engeren Sinne ist von der Befragung sowie dem rein informativen oder aufklärenden Gespräch abzugrenzen.7 Mitunter werden auch solche Gespräche als Gefährderansprache bezeichnet.8 Sinn einer Befragung ist indes das Erforschen eines bestimmten Sachverhalts oder die Kontrolle der Identität einer Person.9 Anders als die Befragung, ist der Zweck der Gefährderansprache jedoch nicht das Erlangen, sondern vielmehr das Überbringen einer Information.10 Im Rahmen eines informativen oder aufklärenden Gesprächs wird lediglich auf die geltende Rechtslage, auf gewisse Rahmenbedingungen des anstehenden Fußballspiels und die negativen Folgen von Gewalt im Allgemeinen hingewiesen.11 Zu diesen Rahmenbedingungen zählen unter anderem die nicht mehr tolerierte Alkoholisierung von Personen, die sich im Umfeld des Stadions aufhalten, oder der Hinweis auf verbotene Gegenstände, die im Rahmen eines Stadionbesuchs nicht mitgeführt werden dürfen.12 Der Inhalt einer Gefährderansprache im engeren Sinne ist demgegenüber weitreichender, da der Betroffene zusätzlich als Störer angesprochen und aufgrund einer konkreten Verhaltensprognose zur Rechtstreue ermahnt wird.13 Soweit in dieser Arbeit der Begriff Gefährderansprache verwendet wird, ist damit ausschließlich die Gefährderansprache im engeren Sinne zu verstehen. Allerdings können in der Praxis die Grenzen zwischen einer Befragung oder einem bloß informativen Gespräch und einer Gefährderansprache fließend sein.14 Mitunter wird der Rahmen einer bereits angedachten Gefährderansprache auch dazu genutzt, mit dem Betroffenen ins Gespräch zu kommen und Informationen über angekündigtes Fehlverhalten Dritter zu erhalten oder die Gefährderansprache erfolgt 5

Vgl. Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 200. Hebeler, NVwZ 2011, 1364 (1364 f.). 7 Barczak, JURA 2014, 888 (890); Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 177 f. 8 Breucker, NJW 2006, 1233 (1236). 9 Vgl. Art. 12 BayPAG; siehe auch: Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 196; Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 46 f. 10 Dem steht auch nicht entgegen, dass eine Gefährderansprache zum Teil mit einer Befragung einhergeht, Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 200; Waechter, VerwArch 2001, 368 (368). 11 Nolte, Sport und Recht, S. 136; Markert/Schmidbauer, Kriminalistik 1994, 493 (496). 12 Vgl. Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (Hrsg.), Wandel der Fankultur, S. 86. 13 Gädeke, Sportveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 125. 14 Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 61 f.; Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 230. 6

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

unmittelbar im Anschluss an eine vorherige Befragung, wenn aufgrund dieser die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Gefährderansprache als gegeben anzusehen sind.15

2. Grundrechtliche Dimension Die grundrechtliche Dimension einer hoheitlichen Maßnahme hat unmittelbaren Einfluss auf die Frage, ob für die Maßnahme eine gesetzliche Ermächtigung erforderlich ist. Soweit die Gefährderansprache in ein Grundrecht des Betroffenen eingreift, bedarf es zu ihrer Durchführung einer gesetzlichen Ermächtigung. Der Adressat der Gefährderansprache wird als Störer angesprochen, dem aufgrund einer konkreten Verhaltensprognoseunterstellt wird, eine die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdende oder sogar eine strafbare Handlung begehen zu wollen. In diesem Vorwurf liegt allerdings schon eine sozialethische Herabwürdigung, so dass die Gefährderansprache jedenfalls in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreift.16 Der Eingriff ist umso erheblicher, wenn Dritte vom Inhalt der Gefährderansprache Kenntnis nehmen.17 Ob ein Eingriff in diejenigen Grundrechte in Betracht kommt, die die Anreise und den Besuch eines Fußballspiels schützen, ist demgegenüber fraglich, da von der Gefährderansprache grundsätzlich keine unmittelbaren Folgen ausgehen.18 a) Klassischer Eingriffsbegriff Ein Eingriff im klassischen Sinne, der eine rechtliche und nicht bloß tatsächliche Wirkung voraussetzt, kommt daher in aller Regel nicht in Betracht.19 Durch die direkte Konfrontation mit der Polizei und den in Aussicht gestellten weiteren Maßnahmen soll zwar ein gewisser Einschüchterungseffekt beim Betroffenen ausgelöst werden und der Betroffene letztlich zu der Erkenntnis kommen, dass es für ihn vorteilhafter ist, Fußballspielen temporär fern zu bleiben oder sich in deren Rahmen 15

Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 194 ff., 200. Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 125; Rachor/ Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 232; Barczak, JURA 2014, 888 ff. (891); Arzt, Die Polizei 2006, 156 ff. (157); a. A.: Volkmann, NVwZ 2009, 216 (219); Breucker, SpuRt 2005, 133 (133); differenzierter hingegen: ders., NJW 2006, 1233 (1236). 17 Tomschütz, Gefährderansprachen, S. 79; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 201; Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 184 f.; Arzt, Die Polizei 2006, 156 (157). 18 Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 232. 19 Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 124; Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 184.; Barczak, JURA 2014, 888 ff. (890). 16

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zumindest rechtstreu zu verhalten.20 In Ermangelung einer rechtlichen Wirkung und aufgrund der fehlenden Verbindlichkeit bleibt der Betroffene in seiner Entscheidung, ob und inwiefern er sein Verhalten anpasst, allerdings frei. Indem er auf mögliche Konsequenzen hingewiesen wird, sollte er sein Verhalten nicht entsprechend dem polizeilichen Rat anpassen, soll lediglich ein geistiger Prozess angeregt werden, ohne dass damit eine bestimmte Rechtsfolge verknüpft wird.21 Die Gefährderansprache löst somit ausschließlich tatsächliche Wirkung aus. Sie ist kein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG, sondern ein bloßer Realakt.22 Je nach ihrer inhaltlichen Ausgestaltung ist es jedoch möglich, dass sie als Verwaltungsakt verstanden werden muss. Wegen der individuell unterschiedlich ausgeprägten Wahrnehmungs- und (psychischen) Widerstandsfähigkeit wäre es jedoch verfehlt, den Charakter der Maßnahme ausschließlich aus der Perspektive des konkret Betroffenen zu beurteilen. Andernfalls würde die nur schwer vorhersehbare und durch zahlreiche Umstände beeinflussbare subjektiv-psychische Disposition des Betroffenen ausschlaggebend dafür sein, ob von einem Verwaltungsakt auszugehen ist oder nicht.23 Allerdings kann auch die Motivation der Behörde für die Beurteilung der Maßnahme nicht das einzig maßgebliche Kriterium sein.24 Der Charakter einer Gefährderansprache ist vielmehr danach zu beurteilen, wie sie „unter Berücksichtigung ihrer äußeren Form, ihrer Abfassung, Begründung und aller sonstigen bekannten und erkennbaren Umständen nach Treu und Glauben bei objektiver Auslegung“25, vom objektiven Empfängerhorizont aus verstanden werden durfte oder musste.26 Wird der Adressat über den üblichen Inhalt hinaus konkret dazu angewiesen, bestimmte Verhaltensweisen zu unterlassen, dürfte ausnahmsweise von einem Verwaltungsakt auszugehen sein, erst recht, wenn ihm bei Nichtbefolgen bereits bestimmte Rechtsfolgen in Aussicht gestellt werden.27

20 Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 229; Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 60; Turnit, NVwZ 2012, 1079 (1080). 21 Kießling, DVBl. 2012, 1210; Barczak, JURA 2014, 888 ff. (890 f.). 22 Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 61; Zum Charakter eines Gefährderanschreibens siehe: OVG Lüneburg, Urteil vom 22.9.2005, 11 LC/04 = NJW 2006, 391; a. A.: OVG Magdeburg, Urteil vom 21.2.2012, 3 L 341/11 = NVwZ-RR 2012, 720. 23 Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1211). 24 Arzt, Die Polizei 2006, 156 (157); OVG Lüneburg, Urteil vom 22. 09. 2005, 11 LC 51/ 04 = NJW 2006, 391 ff. 25 VG Göttingen, 27.1.2004, 1 A 1014/02 (juris); ebenso u. a.: Schmidbauer, in: ders./ Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 2 PAG Rn. 20b. 26 Arzt, Die Polizei 2006, 156 (157 f.); BVerfG, Beschluss vom 26.6.2002, 1 BvR 670/91 („Osho“) = BVerfGE 105, 279 (295 ff.); BVerwG, Urteil vom 20.11.2014, 3 C 27/13 = NVwZRR 2015, 425 (426). 27 Siehe OVG Magdeburg, Urteil vom 21.2.2012, 3 L 341/11 = NVwZ-RR 2012, 720 (720 f.); Steinforth, Die Gefährderansprache, S. 175 f.; Barczak, JURA 2014, 888 (890); Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 652.

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b) Moderner Eingriffsbegriff Im Regelfall dürfte ein Eingriff im Sinne des modernen Eingriffsbegriffs in Betracht zu ziehen sein.28 Nach diesem liegt bereits dann ein Eingriff vor, wenn das staatliche Handeln mittelbar oder tatsächlich das von einem Grundrecht geschützte Verhalten des Einzelnen ganz oder teilweise unmöglich macht.29 Durch die direkte Konfrontation mit der Polizei und dem offenen, appellativen Charakter, wird der Betroffene gezielt und bewusst in eine psychisch belastende Situation versetzt. Er wird unmittelbar mit den polizeilichen Konsequenzen seines Handelns konfrontiert, die zwar noch nicht feststehen, aber ihn bei entsprechendem Verhalten mit hoher Wahrscheinlichkeit treffen. Die mit einer Gefährderansprache verbundene Einwirkung auf den Betroffenen weist auch eine gewisse Erheblichkeit auf, die oberhalb der Grenze zur bloßen Unannehmlichkeit liegt.30 Ihr warnender, appellativer Charakter geht gerade über einen bloßen polizeilichen Hinweis hinaus31 und kann, insbesondere unter Berücksichtigung der Art und Weise der Durchführung, nachhaltigen Einfluss auf den Betroffenen ausüben und zu einer faktischen Begrenzung seines Handlungsspielraums, aus Furcht vor polizeilichen Maßnahmen führen.32 Gerade die Konfrontation mit der Information, dass die Polizei das Verhalten des Betroffenen genauer beobachten wird, sowie das Inaussichtstellen weiterer polizeilicher Maßnahmen, dürfte objektiv betrachtet als unangenehme Konsequenz eigenen Handelns erkannt werden.33 Diese gesteigerte Drucksituation übersteigt den allgemeinen Sozialdruck, sich rechtstreu zu verhalten, um ein Vielfaches und ist auch höher, als bei einer Befragung oder einem bloßen Hinweis auf das geltende Recht im Rahmen eines informativen oder beratenden Gesprächs. Die effektivste Möglichkeit des Betroffenen, sich dieser Drucksituation zu entziehen, besteht darin, auf den Besuch eines Fußballspiels zu verzichten. Durch die konkrete Art der Durchführung der Maßnahme kann die beeinflussende Wirkung auf die innere Willens- und Entschlussfähigkeit des Betroffenen verstärkt werden. Nach dem modernen Eingriffsbegriff ist daher ein Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen zu bejahen.34 28 A. A.: Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 2 PAG Rn. 20a, Art. 11 PAG Rn. 216. 29 Vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 294; ausführlich: Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.); Handbuch der Grundrechte III, § 57 Rn. 29 ff. 30 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 202; Die Existenz einer derartigen Bagatellgrenze ist indes umstritten, dafür u. a.: Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 301; Pietzcker, in: Maurer (Hrsg.), FS Dürig, S. 356; dagegen u. a.: Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Band III, § 57 Rn. 49; eindringlich: Stern, in: ders. (Hrsg.), Staatsrecht III/2, S. 204 ff. 31 Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 231; Hebeler, NVwZ 2011, 1364 (1365). 32 OVG Lüneburg, Urteil vom 22.9.2005, 11 LC/04 = NJW 2006, 391. 33 Insbesondere soweit bereits entsprechende Erfahrungen in der Vergangenheit gesammelt wurden, siehe: Arzt, Die Polizei 2006, 156 (157). 34 A. A.: Breucker, NJW 2006, 1233 (1236); ders., SpuRt 2005, 133 (133); Volkmann, NVwZ 2009, 216 (219).

I. Gefährderansprache

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c) Zwischenfazit Bei einer Gefährderansprache handelt es sich somit um eine grundrechtsrelevante Maßnahme, die nicht auf die polizeiliche Aufgabennorm gestützt werden kann.35

3. Ermächtigungsgrundlage Die Grundrechtsrelevanz der Gefährderansprache führt wegen des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG unmittelbar zu dem Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage, auf die die Maßnahme gestützt werden kann.36 Dies gilt indes nicht für informatorische oder aufklärende Gespräche. Zu diesen Maßnahmen sind die Polizei- und Ordnungsbehörden mangels eingreifender Wirkung auch ohne Ermächtigungsgrundlage aufgrund ihrer Aufgabenzuweisung befugt, soweit sie nicht mit einer gezielten Befragung der Person einhergehen.37 Bei einer Gefährderansprache kommt hingegen ein Rückgriff auf die allgemeine Aufgabenzuweisung nicht in Betracht.38 Eine spezifische Ermächtigungsgrundlage zur Durchführung von Gefährderansprachen existiert in den deutschen Polizeigesetzen nicht.39 Die Regelungen zur Befragung von Personen erweisen sich als ungeeignet, um als Ermächtigung zur Durchführung von Gefährderansprachen dienen zu können, da Gefährderansprachen sowohl hinsichtlich ihres Inhalts als auch ihrer Auswirkungen auf die Rechte des Betroffenen wesentlich und strukturell von einer Befragung abweichen.40 Mangels spezialgesetzlicher Regelungen steht somit nur die polizeiliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Der Rückgriff auf die Generalklausel kann jedoch aus unterschiedlichen Gründen versperrt sein. a) Verhältnis der Gefährderansprache zu den Standardmaßnahmen Die Anwendung der Generalklausel scheidet in denjenigen Fällen aus, in denen für die konkret angewendete Maßnahme bereits eine Standardermächtigung im Gesetz vorgesehen ist oder diese einer gesetzlich geregelten Standardmaßnahme

35

Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 316. Sog. Wesentlichkeitstheorie, siehe u. a.: BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, 2 BvR 669/04 = BVerfGE 116, 24 (58); Beschluss vom 27.1.1976, 1 BvR 2325/73 = BVerfGE 41, 251 (260); Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 316. 37 Markert/Schmidbauer, BayVBl 1993, 517 (519), Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 195, Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 317. 38 OVG Lüneburg, Urteil vom 22.9.2005, 11 LC/04 = NJW 2006, 391; Arzt, Die Polizei 2006, 156 (158). 39 Anders bspw. in Österreich, vgl. § 49b SichPolG. 40 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 212; Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 62. 36

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gleicht.41 Dies gilt insbesondere dann, wenn die Maßnahme schwerer in die Rechte des Betroffenen eingreift, als die Standardmaßnahme.42 Die Gefährderansprache kann im Einzelfall durchaus Parallelen zu anderen, standardisierten polizeilichen Maßnahmen aufweisen, insbesondere soweit sie – wie bereits erwähnt – mit einer Befragung des Betroffenen einhergeht. Stollwerck bezeichnet sie gar als einen „dogmatischen Zwitter zwischen Aufenthaltsverbot und Gewahrsam“43. Dieser Vergleich geht indes zu weit, denn primäres Ziel der Maßnahme ist es, den Adressaten zur Rechtstreue zur ermahnen, also bestimmte Verhaltensweisen zu unterbinden.44 Die Gefährderansprache kann lediglich zu mittelbar-faktischen Beschränkungen der Freiheit der Person führen. Sie ist daher im Vergleich zum Aufenthaltsverbot bzw. zum Gewahrsam wesensverschieden. Der Rückgriff auf die Generalklausel wird durch die Regelungen über das Aufenthaltsverbot bzw. den Gewahrsam nicht versperrt. Dies gilt auch hinsichtlich der Regelungen zur Befragung von Personen, denn anders als die Befragung, ist die Gefährderansprache nicht auf Informationsübermittlung, sondern auf Informationsgewinnung ausgerichtet.45 Bei der Gefährderansprache handelt es sich demnach um eine im Vergleich zu den Standardmaßnahmen wesensverschiedene Maßnahme, deren eigenständiger Charakter den Rückgriff auf die Generalklausel grundsätzlich ermöglicht. b) Bedeutung der Wesentlichkeitstheorie für die Gefährderansprache Eine Anwendung der Generalklausel scheidet allerdings auch dann aus, wenn der Gesetzgeber aufgrund der mit der konkret beabsichtigten Maßnahme verknüpften Folgen zur Schaffung einer Standardermächtigung über ihren Erlass verpflichtet wäre. Dies richtet sich nach den Anforderungen der sogenannten Wesentlichkeitstheorie.46 Teile der Literatur erachten eine Standardermächtigung über die Durchführung von Gefährderansprachen für notwendig.47 Als entsprechendes Vorbild wird

41 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 313; Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 193 ff. 42 Statt vieler: Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 196; Differenziert hingegen Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 439 ff. 43 Stollwerck, LKV 2016, 103 (107). 44 Bspw. dürfte eine typische Gefährderansprache gegen einen Sexualstraftäter den Rat beinhalten, den Kontakt zu bestimmten Personen (insbesondere Frauen oder Kinder) zu meiden, um nicht weitere Maßnahmen durch die Polizei- oder Sicherheitsbehörden auszulösen. Siehe: OVG Münster, Beschluss vom 22.8.2016, 5 A 2532/14 = BeckRS 2016, 51094; zuvor: VG Köln, Urteil vom 20.11.2014, 20 K 2466/12 = BeckRS 2016, 51913. 45 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 212. 46 Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 198; Arzt, Die Polizei 2006, 156 (158). 47 Tomschütz, Gefährderansprachen, S. 219 ff.; Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1214); Arzt, Die Polizei 2006, 156 (158).

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auf § 49b Sicherheitspolizeigesetz (Österreich)48 verwiesen.49 Die Erforderlichkeit einer Standardermächtigung ergebe sich daraus, dass es sich bei der Gefährderansprache inzwischen um eine typische und standardisiert von der Polizei angewendete Maßnahme handele, die demzufolge wesentliche Belange berühre.50 Zusätzlich ließe sich aus dem Bestimmtheitsgebot und dem Übermaßverbot eine Pflicht des Gesetzgebers herleiten, klare Regelungen zu schaffen, damit für den Bürger ersichtlich sei, in welchen Fällen er mit welcher Art von polizeilichen Maßnahmen zu rechnen habe.51 Nach anderer Auffassung könne die Durchführung einer Gefährderansprache ohne weiteres auf die Generalklausel gestützt werden.52 So hält beispielsweise das Bundesverwaltungsgericht die Generalklausel für anwendbar, da sie in ihrer Reichweite nicht auf eine Ermächtigung zu atypischen Maßnahmen beschränkt sei.53 Andere verneinen die Typizität der Gefährderansprache mit Blick auf die unterschiedliche Umsetzung der Maßnahme in der polizeilichen Praxis und sehen in ihr ein flexibles Mittel, das gerade deshalb auf die Generalklausel zu stützen sei.54 Die Generalklausel könne zudem bei neuartigen Maßnahmen für einen Übergangszeitraum bis zur Schaffung einer Standardermächtigung als Ermächtigungsgrundlage dienen.55 Das letzte Argument ist jedoch überholt. Angesichts der mittlerweile mehrjährigen Anwendung der Gefährderansprache, kann inzwischen nicht mehr von einem Übergangszeitraum gesprochen werden.56 Die Gefährderansprache hat sich vor allem im Zusammenhang mit Versammlungen und Fußballspielen seit mehreren Jahren in der polizeilichen Praxis etabliert.57 Die Gefährderansprache ist zudem 48

§ 49b SPG Gefährderansprache: Menschen, die Verwaltungsübertretungen nach §§ 81 oder 82, nach dem Pyrotechnikgesetz (…) oder nach § 3 des Abzeichengesetzes (…) im Zusammenhang mit Sportgroßveranstaltungen begangen haben, und von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie auch im Zusammenhang mit künftigen Sportgroßveranstaltungen solche Verwaltungsübertretungen begehen werden, können von der Sicherheitsbehörde vorgeladen werden, um über das rechtskonforme Verhalten bei solchen Veranstaltungen nachweislich belehrt zu werden. (…). 49 Barczak, JURA 2014, 888 (891); Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1217). 50 Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1214); Arzt, Die Polizei 2006, 156 (158); ebenso: Butzer, VerwArch 2002, 506 (523), der schon die regelmäßige Anwendung einer Maßnahme für entscheidend erachtet, um den Erlass einer Standardermächtigung zu verlangen. 51 Tomschütz, Gefährderansprachen, S. 220; Kießling, DVBl. 2012, 1210 ff. (1214); Arzt, Die Polizei 2006, 156 (158). 52 Siehe u. a.: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 653; Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, S. 321. 53 BVerwG, Urteil vom 25. 07. 2007, 6 C 39.06 = BVerwGE 129, 142 (149). 54 Tegtmeyer/Vahle, Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen, § 8 Rn. 26; a. A. Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1217), die in der Gefährderansprache allerdings eine Maßnahme erkennt, die eher der Gefahrenvorsorge zuzuordnen sei. 55 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 213 f.; Arzt, Die Polizei 2006, 156 (158). 56 Steinforth, Die Gefährderansprache, S. 195 f. 57 Steinforth, Die Gefährderansprache, S. 195 f.; Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1213); Volkmann, NVwZ 2009, 216 (219).

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

zumindest insoweit standardisiert, wie sie sich aus den bereits beschriebenen Teilen zusammensetzt. Einzelne Abweichungen in der Praxis stehen dieser Feststellung nicht entgegen, da sich jegliches polizeiliche Handeln den Umständen des Einzelfalls anpassen muss und selbst Standardmaßnahmen daher gewisse Handlungsspielräume eröffnen. Soweit diese Typisierung jedoch nach Auffassung Einzelner dazu führt, dass infolgedessen eine Standardermächtigung notwendig wird, ist dieser Schlussfolgerung zu Gute zu halten, dass sie dem Bestimmtheitsgebot und dem Übermaßverbot in besonderem Maße Rechnung trägt. Aus rechtsstaatlicher Sicht gibt es indes kein zwingendes Erfordernis, für jegliches Handeln der Verwaltung eine entsprechend konkret ausgestaltete Ermächtigungsgrundlage zu schaffen. Der Staat wäre andernfalls in seiner Handlungsfähigkeit unverhältnismäßig stark eingeschränkt, da ihm die im Einzelfall notwendige Flexibilität abhandenkäme.58 Zudem verfügt auch die Exekutive über eine eigene demokratische Legitimation, die sie in einem gewissen Maße zu einem eigenverantwortlichen Handeln berechtigt.59 Die Wesentlichkeitstheorie besagt zwar, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen zu regeln hat. Wesentlich ist eine Entscheidung aber nicht alleine deshalb, weil sie häufig getroffen wird, sondern erst dann, wenn sie zugleich von gewisser Relevanz ist. Dies bemisst sich nach der grundrechtlichen Relevanz des zu regelnden Sachverhalts, mithin der Intensität des im Einzelfall drohenden Grundrechtseingriffs.60 Die Intensität eines Eingriffs bestimmt aber nicht nur das „ob“ einer Regelung, sondern auch die notwendige Regelungsdichte.61 Demnach muss der Gesetzgeber bei denjenigen Maßnahmen, die typischerweise einen Eingriff von hoher Grundrechtsintensität auslösen, engere und deutlichere Vorgaben im Wege der Gesetzgebung regeln, als bei Maßnahmen, deren Folgen für die Grundrechte des Betroffenen typischerweise von geringer Intensität sind.62 Der mit einer Gefährderansprache verbundene Grundrechtseingriff ist nur von geringer Schwere, denn der Betroffene bleibt trotz der angedrohten Konsequenzen in seiner Willens- und Entschlussfreiheit frei.63 Dem Betroffenen bleibt es weiterhin möglich, ein Fußballspiel zu besuchen und durch entsprechend rechtstreues Verhalten den zu erwartenden oder in Aussicht gestellten weiteren Maßnahmen zu entgehen.64 Die Schaffung einer 58

Lerche, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte III, § 62 Rn. 42. Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20, VI. Rn. 108; Lerche, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte III, § 62 Rn. 42. 60 Siehe u. a.: Butzer, VerwArch 2002, 506 (522 ff.); BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, 2 BvR 669/04 = BVerfGE 116, 24 (58). 61 Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20, VI. Rn. 105 f. 62 Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20, VI. Rn. 105 f. 63 Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S.78; Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik S. 60. 64 Dies setzt voraus, dass dem Betroffenen weiterhin eine entsprechende „Tür offengehalten wird“. Hiervon wird aber in der Regel auszugehen sein, denn wenn zum Zeitpunkt der Gefährderansprache unter keinen Umständen mehr in eine ernsthafte Abkehr des Adressaten von seinem zu erwartenden störenden Verhalten vertraut werden kann, ist die Gefährderansprache 59

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besonderen Standardermächtigung, die über die Regelungsdichte der Generalklausel hinausgeht, ist daher nicht erforderlich.65 Dem Bestimmtheitsgebot wird trotz der Unbestimmtheit der in der Generalklausel verwendeten Rechtsbegriffe genüge getan, weil diese durch Literatur und Rechtsprechung in jahrzehntelanger Praxis hinreichend präzisiert worden sind.66 Dem Übermaßverbot kann im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ausreichend Beachtung geschenkt werden. c) Zwischenfazit Zur Durchführung einer Gefährderansprache kann auf die polizeiliche Generalklausel zurückgegriffen werden.

4. Formelle Rechtmäßigkeit Auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr besteht grundsätzlich eine parallele Zuständigkeit von Polizei- und Ordnungsbehörden, wobei die Polizei auf eine Eilkompetenz beschränkt ist. Die polizeiliche Eilkompetenz ist in jedem Fall ab dem Moment begründet, ab dem sich der Störer auf der Anreise zu einem Fußballspiel befindet.67 Soweit sich der Störer aber noch an seinem Heimatort befindet, ohne dass seine Abreise unmittelbar bevorsteht, liegt in aller Regel noch kein Eilfall vor. Somit käme vorrangig ein Handeln der Ordnungsbehörden in Betracht. In der Praxis werden Gefährderansprachen jedoch häufig durch die Polizei durchgeführt. Dies liegt in erster Linie daran, dass die meisten Länder bei Maßnahmen, die der Verhinderung von Straftaten dienen, das Handeln der Polizei, anders als in den übrigen Fällen der Gefahrenabwehr, nicht auf eine Eilkompetenz beschränken.68 Da Gefährderansprachen vor allem das Ziel verfolgen, szenetypische Straftaten des Einzelnen im Rahmen von Fußballspielen zu verhindern, ist die Zuständigkeit der Polizei schon vor dem Eintritt eines Eilfalls begründet.69 In den übrigen Ländern, bleibt die Polizei hingegen auf ein Handeln in Eilfällen beschränkt.70 Die zuständige Behörde kann die Polizei allerdings gegebenenfalls anweisen, die Gefährderansprache selbst durchaufgrund des polizeilichen Schutzauftrags für die Rechtsgüter Dritter, bereits von vornherein ein ermessensfehlerhaftes Mittel. So auch: Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1216). 65 Vgl. Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 198. 66 BVerfG, Beschluss vom 23.5.1980, 2 BvR 854/79 = BVerfGE 54, 143 (144). 67 Exemplarisch: Jötten/Tams, JuS 2008, 436 ff.; in Anlehnung an: OVG Lüneburg, Urteil vom 22.9.2005, 11 LC/04 = NJW 2006, 391. 68 Im Einzelnen: Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Thüringen. 69 Barczak, JURA 2014, 888 (890); Steinforth, Die Gefährderansprache. S. 200. 70 Im Einzelnen: Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Saarland, Sachsen, SchleswigHolstein.

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zuführen.71 Ohne eine derartige Weisung bleibt der Polizei die Möglichkeit in eigener Zuständigkeit informatorische oder aufklärende Gespräche mit einzelnen Personen durchzuführen. Zu diesen ist die Polizei schon aufgrund ihrer allgemeinen Aufgabenzuweisung befugt, ohne dass sie dabei auf eine subsidiäre Kompetenz beschränkt ist.72 Gefährderansprachen sind an keine bestimmte Form geknüpft. Allerdings spricht man nur dann von einer Gefährderansprache, wenn diese mündlich erfolgt. Eine schriftliche Gefährderansprache wird als Gefährderanschreiben bezeichnet.73 Das Gefährderanschreiben entspricht hinsichtlich seines Inhalts und seiner rechtlichen Voraussetzungen der Gefährderansprache. Dementsprechend sind Gefährderanschreiben von rein informativen Schreiben abzugrenzen, die keine grundrechtliche Relevanz aufweisen und inhaltlich dem informativen Gespräch entsprechen.74

5. Materielle Rechtmäßigkeit der Gefährderansprache a) Tatbestandliche Voraussetzungen einer Gefährderansprache aa) Konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit Maßnahmen auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel erfordern das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Eine konkrete Gefahr liegt nur dann vor, wenn in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Eintritt eines Schadens erwartet werden kann.75 Die Zeitspanne zwischen der Gefahrenprognose und dem Eintritt des prognostizierten Schadens wird mitunter auch mit dem Begriff der „überschaubaren Zukunft“ versucht einzugrenzen.76 Schon an diesen sprachlichen Nuancierungen wird ein wesentliches Problem im Umgang mit der Generalklausel deutlich. Entscheidend ist nämlich, ab wann ein prognostizierter Schaden ausreichend nah ist, um von einer konkreten Gefahr ausgehen zu können, so dass Maßnahmen auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel ergriffen werden können. Unterhalb der Schwelle zur konkreten Gefahr kann nämlich nicht mehr auf die polizeiliche Generalklausel zurückgegriffen werden.77 71

Siehe u. a.: Art. 9 Abs. 2 BayPOG, § 60 PolG BW. Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 2 PAG Rn. 20a. 73 Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 61. 74 Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (Hrsg.), Wandel der Fankultur, S. 86. 75 So die Legaldefinition in § 2 Nr. 3 a) BremPolG. 76 BVerwG, Urteil vom 3.7.2002, 6 CN 8/01 = BVerwGE 116, 347; Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 87. 77 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 314; Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1214). 72

I. Gefährderansprache

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Das Verständnis der zeitlichen Dimension des Gefahrbegriffs hat daher unmittelbare Auswirkungen auf die Frage der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen, die wie die Gefährderansprache schon frühzeitig vor Eintritt des befürchteten Schadens ergriffen werden. Erfolgt die Gefährderansprache im Frühstadium der Gefahr, kann auf die Generalklausel zurückgegriffen werden, erfolgt sie im Vorfeld der Gefahr, ist sie stets rechtswidrig, da es an einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage im Gefahrenvorfeld mangelt.78 Daher dürfen im Gefahrenvorfeld ausschließlich informative bzw. aufklärende Gespräche oder Befragungen durchgeführt werden.79 Mit Blick auf die im Gesetz verwendeten zeitlichen Modifikationen des Gefahrbegriffs, wie der gegenwärtigen Gefahr (z. B. § 2 Nr. 3 b) BremPolG) bzw. der unmittelbaren Gefährdung (z. B. § 15 VersammlG), wird erkennbar, dass die Zeitspanne zwischen der Schwelle zur konkreten Gefahr und dem erwarteten Schadenseintritt durchaus eine gewisse Dauer aufweisen kann. Andererseits darf sie, wegen der mit zunehmender Dauer in aller Regel absinkenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, auch nicht zu lang sein.80 An dieser Stelle macht sich aber gerade die Flexibilität des Gefahrbegriffs bemerkbar.81 Es kommt eben nicht auf eine starre zeitliche Begrenzung zwischen dem Zeitpunkt der Prognose und dem erwarteten Schadenseintritt an, sondern auf das Verhältnis von Zeit und Wahrscheinlichkeit. Ist der Eintritt eines in fernerer Zukunft drohenden Schadens bereits zum jetzigen Zeitpunkt hinreichend wahrscheinlich, kann dies eine zeitnahe Maßnahme zu dessen Abwehr erforderlich machen.82 Der Begriff der hinreichenden Wahrscheinlichkeit beschreibt daher denjenigen Grad von Wahrscheinlichkeit, der erreicht sein muss, um angesichts der zur Verfügung stehenden Reaktionszeit, des bedrohten Rechtsguts und der in Betracht kommenden Maßnahmen, einen Eingriff in die Rechte des Betroffenen rechtfertigen zu können.83 Je größer die Zeitspanne zwischen der Prognose und dem erwarteten Schadenseintritt ist, desto höhere Anforderungen sind grundsätzlich an die Prognose und das zu schützende Rechtsgut zu stellen, um Maßnahmen gegen den Einzelnen, die bereits vor Beginn des schädigenden Kausalverlaufs erfolgen, rechtfertigen zu können.84 Im Bereich der personenbezogenen Gefahrenabwehr kann der Eintritt eines Schadens allerdings nicht mit

78 Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 653; Hebeler, NVwZ 2011, 1364 (1366); Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1214). 79 Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 2 PAG Rn. 20a; Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 215 f. 80 Denninger, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, D 41, 53. 81 Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 109 ff.; ders., Terrorismusabwehr durch das Bundeskriminalamt, S. 68. 82 Denninger, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, D 41. 83 Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 11 PAG Rn. 32. 84 Siehe u. a. Korte/Dittrich, JA 2017, 332 (336).

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naturwissenschaftlicher Exaktheit bestimmt werden.85 Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts wird hier durch schwer zu kalkulierende Unwägbarkeiten beeinflusst, die innerhalb oder außerhalb der Person liegen und umso größer werden, je weiter der schädigende Kausalverlauf in der Zukunft liegt.86 Bezogen auf ein Fußballspiel, kann daher durchaus bezweifelt werden, ob die Absicht einer Person, ein Fußballspiel zu besuchen, die Annahme einer konkreten Gefahr trägt, wenn bei dieser Person lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie sich im Rahmen der Veranstaltung störend verhalten könnte. Zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, mit der es zu einem störenden Verhalten des Einzelnen kommt, müssen wohl zumindest Ort, Zeitpunkt und Anlass der Begegnung sowie die an dem Spiel beteiligten Mannschaften feststehen. Erst dann lässt sich eine Prognose zum Gefahrenpotential der Veranstaltung, dem Kreis der an diesem Spiel interessierten Personen und damit auch die potentielle Teilnahme des Einzelnen anstellen.87 Von der Teilnahme des Einzelnen kann jedoch nicht ohne weiteres auf ein bevorstehendes störendes Verhalten geschlossen werden. Für die Gefahrenprognose bedarf es vielmehr weiterer, konkreter Anhaltspunkte, die mit hinreichender Sicherheit ein störendes Verhalten des Einzelnen erwarten lassen.88 Der im Rahmen dieser Prognose erforderliche Wahrscheinlichkeitsmaßstab verringert sich zwar, soweit hochrangige Rechtsgüter bedroht sind, zu deren Schutz ein frühzeitigeres Einschreiten gerechtfertigt sein kann.89 Dieser Relativierung sind jedoch nach unten hin Grenzen gesetzt.90 Je weiter das prognostizierte Ereignis in der Ferne liegt, desto bedeutsamer wird es, die bloße Spekulation von der konkreten Gefahr abzugrenzen. In der Praxis dürfte eine Gefährderansprache erst wenige Tage im Vorfeld einer Veranstaltung in Betracht kommen.91 Zum einen ist die Maßnahme umso wirkungsvoller, je enger sie in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung steht. Zum anderen dürften regelmäßig erst zu diesem Zeitpunkt ausreichende Anhaltspunkte vorliegen, um von einer konkreten Gefahr ausgehen zu können. Darüber 85 Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 11 PAG Rn. 30. 86 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 117; Lingemann, Die Gefahrenprognose als Basis eine polizeilichen Beurteilungsspielraumes?, S. 30. 87 Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1212); sowie: Peters/Rind, LKV 2017, 251 (255), nach denen eine konkrete Gefahr nicht vor Beginn des Kartenvorverkaufs angenommen werden kann. 88 Barczak, JURA 2014, 888 (891 f.); Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1212); Hebeler, NVwZ 2011, 1364 (1366). 89 U. a.: BVerwG, Urteil vom 6.9.1974, I C 17/73 = BVerwGE 47, 31 (40); BVerwG, Urteil vom 17.3.1981 – BVerwG 1 C 74/76 = BVerwGE 62, 36 (49); Denninger, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, D 53; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 119; Kritisch: Leisner, DÖV 2002, 326 ff. 90 BVerwG, Urteil vom 2.9.2009, 1 C 2/09 = NVwZ 2010, 389 m. w. V.; VGH Mannheim, Urteil vom 4.5.2011, 11 S 207/11 = NVwZ 2011, 1210. 91 Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1213); bei größeren Turnieren, mit entsprechend langer Vorlaufzeit ggf. auch innerhalb weniger Wochen vor dem Turnier, siehe: Breucker, NJW 2006, 1233 (1236).

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hinaus steigt mit zunehmendem Abstand zu einer Veranstaltung die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Informationen bekannt werden, die Einfluss auf die Gefahrenprognose nehmen und deren Kenntnisnahme abgewartet werden kann und muss, sofern nicht ausnahmsweise ein sofortiges Handeln veranlasst ist. bb) Der bayerische Sonderweg: die „drohende Gefahr“ Mit der am 19.07.2017 durch den bayerischen Landtag beschlossenen und am 01.08.2017 in Kraft getretenen PAG-Reform,92 wurde die polizeiliche Generalklausel in Bayern um einen neuen Gefahrbegriff erweitert. Art. 11 Abs. 3 BayPAG ermächtigt die Polizei nunmehr zu Maßnahmen bei „drohenden Gefahren“. Kennzeichnend für eine drohende Gefahr soll nach der Gesetzesbegründung die fehlende zeitliche Nähe zum Schadensereignis sein.93 Die Reform soll so zu einer Erweiterung der polizeilichen Befugnisse im zeitlichen Vorfeld einer Gefahr führen.94 Damit beeinflusst die Reform auch die Möglichkeiten, Gefährderansprachen durchführen zu können, da hierfür die tatbestandlichen Voraussetzungen der polizeiliche Generalklausel erfüllt sein müssen. Das künftige Schicksal dieses bayerischen Sonderwegs darf mit Spannung erwartet werden, da er auf teils deutliche Kritik gestoßen ist.95 Es bleibt abzuwarten, ob sich die drohende Gefahr im bayerischen PAG dauerhaft etablieren wird und ob noch weitere Bundesländer dem bayerischen Beispiel folgen werden. Nordrhein-Westfalen hat das ursprüngliche Vorhaben, die drohende Gefahr im Zuge einer Gesetzesreform in sein Polizeigesetz mit aufzunehmen, wieder verworfen.96 Mit dem Begriff der drohenden Gefahr orientiert sich der bayerische Gesetzgeber an einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA Gesetz aus dem Jahr 2016.97 Das Bundesverfassungsgericht hatte sich in diesem Urteil unter anderem mit dem inzwischen außer Kraft getretenen § 20k Abs. 1 S. 2 BKAG98 auseinanderzusetzen, der im Jahr 2009 neu in das BKA Gesetz eingefügt worden war und den 92

Bayerischer Landtag, Drucksache 17/16299. Bayerischer Landtag, Drucksache 17/16299, S. 9 f., mit Verweis auf Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 11 PAG Rn. 54. 94 Bayerischer Landtag, Drucksache 17/16299 vom 4.4.2017, S. 9 f. 95 Eindringlich: Heidebach, Der Gesetzentwurf zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen, Wider rechtsstaatliche Kernsätze des Polizeirechts, abrufbar unter: https://bayrvr. de/2017/03/13/der-gesetzentwurf-zur-effektiveren-ueberwachung-gefaehrlicher-personen-wi der-rechtsstaatliche-kernsaetze-des-polizeirechts/, zuletzt abgerufen am 7.5.2019. 96 Siehe Pressemitteilung des Landtages NRW vom 12.12.2018, abrufbar unter: https:// www.landtag.nrw.de/portal/WWW/GB_II/II.1/Pressemitteilungen-Informationen-Aufmacher/ Pressemitteilungen-Informationen/Pressemitteilungen/2018/12/1212_Polizeigesetz.jsp, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019. 97 BVerfG, Urteil vom 20.4.2016, 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 = BVerfGE 141, 220. 98 § 20k BKAG a. F. entspricht weitgehend dem neu eingeführten § 49 BKAG, verzichtet aber auf den Begriff der drohenden Gefahr. 93

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Begriff der drohenden Gefahr enthielt. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Begriff einer strengen verfassungskonformen Auslegung unterzogen, die der bayerische Gesetzgeber in Art. 11 Abs. 3 BayPAG weitgehend im Sinne einer Legaldefinition übernommen hat. Der Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich betont.99 Zur Annahme einer drohenden Gefahr bedarf es ausweislich des Wortlauts des Art. 11 Abs. 3 BayPAG: – ein individuelles Verhalten einer Person, dass eine konkrete Wahrscheinlichkeit begründet (S. 1 Nr. 1) oder – eine Vorbereitungshandlung, die für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen den Schluss auf ein seiner Art nach konkretisiertes Geschehen zulassen (S. 1 Nr. 2), wonach – in absehbarer Zeit – Angriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkung zu erwarten sind (drohende Gefahr). Liegt eine drohende Gefahr vor, wird die Polizei gemäß Art. 11 Abs. 3 BayPAG dazu ermächtigt, den Sachverhalt aufzuklären und die Entstehung einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut zu verhindern. Ob man Art. 11 Abs. 3 BayPAG und den Begriff der drohenden Gefahr als einen systematischen Bruch mit der polizeirechtlichen Dogmatik verstehen muss, darf bezweifelt werden.100 Die Norm ist allerdings gleich in mehrfacher Hinsicht sprachlich missglückt101 und bedarf einer einschränkenden, verfassungskonformen Auslegung.102 Hierbei kommt den rechtlichen Erwägungen des BVerfG im Rahmen des BKA-Urteils besondere Bedeutung zu, da sich die Norm an dieses Urteil anlehnt.103 (1) Sinn und Zweck der Norm Das Bundesverfassungsgericht hatte sich dahingehend geäußert, dass es dem Gesetzgeber namentlich auf dem Gebiet der Straftatenverhütung möglich ist, Eingriffstatbestände zu schaffen, die von den etablierten Begriffen des Gefahrenab99

Bayerischer Landtag, Drucksache 17/16299 vom 4.4.2017, S. 9. Kritisch: Heidebach, Der Gesetzentwurf zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen, Wider rechtsstaatliche Kernsätze des Polizeirechts, abrufbar unter: https://bayrvr. de/2017/03/13/der-gesetzentwurf-zur-effektiveren-ueberwachung-gefaehrlicher-personen-wi der-rechtsstaatliche-kernsaetze-des-polizeirechts/, zuletzt abgerufen am 7.5.2019. 101 Löffelmann, BayVBl. 2018, 145 (148). 102 Möstl, BayVBl. 2018, 156 (161); Petri, ZD 2018, 453 (455); a. A. hingegen Löffelmann, BayVBl. 2018, 145 (148 f.), der aufgrund erheblicher Bestimmtheitsdefizite keinen Raum für eine verfassungskonforme Auslegung sieht; ebenso: Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1683). 103 Leisner-Egensperger, DÖV 2018, 677 (681); Möstl, BayVBl. 2018, 156 (156 ff.). 100

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wehrrechts abweichen.104 Art. 11 Abs. 3 BayPAG lässt allerdings einen ausdrücklichen Bezug zur Straftatenverhütung vermissen. Stattdessen setzt die Norm zur Annahme einer drohenden Gefahr Angriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkung voraus, die in absehbarer Zeit zu erwarten sind. Der lediglich vage skizzierte Bezug zwischen den in absehbarer Zeit zu erwartenden Angriffen und dem eigentlichen Schutzgut, ein bedeutendes Rechtsgut i. S. d. Art. 11 Abs. 3 S. 2, erschwert das Verständnis vom Sinn und Zweck der Norm zusätzlich.105 Anders als es durch die Inbezugnahme der bedeutenden Rechtsgüter zunächst scheint, erlaubt der Wortlaut die Annahme einer drohenden Gefahr nämlich selbst dann, wenn sich die Angriffe nicht unmittelbar gegen ein derartiges Rechtsgut richten, sondern aufgrund ihrer Intensität oder Auswirkung die Entstehung einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut erwarten lassen. Bemerkenswerterweise geht aber selbst die Gesetzesbegründung davon aus, dass Gewalttaten von erheblicher Intensität oder Auswirkung „regelmäßig durch einen gravierenden Eingriff in bedeutende Rechtsgüter“ gekennzeichnet sind und deshalb ausschließlich „gravierende materielle Gefahrenlagen erfasst werden“.106 Vor diesem Hintergrund dürfte ersichtlich sein, dass die Entstehung einer Gefahr, bei der ein Überschreiten der Schwelle zur Strafbarkeit nicht zu erwarten ist, nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht genügt, um ein polizeiliches Handeln i. S. d. Art. 11 Abs. 3 BayPAG rechtfertigen zu können. Zudem sind zumindest Zweifel angebracht, ob der Gesetzgeber die Erwartung einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut tatsächlich selbst dann als gerechtfertigt erachtet, wenn sich der Angriff noch nicht gegen ein bedeutendes Rechtsgut richtet. In diesen Fällen dürfte es wohl kaum möglich sein, auf eine Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut zu schließen, ohne dabei auf die Ebene des Spekulativen zu geraten. Für weitgehend spekulative Prognosen ist jedoch aufgrund der möglichen Rechtsfolgen des Art. 11 Abs. 3 BayPAG kein Raum.107 Hiervon geht auch der Gesetzgeber aus.108 Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die zu erwartenden Angriffe bereits selbst auf ein bedeutendes Rechtsgut zielen müssen.109 (2) Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit (a) Der Prognosemaßstab der beiden Varianten Eine weitere Abweichung zwischen Art. 11 Abs. 3 BayPAG und dem BKA-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist das umgekehrte Verhältnis der beiden Varianten, 104

BVerfG, Urteil vom 20.4.2016, 1 BvR 966/09, Rn. 112 = NJW 2016, 1781 (1785). So auch Löffelmann, BayVBl. 2018, 145 (148). 106 Bayerischer Landtag, Drucksache 17/16299 vom 4.4.2017, S. 10. 107 Müller, BayVBl. 2018, 109 (113 f.); Holzner, DÖV 2018, 946 (949 f.); Petri, ZD 2018, 453 (455). 108 Bayerischer Landtag, Drucksache 17/16299 vom 4.4.2017, S. 9 f. 109 Waechter, NVwZ 2018, 458 (460). 105

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die zur Annahme einer drohenden Gefahr führen können. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts können die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit eines schädigenden Kausalverlaufs im Einzelfall gelockert sein. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr könne bereits bestehen, sofern bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen und diese Tatsachen den Schluss auf ein seiner Art nach und zeitlich absehbares Geschehen zulassen.110 In Bezug auf terroristische Straftaten stellt das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf den spezifischen Charakter dieser Taten geringere Anforderungen und lässt bereits das individuelle Verhalten einer Person genügen, um eine hinreichend konkretisierte Gefahr anzunehmen, sofern dieses Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass die Person künftig terroristische Straftaten verüben wird. Als Beispiel für ein derartiges Verhalten nennt das Bundesverfassungsgericht die Ausbildung in einem Ausbildungslager für Terroristen.111 Art. 11 Abs. 3 BayPAG benennt die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Varianten in umgekehrter Reihenfolge und verzichtet in S. 1 Nr. 2 auf den Bezug zu terroristischen Straftaten. Zwar mag dieser Verzicht dem Umstand geschuldet sein, dass der Zuständigkeitsbereich der Landespolizei weiter reicht als der des BKA.112 Hierdurch wird allerdings das Verhältnis der beiden Varianten unklarer, da der ursprünglich Grund der durch das Bundesverfassungsgericht vorgenommenen Differenzierung entfällt und es sich auch bei Vorbereitungshandlungen letztlich um persönliches Verhalten handelt.113 Zudem stellt sich die Frage nach dem Prognosemaßstab der beiden Varianten. Es wäre jedenfalls widersinnig, wenn bei einem sonstigen persönlichen Verhalten (S. 1 Nr. 1) ein geringerer Maßstab gelten würde (konkrete Wahrscheinlichkeit), als bei einem qualifizierten persönlichen Verhalten (S. 1, Nr. 2, Schluss auf ein seiner Art nach konkretisiertes Geschehen). Der Begriff der konkreten Wahrscheinlichkeit ist in sprachlicher Hinsicht problematisch, da er keinem graduell bestimmbaren Wahrscheinlichkeitsgrad zugeordnet werden kann.114 Die sprachliche Erweiterung um das Attribut „konkret“ wäre indes sinnlos, wenn jegliches Maß an Wahrscheinlichkeit genügend sein sollte. Die konkrete Wahrscheinlichkeit ist daher als ein erhöhtes bzw. als ein durch konkrete Anhaltspunkte verdichtetes Maß an Wahrscheinlichkeit zu verstehen.115 Der im Rahmen von S. 1 Nr. 2 anzustellende Schluss muss sich zwar grundsätzlich auf Vorbereitungshandlungen stützen, kann dabei aber auch sonstige Tatsachen mit einbeziehen. Der Wortlaut der Norm lässt zwar auf ein relativ geringes Maß an Wahrscheinlichkeit schließen, da der Schluss lediglich zulässig sein muss.116 Ein 110 111 112 113 114 115 116

BVerfG, Urteil vom 20.4.2016, 1 BvR 966/09, Rn. 112 = NJW 2016, 1781 (1785). BVerfG, Urteil vom 20.4.2016, 1 BvR 966/09, Rn. 112 = NJW 2016, 1781 (1785). Bayerischer Landtag, Drucksache 17/16299 vom 4.4.2017, S. 10. A. A. Leisner-Egensperger, DÖV 2018, 677 (681). Löffelmann, BayVBl. 2018, 145 (148). Löffelmann, BayVBl. 2018, 145 (148). Waechter, NVwZ 2018, 458 (460).

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derart geringer Wahrscheinlichkeitsgrad kann jedoch mit Blick auf die unmittelbar hiermit verbundenen polizeilichen Eingriffsbefugnisse nicht genügen.117 Auch hier ist deshalb eine einschränkende Auslegung der Norm am Maßstab der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil zum BKA-Gesetz vorzunehmen.118 Demnach bedarf es einer nicht bloß zulässigen, sondern aufgrund bestimmter festgestellter Tatsachen im Einzelfall auch tragfähigen Prognose. Eine tragfähige Prognose bedarf zwangsläufigerweise einer zumindest erhöhten Wahrscheinlichkeit. Der Prognosemaßstab der zweiten Variante entspricht damit dem der ersten Variante. Anders als in S. 1 Nr. 1 muss der Prognosegegenstand konturiert bzw. eingegrenzt werden, da der Schluss auf ein seiner Art nach konkretisiertes Geschehen gerichtet ist. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann zwar entnommen werden, dass hiermit eine Konkretisierung gemeint ist, nach der die Art des Geschehens, die zeitliche Dimension und die Beteiligung bestimmter Personen eingegrenzt werden kann.119 In welchem Ausmaß und anhand welcher Maßstäbe eine derartige Konkretisierung zu erfolgen hat, bleibt indes unklar, so dass Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung bestehen.120 Allerdings kann das Erfordernis der Konkretisierung durch einen Rückgriff auf S. 1 Nr. 1 leicht umgangen werden. In der Praxis dürfte S. 1 Nr. 2 daher kaum Bedeutung erlangen, so dass auch keine Rechtsfortbildung zu erwarten ist.121 (b) Die Abgrenzung zur konkreten Gefahr – Bedeutung der Norm Gleichwohl Art. 11 Abs. 3 BayPAG in mehrfacher Hinsicht missglückt ist, ist eine verfassungskonforme Auslegung der Norm möglich.122 Zwar wird mit der drohenden Gefahr ein neuer Gefahrenbegriff eingeführt, der zu einem frühzeitigen Eingreifen in den Kausalverlauf einer noch entstehenden konkreten Gefahr ermächtigt. Zum Schutz bedeutender Rechtsgüter ist es jedoch schon nach der gängigen polizeirechtlichen Dogmatik zulässig, frühzeitig Maßnahmen zur Abwehr konkreter Gefahren zu ergreifen, soweit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit dem Eintritt eines Schadens zu rechnen ist.123 In dieser Hinsicht betritt der bayerische Gesetz117 Holzner, DÖV 2018, 946 (949); ebenso: Möstl, BayVBl. 2018, 153 (161), der im Falle einer lediglich geringen Wahrscheinlichkeit allerdings für eine Lösung auf Rechtsfolgenseite plädiert. 118 BVerfG, Urteil vom 20.4.2016, 1 BvR 966/09, Rn. 112 = NJW 2016, 1781 (1785). 119 BVerfG, Urteil vom 20.4.2016, 1 BvR 966/09, Rn. 112 = NJW 2016, 1781 (1785). 120 Löffelmann, BayVBl. 2018, 145 (148); Leisner-Egensperger, DÖV 2018, 677 (687). 121 Waechter, NVwZ 2018, 458 (460). 122 So auch Möstl, BayVBl. 2018, 156 (161); Holzner, DÖV 2018, 946 (950); Petri, ZD 2018, 453 (455); Müller, BayVBl. 2018, 109 (112); wohl a. A.: Löffelmann, BayVBl. 2018, 145 (148), der v. a. die Unbestimmtheit der Norm als nicht mehr hinnehmbar kritisiert; ebenso: Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1683). 123 BVerwG, Urteil vom 17.3.1981, 1 C 74/76 = BVerwGE 62, 36 (49); BVerwG, Urteil vom 6.9.1974, I C 17/73 = BVerwGE 47, 31 (40); Denninger, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, D 53; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 119.

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geber kein Neuland, sondern knüpft unmittelbar an die polizeirechtliche Dogmatik zur konkreten Gefahr an.124 Art. 11 Abs. 3 BayPAG liefert sogar einen gewissen Beitrag zur Rechtssicherheit, indem er den Kreis derjenigen Rechtsgüter benennt, zu deren Schutz bereits in den Kausalverlauf einer noch entstehenden konkreten Gefahr eingeschritten werden darf.125 Dass in der Norm auch Rechtsgüter aufgezählt werden, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum BKA-Gesetz möglicherweise nicht im Sinn hatte, mag durchaus zutreffen.126 Dessen ungeachtet kann den in Art. 11 Abs. 3 S. 2 BayPAG aufgezählten Rechtsgütern zweifelsohne eine herausgehobene Bedeutung attestiert und ein frühzeitiges Einschreiten im Rahmen der Gefahrenabwehr gerechtfertigt werden.127 Mit der Einführung der drohenden Gefahr geht auch keine unkontrollierbare Ausweitung der polizeilichen Zugriffsbefugnisse ins Gefahrenvorfeld einher, da Art. 11 Abs. 3 BayPAG einen gewissen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Prognose und der Beeinträchtigung des Rechtsguts voraussetzt („absehbare Zeit“). Zudem setzt auch die drohende Gefahr eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines bevorstehenden Schadens voraus.128 Dem steht der insofern irreführende Wortlaut des Art. 11 Abs. 3 BayPAG nicht entgegen. Dieser scheint, in Abgrenzung zur konkreten Gefahr, den Bezugspunkt der anzustellenden Prognose auszuwechseln, indem die Prognose eines Angriffs von erheblicher Intensität oder Auswirkung an die Stelle der Prognose eines Schadens tritt. Um prognostizieren zu können, ob ein Angriff von erheblicher Intensität oder Auswirkung droht, muss jedoch notwendigerweise eine Schadensprognose angestellt werden. Eine Prognose, die sich nur mit der Wahrscheinlichkeit eines Angriffs auseinandersetzt, nicht jedoch mit dem ihm innewohnenden Schadenspotential, wäre auch im Rahmen des Art. 11 Abs. 3 BayPAG unzureichend.129 Damit orientiert sich die Prognose im Rahmen der drohenden Gefahr letztlich ebenfalls an dem zu befürchtenden Schaden und nicht an der im Einzelfall erwarteten Handlung. Problematisch erweist sich die Norm vor allem auf der Rechtsfolgenseite. So verzichtet Art. 11 Abs. 3 BayPAG auf eine Eingrenzung des Adressatenkreises.130 Es bleibt deshalb unklar, ob der Adressat der Maßnahme nach dem gesetzgeberischen Willen mit derjenigen Person identisch sein soll, von der die erwartenden Angriffe ausgehen und deren persönliches Verhalten (S. 1 Nr. 1) oder deren Vorbereitungshandlungen (S. 1 Nr 2) Anlass zur Annahme einer drohenden Gefahr gegeben 124

Vgl. Petri, ZD 2018, 453 (455); Möstl, BayVBl. 2018, 156 (158); Leisner-Egensperger, DÖV 2018, 677 (683), nach der die drohende Gefahr ihren Ausgangspunkt bei der konkreten Gefahr nimmt; Holzner, DÖV 2018, 946 (947 f.), der wegen der Rechtsfolgen des Art. 11 Abs. 3 BayPAG gleichwohl davon spricht, dass der Gesetzgeber „Neuland“ betrete. 125 Leisner-Egensperger, DÖV 2018, 677 (687); Waechter, NVwZ 2018, 458 (459). 126 So u. a. die Kritik von Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1682). 127 Holzner, DÖV 2018, 946 (950). 128 Siehe hierzu die Ausführungen in Teil 3 I. 5. a) bb) (2) (a). 129 A. A. Holzner, DÖV 2018, 946 (947 f.). 130 So auch Leisner-Egensperger, DÖV 2018, 677 (687).

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haben.131 Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil zum BKA-Gesetz gefordert, dass der Kreis derjenigen Personen, von denen ein störendes Verhalten zu erwarten ist, bekannt zu sein hat, so dass „die Überwachungsmaßnahme gezielt gegen sie eingesetzt und weitgehend auf sie beschränkt werden kann“.132 Allerdings eröffnet selbst das Bundesverfassungsgericht durch die Verwendung des Begriffs „weitgehend“ einen gewissen Spielraum, im Einzelfall auch gegen Personen vorgehen zu können, die nicht zum Kreis derjenigen gehören, von denen ein störendes Verhalten zu erwarten ist. Demnach kann auch bei einer drohenden Gefahr im Einzelfall ein Einschreiten gegen einen unbeteiligten Dritten gerechtfertigt sein. Dieser darf als Nichtstörer jedoch nur nachrangig in Anspruch genommen werden.133 Die Einführung der drohenden Gefahr im Rahmen des Art. 11 Abs. 3 BayPAG beseitigt zudem eine tradierte systematische Grenze des Polizeirechts, nach der die Polizei nur bei Vorliegen einer konkreten Gefahr zu aktionellen Maßnahmen befugt ist und unterhalb dieser Schwelle lediglich Maßnahmen zur Gefahrerforschung ergreifen darf.134 Bei einer drohenden Gefahr sollen nun sowohl aufklärende als auch unmittelbar eingreifende Maßnahmen in Betracht kommen. Die Erweiterung des polizeilichen Handlungsrepertoires im Vergleich zum Gefahrenverdacht ist gerechtfertigt, weil das Vorliegen einer Gefahr bei einem Gefahrenverdacht noch mit Unsicherheiten behaftet ist. Die drohende Gefahr ist hingegen eine tatsächliche Gefahrenlage, die ihrem Wesen nach der konkreten Gefahr nahe steht. Anders als bei der konkreten Gefahr, bestehen jedoch noch Defizite hinsichtlich der Vorhersehbarkeit des zu erwartenden und zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung führenden Kausalverlaufs.135 Dieses Defizit führt dazu, dass beim Ergreifen von aktionellen und in den Kausalverlauf eingreifenden Maßnahmen in besonderem Maße auf die Einhaltung der Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geachtet werden muss.136 Wegen des noch ungewissen Kausalverlaufs dürften aufklärende Maßnahmen stets vorrangig zur Anwendung kommen. Maßnahmen, mit denen hingegen unmittelbar in den Kausalverlauf eingegriffen wird, sind als ultima ratio anzusehen.137 Im Ergebnis reichen die polizeilichen Befugnisse bei Vorliegen einer drohenden Gefahr i. S. d. Art. 11 Abs. 3 BayPAG bei entsprechend restriktiver Auslegung nicht weiter als diejenigen, die bei Vorliegen einer konkreten Gefahr bestehen, sofern man

131

Waechter, NVwZ 2018, 458 (460); Löffelmann, BayVBl. 2018, 145 (148). BVerfG, Urteil vom 20.4.2016, 1 BvR 966/09, Rn. 112 = NJW 2016, 1781 (1785). 133 Zur Nachrangigkeit der Inanspruchnahme eines Nichtstörers vgl. u. a. Denninger, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, D 145. 134 Petri, ZD 2018, 453 (454); Löffelmann, BayVBl. 2018, 145 (146); Holzner, DÖV 2018, 946 (948). 135 Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1682); Müller, BayVBl. 2018, 109 (112). 136 Waechter, NVwZ 2018, 458 (461). 137 Möstl, BayVBl. 2018, 156 (162 f.). 132

136

Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

der konkreten Gefahr eine gewisse Flexibilität zubilligt.138 Der Begriff der drohenden Gefahr bringt der polizeirechtlichen Dogmatik dementsprechend keinerlei Mehrwert und ist daher obsolet. Art. 11 Abs. 3 BayPAG stellt aufgrund der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe und den Abweichungen von den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine letztlich missglückte Norm dar, die eher zur Verwirrung beiträgt, als dass sie geeignet erscheint, Impulse zur Rechtsfortbildung zu liefern.139 Im Ergebnis ist somit den Kritikern der bayerischen PAG-Reform zuzustimmen, denn ein Rechtsbegriff, der keinen praktischen Nutzen mit sich bringt, ist gerade in einer derart grundrechtssensiblen Materie wie dem Polizeirecht verzichtbar und sollte deshalb gestrichen werden.140 Hinsichtlich der Durchführung von Gefährderansprachen ergeben sich durch den Begriff der drohenden Gefahr nach der hiesigen Sichtweise folglich keine erweiterten polizeilichen Befugnisse. cc) Verantwortlichkeit des Betroffenen Der Adressat der Gefährderansprache muss Verantwortlicher im polizeirechtlichen Sinne sein. In Betracht kommt ausschließlich eine Verantwortlichkeit als Handlungsstörer. Eine Gefährderansprache setzt schon ihrem Wesen nach voraus, dass sie sich gegen den Handlungsstörer richtet, denn beim Zustandsstörer kann die Anregung, sein Verhalten zu ändern, keinen Beitrag zur Beseitigung der Gefahr leisten. Der Nichtstörer ist schon begrifflich kein Gefährder, sondern allenfalls ein Gefährdeter, da ihm selbst kein sicherheitsrechtlicher Vorwurf zu machen ist.141 Um eine Person als Handlungsstörer ansehen zu können, bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass sich die Person im Rahmen der Veranstaltung störend verhalten wird.142 Für diese Prognose werden in der Praxis unterschiedliche Umstände herangezogen, die einer gesonderten Würdigung im anschließenden Kapitel vorbehalten sind.143

138 Hierzu: Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 109; ders., Terrorismusabwehr durch das Bundeskriminalamt, S. 68. 139 Ähnlich: Löffelmann, BayVBl. 2018, 145 (147); Weinrich, NVwZ 2018, 1680 (1683); a. A.: Möstl, BayVBl. 2018, 156 (163); Leisner-Egensperger, DÖV 2018, 677 (687 f.). 140 So auch: Löffelmann, BayVBl. 2018, 145 (147); Die Einführung des Begriffs der drohenden Gefahr reiht sich somit im Ergebnis ein, in die Reihe derjenigen Reformen, die Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 1, 6, zutreffend als Ausprägungen einer Reglungskrise des Rechts der öffentlichen Sicherheit beschreibt. 141 Barczak, JURA 2014, 888 (891 f.); Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1212); Hebeler, NVwZ 2011, 1364 (1366). 142 Hebeler, NVwZ 2011, 1364 ff. (1366); Kießling, DVBl. 2012, 1210 ff. (1212). 143 Insoweit darf auf die Ausführungen in Teil 4 der Arbeit verwiesen werden.

I. Gefährderansprache

137

b) Rechtsfolgen aa) Inhaltliche Grenzen der Gefährderansprache Die polizeiliche Generalklausel ist keine taugliche Ermächtigungsgrundlage, um dauerhaft erhebliche Eingriffe in sämtliche Grundrechte rechtfertigen zu können.144 Dies hat Auswirkungen auf den Inhalt der Gefährderansprache. Eine Gefährderansprache, die so ausgestaltet ist, dass sich die Person aufgrund der in Aussicht gestellten Nachteile faktisch dazu gezwungen fühlt, innerhalb ihrer Wohnung zu verbleiben, beispielweise weil ihr unmittelbar die Ingewahrsamnahme bei Verlassen des Hauses angedroht wird, stellt einen Eingriff in die Freiheit der Person gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG dar.145 Die Generalklausel erweist sich insoweit als untaugliche Ermächtigungsgrundlage, da sie den Anforderungen des Art. 104 Abs. 2 GG nicht entspricht.146 Die polizeiliche Generalklausel ist darüber hinaus auch keine taugliche Schranke für Eingriffe in das Freizügigkeitsrecht.147 Eingriffe in Art. 11 Abs. 1 GG dürfen ausschließlich zu den in Art. 11 Abs. 2 GG erwähnten Zwecken, insbesondere zur Verhinderung von Straftaten, erfolgen. Die Generalklausel ermächtigt indes zu Eingriffen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die Gefährderansprache muss inhaltlich daher so ausgestaltet sein, dass der Betroffene nicht bei jeglichem Aufsuchen anderer Orte, insbesondere dem Spielort, polizeiliche Maßnahmen zu fürchten hat, da dies einen mittelbar faktischen Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG zur Folge hätte. Die Maßnahme muss dem Betroffenen vielmehr Handlungsmöglichkeiten eröffnen, die ihm das Aufsuchen des Spielorts ermöglichen, ohne dass er mit unmittelbaren Konsequenzen zu rechnen hat. Dies kann dadurch erreicht werden, dass sich die Androhung weiterer Maßnahmen auf bestimmte neuralgische Örtlichkeiten, wie beispielsweise das Stadion und dessen Umfeld, beschränkt. bb) Ermessen und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme Bei der Durchführung von Gefährderansprachen muss die Polizei das ihr eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausüben und darauf achten, dass die Gefährderansprache ihrem Inhalt und äußeren Umständen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht wird.

144 BVerfG, Beschluss vom 8.11.2012, 1 BvR 22/12 = BVerfGK 20, 128; Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 11 PAG Rn. 3. 145 DiFabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 37. 146 Herzmann, DÖV 2006, 678 (680 f.). 147 Butzer, VerwArch 2002, 506 (521).

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

(1) Geeignetheit und Erforderlichkeit von Gefährderansprachen Wenngleich die Gefährderansprache eine Maßnahme von nur geringer Intensität ist, ist ihre grundsätzliche Geeignetheit weitgehend anerkannt.148 Durch die Furcht des Betroffenen vor polizeilichen Maßnahmen und den damit zu erwartenden Nachteilen kann der Handlungsspielraum des Betroffenen faktisch derart eingeengt werden, dass sich dieser für die für ihn günstigere Handlungsalternative entscheidet und den polizeilichen Empfehlungen Folge leistet.149 Wegen ihrer geringen Intensität ist die Gefährderansprache regelmäßig auch erforderlich, da mildere und gleichermaßen geeignete Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen.150 Im Vergleich zu den übrigen zur Verfügung stehenden Fernhaltemaßnahmen stellt die Gefährderansprache die mildeste Maßnahme dar.151 Bei Personen, die zum ersten Mal Adressat einer Gefährderansprache sind, kann es dennoch angezeigt sein, vor Durchführung der Gefährderansprache ein informatorisches Gespräch durchzuführen, da sich diese Person möglicherweise schon frühzeitig von ihrer Bereitschaft, störende Handlungen vorzunehmen, abbringen lassen. Die in der Praxis verbreitete Kombination von Befragung, informatorischem Gespräch und einer gegebenenfalls im Anschluss erfolgenden Gefährderansprache erweist sich daher als vorzugswürdig.152 (2) Angemessenheit Die Gefährderansprache muss schließlich auch inhaltlich und hinsichtlich ihrer Umstände in angemessener Art und Weise durchgeführt werden. Gerade in Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung einer Gefährderansprache besteht ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum. Ihre inhaltliche Ausgestaltung richtet sich danach, inwieweit die Behörden darauf vertrauen können, dass sich der Betroffene in Ansehung der Gefährderansprache beim Besuch des Fußballspiels rechtstreu verhalten wird. Dementsprechend kann sich eine Gefährderansprache gegebenenfalls auch auf eine eindringliche Ermahnung zur Rechtstreue beschränken, ohne dass dem Adressaten konkret drohende Folgemaßnahmen in Aussicht gestellt werden. Die Gefährderansprache muss sich sowohl hinsichtlich ihres Inhalts als auch hinsichtlich ihrer Umstände in die Zwecke des Polizeigesetzes einfügen. Sie darf nicht dazu dienen, den Betroffenen über Gebühr einzuschüchtern.153 Zulässig ist 148

Empirisch: Tomschütz, Gefährderansprachen, S. 177 ff. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 652; Steinfroth, Die Gefährderansprache, S. 200 f.; differenziert: Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 216; Zweifel hingegen: Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1216). 150 Ein Gefährderanschreiben ist mangels persönlicher Konfrontation mit der Polizei weniger wirkungsvoll. Zudem ist auch die Kenntnisnahme ungewiss. So auch: Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 216 f. 151 Gädeke, Sportveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 123. 152 Hebeler, NVwZ 2011, 1364 (1366); Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 654. 153 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 218. 149

I. Gefährderansprache

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es jedoch, dem Betroffenen vor Augen zu führen, dass die Polizei über seine Absichten und Identität informiert ist, und ein weiteres Verfolgen seiner Pläne daher aussichtslos ist.154 Unzulässig ist hingegen eine Gefährderansprache die vornehmlich dazu dient, den Betroffenen in der Öffentlichkeit oder vor Dritten bloß zu stellen.155 Dies gilt auch dann, wenn die Polizei durch eine anprangernde Wirkung der Maßnahme beabsichtigt, den Betroffenen unter eine gesteigerte Sozialkontrolle durch sein Umfeld zu stellen.156 Zwar mag es für die Gefahrenabwehr durchaus von Vorteil sein, wenn die Umstände der Gefahrenansprache zu einer entsprechenden Sozialkontrolle führen, die Polizei darf an dieses Mittel allerdings allenfalls im Rahmen ihrer allgemeinen Aufgabenerfüllung erinnern.157 Eine Sozialkontrolle durch Anprangerung findet in den Zwecken des Polizeirechts keinen Rückhalt.158 Eine rufschädigende und stigmatisierende Wirkung zu Lasten des Betroffenen sollte deshalb vermieden werden.159 Daher sollten Gefährderansprachen bevorzugt im Rahmen eines persönlichen Gesprächs, bei dem nur der Betroffene anwesend ist, durchgeführt werden.160 Können diese Umstände nicht gewährleistet werden, kann gegebenenfalls ein Gefährderanschreiben vorzugswürdig sein.161 Die bloße Präsenz der Polizei an der Wohnung oder am Arbeitsplatz des Einzelnen ist indes nicht geeignet, eine stigmatisierende Wirkung zu Lasten des Adressaten der Gefährderansprache auszulösen, da es zahlreiche Gründe für eine Kontaktaufnahme durch die Polizei gibt.162 Wird eine Person allerdings regelmäßig zum Zwecke einer Gefähr-

154

Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 100 f. Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 102. 156 Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (Hrsg.), Wandel der Fankultur, S. 93; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 201. 157 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 132. 158 Steinforth, Die Gefährderansprache, S. 211; Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 233; irritierend daher die Ausführungen in: Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (Hrsg.), Wandel der Fankultur, S. 93, nach denen das Auslösen einer Sozialkontrolle durch die anprangernde Wirkung der Maßnahme sogar als Idealfall bezeichnet wird. 159 Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 233; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 217 f.; Waechter, VerwArch 2001, 368 (376 ff.) nimmt in diesem Fall zudem einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung an. 160 Siehe auch: Nolte, in: Höfling/Horst (Hrsg.), Sport und Gewalt, S. 44; Steinforth, Die Gefährderansprache, S: 212. 161 Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 233; Steinforth, Die Gefährderansprache, S. 128. 162 Z. B. Befragung eines Zeugen; a. A. Arzt, Die Polizei 2006, 156 (157), der davon ausgeht, dass bei einem Aufsuchen durch die Polizei stets der Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts tangiert wird. 155

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

deransprache aufgesucht, sollten die handelnden Beamten gleichwohl in Zivil erscheinen, um einen Anprangerungseffekt zu vermeiden.163

6. Zwischenfazit Bei der Gefährderansprache handelt es sich um einen Realakt, der auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden kann. Zuständig sind sowohl die Polizei- als auch die Ordnungsbehörden. In der Praxis dürfte jedoch häufig die Polizei handeln. Voraussetzung für eine Gefährderansprache ist eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Es bedarf somit eines Sachverhalts, der die Annahme eines hinreichend wahrscheinlichen Schadenseintritts durch ein schädigendes Verhalten des Betroffenen im Zusammenhang mit einem anstehenden Fußballspiel trägt. Mit zunehmendem Abstand zum schädigenden Ereignis steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass sich weitere für die Prognose relevante Umstände ergeben, deren Kenntnisnahme abgewartet werden kann und muss. Die Durchführung einer Gefährderansprache kommt daher nur wenige Tage vor einem Fußballspiel in Betracht. Inhaltlich darf sie nicht über das aufgrund der Generalklausel zulässige Maß hinausgehen. Sie darf insbesondere nicht in die Freizügigkeit und die Freiheit der Person eingreifen und nicht dazu dienen, den Betroffenen über das im Einzelfall notwendige Maß einzuschüchtern oder ihn öffentlich anzuprangern.

II. Aufenthaltsverbot 1. Beschreibung Das Aufenthaltsverbot zielt unmittelbar darauf ab, einer Person den Aufenthalt an einer bestimmten Örtlichkeit zu untersagen. Nach der ursprünglichen Konzeption der Polizeigesetze waren für diesen Zweck vornehmlich zwei Standardmaßnahmen vorgesehen, der Platzverweis und das Betretungsverbot. Der Adressat eines Platzverweises ist verpflichtet, die Örtlichkeit, an der er sich befindet, zu verlassen. Bei einem Betretungsverbot wird ihm das Betreten einer bestimmten Örtlichkeit untersagt. Beide Maßnahmen ergänzen sich und werden aus Gründen der Effektivität gelegentlich gleichzeitig verhängt.164

163

Dieses Vorgehen entspricht der gängigen und verfassungsrechtlich gebotenen Praxis bei der Dauerobservation. Vgl. u. a.: OVG Saarlouis, Urteil vom 6.9.2013, 3 A 13/13 = BeckRS 2013, 56891. 164 Heckmann, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 3 Rn. 347 ff.; Dietlein, in: ders./Hellermann (Hrsg.), Öffentliches Recht in NordrheinWestfalen, § 3 Rn. 157.

II. Aufenthaltsverbot

141

Bei der Bekämpfung sogenannter offener Drogenszenen wurden die Grenzen dieser Maßnahmen offenkundig.165 Beiden Maßnahmen ist gemein, dass sie räumlich166 und zeitlich167 einen engen Anwendungsbereich haben. Sie sind daher weitgehend ungeeignet, wenn an bestimmten Örtlichkeiten über einen längeren Zeitraum Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehen oder dauerhaft mit störenden Verhaltensweisen, insbesondere mit der Begehung von Straftaten, zu rechnen ist. Ferner bieten sie keine Handhabe, um Personen weiträumig von einer Örtlichkeit fernzuhalten. Die Bekämpfung offener Drogenszenen war mit diesen Maßnahmen daher nicht oder nur durch überproportional starken behördlichen Einsatz möglich.168 Drogenhändler und Konsumenten sollten langfristig daran gehindert werden, diejenigen Orte zu betreten, an denen nach den Erfahrungen der Behörden regelmäßig Drogen verkauft und konsumiert werden. Es bestand somit das praktische Bedürfnis, Personen für einen längeren Zeitraum und von größeren Bereichen fernzuhalten.169 Aus diesem Bedürfnis entwickelte sich schließlich eine neuartige polizeiliche Maßnahme, um den praktischen Anforderungen gerecht werden zu können, das Aufenthaltsverbot.170 Das Aufenthaltsverbot hat sich inzwischen fest in der behördlichen Praxis etabliert und findet seit mehreren Jahren auch im Rahmen von Fußballspielen Anwendung.171

2. Grundrechtliche Dimension Aufenthaltsverbote greifen jedenfalls in die allgemeine Handlungsfreiheit ein. Entgegen anders lautender Meinungen, gehen mit ihnen indes nicht zwangsläufig

165 Siehe u. a.: Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 173; Finger, Die offenen Szenen der Städte, S. 114; problematisch insbesondere sog. „Kettenverfügungen“, vgl. Kappeler, Öffentliche Sicherheit durch Ordnung, S. 155. 166 Gemeinhin wird auf die Maßnahme räumlich auf eine „überschaubare Örtlichkeit“ begrenzt. Vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 132; ihm folgend u. a.: Barczak, JURA 2014, 888 (895); Bösch, JURA 2009, 650 (650). 167 In zeitlicher Hinsicht werden unterschiedliche Grenzen genannt. Überwiegende Zustimmung erhält wohl Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 132, der ein Höchstmaß von 24 Stunden annimmt. a. A. aber bspw. Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 277, der die Grenze bei 4 Tagen zieht oder: Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 16 PAG Rn. 22, der als oberste Grenze den zur Abwehr der Gefahr benötigten Zeitraum ansieht. 168 Cremer, NVwZ 2001, 1218 (1218); Brenneisen, Kriminalistik 1999, 483 (484). 169 Bis hin zum Fernhalten einzelner Personen aus dem gesamten Stadtgebiet, vgl. u. a. Bösch, JURA 2009, 650 (651). 170 Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 400; Hecker, NVwZ 2016, 1301 (1302); Mickler, VR 2003, 89 ff.; Cremer, NVwZ 2001, 1218 (1218). 171 Siehe u. a.: Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 164; Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 133.

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

Beschränkungen der Freizügigkeit im Sinne des Art. 11 Abs. 1 GG einher.172 Das Freizügigkeitsrecht wird nur in denjenigen Fällen beschränkt, in denen sich das Aufenthaltsverbot auf das gesamte oder zumindest auf weite Teile des Gemeindegebiets erstreckt. Soweit sich ein Aufenthaltsverbot nur auf kleinere Bereiche, wie beispielsweise das Stadion und seine unmittelbare Umgebung erstreckt, bleibt das Freizügigkeitsrecht unangetastet, da ein Aufenthalt in den übrigen Teilen der Gemeinde möglich bleibt und das Recht zum Aufenthalt an einer bestimmten Örtlichkeit durch Art. 11 GG nicht geschützt wird.173 Ebenso scheidet ein Eingriff in die Freiheit der Person gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG aus, da auch dieses Recht keinen Anspruch darauf vermittelt, einen bestimmten Ort aufzusuchen zu können.174 Eingriffe in Art. 8 Abs. 1 GG sind im Einzelfall möglich.175

3. Ermächtigungsgrundlage a) Standardermächtigung Ein Rückgriff auf die Ermächtigungen über den Erlass von Platzverweisen und Betretungsverboten scheidet aufgrund der bereits beschriebenen charakterlichen Unterschiede zum Aufenthaltsverbot aus. Durch ein Aufenthaltsverbot wird zudem wesentlich intensiver in die Rechte des Betroffenen eingegriffen, als bei einem Platzverweis oder Betretungsverbot.176 In Ermangelung einer besonderen Ermächtigung über den Erlass von Aufenthaltsverboten behalf sich die Praxis zunächst damit, ihren Erlass auf die polizeiliche oder ordnungsbehördliche Generalklausel zu stützen. Dieses Vorgehen war stets umstritten.177 Dieser Streit ist inzwischen,

172 Entschieden anderer Auffassung hingegen u. a.: Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 50; Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 132; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 281; Barczak, JURA 2014, 888 (895); Siegel, NJW 2013, 1035 (1037); Bösch, JURA 2009, 650 (654); Mickler, VR 2003, 89 (90); Kutscha, LKV 2000, 134 (136); Hecker, NVwZ 1999, 261 (262); Zweifelnd hingegen: Götz, NVwZ 1998, 679 (683); differenzierter: Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 201 ff. 173 Siehe hierzu die Ausführungen in Teil 2 III. 174 Vgl. Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 96 f.; Mickler, VR 2003, 89 (90); Bösch, JURA 2009, 650 (654); nach a. A. handelt es sich jedenfalls um eine Freiheitsbeschränkung, so: Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 104 Rn. 12; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 276 f.; Brenneisen, Kriminalistik 1999, 483 (484). 175 Siehe hierzu Teil 2 I. 176 Vgl. Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 286 mit Verweis auf das Gesetzgebungsverfahren. 177 Exemplarisch: VGH München, Beschluss vom 18.2.1999, 24 Cs 98/3198 = NVwZ 2000, 454; VGH Kassel, Beschluss vom 28.1.2003, Az. 11 TG 2548/02 = NVwZ 2003, 1400; Siegel, NJW 2013, 1035 (1037); Cremer, NVwZ 2001, 1218 (1220); Hecker, NVwZ 1999, 261 (261 f.); Mickler, VR 2003, 89 (91 f.).

II. Aufenthaltsverbot

143

nachdem sämtliche Bundesländer entsprechende Standardermächtigungen geschaffen haben, erledigt.178 b) Generalklausel Seit der Existenz der Standardermächtigungen ist insbesondere die Frage nach dem Rückgriff auf die Generalklausel weitgehend irrelevant geworden. Ein Rückgriff auf die Generalklausel wurde zuletzt nur noch in zwei Konstellationen thematisiert. Zum einen, wenn eine nach der Standardermächtigung unzuständige Behörde ein Aufenthaltsverbot erlässt.179 Zum anderen, wenn die Behörde ein Aufenthaltsverbot erlassen will, um ein in der Standardermächtigung nicht genanntes Rechtsgut zu schützen.180 In beiden Fällen scheidet ein Rückgriff auf die Generalklausel jedoch aus. Auch wenn es in praktischer Hinsicht wünschenswert sein mag, sich von den formellen und materiellen Voraussetzungen einer Standardermächtigung zu lösen, darf der gesetzgeberische Wille nicht über den Umweg der Generalklausel konterkariert werden.181

4. Formelle Rechtmäßigkeit a) Zuständigkeit Aufenthaltsverbote werden typischerweise frühzeitig ausgesprochen, so dass eine polizeiliche Eilzuständigkeit nur ausnahmsweise begründet sein dürfte. Die Maßnahme ist daher dem Grunde nach dem ordnungsbehördlichen Handeln zuzuordnen.182 Einzelne Länder haben jedoch ausschließlich der Polizei (dem Polizeivollzugsdienst) die Befugnis zum Erlass von Aufenthaltsverboten erteilt.183 In diesen Ländern kommt ein Handeln der Ordnungsbehörden mittels Aufenthaltsverboten nicht in Betracht.184 In den übrigen Ländern sind sowohl die Ordnungs-, als auch die 178

Der lange Zeit untätig gebliebene bayerische Gesetzgeber hat im Jahr 2017 in Gestalt von Art. 16 Abs. 2 Nr. 2 a) PAG eine eigene Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Aufenthaltsverboten geschaffen. 179 VG Darmstadt, Beschluss vom 28.4.2016, 3 L 642/16.DA = NVwZ 2016, 1344; hierzu: Böhm/Mayer, DÖV 2017, 325 (328). 180 VG Darmstadt, Beschluss vom 28.4.2016, 3 L 642/16.DA = NVwZ 2016, 1344; hierzu: Hecker, NVwZ 2016, 1301 (1302). 181 VG Darmstadt, Beschluss vom 28.4.2016, 3 L 642/16.DA = NVwZ 2016, 1344; hierzu: Hecker, NVwZ 2016, 1301 (1302). 182 Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 181; Finger, Die offenen Szenen der Städte, S. 122 f.; Cremer, NVwZ 2001, 1218 (1219); ebenso noch: Tegtmeyer/Vahle, Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen, 11. Aufl. 2014, § 34 Rn. 12, jedoch nicht mehr in der Folgeauflage. 183 Berlin, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, Bayern. 184 Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 182 f.

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

Polizeibehörden zum Erlass von Aufenthaltsverboten befugt. In einigen Ländern wird die Polizei allerdings auf eine Eilkompetenz beschränkt.185 Eine parallele Zuständigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden besteht in denjenigen Ländern, in denen die Polizei bei der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten nicht auf eine Eilkompetenz beschränkt wird, und das Aufenthaltsverbot ausdrücklich als Maßnahme zur Verhütung von Straftaten ausgestaltet ist.186 Eine ausdrücklich vorgesehene parallele Zuständigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden besteht nur in Sachsen.187 b) Verfahren Der Erlass von Aufenthaltsverboten erfordert grundsätzlich nicht die Durchführung eines besonderen Verwaltungsverfahrens. Dies gilt allerdings nicht in Schleswig-Holstein. Nach § 201 LVwG S-H bedarf jede Verlängerung eines Aufenthaltsverbotes über die Dauer von 14 Tagen hinaus einer richterlichen Entscheidung. Diese Regelung stellt im Vergleich zu den Regelungen der anderen Länder einen echten Sonderfall dar, die die Rechte der Betroffenen weitaus stärker schützt. Ein derart starker Schutz – mag er aus politischen Gründen gewollt und aus Sicht der Betroffenen vorteilhaft sein – ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht erforderlich. Eine richterliche Entscheidung wäre in verfassungsrechtlicher Hinsicht lediglich bei Maßnahmen der Freiheitsentziehung gemäß Art. 104 Abs. 2 GG zwingend. Ein Aufenthaltsverbot kann jedoch, abweichend von der hier vertretenen Ansicht,188 allenfalls als eine Freiheitsbeschränkung im Sinne des Art. 104 Abs. 1 GG qualifiziert werden.189 Für Freiheitsbeschränkungen sieht das Grundgesetz jedoch keinen Richtervorbehalt vor. In diesem Fall wäre lediglich die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen verfassungsrechtlich zwingend. c) Form Lediglich in Brandenburg ist für Aufenthaltsverbote ausdrücklich die Schriftform vorgesehen.190 In den übrigen Ländern besteht bei ihrem Erlass grundsätzlich 185 Eindeutig in Baden-Württemberg, da das Aufenthaltsverbot nicht zu den in § 60 Abs. 3 PolG BW aufgezählten Maßnahmen gehört. Mangels abweichender Regelung aber auch Bayern, Hamburg, Saarland und Schleswig-Holstein. 186 Brandenburg (§ 1 Abs. 1 S. 2, § 2 S. 1 BbgPolG), Bremen (§ 1 Abs. 1 S. 3, § 64 Abs. 1 S. 3 BremPolG), Hessen (§ 1 Abs. 4 HSOG), Mecklenburg-Vorpommern (§ 7 Abs. 4 SOG M-V), Niedersachsen (§ 1 Abs. 2 S. 1 Nds.SOG), Sachsen-Anhalt (§ 2 Abs. 1, 2 SOG LSA), Thüringen (§ 2 Abs. 1 S. 2, § 3 TH PAG). 187 § 60 Abs. 2, 3 SächsPolG. 188 Hierzu bereits oben, Teil 2 IV. 189 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 276 f.; Brenneisen, Kriminalistik 1999, 483 (484). 190 § 16 Abs. 2 S. 2 BbgPolG.

II. Aufenthaltsverbot

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Formfreiheit.191 Aus Gründen der Rechtssicherheit dürfte aber mit Blick auf die vergleichsweise komplexe Regelungswirkung auch in diesen Ländern die Schriftform vorzugwürdig sein.192 Der Erlass eines Aufenthaltsverbots in Gestalt einer Allgemeinverfügung begegnet besonderen Bedenken. Aufgrund der relativ engen Tatbestandsvoraussetzungen eines Aufenthaltsverbots dürfte ihr Erlass in Gestalt einer Allgemeinverfügung faktisch ausscheiden, da es nahezu ausgeschlossen ist, dass diese Voraussetzungen bei jedem Adressaten der Allgemeinverfügung erfüllt sind.193

5. Materielle Rechtmäßigkeit a) Tatbestandliche Voraussetzungen Die einzelnen Standardermächtigungen zum Erlass von Aufenthaltsverboten weisen zwar Parallelen auf, weichen in einigen Details jedoch entscheidend voneinander ab. Auffällig ist die überwiegende Abkehr vom polizeilichen Gefahrbegriff auf Tatbestandsebene. An Stelle des Gefahrbegriffs tritt überwiegend eine aufgrund von Tatsachen gerechtfertigte Annahme, dass eine Person Straftaten innerhalb eines bestimmten Gebietes oder an einer bestimmten Örtlichkeit begehen wird. Einige Länder erweitern die Handlungsmöglichkeiten der Behörden zusätzlich, indem sie bereits die Annahme, dass eine Person zur Begehung einer Straftat beitragen wird, genügen lassen.194 Auf den ersten Blick mag dieser Erweiterung keine eigenständige Bedeutung zukommen, da Maßnahmen gegen einen strafbar handelnden Teilnehmer auch in den übrigen Ländern möglich sind. Die Erweiterung um den Begriff des „Beitragens“ zur Straftat ermöglicht jedoch selbst dann den Erlass eines Aufenthaltsverbotes, wenn der Beitrag des Einzelnen eine Teilnahmehandlung ist, die nicht unter Strafe gestellt ist.195 Der zu einer Straftat Beitragende muss indes gleichwohl einen eigenen Beitrag im Sinne eines Verhaltensstörers leisten.196

191 Gemäß den jeweiligen, § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG entsprechenden, landesrechtlichen Verfahrensvorschriften. 192 Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 37 Rn. 18a; Insbesondere dürfte die notwendige Bezeichnung des Ausdehnungsbereiches ggf. die Beigabe einer Skizze erforderlich machen. Siehe: Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 300 f.; Breucker, SpuRt 2005, 133 (135). 193 Finger, Die offenen Szenen der Städte, S. 118 f.; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 313 ff.; Böhm/Mayer, DÖV 2017, 325 (329 f.); Hecker, NVwZ 2016, 1301 (1302); VG Ansbach, Beschluss vom 22.11.2012, AN 5 S 12.02114 (juris); Es verbieten sich jedenfalls Pauschalurteile: VGH Mannheim, Beschluss vom 4.10.2002, Az. 1 S 1963/02. 194 Baden-Württemberg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen. 195 OVG Münster, Beschluss vom 6.9.2000, 5 B 1201/00 = NVwZ 2001, 459; Dietlein, in: ders./Hellermann (Hrsg.), Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 166. 196 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 304 ff.

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

Nach umstrittener Auffassung soll es sich bei der Annahme einer bevorstehenden Straftat bzw. des Beitragens an einer solchen dogmatisch gesehen um einen Verdacht handeln.197 Dieser Verdacht muss sich aber auf Tatsachen stützen, die den Schluss auf einen hinreichend konkreten Kausalverlauf zulassen, um einen unmittelbar freiheitsverkürzenden Eingriff in Gestalt eines Aufenthaltsverbots rechtfertigen zu können. Dies schließt ein Einschreiten aufgrund bloßer Vermutungen, allgemeiner Erfahrungssätze oder ungewisser Verdachtsmomente aus.198 Eine gewisse Unsicherheit bei der Prognose ist ohnehin unschädlich, da jede Prognose mit dem Risiko ihrer Nichterfüllung behaftet ist.199 Erforderlich ist allerdings, dass sich aus den zugrundeliegenden Tatsachen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Begehung einer Straftat (bzw. des Beitragens) durch den Betroffenen schließen lässt.200 Insoweit besteht letztlich doch eine gewisse strukturelle Nähe zum Begriff der konkreten Gefahr.201 Eine Besonderheit des Aufenthaltsverbots ist die in fast sämtlichen Ländern vorgesehene Beschränkung der Maßnahme auf die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten. Damit wird offensichtlich auf den qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG Bezug genommen, nach dem das Freizügigkeitsrecht nur zur Vorbeugung strafbarer Handlungen und nicht aus sonstigen Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung eingeschränkt werden darf.202 Der Kriminalvorbehalt gestattet auch Maßnahmen gegen den Teilnehmer einer Straftat. Die tatbestandliche Erweiterung auf Personen, die lediglich zu einer Straftat beitragen, ist jedoch – soweit die Maßnahme in das Freizügigkeitsrecht eingreift – verfassungsrechtlich unzulässig.203 Auch erweist sich die Beschränkung des Aufenthaltsverbots auf die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten als verfassungsrechtlich nicht geboten, da mit seinem Erlass nicht in jedem Fall ein Eingriff in Art. 11 GG verbunden ist. Aufenthaltsverbote, die sich räumlich nur auf einen kleinen Bereich oder nur eine bestimmte Örtlichkeit erstrecken, greifen nicht in das Freizügigkeitsrecht des Betroffenen aus Art. 11 GG ein, da das Recht, sich an jede 197 VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 20.10.2004, 17 L 2319/04 (juris); VG Halle, Beschluss vom 9.6.2006, 3 B 146/06 (juris); ablehnend: Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 187 m. w. V. 198 Neuner, Zulässigkeit und Grenzen polizeilicher Verweisungsmaßnahmen, S. 125; Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 187. 199 Pils, DÖV 2008, 941 (943, 945). 200 Vgl. BVerfG, Urteil vom 2.3.2010, 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 = BeckRS 2010, 46771. 201 Siehe: Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 402, der insoweit von einem qualifizierten Gefahrtatbestand spricht; ähnlich: Wehr, BPolG, § 14 Rn. 26; a. A. Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 190 f., der den entscheidenden Unterschied zum Begriff der konkreten Gefahr in der fehlenden zeitlichen Nähe eines prognostizierten Schadens sieht. 202 Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 434. 203 Ein bloßes „Beitragen“ zu einer Straftat genügt nicht, da der in Art. 11 Abs. 2 GG verankerte Kriminalvorbehalt nur Maßnahmen gegen den Täter oder Teilnehmer einer Straftat zulässt. Vgl. Durner, in Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 152.

II. Aufenthaltsverbot

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beliebige Örtlichkeit auch innerhalb einer Ortschaft (interlokale Freizügigkeit) zu begeben, nicht durch Art. 11 GG geschützt wird.204 Diese „punktuellen“ Aufenthaltsverbote sind daher nicht an die strengen Schranken des Art. 11 Abs. 2 GG gebunden. Sie unterscheiden sich von Platzverweisen und Betretungsverboten einzig darin, dass letztere dazu dienen, eine Person lediglich vorübergehend von einer Örtlichkeit fernzuhalten, während sich Aufenthaltsverbote über einen längeren Zeitraum erstrecken. Soll eine Person über einen längeren Zeitraum ferngehalten werden, bedarf dies wegen des schwereren Eingriffs zweifelsohne einer gesteigerten Rechtfertigungsprüfung. Die Dauer der Maßnahme führt jedoch nicht zur Annahme eines Eingriffs in Art. 11 GG.205 Der Schutzbereich des Art. 11 GG wird erst berührt, wenn sich das Aufenthaltsverbot auf das gesamte Gemeindegebiet oder auf weite Teile von diesem erstreckt. Nur in diesen Fällen ist der qualifizierte Gesetzesvorbehalt in Art. 11 Abs. 2 GG zu berücksichtigen. Wegen der grundsätzlich engen Auslegung des Kriminalvorbehalts ist zudem eine besonders strenge Wahrscheinlichkeitsprüfung vorzunehmen.206 Da ein Aufenthaltsverbot nicht notwendigerweise mit einem Eingriff in Art. 11 GG einhergeht, bestehen keine grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken, Aufenthaltsverbote zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu erlassen, sofern die Ermächtigungsgrundlage einem drohenden Eingriff in Art. 11 GG die erforderlichen Grenzen setzt.207 Eine derartige Ermächtigung besteht jedoch einzig in Thüringen.208 Allerdings weist auch die Thüringer Regelung eine entscheidende verfassungsrechtliche Schwäche auf, weil sie ausdrücklich auch zu einem Aufenthaltsverbot bezogen auf das gesamte Gemeindegebiet ermächtigt. Sie setzt somit gerade nicht die erforderlichen Grenzen, um einen Eingriff in Art. 11 GG zu verhindern. Weitgehend eigenständige Regelungen haben auch die Gesetzgeber in SchleswigHolstein und Bayern geschaffen. Im Gegensatz zu den übrigen Regelungen verlangt § 201 LVwG S-H ausdrücklich eine zeitliche Nähe vom Zeitpunkt der Entscheidung zu der erwarteten Straftat. Zudem darf ein Aufenthaltsverbot nur zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten ausgesprochen werden, bei denen Schäden für Leib, Leben oder Freiheit oder ein gleichgewichtiger Schaden für sonstige Sach- und Vermögenswerte oder für die Umwelt erwartet werden. Der bayerische Gesetzgeber ist dem Gefahrbegriff im Rahmen des Art. 16 Abs. 3 PAG zwar grundsätzlich treu geblieben, hat diesen jedoch um den neu eingeführten Begriff der drohenden Gefahr 204 Im Ergebnis zutreffend: BVerfG, Beschluss vom 25.3.2008, 1 BvR 1548/02 (juris), allerdings mit bedenklicher Argumentation, da ein Schutz durch Art. 11 GG wegen des Zwecks des Aufenthalts abgelehnt wird. Vgl. Teil 2 III. 2. c) cc). 205 So allerdings: Mickler, VR 2003, 89 (90). 206 Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 433 a. E. m. w. V. 207 A. A. Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 403. 208 § 17 Abs. 2 OBG TH.

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

erweitert. Entgegen der gesetzgeberischen Intention führt dieser jedoch nicht zu einer Erweiterung der polizeilichen Befugnisse.209 b) Rechtsfolgen aa) Auswahlermessen Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor, steht es im Ermessen der Behörde, ob sie ein Aufenthaltsverbot erlässt oder auf andere Maßnahmen der Gefahrenabwehr zurückgreift. Dabei stellt das Aufenthaltsverbot im Vergleich zu anderen denkbaren Maßnahmen, wie beispielweise der Gefährderansprache, ein relativ schwereres Mittel dar, welches unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nur dann zur Anwendung kommen darf, wenn mildere Maßnahmen nicht gleichermaßen erfolgsversprechend sind. Der Gesetzgeber in Schleswig-Holstein hat sich darüber hinaus zu einer gesetzlich angeordneten Subsidiarität des Aufenthaltsverbots gegenüber allen anderen Maßnahmen der Schadensverhütung entschieden.210 Anstelle eines Aufenthaltsverbotes kommt, neben weiteren präventiv polizeilichen Maßnahmen, insbesondere eine Datenübermittlung an die Vereine oder Verbände mit der einhergehenden Anregung, ein Stadionverbot zu erlassen, in Betracht.211 Ob es sich bei einer Datenübermittlung tatsächlich um ein milderes Mittel handelt, ist aufgrund des anders gelagerten Eingriffs allerdings zweifelhaft. Die Maßnahme ist jedenfalls weniger geeignet, da der (rechtzeitige) Erlass eines Stadionverbots ungewiss ist und auch bei Erlass eines Stadionverbotes ein Fernhalten des Einzelnen mit polizeilichen Mitteln möglicherweise erforderlich sein wird, insbesondere wenn zu erwarten ist, dass er sich dem Stadionverbot widersetzt oder mit störenden Handlungen des Betroffenen abseits des Stadions zu rechnen ist.212 bb) Intensität des Aufenthaltsverbotes Die überwiegende Zahl der Regelungen in den einzelnen Ländern differenziert zwischen zwei Arten des Aufenthaltsverbots, dem strengen und dem allgemeinen Aufenthaltsverbot.213 Die Behörden verfügen in diesen Fällen über die Möglichkeit zwischen dem Verbot des Betretens oder dem Verbot des Aufenthalts zu wählen. Ein 209

Siehe hierzu bereits die Ausführungen in Teil 3 I. 5. a) bb). So setzt § 201 Abs. 2 LVwG S-H voraus, dass die Schadensverhütung auf andere Weise nicht möglich erscheint. 211 Hierzu Kirchhoff, NJW 2017, 294 ff. 212 Vgl. zur parallelen Problematik bei der Meldeauflage: VGH München, Beschluss vom 28.8.2017, 10 ZB 16.68 (juris); anderer Auffassung hingegen Kirchhoff, NJW 2017, 294 (297), der das aufgrund einer Datenübermittlung zu erlassende Stadionverbot für effektiver erachtet und der Datenübermittlung daher den Vorzug einräumt. 213 Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme S. 191 f.; a. A. Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 307, der trotz sprachlicher Differenzierung nur ein einheitliches Aufenthaltsverbot erkennt. 210

II. Aufenthaltsverbot

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Verbot des Betretens wirkt sich wesentlich strenger auf den Adressaten aus, da ihm in diesem Fall auch der bloße Transit durch das jeweilige Gebiet untersagt wird. Wird dem Adressaten lediglich der Aufenthalt untersagt, ist ihm nur das längere Verweilen innerhalb des bezeichneten Gebietes verboten. Der Erlass eines strengen Aufenthaltsverbotes erfordert daher besondere Gründe, um den Eingriff in die Rechte des Betroffenen rechtfertigen zu können. Insbesondere muss die Behörde abwägen, ob mit einem allgemeinen Aufenthaltsverbot die Verhütung von Straftaten gleichermaßen sichergestellt werden kann.214 Drei Länder weichen hinsichtlich des Wortlauts ihrer Standardermächtigungen ab. In Sachsen215 ist ausschließlich der Erlass eines allgemeinen, in Hamburg216 und Brandenburg217 hingegen ausschließlich der Erlass eines strengen Aufenthaltsverbots geregelt. Dabei fällt vor allem die auffallend eigenständige Regelung in Hamburg auf. Nach dieser werden die Behörden dazu ermächtigt, die Anwesenheit der Person zu untersagen. Da bei jedem Antreffen der Person innerhalb eines Gebietes, unabhängig von der Dauer ihres Verweilens, ihre Anwesenheit festgestellt werden kann, kann diese Regelung nur als eine Ermächtigung zu einem strengen Aufenthaltsverbot verstanden werden. Der Erlass eines allgemeinen Aufenthaltsverbots bleibt sowohl in Hamburg als auch in Brandenburg als Minusmaßnahme möglich. cc) Räumliche Dimension des Aufenthaltsverbots In räumlicher Hinsicht ist ein Aufenthaltsverbot auf den für die Verhinderung der Straftat notwendigen Raum zu beschränken. Dies ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Übermaßverbot, wird jedoch zusätzlich in fast allen Standardermächtigungen erwähnt.218 Als absolute räumliche Grenze eines Aufenthaltsverbots legt die überwiegende Zahl der Länder das Gemeindegebiet fest, wobei ein derart weitreichendes Aufenthaltsverbot bereits an die Grenzen der Verhältnismäßigkeit stoßen dürfte.219 Dies gilt erst recht, soweit einer Person der Aufenthalt in mehreren Gemeinden untersagt werden soll, wobei dies den Erlass mehrerer nebeneinander stehender Aufenthaltsverbote erforderlich machen 214 Insbesondere muss die Behörde abwägen ob es erforderlich ist den bloßen Transit des Adressaten zu untersagen, Breucker, NJW 2006, 1233 (1237). Bei einer unübersichtlichen Lage aufgrund eines zu erwartenden Massenandrangs oder bei zu befürchtendem Fehlverhalten des Adressaten auf den Anreisewegen kann ein strenges Aufenthaltsverbot gleichwohl gerechtfertigt sein. 215 § 21 Abs. 2 SächsPolG. 216 § 12b Abs. 2 HbgSOG. 217 § 16 Abs. 2 BbgPolG. 218 Ausnahme: Art. 16 Abs. 2 BayPAG. 219 Siehe hierzu u. a.: Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 408; Keller, jurisPR-ITR 22/ 2014, Anm. 3 zu VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 2.5.2014, 5 L 404/14.NW (juris); ebenso: Bösch, JURA 2009, 650 (651); mit geringeren Bedenken hingegen: Neuner, Zulässigkeit und Grenzen polizeilicher Verweisungsmaßnahmen, S. 130.

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

würde.220 Lediglich in vier Ländern, nämlich Berlin, Hamburg, Hessen und Schleswig-Holstein, wird die räumliche Dimension eines Aufenthaltsverbots enger gefasst. Demnach darf sich ein Aufenthaltsverbot nur auf Gebiete innerhalb der Gemeinden erstrecken, nicht jedoch auf das gesamte Gemeindegebiet.221 Einschränkungen hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung von Aufenthaltsverboten ergeben sich ungeachtet der gesetzlichen Regelungen auch aus Gründen, die in der Person des Betroffenen selbst liegen. So liegt es auf der Hand, dass Aufenthaltsverbote, die für Bereiche gelten, in denen der Betroffene seine Wohnung oder seine Arbeitsstelle hat oder bei denen er aus anderen Gründen ein berechtigtes Interesse an einem Betreten oder einem Aufenthalt hat, besonders schwer wiegen und daher einer weiteren Rechtfertigung bedürfen.222 Ein berechtigtes Interesse des Betroffenen liegt beispielsweise vor, wenn innerhalb eines von der Maßnahme erfassten Gebiets enge Verwandte oder sonstige Personen leben, gegenüber denen der Betroffene fürsorgepflichtig ist oder wenn der Betroffene auf die Inanspruchnahme gewisser Dienstleistungen innerhalb dieses Bereichs angewiesen ist.223 Ebenso missbräuchlich wie rechtswidrig wäre ferner ein Aufenthaltsverbot, das faktisch zu einem Hausarrest führt.224 In fünf Bundesländern wird der Erlass von Aufenthaltsverboten daher an denjenigen Örtlichkeiten untersagt, wo der Betroffene seine Wohnung hat.225 In den übrigen Länder ist hingegen ein Aufenthaltsverbot auch dort möglich, wo der Betroffene wohnt. Die Behörde muss das Aufenthaltsverbot dann aber so ausgestalten, dass dem Betroffenen der Aufenthalt sowie das Betreten und Verlassen der Wohnung weiterhin möglich bleibt.226 Einzelne Standardermächtigungen weisen darauf hin, dass Aufenthaltsverbote berechtigten Interessen des Betroffenen nicht entgegenstehen dürfen.227 dd) Zeitliche Dimension des Aufenthaltsverbots Mit Ausnahme von Bayern, Brandenburg, Bayern und Schleswig-Holstein, beschränken alle Länder das Aufenthaltsverbot in zeitlicher Hinsicht auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Zeitraum. Einige Länder haben explizite Obergrenzen festgelegt, die einem längeren Aufenthaltsverbot auch dann entge220

Ogorek, in: Kugelmann/Möstl (Hrsg.), BeckOK PolR NRW, § 34 Rn. 41. Diese Einschränkung dürfte in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg daher rühren, dass andernfalls ein Aufenthaltsverbot zu einer Ausweisung aus dem Bundesland führen könnte. Für ein derartiges Verbot mangelt es den Ländern an der erforderlichen Kompetenz. Siehe: Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 194. 222 Breucker, NJW 2006, 1233 (1237). 223 Cremer, NVwZ 2001, 1218 (1219); Hecker, NVwZ 1999, 261 (263). 224 Tegtmeyer/Vahle, Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen, § 34 Rn. 11. 225 Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt. 226 Statt vieler: Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 451; sowie: Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 282. 227 Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, SchleswigHolstein, Thüringen. 221

II. Aufenthaltsverbot

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genstehen, wenn über diese Grenzen hinaus eine strafbare Handlung der Person droht. Die einzelnen Regelungen in den Ländern weichen jedoch erheblich voneinander ab. Verbreitet ist eine feste Obergrenze von drei Monaten.228 Jeweils eigenständige Obergrenzen definieren hingegen Hamburg (6 Monate), MecklenburgVorpommern (10 Wochen) und Sachsen-Anhalt (12 Monate). Fünf Länder verzichten indes gänzlich auf eine feste Obergrenze.229 Das Fehlen einer zeitlichen Beschränkung ermöglicht es den Behörden aber keinesfalls ein Aufenthaltsverbot über einen beliebig langen Zeitraum auszusprechen. Die zeitliche Begrenzung auf den zur Verhütung einer Straftat erforderlichen Zeitraum folgt schon aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot und der darin enthaltenen Beschränkung auf das zur Abwehr einer Gefahr erforderliche Maß. Je länger der durch die Behörde vorgesehene Zeitraum ist, desto schwerer ist es jedoch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Begehung von Straftaten durch den Betroffenen innerhalb dieses Zeitraums schließen und somit die Dauer der Maßnahme begründen zu können. Aufenthaltsverbote, die über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinausgehen, dürften daher faktisch kaum zu begründen sein. Vor diesem Hintergrund bestehen erhebliche Zweifel, ob die großzügig bemessenen Obergrenzen in Brandenburg (10 Monate) und Sachsen-Anhalt (12 Monate) überhaupt in rechtmäßiger Art und Weise auszuschöpfen sind.230 Die Standardermächtigung in Schleswig-Holstein erweist sich auch in zeitlicher Hinsicht als Sonderfall. Nach § 201 Abs. 2 S. 5 LVwG S-H soll das Aufenthaltsverbot zunächst auf maximal 14 Tage befristet werden. Verlängerungen um jeweils maximal 14 Tage sind möglich, bedürfen jedoch der richterlichen Entscheidung. Diese Regelung darf als missglückt bezeichnet werden, denn zum einen wird weder für den Betroffenen noch für den Rechtsanwender deutlich, welche Gründe eine längere Befristung über die ersten 14 Tage hinaus rechtfertigen. Zum anderen wird der Richtervorbehalt durch die „soll-Regelung“ weitgehend wertlos, da dieser durch ein Aufenthaltsverbot, welches entgegen des gesetzlich gewollten Regelfalls auf einen längeren Zeitraum als 14 Tage festgelegt wird, leicht umgangen werden kann.

6. Zwischenfazit Mit einem Aufenthaltsverbot können einzelne Personen für einen gewissen Zeitraum von einer Örtlichkeit oder einem gewissen räumlichen Bereich ferngehalten werden. Obwohl mit einem Aufenthaltsverbot nicht zwangsläufig Eingriffe in Art. 11 GG verbunden sind, verlangen die meisten Standardermächtigungen die Prognose einer bevorstehenden Straftat des Betroffenen an dem Ort, auf das sich das Aufenthaltsverbot bezieht. Der rechtmäßige Erlass eines Aufenthaltsverbots in Form 228 Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen. 229 Berlin, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland. 230 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 310 f.

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einer Allgemeinverfügung ist daher nahezu ausgeschlossen. Aufenthaltsverbote sind schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in zeitlicher und räumlicher Hinsicht zu beschränken. Insbesondere müssen berechtigte Interessen des Betroffenen, wie der Zutritt zur eigenen Wohnung, angemessen berücksichtigt werden.

III. Ausreisebeschränkende Maßnahmen des Pass- und Personalausweisrechts 1. Beschreibung und Abgrenzung der Maßnahmen Steht zu befürchten, dass sich eine Person im Zusammenhang mit dem Besuch eines Fußballspiels im Ausland an Straftaten beteiligen oder sich in anderer Art und Weise störend verhalten wird, sind Gefährderansprachen und Aufenthaltsverbote keine geeigneten Maßnahmen, um gegen diese Person vorzugehen. Eine Gefährderansprache wäre weniger wirkungsvoll, weil den deutschen Behörden im Ausland keinerlei Befugnisse zustehen und aus diesem Grunde eine Drohung mit konkreten am Veranstaltungsort drohenden Maßnahmen ausscheidet. Eine Ausnahme bilden die Fälle, in denen aufgrund einer engen Kooperation mit den ausländischen Behörden, Einfluss auf die am Veranstaltungsort vorzunehmenden Maßnahmen genommen werden kann.231 Ohne eine solche Kooperation kann die Person lediglich auf die Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung in Deutschland gemäß § 7 StGB hingewiesen werden. Ein Aufenthaltsverbot wäre ohne ein entsprechendes Übereinkommen mit dem betroffenen auswärtigen Staat aufgrund dessen entgegenstehender Souveränität nicht zulässig.232 Eine Möglichkeit, mit der die Gefahr, die von Straftaten deutscher Staatsbürger im Ausland ausgeht, bekämpft werden kann, ist der Erlass von pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahmen. Durch diese kann die Ausreise einer Person aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland verhindert oder zumindest zeitlich und räumlich wesentlich erschwert werden. Sie können daher ein Mittel sein, um eine Person von dem Besuch eines im Ausland stattfindenden Fußballspiels abzuhalten. Der Erfolg von pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahmen ist von begleitenden Maßnahmen, die ihrer Einhaltung und Durchsetzung dienen, abhängig. Hierzu zählt die Befugnis der für die grenzpolizeiliche Kontrolle zuständigen Behörde, gemäß § 10 PaßG die Ausreise zu untersagen. Grenzpolizeiliche Kontrollen sind indes aufgrund der Regelungen in Art. 22 ff. VO (EU) 2016/399 (Schengener-Grenzkodex) nur eingeschränkt zulässig.233 Unter den Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 1 VO 231

Hierzu u. a. Bürger, in: Feltes (Hrsg.), Polizei und Fußball, S. 101 ff.; Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, S. 65. 232 Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 116. 233 Zu den praktischen Problemen der Kontrolle nach Maßgabe des Schengener Grenzkodexes, siehe: Kugelmann, NVwZ 2016, 25 (27).

III. Ausreisebeschränkende Maßnahmen des Pass- und Personalausweisrechts

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(EU) 2016/399 ist allerdings eine vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen im Falle größerer internationaler Fußballveranstaltungen, bei denen mit Ausschreitungen zu rechnen ist, möglich. Darüber hinaus bleiben auch Kontrollen im Rahmen von Stichproben gemäß Art. 23 a) iv) VO (EU) 2016/399 zulässig. Pass- und ausweisrechtliche Maßnahmen sind daher auch innerhalb des Schengenraums geeignete Mittel, um Personen an der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland zu hindern.

2. Die verfassungsrechtliche Einordnung pass- und ausweisrechtlicher Maßnahmen a) Grundrechtlicher Schutz der Ausreisefreiheit Pass- und ausweisrechtliche Maßnahmen entziehen oder beschränken das Recht zur Ausreise. Aufgrund der drohenden straf- oder ordnungsrechtlichen Sanktionen wird sich der Adressat dieser Maßnahmen dazu gezwungen fühlen, jeglichen Versuch der Ausreise zu unterlassen. Das Recht zur Ausreise wird allerdings nicht durch Art. 11 Abs. 1 GG, sondern nur durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt.234 Ein Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG käme nur in Betracht, wenn pass- oder ausweisrechtliche Maßnahmen das Recht der Wiedereinreise beschränken würden.235 Die Wiedereinreise darf der Person jedoch gemäß § 10 Abs. 3 PaßG nicht verwehrt werden. Ein Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG scheidet demnach aus. Eine Beschränkung der Ausreisefreiheit greift somit lediglich in die allgemeine Handlungsfreiheit ein. b) Eingriff in die Ausreisefreiheit durch das Pass- und Ausweisrecht Ihren Ausgangspunkt finden pass- und ausweisrechtliche Maßnahmen zunächst in der Passpflicht gemäß § 1 PaßG. Demnach ist jeder Deutsche i. S. d. Art. 116 Abs. 1 GG bei der Ausreise aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, einen gültigen Pass mitzuführen. Die Passpflicht kann gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 PaßG i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassV auch durch das Mitführen eines Passersatzes erfüllt werden, insbesondere durch das Mitführen eines Personalausweises oder vorläufigen Personalausweises. Ob ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 PaßG i. V. m. § 7 Abs. 1 PassV zugelassener Passersatz auch zur Einreise in das Hoheitsgebiet eines ausländischen Staates verwendet werden kann, ist abhängig von einer entsprechenden Anerkennung des ausländischen Staates, welche üblicherweise im Rahmen zwischenstaatlicher Abkommens erteilt wird. Das wichtigste Abkommen für den europäischen Raum ist das „Europäische Abkommen über die Regelung des Per234 BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, 1 BvR 253/56 (Elfes) = BVerfGE 6, 32 ff.; Zum grundrechtlichen Schutz der Ausreisefreiheit siehe auch: Rossi, AÖR 2002, 612 (614 ff.). 235 Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 44.

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

sonenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats vom 13.12.1957“.236 Nach Art. 1 Abs. 1 des Abkommens i. V. m. dessen Anlage haben deutsche Staatsbürger das Recht unter Vorlage eines Personalausweises oder vorläufigen Personalausweises, in das Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten ein- und wieder auszureisen. Bei Aufenthalten, die einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten, sind sie gemäß Art. 1 Abs. 2 des Abkommens nicht zum Mitführen eines Passes verpflichtet.237 Für Reisen innerhalb Europas ist daher der Personalausweis praktisch an die Stelle des Passes getreten. Für den Einzelnen können daher sowohl pass- als auch ausweisrechtliche Maßnahmen unmittelbare Auswirkungen auf sein Recht zur Ausreise haben. Schon die generelle Passpflicht gemäß § 1 PaßG greift in materiell verfassungsrechtlicher Hinsicht in das Recht zur freien Ausreise ein, denn wer über keinen Pass oder Passersatz verfügt, kann nicht ohne einen Verstoß gegen § 1 PaßG ausreisen.238 Hinzu kommt, dass die versuchte oder vollendete Ausreise ohne einen unbeschränkt gültigen Pass oder zulässigen Passersatz, entweder eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 25 PaßG oder sogar eine Straftat gemäß § 24 PaßG sein kann. Der aus der Passpflicht resultierende Eingriff wird indes dadurch gerechtfertigt, dass jeder Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Ausstellung und Aushändigung eines Passes hat.239 Durch die im Passgesetz vorgesehenen Maßnahmen, mit denen die Aushändigung eines Passes versagt (§ 7 Abs. 1 PaßG), ein bereits ausgehändigter Pass entzogen (§ 8 PaßG) oder ein Pass zeitlich oder räumlich beschränkt werden kann (§ 7 Abs. 2 S. 1 PaßG), wird dieser Anspruch beeinträchtigt und infolgedessen in das Ausreiserecht eingegriffen. Eine besondere Eingriffsintensität weisen dabei die Passversagung und die Passentziehung auf, da diese zu einem absoluten Ausreiseverbot führen. Sie sind daher im besonderen Maße rechtfertigungsbedürftig.240 Die im Personalausweisgesetz vorgesehenen Maßnahmen entsprechen weitgehend denen des Passgesetzes. So sieht das Gesetz das Versagen oder Entziehen eines Personalausweises (§ 6a Abs. 1 und 2 PAuswG) ebenso vor, wie den Erlass einer räumlichen Beschränkung (§ 6 Abs. 7 PAuswG). Wegen der bereits erwähnten passersetzenden Funktion des Personalausweises kann auch durch diese Maßnahmen

236

Siehe BGBl. Nr. 15 vom 17.4.1959, S. 390 ff. Das Abkommen ist nach derzeitigem Stand in 17 Ländern ratifiziert worden, Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweiz, Slowenien, Spanien, Türkei, Ukraine, Ungarn; siehe: http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/025/signatures?p_auth=ir Nep5w7, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019. 238 BVerwG, Urteil vom 9.2.1956, I C 155/54 = BVerwGE 3,130. 239 So bereits BVerwG, Urteil vom 9.2.1956, I C 155/54 = BVerwGE 3, 130 (132); Siehe auch Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 1. 240 May, NdsVBl. 2002, 41 (41); Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 2. 237

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das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht zur Ausreise entzogen oder weitgehend eingeschränkt werden. c) Verfassungsmäßige Rechtfertigung von pass- und ausweisrechtlichen Regelungen Die Regelungen des Pass- und des Personalausweisgesetzes sind grundsätzlich taugliche Schranken, um die Ausreisefreiheit des Einzelnen zu beschränken. Eingriffe in die Ausreisefreiheit sind am Rechtfertigungsmaßstab des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen, der Eingriffe zum Schutz der Rechte anderer und aufgrund der verfassungsmäßigen Ordnung zulässt. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören auch die Regelungen des Pass- und des Personalausweisgesetzes. Beide Gesetze fallen gemäß Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 3 GG in die ausschließliche Regelungskompetenz des Bundes.241 Die Untersagung der Ausreisein § 10 PaßG stellt indes keine originär passrechtliche Maßnahme dar. Sie dürfte vielmehr als grenzschutzspezifische Maßnahme mit ausreisebeschränkender Wirkung zu charakterisieren sein. Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes erstreckt sich gemäß Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5 GG jedoch auch auf die Freizügigkeit und die Maßnahmen des Grenzschutzes, so dass § 10 PaßG in die sachliche Kompetenz des Bundes fällt. Die zentrale Regelung für den Erlass von pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahmen ist indes § 7 Abs. 1 PaßG. § 7 Abs. 1 PaßG enthält einen abschließenden Katalog von Gründen, aus denen ein Pass zu versagen ist, der aufgrund entsprechender Verweise auch für nahezu alle weiteren pass- und ausweisrechtlichen Maßnahmen maßgeblich ist. Von den in § 7 PaßG genannten Versagungsgründen kommt im Fall von Maßnahmen gegen Personen, die von einer Fußballveranstaltung im Ausland ferngehalten werden sollen, typischerweise nur einer der in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG genannten Versagungsgründe in Betracht. Ein Pass ist demnach zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Der im Passrecht verwendete Begriff der inneren Sicherheit wird gemeinhin enger verstanden, als der polizeirechtliche Begriff der öffentlichen Sicherheit. Er umfasst das Schutzgut der inneren Sicherheit den Bestand des Staates und seiner Einrichtungen sowie die Abwehr schwerster und erheblicher Straftaten.242 Dem Begriff der äußeren Sicherheit wird ein entsprechendes Verständnis zu Grunde gelegt.243 Bei den Schutzgütern der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland handelt es sich um Belange von gehobener Bedeutung, deren 241

Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 178. Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 10; Rossi, AöR 2002, 612 (632). 243 Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 163; Rossi, AöR 2002,612 (631), sieht in den Schutzgütern der inneren und äußeren Sicherheit sogar eine untrennbare Einheit. 242

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Schutz im verfassungsrechtlichen Interesse steht. Der Schutz sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland ist hingegen ein unbestimmter und daher auslegungsbedürftiger Begriff, dessen nähere Eingrenzung zwingend geboten ist, da er ansonsten dem Bestimmtheitsgebot sowie der Wesentlichkeitstheorie nicht gerecht würde. Letztere fordert vom Gesetzgeber, dass dieser die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft.244 Wegen der potentiell schwerwiegenden Folgen einer pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahme für das Recht zur Ausreise, kann eine unbestimmte Regelung, die das potentielle Risiko einer ausufernden und unvorhersehbaren Verwaltungspraxis in sich trägt, verfassungsrechtlich nicht hingenommen werden.245 Der abschließende Charakter des § 7 Abs. 1 PaßG deutet indes darauf hin, dass das Schutzgut der sonstigen erheblichen Belange in einem engen Sinn verstanden werden muss.246 Hierfür spricht schließlich auch der Vergleich mit den übrigen Schutzgütern des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG. Mit den sonstigen erheblichen Belangen kann demnach nur ein Schutzgut gemeint sein, welches seiner Bedeutung nach von vergleichbarem Gewicht ist, wie die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.247 Der Schutz eines in diesem Sinne zu verstehenden hochrangigen Schutzgutes, stellt ebenfalls ein legitimes verfassungsrechtliches Ziel dar.

3. Anforderungen an den Erlass passrechtlicher Maßnahmen nach dem PaßG a) Formelle Rechtmäßigkeit Für passrechtliche Maßnahmen sind, soweit es sich um im Inland getroffene Maßnahmen handelt, gemäß § 19 Abs. 1 PaßG die von den Ländern bestimmten Behörden zuständig.248 Dies ist in der Regel diejenige Gemeinde, in der die Person ihren Wohnsitz hat.249 Somit sind die Gemeinden innerhalb ihres Wirkungskreises nicht nur für die allgemeine Gefahrenabwehr, und damit auch für die Abwehr von Gefahren im Zusammenhang mit störendem Zuschauerverhalten im Rahmen von 244 BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, 1 BvR 253/56 (Elfes) = BVerfGE 6, 32 ff.; Butzer, VerwArch 2002, 506 (522 ff.); umfassend zur Wesentlichkeitslehre: Lerche, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte III, § 62. 245 So bereits BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, 1 BvR 253/56 (Elfes) = BVerfGE 6, 32 (42). 246 Wache, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, § 7 PassG Rn. 7; Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 11. 247 Unbestrittene Ansicht seit BVerwG, Urteil vom 22.2.1956, I C 41.55 = BVerwGE 3, 171 (176) sowie BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, 1 BvR 253/56 (Elfes) = BVerfGE 6, 32 (43); zustimmend u. a.: Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 444; Barczak, JURA 2014, 888 (898); Rossi, AöR 2002, 612 (627); Fehn, DPolBl 2001, 23. 248 Für Passangelegenheiten im Ausland siehe § 19 Abs. 2 u. 3. PaßG. 249 Exemplarisch: Art. 1 AGPaßPAuswG (Bayern); § 1 AGPassGPAuswG (RheinlandPfalz).

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Fußballspielen, verantwortlich, sondern auch für die Durchführung des Passgesetzes. Dies kommt letztlich der Effizienz der Verwaltung zu Gute, da die Gemeinde als allgemeine Ordnungsbehörde in der Regel über eigene Erkenntnisse verfügt, um das Gefährdungspotential einer Person beurteilen zu können.250 Passrechtliche Maßnahmen ergehen mangels anderweitiger gesetzlicher Regelungen gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG grundsätzlich formfrei. Eine Ausnahme bilden die Passbeschränkungen, die gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 PaßG im Pass zu vermerken sind. Die Behörden sind innenrechtlich allerdings zusätzlich dazu verpflichtet, die abweichenden Regelungen der PassVwV zu beachten. Demnach ist bei der Passversagung (Art. 1 § 7 Abs. 1 Ziffer 7.1 PassVwV), der Passbeschränkung (Art. 1 § 7 Abs. 2 Ziffer 7.2) sowie der Passentziehung (Art. 1 § 8 Ziffer 8.3 PassVwV) stets die Schriftform zu wählen. b) Materielle Rechtmäßigkeit aa) Passversagung Die Passversagung richtet sich nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PaßG. Bei Personen, deren Ausreisefreiheit aus Anlass eines Fußballspiels beschränkt werden soll, kommt in der Regel nur eine Versagung des Passes gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 PaßG in Betracht, da eine Beeinträchtigung der inneren oder äußeren Sicherheit durch Ausschreitungen im Rahmen von Fußballspielen nicht zu erwarten ist.251 Erforderlich sind demnach (1.) bestimmte Tatsachen, die (2.) die Annahme einer Gefährdung (3.) sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland durch den Passbewerber begründen. (1) „Bestimmte Tatsachen“ Der Kreis der zu einer Prognose i. S. d. § 7 Abs. 1 PaßG geeigneten Tatsachen beschränkt sich bereits dadurch, dass sie die Annahme der Gefährdung eines der in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG genannten Schutzgüter begründen müssen.252 Somit kommen in erster Linie Umstände der Person sowie verhaltensbezogene Umstände in Betracht.253 Zu den verhaltensbezogenen Umständen kann auch die ernstzunehmende Ankündigung einer Person eines künftigen Fehlverhaltens zählen.254 Zu einer Be250 Ein Informationsaustausch innerhalb der Verwaltung ist in der Praxis gleichwohl unerlässlich, vgl. Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG Rn. 8. 251 Aufgrund des engen Verständnisses dieser Schutzgüter, vgl. Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 10; Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 163; Rossi, AöR 2002, 612 (631). 252 Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 154. 253 Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 7. 254 Explizite Ankündigungen dieser Art dürften gleichwohl eher selten sein, vgl. Breucker, SpuRt 2005, 133 (134).

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schränkung auf diejenigen Tatsachen, die Schlüsse auf das zu erwartende Verhalten des Betroffenen zulassen, zwingt schließlich auch das Unionsrecht. Gemäß Art. 21 Abs. 1 AEUV genießen alle Unionsbürger das Recht der freien Aus- und Einreise aus bzw. in die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. In dieses Recht darf gemäß Art. 27 Abs. 1, Abs. 2 RL 2004/38/EG nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit,255 der öffentlichen Ordnung256 oder der Gesundheit eingegriffen werden. Der Grund für einen Eingriff darf ausschließlich ein persönliches Verhalten des Betroffenen sein.257 Umstände außerhalb der Person des Betroffenen können im Rahmen der Sachverhaltsanalyse allenfalls ergänzend hinzugezogen werden. Hierzu zählen unter anderem diejenigen Vorgänge, die allein von staatlichen Stellen veranlasst wurden, wie Verurteilungen oder präventivpolizeiliche Maßnahmen.258 Wird auf derartige Umstände Bezug genommen, ist auch das diesen Umständen vorausgegangene Verhalten des Betroffenen zu berücksichtigen.259 Eine Prognose, die sich ausschließlich auf den Umstand einer vorherigen Verurteilung der Person stützt, ist gemäß Art. 27 Abs. 2 S. 2 EU-Freizügigkeitsrichtlinie unzureichend.260 Dies gilt auch für Prognosen, die sich ausschließlich auf frühere präventivpolizeiliche Maßnahmen oder gar auf bloße Vermutungen oder allgemeine Erfahrungssätze stützen.261 Ein mehrere Jahre zurückliegendes Verhalten des Betroffenen kann – entgegen der Ausführungen der Bundesregierung im Gesetzentwurf zur Änderung des Passgesetzes vom 18.02.2000,262 die auf eine starre Ausschlussfrist für Umstände die älter als zwölf Monate hindeuten – gleichwohl noch eine taugliche und demnach einbeziehungsfähige Tatsache sein. Es können durchaus triftige Gründe dafür vorliegen, weshalb eine Person innerhalb eines bestimmten Zeitraums unauffällig geblieben ist, ohne dass dies das Ergebnis der Prognose beeinflussen muss.263 Es gibt auch keinen 255 Hierzu zählt im europarechtlichen Sinne auch der Schutz der auswärtigen Beziehungen: vgl. EuGH, Urteil vom 17.10.1995, Rs. C-70/94 = NVwZ 1996, 365; Cziersky-Reis, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, § 6 Rn. 13; Brinkmann, in: Huber, Aufenthaltsgesetz, § 6 FreizG/EU, Rn. 7. 256 Zum Begriff der öffentlichen Ordnung im Sinne des Europarechts zählt auch die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten, siehe: Franzen, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 45 AEUV Rn. 132 ff. 257 So auch: EuGH, Urteil vom 10.7.2008, C 33/07 (Jipa), Rn. 24 = EuZW 2008, 644; Rossi, AöR 2002, 612 (624). 258 Breucker, NJW 2004, 1631 (1631); wohl auch Petersen-Thrö/Elzermann, KommJur 2006, 289 (296); a. A.: VG Stuttgart, 17.8.2009, 11 K 237/09 (juris); VGH Mannheim, Urteil vom 7.12.2004, 1 S 2218/03 (juris). 259 Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 156. 260 So auch Art. 27 Abs. 2 S. 2 EU-Freizügigkeitsrichtlinie. 261 Daum, DÖV 2014, 526 (529); Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 7; Vgl. auch Art. 27 Abs. 2 S. 3 EU-Freizügigkeitsrichtlinie. 262 Deutscher Bundestag, Drucksache 14/2726 vom 18.2.2000, S. 6; zustimmend: Nolte, NVwZ 2001, 147 (150). 263 VGH Mannheim, Urteil vom 7.12.2004, 1 S 2218/03 (juris); Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 161.

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triftigen Grund dafür, Umstände, die gegebenenfalls auch zu Gunsten des Betroffenen sprechen könnten, allein aufgrund ihres Alters unberücksichtigt zu lassen. Dies würde weder der Schwere des Eingriffs gerecht werden noch wäre es mit dem in § 24 Abs. 2 VwVfG festgelegten Umfang der Amtsermittlung in Einklang zu bringen. Das Alter einer Tatsache kann allenfalls dazu führen, dass dieser im Rahmen der Prognose eine geringere Bedeutung zuzusprechen ist.264 Anhaltspunkte für einen konkreten Ausreisewillen des Passbewerbers oder das Vorliegen konkreter Ausreisepläne müssen indes nicht vorliegen,265 da die Beantragung des Passes den grundsätzlichen Ausreisewillen des Passbewerbers indiziert. Die Versagung des Passes wäre sogar unverhältnismäßig, wenn aufgrund sicherer Anhaltspunkte das gefährdende Verhalten des Passbewerbers in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht eingegrenzt werden kann.266 In diesen Fällen wäre stattdessen vorrangig der Erlass einer Passbeschränkung gemäß § 7 Abs. 2 PaßG in Erwägung zu ziehen, soweit keine weiteren Versagungsgründe vorliegen. (2) „Annahme einer Gefährdung“ § 7 Abs. 1 PaßG setzt lediglich einen durch Tatsachen begründeten Verdacht der Gefährdung und keine tatsächliche Gefährdung von Belangen der Bundesrepublik Deutschland voraus. Es genügt somit ein verhältnismäßig niedriger Überzeugungsgrad im Rahmen der anzustellenden Prognose, da es ausreichend ist, dass gewisse Tatsachen vorliegen, die den Verdacht einer Gefährdung plausibel begründen können.267 Bei der Bedrohung besonders hochrangiger Schutzgüter kann indes auch im Rahmen einer konkreten Gefahr ein abgeschwächter Wahrscheinlichkeitsmaßstab genügen, da der Schutz dieser Rechtsgüter aufgrund ihrer überragenden Bedeutung im Einzelfall schwerer wiegen kann, als das Interesse des Einzelnen an der Ausübung seiner grundrechtlichen Freiheit.268 Der abgeschwächte Maßstab der Prognose im Rahmen des § 7 PaßG wirft allerdings die Frage nach seiner Vereinbarkeit mit Art. 27 Abs. 2 S. 3 EU-Freizü-

264 VGH Mannheim, Urteil vom 7.12.2004, 1 S 2218/03 (juris); VG Minden, Urteil vom 29.6.2005, 11 K 3164/04 = BeckRS 2005, 28012; Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 161; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 98; eher starr an zeitlichen Kriterien festhaltend: OVG Lüneburg, Urteil vom 22.9.2005, 11 LC 51/04 = NJW 2006, 391 (394). 265 So auch bei Unterstützung des Djihad, vgl. OVG Münster, Beschluss vom 31.7.2015, 19 B 742/15 (juris), zuvor VG Köln, Beschluss vom 15.6.2015, 10 L 735/15 (juris); a. A. Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 161. 266 VGH Mannheim, Urteil vom 4.5.2011, 11 S 207/11 = NVwZ 2011, 1210. 267 VG Köln, Beschluss vom 15. 06. 2015, 10 L 735/15 (juris). 268 Siehe u. a.: BVerwG, Urteil vom 6.9.1974, I C 17/73 = BVerwGE 47, 31 (40); BVerwG, Urteil vom 17.3.1981 – BVerwG 1 C 74/76 = BVerwGE 62, 36 (49); Denninger, in: Lisken/ Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, D 53; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 119; Kritisch: Leisner, DÖV 2002, 326 ff.

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gigkeitsrichtlinie auf.269 Dieser bestimmt, dass nur ein persönliches Verhalten des Betroffenen, welches eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt und ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, einen Eingriff in das durch Art. 21 Abs. 1 AEUV garantierte Recht zur Ausreise rechtfertigen kann.270 Legt man dem Begriff der gegenwärtigen Gefahr im Sinne des Art. 27 Abs. 2 S. 3 Freizügigkeitsrichtlinie die gängige polizeirechtliche Definition zu Grunde, so wäre ein Zustand zu verlangen, bei dem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in allernächster Zeit der Eintritt eines Schadens zu erwarten ist.271 Der bloße Verdacht einer Gefährdung i. S. d. § 7 Abs. 1 PaßG würde diesen Anforderungen nicht genügen, so dass die Regelung unionsrechtswidrig wäre, sofern sie nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden könnte. Der Begriff der gegenwärtigen Gefahr im Sinne des Art. 27 Abs. 2 S. 3 RL 2004/ 38/EG ist jedoch autonom auszulegen.272 Art. 27 Abs. 3 und 4 RL 2004/38/EG ist zu entnehmen, dass es bei der Prognose in erster Linie darauf ankommt, ob das bisherige Verhalten des Betroffenen ein künftiges Fehlverhalten erwarten lässt. Art. 32 Abs. 1 derselben Richtlinie lässt sich entnehmen, dass die Prognose des künftig zu erwartenden Fehlverhaltens auf einen Zeitraum von mindestens drei Jahren erstreckt werden kann. Die Richtline verlangt mithin nicht die Prognose eines unmittelbar bevorstehenden Schadenseintritts, denn der Schadenseintritt muss weder für einen bestimmten noch für einen naheliegenden Zeitpunkt getroffen werden. Im unionsrechtlichen Sinne ist von einer gegenwärtigen Gefahr auszugehen, wenn das bisherige (störende) Verhalten des Betroffenen die Prognose einer Wiederholung dieses Verhaltens zu einem künftigen, aber nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt begründet.273 Diesen Anforderungen wird ein durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht jedenfalls dann gerecht, wenn es sich aufgrund der zugrunde gelegten Umstände um einen verdichteten und deshalb qualifizierten Verdacht handelt, dessen Eintritt überwiegend wahrscheinlich ist.274 269 Richtlinie 2004/39/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004.; siehe auch Art. 4 RL 2004/38/EG „alle die einen gültigen Paß haben“, EuGH, Urteil vom 4.10.2012, C-249/11 = NVwZ 2013, 273; Grundsätzlich nur enge Beschränkungsmöglichkeiten der Freizügigkeit von Unionsbürgern, EuGH, Urteil vom 10.7.2008, C 33/07 (Jipa) = EuZW 2008, 644; EuGH, Urteil vom 29.4.2004, C 482/01 und C 493/01 = JuS 2004, 1001; hierzu: Schwerdtfeger, EuZW 2012, 56 (58). 270 Haag, in: Von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 21 AEUV, Rn. 30; VGH Mannheim, Urteil vom 4.5.2011, 11 S 207/11 = NVwZ 2011, 1210. 271 Denninger, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, D 54. 272 Vgl. Kurzidem, in: Heusch/Kluth (Hrsg), BeckOK AuslR § 6 FreizG/EU Rn. 8; Huber, in: ders. (Hrsg.), Aufenthaltsgesetz, § 6 FreizG/EU, Rn. 23. 273 Vgl. Kurzidem, in: Heusch/Kluth (Hrsg), BeckOK AuslR § 6 FreizG/EU Rn. 8; VGH Mannheim, Urteil vom 4.5.2011, 11 S 207/11 = NVwZ 2011, 1210. 274 In diesem Sinne: VGH Mannheim, Urteil vom 4.5.2011, 11 S 207/11 = NVwZ 2011, 1210; Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, § 6 FreizG/EU, Rn. 24. Auch im Hinblick auf die übrigen völkerrechtlichen Normen bestehen keinerlei Bedenken. Art. 2 Abs. 2 Protokoll Nr. 4 zur EMRK lässt Eingriffe in die Ausreisefreiheit durch entsprechende gesetzliche Re-

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Es bedarf zwar keiner unmittelbaren zeitlichen Nähe zum prognostizierten Eintritt des Schadens, der Eintritt eines Schadens muss bei ungehindertem Fortgang aber bereits hinreichend gewiss sein.275 Einer Relativierung dieses Überzeugungsmaßstabs sind auch im Fall eines zu befürchteten Schadens größeren Ausmaßes Grenzen gesetzt.276 Hält die Behörde aufgrund der zu Grunde liegenden Tatsachen ein künftiges gefährdendes Verhalten durch den Passbewerber lediglich für möglich, kann dies, auch wenn ein bedeutendes Schutzgut betroffen ist, aufgrund des Wortlauts des § 7 Abs. 1 PaßG nicht für die Annahme einer ausreichend konkretisierten Gefährdung genügen.277 In diesem Fall wäre die Annahme einer Gefährdung durch den Passbewerber nämlich nicht begründet, sondern allenfalls nicht mit absoluter Gewissheit auszuschließen. Die Versagung des Passes würde in diesem Fall nur der allgemeinen Risikovorsorge dienen, was mit dem Gewährleistungsgehalt der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Ausreisefreiheit unvereinbar wäre und darüber hinaus gegen Unionsrecht verstieße, da Art. 27 Abs. 2 S. 4 RL 2004/38/EG einer Passversagung aus generalpräventiven Erwägungen entgegensteht.278 Die Wahrscheinlichkeit mit der eine Gefährdung durch den Passbewerber zu erwarten ist, muss sich demnach, ungeachtet der Bedeutung des Schutzgutes, aufgrund bestimmter Tatsachen bereits nach Zeit, Ort und Inhalt der Gefährdung verdichtet haben.279 (3) „Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland“ Sonstige erhebliche Belange können im Hinblick auf die gebotene enge Auslegung dieses Schutzgutes nur solche sein, die in ihrer Bedeutung der inneren und äußeren Sicherheit entsprechen.280 Der allgemeine Schutz von Sportveranstaltungen kann kein derartiger Belang sein, da er in seiner Bedeutung diesen Schutzgütern nicht entspricht. Auch das Unterbinden störender Verhaltensweisen deutscher Staatsbürger im Rahmen von Fußballspielen im Ausland stellt als solches noch kein Interesse gelungen ausdrücklich zu. Dies gilt auch für Art. 12 Abs. 3 IPBPR sowie für den – wenngleich unverbindlichen – Art. 13, Art. 29 AEMR. Siehe auch: Fehn, DPolBl 2001, 23. 275 Wache, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, § 7 PassG Rn. 3; OVG Lüneburg, Urteil vom 23.2.2018, 11 LC 177/17 = DÖV 2018, 416; VG Aachen, Urteil vom 26.8.2009, 8 K 637/09 = BeckRs 2009, 38910. 276 BVerwG, Urteil vom 2.9.2009, 1 C 2/09 = NVwZ 2010, 389 m. w. V.; VGH Mannheim, Urteil vom 4.5.2011, 11 S 207/11 = NVwZ 2011, 1210; Cziersky-Reis, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, § 6 FreizG/EU, Rn. 24. 277 Daum, DÖV 2014, 526 (529); VG Düsseldorf, Beschluss vom 26.7.2013, 22 L 1283/13 (juris). 278 Haag, in: Von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 21 AEUV Rn. 29 ff.; VGH Mannheim, Urteil vom 4.5.2011, 11 S 207/11 = NVwZ 2011, 1210. 279 VG Aachen, Urteil vom 26. 08. 2009, 8 K 637/09 = BeckRS 2009, 38910. 280 U. a.: BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, 1 BvR 253/56 = BVerfGE 6, 32 ff. (Elfes); BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, I C 67/67 = DÖV 1969, 74; VGH Mannheim, Beschluss vom 14.6.2000, 1 S 1271/00 = NJW 2000, 3658; Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 11.

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von vergleichbarem Gewicht dar. Es bedarf daher der Bedrohung anderer Belange, um eine Passversagung rechtfertigen zu können. (a) Ansehen der Bundesrepublik Deutschland Als ein derartiger Belang wird nach einer in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland angesehen.281 Dieses sei als Voraussetzung für das Führen guter internationaler Beziehungen zu anderen Staaten besonders schützenswert.282 Straftaten deutscher Staatsbürger im Ausland würden das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar bedrohen. Der Gesetzgeber hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Als Reaktion auf die gewalttätigen Ausschreitungen während der Fußball-Weltmeisterschaft 1998283 hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf über die Änderung des Pass- und Personalausweisrechts in den Bundestag eingebracht. § 7 PaßG blieb in diesem Entwurf nahezu unangetastet,284 da die Ermächtigung in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG als ausreichend erachtet wurde, um einer Person den Pass zu versagen, bei der eine Beteiligung an Gewalthandlungen im Zusammenhang mit Fußballveranstaltungen im Ausland zu befürchten ist.285 Als wesentliche Neuerung sah der Entwurf vor, auch die versuchte oder vollendete Ausreise trotz Beschränkung des Passes (§ 7 Abs. 2 PaßG) gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 PaßG unter Strafe zu stellen. Der Entwurf wurde am 23.3.2000 vom Bundestag in nahezu unveränderter Fassung angenommen286 und mit

281 VGH Mannheim, Beschluss vom 14.6.2000, 1 S 1271/00 = NJW 2000, 3658; OVG Bremen, Beschluss vom 28. 06. 2000, 1 B 240/00 = NordÖR 2001, 107; Nolte, NVwZ 2001, 147 (150); BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, I C 67/67 = DÖV 1969, 74 (75); Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 53; Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr, S. 205; Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S. 73; Barczak, JURA 2014, 888 (897); Breucker, NJW 2004, 1631 (1632); Fehn, DPolBl 2001, 23 (23). 282 Wache, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, § 7 PassG Rn. 7; Gamp, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, J V 71; aus der Rechtsprechung: BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = BVerwGE 129, 142; BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, I C 67/67 = DÖV 1969, 74; VG Berlin, Urteil vom 7.2.2017, 23 K 524.15 (juris), VG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.7.2014, 5 K 4684/13.F (juris). 283 Seit 1998 wird als Beispiel für die schädigenden Folgen für das Ansehen Deutschlands durch ein Fehlverhalten deutscher Staatsbürger regelmäßig auf die Ausschreitungen in Lens während der Fußballweltmeisterschaft 1998 hingewiesen, in deren Verlauf ein französischer Gendarm durch deutsche Hooligans schwer verletzt wurde. Zur Debatte über die sicherheitsrechtlichen Konsequenzen dieses Vorfalls siehe: Greiner, Die Polizei 1999, 108 ff.; ders., Die Polizei 1998, 248 ff. 284 Die einzigen Änderungen betrafen obsolet gewordene Regelungen für Berlin und die DDR. 285 Deutscher Bundestag, Drucksache 14/2726, vom 18.2.2000, S. 5. 286 Nach Maßgabe der Beschlussempfehlung des Innenausschusses, der nur eine geringfügige Änderungsempfehlung enthielt, siehe: Deutscher Bundestag, Drucksache 14/2993 vom 22.3.2000.

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Gesetz vom 1.5.2000 verkündet.287 Zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungspraxis erließ die Bundesregierung mit Erlass vom 3.7.2000 eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Passgesetzes (BAnz. 52 Nr. 179 vom 21.9.2000, S. 18857; heute: Art. 1 Ziffer 7.1.1.4 PassVwV) in der der Schutz des Ansehens als sonstiger erheblicher Belang neu mit aufgenommen wurde.288 Bei der PassVwV handelt es sich um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, also um reines Innenrecht der Verwaltung, ohne unmittelbare Außenwirkung.289 Von Teilen der Literatur und Rechtsprechung wird mitunter vehement bestritten, dass es sich beim Ansehen der Bundesrepublik Deutschland um einen sonstigen erheblichen Belang im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG handeln könnte.290 Dabei werden die negativen Folgen für das Ansehen Deutschlands durch die Begehung von Straftaten im Ausland durch deutsche Staatsbürger zwar nicht in Frage gestellt,291 ein Ansehensverlust sei jedoch im Vergleich zu Gefährdungen der äußeren oder inneren Sicherheit im Regelfall eine Beeinträchtigung von deutlich geringerem Gewicht. Der Begriff des Ansehens sei zudem zu unspezifisch, denn es sei unklar, welchen Schutzgehalt er aufweise, so dass der Rekurs auf dieses Merkmal die Gefahr eines „allgemeinen Politikvorbehaltes“ beinhalte.292 Vorzugswürdiger sei es deshalb, gänzlich auf den Begriff des Ansehens zu verzichten.293 Nach anderer Auffassung wird die Möglichkeit der Gefährdung eines sonstigen erheblichen Belangs i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG zumindest bei schweren Beeinträchtigungen des Ansehens in Betracht gezogen.294 Eine schwere Beeinträchtigung des Ansehens, die eine Passversagung rechtfertigen könnte, sei aber nur bei besonders groben Verfehlungen im Ausland, insbesondere bei erheblichen Straftaten, zu befürchten.295 287 Bundesgesetzblatt I 2000, S. 626.; Kritisch: Danwitz, NJ 2000, 567 (569), der die Geeignetheit der gesetzlichen Änderungen in Frage stellt. 288 Deutscher Bundesrat, Drucksache 44/00 vom 24.1.2000, S. 21. 289 VG Schleswig, Beschluss vom 13.12.2016, 9 B 42/16 = BeckRS 2016, 110614; VG Ansbach, Urteil vom 27. 05. 2004, AN 5 K 03.02405 = BeckRS 2004, 32498. 290 Rossi, AöR 2002, 612 (635 ff.); ihm zustimmend: OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991; ebenfalls eher kritisch: Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 12, 15; sowie Rachor, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 765. 291 Vgl. OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991; Rachor, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 763 ff. (766). 292 Rossi, AöR 2002, 612 (637); Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 12; OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991. 293 OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991. 294 U. a.: BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, I C 67/67 = DÖV 1969, 74; Nolte, NVwZ 2001, 147 (150); Fehn, DPolBl 2001, 23 (23). 295 Gamp, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, J V 71; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 109; VG Frankfurt am Main, Urteil vom 22. 07. 2014, 5 K 4684/13.F = BeckRS 2014, 56226; a. A.: Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 174, nach dem auch strafloses Verhalten Berücksichtigung finden kann.

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(b) Schutz der auswärtigen Beziehungen und Einhaltung völkerrechtlicher Pflichten Einer anderen Auffassung nach gehe es im Rahmen der sonstigen erheblichen Belange weniger um das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland als vielmehr um die völkerrechtliche Verantwortung Deutschlands gegenüber anderen Staaten.296 Die Behörden müssten einen Pass aus völkerrechtlichen Pflichten versagen, wenn sichere Erkenntnisse darüber vorliegen, dass ein strafbares Verhalten eines deutschen Staatsbürgers im Ausland drohe, das die Rechtsgüter eines anderen Staates oder seiner Bürger bedroht. Eine völkerrechtliche Pflicht zum Erlass einer passrechtlichen Maßnahme bestehe jedoch nur dann, wenn die Begehung schwererer Straftaten drohe.297 (c) Abwehr von Straftaten im Ausland als eigener Belang Andere sehen schließlich in der Verhinderung einer Straftat, durch die ein wichtiges international anerkanntes Rechtsgut beeinträchtigt wird, einen sonstigen erheblichen Belang im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG.298 Insbesondere innerhalb Europas, als einheitlicher „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“,299 seien Belange der inneren Sicherheit nicht ausschließlich ein Belang des unmittelbar betroffenen Staates.300 Bei störendem und gewalttätigem Zuschauerverhalten im Rahmen von Sportveranstaltungen handele es sich zudem um ein länderübergreifendes Phänomen, das eine Angelegenheit aller betroffenen Staaten sei.301 Um einen erheblichen eigenen Belang handele es sich allerdings nur, wenn die Begehung schwerer Straftaten drohe.302 Dies seien Taten, bei denen nicht nur individuelle Rechtsgüter, sondern, vergleichbar mit einer Tat i. S. d. § 125 StGB, auch die allgemeine Sicherheit oder der öffentliche Friede gefährdet werden.303 (d) Stellungnahme Soweit mit der Begehung schwerer Straftaten zu rechnen ist, kommen alle Auffassungen zu dem Ergebnis, dass sonstige erhebliche Belange der Bundesre296 VG Aachen, Beschluss vom 16.4.2009, 8 L 164/09 = NVwZ-RR 2009, 781; VG Berlin, Urteil vom 6.3.2012, VG 23 K 58.10 (juris); Sailer, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, J 61; Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 168 f. 297 Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 126 ff., 169. 298 OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991; Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S. 71; Rachor, in: Lisken/ Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 766. 299 Siehe: Art. 3 Abs. 2 EUV; Art. 4 Abs. 2 j), Art. 67 ff. AEUV. 300 OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991; wohl auch: Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr, S. 202. 301 OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991. 302 Rossi, AöR 2002, 612 (639). 303 OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991; zustimmend: Rachor, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 766.

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publik Deutschland gefährdet werden und damit ein Versagungsgrund im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG vorliegt. Zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen die Auffassungen jedoch im Fall von Straftaten, die einen Unrechtsgehalt unterhalb der Schwelle des § 125 StGB aufweisen, aber dennoch geeignet sind, dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland Schaden zuzufügen bzw. die auswärtigen Beziehungen zu beeinträchtigen oder eine völkerrechtliche Verantwortung auszulösen. In Anbetracht der vielfältigen Ausprägungen störender Verhaltensweisen der Zuschauer im Rahmen von Fußballspielen, ist eine nähere Auseinandersetzung mit dem Begriff der sonstigen erheblichen Belange und eine Stellungnahme zu den hierzu vertretenen Ansichten, unausweichlich. (aa) Ansehen als sonstiger erheblicher Belang Die Argumente, die gegen den Begriff des Ansehens vorgetragen werden, können nicht von der Hand gewiesen werden. Das Ansehen ist, wie zu Recht kritisiert wird, ein kaum fassbares Schutzgut, das je nach dem Willen des handelnden Beamten unterschiedlich eng oder weit verstanden werden kann. So könnte auch angenommen werden, dass bereits Verhaltensweisen unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit, das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen können.304 Ein derart unbestimmtes Rechtsgut kann mit Blick auf die zwingende Rechtsfolge des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG aber kein tauglicher Belang sein, um eine Passversagung rechtfertigen zu können. Auch Art. 1 Ziffer 7.1.1.4 PassVwV kann über diese Probleme nicht hinweghelfen, da auch dieser nichts zur Auslegung des Begriffs beiträgt. Weder für den handelnden Beamten, noch für den Betroffenen ist somit hinreichend deutlich, welche Verhaltensweisen einen ausreichend schweren Ansehensverlust im Ausland befürchten lassen und eine passbeschränkende Maßnahme auslösen können.305 Eine Beschränkung der Ausreisefreiheit, die sich alleine auf befürchtete Beeinträchtigungen des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland stützt, ist schließlich auch nicht mit den in Art. 27 Abs. 1 RL 2004/38/EG erwähnten Schranken der EU-Freizügigkeitsrichtlinie sowie den Schranken des Art. 2 Abs. 3 Protokoll Nr. 4 zur EMRK vereinbar.306 Der Schutz des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland ist somit kein tauglicher sonstiger erheblicher Belang im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG.307

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Damit bietet das Schutzgut der sonstigen erheblichen Belange letztlich ein Einfallstor für die Berücksichtigung untauglicher Belange, wie beispielsweise politische Erwägungen oder allgemeine Sittlichkeits- und Ordnungsaspekte. Rossi, AöR 2002, 612 (634); a. A.: Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 105, der politische Erwägungen im Rahmen des § 7 Abs. 1 PaßG für zulässig hält. 305 Rossi, AöR 2002, 612 (636). 306 Rossi, AöR 2002, 612 (639). 307 Dies gilt auch für die sonstigen „Interessen“, die in Art. 1 Ziffer 7.1.1.4 genannt werden. Vgl. Rossi, AöR 2002, 612 (635 ff.).

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(bb) Schutz der auswärtigen Beziehungen und Einhaltung völkerrechtlicher Pflichten Die Pflege und der Erhalt von auswärtigen Beziehungen und damit auch die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen, sind Belange, die ein vergleichbares Gewicht wie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aufweisen. Um sich bestmöglich innerhalb der Staatengemeinschaft entfalten zu können, ist jeder Staat auf ein gutes, freundschaftliches Verhältnis zu den übrigen Staaten angewiesen. Dies rechtfertigt jedoch nicht, bei jeder potentiell drohenden Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen im Verhältnis zu einem anderen Staat, einen Passversagungsgrund anzunehmen. Erforderlich ist vielmehr die Gefahr einer schwerwiegenden, das freundschaftliche Verhältnis zu anderen Staaten erheblich belastenden Störung, hinter der das Recht des Einzelnen auf Ausreisefreiheit im Einzelfall zurücktritt.308 Eine derartige Störung kann insbesondere bei völkerrechtlichen Verstößen angenommen werden, denn für rechtswidrige und schuldhafte Verstöße gegen das Völkerrecht kann ein pflichtwidrig handelnder Staat nach anerkanntem Völkergewohnheitsrecht zur Verantwortung gezogen und zur Wiedergutmachung verpflichtet werden.309 Bestehen Streitigkeiten zwischen den Staaten über das Vorliegen eines völkerrechtlichen Verstoßes und den sich daraus ergebenden Konsequenzen, können diese gemäß Art. 36 Abs. 1 IGH-Statut zum Gegenstand eines Verfahrens vor dem internationalen Gerichtshof gemacht werden. Völkerrechtliche Verstöße sind daher geeignet, das Verhältnis zwischen zwei oder mehreren Staaten erheblich zu belasten. Bei der Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen handelt es sich somit ohne weiteres um einen konkretisierbaren und eigenen Belang der Bundesrepublik Deutschland von besonderer Bedeutung. Ein strafbares Verhalten deutscher Staatsbürger im Ausland indiziert gleichwohl noch keinen völkerrechtlichen Verstoß, denn einem Staat kann das strafbare Verhalten einzelner Personen nur in wenigen Fällen als völkerrechtswidriges Delikt zugerechnet werden.310 Nach den Artikeln 4, 5 und 9 der ILC Artikel zur Verantwortlichkeit der Staaten (ILC ARS)311 findet eine Zurechnung zum einen statt, wenn eine Person als Repräsentant oder im Auftrag eines Staates tätig wird. Zum anderen kann ein Staat gemäß Art. 9 u. 11 ILC ARS für das Fehlverhalten Einzelner zur Verantwortung gezogen werden, wenn er sich dieses Verhalten fördert und steuert oder sich dieses zu eigen macht.312 Eine Zurechnung des Verhaltens von Zuschauern 308 Vgl. auch Art. 1 Ziffer 7.1.1.4 PassVwV; Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/ PAuswG, § 7 PassG, Rn. 11, 15. 309 Herdegen, Völkerrecht, § 58 Rn. 4 ff.; Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 112. 310 Herdegen, Völkerrecht, § 58 Rn. 6; Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37 (42). 311 Anlage zur Resolution 56/83 der UN-Generalversammlung vom 12.12.2001. 312 Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 113, benennt als einen typischen Fall die Unterstützung von Terroristen. Darüber hinaus ist aber auch an die Unterstützung separatistischer oder sonstiger oppositioneller paramilitärischer Gruppen im Ausland zu denken.

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einer Sportveranstaltung scheidet nach diesen Regeln offenkundig aus.313 Die Bundesrepublik Deutschland muss sich demnach ein strafbares Verhalten seiner Staatsbürger im Rahmen von Sportveranstaltungen im Ausland nicht als eigenen völkerrechtlichen Verstoß zurechnen lassen. Die völkerrechtliche Lehre geht indes zunehmend von einem allgemeinen völkerrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme aus.314 Demnach hat ein Staat auf die Sicherheitsbelange anderer Staaten Rücksicht zu nehmen und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um Schäden von einem fremden Staat und seiner Bürger abzuwenden.315 Dieses Gebot ist vor allem im Umweltvölkerrecht anerkannt.316 Aus dem Prinzip der Staatengleichheit sowie dem Gewalt- und Interventionsverbot lässt sich allerdings ein über das Umweltvölkerrecht hinausreichendes allgemeines Gebot der Rücksichtnahme ableiten.317 Demnach darf ein Staat nicht tatenlos bleiben, wenn von seinem Hoheitsgebiet erkennbare Gefahren ausgehen, die schwere Schäden innerhalb des Hoheitsgebietes eines anderen Staates zu verursachen drohen.318 Hat ein Staat beispielsweise gesicherte Erkenntnisse darüber, dass Personen aus seinem Staatsgebiet ausreisen, um im Ausland Straftaten zu verüben, kann er dazu verpflichtet sein, Maßnahmen zur Verhinderung dieser Taten zu ergreifen.319 Bleibt der Staat in diesem Fall untätig, wird ihm gleichwohl nicht das strafbare Verhalten seiner Staatsbürger zugerechnet, vielmehr muss er sich das Unterlassen geeigneter Maßnahmen als eigenen völkerrechtlichen Verstoß entgegenhalten lassen.320 Da das Verhalten des Einzelnen dem Staat nicht zugerechnet wird, kann die Gefahr eines Verstoßes gegen völkerrechtliche Pflichten zwangsläufig auch kein berücksichtigungsfähiger sonstiger erheblicher Belang im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG sein. Dies ist die zwingende Konsequenz daraus, dass Ausgangspunkt einer Passversagung nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 PaßG stets ein Verhalten des Passbewerbers ist. Auch hinsichtlich der anzustellenden Prognose ergeben sich Schwierigkeiten, da es hinreichender Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Verletzung völkerrechtlicher Pflichten bedürfte. Selbst wenn sicher feststeht, dass der 313

Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37 (42). In frühen Veröffentlichung bereits Ruck, Grundsätze im Völkerrecht, S. 46 ff.; Ritter, BB 1984, 1109; Vogel, in: Kley/Sünner/Willemsen (Hrsg.); Festschrift für Wolfgang Ritter, S. 788; aktuelle Fürsprecher u. a.: Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 8 Rn. 5 ff.; SeibertFohr, ZaöRV 2013, 37 (60). 315 Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 112; Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37 (43). 316 Siehe: Vogel, in: Kley/Sünner/Willemsen (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Ritter, S. 781 ff. m. w. V.; Herdegen, Völkerrecht, § 51 Rn. 2; Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 118 f. 317 Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 115 ff., 120 f. 318 Herdegen, Völkerrecht, § 58 Rn. 6. Besondere Schutzpflichten treffen einen Staat insoweit hinsichtlich der diplomatischen Einrichtungen fremder Staaten innerhalb seines Hoheitsgebietes. 319 Vgl. Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37 (50 ff.); Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 129; von Mohl, Die Polizei-Wissenschaft nach den Grundsätzen des Rechtsstaates, S. 113 f. 320 Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37 (43); Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 114. 314

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Passbewerber Straftaten im Ausland begehen wird, könnte erst dann eine Gefährdung der Verletzung völkerrechtlicher Pflichten angenommen werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass keine anderen Abwehrmaßnahmen zur Verhinderung dieser Taten zu erwarten sind.321 Ein solches Unterlassen wäre aber nicht dem Passbewerber anzulasten und auch keine Folge seines Fehlverhaltens, sondern die eigentliche Ursache für den drohenden völkerrechtlichen Verstoß. Es mangelt demnach an einem Zurechnungszusammenhang zwischen dem Fehlverhalten des Passbewerbers und der Gefahr eines völkerrechtlichen Verstoßes.322 Ein drohender Verstoß gegen völkerrechtliche Pflichten ist daher kein sonstiger erheblicher Belang im Sinn des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG. (cc) Verhindern von Straftaten im Ausland Ebenfalls nicht ohne weiteres mit Wortlaut, Zweck und Systematik des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG ist es vereinbar, die Verhinderung von Straftaten im Ausland zu Gunsten der Rechtsgüter eines fremden Staates und seiner Staatsbürger als sonstigen erheblichen Belang der Bundesrepublik Deutschland anzusehen. Die Abwehr von Straftaten in einem fremden Staat ist in erster Linie kein Belang der Bundesrepublik Deutschland, sondern einer des betreffenden Staates.323 Dies gilt grundsätzlich auch, wenn es um die Abwehr solcher Taten geht, die Teil eines internationalen, staatenübergreifenden Gewalt- oder Kriminalitätsproblems sind.324 Es ist zwar zutreffend, dass gewisse Ausprägungen von Gewalt und sonstiger Kriminalität ein staatenübergreifendes Problem darstellen und daher gemeinsam von mehreren Staaten zu bekämpfen sind, daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass ein Verhalten, das einem grenzüberschreitenden Gewalt- oder Kriminalitätsproblem zuzurechnen ist, stets einen eigenen erheblichen Belang im Sinne einer Fremdverantwortlichkeit für die Sicherheit des anderen Staates auslöst, zumal nicht jedes grenzüberschreitende Gewalt- oder Kriminalitätsproblem Belange berührt, die ein vergleichbares Gewicht wie die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aufweisen. Davon muss auch dann ausgegangen werden, wenn gegenüber einem anderen Staat mittels eines bi- oder multilateralen Abkommens eine Unterstützung und Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung vereinbart

321 Dem Staat steht es aber grundsätzlich frei, zwischen den zur Verfügung stehenden Mitteln dasjenige zu wählen, das am geeignetsten erscheint, um die Gefahr zu bekämpfen. Siehe: Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 129; zustimmend: Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37 (52 ff.). 322 Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37 (44, 50). 323 Suhr, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV, AEUV, Art. 67 AEUV Rn. 5. 324 Richtigerweise wohl aber nicht in den Fällen des internationalen Terrorismus, vgl. VG Aachen, Beschluss vom 14.4.2009, 8 L 164/09 = NVwZ-RR 2009, 781; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7.3.2011, 5 S 22/10, 5 M 34/10 = NVwZ-RR 2011, 500; Daum, DÖV 2014, 526 (529).

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wurde.325 Verträge dieser Art führen in aller Regel nicht zu einer Übertragung der Verantwortung für die Sicherheit im Sinne einer eigenen Pflicht auf einen anderen Staat.326 Für das Verhältnis der Mitgliedsstaaten in der Europäischen Union gilt entsprechendes. Unzutreffend ist jedenfalls die pauschale Annahme, Belange der inneren Sicherheit eines Mitgliedsstaates seien ein eigener Belang jedes anderen Mitgliedsstaates. Die Entwicklung Europas als einheitlicher „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ (Art. 2 S. 1 EUV) soll gemäß Art. 67 ff. AEUV vor allem die justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit stärken. Die Staaten sollen sich so gegenseitig bei der Bewältigung ihrer Sicherheitsaufgaben unterstützen. Die Art. 67 ff. AEUV führen allerdings ausweislich des eindeutigen Wortlauts des Art. 72 AEUV weder zu einer Vergemeinschaftung nationaler Sicherheitsaufgaben noch zu einer Übertragung der Wahrnehmungsverantwortung für die innere Sicherheit auf die übrigen Mitgliedsstaaten.327 Das Passrecht ist auch seinem Zweck nach nicht unmittelbar darauf gerichtet, dem Schutz eines fremden Staates und seiner Staatsbürger zu dienen. Zwar handelt es sich bei der Passversagung um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie ist jedoch nicht darauf gerichtet, die Einreise in einen fremden Staat zu unterbinden, um hierdurch eine von dem Passbewerber ausgehende Gefahr für den fremden Staat oder seiner Staatsbürger abzuwehren.328 Der Zweck der Norm erschöpft sich vielmehr darin, die inländischen Interessen, die durch das Recht zur Ausreise tangiert werden, zu regeln. Bei der Passversagung wird das Recht zur Ausreise mit absoluter Wirkung beschränkt, denn der Adressat dieser Maßnahme verstößt bei jedem Versuch der Ausreise gegen seine Passpflicht gemäß § 1 Abs. 1 PaßG und zwar unabhängig davon, zu welchem Zweck und mit welchem Reiseziel er auszureisen gedenkt. Die in § 7 PaßG genannten Gründe, die zu einer Passversagung führen, kennzeichnen sich deshalb dadurch, dass sie durchweg an Gefahren von gewisser Dauer anknüpfen, die nicht von der Einreise in ein bestimmtes Land abhängig sind und daher das aus einer Passversagung folgende absolute Ausreiseverbot rechtfertigen können.329 Dies gilt auch für den Versagungsgrund gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 10 PaßG, der vor allem dazu dient, Personen, bei denen die Begehung von Straftaten mit terroristischem Hintergrund befürchtet wird, nicht ausreisen zu lassen. Derartige Taten sind im Gegensatz zu den szenetypischen Straftaten im Rahmen von Fußballspielen zeitlich und räumlich kaum einzugrenzen. Daraus ergibt sich eine gewisse Dauergefahr, bei der eine Passbeschränkung nicht gleichermaßen geeignet wäre, das Strafverfolgungsinteresse sowie das Interesse, terroristische Taten zu verhindern, zu schützen. Bei Personen, die im Verdacht stehen, Straftaten im Zusammenhang mit Fußballspielen 325

Allgemein zur polizeilichen Zusammenarbeit aufgrund bilateraler Verträge siehe: Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 1 PAG, Rn. 109 ff. m. w. V. 326 Vgl. u. a.: Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 249 ff. 327 Kugelmann, Die Verwaltung 2014, 25 (32); Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 17. 328 BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, I C 67/67 = DÖV 1969, 74. 329 VG Aachen, 31.3.2016, 8 L 1094/15 (juris); Rossi, AöR 2002, 612 (626, 630 f.).

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im Ausland zu begehen, lässt sich die von ihnen ausgehende Bedrohung demgegenüber häufig auf einen oder mehrere Staaten sowie auf einen bestimmten Tag oder zumindest einen bestimmten Zeitraum eingrenzen. Eine Passversagung, die sich nur auf die Besorgnis von Straftaten im Zusammenhang mit Fußballspielen im Ausland stützt, wäre demnach nur schwer mit dem Übermaßverbot zu vereinbaren, sofern nicht besondere Gründe vorliegen, die eine absolute Beschränkung der Ausreisefreiheit rechtfertigen können.330 In den überwiegenden Fällen wäre zur Abwehr derartiger Gefahren eine Passbeschränkung gemäß § 7 Abs. 2 PaßG ausreichend.331 Darin wird ein systematischer Unterschied zu den übrigen Versagungsgründen des § 7 Abs. 1 PaßG deutlich. Bei der Verhinderung von Straftaten im Ausland kann es sich deshalb nur dann um einen sonstigen erheblichen Belang der Bundesrepublik Deutschland handeln, wenn an der Verhinderung dieser Taten ein eigenes nationales Interesse besteht, welches die Versagung eines Passes und ein damit einhergehendes absolutes Ausreiseverbot rechtfertigt. Dieses Interesse wird allerdings durch die Interessen anderer Staaten durchaus beeinflusst.332 Unabhängig völkervertragsrechtlicher Beziehungen kann das Ergreifen von Maßnahmen zur Bekämpfung grenzübergreifender Straftaten als eine völkerrechtliche Pflicht angesehen werden.333 Auch wenn das Strafrecht der einzelnen Staaten teilweise erhebliche Unterschiede aufweist, besteht zumindest bei bestimmten Handlungen ein zwischenstaatlicher Konsens, dass es sich bei diesen um Straftaten handelt. Hierzu gehören jedenfalls diejenigen Handlungen, die sich unmittelbar gegen Leib und Leben einer anderen Person oder gegen die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen richten.334 Straftaten dieser Art bedrohen nicht nur das friedliche Zusammenleben innerhalb der Gesellschaft, sondern können auch Einfluss auf das Verhältnis der Völker untereinander nehmen.335 Das Bekämpfen dieser Taten ist deshalb eine Aufgabe aller Staaten.336 Durch Art. 25

330

Danwitz, NJ 2000, 567 (569). Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 37. 332 Haag, in: Von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 21 AEUV Rn. 29 ff. 333 Jedenfalls soweit durch diese Taten anerkannte Menschenrechte bedroht werden, vgl. Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37 (47 f.); Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 120, 136 ff.; Dröge, Positive Verpflichtungen der Staaten in der Europäischen Menschenrechtskonvention, S. 291 ff.; Grundlegend bereits: von Mohl, Die Polizei-Wissenschaft nach den Grundsätzen des Rechtsstaates, S. 113 f. 334 Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 120; Kugelmann, NVwZ 2016, 25 (27); sowie: Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 32, sehen jedenfalls eine Verantwortung für die Verhinderung terroristischer Taten. 335 Seibert-Fohr, ZaöRV 2013, 37 (39). 336 Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob diese Taten erkennbar von deutschen Staatsbürgern ausgehen, da es allein um die Verhinderung dieser Taten und nicht um die Frage ihrer nationalen Zurechenbarkeit geht. a. A.: Daum, DÖV 2014, 526 (530); Barczak, JURA 2014, 888 (898). 331

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S. 1 GG wird diese Aufgabe zum Bestandteil des Bundesrechts.337 Für eine derartige Pflicht der Bundesrepublik Deutschland spricht auch Art. 26 Abs. 1 GG, dessen Anwendungsbereich zwar eher eng zu verstehen ist und somit auf den Schutz des „Kernbereich des völkerrechtlichen Friedenssicherungsrechts“ gerichtet ist, dem jedoch ein allgemeiner Grundsatz des friedlichen und rücksichtsvollen Umgangs mit anderen Staaten zu entnehmen ist.338 Das Verhindern einer Straftat, die die Rechtsgüter eines fremden Staates oder seiner Bürger bedroht, kann daher ein eigener Belang Deutschlands sein, wenn diese Tat aufgrund besonderer Umstände in zumutbarer Art und Weise durch ein Handeln der Bundesrepublik Deutschland und seiner Organe verhindert werden kann, ohne die Souveränitätsrechte des anderen Staates zu verletzen.339 Ein eigener Belang der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG ist zumindest in denjenigen Fällen anzunehmen, in denen es um die Abwehr schwerer Straftaten geht, durch die besonders bedeutsame Rechtsgüter in einem auswärtigen Staat bedroht werden. Eine derart begründete Passversagung ist mit Art. 2 Abs. 1 GG ebenso vereinbar, wie mit den Freizügigkeitsrechten der EMRK und des AEUV, denn Art. 2 Abs. 2 Protokoll Nr. 4 zur EMRK und Art. 21 Abs. 1 AEUV gestatten jeweils einen Eingriff in die Freizügigkeit, wenn dies der Verhinderung einer Straftat dient.340 Dem deutschen Gesetzgeber ist jedoch der Vorwurf zu machen, dass er es bislang versäumt hat, § 7 Abs. 1 PaßG zu präzisieren und sich stattdessen auf die Ergänzungen in § 24 PaßG und Art. 1 Ziffer 7.1.1.4 PassVwV beschränkt hat. Nach derzeitigem Recht bleibt deshalb unklar, bei welchen Straftaten ein Einschreiten der Bundesrepublik Deutschland zu Gunsten anderer Staaten und seiner Staatsbürger einen eigenen Belang darstellt und eine Passversagung zur Folge hat.341 Lediglich in den eindeutigen Fällen, in denen es um die Verhinderung schwerer Taten geht, die sich gegen Leib und Leben Dritter richten oder die Schwelle des § 125 StGB überschreiten, bestehen keine Zweifel. In diesen Fällen dürfte ein eigener Belang stets anzunehmen, bei Bagatelldelikten und bloßen Ordnungswidrigkeiten hingegen stets abzulehnen sein.342 Probleme bereiten indes Straftaten, die der mittleren und mittelschweren Kriminalität zuzurechnen sind. In diesen Fällen bleibt sowohl für die 337 Zur Annahme einer staatlichen Pflicht Ausschreitungen im Ausland zu verhindern, siehe: VG Berlin, 28.2.2017, 23 K 524.15 (juris). 338 Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 26 Rn. 16; Heintschel von Heinegg, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Art. 26 Rn. 7. 339 Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 26 Rn. 16. 340 Schwerdtfeger, EuZW 2012, 56 (58 f.); Kugelmann, NVwZ 2016, 25 (27); Rossi, AöR 2002, 612 (622 ff., 639); Fehn, DPolBl 2001, 23 (23). 341 Rachor, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 765; Rossi, AöR 2002, 612 (635). 342 A. A. Rossi, AöR 2002, 612 (638) der Straftaten, die sich gegen Individualrechtsgüter richten nicht für berücksichtigungsfähig hält; ihm folgend: OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991.

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

Verwaltung als auch für den Betroffenen unklar, ob eine Passversagung rechtmäßig ist oder nicht. Das Erfordernis einer vergleichbaren Beeinträchtigung, die der inneren und äußeren Sicherheit entspricht, deutet zunächst darauf hin, keinen sonstigen erheblichen Belang der Bundesrepublik Deutschland anzunehmen. Zweifel kommen aber in den Fällen auf, in denen eine wiederholte Begehung solcher Taten droht. Die Konsequenz eines derart unbestimmten Schutzgutes ist letztlich, dass auch für den Betroffenen nicht ersichtlich ist, welches ihm anzulastende Vorverhalten erforderlich ist, um die i. S. d. § 7 Abs. 1 PaßG erforderliche Prognose zum Erlass einer pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahme stützen zu können.343 Es wird somit deutlich, dass der Gesetzgeber § 7 Abs. 1 PaßG aus Gründen der Rechtssicherheit dringend um eine klarstellende Regelung erweitern sollte. bb) Entziehen des Passes sowie Passbeschränkungen Ein Pass kann gemäß § 8 PaßG entzogen werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die ein Versagen im Sinne des § 7 Abs. 1 PaßG rechtfertigen würden. Es kann daher umfassend auf die Ausführungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen zum Versagen eines Passes verwiesen werden. Die Passbeschränkung ist als Minusmaßnahme gemäß § 7 Abs. 2 PaßG anstelle einer Passversagung oder einer Passentziehung in Betracht zu ziehen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen entsprechen denen der Passversagung bzw. -entziehung und richten sich somit ebenfalls nach § 7 Abs. 1 PaßG. c) Rechtsfolgen aa) Passversagung (§ 7 Abs. 1 PaßG) Bei der Passversagung handelt es sich grundsätzlich um eine gebundene Entscheidung. Allerdings ist die Behörde auch bei gebundenen Entscheidungen an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Ausdruck rechtsstaatlichen Handelns gebunden.344 Sie hat daher zu berücksichtigen, ob weniger grundrechtsintensive Mittel zur Verfügung stehen, die ebenso geeignet sind, das Erreichen des mit der Maßnahme verfolgten Ziels sicherzustellen. Gemäß § 7 Abs. 2 PaßG ist von einer Passversagung insbesondere dann abzusehen, wenn eine räumliche oder zeitliche Beschränkung des Passes genügt.345

343

A. A.: Breucker, NJW 2004, 1631 (1631), der gerade die Betonung des Bestimmtheitsgebots hervorhebt. 344 Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PauswG, § 7 PassG, Rn. 9; Naumann, DÖV 2011, 96 ff.; Kritisch: Mehde, DÖV 2014, 541 ff. 345 Hierzu auch: OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991.

III. Ausreisebeschränkende Maßnahmen des Pass- und Personalausweisrechts

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bb) Entziehen des Passes (§ 8 PaßG) Anders als bei der Passversagung handelt es sich bei der Entscheidung darüber, ob ein Pass entzogen wird, um eine Ermessensentscheidung. Die Behörde kann somit nicht nur auf die weniger intensive Maßnahme der Passbeschränkung zurückgreifen, sondern sogar gänzlich von einer Maßnahme gegen den Betroffenen absehen. In Anbetracht der hochrangigen Schutzgüter kommt ein gänzliches Absehen von Maßnahmen jedoch nur ausnahmsweise, beispielsweise dann, wenn ein Pass ohnehin in Kürze abläuft oder der Betroffene freiwillig seinen Pass abgibt, in Betracht.346 cc) Räumliche und zeitliche Beschränkung des Passes (§ 7 Abs. 2 PaßG) Bei einer Passbeschränkung wird der Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer des Passes beschränkt. Sie kann als Minusmaßnahme anstelle einer Passversagung oder anstelle einer Passentziehung in Betracht kommen, wenn sie ebenso geeignet ist, das mit der Maßnahme verfolgte Ziel zu erreichen. Der Wortlaut des § 7 Abs. 2 PaßG gestattet es der Behörde, trotz eigentlich gebundener Entscheidung, unter Umständen gänzlich von einer passrechtlichen Maßnahme abzusehen.347 Dies kann insbesondere im Hinblick auf ausweisrechtliche Maßnahmen geschehen, wenn mit diesen die Ausreise einer Person ebenso sicher verhindert werden kann.348 Der parallele Erlass von pass- und ausweisrechtlichen Maßnahmen kann aber gleichwohl verhältnismäßig sein.349 Entschließt sich die Behörde zu einer Passbeschränkung, liegen Art und Umfang der Beschränkungen in ihrem Ermessen.

346

Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 8 PassG, Rn. 2. Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 36; Nach Rossi, AöR 2002, 612 (628 ff.) ist indes aufgrund der Ausgestaltung der Norm davon auszugehen, dass der Behörde kein subjektives Auswahlermessen mehr zusteht. Bei § 7 Abs. 1 u. 2 PaßG handele sich eher um eine Sollvorschrift. Dieser Auffassung widersprechend: Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 147 f. 348 OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991. 349 Hornung, in ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 35; Dies gilt auch für den parallelen Erlass einer Passbeschränkung neben einer bereits bestehenden Meldeauflage. So auch: Barczak, JURA 2014, 888 (899); a. A.: Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S. 72, der den parallelen Erlass einer Passbeschränkung in denjenigen Fällen für unverhältnismäßig erachtet, in denen nur eine Ausreise in Länder verhindert werden soll, in denen der Personalausweis als Passersatz anerkannt ist. Dem dürfte jedoch zu widersprechen sein, da es der Person in diesen Ländern freigestellt ist, welches Dokument er mit sich führt. Es liegt auf der Hand, dass stets das Dokument mitgeführt werden dürfte, aus dem die Beschränkung der Ausreisefreiheit nicht ersichtlich ist. Verfügt eine Person lediglich über einen Ersatz-Personalausweis gemäß § 6a Abs. 3 PAuswG, der nicht zur Ausreise berechtigt, dürfte der parallele Erlass einer passrechtlichen Maßnahme stets erforderlich und auch angemessen sein, da ansonsten eine Ausreise mit Hilfe des Passes nicht auszuschließen ist. 347

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

4. Voraussetzungen für den Erlass ausweisrechtlicher Maßnahmen nach dem PAuswG Ausweisrechtlichen Maßnahmen kommt im Hinblick auf die Beschränkung der Ausreisefreiheit inzwischen eine gesteigerte Bedeutung zu.350 Dieser Zuwachs an Bedeutung rührt daher, dass gemäß § 7 Abs.1 Nr. 1 PassV der Personalausweis bei der Ausreise als Passersatz gilt und daher jedenfalls dann zur Einreise in einen fremden Staat verwendet werden kann, wenn dieser den Personalausweis als Identifikationsnachweis anstelle des Passes bei der Ein- und Ausreise anerkennt. Innerhalb Europas ist diese Anerkennung inzwischen der Regelfall, so dass allein mit passrechtlichen Maßnahmen das Ziel, die Ausreise ins europäische Ausland zu verhindern, häufig nicht erreicht werden kann.351 a) Formelle Rechtmäßigkeit Für ausweisrechtliche Maßnahmen ist gemäß § 7 Abs. 1 PAuswG, ebenso wie bei passrechtlichen Maßnahmen, regelmäßig die Gemeinde, in der der Betroffene seinen Wohnsitz hat, zuständig. Eine der PassVwV entsprechende Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des PAuswG hat der Bund bislang nicht erlassen. Nach den Hinweisen des Bundesministeriums des Innern zur Durchführung des Personalausweisund Passgesetzes352 ist die PassVwV jedoch entsprechend anwendbar. In der Praxis entspricht somit die Form einer ausweisrechtlichen Maßnahme der einer passrechtlichen Maßnahme. Anders als eine Passbeschränkung wird eine Ausweisbeschränkung jedoch nicht im Personalausweis eingetragen. Ihr Inhalt wird stattdessen gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 15 PAuswG im Personalausweisregister aufgenommen. Zusätzlich darf sie gemäß § 6 Abs. 7 PAuswG im Grenzfahndungsbestand gespeichert werden. b) Materielle Rechtmäßigkeit aa) Ausweisbeschränkungen (§ 6 Abs. 7 PAuswG) Eine Ausweisbeschränkung kommt gemäß § 6 Abs. 7 PAuswG unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PaßG in Betracht. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Passversagung verwiesen werden.

350 Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S. 72 m. w. V. 351 Wache, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, § 7 PassG Rn. 2; Europäisches Abkommen über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats vom 13.12.1957. 352 In der aktuellen Version vom 23.5.2016.

III. Ausreisebeschränkende Maßnahmen des Pass- und Personalausweisrechts

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bb) Ausweisversagung und Entziehung (§ 6a PAuswG) Das Versagen oder Entziehen eines Personalausweises ist im Vergleich zu passrechtlichen Maßnahmen nur unter deutlich strengeren Voraussetzungen möglich. So kommt das Versagen eines Personalausweises gemäß § 6a Abs. 1 S. 1 PAuswG nur unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 10 PaßG in Betracht. Für die im Zusammenhang mit Gewalt bei Fußballspielen in der Praxis einzig relevante Variante gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG bestimmt § 6a Abs. 1 S. 2 PAuswG, dass zusätzliche Tatsachen die Annahme begründen müssen, dass der Ausweisbewerber Angehöriger oder Unterstützer einer terroristischen Vereinigung i. S. d. § 129a StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen) oder § 129a i. V. m. § 129b Abs. 1 S. 1 StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen im Ausland) ist (Nr. 1) oder „rechtswidrig Gewalt gegen Leib oder Leben als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange anwendet oder eine solche Gewaltanwendung unterstützt oder vorsätzlich hervorruft“ (Nr. 2).353 Dass diese Voraussetzungen bei Personen, die mit störendem Verhalten im Rahmen von Fußballspielen in Verbindung stehen, erfüllt sein könnten, ist unwahrscheinlich.354 Für das Entziehen des Personalausweises gelten gemäß § 6 a Abs. 2 PAuswG grundsätzlich dieselben Voraussetzungen wie bei dessen Versagung, allerdings muss in diesem Fall zusätzlich im Voraus eine vollziehbare Anordnung gemäß § 6 Abs. 7 PAuswG i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 10 PassG (Ausweisbeschränkung) gegen den Ausweisinhaber erlassen worden sein. c) Rechtsfolgen aa) Ausweisbeschränkungen Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 7 PAuswG i. V. m. § 7 Abs. 1 PaßG vor, so steht die Entscheidung darüber, ob und in welchem Maße eine Beschränkung des Personalausweises erlassen wird, im Ermessen der Behörde. Trotz einer räumlichen Beschränkung, nach der der Ausweis nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland berechtigt, bleibt der Personalausweis als Identitätsnachweis im Inland uneingeschränkt gültig.355 Zeitliche Beschränkungen des Personalausweises sind gesetzlich nicht vorgesehen. Anders als dies gemäß § 7 Abs. 2 S. 3 PaßG im Fall einer Passbeschränkung vorgesehen ist, ist jedoch, wenn der Grund für eine Ausweisbeschränkung entfällt, das Ausstellen eines neuen Personalausweises nicht erforderlich, da die Beschränkung nicht im Ausweis vermerkt wird. In 353 Zum Entzug des Personalausweises als Mittel der Terrorismusbekämpfung siehe: Kugelmann, NVwZ 2016, 25 ff. 354 Daran ändert auch die Entscheidung des BGH, Urteil vom 22.1.2015, 3 StR 233/14 = NJW 2015, 1540, nichts, da gemäß § 129a StGB strengere Voraussetzungen erfüllt sein müssen um von einer terroristischen Vereinigung ausgehen zu können, als bei einer (bloß) kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB. 355 Möller, in: Hornung/Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 6 PAuswG, Rn. 12.

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

diesem Fall werden lediglich die Daten im Personalausweisregister und gegebenenfalls im Grenzfahndungsbestand gelöscht. bb) Versagen und Entziehen des Personalausweises Die Entscheidung darüber, ob die Ausstellung eines Personalausweises versagt bzw. entzogen wird, steht im Ermessen der Behörde. Im Gegensatz zur Versagung des Passes wird in § 6a PAuswG nicht auf mildere Maßnahmen wie die Beschränkung des Personalausweises verwiesen. Indes ist das Übermaßverbot aber im Rahmen des pflichtgemäß durchzuführenden Ermessens ohnehin zu beachten. Demnach kommt eine Versagung des Personalausweises nur dann in Betracht, wenn eine räumliche Beschränkung des Personalausweises gemäß § 6 Abs. 7 PAuswG als mildere Maßnahme ausscheidet, weil sie das angestrebte Ziel des behördlichen Handelns nicht gleichermaßen sicherzustellen vermag. Die Entziehung des Personalausweises setzt demgegenüber gemäß § 6a Abs. 1 S. 1 PAuswG zwingend das Vorliegen einer vollziehbaren Ausweisbeschränkung voraus. Im Rahmen des behördlichen Ermessens ist daher zu prüfen, ob eine Entziehung des Personalausweises als zusätzliche Maßnahme überhaupt erforderlich und angemessen ist. Wird dem Betroffenen ein Personalausweis versagt oder entzogen, so ist ihm gemäß § 6a Abs. 3 PAuswG ein Ersatz-Personalausweis auszustellen. Im Gegensatz zum Personalausweis und vorläufigen Personalausweis dient der Ersatz-Personalausweis gemäß § 7 PassV nicht als Passersatz und kann daher nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland verwendet werden.

5. Ausreiseuntersagung, grenzpolizeiliche Kontrolle und strafrechtliche Sanktionen Die Einhaltung ausreisebeschränkender Maßnahmen wird im Wege der grenzpolizeilichen Kontrolle sichergestellt. Sie obliegt gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BPolG der Bundespolizei. Grenzbehörden sind aber auch der Zoll nach Maßgabe der §§ 66, 68 BPolG sowie, mit jeweils eingeschränktem Zuständigkeitsbereich, die bayerische Landespolizei356 und die Wasserschutzpolizei Hamburg.357 Grenzpolizeiliche Kontrollen dürfen allerdings innerhalb des Schengenraums gemäß der Art. 23 ff. der Verordnung (EU) 2016/399 vom 9.3.2016 nur unter Einschränkungen durchgeführt werden. Die stichprobenartige Grenzkontrolle (Art. 23 356 Für den Luftverkehr in Bayern mit Ausnahme des Flughafens Franz-Josef-Strauß, siehe § 1 des Verwaltungsabkommens zwischen dem Bundesministerium des Innern und der Bayerischen Staatsregierung über die Wahrnehmung von Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes in Bayern vom 17. April 2008. 357 Für den Hamburger Hafen, siehe: Verwaltungsabkommen über die Wahrnehmung der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs im Hamburger Hafen vom 22. Januar 1974.

III. Ausreisebeschränkende Maßnahmen des Pass- und Personalausweisrechts

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lit. a) iv) sowie eine vorübergehende Grenzkontrolle bei einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit (Art. 25 ff.) in einem Mitgliedsstaat bleibt jedoch möglich. Die im Einzelfall für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden sind gemäß § 10 Abs. 1 PaßG dazu ermächtigt, einer Person die Ausreise zu untersagen. Hiernach ist demjenigen, dem entweder der Pass versagt oder entzogen wurde, sowie demjenigen, dessen Ausweis gemäß § 6 Abs. 7 PAuswG beschränkt wurde, die Ausreise zu untersagen (unselbständige Ausreiseuntersagung). Dabei handelt es sich stets um eine gebundene Entscheidung.358 Gemäß § 10 Abs. 2 PaßG kann die Behörde jedoch in Ausnahmefällen bei Glaubhaftmachung eines dringenden Grundes für die Ausreise, die Ausreise gestatten. Dringende Gründe im Sinne des § 10 Abs. 2 PaßG können unter anderem unaufschiebbare Familienangelegenheiten sein, nicht jedoch ein allgemeines Urlaubsbedürfnis oder der Besuch eins Fußballspiels.359 Die Ausreiseuntersagung kann gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 und 3 PaßG auch als selbständige Entscheidung ergehen, ohne dass zuvor pass- oder ausweisrechtliche Maßnahmen gegen den Betroffenen erlassen wurden (selbständige Ausreiseuntersagung). Der Erlass einer selbständigen Ausreiseuntersagung steht im Ermessen der Behörde und kommt entweder in Betracht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen einer Passversagung gemäß § 7 Abs. 1 PaßG oder die einer Beschränkung des Passes gemäß § 7 Abs. 2 PaßG vorliegen, sowie ferner auch dann, wenn der Ausreisewillige keinen gültigen Pass oder Passersatz mitführt. Der Prognosemaßstab ist damit scheinbar geringer, als im Fall einer Passversagung gemäß § 7 Abs. 1 PaßG, bei der der Gesetzgeber eine aufgrund von Tatsachen begründete Annahme verlangt.360 Es erscheint indes naheliegender, dass der Gesetzgeber mit dieser sprachlichen Differenzierungen den typischen Umständen einer grenzpolizeilichen Kontrolle Rechnung tragen wollte, bei der eine erschöpfende Sachverhaltsermittlung schon aus zeitlichen Gründen häufig nicht möglich ist.361 Der Erlass einer Ausreiseuntersagung dürfte daher selbst dann in Betracht kommen, wenn die zu Grunde liegenden Tatsachen zwar noch nicht den Schluss auf ein konkretisiertes Geschehen zulassen, jedoch genügen, um auf eine bevorstehende und nicht lediglich unerhebliche Straftat im Ausland schließen zu können. Eine Person, die aus der Bundesrepublik ausreist oder die Ausreise versucht, obwohl ihr die Ausreise untersagt wurde, macht sich gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 PaßG strafbar. Dies gilt gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 PaßG auch für denjenigen, dem der Pass versagt oder entzogen wurde. Ferner steht ebenfalls die Ausreise oder versuchte Ausreise entgegen einer Pass- oder Ausweisbeschränkung gemäß § 24 358

Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 10 PassG, Rn. 4. Wache, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, § 10 PaßG Rn. 2. Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 10 PassG, Rn. 16. 360 Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 10 PassG, Rn. 7. 361 Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 10 PassG, Rn. 7 f. 359

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 PaßG unter Strafe.362 Im Gegensatz zu allen anderen pass- und ausweisbeschränkenden Maßnahmen hat es der Gesetzgeber jedoch unterlassen, die Ausreise oder versuchte Ausreise einer Person unter Strafe zu stellen, der der Personalausweis versagt wurde. Hierbei handelt es sich allem Anschein nach über eine unerkannte Strafbarkeitslücke. Bei einer Person, der der Personalausweis entzogen wurde, ergibt sich die Strafbarkeit ebenfalls aus § 24 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 PaßG, da dem Entzug des Personalausweises notwendigerweise gemäß § 6a Abs. 2 S. 1 PAuswG eine Beschränkung gemäß § 6 Abs. 7 PAuswG vorauszugehen hat.

6. Zwischenfazit Pass- und ausweisrechtliche Maßnahmen richten sich im Wesentlichen nach den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PaßG. Maßgeblicher Versagungsgrund im Zusammenhang mit der Verhinderung von Straftaten im Rahmen von Fußballspielen im Ausland ist die Gefährdung sonstiger erheblicher Belange. Zu den sonstigen erheblichen Belangen gehört die Abwehr schwerer Straftaten, die Leib oder Leben oder die Funktionsfähigkeit eines auswärtigen Staates und seiner Einrichtungen bedrohen. § 7 Abs. 1 PaßG erweist sich jedoch als defizitär, da eine Eingrenzung des Tatbestandes auf bestimmte Straftaten aus systematischen Gründen zwar notwendig ist, aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit aber ein konkreterer Wortlaut notwendig erscheint. In aller Regel dürften aus Gründen der Verhältnismäßigkeit Pass- oder Ausweisbeschränkungen einer Passversagung vorzuziehen sein.

IV. Meldeauflage 1. Beschreibung und Abgrenzung der Maßnahme Eine weitere typischerweise im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr im Rahmen von Fußballspielen angewendete Maßnahme ist die Meldeauflage. Sie verpflichtet ihren Adressaten, auf der Dienststelle einer Polizei- oder Ordnungsbehörde zu erscheinen und sich dort unter Vorlage eines Identitätsnachweises zu melden.363 Ihr eigentlicher Zweck ist allerdings eine in Bezug auf die positiv geregelte Meldepflicht sich ergebende Nebenfolge. Durch die Pflicht, zu einer bestimmten Zeit auf eine Dienstelle zu erscheinen, soll der Adressat der Maßnahme faktisch davon abgehalten werden, sich an bestimmte Örtlichkeiten zu begeben, um 362

Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 10 PassG Rn. 5; ungenau hingegen: Breucker, NJW 2004, 1631 (1632), der nicht zwischen gebundener und Ermessensentscheidung differenziert. 363 Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 51.

IV. Meldeauflage

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sich an störenden Handlungen beteiligen zu können.364 Bei Fußballveranstaltungen soll die Person daher insbesondere vom Stadion und dessen unmittelbarer Umgebung sowie weiteren neuralgischen Örtlichkeiten, gegebenenfalls sogar vom Spielort als solches, ferngehalten werden.365 Die fernhaltende Wirkung der Meldeauflage folgt – sofern der Adressat seiner Meldepflicht nachkommt – mittelbar aus ihrer Primärpflicht, denn in dem Moment, in dem die Meldung auf der Dienststelle erfolgt, ist es der Person faktisch unmöglich, an einem anderen Ort zu sein. In aller Regel geht von einer Meldeauflage aber auch über den Zeitraum der eigentlichen Meldung eine fernhaltende Wirkung aus, denn dem Adressaten kann es entweder aufgrund der hohen Frequenz einzelner Meldepflichten oder aufgrund Entfernung der Dienststelle zum Spielort zusätzlich erschwert sein, ein Fußballspiel zu besuchen.366 Die Modalitäten einer Meldeauflage können erheblich variieren. Sie richten sich nach den Erfordernissen der Gefahrenabwehr auf Grundlage der Umstände des Einzelfalls.367 Denkbar sind sowohl Meldepflichten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen müssen, als auch solche, bei denen der Person ein mehr oder weniger großzügiger Zeitraum zur Verfügung steht. Das Auferlegen einer Pflicht zur einmaligen Meldung ist ebenso möglich, wie eine Pflicht zu mehrmaligen Meldungen, so dass eine Meldeauflage je nach ihrer inhaltlichen Ausgestaltung über einen Zeitraum von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen oder sogar Wochen Wirkung entfalten kann. Meldeauflagen werden teilweise parallel zu anderen Fernhaltemaßnahmen erlassen.368 Bei Fußballspielen im Inland kommen sie neben Aufenthaltsverboten, bei Fußballspielen im Ausland neben pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahmen zur Anwendung.369

2. Grundrechtliche Dimension Eine Meldeauflage belastet den Adressaten in zweierlei Hinsicht. Sie ordnet zum einen mit Befehl und Zwang an, dass er zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu erscheinen und sich unter Duldung einer Identitätsfeststellung zu melden hat. Zum anderen verbirgt sich hinter dieser Anordnung eine den Adressaten zusätzlich belastende mittelbar-faktische Auswirkung, denn die Maßnahme beschränkt faktisch auch sein Recht, über die Wahl seines Aufenthaltsorts frei be364 Vgl. Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 205; Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 51; Schucht, NVwZ 2011, 709 (709). 365 Hierzu gehören beispielsweise Bahnhöfe, Innenstädte, Schankhäuser, etc.; vgl. Barczak, JURA 2014, 888 (892); Petersen-Thrö/Elzermann, KommJur 2006, 289 ff. 366 Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 51. 367 Vgl. das Beispiel bei: Barczak, JURA 2014, 888 (894). 368 Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 52 erkennt gar einen funktionellen Zusammenhang zwischen der Meldeauflage und dem Aufenthaltsverbot sowie dem privatrechtlichen Stadionverbot. 369 Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S. 75.

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

stimmen zu können. Es kann daher nicht überraschen, wenn Teile der Literatur und der Rechtsprechung in dem Erlass einer Meldeauflage einen Eingriff in Art. 11 GG beziehungsweise in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG sehen. a) Freizügigkeit, Art. 11 GG aa) Die Pflicht zum Erscheinen und Melden auf einer Dienststelle Zwar enthält die Meldeauflage im Gegensatz zum Aufenthaltsverbot kein explizites Verbot, einen bestimmten Ort aufzusuchen, jedoch könnte auch das Gebot, an einem bestimmten Ort zu erscheinen, den Schutzbereich des Freizügigkeitsrechts tangieren. Teile der Lehre erkennen ein Recht auf negative Freizügigkeit an. Art. 11 GG schütze demnach davor, zu einem Aufenthalt an einem anderen Ort gezwungen zu werden und gewähre damit das Recht, an dem einmal gewählten Aufenthaltsort verweilen zu dürfen.370 Die mit der Meldeauflage auferlegte Pflicht, auf einer Dienststelle zu erscheinen, berührt nach diesem Verständnis somit den negativen Schutzbereich der Freizügigkeit.371 Die Erweiterung des sachlichen Schutzbereichs des Art. 11 GG um eine negative Freizügigkeit stößt indes auf Widerspruch.372 Dabei wird jedoch übersehen, dass ohne die Anerkennung einer negativen Freizügigkeit das positiv gewährleistete Freizügigkeitsrecht unter Umgehung der Schranken des Art. 11 Abs. 2 GG leicht unterlaufen werden könnte. Die Freiheit, einen Ort aufsuchen zu können, wäre ohne das Recht, dort verweilen zu dürfen, weitgehend sinnentleert.373 Ohnehin sind sowohl die Wohnsitz- als auch die Aufenthaltsnahme von einer gewissen Dauerhaftigkeit im Sinne eines Verweilens geprägt.374 Die Freiheit über die Wahl des eigenen Aufenthaltsorts impliziert bereits das Recht, nicht unverzüglich weiter ziehen zu müssen.375 Ob diese Freiheit als ein Recht auf negative Freizügigkeit oder als ein Teil der positiven Freizügigkeit verstanden wird, kann letztlich dahinstehen.376 370

Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte. II, § 42 Rn. 162; Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 152 Rn. 46; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 334; differenzierter hingegen: Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 90. 371 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 334. 372 Hellermann, Die so genannte negative Seite der Freiheitsrechte, S. 146 ff., 150 f. 373 Zutreffend: Baer, NVwZ 1997, 27 (30). 374 Siehe hierzu Teil 2 III. 2. c) dd). 375 Durner, in Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 90 f. 376 Der Schutz der negativen Freizügigkeit darf nicht verwechselt werden mit dem mitunter in Art. 11 GG hineingelesenen Recht auf Heimat, das insbesondere im Zusammenhang mit den Zwangsumsiedlungsmaßnahmen in den Gebieten für den Abbau von Braunkohle thematisiert wird. Das Recht auf Heimat soll dabei aber weiter gehen als das Recht auf negative Freizügigkeit. Es soll nicht nur Umsiedlungsmaßnahmen entgegenstehen, sondern auch substanziellen Schutz vor dem Abbaggern der Heimat bieten. Siehe hierzu: Baer, NVwZ 1997, 27 ff.

IV. Meldeauflage

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Die Pflicht, auf einer Dienststelle erscheinen zu müssen, greift demnach in das Freizügigkeitsrecht gemäß Art. 11 GG ein, wenn sie ihren Adressaten dazu zwingt, seinen bisherigen Aufenthaltsort zu verlassen. Der mit der Pflicht verbundene Ortswechsel muss allerdings, ebenso wie die damit einhergehende neue Aufenthaltsnahme, eine gewisse Erheblichkeit aufweisen.377 Zur Erfüllung der Meldepflicht ist der Adressat der Meldeauflage zu einem mehr als bloß flüchtigen Verweilen auf der Dienststelle verpflichtet. Er muss zumindest solange dort verweilen, bis seine Identität festgestellt und die Erfüllung seiner Meldepflicht bestätigt wurde. Der hierfür erforderliche Zeitraum kann im Vorfeld nicht exakt bestimmt werden. Je nachdem wie hoch der Andrang auf der Dienststelle ist, wird aber zumindest ein Aufenthalt von mehreren Minuten erforderlich sein.378 Damit handelt es sich um einen in zeitlicher Hinsicht erheblichen Aufenthalt.379 Zudem wird der für die Meldung erforderliche Reiseaufwand allein zum Zweck der Meldung am Zielort aufgewendet. Das Motiv des Ortswechsels ist daher nicht die Fortbewegung, sondern der Aufenthalt. Durch eine Meldeauflage wird der Adressat somit zu einer Aufenthaltsnahme im Sinne des Art. 11 GG verpflichtet. Soweit die Meldeauflage ihren Adressaten dazu verpflichtet, seinen bisherigen Wohn- oder Aufenthaltsort über die Gemeindegrenze hinaus zu verlassen, zwingt sie diesen auch zu einem Ortswechsel im Sinne des Art. 11 GG.380 Im Regelfall wird es dem Adressaten einer Meldeauflage indes ermöglicht werden, sich bei einer Dienststelle an seinem Wohn- oder Aufenthaltsort zu melden.381 In diesen Fällen scheidet in Ermangelung eines Ortswechsels ein Eingriff in Art. 11 GG aus. Meldeauflagen, die den Adressaten zur Meldung auf einer weiter entfernten Dienststelle außerhalb seines Wohn- oder Aufenthaltsorts verpflichten, greifen hingegen unmittelbar in das Freizügigkeitsrecht ein. Derartige Meldeauflagen sind in der Praxis jedoch unüblich, da sie im Hinblick auf Verhältnismäßigkeitserwägungen einer gesteigerten Rechtfertigung bedürfen.382 Daher dürften derartige Meldeauflagen nur in denjenigen Fällen in Betracht kommen, in denen am Wohn- oder Aufenthaltsort des Adressaten keine geeignete polizei- oder ordnungsbehördliche Dienststelle zur Verfügung steht.

Nach Auffassung des BVerfG enthält Art. 11 GG jedoch kein derartiges Recht. BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u. 1 BvR 3386/08 (Garzweiler) = BVerfGE 134, 242. 377 Vgl. Teil 2 III. 2. c) dd). 378 In der Praxis muss ggf. mit einer Wartezeit von bis zu 30 Minuten gerechnet werden, Schucht, NVwZ 2011, 709 (711). 379 Arzt, Die Polizei 2006, 156 (158 f.). 380 Vgl. Teil 2 III. 2. c) cc). 381 Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 309. 382 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 348; Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 316.

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

Die mit der Meldeauflage auferlegte Pflicht, auf einer Dienststelle erscheinen zu müssen, greift demnach nur im Einzelfall in das durch Art. 11 Abs. 1 GG geschützte Freizügigkeitsrecht ein. bb) Die faktische Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit Neben ihrer positiven Regelungswirkung geht von einer Meldeauflage auch eine faktische Wirkung aus, die zu einem Eingriff in das Freizügigkeitsrecht führen könnte. Ziel der Meldeauflage ist es, den Adressaten der Meldeauflage durch das Auferlegen der Meldepflicht über einen gewissen Zeitraum räumlich von bestimmten Örtlichkeiten fern zu halten. Das rechtliche „komm her“ soll innerhalb des Zeitraums, in dem der Betroffene der Meldeauflage Folge zu leisten hat, zu einem mittelbar-faktischen „bleib weg“ führen.383 Dies gilt zumindest dann, wenn sich der Adressat einer Meldeauflage aufgrund der inhaltlichen Ausgestaltung der Maßnahme faktisch nur innerhalb eines eingeschränkten Umfelds bewegen kann, er sich insbesondere nicht beliebig lange und beliebig weit von dem Ort an dem er sich zu melden hat, entfernen kann. Diese faktische Einschränkung der Freizügigkeit ist die zwangsläufige Folge nahezu jeder Meldeauflage, soweit nicht dem Adressaten – was indes praxisfern ist 384 – eine Meldung auf jeder beliebigen Dienststelle innerhalb Deutschlands ermöglicht wird. Dem Adressaten einer Meldeauflage ist es somit faktisch nicht mehr möglich, jeden beliebigen Ort aufzusuchen und sich dort aufzuhalten, ohne gegen seine Meldepflichten zu verstoßen.385 Ausgehend vom Verständnis des modernen Eingriffsbegriffs könnten auch die mittelbar-faktischen Folgen einer Meldeauflage zu einem Eingriff in Art. 11 GG führen. Die Berücksichtigungsfähigkeit mittelbar-faktischer Eingriffe ist jedoch im Zusammenhang mit Art. 11 GG umstritten.386 Eine restriktive Ansicht, die sich auf die Schranken des Art. 11 Abs. 2 GG stützt, erkennt im Regelfall nur unmittelbare Beschränkungen als Eingriffe in das Freizügigkeitsrecht an.387 Die weitgehende Beschränkung auf den klassischen Eingriffsbegriff wird damit begründet, dass die Handlungsmöglichkeiten des Staates erheblich eingeschränkt wären, wenn auch mittelbar-faktische Beschränkungen der Freizügigkeit den besonderen Anforderungen des Art. 11 Abs. 2 GG gerecht werden müssten. Eine Vielzahl hoheitlicher Maßnahmen würde sich selbst dann, wenn sie im Kern andere Sachverhalte betrifft, mittelbar auf die Freizügigkeit auswirken, ohne dass der Staat ein entsprechendes 383 Siegel, NJW 2013, 1035 (1037); Butzer, VerwArch 2002, 506 (537 f.); BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = BVerwGE 129, 142. 384 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 334, 346; Petersen-Thrö/Elzermann, KommJur 2006, 289 (293). 385 Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht für Rheinland-Pfalz, G 29; Arzt, Die Polizei 2006, 156 (159); Breucker, SpuRt 2005, 133 (135). 386 Umfassend: Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 111 ff. 387 BVerwG, Urteil vom 18.11.1999; 5 C 8/99 = NVwZ-RR 2000, 644; zustimmend: Micker, DStR 2007, 1145 (1149).

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Handlungsbewusstsein habe. Eine derart erhebliche Einschränkung könne verfassungsrechtlich nicht gewollt sein.388 Im Zusammenhang mit dem Erlass von Meldeauflagen gibt es jedoch keinen Grund, die Gefahr einer erheblichen und unbilligen Einschränkung hoheitlicher Handlungsmöglichkeiten anzunehmen. In diesem Fall ist eine mittelbar-faktische Einschränkung der Freizügigkeit von vorn herein intendiert.389 Der Staat bzw. die jeweilige Behörde handelt somit in dem Bewusstsein, im grundrechtsrelevanten Bereich des Art. 11 GG zu agieren. In diesem Fall würde eine Differenzierung zwischen den unmittelbaren und mittelbaren Folgen staatlichen Handelns, dem Schutzzweck des Art. 11 GG und damit den Interessen des Grundrechtsträgers nicht mehr gerecht werden. Im Sinne eines effektiven Grundrechtsschutzes kann es für die Frage eines Eingriffs nicht darauf ankommen, ob bei ihrem Erlass eventuelle Reisepläne bestanden oder nicht. Entscheidend ist letztlich allein die aus der Maßnahme folgende Freiheitsverkürzung.390 Die Ausgestaltung der Meldeauflage, insbesondere ihre Dauer und die Anzahl der einzelnen Meldungen, haben lediglich Einfluss auf ihre Eingriffsintensität. Eine zeitliche Schwelle, ab der ein Eingriff in Art. 11 GG angenommen werden kann, trägt dem grundrechtlichen Gewährleistungsgehalt des Freizügigkeitsrechts nur ungenügend Rechnung.391 Insbesondere erscheint jeder Zeitraum, wie beispielsweise eine Dauer von vier Tagen, als willkürlich und daher als ungeeignet, um zwischen einem Eingriff in Art. 11 GG und einer Beeinträchtigung unterhalb der Eingriffsschwelle differenzieren zu können.392 Hat sich der Adressat der Meldeauflage nur einmalig auf einer Dienststelle zu melden, ist daher bereits ein Eingriff anzunehmen, wenngleich dieser grundsätzlich von geringerer Intensität als eine mehrfache und über einen längeren Zeitraum andauernde Meldepflicht.393

388 Gnatzy, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 11 Rn. 17; Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 551 ff.; Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht IV/1, S. 1145 f. 389 BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = BVerwGE 129, 142.; Vgl. auch die Erwägungen der Landesregierung Rheinland-Pfalz zu § 12a POG RhlPf., Landtag RheinlandPfalz, Drucksache 15/4879 vom 18.8.2010, S. 25. 390 Arzt, Die Polizei 2006, 156 (159); a. A.: Schucht, NVwZ 2011, 709 (711), der jedoch übersieht, dass sich entsprechende Reisepläne auch kurzfristig ergeben können, denen die Meldeauflage dann entgegenstünde. Unpraktikabel auch der Ansatz von Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 90, die einen Eingriff in Art. 11 GG davon abhängig macht, welche Bedeutung der Stadionbesuch für den Adressaten hat. 391 Arzt, Die Polizei 2006, 156 (159). 392 So aber: Schucht, NVwZ 2011, 709 (711). 393 A. A. Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 321; sowie: Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 132 f., die bei einer einmaligen Meldung einen Eingriff in Art. 11 GG ablehnen.

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

Demnach greift eine Meldeauflage, indem sie ihrem Adressaten zumindest zeitweise die Möglichkeit nimmt, frei über seinen Aufenthaltsort zu entscheiden, in das Freizügigkeitsrecht gemäß Art. 11 GG ein.394 cc) Zwischenfazit Meldeauflagen greifen in das Freizügigkeitsrecht gemäß Art. 11 GG ein, da es ihren Adressaten faktisch nicht möglich ist, frei über ihren Aufenthaltsort zu entscheiden. b) Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG aa) Die Pflicht zum Erscheinen und Melden auf einer Dienststelle Das Recht auf Freiheit der Person im Sinne des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG schützt die räumliche Verfügungsgewalt über den eigenen Körper. Die Freiheit der Person umfasst nach der hier vertretenen Auffassung nicht die Freiheit, jeden beliebigen Ort aufsuchen zu können.395 Es wäre daher inkonsequent dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ein Recht zu entnehmen, einem bestimmten Ort fern bleiben zu können.396 Die positiv mit der Meldeauflage auferlegte Pflicht, auf einer Dienststelle erscheinen und sich dort melden zu müssen, greift demnach nicht in die Freiheit der Person ein.397 bb) Die Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit als Folge der Erscheinenspflicht Eine Meldeauflage führt dazu, dass sich ihr Adressat in dem Moment, in dem er seiner Meldepflicht nachkommt, räumlich für einen gewissen Zeitraum innerhalb einer Dienststelle aufhalten muss. Für die hierfür erforderliche Dauer ist es ihm nicht möglich, sich von der Dienststelle zu entfernen ohne gegen seine Meldepflicht zu verstoßen. Wird eine Person dazu verpflichtet, sich mehrmals auf einer Dienststelle zu melden, wird der Eingriff in die (Fort-)Bewegungsfreiheit dadurch verstärkt, dass es der Person, zumindest dann, wenn die Meldung auf einer bestimmten Dienststelle zu erfolgen hat, auch zwischen den einzelnen Meldungen faktisch kaum möglich ist,

394 So auch BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = BVerwGE 129, 142; Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht für Rheinland-Pfalz, G 29; Breucker, SpuRt 2005, 133 (135). 395 Siehe bereits Teil 2 IV., insbesondere Fn. 243. 396 So u. a. auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 2 Abs. 2 Rn. 196; Murswiek/Rixen, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 2 Rn. 230 ff. 397 A. A. hingegen: Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 332, der einen Eingriff in den negativen Schutzbereich des Grundrechts annimmt.

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sich erheblich von der Dienststelle zu entfernen.398 Es ist jedoch fraglich, ob diese Einschränkungen der Bewegungsfreiheit überhaupt als Eingriffe in die Freiheit der Person berücksichtigungsfähig sind, und für den Fall, dass dies zu bejahen sein sollte, ob es sich bei diesen Einschränkungen um Freiheitsbeschränkungen (Art. 104 Abs. 1 GG) oder um Freiheitsentziehungen (Art. 104 Abs. 2 – 4 GG) handelt. Die Beantwortung dieser Fragen hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab. Erstens vom Verständnis des sachlichen Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG. Zweitens von den Anforderungen, die an einen Eingriff in die Freiheit der Person im Allgemeinen und an eine Freiheitsbeschränkung bzw. -entziehung im Besonderen zu stellen sind. Letztlich sind aber auch die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen, da sie die grundrechtliche Würdigung erheblich beeinflussen. (1) Anforderungen an einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG Die Freiheit der Person im Sinne des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG schützt vor Eingriffen durch Verhaftung oder Festnahme sowie vor Maßnahmen, die in ähnlicher Art und Weise die Verfügungsgewalt des Einzelnen über seinen Körper beeinträchtigen.399 Im Rahmen des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ist wie im Fall des Art. 11 GG umstritten, ob auch durch mittelbar-faktische Einschränkungen in die Freiheit der Person eingegriffen werden kann.400 Ebenso wie Art. 11 GG, enthält auch Art. 2 Abs. 2 S. 3 i. V. m. Art. 104 GG spezifische Schranken, die sich speziell an der besonderen Schutzbedürftigkeit der gewährleisteten Freiheit orientieren. Die Anerkennung von mittelbar-faktischen Einschränkungen als Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG führt dazu, dass den Schranken dieses Grundrechts selbst dann Rechnung getragen werden müsste, wenn mit einer hoheitlichen Maßnahme andere Rechtsfolgen intendiert sind. Von der Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur wird daher vor allem bei sogenannten Erscheinenspflichten ein Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG abgelehnt.401 Die Beschränkung der Freiheit, einen anderen Ort aufsuchen zu können, sei bei Pflichten, an einem bestimmten Ort erscheinen zu müssen, eine unvermeidbare Folge, auf die es jedoch nicht ankommen könne.402 Die grundrechtliche Bedeutung der Freiheit der Person spricht allerdings dafür, dass es nicht darauf ankommen kann, ob eine hoheitliche Maßnahme unmittelbar 398

Die Grenze einer noch verhältnismäßigen Auflage ist indes erreicht, wenn die Meldefrequenz so hoch ist, dass sie quasi zu einem Daueraufenthalt im näheren Umkreis der Dienststelle führt. Siehe: Breucker, NJW 2006, 1233 (1236). 399 Siehe Teil 2 Fn. 243. 400 Dafür: Wittreck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 151, Rn. 23; kritischer hingegen: Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 11 Rn. 43 ff. 401 Ablehnend u. a.: BVerfG, Beschluss vom 23.5.1967, 2 BvR 534/62 = BVerfGE 22, 21; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz I, Art. 2 II Rn. 104 f.; Starck, in: von Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), GG I, Art. 2 Abs. 2 Rn. 196; a. A.: Wittreck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 151 Rn. 10. 402 Gusy, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, § 93 Rn. 10.

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oder mittelbar zu einer Einschränkung führt. Entscheidend ist vielmehr alleine, ob mit einer Maßnahme freiheitsbeschränkende oder freiheitsentziehende Folgen verknüpft sind.403 Wird die Verkürzung des Schutzbereichs der Freiheit der Person von vorn herein durch den Hoheitsträger in Kauf genommen, besteht keine Veranlassung, die mittelbar-faktische Beeinträchtigung des Grundrechts nicht als Eingriff anzusehen. Eine zumindest billigende Inkaufnahme eines derartigen Eingriffs kann nicht völlig von der Hand gewiesen werden, da jedenfalls eine Beschränkung der räumlichen Bewegungsfreiheit des Betroffenen von vorn herein intendiert ist. Offen ist indes, ob dies genügt, um von einem Eingriff in die Freiheit der Person auszugehen. Dies ist nur dann der Fall, wenn aufgrund der Beschränkung der räumlichen Bewegungsfreiheit durch die Meldeauflage die Freiheit der Person, im Sinne der räumlichen Verfügungsgewalt des Einzelnen über seinen Körper, entzogen oder beschränkt wird.404 (2) Freiheitsentziehung Eine Freiheitsentziehung kennzeichnet sich dadurch, dass die körperliche (Fort-) Bewegungsfreiheit durch Anwendung von Zwang auf einen engen Raum begrenzt und somit „nach jeder Richtung hin aufgehoben wird“405. Nach Auffassung von Heidebach ist zusätzlich der Entzug des Betroffenen aus der Öffentlichkeit zu verlangen, da sich gerade darin die besondere Gefahrenlage für den Betroffenen zeige, der durch einen Richtervorbehalt entgegenzutreten sei.406 (a) Entzug der Bewegungsfreiheit bei mehreren Meldepflichten Eine Meldeauflage, die ihren Adressaten zu mehreren Meldungen verpflichtet, erfüllt diese Kriterien nicht. Die Bewegungsfreiheit des Adressaten einer Meldeauflage wird zwischen den einzelnen Meldungen nicht auf einen engen Raum begrenzt.407 Der Betroffene hält sich zwischen den einzelnen Meldungen auch weiterhin im öffentlichen Raum auf, so dass sich die spezifische Gefahrenlage einer Freiheitsentziehung selbst dann nicht verwirklicht, wenn sich sein faktischer Bewegungsradius durch eine besonders hohe Meldefrequenz auf das unmittelbare Umfeld einer Dienststelle beschränkt. (b) Entzug der Bewegungsfreiheit während der Meldung Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht für die Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit während der einzelnen Meldungen. Der Betroffene ist zwar faktisch 403

Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, § 95 Rn. 13. Wittreck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 151 Rn. 21. 405 BVerfG, Beschluss vom 15.5.2002, 2 BvR 2292/00 = BVerfGE 105, 239 (248); Jarass, in: ders./Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 104 Rn. 11. 406 Heidebach, Grundrechtsschutz durch Verfahren, S. 65 ff. 407 Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 104 Rn. 7. 404

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darauf beschränkt, sich während der einzelnen Meldung innerhalb eines eng begrenzten Raumes, nämlich den Räumlichkeiten der Dienststelle, bei denen es sich um Räumlichkeiten handelt, die der Öffentlichkeit entzogen sind, aufzuhalten. Gegen die Annahme einer Freiheitsentziehung spricht aber, dass von einer Meldeauflage keine unmittelbare Zwangswirkung ausgeht und somit gerade das konstituierende Merkmal einer Freiheitsentziehung nicht erfüllt ist.408 Zwar genügt für eine Zwangswirkung wohl bereits die Androhung unmittelbaren Zwangs.409 Dem Adressaten einer Meldeauflage wird allerdings allenfalls ein Zwangsgeld angedroht.410 Von dieser Drohung geht ausschließlich eine psychische Zwangswirkung aus. Eine psychische Zwangswirkung führt nur dann zur Annahme eines Freiheitsentzugs, wenn sie unmittelbare Auswirkungen auf die Willensfreiheit des Betroffenen hat und daher den Folgen einer körperlichen Zwangswirkung entspricht.411 Diese Voraussetzung dürfte bei einem Zwangsgeld nicht erfüllt sein, da von diesem keine vergleichbare Wirkung auf den Betroffenen ausgeht wie bei einer physischen Barriere, sondern dieses lediglich eine monetäre Unannehmlichkeit darstellt. Zudem ist das Risiko für den Betroffenen äußerst gering, da ein Beitreiben des Zwangsgeldes nach Ablauf des Meldezeitraums wegen der Erledigung der Maßnahme ausgeschlossen ist.412 Eine Meldeauflage führt demnach nicht zu einer Freiheitsentziehung. (3) Freiheitsbeschränkung Denkbar bleibt demnach ein Eingriff in Form einer Freiheitsbeschränkung. Unter einer Freiheitsbeschränkung ist jeder Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG unterhalb der Schwelle zur Freiheitsentziehung zu verstehen.413 Nach der hier vertretenen Auffassung bedarf es auch zur Annahme einer Freiheitsbeschränkung einer gewissen Anwendung von Zwang.414 Hierfür genügt, anders als bei der Freiheitsentziehung, auch eine psychische Zwangswirkung.415 Die psychische Zwangswirkung, die von einer Meldeauflage ausgeht, ist zumindest ge408 So u. a.: BVerfG, Beschluss vom 23.5.1967, 2 BvR 534/62 = BVerfGE 22, 21; Jarass, in: ders./Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 114; kritisch hingegen: Heidebach, Grundrechtsschutz durch Verfahren, S. 42 ff. 409 BVerfG, Beschluss vom 23.5.1967, 2 BvR 534/62 = NJW 1967, 1221; Jarass, in: Jarass/ Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 104 Rn. 11; Heidebach, Grundrechtsschutz durch Verfahren, S. 40 f. m. w. V. 410 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 349; Schucht, NVwZ 2011, 709 (709); Breucker, NJW 2006, 1233 (1236). 411 Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 104 Rn. 6; ebenso Murswieck/Rixen, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 2 Rn. 238; Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 75; Heidebach, Grundrechtsschutz durch Verfahren, S. 41. 412 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 349; Breucker, NJW 2006, 1233 (1236). 413 Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 104 Rn. 5. 414 Hierzu bereits Teil 2 IV., insbesondere Fn. 245. 415 Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 104 Rn. 6.

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eignet, die räumliche Verfügungsgewalt des Einzelnen über seinen Körper zu beeinträchtigen. Der Adressat der Meldeauflage muss insbesondere befürchten, im Falle des Nichtbefolgens der Meldepflichten, weiteren präventiv-polizeilichen Maßnahmen entgegenzusehen, die ihn stärker in seinen Rechten beeinträchtigen. Im Einzelfall kann sogar seine Ingewahrsamnahme drohen.416 Zudem kann durch ein eventuell angedrohtes Zwangsgeld potentiell Einfluss auf das Verhalten des Adressaten genommen werden.417 Durch die Meldeauflage wird dem Adressaten verdeutlicht, dass er nicht ohne Inkaufnahme eines künftigen Übels in räumlicher Hinsicht frei über seinen Körper verfügen kann. Diese Wirkung der Maßnahme ist eine von vorn herein beabsichtigte Nebenfolge der Meldeauflage. Ihr Adressat soll durch die Pflicht auf einer Dienststelle erscheinen zu müssen spüren, dass er in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist, weil er im behördlichen Fokus steht.418 Darin unterscheidet sich die Meldeauflage auch von anderen Erscheinenspflichten, wie beispielsweise der Schulpflicht oder der Vorladung. Dem Adressaten wird durch die Auferlegung der Meldepflichten suggeriert, dass er in seiner räumlichen Verfügungsgewalt nicht „frei“ ist.419 Je öfter er sich wegen einer Meldeauflage auf einer bestimmten Dienststelle zu melden hat, umso stärker verringert sich seine Verfügungsgewalt. Es handelt sich aber auch dann nicht um eine lediglich marginale Beschränkung der Freiheit der Person, wenn sich der Adressat nur einmalig auf einer Dienststelle zu melden hat. Zwar deutet die üblicherweise kurze Dauer der eigentlichen Meldung darauf hin, dass nur eine geringe Beeinträchtigung der Freiheit der Person vorliegt,420 allerdings wird der Betroffene während des eigentlichen Meldevorgangs in räumlicher Hinsicht stark in seiner Verfügungsgewalt über seinen Körper beschränkt, da er sich in diesem Moment in den Räumlichkeiten der Dienststelle aufzuhalten hat, um nicht gegen die Meldeauflage zu verstoßen. Dabei wird er sogar vorübergehend der Öffentlichkeit entzogen. Diese Umstände rechtfertigen es, trotz der kurzen Dauer der Beeinträchtigung, einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG anzunehmen.421 416

Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 349; Breucker, NJW 2006, 1233 (1236); In Verkennung dieser Gefahr: Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 92, die infolgedessen eine (psychologische) Zwangswirkung verneint. 417 Insbesondere bei einem Spektrum, das von 250,-E bis 5.000,-E reicht, vgl. Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 310, 318, der jedoch übersieht, dass dem juristischen Laien wohl nicht bewusst sein dürfte, dass eine Beitreibung nach Ablauf des Meldezeitraums nicht mehr zulässig ist. 418 Dies ist vor allem ein markanter Unterschied im Vergleich zur Vorladung. Zu deren Grundrechtsrelevanz vgl. Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 15 PAG Rn. 3. 419 Wittreck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 151 Rn. 23. 420 Arzt, Die Polizei 2006, 156 (159); Nach Schucht, NVwZ 2011, 709 (711), kann hingegen für die Meldung im Einzelfall durchaus eine Wartezeit bis zu 30 Minuten erforderlich sein. 421 So auch Wittreck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, § 151 Rn. 23; Brenneisen, NPA (2008) 104, Blatt 51; ders., Kriminalistik 1999, 483 (485); a. A. Schucht, NVwZ 2011, 709 (711), der einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG generell ablehnt;

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cc) Zwischenfazit Eine Meldeauflage führt zumindest während der Dauer der Meldung zu einer Freiheitsbeschränkung und greift somit in die Freiheit der Person gemäß Art. 2 Abs. S. 2 GG ein. c) Informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Art. 2 Abs. 1 GG schützt i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Grundrecht schützt die Freiheit des Einzelnen, über das ob und den Umfang der Preisgabe seiner persönlichen Daten frei zu entscheiden.422 Eine Meldeauflage verpflichtet den Adressaten neben der Pflicht, auf einer Dienststelle zu erscheinen, auch dazu, die Feststellung seiner Identität vor Ort zu dulden. Andernfalls droht er gegen seine Meldepflicht zu verstoßen. Das Auferlegen dieser Pflicht beeinträchtigt die Freiheit des Adressaten über die Preisgabe seiner persönlichen Daten zu entscheiden.423 Die Maßnahme greift daher auch in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.424 d) Zwischenfazit Nach alledem beschränken Meldeauflagen regelmäßig das Recht auf Freizügigkeit, das Recht auf Freiheit der Person sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Es bedarf daher einer geeigneten gesetzlichen Ermächtigung, die den besonderen Schranken des Art. 11 Abs. 2 GG gerecht wird.

3. Ermächtigungsgrundlage a) Standardermächtigung über den Erlass von Meldeauflagen Außerhalb des Polizei- und Ordnungsrechts existieren zahlreiche Regelungen über unterschiedliche Arten von Meldepflichten. Von Bedeutung ist insbesondere die melderechtliche „Jedermannspflicht“ seinen Wohnsitz gemäß § 17 BMG an- und abzumelden.425 Meldepflichten finden sich aber auch im Strafrecht. So kann eine Meldeauflage bei einer Verurteilung zur Bewährung gemäß § 56 c Abs. 2 Nr. 2 StGB Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 332, hingegen sieht nur deshalb keinen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, weil die Meldepflicht hinter der Erscheinenspflicht zurücktrete. 422 Vgl. Teil 2 V. 423 BVerfG, Beschluss vom 24.7.2015, 1 BvR 2501/13 = NVwZ 2016, 53. 424 Arzt, Die Polizei 2006, 156 (159); Landesregierung Rheinland-Pfalz, Erwägungen zu § 12a POG RhlPf., Landtag Rheinland-Pfalz, Drucksache 15/4879 vom 18.8.2010, S. 25. 425 Ausnahmen gemäß §§ 26, 27 BMG.

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oder gemäß § 116 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO als Weisung und damit als mildere Maßnahme bei Aussetzung des Haftbefehls erteilt werden. Für den Erlass von gefahrenabwehrrechtlichen Meldeauflagen kann auf diese Normen nicht zurückgegriffen werden.426 Hierzu bedarf es einer eigenen gefahrenabwehrrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. Eine Standardermächtigung über den Erlass von Meldeauflagen existiert nach derzeitigem Stand lediglich in Rheinland-Pfalz.427 In allen übrigen Ländern bedarf es daher des Rückgriffs auf andere Normen. b) Generalklausel Der Erlass von Meldeauflagen zum Zweck der Gefahrenabwehr wird, außer in Rheinland-Pfalz, auf die polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel gestützt. Diese Praxis wird zwar durch das Bundesverwaltungsgericht gebilligt,428 stößt jedoch aus unterschiedlichen Gründen auf Bedenken. aa) Vorrang einer sonstigen Standardermächtigung Auf die Generalklausel kann zum einen nicht mehr zurückgegriffen werden, soweit für den Erlass von Meldeauflagen vorrangig auf andere Standardermächtigung zurückzugreifen ist. (1) Vorladung Für den Erlass von Meldeauflagen wird mitunter die Standardermächtigung über die Vorladung in Betracht gezogen, ihre Tauglichkeit im Ergebnis allerdings durchweg verneint.429 Die Regelungen über die Vorladung sind schon in Bezug auf ihre tatbestandlichen Voraussetzungen ungeeignet, um für den Erlass einer Meldeauflage herangezogen zu werden.430 Wesentliche Voraussetzung einer Vorladung im Sinne der Polizeigesetze ist die Verknüpfung der Erscheinenspflicht mit weiteren Maßnahmen. Dies kann entweder eine Befragung der Person oder das Durchführen erkennungsdienstlicher Maßnahmen sein.431 Eine Vorladung setzt stets voraus, dass auch die Voraussetzungen für diese weiteren Maßnahmen erfüllt sind.432 Der einer Meldeauflage zu Grunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem einer 426

Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 204. § 12a POG RhlPf. 428 BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = BVerwGE 129, 142. 429 U. a.: Schucht, Generalklausel und Standardermächtigung, S. 323 f. 430 Statt vieler: Schucht, NVwZ 2011, 709 (711). 431 Umfassend zur Vorladung zum Zweck der ED-Behandlung: Petersen-Thrö, SächsVBl. 2008, 29 ff. 432 Tegtmeyer/Vahle, Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen, § 10 Rn. 5; Petersen-Thrö, SächsVBl. 2008, 29 (29). 427

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Vorladung erheblich, denn der Zweck der Maßnahme erschöpft sich bereits in der Pflicht zu erscheinen.433 Zwar muss auch der Adressat der Meldeauflage so lange auf der Dienststelle verweilen, bis er seiner Meldepflicht ordnungsgemäß unter Nachweis seiner Identität nachgekommen ist, die hierfür durchzuführende Identitätskontrolle ist jedoch notwendiger Teil der Meldeauflage und dient lediglich der Kontrolle des ordnungsgemäßen Erscheinens und nicht der selbständigen Informationsgewinnung.434 Zum Erlass einer Meldeauflage kann daher nicht auf die Regelungen über die Vorladung zurückgegriffen werden.435 (2) Aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen Mitunter wird den Regelungen über den Erlass von Platzverweisen, Betretungsund Aufenthaltsverboten auch eine Ermächtigung zum Erlass von Meldeauflagen entnommen.436 Hiergegen spricht jedoch, dass sich die Rechtsfolgen dieser Maßnahmen wesentlich von der Meldeauflage unterscheiden. Eine Regelung, die zum Erlass einer Maßnahme ermächtigt, mit der dem Adressaten das Betreten einer bestimmten Örtlichkeit untersagt wird, unterscheidet sich strukturell und grundlegend von einer Maßnahme, mit der der Adressat dazu verpflichtet wird, an einer bestimmten Örtlichkeit zu erscheinen. Die Standardermächtigungen zum Erlass aufenthaltsbeschränkender Maßnahmen können somit ebenfalls nicht als Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Meldeauflagen herangezogen werden.437 (3) Passgesetz Der Erlass einer Meldeauflage, die ihren Adressaten faktisch an der Ausreise hindern soll, kann auch nicht auf Regelungen des Pass- und Ausweisrechts gestützt werden. Hierfür bietet keine der dort vorhandenen Ermächtigungsgrundlagen eine ausreichende Grundlage.438

433 Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, S. 330; Breucker, SpuRt 2005, 133 (134). 434 Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 204; Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 11 PAG Rn. 217. 435 Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 93; Barczak, JURA 2014, 888 (893); Schucht, NVwZ 2011, 709 (712); Breucker, SpuRt 2005, 133 (134); OVG BerlinBrandenburg, Urteil vom 21.3.2006, OVG 1 B 7.04 (juris). 436 Arzt, Die Polizei 2006, 156 (159); Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 206. 437 So schon: Schmitt-Kammler, NWVBl. 1995, 166; ebenso: Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 340; Barczak, JURA 2014, 888 ff. (893). 438 Söllner, in: Pewestorf/Söllner/Tölle (Hrsg.), Praxishandbuch Polizei- und Ordnungsrecht, § 17 Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = BVerwGE 129, 142; Rachor/ Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 236.

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bb) Sperrwirkung durch Maßnahmen gleicher Wirkung Zum anderen könnte der Rückgriff auf die Generalklausel durch die Existenz von (Standard-)Maßnahmen gleicher Wirkung versperrt sein. Eine derartige Sperrwirkung besteht in denjenigen Fällen, in denen die avisierte Maßnahme einer geregelten Maßnahme ähnelt, aber schwerer in die Rechte des Betroffenen eingreift, oder eine Standardermächtigung aus anderen Gründen als abschließende Regelung für gleichgeartete Maßnahmen zu betrachten ist.439 Ob in Bezug auf die Meldeauflage der Rückgriff auf die Generalklausel tatsächlich aus diesem Grunde versperrt ist, ist abhängig vom Verhältnis der Meldeauflage zu den jeweils in Betracht zu ziehenden Standardermächtigungen. (1) Vorladung Teile der Literatur erkennen vor allem im Verhältnis der Meldeauflage zur spezialgesetzlich geregelten Vorladung ein derartiges Spannungsverhältnis. Demnach gleiche die Rechtsfolge der Meldeauflage – die Pflicht des Betroffenen zu einer bestimmten Zeit auf einer Dienststelle der Polizei zu erscheinen – der einer Vorladung, greife aber intensiver in die Rechte des Betroffenen ein.440 Da es sich bei den Regelungen über die Vorladung von Personen um abschließende Regelungen handle, sei der Erlass von vergleichbaren Maßnahmen mit größerer Eingriffsintensität rechtswidrig. Andernfalls würden die besonderen Anforderungen der existierenden Standardermächtigung unzulässigerweise umgangen.441 Diese Auffassung verdient indes nur insoweit Zuspruch, wie sie in der Meldeauflage eine Maßnahme mit höherer Eingriffsintensität erkennt. Im Gegensatz zur Vorladung greift eine Meldeauflage nämlich auch in die Grundrechte aus Art. 11 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ein.442 Es bestehen jedoch sowohl hinsichtlich des Zwecks der Maßnahme als auch der Umstände, unter denen es zur Anwendung der Maßnahme kommt, erhebliche Unterschiede.443 Mit der Vorladung werden die Behörden in die Lage versetzt, erkennungsdienstliche Maßnahmen vorzunehmen oder den Betroffenen zu befragen, um so weitere Informationen zu erhalten, die zur Erfüllung einer polizei-

439

Schucht, NJW 2011, 709 (713). Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 137; Barczak, JURA 2014, 888 (893); Schucht, NJW 2011, 709 (713); Arzt, Die Polizei, 2006, 156 (159); Rachor, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 773. 441 Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 137; Barczak, JURA 2014, 888 (893); Schucht, NJW 2011, 709 (713); Arzt, Die Polizei, 2006, 156 (159); Rachor, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 773. 442 Zur Frage des Eingriffs bei der Vorladung: Petersen-Thrö, SächsVBl. 2008, 29 (29 f.); Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 15 PAG Rn. 3. 443 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.3.2006, OVG 1 B 7.04 (juris); Deusch, Die Polizei 2006,145 (146); Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 205 ff.; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 338. 440

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oder ordnungsbehördlichen Aufgabe erforderlich sind.444 Weder die Vorladung selbst, noch die mit ihr verbundenen Folgemaßnahmen sind dazu geeignet oder bestimmt, unmittelbar eine Gefahr abzuwehren, sondern sollen es lediglich ermöglichen, weitere Maßnahmen auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse treffen zu können. Anders als die Generalklausel setzt die Vorladung daher auch nicht das Vorliegen einer Gefahr voraus.445 Die Vorladung gehört somit zu den Maßnahmen, die der Aufklärung eines Sachverhalts, mithin der Gefahrerforschung, dienen.446 Sie wird deshalb auch als ein Hilfseingriff bezeichnet.447 Demgegenüber dient die Meldeauflage unmittelbar und selbständig der Abwehr von Gefahren. Dass die Regelungen über die Vorladung trotz dieser Unterschiede auf Sachverhaltsebene abschließend sein sollen, ist auch aus systematischer Sicht nicht nachzuvollziehen. Zu Recht weist Breucker darauf hin, dass die Standardermächtigung zur Vorladung dann allen anderen Maßnahmen entgegenstünde, die eine Person dazu verpflichten, auf einer Dienststelle der Polizei- oder Ordnungsbehörden zu erscheinen.448 Ferner ist der Auffassung, dass sich aus den Regelungen über die Vorladung eine Sperrwirkung zu Lasten der Meldeauflage ergibt, auch unter historischen Aspekten entgegenzutreten. Ebenso wie die Meldeauflage,449 war auch die Vorladung früher ungeregelt und wurde auf Grundlage der polizei- oder ordnungsbehördlichen Generalklausel ausgesprochen.450 Obwohl die Rechtmäßigkeit dieser Praxis nicht angezweifelt wurde,451 herrschte Uneinigkeit darüber, ob eine Vorladung auch zwangsweise durchgesetzt werden dürfe.452 Zudem bestand ein Bedürfnis, die Vorladung nicht erst vom Bestehen einer konkreten Gefahr abhängig zu machen. Aus diesen Gründen wurde eine gesetzliche Regelung in Form der Standardermächtigung über die Vorladung erforderlich. Die Norm sollte somit Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der zwangsweisen Durchsetzung beseitigten und praktischen Erfordernissen entsprechen. Ein darüber hinaus gehender Wille der Landesgesetzgeber, andere 444

§ 11 MEPolG. Siehe § 11 Abs. 3 MEPolG; demnach erfordert nur die zwangsweise Durchsetzung einer Vorladung das Vorliegen einer Gefahr; siehe auch: Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 205. 446 Unzulässig ist indes die Vorladung zur allgemeinen Ausforschung einzusetzen: Tegtmeyer/Vahle, Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen, § 10 Rn. 7. 447 Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 15 PAG Rn. 1; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 337 f. 448 Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 206. 449 Mit Ausnahme von § 12a POG RhlPf. 450 Hierzu bereits Kopperschmidt, DÖV 1953, 76 f. sowie von Hellingrath, DÖV 1953, 178. 451 Siehe: Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 15 PAG Rn. 1; Die Rechtmäßigkeit der Vorladung hingegen verneinend: Kopperschmidt, DÖV 1953, 76; Widersprechend: von Hellingrath, DÖV 1953, 178. 452 Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 15 PAG Rn. 1. 445

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Maßnahmen, die eine Pflicht zum Erscheinen auf einer Dienststelle begründen, zu untersagen, ist nicht erkennbar.453 Damit geht von der Standardermächtigung über die Vorladung keine Sperrwirkung hinsichtlich einer auf die Generalklausel gestützten Meldeauflage aus. (2) Aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen Andere entnehmen den Standardermächtigungen über den Erlass von aufenthaltsbeschränkenden Maßnahmen eine Sperrwirkung, die dem auf die Generalklausel gestützten Erlass von Meldeauflagen entgegenstehe.454 Demnach seien die in den Polizeigesetzen enthaltenen Regelungen über den Erlass von Platzverweisen, Betretungs- und Aufenthaltsverboten als abschließende Ermächtigungen für die Abwehr einer Gefahr durch das räumliche Fernhalten von Personen anzusehen.455 Der Erlass einer vergleichbaren, aber eingriffsintensiveren Maßnahme, wie der Meldeauflage, könne daher nicht auf die Generalklausel gestützt werden.456 Dieser Auffassung kann nur in Ansätzen gefolgt werden. Zuzustimmen ist ihr hinsichtlich der Beurteilung der Eingriffsintensität einer Meldeauflage. Eine Meldeauflage beschränkt die Fortbewegungsfreiheit ihres Adressaten nicht lediglich punktuell, sondern generell. Sie beschränkt die Fortbewegungsfreiheit ihres Adressaten über die Einschränkung eine bestimmte Örtlichkeit faktisch nicht aufsuchen zu können hinaus, auch in jede andere Richtung, da ihr Adressat dazu gezwungen wird, sich nur an denjenigen Orten aufzuhalten, von denen aus er der Meldeauflage Folge zu leisten vermag. Dadurch wird die Fortbewegungsfreiheit, jedenfalls in räumlicher Hinsicht, intensiver beschränkt als bei einer der geregelten aufenthaltsbeschränkenden Maßnahmen.457 Zutreffend ist auch, dass sich weder der einer Meldeauflage zu Grunde liegende Sachverhalt noch der mit ihr verfolgte Zweck wesentlich von dem der geregelten aufenthaltsbeschränkenden Maßnahmen unterscheidet. Allerdings weist die Meldeauflage im Vergleich zu den übrigen aufenthaltsbeschränkenden Maßnahmen einen eigenständigen Charakter auf.458 Während aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen ein ausdrückliches Verbot enthalten, einen Ort über einen gewissen Zeitraum hinweg betreten zu dürfen, enthält die Meldeauflage das Gebot, sich ein- oder mehrmalig auf einer Polizeidienststelle zu melden. Mit der Meldeauflage wird demnach eine strukturell andere, in der

453

Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 206. Hierzu: Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 331; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 341. 455 Arzt, Die Polizei 2006, 156 (159); Barczak, JURA 2014, 888 ff. (893). 456 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 341. 457 Brenneisen, NPA (2008) 104, Blatt 51. 458 Vgl. Siegel, NJW 2013, 1035, nach dem die Meldeauflage deshalb weder als Platzverweis noch als Aufenthaltsverbot einzustufen ist. 454

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Standardermächtigung nicht vorgesehene Rechtsfolge getroffen.459 Sie unterscheidet sich damit deutlich von den aufenthaltsbeschränkenden Maßnahmen.460 Zudem gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber von einem numerus clausus der Maßnahmen mit aufenthaltsbeschränkender Wirkung ausgeht.461 Den Standardermächtigungen über den Erlass aufenthaltsbeschränkender Maßnahmen lässt sich somit keine Sperrwirkung entnehmen, die dem Rückgriff auf die Generalklausel zum Erlass von Meldeauflagen als Maßnahmen gleicher Wirkung entgegensteht. (3) Zwischenfazit Eine Sperrwirkung durch Maßnahmen gleicher Wirkung scheidet demnach aus. cc) Verfassungsrechtliche Einwände Der Rückgriff auf die Generalklausel zum Erlass von Meldeauflagen könnte ferner aus verfassungsrechtlichen Gründen versperrt sein. (1) Fehlende Kompetenz der Länder Voraussetzung für einen Rückgriff auf die polizei- und ordnungsbehördlichen Generalklauseln beim Erlass von Meldeauflagen ist die notwendige Gesetzgebungskompetenz der Länder, Regelungen über den Erlass von Meldeauflagen treffen zu können. Sollte der Bund über die Gesetzgebungskompetenz verfügen, wäre der Rückgriff auf die landesrechtlichen Generalklauseln kompetenzwidrig. Eine vorrangige Gesetzgebungskompetenz des Bundes könnte sich aus Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 3 GG ergeben. Demnach verfügt der Bund über die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Freizügigkeit sowie über das Pass- und Ausweiswesen.462 Meldeauflagen berühren potentiell beide Sachmaterien. Neben der von ihnen ausgehenden Beschränkung der Freizügigkeit können sie insbesondere auch einen Bezug zum Pass- und Ausweisrecht aufweisen. Sie können faktisch dazu führen, dass ihr Adressat an der Ausreise aus dem Bundesgebiet gehindert ist. Mit ihnen kann somit eine Wirkung erzielt werden, die der Wirkung von pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahmen gleicht. In der Praxis werden Meldeauflagen daher auch neben 459

Butzer, VerwArch 2002, 506 (526); a. A. Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 341, der in der Meldeauflage ein über die Aufenthaltsbeschränkung hinausgehendes Gebzw. Verbot erkennt. 460 Vgl. Worms/Gusy, in: Kugelmann/Möstl (Hrsg.), BeckOK PolG NRW, § 8 PolG Rn. 30. 461 So kann u. a. auch der Präventivgewahrsam den Zweck verfolgen, eine Person fernzuhalten. Mit Bezug auf das Recht zur Ausreise: Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 343 f. 462 Bei der ausschließlichen Kompetenz über das Meldewesen handelt es sich ausschließlich um die mit der Wahl des Wohn- und Aufenthaltsortes verbundenen Meldepflichten, also insbesondere der An- und Abmeldung eines Wohnsitzes; vgl. Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 73 GG, Rn. 68.

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oder an Stelle von pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahmen erlassen, um die Ausreise einer Person zu verhindern.463 (a) Ausschließliche Kompetenz des Bundes über die Freizügigkeit Die Freizügigkeit i. S. d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG weicht in begrifflicher Hinsicht von dem Begriff der Freizügigkeit i. S. d. Art. 11 GG ab. Sie umfasst im Gegensatz zu Art. 11 GG auch das Recht zur Ausreise sowie die Freizügigkeit juristischer Personen. Ferner umfasst die Kompetenz des Bundes auch die Freizügigkeit von Ausländern.464 Sofern Eingriffe in die Freizügigkeit aufgrund der ausschließlichen Kompetenz des Bundes nur durch ein Bundesgesetz erfolgen dürfen, könnte sowohl bei Meldeauflagen, die einen reinen Inlandsbezug aufweisen, als auch bei Meldeauflagen, die einen Auslandsbezug aufweisen, der Rückgriff auf eine landesrechtliche Norm versperrt sein. Weite Teile von Literatur und Rechtsprechung messen der ausschließlichen Kompetenz des Bundes über die Freizügigkeit allerdings keine Bedeutung in Bezug auf die Regelungskompetenz der Länder über das personenbezogene Recht der Gefahrenabwehr bei.465 Die Regelung des Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG solle den Ländern nicht die Kompetenz entziehen, Regelungen zum Zwecke der Gefahrenabwehr zu erlassen, durch welche die Behörden zu Eingriffen in Art. 11 Abs. 1 GG ermächtigt werden.466 Die Kompetenz des Bundes über die Freizügigkeit erstrecke sich von vornherein nicht auf solche Regelungen, die lediglich vorübergehend und zum Zweck der personenbezogenen Gefahrenabwehr erlassen werden.467 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, da eine effektive Gefahrenabwehr ohne die Möglichkeit, Regelungen erlassen zu können, mit denen in das Recht auf Freizügigkeit eingegriffen werden kann, kaum denkbar ist.468 Eine Vielzahl von Maßnahmen, die für eine effektive personenbezogene Gefahrenabwehr erforderlich sind, geht mit Eingriffen in die Freizügigkeit des Betroffenen einher.469 Die Kompetenz der Länder wäre ohne das Recht, Regelungen zu erlassen, die zu Eingriffen in Art. 11 GG ermächtigen, in wesentlichen Teilen entwertet.

463 Barczak, JURA 2014, 888 (892); Schucht, NVwZ 2011, 709 (710); Arzt, Die Polizei 2006, 153 (158). 464 Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 73 GG Rn. 62; Heintzen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), GG II, Art. 73 Rn. 27 f. 465 Siehe u. a.: BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = NVwZ 2007, 1439; BayVerfGH, Entscheidung vom 2.8.1990, Vf. 3-VII-89, Vf. 4-VII-89, Vf. 5-VII-89 = NVwZ 1991, 664; Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 73 Rn. 62; Kunig, JURA 1990, 306 ff. (311); Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 561. 466 Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = BVerwGE 129, 142. 467 Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG II, Art. 73 Rn. 28. 468 So auch: BayVerfGH, Entscheidung vom 2.8.1990, Vf. 3-VII-89, Vf. 4-VII-89, Vf. 5VII-89 = NVwZ 1991, 664; Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 73, Rn. 62. 469 Alberts, NVwZ 1997, 45 (47).

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Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht für den Erlass von Meldeauflagen, die einen Auslandsbezug aufweisen. Solche Meldeauflagen werden üblicherweise zu dem Zweck erlassen, den Betroffenen davon abzuhalten, ins Ausland zu reisen, um dort Straftaten zu begehen. Wird eine Straftat im Ausland begangen, bleibt deutsches Strafrecht aber nach Maßgabe der §§ 4 ff. StGB anwendbar. Das Gleichgewicht des staatlichen Sicherheitsauftrages wäre gestört, wenn die landesrechtliche Kompetenz über das Recht der Gefahrenabwehr sich nicht auf sämtliche Taten erstrecken würde, bei denen deutsches Strafrecht zur Anwendung gelangt.470 Die Länder dürfen daher im Rahmen ihrer Kompetenz über die personengebundene Gefahrenabwehr Regelungen treffen, mit denen im Einzelfall auch das Recht der Ausreise beschränkt werden kann, soweit den Ländern diese Kompetenz nicht aus anderen Gründen entzogen ist. Die ausschließliche Kompetenz des Bundes über die Freizügigkeit steht dem Rückgriff auf die landesrechtlichen Generalklauseln beim Erlass von Meldeauflagen als solches daher nicht entgegen. (b) Ausschließliche Kompetenz des Bundes über das Pass- und Ausweiswesen Somit kann allenfalls die Gesetzgebungskompetenz des Bundes über das Passund Ausweiswesen dem Rückgriff auf die landesrechtlichen Generalklauseln beim Erlass von Meldeauflagen, die faktisch das Recht der Ausreise beschränken, entgegenstehen. Durch das Festlegen bestimmter Meldezeiten kann dem Betroffenen faktisch die Möglichkeit entzogen werden, sich in größerer Entfernung von deutschen Polizeidienststellen aufzuhalten, so dass sich die Wahl seines Aufenthaltsortes auf das Inland beschränkt. Die hiermit erzielte Wirkung gleicht zumindest temporär der einer pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahme.471 Der Erlass einer Meldeauflage kann daher in der Praxis auch an Stelle des Erlasses einer pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahme erwogen werden. Dies kommt vor allem dann in Betracht, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahme nicht vorliegen oder sie aus anderen Gründen bislang nicht erlassen wurden.472 Meldeauflagen kommen in der Praxis aber auch neben pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahmen zur Anwendung.473 Werden sie neben pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahmen erlassen, erscheint es aus praktischen Erwägungen denkbar, mit ihnen die Anwesenheit des Betroffenen im Inland zu überprüfen und somit die Einhaltung einer pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahme sicherzustellen. Vor dem Hintergrund offener Grenzen innerhalb des Schengenraums erscheint diese Möglichkeit aus Sicht der Sicherheitsbehörden besonders attraktiv, um die bestehenden Kontrolldefizite bei der Überwachung nationaler Grenzen zu kompensie470

Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr, S. 203; Breucker, NJW 2004, 1631 (1632); Fehn, DPolBl 2001, 23 (24). 471 Fehn, DPolBl 2001, 23 (24). 472 Fehn, DPolBl 2001, 23 (24). 473 Barczak, JURA 2014, 888 (892); Schucht, NVwZ 2011, 709 (710); Arzt, Die Polizei 2006, 153 (158).

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ren.474 Gerade dieser Fall wirft allerdings in besonderem Maße kompetenzrechtliche Fragen auf. Mit der ausschließlichen Kompetenz über das Pass- und Ausweiswesen verfügt der Bund nämlich auch über die Sachkompetenz, die mit der Erteilung und dem Entzug von Pässen und Ausweisen verbundenen Maßnahmen zu regeln.475 Hierzu gehören auch die Regelungen über die Abwehr von Gefahren, die mit der Erteilung und dem Entzug von Pässen in einem sachlichen Zusammenhang stehen, sowie die Regelungen über den Vollzug und die Durchsetzung von pass- und ausweiserechtlichen Maßnahmen.476 Daher wäre ein Rückgriff auf die polizei- bzw. ordnungsrechtliche Generalklausel nur möglich, soweit die Länder nicht aufgrund einer Ermächtigung im Sinne des Art. 71 GG ausnahmsweise im Bereich der ausschließlichen Kompetenz des Bundes zum Erlass eigener Regelungen befugt sind. Eine derartige Befugnis für die mit dem Pass- und Ausweiswesen verbundene Gefahrenabwehr, insbesondere zur Regelung von Begleit- oder Kontrollmaßnahmen, existiert jedoch nicht. Wegen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes kann eine Meldeauflage daher nicht auf Grundlage der polizei- bzw. ordnungsrechtlichen Generalklausel erlassen werden, soweit sie einen unmittelbaren Bezug zum Pass- oder Ausweisrecht aufweist. Dies ist dann der Fall, wenn sie nur zu dem Zweck erlassen wird, die Durchsetzung und Kontrolle einer pass- oder ausweisbeschränkenden Maßnahme sicherzustellen. Die ausschließliche Kompetenz des Bundes über das Pass- und Ausweisrecht steht aber dem Erlass einer Meldeauflage mit Auslandsbezug nicht generell entgegen. Entscheidend ist, ob durch den Erlass der Meldeauflage in den Kompetenzbereich des Bundes eingegriffen wird. Aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG lässt sich keine ausschließliche Kompetenz des Bundes über diejenigen Regelungen entnehmen, durch die die Ausreisefreiheit des Einzelnen beschränkt werden kann. Die Gesetzgebungskompetenz über das Pass- und Ausweisrecht umfasst nur die Regelung derjenigen Maßnahmen, mit denen aufgrund der im Pass- und Ausweisrecht wurzelnden oder sonstiger in ausschließlicher Kompetenz des Bundes stehender Belange die Ausreisefreiheit beschränkt werden kann.477 Hierzu gehören nicht die Belange der allgemeinen personenbezogenen Gefahrenabwehr.478 Der Erlass einer Meldeauflage mit Auslandsbezug ist demnach mit der kompetenzrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes vereinbar, soweit mit der Meldeauflage ein eigenständiger Zweck verfolgt wird, der nicht von der Sachkompetenz des Bundes umfasst ist. Eine Meldeauflage verfolgt hinsichtlich ihres Regelungsgehalts grundsätzlich andere 474

In diese Richtung auch Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 336. Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 73 GG Rn. 65; Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 73 Rn. 9. 476 Rachor, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 769. 477 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 337; Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 210 f.; VGH Mannheim, Beschluss vom 14. 06. 2000, 1 S 1271/00 = DVBl. 2000, 1630. 478 BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = BVerwGE 129, 142. 475

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Ziele als pass- oder ausweisbeschränkende Maßnahmen.479 Pass- oder ausweisbeschränkende Maßnahmen untersagen dem Betroffenen die Ausreise. Meldeauflagen hingegen verpflichten zur ein- oder mehrmaligen Meldung bei einer Polizeidienststelle. Die dadurch hervorgerufene tatsächliche Beschränkung der Ausreisefreiheit ist, anders als bei pass- oder ausweisbeschränkenden Maßnahmen, lediglich eine – wenn auch beabsichtigte – Nebenfolge der Maßnahme. Die Meldeauflage hat somit einen eigenständigen Regelungsgehalt und entfaltet unabhängig von pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahmen Wirkung. Ihrem Charakter nach ist sie keine Annexmaßnahme zu pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahmen.480 Ihr Adressat wird auch dann zu einer Meldung verpflichtet, wenn er sein Ausreisebegehren verworfen hat oder die gegen ihn erlassenen pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahmen aufgehoben wurden. Eine Meldeauflage ist auch keine Ersatzmaßnahme, die gleichwertig an die Stelle pass- oder ausweisrechtlicher Maßnahmen treten könnte. Es handelt sich vielmehr um Maßnahmen mit unterschiedlichem Charakter, die bezogen auf ihre Folgen einen gewissen Überschneidungsbereich aufweisen. Die partielle Überschneidung hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen ist jedoch bezogen auf die kompetenzrechtliche Aufgabenteilung irrelevant, da es sich auf tatbestandlicher Seite um unterschiedliche Regelungsbereiche, nämlich um das Recht der Gefahrenabwehr auf der einen Seite und um das Passwesen auf der anderen Seite, handelt.481 Demnach besteht bei Meldeauflagen mit Auslandsbezug nur dann ein Konflikt mit der ausschließlichen Kompetenz des Bundes gemäß Art. 73 Ab.1 Nr. 3 GG, wenn sich der mit der Meldeauflage verfolgte Zweck ausschließlich in der Überwachung der Einhaltung pass- oder ausweisrechtlicher Maßnahmen erschöpft.482 Im Übrigen ergeben sich aus der ausschließlichen Kompetenz des Bundes über das Passwesen keinerlei kompetenzrechtliche Bedenken, die dem Rückgriff auf die landesrechtlichen Generalklauseln beim Erlass von Meldeauflagen entgegenstehen. (2) Vorbehalt des Gesetzes, Art. 20 Abs. 3 GG und Wesentlichkeitstheorie Der Rückgriff auf die Generalklausel könnte versperrt sein, wenn es sich bei der Meldeauflage um eine grundrechtsintensive Maßnahme handelt, die eine spezifische Ermächtigungsgrundlage erforderlich macht. Nach den Grundsätzen der Wesentlichkeitstheorie ist dem Gesetzgeber vorbehalten, die wesentlichen Entscheidungen

479 BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = BVerwGE 129, 142; zustimmend: Hornung, in: ders./Möller (Hrsg.), PassG/PAuswG, § 7 PassG, Rn. 21. 480 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 337. 481 Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S. 75. 482 BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = BVerwGE 129, 142; Breucker, NJW 2004, 1631 (1632); Kritisch hingegen: Schucht, NVwZ 2011, 709 (710 f.), der davon ausgeht, dass parallel zu pass- bzw. ausweisrechtlichen Maßnahmen erlassene Meldeauflagen stets dem Zweck dienen, deren Einhaltung zu kontrollieren.

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zu treffen.483 Ihr zufolge bedürfen besonders grundrechtsintensive Maßnahmen eine entsprechend höhere Regelungsdichte, die dem Ausmaß von Art und Schwere eines Eingriffs Rechnung trägt.484 Die polizei- bzw. ordnungsrechtliche Generalklausel weist eine verhältnismäßig geringe Regelungsdichte auf. Sie ermächtigt die Polizeiund Ordnungsbehörden zu Eingriffen aller Art, soweit sie für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung geeignet sind. Die geringe Regelungsdichte der Generalklausel kann dazu führen, dass sie für besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht anwendbar ist.485 Die Frage nach der Schwere des durch eine Meldeauflage verursachten Grundrechtseingriffs kann jedoch nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Es sind unterschiedliche Arten von Meldeauflagen mit stark divergierender Eingriffsintensität denkbar. Meldeauflagen können sowohl hinsichtlich ihrer Dauer, als auch durch die Festlegung des Ortes, an dem die Meldung zu erfolgen hat, unterschiedlich ausgestaltet werden. Wird ihr Adressat beispielsweise nur zu einer einmaligen Meldung an seinem Wohn- oder Aufenthaltsort verpflichtet, weist die Maßnahme eine relativ geringe Eingriffsintensität auf. Die Regelungsdichte der Generalklausel würde zum Erlass einer solchen Meldeauflage genügen.486 Der Erlass von Meldeauflagen, die ihren Adressaten für eine längere Dauer zu regelmäßigen Meldungen verpflichten, ist in der Praxis jedoch üblich, so dass Meldeauflagen häufig über einen lediglich „punktuellen Charakter“487 hinausgehen dürften.488 Derartige Meldeauflagen, insbesondere solche, die ihren Adressaten zu Meldungen an Orten verpflichten, die sich außerhalb seines alltäglichen Bewegungsumfelds befinden, greifen erheblich stärker in die Rechte des Betroffenen ein. Daraus wird deutlich, dass es sich bei der Meldeauflage um ein flexibles Instrument der Gefahrenabwehr handelt, das sich inhaltlich an den Umständen des Einzelfalls ausrichtet, so dass sowohl schwere als auch weniger schwere Eingriffe möglich sind. Die Möglichkeit schwerer Grundrechtseingriffe spricht jedoch dafür, dass es schon aus Gründen der Rechtssicherheit der potentiellen Adressaten Aufgabe des Gesetzgebers ist, der Anwendung einer Meldeauflage durch die Behörden Grenzen aufzuzeigen, indem Art, Ausmaß sowie die tatbestandlichen Voraussetzungen der Maßnahme durch eine standardisierte Ermächtigungsgrundlage vorgegeben werden.489 483

Sog. Wesentlichkeitstheorie, siehe u. a.: BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, 2 BvR 669/04 = BVerfGE 116, 24 (58); Beschluss vom 27.1.1976, 1 BvR 2325/73 = BVerfGE 41, 251 (260); Butzer, VerwArch 2002, 506 (522 ff.). 484 Butzer, VerwArch 2002, 506 (522 ff.). 485 BVerfG, Beschluss vom 8.11.2012, 1 BvR 22/12 = BVerfGK 20, 128; Butzer, VerwArch 2002, 506 (522 ff.). 486 Siegel, NJW 2013, 1035 (1038). 487 Siegel, NJW 2013, 1035 (1038). 488 Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06 = BVerwGE 129, 142. 489 Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 135 f.; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 341; Butzer, VerwArch 2002, 506 (524); a. A. BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 6 C 39/06, = BVerwGE 129, 142.

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Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts ist die Schwere des Eingriffs jedoch kein Grund, um stets eine Standardermächtigung für erforderlich zu halten und den Rückgriff auf die Generalklausel als versperrt anzusehen.490 Dem dürfte wegen der besonderen Bedeutung der Gefahrenabwehr zuzustimmen sein. Zumindest in den Fällen, in denen einer neuartigen Gefahrenlage mit einer atypischen Maßnahme zu begegnen ist, muss es den Behörden möglich sein, sich auf die Generalklausel berufen zu können.491 Bei der Meldeauflage kann jedoch nicht mehr von einem derartigen Ausnahmefall ausgegangen werden. Die Meldeauflage hat sich in der polizei- und ordnungsbehördlichen Praxis beim Umgang mit gewalttätigen und gewaltbereiten Zuschauern sowie im Zusammenhang mit Versammlungen und anderen Großveranstaltungen etabliert.492 Ihr Erlass kann demnach nicht mehr auf die Generalklausel gestützt werden, insbesondere weil es den Ländern längst möglich war, entsprechende Standardermächtigungen zu schaffen, wie das Beispiel Rheinland-Pfalz beweist.493 (3) Art. 11 Abs. 2 GG Gegen die Anwendbarkeit der Generalklausel spricht zusätzlich, dass eine Meldeauflage in das Freizügigkeitsrecht gemäß Art. 11 GG eingreift, so dass der qualifizierte Gesetzesvorbehalt in Art. 11 Abs. 2 GG zur Anwendung kommt. Eine Meldeauflage darf daher nicht zur allgemeinen Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, sondern lediglich zur Verhinderung von Straftaten durch den Betroffenen erlassen werden. Diesem Umstand wird die polizei- bzw. ordnungsrechtliche Generalklausel nicht gerecht.494 Zwar gehen Teile der Literatur und der Rechtsprechung davon aus, dass eine verfassungskonforme Auslegung der Generalklausel möglich sein soll, so dass die Generalklausel auch im Falle eines Eingriffs in Art. 11 Abs. 1 GG anwendbar bleibe.495 Dies kann jedoch nicht gelten, wenn wegen der standardisierten Anwendung einer Maßnahme mit erheblichem 490

BVerfG, Beschluss vom 8.11.2012, 1 BvR 22/12 = BVerfGK 20, 128. Butzer, VerwArch 2002, 506 (523). 492 So bereits in einer Publikation aus der polizeilichen Praxis im Jahr 2001: Lobbes, DPolBl 2001, 27 (28); ebenso: Fehn, DPolBl 2001, 23 f.; vgl. zudem auch Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 325. 493 Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, S. 330; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 343; Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 133 f.; Barczak, JURA 2014, 888 (893); Butzer, VerwArch 2002, 506 (524); Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.11.2012, 1 BvR 22/12 = BVerfGK 20, 128; VG Freiburg, Urteil vom 14.2.2013, 4 K 1115/12 (juris). 494 Vgl. VG Bremen, Urteil vom 29.5.1997, 2 A 149/96 = BeckRS 2014, 46588; Alberts, NVwZ 1997, 45 (47) 495 Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 134; VGH Mannheim, Urteil vom 22.7.2004, 1 S 2801/03= NJW 2005, 88; VG Stuttgart, Beschluss vom 9.6.2006, 5 K 2110/06 = SpuRt 2007, 80 (82); ablehnend: VGH Kassel, Beschluss vom 5.2.2003, 11 TG 3397/02 = NVwZ 2003, 1400. 491

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Eingriffspotential die Aushöhlung der besonderen Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 2 GG droht.496 Das Bestehen dieser Gefahr kann in Anbetracht der vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten einer Meldeauflage nicht geleugnet werden.497 Die verfassungskonforme Anwendung der Maßnahme im Einzelfall erfordert besondere Kenntnisse des Gesetzesanwenders, die weit über den Inhalt der Generalklausel hinausgehen. Dieser Umstand kann in Anbetracht der Verbreitung der Maßnahme in der Praxis nicht länger hingenommen werden, denn er gefährdet in nicht hinnehmbarer Weise die grundrechtlichen Interessen der Betroffenen. c) Zwischenfazit Für den Erlass einer Meldeauflage kann aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr auf die Generalklausel zurückgegriffen werden. Stattdessen ist es Aufgabe des Gesetzgebers entsprechende Standardermächtigungen zu erlassen. Dieser Aufgabe ist bislang einzig der Gesetzgeber in Rheinland-Pfalz nachgekommen. In allen übrigen Bundesländern verstößt der auf die Generalklausel gestützte Erlass von Meldeauflagen, insbesondere von solchen mit erheblicher Dauer, gegen Verfassungsrecht.

4. Formelle Rechtmäßigkeit a) Zuständigkeit Meldeauflagen werden in der Regel bereits im Frühstadium der Gefahr ausgesprochen, also zu einem Zeitpunkt, in dem regelmäßig keine Eilkompetenz der Polizei gegeben ist und demnach die allgemeinen Ordnungsbehörden vorrangig für die Gefahrenabwehr zuständig sind.498 Die Maßnahme dient jedoch der Verhinderung von Straftaten. Bei dieser Aufgabe wird die Polizei in den meisten Ländern nicht auf eine Eilkompetenz beschränkt.499 Ohnehin dürften vornehmlich die Polizeibehörden über das für den Erlass von Meldeauflagen erforderliche Tatsachenwissen verfügen. In Rheinland-Pfalz hat sich der Gesetzgeber daher bewusst dafür entschieden, ausschließlich die Polizei- und nicht die Ordnungsbehörden zum Erlass 496

Vgl. Hecker, NVwZ 1999, 261 (262) Art. 11 Abs. 2 GG will gerade vor einer generalklauselartigen Aushöhlung des Grundrechts schützen. 497 Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 135; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 340 ff. 498 Barczak, JURA 2014, 888 (893); Petersen-Thrö/Elzermann, KommJur2006, 289 (293); Schucht, NVwZ 2011, 709 (709), ders., Generalklausel und Standardmaßnahme, 308 f. 499 Berlin (§ 4 Abs. 1, § 1 Abs. 3 ASOG Bln.) ; Brandenburg (§ 1 Abs. 1 S. 2, § 2 S. 1 BbgPolG), Bremen (§ 1 Abs. 1 S. 3, § 64 Abs. 1 S. 3 BremPolG), Hessen (§ 1 Abs. 4 HSOG), Mecklenburg-Vorpommern (§ 7 Abs. 4 SOG M-V), Niedersachsen (§ 1 Abs. 2 S. 1 Nds.SOG), Nordrhein-Westfalen (§ 1 Abs. 1 PolG NRW), Rheinland-Pfalz (§ 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 8 POG RhlPf.),Sachsen-Anhalt (§ 2 Abs. 1 u. 2 SOG LSA), Thüringen (§ 2 Abs. 1 S. 2, § 3 TH PAG).

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von Meldeauflagen zu ermächtigen.500 In den übrigen Ländern bestünde grundsätzlich eine vorrangige Zuständigkeit der Ordnungsbehörden. Diese sind allerdings zum Teil – ungeachtet der derzeit fehlenden Standardermächtigungen – nicht zu Eingriffen in Art. 11 GG befugt, so dass sie schon aus diesem Grund keine Meldeauflagen erlassen dürften.501 b) Form der Meldeauflage Mangels entsprechender Regelungen über die Form der Meldeauflage – auch § 12a POG RhlPf. trifft keine entsprechenden Vorgaben – gilt für ihren Erlass der Grundsatz der Formfreiheit (§ 37 Abs. 2 VwVfG). Der verhältnismäßig hohe inhaltliche Komplexitätsgrad einer Meldeauflage dürfte aber – ebenso wie beim Aufenthaltsverbot – schon aus Gründen der Rechtssicherheit zur Schriftform zwingen.502 c) Verfahren Vor Erlass der Meldeauflage ist der Betroffene anzuhören. Die Notwendigkeit der Anhörung ergibt sich ohne weiteres aus dem allgemeinen Verfahrensrecht. Sie ist aber im Hinblick auf die vielfältigen Möglichkeiten bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Meldeauflage von besonderer Bedeutung, da ihr Inhalt sich nach dem zu erwartenden Verhalten des Betroffenen auszurichten hat. Dem Betroffenen ist daher rechtzeitig Gelegenheit zur Einlassung zu geben.503 Gemäß § 12a POG RhlPf. bedarf die Verlängerung einer einmal erteilten Meldeauflage der richterlichen Entscheidung, wobei sowohl die Meldeauflage als auch ihre Verlängerung auf eine Dauer von maximal einen Monat beschränkt sind. Dieser Richtervorbehalt ist verfassungsrechtlich nicht geboten, da die Meldeauflage lediglich zu einer Freiheitsbeschränkung und nicht zu einer Freiheitsentziehung führt. Nur letztere würde eine richterliche Entscheidung gemäß Art. 104 Abs. 2 GG erfordern. Der Richtervorbehalt in § 12a POG RhlPf. muss daher als Zugeständnis des Gesetzgebers an die Rechte der Betroffenen verstanden werden, mit dem der Eingriffsintensität von Meldeauflagen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, 500

Vgl. Erwägungen der Landesregierung von Rheinland-Pfalz zu § 12a PolG, Landtag Rheinland-Pfalz, Drucksache 15/4879 vom 18.8.2010, S. 25. 501 Derzeit fehlt eine Ermächtigung zu Eingriffen in Art. 11 GG durch die Ordnungsbehörden in Bayern (Art. 58 LStVG), Brandenburg (§ 43 OBG) und Nordrhein-Westfalen (§ 44 OBG); Nach Butzer, VerwArch 2002, 506 (520 f.) führt der Verstoß gegen das Zitiergebot indes nicht notwendigerweise zur Unanwendbarkeit der Generalklausel. 502 Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 37 Rn. 18a; Barczak, JURA 2014, 888 (893). 503 Rachor, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 774 f.; jedoch abweichend in der Folgeauflage Rachor/Graulich, E 244, in der in einer Anhörung lediglich ein Instrument erkannt wird, das der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme dient.

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Rechnung getragen werden soll.504 Er kann dazu dienen, besonders schweren Formen von Freiheitsbeschränkungen bereits frühzeitig entgegenzuwirken, sollte aber gleichwohl nur sparsam zur Anwendung kommen, da andernfalls die Gefahr einer Überlastung der Gerichte droht, durch die der Sinn des Vorbehalts konterkariert würde.505 Mit Blick auf die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes, mit denen sich der Betroffene gegen länger andauernde Meldeauflagen effektiv zur Wehr setzen kann, sprechen nur wenige Gründe für die Erforderlichkeit des Richtervorbehalts bei der Meldeauflage. Zudem wird die Eingriffsintensität einer Meldeauflage neben der Dauer auch durch die Anzahl der Meldungen und dem für die Meldung erforderlichen Reiseaufwand beeinflusst. In diesem Fall bliebe der in §12a POG RhlPf. vorgesehene Richtervorbehalt zunächst wirkungslos. Es bleibt abzuwarten, ob eventuelle künftige Regelungen dem rheinland-pfälzischen Beispiel folgen oder ob stattdessen andere Maßnahmen zur Absicherung des Verfahrens zur Anwendung kommen werden.

5. Materielle Rechtmäßigkeit a) Tatbestandliche Voraussetzungen aa) § 12a POG RhlPf. § 12a POG RhlPf. ist auf Tatbestandsebene den Ermächtigungen über den Erlass von Aufenthaltsverboten nachempfunden. Tatbestandlich setzt die Regelung eine aufgrund von Tatsachen gerechtfertigte Annahme voraus, dass der Adressat der Meldeauflage eine Straftat begehen wird.506 Zur Verhinderung bloßer Ordnungswidrigkeiten darf eine Meldeauflage nicht erlassen werden.507 Der erforderliche Überzeugungsgrad der anzustellenden Prognose ist schwächer ausgeprägt als in § 7 Abs. 1 PaßG, denn § 12a POG RhlPf. verlangt lediglich eine „gerechtfertigte“, nicht aber eine „begründete“ Annahme. Die Anforderungen an die Prognose ähneln denen des § 10 PaßG. Die Annahme muss sich daher noch nicht auf ein konkretisiertes Geschehen – im Sinne von zeitlicher und örtlicher Bestimmbarkeit – beziehen, sie muss sich aber bereits derart konkretisiert haben, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums mit der Begehung einer zu-

504

Landtag Rheinland-Pfalz, Drucksache 15/4879 vom 18.8.2010; zu den Funktionen eines Richtervorbehalts vgl. auch Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 153 ff. 505 Zur Diskrepanz zwischen dem rechtsstaatlichen Anspruch und der Wirklichkeit beim Richtervorbehalt, siehe: Talaska, Der Richtervorbehalt, S. 81 ff.; Siehe auch: Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 157 ff.; In Rheinland-Pfalz beschränkt sich der Richtervorbehalt gemäß § 12a S. 4 POG RhlPf. auf die Verlängerung der Maßnahme. 506 Siehe Gesetzesbegründung zu § 12a POG RhlPf., Landtag Rheinland-Pfalz, Drucksache 15/4879 vom 18.8.2010, S. 25. 507 Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht für Rheinland-Pfalz, G 29.

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mindest ihrer Art nach vorhersehbaren Straftat des Betroffenen zu rechnen ist.508 Der Erlass einer Meldeauflage im Vorfeld einer Gefahr, bei der es an derartigen Anhaltspunkten mangelt, ist demnach unzulässig.509 bb) Generalklausel Gelangt man entgegen der hier vertretenen Auffassung zu dem Ergebnis, dass die polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel eine taugliche Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Meldeauflagen ist, führt dies zu der Frage, ob ihre tatbestandlichen Voraussetzungen vollumfänglich den Erlass einer Meldeauflage rechtfertigen können. (1) Minusmaßnahme zum Gewahrsam Vereinzelt wird in einer Meldeauflage, in Parallelität zur strafprozessualen Meldeauflage gemäß § 116 S. 2 Nr. 1 StPO, eine Minusmaßnahme zum Gewahrsam angesehen. Daraus ergebe sich, dass die Meldeauflage an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Ingewahrsamnahme zu messen sei.510 Zutreffend an dieser Auffassung ist, dass die Meldeauflage das mildere Mittel im Vergleich zur Ingewahrsamnahme eines Störers ist. Die gefahrenabwehrrechtliche Meldeauflage weicht hinsichtlich ihres Charakters allerdings stark von der strafprozessualen Meldeauflage ab. Letztere zielt, anders als die gefahrenabwehrrechtliche Meldeauflage, nicht auf eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit ab.511 Die gefahrenabwehrrechtliche Meldeauflage weist daher üblicherweise eine deutlich höhere Meldefrequenz als die strafprozessuale Meldeauflage auf.512 Schließlich werden auch die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ingewahrsamnahme nicht der typischen Situation bei einer Meldeauflage gerecht. Die Meldeauflage kommt bereits in einem früheren Gefahrenstadium zur Anwendung. In der Regel wird es an einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr fehlen, so dass eine Ingewahrsamnahme gar

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VGH Mannheim, Urteil vom 18.5.2017, 1 S 1193/16 = BeckRS 2017, 111995; analog zum Aufenthaltsverbot vgl. Ogorek, in: Kugelmann/Möstl (Hrsg.), BeckOK PolR NRW, § 34 Rn. 37. 509 Siehe Gesetzesbegründung zu § 12a POG, Landtag Rheinland-Pfalz, Drucksache 4879/ 15 S. 25; a. A.: Barczak, JURA 2014, 888 (893). 510 Butzer, VerwArch 2002, 506 (538) Brenneisen, NPA (2008) 104, Blatt 51; ders., Anmerkungen zu AG Schwarzenbek, Urteil vom 2.11.1997, XIV 797/97 = Polizei-Info, Polizeiforum 1998, 67 ff.; wohl auch Gädeke, Sportgroßveranstaltungen als staatliche Herausforderung, S. 138 f., der diese Lösung indes für unpraktikabel hält. 511 Andernfalls wäre die Differenzierung zwischen einer Anordnung nach § 116 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StPO ohne Bedeutung. 512 Siehe Böhm, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), MüKo StPO I, § 116 Rn. 22.

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nicht in Betracht käme.513 Die Meldeauflage kann daher nicht als Minusmaßnahme zum Gewahrsam verstanden werden.514 (2) Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung Die polizei- und ordnungsrechtlichen Generalklauseln ermächtigen zum Erlass von Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung.515 Da Meldeauflagen in das Recht auf Freizügigkeit eingreifen, ist der qualifizierte Gesetzesvorbehalt aus Art. 11 Abs. 2 GG zu beachten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Generalklausel müssen somit unter Anwendung des in Art. 11 Abs. 2 GG enthaltenen Kriminalvorbehalts verfassungskonform ausgelegt werden.516 Der Erlass einer Meldeauflage kommt demnach ausschließlich zur Abwehr von Gefahren in Form der Verhinderung von Straftaten in Betracht. Ein Erlass von Meldeauflagen zum Zweck der Durchsetzung und Kontrolle passund ausweisrechtlicher Maßnahmen scheidet daher, ungeachtet der kompetenzrechtlichen Hindernisse, auch mit Blick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Generalklausel aus.517 Bei entsprechend verdichteter Gefahrenprognose kann eine Meldeauflage aber zur Verhinderung einer Straftat i. S. d. § 24 PaßG erlassen werden.518 Die Gefahrenprognose darf sich in diesem Fall allerdings nicht in der Überprüfung derjenigen Gründe erschöpfen, die Grundlage der pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahme waren, sondern muss sich auf Gründe stützen, die gerade die Prognose einer drohenden Straftat gemäß § 24 PaßG durch den Betroffenen tragen. Die Meldeauflage muss somit auf dem Ergebnis einer eigenständigen Prognoseentscheidung der Behörden beruhen.519

513

Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, S. 329; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 342. 514 So auch: Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, S. 329; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 342; a. A. hingegen: Butzer, VerwArch 2002, 506 (538); Brenneisen, Kriminalistik 1999, 483 (485). 515 Vgl. § 8 MEPolG 1977. 516 Siehe: Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 163; VGH Mannheim, Urteil vom 22.7.2004, 1 S 2801/03 = NJW 2005, 88; die Möglichkeit einer derartigen Auslegung ablehnend: VGH Kassel, Beschluss vom 5.2.2003, 11 TG 3397/02 = NVwZ 2003, 1400. 517 Breucker, NJW 2004, 1631 (1632); Rachor, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 769 f. 518 VG Stuttgart, Beschluss vom 28.9.2005, 11 K 3156/05 = NJW 2006, 1017; a. A. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.3.2006, 1 B 7/04 (juris); Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 208 ff.; ders., NJW 2004, 1631 (1632). 519 Rachor, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 770, der jedoch bei einer auf diese Erwägungen gestützten Meldeauflage Ermessensprobleme erkennt.

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b) Rechtsfolge aa) Ermessen (1) Subsidiarität der Meldeauflage Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor, steht die Entscheidung darüber, ob eine Meldeauflage erlassen wird, im Ermessen der Behörde. Dabei ist zunächst die grundsätzliche Subsidiarität der Meldeauflage im Verhältnis zu weniger grundrechtsintensiven Maßnahmen zu berücksichtigen. Mildere Mittel an Stelle der Meldeauflage sind unter anderem aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen oder die Gefährderansprache.520 Im Gegensatz zur Meldeauflage setzt der Erlass von Aufenthaltsverboten allerdings voraus, dass bereits im Vorfeld die konkrete Örtlichkeit, von der die Person ferngehalten werden soll, bekannt ist. In der Praxis kann sich dies mitunter als hinderlich erweisen. So besteht bei Auswärtsspielen häufig schon auf dem Anreiseweg das Risiko, dass es zu störenden Verhaltensweisen kommt. In der Hooliganszene ist es durchaus üblich, dass sich die Personen erst kurzfristig auf eine Örtlichkeit einigen, um abseits des sportlichen Geschehens ihren angedachten Gewalthandlungen nachzugehen.521 In diesen Fällen scheidet der Erlass eines Aufenthaltsverbots entweder aufgrund von Erkenntnisdefiziten aus oder deshalb, weil die Gefahr nur durch ein ausgesprochen weiträumiges Aufenthaltsverbot abgewehrt werden könnte. Der Erlass weiträumiger Aufenthaltsverbote stößt jedoch an polizeiund verfassungsrechtliche Grenzen.522 Gegebenenfalls kann der Erlass einer Meldeauflage trotz eines bereits erlassenen Aufenthaltsverbot erforderlich sein, insbesondere wenn ernsthafte Zweifel daran bestehen, ob der Betroffene dem Aufenthaltsverbot Folge leisten wird oder die Gefahr der Begehung von Straftaten durch den Betroffenen an Orten droht, auf die sich das Aufenthaltsverbot nicht erstreckt. In diesem Fall bedarf es allerdings einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung.523

520 Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 60; Brenneisen, NPA (2008) 104, Blatt 51. 521 Vgl. Böttger, in: Rössner/Jehle (Hrsg.), Kriminalität, Prävention und Kontrolle, S. 327 – 342 (327). 522 Siehe hierzu: Keller, jurisPR-ITR 22/2014, Anm. 3 zu VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 2.5.2014, 5 L 404/14.NW (juris); ebenso: Bösch, JURA 2009, 650 (651); mit geringeren Bedenken hingegen: Neuner, Zulässigkeit und Grenzen polizeilicher Verweisungsmaßnahmen, S. 130. 523 Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 319, der zu Recht darauf hinweist, dass eine Meldeauflage nicht lediglich der Erleichterung der Aufsicht dienen darf, sondern einen eigenen präventivpolizeilichen Zweck verfolgen muss. Zu leichtfertig daher: Barczak, JURA 2014, 888 (894), der den parallelen Erlass neben anderen Maßnahmen generell für unbedenklich erachtet.

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

(2) Inhalt und Umfang der Meldeauflage Hat sich die Behörde unter Abwägung aller in Betracht kommenden Maßnahmen für den Erlass einer Meldeauflage entschlossen, so obliegt es ihr im Rahmen ihres Handlungsermessens die inhaltliche Ausgestaltung der Maßnahme näher zu bestimmen. Dabei hat sie sowohl über die Dauer der Maßnahme zu befinden als auch darüber, wo, zu welchen Zeiten und wie oft sich der Betroffene zu melden hat. Die Meldeauflage wird inhaltlich aufgrund des in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltenen Übermaßverbots durch den für die Belange der Gefahrenabwehr erforderlichen Rahmen begrenzt. Eine Meldeauflage, die sich über einen Zeitraum von mehreren Tagen oder Wochen erstreckt, wird in der Praxis daher nur dann ausgesprochen werden, wenn eine Person von dem Besuch mehrerer kurz hintereinander stattfindender Spiele, beispielsweise bei einem internationalen Turnier, abgehalten werden soll.524 Im Rahmen der üblichen Liga- und Pokalspiele dürften hingegen Meldeauflagen, die sich nur auf die Dauer eines Spieltages erstrecken, den Regelfall abbilden. Bei Meldeauflagen von längerer Dauer kann es aufgrund schutzwürdiger Interessen des Betroffenen erforderlich sein, flexible Meldezeiten zu ermöglichen.525 Schutzwürdige Interessen können insbesondere berufliche oder zwingende private Gründe sein (beispielsweise Pflege eines nahen Angehörigen), die dazu führen, dass der Betroffene nicht dazu in der Lage ist, seiner Meldepflicht zu täglich festgelegten Zeiten nachzukommen. Eine Meldeauflage, die über einen Zeitraum von mehreren Wochen hinausgeht, dürfte zudem schon deshalb nicht in Betracht kommen, da es kaum möglich sein dürfte, für einen derart langen Zeitraum eine hinreichend gewisse Gefahrenprognose anzustellen.526 Die Anzahl der Meldungen sowie die Meldefrequenz richten sich danach, wie viele Meldungen erforderlich sind, um sicherstellen zu können, dass sich der Adressat der Maßnahme nicht zwischen den einzelnen Meldungen an diejenigen Örtlichkeiten begibt, von denen er eigentlich ferngehalten werden soll.527 Eine Grenze wird jedoch dann erreicht sein, wenn die Anzahl der Meldungen faktisch zu einem gewahrsamsähnlichen Daueraufenthalt im näheren Umfeld der Dienststelle führt.528

524 BVerfG, Beschluss vom 19.6.2006, BvQ 1 17/06 = BVerfGK 8, 225; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 340; Schucht, NVwZ 2011, 709 (709). 525 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 348 f. 526 Zur parallelen Problematik beim Aufenthaltsverbot: Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 310 ff. 527 Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 235; Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 51; Barczak, JURA 2014, 888 (894); ggf. ist der Erlass einer anderen Maßnahme in Betracht zu ziehen, soweit nicht sicher auszuschließen ist, dass sich der Betroffene zwischen den Meldungen zum Stadion begibt; so: Breucker, SpuRt 2005, 133 (135); VGH München, Beschluss vom 28.8.2017, 10 ZB 16.68 (juris); zu kritisch hingegen: Brenneisen, Kriminalistik 1999, 483 (485), der die Geeignetheit der Meldeauflage generell in Frage stellt. 528 Breucker, NJW 2006, 1233 (1236).

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Soweit die Belange der Gefahrenabwehr es zulassen, ist dem Betroffenen grundsätzlich die Möglichkeit zu eröffnen, sich an einer Dienststelle in der Nähe seines Wohn- oder Aufenthaltsortes melden zu können, um seiner Meldepflicht nachzukommen.529 Um die tatsächlichen Umstände umfassend erörtern zu können, ist der Betroffene im Rahmen der vorab durchzuführenden Anhörung zu befragen, an welchen Orten er sich innerhalb des für die Maßnahme in Betracht gezogenen Zeitraums aufzuhalten gedenkt und an denen es ihm ohne schwerwiegende Beeinträchtigung seiner Freizügigkeit möglich ist, der angedachten Meldeauflage Folge zu leisten. Eine Meldeauflage, die es dem Adressaten ermöglicht, auf jeder polizeilichen Dienststelle im Inland der Meldepflicht nachzukommen, ist theoretisch denkbar, aber bereits aus Effektivitätsgründen eher praxisfern.530 Um eine möglichst effektive Gefahrenabwehr sicherzustellen, ist es sinnvoll, eine bestimmte Dienststelle zu benennen, um das Nicht-Befolgen einer Meldepflicht zeitnah feststellen und die in diesem Fall erforderlichen weiteren Maßnahmen treffen zu können.531 Unter Berücksichtigung aller Umstände kann es gegebenenfalls erforderlich sein, den Betroffenen dazu zu verpflichten, sich auf einer Dienststelle zu melden, die sich außerhalb seines eigentlichen Aufenthaltsortes befindet. Der hierfür aufzubringende Reiseaufwand ist jedenfalls in denjenigen Fällen zumutbar, in denen sich am Aufenthaltsort der Person keine geeignete Dienststelle befindet, an denen er seiner Meldepflicht nachkommen könnte, und keine sonstigen Hindernisse einer derartigen Auflage entgegenstehen.532 529 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 347 f.; Schucht, NVwZ 2011, 709; Breucker, NJW 2006, 1233 (1236); ders., SpuRt 2005, 133 (135). 530 Petersen-Thrö/Elzermann, KommJur 2006, 289 (293), halten eine derartige Meldeauflage mangels bundesweiter Vernetzung der Polizeidienststellen für praktisch nicht umsetzbar; ebenfalls: Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 334, 346; Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 232 f., hält hingegen ein derart ausgestaltete Meldeauflage für ebenso geeignet und überträgt das Risiko nicht oder nicht rechtzeitig weitergeleiteter Informationen, auf den Betroffenen. Dies ist jedoch, ungeachtet der zusätzlichen Lasten für die Behörde, schon im Hinblick auf die dem Betroffenen drohenden Folgemaßnahmen nicht hinnehmbar, da der Betroffene im Fall einer derart ausgestalteten Meldeauflage zu Recht darauf vertrauen darf, dass sein Erscheinen auf der Dienststelle seiner Wahl ordnungsgemäß an die koordinierende Stelle weitergemeldet wird. 531 Denkbar ist beispielsweise den Adressaten der Meldeauflage an seiner Wohnung aufzusuchen oder die Einsatzkräfte vor Ort darüber zu informieren, dass sich der Adressat der Meldeauflage nicht gemeldet hat und sein Erscheinen vor Ort erwartet werden kann. Breucker, SpuRt 2005, 133 (135); a. A. wohl Schucht, NVwZ 2011, 709; ebenso Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 231. 532 Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 309, 316, hält eine derartige Meldeauflage für nicht verhältnismäßig und verweist dabei auf die Ausführungen von Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 231. Dieser hat sich indes nur dahingehend eingelassen, dass er (zutreffenderweise) eine Meldung auf einer auswärtigen Dienstelle in denjenigen Fällen für unverhältnismäßig erachtet, in denen die Ausreise einer Person unterbunden werden soll. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Pflicht, sich auf einer Dienststelle in der Nachbargemeinde zu melden, unverhältnismäßig sein soll, wenn die Erfüllung dieser Meldepflicht keine unbillige Härte für den Adressaten darstellt. Insbesondere in dicht besiedelten Ballungsräumen wird einer

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

bb) Besonderheiten im Rahmen des § 12a POG RhlPf. Gemäß § 12a POG RhlPf. darf eine Meldeauflage nur erlassen werden, wenn dies zur Bekämpfung der Straftat erforderlich ist. Da sich der Vorrang milderer Mittel bereits aus dem im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigenden Verhältnismäßigkeitsprinzip ergibt, handelt es sich hierbei in erster Linie um eine an den Rechtsanwender gerichtete Erinnerung, dass die Maßnahme nur schonend und möglichst nachrangig zur Anwendung kommen soll.533 Eine Besonderheit des § 12a S. 3 POG RhlPf. auf Ebene der Rechtsfolgen ist die zeitliche Begrenzung der Meldeauflage auf maximal einen Monat.

6. Rechtsvergleichende Betrachtung, § 49c SPG (Österreich) Da für den Erlass von Meldeauflagen nicht auf die polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel zurückgegriffen werden kann, ist es Aufgabe der jeweiligen Landesgesetzgeber, entsprechende Standardermächtigungen zu erlassen, um die Polizei- oder Ordnungsbehörden zu dieser Maßnahme zu ermächtigen. Als Vorbild für die zu schaffenden Standardermächtigungen steht innerhalb Deutschlands lediglich § 12a POG RhlPf. zur Verfügung. Aus diesem Grunde lohnt es sich den Blick in Richtung Österreich zu wenden. Dort existiert mit § 49c Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SPG534 eine spezialgesetzliche Standardermächtigung über den Erlass von MeldePerson wohl keine derartige Härte zugemutet, wenn sie dazu verpflichtet wird, eine geeignete Dienststelle in der Nachbargemeinde aufzusuchen. 533 Zur Subsidiarität der Meldeauflage siehe u. a.: Chalkiadaki, Gefährderkonzepte in der Kriminalpolitik, S. 60; Brenneisen, NPA (2008) 104, Blatt 51. 534 § 49c SPG Präventive Maßnahmen: Meldeauflage, Belehrung, zwangsweise Vorführung und Anhaltung (1) Wenn ein Mensch im Zusammenhang mit einer nicht länger als zwei Jahre zurückliegenden Sportgroßveranstaltung 1. einen gefährlichen Angriff gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum unter Anwendung von Gewalt, nach dem Verbotsgesetz oder § 283 StGB begangen oder im Ausland einen vergleichbaren Sachverhalt verwirklicht hat, oder 2. gegen ein Betretungsverbot nach § 49a Abs. 2 verstoßen hat,sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, ihm mit Bescheid aufzuerlegen, zu einem bestimmten Zeitpunkt in unmittelbarem Zusammenhang mit einer bestimmten Sportgroßveranstaltung bei der Sicherheitsbehörde oder einem Polizeikommando persönlich zu erscheinen und ihn nachweislich über rechtskonformes Verhalten zu belehren, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, er werde im Zusammenhang mit dieser Sportgroßveranstaltung einen gefährlichen Angriff (Z 1) setzen. Bei der Belehrung ist insbesondere auf die Gründe, die zur Meldeauflage geführt haben, auf das besondere Gefährdungspotential durch derartiges Verhalten und die damit verbundenen Rechtsfolgen einzugehen. (2) Bei der Meldeauflage sind jedenfalls Ort und Dauer der Sportgroßveranstaltung sowie der Wohnsitz des Betroffenen angemessen zu berücksichtigen. (3) Der Bescheid ist zu eigenen Handen zuzustellen. Wer nicht durch Krankheit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat der aufgetragenen Verpflichtung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung der Meldeauflage vorgeführt werden, wenn dies im

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auflagen, die inhaltlich zum Teil erheblich von § 12a POG RhlPf. abweicht und gerade deshalb Beachtung verdient. a) Zuständigkeit und Form § 49c Abs. 1 S. 1 SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden zum Erlass von Meldeauflagen. Der Begriff der Sicherheitsbehörde darf dabei nicht im bayerischen Sinne, also synonym für Ordnungsbehörde, verstanden werden.535 Sicherheitsbehörden im österreichischen Sinne sind gemäß § 4 SPG alle Polizeibehörden im materiellen Sinne, also neben den polizeilichen Verbänden im institutionellen Sinne auch alle weiteren Behörden (insbesondere Bezirksverwaltungsbehörden und Gemeinden), die mit polizeilichen Aufgaben betraut sind. Die Meldeauflage ist dem Adressaten gemäß § 49c Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SPG per Bescheid „zu eigenen Handen“536 bekannt zu geben. b) Tatbestand Der Erlass einer Meldeauflage setzt nach § 49c Abs. 1 S. 1 Ziffer 1 und 2 SPG voraus, dass der Betroffene der Maßnahme bereits in der Vergangenheit im Rahmen einer Sportveranstaltung einen gefährlichen Angriff oder einen vergleichbaren Sachverhalt im Ausland verwirklicht oder gegen ein Betretungsverbot537 verstoßen hat. Unter einem gefährlichen Angriff ist gemäß § 16 Abs. 2 und 3 SPG die vorsätzliche Begehung bestimmter strafrechtlicher Delikte zu verstehen, einschließlich derjenigen Handlungen, die darauf gerichtet sind, die Begehung dieser Delikte vorzubereiten, und in einem engen zeitlichen Zusammenhang zur Tatbestandsverwirklichung stehen. Der Berücksichtigungsfähigkeit vergangener Umstände wird durch die Norm jedoch eine absolute zeitliche Grenze gesetzt. Demnach können keine Verhaltensweisen des Betroffenen berücksichtigt werden, die länger als zwei Jahre zurückliegen.538 Neben dem Vorliegen eines vergangenen Fehlverhaltens setzt § 49c Abs. 1 S. 1 SPG zusätzlich das Vorliegen von Tatsachen voraus, die die Annahme rechtfertigen, dass der Betroffene im Rahmen einer Sportveranstaltung einen gefährlichen Angriff setzen wird. Bei den Tatsachen auf die sich diese Annahme stützen kann, kann es sich dem Wortlaut nach nicht um Tatsachen im Sinne des Abs. 1 Bescheid angedroht ist. (4) Einer Beschwerde gegen einen Bescheid nach Abs. 1 kommt eine aufschiebende Wirkung nicht zu. 535 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 69. 536 D. h. der Bescheid darf gem. § 21 ZustG (Österr.) nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden. 537 Vgl. § 49a Abs. 2 SPG, das österreichische Betretungsverbot entspricht in etwa dem deutschen Aufenthaltsverbot. 538 Zur Kritik an derart starren Fristen siehe: VGH Mannheim, Urteil vom 7.12.2004, 1 S 2218/03 (juris); Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 161.

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S. 1 Ziffer 1 handeln. Andernfalls wäre die erneute Erwähnung des Begriffs „Tatsachen“ überflüssig. Ein vorheriges Fehlverhalten genügt demnach für sich betrachtet nicht, um eine Meldeauflage gegen eine Person erlassen zu können. Es bedarf vielmehr weiterer Anhaltspunkte dafür, dass sich die Person künftig störend im Sinne des § 49c Abs. 1 S. 1 Ziffer 1 SPG verhalten wird. c) Rechtsfolgen Als Rechtsfolge sieht § 49c Abs. 1 S. 1 SPG lediglich eine Ermächtigung zu einer einmaligen Meldung auf einer Dienststelle einer Sicherheitsbehörde oder einem Polizeikommando vor. Wie sich § 49c Abs. 1 S. 1 und 2 SPG entnehmen lässt, ist der Betroffene im Rahmen seiner Meldung auf der Dienststelle nachweislich über rechtskonformes Verhalten zu belehren. § 49c Abs. 2 SPG enthält schließlich noch einen deklaratorischen Hinweis auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach dem im Rahmen der behördlichen Entscheidung der Ort und die Dauer der Veranstaltung sowie der Wohnsitz des Betroffenen angemessen zu berücksichtigten sind. d) Erkenntnisse § 49c SPG weist einige interessante Abweichungen im Vergleich zu § 12a POG RhlPf. auf. Teile der Norm erweisen sich durchaus vorteilhaft und sollten Einzug in das deutsche Polizei- und Ordnungsrecht finden, andere werden den Bedürfnissen der behördlichen Praxis in Deutschland nicht gerecht und können somit nicht als Vorbild dienen. So sollten in Anlehnung an § 49c SPG die Polizei- und Ordnungsbehörden zum Erlass von Meldeauflagen ermächtigt sein. Zwar dürfte in vielen Fällen vornehmlich die Polizei über die für den Erlass einer Meldeauflage notwendigen Erkenntnisse verfügen, allerdings ist die Polizei dazu verpflichtet, die Ordnungsbehörden über diejenigen Vorgänge zu informieren, die ihr Eingreifen erforderlich machen.539 Im Rahmen von Fußballveranstaltungen sind die Ordnungsbehörden insbesondere durch ihre Teilnahme am ÖASS in den Informationsfluss mit eingebunden.540 Ohnehin entspricht ein Handeln der Ordnungsbehörden dem ursprünglichen Gedanken der Entpolizeilichung, der zur Entlastung der Polizei und damit zu einer möglichst effektiven Abwehr von Gefahren beiträgt.541 Es ist daher sinnvoll, wenn die Ordnungsbehörden, ebenso wie im Rahmen des § 49c SPG, den Betroffenen zu einer Meldung auf einer Polizeidienstelle verpflichten können, da die ordnungsbehördlichen Dienststellen an den Wochenenden, an denen der Großteil der Fußballveranstaltungen stattfindet, üblicherweise nicht besetzt sind. Wegen der Komplexität des Verwaltungsakts erscheint auch eine zwingend vorgesehene 539

Siehe unter anderem: § 1 Abs. 1 S. 4 PolG NRW; § 1 Abs. 8 POG RhlPf. Siehe hierzu Teil 4 dieser Arbeit. 541 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 54 ff.; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 10 ff.; Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 11. 540

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schriftliche Bekanntgabe der Meldeauflage, in Abweichung vom Grundsatz der Formfreiheit gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG, sinnvoll.542 In tatbestandlicher Hinsicht schränkt § 49c SPG die Handlungsmöglichkeiten der Behörden relativ stark ein. Dies beginnt bereits damit, dass eine Meldeauflage nur in Betracht kommt, wenn sich ihr Adressat bereits störend im Rahmen einer Sportveranstaltung verhalten hat. Diese Beschränkung erscheint in der Praxis schon deshalb hinderlich, weil es durchaus Einzelfälle geben kann, in denen eine Person bislang nicht störend im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen in Erscheinung getreten ist, ein störendes Verhalten in der Zukunft aber dennoch von ihr erwartet werden kann. Sie reduziert auf der anderen Seite aber das Risiko von Maßnahmen, die aufgrund lediglich vager Anhaltspunkte erlassen werden. Allerdings wird der Anwendungsbereich des § 49c SPG noch zusätzlich begrenzt, indem sich die Prognose nur auf solche Umstände stützen darf, die nicht länger als zwei Jahre zurückliegen. Es sind jedoch zahlreiche Gründe denkbar, die keinen Einfluss auf die Gefahrenprognose nehmen und erklären können, warum eine Person in einem Zeitraum von zwei Jahren unauffällig geblieben ist.543 Liegt ein störendes Verhalten einer Person länger als zwei Jahre zurück, kann dieser Umstand allerdings geeignet sein, eine Gefahr abzulehnen, so lange keine weiteren Umstände hinzutreten, die die Annahme eines bevorstehenden störenden Verhaltens rechtfertigen.544 Der Begriff des gefährlichen Angriffs im Sinne des § 49c SPG ist dem deutschen Polizei- und Ordnungsrecht fremd und kann daher nicht übernommen werden. Allerdings erweist sich dieser Begriff insoweit als vorteilhaft, da sich hinter ihm ein klar vorgegebenes strafrechtliches Fehlverhalten verbirgt. Damit trägt das Tatbestandsmerkmal des gefährlichen Angriffs zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Je geringer der strafrechtliche Vorwurf der prognostizierten Tat ist, desto schwieriger dürfte der Erlass einer Meldeauflage zu rechtfertigen sein. Eine Meldeauflage ließe sich beispielsweise kaum damit rechtfertigen, dass der Betroffene ein notorischer Nörgler ist, der regelmäßig im Rahmen von Sportveranstaltungen strafrechtlich relevante Beleidigungen ausspricht. Im Hinblick auf die mit einer Meldeauflage typischerweise abzuwehrenden Straftaten im Rahmen von Veranstaltungen, sollte die Maßnahme daher tatbestandlich bereits auf die Abwehr von Gefahren für Leib, Leben, Freiheit oder Eigentum beschränkt werden. In der Rechtsfolge weicht § 49c SPG deutlich von der in Deutschland üblichen Praxis bei Erlass einer Meldeauflage ab. Die Beschränkung auf eine einmalige Meldung zu einem bestimmten Zeitpunkt schränkt die Effektivität der Maßnahme 542

Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 37 Rn. 18a. Bspw. kann die Person eine längere Vollzugsstrafe verbüßt haben oder wird grds. nur bei größeren Turnieren (EM/WM) auffällig. Siehe auch: VGH Mannheim, Urteil vom 7.12.2004, 1 S 2218/03 (juris); Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 161. 544 VGH Mannheim, Urteil vom 7.12.2004, 1 S 2218/03 (juris); VG Minden, Urteil vom 29.6.2005, 11 K 3164/04 = BeckRS 2005, 28012; Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 161; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 98; eher starr an zeitlichen Kriterien festhaltend: OVG Lüneburg, Urteil vom 22.9.2005, 11 LC 51/04 = NJW 2006, 391 (394). 543

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

zur Abwehr von Gefahren relativ stark ein, da mitunter eine mehrmalige Meldung des Betroffenen erforderlich sein wird, um ihn für den erforderlichen Zeitraum vom Veranstaltungsort fernzuhalten. Auch die inhaltliche Nähe der Maßnahme zur Gefährderansprache ist der in Deutschland üblichen Praxis fremd.

7. Übertragung der Erkenntnisse in einen eigenen Gesetzesentwurf Zum Abschluss dieses Abschnitts soll der Versuch unternommen werden, die gewonnenen Erkenntnisse in einem eigenen Gesetzentwurf über den Erlass von Meldeauflagen zusammenzuführen. Der Entwurf soll die Vorteile der thematisierten Normen, also § 12a POG RhlPf. sowie § 49c SPG, unter Vermeidung ihrer Nachteile vereinen und dabei in sprachlicher Hinsicht an die bestehenden polizeilichen Standardermächtigungen anknüpfen. Meldeauflage

(1) Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass eine Person innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine Straftat, die sich gegen Leib, Leben, Eigentum oder die Freiheit einer anderen Person richtet, begehen oder sich an einer solchen Tat beteiligen wird, können die Polizei- und Ordnungsbehörden die Person dazu verpflichten, sich ein- oder mehrmalig auf einer Dienststelle der Polizei oder der Ordnungsbehörde zu melden und dabei die Feststellung ihrer Identität zu ermöglichen (Meldeauflage). (2) Meldeauflagen sind zeitlich auf den für die Verhütung der Straftat erforderlichen Zeitraum zu beschränken. Sie dürfen die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten. Soweit es der Zweck der Maßnahme zulässt, ist es der Person zu ermöglichen, der Meldung auf einer Dienststelle an ihrem Wohn- oder Aufenthaltsort, andernfalls an der diesem Ort nächstgelegenen Dienststelle nachzukommen. Auf die Belange des Betroffenen ist angemessen Rücksicht zu nehmen. (3) Meldeauflagen sind dem Betroffenen schriftlich bekannt zu geben.

8. Zwischenfazit Eine Meldeauflage verpflichtet ihren Adressaten, sich ein oder mehrmalig auf einer Dienststelle der Polizei oder einer Ordnungsbehörde zu melden. Durch das Auferlegen dieser Meldepflicht kann die Person faktisch von einem anderen Ort ferngehalten werden. Mit einer Meldeauflage gehen stets Eingriffe in Art. 11 GG einher. Im Vergleich zu Aufenthaltsverboten erweisen sich Meldeauflagen somit als grundsätzlich eingriffsintensiver und müssen stets den Schranken des Art. 11 Abs. 2 GG gerecht werden. Sie können daher nur gegen eine Person erlassen werden,

V. Ergebnisse Teil 3

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um diese an der Begehung einer Straftat zu hindern. Die polizeiliche Generalklausel, die auch sonstige Eingriffe zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gestattet, ist deshalb keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Meldeauflagen. Die verfassungsrechtlich gebotene Standardermächtigung hat bislang nur der Gesetzgeber in Rheinland-Pfalz erlassen. Diese wird den tatbestandlichen Anforderungen der Maßnahme weitgehend gerecht, schießt jedoch im Hinblick auf den dort vorgesehenen Richtervorbehalt über das verfassungsrechtlich notwendige Maß hinaus.

V. Ergebnisse Teil 3 Den Polizei- und Ordnungsbehörden steht ein Repertoire unterschiedlicher Fernhaltemaßnahmen zur Verfügung, mit denen einzelne Personen vom Besuch einer Fußballveranstaltung abgehalten werden können. Bei Veranstaltungen im Inland kommen in erster Linie Gefährderansprachen, Aufenthaltsverbote und Meldeauflagen in Betracht. Die Maßnahmen greifen unterschiedlich stark in die Rechte des Betroffenen ein, wobei die Meldeauflage die grundsätzlich schwerste, die Gefährderansprache hingegen die geringste Eingriffsintensität aufweist. Im Verhältnis der Maßnahmen zueinander ist daher von einem Stufenverhältnis auszugehen, wobei im Einzelfall auch der parallele Erlass mehrerer Maßnahmen verhältnismäßig sein kann. Problematisch erweist sich der Erlass von Meldeauflagen, der nicht auf die Generalklausel gestützt werden kann. Bei Veranstaltungen im Ausland ist der Erlass von Aufenthaltsverboten ohne Zustimmung des ausländischen Staates aufgrund dessen entgegenstehender Souveränität unzulässig. Eine Gefährderansprache wäre zwar zulässig, allerdings deutlich weniger wirkungsvoll, da in der Regel kein Einfluss auf die Maßnahmen an dem im Ausland liegenden Veranstaltungsort genommen werden kann. In diesem Fall kommt vor allem der Erlass von pass- und ausweisrechtlichen Maßnahmen in Betracht. Zentrale Norm für diese Maßnahmen ist § 7 Abs. 1 PaßG, wobei ausschließlich der Versagungsgrund gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 PaßG von praktischer Relevanz ist. Der Erlass von pass- und ausweisrechtlichen Maßnahmen aufgrund sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland ist aufgrund der engen Auslegung des Tatbestands beschränkt auf diejenigen Fälle, in denen es um die Abwehr schwerer Straftaten geht, die Leib oder Leben oder die Funktionsfähigkeit eines auswärtigen Staates und seiner Einrichtungen bedrohen. Sachlich zuständig für diese Maßnahmen sind die Gemeinden und die Bundespolizei.545 Der parallele Erlass 545 Mit Ausnahme der Regelungen in dem Verwaltungsabkommen zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem Hamburger Senat über die Wahrnehmung der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs im Hamburger Hafen vom 22. Januar 1974 sowie dem Verwaltungsabkommen zwischen dem Bundesministerium des Innern und der Bayerischen Staatsregierung über die Wahrnehmung von Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes in Bayern vom 17. April 2008.

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Teil 3: Fernhaltemaßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden

von Meldeauflagen neben pass- und ausweisrechtlichen Maßnahmen ist zulässig, soweit mit ihnen nicht ausschließlich der Zweck verfolgt wird, die Einhaltung passund ausweisrechtlicher Beschränkungen zu kontrollieren, sondern die Maßnahme selbständig der Verhinderung von Straftaten durch ihren Adressaten dient.

Teil 4

Die Negativprognose als Ausgangspunkt für den Erlass von Fernhaltemaßnahmen in der Praxis I. Einführung Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen setzt die Prognose eines drohenden Schadens voraus, der auf ein störendes Verhalten des Betroffenen zurückzuführen ist (Negativprognose).1 Bei einzelnen Maßnahmen ist sogar eine qualifizierte Negativprognose erforderlich, da nur die Prognose eines strafbaren Verhaltens ihren Erlass rechtfertigen kann. Notwendige Voraussetzung dieser Prognose ist zunächst ein ausreichend ermittelter Sachverhalt, auf dessen Grundlage die Prognose anzustellen ist.2 Dies bedeutet im Bereich der personenbezogenen Gefahrenabwehr notwendigerweise, dass sich die Behörde eingehend mit der Person des Störers zu befassen hat. So können sich insbesondere aus dem bisherigen Verhalten einer Person sowie ihrer sozialen Einbindung Anhaltspunkte für das von ihr zu erwartende künftige Verhalten ergeben.3 Gleichwohl ist die Prognose des von einer Person zu erwartenden Verhaltens naturgemäß mit Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten behaftet.4 Bei einer eingehenden Untersuchung mit der behördlichen Praxis offenbart sich indes ein relativ pragmatisches Vorgehen der Behörden. Beim Erlass von Fernhaltemaßnahmen im Zusammenhang mit Fußballspielen konzentrieren sie sich vornehmlich auf die Ermittlung und Feststellung bestimmter Indizien, die sie als ausreichend erachten, um die erforderliche Negativprognose treffen zu können.5 Zu diesen Indizien zählen: - die Gruppenzugehörigkeit einer Person, - Vorstrafen und Ermittlungsverfahren gegen die Person, - Stadionverbote, 1 Dies gilt auch für pass- und ausweisrechtliche Maßnahmen gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 PaßG, da nach der für ihren Erlass anzustellende Prognose, eine Straftat durch den Betroffenen zu erwarten sein muss. Siehe oben Teil 3 III. 4. b) aa). Die Straftat steht als Rechtsgutsverletzung dem Schaden gleich, siehe: Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 80. 2 Eingehend zur Bedeutung der Sachverhaltsermittlung: Möstl, DVBl. 2007, 581 ff. (585). 3 Steinforth, Die Gefährderansprache, S. 213. 4 Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1212). 5 Hierzu bereits: Barczak, JURA 2014, 888 (889).

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

- Eintragungen in einer polizeilichen Datensammlung. Dieses Vorgehen ähnelt der behördlichen Praxis bei der Abwehr von Gefahren im zeitlichen Vorfeld von Versammlungen, welche auch dort mitunter kritisch betrachtet wird.6 Ein schematisches Vorgehen bietet sich nämlich nur in denjenigen Fällen an, in denen aufgrund des jeweils gleichgelagerten Sachverhalts eine Vielzahl von Fällen gleichbehandelt werden kann.7 Gerade in dieser Hinsicht ergeben sich bei der personenbezogenen Gefahrenabwehr jedoch erhebliche Zweifel, da sich das behördliche Vorgehen vornehmlich an der Person des Störers auszurichten hat. Das Verhalten einer Person ist allerdings kein naturwissenschaftlich exakt bestimmbarer Prozess, sondern steuerbar und veränderlich, wobei es von einer Vielzahl individueller Faktoren beeinflusst wird. Daher erscheint es zweifelhaft, ob eine auf bestimmte Indizien beschränkte Betrachtung des Sachverhalts eine zuverlässige und ausreichende Entscheidungsgrundlage bieten kann. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die benannten Indizien tatsächlich von derartigem Gewicht sind, dass von ihnen ohne weiteres mit hinreichender Sicherheit auf ein künftiges Fehlverhalten der Person geschlossen werden kann. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden die Anforderungen, die an eine ausreichend belastbare Negativprognose zu stellen sind, näher untersucht. Die Untersuchung beginnt mit den Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung, die den Ausgangspunkt der Prognose bildet. In diesem Zusammenhang werden auch die typischen Informationsquellen der Polizei- und Ordnungsbehörden, einschließlich ihres jeweiligen Informationsgehalts sowie ihrer Bedeutung für die Sachverhaltsermittlung, dargestellt. Zudem werden die Folgen einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung erörtert. Im Anschluss werden sodann Inhalt und Maßstab der Gefahrenprognose definiert, bevor im weiteren Verlauf dieses Kapitels die bereits dargestellten Indizien einer Überprüfung im Hinblick auf ihren Aussagegehalt und ihre Belastbarkeit im Rahmen einer Gefahrenprognose unterzogen werden. Die Untersuchung erfolgt in enger Anknüpfung an ausgewählte Entscheidungen aus der jüngeren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und der aus diesen Verfahren ersichtlichen Verwaltungspraxis.

II. Die Ermittlung des Sachverhalts als Voraussetzung der Prognose Grundlage jeder Prognose ist ein ausreichend ermittelter Sachverhalt. Die Sachverhaltsermittlung beginnt auf dem Gebiet des Gefahrenabwehrrechts notwendigerweise schon vor dem eigentlichen Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG. Erst wenn zumindest der Verdacht einer Gefahr besteht, kann das eigent6 7

Watrin, Die Gefahrenprognose im Versammlungsrecht, S. 87 ff., 91 ff. Sog. „unechtes Massenverfahren“, vgl.: Braun Binder, NVwZ 2016, 960 (962).

II. Die Ermittlung des Sachverhalts als Voraussetzung der Prognose

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liche Verwaltungsverfahren, an dessen Ende gegebenenfalls ein Verwaltungsakt gegen den verantwortlichen Störer ergeht, beginnen. Die Abwehr von Gefahren setzt somit eine dem eigentlichen Verwaltungsverfahren vorgeschaltete Gefahrenaufklärungsphase voraus, in der sich die Behörden die für die Gefahrenabwehr erforderlichen Informationen beschaffen müssen.8 Während dieser Aufklärungsphase stehen den Behörden bereits gewisse Eingriffsbefugnisse zur Informationsgewinnung zu.9 Erst wenn sich im Rahmen der Aufklärungsphase Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut ergeben, beginnt die eigentliche Gefahrenabwehr. Die Behörde kann an dieser Stelle entweder bereits konkrete Maßnahmen treffen oder weitere Nachforschungen anstellen.10

1. Umfang der Sachverhaltsermittlung Soweit sich die Behörden schon im Rahmen ihrer Ermittlungen auf das Erforschen von Indizien konzentrieren, gerät dieses Vorgehen in Konflikt mit den grundsätzlichen behördlichen Pflichten im Rahmen der Sachverhaltsermittlung. Die Behörden sind grundsätzlich zur vollständigen Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Diese Pflicht ergibt sich einerseits unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. § 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG), andererseits aus dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.11 Die Möglichkeit der Behörden, den Umfang der Sachverhaltsermittlungen bestimmen zu können (vgl. § 24 Abs. 1 S. 2 VwVfG), ändert nichts an dieser Pflicht. In dieser Einflussmöglichkeit kommt vielmehr der auch im Rahmen der Sachverhaltsermittlung verankerte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Ausdruck.12 Die Pflicht zur vollständigen Ermittlung des Sachverhalts ist nicht gleichbedeutend mit einer Pflicht zur lückenlosen Aufklärung des Sachverhalts. Derart weitreichende Ermittlungen können von den Behörden weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen verlangt werden. Die Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung werden schon durch die begrenzten Eingriffs- und Ermittlungsbefugnisse der Behörden beschränkt. Da der für die Prognose erforderliche Wahrscheinlichkeitsgrad, mit der das störende Verhalten der Person zu erwarten ist, je nach Art und Ausgestaltung der Maßnahme variiert, bestimmt sich der Umfang der behördlichen Ermittlungspflicht im Wesentlichen nach den jeweils in Betracht kommenden Maßnahmen.13 Zwar kann sich die Diagnose daher grundsätzlich auf diejenigen Tatsachen beschränken, die für eine ausreichend sichere Prognose benötigt werden, ein 8

Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 86 ff.; Möstl, DVBl. 2007, 581 (582). Typische Eingriffe dieser Art sind bspw. die Befragung von Personen oder die Videoüberwachung. Umfassend: Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 189 ff. 10 Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 82 f.; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 97; BVerwG, Urteil vom 16.12.1971, I C 60/67 = BVerwGE 39, 190 (196). 11 Vgl. statt vieler: Watrin, Die Gefahrenprognose im Versammlungsrecht, S. 9, 24 f. 12 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 11 f. 13 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 7a. 9

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

allzu schematisches Vorgehen birgt allerdings die Gefahr, dass wesentliche Aspekte bei der Erforschung des Sachverhalts übersehen werden, sobald das Vorliegen der typischerweise für maßgeblich erachteten Indizien feststeht.14 Auch wenn es sich bei der Durchführung von Fußballspielen um immer wiederkehrende Veranstaltungen handelt, darf die Behörde daher ungeachtet der ihr aus der Vergangenheit vorliegenden Erkenntnisse und Erfahrungen nicht vorschnell von einem ausreichend ermittelten15 oder typischen Sachverhalt ausgehen.16 Sie muss sich eingehend mit den Besonderheiten der jeweiligen Veranstaltung und den potentiellen Adressaten von Fernhaltemaßnahmen befassen.17 Ohnehin ist die Behörde zu objektiven Ermittlungen verpflichtet und darf sich schon aus diesem Grund nicht ausschließlich auf die Ermittlung derjenigen Anhaltspunkte konzentrieren, die eine Negativprognose tragen,18 sondern muss ihre Ermittlungen auch auf diejenigen Umstände erstrecken, die ihr entgegenstehen.19 Schließlich ist sie zur Ermittlung derjenigen Umstände verpflichtet, die für die Beurteilung der Folgen einer Fernhaltemaßnahme für den einzelnen Betroffenen maßgeblich sind.20 Sie muss allerdings keine Tatsachen aufklären, die sich ihr nicht unmittelbar aufdrängen. Es bleibt vielmehr in der Verantwortung der potentiell Betroffenen, diejenigen Tatsachen vorzutragen, die innerhalb ihrer Sphäre liegen und für die Behörde nicht offenkundig sind.21 Im Rahmen der Gefahrenabwehr besteht zudem typischerweise ein gewisser Zeitdruck, der einer aufwendigen Sachverhaltserforschung im Einzelfall entgegenstehen kann.22 Für die Gefahrenabwehr bei Sportveranstaltungen gilt dies jedoch nicht. Hier bleibt den Behörden zumindest im zeitlichen Vorfeld der Veranstaltungen verhältnismäßig viel Zeit, um die für die Gefahrenabwehr notwendigen Ermittlungen anzustellen. Zum einen ist der Veranstaltungstermin üblicherweise bereits weit im Voraus bekannt,23 so dass ein gewisser zeitlicher Spielraum für den Erlass von Fernhaltemaßnahmen besteht. Zum anderen ist der Kreis der potentiellen Zuschauer in gewisser Weise vorhersehbar, zumal jeder Fanszene ein den Behörden weitgehend 14

Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 16, 20, 26. Vgl. hierzu: VGH München, Beschluss vom 2.7.2008, 10 C 08.817 = BeckRS 2010, 53445; VG Hamburg, Urteil vom 20.10.2011, 17 K 3395/08 = NVwZ-RR 2012, 274. 16 Heßhaus, in: BeckOK VwVfG, § 24 Rn. 12; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 115. 17 Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 26. 18 Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, S. 79. 19 Vgl. § 24 Abs. 1, Abs. 2; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 49. 20 Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 26; exemplarisch: VG Hannover, Beschluss vom 21.7.2011, 10 B 2096/11 = BeckRS 2011, 52822. 21 BVerwG, Beschluss vom 28.7.2006, 3 B 3/06 = NVwZ-RR 2006, 759; BVerwG, Beschluss vom 11.1.2001, 4 B 37.00 = NVwZ 2001, 1398. 22 Watrin, Die Gefahrenprognose im Versammlungsrecht, S. 17. 23 Behnsen, NordÖR 2013, 1 (4); Die Lage ist daher vergleichbar mit derjenigen im Vorfeld von Versammlungen, siehe: Watrin, Die Gefahrenprognose im Versammlungsrecht, S. 17 f.; Vom Bestehen einer abstrakt gefährlichen Lage kann deshalb bereits frühzeitig ausgegangen werden, siehe: Peters/Rind, LKV 2017, 251 (255). 15

II. Die Ermittlung des Sachverhalts als Voraussetzung der Prognose

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bekannter harter Kern zugeordnet werden kann, so dass sich die im Einzelfall erforderlichen Ermittlungen bereits hinreichend konkretisieren lassen.24 Zudem verfügen die Behörden über eine Vielzahl geeigneter Erkenntnisquellen.

2. Erkenntnisquellen der Behörde bei der Sachverhaltsermittlung Bei der Ermittlung des Sachverhalts kann sich die Behörde zunächst auf ihr eigenes, insbesondere das aktenkundig bereitgehaltene Wissen stützen. Darüber hinaus kann sie mitunter auch auf die Erkenntnisse anderer Behörden oder sonstiger Dritter zugreifen. Gemäß § 26 Abs. 1 VwVfG steht es ihr offen, auf weitere Beweismittel, wie Auskünfte aller Art (S. 2 Nr. 1), Anhörungen, beziehungsweise Vernehmungen von Beteiligten, Zeugen oder Sachverständigen (S. 2 Nr. 2, Alt. 1) sowie auf schriftliche oder elektronische Äußerungen der Vorbezeichneten (S. 2 Nr. 2, Alt. 2) oder auf Urkunden und Akten anderer Behörden, des Beteiligten oder sonstiger Dritter (S. 2 Nr. 3) zurückzugreifen. a) Befragung des potentiellen Adressaten einer Fernhaltemaßnahme Oftmals können vor allem diejenigen, die als Adressat einer Fernhaltemaßnahme in Betracht kommen, der Behörde im Rahmen der Sachverhaltsermittlung dienlich sein, erst recht soweit es um die Erforschung innerer Tatsachen geht.25 Eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts ist ohne den potentiell Betroffenen sogar häufig nicht möglich.26 Umgekehrt obliegt es gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 und 2 VwVfG dem Betroffenen, sich an der Sachverhaltsaufklärung zu beteiligen. Dennoch steht die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang der oder die Beteiligten im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung beteiligt werden, gemäß § 24 Abs. 1 S. 2, § 26 Abs. 1 S. 1 VwVfG im Ermessen der Behörde.27 Liegen indes keine Gründe vor, die einer Einbeziehung des Betroffenen entgegenstehen, deutet dies tendenziell auf ein Ermittlungsdefizit hin.28 Die Einbeziehung des Betroffenen kann allerdings entfallen, wenn der Behörde andere zuverlässige und weniger zeitaufwendige Möglichkeiten zur Sachverhaltserforschung zur Verfügung stehen und die Behörde aufgrund bestimmter Anhaltspunkte davon ausgehen kann, dass eine Einbeziehung des Betroffenen keine weiteren Erkenntnisse liefern könnte.29 So lehnen beispielsweise einige Teile der Fanszene prinzipiell den Kontakt mit den Polizei- und Ordnungs-

24 25 26 27 28 29

Breucker, NJW 2006, 1233 (1236). Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 26 Rn. 19. Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 26 Rn. 46. Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 26 Rn. 45. VG Oldenburg, Urteil vom 26.6.2012, 7 A 3177/12 = BeckRS 2012, 53104. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 35.

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

behörden ab. Von Personen, die diesen Gruppierungen zuzurechnen sind, sind in der Regel keine Informationen zu erwarten.30 Ein weiterer Grund, aus dem oftmals von der Einbeziehung des Betroffenen abgesehen wird, ist die Masse der Verfahren, die es der Behörde unmöglich machen kann, jede Person einzeln zu befragen.31 Gerade im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr im Rahmen von Großveranstaltungen, wie beispielsweise Fußballspielen, wird ein Großteil der Sachverhaltsaufklärung deshalb häufig unter Einbeziehung anderer Behörden oder sonstiger Dritter betrieben.32 Alternativ behelfen sich die Behörden damit, den Betroffenen erst im Zusammenhang mit der vor Erlass der Maßnahme durchzuführenden Anhörung (vgl. § 28 Abs. 1 VwVfG) zum Sachverhalt zu befragen.33 Die mitunter geläufige Praxis einiger Behörden, konsequent auf die Anhörung des Betroffenen zu verzichten, kann sich daher in doppelter Hinsicht als problematisch erweisen.34 Verzichtet die Behörde auf eine Anhörung des Betroffenen, obwohl der Anhörung keine Gründe entgegenstehen (vgl. § 28 Abs. 2 und 3 VwVfG), liegt einerseits ein eigenständiger Verfahrensfehler vor, der, sofern die Anhörung nicht nachgeholt wird, zur formellen Rechtswidrigkeit der erlassenen Maßnahme führt.35 Eine fehlende Anhörung kann aber wegen der üblichen Verknüpfung mit der Befragung zur Sache zusätzlich ein Indiz für eine unzureichende Sachverhaltsermittlung sein. b) Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) Eine besondere Rolle bei der Sachverhaltsermittlung nimmt die „Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze“ (ZIS) in Duisburg ein, die 1991 auf Beschluss der Innenministerkonferenz gegründet und der Landespolizei Nordrhein-Westfalen zugeordnet wurde.36 Ihre Aufgabe ist in erster Linie der Informationsaustausch mit 30

Linkelmann, in: Feltes (Hrsg.), Polizei und Fußball, S. 21 ff.; Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 71; Heck, Der Kriminalist 1999, 383 (387); Kozay, DPolBl 2001, 13 (14). 31 VG Aachen, Beschluss vom 26.4.2013, 6 L 162/13 = BeckRs 2013, 50249. 32 Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, S. 359 ff.; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 228 ff.; Gusy, JA 2011, 641 (641); Markert/Schmidbauer, Kriminalistik 1994, 493 (495 f.). 33 Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 26 Rn, 43. 34 In der letzten Zeit sahen sich einzelne Verwaltungsgerichte dazu veranlasst, eindringlich an den in § 28 VwVfG zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers zu erinnern, vgl.: VG Düsseldorf, Urteil vom 5.7.2016, 18 K 3843/15 (juris); VG Freiburg, Urteil vom 25.9.2015 , 4 K 35/15 (juris); VG Oldenburg, Urteil vom 26.6.2012, 7 A 3177/12 = BeckRS 2012, 53104; An die verfahrensrechtliche Bedeutung der Anhörung erinnert nunmehr auch deutlich das BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018, 1 BvR 3080/09 = NJW 2018, 1667 (1670). 35 BVerwG, Urteil vom 22.3.2012, 3 C 16/11 = NJW 2012, 2823; Ramsauer, in: Kopp/ Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 28 Rn. 78 ff. 36 Umfassend zu den Aufgaben der ZIS: Piastowski, DPolBl 2001, 18 f.; sowie: https://lzpd. polizei.nrw/zentrale-informationsstelle-sporteinsaetze, zuletzt abgerufen am 7.5.2019.

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Polizei- und Sicherheitsbehörden im In- und Ausland.37 Sie sammelt und bewertet allgemeine Informationen über vorangegangene Sportveranstaltungen, wie die Ticketverkaufszahlen oder die Größe und die Zusammensetzung der anwesenden Zuschauergruppen. Zusätzlich sammelt sie Informationen über Art und Anzahl besonderer Vorkommnisse, darunter Störungen unter Anwendung körperlicher Gewalt sowie Straftaten, die im Zusammenhang mit einer Veranstaltung verübt wurden. Die ZIS ist an der beim BKA geführten Verbunddatei Gewalttäter Sport als Verbundteilnehmerin zur Eingabe und Abfrage von Informationen berechtigt.38 Ihr kommt die Aufgabe zu, Vorkommnisse aus dem Ausland in die Datei zu übertragen.39 Zusätzlich obliegt ihr die Bearbeitung von Anfragen zur Datei Gewalttäter Sport. Auf Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Informationen, erstellt die ZIS einen jährlichen Bericht über die Sicherheitslage bei Fußballspielen in Deutschland der eine Auswertung der statistischen Daten enthält.40 Im Vorfeld zu anstehenden Sportveranstaltungen erstellt sie außerdem veranstaltungsspezifische Vorausinformationen, die sie an die zuständigen Behörden vor Ort weiterleitet. Die ZIS dient somit als ein polizeilicher Informationsdienst und kommunikative Schnittstelle, die die vor Ort zuständigen Behörden mit Informationen und eigenen Prognosen versorgt.41 c) Örtlicher Ausschuss für Sport und Sicherheit (ÖASS)42 Einen weiteren wesentlichen Beitrag bei der Sachverhaltsermittlung leistet der standardisierte Austausch von Informationen zwischen den Teilnehmern der Örtlichen Ausschüsse für Sport und Sicherheit (ÖASS) und vergleichbarer Gremien.43 Teilnehmer des ÖASS sind neben den örtlich zuständigen Polizei- und Ordnungsbehörden üblicherweise der oder die vor Ort ansässigen Sportvereine, die Träger der lokalen Sportstätten sowie das oder die örtlich ansässigen Fanprojekte. Die Arbeitsweise der ÖASS ist nicht einheitlich. Es bestehen unterschiedliche lokale Konzepte, insbesondere in Bezug auf die Sitzungshäufigkeit. Einige ÖASS setzen sich nur in größeren Zeitabständen zusammen, um die groben Eckpunkte bei der Herangehensweise an die Bekämpfung von Gewalt im Rahmen von Sportveranstaltungen zu besprechen. Andere ÖASS treffen sich anlassbezogenen zur Vorbe-

37

Hennes, in: Schild (Hrsg.), Rechtliche Aspekte von Sportgroßveranstaltungen, S. 9, bezeichnet sie daher zutreffenderweise als eine polizeiliche Nachrichtenagentur. 38 Siehe Ziffer 6.1 der Errichtungsanordnung Datei Gewalttäter Sport. 39 Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 52. 40 Piastowski, DPolBl 2001, 18 (18 f.). 41 Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 51; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 229 f. 42 Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung wird in dieser Arbeit ausschließlich der Name ÖASS verwendet, auch wenn die vor Ort eingerichteten Gremien sich mitunter andere Namen gegeben haben. 43 Zur Arbeitsweise der ÖASS siehe NKSS (2012) Ziffer 6.3.

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reitung einer konkreten Veranstaltung.44 Die Treffen der ÖASS dienen dem Austausch von Informationen.45 Hiervon profitieren alle Teilnehmer gleichermaßen, da sie Zugriff auf Informationen erhalten, die sie ansonsten nicht oder nur schwer erlangen könnten.46 Soweit die Behörden im Rahmen des ÖASS Informationen entgegennehmen, stellt sich die Frage, ob dies in datenschutzrechtlicher Hinsicht zulässig ist. Der Austausch von Informationen zwischen Polizei- und Ordnungsbehörden erweist sich dabei als weniger problematisch, da dieser nach den datenschutzrechtlichen Regelungen vorgesehen und in der Regel auch zulässig ist.47 Problematisch kann indes die Übermittlung von Daten durch private Stellen sein. Werden einer Behörde von privater Seite detaillierte Informationen über eine Person mitgeteilt, kommt ein Verstoß gegen den Direkterhebungsgrundsatz in Betracht. Demnach sind personenbezogene Daten grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben.48 Bei der Entgegennahme von Informationen müsste es sich zunächst um eine Datenerhebung im datenschutzrechtlichen Sinne handeln. Darunter ist jede gezielt betriebene Gewinnung personenbezogener Daten zu verstehen.49 Werden der Behörde die Informationen unaufgefordert zugetragen, handelt es sich demzufolge nicht um eine Datenerhebung.50 Aufgrund der Vorzüge des gegenseitigen Austauschs von Informationen, werden personenbezogene Daten im Rahmen der ÖASS in der Regel ohne gezielte Veranlassung der Behörden übermittelt, was demnach gegen eine Datenerhebung im datenschutzrechtlichen Sinne spricht. Ein Verstoß gegen den Direkterhebungsgrundsatz käme somit nicht in Betracht. In der Konsequenz würde daraus folgen, dass aufgrund der Freiwilligkeit der Informationspreisgabe im Rahmen des ÖASS die Regelungen über die Datenerhebung auf Seiten des Informationsempfängers nicht zur Anwendung kämen. Somit würde der datenschutzrechtliche Grundsatz der Direkterhebung von Daten beim Betroffenen umgangen, obwohl die Teilnehmer der ÖASS von vornherein die gesicherte Erwartung haben, personenbezogene Daten über potentielle Störer im Rahmen des gegenseitigen freiwilligen Informationsaustausches zu erhalten.51 Dies widerspricht dem Sinn und Zweck des 44 Zu den einzelnen Konzepten siehe auch die Übersicht auf der Seite der Landespolizei Nordrhein Westfalen: https://polizei.nrw/artikel/lokale-netzwerkarbeit-fundament-fuer-mehr-si cherheit, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019. 45 NKSS (2012) Ziffer 6.3. 46 Für die Ordnungsbehörden v. a. mangels eigener Erforschungsmöglichkeiten, VG Ansbach, Beschluss vom 7.5.2009, AN 5 S 09.00770 = BeckRS 2009, 47093. 47 Vgl. exemplarisch Art. 40, 42 BayPAG. 48 Vgl. u. a. Art. 30 Abs. 2 BayPAG; § 9 Abs. 3 PolG NRW; § 26 Abs. 5 POG RhlPf.; Verteifend: Petri, in: Lisken/Dennninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, G 528 ff. 49 Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, § 9 BKAG Rn. 7. 50 Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 179. 51 Aufgabe der ÖASS ist eine engere Vernetzung sämtlicher teilnehmender Stellen, um gezielte Maßnahmen gegen bestimmte Fangruppen oder Einzelpersonen treffen zu können. Siehe NKSS (2012), Ziffer 6.3. Zur Umsetzung in der Praxis siehe exemplarisch die folgenden

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Direkterhebungsgrundsatzes und steht im Widerspruch mit den Interessen der Betroffenen.52 Aus diesem Grunde dürfte das für eine gezielt betriebene Informationsgewinnung erforderliche Maß schon erreicht sein, wenn konkrete Voraussetzungen geschaffen werden, die von vornherein auf den Erhalt personenbezogener Daten zielen.53 Die Teilnahme einer Behörde an einem Gremium, das dem Austausch personenbezogener Daten dient, genügt daher, um ein gezieltes Verhalten, das auf die Beschaffung personenbezogener Daten gerichtet ist, anzunehmen. Beim Austausch personenbezogener Daten im Rahmen des ÖASS handelt es sich demnach auf Seiten des Empfängers um Datenerhebungen. Dadurch gerät aber nicht jede Datenerhebung im Rahmen des ÖASS unter den Verdacht, gegen den Direkterhebungsgrundsatz zu verstoßen. So liegt kein Verstoß gegen den Direkterhebungsgrundsatz vor, wenn Daten erhoben werden, die bei dem Betroffenen nicht erhoben werden könnten, wie beispielsweise Einschätzungen Dritter zu dieser Person.54 Ein Verstoß gegen den Direkterhebungsgrundsatz kann zudem erst ab dem Moment in Betracht kommen, ab dem eine Behörde Kenntnis von der Person des Betroffenen hat, denn solange der Behörde eine Person nicht bekannt ist, kann sie bei dieser auch keine Daten erheben. Ferner ist unter gewissen Voraussetzungen ein Abweichen vom Direkterhebungsgrundsatz zulässig.55 Jedes Abweichen vom Direkterhebungsgrundsatz ist allerdings im Sinne einer echten Ausnahme zu verstehen und daher nur unter Anwendung eines strengen Maßstabs zulässig, da der Direkterhebungsgrundsatz zu den wesentlichen Grundsätzen des polizeilichen Datenschutzrechts zählt und maßgeblich dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen dient.56 Die Erhebung von Daten bei einem Dritten kann rechtmäßig sein, wenn eine Datenerhebung beim Betroffenen nicht oder nicht mehr rechtzeitig erfolgen kann, um eine Gefahr ablokalen Konzepte: ÖASS Wolfsburg, https://polizei.nrw/sites/default/files/2018-06/OeASS_ NI_Wolfsburg_20120213.pdf; ÖASS Rostock, https://polizei.nrw/sites/default/files/2018-06/ OeASS_MV_Rostock_20120213%281%29.pdf; Netzwerk Sport Sicherheit Prävention Braunschweig, https://polizei.nrw/sites/default/files/2018-06/OeASS_NI_Braunschweig_2012 0213.pdf; ÖASS Duisburg, https://polizei.nrw/sites/default/files/2018-06/OeASS_NRW_Duis burg_20130626.pdf; ÖASS Berlin, https://polizei.nrw/sites/default/files/2018-06/OeASS_BE_ Berlin_20120213.pdf; sämtliche Seiten zuletzt abgerufen am 7.5.2019. 52 Wegweisend insoweit das sog. „Volkszählungsurteil“: BVerfG, Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83 = BVerfGE 65, 1 (43 ff.). 53 Petri, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, G 480. 54 Bäcker, in: Wolff/Brink (Hrsg.), Datenschutzrecht, § 4 BDSG 2003 [aK] Rn. 42. 55 Vgl. zu den Ausnahmen vom Direkterhebungsgrundsatz insbesondere die Regelungen der einzelnen Länder: § 178 Abs. 1 S. 2 LVwG S-H; § 12 Abs. 2 S. 3, § 13 Abs. 2 S. 1 HbgDSG; § 27 Abs. 1 S. 2 BremPolG; § 30 Abs. 1 Nds.SOG; § 9 Abs. 3 S. 2, Abs. 6 PolG NRW; § 26 Abs. 5 POG RhlPf.; § 26 SaarPolG; § 13 Abs. 6 HSOG; § 20 PolG BW; Art. 30 Abs. 2 Bay PAG; § 30 Abs. 2 TH PAG; § 36 Abs. 3 SächsPolG; § 15 Abs. 5 SOG LSA; § 29 Abs. 2 BbgPolG; § 18 ASOG Bln.; § 26 Abs. 1 SOG M-V. 56 Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 30 PAG Rn. 9.

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zuwenden.57 Erlangt eine Behörde erst unmittelbar vor einer Veranstaltung Kenntnis von der Person eines potentiellen Störers, wird es regelmäßig zulässig sein, die für die Gefahrenabwehr relevanten personenbezogenen Daten nicht beim Betroffenen selbst, sondern bei den Teilnehmern des ÖASS zu erheben. War die Datenerhebung durch die Behörde im Rahmen des ÖASS rechtswidrig, kann dies, je nach dem welches Landesrecht zur Anwendung kommt, zur Rechtswidrigkeit der Verarbeitung der erhobenen Daten führen.58 Der Schluss von der Rechtswidrigkeit der Datenerhebung auf die Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung ist indes nicht zwingend geboten.59 Gegen ein Datenverarbeitungsverbot im Sinne einer „fruit of the poisonous tree doctrine“, wie es in einigen landesrechtlichen Bestimmungen Einzug erhalten hat, spricht in erster Linie, dass wichtige Belange, wie der Schutz hochrangiger Rechtsgüter, eine Verarbeitung von Daten ungeachtet der Rechtswidrigkeit ihrer Erhebung im Einzelfall rechtfertigen können.60 Rechtliche Bedenken sind allerdings in denjenigen Fällen angezeigt, in denen eine Behörde Daten erhoben hat, die der Übermittelnde seinerseits rechtswidrig erhoben hat. Da die Behörden einerseits gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an das Rechtsstaatsprinzip und andererseits gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden sind, wird man jedenfalls bei einer planmäßigen und durch die Behörden initiierten Einsetzung Privater zur Umgehung datenschutzrechtlicher Vorschriften zu einem Verbot der Datenverarbeitung als Folge einer rechtswidrigen Datenerhebung kommen.61 Ein rechtswidriges Verhalten der Behörde bei der Datenerhebung, bei dem die Schwelle zum systematischen Verfahrensverstoß nicht erreicht wird, sollte für die Frage der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung indes ohne Belang bleiben. d) Rückgriff auf Dateien Die Behörden dürfen personenbezogene Daten speichern, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben, insbesondere zur Abwehr von Gefahren und der Verhütung von Straftaten, erforderlich ist.62 Die Schwelle zur Speicherung personenbezogener Daten ist somit verhältnismäßig niedrig.63 Es können grundsätzlich Daten aller Art 57

Petri, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, G 532. Vgl. § 42 Abs. 1 ASOG Bln.; § 36a Abs. 1 S. 1 BremPolG; § 22 Abs. 1 PolG NRW. 59 Umfassend: Schuhmacher, Verwertbarkeit rechtswidrig erhobener Daten im Polizeirecht, S.127 ff. 60 Schuhmacher, Verwertbarkeit rechtswidrig erhobener Daten im Polizeirecht, S.195 f.; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 215 ff.; Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 37 PAG Rn. 39 ff. 61 BVerfG, Beschluss vom 9.11.2010, 2 BvR 2101/09 = NJW 2011, 2417; Deusch, in: Vieweg (Hrsg.), Prisma des Sportrechts, S. 95 – 122 (115); Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 38 PAG Rn. 41 ff. 62 Exemplarisch: Art. 38 Abs. 1 u. 2 BayPAG. 63 Petri, in: Möstl/Schwabenbauer (Hrsg.), Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Art. 31 PAG Rn. 2. 58

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gespeichert werden. Dabei gilt jedoch der Grundsatz der Zweckbindung.64 Dieser besagt, dass die Speicherung von Daten keinem Selbstzweck folgt, sondern einem eigenständigen Zweck, der für die weitere Verwendung der Daten auch grundsätzlich maßgebend ist, zu dienen hat.65 Eine spätere Zweckänderung kann unter bestimmten Voraussetzungen gleichwohl zulässig sein.66 Der Rückgriff auf die in unterschiedlichen Dateien vorgehaltenen Informationen stellt eine weitere wichtige Erkenntnisquelle bei der Sachverhaltsermittlung dar. Bei einer Datei kann es sich begrifflich sowohl um eine auf einem elektronischen Datenträger verkörperte Sammlung von Daten handeln oder aber um eine „klassische“ Akte oder Aktensammlung, solange diese gleichartig aufgebaut ist und nach bestimmten Merkmalen geordnet, umgeordnet und ausgewertet werden kann.67 Begrifflich lassen sich Dateien unter anderem nach ihrer Zugriffsberechtigung unterteilen. Eine Datei bei der nur die datenerhebende Behörde das Recht hat Daten zu speichern, zu bearbeiten oder abzurufen, ist eine lokale Datei.68 Da der Rückgriff auf eigene Datensammlungen nur einen begrenzten Erkenntnisgewinn verspricht, wird die ermittelnde Behörde in aller Regel versuchen, weitere Erkenntnisse aus Dateien anderer Behörden zu gewinnen. Umfangreichere Datensammlungen finden sich in den beim BKA geführten sogenannten Zentral- und Verbunddateien. Eine Zentraldatei kennzeichnet sich dadurch, dass die Eingabe von Daten nur durch die Zentralstelle erfolgt.69 Dies geschieht entweder aufgrund eigener Erhebungen oder infolge einer Datenübermittlung durch andere Behörden. Zentraldateien sind unter anderem die Dateien PMK-LINKS-Z (Politisch motivierte Kriminalität links) und PMK-Rechts-Z (Politisch motivierte Kriminalität rechts).70 Die an der Zentraldatei teilnehmenden Behörden können unmittelbaren Zugriff auf die in der Zentraldatei enthaltenen Informationen erlangen oder sich die gewünschten Informationen von der Zentralstelle übermitteln lassen.71 Eine Übermittlung von Daten aus den beim BKA geführten Zentraldateien richtet sich nach § 25 BKAG. Ebenso wie Zentraldateien werden auch Verbunddateien von einer Zentralstelle geführt, allerdings kann hier jede an der Datei beteiligte Behörde (dezentral) Daten eingeben, abspeichern 64 Vgl. exemplarisch § 23 Abs. 1 PolG NRW; Art. 53 Abs. 2 S. 1 BayPAG; § 33 Abs. 2 S. 1 POG RhlPf. 65 Schwabenbauer, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, G 12. 66 Vgl. bspw. § 23 Abs. 2 PolG NRW; Art. 53 Abs. 2 S. 2 BayPAG; § 33 Abs. 2 S. 2, 3 POG RhlPf.; Vertiefend: Schwabenbauer, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, G 12 ff. 67 Schild, in: Wolff/Brink (Hrsg.), Datenschutzrecht, § 3 BDSG Rn. 32, 36. 68 Zu den lokalen Dateien mit Fußballbezug in Bayern vgl. Bayerischer Landtag, Drucksache 17/14601, vom 7.2.2017; ebenso: Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (Hrsg.), Wandel der Fankultur, S. 86. 69 Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, § 13 BKAG Rn. 4; Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 58. 70 Zu den Dateien beim BKA siehe auch die umfangreiche Auflistung in: Deutscher Bundestag, Drucksache 17/14810 vom 1.10.2013, S. 7 ff. 71 Petri, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, G 391.

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sowie unmittelbar und vollständig auf die in der Verbunddatei enthaltenen Informationen zugreifen.72 Mit der zum 25.5.2018 in Kraft getretenen neuen Fassung des BKA-Gesetzes wurde eine grundlegende Umgestaltung der bisherigen Datenarchitektur der beim BKA geführten Dateien eingeläutet. Künftig wird ein einheitlicher beim BKA geführter Datenpool – sogenanntes „Informationssystem“ (§ 13 BKAG) – angestrebt,73 der das bisherige Konzept der beim BKA geführten Dateien auf den Kopf stellt.74 Hinzu tritt, dass die gemäß § 34 BKAG a. F. zu erlassenden Errichtungsanordnungen, in denen das BKA u. a. den Zweck, die Rechtsgrundlage und den betroffenen Personenkreis der Speicherung festzulegen hatte, in der neuen Fassung des BKA-Gesetzes nicht mehr vorgesehen sind.75 Auch nach den übrigen Regelungen des neuen BKA-Gesetzes besteht keine Pflicht mehr einen Verarbeitungszweck für die Speicherung von Daten festzulegen.76 Stattdessen werden nun in §§ 16, 12, 17 und 18 BKAG diverse Anforderungen zur Verarbeitung von Daten im Informationssystem genannt, wobei jedoch weitgehend unklar ist, in welchem Verhältnis diese Normen zueinander stehen.77 Eine weitere Auseinandersetzung mit diesen Regelungen würde gewiss den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Ohnehin werden die bisher beim BKA geführten Dateien bis zu einer endgültigen Umsetzung des neuen Konzepts vorläufig noch fortgeführt werden78 und dienen damit weiterhin als Grundlage bei der Sachverhaltsermittlung. Ferner ergeben sich durch das neue BKA-Gesetz auch keine Änderungen für die bei den Ländern geführten Dateien. Auf eine Auseinandersetzung mit den bisherigen Dateien kann daher auch in Ansehung der durch das neue BKA-Gesetz herbeigeführten Änderungen nicht verzichtet werden. aa) Die Datei Gewalttäter Sport Unter den Verbunddateien nimmt die im Jahr 1993 errichtete Datei Gewalttäter Sport eine besondere Rolle bei der Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen ein. Die Datei wird beim BKA geführt und ist Teil des polizeilichen Informationssystems (INPOL), welches 1972 in Betrieb genommen und seitdem mehrfach überarbeitet wurde.79 Weitere Verbunddateien beim BKA sind 72 Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S. 166 ff.; Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 59. 73 Petri, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, G 456. 74 Kritisch: Buermeyer, Gutachten BKAG, S. 2; BfDI, Stellungnahme BKAG, S. 3, 18 f. 75 Hierzu: BfDI, Stellungnahme BKAG, S. 18 f. 76 Petri, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, G 462. 77 Umfassend: Bäcker, Stellungnahme BKAG, S. 3 ff. 78 Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, § 13 BKAG Rn. 2; Petri, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, G 391. 79 INPOL ist ein gemeinsames Informationssystem der Polizeibehörden von Bund und Ländern. Durch seine Einführung sollte die Digitalisierung polizeilicher Informationen vorangebracht werden und gleichzeitig ein schnellerer und einfacher Informationsaustausch

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unter anderem die Gewalttäterdateien „Links“, „Rechts“, „politisch motivierte Ausländerkriminalität“ und „Personenschutz“. Mit derzeit etwa 11.000 gespeicherten Personen ist die Datei Gewalttäter Sport die mit Abstand größte Gewalttäterdatei.80 Zur Eintragung einer Person in die Datei Gewalttäter Sport kommt es gemäß Ziffer 2.2 der Errichtungsanordnung, wenn: 1. gegen eine Person im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen wegen bestimmter Straftaten ermittelt oder die Person aufgrund dieser Taten rechtskräftig verurteilt wurde oder 2. bestimmte präventiv polizeiliche Maßnahmen wegen des Verdachts anlassbezogener Straftaten gegen eine Person angewendet wurden oder 3. bei der Person Waffen oder andere gefährliche Gegenstände sichergestellt oder beschlagnahmt wurden und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person diese bei der Begehung anlassbezogener Taten verwenden wollte oder 4. Daten über die Person aus vergleichbaren Dateien im Ausland für einen konkreten Anlass übermittelt wurden. In die Datei werden die in Ziffer 4 und 5 der Errichtungsanordnung bezeichneten personenbezogenen Daten aufgenommen. Zu diesen gehören unter anderem die Personalien, personengebundene Hinweise, eine Beschreibung der Person, zusätzliche Informationen über die Person (wie beispielsweise die Vereins- und Gruppenzugehörigkeit), Informationen über die gegen die Person angewendeten Maßnahmen sowie schließlich die Angabe darüber, welcher Anlass zur Speicherung des Datensatzes in der Datei geführt hat. Die in der Datei Gewalttäter Sport gespeicherten Datensätze können gemäß § 29 Abs. 2 BKAG i. V. m. Ziffer 7.1 und 6.1 der Errichtungsanordnung durch die Polizeibehörden in Deutschland abgerufen (von Polizeibehörden die Teilnehmer an der Verbunddatei sind) oder abgefragt (von Polizeibehörden die keine Teilnehmer an der Verbunddatei sind) werden. Bei der Erhebung von Daten, die in einer Verbunddatei gespeichert sind, hat sich die abfragende, bzw. abrufende Behörde, nach den für sie jeweils geltenden Vorschriften über die Datenerhebung zu richten.81 Dies ergibt sich aus dem sogenannten „Doppeltürprinzip“ nach dem auch bei Teilnehmern an einem Datenverbund sowohl die Voraussetzungen der Datenübermittlung als auch die der Datenerhebung vorliegen müssen.82 Da im Falle des Rückgriffs auf eine Datei gegen den Direkterhebungsgrundsatz verstoßen wird, müssen die besonderen Voraussetzwischen den Polizeibehörden ermöglicht werden. Wesentliche Überarbeitungen des Konzepts erfolgten in den Jahren 1990 und 2003 (INPOL-neu). 80 Siehe Deutscher Bundestag, Drucksache 18/10908 vom 19.1.2017, S. 2. 81 Exemplarisch § 4 Abs. 2 Nr. 1 BDSG. 82 BVerfG, Beschluss vom 24.1.2012, 1 BvR 1299/05 = BVerfGE 130, 151 (184, 193); Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, § 26 BKAG Rn. 17.

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zungen einer mittelbaren Datenerhebung erfüllt sein. Sollten diese nicht erfüllt sein, kann die Datenverarbeitung aber gleichwohl rechtmäßig sein.83 Die Datei Gewalttäter Sport ist seit jeher umstritten. Dies galt in besonderem Maße bis zum Jahr 2010, da es zunächst an der gemäß § 20 BKAG (§ 7 Abs. 11 BKAG a. F.) erforderlichen Rechtsverordnung mangelte. Seitdem dieser Mangel behoben wurde,84 richtet sich die Kritik an der Datei vor allem gegen die enorme Anzahl gespeicherter Personen, was den Kritikern zufolge darauf schließen lasse, dass in exzessiver Weise von den Speicherungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht würde.85 Die mit den neuen BKAG eingeläutete Entwicklung, die zu einem einheitlichen Datenpool führen wird, erweitert nun sogar die Möglichkeiten zur Datenbevorratung durch das BKA. Während nach den Regelungen des alten BKAG und der BKADV der Umfang der Informationen, die in einer Verbunddatei gespeichert werden durften, zumindest in einem gewissen Maße noch beschränkt war,86 ermöglichen die neuen Regelungen (§§ 13, 16, 18 ff. BKAG) nahezu unbegrenzte Speicherungsmöglichkeiten.87 bb) SKB-Dateien In jüngerer Zeit gerieten aber vor allem die von einigen Ländern geführten SKBDateien ins Zentrum der Kritik.88 Bei SKB-Dateien handelt es sich um Amtsdateien der Landespolizeien, die entweder durch eine untergeordnete Polizeibehörde als lokale Datei89 oder als zentrale Datei der Landespolizei bei einer Zentralstelle90 (beispielsweise Landeskriminalamt) geführt werden. Sie dienen der Vorbereitung auf die Gefahrenabwehr sowie der Verhütung von Straftaten.91 Im Gegensatz zur Datei Gewalttäter Sport haben auf den Inhalt der SKB-Dateien nur die jeweiligen 83

Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 215 ff.; Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 37 PAG Rn. 39 ff. 84 Mit Erlass der Verordnung über die Art der Daten, die nach den §§ 8 und 9 des Bundeskriminalamtgesetzes gespeichert werden dürfen (BKA-Daten-Verordnung, BKADV) vom 4. Juni 2010. 85 Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 267, 288; Friedmann, Polizei und Fans, S. 43; Arzt, NJW 2011, 352 (353); wohlwollender hingegen Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten, S. 209 ff. (228). 86 Wobei auch hier bereits umfangreiche Datensammlungen ermöglicht wurden. Daher zu Recht kritisch: Arzt, NJW 2011, 352 (354); Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 266 ff. erkennt deshalb einen Verstoß gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz. 87 Hierzu: Petri, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, G 461. 88 Breyer, ZD 2016, 505 ff. 89 So z. B. in Bayern, vgl. Bayerischer Landtag, Drucksache 17/10147 vom 8.4.2016, S. 2. 90 So in Hamburg das Landeskriminalamt, siehe: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucksache 21/2701 vom 12.1.2016, S. 4. 91 OVG Lüneburg, Urteil vom 18.11.2016, 11 LC 148/15 (juris).

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Landespolizeien, zum Teil sogar nur ein beschränkter Kreis ihrer Beamten, unmittelbaren Zugriff. Eine Übermittlung von Informationen aus den SKB-Dateien an andere Behörden ist innerhalb der datenschutzrechtlichen Grenzen möglich und entspricht der gängigen Praxis.92 Die Kritik an den SKB-Dateien richtet sich vor allem gegen den Umfang der gespeicherten Informationen der mitunter weit über die Dimensionen der Datei Gewalttäter Sport hinausgeht und auf das detaillierte Wissen szenekundiger Beamter (SKB) zurückzuführen ist.93 Szenekundige Beamte sind Polizeibeamte, die gezielt dazu eingesetzt werden, einen langfristigen, intensiven und offenen Kontakt zur Fanszene eines Vereins zu pflegen. Sie halten sich während der Spiele üblicherweise unmittelbar im Zuschauerbereich auf und begleiten die Fangruppen mitunter auch bei der An- und Abreise bei Heim- und Auswärtsspielen.94 Zudem übernehmen sie im Zusammenhang mit einem Fußballspiel die Sachbearbeitung einschlägiger Delikte.95 SKB pflegen neben dem Kontakt zur ortsansässigen Fanszene auch den Austausch mit den SKB an anderen Standorten sowie zur ZIS. Dadurch verfügen sie über umfangreiches und detailliertes Wissen über die Fanszenen sowie über einzelne, der Fanszene zuzuordnende Personen.96 Die Errichtung von SKB-Dateien ist grundsätzlich von den Ermächtigungsgrundlagen in den Landespolizeigesetzen oder Landesdatenschutzgesetzen gedeckt.97 Den Landespolizeibehörden wird jedoch vorgeworfen, sie würden durch das Errichten eigener Dateien versuchen, die strengeren Anforderungen der Datei Gewalttäter Sport zu umgehen.98 Diese Kritik ist nur in Teilen berechtigt. Es darf nicht übersehen werden, dass es sich bei den SKB-Dateien und der Datei Gewalttäter Sport um unterschiedliche Arten von Dateien handelt. Bei der Datei Gewalttäter Sport handelt es sich nicht um eine Amts- sondern um eine Verbunddatei, auf die mehrere Behörden Zugriff haben. Das Speichern von Informationen in der Datei Gewalttäter Sport stellt für den Betroffenen daher einen deutlich intensiveren Eingriff dar, als die Speicherung seiner Daten in der Amtsdatei einer Landespolizei, bei der nur diese zugriffsberechtigt ist. Zwar können die in einer Amtsdatei gespeicherten Daten auch 92 Landtag Sachsen, Drucksache 6/4224 vom 9.3.2016, S. 2; Schleswig-HolsteinischerLandtag, Drucksache 18/3897 vom 7.3.2016, S. 2. 93 Breyer, ZD 2016, 505 ff. 94 Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 192 ff.; Lobbes, DPolBl 2001, 27 (28); Heck, Der Kriminalist 1999, 383 ff. 95 VGH Mannheim, Urteil vom 18.5.2017, 1 S 160/17 (juris); VG Frankfurt am Main, Urteil vom 7.3.2002, 5 E 3789/00 (3) = BeckRS 2002, 22377. 96 Lobbes, DPolBl 2001, 27 (28); Heck, Der Kriminalist 1999, 383 ff. 97 Diese in den Urteilen des OVG Lüneburg, Urteil vom 18.11.2016, 11 LC 148/15 (juris) und VG Hannover, Urteil vom 26.3.2015, 10 A 9932/14 (juris) eindeutig hervortretende Rechtsansicht, dürfte aufgrund der in den übrigen Ländern nahezu identischen Regelungen ohne weiteres auch auf diese übertragbar sein. Vgl. u. a. § 38 Abs. 1 Nds. SOG; § 22 Abs. 1 PolG NRW; § 33 Abs. 1 POG RhlPf.; § 43 Abs. 1 SächsPolG. 98 Breyer, ZD 2016, 505 (505).

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an andere Polizeibehörden im Inland übermittelt werden, allerdings darf dies nur unter Beachtung der für eine Datenübermittlung erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfolgen.99 Ein unmittelbarer Zugriff durch eine fremde Polizeibehörde ist – anders als bei einer Verbunddatei – hingegen ausgeschlossen. Innerhalb ihrer eigenen Dateien dürfen die Landespolizeibehörden grundsätzlich auch über den in der Datei Gewalttäter Sport vorgesehenen Umfang hinaus Daten speichern, soweit sie dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben für erforderlich halten.100 Hinter dem Bezug auf die Erforderlichkeit der Datenspeicherung verbergen sich zwei datenschutzrechtliche Prinzipien: das Prinzip der Datenvermeidung und das Prinzip der Datensparsamkeit.101 Nach diesen Grundsätzen sollen nur diejenigen Daten gespeichert werden, die mit einer gewissen Sicherheit zur Erfüllung einer polizeilichen Aufgabe beitragen können. Die Bevorratung von Daten für hypothetisch denkbare Fälle ist hingegen unzulässig.102 Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die SKB-Dateien in nicht unerheblichem Umfang Informationen enthalten dürften, die dem Erforderlichkeitsgrundsatz nicht gerecht werden und deren Speicherung, Nutzung und anderweitige Verarbeitung daher rechtswidrig ist.103 Soweit in den Amtsdateien detaillierte Informationen über Einzelpersonen enthalten sind, bei denen weitgehend unklar ist, inwieweit sie zur Abwehr von Gefahren im Rahmen von Fußballspielen beitragen können, liegt ein Verstoß gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz vor.104 Doch auch das parallele Abspeichern von Informationen, die bereits in einer anderen Datei enthalten sind, ist vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Datensparsamkeit nicht unproblematisch. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, weshalb es erforderlich sein sollte, Informationen, die in der Datei Gewalttäter Sport vorhanden sind, zusätzlich in einer weiteren Datei, die denselben Zwecken dient, zu speichern.105 Hinzu kommt, dass gemäß § 29 Abs. 3 BKAG jede inländische Polizeibehörde Zugriff auf die in der Datei Gewalttäter Sport enthaltenen Daten erhalten kann.106 Die doppelte Speicherung von Informationen in den SKB-Dateien und der Datei Gewalttäter Sport ist somit rechtswidrig, da sie dem Grundsatz der Erforderlichkeit widerspricht.

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Siehe u. a. Art. 56 BayPAG; § 27 PolG NRW; § 34 POG RhlPf.; § 41 TH PAG. Vgl. u. a. § 38 Abs. 1 Nds.SOG; § 22 Abs. 1 PolG NRW; § 33 Abs. 1 POG RhlPf.; § 43 Abs. 1 SächsPolG. 101 Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 266 f.; Steinat, Die Speicherung personenbezogener Daten gewalttätiger Fußballfans, S. 209. 102 BVerfG Urteil vom 5.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83 (Volkszählung) = NJW 1984, 419 (422); Petri, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, G 863. 103 Zu dem analogen Problem bei der Datei Gewalttäter Sport siehe Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 267. 104 Zum Ausmaß der gespeicherten Informationen siehe Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucksache 21/2944 vom 29.1.2016, S. 4. 105 So auch Breyer, ZD 2016, 505 (506). 106 Es besteht zumindest eine Abfrageberechtigung, siehe oben, Teil 4 II. 2. d) aa). 100

II. Die Ermittlung des Sachverhalts als Voraussetzung der Prognose

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In diesen Befund fügt sich ein in datenschutzrechtlicher Hinsicht besonders negatives Beispiel aus dem Jahr 2016 ein.107 Eine Überprüfung der von der Hamburger Landespolizei geführten Datei „Gruppen und Szenegewalt“ durch den Landesdatenschutzbeauftragten förderte eklatante Verstöße gegen das Datenschutzrecht zu Tage. Dabei wurden nicht nur Verstöße gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz aufgedeckt, sondern auch die Missachtung weiterer datenschutzrechtlicher Regelungen, wie beispielsweise das Nichteinhalten von Löschfristen. Nach einer formellen Beanstandung des Landesdatenschutzbeauftragten wurden 900 der insgesamt 2.200 Datensätze, also mehr als 40 % der gespeicherten Datensätze, gelöscht. Mit Blick auf eine Reihe von Anfragen durch Abgeordnete einzelner Landesparlamente108 und einem Verfahren vor dem OVG Lüneburg,109 in dem es um die Löschung diverser Informationen aus einer Datei der niedersächsischen Landespolizei ging, steht zu befürchten, dass der Hamburger Fall kein Einzelfall ist. Der Vorgang sollte daher Anlass genug sein, die landespolizeilichen Dateien einer genaueren Untersuchung zu unterziehen und über Reformen der polizeilichen Datensammlungen im Zusammenhang mit Zuschauergewalt nachzudenken.110 Um einer ausufernden Datenflut zu entgegnen, wäre es beispielsweise denkbar, sich im Rahmen der Datei Gewalttäter Sport auf einen Kerndatensatz zu beschränken und es im Übrigen den Ländern zu überlassen, inwieweit sie das Speichern weiterer Informationen in eigenen Dateien für erforderlich halten.111 Das neue BDSG läutet indes eine gegenläufige Entwicklung ein. Einerseits werden die Möglichkeiten, Daten über den Einzelnen im Informationssystem zu speichern, erweitert und die Anforderungen an die Speicherung von Daten potentiell herabgesenkt.112 Andererseits wird auch der Kreis der Zugriffsberechtigten potentiell erweitert.113 Die von den Landespolizeien geführten SKB-Dateien dürften – aller Voraussicht nach – unge107

26. Tätigkeitsbericht Datenschutz (2016/2017) des Landesdatenschutzbeauftragen der Freien und Hansestadt Hamburg, abrufbar unter: https://datenschutz-hamburg.de/assets/pdf/ 26._Taetigkeitsbericht_Datenschutz_2016-2017_HmbBfDI.pdf, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019. 108 U. a.: Bayerischer Landtag, Drucksache 17/10147 vom 8.4.2016; Landtag Sachsen, Drucksache 6/4224 vom 9.3.2016; Schleswig-Holsteinischer-Landtag, Drucksachen 18/3897 vom 7.3.2016 und 18/3709 vom 13.1.2016; Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 6/ 5103 vom 15.2.2016; Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucksache 21/2944 vom 29.1.2016; Hessischer Landtag, Drucksache 19/2354 vom 9.12.2015; Landtag NordrheinWestfalen, Drucksache 16/9709 vom 8.9.2015; Landtag Rheinland-Pfalz, Drucksache 16/4976 vom 5.5.2015; Abgeordnetenhaus Berlin, Drucksache 17/13545 vom 1.4.2014. 109 OVG Lüneburg, Urteil vom 18.11.2016, 11 LC 148/15 (juris). 110 Zu den Ergebnissen einer entsprechenden Überprüfung in Schleswig-Holstein siehe Schleswig-Holsteinischer-Landtag, Umdruck 18/6426 vom 8.7.2016. 111 So auch der Bundesdatenschutzbeauftragte, siehe: Deutscher Bundestag, Drucksache 17/5200 vom 12.4.2011, S. 87; zustimmend Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 267. 112 BfDI, Stellungnahme BKAG, S. 9, 18 ff.; differenziert hingegen: Bäcker, Stellungnahme BKAG, S. 7 ff., der aufzeigt, dass die Neuregelungen auch einer Auslegung offen stehen, die zu unpraktikablen Einschränkungen bei der Datenverarbeitung führen. 113 BfDI, Stellungnahme BKAG, S. 19.

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achtet dieser Entwicklung in unvermindertem Umfang fortgeführt werden. Unter Besinnung auf die Grundsätze der Datenvermeidung und der Datensparsamkeit wäre es jedoch vorzugswürdig, wenn in der Datei Gewalttäter Sport bzw. dem neuen Informationssystem i. S. d. § 13 BKAG auf eine Speicherung von „zusätzlichen Personeninformationen“ (Ziffer 5.4 der Errichtungsanordnung) bzw. „weiteren personenbezogenen Daten“ i. S. d. § 20 Nr. 3 BKAG verzichtet werden würde, da eine wesentliche Einschränkung der polizeilichen Aufgabenerfüllung hierdurch nicht zu befürchten wäre. In aller Regel benötigen nämlich ausschließlich die vor Ort zuständigen Behörden diese weiterführenden Informationen, wie beispielsweise die Arbeitsstätte einer Person, um sicherzustellen, dass einzelne Fernhaltemaßnahmen, wie die Gefährderansprache, tatsächlich gegenüber dem Betroffenen ausgesprochen werden können. Für auswärtige Behörden dürften derlei Informationen in der Regel keinerlei Relevanz haben. Es entspräche schließlich auch den Interessen des Betroffenen, dass weitere detaillierte Informationen zu seiner Person nur in lokalen Datensammlungen, wie den SKB-Dateien, vorgehalten werden.

3. Würdigung der Ermittlungsergebnisse durch die Behörde Die Behörde hat die Ergebnisse ihrer Ermittlungen einer abschließenden Würdigung auf Vollständigkeit und Belastbarkeit zu unterziehen, um feststellen zu können, ob weitere Ermittlungen erforderlich sind oder das Verfahren entscheidungsreif ist.114 Eine kritische Würdigung der gewonnenen Erkenntnisse ist insbesondere in den Fällen erforderlich, in denen die Behörde im Rahmen ihrer Ermittlungen auf die Erkenntnisse Dritter zurückgegriffen hat.115 Ihrer Pflicht zur Sachverhaltsermittlung hat die zuständige Behörde erst dann in ausreichendem Maße Genüge getan, wenn nach objektiven Maßstäben keine vernünftigen Zweifel am Vorliegen oder Nichtvorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen bestehen.116 Die Behörde darf sich nicht damit begnügen, dass es nach Auskunft einer anderen Behörde in der Vergangenheit zu aktenkundig dokumentierten, aber nicht näher bezeichneten Vorfällen unter Teilnahme des Betroffenen gekommen ist.117 Bei der Würdigung fremder Erkenntnisse nehmen indes nach Auffassung der Rechtsprechung die Informationen szenekundiger Beamter eine gewisse Sonderrolle 114 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 12; Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 83, 94 f. 115 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 2; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 24; VGH München, Beschluss vom 2.7.2008, 10 C 08.817 = BeckRS 2010, 53445; a. A.: VG Meiningen, Urteil vom 8.2.2011, 2 K 453/09 = BeckRS 2011, 48937; VG Ansbach, Beschluss vom 7.5.2009, AN 5 S 09.00770 = BeckRS 2009, 47093. 116 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 15. 117 VGH München, Beschluss vom 2.7.2008, 10 C 08.817 = BeckRS 2010, 53445, VG Stuttgart, Urteil vom 14.9.2009, 5 K 2929/08 = BeckRS 2010, 45123.

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ein.118 Diese begründe sich damit, dass SKB aufgrund ihrer Erfahrungen zuverlässig zwischen vagen Hinweisen und gesicherten Informationen unterscheiden könnten.119 Ihre Erkenntnisse seien deshalb besonders belastbar und es gebe keinen Grund, die Sachverhaltsdarstellung szenekundiger Beamter in Frage zu stellen.120 Das VG Meiningen kommt sogar zu dem Schluss, dass die zuständige Behörde die übermittelten Erkenntnisse der SKB ohne jegliche Überprüfung übernehmen dürfe.121 Angesichts des besonderen Näheverhältnisses der SKB zur Fanszene mag dieser Vertrauensvorschuss in Teilen gerechtfertigt sein, zumal andere Erkenntnisquellen vergleichbarer Güte nicht zu Verfügung stehen dürften.122 Zweifel an der Güte der Informationen szenekundiger Beamter können im Einzelfall jedoch durchaus angebracht sein. So sind SKB im Rahmen ihrer Arbeit auf den Dialog mit der Fanszene angewiesen. Verschließen sich einzelne Gruppen oder Personen dem Dialog oder treten nur sporadisch innerhalb der Fanszene in Erscheinung, so sind auch die Möglichkeiten der SKB, Erkenntnisse über diese Personen gewinnen zu können, beschränkt.123 Die Informationen der SKB können in solchen Fällen lückenhaft oder veraltet sein. Liegen derartige Anhaltspunkte vor, ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Informationen der SKB erschüttert.124 Der Rückgriff auf das Wissen von SKB entbindet die ermittelnde Behörde daher nicht gänzlich davon, den Wert dieser Informationen zu würdigen.125 Sie sollte insbesondere das Alter der Information berücksichtigen sowie diejenigen Umstände, auf die sich die Information stützt. Gegebenenfalls hat die Behörde im Rahmen ihrer Möglichkeiten weitere Anstrengungen zur Sachverhaltsermittlung anzustellen, sollte sie die Informationen der SKB für nicht ausreichend belastbar erachten. Nur dann, wenn die weitere Sachverhaltsaufklärung unmöglich oder unverhältnismäßig ist, endet die Pflicht weiterer Ermittlungen.126 Das in der Rechtsprechung mitunter bestehende Vertrauen in die Verlässlichkeit der Informationen der SKB ist daher nicht durchgehend be-

118 VGH Mannheim, Urteil vom 18.5.2017, 1 S 1193/16 (juris); VG Freiburg, Urteil vom 15.4.2016, 4 K 143/15 (juris); VG Arnsberg, Beschluss vom 1.7.2009, 3 L 345/09 = BeckRS 2009, 40497; VG Braunschweig, Beschluss vom 27.8.2013, 5 B 154/13 = BeckRS 2013, 55036. 119 VGH Mannheim, Beschluss vom 14.6.2000, 1 S 1271/00 = NJW 2000, 3658; VG Karlsruhe, Beschluss vom 9.6.2006, 4 K 1482/05 = BeckRS 2006, 23878. 120 VGH Mannheim, Urteil vom 18.5.2017, 1 S 1193/16 (juris). 121 VG Meiningen, Urteil vom 8.2.2011, 2 K 453/09 = BeckRS 2011, 48937. 122 VG Meiningen, Urteil vom 8.2.2011, 2 K 453/09 = BeckRS 2011, 48937, VG Ansbach, Beschluss vom 7.5.2009, AN 5 S 09.00770 = BeckRS 2009, 47093. 123 Linkelmann, in: Feltes (Hrsg.), Polizei und Fußball, S. 21 ff.; Heck, Der Kriminalist 1999, 383 (387); Kozay, DPolBl 2001, 13 (14). 124 VG München, Urteil vom 25.2.2010, M 22 K 08.203 = BeckRS 2010, 35588. 125 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 9 ff.; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 50. 126 Gusy/Worms, in: Kugelmann/Möstl (Hrsg.), BeckOK PolG NRW, § 1 PolG Rn. 174; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 36.

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rechtigt.127 In Anbetracht des dargestellten Umfangs der Ermittlungspflichten der Behörde muss deshalb insbesondere die dargestellte Auffassung des VG Meiningen zurückgewiesen werden.

4. Folgen einer fehlerhaften Sachverhaltsermittlung in der Praxis Eine unzureichende Sachverhaltsermittlung kann im Einzelfall Folgen für die Rechtmäßigkeit der zu treffenden behördlichen Entscheidung haben.128 Ohne ausreichende Sachverhaltskenntnis besteht stets das Risiko eines formell oder materiell fehlerhaften Verwaltungshandelns.129 Eine lückenhafte Sachverhaltskenntnis birgt vor allem zwei Gefahren. Erstens kann die Behörde bei unvollständiger Sachverhaltskenntnis keine verlässliche Prognose über das künftige Verhalten einer Person treffen und damit feststellen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Fernhaltemaßnahme erfüllt sind. Zweitens muss die Behörde im Rahmen ihres Ermessens über die Art und Weise ihres Vorgehens entscheiden. Dabei hat sie die für und gegen den Betroffenen stehenden Belange abzuwägen. Ein Ermittlungsdefizit der Behörde führt daher unweigerlich zu einem Ermessensdefizit.130 Durch die Verwaltungsgerichte erfolgt jedoch nur in seltenen Fällen eine isolierte Rüge der fehlerhaften Sachverhaltsermittlung. 131 Dies ist auf zwei Ursachen zurückzuführen. Zum einen führt ein unwesentlicher Fehler bei der Sachverhaltsermittlung gemäß § 46 VwVfG nicht zur Aufhebung der von der Behörde getroffenen Entscheidung. Zum anderen löst ein wesentliches Defizit bei der Sachverhaltsermittlung typischerweise die bereits beschriebenen schwereren Folgen aus, aus denen sich ohne weiteres die Rechtswidrigkeit einer polizei- oder ordnungsbehördlichen Maßnahme.132 Auf die Feststellung einer fehlerhaften Sachverhaltsermittlung kommt es dann nicht mehr an. 127 U. a.: VG Meiningen, Urteil vom 8.2.2011, 2 K 453/09 = BeckRS 2011, 48937; zu Recht kritisch hingegen VGH München, Beschluss vom 2.7.2008, 10 C 08.817 = BeckRS 2010, 53445. 128 In formeller Hinsicht bspw. wegen nicht gegebener Zuständigkeit der einschreitenden Behörde, in materieller Hinsicht bspw. bei Nichtvorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen. Insbesondere kann eine lediglich „dünne“ Tatsachengrundlage dazu führen, dass die Behörde im Rahmen ihres Ermessens besonders gründlich über die Art und Weise ihres Vorgehens befinden muss. Hierzu: VG Trier, Urteil vom 7.10.2014, 1 K 854/14.TR = BeckRS 2016, 49547. 129 Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 58 ff. 130 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 40 Rn. 89. 131 Ausnahmen u. a.: VGH München, Beschluss vom 2.7.2008, 10 C 08.817 = BeckRS 2010, 53445, VG Trier, Urteil vom 7.10.2014, 1 K 854/14.TR = BeckRS 2016, 49547; VG Oldenburg, Urteil vom 26.6.2012, 7 A 3177/12 = BeckRS 2012, 53104; VG Hamburg, Urteil vom 20.10.2011, 17 K 3395/08 = NVwZ-RR 2012, 274. 132 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, § 40 Rn. 89; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 24 Rn. 58 ff.; VG Meiningen, Urteil vom 8.2.2011, 2 K 453/09 = BeckRS 2011, 48937.

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5. Zwischenfazit Die zuständige Behörde ist verpflichtet, den Sachverhalt vollständig und objektiv zu ermitteln. Sie hat diejenigen Umstände zu erforschen, die für die zu treffenden Entscheidungen maßgeblich sind. Diese Pflicht geht über die Ermittlung der tatbestandlichen Voraussetzungen der in Betracht kommenden Maßnahmen hinaus und beinhaltet unter anderem auch die Auseinandersetzung mit der Person des Störers. Die ermittelnde Behörde darf sich keinesfalls schematisch auf die Ermittlung bestimmter Indizien beschränken oder vorschnell von einem ausreichend ermittelten Sachverhalt ausgehen. Eine Sachverhaltsermittlung, bei der die Behörde personenbezogene Umstände außer Acht lässt oder sich auf das Erforschen vorangegangener Maßnahmen gegen die Person, wie beispielsweise bisherige Ermittlungsverfahren133 oder erteilte Stadionverbote beschränkt und dabei die individuellen Hintergründe dieser Vorgänge außer Acht lässt, ist somit fehlerhaft.134 Zur Erforschung des Sachverhalts stehen den Behörden unterschiedliche Quellen zur Verfügung. Dies ist zunächst der potentiell Betroffene einer künftigen Maßnahme, der grundsätzlich im Rahmen der Sachverhaltsermittlung mit einzubeziehen ist, soweit keine sachlichen Gründe entgegenstehen. Die Einbeziehung des Betroffenen kann nur ausnahmsweise entfallen, insbesondere wenn die Erforschung der erheblichen Tatsachen auch ohne den Betroffenen möglich ist, und wenn aufgrund bestimmter Umstände zu erwarten ist, dass seine Einbeziehung keine weiteren Erkenntnisse liefern wird. Neben dem Betroffenen stehen den Behörden eine Vielzahl weiterer Quellen zur Verfügung, die für die behördliche Praxis von erheblicher Bedeutung sind. Die Erkenntnisse szenekundiger Beamter sowie die in verschiedenen Dateien vorgehaltenen Informationen nehmen dabei eine besondere Rolle ein. Der Rückgriff auf fremde Informationen im Rahmen der Sachverhaltsermittlung kann sich allerdings in Teilen als problematisch erweisen. Zum einen können sich datenschutzrechtliche Bedenken ergeben. Dies betrifft auch den Rückgriff auf die in datenschutzrechtlicher Hinsicht zum Teil bedenklichen Datensammlungen. Zum anderen sind die Behörden gerade bei fremden Informationen dazu verpflichtet, diese einer eigenen kritischen Würdigung auf Vollständigkeit und Belastbarkeit zu unterziehen.

133 134

VG Trier, Urteil vom 7.10.2014, 1 K 854/14.TR = BeckRS 2016, 49547. Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 115, 118.

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

III. Die (Gefahren-)Prognose 1. Inhalt und Maßstab der Prognose Hat die Behörde den Sachverhalt ermittelt, wird sie auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse eine Einschätzung der künftigen Entwicklung vornehmen.135 Defizite im Rahmen der Prognose bergen das Risiko in sich, dass die zuständige Behörde entweder irrtümlich vom Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen ausgeht, obwohl diese objektiv nicht vorliegen (Scheingefahr) oder eine objektiv bestehende Gefahrenlage nicht erkannt wird.136 In beiden Fällen drohen schwerwiegende Folgen. Zum einen auf Seiten derjenigen, gegen die die Behörde zu Unrecht vorgeht, zum anderen auf Seiten derjenigen, die in Folge des Unterlassens objektiv erforderlicher Maßnahmen zu Schaden kommen. Die behördliche Prognose unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Der Behörde verbleibt insoweit kein letztverantwortlicher Beurteilungsspielraum, der dem Zugriff durch die Gerichte versperrt ist.137 Maßgeblich bei der Überprüfung der behördlichen Prognose kann allerdings nur die ex ante Perspektive sein, die zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zur Verfügung stand. Eine ex post unzutreffende Prognose ist kein Indiz für ein Prognosedefizit, da es praktisch kaum möglich ist ein künftiges Geschehen mit absoluter Gewissheit vorauszusagen.138 Es liegt vielmehr in der Natur jeder Prognose, dass sie mit gewissen Unsicherheiten und Ungenauigkeiten behaftet ist.139 Die Prognose ist nur dann defizitär, wenn unzureichende Prognoseanstrengungen getätigt wurden, also insbesondere, wenn sich das Ergebnis der Prognose aus Sicht eines objektiv pflichtbewusst und gewissenhaft handelnden Beamten zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nicht herleiten lässt.140 Die besondere Bedeutung der Gefahrenabwehr lässt bei der Gefahrenprognose allerdings auch keinen Spielraum für bloße Vermutungen ins Blaue hinein.141 Die Gefahrenprognose muss sich daher stets auf konkrete Anhaltspunkte stützen.142 Ist eine andere Behörde oder ein sonstiger sachkundiger 135

Pils, DÖV 2008, 941 (942). Zu den Anforderungen an die Erkennbarkeit von Gefahren siehe: Gromitsaris, DVBl. 2005, 535 (538 f.). 137 Umfassend Lingemann, Die Gefahrenprognose als Basis eines polizeilichen Beurteilungsspielraums?. 138 Pils, DÖV 2008, 941 (945); Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 265 f.; Siehe auch: VG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.7. 2014, 5 K 4684/13.F = BeckRS 2014, 56226; VG Stuttgart, Urteil vom 17.8.2009, 11 K 237/09 = BeckRS 2009, 38123; Differenzierter: Gromitsaris, DVBl. 2005, 535 (540 f.). Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 121. 139 Pils, DÖV 2008, 941 (943, 945); Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 265 f., 274. 140 Pils, DÖV 2008, 941 (946). 141 Lingemann, Die Gefahrenprognose als Basis eines polizeilichen Beurteilungsspielraums?, S. 33, 115; Krüper, DVBl. 2017, 10 (17). 142 BVerfG, Beschluss vom 12.5.2010, 1 BvR 2636/04 = BeckRS 2010, 49725; Gromitsaris, DVBl. 2005, 535 (541); Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1212). 136

III. Die (Gefahren-)Prognose

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Dritter aufgrund größerer Sachkenntnis zu einer präziseren Prognose in der Lage als die ermittelnde Behörde selbst, kann sich die ermittelnde Behörde durchaus dieser Prognosen bedienen. Dies entspricht dem Ideal eines möglichst effektiven Verwaltungshandelns.143 Trotz allem ist eine gewisse eigene prognostische Leistung der zuständigen Behörde erforderlich.144 Die Behörde ist jedenfalls angehalten, durch eine sorgfältige Ermittlung des Sachverhalts das Risiko einer fehlgehenden Prognose zu minimieren, denn je mehr Informationen der Behörde zur Verfügung stehen und je detaillierter diese sind, desto weniger muss diese im Rahmen der Prognose residual auf andere Anhaltspunkte, wie die Einschätzung Dritter sowie auf allgemeine oder persönliche Erfahrungssätze, zurückgreifen.145 Eine Prognose wird sich gleichwohl nur selten ausschließlich auf Grundlage von Tatsachen treffen lassen.146 Sie ist vielmehr das Ergebnis einer Auswertung von Tatsachen, Indizien und Erfahrungssätzen. Daher ist jede Prognose auch durch subjektive Einschätzungen und Erfahrungen des Prognostizierenden geprägt, die dazu führen, dass dieser eine bestimmte Entwicklung des Sachverhalts für wahrscheinlich hält.147 Um eine Fernhaltemaßnahme erlassen zu können, muss ein störendes oder strafbares Verhalten der Person im Rahmen eines Fußballspiels zu erwarten sein, das zum Eintritt eines bestimmten Schadens führt. Die Prognose beinhaltet somit drei Aspekte.148 Erstens bedarf es der Erwartung, dass sich eine Person künftig störend oder strafbar verhalten wird (sogenannte „persönliche Disposition“). Dieses Verhalten muss sich zweitens zeitlich und räumlich auf einen bestimmten Ort bzw. einen bestimmten Anlass eingrenzen lassen (sogenannte „sächliche Disposition“).149 Schließlich bedarf es drittens einer daraus folgenden Beeinträchtigung, deren Art sich nach dem Inhalt der jeweils zur Anwendung kommenden Ermächtigungsgrundlage richtet. Geht es um die Verhinderung von Straftaten, liegt schon in dem drohenden Normverstoß der abzuwehrende Schaden.150

143 Bspw. VG Bayreuth, Beschluss vom 19.12.2014, B 1 S 14.851 = BeckRS 2015, 41780; dies entspricht im Übrigen auch der unbestrittenen Praxis im Versammlungsrecht, vgl. VGH München, Urteil vom 22.9.2015, 10 B 14.2242 (juris). 144 VGH München, Beschluss vom 2.7.2008, 10 C 08.817 = BeckRS 2010, 53445; a. A. VG Ansbach, Beschluss vom 7.5.2009, AN 5 S 09.00770 = BeckRS 2009, 47093; VG Meiningen, Urteil vom 8.2.2011, 2 K 453/09 = BeckRS 2011, 48937. 145 Lingemann, Die Gefahrenprognose als Basis eines polizeilichen Beurteilungsspielraums?, S. 32; Denninger, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, D 47 ff. 146 Gusy/Worms, in: Kugelmann/Möstl (Hrsg.), BeckOK PolG NRW, § 1 PolG Rn. 111; Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 82. 147 Watrin, Die Gefahrenprognose im Versammlungsrecht, S. 55; Pils, DÖV 2008, 941 (945); Krüper, DVBl. 2017, 10 (13). 148 Lingemann, Die Gefahrenprognose als Basis eines polizeilichen Beurteilungsspielraums?, S. 24; ähnlich: Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 79 f. 149 VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 15.7.2014, 5 K 996/13.NW = BeckRS 2014, 54609; Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1212). 150 Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 80.

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

An den Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose ist grundsätzlich ein flexibler Maßstab anzulegen, der sich an unterschiedlichen Faktoren ausrichtet.151 Zum einen gilt für Maßnahmen, die nur in geringem Maße die Grundrechte des Betroffenen tangieren, ein geringerer Maßstab, als bei besonders eingriffsintensiven Maßnahmen.152 Zum anderen sinken die Anforderungen an das Wahrscheinlichkeitsurteil nach der sogenannten „Je-desto-Formel“ (oder Kompensationsformel), je nach der Schwere des zu erwartenden Schadens.153 Die besondere Störanfälligkeit von Großveranstaltungen, in deren Rahmen ein störendes Verhalten Einzelner mitunter schnell und unkontrollierbar zu erheblichen Schäden führen kann, spricht für die Möglichkeit einer Herabsetzung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs im Einzelfall.154 Allerdings darf die prinzipielle Sensibilität von Großveranstaltungen nicht dazu führen, dass die Anforderungen an die individualbezogene Negativprognose bei Fernhaltemaßnahmen generell und grundsätzlich zurückgedrängt werden. Im Zusammenhang mit Großveranstaltungen ist insbesondere zu berücksichtigen, dass diese in ein umfassendes Sicherheitskonzept an der Veranstaltungsstätte eingebettet sind. Dies wirkt sich auf die im Vorfeld zu treffende Gefahrenprognose aus, denn je intensiver das Sicherheitskonzept an der Veranstaltungsstätte ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sich der Einzelne zu störenden Verhaltensweisen hinreißen lässt.155 Ein generell herabgesetzter Wahrscheinlichkeitsmaßstab würde auch der Intensität des durch eine Fernhaltemaßnahme ausgelösten Eingriffs in der Regel nicht in ausreichendem Maße gerecht werden. Fernhaltemaßnahmen werden bereits frühzeitig vor Beginn des prognostizierten schädigenden Kausalverlaufs getroffen und weisen deshalb eine besondere Eingriffsintensität auf.156 Die durch den zeitlichen Abstand zum prognostizierten Sachverhalt unvermeidbaren Unwägbarkeiten bei der Prognose können nur durch erhöhte Anforderungen an das Wahrschein151

Vgl. OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991; Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 93. 152 Schmidbauer, in: ders./Steiner (Hrsg.), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 11 PAG Rn. 35. 153 Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 77; Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 91 f.; allerdings umstritten: vgl. Heckmann, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen (Hrsg.), Öffentliches Recht in Bayern, Teil III Rn. 127; einen anderen Ansatz wählt Leisner, DÖV 2002, 326 ff., die jedoch auch nicht ohne Elemente subjektiver Wertung auskommt. 154 So u. a.: Niemeyer, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 187; wohl auch Tomschütz, Gefährderansprachen, S. 95; differenzierter zu Recht Lege, VerwArch 1988, 71 (75 ff.). 155 Die Angst des Einzelnen vor Entdeckung dürfte aber noch kein zureichender Grund sein, um von einer lediglich geringen Wahrscheinlichkeit auszugehen, dass es zu störenden Verhaltensweisen kommt, da Überwachungsmaßnahmen bei Großveranstaltungen üblich sind, so dass kein unerschütterliches Vertrauen mehr darin bestehen kann, nicht entdeckt zu werden. So jedoch: VG Karlsruhe, Urteil vom 26.1.2009, 3 K 1658/08 = BeckRS 2009, 38010; Hiergegen sprechen zum einen die sicherheitsrechtlichen Erfahrungen bei der Videoüberwachung sowie die Tatsache, dass auch die bisherigen Überwachungsmaßnahmen nicht verhindern konnten, dass es weiterhin zu störenden Handlungen durch einzelne Zuschauer kommt. 156 Turnit, NVwZ 2012, 1079 (1082); zu streng hingegen VG Stuttgart, Urteil vom 14.9.2009, 5 K 2929/08 = BeckRS 2010, 45133, das von einer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeht.

III. Die (Gefahren-)Prognose

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lichkeitsurteil kompensiert werden.157 Dies gilt erst recht, wenn durch eine Fernhaltemaßnahme in ein Grundrecht eingegriffen wird, bei dem ein Eingriff unter einem qualifizierten Gesetzesvorbehalt steht.158 Der in der Praxis mitunter nachlässige Umgang mit Art. 11 GG erweist sich daher als problematisch.159 Die vorstehenden Erwägungen sprechen somit dafür, bei Fernhaltemaßnahmen einen grundsätzlich erhöhten Maßstab an das Wahrscheinlichkeitsurteil im Rahmen der Prognose anzustellen. Im Einzelfall kann jedoch auch ein geringeres Maß genügen. Dies gilt insbesondere für mildere Maßnahmen, wie die Gefährderansprache, die eine im Vergleich zu den übrigen Fernhaltemaßnahmen geringere Eingriffsintensität aufweist. Ferner kann ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsgrad auch dann genügen, wenn die Veranstaltung eine überdurchschnittliche Sensibilität aufweist, die das bei einer Großveranstaltung übliche Maß überschreitet, so dass das prognostizierte störende Verhalten einzelner Personen eine erhebliche Gefahr für überragende Rechtsgüter darstellt.

2. Indizien zur Begründung einer Negativprognose Hinsichtlich der sächlichen Disposition kann bei Spielen im Profifußball neben den mit einer Großveranstaltung typischerweise verbundenen Gefahren stets von einem gewissen Risiko ausgegangen werden, dass es zu Straftaten und sonstigen störenden Verhaltensweisen durch einzelne Personen kommt.160 Um die Annahme eines drohenden störenden Verhaltens durch den Einzelnen begründen zu können, bedarf es allerdings weiterer personenbezogener Anhaltspunkte, die über die allgemein mit der Veranstaltung verbundenen Gefahren hinausgehen.161 Die Behörde hat sich dabei auf sämtliche Erkenntnisse zu stützen, die ihr im Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorliegen. Nicht in jedem Fall wird es den Behörden möglich sein, das frühere Verhalten einer Person erschöpfend zu ermitteln, zu analysieren und auf dieser Grundlage das von ihr zu erwartende künftige Verhalten zu prognostizieren. 157

Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 274 ff. Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, E 433; ebenso: Kunig, JURA 1990, 306 (312); Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht für Rheinland-Pfalz, G 29; kritisch: Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rn. 153. 159 Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 407 f.; insbesondere wird Art. 11 GG im Zusammenhang mit Meldeauflagen oftmals überhaupt nicht erkannt. Exemplarisch u. a.: OVG Lüneburg, Beschluss vom 14.6.2006, 11 ME 172/06 = NVwZ-RR 2006, 613; VG Bayreuth, Beschluss vom 19.12.2014, B 1 S 14.851 = BeckRS 2015, 41780; VG Halle, Beschluss vom 9.6.2006, 3 B 146/06 = BeckRS 2008, 32436; VG Braunschweig, Beschluss vom 8.6.2006, 5 B 173/06 = BeckRS 2006, 24209; Siehe zu dieser Problematik bereits: Alberts, NVwZ 1997, 45 ff. (46); ebenso: Schucht, NVwZ 2011, 709 (711), der darauf hinweist, dass je nach Ausgestaltung der Meldeauflage ein Eingriff in Art. 11 GG anzunehmen ist. 160 VG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.7.2014, 5 K 4684/13.F = BeckRS 2014, 56226. 161 Erforderlich für eine tragfähige Prognose ist vor allem eine ausreichende Untermauerung mit Tatsachen. Siehe: VGH München, Beschluss vom 4.8.2016, 10 CS 16.1524 (juris). 158

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

Sie beschränken sich deshalb häufig auf die bereits benannten Indizien, um ihre Negativprognose zu Lasten des Betroffenen zu begründen. Eine derartige Prognose ist aber nur tragfähig, wenn das Vorliegen eines oder mehrerer dieser Indizien mit hinreichender Sicherheit ein störendes beziehungsweise strafbares Verhalten der Person und die sich daraus ergebende Beeinträchtigung eines Rechtsguts erwarten lassen. a) Szene- oder Gruppenzugehörigkeit des Betroffenen Als Indiz von derartigem Gewicht wird in der Praxis die Szenen- oder Gruppenzugehörigkeit einer Person angesehen. Für den Betroffenen erweist es sich in aller Regel als besonders nachteilig, wenn ihm eine Zugehörigkeit zur Hooliganoder Ultraszene attestiert wird. Steht aus Sicht der Behörden die Zugehörigkeit zu einer als problematisch erachteten Szene oder Gruppe fest und ist zudem absehbar, dass Angehörige dieser Szene oder Gruppe ein anstehendes Fußballspiel besuchen werden, wird dies als ausreichend erachtet, um eine Fernhaltemaßnahme gegen den Einzelnen erlassen zu können. Dies wird üblicherweise damit begründet, dass Angehörige der entsprechenden Szene oder Gruppe in der Vergangenheit Straftaten im Zusammenhang mit Fußballspielen verübt haben und deshalb bei jeder Person, die dieser Szene oder Gruppe zuzurechnen ist, zu erwarten sei, dass sie künftig selbst Straftaten begehen oder Straftaten anderer Szene- bzw. Gruppenmitglieder fördern werde.162 Das Zugehörigkeitsindiz erweist sich allerdings aus unterschiedlichen Gründen als problematisch, um mit hinreichender Sicherheit eine Negativprognose tragen zu können.163 aa) Szenen und Gruppen mit erhöhtem Gefahrenpotential Ein Problem liegt schon darin, dass nur wenige Szenen oder Gruppen ein derart erhöhtes Gefahrenpotential aufweisen, das bei ihnen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein strafbares Verhalten ihrer Mitglieder im Rahmen eines Fußballspiels erwarten lässt. Unter Berücksichtigung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse kann wohl nur der Hooliganszene sowie einzelnen Gruppen, deren feindselige Ausrichtung aufgrund konkreter Anhaltspunkte feststeht, ein erhöhtes Gefahrenpotential bescheinigt werden, welches einen derartigen Verdacht tragen mag.164 Somit kann das Indiz der Gruppenzugehörigkeit von vornherein nur für einen äußerst 162 Vgl. u. a.: VGH Mannheim, Urteil vom 18.5.2017, 1 S 1193/16 (juris); VG Köln, Urteil vom 14.9.2015, 20 K 699/14 = BeckRS 2015, 54963; Kritisch: Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 79 f. 163 Etwas überraschend daher das BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018, 1 BvR 3080/09 = NJW 2018, 1667 (1671), das sich zum Kriterium der Gruppenzugehörigkeit trotz Entscheidungserheblichkeit auf wenige unkritische Anmerkungen beschränkt. 164 Barczak, JURA 2014, 888 (888); Friedmann, Polizei und Fans, S. 13 ff.; Giurgi, Gewalt bei Sportereignissen, S. 50 f., 54 ff.; Sommerey, Die Jugendkultur der Ultras, S. 62.

III. Die (Gefahren-)Prognose

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geringen Teil der Fanszene von Bedeutung sein.165 Für die Ultraszene kann, jedenfalls nach derzeitigen Erkenntnissen, nicht pauschal von einer feindseligen Ausrichtung ausgegangen werden.166 Die pauschale Zuordnung einer Person zur Ultraszene genügt daher nicht für die Annahme eines zu erwartenden störenden Verhaltens, insbesondere in Form der Begehung oder Unterstützung szenetypischer Straftaten.167 Eine andere Beurteilung kann allerdings im Einzelfall gerechtfertigt sein, beispielsweise wenn eine lokale Ultraszene ähnliche Verhaltensmuster wie die Hooliganszene aufweist oder personelle Überschneidungen zwischen der Hooliganund der Ultraszene bestehen.168 Ferner kann auch eine künftige Radikalisierung der Ultraszene nicht ausgeschlossen werden.169 Die allgemeine Zuordnung einer Person zur Fanszene eines Vereins erweist sich demgegenüber stets als untaugliches Indiz.170 Dies gilt selbst dann, wenn es in der Vergangenheit zu Auseinandersetzungen zwischen den Fanlagern zweier Vereine gekommen ist, denn die Annahme, dass die komplette Fanszene eines Vereins ein erhöhtes Gefahrenpotential aufweist, ist schon angesichts der Breitenwirkung des Fußballs, der sämtliche Teile der Gesellschaft anspricht und der damit einhergehenden Heterogenität der Fanszene, nicht haltbar.171

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Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 36; Heck, DPolBl 2001, 2 (3). Sommerey, Die Jugendkultur der Ultras, S. 62 ff.; Pilz/Behn/Klose/Schwenzer/Steffan/ Wölki, Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball, S. 13 f.; Klode, Pyrotechnik und Stadionverbote, S. 19 ff.; so auch: OVG Bremen, Beschluss vom 10.2.2010; 1 B 30/10 = BeckRS 2010, 46388. 167 VG Köln, Urteil vom 14.9.2015, 20 K 699/14 = BeckRS 2015, 54963; VG Trier, Urteil vom 7.10.2014, 1 K 854/14.TR = BeckRS 2016, 49547; VG Freiburg, Beschluss vom 26.8.2014, 4 K 1839/14 = BeckRS 2015, 41276; Keller, jurisPR-ITR 22/2014, Anm. 3 zu VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 2.5.2014, 5 L 404/14.NW; VG Hannover, Beschluss vom 21.7.2011, 10 B 2096/11 = BeckRS 2011, 52822. 168 Beispielhaft für lokale Besonderheiten: VG Stuttgart, Beschluss vom 28.9.2005, 11 K 3156/05 = NJW 2006, 1017. 169 Die Verwendung bewusst provozierender Äußerungen gehört allerdings zum gängigen Repertoire der Ultraszene. Überspitzt formulierte Parolen, wie „Krieg dem DFB“, sind daher nicht zwangsläufig ein Zeichen zunehmender Radikalisierung, sondern können ebenso für eine gewaltfreie Protestkultur stehen. 170 Böhm/Mayer, DÖV 2017, 325 (329). Ungeachtet dessen, bestehen in diesen Fällen erhebliche Probleme mit der Bestimmbarkeit der Adressaten, siehe: VG Darmstadt, Beschluss vom 28.4.2016, 3 L 642/16.DA = NVwZ 2016, 1344; VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 2.5.2014, 5 L 404/14.NW = BeckRS 2014, 52805; VG Ansbach, Beschluss vom 22.11.2012, AN 5 S 12.02114 = BeckRS 2012, 60082. 171 Pilz/Silberstein, in: Pilz/Schippert/Silberstein (Hrsg.), Das Fußballfanprojekt Hannover, S. 27. 166

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

bb) Bestimmung der Zugehörigkeit der Person Ein weiteres Problem liegt darin, dass sich der Nachweis einer Gruppen- oder Szenezugehörigkeit in der Praxis als schwierig erweisen kann.172 Zum einen werden sich die betroffenen Personen aus nachvollziehbaren Gründen üblicherweise nicht gegenüber den Sicherheitsbehörden offenbaren. Zum anderen kann eine Zuordnung auch kaum anhand äußerer Merkmale wie einem auffälligen Kleidungsstil gelingen.173 Die Zuordnung einer Person zu einer Szene oder Gruppe gelingt daher häufig nur auf Grundlage von Informationen der SKB oder unter Hinzuziehung weiterer Indizien. So schließen die Behörden unter anderem von der Begehung bestimmter szenetypischer Taten oder der Eintragung einer Person in die Datei Gewalttäter Sport auf ihre Szenen- oder Gruppenzugehörigkeit. Bei der Heranziehung dieser Indizien ist jedoch auch deren mitunter eingeschränkte Aussagekraft zu berücksichtigen, auf die im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch einzugehen sein wird. Soweit die Zugehörigkeit einer Person zu einer Szene oder Gruppe durch persönliche Kontakte oder durch ein räumliches Näheverhältnis zu bestimmen versucht wird, bedarf es einer differenzierten Betrachtung. Wer sich beispielsweise in der Vergangenheit nachweislich in der Nähe gewalttätiger Fans aufgehalten hat, muss kein Angehöriger der gewalttätigen Fanszene sein.174 Es mag im Einzelfall durchaus andere Gründe für diese räumliche Nähe gegeben haben. Dies gilt auch, wenn sich eine Person beim Ausbruch von Gewalttätigkeiten nicht vom Ort des Geschehens entfernt oder es unterlassen hat, sich im Wege der Zivilcourrage gegen das gewalttätige Verhalten zur Wehr zu setzen.175 So kann möglicherweise der Fluchtweg versperrt oder ein Eingreifen aufgrund erheblicher Selbstgefährdung nicht zumutbar gewesen sein. Es liegt auch nicht völlig außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass eine Person persönliche Verbindungen zu einzelnen Personen einer Gruppe pflegt, ohne das Verhalten dieser Gruppe zu unterstützen oder sich mit dieser zu solidarisieren. Schließlich kommt es innerhalb der Fanszene regelmäßig zu zufälligen Begegnungen und Bekanntschaften, insbesondere im Rahmen von Auswärtsspielen, bei denen die Anreise häufig in größeren Gruppen erfolgt, um Reisekosten zu sparen.176 Aus diesem Grunde rechtfertigt beispielsweise das Auffinden einer geringeren Anzahl an Waffen oder gefährlicher Gegenstände im Rahmen der Durchsuchung eines mit Fußballfans besetzten Reisebusses nicht die Annahme, dass sämtliche 172 Unzureichend ist z. B. die nicht näher dargelegte Feststellung, der Betroffene gehöre zum Personenkreis „Gewalttäter Sport“, siehe: VG Stuttgart, Urteil vom 14.9.2009, 5 K 2929/ 08 = BeckRS 2010, 45133. 173 VG Darmstadt, Beschluss vom 28.4.2016, 3 L 642/16.DA = NVwZ 2016, 1344; Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 45 f.; Sommerey, Die Jugendkultur der Ultras, S. 92 f.; Tessmer, DPolBl 2001, 7 (9). 174 Klesczewski, JZ 2010, 251 (253). 175 Schiffbauer, DVBl. 2014, 1173 (1173); Klesczewski, JZ 2010, 251 (253). 176 So auch die Einlassung des Klägers in dem Verfahren VG Köln, Urteil vom 14.9.2015, 20 K 699/14 = BeckRS 2015, 54963; Zu den Problemen bei der gemeinsamen Anreise von Fußballfans auch: Klesczewski, JZ 2010, 251 (253).

III. Die (Gefahren-)Prognose

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Insassen dieses Busses der gewalttätigen Fanszene zuzurechnen sind.177 Es wäre ebenso lebensnah, dass es sich um eine bloß zufällig zusammengesetzte Reisegemeinschaft handelt, bei der nur einzelne Personen störende Absichten hegen. Für einen Verdacht der sich gegen jeden Einzelnen der Gruppe richtet, bedarf es daher weiterer Anhaltspunkte.178 Schließlich geht selbst von einem einmal erbrachten Zugehörigkeitsnachweis zu einer Szene oder Gruppe nur eine geringe Indizwirkung aus, wenn aufgrund eines längeren Nicht-Auftretens innerhalb der Szene oder Gruppe ein zwischenzeitliches Loslösen von der Szene oder Gruppe nicht sicher ausgeschlossen werden kann.179 Die Erkenntnisse und Indizien, auf die sich die Behörden stützen, sollten deshalb möglichst aktuell sein, um einen Zugehörigkeitsnachweis erbringen und daraus weitere Schlüsse ziehen zu können. cc) Erforderliche Intensität der Gruppen- bzw. Szenenzugehörigkeit Zweifelhaft bleibt schließlich, ob eine irgendwie geartete Zugehörigkeit zu einer Szene oder Gruppe bereits genügen kann, um mit hinreichender Sicherheit die erforderliche Negativprognose treffen zu können.180 Schon die Größe einer Gruppierung ist geeignet, erheblichen Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Prognose zu nehmen, denn eine individuelle Gefahrenprognose, die sich alleine auf das Verhalten einer Gruppierung stützt, ist umso schwieriger, je mehr Personen dieser Gruppierung zuzurechnen sind.181 Je mehr Mitglieder eine Gruppierung hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass nicht jedes Mitglied denselben Solidarisierungsgrad aufweist und möglicherweise nicht an sämtlichen Aktivitäten der Gruppierung teilnimmt.182 Die Wahrscheinlichkeit für ein störendes Verhalten des Einzelnen steigt indes, je stärker dieser einen gefestigten, über eine lose innere Bindung hinausgehenden Solidarisierungswillen zu seiner Szene beziehungsweise Gruppe aufweist, der auch die Bereitschaft zu störenden, insbesondere strafbaren Verhaltensweisen beinhaltet. Der Nachweis einer derart gesteigerten Bindung ist in der Praxis aller177

OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991. Vgl. VG Aachen, Beschlüsse vom 26.4.2013, 6 L 162/13 = BeckRs 2013, 50249 sowie 6 L 170/13 = BeckRS 2013, 52150; ebenso: Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 79 f. 179 Es kann indes andere plausible Gründe geben, weshalb sich eine Person über einen längeren Zeitraum unauffällig verhält, ohne dass dies der Annahme künftiger Störungen entgegenstehen muss. Vgl. u. a.: VGH Mannheim, Urteil vom 7.12.2004, 1 S 2218/03 (juris); VG Minden, Urteil vom 29.6.2005, 11 K 3164/04 = BeckRS 2005, 28012; Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 161; Krahm, Eindämmung von Hooligangewalt, S. 98. 180 VGH Kassel, Beschluss vom 1.2.2017, 8 A 2105/14.Z (juris); ablehnend zur „PunkSzene“ bereits: VGH Mannheim, Beschluss vom 4.10.2002, 1 S 1963/02 = NVwZ 2003, 115; ebenfalls ablehnend: Steinforth, Die Gefährderansprache, S: 216 f. 181 VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 15.7.2014, 5 K 996/13.NW = BeckRS 2014, 54609; ähnlich: VGH Kassel, Beschluss vom 1.2.2017, 8 A 2105/14.Z (juris). 182 Lösel/Bliesener/Fischer/Pabst, Hooliganismus, S. 122; Niemeier, Gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten, S. 36. 178

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

dings kaum zu erbringen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Schwierigkeiten erachten die Behörden den Nachweis einer gesteigerten Gruppenbindung in Übereinstimmung mit Teilen der Rechtsprechung für irrelevant.183 Zur Begründung einer Negativprognose genüge stattdessen jegliche Art der Gruppen- oder Szenezugehörigkeit, da jeder, der einer gewalttätigen Gruppe oder Szene zuzurechnen ist, durch seine Anwesenheit vor Ort die Begehung von Straftaten anderer Szene- beziehungsweise Gruppenmitglieder fördere.184 Andere Szenen- oder Gruppenmitglieder ließen sich nämlich innerhalb einer solidarischen Gruppe schneller zu Straftaten hinreißen, weil ihnen die Anwesenheit Gleichgesinnter als psychologische Stütze diene.185 Diese Argumentation ist nicht neu. Sie lehnt sich an die Rechtsprechung zum Erlass von Aufenthaltsverboten gegen Angehörige offener Drogenszenen an. Nach dieser wird die Drogenszene selbst als eine konkrete Gefahr angesehen, so dass jede Person, die der Szene zuzuordnen ist, alleine durch ihre Anwesenheit vor Ort zur Aufrechterhaltung der Gefahr beitrage.186 Eine pauschale Übertragung dieser Argumentation auf die problematischen Teile der Fanszene ist indes nicht möglich. So dürfte der Schluss auf die Annahme einer jedenfalls psychologischen Unterstützung fehlgehen. Es dürfte offenkundig sein, dass es innerhalb jedes sozialen Gefüges unterschiedliche Arten der Partizipation gibt und dass es für die Bestimmung des Gefährdungspotentials einer Person und ihres Einfluss auf das Verhalten der übrigen Gruppenmitglieder einen signifikanten Unterschied macht, ob es sich bei ihr um einen Mitläufer oder um einen führenden Kopf der Gruppe187 handelt.188 Gerade im Fall einer lediglich losen Bindung zur 183 VGH München, Beschluss vom 9.6.2006, 24 CS 06.1521 = BeckRS 2007, 20207; VG Bayreuth, Beschluss vom 19.12.2014, B 1 14.851 = BeckRS 2015, 41780; VG München, Urteil vom 25.2.2010, M 22 K 08.203 = BeckRS 2010, 35588, wobei letzteres analog auf die Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 30.10.2009, V ZR 253/08 = NJW 2010, 534, zu den Voraussetzungen eines privatrechtlichen Stadionverbotes verweist. Dies erscheint jedoch problematisch, da die Behörden zum einen, anders als die privatrechtlichen Vereine, unmittelbar grundrechtsgebunden sind und zudem über effektive Mittel zur Aufklärung eines Sachverhalts verfügen, die einem privatrechtlichen Verein nicht zur Verfügung stehen. Aus diesem Grunde dürfte an die Gefahrenprognose der Behörden beim Erlass präventiver Maßnahmen ein höherer Maßstab anzulegen sein, als im Falle des privatrechtlichen Stadionverbotes durch einen Verein. 184 Problematisch u. a.: VGH München, Beschluss vom 9.6.2006, 24 CS 06.1521 = BeckRS 2007, 20207 und VG Arnsberg, Beschluss vom 1.7.2009, 3 L 345/09 = BeckRS 2009, 40497, die in der Anwesenheit sogar einen wesentlichen Beitrag zu den Straftaten anderer Gruppenmitglieder sehen. 185 Vgl. VG Frankfurt am Main, Urteil vom 7.3.2002, 5 E 3789/00 (3) = BeckRS 2002, 22377; VGH Mannheim, Beschluss vom 14.6.2000, 1 S 1271/00 = NJW 2000, 3658. 186 U. a.: VGH München, Beschluss vom 15.7.2013, 10 C 11.2847 (juris); VG München, Beschluss vom 14.7.2009, 22 S 09.728 (juris); kritisch: Finger, Die offenen Szenen der Städte, S. 201 ff. 187 Vgl.: VGH Kassel, Beschluss vom 1.2.2017, 8 A 2105/14.Z (juris); VG Ansbach, Beschluss vom 11.9.2012, AN 5 S 12.01535 = BeckRS 2012, 57222. 188 Klesczewski, JZ 2010, 251 (253); VG Köln, Beschluss vom 6.10.2000, 20 L 2374/00 = BeckRS 2007, 22129; wohl auch: VGH Mannheim, Urteil vom 18.5.2017, 1 S 160/17 (juris)

III. Die (Gefahren-)Prognose

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Szene oder Gruppe kann die bloße Anwesenheit der Person vor Ort nur schwerlich das Verhalten anderer Szene- beziehungsweise Gruppenmitglieder beeinflussen, da sich diese der solidarischen Unterstützung der Person nicht gewiss sein können. Ist die Person hingegen dem „harten Kern“ einer einschlägig bekannten Gruppe zuzurechnen, ist ihr Einfluss auf das Verhalten anderer Gruppenmitglieder ungleich höher zu bewerten.189 Die Übertragung der Argumentation zum Umgang mit offenen Drogenszenen auf die Gefahrenabwehr im Rahmen von Fußballspielen scheitert zudem in denjenigen Fällen, in denen eine Fernhaltemaßnahme zwingend die Prognose einer eigenen Straftat der einzelnen Person voraussetzt.190 Eine Person, die einer gewalttätigen Szene oder Gruppe zuzuordnen ist, macht sich durch ihre bloße Anwesenheit vor Ort, unabhängig von der Intensität ihrer Gruppen- oder Szenebindung, weder als Täter noch als Teilnehmer einer Straftat strafbar.191 Eine Strafbarkeit wegen Landfriedensbruch gemäß § 125 StGB setzt ein „Mehr“ als die bloße Anwesenheit der Person vor Ort voraus.192 Eine Strafbarkeit gemäß § 127 StGB dürfte in der Regel fernliegend sein, würde aber jedenfalls eine stärkere Bindung zur Gruppe voraussetzen.193 Eine Strafbarkeit gemäß den §§ 123, 124 StGB setzt schließlich ein Fehlverhalten des Einzelnen voraus. Auch eine psychische Beihilfe im Sinne des § 27 StGB scheidet aus, da sie zumindest eine konkludent erklärte Unterstützung oder Verdeckung der Tat voraussetzt, die nicht ohne weiteres durch die körperliche Anwesenheit eines Szene- bzw. Gruppenangehörigen unterstellt werden kann.194 Ferner genügt auch das bloße Dulden einer fremden Tat nicht, um eine Beihilfe annehmen zu sowie Urteil vom 18.5.2017, 1 S 1193/16 = NVwZ-RR 2017, 873; vorangehend: VG Freiburg, Urteil vom 25.9.2015, 4 K 35/15 (juris), wonach grundsätzlich die Rolle des Einzelnen innerhalb der Gruppe ausschlaggebend sei, wobei bei Hooligans davon ausgegangen wird, dass bereits ihre Anwesenheit die Begehung von Straftaten durch andere Hooligans fördere. 189 VG Ansbach, Beschluss vom 18.6.2004, AN 5 S 04.01067 = BeckRS 2004, 32528; zu den soziologischen Aspekten: Bliesener/Lösel, in: Herzog (Hrsg.), Fußball als Kulturphänomen, S. 253 ff. (255). 190 So bereits Finger, Die offenen Szenen der Städte, S. 203 f. 191 In zweifelhaft großzügiger Annahme von Mittäterschaft beim Zünden einer Rauchbombe hingegen AG Dortmund, Urteil vom 11.7.2005, 73 Ls 163 Js 64 – 04, 97/05 = BeckRS 2006, 05821. 192 LG Aachen 9.3.2011, 94 Ns-1 Js 7/10 = BeckRS 2011, 10180; LG Krefeld, 9.1.1984, 9 (I) StK 86/83 (nr) = StV 1984, 249; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.4.1979, 2 Ss 40/79 = NJW 1979, 2415; a. A.: Heger, in: Lackner/Kühl (Hrsg.), StGB, § 125 Rn. 10, der zumindest nach Ausbruch von Gewalttätigkeiten die bloße Anwesenheit einer sich neu der Gruppe anschließenden Person genügen lässt. Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch die Einstufung von Pyrotechnik als Gewalthandlung. Wohl in diese Richtung tendierend: AG Dortmund, Urteil vom 11.7.2005, 73 Ls 163 Js 64 – 04, 97/05 = BeckRS 2006, 05821; anders hingegen: Feltes, NK 2013, 48 (51); Klode, Pyrotechnik und Stadionverbote, S. 43 f.; Liessem, Einsatz von Pyrotechnik, in: Feltes (Hrsg.), Polizei und Fußball, S. 86. 193 Schäfer, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), MüKo StGB III, § 127 Rn. 27; Sternberg-Lieben/ Schittenhelm, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), StGB, § 127 Rn. 5. 194 Fischer, StGB, § 27 Rn. 11; LG Krefeld, 9.1.1984, 9 (I) StK 86/83 (nr) = StV 1984, 249.

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können, und zwar selbst dann, wenn die Tat insgeheim gebilligt wird.195 Schließlich dürfte auch die Möglichkeit einer Beihilfe durch Unterlassen wegen der regelmäßig fehlenden Garantenstellung des Einzelnen ausscheiden. Aus diesem Grunde kann die bloß irgendwie geartete Zugehörigkeit einer Person zu einer Gruppierung nicht genügen, um mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen zu können, dass die Person sich im Rahmen eines Fußballspiels künftig selbst störend oder strafbar verhalten wird oder allein durch ihre Gruppenzugehörigkeit schon als Verhaltensstörer anzusehen ist. Neben der bloßen Zugehörigkeit muss der Betroffene auch einen gefestigten Solidarisierungswillen mit der Gruppierung aufweisen, was den Nachweis einer gewissen engeren Gruppenbindung voraussetzt. dd) Zwischenfazit Das Indiz der Szene- oder Gruppenzugehörigkeit einer Person ist aufgrund unterschiedlicher Ursachen ein problematisches Indiz. Zum einen kann es nur bei einem relativ geringen Teil der Fanszene Berücksichtigung finden, da nur wenige Gruppen ein erhöhtes Gefahrenpotential aufweisen, das auf ein störendes Verhalten ihrer Mitglieder schließen lässt. Zum anderen ist die Bestimmung der Zugehörigkeit einer Person zu einer Szene oder Gruppe mit erheblichen Problemen und Unsicherheiten verbunden, die sich erheblich auf die Belastbarkeit dieses Indiz im Rahmen der Prognose auswirken können. Ferner kann eine irgendwie geartete Zugehörigkeit einer Person zu einer Gruppierung nicht genügen.196 Soweit keine Anhaltspunkte existieren, die über die bloße Szene- oder Gruppenzugehörigkeit einer Person und der zu erwartenden Anwesenheit von Mitgliedern dieser Szene oder Gruppe vor Ort hinausgehen, kann nicht mit hinreichender Sicherheit auf eine störende Handlung des Einzelnen in Form einer drohenden Straftat oder eines sonstigen störenden Verhaltens allein aufgrund seiner Szene- oder Gruppenzugehörigkeit geschlossen werden.197 Die Szene- oder Gruppenzugehörigkeit einer Person kann

195

Fischer, StGB, § 27 Rn. 13a. Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 79 f.; Steinforth, Die Gefährderansprache, S. 216 f., 407 f. 197 OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991; VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 15.7.2014, 5 K 996/13.NW = BeckRS 2014, 54609; VG Hannover, Beschluss vom 21.7.2011, 10 B 2096/11 = BeckRS 2011, 52822; VG Köln, Beschluss vom 6.10.2000, 20 L 2374/00 = BeckRS 2007, 22129; wohl auch VG Freiburg, Urteil vom 25.9.2015, 4 K 35/15 (juris), das weitere tatsächliche Anhaltspunkte zur Prognose eines strafbaren Verhaltens für erforderlich hält; Anders hingegen: VGH Kassel, Beschluss vom 1.2.2017, 8 A 2105/14.Z (juris) nach dem die Gruppenzugehörigkeit „nur einen vagen Verdacht begründen“ kann; siehe hierzu auch: Böhm/Mayer, DÖV 2017, 325 (329); a. A.: VGH München, Beschluss vom 9.6.2006, 24 CS 06.1521 = BeckRS 2007, 20207; VG Arnsberg, Beschluss vom 1.7.2009, 3 L 345/09 = BeckRS 2009, 40497. 196

III. Die (Gefahren-)Prognose

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daher nur in Verbindung mit weiteren Indizien im Rahmen einer Gesamtabwägung ein taugliches Indiz sein.198 b) Vorstrafen und Strafverfahren Zu den Indizien, die im Rahmen der Negativprognose ebenfalls regelmäßig zu Lasten einer Person berücksichtigt werden, gehören eventuelle Vorstrafen sowie die gegen sie eingeleiteten oder bereits abgeschlossenen Strafverfahren. aa) Vorstrafen Vorstrafen einer Person können ein relativ starkes Indiz im Rahmen einer Negativprognose sein. Der prognostische Wert, der sich aus einer Vorstrafe schöpfen lässt, ergibt sich daraus, dass eine Vorstrafe stets den Rückschluss auf ein entsprechendes Fehlverhalten der Person in der Vergangenheit zulässt.199 Ein strafbares Vorverhalten kann, insbesondere bei einer Vielzahl von Vorstrafen, darauf hindeuten, dass die Person auch künftig Straftaten begehen wird. Dies gilt in besonderem Maße soweit es sich um Vorstrafen handelt, die in sachlicher und zeitlicher Hinsicht ein künftiges Fehlverhalten im Rahmen von Sportveranstaltungen erwarten lassen.200 Dass der auf einer Vorstrafe beruhende Verdacht einer erneuten Straffälligkeit durchaus berechtigt ist, belegt eine im Jahr 2016 durch das Bundesministerium der Justiz veröffentlichte Studie.201 Nach dieser werden immerhin 34 – 35 % der Straftäter innerhalb von drei Jahren nach ihrer Verurteilung oder Haftentlassung rückfällig. Bei einer Verurteilung wegen Körperverletzung, also eines im Zusammenhang mit Fußballspielen typischen Delikts, liegt die Rückfallquote mit 39 % sogar noch etwas höher.202 Im Umkehrschluss offenbaren diesen Zahlen aber auch, dass der aus einer Vorstrafe resultierende Verdacht isoliert betrachtet nicht genügen kann, um eine Negativprognose tragen zu können, denn mit rund 60 % bleibt die überwiegende Zahl der Vorbestraften innerhalb von mindestens drei Jahren nach ihrer Verurteilung oder 198

VGH Mannheim, Urteil vom 18.5.2017, 1 S 160/17 (juris) sowie Urteil vom 18.5.2017, 1 S 1193/16 = NVwZ-RR 2017, 873; OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991; VG Aachen, Beschlüsse vom 26.4.2013, 6 L 162/13 = BeckRS 2013, 50249 und 6 L 170/13 = BeckRS 2013, 52150. 199 Vorverhalten als entscheidendes Indiz: Siehe Steinforth, Die Gefährderansprache, S. 213. 200 Barczak, JURA 2014, 888 ff. (891); Steinforth, Die Gefährderansprache, S. 213 f.; Tomschütz, Gefährderansprachen, S. 105 ff. 201 Jehle/Albrecht/Hohmann-Fricke/Tetal, Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen, abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/StudienUnter suchungenFachbuecher/Legalbewaehrung_nach_strafrechtlichen_Sanktionen_2010_2013. pdf;jsessionid=56D35FE8DD6DE5D3CBE7E82A8089F4D5.1_cid334?__blob=publicationFi le&v=1, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019. 202 Jehle/Albrecht/Hohmann-Fricke/Tetal, Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen, (Fn. 201) S. 16, 37.

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Haftentlassung straffrei.203 Somit bleibt auch im Falle einer Vorstrafe eine genauere Auseinandersetzung mit den jeweiligen Umständen der konkret begangenen Taten und der Persönlichkeit des Vorbestraften in Bezug zu dem Sachverhalt, auf den sich die Prognose erstreckt, unentbehrlich. Ein Anhaltspunkt kann sich aus der Art und der Schwere einer Vortat ergeben. So können sich aus einer besonders rücksichtslosen Vortat Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für die Rechtsgüter Dritter im Fall einer erneuten Straffälligkeit ableiten lassen. Liegen bereits mehrere Vorstrafen vor, lässt sich aus den jeweiligen Tatumständen der einzelnen Taten gegebenenfalls ein gewisses Muster ablesen, das die Prognose des künftig zu erwartenden Verhaltens präzisieren lässt. Je weiter eine Vortat andererseits ihrem Wesen nach von den im Rahmen von Fußballspielen üblichen Straftaten abweicht, desto weniger ist sie zur Prognose künftiger Straftaten geeignet. Dies betrifft auch Vorstrafen, die ihrem Wesen nach durchaus zum Kreis derjenigen Straftaten gehören, die im Rahmen eines Fußballspiels typischerweise begangen werden. Einer Vorstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung kann aber beispielsweise keine indizielle Wirkung entnommen werden, wenn dieser ein Sorgfaltspflichtverstoß zu Grunde lag, der keinen Rückschluss auf ein Fehlverhalten im Rahmen von Sportveranstaltungen zulässt. So gibt es keinen Erfahrungssatz, nach dem sich eine Person, die sich im Straßenverkehr sorgfaltswidrig verhalten hat, künftig auch bei Sportveranstaltungen störend oder strafbar verhalten wird. Auch ein einmaliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten auf Ebene der Bagatellstrafbarkeit, das allenfalls einen losen Fußballbezug aufweist, bietet keinen tragfähigen Anhaltspunkt für eine hinreichend belastbare Negativprognose.204 Bei Vorstrafen aus dem Ausland bedarf es einer genaueren Betrachtung. Mitunter kann es sich hierbei um Vorstrafen infolge von Normverstößen handeln, die nach deutschem Recht nicht strafbar wären und ihrer Art und Intensität nach nicht den Schluss auf künftige Straftaten oder Störungen zulassen.205 bb) Strafverfahren Nicht jedes Strafverfahren endet notwendigerweise mit einer Verurteilung. Gleichwohl kann schon die Einleitung eines Strafverfahrens dazu führen, dass die betroffene Person mit einem gewissen Makel behaftet ist, selbst wenn das Verfahren 203

BVerfG, Beschluss vom 19.6.2006, 1 BvQ 17/06 = BeckRS 2006, 19654; Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1212); Hebeler, NVwZ 2011, 1364 (1366). 204 Hebeler, NVwZ 2011, 1364 (1366); Problematisch daher: AG Dortmund, Urteil vom 1.8.2013, 435 C 1010/13 = BeckRS 2014, 20612; bestätigt durch LG Dortmund, Urteil vom 23.9.2014, 1 S 299/13 = BeckRS 2014, 19487. 205 Übersehen durch das VG Münster, Urteil vom 28.10.2005, 1 K 5676/03 = 1 K 5676/03 = BeckRS 2005, 30852, das einen Fall zu entscheiden hatte, in dem es sich um eine Vorstrafe aus dem Ausland wegen „öffentlicher Ordnungsstörung“ handelte; vgl. zur umgekehrten Problematik beim Erlass von Fernhaltemaßnahmen mit Auslandsbezug: Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht für Rheinland-Pfalz, G 29.

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später eingestellt oder die Person freigesprochen wird.206 Dieser Makel wirkt sich auch auf das Recht der Gefahrenabwehr aus, denn mitunter wird in der Praxis schon die Einleitung eines Strafverfahrens als ein ausreichendes Indiz angesehen, um präventive Maßnahmen gegen die Person zu rechtfertigen.207 Ungeachtet dessen, ob die Einleitung eines Strafverfahrens überhaupt ein taugliches Indiz für eine Negativprognose sein kann, handelt es sich zwangsläufig um ein Indiz von deutlich geringerem Gewicht als eine Vorstrafe.208 Dies liegt schon daran, dass für die Einleitung eines Strafverfahrens ein bloßer Anfangsverdacht genügt. Die Schwelle zum Anfangsverdacht ist verhältnismäßig gering.209 Es genügt, wenn aufgrund gewisser Tatsachen die Möglichkeit besteht, dass eine Straftat begangen wurde.210 Das Vorliegen einer Strafanzeige wäre hierfür ein ausreichender Anhaltspunkt.211 Liegt ein Anfangsverdacht vor, ist es gemäß § 160 Abs. 1 StPO Aufgabe der Staatsanwaltschaft diesem Verdacht nachzugehen und zu prüfen, ob er sich im Zuge der Ermittlungen zu einem hinreichenden Tatverdacht verdichtet.212 Die Einleitung eines Strafverfahrens erlaubt daher keinesfalls den Rückschluss auf ein vorangegangenes strafbares Fehlverhalten. Dies ergibt sich innerhalb des Strafverfahrens schon aus der im Rechtsstaatsprinzip verankerten Unschuldsvermutung.213 Allerdings ist es innerhalb des Strafverfahrens trotz der Unschuldsvermutung möglich, an den gegen den Beschuldigten erhobenen Verdacht anzuknüpfen und diesen zur Rechtfertigung von Eingriffen in die Rechte des Beschuldigten heran-

206 Ein anschauliches Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit bietet hier sicherlich das gegen den Wettermoderator Kachelmann geführte Strafverfahren, welches zu unzähligen weiteren Prozessen geführt hat, in denen sich die Gerichte mit den im Zusammenhang mit dem Strafverfahren geäußerten Meinungen sowie der Berichterstattung in den Medien auseinanderzusetzen hatten. Zuletzt: LG Düsseldorf, Urteil vom 9.5.2018, 12 O 45/18 (juris). 207 Siegel, NJW 2013, 1035 (1037); VG Hannover, Beschluss vom 21.7.2011, 10 B 2096/11 = BeckRS 2011, 52822. 208 Allein durch die Einleitung eines Strafverfahrens, ist der Tat- und Schuldnachweis noch nicht geführt. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist daher insbesondere dann ein untauglicher Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose, wenn die bisherigen Ermittlungen darauf hindeuten, dass keine Straftat vorlag. Siehe: VG Hamburg, Urteil vom 20.10.2011, 17 K 3395/08 (juris). 209 VGH Kassel, Beschluss vom 1.2.2017, 8 A 2105/14.Z (juris). 210 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 311; Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 104, bezeichnet den Anfangsverdacht daher als ein bloßes Wahrscheinlichkeitsurteil „dritter Ordnung“. 211 VG Stuttgart, Urteil vom 17.8.2009, 11 K 237/09 = BeckRS 2009, 38126; VGH Kassel, Beschlüsse vom 1.2.2017, 8 A 2105/14.Z (juris) und 8 B 1411/16 = BeckRS 2017, 103544. 212 Kölbel, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), MüKo StPO II, § 160 Rn. 3; Griesbaum, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur StPO, § 160 Rn. 19. 213 Zur Unschuldsvermutung siehe unter anderem: Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20, VII Rn. 148; Miebach, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), MüKo StPO II, § 261 Rn. 342 ff.

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zuziehen.214 Außerhalb des Strafverfahrens findet die Unschuldsvermutung keine Anwendung.215 Die für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden sind daher nicht daran gehindert, die Einleitung eines Strafverfahrens als Anlass zu nehmen, präventive Maßnahmen gegen eine Person zu ergreifen.216 Dem Strafverfahren kommt nochmals besonderes Gewicht zu, wenn bereits Anklage erhoben und das Hauptverfahren gemäß § 203 StPO eröffnet wurde. Doch selbst wenn das Strafverfahren bereits abgeschlossen ist, kann es bei der Prognose des künftig von einer Person zu erwartenden Verhaltens noch einen gewissen Anhaltspunkt bieten.217 Voraussetzung hierfür ist ein sogenannter Restverdacht gegen die Person, der auch nach dem Abschluss des Verfahrens fortbesteht. Für die Annahme eines Restverdachts ist nur in denjenigen Fällen Raum, in denen trotz der Beendigung des Strafverfahrens nicht sämtliche Zweifel an der Strafbarkeit des Beschuldigten ausgeräumt werden konnten. Der zuständigen Behörde obliegt es in diesem Fall darzulegen, weshalb trotz der Beendigung des Strafverfahrens noch Zweifel an der Unschuld der Person fortbestehen und inwieweit diese einen Anhaltspunkt für die Gefahrenprognose bieten.218 Hierfür bedarf es, ebenso wie bei einer Vorstrafe, eines gewissen zeitlichen- und sachlichen Zusammenhangs zwischen dem Strafverfahren und dem Sachverhalt auf den sich die Prognose bezieht.219 Darüber hinaus hängt das Bestehen eines Restverdachts und dessen Gewicht zu einem wesentlichen Maße von der Art der Beendigung des Strafverfahrens ab. (1) Freispruch Der Angeklagte ist nicht erst dann freizusprechen, wenn seine Unschuld feststeht, sondern – als zwangsläufige Konsequenz der Unschuldsvermutung – schon dann, wenn seine Schuld nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte.220 Es ist deshalb durchaus möglich, dass ein Angeklagter die Tat, wegen der er angeklagt wurde, tatsächlich begangen hat, auch wenn er aus tatsächlichen Gründen freigesprochen 214 Kindhäuser/Schumann, Strafprozessrecht, S. 228 f.; Beuckelmann, NJW-Spezial 2016, 696 (696); BVerfG, Beschluss vom 29.5.1990, 2 BvR 254/88, 2 BvR 1343/88 = NJW 1990, 2741. 215 Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht für Rheinland-Pfalz, G 29. 216 BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018, 1 BvR 3080/09 = NJW 2018, 1667 (1670); VGH Mannheim, Urteil vom 18.5.2017, 1 S 119/16 (juris); VG Arnsberg, Beschluss vom 5.11.2008, 3 L 772/08 (juris); bezogen auf den Ausspruch privatrechtlicher Stadionverbote mit Blick auf die Unschuldsvermutung hingegen deutlich kritischer: Gietl, JR 2010, 50 (51). 217 VG Minden, Urteil vom 29.6.2005, 11 K 3164/04 = BeckRS 2005, 28012. 218 VGH Kassel, Beschluss vom 1.2.2017, 8 B 1411/16 = BeckRS 2017, 103544; Dies gilt unabhängig davon, aus welchem Grund das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, vgl. OVG Münster, Beschluss vom 5.8.2015, 5 A 990/14 (juris); VG Ansbach, Urteil vom 29.10.2015, AN 5 K 15.00184 = BeckRS 2016, 41156. 219 Steinforth, Die Gefährderansprache, S: 213 f. 220 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 25; Miebach, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), MüKo StPO II, § 261 Rn. 343.

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wurde. Endet ein Strafverfahren mit dem Freispruch des Angeklagten, sind somit nicht notwendigerweise sämtliche Zweifel an seiner Schuld ausgeräumt. Konnte dem Angeklagten die Tat aus Mangel an Beweisen nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, ist der ursprüngliche Verdacht, dass der Angeklagte die Tat begangen haben könnte, nicht zweifelsfrei widerlegt. Innerhalb des Strafverfahrens wird der Angeklagte in diesem Fall durch die Unschuldsvermutung vor einer Verurteilung bewahrt. Es ist jedoch zulässig, den nicht ausgeräumten Restverdacht, dass der Freigesprochene die Tat doch begangen haben könnte, im Rahmen einer Prognoseentscheidung zu berücksichtigen.221 Allerdings sind die Unsicherheiten hinsichtlich des Tatnachweises angemessen zu berücksichtigen. Je mehr Zweifel am Vorwurf der Anklage bestehen, desto schwächer ist der Restverdacht gegen den Freigesprochenen. Wurde eine Person aus rechtlichen Gründen freigesprochen, kann im eigentlichen Sinne kein Restverdacht verbleiben, denn ein Restverdacht setzt die strafrechtliche Verfolgbarkeit eines Verhaltens voraus. Wurde der Angeklagte freigesprochen, weil der festgestellte Sachverhalt keinen Straftatbestand erfüllt oder er gerechtfertigt handelte, gibt es in aller Regel keinen Raum mehr für die Annahme eines Restverdachts. Anhaltspunkte für eine Negativprognose können sich nur unter Heranziehung der weiteren Umstände die dem Strafverfahren zu Grunde lagen ergeben. Wurde der Angeklagte hingegen wegen Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB oder anderen die Schuld ausschließenden Gründen freigesprochen, kann das Strafverfahren durchaus im Rahmen einer Prognoseentscheidung berücksichtigt werden, denn für die Beurteilung, ob jemand Störer im Sinne des Gefahrenabwehrrechts ist, bleibt die Frage seiner Schuldfähigkeit weitgehend unberücksichtigt.222 Ein Strafverfahren, das mit einem Freispruch geendet hat, beseitigt demnach nicht in jedem Fall den ursprünglich gegen die Person erhobenen Verdacht. Ob nach einem Freispruch noch ein Restverdacht fortbesteht, ist eine Frage des Einzelfalls und kann sich nur aus den Gründen ergeben, auf denen das Urteil beruht. (2) Einstellung des Strafverfahrens Die Einstellung eines Strafverfahrens kommt aus unterschiedlichen Gründen in Betracht. Zunächst muss zwischen vorläufigen und endgültigen Verfahrenseinstellungen differenziert werden. Vorläufige Einstellungen, beispielsweise gemäß § 205 StPO oder § 154 f StPO, führen nicht dazu, dass der dem Verfahren zugrundeliegende Verdacht gegen den Beschuldigten relativiert würde. Allerdings können die Umstände, die zu einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens geführt haben, Anlass geben, diese in die Gefahrenprognose mit einzubeziehen. So dürfte bei einer Person, 221

BVerfG, Beschluss vom 16.5.2002, 1 BvR 2257/01 = NJW 2002, 3231. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 261; Götz, NVwZ 1984, 211 (214); a. A. hingegen BGH, Urteil vom 14.2.1952, III ZR 233/51 = BGHZ 5, 144 (152); Bedeutung erlangt die Frage des Verschuldens erst auf Sekundärebene, vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 13.11.2017, 6 K 2064/16 = BeckRS 2017, 133633. 222

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bei der das Strafverfahren wegen Verhandlungsunfähigkeit vorläufig eingestellt wurde, zweifelhaft sein, ob ihr der Besuch eines Fußballspiels noch möglich sein wird. Regelmäßig dürfte der Erlass von Fernhaltemaßnahmen in diesen Fällen ausscheiden. Bei einer endgültigen Einstellung des Verfahrens kann – je nachdem in welchem Stadium das Verfahren eingestellt wurde – entweder an den Anfangsverdacht oder an den hinreichenden Tatverdacht nach Erhebung der Anklage angeknüpft werden.223 Durch eine Einstellung des Verfahrens kann der im Verfahren gegen die Person erhobene Verdacht, abhängig von den Gründen aus denen die Einstellung erfolgte, relativiert oder sogar beseitigt werden.224 Demnach bedarf es einer differenzierten Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls. (a) Einstellung gemäß § 153 StPO Eine Verfahrenseinstellung gemäß § 153 StPO kann sowohl vor als auch nach Erhebung der Anklage erfolgen. Demnach kann auf eine weitere Verfolgung der Tat verzichtet werden, wenn dem Beschuldigten lediglich ein Vergehen zur Last gelegt wird und zudem die Schuld im Falle einer Verurteilung als gering anzusehen wäre. Die Möglichkeit einer Einstellung gemäß § 153 StPO bietet in der staatsanwaltschaftlichen Praxis den Vorteil, dass bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine relativ zügige Verfahrenserledigung möglich ist, ohne dass der Sachverhalt restlos ausermittelt sein muss.225 Im Vergleich zu einer Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO kann sich die Einstellung gemäß § 153 StPO daher auch aus verfahrensökonomischen Gesichtspunkten als vorzugswürdig erweisen.226 Die Einstellung gemäß § 153 StPO setzt voraus, dass der Beschuldigte bei Fortführung des Verfahrens strafrechtlich in vollem Maße für sein Verhalten zur Verantwortung gezogen werden könnte. Es genügt jedoch die begründete Annahme, dass eine Verurteilung mit höherer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, als ein Freispruch.227 Daher lässt die Einstellung nach § 153 StPO den ursprünglichen Verdacht gegen den Beschuldigten unangetastet, denn ohne die Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung wäre die Einstellung gemäß § 153 StPO von vornherein unzulässig. Allerdings setzt eine Einstellung gemäß § 153 StPO voraus, dass aufgrund der Gesamtumstände kein öffentliches Verfolgungsinteresse aus spezial- oder generalpräventiven Gründen besteht.228 Dies kann nur in Fällen angenommen werden, in 223

VG Minden, Urteil vom 29.6.2005, 11 K 3164/04 = BeckRS 2005, 28012. VGH Mannheim, Urteil vom 18.5.2017, 1 S 1193/16 (juris); VGH Kassel, Beschluss vom 1.2.2017, 8 A 2105/14.Z (juris). 225 Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), StPO, § 153 Rn. 3, Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 334. 226 Peters, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), MüKo StPO II, § 153 Rn. 3. 227 Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), StPO, § 153 Rn. 3. 228 Diemer, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur StPO, § 153 Rn. 14; Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 334. 224

III. Die (Gefahren-)Prognose

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denen die begründete Erwartung besteht, dass sich der Beschuldigte auch ohne das Aussprechen einer strafrechtlichen Sanktion in Zukunft rechtstreu verhalten wird.229 Aufgrund dieser in der Einstellungsentscheidung enthaltenen positiven Zukunftsprognose bietet ein Strafverfahren, das nach § 153 StPO eingestellt wurde, regelmäßig keinen tauglichen Anhaltspunkt mehr für eine Negativprognose im Rahmen der Gefahrenabwehr. Zwar ist die für die Gefahrenabwehr zuständige Behörde nicht an die Prognose des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft gebunden, sollte sie jedoch zu einer anderen Einschätzung kommen, bedarf es hierfür besonderer Gründe. Eine abweichende Prognoseentscheidung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Behörde weitere Umstände bekannt sind, die eine andere Einschätzung des von der Person zu erwartenden Verhaltens zulassen. (b) Einstellung gemäß § 153a StPO Im Gegensatz zu einer Einstellung gemäß § 153 StPO setzt die Einstellung gemäß § 153a StPO das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts voraus.230 Sie kommt in Betracht, wenn sich der Beschuldigte mit hinreichender Sicherheit strafbar gemacht hat, die Schwere seiner Schuld aber einer Einstellung nicht entgegensteht. In diesem Fall soll das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung durch Erfüllung einer Auflage beseitigt werden können. Die Einstellung gemäß § 153a StPO setzt die Zustimmung des Beschuldigten voraus. Diese Zustimmung gilt im Rahmen des Strafverfahrens jedoch nicht als Schuldeingeständnis.231 Eine Einstellung gemäß § 153a StPO widerlegt die Unschuldsvermutung daher nicht.232 Sie steht aber der Annahme eines Restverdachts gegen den Beschuldigten gleichwohl nicht entgegen.233 Ein Strafverfahren, das auf diese Weise eingestellt wurde, kann ohne weiteres zur Grundlage einer Negativprognose gemacht werden. Allerdings muss dabei der typische Anwendungsbereich der Entscheidung berücksichtigt werden. § 153a StPO kommt im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität zur Anwendung und vor allem dann, wenn der Beschuldigte bislang noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.234 Bei dem typischen Anwendungsfall, also einer einmaligen Verfehlung, bei der zudem die Schuld nicht von besonderer Schwere war, bestehen indes erhebliche Zweifel, ob dieser geeignet ist, ein künftiges Fehlverhalten der Person prognostizieren zu können. Eine Einstellung nach § 153a StPO wird nur in denjenigen Fällen angeboten, in denen Gericht und Staatsanwaltschaft davon ausgehen, dass sich der Beschuldigte in 229 Diemer, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur StPO, § 153 Rn. 14; Peters, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), MüKo StPO II, § 153 Rn. 30. 230 Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), StPO, § 153a Rn. 7. 231 Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), StPO, § 153a Rn. 10. 232 BVerfG, Beschluss vom 16.1.1991, 1 BvR 1326/90 = NJW 1991, 1530. 233 VGH Mannheim, Urteil vom 18.5.2017, 1 S 1193/16 (juris); VG Köln, Urteil vom 19.6.2008, 20 K 2866/07 = BeckRS 2009, 40096. 234 Peters, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), MüKo StPO II, § 153a Rn. 14.

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

Ansehung der auferlegten Auflagen oder Weisungen künftig straffrei verhalten wird und es deshalb keiner strafrechtlichen Sanktion bedarf.235 Die Einstellung beruht also auf einer günstigen Verhaltensprognose. Für eine Negativprognose bleibt nach einer Einstellung gemäß § 153a StPO deshalb nur wenig Raum. Zwar ist die Behörde nicht an die richterliche bzw. staatsanwaltschaftliche Prognose gebunden, sie muss ihre abweichende Einschätzung jedoch nachvollziehbar begründen und auf entsprechend tragfähige Anhaltspunkte stützen. (c) Verweisung auf den Privatklageweg gemäß §§ 374, 376 StPO Eine weitere Art der Verfahrenserledigung ist die Verweisung auf den Privatklageweg durch die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gemäß § 374 StPO. Die Verweisung auf den Privatklageweg führt zur faktischen Beendigung des Strafverfahrens, da in den wenigsten Fällen Privatklage durch den Verletzten erhoben wird.236 Eine Verweisung auf den Privatklageweg kommt unter anderem bei den im Zusammenhang mit Fußballspielen typischen Delikten, nämlich der Sachbeschädigung, der einfachen Körperverletzung sowie der Beleidigung in Betracht. Bei diesen Delikten handelt es sich durchweg um Delikte, die im Wege der Privatklage verfolgt werden können. Die Staatsanwaltschaft nimmt eine Verweisung auf den Privatklageweg in denjenigen Fällen vor, in denen kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Im Falle eines Privatklagedelikts beschränken sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oftmals nur auf diejenigen Umstände, die für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses maßgeblich sind. Dies steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck des § 376 StPO und entspricht den Vorgaben gemäß Ziffer 86, 87 RiStBV. Eine Verweisung auf den Privatklageweg setzt voraus, dass der Rechtsfrieden nicht über den Lebenskreis des Verletzten gestört ist und die Strafverfolgung kein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist.237 Dies richtet sich nach dem Ausmaß der Rechtsverletzung, der Rohheit oder Gefährlichkeit der Tat, nach den Beweggründen des Täters sowie der Stellung des Verletzten im öffentlichen Leben.238 Bei einer Beleidigung fehlt gemäß Ziffer 299 RiStBV das öffentliche Interesse, wenn keine wesentliche Ehrkränkung anzunehmen ist. Als typische Fälle werden Familienzwistigkeiten, Hausklatsch und Wirtshausstreitigkeiten benannt. Bei einer einfachen Beleidigung ohne größere öffentliche Wirkung im Rahmen von Sportereignissen dürfte daher häufig das öffentliche Interesse zu verneinen sein, da nicht erkennbar ist, dass es sich hier um eine Straftat handelt, die eine größere Intensität als eine Wirtshausstreitigkeit aufweist. 235

Peters, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), MüKo StPO II, § 153a Rn. 10; Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 337. 236 So schon Schöch, NStZ 1984, 385 (389); zu den Erschwernissen und Risiken des Privatklägers siehe auch Kindhäuser/Schumann, Strafprozessrecht, S. 343 f. 237 Siehe Ziffer 86 Abs. 2 S. 1 RiStBV. 238 Siehe Ziffer 86 Abs. 2 S. 2 RiStBV.

III. Die (Gefahren-)Prognose

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Bei einer Körperverletzung ist gemäß Ziffer 234 RiStBV das öffentliche Interesse zu bejahen, wenn einschlägige Vorstrafen vorliegen, der Beschuldigte roh oder besonders leichtfertig gehandelt oder erhebliche Verletzung verursacht hat oder dem Opfer ein Strafantrag aufgrund seiner persönlichen Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann. Das öffentliche Interesse kann demgegenüber entfallen, wenn der Verletzte keinen Wert auf die Strafverfolgung legt. Bei Szenetaten, beispielsweise der körperlichen Auseinandersetzung rivalisierender Fangruppierungen, ergibt sich die Besonderheit, dass gerade in diesen Fällen auf Seiten der Verletzten oftmals kein Interesse an einer Strafverfolgung besteht.239 Dieser Umstand stünde der Annahme eines öffentlichen Interesses grundsätzlich entgegen. Die Bekämpfung von Szenestraftaten stellt allerdings ein wichtiges Anliegen der Gesellschaft dar.240 Daher wird die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse regelmäßig bejahen, sobald sich der Verdacht einer Szenestraftat ergibt.241 Sie wird das öffentliche Interesse darüber hinaus auch in den Fällen bejahen, in denen eine Person bereits mehrfach wegen eines Privatklagedelikts oder anderer Straftaten auffällig geworden ist.242 Für eine Verweisung auf den Privatklageweg verbleiben daher nur unbedeutende Sachverhalte, die in keinem spezifischen Zusammenhang mit der Abwehr szenetypischer Taten im Rahmen von Fußballspielen stehen. Demzufolge kann ein Strafverfahren, das durch eine Verweisung auf den Privatklageweg beendet wurde, typischerweise ebenfalls keinen maßgeblichen Anhaltspunkt bieten, um die Prognose eines künftigen Fehlverhaltens im Rahmen von Fußballspielen stützen zu können, die den Erlass von Fernhaltemaßnahmen rechtfertigen würde. (d) Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO Eine Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO kommt ausschließlich im Rahmen des Ermittlungsverfahrens in Betracht. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, wenn nach Abschluss der Ermittlungen kein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten besteht, der Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage geben würde. Ein hinreichender Tatverdacht setzt voraus, dass eine Verurteilung des Beschuldigten am Ende der Hauptverhandlung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch.243 Das Fehlen eines hinreichenden Tatverdachts bedeutet nicht, dass auch der Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten ausgeräumt ist. Es 239

VG Minden, Urteil vom 29.6.2005, 11 K 3164/04 = BeckRS 2005, 28012; Friedmann, Polizei und Fans, S. 20. 240 Insoweit besteht schon aus generalpräventiven Gründen ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, siehe: Peters, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), MüKo StPO II, § 153 Rn. 31. 241 Peters, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), MüKo StPO II, § 153 Rn. 3. 242 Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), StPO, § 376 Rn. 1; Diemer, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur StPO, § 153 Rn. 14. 243 Kindhäuser/Schumann, Strafprozessrecht, S. 149; Kölbel, in: Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), MüKo StPO II, § 170 Rn. 14 ff.

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

besteht, ähnlich wie nach einem Freispruch, weiterhin die Möglichkeit, dass sich der Beschuldigte tatsächlich strafbar gemacht haben könnte.244 Daher ist die Annahme eines Restverdachts bei einer Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO grundsätzlich zulässig. Der nach einer Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO verbleibende Restverdacht geht grundsätzlich nicht über den für einen Anfangsverdacht erforderlichen Verdachtsgrad hinaus. Allerdings können die Gründe, auf denen die Einstellungsentscheidung beruht, die Intensität des Restverdachts in einem nicht unwesentlichen Ausmaß beeinflussen.245 Die Annahme eines erheblichen Restverdachts ist in den Fällen gerechtfertigt, in denen eine Straftat aus einer Gruppe heraus begangen wurde und es nicht möglich war, den für die Tat verantwortlichen Einzeltäter zu ermitteln.246 Dabei muss jedoch die Beziehung der Person zu der Gruppe berücksichtigt und die Möglichkeit einer lediglich zufälligen räumlichen Nähe ausgeschlossen werden.247 Ein gewichtiger Restverdacht kann sich auch daraus ergeben, dass gegen eine Person innerhalb eines überschaubaren Zeitraums mehrere Strafverfahren geführt wurden, da eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren darauf hindeuten kann, dass sich die Person in einem problematischen Umfeld bewegt, in dem regelmäßig Straftaten verübt werden. Dies kann gegebenenfalls mit weiteren Indizien den Verdacht begründen, dass die Person geneigt sein könnte, künftig selbst Straftaten zu begehen.248 Die schematische Annahme eines derartigen Verdachts wäre jedoch verfehlt.249 Erfolgt eine Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO allerdings wegen erwiesener Unschuld oder wegen Fehlens eines begründeten Verdachts, wird der Anfangsverdacht in vollem Umfang durch die Einstellung beseitigt.250 In diesem Fall verbleibt kein Raum mehr für die Annahme eines Restverdachts, so dass das Strafverfahren nicht mehr als Indiz für eine Gefahrenprognose herangezogen werden kann. Bei einer Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO kann somit ein Restverdacht verbleiben, der Berücksichtigung im Rahmen der Gefahrenprognose finden kann. Ob ein Restverdacht besteht und welches Gewicht diesem Verdacht zukommt, ist indes

244 Kindhäuser/Schumann, Strafprozessrecht, S. 150; BGH, Urteil vom 4.5.2011, 2 StR 524/10 = NJW 2011, 2310 (2311). 245 VG Hamburg, Urteil vom 20.10.2011, 17 K 3395/08 (juris). 246 VG Hannover, Beschluss vom 21.7.2011, 10 B 2096/11 = BeckRS 2011, 52822. 247 Vgl. die auf die öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr übertragbaren kritischen Anmerkungen von Kleszewski, JZ 2010, 251 (253) zu BGH, Urteil vom 30.10.2009, V ZR 253/ 08 = NJW 2010, 534. 248 BVerfG, Beschluss vom 16.5.2002, 1 BvR 2257/01 = NJW 2002, 3231; ebenso: VG Mainz, Urteil vom 4.9.2008, 1 K 363/08 = BeckRS 2008, 39855. 249 BVerfG, Beschluss vom 1.6.2006, 1 BvR 2293/03 = BVerfGK 8, 165; VGH Kassel, Beschluss vom 1.2.2017, 8 A 2105/14.Z = DÖV 2017, 560 und Beschluss vom 1.2.2017, 8 B 1411/16 = DÖV 2017, 561. 250 Gemäß Ziffer 88 S. 2 RiStBV ist dem Beschuldigten in diesem Fall der Grund der Einstellung mitzuteilen.

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eine Frage des Einzelfalls und erfordert eine Auseinandersetzung mit den Gründen, auf denen die Einstellungsentscheidung beruht. (e) Sonderfall: Kein Anfangsverdacht, § 152 Abs. 2 StPO Hat die Staatsanwaltschaft von vornherein keinen Anfangsverdacht erkennen können und gemäß § 152 Abs. 2 StPO von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen, bleibt grundsätzlich kein Raum für die Annahme eines Restverdachts, da es schon an einem Verfahren fehlt, an dessen Einleitung angeknüpft werden könnte. Dies gilt auch dann, wenn die Einschätzung der Staatsanwaltschaft von der Auffassung der Polizei oder anderer Behörden abweicht.251 cc) Zwischenfazit Zur Prognose eines künftigen Fehlverhaltens der Person bieten einschlägige Vorstrafen ein relativ starkes Indiz. Es bedarf allerdings einer gewissen sachlichen und zeitlichen Konnexität zwischen der verfolgten Tat und dem prognostizierten Verhalten. Die Negativprognose kann indes nicht ausschließlich auf eine Vorstrafe gestützt werden, da eine vorherige Verfehlung nicht mit hinreichender Sicherheit auf ein künftiges Fehlverhalten schließen lässt. Unter gewissen Umständen kann auch ein gegen die Person eingeleitetes Strafverfahren ein taugliches Indiz im Rahmen der Gefahrenprognose sein. In diesem Fall muss jedoch ebenfalls eine zeitlich-inhaltliche Verbindung zwischen dem Strafverfahren und dem prognostizierten Fehlverhalten bestehen. Bereits abgeschlossene Strafverfahren können nur dann ein taugliches Indiz sein, wenn über den Verfahrensabschluss hinaus ein Restverdacht gegen die Person fortbesteht. Dies kommt sowohl bei einer Verfahrensbeendigung durch Freispruch als auch nach einer Einstellung des Verfahrens in Betracht. Das Bestehen eines Restverdachts und das Gewicht, das diesem Verdacht im Rahmen der Prognose zukommt, sind abhängig von der Art und den Umständen der Verfahrensbeendigung. Bei Einstellungen gemäß §§ 153, 153a, 374, 376 StPO ist grundsätzlich kein Raum für die Annahme eines erheblichen Restverdachts, soweit keine weiteren Erkenntnisse über das Vorverhalten der Person vorliegen. In der Regel dürfte daher eine abschließende Beurteilung der Intensität eines Restverdachts bei sämtlichen Arten der Beendigung eines Strafverfahrens erst nach Einsicht in die Ermittlungsakten möglich sein. c) Stadionverbot Ein weiteres von den Behörden regelmäßig zur Begründung einer Negativprognose herangezogenes Indiz ist ein von den Vereinen oder Verbänden gegen die Person ausgesprochenes Stadionverbot. 251

VG Köln, Urteil vom 28.4.2016, 20 K 583/14 (juris).

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

aa) Einfluss der Stadionverbotsrichtlinie auf den indiziellen Wert des Stadionverbots Als besondere Ausprägung des zivilrechtlichen Hausverbots leitet sich das Stadionverbot aus den Rechten des Eigentümers beziehungsweise des Besitzers ab. Für den Erlass eines Stadionverbots gelten demnach zunächst die allgemeinen Voraussetzungen, die an den Erlass eines Hausverbots gestellt werden.252 Der Eigentümer eines Grundstücks kann gemäß § 903 S. 1 BGB anderen Personen, ohne dass hierfür besondere Gründe vorliegen müssen, den Zutritt zu seinem Grundstück verweigern. Dieses Recht steht gemäß §§ 858 Abs. 1, 859 Abs. 1 BGB auch dem unmittelbaren Besitzer eines Grundstücks zu und wird prozessual durch die §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 862 Abs. 1 S. 2 BGB abgesichert. Für ein Hausverbot, das sich auf ein Grundstück bezieht, welches grundsätzlich dem allgemeinen Publikumsverkehr geöffnet ist, wie beispielsweise ein Stadion für die Dauer der Sportveranstaltung, wird mit Blick auf das Willkürverbot verlangt, dass ein Hausverbot nur ergehen darf, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt.253 Die zivilrechtlichen Regelungen werden durch den Inhalt der Stadionverbotsrichtlinie konkretisiert.254 Die Stadionverbotsrichtlinie enthält Regelungen über den Erlass und den Umgang mit Stadionverboten, auf die sich die Vereine und Verbände gegenseitig verständigt haben. Obwohl es sich bei ihr um kein bindendes Regelwerk handelt, kommt ihr in der Praxis eine hohe Bedeutung zu.255 § 4 SVRL zählt Gründe auf, die zum Erlass eines Stadionverbots führen sollen. Bei den in § 4 Abs. 3 SVRL genannten Straftaten handelt es sich nicht durchweg um solche von besonderer Schwere. Dies gilt insbesondere für den einfachen Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB sowie die Beleidigung gemäß § 185 StGB. Hinzu tritt, dass Stadionverbote gemäß § 4 Abs. 3 SVRL schon bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen bestimmter Straftaten ergehen sollen. Es ist somit gerade nicht erforderlich, dass die Person bereits wegen einer Straftat verurteilt wurde. Vielmehr genügt ein bloßer Anfangsverdacht. Ferner sehen § 4 Abs. 2 und Abs. 4 SVRL den Erlass von Stadionverboten aufgrund von Verstößen gegen die Hausordnung oder infolge bestimmter präventivpolizeilicher Maßnahmen vor. Ein Stadionverbot setzt daher weder voraus, dass sich eine Person strafbar gemacht hat, noch dass sie unter Verdacht steht, eine Straftat begangen zu haben.256 Daraus erwachsen Schwierigkeiten, ein Stadionverbot als Anhaltspunkt zur Prognose eines künftigen Fehlverhaltens anzuerkennen. Es kann sich allenfalls um ein schwaches Indiz handeln, das nur in Verbindung mit weiteren Tatsachen eine Negativprognose tragen kann. Daran kann auch der Umstand, dass bei einem Sta252

Siehe oben, Teil 1 V. 1. b) bb). BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018, 1 BvR 3080/09 = NJW 2018, 1667 (1670); Stoll/ Lüers, DÖV 2014, 222 (224); Gietl, JR 2010, 50 f. 254 BGH, Urteil vom 30.10.2009, V ZR 253/08 = NJW 2010, 534. 255 Schmitt, Das bundesweite Fußball-Stadionverbot, S. 56 ff.; Stoll/Lüers, DÖV 2014, 222 (223). 256 So zu Recht: VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 15.7.2014, 5 K 996/13.NW = BeckRS 2014, 54609. 253

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dionverbot bereits die für das Stadionverbot zuständige Stelle eine Negativprognose zu Lasten des Betroffenen getroffen hat, nur wenig ändern. Diese Prognose richtet sich, soweit sie überhaupt getroffen wurde, an anderen Maßstäben als die von den Behörden durchzuführende Gefahrenprognose aus.257 Vereine und Verbände nehmen beim Erlass von Stadionverboten keine hoheitlichen Befugnisse wahr. Der Erlass von Stadionverboten beruht auf einer Selbstverpflichtung der Vereine und Verbände, die einerseits an das Hausrecht des Eigentümers bzw. des unmittelbaren Besitzers anknüpft, andererseits an die zivil- und öffentlich-rechtlich begründeten Pflichten des Veranstalters, die erforderlichen Schutzmaßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit im Rahmen von Fußballspielen zu treffen.258 Der Erlass eines Stadionverbots setzt zwar die Sorge künftiger Störungen durch den Betroffenen voraus, allerdings wird dieser präventive Aspekt im Rahmen der SVRL nur unzureichend deutlich. Der präventive Aspekt des Stadionverbots wird in der Präambel und in § 1 SVRL genannt, Regelungen zur Durchführung der Prognose und ihrer Anhaltspunkte werden indes nicht getroffen. § 4 SVRL, der die Voraussetzungen für den Erlass von Stadionverboten benennt, knüpft ausschließlich an Umstände an, die in der Vergangenheit liegen. Dies führt in der Literatur zu der berechtigten Kritik, das Stadionverbot sei tendenziell eher als eine Reaktion auf vorangegangenes Fehlverhalten, mithin als Sanktionsmaßnahme ausgestaltet.259 Gleichwohl kann ihr Inhalt den zivilrechtlichen Grundsätzen, die beim Erlass von Hausverboten zu beachten sind, genügen. Zum einen wirken in das Verhältnis zu den Zuschauern mittelbar auch die Grundrechte der Vereine und Verbände, insbesondere Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG, hinein. Die Entscheidung über den Erlass von Stadionverboten wird daher auch durch ihre berechtigten wirtschaftlichen Interessen beeinflusst. So sind die Vereine und Verbände einerseits finanziell auf die Zuschauereinnahmen angewiesen, andererseits kann je nach den Umständen des Einzelfalls auch ein wirtschaftliches Interesse daran bestehen, durch den verstärkten Erlass von Stadionverboten gegen ganze Gruppen den friedlichen Teil der Fanszene, die Medien oder die Öffentlichkeit zu beruhigen und gegebenenfalls drohende Disziplinarstrafen durch einen übergeordneten Verband abzuwenden.260 Die Entscheidung wird somit auch durch weitere, nicht unmittelbar sicherheitsrelevante Faktoren beeinflusst. 257

Das BVerfG betont hier vor allem das Kriterium der Zumutbarkeit einer (umfassenden) Sachverhaltsaufklärung, siehe: BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018, 1 BvR 3080/09 = NJW 2018, 1667 (1670); siehe auch: VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 15.7.2014, 5 K 996/ 13.NW = BeckRS 2014, 54609. 258 VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 15.7.2014, 5 K 996/13.NW = BeckRS 2014, 54609. 259 Überraschend deutlich: BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018, 1 BvR 3080/09 = NJW 2018, 1667 (1670); ebenso: Stoll/Lüers, DÖV 2014, 222 (227). 260 So beispielsweise im Fall des 1. FC Köln, der nach vorangegangenen Ausschreitungen mit Stadionverboten gegen die Mitglieder einer ganzen Gruppierung reagierte. Hierzu: Arnold, Den Zeitpunkt der Milde überschritten, abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/ h/fc-koeln-moenchengladbach-platzsturm-ultras-boyz-fahndung-stadionverbot-fotos/, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019; hierzu auch: Henseler, Die rechtlichen Dimensionen des bundesweiten Stadionverbotes, S. 119.

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

Zum anderen dürfen an den Prognosemaßstab keine gesteigerten Anforderungen gestellt werden, da auf Seiten der Vereine und Verbände ein tatsächliches und rechtliches Defizit hinsichtlich ihrer Möglichkeiten zur Erforschung des Sachverhalts besteht.261 Dieses Defizit ist durch einen großzügigeren Prognosemaßstab zu kompensieren, der es ihnen gestattet, sich im Rahmen der Prognose ausschließlich auf ein Fehlverhalten in der Vergangenheit oder einen auf Tatsachen gestützten Verdacht zu stützen, um die Befürchtung künftiger Störungen zu begründen, solange diese Anknüpfungspunkte in einem sachlichen und zeitlichen Kontext mit ihren legitimen Interessen stehen.262 In der Regel bedeutet dies, dass das Vorverhalten oder der Verdacht gegen die Person stets einen Sport- oder Fußballbezug aufweisen muss. Es kann daher genügen, an frühere Verstöße gegen die Stadionordnung oder an Straftaten außerhalb des Stadions anzuknüpfen, selbst wenn es sich um Taten auf Ebene der Bagatellstrafbarkeit handelt, solange dieses Vorverhalten die Sorge künftiger Störungen begründen kann.263 Dadurch unterscheidet sich der Prognosemaßstab bei Erlass eines Stadionverbots von dem eines präventivpolizeilichen Handelns, bei dem konkrete Anhaltspunkte für ein künftiges Fehlverhalten bestehen müssen.264 Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass Umstände, die die Prognose zum Erlass eines Stadionverbotes tragen, nicht genügen, um die erforderliche Annahme künftiger Störungen zum Erlass präventivpolizeilicher Maßnahmen begründen zu können.265 Schließlich ergehen Stadionverbote häufig erst in Folge einer Mitteilung einer Behörde, in der diese die für das Stadionverbot zuständige Stelle über das Verhalten einer Person oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in Kenntnis setzt. Diese Mitteilung wird gegebenenfalls mit der Anregung verbunden, ein Stadionverbot

261 Schmitt, Das bundesweite Fußball-Stadionverbot, S. 74; a. A. hingegen Klesczewski, JZ 2010, 251 (254). 262 BGH, Urteil vom 30.10.2009, V ZR 253/08 = NJW 2010, 534; grundsätzlich gebilligt durch BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018, 1 BvR 3080/09 = NJW 2018, 1667 (1670), sofern weitere Sachverhaltsaufklärung nicht zumutbar ist. 263 BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018, 1 BvR 3080/09 = NJW 2018, 1667 (1670); Aufgrund eines allenfalls vagen Veranstaltungsbezugs grenzwertig sind indes die Urteile des AG Dortmund, Urteil vom 1.8.2013, 435 C 1010/13 (juris), sowie nachgehend und bestätigend des LG Dortmund, Urteil vom 23.9.2014, 1 S 299/13 = NJW-RR 2015, 407 ff. Beide Gerichte gehen davon aus, dass ein sachlicher Grund zum Erlass eines Stadionverbotes selbst dann vorliegt, wenn der Täter bei der Rückreise in einem Ladenlokal am Hauptbahnhof einen räuberischen Diebstahl begeht. Schwer nachvollziehbar auch AG München, Urteil vom 7.11.2014, 242 C 31003/13 (juris), das überraschenderweise einen sachlichen Grund beim Verdacht einer anlassbezogenen Straftat verneint. Zu Recht kritisch: Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, S. 299. 264 Vgl. Schmitt, Das bundesweite Fußball-Stadionverbot, S. 164 f.; Walker, in: Höfling/ Horst (Hrsg.), Sport und Gewalt, S. 51 ff. (69); Hecker, NVwZ 2016, 1301 (1303). 265 VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 2.5.2014, 5 L 404/14.NW = BeckRS 2014, 52805.

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gegen die Person zu erlassen.266 Die Übermittlung von Informationen ist oftmals eine notwendige Voraussetzung zum Erlass von Stadionverboten, da die für den Erlass zuständigen Stellen in Ermangelung eigener Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung von einem Teil der Umstände, die gemäß § 4 SVRL zum Erlass von Stadionverboten führen sollen, ansonsten keine Kenntnis erlangen würden. Die Behörden nehmen durch das Übermitteln von Informationen, insbesondere bei gezieltem Anregen eines Stadionverbots, einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis der Prognose der Vereine und Verbände.267 Diese müssen je nach Art und Inhalt der Mitteilung nämlich befürchten, im Falle der Untätigkeit wegen unzureichender Sicherungsmaßnahmen in Regress genommen zu werden, sollte sich eine Person, über die sie zuvor informiert worden waren, im Rahmen eines Fußballspiels störend verhalten und die Rechtsgüter anderer Zuschauer schädigen.268 Durch eine gezielte Weitergabe von Informationen bzw. die Anregung von Stadionverboten können die Behörden die Entscheidung über den Erlass eines Stadionverbots daher maßgeblich steuern.269 Eine Prognose, die in dieser Art und Weise durch die Behörde beeinflusst worden ist, bietet aber, als gewissermaßen selbst erschaffenes Indiz der Behörde, keinen weiteren Anhaltspunkt für die Prognose des zu erwartenden Verhaltens einer Person im Rahmen künftiger Fußballspiele.270 Die Prognose der Vereine und Verbände ist somit kein durchschlagender Grund dafür, dem Erlass eines Stadionverbots eine größere Indizwirkung im Rahmen der behördlichen Gefahrenprognose beizumessen. Die Indizwirkung von Stadionverboten wird zusätzlich durch § 7 SVRL abgeschwächt. Demnach bleiben Stadionverbote grundsätzlich auch dann bestehen, wenn der Betroffene in dem Strafverfahren, das dem Stadionverbot zu Grunde liegt, freigesprochen wird. Dasselbe gilt auch im Falle einer Einstellung des Strafverfahrens. Der Betroffene muss sich vielmehr mit einem entsprechenden Antrag selbst darum bemühen, dass das Stadionverbot aufgehoben oder auf seinen Bestand oder seine Dauer hin überprüft wird.271 Die Erfolgsaussichten des Antrags richten sich nach der Art der Beendigung des Strafverfahrens. Gemäß § 7 Abs. 1 SVRL ist das Stadionverbot im Fall eines Freispruchs oder einer Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 266

54609.

VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 15.7.2014, 5 K 996/13.NW = BeckRS 2014,

267 Besonders problematisch gestaltet es sich daher, wenn die Informationen der Behörde unzutreffend sind, vgl. hierzu: VG Düsseldorf, Urteil vom 10.1.2011, 18 K 3229/10 = BeckRS 2011, 45746. 268 Siehe hierzu u. a. Walker, in: ders. (Hrsg.), Hooliganismus, S. 35 ff.; Köhler, in: Schild (Hrsg.), Rechtliche Aspekte von Sportgroßveranstaltungen, S. 13 ff. 269 Kirchhoff, NJW 2017, 294 ff.; kritisch: Müller-Eiselt, DVBl. 2014, 1168 ff. 270 Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 173 f.; Arzt, Die Polizei 2006, 156 (159); Tomschütz, Gefährderansprachen, S. 105; ebenso: VG Freiburg, Urteil vom 9.7.2002, 7 K 1232/01; differenzierter und eher zur Gegenauffassung tendierend: VGH Mannheim, Urteil vom 7.12.2004, 1 S 2218/03 = BeckRS 2005, 20576; diesem folgend: VG Stuttgart, 17.8.2009, 11 K 237/09 = BeckRS 2009, 38126. 271 OVG Bremen, Beschluss vom 10.2.2010, 1 B 30/10 = BeckRS 2010, 46388; VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 15.7.2014, 5 K 996/13.NW = BeckRS 2014, 54609.

264

Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

StPO aufzuheben. Gemäß § 7 Abs. 2 SVRL kann im Fall einer Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153 StPO das Stadionverbot auf Bestand und Dauer, im Fall einer Einstellung gemäß § 153a StPO lediglich auf seine Dauer hin überprüft werden. Die in § 7 SVRL vorgesehenen Folgen decken sich daher nicht mit der Geeignetheit eines Restverdachts im Rahmen der Prognose. Bei einem Freispruch und einer Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO kann ein Restverdacht regelmäßig stärkere Berücksichtigung finden, als bei einer Einstellung gemäß §§ 153, 153a StPO.272 Die Regelungen in § 7 SVRL orientieren sich somit weniger an der Bedeutung des Restverdachts für das künftig zu erwartende Verhalten der Person und eher stärker an der strafprozessualen Erledigung des zurückliegenden Geschehens. Für den Betroffenen kann die in § 7 SVRL getroffene Regelung im Einzelfall einen erheblichen Nachteil bedeuten, da er auf die Art der Beendigung des Strafverfahrens nur geringen Einfluss hat. Insbesondere fehlt es ihm häufig an der notwendigen Beschwer, um diese angreifen zu können.273 Auch deshalb kann der Umstand, dass sich eine Person gegen ein Stadionverbot nicht zur Wehr gesetzt hat, nicht ohne weiteres zu der Annahme führen, der Betroffene habe das Stadionverbot offensichtlich akzeptiert, was wiederum darauf hindeute, dass das Stadionverbot zu Recht ergangen sei.274 Diesen Schluss hat das VG Ansbach gleichwohl in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 gezogen und dabei außer Acht gelassen, dass es schon wegen § 7 SVRL naheliegende Gründe dafür geben kann, nicht gegen ein Stadionverbot vorzugehen. Denkbar ist zunächst, dass eine Person irrtümlich davon ausgeht, dass sich das Stadionverbot nach einem Freispruch erledigen werde und deshalb keine Veranlassung für einen Antrag auf Aufhebung sieht. Die Gefahr eines solchen Irrtums dürfte vor allem bei Personen, die erstmalig mit einem Stadionverbot in Berührung kommen und bei denen der Vorwurf der Strafbarkeit nachweislich zu Unrecht erhoben wurde, groß sein. Des Weiteren können auch persönliche oder finanzielle Gründe dazu führen, dass sich eine Person nicht gegen ein Stadionverbot zur Wehr setzt, obwohl sie mit der Maßnahme nicht einverstanden ist. So kann beispielsweise der Aufwand eines weiteren Vorgehens als unverhältnismäßig angesehen werden, weil im Hinblick auf die Art der Einstellung des Strafverfahrens ohnehin nur eine Verkürzung der Dauer des Stadionverbots zu erwarten ist.275 Ob, wie das VG Minden annimmt, der Umstand, dass sich eine Person vor den Zivilgerichten ausschließlich mit formellen Einwänden gegen ein Stadionverbot zur Wehr gesetzt hat, darauf hindeutet, dass das Stadionverbot in materieller Hinsicht zu Recht ergangen ist, darf ebenfalls angezweifelt werden.276 Das Verwaltungsgericht 272 273

54609. 274

Siehe oben, Teil 4 III. 2. b) bb). VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 15.7.2014, 5 K 996/13.NW = BeckRS 2014,

VG Ansbach, Beschluss vom 11.9.2012, AN 5 S 12.01535 = BeckRS 2012, 57222. So kann das zur Wehr setzen gegen ein Stadionverbot aus unterschiedlichen Gründen als ineffektiv empfunden werden. Siehe: Klode, Pyrotechnik und Stadionverbote, S. 135 f.; Schiffbauer, DVBl. 2014, 1173 (1175, 1778). 276 VG Minden, Urteil vom 29.6.2005, 11 K 3164/04 = BeckRS 2005, 28012. 275

III. Die (Gefahren-)Prognose

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mag zwar mit Blick auf § 296 ZPO das Unterlassen eines materiellen Einwands für nachteilig erachten, dieses Vorgehen kann jedoch als solches noch nicht eine Vermutung für die Rechtmäßigkeit des Stadionverbots begründen und dessen Indizwirkung stärken. Das Verwaltungsgericht hätte in diesem Fall vielmehr einen durch § 86 Abs. 1 VwGO begründeten Anlass dazu gehabt, den Betroffenen zu den Gründen seines Vorgehens im Zivilprozess näher zu befragen oder zumindest einen Hinweis gemäß § 86 Abs. 3 VwGO zu erteilen. bb) Stadionverbot als Gegenindiz? In der Praxis bleibt weitgehend unbeachtet, dass ein bestehendes Stadionverbot auch ein Indiz dafür sein kann, die Gefahr künftiger Störungen durch die Person abzulehnen, so dass der Erlass von Fernhaltemaßnahmen nicht mehr gerechtfertigt wäre.277 Setzt man nämlich voraus, dass die Person das Stadionverbot beachten wird, wird sie sich an den Spieltagen nicht im Stadion und dessen Umgebung aufhalten und womöglich auch kein Interesse daran haben, sich am Spielort aufzuhalten. Die Annahme der Gefahr künftiger Störungen wäre damit nicht mehr zu halten. Es bedarf deshalb gewisser Anhaltspunkte dafür, dass von einer Person trotz eines bestehenden Stadionverbots weiterhin störende Handlungen im Zusammenhang mit Fußballspielen zu erwarten sind, entweder weil sie sich dem Stadionverbot widersetzen oder sich an Auseinandersetzungen an Drittorten beteiligten wird.278 Der Umstand, dass sich die Person mit anderen Adressaten eines Stadionverbots zu einer eigenen Gruppe („Sektion Stadionverbot“) zusammengeschlossen hat, die sich üblicherweise an den Spieltagen am Spielort aufhält, genügt dafür noch nicht.279 cc) Zwischenfazit Nach alledem wird ersichtlich, dass sich aus dem Umstand, dass gegen eine Person ein Stadionverbot erlassen wurde, kaum Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich diese Person künftig störend im Zusammenhang mit einem Fußballspiel verhalten wird. Eine Negativprognose, die sich hauptsächlich oder sogar ausschließlich auf dieses Indiz stützt, begegnet Bedenken. Der Erlass eines Stadionverbots erlaubt schon keinen Rückschluss auf ein Fehlverhalten des Betroffenen in der Vergangenheit.280 Die zum Teil von den Gerichten und Behörden vertretene Auffassung, Stadionverbote würden nur gegen Gewalttäter oder sogenannte „Problemfans“ verhängt und setzen wiederholte, erhebliche oder massive Rechtsverstöße voraus, 277 Zu Recht thematisiert durch: VG Bayreuth, Beschluss vom 19.12.2014, B 1 S 14.851 = BeckRS 2015, 41780. 278 VG Freiburg, Beschluss vom 26.8.2014, 4 K 1839/14 (juris). 279 VG Bayreuth, Beschluss vom 19.12.2014, B 1 S 14.851 = BeckRS 2015, 41780. Siehe oben Teil 4 III. 2. a). 280 VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 2.5.2014, 5 L 404/14.NW (juris) mit Anmerkung von Keller, jurisPR-ITR 22/2014.

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

geht fehl.281 Sie steht im krassen Widerspruch zu den rechtlichen Voraussetzungen zum Erlass eines Stadionverbots und der gängigen Praxis. Gleichwohl kann ein Stadionverbot im Rahmen der Gefahrenprognose als Indiz herangezogen werden.282 Es handelt sich aber allenfalls um ein schwaches Indiz. Für eine tragfähige Prognose müssen die Behörden neben dem Stadionverbot zumindest diejenigen Umstände, die dem Stadionverbot zugrunde liegen, sowie diejenigen, die seiner Aufrechterhaltung entgegenstehen, berücksichtigen.283 Bei einem bestehenden Stadionverbot bedarf es weiterer Anhaltspunkte aus denen sich ergibt, dass die Person trotz des Stadionverbots am Spielort oder im Umfeld des Stadions anwesend sein wird und die Gefahr künftiger Störungen ungehindert fortbesteht. d) Eintragungen in einer polizeilichen Datensammlung Zum Kreis der regelmäßig zur Begründung einer Negativprognose herangezogenen Indizien gehört schließlich die Eintragung einer Person in einer polizeilichen oder amtlichen Datensammlung. Dies gilt in besonderem Maße für Eintragungen in der Datei Gewalttäter Sport. Gegen die Berücksichtigung von Eintragungen einer Person in polizeilichen Datensammlungen wird mitunter eingewendet, es handele sich schon nicht um berücksichtigungsfähige Tatsachen.284 Da der Betroffene keinerlei Einfluss auf die Speicherung seiner Daten nehme, stünde es ansonsten den Behörden offen, sich die notwendigen Voraussetzungen für den Erlass möglicher Folgemaßnahmen selbst zu schaffen.285 Dieser Einwand geht jedoch zu weit. Zum einen handelt es sich bei Eintragungen einer Person in polizeilichen Datensammlungen durchaus um Umstände, die dem Beweis zugänglich sind, also um Tatsachen im eigentlichen Sinne.286 Zum anderen kann der mangelnden Einflussnahme des Betroffenen in ausreichendem Maße dadurch Rechnung getragen werden, dass man einer Eintragung der Person in einer polizeilichen Datensammlung einen entsprechend geringeren indiziellen Wert beimisst. Eine Eintragung kann ohnehin nur dann ein ausreichend starkes Indiz zur Begründung einer Negativprognose sein, wenn sie für sich oder in Verbindung mit weiteren Indizien mit hinreichender Sicherheit auf 281 VG München, Beschluss vom 7.6.2006, M 22 S 06.2172 (juris); VG Ansbach, Beschluss vom 11.9.2012, AN 5 S 12.01535 = BeckRS 2012, 57222. 282 VG Karlsruhe, Beschluss vom 9.6.2006, 4 K 1482/05 = BeckRS 2006, 23878. 283 Die bloße Feststellung, gegen den Betroffenen sei ein Stadionverbot erlassen worden, kann hingegen nur wenig zur Gefahrenprognose beitragen. So aber: VG Ansbach, Beschluss vom 18.6.2004, AN 5 S 04.01067 = BeckRS 2004, 32528. 284 Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 173 f.; Arzt, Die Polizei 2006, 156 (159); ebenso: VG Freiburg, Urteil vom 9.7.2002, 7 K 1232/01; differenzierter und eher zur Gegenauffassung tendierend: VGH Mannheim, Urteil vom 7.12.2004, 1 S 2218/03 = BeckRS 2005, 20576; diesem folgend: VG Stuttgart, 17.8.2009, 11 K 237/09 = BeckRS 2009, 38126. 285 Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 156; Arzt, Die Polizei 2006, 156 (159); Tomschütz, Gefährderansprachen, S. 105. 286 VGH Mannheim, Urteil vom 7.12.2004, 1 S 2218/03 = BeckRS 2005, 20576.

III. Die (Gefahren-)Prognose

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ein drohendes Fehlverhalten der Person im Zusammenhang mit einer anstehenden Sportveranstaltung schließen lässt. aa) Datei Gewalttäter Sport Bei Eintragungen einer Person in der Datei Gewalttäter Sport bestehen insoweit allerdings erhebliche Zweifel. Dies liegt in erster Linie daran, dass entgegen dem irreführenden Wortlaut nicht nur die Daten sicher identifizierter Gewalttäter in dieser Datei gespeichert werden, sondern auch von Personen, die nicht als Gewalttäter im eigentlichen Sinne zu charakterisieren sind.287 Der Kreis derjenigen, die potentiell Eingang in die Datei finden, ist stattdessen ausgesprochen groß, denn eine Speicherung setzt weder den Nachweis einer Straftat oder eines sonstigen Fehlverhaltens,288 geschweige denn ein gegen die Person geführtes Strafverfahren voraus. Für eine Speicherung genügt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 BKAG und Ziffer 3.2 Errichtungsanordnung vielmehr, dass sich die Person in irgendeiner Form wegen einer Straftat verdächtig gemacht hat.289 Ebenso kann gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 4 BKAG und Ziffer 3.4 Errichtungsanordnung eine Person gespeichert werden, gegen die eine Personalienfeststellung, ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme zur Verhinderung von Straftaten angeordnet wurde, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie anlassbezogene Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird. Des Weiteren werden Personen, bei denen Waffen oder gefährliche Gegenstände aufgefunden wurden, gespeichert, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie diese Gegenstände bei der Begehung anlassbezogener Straftaten benutzen wollen. Hinzu kommen schließlich noch diejenigen Personen, deren Daten aus vergleichbaren Dateien im Ausland übermittelt wurden. Eine Eintragung in die Datei Gewalttäter Sport setzt somit lediglich einen bloßen Verdacht oder eine auf Tatsachen beruhende Negativprognose zum Zeitpunkt der Eintragung voraus. Weder das BKAG noch die BKADV oder die Errichtungsanordnung konkretisieren diejenigen Tatsachen, die für die der Eintragung vorausgehende Negativprognose maßgeblich sind, geschweige, dass sie die konkret abzuwehrenden Straftaten benennen.290 Vereinfacht gesagt: Eine Eintragung in die Datei Gewalttäter Sport kann bei entsprechend unglücklichen Umständen nahezu jedem Zuschauer einer Sportveranstaltung drohen.291 Wenn von hochrangigen Stellen trotz dessen

287

Breyer, ZD 2016, 505 (505). Vgl. insoweit § 18 Abs. 5 BKAG. 289 VG Karlsruhe, Urteil vom 14.4.2010, 3 K 1988/09 (juris) sowie Urteil vom 14.4.2010, 3 K 2309/09 (juris). 290 Aus diesem Grunde sollte gerade hinsichtlich der Tatsachen, an die die Prognose anknüpft, genau geprüft werden, ob diese die Negativprognose tragen können. Zu Recht kritisch daher: VG Köln, Urteil vom 16.8.2007, 20 K 5805/05 = BeckRS 2007, 26246. 291 Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 172; Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 509. 288

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

mitunter verlautbart wird, die Speicherschwelle der Datei Gewalttäter Sport sei besonders hoch,292 ist dies schlichtweg eine Verkehrung der Tatsachen. Eine Eintragung in der Datei Gewalttäter Sport ist somit schon aufgrund der niedrigen Speicherschwelle ein äußerst schwaches Indiz. Sie führt dazu, dass nicht ohne weiteres von einer Eintragung auf ein früheres Fehlverhalten der Person geschlossen werden kann an das bei einer Negativprognose angeknüpft werden könnte. Eine Eintragung liefert lediglich einen Hinweis darauf, dass in der Vergangenheit ein Grund für die Eintragung bestanden hat. Sie kann daher Anlass für eigene Feststellungen sein.293 Neben der Eintragung als solches müssen daher stets der Anlass der Speicherung sowie der Inhalt des gespeicherten Datensatzes berücksichtigt werden, denn nur so kann der indizielle Wert einer Eintragung im Rahmen der anzustellenden Prognose beurteilt werden.294 Da eine Eintragung ausschließlich aufgrund einer zum Zeitpunkt der Eintragung durchgeführten Negativprognose erfolgt, ohne dass der Person dabei ein konkretes Fehlverhalten zur Last gelegt werden muss, kann von einer Eintragung mitunter lediglich darauf geschlossen werden, dass zum Zeitpunkt der Speicherung der die Speicherung veranlassende Beamte eine Negativprognose getroffen hat.295 Für die aktuell anzustellende Prognose kann diese frühere Einschätzung jedoch nicht genügen. Zum einen ist jede fremde Negativprognose einer nachvollziehenden Überprüfung zu unterziehen,296 zum anderen erfordert eine Prognose einen hinreichenden Aktualitätsbezug derjenigen Umstände, auf die sich die Prognose stützt.297 Grundsätzlich verliert die Eintragung einer Person in einer polizeilichen Datensammlung ihren indiziellen Wert für die Einschätzung des künftig von ihr zu erwartenden Verhaltens je länger der Eintragungszeitpunkt zurückliegt, denn umso länger liegt auch die Negativprognose zurück, die zu der Eintragung geführt hat.298 Bei Eintragungen, die aufgrund eines Strafverfahrens erfolgt sind, geht der Aktualitätsbezug allerdings nicht zwangsläufig durch die Einstellung des Strafverfahrens 292

Besonders irritierend daher die Ausführungen des fachkundigen Landesdatenschutzzentrums Schleswig-Holstein in seinem Prüfbericht vom 8.7.2016 zur Datei „Fußball SH“, siehe: Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 18/6426, S. 2. 293 OVG Bremen, Beschluss vom 10.2.2010; 1 B 30/10 = BeckRS 2010, 46388 sowie Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991; VG Freiburg, Urteil vom 25.9.2015, 4 K 35/ 14 (juris). 294 VG Stuttgart, Beschluss vom 8.6.2006; 5 K 2106/06 = BeckRS 2006, 25975; VG Freiburg, Urteil vom 25.9.2015, 4 K 35/14 (juris). 295 VG Karlsruhe, Urteil vom 14.4.2010, 3 K 1988/09 (juris) sowie Urteil vom 14.4.2010, 3 K 2309/09 (juris). 296 Siehe oben, Fn. 143 und Fn. 144. 297 VGH Mannheim, Urteil vom 18.5.2017, 1 S 1193/16 (juris); OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991. 298 Voraussetzung der fortbestehenden Speicherung ist eine anhaltende Wiederholungsgefahr. Siehe: BVerfG, Beschluss vom 16.5.2002, 1 BvR 2257/01 = NJW 2002, 3231. Der bloße Verweis auf eine abstrakte Wiederholungsgefahr genügt jedoch nicht. Siehe: BVerfG, Beschluss vom 1.6.2006, 1 BvR 2293/03 = BVerfGK 8, 165.

III. Die (Gefahren-)Prognose

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oder einen Freispruch des Beschuldigten verloren. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Möglichkeit eines eventuell fortbestehenden Restverdachts verwiesen.299 Ein Verfahren, mit dem in ausreichendem Maße sichergestellt wird, dass diejenigen Daten, die ihren Nutzen für die Gefahrenabwehr verloren haben, zeitgerecht gelöscht werden, existiert allerdings nicht. Die auf fünf Jahre festgelegte Aussonderungsprüffrist gemäß Ziffer 8.1.1 ist in Anbetracht der niedrigen Speicherschwelle zu lang bemessen, denn eine Eintragung kann ihren indiziellen Wert schon deutlich früher einbüßen.300 Zwar sind gemäß § 77 Abs. 1 BKAG die verantwortlichen Stellen schon vor Ablauf der Aussonderungsprüffrist dazu verpflichtet, diejenigen Daten, deren Kenntnis zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist, zu löschen. Diese Pflicht trifft jedoch gemäß § 77 Abs. 6 BKAG stets diejenige Stelle, die die Speicherung der Daten veranlasst hat. Vor allem bei Daten, deren Speicherung von vornherein nicht erforderlich war, dürfte kaum zu erwarten sein, dass dieser Fehler ausgerechnet durch die Stelle, die die Speicherung veranlasst hat, erkannt und korrigiert wird. Auch eine Löschung von Daten auf Anregung von außen dürfte schon aufgrund der Menge der in der Datei Gewalttäter Sport gespeicherten Daten eher die Ausnahme bilden.301 Hinzu tritt, dass auch eine gerichtliche Kontrolle der gespeicherten Dateien nur selten zu erwarten ist, denn der Betroffene wird in der Regel nicht über die Aufnahme seiner Daten in die Datei Gewalttäter Sport informiert.302 Ihm steht lediglich ein Auskunftsanspruch zu, den aber gerade derjenige, der nach seinem Empfinden keinen Anlass zur Speicherung gegeben hat, nicht wahrnehmen wird. Diese mangelhafte Qualitätssicherung der Datei Gewalttäter Sport dürfte sicherlich in nicht unbeträchtlichem Maße zum Umfang der Datei beitragen. Dazu gesellt sich eine mitunter ausufernde Speicherungspraxis, die den aufgrund der niedrigen Speicherschwelle ohnehin schon geringen Wert einer Eintragung noch weiter verringert.303 So können im Einzelfall schon unwesentliche Ereignisse, wie kleinere, ordnungsrechtliche Verstöße, bei denen die öffentliche Sicherheit oder die Sicherheit der Veranstaltung nicht oder allenfalls marginal beeinträchtigt wird, zur Speicherung der Person in der Datei Gewalttäter Sport führen.304 Diese ausufernde Praxis wird inzwischen selbst von Teilen der Polizei eingeräumt.305 299

Siehe: BVerfG, Beschluss vom 16.5.2002, 1 BvR 2257/01 = NJW 2002, 3231. Vgl. insoweit die Gesetzesbegründung zum Passrecht. Hier geht der Gesetzgeber sogar von einer starren Frist von 12 Monaten aus, Deutscher Bundestag, Drucksache 14/2726 vom 18.2.2000, S. 6; Siehe auch: VG Stuttgart, 17.8.2009, 11 K 237/09 = BeckRS 2009, 38126; für eine flexible Handhabung plädiert hingegen Tomschütz, Gefährderansprachen, S. 108 f., die in Anlehnung an das OVG Lüneburg, Urteil vom 22.9.2005, 11 LC 51/04 = NJW 2006, 391, erst solche Vorfälle, die älter als sechs Jahre sind, für nicht mehr berücksichtigungsfähig erachtet. 301 Ungeachtet der Möglichkeiten der anderen Verbundteilnehmer gemäß § 29 Abs. 5 S. 2 BKAG sowie der Rechte des Bundesdatenschutzbeauftragten gemäß § 16 BDSG. 302 Hierzu umfassend: Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 334 ff. 303 Zu Recht Zweifel äußernd: VG Stuttgart, Beschluss vom 28.9.2005, 11 K 3165/05 = NJW 2006, 1017. 304 Besonders obskur: Urinieren am Stadionzaun, vgl. Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (Hrsg.), Wandel der Fankultur, S. 109. 300

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

bb) Ausblick: Eintragungen im Informationssystem gemäß § 13 BAKG Mit Einführung eines einheitlichen Datenpools in Gestalt des in § 13 BKAG vorgesehenen Informationssystems sind hinsichtlich der allenfalls geringen Indizwirkung einer Eintragung keinerlei Veränderungen zu erwarten. Im Gegenteil: durch den Verzicht auf eine Zweckbindung, die umfangreichen Speicherungsmöglichkeiten sowie die tendenziell schwächeren Kontrollmöglichkeiten innerhalb des neuen polizeilichen Informationssystems, spricht vieles dafür, dass der Aussagegehalt einer Eintragung nochmals geringer zu bewerten sein dürfte.306 Dazu kommt, dass auch künftig keine Benachrichtigung der Betroffenen über eine Eintragung vorgesehen ist. Eine endgültige Bewertung zum Indizwert einer Eintragung im neuen Informationssystem ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht möglich, da erst abzuwarten ist, inwieweit die Vorgaben der gemäß § 20 BKAG noch zu erlassenden Rechtsverordnung diesen beeinflussen. Ferner ist auch das Verhältnis der §§ 12, 16, 18, 19 BKAG noch nicht restlos geklärt.307 Je nachdem welches Verständnis man den unterschiedlichen Verweisungen in § 16 Abs. 1 und 3 BKAG zu Grunde legt, kommt es im Rahmen einer Weiterverarbeitung von Daten gemäß §§ 18, 19 BKAG auf die weiteren Voraussetzungen des § 12 BKAG – insbesondere die hypothetische Datenneuerhebung – an oder nicht. Die Anwendbarkeit des § 12 BKAG hat somit unmittelbaren Einfluss darauf, ob den im Informationssystem gespeicherten Daten zumindest ein gewisses Grundmaß an Aktualität und Indizwirkung beigemessen werden kann. cc) SKB-Dateien Im Hinblick auf die landespolizeilichen SKB-Dateien oder andere behördliche Datensammlungen bestehen grundsätzlich dieselben Schwierigkeiten. Die Speicherschwelle dieser Dateien entspricht in der Regel der bei der Datei Gewalttäter Sport oder ist sogar noch niedriger. Dabei ist der Umfang der in den SKB-Dateien gespeicherten Daten teilweise größer.308 Eine Benachrichtigung der Betroffenen findet auch hier üblicherweise nicht statt. Eine Ausnahme bildet die SKB-Datei in Schleswig-Holstein. Hier hat sich die Polizei bereiterklärt, alle in der Datei gespeicherten Personen über die Speicherung ihrer Daten zu informieren.309 Ob andere Bundesländer diesem Beispiel folgen bleibt abzuwarten. 305

Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (Hrsg.), Wandel der Fankultur, S. 109. 306 Deutlich kritisch u. a.: BfDI, Stellungnahme BKAG, S. 15 f., 18 f.; Bäcker, Stellungnahme BKAG, S. 14 f.; Zustimmend: Buermeyer, Gutachten BKAG, S. 2. 307 Eingehend: Bäcker, Stellungnahme BKAG, S. 6 ff. 308 Vgl. Breyer, ZD 2016, 505 (506); Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 18/6426, S. 2; Landesdatenschutzbeauftrager der Freien und Hansestadt Hamburg, 26. Tätigkeitsbericht (2016/2017), abrufbar unter: https://datenschutz-hamburg.de/assets/pdf/26._Taetigkeitsbericht_Datenschutz_2016-2017_HmbBfDI.pdf, zuletzt abgerufen am: 7.5.2019. 309 Breyer, ZD 2016, 505 (506).

III. Die (Gefahren-)Prognose

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dd) Zwischenfazit Eintragungen einer Person in polizeilichen Datensammlungen sind für sich gesehen nur ein schwaches Indiz im Rahmen einer Gefahrenprognose. Zu Recht betrachtet die Rechtsprechung sie nicht als ausreichend an, um eine Negativprognose zu Lasten einer Person treffen zu können.310 Die Eintragung als solches begründet allenfalls einen „vagen Verdacht“311. Es ist darüber hinaus erforderlich, den Anlass der Eintragung und den Inhalt des Datensatzes zu würdigen, um der Eintragung eine über diesen Verdacht hinausgehende Bedeutung beimessen zu können. Eine Eintragung gibt lediglich Anlass dazu, die jeweilige Person näher zu überprüfen.312 Damit erübrigt sich auch die Frage, ob die Regelungen über die Anscheinsgefahr im Zusammenhang mit dem Rückgriff auf polizeiliche Datensammlungen Anwendung finden. Dies wird mitunter abgelehnt, weil der aus einer Eintragung in eine Datei folgende Anschein ausschließlich durch ein Handeln einer Behörde gesetzt wird.313 Da eine Eintragung als solches aber nicht genügt, um den Anschein einer Gefahr bzw. eine Negativprognose zu begründen, kommt es nicht mehr darauf an, wer den Anschein gesetzt hat.314 Gleichwohl ändert dies nichts daran, dass einige Behörden in der Praxis nach wie vor den Erlass von Fernhaltemaßnahmen ausschließlich oder überwiegend darauf stützen, dass die Person in einer polizeilichen Datensammlung, insbesondere in der Datei Gewalttäter Sport, gespeichert ist und deshalb davon auszugehen sei, dass sie künftig Straftaten begehen werde.315 Dies ist nach den Ergebnissen der hiesigen Untersuchung nicht hinnehmbar. Durch eine Benachrichtigung der Betroffenen könnte die Indizwirkung einer Eintragung leicht erhöht werden. Sie würde zwar zunächst die Rechte der Betroffenen stärken und den Begründungsdruck auf Seiten der Behörden erhöhen. Gleichzeitig würde sie aber dazu führen, dass einer Eintragung eine höhere indizielle Wirkung zugesprochen werden könnte. Zum einen wäre der Anlass der Speicherung und die Relevanz der Daten für die Erfüllung einer polizeilichen Aufgabe klarer erkennbar, zum anderen wäre eine zu starke Beschränkung der polizeilichen Praxis 310 VGH Kassel, Beschluss vom 1.2.2017, 8 A 2105/14.Z (juris); OVG Bremen, Beschluss vom 10.2.2010; 1 B 30/10 = BeckRS 2010, 46338; OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991; VG Freiburg, 25.9.2015, 4 K 35/15 (juris); VG Stuttgart, Beschluss vom 4.4.2009, 11 K 1293/09 = NVwZ-RR 2009, 679; Zustimmend: Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 241; Steinforth, Die Gefährderansprache, S. 216. 311 VGH Kassel, Beschluss vom 1.2.2017, 8 A 2105/14.Z (juris). 312 OVG Bremen, Beschluss vom 10.2.2010; 1 B 30/10 = BeckRS 2010, 46338, sowie Urteil vom 2.9.2008, 1 A 161/06 = BeckRS 2008, 39991; VG Freiburg, Urteil vom 25.9.2015, 4 K 35/14 (juris); VG Braunschweig, Beschluss vom 8.6.2006, 5 B 175/06 (juris); VG Stuttgart, Beschluss vom 8.6.2006, 5 K 2106/06 = BeckRS 2006, 25975. 313 Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 173 f.; Arzt, Die Polizei 2006, 156 (159). 314 VGH Mannheim, Urteil vom 7.12.2004, 1 S 2218/03 = BeckRS 2005, 20576; Kehr, Datei Gewalttäter Sport, S. 241. 315 Vgl. u. a.: VG Stuttgart, Urteil vom 14.9.2009, 5 K 2929/08 = BeckRS 2010, 45133; OVG Lüneburg, Beschluss vom 14.6.2006, 11 ME 172/06 = NVwZ-RR 2006, 613.

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

durch die Gerichte nicht zu befürchten, da die der Eintragung zugrundeliegende Negativprognose lediglich objektiv nachvollziehbar sein muss.316 Im Gegenzug könnte der mitunter ausufernden und rechtswidrigen Speicherungspraxis konsequenter entgegengetreten werden. Der bereits angesprochene Vorstoß in SchleswigHolstein in Bezug auf die dortige Datei „Fußball SH“ ist daher zu begrüßen.

IV. Ergebnisse Teil 4 Die Untersuchung der zur Begründung der Negativprognose in der Praxis herangezogenen Indizien offenbart, dass diese jeweils für sich gesehen nicht geeignet sind, die Negativprognose tragen zu können. Sie können allerdings, soweit sie überhaupt von Gewicht sind, im Rahmen der Prognose mit einbezogen werden. Grundlage für die erforderliche personenbezogene Negativprognose ist die umfassende Ermittlung des zu beurteilenden Sachverhalts. Dieser ist möglichst vollständig und objektiv durch die Behörden zu ermitteln. Die Pflicht zur vollständigen und objektiven Ermittlung des Sachverhalts steht einem schematisierten und standardisierten Vorgehen der Behörden, das sich nur auf die Ermittlung bestimmter Tatsachen beschränkt, weitgehend entgegen. Dies gilt auch im Fall von Fußballspielen, obwohl es sich hierbei um Veranstaltungen handelt, die mit hoher Regelmäßigkeit stattfinden, denn der Erlass von Fernhaltemaßnahmen setzt umfassende Kenntnisse über den potentiellen Betroffenen voraus. Dies erfordert regelmäßig die Einbeziehung des Betroffenen im Rahmen der Sachverhaltserforschung, die nur unter bestimmten Umständen entfallen kann. Sobald die Behörde den Sachverhalt ermittelt hat, stellt sie auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisse eine Prognose über das zu erwartende Verhalten der Person an. Inhalt und Maßstab dieser Prognose werden von einer Reihe unterschiedlicher Faktoren beeinflusst, die einer pauschalen Betrachtungsweise weitgehend entgegenstehen.317 Im Rahmen dieser Prognose kann ein einschlägiges Fehlverhalten des Betroffenen in der Vergangenheit von erheblichem Gewicht sein soweit zusätzliche Anhaltspunkte eine Wiederholung dieses Fehlverhaltens befürchten lassen. Anstelle einer erschöpfenden Analyse des Vorverhaltens der Person beschränken sich die Behörden mitunter darauf, gewisse Hilfsindizien zu berücksichtigen. Diese Indizien erweisen sich allerdings für sich gesehen als ungeeignet, um eine Negativprognose stützen zu können. Selbst die Kombination mehrerer dieser Indizien deutet nicht zwangsläufig darauf hin, dass von einer Person künftig ein störendes oder sogar strafbares Verhalten im Rahmen eines Fußballspiels zu erwarten sind. Dies folgt mitunter auch daraus, dass die Hilfsindizien teilweise maßgeblich von den Behörden 316 317

Breucker, Transnationale Gewaltprävention, S. 154. Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 117.

IV. Ergebnisse Teil 4

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selbst initiiert werden und daher nur unwesentlich zur Begründung einer Negativprognose beitragen können. Die Zugehörigkeit einer Person zu einer Szene oder Gruppe ist nur dann ein taugliches Indiz, wenn die Gruppenzugehörigkeit ein Rückschluss auf das Verhalten der Person ermöglicht. Vorstrafen können zwar ein relativ starkes Indiz im Rahmen der Negativprognose sein, es bedarf jedoch einer Vorstrafe, die in einen sachlichen und zeitlichen Kontext zum prognostizierten Verhalten steht. Auch ein gegen die Person geführtes Strafverfahren kann als Indiz herangezogen werden. Anders als eine Vorstrafe lässt ein Strafverfahren indes nicht den Rückschluss auf ein strafbares Vorverhalten zu. Die Indizwirkung eines Strafverfahrens bleibt daher hinter der einer Vorstrafe zurück. Bei einem Stadionverbot müssen neben dem Umstand, dass gegen eine Person ein Stadionverbot verhängt worden ist, die Gründe, auf denen dieses Verbot beruht, notwendigerweise mitberücksichtigt werden. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann ein Stadionverbot sogar ein Indiz dafür sein, dass sich eine Person künftig von Fußballspielen fernhält und damit der Erlass von Fernhaltemaßnahmen möglicherweise nicht oder zumindest nicht mehr in der ursprünglich angedachten Art und Weise in Betracht zu ziehen ist. Bei einem Eintrag in eine polizeiliche Datensammlung handelt es sich schließlich um ein ausgesprochen schwaches Indiz, das kaum eine Einschätzung des künftigen Verhaltens gestattet. Dabei muss zum einen berücksichtigt werden, dass die Eintragungsschwelle relativ niedrig ist und in Bezug auf die Datei Gewalttäter Sport keine ausreichende Datenpflege betrieben wird. Bei einem durchaus beträchtlichen Teil der eingetragenen Personen dürfte daher zweifelhaft sein, ob von diesen zum Zeitpunkt der Abfrage noch eine künftige Gefahr ausgeht. Die Eintragung einer Person lässt lediglich den Schluss zu, dass zum Zeitpunkt der Eintragung eine Negativprognose vorgenommen wurde, die den Anlass für die Eintragung gegeben hat. Je älter eine Eintragung ist, desto weniger kann dieser Umstand noch Einfluss auf eine aktuell anzustellende Prognose nehmen. Die durch das neue BKAG herbeigeführten Änderungen lassen erwarten, dass der Indizwert einer Eintragung künftig noch schwächer zu bewerten sein dürfte. Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass es unter ausschließlicher Berücksichtigung der hier dargestellten Indizien kaum möglich ist, eine belastbare Prognose über das zu erwartende Verhalten einer Person zu treffen. Dies führt dazu, dass eine derartige Negativprognose nur in bestimmten Fällen genügen kann, um den Erlass einer Fernhaltemaßnahme rechtfertigen zu können. Sie dürfte regelmäßig genügen, soweit ausschließlich der Erlass einer Maßnahme mit lediglich geringer Eingriffsintensität beabsichtigt ist. Dies trifft in erster Linie auf die Gefährderansprache zu. Bei Maßnahmen, die eine größere Eingriffsintensität aufweisen, wird eine auf Indizien gestützte Prognose jedoch nicht genügen. Dies sind insbesondere diejenigen Fernhaltemaßnahmen, die mit einem Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG einhergehen und daher die Prognose eines strafbaren Verhaltens erforderlich ist.

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Teil 4: Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen

Für lediglich kurzfristige oder vorübergehende Maßnahmen oder solche, die zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für ein wichtiges Rechtsgut getroffen werden, kann eine auf Indizien gestützte Negativprognose indes genügen, da in diesen Fällen die Anforderungen an die Belastbarkeit der Prognose geringer sind. Die Behörde darf in diesen Fällen jedoch nur diejenigen Maßnahmen ergreifen, die zur unmittelbaren Abwehr der Gefahr erforderlich sind. Dies schließt den Erlass von Fernhaltemaßnahmen mit mehrmonatiger Wirkung aus. Dass die Praxis diesen Anforderungen mitunter nicht gerecht wird, zeigte sich besonders deutlich an einem Fall, mit dem sich das VG Darmstadt im Jahr 2016 zu befassen hatte.318 Gegenstand des Verfahrens war ein von der Stadt Darmstadt im Wege der Allgemeinverfügung erteiltes Aufenthaltsverbot für Frankfurter Fußballfans, welches allein an die Zugehörigkeit zur Gruppe der Frankfurter Fußballfans anknüpfte. Dieses Verbot wurde im Rahmen einer summarischen Prüfung zu Recht aus mehreren Gründen für rechtswidrig erklärt, unter anderem da der Nachweis der individuellen Gefahrenprognose fehlte. Dieser Fall steht jedoch keinesfalls alleine, sondern gesellt sich in eine ganze Reihe ähnlicher Fälle, die in den vergangenen Jahren von den Verwaltungsgerichten zu entscheiden waren und die ähnliche Mängel der behördlichen Praxis offenbarten.319 Im Hinblick auf die ohnehin emotional stark aufgeladene Thematik rund um die Aussperrung von Fußballfans wäre eine konsequente Rückbesinnung der Behörden auf ihre verwaltungsrechtlichen Pflichten dienlich, um gesellschaftliches Vertrauen und Verständnis bei den Betroffenen zu fördern.

318

VG Darmstadt, Beschluss vom 28.4.2016, 3 L 642/16.DA = NVwZ 2016, 1344. Unter anderem: VG Trier, Urteil vom 7.10.2014, 1 K 854/14.TR = BeckRS 2016, 49547; VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 2.5.2014, 5 L 404/14.NW (juris); VG Ansbach, Beschluss vom 22.11.2012, AN 5 S 12.02114 (juris). 319

Schlussteil: Zusammenfassung der Ergebnisse I. Die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Rahmen von Sportveranstaltungen ist eine gemeinsame Aufgabe unterschiedlicher Akteure.

Die Aufgabe der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Rahmen von Sportveranstaltungen betrifft unterschiedliche Akteure, die in einem kooperativen Verhältnis ihren jeweiligen Aufgabenkreis wahrnehmen, ohne dass es hierbei jedoch zu echten Überschneidungen kommt. Die jeweiligen Akteure stehen vielmehr nebeneinander, wobei insbesondere das Tätigwerden hoheitlicher Akteure sicherheitsrechtlich geboten und verfassungsrechtlich notwendig ist, so dass sich Diskussionen über einen Rückzug des Staates erübrigen. Der Staat bleibt auch im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen dazu verpflichtet, den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Weder den Behörden noch den nichthoheitlichen Akteuren ist es möglich, eine Sportveranstaltung ausschließlich durch die vor Ort zur Verfügung stehen Möglichkeiten abzusichern. II. Fernhaltemaßnahmen sind ein notwendiges Mittel zur Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen und vergleichbaren Großveranstaltungen.

Aufgrund der getrennten Aufgabenbereiche und der jeweils eingeschränkten Befugnisse der einzelnen Akteure besteht ein spezifisches Defizit bei der Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung im Rahmen von Sportveranstaltungen, das nur durch die Anwendung hoheitlicher Maßnahmen im zeitlichen Vorfeld der Veranstaltung ausgeglichen werden kann. Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen stellt dabei ein probates Mittel dar. III. Fernhaltemaßnahmen sind keine echten Vorfeldmaßnahmen.

Obwohl Fernhaltemaßnahmen im zeitlichen Vorfeld der Veranstaltung zur Anwendung kommen, handelt es sich bei ihnen nicht um Vorfeldmaßnahmen im engeren Sinne (echte Vorfeldmaßnahmen). Echte Vorfeldmaßnahmen sind solche Maßnahmen, die schon dann ergriffen werden, wenn noch nicht alle Voraussetzungen des Gefahrtatbestandes erfüllt sind.1 Dies ist nicht notwendigerweise gleichbedeutend mit einer zeitlichen Vorverlagerung der Maßnahme.2 Fernhaltemaßnahmen werden in zeitlicher Hinsicht zwar zu einem relativ frühen Stadium ergriffen, im Gegensatz zu den echten Vorfeldmaßnahmen sind sie jedoch an die Voraussetzungen des Gefahrtatbestands gebunden. Fernhaltemaßnahmen lassen sich 1 Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 192 ff.; Barczak, JURA 2014, 888 ff. (889); Pils, DÖV 2008, 941 ff. (944); Möstl, DVBl. 2007, 581 ff. (583). 2 Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, S. 192.

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Schlussteil: Zusammenfassung der Ergebnisse

daher – soweit man an dem Terminus festhalten möchte – am ehesten noch als „unechte Vorfeldmaßnahmen“ charakterisieren. Der verhältnismäßig frühe und mitunter durchaus weitreichende Eingriff in die Rechte des Betroffenen, der von einer Fernhaltemaßnahme ausgehen kann, ist an spezifische Voraussetzungen geknüpft, die sich insbesondere aus der grundrechtlichen Dimension des Eingriffs ergeben und setzt eine an konkrete Tatsachen anknüpfende Gefahrenprognose voraus. IV. Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen ist stets grundrechtsrelevant. Art und Intensität des Eingriffs werden durch die Umstände des Einzelfalls bestimmt.

Fernhaltemaßnahmen kennzeichnen sich dadurch, dass sie den Betroffenen daran hindern, eine Örtlichkeit aufzusuchen, an der nach der Einschätzung der Behörde mit einem störenden Verhalten der Person zu rechnen ist. Dabei greifen die Maßnahmen allerdings nicht unmittelbar in die körperliche Fortbewegungsfreiheit der Person ein. Fernhaltemaßnahmen, die eine Person davon abhalten, ein Fußballspiel besuchen zu können, greifen vielmehr stets in die Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG ein, da das Fußballspiel eine durch die Informationsfreiheit geschützte Quelle ist. Ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG liegt hingegen nur in denjenigen Fällen vor, in denen der Betroffene an einer im Zusammenhang mit einem Fußballspiel stattfindenden Versammlung teilnehmen möchte und aufgrund der Fernhaltemaßnahme davon abgehalten wird. In Betracht kommen insbesondere Protestbekundungen oder sonstige Versammlungen, die anlässlich des Fußballspiels in der Umgebung des Stadions stattfinden. Das Fußballspiel als solches stellt allerdings keine durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Versammlung dar. Nur in seltenen Einzelfällen kann eine kollektive Meinungskundgabe innerhalb des Stadions als Versammlung i. S. d. Art. 8 Abs. 1 GG geschützt sein. Je nach Art und Ausgestaltung einer Fernhaltemaßnahme kann diese auch in das Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 11 Abs. 1 GG eingreifen. Eingriffe in die Freiheit der Person kommen nur im Einzelfall und nur aufgrund der Ausgestaltung oder der Art der Durchführung einer Fernhaltemaßnahme in Betracht. V. Die Bedeutung des Art. 11 GG und seine Relevanz im Zusammenhang mit Fernhaltemaßnahmen wird in der Praxis oftmals verkannt.

Dies führt zu erheblichen Problemen hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Fernhaltemaßnahmen, da ein Eingriff in das Freizügigkeitsrecht aufgrund des qualifizierten Gesetzesvorbehalts in Art. 11 Abs. 2 GG den Erlass von Fernhaltemaßnahmen faktisch darauf beschränkt, einer strafbaren Handlung durch den Betroffenen vorzubeugen. Diese Befürchtung muss jedoch bereits hinreichend konkretisiert sein und darf sich nicht auf bloße Vermutungen beschränken. Die unzureichende Auseinandersetzung mit Art. 11 GG wird insbesondere in den polizeirechtlichen Regelungen zum Erlass von Aufenthaltsverboten deutlich, die den Schranken des Art. 11 Abs. 2 GG zum Teil nicht gerecht werden.

Schlussteil: Zusammenfassung der Ergebnisse

277

VI. Den Behörden steht ein Repertoire verschiedener Fernhaltemaßnahmen mit unterschiedlicher Eingriffsintensität zur Verfügung.

Zu den Fernhaltemaßnahmen, die den Polizei- und Ordnungsbehörden zur Verfügung stehen, gehören die Gefährderansprache, die Meldeauflage sowie das Aufenthaltsverbot. Hinzu treten die pass- und ausweisrechtlichen Maßnahmen, die in die sachliche Zuständigkeit der Gemeinden und der Bundespolizei fallen. Die Maßnahmen werden in der Regel bereits einige Tage vor Beginn des eigentlichen zum Schaden führenden Kausalverlaufs ergriffen. Zwar unterscheiden sich die tatbestandlichen Voraussetzungen der einzelnen Maßnahmen zum Teil deutlich, im Wesentlichen ist ihnen aber gemein, dass sie eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines schädigenden, überwiegend sogar die Prognose eines strafbaren Verhaltens durch den Betroffenen voraussetzen. Die zur Verfügung stehenden Fernhaltemaßnahmen stehen in einem Stufenverhältnis zueinander, das im Rahmen des behördlichen Ermessens zu berücksichtigen ist. Gefährderansprachen weisen im Vergleich zu den übrigen Maßnahmen die geringste Eingriffsintensität auf. Bei den übrigen Maßnahmen kommt es hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität maßgeblich auf ihre inhaltliche Ausgestaltung an, wobei beachtet werden muss, dass bei Meldeauflagen häufig ein Eingriff in Art. 11 GG vorliegen wird, bei Aufenthaltsverboten hingegen nur unter bestimmten Bedingungen und bei pass- und ausweisrechtlichen Maßnahmen in keinem Fall. VII. Zum Erlass von Fernhaltemaßnahmen stehen unterschiedliche Ermächtigungsgrundlagen zur Verfügung. Die Generalklausel kann nur zum Erlass von Gefährderansprachen genügen.

Der Erlass von Gefährderansprachen kann auf die polizei- bzw. ordnungsbehördliche Generalklausel gestützt werden. Dies gilt jedoch nicht für den Erlass von Aufenthaltsverboten und Meldeauflagen. In Bezug auf das Aufenthaltsverbot ergeben sich inzwischen jedoch keinerlei rechtliche Bedenken mehr, nachdem sämtliche Bundeländer entsprechende Standardermächtigungen zum Erlass von Aufenthaltsverboten in ihre jeweiligen Polizeigesetze mit aufgenommen haben. Aufgrund der Eingriffsintensität der Maßnahme und ihrer Etablierung in der Praxis kann der Erlass von Meldeauflagen nicht mehr auf die Generalklausel gestützt werden. Daher ergeben sich in Bezug auf den Erlass von Meldeauflagen erhebliche rechtliche Bedenken, da bislang nur in Rheinland-Pfalz die erforderliche Standardermächtigung existiert. VIII. Für den Erlass von Meldeauflagen fehlt es in nahezu allen Ländern an der notwendigen Standardermächtigung.

Ein möglicher Entwurf für eine Standardermächtigung über den Erlass von Meldeauflagen wurde in Kapitel 3 herausgearbeitet.

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Schlussteil: Zusammenfassung der Ergebnisse IX. § 7 PaßG bedarf einer inhaltlichen Überarbeitung.

§ 7 PaßG fungiert als zentrale Norm für den Erlass von pass- und ausweisrechtlichen Maßnahmen. Zur Verhinderung von Straftaten im Zusammenhang mit Fußballspielen im Ausland kommt der Erlass von pass- oder ausweisrechtlichen Maßnahmen wegen einer Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG in Betracht. Allerdings handelt es sich bei Straftaten im Ausland nicht in jedem Fall um einen Belang, der von ähnlich hoher Bedeutung wie die übrigen in § 7 PaßG genannten Versagungsgründe ist. Eine pass- oder ausweisrechtliche Maßnahme kommt daher allenfalls zum Schutz besonders bedeutsamer Rechtsgüter in Betracht, wie im Fall der drohenden Begehung schwerer Straftaten. Nach dem Wortlaut der Norm ist jedoch nicht ersichtlich, welcher Grad von Kriminalität die Grenze zwischen passrechtlich relevanten und passrechtlich irrelevanten Straftaten bildet. Dies ist vor allem in denjenigen Fällen problematisch, in denen die Begehung von Straftaten droht, die der mittleren oder mittelschweren Kriminalität zuzuordnen sind. Der Gesetzgeber sollte daher aus Gründen der Rechtssicherheit § 7 Abs. 1 PaßG reformieren und um eine klarstellende Regelung erweitern. X. Eine lediglich auf Indizien gestützte Negativprognose kann nur in wenigen Fällen genügen, um den Erlass von Fernhaltemaßnahmen rechtfertigen zu können.

Der Erlass von Fernhaltemaßnahmen zur Abwehr von Gefahren im Rahmen einer Veranstaltung setzt die Prognose eines störenden, in einer Vielzahl der Fälle sogar die Prognose eines strafbaren Verhaltens der Person im Rahmen dieser Veranstaltung voraus. Die Auseinandersetzung mit der behördlichen Praxis hat hervorgebracht, dass sich die Behörden im Rahmen der Gefahrenprognose oftmals schematisch gewisser Indizien bedienen, von denen auf das Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen zum Erlass von Fernhaltemaßnahmen geschlossen wird. Diese Praxis ist per se nicht verwerflich, zumal die Behörden in aller Regel schon aufgrund knapper personeller Ressourcen einerseits und einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle andererseits nur schwer in der Lage sind, auf anderem Wege ein möglichst effizientes und effektives Verwaltungsverfahren sicherzustellen. Die Indizien haben sich allerdings als nicht belastbar genug erwiesen, um in jedem Fall eine Negativprognose in ausreichendem Maße tragen zu können. Dies gilt sowohl für die Zugehörigkeit einer Person zu einer Szene oder Gruppe als auch für die Eintragung in einer polizeilichen Datensammlung wie der Datei Gewalttäter Sport oder für den Umstand, dass gegen die Person ein Stadionverbot erlassen wurde. Im Hinblick auf Stadionverbote wurde festgestellt, dass der Prognosemaßstab weniger streng ist und damit von demjenigen beim Erlass von Fernhaltemaßnahmen abweicht. Selbst einschlägige Vorstrafen oder sonstige gegen die Person geführte Strafverfahren genügen jeweils isoliert betrachtet nicht, um auf ein bevorstehendes störendes oder strafbares Verhalten der Person im Rahmen einer Sportveranstaltung schließen zu können.

Schlussteil: Zusammenfassung der Ergebnisse

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Soweit eine Negativprognose ausschließlich auf die hier genannten Indizien gestützt wird, kann diese Prognose nur in denjenigen Fällen genügen, in denen eine Maßnahme von lediglich geringer Eingriffsintensität ergriffen wird oder aber der Erlass von kurzfristigen oder vorübergehenden Maßnahmen zur Abwehr einer erheblichen Gefahr erforderlich ist. Dies schließt den Erlass von Fernhaltemaßnahmen mit mehrmonatiger Wirkung aus. In den übrigen Fällen, also insbesondere bei Ergreifen länger andauernder Fernhaltemaßnahmen, die zu schwereren Eingriffen in die Rechte des Betroffenen führen, kann eine ausschließlich auf Indizien gestützte Prognose nicht genügen. Bei derartigen Fernhaltemaßnahmen wird regelmäßig eine umfangreiche Sachverhaltsermittlung und eine sorgfältig durchgeführte Prognose auf Grundlage aller zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten erforderlich sein, um ihren Erlass rechtfertigen zu können.

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Sachwortverzeichnis Alkoholkonsum 38, 53, 117 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 37, 111 Aufenthaltsverbot – Alternativen 148 – Dauer 150 – Durchführung 143 – Eingriff in die Freizügigkeit 146 – Ermächtigungsgrundlage 142 – Grundrechtsrelevanz 141 – Inhalt 140, 149 – strenges Aufenthaltsverbot 149 Ausreisefreiheit 90, 153 Ausreiseuntersagung 155, 177 Ausweisrechtliche Maßnahmen 174 Berufsfreiheit

42

Datei Gewalttäter Sport siehe Gewalttäterdatei Drittorte 31, 63 Eingangskontrolle

51 f., 54, 59

Fangewalt siehe Straftaten bei Fußballspielen Fanprojekt 61, 65 Fernhaltemaßnahmen – Anforderungen an Gefahrenprognose 239 – Anwendungbereich 26 – Aufenthaltsverbot siehe dort – Begriff 66 – Einzelmaßnahmen 25 – Gefährderansprache siehe dort – Handlungsalternativen 65 – Meldeauflage siehe dort – privatrechtliche Fernhaltemaßnahmen 54 – Zweck 25 Freiheit der Person – Abgrenzung zur Freizügigkeit 108 – Schutzbereich 106

Freizügigkeit – Aufenthalt 82, 99 – Freizügigkeit und Stadionbesuch 79 f., 82, 99, 105 – Freizügigkeitsgesetz (1867) 78, 85, 88, 101 – Freizügigkeitsgesetz prß. (1842) 85 – historische Entwicklung 77, 84, 89 – interlokale Freizügigkeit 80, 87, 90, 94, 98 f. – internationales Recht 77, 89 – negative Freizügigkeit 95 – Ort des Aufenthalts 80 Gefahrbegriff – drohende Gefahr 129 – konkrete Gefahr 26 – öffentliche Ordnung 37, 41 – öffentliche Sicherheit 36, 41 Gefährderansprache – Durchführung 116, 139 – Ermächtigungsgrundlage 121 – Gefährderanschreiben 126 – Gefährderansprache im engeren Sinn 117 – Grundrechtsrelevanz 118 – Inhalt 116, 137 Gefahrenprognose 27, 126 – Eingestellte Strafverfahren 253 – Eintrag in Gewalttäterdatei 266 – Erkenntnisquellen 221 – Grundlagen 217 f. – Inhalt und Maßstab 238 – qualifizierte Negativprognose 217 – Stadionverbot 259 – Szene- oder Gruppenzugehörigkeit 242 – Unzureichende Sachverhaltsermittlung 236 – Vorstrafen 249 Gewahrsam 25, 69, 188 – Verbringungsgewahrsam 26

Sachwortverzeichnis Gewaltbegriff – kriminologischer Gewaltbegriff 32 Gewaltdelikte 32 Gewaltkriminalität 32 Gewalttäterdatei – Datei Gewalttäter Sport 32, 223, 228, 231, 266 f. – Informationssystem nach § 13 BKAG 228, 270 – SKB-Dateien 230, 270 Hooligans – Merkmale 35 – Verhaltensweisen

31

Informationsfreiheit

73

Meinungsfreiheit 37, 71 Meldeauflage – Abgrenzung zur Vorladung 190, 192 – Durchführung 202 – Eingriff in die Freizügigkeit 180, 201 – Ermächtigungsgrundlage 189 – Grundrechtsrelevanz 179 – im Zusammenhang mit passrechtlichen Maßnahmen 206 – Inhalt 178 – Verhältnis zum Gewahrsam 205 Nacktscanner

54

öffentliche Ordnung siehe Gefahrbegriff öffentliche Sicherheit siehe Gefahrbegriff Örtlicher Ausschuss für Sport und Sicherheit (ÖASS) 223 Passrechtliche Maßnahmen – Ansehen der Bundesrepublik 162, 165 – Entziehung des Passes 172 f. – Gefährdung erheblicher Belange 159 – Grundrechtsrelevanz 153 – Passbeschränkungen 173 – Passpflicht 153

299

– Passversagung 157, 172 – Verfahren 156 private Ordnungskräfte 51, 64 Risikospiel

47, 54

Sportförderung als Staatsziel 42 Stadionverbot 51, 56, 65 – Ad-hoc-Stadionverbot 56 – bundesweites Stadionverbot 57 – (Gegen)Indiz für Gefahrenprognose 259, 265 – lokales/einfaches Stadionverbot 56 Straftaten bei Fußballspielen – Räumliche Ausdehnung 30 – typische Delikte 32 – Zahlen 30 Strafverfolgungsvorsorge 38 Szenekundige Beamte 231, 235 Ticketverkauf – Kontrahierungszwang 58, 74 – personalisierte Tickets 55, 74 – Verkaufsbeschränkungen 51, 54, 65 Ultras/Ultraszene – Merkmale 34 Veranstaltungsverbot 43 Verbandsrecht 45, 49, 61 Verkehrssicherungspflicht 45 – 48 Versammlungsfreiheit – Fußballspiel als Versammlung 70 – Versammlungsbegriff 69 Versammlungsstättenverordnung 48 Vertragliche Schutzpflichten 44, 46 Videoüberwachung 40, 53 Wesentlichkeitstheorie

122

Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) 222