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German Pages 265 Year 2005
Beiträge zum Sportrecht Band 21
Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen
Von Florian Deusch
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
FLORIAN DEUSCH
Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen
Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Peter J. Tettinger und Klaus Vieweg
Band 21
Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen Darstellung anhand des Fußballsports
Von Florian Deusch
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Wintersemester 2004 / 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 29 Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-7925 ISBN 3-428-11907-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Für Lizzy
Vorwort Der Sport bewegt die Menschen. Für viele aktive Sportler, Trainer und Fans ist die Ausübung einer bestimmten Sportart mehr als ein bloßer Freizeitvertreib. Sport zu betreiben ist Ausdruck einer Lebenseinstellung. Die Leistungen und Erfolge der Wettkampfsportler bieten die Möglichkeit zur Identifikation und Integration. Besonders internationale Sportgroßveranstaltungen wie die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland stehen im Mittelpunkt des Interesses der Bevölkerung aller Staaten. Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit der Arbeit der Polizei, die bei derartigen Veranstaltungen erforderlich ist, um die Gefahren – vor allem aus gewaltsamen Zuschauerausschreitungen – im und um das Fußballstadion abzuwehren. Sie wurde von der Juristischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Wintersemester 2004/2005 als Dissertationschrift angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis einschließlich April 2005 berücksichtigt. Besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Geis für die Betreuung der Dissertation. Sein fundierter Rat war Grundlage und Voraussetzung für selbständiges, freies und systematisches wissenschaftliches Arbeiten. Herrn Professor Dr. de Wall bin ich für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens dankbar. Es wäre unmöglich gewesen, diese Arbeit ohne die zahlreichen und offenen Informationen aus der Praxis der Polizei zu verfassen. Unterstützung wurde dabei unter anderem geleistet von Herrn PD Sieber (Vertreter des Inspekteurs der Bereitschaftspolizeien der Länder im Bundesinnenministerium und Mitglied der „Arbeitsgruppe Polizeiliche Zusammenarbeit“ des Rates der Europäischen Union), Herrn PD Notka von der Polizeiführungsakademie Münster, Herrn PR Piastowski von der Zentralen Informationsstelle für Sporteinsätze und Herrn KK Sujata von der Polizeiinspektion Bochum-Mitte als zuständiger szenekundiger Beamter für den VfL Bochum. Aus dem Bereich des Sports wurden meine Fragen beantwortet von Herrn Dr. Englisch vom Deutschen Fußballbund und den Sicherheits-, Fan- und Pressebeauftragten der Bundesligisten (Spielzeit 1999/2000) Schalke 04, Hertha BSC Berlin, Bayer Leverkusen, Eintracht Frankfurt, TSV 1860 München, MSV Duisburg, Hamburger Sportverein, FC Bayern München, VfL Wolfsburg, SC Freiburg und 1. FC Kaiserslautern. Zusätzlich zu den öffentlich zugänglichen empirischen Studien aus der Soziologie, Kriminologie und der Sozialpsychologie konnten aufgrund der freund-
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Vorwort
lichen Genehmigungen weitere, aktuelle Arbeiten der Herren Professoren Dres. Lösel (Universität Erlangen) und Pilz (Universität Hannover) sowie Herrn Dr. Siekmann (T. M. C. Asser Instituut) verwertet werden. Frau Rechtsanwältin Dr. Gretter und Herr Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dr. Gretter sowie alle Mitarbeiter der Anwaltskanzlei Dr. Gretter und der Gretter-Treuhand aus Ravensburg begleiteten die Arbeit, indem sie mir den wissenschaftlichen Freiraum, das kollegiale Arbeitsklima und die Logistik zur Verfügung stellten, die zur Anfertigung dieser Dissertation neben der praktischen Tätigkeit als Rechtsanwalt erforderlich waren. Herr Richter Thomas Mönig (LG Ravensburg) förderte die Arbeit als Lektor durch seine systematischen und zielführenden Anmerkungen. Nicht zuletzt danke ich meiner Ehefrau Lizzy, meinen Eltern und allen Freunden, die diese Arbeit durch ihre Hilfsbereitschaft, Geduld und ihr Gebet unterstützt haben. Ravensburg, im April 2005
Florian Deusch
Inhaltsübersicht Erster Teil Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
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A. Das Phänomen der Gewalt bei Großveranstaltungen, insbesondere bei Fußballspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Die gesellschaftliche Relevanz des Hooliganismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Veranstaltungstypische Ausgangslage und polizeilicher Aufwand zur Verhinderung der Hooligangewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zweiter Teil Verfassungs- und europarechtliche Grundlagen bei der polizeilichen Absicherung von Sportereignissen
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A. Grundlagen im Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Europarechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
Dritter Teil Umsetzung der verfassungs- und europarechtlichen Ausgangslage im Polizeirecht
127
A. „Veranstalterorientierte“ Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 B. „Fanorientierte“ Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 C. Kostenpflicht des Veranstalters für Polizeieinsätze bei Sportgroßveranstaltungen 219
Vierter Teil Gesamtergebnis und Thesen
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A. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 B. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erster Teil Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen A. Das Phänomen der Gewalt bei Großveranstaltungen, insbesondere bei Fußballspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gewalt bei krawallträchtigen Anlässen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gewalt in der Menschenmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Auftreten kollektiver Gewalt innerhalb der Menschenmenge . . . . . 2. Aggressionsfördernde Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Polizeiliche Reaktionen auf die anlassbezogene Entwicklung kollektiver Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Gewaltform des Hooliganismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die gesellschaftliche Relevanz des Hooliganismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Entwicklung des Hooliganismus und seine Verbindung zum Fußballspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ursachen der Hooligangewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sportbezogene Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gewalt auf dem Spielfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kommerzialisierung des Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Erbfeindschaften“ zwischen gegnerischen Hooligans . . . . . . . . . . . . 2. Psychologische und soziologische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Aggressionstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen der Menschenmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gewaltausübung als Identitätssuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gesellschaftliche Verwundbarkeit der Gewalttäter oder Spiegelbild der Gesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Hooliganismus und politischer Radikalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Einfluss von Alkohol und sonstigen Drogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gefahren und Auswirkungen des Hooliganismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fußballfans als Opfer der Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beeinträchtigung des Sports und der Tätigkeit der Vereine . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 3. Hooliganismus als Gefahr für Heranwachsende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Angriff auf den Staat und Auswirkungen auf die Bevölkerung . . . . . . . IV. Internationale Dimension des Hooliganismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hooliganismus in anderen europäischen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Europäisierung“ des Hooliganismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Veranstaltungstypische Ausgangslage und polizeilicher Aufwand zur Verhinderung der Hooligangewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zuschauerbezogene Veranstaltungslage eines Fußballspiels . . . . . . . . . . . . . 1. Zusammensetzung der Besucher und Störerpotential . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einteilung der Zuschauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Numerische Dimension der „Problemfans“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik an der polizeilichen Einteilung der Zuschauer . . . . . . . . . . . . 2. Struktur und Organisationsgrad der Hooligan-Szene . . . . . . . . . . . . . . . . a) Altersstruktur der Szene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Szeneinterne Unterscheidung nach „Guten“ und „Lutschern“ sowie interne Verbindung unter den Hooligans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kommunikationswege der Hooligans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anlassbezogene Straftaten bei Sportgroßveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anzahl der Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art der Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Anlasstypische Delikte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Körperverletzungen und Tötungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verstöße gegen das WaffG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verstöße gegen das SprengstoffG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) „Stadionverbot“ und Hausfriedensbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Das szeneinterne „Rippen“ und seine Entwicklung zum allgemeinen Raubdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Beleidigungen und Drohungen durch verbale Aggressionen . . . . . . III. Aufwand der Polizei für fußballerische Spielbegegnungen . . . . . . . . . . . . . . 1. Größenordnungen im Personalaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herausbildung von „Fußball-Spezialisten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Polizeiinterne Fortbildungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tätigkeit der „szenekundigen Beamten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Datenverarbeitung der Zentralen Informationsstelle für Sporteinsätze in der Datei „Gewalttäter Sport“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Polizeiliche Maßnahmen zur Absicherung eines Fußballspiels . . . . . . . a) Vorbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorspielphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Spielphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nachspielphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formen europäischer polizeilicher Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . a) Austausch und Verwertung von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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b) Einsatz von Polizeibeamten im fremden Hoheitsgebiet . . . . . . . . . . . c) Anreiseverhinderung bekannter Rädelsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zweiter Teil Verfassungs- und europarechtliche Grundlagen bei der polizeilichen Absicherung von Sportereignissen A. Grundlagen im Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Freiheitsrechte der veranstaltungsbeteiligten Grundrechtsträger . . . . . . 1. Die Ausübung der Berufsfreiheit bei Sportgroßveranstaltungen . . . . . . a) Die Berufsfreiheit der Sportler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Berufsfreiheit der Vereine und Veranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kapitalgesellschaft oder eingetragener Verein . . . . . . . . . . . . . . . bb) Berufsfreiheit der Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine Berufsfreiheit für eingetragene Vereine . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Schutz der Vereinigungsfreiheit auf den verschiedenen Ebenen der beteiligten Grundrechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ebene des einzelnen Sportlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ebene der Vereine bzw. Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Verbandsebene (DFB, UEFA, FIFA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG für Stadioneigentümer und Inhaber eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs . . . . . . . a) Nutzung des Eigentums am Stadion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die öffentliche Hand als Stadioneigentümerin . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Verein als Stadioneigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb . . . . 4. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kein Schutz durch die Versammlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht bei Sportgroßveranstaltungen a) Auffanggrundrecht für ausländische Spieler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundrechtsschutz für den Spielbetrieb der eingetragenen Vereine ohne Gewinnerzielungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grundrechtsschutz für Stadionbesucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates zum Schutz der Veranstaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht zur Gefahrenabwehr aus verfassungsrechtlichem Sportförderungsauftrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sportförderung nach dem Wortlaut des Grundgesetzes? . . . . . . . . . . b) Sportförderung und staatlicher Kulturauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine sozialstaatliche Begründung sportfördernder polizeilicher Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis d) Polizeiliche Schutzpflicht aus landesverfassungsrechtlichem Sportförderungsauftrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Adressatenkreis des landesverfassungsrechtlichen Sportförderungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Relevanz landesverfassungsrechtlicher Sportförderungsnormen für die Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflicht zur polizeilichen Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen aus den grundrechtlichen Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Existenz und Herkunft der grundrechtlichen Schutzpflichten . . . . . . b) Ausformung der grundrechtlichen Schutzpflichten durch die Polizeigesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten durch Polizeieinsätze bei Sportgroßveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Subjektives öffentliches Recht auf polizeilichen Schutz bei der Durchführung des Spiels? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein subjektives öffentliches Recht auf Polizeischutz aus verfassungsrechtlicher Sportförderungsklausel oder aus grundrechtlichen Leistungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subjektives öffentliches Recht auf Veranstaltungsschutz aus den grundrechtlichen Schutzpflichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Anspruch des Einzelnen auf fehlerfreie Ermessensausübung und Ermessensreduktion auf Null . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anspruch auf ermessensfehlerfreie Gefahrenvorsorge bei Sportgroßveranstaltungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis zur verfassungsmäßigen Ausgangslage von Sportgroßveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Europarechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Recht der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sportler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereine und Veranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stadionbesucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Polizeiliche Pflicht der Mitgliedstaaten zum Schutz von Sportveranstaltungen aus der gemeinschaftsrechtlichen Pflicht zur Sicherstellung der Beachtung der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten nach dem „Bauernprotest-Urteil“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dogmatische Herleitung der mitgliedstaatlichen Handlungspflicht . c) Voraussetzungen mitgliedstaatlicher Handlungspflichten . . . . . . . . . aa) Beeinträchtigung einer Grundfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zurechnung der Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine Rechtfertigung der Beeinträchtigung der Grundfreiheit . d) Durchsetzbarkeit der mitgliedstaatlichen Pflicht zur Sicherstellung der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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II. Grundlagen im Recht der Europäischen Union, im Recht der internationalen Europäischen Organisationen und im internationalen Polizeikooperationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Primärrechtliche Basis des EUV und völkerrechtliche Grundlagen europäischer polizeilicher Zusammenarbeit bei sportlichen Großveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Sicherheitskooperation innerhalb der Europäischen Union . . . . . . . . 107 aa) Von der „vor-unionalen“ europäischen Polizeikooperation zu Titel VI EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Eingliederung der TREVI-Kooperation in den EUV und Bildung der „AG Polizeiliche Zusammenarbeit“ . . . . . . . . . . . . . . . 109 cc) Handlungsmöglichkeiten des Rates im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Völkerrechtliche Vereinbarungen des Europarechts im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Bilaterales Polizeikooperationsrecht als Grundlage grenzüberschreitender Sicherheitsarbeit am Beispiel der Gemeinsamen Erklärung (. . .) von Deutschland, Belgien und den Niederlanden vom 16.02.2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Inhalt der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 bb) Rechtmäßigkeitsmaßstäbe völkerrechtlicher Polizeikooperation 112 2. EU-Sekundärrecht und Empfehlungen des Ständigen Ausschusses des Europarates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Absichtserklärung der TREVI-Kooperation in La Hague: Schaffung eines Korrespondentennetzes zur Informationsübermittlung . . 114 b) Check-Liste des Ständigen Ausschusses des Europarates . . . . . . . . . 114 c) Erste Sitzung des Rates der EU für Justiz und Inneres am 30. November 1993: Empfehlung zur Übernahme der Check-Liste des Ständigen Ausschusses des Europarates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 d) Empfehlung des Rates vom 01. Dezember 1994 über den Informationsaustausch bei Großveranstaltungen und Versammlungen . . . . . 115 e) Empfehlung des Ständigen Ausschusses des Europarates vom 02.06.1994: Check-Liste bei Hallensportveranstaltungen . . . . . . . . . 116 f) Empfehlung des Rates vom 22. April 1996: einheitliches Formblatt zum Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 g) Gemeinsame Maßnahme vom 26.05.1997: erster formeller Rechtsakt zur Institutionalisierung der bisherigen polizeilichen Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 h) Entschließung des Rates vom 09.06.1997: Nutzung der Möglichkeiten des Stadionverbotes auf Europäischer Ebene und weitere Intensivierung der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 i) Entschließung des Rates vom 21.06.1999: Handbuch für die internationale polizeiliche Zusammenarbeit (. . .) bei Fußballspielen . . . 118
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Inhaltsverzeichnis j) Entschließung des Rates vom 06.12.2001: Aktualisierung des Handbuches für die internationale polizeiliche Zusammenarbeit (. . .) bei Fußballspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Beschluss des Rates vom 25.04.2002: verbindliche Pflicht der Mitgliedstaaten zur Errichtung einer nationalen Fußballinformationsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l) Entschließung des Rates zu internationalen Stadionverboten . . . . . . 3. Justizielle Kontrolle internationaler polizeilicher Zusammenarbeit unter dem Dach des EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtliches Kontrollsystem des Art. 35 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Klagebefugnis der Mitgliedstaaten und der Kommission . . . . . bb) Fakultatives Vorabentscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Prüfungsumfang des EuGH nach Art. 35 EUV . . . . . . . . . . . . . b) Individualrechtsschutz nach Art. 230 EGV im Bereich der dritten Säule? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Selbst-judizierte Kompetenzen der europäischen Gerichte im Bereich des Titels VI EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswirkungen der Rechtsprechung der europäischen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis zur europarechtlichen Ausgangslage bei internationalen Sportgroßveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dritter Teil Umsetzung der verfassungs- und europarechtlichen Ausgangslage im Polizeirecht A. „Veranstalterorientierte“ Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Polizeipflicht des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bandbreite der Ansätze aus dem allgemeinen Polizeirecht zur Polizeipflicht des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Theorie der unmittelbaren Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kriterien zur Abgrenzung der polizeilichen Verantwortlichkeit und Voraussetzungen für die Polizeipflicht des „Zweckveranlassers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Veranstalter als „Zweckveranlasser“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Veranstalter als „Gestörter“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Theorie der rechtswidrigen Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitere Ansätze zur Abgrenzung der polizeilichen Verantwortlichkeit und ihre Anwendung zur Frage der Polizeipflicht des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gefahrenzurechnung im Versammlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Notwendigkeit der Beschränkung der Versammlungsfreiheit und Umsetzung im Verfassungs- und Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis b) Verantwortlichkeit des Versammlungsveranstalters, insbesondere bei unfriedlichen Versammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterbrechung der polizeilichen Gefahrenzurechnung bei gewaltsamen Handlungen Dritter oder einer gewaltsamen Versammlungsminderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Relevanz der Gefahrenzurechnung des Brokdorf-Beschlusses für das allgemeine Polizeirecht, insbesondere für Sportveranstaltungen . . . . . . a) Die Maßstäbe des allgemeinen Polizeirechts im Brokdorf-Beschluss bei der Zurechnung der Gefahren gewaltsamen Verhaltens b) Abwehr „veranstaltungstypischer“ Gefahren, insbesondere bei unfriedlichen Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs bei gewaltsamem Verhalten von Hooligans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Kooperationsprinzip als Mittel zur Gefahrenvorbeugung . . . . . . . . . . . . 1. Kooperation zwischen Versammlungsbehörde und Demonstrationsveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ziel und Zweck der Kooperation zwischen Behörde und Veranstalter b) Durchführung einer erfolgreichen Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen fehlerhafter oder unterbliebener Kooperation . . . . . . . aa) Auswirkungen für die Versammlungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswirkungen aus der Sicht des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Anwendbarkeit des Kooperationsprinzips im allgemeinen Polizeirecht bei Sportgroßveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herleitung des Kooperationsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begründungsversuch aus grundrechtlicher Schutzpflicht . . . . . bb) Kooperation als Element der Staatsaufgabenlehre . . . . . . . . . . . cc) Kooperation als grundrechtseffektuierende Organisations- und Verfahrensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen für die Polizeipraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einwirkungen der Kooperation auf die polizeiliche Eingriffsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verwaltungsbehördliche Kooperation als Rechtspflicht der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Pflichten und Obliegenheiten der Vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsprobleme aus der Verzahnung der Sicherheitsvorkehrungen des Veranstalters mit dem polizeilichen Sicherheitskonzept: Stadionverbot und Durchsuchungen durch private Sicherheitsdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen des Kooperationsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grenzen aus polizeilicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grenzen aus Veranstaltersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Veranstalter als Adressat einer polizeilich verfügten Spielabsage . . . . . . . . 1. Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigung zur Spielabsage . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis a) Gegenwärtige erhebliche Gefahr wegen drohender Ausschreitungen gewaltsamer Hooligans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unmöglichkeit der Gefahrenabwehr durch Maßnahmen gegen die Hooligans als Störer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Möglichkeit der Gefahrenabwehr durch eigene Mittel der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kein Überschreiten der Zumutbarkeitsgrenze durch Spielabsage . . 3. Entschädigung für den von einer Spielabsage betroffenen Veranstalter? a) Nur teilweise Sonderopfersituation der Vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entschädigung nur für unmittelbare Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitverantwortung des Veranstalters für unterbliebene oder gescheiterte Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auswirkungen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. „Fanorientierte“ Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Differenzierungsgebot als Grundlage fanorientierter Polizeiarbeit . . . . . . . . 1. Recht des friedlichen Fußballfans auf Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umsetzung des Differenzierungsgebotes in den polizeilichen Einsatzkonzepten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Informationsgewinnung und Informationsauswertung als Entscheidungsgrundlage für personenbezogene Gefahrenprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umsetzung des Persönlichkeitsschutzes bei der polizeilichen Informationsgewinnung und -verarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Polizeiliche Informationserhebung im Vorfeld der Veranstaltung . . b) Datenerhebung und Observation am Spieltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Informationelle Nachbereitung des Spieltages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verarbeitung personenbezogener Daten in der Datei „Gewalttäter Sport“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anforderungen an die personenbezogene Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . 1. Gefahrenabwehr durch die Wohnsitzbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gefährderansprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Meldeauflage und Ingewahrsamnahme zur Verhinderung der Anreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personenbezogene Gefahrenabwehr während der Anreise . . . . . . . . . . . . a) Personenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlagnahme von Gegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Platzverweis und Verbringungsgewahrsam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ingewahrsamnahme auf der Anreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Gefahrenabwehr gegenüber der Fanansammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Adressateneigenschaft und Polizeipflicht der Fanansammlung im Zusammenhang mit polizeilichen Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingriff und Befugnis bei der einschließenden Begleitung . . . . . . . . . . . 3. Verzögerter Abmarsch der Fan-Blöcke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auflösung einer Ansammlung durch Platzverweis und Einkesselung . . V. Besonderheiten bei internationalen Spielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gefährdete Rechtsgüter und polizeitaktische Methoden bei internationalen Spielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Maßnahmen bei Spielbegegnungen mit deutscher Beteiligung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sammlung und Weitergabe von Informationen zur Erstellung einer Risikoanalyse durch die ausländischen Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . b) Maßnahmen im Inland zur Anreiseverhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschränkungen der Ausreise zur Verhinderung einer Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland . . . bb) Ausreiseverhinderung durch den Bundesgrenzschutz . . . . . . . . . 3. Anlassbezogene Eingriffsbefugnisse bei internationalen Spielbegegnungen im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zurückweisung gewaltbereiter Hooligans an der Grenze der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zurückweisung von „Negativstaatern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zurückweisung von „Positivstaatern“, EG-Ausländern und EWR-Staatsangehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zurückweisung an den Schengener Binnengrenzen . . . . . . . . . . b) Polizeilicher Zwang zum Verlassen des Staatsgebietes der Bundesrepublik Deutschland während der Sportveranstaltung? . . . . . . . . . . VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Kostenpflicht des Veranstalters für Polizeieinsätze bei Sportgroßveranstaltungen I. Kostenpflicht des Veranstalters nach geltendem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kostenpflicht des Veranstalters aus den Polizei- bzw. Verwaltungsvollstreckungsgesetzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kostenpflicht aus dem Landesgebührenrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gebührenrechtlicher Vorteilsausgleich und das öffentliche Interesse am polizeilichen Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Ausschließlichkeit der polizeilichen Kostenerhebung nach den Polizeigesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erforderlichkeit eines speziellen Gebührentatbestandes im Gebührenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gebührenbefreiung bei überwiegendem öffentlichen Interesse . . . . II. Eckpunkte für eine Kostenpflicht des Veranstalters de lege ferenda . . . . . . 1. Polizeiliche Kostenerstattung zwischen Zulässigkeit und Gebotenheit a) Begründungsbedürftigkeit einer normativen Kostenpflicht des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193 195 197 199 201 201 202 202 204 205 206 207 207 207 209 211 213 218 219 219 219 221 221 223 223 224 226 226 226
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Inhaltsverzeichnis b) Verfassungsmäßige Gebotenheit einer polizeilichen Kostenregelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorgaben für eine normative Regelung zur Kostenpflicht des Veranstalters de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Pflicht zur polizeilichen Kostenerstattung im Verhältnis zum allgemeinen Abgabenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtmäßigkeitsbedingungen einer Gebührenpflicht des Veranstalters aa) Formelles Gesetz oder Rechtsvorschrift zur Festlegung der Gebührenpflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes an eine Gebührenpflicht des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grundrechtsbezug der Gebührenpflicht des Veranstalters . . . . . dd) Das Äquivalenzprinzip als Maßstab für die Höhe der Gebühr III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
227 228 229 230 230 232 233 234 235
Vierter Teil Gesamtergebnis und Thesen A. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ergebnis der Grundlagen im Verfassungs- und Europarecht . . . . . . . . . . . . . 1. Polizeigesetzlich konkretisierte Verfassungspflicht zum Schutz der Veranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinschaftsrechtliche Pflichten der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung des Hooliganismus und ihre Umsetzung auf der Ebene des EUV und des Europarechts im weiteren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verwaltungsrechtliches Ergebnis zur veranstalter- und fanorientierten Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkung der polizeilichen Verantwortlichkeit und Kooperationsobliegenheit des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gefahrenprognose im Rahmen der „fanorientierten“ Gefahrenabwehr 3. Die Umlegung veranstaltungsbedingter Polizeikosten . . . . . . . . . . . . . . .
237 237 237 237
238 239 239 239 240
B. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
Abkürzungsverzeichnis a. A. AAZuVO ABl. Abs. a. E. a. F. AG AGB AktG AöR Art. AufenthaltsG AufenthaltsG/EWG AuslG BAG Bay BayObLG BayVBl. BDSG BfD BGB BGBl. BGH BGHZ BGS BGSG BKA BKAG
BMI BSC BR-Drs. BT-Drs.
andere Ansicht Ausländer- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz am Ende alte Fassung Arbeitsgruppe/Amtsgericht/Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Aktiengesetz Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Ausländergesetz Bundesarbeitsgericht Bayern, bayerisch Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter Bundesdatenschutzgesetz Bundesbeauftragter für Datenschutz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesgrenzschutz Gesetz über den Bundesgrenzschutz Bundeskriminalamt Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten Bundesministerium des Inneren Berliner Sportclub Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache
22 BVB BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BW BWVP bzw. ca. cilip dass. DAV DB DDR ders. DFB d.h. dies. Diss. DM DÖV DrittLVO
DSB DStR DVAuslG DVBl. EGV EM EMRK EU EuG EuGH EuGHG
EuGH Slg.
Abkürzungsverzeichnis Ballspielverein Borussia Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg, baden-württembergisch Baden-Württembergische Verwaltungspraxis beziehungsweise circa Zeitschrift „CILIP Bürgerrechte & Polizei“ des Instituts für öffentliche Sicherheit und Bürgerechte e. V. dasselbe Deutscher Anwaltverein Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik derselbe Deutscher Fußballbund das heißt dieselbe, dieselben Dissertation Deutsche Mark Die Öffentliche Verwaltung Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangeörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Vismus sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangeörige von dieser Visumspflicht befreit sind Deutscher Sportbund Deutsches Steuerrecht Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes Deutsche Verwaltungsblätter Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europameisterschaft Europäsche Konvention für Menschenrechte Europäische Union Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Europäischer Gerichtshof Gesetz betreffend die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen nach Artikel 35 des EU-Vertrages Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft
Abkürzungsverzeichnis EuR
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Europarecht, Zeitschrift zur Analyse und Fortentwicklung des europäischen Gemeinschaftsrechts EURO 2000 Fußball-Europameisterschaft im Jahr 2000 EUV Vertrag über die Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWR Europäischer Wirtschaftsraum f., ff. folgende, fortfolgende FC Fußballclub FIFA Fédération Internationale de Football Association FN Fußnote FreizügG/EU Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) FreizügigkeitsVO/EG Verordnung über die allgemeine Freizügigkeit von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union GBl. Gesetzblatt GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Hess Hessen, hessisch HessPolKostVO Hessische Polizeikostenverordnung hM herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber HSOG Hamburger Sicherheits- und Ordnungsgesetz IBPdL Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder IM Innenministerium InfAuslR Informationsbrief Ausländerrecht Int. Rev. For Soc. of Sport International Review of the Sociology of Sport i. S. d. im Sinne des i. V. m. in Verbindung mit Jura Juristische Ausbildung JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien KK Kriminalkommissar LfD Landesbeauftragter für Datenschutz LG Landgericht LGebG Landesgebührengesetz lit. litera Ls. Leitsatz LT-Drs. Landtags-Drucksache LuftVG Luftverkehrsgesetz
24 LVG LVwVG LVwVGKO MdB MdL MEPolG MSV m. w. N. Nds. NdsVBl. NJW NVwZ NVwZ-RR NordÖR Nr. NRW o. ä. o. g. OLG OVG OwiG PAG PassG PAuswG PD PDS PDV PKW POG PolG pr ALR RL Rn Rs. S. SächsVBl. Sart. II SC SDÜ
Abkürzungsverzeichnis Landesverwaltungsgesetz Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz Kostenordnung zum Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz Mitglied des Bundestages Mitglied des Landtags Musterentwurf zum Polizeigesetz Meidericher Spielverein mit weiteren Nachweisen Niedersachsen, niedersächsisch Niedersächsische Verwaltungsblätter Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungs-Report Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland Nummer Nordrhein-Westfalen oder ähnliches oben genannte Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Polizeiaufgabengesetz Passgesetz Gesetz über Personalausweise Polizeidirektor Partei des demokratischen Sozialismus Polizeidienstvorschrift Personenkraftwagen Polizeiordnungsgesetz Polizeigesetz Allgemeines Preußisches Landrecht Richtlinie Randnummer Rechtssache Seite, Seiten/Satz Sächsische Verwaltungsblätter Sartorius II, Internationale Verträge – Europarecht, Textausgabe Sportclub Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den
Abkürzungsverzeichnis
Slg. s. o. SPD SprengstoffG SpuRt SSV StGB StPO StuB s. u. szB ThürVBl. TREVI TSV TUE TV u. a. UEFA VEMEPolG VersG VfB VfL VG VGH vgl. VBlBW VwGO VwVfG WaffG WM WRP z. B. Ziff. ZIS ZRP z. T.
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schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen vom 19. Juni 1990 Entscheidungssammlung des Europäischen Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften siehe oben Sozialdemokratische Partei Deutschlands Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Zeitschrift für Sport und Recht Schwimm- und Sportverein Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Steuer- und Bilanzpraxis siehe unten szenekundiger Beamte Thüringer Verwaltungsblätter terrorisme, radicalisme, extremisme, violence, international Turn- und Sportverein Traite de l’Union Européenne Television, Fernsehen unter anderem Union of European Football Associations Vorentwurf zum Musterentwurf zum Polizeigesetz Gesetz über Aufzüge und Versammlungen Verein für Ballspiele Verein für Leibesübungen Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verwaltungsblätter Baden-Württemberg Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Waffengesetz Wertpapiermitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis zum Beispiel Ziffer, Ziffern Zentrale Informationsstelle für Sporteinsätze Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil
Einleitung „Das nächste Spiel ist immer das schwerste!“ Diese Erkenntnis des „Fußballweisen von der Bergstraße“ und früheren Nationaltrainers Sepp Herberger1 gilt heute noch für jede Fußballmannschaft und jeden Trainer. Sie gilt aber auch für die polizeiliche Sicherheitsarbeit, die nahezu jedes größere Sportereignis der heutigen Zeit erfordert und v. a. im Fußballsport in besonderer Weise von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Die tragende gesellschaftliche Rolle des „König Fußball“ und nicht zuletzt dessen wirtschaftliches Gewicht2 macht die polizeirechtliche Absicherung von Spielbegegnungen gegen gewaltsame Zuschauerausschreitungen zu einem hochsensiblen Gebiet. Die folgende Untersuchung soll einen Beitrag leisten zur Klärung der rechtlichen Grundlagen polizeilicher Sicherheitsarbeit bei derartigen Sportgroßveranstaltungen. Im ersten Teil wird das Phänomen der Gewaltausschreitungen bei Fußballspielen umrissen. Die gesellschaftliche Relevanz des Hooliganismus und die Ausgangslage für die praktische Polizeiarbeit werden unter Beachtung der grenzüberschreitenden Dimension des Phänomens im europäischen Raum dargestellt. Daran anschließend beschäftigt sich die Untersuchung mit den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Grundlagen für die Absicherung einer Spielbegegnung. Im verwaltungsrechtlichen Teil wird die Polizeiarbeit im Verhältnis zu den Vereinen und Verbänden als Veranstalter der Wettkämpfe („veranstalterorientierte“ Gefahrenabwehr) und zu den Stadionbesuchern („fanorientierte“ Gefahrenabwehr) betrachtet. Im Rahmen der „veranstalterorientierten“ Gefahrenabwehr werden Grundsätze, die aus dem Versammlungsrecht bekannt sind, zur Klärung der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit der Organisatoren von Sportgroßereignissen für die Gefahren des Hooliganismus herangezogen. Bei der Gefahrenvorbeugung im Vorfeld der Veranstaltung kann insbesondere das Kooperationsprinzip für die Zuordnung der Verantwortungsbereiche von Veranstalter und Polizei fruchtbar gemacht werden. 1
Leinemann, Sepp Herberger, S. 338, auch: Michel, Fritz Walter, S. 77 f. Der Gesamtetat der Bundesligavereine in der Saison 2000/2001 betrug DM 1,041 Mrd = A 0,532 Mrd („Schwäbische Zeitung“ vom 21.07.2001). 2
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Einleitung
Bei der „fanorientierten“ Gefahrenabwehr stehen die polizeilichen Maßnahmen gegenüber den Zuschauern im Mittelpunkt. Es wird auch auf die europäische polizeiliche Zusammenarbeit bei länderübergreifenden Wettbewerben wie Welt- und Europameisterschaften oder der Champions-League eingegangen. Schließlich wird die Kostenproblematik der Polizeieinsätze beleuchtet.
Erster Teil
Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen Gewaltausschreitungen durch Zuschauer von Sportgroßveranstaltungen, insbesondere bei Fußballspielen, sind durch ihre Einbettung in große Menschenmengen gekennzeichnet. Die polizeiliche Sicherheitsarbeit hat diesem Umstand Rechnung zu tragen und vor allem die gewaltspezifischen Gefahren abzuwehren, die sich aus der Menschenmasse ergeben. Aus diesem Grund wird zunächst das Phänomen der Gewalt bei Großveranstaltungen, insbesondere bei Fußballspielen beleuchtet (lit. A.). Weiter muss die polizeiliche Arbeit zur Verhinderung der Gefahren des Hooliganismus auch stets dessen gesellschaftliche Relevanz im Auge behalten (lit. B.). Schließlich sind die konkrete veranstaltungstypische Ausgangslage vor einer Sportveranstaltung ebenso wie der polizeiliche Aufwand zur Verhinderung der Hooligangewalt darzustellen (lit. C.), damit die rechtstatsächlichen Grundlagen für eine juristische Bewertung der Polizeiarbeit geklärt sind.
A. Das Phänomen der Gewalt bei Großveranstaltungen, insbesondere bei Fußballspielen Zur Erfassung des Phänomens der Gewalt bei Großveranstaltungen und insbesondere bei Fußballspielen werden zunächst Anlässe dargestellt, bei denen immer wieder Gewalt aus der Menschenmenge auftritt (Ziff. I.). Sodann wird die Verhaltensweise der Gewaltausübung aus einer Menschenmenge heraus umrissen (Ziff. II.), um auf dieser Grundlage die spezielle kollektive Gewaltform des Hooliganismus näher zu charakterisieren (Ziff. III.). I. Gewalt bei krawallträchtigen Anlässen Es scheint bestimmte Anlässe zu geben, bei denen regelmäßig kollektive Gewalt von Menschenansammlungen ausgeht. Immer wieder wird z. B. von Krawallen und teuren Polizeieinsätzen bei Großdemonstrationen berichtet.1 Zumindest in Deutschland ist zwar die tatsäch1 Beispielhaft für Demonstrationen gegen Atommülltransporte: „Die Zeit“ vom 29.03.2001, S. 4; „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 24.03.2001, S. 3.
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
liche Anzahl der unfriedlich verlaufenden Versammlungen gering, jedoch bringt jede Großdemonstration das Erfordernis polizeilicher Sicherheitsarbeit mit sich.2 Weiter sei an die Zerstörungswut aus kollektiv ausgeübtem Vandalismus erinnert. Als Beispiel mögen die sogenannten „Chaos-Tage“ aus der Punk-Szene dienen. Die wohl schwersten Ausschreitungen aus der jüngeren Zeit dürften sich im Jahre 1995 in Hannover ereignet haben. Die Presse berichtete von „Straßenschlachten mit der Polizei“, „brennenden Barrikaden“ und Plünderungen von Ladengeschäften. Zudem zeigt sich kollektive Gewalt u. a. bei Rassenunruhen, Hausbesetzungen und im Anschluss an Rockkonzerte.3 Vor allem aber bieten gewaltsame Ausschreitungen im Rahmen von Sportgroßveranstaltungen, insbesondere bei Fußballspielen, Anlass zur Besorgnis. Die dortigen Gewalthandlungen zeichnen sich ebenfalls durch die Begehung in einer und durch eine große Menschenmenge aus. Sie werden in der Sozialpsychologie meist als Paradebeispiel für die Existenz gruppendynamischer Kräfte angeführt.4 II. Gewalt in der Menschenmenge In der Herbstrunde der Saison 2001/2002 besuchten durchschnittlich 33.583 Zuschauer pro Spiel die Stadien der 1. Fußball-Bundesliga.5 Teilweise wird allein in der Ansammlung dieser Menschenmenge eine polizeiliche Gefahr gesehen.6 Vor solch einer pauschalen Schlussfolgerung wird aber an dieser Stelle zunächst das Auftreten der kollektiven Gewalt aus der Menge heraus beleuchtet (Ziff. 1.). Weiter gibt es Umstände, die innerhalb einer Menschenmenge aggressionsfördernde Wirkung haben (Ziff. 2.). Schließlich hat auch die polizeiliche Reaktion auf die Entstehung kollektiver Gewalt Einfluss (Ziff. 3). 1. Das Auftreten kollektiver Gewalt innerhalb der Menschenmenge Erste Untersuchungen näherten sich dem Phänomen der kollektiven Gewalt aus der Menge unter dem Begriff der „Massenpsychologie“. Sie stammen aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert und sind eher philosophischer als empirischer 2 Schmalzl in: Stein: Brennpunkte der Polizeipsychologie, S. 66; Studienpapier „Großveranstaltungen/Demonstrationen“ der Polizeiführungsakademie Münster-Hiltrup, Stand 09/2000, S. 13: Nur 2,92% aller Demonstrationen aus den Jahren 1980– 1996 nahmen einen unfriedlichen Verlauf. 3 „Hannoversche Allgemeine“ vom 04.08.1995; „Die Zeit“ vom 11.08.1995; „Welt am Sonntag“ vom 06.08.1995; siehe auch Schneider, JZ 1992, 393. 4 Bierhoff, S. 303; ebenso: Schumacher, NJW 1980, 1880. 5 „Schwäbische Zeitung“ vom 17.12.2001. 6 Lege, Verwaltungsarchiv 1998, 76.
A. Das Phänomen der Gewalt bei Großveranstaltungen
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Natur. Hiernach sinke das Individuum in der Masse auf eine barbarische Stufe der Zivilisation herab, auf der es nach seinen primitiven Instinkten handle. Die so entstandene „Massenseele“ fördere Gefühlsausbrüche, die sich in gewaltsame Handlungen umsetzten.7 Die moderne Sozialpsychologie dagegen erkennt den Verlust der eigenen Persönlichkeit und das mysteriöse Entstehen einer „Massenseele“ nicht mehr an.8 Vielmehr geht sie von gruppendynamischen Kräften aus, die sich in der Menge wie folgt zeigen: Die einzelne Person identifiziert sich mit der Gruppe und tritt in einen enthemmenden Zustand ein, der als „Deindividuation“ bezeichnet wird. In diesem Zustand ist die objektive Wahrnehmung beeinträchtigt. Die Selbstaufmerksamkeit verringert sich drastisch. In der Anonymität der Masse fühlt sich der einzelne nicht mehr in vollem Umfang verantwortlich für sein Verhalten. Der Konformitätsdruck zur Übereinstimmung von Meinungen und Verhaltensweisen nimmt zu; der einzelne wird von der Stimmung in der Menge emotional angesteckt. Dieser gruppengeprägte Zustand der Deindividuation trägt zur Erhöhung der Aggressivität bei. Andererseits ist aber je nach den vorherrschenden Normen und Zielen der Gruppe auch eine Abnahme der Aggression möglich. Die menschliche Neigung zur Gewalt innerhalb von Gruppen ist nicht zwingend.9 2. Aggressionsfördernde Umstände Neben der bloßen Ansammlung einer Menschenmenge gibt es weitere Faktoren, die nicht zwangsläufig zu einem Gewaltausbruch führen, aber dennoch in ihrem gegenseitigen Zusammenspiel die Gewalt bei Menschenansammlungen fördern können. So können sich Aggressionen entwickeln und steigern, wenn sich die Teilnehmer einer Ansammlung in sehr großer Dichte auf engem Raum formieren. Weiter bieten anwesendes Publikum und auflagenstarke Berichte in den Medien einer gewaltbereiten Minderheit die gewünschte Plattform zur Selbstdarstellung, während die übrige Menschenmenge durch die Aggressionen der Gewalttäter angesteckt werden kann. Hohe Temperaturen begünstigen Aggressionen, während schlechtem Wetter ein deeskalierender Effekt zugeschrieben wird. Von maßgeblichem Einfluss ist die Zusammensetzung der Gruppe 7 LeBon, Psychologie des Foules, Paris 1895; ebenso: Freud, Massenpsychologie und Ich-Analyse, Gesammelte Werke, XIII, Frankfurt/M., 1967, zitiert nach Heinz, Massenpsychologie in: Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, Band VIII, S. 587. 8 Schmalzl, Die Polizei 1993, 253; ebenso: Benke/Utz, Kriminologisches Journal 1989, 85; dennoch werden die Arbeiten aus der frühen Massenpsychologie auch heute noch zur Untermauerung wissenschaftlicher Lehrmeinungen herangezogen (bemängelt von Heinz, Massenpsychologie in: Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, Band VIII, S. 587; so geschehen bei Lege, Verwaltungsarchiv 1998, 76). 9 Bierhoff, S. 355 ff.; Schneider, JZ 1992, 509; Schmalzl/Renner/Hieber, Zwischen Ritual und Randale, S. 11; Rosemann, Vorurteile und Diskriminierung.
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
sowie deren Normen und Ziele. Auch der Ort des Geschehens hat bedeutenden Einfluss auf die Gewaltentwicklung. Je enger beispielsweise das Thema einer Protestkundgebung mit dem Ort ihrer Versammlung zusammenhängt, desto problematischer ist die Veranstaltung. Schließlich spielt auch die Interaktion zwischen den beteiligten Gruppen – namentlich der Menschenansammlung einerseits und den polizeilichen Einsatzkräften andererseits – eine maßgebliche Rolle. Auch Polizeibeamte unterliegen dem Konformitätsdruck ihrer Gruppe. Ein massiver Polizeieinsatz in einer geschlossenen Einheit mit offen getragenen Waffen kann ebenso zur Eskalation beitragen wie feindselige Grundhaltungen der Personen in der Menschenmenge.10 3. Polizeiliche Reaktionen auf die anlassbezogene Entwicklung kollektiver Gewalt Kommt es im Rahmen der Menschenansammlung zu Gewaltausbrüchen, so kann die weitere Entwicklung maßgeblich durch eine angemessene polizeiliche Reaktion beeinflusst werden. Dabei wird die ausgeübte Gewalt je nach Motiven in verschiedene Arten eingeteilt. Entsprechend den verschiedenen Motivationen ist jeweils eine unterschiedliche polizeiliche Reaktion sinnvoll.11 Durch „expressive Aggressionen“ werden Ärger und Wut ausgedrückt. Meist sind die Täter aufgrund eines bestimmten Ereignisses frustriert. Hier ist ein vorsichtiges und abwartendes Vorgehen der Polizei angezeigt. „Instrumentelle Gewalt“ dient dazu, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Gewalt ist dabei Mittel zum Zweck. In diesem Fall wird einem entschlossenen polizeilichen Durchgreifen deeskalativer Charakter zugeschrieben. Bei der „explorativen“ bzw. „feindseligen Aggression“ geht es um die Lust am aggressiven Verhalten. Es wird die Toleranzgrenze des Gegenübers getestet. Auch hier ist ein konsequentes polizeiliches Einschreiten geboten, um den Tätern ihre Grenzen aufzuzeigen.12
10 Schmalzl, Die Polizei 1996, 251 ff.; ders., Menschen in der Menge, S. 30; Bierhoff, S. 134 f.; Rosemann, Vorurteile und Diskriminierung; Kuhleber, Einsatzlehre, S. 347; Schneider, JZ 1992, 509. 11 Die folgende Darstellung kann aus Platzgründen nur eine grob skizzierte Einteilung leisten. 12 Lösel/Selg/Schneider in: Baumann/Schwind, Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band II, Erstgutachten der Untergruppe Psychologie, Rn 12; Schmalzl, Die Polizei 1993, 253; Schneider, JZ 1992, 387; Studienpapier „Großveranstaltungen/ Demonstrationen“ der Polizeiführungsakademie Münster-Hiltrup, Stand 09/2000, S. 16; ähnlich zum Vorgehen gegen entschlossene Gewalttäter Kuhleber, Einsatzlehre, S. 349.
A. Das Phänomen der Gewalt bei Großveranstaltungen
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III. Die Gewaltform des Hooliganismus Wendet man die oben genannten Erkenntnisse der Sozialpsychologie auf die Situation in den Fußballstadien an, so scheint sich das Bild der Fans als „Raufund Saufvereine“ zu bestätigen.13 Der sportliche Wettkampf zweier Gegner heizt die Atmosphäre an, grobe Fouls und fehlerhafte Schiedsrichterentscheidungen bringen das Fass zum Überlaufen und der Ausbruch kollektiver Gewalt erscheint unvermeidlich. In den achtziger Jahren wurden diese Gewaltausbrüche vorwiegend den „Fußballrowdies“ zugeschrieben.14 In neuerer Zeit wird von den Zuschauerausschreitungen zumeist unter dem Schlagwort des „Hooliganismus“ berichtet. Gleichwohl besteht keine Einigkeit über die genaue Bedeutung dieses Begriffs. Die Übersetzung des englischen Wortes „Hooligan“ lautet „Rowdy, Raufbold“15 und soll sich auf eine irisch-stämmige Arbeiterfamilie beziehen, die Ende des 19. Jahrhunderts trunk- und rauflustig durch London zog. Der Begriff wurde in der Folgezeit auf gewalttätige jugendliche Gruppen der proletarischen Subkultur in den Industriestädten Großbritanniens ausgedehnt.16 Ein Konsens über die Definition des stadionbesuchenden Hooligans kann bislang nicht festgestellt werden.17 Übereinstimmung herrscht lediglich über eine Verbindung des Hooliganismus zum Fußball bzw. dessen Fanszene. Als „Fans“ bezeichnen die Sportsoziologen Zuschauer mit hoher emotionaler Bindung zum Spielgeschehen,18 (vorwiegend) männliche Jugendliche, die sich mit einem Fußballverein identifizieren, sich durch einen Set äußerer Zeichen als deren Anhänger zu erkennen geben und „ihre“ Mannschaft bei Spielen anfeuern.19 Aus polizeilicher Sicht sind Fußballfans junge, fußballinteressierte Leute, die schon vor Fußballspielen die Nähe Gleichgesinnter suchen und während des Spiels in einer dichtgedrängten Menge stehen, die Stimmung macht, die stark macht, die andere einschüchtert oder zumindest beeindruckt, die jedenfalls die Aussicht eröffnet, etwas zu erleben.20 Weiter besteht Uneinigkeit darüber, ob Hooligans auch Fußballfans sind. Teilweise wird den Hooligans sehr wohl ein Interesse am Spielgeschehen zuge13
Schulz, Aggressive Handlungen von Fußballfans, S. 14. Schulz, Aggressive Handlungen von Fußballfans, S. 16. 15 Lehmann, Kriminologie 2000, 299. 16 dpa Nr. 0212 vom 09.11.1999; siehe auch Meyers Taschenlexikon, Stichwort „Hooligans“. 17 Bliesener/Fischer/Lösel/Pabst, Hooliganismus in Deutschland: Ursachen, Entwicklung, Prävention und Intervention, S. 104. 18 Friederici, Sportbegeisterung und Zuschauergewalt, S. 20. 19 Gehrmann, „Selbstregulierungsmechanismen“ – Ein Begriff verschwindet, in: Brednich/Hartinger: Gewalt in der Kultur, S. 437. 20 Schmalzl/Renner/Hieber, Zwischen Ritual und Randale, S. 11. 14
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
schrieben und ein fließender Übergang vom Fan zum potentiellen Gewalttäter angenommen. Danach werden Fußballrowdies als junge Menschen beschrieben, die diese Rolle in bestimmten Situationen mit je unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit annehmen. Polizeilich auffällige Fans seien dabei mehr von den Regeln der Gruppe bestimmt als von eigenen kriminellen Absichten.21 Andere Autoren grenzen die Gruppe der „Hooligans“ streng von den Fans ab und verstehen sie als eine Abspaltung aus der Masse der friedlichen Fans. Nach diesem Definitionsansatz bewegen sich die Hooligans zwar innerhalb der Fanszene, suchen aber das Stadion nur zum Zweck der Randale auf und seien nicht am Spielgeschehen interessiert.22 Fest steht danach lediglich, dass es unter der großen Menge von Stadionbesuchern eine Anzahl von Personen gibt, die – je nach Definitionsansatz – zu einem bestimmten Grad gewaltbereit oder gar zur Gewalt entschlossen sind. Weitere Merkmale, die das Phänomen des Hooliganismus unstreitig und eindeutig eingrenzen können, bestehen derzeit nicht. Das Sicherheits- und Ordnungsrecht muss bei der Beschreibung des Hooliganismus von dem Schutzauftrag der Polizei ausgehen. Danach hat die Polizei die Aufgabe, Gefahren abzuwehren und Störungen zu beseitigen. Im Gegensatz zu stimmungsvoller Sportbegeisterung müssen daher alle Handlungen und deren potentielle Täter zum Hooliganismus gezählt werden, die sich im Zusammenhang eines Fußballspiels mit körperlicher Gewalt gegen ein polizeilich geschütztes Rechtsgut richten.23 Zweifellos sind die soziologischen Zuordnungen der Täter und deren Motive im Rahmen einer angemessenen polizeilichen Reaktion zu berücksichtigen. Auf der Ebene der Definition kann dagegen keine weitere Eingrenzung getroffen werden, um den polizeilichen Schutzauftrag nicht vorschnell zu Lasten der Opfer zu verengen. IV. Ergebnis Die Ausübung kollektiver Gewalt innerhalb einer Menschenmenge tritt auch in Form der Zuschauergewalt in und um Fußballstadien auf. Die Polizeipraxis berücksichtigt die Wirkungen gruppendynamischer Kräfte bei der Planung und Durchführung ihres Einsatzes.
21 van de Sade, Fans und Gewalt im holländischen Fußball, S. 42 in: Horak/Reiter/ Stocker, Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten; Schmalzl/Renner/Hieber a. a. O. 22 Gehrmann, „Selbstregulierungsmechanismen“ – Ein Begriff verschwindet, in: Brednich/Hartinger: Gewalt in der Kultur, S. 437; Weis/Alt/Gingeleit in: Schwind/Baumann, Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band III, Sondergutachten: Probleme der Fanausschreitungen und ihrer Eindämmung, Rn 23 f. 23 Ähnlich die Definitionen in anderen europäischen Staaten, hierzu siehe Siekmann, Football Hooliganism, Chapter 5.1, pp. 39.
B. Die gesellschaftliche Relevanz des Hooliganismus
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Über die Gewalt in und um die Fußballstadien wird seit den 1990er Jahren unter dem Begriff des „Hooliganismus“ berichtet. Eine übereinstimmende Definition dieses Begriffes ist derzeit nicht festzustellen. Aus polizeilicher Sicht ist der Begriff des Hooliganismus anhand des gesetzlichen Schutzauftrages zu definieren; die Polizei hat gegen alle gewaltsamen Verhaltensweisen vorzugehen, die sich gegen ein polizeilich geschütztes Rechtsgut richten.
B. Die gesellschaftliche Relevanz des Hooliganismus Obgleich dem Hooliganismus eine Subkultur zugeschrieben wird mit eigenen Regeln, die von den Normen der mehrheitlichen Bevölkerung abweichen,24 bleiben die Hooligans ein Teil der Gesellschaft und stehen mit ihr in Wechselwirkung. Daher hat die Bekämpfung der Gefahren der Hooligangewalt stets deren gesamtgesellschaftliche Einbettung zu beachten. Diese wird im Folgenden anhand der Entwicklung des Hooliganismus (Ziff. I.), den vielschichtigen Ursachen der Hooligangewalt (Ziff. II.), den Gefahren und Auswirkungen des Hooliganismus (Ziff. III.) sowie seiner internationalen Dimension (Ziff. IV.) umrissen. I. Die Entwicklung des Hooliganismus und seine Verbindung zum Fußballspiel Bereits in dem ältesten historischen Hinweis auf die Existenz des Fußballspiels aus dem Jahre 1313 findet sich der Bezug zu Gewalttätigkeiten. Danach verbot König Edward II von England das Ballspiel, da es einen „großen Aufruhr in der City“ gegeben habe. Bei diesem Vorläufer des Fußballs traten die Bewohner benachbarter Dörfer gegeneinander an. Die Spielweise war roh und lebensgefährlich. Eine Trennung zwischen Spielern und Zuschauern wurde bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht vorgenommen. Auch nachdem sich das Fußballspiel um die Jahrhundertwende an das derzeitige Reglement angenähert hatte, blieben gewaltsame Ausschreitungen keine Seltenheit. So bat der SV Werder Bremen im Jahre 1908 um polizeiliche Unterstützung gegen herumpöbelnde Zuschauer; in den zwanziger Jahren waren Schlägereien zwischen den Zuschauern eine regelmäßige Begleiterscheinung bei Fußballspielen.25
24
Markert/Schmidbauer, Kriminalistik, 1994, 493. Schulze-Marmeling, Fußball – zur Geschichte eines globalen Sports, S. 14; Schulz, Aggressive Handlungen von Fußballfans, S. 19 f.; Pilz, Gewalt im Umfeld von Fußballspielen, in: Bierhoff/Wagner, S. 129; Friederici, Sportbegeisterung und Zuschauergewalt, S. 23. 25
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
Mit der Einführung der Fußball-Bundesliga im Jahre 1963 erhielten nicht nur die Sportler sondern auch die Fans erstmals eine nationale Bühne. Auf dieser Bühne sollten sich die bislang eher regional aufgetretenen Gewaltausschreitungen zu einem Problem von bundesweiter Bedeutung entwickeln.26 Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre häuften sich die gewalttätigen Auseinandersetzungen rivalisierender Zuschauer. Seit Ende der 80er Jahre wird selbst in den Kreisen der Hooligans die Zunahme von Waffen und die Abnahme der „Fairness“ beklagt. Die szeneninterne Forderung „Hooligans without weapons“ fand unter den Gewalttätern bislang jedoch nur wenig Anklang. Ob bei gewaltsamen Zuschauerausschreitungen überhaupt jemals ein „Ehrenkodex“ der Hooligans in diesem Sinne Beachtung gefunden hat, ist aber zu bezweifeln.27 Seit Mitte der 80er Jahre wurde festgestellt, dass sich sogenannte „Hooligans“ bewusst von den übrigen Fans abgrenzten. Einige Autoren sehen diese Absonderung in ursächlichem Zusammenhang mit den verstärkten polizeilichen Kontrollen. Aufgrund der Differenzierung durch die Polizei verstehen sich die Hooligans als gewaltsame Splittergruppe der Fußballfans, die über ihre eigenen, von der Mehrheit der Fans abweichenden Normen und eine eigene Subkultur verfügen.28 Zudem wurde eine Verlagerung der gewaltsamen Auseinandersetzungen von den polizeilich gesicherten Stadien in die weniger gesicherten Innenstädte und in andere Sportarten verzeichnet.29 Im Zeitraum der 90er Jahre ist zwar die Anzahl einschlägiger Ereignisse zurückgegangen; es wird jedoch eine wachsende Brutalisierung registriert. Vor allem jüngere Gewalttäter zeichnen sich durch erhöhte Gewaltbereitschaft und härtere Vorgehensweise aus. Obgleich sich seinerzeit auch die DDR mit Fußballrowdies auseinander zu setzen hatte, haben die gewaltsamen Auseinandersetzungen im Osten Deutschlands erst seit der Wiedervereinigung zugenommen.30
26 Weis/Alt/Gingeleit, Probleme der Fanausschreitungen und ihrer Eindämmung, Rn 3 f. in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band III, Sondergutachten. 27 So auch Bliesener/Fischer/Lösel/Pabst, Hooliganismus in Deutschland: Ursachen, Entwicklung, Prävention und Intervention, S. 112; anders: Gehrmann „Selbstregulierungsmechanismen“ – Ein Begriff verschwindet, S. 441, in: Brednich/Hartinger: Gewalt in der Kultur und Kirsch, Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen, S. 83. 28 Gehrmann, „Selbstregulierungsmechanismen“ – Ein Begriff verschwindet, S. 437, in: Brednich/Hartinger: Gewalt in der Kultur, S. 438; ebenso Kirsch, Gewalt bei sportlichen Großveranstaltungen, S. 92. 29 Weis/Alt/Gingeleit, Probleme der Fanausschreitungen und ihrer Eindämmung, Rn 123, in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band III, Sondergutachten.
B. Die gesellschaftliche Relevanz des Hooliganismus
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Mittlerweile hat sich die Gewalt vom Spielgeschehen gelöst und eine Verselbständigung erfahren; Hooligans suchen bei ihren Auseinandersetzungen den „Kitzel der Gewalt“ um ihrer selbst willen.31 Innerhalb der Stadien treten in jüngster Zeit vermehrt sogenannte „Ultra-Gruppierungen“ nach italienischem Vorbild auf. Sie drängen sich zwischen die ursprüngliche Fan- und Hooliganszene und wollen durch aufwendige Choreographien, Schlacht- und Stimmungsgesänge für Atmosphäre im Stadion sorgen. Dabei treten sie oftmals mit den Sicherheitsbestimmungen in Konflikt, indem sie selbstgebastelte bengalische Feuer und Rauchbomben entzünden.32 Trotz erheblicher Schwierigkeiten bei der Einschätzung der zukünftigen Entwicklung erwarten Experten eine weitere Verlagerung der Gewalt in weniger gesicherte Bereiche bis in die dritten und vierten Ligen. Gleichzeitig ist im internationalen Bereich mit seltenen, aber umso heftigeren Ausschreitungen zu rechnen.33 II. Ursachen der Hooligangewalt Die Ursachen für unfriedliches Verhalten bei Fußballspielen sind vielfältig.34 Ziel der folgenden Darstellung ist es nicht, alle Einzelursachen in Ihrer Gesamtheit wiederzugeben, sondern einen Überblick über die Ursachenforschung im Bereich des Hooliganismus zu vermitteln. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden diese vielschichtigen Faktoren unterteilt in die Bereiche „Sportbezogene Faktoren“ (siehe unten Ziff. 1.) und „Psychologische und soziologische Faktoren“ (siehe unten Ziff. 2.). 1. Sportbezogene Faktoren Einige Faktoren, denen gewaltauslösende Wirkung zugesprochen wird, lassen sich dem Bereich des Sports und seines Umfeldes zuordnen. Sie betreffen das Verhalten der Spieler [lit. a)], die Kommerzialisierung des Sports [lit. b)] sowie die mittlerweile entstandenen „Erbfeindschaften“ zwischen gegnerischen Hooligans [lit. c)].
30 Bliesener/Fischer/Lösel/Pabst, Hooliganismus in Deutschland: Ursachen, Entwicklung, Prävention und Intervention, S. 112; Grigowski/Bonk, Kriminalistik 1991, 351. 31 Pilz, Gewalt im Umfeld von Fußballspielen, in: Bierhoff/Wagner, Aggression und Gewalt, S. 130; Kirsch, Gewalt bei sportlichen Großveranstaltungen, S. 131. 32 Pilz, Was leisten Fanprojekte, S. 12. 33 Bliesener/Fischer/Lösel/Pabst, Hooliganismus in Deutschland: Ursachen, Entwicklung, Prävention und Intervention, S. 112. 34 Kuhleber, Einsatzlehre, S. 343.
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
a) Gewalt auf dem Spielfeld Das Verhalten der Spieler auf dem Rasen beeinflusst im positiven wie im negativen Sinne das Zuschauerverhalten. Von den Sportlern wird Erfolg um jeden Preis verlangt. Dabei werden Regelverletzungen, angefangen vom „fairen Foul“ bis hin zur „Notbremse“ (ein Foulspiel außerhalb des eigenen Strafraumes, um einen durchgebrochenen Gegenspieler am erfolgreichen Angriffsabschluss zu hindern35) im Interesse des Spielergebnisses als legitim angesehen und sogar erwartet. Aufgrund der Wechselwirkung der Handlungen der Sportler mit dem Verhalten der Zuschauer messen auch letztere ihr eigenes Verhalten am bezweckten Erfolg und sehen dabei den Einsatz von Gewalt als legitimes Mittel an.36 b) Kommerzialisierung des Sports Mehreren Autoren zufolge führt Kommerzialisierung des Fußballsports zu einer gefährlichen Entfremdung der Fans von den Spielern. Die langfristige Loyalität eines Spielers zu seinem Verein ist im professionellen Fußballgeschäft nicht mehr in einer lokalen Gebundenheit begründet, sondern durch die Höhe seines Gehalts. Daher fällt die traditionelle Fangemeinde auseinander. Anstelle des Sports stellen sich die Zuschauer zunehmend selbst in den Mittelpunkt des Geschehens. Ein Beispiel hierfür ist die immer häufiger zu beobachtende Stadionwelle; die Selbstdarstellung der Fans kann aber auch gewalttätige Formen annehmen.37 c) „Erbfeindschaften“ zwischen gegnerischen Hooligans Der nach festen Spielterminen organisierte Ablauf der Fußballsaison ermöglicht es, gewalttätige Traditionen wie z. B. „Erbfeindschaften“ zwischen Zuschauergruppierungen aufzubauen. Durch die Spielplanung der Bundesliga können die Hooligans strategische Pläne für ihre Auseinandersetzungen ausarbeiten; zudem sorgt die garantiert anwesende Menschenmenge für Aufregung. Darüber hinaus begünstigen die historisch gewachsenen Fanfeindschaften den Eskalationsprozess der Gewalt, während sich Aggressionen größtenteils auf verbales Niveau beschränken, wenn zwischen den gegnerischen Vereinen keine Fanfeindschaften bestehen.38 35
Koch, Fußball von A–Z, S. 113. Gunter Pilz, Gewalt im Umfeld von Fußballspielen, in: Bierhoff/Wagner, Aggression und Gewalt, S. 130 f. 37 Schulze-Marmeling, Fußball: Zur Geschichte eines globalen Sports, S. 202 f.; Lehmann, Kriminalistik 2000, 302; Pilz, Gewalt im Umfeld von Fußballspielen, in: Bierhoff/Wagner, Aggression und Gewalt, S. 131. 36
B. Die gesellschaftliche Relevanz des Hooliganismus
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2. Psychologische und soziologische Faktoren Hierunter sollen Umstände gefasst werden, die vornehmlich die Psyche des Einzelnen beeinflussen und solche, die mit seiner gesellschaftlichen Stellung zusammenhängen. a) Allgemeine Aggressionstheorien Zur Erklärung der Gründe der Ausschreitungen von Zuschauern bei Fußballspielen greifen einige Autoren auf die allgemeinen Aggressionstheorien zurück. Es wird üblicherweise nach drei Erklärungsansätzen unterschieden:39 Nach dem triebtheoretischen Ansatz stauen sich in jedem Menschen Aggressionen auf. Hiernach sind Zuschaueraggressionen nicht nur unvermeidbar, sondern sogar wünschenswert, da sie befreiende und reinigende Wirkung entfalteten. Diese sogenannte „Katharsis-Hypothese“ hat jedoch bislang keinen empirischen Beleg erfahren.40 Die sogenannte „Frustrations-Aggressions-Hypothese“ sieht jede Aggression in einer zuvor erlebten Frustration begründet. Die Zuschaueraggressionen seien das Ergebnis von Frustrationen der Stadionbesucher. Empirische Nachweise gibt es für diese Theorie, soweit ersichtlich, bislang nicht. Die bereits bei den sportbezogenen Faktoren aufgezeigte Wechselwirkung zwischen dem Verhalten der Spieler und der Zuschauer41 wird anhand des lerntheoretischen Ansatzes begründet. Danach werden Verhaltensweisen wiederholt, sofern sie zu einer für den Handelnden positiven Wirkung führen. Kommt es z. B. im Zusammenhang mit den Anfeuerungsrufen der Fans zum Erfolg der eigenen Mannschaft, so wird dieses Verhalten ebenso wiederholt wie die Behinderung der gegnerischen Mannschaft, etwa durch Pfiffe. b) Auswirkungen der Menschenmenge Die möglichen Wirkungen einer dichtversammelten Menschenmenge auf den einzelnen wurden bereits umrissen.42 Die psychologische Literatur weist auf den Charakter der Stadionveranstaltungen als Massenereignisse mit emotional 38 Stümper/Gemmler/Hammacher/Salewski, Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt aus der Sicht der Polizeipraxis, Rn 277 in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band II, Erstgutachten der Unterkommissionen; Schulz, Aggressive Handlungen von Fußballfans, S. 172. 39 Hierzu siehe Kirsch, Gewalt bei sportlichen Großveranstaltungen, S. 116 ff. sowie Schulz, Aggressive Handlungen von Fußballfans, S. 74 ff., jeweils m. w. N. 40 Kirsch, a. a. O.; ebenso ablehnend: Schneider, JZ 1992, 507. 41 Siehe oben Ziff. 1., lit. a). 42 s. o. unter A., Ziff. II., 1.
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
aufgeheizter Atmosphäre hin. Diese Bedingungen begünstigen explosionsartige Gewaltentladungen.43 Der Entwicklung gruppendynamische Kräfte dürfte ein erhebliches Maß an Verantwortlichkeit für die Gewalteskalation zuzuschreiben sein. c) Gewaltausübung als Identitätssuche Die Täter selbst geben auf die Frage nach dem Motiv ihrer Handlungen oftmals an, sie suchten das „Kick-Erlebnis“, den „Kitzel der Gewalt“. Die Suche nach extremen Erfahrungen wird als Teil des jugendlichen Verhaltens und der Bildung einer Persönlichkeit angesehen. Die derzeitige Gesellschaft stellt aufgrund ihrer zunehmenden Komplexität immer weniger Freiräume zur Verfügung, in denen Jugendliche sich ausleben und ihre Identität bilden können. Das Fußballstadion hingegen bietet einen Raum, in dem die Jugendlichen im Rahmen ihrer Identitätssuche Spannung und Abenteuer finden können. Dabei werden die strafrechtlichen Grenzen oftmals überschritten. Demnach stellen sich die gewaltsamen Fanausschreitungen als Folge einer gestörten und vielfach zerstörten Identitätsfindung dar.44 d) Gesellschaftliche Verwundbarkeit der Gewalttäter oder Spiegelbild der Gesellschaft? Nach einer Studie aus den 80er Jahren stellt die „gesellschaftliche Verwundbarkeit“ der Hooligans eine erhebliche Ursache der Zuschauergewalt dar. Hiernach liegt der soziale Status des durchschnittlichen Fußballrowdies unter dem eines Facharbeiters. Er hat eine schlechte Schullaufbahn hinter sich und findet wenig Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt vor. Aufgrund seiner negativen Erfahrungen in der Gesellschaft ignoriert er die übereinstimmende Verurteilung seines gewalttätigen Verhaltens.45 43 Remscheid/Hacker/Müller-Luckmann/Schmidt/Strunk: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus psychiatrischer Sicht, Rn 89 in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band II, Erstgutachten der Unterkommissionen; ebenso: Lehmann, Kriminalistik 2000, 301. 44 Bliesener/Fischer/Lösel/Pabst, Hooliganismus in Deutschland: Ursachen, Entwicklung, Prävention und Intervention, S. 113; Pilz, Int. Rev. For Soc. of Sport, 31/1 (1996), S. 49 ff., S. 50; Kerner/Kaiser/Kreuzer/Pfeiffer: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus kriminologischer Sicht, Rn 198. 45 van Limbergen/Walgrave: Fußballgewalt in Belgien, in: Horak/Reiter/Stocker: Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten, S. 57; auch Remscheid/Hacker/Müller-Luckmann/Schmidt/Strunk: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus psychiatrischer Sicht, Rn 90 in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band II, Erstgutachten der Unterkommissionen; ähnlich: Kuhleber, Einsatzlehre, S. 401 f.
B. Die gesellschaftliche Relevanz des Hooliganismus
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In jüngerer Zeit wird dagegen vermehrt auf eine Veränderung der sozialen Herkunft der Gewalttäter abgestellt. Unter ihnen befänden sich viele Abiturienten, Studenten und Heranwachsende in guten beruflichen Positionen. Dabei verfügten die gut situierten Gewalttäter über eine Doppelidentität in ihrer bürgerlichen Alltagsrolle einerseits und ihrer subkulturellen Rolle als Hooligan andererseits. Z. T. wird dieser Umstand als „Jekyll-Hyde-Syndrom“ bezeichnet, wobei sich der nette Nachbar für kurze Zeit in den potentiellen Gewalttäter verwandle.46 Eine im Auftrag des BMI durchgeführte Studie aus dem Jahr 2000 kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass es zwar durchaus sozial gut verankerte und im täglichen Leben unauffällige Hooligans geben kann. Jedoch ließen die Mehrzahl der Hooligans abgebrochene Schul- und Berufsausbildungen sowie biographische und psychologische Auffälligkeiten erkennen. Die negativen Erfahrungen aus instabilen Familienverhältnissen, Gewalt in der Familie, schulische oder berufliche Probleme werden durch die „erkämpfte“ Anerkennung in der HooliganGruppe ausgeglichen.47 e) Hooliganismus und politischer Radikalismus Einige Autoren messen der rechtsradikalen bzw. der Skinheadszene großen Einfluss auf den Hooliganismus zu; vor allem die sich entwickelnde UltraSzene sei von rechtsradikalen Gruppierungen durchsetzt. Auch die Polizeipraxis berichtet z. T. von einer personellen Überschneidung der jeweiligen Fußballszene mit der rechten Szene.48 Andere Autoren bestreiten eine Politisierung der Hooliganszene. Das Tragen rechtsradikaler Abzeichen oder die Skandierung von Naziparolen im Stadion geschehe nicht aus politischer Überzeugung, sondern in der Absicht, die Menge zu schockieren und Aufmerksamkeit zu erregen.49 46 Pilz, Fußballfans zwischen Verständnis und Verachtung, in: Winkler/Weis: Soziologie des Sports, S. 11; ebenso Kirsch, Gewalt bei sportlichen Großveranstaltungen, S. 93, 129. 47 Bliesener/Fischer/Lösel/Pabst, Hooliganismus in Deutschland: Ursachen, Entwicklung, Prävention und Intervention, S. 112 f. 48 Friederici, Sportbegeisterung und Zuschauergewalt, S. 19, ebenso Remscheid/ Hacker/Müller-Luckmann/Schmidt/Strunk: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus psychiatrischer Sicht, Rn 91 in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band II, Erstgutachten der Unterkommissionen; auch Kuhleber, Einsatzlehre, S. 343; Pilz, Maßnahmen gegen Rassismus im Fußball, Statement für die FIFA-Konferenz gegen Rassismus im Rahmen des außerordentlichen FIFAKongresses am 06.07.2001 in Buenos Aires; ders., Was leisten Fanprojekte, S. 12; ZIS Jahresbericht 2002/2003, S. 4. 49 Stümper/Gemmler/Hammacher/Salewski, Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt aus der Sicht der Polizeipraxis, in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band II, Erstgutachten der Unterkommissionen Rn 277;
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
f) Einfluss von Alkohol und sonstigen Drogen Der Genuss von Alkohol steht mit den Gewalthandlungen bei Fußballspielen in unmittelbarem Zusammenhang. Einer Studie zufolge, die einem Eilbeschluss des OVG Berlin zugrunde liegt, sind 68,58% aller Täter der anlassbezogenen Straftaten bei Fußballspielen alkoholisiert.50 In der Polizeipraxis wird dem Alkohol zwar keine aggressionsverursachende, zumindest aber aggressionsfördernde Wirkung beigemessen.51 Sowohl der DFB52 als auch die UEFA53 haben in ihren Sicherheitsbestimmungen den Ausschank von Alkohol untersagt; allein die mangelnde Umsetzung des Alkoholverbots steht in der Kritik.54 Alkoholverbote sind jedenfalls bei der Gruppe von Gewalttätern effektiv, die sich von anderen in betrunkenem Zustand aufgrund der enthemmenden Wirkung des Alkohols provozieren oder anstiften lassen. Nicht abschließend geklärt ist dagegen die Rolle des Alkohols bei den Tätern, die von vorn herein zur Gewalt entschlossen sind. Denn immer wieder wird betont, diese Gruppe verzichte bewusst auf den Alkoholgenuss vor und während der Veranstaltung, um sich die körperliche Fitness für den Kampf zu erhalten. Vielmehr wird der Kampf als solcher als eine Art Rausch erlebt; um diesen Zustand zu intensivieren, werden vermehrt aufputschende Drogen eingenommen.55 III. Gefahren und Auswirkungen des Hooliganismus Die Gefahren und Auswirkungen des Hooliganismus sollen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – an folgenden Bereichen aufgezeigt werden:
ebenso: Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03. 2000, S. 7; auch: Lehmann, Kriminalistik 2000, 303. 50 Beschluss des OVG Berlin vom 16.08.2000; AZ.: 1 S 5/00, http://www.berlin. de/home/Land/RBm-Just/OVG/Presse/OVG1S5_00/ 20.05.01. 51 Schmalzl/Renner/Hieber, Zwischen Ritual und Randale, S. 12. 52 § 23 Ziffer 1 der „Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen“ des Ligaverbandes der Lizenzligen untersagt den Vereinen, Alkohol in den Stadien auszuschenken; alkoholreduziertes Bier darf mit Einwilligung der Sicherheitsorgane abgegeben werden. 53 3.19 der verbindlichen Weisungen zur Verhütung von Zuschauerausschreitungen, Stand 2004. 54 Lehmann, Kriminalistik 2000, 303; auch Kuhleber, Einsatzlehre, S. 401. 55 Lösel/Selg/Schneider in: Schwind/Baumann, Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band II, Erstgutachten der Unterkommission Psychologie Rn 197; Bliesener/Fischer/Lösel/Pabst, Hooliganismus in Deutschland: Ursachen, Entwicklung, Prävention und Intervention, S. 113.
B. Die gesellschaftliche Relevanz des Hooliganismus
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1. Fußballfans als Opfer der Gewalt Die Gewaltausschreitungen gehen zunächst zu Lasten der wahren Fans. Sie sind im und um das Stadion im Brennpunkt der Gefahr. Die Polizeipraxis erfasste allein in der Spielzeit 2002/2003 222 Verletzte aufgrund der HooliganAusschreitungen. Davon war die überwiegende Anzahl (93 Verletzte) nicht zum Kreis der „Problemfans“ zu zählen, sondern es handelte sich um friedliche Stadionbesucher. Während weiterhin 52 verletzte Polizeibeamte registriert wurden, macht der Anteil der verletzten „Störer“ nur etwa 35% (77 Personen) aus.56 Entsprechende Erhebungen aus den Spielzeiten 2001/2002, 2000/2001, 1999/ 2000, 1998/1999 und 1997/1998 weisen einen ähnlich hohen Anteil unbeteiligter Verletzter auf.57 Selbst wenn man diese Statistiken mit dem Argument einer unbekannten Dunkelziffer von abgesprochenen, „internen“ Hooliganfights weit ab vom Stadion angreifen möchte, so bleibt dennoch eine erhebliche Anzahl Verletzter aus dem Kreis der friedlichen Stadionbesucher festzuhalten. Weiter müssen die Fans unzählige und unangenehme Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen. Ihrer Sportbegeisterung wird der Boden entzogen. Das Beispiel der „Tragödie von Lens“58 zeigt, wie die brutale Gewalt der Hooligans eine gesamte Fußball-Weltmeisterschaft überschatten kann. 2. Beeinträchtigung des Sports und der Tätigkeit der Vereine Auch der Sport und die Vereine bekommen die Beeinträchtigungen durch den Hooliganismus zu spüren. So halten die Ausschreitungen viele Fans vom Stadionbesuch ab.59 Der reibungsfreie Sportbetrieb wird behindert durch Spielabbrüche und -absagen.60
56 ZIS Jahresbericht 2002/2003, S. 5; in diese Zahl der Verletzten sind keine Verkehrsunfallopfer einberechnet. 57 ZIS Jahresbericht 2001/2002, S. 4: 260 Verletzte, 104 Unbeteiligte, 45 Polizeibeamte, 111 Störer; ZIS Jahresbericht 2000/2001, S. 4: 258 Verletzte, 111 Unbeteiligte, 53 Polizeibeamte, 94 Störer; ZIS Jahresbericht 1999/2000, S. 4: 209 Verletzte, 121 Unbeteiligte, 36 Polizeibeamte, 52 Störer; ZIS Jahresbericht 1998/1999, S. 4; 235 Verletzte, 121 Unbeteiligte, 34 Polizeibeamte, 80 Störer; ZIS Jahresbericht 1997/1998, S. 4; 338 Verletzte, 139 Unbeteiligte, 83 Polizeibeamte, 116 Störer. 58 „Focus“ 27/1998, S. 20 ff. und „Der Spiegel“ 27/1998, S. 78 ff.: Der Polizeibeamte und Familienvater Daniel Nivel wurde während der Fußball WM 1998 im französichen Lens von deutschen Hooligans brutal zusammengeschlagen. Er lag sechs Wochen im Koma. Sein Erinnerungsvermögen ist fast gänzlich aufgehoben. 59 John Williams, Rückkehr nach Europa?, in: Horak/Reiter/Stocker, Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten, S. 21. 60 Im Sommer 1999 musste ein Testspiel des 1. FC Köln in Nimwegen abgebrochen werden, weil Rotterdamer Hooligans das Spielfeld gestürmt hatten, dpa-Pressemeldung vom 14.09.1999.
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
Der DFB erkennt einen Ansehensverlust der Vereine und des gesamten Sports durch die Gewalt im und um die Stadien.61 Die Vereine sind damit belastet, konsequent und aktiv gegen die Gewalt vorzugehen. Bereits das Ignorieren oder gar eine Tolerierung verstärken die Gewalterscheinungen wie ein Katalysator. So wird z. B. aus Brasilien über die dort straff organisierten Fanclubs (sogenannte „Torcidas“) berichtet, wie sie in und um brasilianische Stadien ohne Kritik oder konsequente Gegenmaßnahmen der Vereinsführung ungestört gewaltsame Auseinandersetzungen organisieren.62 Ähnliche Probleme werden aus Italien gemeldet, wo die Gewalt durch die dortigen „Ultras“ zunimmt, während aus den Vereinsführungen keine Gegenanstrengungen zu verzeichnen sind.63 Insoweit drängt der Hooliganismus die Vereine zur Reaktion. Weitere Auswirkungen der Gewalttaten lassen sich an dem Exempel erkennen, das die UEFA am englischen Fußball im Anschluss an die Tragödie im Brüsseler Heysel Stadion im Jahr 1985 statuiert hat: Als englische Hooligans die Abgrenzungszäune im zum Spielfeld im Stadion niederrissen, wurden 39 Menschen getötet und 670 Fans verletzt. Wegen der Gewalttäter aus Liverpool wurden alle englischen Vereine von den europäischen Clubwettbewerben für fünf Jahre ausgeschlossen. Zudem werden die Vorfälle in Brüssel für das Scheitern der Bewerbung Englands um die Ausrichtung der Fußball-EM im Jahre 1988 verantwortlich gemacht. Durch diese Belastungen des englischen Fußballs erlitten die großen Vereine hohe finanzielle Einbußen; bei den kleineren Clubs zeigten sich Existenzkrisen.64 3. Hooliganismus als Gefahr für Heranwachsende Der Hooliganismus bietet für Jugendliche scheinbar einen Freiheitsraum, welcher es ermöglicht, die zur Identitätsfindung erforderlichen Grenzerfahrungen zu machen.65 Wenn die Jugendlichen aber ihre Persönlichkeit in der Umgebung des Hooliganismus aufbauen, in welchem Erfolg und Gewalt die einzigen Maßstäbe sind, so führt dies zu einer gestörten oder auch zerstörten Identitätsfindung.66 Die 61
Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe Nationales Konzept Sport und Sicherheit, S. 1. Kirsch, Gewalt bei sportlichen Großveranstaltungen, S. 121. 63 „Der Spiegel“, 12.03.2001, S. 187. 64 John Williams, Rückkehr nach Europa?, in: Horak/Reiter/Stocker, Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten, S. 14 ff.; Siekmann, Football Hooliganism, Chapter 3.1, p. 18. 65 s. o. Ziff. II., 2., lit. c). 66 Kerner/Kaiser/Kreuzer/Pfeiffer: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus kriminologischer Sicht, Rn 198 in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band II, Erstgutachten der Unterkommissionen. 62
B. Die gesellschaftliche Relevanz des Hooliganismus
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Hooligan-Szene als Auffangbecken für orientierungssuchende Jugendliche und Heranwachsende birgt erhebliches Gefährdungspotential für die Entwicklung der Gesellschaft in sich. 4. Angriff auf den Staat und Auswirkungen auf die Bevölkerung In mehrfacher Hinsicht hat die Gewalt bei Fußballspielen Auswirkungen auf den Staat und seine Bürger. Die Hooligans suchen ihr „Kick-Erlebnis“, indem sie ein „Räuber- und Gendarmspiel“ mit der Polizei inszenieren wollen.67 Die Auswirkungen der dabei entstehenden Gewalt lassen sich aber nicht auf die Täter-Szene reduzieren. Tolerierte und nach Ansicht der Bevölkerung nicht bewältigte Gewalt beeinträchtigt das Sicherheitsgefühl der Bürger. Es tritt eine Erosion des Rechtsbewusstseins ein und die Organe des Staates, insbesondere die Polizei, erleiden einen Ansehensverlust, da sie die Sicherheit ihrer Bürger scheinbar nicht herstellen oder erhalten können.68 Gerade die Herstellung der Sicherheit der Bevölkerung ist aber im Sinne der von Hobbes entwickelten Idee des Staatsvertrages die ureigenste Aufgabe und letztlich die Daseinsberechtigung des Staates.69 Daher greift die Gewalt der Hooligans den Bestand des Staates selbst an, indem sie die Funktionsfähigkeit seiner Organe auf die Probe stellt. Um einem Autoritätsverlust zu entgehen, muss dem Hooliganismus von seiten des Staates entgegengewirkt werden. Die augenscheinlichsten staatlichen Reaktionen sind die polizeilichen Sicherheitsmaßnahmen. Einerseits schützen sie den friedliebenden Bürger; andererseits aber haben sie freiheitsbeschränkenden Charakter und verschlingen erhebliche Steuergelder.70 Durch die zwangsläufige Einbeziehung Unbeteiligter in die polizeilichen Eingriffsmaßnahmen kann eine gefährliche Solidarisierung zwischen gewalttätigen Hooligans und ursprünglich friedlichen Fußballfans entstehen, welche aus der Sicht der betroffenen gewaltlosen Stadionbesucher mit einem Vertrauensverlust in die polizeiliche Arbeit einhergeht.71
67 Kirsch, Gewalt bei sportlichen Großveranstaltungen, S. 135; ebenso: Lehmann, Kriminalistik 2000, 301. 68 Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe Nationales Konzept Sport und Sicherheit, S. 1; Studienpapier „Großveranstaltungen/Demonstrationen“ der Polizeiführungsakademie Münster-Hiltrup, Stand 09/2000, S. 16. 69 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 3. 70 Die Kosten der polizeilichen Absicherung durch rund 2000 Beamte des UEFACup Spiels des VfB Stuttgart gegen Feyenoord Rotterdam im September 1998 wurden auf DM 0,5 Mio = A 0,26 Mio geschätzt, Stuttgarter Zeitung vom 08.04.2000. 71 Kuhleber, Einsatzlehre, S. 400.
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
Treten deutsche Hooligans im Ausland gewaltsam auf, so ergeben sich außenpolitische Auswirkungen. Die Ausschreitungen deutscher Gewalttäter während der Fußball-WM 1998 in Frankreich wurden zurecht als erhebliche Ansehensbeeinträchtigung der Bundesrepublik Deutschland gewertet.72 IV. Internationale Dimension des Hooliganismus Das Problem des Hooliganismus lässt sich nicht auf die Bundesrepublik Deutschland reduzieren. Es tritt in zahlreichen anderen europäischen Staaten auf (Ziff. 1.). Die Zunahme der europäischen Wettbewerbe bringt eine entsprechende „Europäisierung“ des Hooliganismus mit sich (Ziff. 2.). 1. Hooliganismus in anderen europäischen Staaten Das Phänomen der Gewaltausschreitungen bei Fußballspielen findet sich in verschiedenen Spielarten in nahezu sämtlichen europäischen Staaten.73 In England wird zwar ein Rückgang der Hooligangewalt innerhalb der Stadien verzeichnet; jedoch nahm die Gewalt im Zusammenhang mit Fußballspielen außerhalb der Stadien zu. Zudem treten englische Hooligans oftmals im Ausland in Erscheinung.74 Auch Italiens Fußball hat eine steigende Tendenz der Gewalt zu vermelden. Die sogenannten „Ultras“ grenzen sich von den im italienischen Verband offiziell anerkannten Fanclubs ab. Sie weisen eine feindselige Einstellung und eine nahezu militärische Organisation gegenüber der italienischen Polizei auf. Ihre gewaltsamen Auseinandersetzungen sind geprägt von guerilla-artigen Hinterhalten und strategischer Einbeziehung der polizeilichen Maßnahmen.75 In den Niederlanden werden zahlreiche Begegnungen der großen Vereinsmannschaften als Risikospiele eingestuft. Innerhalb des Stadions sind immer wieder Attacken auf die Spieler der gegnerischen Mannschaft in Form von Rauchbomben und Feuerwerkskörpern zu verzeichnen. Ebenso nahm die Gewalt außerhalb des Stadions zu und erfasste die Innenstädte.76 Im April 1999 72
VG Gelsenkirchen, SpuRt 2001, 76 f. Hierzu im Überblick: Siekmann, Football Holiganism, Chapter 5.1, pp. 39; Horak/Reiter/Stocker, Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten, S. 1 ff. 74 O’Higgins/Pearson, Hooliganism. 75 Dal Lago/De Biasi: Italien football fans, S. 78 ff. in: Giulianotti/Bonney/Hepworth: Football, violence and social identity, Chapter 4. 76 van der Brug, Football hooliganism in the Netherlands, in: Giulianotti/Bonney/ Hepworth: Football, violence and social identity, Chapter 8, pp. 176; auch: van de Sade, Fans und Gewalt im holländischen Fußball, in: Horak/Reiter/Stocker, Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten, S. 38. 73
B. Die gesellschaftliche Relevanz des Hooliganismus
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richteten Hooligans bei der Meisterschaftsfeier von Feyenoord Rotterdam einen Sachschaden in der Innenstadt in Höhe von ca. DM 10 Mio. (A 5,11 Mio.) an.77 2. „Europäisierung“ des Hooliganismus Die europäischen Sportwettbewerbe (Champions League, UEFA-Pokal und Europameisterschaft) gewinnen an Quantität und an Bedeutung.78 Diese „Europäisierung“ des Fußballs wirkt sich auch auf den Hooliganismus aus. Der sogenannte „Randaletourismus“, also das Reisen von Hooligans zu Spielen in solche Länder, deren Polizeikräfte noch weniger gut vorbereitet sind auf den Umgang mit Zuschauergewalt, erfreut sich großer Beliebtheit in der Szene.79 Zudem wird die aus der Bundesliga bekannte Rivalität unter den Hooligangruppen80 bei den europäischen Wettbewerben auf internationaler Ebene ausgetragen. So riefen bereits im Jahre 1994 deutsche Hooligans zum Kampf um die Vormachtsstellung in Europa auf.81 Im September 1999 war vor dem Champions-League-Spiel zwischen Borussia Dortmund und Feyenoord Rotterdam ein auf die deutschen Fans geplanter „Großangriff“ der Niederländer bekannt geworden, worauf die BVB-Vereinsführung ihr Kartenkontingent nicht in Anspruch nahm und auch keine Busfahrten nach Rotterdam organisierte, um den Stadionbesuch ihrer eigenen Anhänger wegen der großen Gefahr zu verhindern.82 Begegnen sich Nationalmannschaften, so wird die „Erbfeindschaft“ der Hooligans teilweise nach Nationalitäten ausgetragen. Z. B. wird bei Welt- und Europameisterschaften beobachtet, wie regionale Unterschiede innerhalb bestimmter Nationalitäten bei ansonsten verfeindeten Gruppen während des Turniers zugunsten nationaler Einigkeit verdrängt werden. Aus diesem Grund weisen bestimmte Spiele wie z. B. Deutschland gegen England oder gegen die Niederlande hohe Gefahrenpotentiale auf. Weiter wird von Kontakten zwischen den Hooligan-Gruppierungen der verschiedenen europäischen Länder berichtet. Im Rahmen internationaler Treffen werden Hooligan-Strategien bei Risikospielen ausgetauscht und angewendet.83
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dpa 14.09.1999. Die Europäische Union erkennt aus diesem Grund in ABl. 2002 Nr. C 22 S. 2 die „internationale Dimension“ des Fußballs an; auch das „Europäische Sportmodell“ der Kommission der EG konstatiert eine „Globalisierung“ des Sports in Europa, SpuRt 1999, 230 f. 79 Lehmann, Kriminalistik 2000, 301; auch Kuhleber, Einsatzlehre, S. 403, der den Begriff „Gewalttourismus“ verwendet. 80 Hierzu siehe oben Ziff. II., 1., lit. c). 81 Markert/Schmidbauer, BayVBl. 1993, 518, FN 4. 82 ZIS Jahresbericht 1999/2000, S. 13. 78
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
Die grenzüberschreitende Hooligan-Problematik veranlasste die UEFA dazu, für die Veranstalter verbindliche Sicherheitsrichtlinien zur Ausrichtung europäischer Spielbegegnungen zu erlassen. Risikospiele sind hiernach v. a. das Champions-League Finale und die Finalrunden der Fußball-EM.84 V. Ergebnis Das Fußballspiel wurde seit seinen Anfängen von Gewalterscheinungen begleitet. Mit dem Bedeutungszuwachs des Fußballsports wuchs auch die gesellschaftliche Relevanz der Zuschauergewalt. Die 1990er Jahre waren bei einem quantitativen Rückgang der Hooligangewalt gekennzeichnet von einer Steigerung an Intensität und Gefährlichkeit der Ausschreitungen. Die Ursachen der Hooligangewalt sind vielschichtig und noch nicht abschließend erforscht. Derzeit ist von einer Vielzahl verschiedener Faktoren auszugehen, die Gewalt im und um das Stadion verursachen können und sich gegenseitig beeinflussen. Die nachteiligen Auswirkungen des Hooliganismus betreffen sowohl die Fans als auch die einzelnen Vereine und den Sport insgesamt. Er stellt eine Gefahr für heranwachsende Jugendliche dar, die ihre Persönlichkeit in der HooliganSzene bilden. Die Bevölkerung erwartet von den staatlichen Organen, vor der Zuschauergewalt geschützt zu werden. Das Phänomen des Hooliganismus erstreckt sich auf zahlreiche europäische Länder. Im Rahmen internationaler Wettbewerbe führen die Gewalttäter Auseinandersetzungen mit Hooligans anderer europäischer Länder, was die Zuschauergewalt zu einem Problem mit grenzüberschreitender Dimension macht.
C. Veranstaltungstypische Ausgangslage und polizeilicher Aufwand zur Verhinderung der Hooligangewalt Die Hooligangewalt hat die Spielbegegnungen im Fußball zu einem polizeilichen Lehrbeispiel für typische Gefährdungslagen gemacht, die besondere polizeiliche Sicherheitsarbeit erfordern.85 Die Polizei sieht sich dabei einer veranstaltungstypischen Ausgangslage gegenüber, die sowohl bezüglich der Eintei83 van Limbergen/Walgrave, Fußballgewalt in Belgien, in: Horak/Reiter/Stocker, Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten, S. 67. 84 Zu den verbindlichen Weisungen der UEFA zur Verhütung von Zuschauerausschreitungen (Fassung 2004) siehe Siekmann, Football Hooliganism, Chapter 2.5, pp. 16. 85 So erläutert Kuhleber, Einsatzlehre, S. 343 ff. die einsatztechnische Bewältigung unpolitischer Veranstaltungen am Beispiel einer Fußballveranstaltung.
C. Veranstaltungstypische Ausgangslage und polizeilicher Aufwand
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lung der Zuschauer (hierzu Ziff. I.) als auch der anlassbezogenen Straftaten (hierzu Ziff. II.) durch die spezifischen Probleme des Hooliganismus gekennzeichnet ist. Dementsprechend bestimmt sich auch der Aufwand zur polizeilichen Absicherung von Sportgroßveranstaltungen (hierzu Ziff. III.) primär nach dem Ziel der Verhinderung von gewaltsamen Ausschreitungen. I. Zuschauerbezogene Veranstaltungslage eines Fußballspiels Die Ausgangslage, die sich für die Polizei bietet, ist gekennzeichnet von einer vergleichsweise geringen Anzahl gewaltentschlossener Täter, die sich inmitten einer unüberschaubaren, meist emotionsgeladenen Zuschauermenge bewegen (hierzu Ziff. 1). Dabei weist die stadionbesuchende Hooligan-Szene selbst eine ihr eigentümliche Strukturierung auf (hierzu Ziff. 2.). 1. Zusammensetzung der Besucher und Störerpotential Die Zusammensetzung der Besucher und das Störerpotential eines Fußballspiels wird im folgenden anhand der polizeilichen bzw. soziologischen Einteilung der Zuschauer [lit. a)] sowie eines Überblicks über die numerische Dimension von sogenannten „Problemfans“ [hierzu lit. b)] dargestellt. In diesem Zusammenhang soll auch die mancherorts hervorgebrachte Kritik an der schematischen Zuordnung der Stadionbesucher nicht verschwiegen werden [lit. c)]. a) Einteilung der Zuschauer Die Polizeipraxis teilt die Zuschauer eines Fußballspiels in die „Fan-Kategorien“ A, B und C ein.86 In der Soziologie wird von konsumorientierten, fußballzentrierten und erlebnisorientierten Stadionbesuchern gesprochen. Wenn auch diese beiden Zuordnungsmethoden nicht völlig deckungsgleich sein mögen, so hat doch jede von ihnen den Charakter einer Modellbetrachtung.87 Sie können die Wirklichkeit nicht exakt wiedergeben, sondern allenfalls eine Hilfe sein, die grobe Zusammensetzung der Zuschauer im Stadion schematisch zu erfassen. Daher soll die polizeiliche gemeinsam mit der soziologischen Einteilung vorgestellt werden:88 Der überwiegende Teil der Stadionbesucher (ca. 80%) wird der Kategorie A zugeordnet. Dieser Prototyp des Zuschauers ist an Spannung und an gutem Sport interessiert. Er entspricht dem „konsumorientierten“ Typ des Stadionbesu86 87 88
Kuhleber, Einsatzlehre, S. 365. Pilz, Fußballfans zwischen Verständnis und Verachtung, S. 120. So auch bei Kirsch, S. 85 ff.
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
chers und stellt in der Regel kein sicherheitstechnisches Problem dar; er bildet aber Publikum und Plattform für die Selbstdarstellung der Gewalttäter.89 Zuschauer der Kategorie B sind sogenannte „konfliktgefährdete Zuschauer“. Sie sind bei Gelegenheit gewaltgeneigt und machen etwa 20% des Zuschaueraufkommens aus. Viele Zuschauer dieser Kategorie gehören der sogenannten „Kutten-Szene“ an. Die Jacke der Kutten-Fans, die sogenannte „Kutte“, ist mit einer Vielzahl von Vereinsemblemen ausgestattet. Gefahrenpotential birgt der gewaltgeneigte Fan in seiner hohen emotionalen Bindung an den Verein und an das Spiel; auch der aggressionsfördernde Konsum von Alkohol spielt beim konfliktgefährdeten Zuschauer eine erhebliche Rolle. Aufgrund des hohen Stellenwerts des Fußballs bei den Fans vom Typ B werden sie auch als „sport- oder fußballzentrierte“ Fans bezeichnet.90 Der Kategorie C ordnet die Polizei diejenigen Stadionbesucher zu, die von vorn herein zur Gewalt entschlossen sind. Diese Gewalttäter machen weniger als 1% der Zuschauer aus.91 Nicht abschließend geklärt ist deren Interesse am Spiel oder an einem bestimmten Verein. Teils wird angeführt, die Gewalttäter seien in keiner Weise am Spiel interessiert, sondern ausschließlich am Spektakel und an der Gewalt.92 Andere Stimmen behaupten, diese Stadionbesucher seien sehr wohl am Spielgeschehen und am Erfolg einer bestimmten Mannschaft interessiert. Daher ist auch umstritten, ob der Stadionbesucher der Kategorie C dem soziologischen Typus des „erlebnisorientierten Zuschauers“ entspricht.93 Daneben werden die Fans der Kategorie C teils insgesamt als „Hooligans“ bezeichnet, teils werden dabei sogenannte Bomberjacken, Skinheads und andere gewalttätige Personen begrifflich zusammengefasst.94 89 Kirsch, Gewalt bei sportlichen Großveranstaltungen, S. 85; siehe auch oben Teil A., Ziff. II., 2. 90 Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03. 2000, S. 5; Kerner/Kaiser/Kreuzer/Pfeiffer a. a. O., Rn 190. 91 Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03. 2000, S. 5. 92 Schild, Strafrechtliche Fragen der Ausschreitungen von Zuschauern bei Sportveranstaltungen, in: ders., Rechtliche Aspekte bei Sportgroßveranstaltungen, S. 74 ff. m. w. N. 93 Kerner/Kaiser/Kreuzer/Pfeiffer: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus kriminologischer Sicht, Rn 190 in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band II, Erstgutachten der Unterkommissionen und Kirsch, Gewalt bei sportlichen Großveranstaltungen, S. 89 stellen den „erlebnisorientierten Zuschauer“ gemeinsam mit dem Stadionbesucher der Kategorie C vor; dagegen: Pilz, Fußballfans zwischen Verständnis und Verachtung, S. 120, der auf die fließenden Grenzen der soziologischen Typeneinteilungen hinweist und vor einer vorschnellen Einteilung in „gute“ und „böse“ Stadionbesucher warnt. 94 Einerseits Kirsch, Gewalt bei sportlichen Großveranstaltungen, S. 89; ebenso das Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03.2000, S. 5;
C. Veranstaltungstypische Ausgangslage und polizeilicher Aufwand
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b) Numerische Dimension der „Problemfans“ Die Zuschauersituation wird jährlich zum Saisonende für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik von der ZIS erfasst, welche beim LKA NRW eingerichtet wurde. Grundlage für diese Erfassung ist ein Fragebogen, mit welchem die ZIS die Daten bei den Spielortbehörden und den Behörden des BGS erhebt. Hiernach muss in Deutschland mit rund 7.300 gewaltbereiten sogenannten „Problemfans“ aus den beiden Fußball-Bundesligen gerechnet werden. Auf die gewaltentschlossene Kategorie C entfallen rund 2.450 und auf die gewaltgeneigte Kategorie B etwa 4.850 Personen. Hinzuzuzählen ist das Gewaltpotential aus den Regional-Ligen (insgesamt ca. 2.800 „Problemfans“). Statistisch gesehen entfallen auf jeden Verein der 1. und 2. Bundesliga ca. 200 Fans der Kategorie B und C. Teilweise werden dabei Überschneidungen zur rechtsradikalen Szene registriert oder bei den jeweiligen Personen allgemein straffälliges Verhalten auch außerhalb der Hooligan-Szene festgestellt.95 c) Kritik an der polizeilichen Einteilung der Zuschauer Aus polizeilicher Sicht hat sich die Dreiteilung der Zuschauer bewährt. Trotz diverser Abgrenzungsschwierigkeiten erleichtert sie den nationalen und internationalen Informationsaustausch und liefert Grundlagen zur Beurteilung der Störerlage bei einem anstehenden Fußballspiel.96 Dagegen wird vorgebracht, die polizeiliche Einteilung der Zuschauer habe der zuvor einheitlichen Fan-Szene eine „Gut-und-Böse-Unterscheidung“ aufgesetzt, die sie übernommen habe. Die Kategorisierung von Gewalttätern habe die Hooligan-Szene erst entstehen lassen. Die Hooligans hätten die Rolle des Gewalttäters angenommen und sich über ihr elitäres Selbstverständnis von der übrigen Fan-Szene um die „Kuttenaffen“ abgegrenzt. Dementsprechend tragen sie selten üppige Vereinsutensilien, sondern treten in „ziviler“, oftmals teurer Markenkleidung auf. Die vormals bestehenden Selbstregulierungskräfte der Kuttenszene bestünden in der neu entstandenen Hooligan-Szene nicht mehr, was zu einer Zunahme der Gewalt geführt habe.97 andererseits Stümper/Gemmler/Hammacher/Salewski, Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt aus der Sicht der Polizeipraxis, Rn 270 in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band II, Erstgutachten der Unterkommissionen. 95 ZIS Jahresberichte 2002/2003, S. 2 ff. 2001/2002, S. 3 f., 2000/2001, S. 1 ff. und 1999/2000, S. 3. 96 Bliesener/Fischer/Lösel/Pabst, Hooliganismus in Deutschland: Ursachen, Entwicklung, Prävention und Intervention, S. 104, ebenso Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03.2000, S. 6. 97 Gehrmann, „Selbstregulierungsmechanismen“ – Ein Begriff verschwindet, in: Brednich/Hartinger, Gewalt in der Kultur, S. 438 ff.; S. 439 FN 6; ebenso: Benke/Utz,
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
2. Struktur und Organisationsgrad der Hooligan-Szene Für die Durchsetzbarkeit und die Wirksamkeit einer polizeilichen Verfügung zur Gefahrenabwehr gegenüber einem Hooligan ist nicht zuletzt die Struktur und der Organisationsgrad der Szene relevant. Diese werden nachfolgend anhand der Altersstruktur der Szene [lit. a)], der szeneninternen Unterscheidung nach „Guten und Lutschern“ [lit. b)] sowie der Kommunikationswege der Szene aufgezeigt. a) Altersstruktur der Szene Die Hooligan-Szene selbst besteht überwiegend aus männlichen Jugendlichen und jungen Männern im Alter zwischen 12 bis 25 Jahren. Oftmals werden bereits Grundschüler beim Stadionbesuch mit der Gewalt durch Hooligans konfrontiert. Durch die ständige Präsenz im Stadion erfolgt ein „schleichender“ Eintritt in die Szene. Ein kritisches Alter wird bei etwa 14 Jahren gesehen, in dem der Schritt vom Kind zum Mann begonnen werde. Der Zeitpunkt des Ausstiegs richtet sich nach Alter und Einbindung in Beruf und Familie. Die Hooliganexistenz wird nicht abrupt, sondern ebenso wie der Einstieg nach und nach beendet.98 b) Szeneinterne Unterscheidung nach „Guten“ und „Lutschern“ sowie interne Verbindung unter den Hooligans Innerhalb der Szene wird von „Guten“ und „Lutschern“ gesprochen. Die „Guten“ sind die Anführer der Szene und haben sich bereits eine Respekts- und Führungsposition erworben. Sie treffen Verabredungen und können gewaltsame Auseinandersetzungen organisieren. Wer als „Lutscher“ bezeichnet wird, hat sich dagegen noch keinen Respekt in der Szene verschafft. Daher wollen die „Kugelschreiber-Hooligans“99, wie sie auch genannt werden, durch besonders aggressive und brutale Vorgehensweise bei den „Guten“ Aufmerksamkeit erregen und sich Anerkennung verschaffen. Daneben gibt es Mitläufer, die zu kei-
Kriminologisches Journal 1989, 93 und Pilz, Fußballfans zwischen Verständnis und Verachtung, S. 120. 98 Kerner/Kaiser/Kreuzer/Pfeiffer: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus kriminologischer Sicht, Rn 191 in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band II, Erstgutachten der Unterkommissionen; Gehrmann, „Selbstregulierungsmechanismen“ – Ein Begriff verschwindet, in: Brednich/Hartinger, Gewalt in der Kultur, S. 448 f.; Bliesener/Fischer/Lösel/Pabst, Hooliganismus in Deutschland: Ursachen, Entwicklung, Prävention und Intervention, S. 108. 99 Sujata, Massendelinquenz am Beispiel ungegliederter Spontan- und Gelegenheitsgemeinschaften; siehe auch Benke/Utz, Kriminologisches Journal 1989, 90.
C. Veranstaltungstypische Ausgangslage und polizeilicher Aufwand
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ner Gruppe gezählt werden können, aber dennoch den Weg in die gewaltsame Auseinandersetzung suchen.100 Weiter wird ein allgemeiner Trend verzeichnet, der sich gegen eine dauerhafte Gruppenbindung richtet. Die losen und informellen Verbindungen, welche sich am Wochenende zusammenfinden, um die „dritte Halbzeit“101 zu erleben, nimmt immer mehr zu. Zwar treten die Hooligans niemals allein, sondern stets in Gruppen auf, welche sich nach eigenem Verständnis bestimmten Vereinen zuordnen. Feste Strukturen oder Hierarchien lassen sich – neben der Existenz einiger Rädelsführer – aber immer seltener feststellen.102 c) Kommunikationswege der Hooligans Die Polizeibehörden verzeichnen zielgerichtete und geplante Verabredungen der gegnerischen Hooligans zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Die Verabredungen werden kurzfristig mithilfe von Mobilfunktelefonen getroffen, um die polizeilichen Aufklärungsmaßnahmen zu erschweren. Die Vereinbarung eines Treffpunkts über das Internet konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Über vergangene Auseinandersetzungen berichten die Gewalttäter im Internet oder in den sogenannten „Fanzines“, den Spezialzeitschriften und Flugblättern aus der Hooligan-Szene.103 II. Anlassbezogene Straftaten bei Sportgroßveranstaltungen Die Straftaten, die im Rahmen von Zuschauerausschreitungen bei Fußballspielen typischerweise begangen werden, sind in den bundesweiten ZIS Jahresberichten des LKA NRW als sogenannte „anlasstypische Gewaltdelikte“ verzeichnet. Mehr als die Hälfte (53,7%)104 aller in diesem Zusammenhang einge100 Kirsch, Gewalt bei sportlichen Großveranstaltungen, S. 92; Stümper/Gemmler/ Hammacher/Salewski, Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt aus der Sicht der Polizeipraxis, Rn 274 in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band II, Erstgutachten der Unterkommissionen. 101 Im Jargon der Hooligans bezeichnet die „dritte Halbzeit“ die gewaltsame Randale und körperliche Auseinandersetzung. 102 Sujata, Ziff. 3.2; Bliesener/Fischer/Lösel/Pabst, Hooliganismus in Deutschland: Ursachen, Entwicklung, Prävention und Intervention, S. 108; Lehmann, Kriminalistik 2000, 300. 103 ZIS Jahresbericht 2002/2003, S. 10; Sujata Ziff. 3.6.1. sowie Kirsch, Gewalt bei sportlichen Großveranstaltungen, S. 91 mit Beispielen von „Fanzines“ im Anhang. 104 ZIS Jahresbericht 2002/2003 S. 6. Dieser Anteil anlasstypischer Delikte lässt sich in seiner Höhe auch in den ZIS Jahresberichten 2001/2002 (dort auf S. 6, 54,6%), 2000/2001 (51%, dort S. 6), 1999/2000 (56,3%), 1998/1999 (62,0%, dort auf S. 5), 1997/1998 (59,1%, dort auf S. 5) und 1996/1997 (Bezugnahme in ZIS Jahresbericht 1997/1998 auf S. 5) zurückverfolgen.
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
leiteten Strafverfahren entfallen auf diese bestimmten Deliktsarten. Sowohl ihre Anzahl (Ziff. 1.) als auch ihre Art (Ziff. 2.) haben Einfluss auf das polizeiliche Sicherheitskonzept bei Sportgroßveranstaltungen. 1. Anzahl der Delikte In der Saison 2002/2003 wurden von den einsatzführenden Dienststellen der Polizeien der Länder sowie durch den BGS als Bahnpolizei insgesamt 3.389 Strafverfahren im Rahmen von Fußballspielen der ersten und zweiten Bundesliga sowie der UEFA Clubwettbewerbe eingeleitet. Diese Zahl entspricht im Durchschnitt der Einleitung von 5,7 Ermittlungsverfahren pro Spiel der Bundesliga und 4,7 Ermittlungsverfahren pro Spiel der UEFA-Clubwettbewerbe. Sie ist im Vergleich zu den Vorjahren annähernd konstant geblieben.105 2. Art der Delikte Die Art der Delikte ist durch die Anlasstypik vorgezeichnet. Die Polizeipraxis spricht daher von „anlasstypischen Delikten“ [lit. a)]. Darüber hinaus ist festzustellen, dass den Tätern auch bei Körperverletzungen und Tötungen die Schuldgefühle fehlen [lit. b)]. Ferner werden Verstöße gegen das WaffG [lit. c)] und das SprengstoffG [lit. d)] begangen sowie die Straftatbestände des Hausfriedensbruchs [lit. e)], des Raubes [lit. f)] sowie der Beleidigung, Nötigung und Bedrohung [lit. g)] verwirklicht. a) „Anlasstypische Delikte“ Als anlasstypische Gewaltdelikte werden von der ZIS erfasst: Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB), Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§§ 113 f. StGB), Landfriedensbruch (§ 125 StGB) sowie Sachbeschädigung (§ 303 StGB) und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB). Den größten Anteil machen die Körperverletzungsdelikte aus (26,9%). Sachbeschädigung ist in jedem 10. Fall der Anlass für ein Ermittlungsverfahren. Daran schließen sich Landfriedensbruch (6,4%) und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (5,2%) an. Zu nicht unbedeutendem Anteil wird das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen registriert.106 105 ZIS Jahresbericht 2002/2003, S. 7; aus den jeweiligen ZIS Jahresberichten ergeben sich die eingeleiteten Strafverfahren für die Spielzeiten 1995/1996 (2.831), 1996/ 1997 (2.659), 1997/1998 (3.089), 1998/1999 (2.025), 2000/2001 (2.901) und 2001/ 2002 (3.232). 106 ZIS Jahresbericht 2002/2003, S. 6. Die hier wiedergegebenen Zahlen und Prozentsätze beziehen sich nicht auf erwiesene Straftaten sondern lediglich auf eingeleitete Ermittlungsverfahren.
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b) Körperverletzungen und Tötungen Gewaltsame Ausschreitungen bringen naturgemäß Köperverletzungsdelikte aller Art mit sich. An dieser Stelle muss jedoch festgehalten werden, dass auch Körperverletzungen in schwerster Form, in „Ausnahmefällen“107 auch Tötungen vorkommen können, wenn die Gewalt eskaliert. Dieser Umstand verdient es umso mehr hervorgehoben zu werden, als es Anzeichen für ein bewusstes Einkalkulieren dieser schweren Folgen durch die Hooligans gibt. Ein solcher völliger Verlust der Schuldgefühle und der Verantwortung für das eigene Tun bis hin zur Billigung von Tötungen durch die Täter wird dem Verlust der szeneinternen Selbstregulierungskräfte zugeschrieben.108 c) Verstöße gegen das WaffG Der zunehmende Einsatz von Waffen (insbesondere Baseball-Schläger, Messer, abgesägte Regenschirmspitzen, Tränengas und Leuchtpistolen) in den gewaltsamen Auseinandersetzungen und die sich daraus ergebende Gefährlichkeit wird sowohl von Hooligans beklagt als auch von Seiten der Polizei mit Besorgnis wahrgenommen.109 Das Mitführen derartiger Gegenstände bei öffentlichen Veranstaltungen wird nach den §§ 53 Abs. 3 Nr. 4 i. V. m. 39 WaffG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren kann bestraft werden, wer ein Geschoss im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 7 WaffG mit sich führt, das dazu bestimmt ist, leicht entflammbare Stoffe zu verteilen (§ 53 Abs. 1 Nr. 4 WaffG), was bei Leuchtpistolen im Stadion zutreffen kann. d) Verstöße gegen das SprengstoffG Das Auftreten der sogenannten „Ultras“ in den Stadien ist verbunden mit dem Entzünden bengalischer Feuer oder Rauchbomben.110 Sofern dabei explosionsgefährliche Stoffe i. S. d. § 3 SprengstoffG ohne Erlaubnis verwendet werden, handelt es sich um eine Straftat, die gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 SprengstoffG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren (bei Fahrlässigkeit gemäß § 40 Abs. 4 SprengstoffG mit bis zu einem Jahr) bestraft werden kann.
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Sujata Ziff. 3.2. Pilz, Gewalt im Umfeld von Fußballspielen, in: Bierhoff/Wagner, Aggression und Gewalt, S. 137. 109 Weis/Alt/Gingeleit, Probleme der Fanausschreitungen und ihrer Eindämmung, Rn 24, in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band III, Sondergutachten. 110 Pilz, Was leisten Fan-Projekte, S. 12; auch: ZIS Jahresbericht 2002/2003, S. 3. 108
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Nach Auskunft szenekundiger Polizeibeamten ist das Gefährdungspotential dieser Taten nicht zu unterschätzen, da die Sprengsätze überwiegend von Laien zusammengebastelt sind und inmitten einer riesigen Menschenmenge gezündet werden. Gefährdet der Täter bei solch einer Tat wissentlich Leib oder Leben eines anderen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert, so kann er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden (§ 40 Abs. 3 SprengstoffG). Daneben kommt bei der Verletzung anderer Personen eine Strafbarkeit gemäß den §§ 223 ff. und 229 StGB in Betracht. e) „Stadionverbot“ und Hausfriedensbruch Verstoßen Hooligans gegen die Stadionordnung, so liegt zwar in der Regel „nur“ eine Ordnungswidrigkeit vor, sofern die Stadionordnung öffentlich-rechtlichen Charakter hat. Gleichwohl kann ein solcher Verstoß für den Täter empfindliche Folgen nach sich ziehen, wenn der Veranstalter sein Hausrecht nutzt und dem Betroffenen ein sogenanntes „Stadionverbot“ erteilt. Auch wer Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren aufgrund einer sogenannten „anlassbezogenen Straftat“ ist, soll regelmäßig Adressat eines Stadionverbots werden.111 Während sich dieses Verbot bei minderschwerem Fehlverhalten auf das örtliche Stadion beschränkt, soll es nach den Richtlinien des DFB bzw. des Ligaverbandes bei schwerwiegenden Handlungsweisen mit bundesweiter Wirkung ausgesprochen werden. Über das Stadionverbot unterrichtet der Veranstalter sowohl die Polizei als auch den DFB, welcher die erhaltenen Informationen an die ZIS weiterleitet. Wird ein Stadion entgegen dem Hausverbot betreten, so hat der Veranstalter nach § 30 Nr. 7 der DFB-Sicherheitsrichtlinien Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs (§ 123 Abs. 1 StGB) zu stellen. f) Das szeneinterne „Rippen“ und seine Entwicklung zum allgemeinen Raubdelikt Entreißen sich verfeindete Fan-Gruppierungen der Kutten-Szene ihre mitgeführten Fan-Insignien wie Vereinsschale, Fahnen und Wappen gewaltsam, so erfüllt dies den Tatbestand des Diebstahls (§ 242 StGB) oder gar des Raubes (§ 249 StGB; sofern Waffen mitgeführt werden, ist auch eine Strafbarkeit aus § 250 StGB nicht ausgeschlossen).112 Hooligan-Gruppierungen führen zwar nur noch wenige dieser „Ehrenzeichen“ mit sich. Dennoch haben sie das im Jargon der Kutten-Szene bezeichnete „Rippen“ übernommen und entwenden sich nun 111 Vgl. § 30 der Richtlinien des Ligaverbandes zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen. 112 Schmalzl/Renner/Hieber, Zwischen Ritual und Randale, S. 26; a. A.: Schild, Strafrechtliche Fragen der Ausschreitungen von Zuschauern bei Sportveranstaltungen, in: ders., Rechtliche Aspekte bei Sportgroßveranstaltungen, S. 88.
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gegenseitig ihre Markenkleidung („casual wear“), die sie bei Stadionbesuchen tragen. Eine Vermengung dieser als rituell bezeichneten Raubdelikte mit allgemeiner Bereicherungskriminalität ist bisweilen auf der Anfahrt zum Stadion bei Auswärtsspielen erkennbar, indem an der Tankstelle Bier entwendet oder gar der Rastplatz geplündert wird.113 g) Beleidigungen und Drohungen durch verbale Aggressionen Schließlich sind bei verbalen Aggressionen viele Beleidigungen und Drohungen wahrnehmbar. Auch auf dieser Ebene der verbalen Aggressionen wird eine zunehmende Brutalisierung festgestellt.114 Ob dieses Verhalten bereits eine Strafbarkeit aus den §§ 241 (Bedrohung), 240 StGB (Nötigung) oder 185 StGB (Beleidigung) begründet, wird im Einzelfall zu prüfen sein. Nach der Lehre von der Sozialadäquanz sind zu weit gefasste Tatbestände einzuschränken, wenn sie sich auf übliche, von der Allgemeinheit gebilligte und in strafrechtlicher Hinsicht im sozialen Leben gänzlich unverdächtige Handlungen erstrecken.115 Dies mag z. T. zutreffen für Beleidigungen durch Schmähgesänge, die im Stadion von einem Fanblock an den anderen gerichtet sind. Wo aber durch verbale Aggressionen gewaltsames Verhalten zielgerichtet vorbereitet wird, ist kein Raum für die Anwendung der Lehre von der Sozialadäquanz. Diese Lehre stellt keinen Freibrief für strafbares Verhalten aus. Dies gilt umso mehr, als die Rädelsführer durch verbale Aggressionen Mitläufer motivieren, sich an den gewaltsamen Auseinandersetzungen zu beteiligen. III. Aufwand der Polizei für fußballerische Spielbegegnungen Der erforderliche Polizeiaufwand soll im folgenden betrachtet werden nach dem numerischen Personalaufwand (siehe unter Ziff. 1.), der Herausbildung von polizeilichen „Fußball-Spezialisten“ (siehe unter Ziff. 2.), den konkreten Maßnahmen bei der Vorbereitung und Durchführung eines Großeinsatzes am Spieltag (siehe unter Ziff. 3.) und den Formen grenzüberschreitender polizeilicher Zusammenarbeit in Europa (siehe unter Ziff. 4.).
113 Gehrmann, Selbstregulierungsmechanismen – Ein Begriff verschwindet, in: Brednich/Hartinger, Gewalt in der Kultur, S. 446 f. 114 Kerner/Kaiser/Kreuzer/Pfeiffer: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt aus kriminologischer Sicht, Rn 194 in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band II, Erstgutachten der Unterkommissionen; Schulz, Aggressive Handlungen von Fußballfans, S. 108 mit Beispielen. 115 Roxin, § 10 Rn 33 ff.; OLG München, NStZ 1985, 549.
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1. Größenordnungen im Personalaufwand Insgesamt 743 Spiele auf nationaler und internationaler Ebene mussten in der Saison 2002/2003 von polizeilichen Einsatzmaßnahmen begleitet werden. Die Polizeibehörden der Länder und des Bundes leisteten dabei 900.888 Arbeitsstunden. Statistisch bedeutet dies die hauptamtliche Verwendung von 693 Polizeibeamten nur für Fußballeinsätze.116 Numerisch betrachtet wird daher zur Absicherung von Fußballspielen gegen Gewaltausschreitungen durch Zuschauer jährlich die Kapazität einer Polizeidirektion eingesetzt.117 2. Herausbildung von „Fußball-Spezialisten“ Die veranstaltungsbezogenen polizeilichen Probleme führten zu umfangreichen Fortbildungsmaßnahmen und zur Herausbildung von Spezialkräften innerhalb der Polizei und der Justiz, die zur Bewältigung der Gefahren eines Fußballspiels eingesetzt werden. a) Polizeiinterne Fortbildungsmaßnahmen Die Polizei hat sich mit der Gewalt bei Fußballspielen schon früh in besonderer Weise auseinandergesetzt und bildet auf diesem Gebiet ihre Beamten ständig fort. Seit 1977 führt die Polizei-Führungsakademie Seminare und Arbeitstage für Einsatzleiter zu diesem Problem durch.118 Zudem verfassen diverse Autoren übersichtliche Handlungsempfehlungen, die an die Beamten vor Ort und die privaten Sicherheitskräfte gerichtet sind.119 b) Tätigkeit der „szenekundigen Beamten“ In denjenigen Polizeibehörden, die für die Stadtgebiete mit Bundesligavereinen zuständig sind (sogenannte „Bundesligabehörden“120) werden Beamte speziell für Fußballeinsätze abgestellt. Diese sogenannten „szenekundigen Beamten“ haben vielfältige Aufgaben, die sich sämtlich auf die Fußball- und Hooli116
ZIS Jahresbericht 2002/2003, S. 12. Zum Vergleich: Der bayerischen Polizeidirektion Erding stehen zur Betreuung ihres Zuständigkeitsbereichs von 2.236 km2 und ca. 380.000 Einwohnern ca. 600 Beamte zur Verfügung (http://www.polizei.bayern.de/ppobb/pded/wir/gruss_ed.htm, 10.11.2001). 118 Weis/Alt/Gingeleit, Probleme der Fanausschreitungen und ihrer Eindämmung, Rn 143, in: Schwind/Baumann: Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Band III, Sondergutachten. 119 Siehe Schmalzl/Renner/Hieber: Zwischen Ritual und Randale. 120 Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03. 2000, S. 13. 117
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gan-Szene konzentrieren. Sie kommunizieren mit der Szene und sollen, soweit möglich, die potentiellen Täter positiv beeinflussen. Bei Heimspielen können sich die szenekundigen Beamten aufgrund ihres Insider-Wissens auf die Rädelsführer konzentrieren, sie aus ihrer Anonymität herauslösen und für das Bewusstsein einer sicheren Strafverfolgung sorgen. Sie führen die Ermittlungsverfahren der anlasstypischen Straftaten durch und werten die Beweise aus, die während eines Spieltages gewonnen wurden. Bei Auswärtsspielen begleiten sie „ihre“ Fans zur Gastmannschaft und geben ihr Szene-Wissen an ausländische Polizeibehörden weiter.121 Die szenekundigen Beamten sind zudem maßgeblich verantwortlich für die Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften, welche ihrerseits z. T. spezielle Stadion- oder Bereitschaftsstaatsanwälte einsetzen. So wird – auch durch die Anwendung des beschleunigten Strafverfahrens (§§ 417 ff. StPO) – für eine rasche Verurteilung nach der Tat gesorgt. Auch die Zusammenarbeit mit den Gerichten, welche vor allem für die Anordnung von Freiheitsentziehungen relevant ist, gehört zum Aufgabenbereich der szenekundigen Beamten. Die Gerichte haben ihrerseits zu diesem Zweck teilweise richterliche Bereitschaftsdienste für die Dauer der Sportveranstaltung eingerichtet.122 c) Datenverarbeitung der Zentralen Informationsstelle für Sporteinsätze in der Datei „Gewalttäter Sport“ Schließlich wurde ein bundesweites Datennetz zum polizeilichen Informationsaustausch errichtet. Seit dem Jahr 1992 sammelt und koordiniert die ZIS alle polizeirelevanten Informationen für Sportveranstaltungen. Die ZIS wurde als Spezialeinheit beim LKA NRW eingerichtet. In den übrigen Bundesländern wurden dementsprechende Landesinformationsstellen (LIS) und bei den Präsidien des BGS Informationsstellen (IS) eingerichtet. Zu jedem Spieltag und jeder Spielbegegnung findet bundesweit ein intensiver Informationsaustausch vor und nach der Veranstaltung statt. Die szenekundigen Beamten geben ihre Informationen an die ZIS weiter. Dort werden die Angaben ausgewertet, zusammengefasst und an die einzelnen Polizeidienststellen, die LISen und ISen weitergegeben. Bei internationalen Sportereignissen koordiniert die ZIS die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden.123
121 Hierzu siehe Kuhleber, Einsatzlehre, S. 367 f.; zur Tätigkeit der szenekundigen Beamten anderer europäischer Staaten siehe Siekmann, Football Hooliganism, Chapter 5.3.4, pp. 45 („Spotters“). 122 Kirsch, Gewalt bei sportlichen Großveranstaltungen, S. 162 über die Zusammenarbeit in Essen; auch: Gruber, Polizeispiegel 1998, 175 und 181 über die Situation in München; Nolte, NVwZ 2001, 152. 123 http://www.lka.nrw.de/aktuell/zis.htm, 25.10.2001.
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Bei der ZIS werden über die einzelnen Vereine der beiden Bundesligen Vereinsbeschreibungen geführt. Hierin sind die polizeilichen Erkenntnisse über die jeweilige Fan-Szene des Vereins enthalten. Beschrieben ist z. B. das Verhältnis zu anderen Mannschaften (Feindschaft, Freundschaft, Neutralität) oder auch die Anzahl der jeweiligen B- und C-Fans.124 Weiter werden in der Datei „Gewalttäter Sport“ Personen gespeichert, die anlassbezogene Straftaten begangen haben oder Adressat einer polizeilichen Maßnahme waren und von denen in Zukunft anlassbezogene Straftaten zu befürchten sind (§ 10a VEMEPolG). Bei dieser Datei handelt es sich um eine Verbunddatei im Rahmen des INPOL-Systems, die vom BKA zentral geführt wird und von den Verbundteilnehmern gespeist und unmittelbar abgerufen werden kann. Verbundteilnehmer sind die Bundesligabehörden, die Behörden des BGS, die ZIS sowie die LISen und das BKA.125 3. Polizeiliche Maßnahmen zur Absicherung eines Fußballspiels Polizeieinsätze im Rahmen von Fußballspielen müssen umfassend geplant sein und erfordern unzählige Einzelmaßnahmen der Beamten. Die folgende Beschreibung der polizeilichen Absicherung eines Fußballspiels erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll einen Eindruck von der Bandbreite des polizeilichen Handelns vermitteln. Der Einsatz selbst lässt sich in vier Phasen gliedern.126 Die erste Phase beinhaltet die langfristige Vorbereitung auf den Einsatzzeitpunkt [s. u. lit. a)], während die sogenannte „Vorspielphase“ die Anreise der Zuschauer bis ins Stadion umfasst [s. u. lit. b)]. Während der Spielphase [lit. c)] dauert der sportliche Wettkampf selbst an. Die Nachspielphase [lit. d)] ist gekennzeichnet von emotionsgeladenen Zuschauermassen, die zurück in die Innenstädte strömen, bevor sie endgültig den Heimweg antreten. a) Vorbereitungsphase In der Vorbereitungsphase sammelt die sogenannte „Spielortbehörde“127 (d.h. die für den gastgebenden Verein zuständige Polizeibehörde) Informationen über die anstehende Spielpaarung. Angaben über die Fan-Szene der Gastmannschaft 124 Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03. 2000, S. 4. 125 15. Datenschutzbericht NRW, S. 72; Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03.2000, S. 9. 126 Nolte, NVwZ 2001, 149; ders., Sport und Recht, S. 132. 127 Studienpapier „Sport und Gewalt der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03. 2000, S. 16.
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erhält sie durch Befragungen innerhalb der Szene (§ 8 VEMEPolG), Anfragen bei der ZIS, der zuständigen LIS (§ 10a VEMEPolG) oder auch von der Vereinsleitung der Gastmannschaft (§ 8 MEPolG). Aufgrund dieser Daten erstellt sie ein Lagebild und legt den polizeilichen Kräfteansatz fest.128 Neben den behördeninternen Planungen ist eine aktive polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit erforderlich, um den friedlichen Zuschauern Sicherheit zu vermitteln und potentielle Gewalttäter durch Ankündigung der erforderlichen polizeilichen Maßnahmen abzuschrecken. Für die Öffentlichkeit soll das polizeiliche Handeln transparent sein.129 Weiter sind sich alle beteiligten privaten und öffentlichen Institutionen über das Erfordernis einer frühzeitigen und engen Zusammenarbeit bei der Absicherung von Fußballspielen einig.130 Sowohl die Richtlinien der UEFA131 als auch diejenigen des DFB bzw. des Ligaverbandes132 sehen eine enge Zusammenarbeit mit den Behörden vor. Nach einer Erhebung des Verfassers unter den Bundesligavereinen finden Sicherheitsbesprechungen zwischen Veranstalter, Polizei und den sonstigen betroffenen privaten und öffentlichen Institutionen mindestens einmal jährlich statt. Je nach Bedarf werden auch direkt vor aktuellen Risikospielen Sicherheitstreffs der Beteiligten durchgeführt. Im Wege der Absprache mit dem Veranstalter werden die Fans dem Blockzwang unterworfen; dabei enthält jede verkaufte Karte eine zwingende Zuweisung in einen bestimmten Block. Auf diese Weise werden die gegnerischen Fans in räumlich getrennten Zuschauerblöcken untergebracht.133 In Vorbereitung auf den Spieltag sind alle Voraussetzungen für die geplanten polizeilichen Maßnahmen und zur Beweissicherung zu schaffen. So ist möglichst in den Räumen des Stadions eine Gefangenensammelstelle zur Verfügung zu halten. An dieser sogenannten „Gesa“ müssen die Festnahmen bearbeitet werden können, indem die in Gewahrsam genommenen Personen durchsucht, ärztlich untersucht und gegebenenfalls behandelt, registiert, erkennungsdienstlich behandelt, befragt, vernommen und verwahrt werden.134
128 129 130
Gruber, Polizeispiegel 1998, 175. Siehe hierzu Kuhleber, Einsatzlehre, S. 359 ff. Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe Nationales Konzept Sport und Sicherheit,
S. 2. 131 Ziff. 4. der verbindlichen Weisungen zur Verhütung von Zuschauerausschreitungen, Stand April 2000. 132 § 18 der Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen. 133 Spohrer, Einsatz in Fußballstadien, S. 63. 134 Kuhleber, Einsatzlehre, S. 383 f.
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
b) Vorspielphase Während der Vorspielphase konzentriert sich die polizeiliche Arbeit auf die Anreisekontrolle der Zuschauer. Ziel ist es, die Teilnahme der potentiellen Gewalttäter an der Veranstaltung zu verhindern. Zu diesem Zweck nehmen zunächst die Wohnsitzbehörden bekannter Problemfans Gefährderansprachen vor und erteilen gegebenenfalls Meldeauflagen (§ 8 MEPolG). Bei den Gefährderansprachen suchen die Polizeibeamten die potentiellen Gewalttäter zu Hause oder auf der Arbeitsstelle auf und führen ihnen die zielgerichtete Strafverfolgung im Falle einer Gewalttat vor Augen. Meldeauflagen dagegen nehmen dem Adressaten die Möglichkeit, an gewaltsamen Ausschreitungen am Spielort teilzunehmen, indem sie ihn dazu verpflichten, sich zum Zeitpunkt des Anstoßes auf einer Polizeiwache zu melden.135 Als ultima ratio nimmt die Polizei den Fan für die Dauer des Spiels in Gewahrsam (§ 13 MEPolG), um seine Teilnahme an den Ausschreitungen zu unterbinden.136 An bekannten Abfahrtsorten oder Sammelstellen werden stationäre oder mobile Kontrollstellen eingerichtet, an denen Identitätsfeststellungen (9 MEPolG), Durchsuchungen (§§ 9 und 17 MEPolG) oder Ingewahrsamnahmen (§ 13 MEPolG) durchgeführt werden können. Reisen die Stadionbesucher mit der Bahn, so befinden sie sich in Begleitung des BGS, dessen Behörden ihre Tätigkeit mit den Polizeibehörden der Länder abstimmen. Darüber hinaus erfolgt die sogenannte „Fanbegleitung“ durch die szenekundigen Beamten der Behörde der Gastmannschaft auf Ersuchen der Spielortbehörde. So kann die Szenekenntnis beider Bundesligabehörden vor Ort genutzt werden.137 Nach Ankunft der Stadionbesucher an den Bahnhöfen oder in der Innenstadt des Spielorts hat die Trennung der gegnerischen Vereinsanhänger höchste Priorität. Wie bereits an den Abfahrtsorten werden auch an typischen Ankunftsorten Kontrollstellen errichtet. Anhand des zuvor erstellten Lagebildes können bestimmte Plätze durch polizeilichen Raumschutz abgeschirmt werden. Dabei konzentriert sich die Gesamtheit aller Einzelmaßnahmen auf einen festgelegten Bereich. Indem die Einsatzkräfte hohe Präsenz zeigen, sollen strafbare Handlungen und Ordnungswidrigkeiten möglichst frühzeitig unterbunden werden. Allerdings tragen die Beamten zum Zweck der Deeskalation weder Helm noch Schutzschild, sondern normale Dienstkleidung.138 135 Manthey, Wesentliche Ergebnisse der EURO 2000 aus deutscher Sicht, Rede des IBPdL vor dem Europarat, S. 4 f.; zur Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen nach der polizeilichen Generalklausel siehe unten Dritter Teil, B., Ziff. I., 1. 136 Siehe zum Ganzen auch: Kuhleber, Einsatzlehre, S. 366 und zur Anwendung in der Praxis bei der Fußball-EM 2000 „Schwäbische Zeitung“ vom 09.06.2000. 137 Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03. 2000, S. 17; Gruber, Polizeispiegel 1998, 181.
C. Veranstaltungstypische Ausgangslage und polizeilicher Aufwand
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Die wohl aufwendigste Maßnahme zur Trennung rivalisierender Fan-Gruppierungen stellt die „einschließende Begleitung“ dar. Die anreisenden Stadionbesucher werden an den bekannten Ankunftsorten von der Bereitschaftspolizei „in Empfang genommen“. Nach dem Klettenprinzip werden die Fußball-Zuschauer durch uniformierte Kräfte vom Ankunftsort bis zum Stadion, gegebenenfalls auch bis in die Innenstädte geleitet. Gerade für die Effizienz dieses „Klettenprinzips“ sind die im Vorfeld gewonnenen polizeilichen Erkenntnisse über Anreiserouten und -zeiten, Beförderungsmittel, Stärke, Verhalten, Bekleidung und Ausrüstung der Rowdiegruppen entscheidend.139 Sind die Zuschauer am Stadion angelangt, so beginnen sich die polizeilichen Maßnahmen mit den Vorkehrungen der privaten Sicherheits- und Ordnerdienste des Veranstalters zu ergänzen. Professionelle private Sicherheitsdienste führen im Auftrag des Veranstalters Einlasskontrollen durch, während die vereinseigenen Ordnerdienste die Plätze entsprechend den nummerierten Eintrittskarten zuweisen und damit die strenge Trennung der beiden Fan-Gruppen durchsetzen.140 Im Stadion selbst verwendet die Polizei einen vergleichsweise geringen Kräfteansatz, da der Veranstalter als Hausrechtsinhaber für die innere und äußere Sicherheit des Stadions zu sorgen hat. Die Polizei beschränkt sich grundsätzlich auf die Kontrolle ihrer Vorgaben. Es besteht aber ein ständiger Informationstausch zwischen den Kräften privater und öffentlicher Sicherheit, um möglichst schnell auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können. Zudem hat der sichtbare Einsatz von Videokameras, teils im Stadion festinstalliert, teils mobil, nicht nur beobachtenden, sondern auch abschreckenden Effekt.141 c) Spielphase Während der Spielphase beschränkt sich die Polizei im wesentlichen auf die Kontrolle der Arbeit der privaten Sicherheitsdienste und freiwilligen Ordner. Gleichwohl sind genügend Eingreifkräfte bereitzustellen. Zu den privaten Orderdiensten wird ständig Kontakt gehalten. Es ist unbedingt zu vermeiden, dass Fans die gegnerischen Blöcke aufsuchen (sogenannter „Blockzwang“). Vor allem in der Halbzeitpause wird immer wieder die Gelegenheit gesucht, den Blockzwang zu durchbrechen. Im Bedarfsfall wahrt der nicht ungefährliche Einsatz szenekundiger Beamte direkt im Fan-Block die Chance auf Kommunika138 Kuhleber, Einsatzlehre, S. 374; Gruber, Polizeispiegel 1998, S. 179; Nolte, NVwZ 2001, 151. 139 Die „einschließende Begleitung“ wird von Kuhleber, Einsatzlehre, S. 373 als „mobile einschließende Absperrung“ bezeichnet; siehe hierzu auch Markert/Schmidbauer, BayVBl. 1993, 521 und Meyer, Kriminalistik 1981, S. 11. 140 Für den Bundesligisten SC Freiburg: Stadionzeitung „Heimspiel“ vom 22.04. 2000, S. 31 ff. 141 Gruber, Polizeispiegel 1998, 179; Manssen, SpuRt 1994, 171.
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
tion; gleichzeitig schrecken Gewalttäter vor Randale zurück, wenn sie sich im Blickfeld des ihnen bekannten szenekundigen Beamten befinden.142 d) Nachspielphase Die sogenannte „Nachspielphase“ wird als gefährlichster Einsatzabschnitt angesehen.143 Die gegnerischen Zuschauer stehen sich aggressiver als vor dem Spiel gegenüber. Entsprechend muss der Rückweg der Fans organisiert und kontrolliert werden. Bei Risikospielen wird der Abmarsch der gegnerischen FanBlöcke zeitlich verzögert, um ein Aufeinandertreffen der rivalisierenden Gruppen zu vermeiden.144 Auf dem Rückweg der Fußballrowdies sind nicht selten die Innenstädte bis spät in die Nacht Schauplatz von Randale, was die Präsenz ausreichender polizeilicher Kräfte an allen sensiblen Orten erfordert.145 Abschließend sind die polizeilich relevanten Vorkommnisse des Spieltages nachzubereiten und zu analysieren. Die szenekundigen Beamten verfassen einen Bericht und übermitteln ihn unverzüglich nach Beendigung des Einsatzes der ZIS. Die polizeiliche Einsatzlehre empfiehlt zudem eine Nachbesprechung der Polizei mit dem Veranstalter, in der der Verlauf der Spielbegegnung analysiert und bewertet werden soll. Gegebenenfalls sollten mit dem Veranstalter Absprachen für die Zukunft getroffen werden.146 4. Formen europäischer polizeilicher Zusammenarbeit Um die Effizienz polizeilicher Maßnahmen bei internationalen Wettbewerben der UEFA und der FIFA nicht von ihrem grenzüberschreitenden Element beeinträchtigen zu lassen, müssen die Polizeibehörden der beteiligten Staaten zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit lässt sich im wesentlichen in drei Bereiche gliedern: den Austausch und die Verwertung von Informationen [siehe unten lit. a)], den Einsatz von Polizeibeamten im fremden Hoheitsgebiet [siehe unten lit. b)] sowie die Begleitung bzw. Anreiseverhinderung bekannter problematischer Rädelsführer aus der Szene [lit. c)].
142 Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03. 2000, S. 20; Spohrer, Einsatz in Fußballstadien, S. 63; Meyer, Kriminalistik 1981, 14. 143 Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil, 2. Kapitel, Rn 41. 144 Von Kuhleber, Einsatzlehre, S. 373 als „stationäre einschließende Absperrung“ bezeichnet. 145 Meyer, Kriminalistik 1981, 14, ebenso: Markert/Schmidbauer, Kriminalistik 1994, 497. 146 Kuhleber, Einsatzlehre, S. 389; Grigowski/Bonk, Kriminalistik 1991, 352.
C. Veranstaltungstypische Ausgangslage und polizeilicher Aufwand
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a) Austausch und Verwertung von Informationen Bereits in der Vorbereitungsphase tauschen die Polizeidienststellen der beteiligten Länder sicherheitstechnisch relevante Informationen aus.147 Die Werthaltigkeit des polizeilichen Informationsaustausches setzt eine gründliche Recherche durch die inländische Polizeibehörde voraus. So nahm die Polizei z. B. im Vorfeld der EM des Jahres 2000 in Belgien und den Niederlanden eine Reihe konkreter Maßnahmen vor, um die erforderlichen Erkenntnisse zu gewinnen. Es fand ein umfangreicher Informationsaustausch über die Gewalttäter zwischen der ZIS und den Wohnortbehörden statt; zur Informationssammlung wurden Gefährderansprachen, Kontrollen bei den Busunternehmen, usw. vorgenommen. Die dabei gewonnenen Informationen wurden bei der ZIS gesammelt und analysiert. Die Analyse der ZIS wurde an die belgischen und niederländischen Stellen weitergegeben; die ausländischen Stellen informierten ihrerseits die ZIS über das Verhalten der deutschen Zuschauer während des Turniers. Schließlich informiert das Veranstaltungsland die Polizeibehörden des Heimatlandes der Fans über deren Rückfahrt.148 b) Einsatz von Polizeibeamten im fremden Hoheitsgebiet Zur Intensivierung des Informationsaustausches können Verbindungsbeamte (meist szenekundige Beamte) als Ansprechpartner für die Polizei des Veranstaltungslandes und für die Polizeidienststellen des Inlandes bestellt werden, welche vor Ort eingesetzt werden.149 Im Rahmen der EM 2000 wurde z. B. ein binationales Polizei-Informationszentrum mit Verbindungsbeamten sowie weitere Informationszentren bei den Spielortbehörden eingerichtet. Dort arbeiteten belgische, niederländische und deutsche Beamte zusammen. Weiter wurden deutsche Beamte in den belgischen und niederländischen Stadien eingesetzt, um ihre europäischen Kollegen durch ihre Kenntnisse der deutschen Szene beim Einsatz zu beraten.150 Im Ausland eingesetzte szenekundige Beamte haben keine hoheitli147 Der Praxis während der Vorbereitung zur EURO 2000 entsprechend und gemäß den Informationen des BMI gegenüber dem Verfasser erfolgt der Informationsaustausch in Deutschland ausschließlich über die ZIS. Zur Einrichtung nationaler zentraler Fußballinformationsstellen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union siehe unten, Zweiter Teil, B., Ziff. II., 2., lit. k); zur Durchführung des internationalen polizeilichen Informationsaustausches siehe auch Breucker, S. 247 f. 148 Erlass des Innenministeriums NRW bezüglich der Maßnahmen zur Verhinderung der Anreise von gewaltbereiten Angehörigen der deutschen Hooliganszene zu den Spielorten der EURO 2000; Gemeinsame Erklärung der Innenminister von Deutschland, Belgien, des niederländischen Ministeriums des Innern und für Königreichsbeziehungen sowie des niederländischen Justizministeriums. 149 ABl. 1999 Nr. C 196, S. 4. 150 Gemeinsame Erklärung der Innenminister von Deutschland, Belgien, des niederländischen Ministeriums des Innern und für Königreichsbeziehungen sowie des nieder-
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1. Teil: Das Problem der Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen
chen Befugnisse, treten unbewaffnet und ausschließlich in bürgerlicher Kleidung auf. Sie können jedoch aufgrund besserer Sprachkenntnis und kraft ihrer szenebekannten Autorität auf potentielle Gewalttäter ihrer Nation Einfluss nehmen.151 c) Anreiseverhinderung bekannter Rädelsführer Die Anreiseverhinderung potentieller Gewalttäter aus Deutschland durch die deutschen Polizeibehörden stellte ein wesentliches Element internationaler polizeilicher Zusammenarbeit während der EM 2000 dar. Die Beamten nahmen Gefährderansprachen vor und erteilten Meldeauflagen für die Dauer des Turniers (§ 8 MEPolG). Während der EM 2000 wurden 230 Meldeauflagen erteilt.152 Weiter kann über die Beschränkung bzw. Entziehung des Passes (§§ 7 ff. PassG) oder des Personalausweises (§ 2 Abs. 2 PersonalausweisG) die Ausreise in die betroffenen Veranstaltungsländer verhindert bzw. unter Strafe gestellt werden.153 Zudem muss die Einhaltung der Ausreisebeschränkungen über innereuropäische Grenzkontrollen überprüft werden. In Deutschland werden entsprechende Kontrollen im grenznahen Bereich und in Bahnhöfen und Zügen durch den BGS durchgeführt (§§ 14 ff. BGSG). Während der EM 2000 nahm der BGS umfangreiche Kontrollmaßnahmen an der Grenze zu Belgien und den Niederlanden vor.154 Schließlich werden die reisenden Fans in den Zügen durch den BGS bis zur Grenze begleitet; dort erfolgt die Übergabe an die Polizeibehörden des Veranstaltungslandes.155 Die Begleitung der anreisenden Zuschauer durch den BGS wurde während der EURO 2000 sogar über die Staatsgrenzen hinweg bis zum ersten Haltebahnhof in Belgien bzw. den Niederlanden geleistet.156 Diese Verfahrensweise wurde nach Angaben des BMI gegenüber dem Verfasser anlässländischen Justizministeriums, hierzu auch Manthey, Wesentliche Ergebnisse der EURO 2000 aus deutscher Sicht, Rede des IBPdL vor dem Europarat. 151 Meyer, Kriminalistik 1981, 12; van der Brug, p. 187 verweist ebenso auf positive Erfahrungen aus dem Einsatz niederländischer Beamte in Italien während der WM 1990. 152 Manthey, Wesentliche Ergebnisse der EURO 2000 aus deutscher Sicht, Rede des IBPdL vor dem Europarat, S. 5. 153 Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03. 2000, S. 8; von dieser Möglichkeit machten die deutschen Behörden während der EURO 2000 regen Gebrauch: Bis zum 14.06.2000 wurden 266 Ausreiseverweigerungen und 188 Meldeauflagen erteilt („Schwäbische Zeitung“ vom 14.06.2000). 154 Nach der „Schwäbische Zeitung“ vom 23.06.2000 wurden bis zu diesem Zeitpunkt 266 000 Personen kontrolliert. 155 ABl. 2002 Nr. C 22, S. 7. 156 Gemeinsame Erklärung der Innenminister von Deutschland, Belgien, des niederländischen Ministers des Inneren und für Königreichsbeziehungen sowie des niederländischen Justizministers.
C. Veranstaltungstypische Ausgangslage und polizeilicher Aufwand
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lich des UEFA-Cup Finales 2002 (Feyenoord Rotterdam – Borussia Dortmund) intensiviert. Der BGS begleitete die aus Deutschland kommenden Züge in vollständiger Dienstausrüstung bis zum Bahnhof in Rotterdam.157 IV. Ergebnis Die für die Polizeiarbeit relevante Ausgangslage ist gekennzeichnet von einer vergleichsweise geringen Anzahl potentieller Gewalttäter, die sich innerhalb einer überwiegend friedlichen Zuschauermenge aufhalten. Regelmäßig werden von den Hooligans anlasstypische, gewaltsame Straftaten begangen. Die Planung und Durchführung eines Polizeieinsatzes zur Absicherung einer Spielbegegnung erfordert personalintensive und umfangreiche Maßnahmen in den jeweiligen Einsatzphasen. Die internationale präventiv-polizeiliche Zusammenarbeit wird vorwiegend durch Informationsaustausch betrieben. Im inländischen Zuständigkeitsbereich werden die Informationen für die ausländischen Kollegen gesammelt und potentielle Gewalttäter soweit möglich vom Spielbesuch ferngehalten.
157 Zu diesem Spiel siehe auch die Ausführungen im ZIS-Jahresbericht 2001/2002, S. 19 ff.
Zweiter Teil
Verfassungs- und europarechtliche Grundlagen bei der polizeilichen Absicherung von Sportereignissen Der zweite Teil dieser Abhandlung stellt die verfassungs- und europarechtlichen Grundlagen dar, die für die polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen relevant sind. Es werden zunächst die Grundlagen im Verfassungsrecht untersucht (lit. A.). Diese Ausführungen beziehen sich auf Spiele, die im Geltungsbereich des Grundgesetzes mit oder ohne internationale Beteiligung stattfinden. Mit Blick auf die internationalen Spielbegegnungen unter europäischer Beteiligung, die sowohl auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland als auch in einem europäischen Nachbarland stattfinden können, werden sodann die rechtlichen Grundlagen auf europäischer Ebene aufgezeigt (lit. B.).
A. Grundlagen im Verfassungsrecht Um die verfassungsrechtlichen Grundlagen einer Sportgroßveranstaltung darzustellen, wird unter Ziff. I. geprüft, auf welche Freiheitsrechte sich die beteiligten Grundrechtsträger anlässlich der Veranstaltung berufen können. Die Ausführungen zu Ziff. II. behandeln die Frage, ob sich aus verfassungsrechtlichen Normen eine staatliche Verpflichtung herleiten lässt, die Durchführung einer sportlichen Großveranstaltung polizeilich zu schützen. I. Die Freiheitsrechte der veranstaltungsbeteiligten Grundrechtsträger Nachfolgend werden die Schutzbereiche der grundrechtlichen Freiheitsrechte dargelegt, in denen sich die an der Sportveranstaltung beteiligten Grundrechtsträger, namentlich Sportler, Vereine bzw. Veranstalter und Zuschauer bewegen. Einschlägig sind dabei v. a. die Berufsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit, die auch bei Sportveranstaltungen als Auffanggrundrecht Verhaltensweisen schützt, die nicht von spezifischen Freiheitsrechten erfasst sind.
A. Grundlagen im Verfassungsrecht
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1. Die Ausübung der Berufsfreiheit bei Sportgroßveranstaltungen Der Sport ist mittlerweile in den grundrechtlichen Schutzbereich der Berufsfreiheit hineingewachsen.1 Entsprechend den jeweiligen Grundrechtsträgern ist zu unterscheiden zwischen den Sportlern [lit. a)] und den Vereinen bzw. den Veranstaltern des Sports [lit. b)]. a) Die Berufsfreiheit der Sportler Sowohl die sportrechtliche Literatur als auch die Rechtsprechung sehen den professionellen Sportler durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. In Abgrenzung zum bloßen Hobby wird anhand von Art und Höhe der Zahlung, welche der Sportler für seine Leistungen erhält, beurteilt, ob die sportliche Tätigkeit zur Schaffung und Unterhaltung seiner Lebensgrundlage dienen oder beitragen kann.2 Der Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 GG beschränkt seinen Schutz auf „Deutsche“ im Sinne des Art. 116 GG.3 Daher können sich ausländische Sportler nicht auf diese Verfassungsbestimmung berufen, unabhängig davon, ob sie bei internationalen Spielbegegnungen gegen eine deutsche Mannschaft antreten oder bei einem deutschen Verein als Spieler angestellt sind. Sofern es sich um EG-Ausländer handelt, wird deren Berufsfreiheit über Art. 48 EGV bzw. Art. 6 Abs. 2 EUV geschützt. Für Sportler, die keinem EG-Mitgliedstaat angehören, folgt der Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG. b) Die Berufsfreiheit der Vereine und Veranstalter Die Vereine und Veranstalter des Fußballsports können entweder als Kapitalgesellschaft oder als eingetragene Vereine i. S. d. §§ 21 ff. BGB organisiert sein [lit. aa)]. Die Wahl der Organisationsform als Kapitalgesellschaft [lit. bb)] oder als Verein [lit. cc)] hat erhebliche Auswirkungen auf ihren grundrechtlichen Schutz aus Art. 12 Abs. 1 GG. aa) Kapitalgesellschaft oder eingetragener Verein Im Oktober 1998 änderte der DFB seine Verbandsbestimmungen und ließ neben den eingetragenen Vereinen auch juristische Kapitalgesellschaften zu den 1
Gubelt in: von Münch/Kunig, Art. 12 Rn 63; Steiner, NJW 1991, 2730. BGHZ 142, 304 ff; Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil, Rn 6. 3 Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 12 Rn 25 und Tettinger in: Sachs, Grundgesetz Art. 12 Rn 20; a. A. Jarass/Pieroth, Art. 12 Rn 10, welche auch EG-Ausländer aufgrund der europarechtlichen Vorgaben von Art. 12 Abs. 1 GG geschützt sehen. 2
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
Wettbewerben der Bundesliga und des DFB-Pokals zu.4 In nahezu allen größeren Bundesligavereinen wird daher über die Ausgliederung des professionellen Spielbetriebs auf eine juristisch selbständige Kapitalgesellschaft (z. B. einer GmbH, AG oder KGaA) diskutiert.5 Da aber der „eingetragene Verein“ als klassische Rechtsform der Bundesligisten zumindest nach den Satzungen des DFB der Regelfall bleibt,6 sind im folgenden beide Varianten im Auge zu behalten. bb) Berufsfreiheit der Kapitalgesellschaften Sofern sich die Bundesligisten als GmbH, AG oder KGaA organisiert haben, handelt es sich gemäß den §§ 13 Abs. 1 GmbHG, 1 Abs. 1 bzw. 278 Abs. 1 AktG jeweils um juristische Personen des Privatrechts mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit. Will sich eine juristische Person des Privatrechts auf die Freiheitsrechte der Verfassung berufen, so muss das betreffende Grundrecht gemäß Art. 19 Abs. 3 GG seinem Wesen nach auf die Vereinigung anwendbar sein. Hiernach können sich juristische Personen auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit betreiben, die ihrer Art nach von einer juristischen Person wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann.7 Angesichts der Eigenschaft des Fußballs als Mannschaftssport mag es zunächst fraglich erscheinen, ob eine einzelne juristische Person an einem Fußball-Wettbewerb teilnehmen kann oder ob es sich dabei um eine Tätigkeit handelt, die ihrer Art nach nur in der Vereinigung als Mannschaft betrieben werden kann. Dieser Gedanke an das Spiel und den Sieg der Mannschaft mag die Gründerväter der ersten Fußballvereine geleitet haben; er konnte jedoch die Entwicklung des bezahlten Fußballs – lange Jahre vom DFB beschränkt und reglementiert8 – nicht aufhalten. Mittlerweile sind die Bundesligisten unabhängig von ihrer Organisationsform als Verein oder Kapitalgesellschaft ausnahmslos Arbeitgeber ihrer Spieler. Der DFB lässt ausschließlich Berufsfußballer mit einem Arbeitsvertrag zur Bundesliga zu. Eine zusätzliche Mitgliedschaft der 4
Siebold/Wichert, SpuRt 2000, 177; Cario, Die Sport-eG, S. 373 f. Vgl. den Test der Financial Times Deutschland vom 27.07.2001 unter http:// www.ftd.de/bm/bo/FTDAOR40MPC.html, 12.01.2002; in der Spielzeit 2000/2001 haben 4 Vereine der Bundesliga ihren professionellen Spielbetrieb in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert: BVB Dortmund GmbH & Co. KGaA, Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH, Eintracht Frankfurt AG und Hannover 96 GmbH & Co. KGaA (Wilkesmann/Blutner/Meister, Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 2002, S. 753 ff.). Soweit ersichtlich, haben nunmehr auch der 1. FC Bayern, Werder Bremen, der 1. FC Köln und der VfL Wolfsburg eine Kapitalgesellschaft gegründet. 6 § 8 Nr. 4 der Satzung des DFB lässt „Vereine der Lizenzligen bzw. Kapitalgesellschaften“ zur Mitgliedschaft zu. 7 BVerfGE 50, 290 (363). 8 Hierzu siehe Plath, Individualrechtsbeschränkungen im Berufsfußball, S. 19 ff. 5
A. Grundlagen im Verfassungsrecht
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Profi-Spieler im Verein ist fakultativ und wird nur noch in Ausnahmefällen begründet. Sie bringt für die sportliche Tätigkeit des Berufsfußballers keine Rechte oder Pflichten mit sich.9 Die Teilnahme der Bundesligisten an einem Wettbewerb stellt sich danach lediglich als Einsatz ihrer beschäftigten Spieler dar. Der Bundesligaclub nimmt nicht als Mannschaft, sondern mit seiner Mannschaft an den Wettbewerben des nationalen und internationalen Berufsfußballs teil. Durch die Professionalisierung des Sports hat sich die Mannschaft vom handelnden Subjekt zum eingesetzten Objekt gewandelt. Der Einsatz von Beschäftigten kann aber von einer natürlichen Person gleichermaßen wie von einer juristischen Person geleistet werden; er ist nicht der Vereinigung mehrerer Personen vorbehalten. Damit ist die Berufsfreiheit ihrem Wesen nach zumindest für den professionellen Spielbetrieb der Fußball-Kapitalgesellschaften anwendbar. Sie genießen den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG. Anzumerken bleibt mit Blick auf internationale Spielbegegnungen in Deutschland, dass der Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG den grundgesetzlichen Schutz auf inländische juristische Personen beschränkt, so dass sich die Vereine europäischer Nachbarländer bei ihren Spielbegegnungen in Deutschland nicht auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen können. cc) Keine Berufsfreiheit für eingetragene Vereine Eingetragene Vereine können sich demgegenüber nur dann auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen, wenn die Führung des Geschäftsbetriebs zu ihren satzungsmäßigen Zwecken gehört; ansonsten fehlt die für einen Beruf erforderliche Gewinnerzielungsabsicht.10 Nach den Satzungen der eingetragenen Vereine der Bundesligen betreiben diese das Fußballspiel gerade ohne die Absicht, Gewinne zu erzielen. Die Führung des professionellen Spielbetriebs wird von ihnen lediglich als Nebenzweck verfolgt.11 Dadurch bleibt ihre Eigenschaft als Idealverein im Sinne des § 21 BGB erhalten und dem Entzug ihrer Rechtsfähigkeit wird vorgebeugt. Denn als 9 Vgl. § 8 Ziff. 1 Satz 1 sowie Ziff. 2 der Lizenzordnung Spieler des Ligastatutes des im April 2001 gegründeten Fußball-Ligaverbandes; ferner BAG NJW 1996, 2388; auch: Rybak, Das Rechtsverhältnis zwischen dem Lizenzfußballer und seinem Verein, S. 49 ff. 10 BVerfG EuGRZ 1998, 41 (48). 11 Heinrichs in: Palandt, § 21 Rn 5; ebenso: OLG Frankfurt in einem obiter dictum, WRP 1985, 500 (503); Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn 47; a. A.: Fuhrmann, Ausgliederung der Berufsfußballabteilungen auf eine AG, GmbH oder eG?, S. 54; in der Praxis sind sämtliche Vereine der Bundesligisten als nichtwirtschaftliche Vereine i. S. d. § 21 BGB in das Vereinsregister eingetragen, Steinbeck/ Menke, NJW 1998, 2169 (2170).
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
wirtschaftliche Vereine im Sinne des § 22 BGB könnten die Bundesligisten ihre Rechtsfähigkeit nur ausnahmsweise durch gesonderte staatliche Verleihung erhalten, sofern ihnen die Rechtsformen des privaten Handels- und Gesellschaftsrechts im Einzelfall unzumutbar sind.12 Zudem würde ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb die steuerliche Einordnung des eingetragenen Vereins als gemeinnützig gefährden.13 Daher wird der professionelle Spielbetrieb der als eingetragene Vereine organisierten Bundesligisten nicht von Art. 12 Abs. 1 GG erfasst. 2. Der Schutz der Vereinigungsfreiheit auf den verschiedenen Ebenen der beteiligten Grundrechtsträger Die allgemeine Vereinigungsfreiheit schützt das Recht der einzelnen Staatsbürger, sich in Vereinen und Gesellschaften zusammenzuschließen; darüber hinaus gewährt es auch den Vereinigungen selbst Schutz. Auch ein aus mehreren Vereinigungen bestehender Verband genießt den Schutz des Art. 9 Abs. 1 GG.14 Mithin ist im Rahmen einer fußballerischen Sportgroßveranstaltung der Schutz der Vereinigungsfreiheit auf der Ebene des einzelnen Sportlers [siehe unter a)], des Bundesligavereins bzw. der Kapitalgesellschaft [siehe unter b)] und des DFB/der UEFA bzw. der FIFA [siehe unter c)] denkbar. a) Die Ebene des einzelnen Sportlers Die in einem Verein ausgeübte berufsmäßige sportliche Tätigkeit ist nicht von Art. 9 Abs. 1 GG geschützt.15 Der Lizenzspieler betreibt das Fußballspiel nicht wegen seiner Mitgliedschaft in einem Verein sondern aufgrund eines vom DFB lizenzierten Arbeitsvertrags. Eine zusätzliche Vereinsmitgliedschaft der Spieler ist freiwillig und begründet für ihre sportliche Tätigkeit keine Rechte oder Pflichten.16 Selbst wenn der Berufsfußballer Vereinsmitglied ist, nimmt er während des Spiels ausschließlich seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag und nicht seine Rechte als Vereinsmitglied wahr.17
12
Lettl, DB 2000, 1449 m. w. N.; Röthel, Europäisches Vereinsrecht, S. 66 ff. Littkemann/Madrian, StuB 1999, 401 (403). 14 Jarass/Pieroth, Art. 9 Rn 11. 15 A. A. offenbar Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Kapitel, Rn 9; ebenso: Tettinger, Sport als Verfassungsthema, S. 10 f., die jedwede vereinsmäßige sportliche Tätigkeit von Art. 9 GG geschützt sehen. 16 Siehe oben Ziff. 1. lit. b), bb). 17 Anders im Amateurfußball; hierzu siehe Steiner, Amateurfußball und Grundrechte, S. 19 ff. 13
A. Grundlagen im Verfassungsrecht
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b) Die Ebene der Vereine bzw. Kapitalgesellschaften Teile der Literatur sehen die Durchführung des Sportbetriebes bzw. die Betätigung der Vereine von Art. 9 Abs. 1 GG geschützt.18 Andere Stimmen lehnen einen kollektivrechtlichen Inhalt dieses Grundrechtes ab und sehen jegliche externe Betätigung der Vereine nicht durch die Vereinigungsfreiheit, sondern von dem jeweiligen Individualgrundrecht in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG geschützt.19 Differenzierende Ansätze beschränken die Reichweite des Art. 9 Abs. 1 GG auf Tätigkeiten der Vereinigung, welche mit ihrer Gründung und Existenzsicherung zusammenhängen, während die Verwirklichung des satzungsmäßigen Vereinszwecks über die individuellen Grundrechte abgedeckt werde.20 Das BVerfG hat bislang offen gelassen, ob der Schutz des Art. 9 Abs. 1 GG über die Existenz und Funktionsfähigkeit des Vereins hinaus auch jede Vereinstätigkeit als Freiheit des gemeinsamen, vereinsmäßigen Handelns an sich umfasst. Jedenfalls ist der Kernbereich der Vereinstätigkeit geschützt. Dabei kann aber den Vereinen aufgrund Art. 9 Abs. 1 GG nicht erlaubt sein, „was dem einzelnen nur innerhalb der Grenzen des Art. 2 Abs. 1 GG gestattet ist“.21 Tritt eine Vereinigung daher wie eine natürliche Person im Rechtsverkehr auf, so richtet sich der Grundrechtsschutz nicht nach Art. 9 Abs. 1 GG, sondern nach den jeweiligen Individualgrundrechten. Denn bei der Verfolgung eines Zwecks durch mehrere besteht kein weitergehender Schutz als bei der Zweckverfolgung durch einen einzelnen.22 Nach diesen Vorgaben des BVerfG kann den Bundesligisten weder bei der Teilnahme an einzelnen Wettbewerben noch bei der Organisation einer Sportveranstaltung der Schutz der Vereinigungsfreiheit zugestanden werden. Die Teilnahme an Wettbewerben hängt ebenso wenig wie die Veranstaltung von Spielen von der Vereinigung als solcher ab. Der Einsatz von beschäftigten Profisportlern oder Organisationshelfern kann auch von einer natürlichen Person geleistet werden. Hierfür ist keine vereinsmäßige Verbindung erforderlich. Der Kernbereich der Vereinstätigkeit ist nicht berührt.23
18 So Thom, Sportförderung und Sportförderungsrecht als Staatsaufgabe, S. 145; Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil Rn 9. 19 Krogmann, Grundrechte der Sportler, S. 70. 20 Merten, Vereinsfreiheit, HStR VI § 144 Rn 50; ebenso: Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 9 Rn 86 und Höfling in: Sachs, GG, Art. 9 Rn 19 f. 21 BVerfGE 30, 227 (243). 22 BVerfGE 30, 227, (241); 54, 237 (251); 80, 244 (253); 83, 238 (339); 70, 1 (25). 23 So auch Steiner, Autonomie des Sports. S. 243 f.; im Ergebnis ähnlich, aber mit anderer Begründung Nolte, NVwZ 2001, 148 (149), der die Organisation einer Sportveranstaltung bis an die „Steuerungsgrenzen der Selbstregulierungskräfte“ von Art. 9 I GG erfasst sieht.
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
c) Die Verbandsebene (DFB, UEFA, FIFA) Die Vereine haben ihrerseits aus Art. 9 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG das Recht, sich zu Verbänden zusammenzuschließen. Der Verband steht dann aufgrund eigenen Rechtes unter dem Schutz der Vereinigungsfreiheit. Auch der Zusammenschluss von Sportvereinen und -gesellschaften zu einem Spitzenverband wie dem DFB steht grundsätzlich unter dem Schutz des Art. 9 Abs. 1 GG.24 Nach § 7 der DFB-Satzung haben sich im DFB die Fußball-Landesverbände und die Vereine bzw. Tochtergesellschaften der Bundesligen zusammengeschlossen. Die Bundesliga ist eine Einrichtung des DFB.25 Sie dient dazu, den Deutschen Fußball-Meister zu ermitteln.26 Während die interne Festsetzung des Austragungsmodus nur im Verbund stattfinden kann und daher von Art. 9 Abs. 1 GG geschützt ist, ist der Schutzbereich nicht eröffnet für alle nach außen gerichteten Aktivitäten, bei denen der DFB seinen Verbandszweck gegenüber natürlichen oder juristischen Personen durchsetzt oder vertritt, welche nicht Mitglied des Verbandes sind. Dies betrifft z. B. die Vergabe von Senderechten an TV-Anstalten und die Organisation von bzw. Teilnahme an internationalen Wettbewerben der Nationalmannschaften. Denn dabei tritt der DFB wie eine natürliche Person im Rechtsverkehr auf und kann keine weitergehenden Rechte beanspruchen. Ein Grundrechtsschutz der UEFA/FIFA durch Art. 9 Abs. 1 GG kommt – auch soweit diese in Deutschland tätig werden – nicht in Betracht, da es sich um ausländische Vereinigungen (mit Sitz in Nyon bzw. Zürich27) handelt.28 3. Der Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG für Stadioneigentümer und Inhaber eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs Im Rahmen einer sportlichen Großveranstaltung kann das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sowohl für die Eigentümer des Stadions [siehe unter lit. a)] als auch unter dem Gesichtspunkt des Rechts am eingerichteten und aus24 Löwer in: von Münch/Kunig, Art. 9 Rn 11; Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 54; Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil, Rn 9. 25 Zwar wird der Spielbetrieb nicht mehr durch den DFB, sondern durch den im April 2001 gegründeten Ligaverband der Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen durchgeführt; nach § 4 Ziffer 1, lit. a) der Satzung des Ligaverbandes hat der DFB dem Ligaverband jedoch die Lizenzligen als seine „Vereinseinrichtung“ nur überlassen. 26 § 4 Ziffer 1 lit. b) der Satzung des Ligaverbandes. 27 § 3 der Satzung des DFB. 28 BFH DStR 2001, 616; VGH BW, VBl. BW 2003, 389 (392); Löwer in: von Münch/Kunig, Art. 9 Rn 13; Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 9 Rn 56; siehe hierzu auch Guckelberger, AöR 2004, 618 ff.
A. Grundlagen im Verfassungsrecht
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geübten Gewerbebetrieb [siehe unter lit. b)] für den Veranstalter der Spielbegegnung relevant werden. a) Nutzung des Eigentums am Stadion Nicht immer ist der Eigentümer des Stadions auch gleichzeitig der Veranstalter des Spiels. Zwar haben bereits einige Bundesligisten vereinseigene Stadien errichtet; traditionellerweise steht das Fußballstadion jedoch im Eigentum einer Stadt oder einer von ihr mehrheitlich gehaltenen Kapitalgesellschaft. Die Nutzung der Sportstätte regelt in diesem Fall ein Miet- oder Pachtvertrag mit dem Bundesligaverein oder seiner Tochtergesellschaft.29 aa) Die öffentliche Hand als Stadioneigentümerin Das kommunale Eigentum am Stadion genießt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen Schutz aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Unabhängig davon, ob die Gemeinde eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt oder welcher Rechtsform sie sich im Rahmen ihrer Tätigkeit bedient, scheitert der Grundrechtsschutz des öffentlichen Eigentums an der grundrechtstypischen Gefährdungslage. Die Sportstätte dient im Rahmen der Daseinsvorsorge als öffentliche Einrichtung.30 Die Gemeinde erfüllt dabei eine öffentliche Aufgabe als Hoheitsträger. Sie kann aber nicht gleichzeitig grundrechtsberechtigt und -verpflichtet sein.31 Lediglich in Bayern gewährt der Bayerische Verfassungsgerichtshof den Gemeinden Eigentumsschutz auf landesverfassungsrechtlicher Ebene.32 bb) Der Verein als Stadioneigentümer Soweit das Stadion im privaten Eigentum des Bundesligisten steht, ist neben der formal-dinglichen Rechtsposition auch die Nutzung des Stadions, z. B. durch die Austragung von Spielen, von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Denn der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums garantiert nicht nur das „Haben“, sondern auch das „Ausnutzendürfen“ einer Sache. Dabei soll das Eigentum die eigenverantwortliche Nutzung anderer Freiheitsrechte ermöglichen.33 29 Nach einer Erhebung des Verfassers im Herbst 2000 befanden sich 6 BundesligaStadien im Eigentum kommunaler Gebietskörperschaften bzw. deren Gesellschaften. Es waren 3 vereinseigene Stadien zu verzeichnen. Keine Antwort war dagegen zu erhalten von VfB Stuttgart, Borussia Dortmund, 1. FC Köln, VfL Bochum, Borussia Mönchengladbach, SSV Ulm, Hansa Rostock, Bayer Leverkusen, Werder Bremen, Arminia Bielefeld und Hertha BSC Berlin. 30 Seewald in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kommunalrecht Rn 140. 31 BVerfGE 61, 82 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn 154. 32 BayVBl. 1984, 655 ff.
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
Im Fußballsport wäre eine effektive Ausübung der Berufs- bzw. Handlungsfreiheit der Vereine (z. B. durch die Organisation eines professionellen Spielbetriebs) trotz eigenem Stadion nicht gewährleistet, wenn nicht auch die Nutzung des Stadions ausreichend geschützt wäre. Denn eine fußballerische Großveranstaltung ist auf ein Sportstadion mit mehreren Zehntausend Zuschauerplätzen angewiesen. Die Publikumswirksamkeit eines Fußballspiels wird erst durch die hohen Zuschauerzahlen und durch die Atmosphäre im Stadion erreicht. Durch die Nutzung eines attraktiven Stadions wird dem Bundesligaverein bzw. seiner Tochtergesellschaft ermöglicht, einen professionellen Spielbetrieb zu führen und seine grundrechtlichen Freiheitsrechte auszunutzen, um seinen satzungsmäßigen Zweck – mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht – zu verwirklichen. b) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erweitert den Schutz des Eigentums über die einzelnen betrieblichen Vermögensgegenstände hinaus auf das Unternehmen als geschlossenen Wirtschaftskörper. Auf diese Weise wird der Mehrwert erfasst, den das Unternehmen als Ganzes im Vergleich zur Summe der einzelnen betrieblichen Güter aufweist. Während das BVerfG bislang offengelassen hat, ob das Recht am Gewerbebetrieb verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz genießt, sieht die Rechtsprechung des BVerwG und des BGH ebenso wie ein großer Teil der Literatur den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG eröffnet.34 Im Bereich des bezahlten Fußballs ist – vergleichbar zum Geschäftsbetrieb eines jeden Unternehmens – der Spielbetrieb nur möglich aufgrund einer effektiven Organisation unter Einsatz eines marktspezifischen Know-Hows. Ohne dieses Know-How wäre weder ein professioneller Spielbetrieb zu führen noch eine Spielbegegnung zu veranstalten. Das Eigentum der Bundesligisten angefangen vom – eventuell eigenen – Stadion bis hin zum Rasenmäher könnte nicht in wirtschaftlich sinnvoller Weise genutzt werden. Daher ist es sachgerecht, das Recht am Gewerbebetrieb im selben Maße wie das gegenständliche Eigentum verfassungsrechtlich zu schützen. Die Bundesligisten können jedoch nur in den Genuss des Rechts am Gewerbebetrieb kommen, wenn sie den professionellen Spielbetrieb als Gewerbe, d.h. mit der Absicht, Gewinn zu erzielen,35 betreiben. Diese Voraussetzung erfüllen nur die Kapitalgesellschaften, da die Vereine gemäß ihren Satzungen ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgen.36 Da33 BVerfGE 24, 367 (389 f.); 30, 292 (334); 68, 193 (222); 79, 292 (304); 83, 201 (208). 34 BVerfGE 51, 193 (221 f.); 66, 116 (145) einerseits und andererseits Wendt in: Sachs, GG, Art. 14 Rn 26; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn 10 und Arndt in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn 80 jeweils m. w. N. 35 BVerwG NJW 1977, 772.
A. Grundlagen im Verfassungsrecht
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her kann sich ein Bundesligaverein im Gegensatz zur Kapitalgesellschaft nicht auf das verfassungsrechtliche Recht am Gewerbebetrieb berufen. 4. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schützt neben der körperlichen Integrität auch die Gesundheit im biologischphysiologischen Sinn. Davon abzugrenzen ist das insoweit nicht geschützte soziale Wohlbefinden.37 Aus diesem Grunde fällt die bloße sportliche Betätigung – im Gegensatz zu Heilbehandlungsmaßnahmen, die sich des Sports bedienen – nicht in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.38 5. Kein Schutz durch die Versammlungsfreiheit Zutreffenderweise behandelt die polizeiliche Praxis Sportgroßveranstaltungen nicht als Versammlungen im verfassungsrechtlichen Sinne.39 Nach der Rechtsprechung des BVerfG setzt eine Versammlung den Zweck voraus, an der öffentlichen Meinungsbildung teilzuhaben. Wer dagegen zu einem sonstigen beliebigen Zweck zusammenkommt, bildet keine Versammlung, sondern eine Ansammlung.40 Auch soweit die Zusammenkunft zu einem nur beliebigen Zweck als Versammlung definiert wird, wird dennoch eine innere Verbindung der Teilnehmer durch die kollektive Ausübung von Freiheitsrechten gefordert. Auch nach dieser weiten Auffassung sind die Zuschauer bei Sportgroßveranstaltungen nicht von Art. 8 Abs. 1 GG erfasst, weil sie bloße Konsumenten sind und nicht aktiv von ihren Freiheitsrechten Gebrauch machen.41
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s. o. unter Ziff. 1., lit. b), cc). Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn 393. 38 So auch Thom, Sportförderung und Sportförderungsrecht als Staatsaufgabe, S. 116 und Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 47; a. A. wohl Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Kapitel, Rn 4 f., die allerdings ohne weitere Begründung, den „Freiraum auf sportliche Betätigung“ von Art. 2 II 1 GG erfasst sehen. 39 Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03. 2000, S. 4. 40 Die neueren Entscheidungen des BVerfG tendieren zu diesem sogenannten „engen Versammlungsbegriff“, siehe BVerfG BayVBl. 2001, 687 f., BVerfG NJW 2002, 1031, 1032; zum Diskussionsstand siehe Wiefelspütz, NJW 2002, 274 ff. und Kniesel/ Poscher, NJW 2004, 423. 41 Geis in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar, Art. 8 Rn 24; auch Höfling in: Sachs, GG, Art. 8 Rn 15 f.; Jarass/Pieroth, Art. 8 Rn 2 und Pieroth/Schlink, Rn 694. 37
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
6. Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht bei Sportgroßveranstaltungen Die allgemeine Handlungsfreiheit schützt jedes menschliche Tun oder Unterlassen, soweit es nicht von einem anderen Freiheitsrecht erfasst ist. Es fungiert als Auffanggrundrecht für sämtliche Fälle, in denen kein spezielleres Grundrecht eingreift.42 a) Auffanggrundrecht für ausländische Spieler Deutsche Berufsfußballer kommen im Rahmen ihrer Sportausübung bereits in den Genuss des spezielleren Grundrechts der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.43 Dagegen wird der insoweit fehlende Schutz der Berufsausübung für die zahlreichen ausländischen Spitzensportler, welche in der deutschen FußballBundesliga in Lohn und Brot stehen, über die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG aufgefangen. Gleiches gilt für die Sportler der Gastmannschaften bei internationalen Wettbewerben. Die ausländischen Sportvereine selbst können jedoch ebenso wenig wie ihre Kapitalgesellschaften den Schutz freiheitlicher Grundrechte für sich in Anspruch nehmen.44 b) Grundrechtsschutz für den Spielbetrieb der eingetragenen Vereine ohne Gewinnerzielungsabsicht Art. 2 Abs. 1 GG schützt als Auffanggrundrecht den professionellen Spielbetrieb der eingetragenen gemeinnützigen Vereine, welcher mangels Gewinnerzielungsabsicht weder von der Berufsfreiheit noch vom Recht am Gewerbebetrieb erfasst wird.45 c) Grundrechtsschutz für Stadionbesucher Schließlich können sich die friedlichen Fans während ihres Stadionbesuchs auf die allgemeine Handlungsfreiheit berufen, da diese die Freiheit menschlichen Verhaltens im umfassenden Sinne schützt.46 Grundrechtsträger sind auch alle ausländischen Fans, die ihren Club bei internationalen Spielbegegnungen nach Deutschland begleiten.
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Kunig in: von Münch/Kunig, Art. 2 Rn 12. s. o. Ziff. 1., lit. a). 44 BVerfGE 21, 207 (208). 45 Murswiek in: Sachs, Grundgesetz, Art. 2 Rn 39; als inländische juristische Personen sind die Vereine Träger der allgemeinen Handlungsfreiheit. 46 Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 Rn 12 m. w. N. aus der Rechtsprechung. 43
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II. Verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates zum Schutz der Veranstaltung? Der Schutz sportlicher Großveranstaltungen bedarf umfangreicher und personalaufwendiger Polizeieinsätze. 47 Ein solcher Einsatz wird herkömmlich dem Bereich der Eingriffsverwaltung zugeordnet, da die sich Polizei in diesem Rahmen häufig der ihr zustehenden Eingriffsbefugnisse bedient.48 Daneben hat der Schutz der Veranstaltung aber auch sportfördernden Charakter.49 Ob sich aus dem sportfördernden Element der polizeilichen Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen (hierzu siehe unten Ziff. 1.) oder aus dem Eingriffselement (hierzu siehe unten Ziff. 2.) eine verfassungsrechtliche Verpflichtung der Polizei zum Schutz der Veranstaltung ableiten lässt, soll im folgenden untersucht werden. Gegebenenfalls ist zu prüfen, ob einer polizeilichen Pflicht zum Schutz der Veranstaltung ein subjektives öffentliches Recht der Veranstaltungsbeteiligten gegenüber steht (siehe unten Ziff. 3.). 1. Pflicht zur Gefahrenabwehr aus verfassungsrechtlichem Sportförderungsauftrag? Das sportfördernde Element der polizeilichen Sicherheitsarbeit kann sich nur dann als die Erfüllung einer Verfassungspflicht herausstellen, wenn ein verbindlicher (Verfassungs-)Auftrag zur Sportförderung existiert, der auch die polizeiliche Tätigkeit erfasst. Diese Anforderungen müssen erfüllt sein, wenn die Suche nach einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung der Polizei im Wortlaut des Grundgesetzes [hierzu siehe unten lit. a)], im Zusammenhang mit dem staatlichen Kulturauftrag [hierzu siehe unten lit. b)], im bundesverfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzip [hierzu siehe unten lit. c)] und in den Landesverfassungen [hierzu siehe unten lit. d)] erfolgreich sein soll. a) Sportförderung nach dem Wortlaut des Grundgesetzes? Obgleich sich der Sport längst zu einer öffentlichen Aufgabe entwickelt hat, ist er im Grundgesetz nicht erwähnt.50 Um die bislang freiwillige Staatsaufgabe der Sportförderung der politischen Entscheidung zu entziehen und in rechtlicher Hinsicht verbindlich vorzuschreiben, werden immer wieder Forderungen nach 47
Hierzu siehe oben Erster Teil, C., Ziff. III., 3. und 4. Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil, 2. Kapitel, Rn 33 ff. behandeln die Probleme um den Polizeieinsatz bei Sportgroßveranstaltungen unter dem Titel „B. Ordnungsmaßnahmen der Verwaltung“. 49 Steiner, NJW 1991, 2729 (2731). 50 Zur öffentlichen Aufgabe der Sportförderung siehe Stern, Grundrechte der Sportler, S. 142 ff.; Burmeister, DÖV 1978, 1 ff. und Steiner, DÖV 1983, 173 ff. 48
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
einer textlichen Verankerung des Sports im Grundgesetz laut.51 Auch von wissenschaftlicher Seite wird postuliert, der Sport sei bereits ein Thema der „materiellen“ Verfassung, dem sich der Verfassungstext auf Dauer nicht verweigern könne. Der Sport soll danach entweder im Rahmen einzelner Grundrechte oder als Staatsaufgabe im Verfassungstext erwähnt werden.52 Der 9. Sportbericht der Bundesregierung hat sich jedoch zu Recht ausdrücklich gegen eine derartige Regelung im Grundgesetz ausgesprochen.53 Eine Aufnahme des Sports in die Bundesverfassung wäre systemwidrig und ist nicht erforderlich. Aufgrund der föderalen Konzeption der Bundesrepublik findet eine Sportförderungsklausel – sofern politisch gewünscht – in den Landesverfassungen, nicht aber im Grundgesetz ihren systematischen Platz. Das Konzept des Grundgesetzes als „schlanke Verfassung“ gebietet es, einem „Lesebuch des Staatsparadieses“ entgegenzuwirken. Zwar hat der Sport ohne Zweifel nicht nur große gesellschaftliche, sondern auch staatspolitische Bedeutung, indem er demokratische Werte wie Fairness, Leistungsgerechtigkeit und Teamfähigkeit vermittelt. Jedoch ist es dem Grundgesetz – im Gegensatz zu den Landesverfassungen – fremd, bestimmte Lebensbereiche zum ausdrücklichen Verfassungsthema im Sinne einer Staatszielbestimmung zu machen. Daher kommt eine polizeiliche Pflicht zum Schutz der Sportveranstaltung aus einem ausdrücklichen grundgesetzlichen Sportförderungsauftrag de lege ferenda nicht in Betracht.54 b) Sportförderung und staatlicher Kulturauftrag Versteht man die Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 GG als Staatszielbestimmung zur Förderung der Kultur,55 so scheint die begriffliche Einbeziehung des Sports in die staatliche Kulturpflege verlockend, um auf diese Weise einen grundgesetzlichen Titel für die Staatsaufgabe der Sportförderung zu erhalten. Der Sport wird dabei als kulturelle Staatsaufgabe gesehen und die kulturstaatliche Rechtsprechung des BVerfG56 als Beleg für die verfassungsrechtliche Absicherung der Sportförderung herangezogen.57 Ob sich aus einem solchen Verfassungsauftrag eine Pflicht der Polizei zur Gefahrenabwehr bei sportlichen 51
So die Forderung des Präsidenten des DSB, Manfred von Richthofen, http:// www.BerlinOnline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/1997/0201/sport/0213/index.html, 07.02.2002; ebenso: der Antrag der SPD Bundestagsfraktion aus dem Jahre 1997, BTDrs.13/6964, http://www.spd-berlin.de/home/Thomaskrueger/ini050.htm, 07.02.2002; auch die PDS fordert durch Radsportlegende und MdB Gustav „Täve“ Schur die Aufnahme des Sports in das GG, http://www.pds-im-bundestag.de, 07.02.2002. 52 Häberle, Festschrift Thieme, S. 28; 53. 53 9. Sportbericht der Bundesregierung, S. 10. 54 Tettinger, Sport als Verfassungsthema, S. 19; Steiner, SpuRt 1994, 2 f.; ders., Kommunen und Leistungssport, S. 43 ff. 55 So Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 5 III, Rn 8. 56 BVerfGE 36, 321 (331).
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Großveranstaltungen ergeben würde, kann jedoch offen bleiben. Denn derartige Bemühungen, der staatlichen Sportförderung grundgesetzlichen Gehalt zu verleihen, scheitern aus zweierlei Gründen: (1) Sport ist nicht Kultur im juristischen Sinne. Zwar ist der Sport unstreitiger Bestandteil eines weiten, soziologischen Kulturbegriffs im Sinne einer typischen gesellschaftlichen Lebensform.58 Der enge juristische Kulturbegriff ist dagegen beschränkt auf die Bereiche geistig-schöpferischer Betätigungen des Menschen.59 Im Sport liegt der Schwerpunkt aber in der körperlichen Betätigung. Zudem ist es im Sport vielfach üblich, eine Leistung um ihrer selbst willen zu erbringen, z. B. im Breiten- und Freizeitsport oder bei Wettkämpfen, bei denen allein die Geschwindigkeit oder die Kraft entscheidet. Schöpferische Anstrengungen, die einer kulturellen Betätigung entsprechen, werden nur in (wenn auch nicht unbedeutenden) Teilbereichen erbracht, z. B. bei Spielen.60 Die Zweckfreiheit sportlicher Tätigkeit kann daher nicht als Indiz für eine schöpferische und mithin kulturelle Eigenschaft des Sports herangezogen werden.61 Demgemäß findet sich der Sport im einfachen Recht auch nicht als Bestandteil der Kultur, sondern stets neben der Kultur als eigenständiger Regelungsgegenstand wieder. Es besteht auch kein Bedarf, den Sport auf einfachgesetzlicher oder verfassungsrechtlicher Ebene in ein kulturstaatliches Korsett hineinzuzwängen. Denn der Sport weist neben der Staatsaufgabe der Kultur eine eigenständige Bedeutung von nicht minderwertigerer Dignität auf.62 (2) Weiter ist der Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 GG kein Auftrag der Verfassung an den Staat zu entnehmen, die Kultur als solche zu fördern. Die Formulierung in BVerfGE 36, 321 (331), wonach dem „modernen Staat, der sich im Sinne einer Staatszielbestimmung als Kulturstaat versteht, zugleich die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern“ obliege, beinhaltet keine allgemeine verfassungsrechtliche Pflicht zur Kultur57 So geschehen bei Thom, Sportförderung und Sportförderungsrecht als Staatsaufgabe, S. 156, 160 ff.; auch: Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil, 1. Kapitel, Rn 13 am Ende. 58 So auch Häberle, Festschrift Thieme, S. 40. 59 Steiner, VVDStRL 42, S. 8 f.; auch BVerfGE 10, 20 (36 f.) stellt auf die „innerhalb einer Gemeinschaft wirkenden geistigen (Hervorhebung durch den Verf.) Kräfte“ ab. 60 Tettinger, SpuRt 2003, 47; Holzke, Der Begriff Sport im deutschen und europäischen Recht, S. 139 f., 141 ff. und 166; Hebeler, SpuRt 2003, 222; Unger/Wellige, Nds.VBl. 2004, 8. 61 So aber Segerer, S. 103, der zudem die Antwort auf die verfassungsrechtliche Konsequenz aus seiner Subsumtion des Sports unter den juristischen Kulturbegriff schuldig bleibt. 62 So auch Steiner, SpuRt 1994, 2 ff.; im Ergebnis ebenso gegen die Einbeziehung des Sports in den Begriff der Kultur: Bauer, Kultur und Sport im Bundesverfassungsrecht, S. 245; differenzierend: Stender-Vorwachs, SpuRt 2004, 201 ff.
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
förderung.63 Die Interpretation des Art. 5 Abs. 3 GG als verfassungsrechtliche Verankerung einer staatlichen Kulturförderungspflicht übersieht, dass das Grundgesetz nicht für die Gesamtheit der Kultur, sondern allein für kulturelle Teilbereiche, unter anderem der Kunst, grundrechtliche Freiheitsräume schafft, welche nicht mit ihrer Gesamtheit gleichzusetzen sind.64 c) Keine sozialstaatliche Begründung sportfördernder polizeilicher Schutzmaßnahmen Soweit die staatliche Sportförderung als Bestandteil der Leistungsverwaltung und des Sozialstaates angesehen wird,65 kann offen bleiben, ob sich aus dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip auch ein verbindlicher Verfassungsauftrag zur Sportförderung ergeben kann.66 Von einem solchen Verfassungsauftrag wäre das polizeiliche Handeln bei Sportveranstaltungen jedenfalls nicht erfasst. Denn das sportfördernde Element der polizeilichen Gefahrenabwehr lässt sich nicht wie die herkömmlichen Maßnahmen der Sportförderung in die staatliche Leistungsverwaltung einordnen. Insofern gilt es, das überkommene verengte Bild von der staatlichen Sportförderung als Subventionenvergabe zu erweitern. Nicht nur Maßnahmen der Leistungsverwaltung, sondern auch staatliche Freiheitsbeschränkungen, die zum Schutz der Sportler ergehen, sind der Sportförderung zuzurechnen.67 So beinhaltet auch das unzweifelhaft vorhandene sportfördernde Element der polizeilichen Gefahrenabwehr bei Sportveranstaltungen keine staatliche Leistung im Sinne sozialer Teilhabe- oder originärer Leistungsrechte. Zwar erbringt die Polizei gerade bei Sportgroßveranstaltungen gegenüber den Veranstaltungsbeteiligten zweifellos erhebliche, unter Umständen auch geldwerte Leistungen, indem sie für den Schutz vor gewaltsamen Übergriffen sorgt und dabei die Ausübung der Freiheitsrechte der Beteiligten sichert. Die Sicherung von Freiheitsrechten wird aber nicht auf sozialstaatlicher Ebene, sondern aus der Dimension des Staates als Friedenseinheit und Schutzmacht erbracht.68 Dies gilt auch im Bereich der Gefahrenvorsorge, welche bei der Absicherung von Sportgroßveranstaltungen von entscheidender Bedeutung ist.69 Die schützende Tätigkeit der 63 Steiner, Kulturpflege, in: HStR, Band III, § 86 Rn 3; a. A. Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 5 III Rn 8. 64 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, S. 233. 65 Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil, 2. Kapitel, Rn 19 a. E.; auch: 9. Sportbericht der Bundesregierung, S. 10. 66 Dagegen: Burmeister, DÖV 1978, 4 und Steiner, HStR III, § 86 Rn 27; für Häberle, Festschrift Thieme, S. 47 liegen dagegen „Sozialstaatsbezüge auf der Hand“. 67 Unger/Wellige, Nds.VBl. 2004, 4. 68 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 17 f. 69 Nolte, NVwZ 2001, 149.
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Polizei, die sich gegenüber den Begünstigten als Leistung darstellt, verwirklicht nicht den Sozialstaat, sondern schafft seine Vorbedingungen.70 Der polizeiliche Schutz einer Sportveranstaltung bleibt also trotz seines unverkennbar sportfördernden Elementes dem Grunde nach eine Maßnahme der bestandssichernden Gefahrenabwehr.71 d) Polizeiliche Schutzpflicht aus landesverfassungsrechtlichem Sportförderungsauftrag? In den Verfassungen der Bundesländer von Sachsen (Art. 11), Sachsen-Anhalt (Art. 36), Brandenburg (Art. 35), Nordrhein-Westfalen (Art. 18), MecklenburgVorpommern (Art. 16), Thürigen (Art. 30), Berlin (Art. 32), Bremen (Art. 36a), Niedersachsen (Art. 6), Bayern (Art. 140), Schleswig-Holstein (Art. 9), Saarland (Art. 34a), Rheinland-Pfalz (Art. 40), Baden-Württemberg (Art. 3c) und Hessen (Art. 62a) hat sich der Staat – jeweils mit unterschiedlichen Formulierungen – zur Förderung des Sports verpflichtet. Daher ist der verbindliche Auftrag an die Staatsgewalt zur Sportförderung dem Grunde nach unbestritten. Zu klären gilt es jedoch, ob dieser Verfassungsauftrag auch das sportfördernde Element der polizeilichen Gefahrenabwehr erfasst [hierzu siehe unten lit. aa)] und, falls dies zutrifft, welche Konsequenzen sich hieraus für die Polizei ergeben [siehe unten lit. bb)]. aa) Adressatenkreis des landesverfassungsrechtlichen Sportförderungsauftrags Soweit in den Landesverfassungen die Pflicht des Staates zur Sportförderung niedergeschrieben ist, werden die entsprechenden Bestimmungen allgemein als Staatsziele verstanden.72 Staatszielbestimmungen sind Verfassungsnormen, welche Aufgaben und Richtung gegenwärtigen und zukünftigen staatlichen Handelns verbindlich festlegen. Sie sind vornehmlich an den Gesetzgeber gerichtet. Daher bleibt eine Staatszielbestimmung für sich allein grundsätzlich ohne unmittelbare Wirkung für das Staatswesen, bis sie durch ein Gesetz umgesetzt ist.73 So ist auch der verfassungsrechtliche Sportförderungsauftrag zunächst an den Gesetzgeber adressiert. 70
Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 1, 1., S. 2. Zu einem anderen Ergebnis müsste Erichsen (VVDStRL 35, S. 177 ff.) kommen, der zwischen Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge in Form von Wohlfahrtspflege fließende Grenzen erkennt (S. 180), was aber die institutionellen Grenzen zwischen polizeilichem Handeln und der ürbigen Verwaltungstätigkeit verwischt. 72 Steiner, SpuRt 1994, 4; Hebeler, SpuRt 2003, 221 f.; so auch Jutzi, ThürVBl. 1995, 29 (57) und Schwarz, NdsVBl. 1998, 227 zur thüringischen bzw. niedersächsischen Sportförderungspflicht. 71
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Damit ist jedoch das Wesen einer verfassungsrechtlichen Staatszielbestimmung noch nicht vollständig erfasst. Derartige Normen regeln verbindliche Aufgaben und Richtlinien für das gesamte staatliche Handeln. Auch die Rechtsprechung und die Verwaltung sind an solche Verfassungsbestimmungen bei der Auslegung und der Anwendung des einfachen Rechts gebunden.74 Die Einkleidung des Sports in einen Auftrag der Verfassung verpflichtet die Staatsgewalt auf allen Ebenen, aktive Sportförderung zu verwirklichen.75 Aus diesem Grund gehört die Polizei zwar nicht zu den unmittelbaren Adressaten eines Staatsziels „Sportförderung“; ihre Bindung an das vorgegebene Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet sie aber, innerhalb ihres Aufgabenbereichs die verfassungsrechtliche Wertentscheidung für den Sport zu beachten. Dabei ist im Gegensatz zum Anwendungsbereich des grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzips76 das sportfördernde Element der polizeilichen Gefahrenabwehr von den landesverfassungsrechtlichen Aufträgen zur Sportförderung erfasst. Der Begriff der Sportförderung ist nicht auf staatliche Leistungen im engeren, sozialstaatlichen Sinne beschränkt, sondern gilt auch für die Leistungen des Staates und der Polizei zum Schutz bei der Ausübung von Freiheitsrechten. Denn ohne Zweifel hat der polizeiliche Schutz einer Sportgroßveranstaltung einen erheblichen sportfördernden Effekt.77 Mit der Aufnahme des Sports in die Landesverfassungen ist eine verfassungsrechtliche Legitimation für jegliches sportförderndes Staatshandeln geschaffen.78 Daher fällt auch das polizeiliche Handeln bei einer Sportgroßveranstaltung in den Anwendungsbereich einer landesverfassungsrechtlichen Sportförderungsklausel. bb) Relevanz landesverfassungsrechtlicher Sportförderungsnormen für die Polizei Da sich die Sportförderungspflicht vornehmlich an den Landesgesetzgeber richtet, bleibt die rechtsanwendende Verwaltung grundsätzlich auf die Umsetzung seiner legislativen Wertentscheidung beschränkt.79 Daher kann für die Polizei aus dem verfassungsrechtlichen Sportförderungsauftrag keine unmittelbare Handlungspflicht zum Schutz einer Veranstaltung folgen.
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Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn
208. 74
Badura, Staatsrecht, Rn D 42; Maunz/Zippelius, § 14, Ziff. I., 4. Steiner, SpuRt 1994, 4; Bauer, Kultur und Sport im Bundesverfassungsrecht, S. 346. 76 Hierzu siehe oben unter lit. c). 77 Steiner, NJW 1991, 2729 (2731); Würtenberger, Risikosportarten, S. 40. 78 Steiner, Festschrift Stern, S. 516. 79 Hebeler, SpuRt 2003, 222; Jutzi, ThürVBl. 1995, 26. 75
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Dennoch entfaltet der Sportförderungsauftrag für die Verwaltung vor allem im Rahmen behördlicher Ermessensentscheidungen erhebliche Relevanz.80 Daher haben auch die Länderpolizeien bei ihren Ermessensentscheidungen die landesverfassungsrechtlichen Belange des Sports zu berücksichtigen. Findet der Sport keinen Eingang in die behördlichen Ermessenserwägungen über das „Ob“ und das „Wie“ der Planung und Ausführung des Polizeieinsatzes, so liegt angesichts der eindeutigen Vorgabe aus der jeweiligen Landesverfassung ein Ermessensausfall vor. Der Sport nimmt bei der Ermessensausübung – ebenso wie bei der Gesetzgebung – eine gleichwertige Position zu den übrigen Verfassungsgütern des Landesrechtes wie z. B. der Kultur ein. Selbst gegenüber bundesverfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern vermag das Landesverfassungsgut Sport im Rahmen einer Abwägung einen fairen Interessensausgleich herbeizuführen und sich im Einzelfall sogar gegen grundgesetzlich geschützte Werte durchzusetzen.81 Dem steht die Bestimmung des Art. 31 GG (Bundesrecht bricht Landesrecht) nicht entgegen, da hiervon nur Fälle erfasst sind, in denen ein und derselbe Sachverhalt in einer bundesgesetzlichen Norm abweichend vom Landesrecht geregelt wird.82 Art. 31 GG hindert die Länder nicht daran, in ihren eigenen Kompetenzbereichen verfassungsrechtliche Wertentscheidungen zu treffen, die von den Landesorganen bei der Anwendung von Landesrecht zu beachten sind. Die Landesverfassung ist in Relation zum Grundgesetz keine Verfassung niedrigeren Ranges, sondern steht im föderalen Gesamtgefüge der Bundesrepublik Deutschland als Teilordnung gleichrangig neben der Bundesverfassung.83 Daher sind ihre Verfassungsgüter ebenso schützenswert und förderungswürdig wie grundgesetzliche Werte. So hat z. B. das OLG Stuttgart die Enteignung eines Grundstücks zum Bau eines kommunalen Sportplatzes gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG für gerechtfertigt gehalten und dabei den Gemeinwohlbezug des Sports aus Art. 3c der baden-württembergischen Landesverfassung abgeleitet.84 Festzuhalten bleibt jedoch, dass dem Sport auf diese Weise kein abstrakter Vorrang bei Ermessensentscheidungen eingeräumt werden kann.85 Vielmehr muss jede Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der Belange des Sports geprüft werden. Eine Spielabsage ist daher nur dann mit dem Sportförde80 Tettinger, Sport als Verfassungsthema, S. 19; ders. Nds.VBl. 2004, 128; Unger/ Wellige, Nds.VBl. 2004, 7. 81 Steiner, Sportrecht heute, S. 206; ders., SpuRt 1994, 4; Bauer, Kultur und Sport im Bundesverfassungsrecht, S. 348; Tettinger, SpuRt 2003, 48; nach Hebeler, SpuRt 2003, 225 ist dagegen die Aufnahme des Sports in die Landesverfassung ohne entsprechende Ausgestaltung im einfachen Recht praktisch ohne Wirkung. 82 BVerfGE 36; 342, 360 ff. 83 Bartlsperger, HStR IV, § 96 Rn 25. 84 OLG Stuttgart, SpuRt 2002, 27 ff. 85 Steiner, Festschrift Stern, S. 522.
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rungsauftrag vereinbar, wenn das Interesse am Schutz anderer, gleichrangiger Rechtsgüter, die bei der Durchführung der Veranstaltung beeinträchtigt würden, das Interesse an der Erfüllung dieses Verfassungsauftrags im konkreten Fall überwiegt. 2. Pflicht zur polizeilichen Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen aus den grundrechtlichen Schutzpflichten Das neben dem sportfördernden bestehende eingreifende Element des Polizeieinsatzes bei Sportgroßveranstaltungen weist einen ambivalenten Charakter auf: Einerseits wird durch die Anwendung und Ausschöpfung des polizeilichen Eingriffsinstrumentariums die grundrechtseinschränkende Wirkung polizeilichen Handelns deutlich, anderseits stellt sich der Grundrechtseingriff auch als Schutz bei der Ausübung von Grundrechten durch die Veranstaltungsbeteiligten vor den Gefahren des Hooliganismus dar. Ob die Polizei zu diesem „Schutz durch Eingriff“86 verfassungsrechtlich verpflichtet ist, soll anhand der Existenz und Herkunft des verfassungsrechtlichen Schutzauftrags [hierzu siehe unten lit. a)] und dessen Ausformung durch die Polizeigesetze [siehe unten lit. b)] untersucht werden, um abschließend feststellen zu können, ob in den Polizeieinsätzen bei Sportgroßveranstaltungen die Erfüllung der verfassungsrechtlichen Schutzpflichten erkannt werden kann oder nicht [hierzu siehe unten lit. c)]. a) Existenz und Herkunft der grundrechtlichen Schutzpflichten Das BVerfG hat in mehreren Entscheidungen die staatliche Verpflichtung erkannt, grundrechtliche Güter vor Eingriffen Dritter zu schützen. Am stärksten wirkt diese sogenannte „grundrechtliche Schutzpflicht des Staates“ für das menschliche Leben. Sie ist aber nicht auf das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG beschränkt, sondern wird vom BVerfG in Übereinstimmung mit der Literatur auch auf andere Grundrechte angewandt.87 Die Herkunft der grundrechtlichen Schutzpflichten wird in Rechtsprechung und Literatur dagegen nicht einheitlich beurteilt: Das BVerfG sieht sie in der objektiven Wertordnung der Grundrechte und in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG verankert.88 Dogmatisch eleganter ist es freilich, die Schutzpflichten über die Verbin86
Wahl/Masing, JZ 1990, 553 ff. BVerfGE 39, 1 (42); 46, 160; 49, 89 (140 ff.); 53, 30 (57); 55, 37 (68); 76, 357 (365); 81, 242 (255); 88, 203 (251); Klein, NJW 1989, 1633; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn 94 ff.; Götz, Innere Sicherheit, HStR III, § 79 Rn 10; Stern, Staatsrecht III/ 1, § 69, IV., 5. 88 Klein NJW 1989, 1635 m. w. N. aus der Rechtsprechung des BVerfG. 87
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dung der Staatsaufgabe der inneren Sicherheit mit den Grundrechten herzuleiten: Zwar ist die Aufgabe des Staates, die innere Sicherheit zu gewährleisten, im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt; sie wird dort aber vorausgesetzt.89 Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung bezeichnet die innere Sicherheit als „unverzichtbaren Verfassungswert“.90 In der Tradition der frühen französischen und amerikanischen Verfassungen sowie der von Thomas Hobbes geprägten staatsphilosophischen Grundsätze findet der Staat auch heute noch in der Gewährleistung der Sicherheit der Bürger vor gewaltsamen Übergriffen seine Daseinsberechtigung und „letzte Rechtfertigung“.91 Die Staatsaufgabe der inneren Sicherheit ist ein Kernbestand des Rechtsstaats.92 Auf diese Weise ist die staatliche Schutzpflicht dem Grunde nach im Rechtsstaatsprinzip verbindlich festgelegt. Die Grundrechte geben dagegen die Werte vor, welche den Gegenstand der staatlichen Schutzpflichten bilden. Sie verleihen der rechtsstaatlich begründeten Sicherheitsarbeit des Staates verfassungsmäßiges Substrat93 und geben gleichsam ein grundgesetzliches Programm für Erfüllung der Sicherheitsaufgabe vor. b) Ausformung der grundrechtlichen Schutzpflichten durch die Polizeigesetze Die grundrechtliche Schutzpflicht wendet sich primär an den Gesetzgeber. Er hat sie in einfaches Recht umzusetzen, während die Verwaltung die Schutzpflicht erfüllt, indem sie die Gesetze konsequent vollzieht. Die Legislative muss die Beseitigung grundrechtlicher Gefahren im einfachen Recht nicht für jeden Einzelfall regeln, sondern kann der Verwaltung auch Ermessensspielräume belassen, innerhalb derer sie den einfachgesetzlich konkretisierten Schutzauftrag im Einzelfall vollzieht. Dabei steuern die grundrechtlichen Schutzpflichten unmittelbar die verwaltungspraktische Ermessensentscheidung.94 Die grundrechtlichen Schutzpflichten wurden auf der Ebene des einfachen Rechts v. a. im Bereich der Gefahrenabwehr konkretisiert, insbesondere durch die Polizeigesetze der Länder.95 Indem die Polizeibehörden den einfachgesetz89
Götz, Innere Sicherheit, HStR III, § 79 Rn 2 f. BVerfGE 49, 24 (56 f.). 91 BVerfG a. a. O.; Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, HStR V, § 111 Rn 22 ff. 92 Götz, Innere Sicherheit, HStR III, § 79 Rn 9; ebenso: Callies, ZRP 2002, 5 und Würtenberger, Freiheit und Sicherheit, S. 17. 93 Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, HStR V, § 111 Rn 84. 94 BVerfGE 46, 160 (164 f.); Stern, Staatsrecht III/1, § 69 6.) c); Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 53; Wahl/Masing, JZ 1990, 553, 555; zur Verfassungsmäßigkeit der Übertragung von Ermessen auf die Verwaltung bereits: BVerwGE 11, 95 ff. 95 Götz, Innere Sicherheit, HStR III, § 79 Rn 4; Reichert/Ruder/Fröhler, Polizeirecht, Rn 243; Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn 395 ff. 90
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lichen polizeilichen Schutzauftrag erfüllen, setzen sie die gesetzgeberisch ausgestaltete grundrechtliche Schutzpflicht in die Tat um. Dabei räumen die Gesetze zur Gefahrenabwehr der Polizei umfangreiches Ermessen ein. Sie kann entscheiden, ob und gegebenenfalls wie sie gegen eine Gefahr vorgeht. Bei dieser Entscheidung hat sie sich von der Prämisse leiten zu lassen, dem Schutzsuchenden die Ausübung seiner Rechte zu ermöglichen und gegen den Störer vorzugehen, der in die Rechte eines anderen eingreift. Eine anderweitige Entscheidung ist zwar möglich, stellt die Verwaltung jedoch im Rahmen ihrer Ermessensabwägung unter den Zwang „grundrechtlicher Rechtfertigung“.96 c) Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten durch Polizeieinsätze bei Sportgroßveranstaltungen Auch bei Sportgroßveranstaltungen erfüllt die Polizei ihre zugewiesene Aufgabe97 und damit den gesetzlich konkretisierten verfassungsrechtlichen Schutzauftrag. Bei der Entscheidung über das „Ob“ und das „Wie“ ihres Einsatzes hat die Polizei der spezifischen verfassungsrechtlichen Situation bei Sportgroßveranstaltungen Rechnung zu tragen. Namentlich sind der aktive Gebrauch der Grundrechte der Beteiligten sowie die Wirkung einer eventuellen landesverfassungsrechtlichen Sportförderungsklausel zu beachten. Bei der Frage, ob die Polizei eine Sportveranstaltung zu schützen hat, lässt es die verfassungsmäßig vorgegebene Situation nicht zu, das Erfordernis der Gefahrenabwehr bei sportlichen Großveranstaltungen zu ignorieren und die Veranstaltung sich selbst zu überlassen. Vor allem die Gefahr für das Leben und die körperliche Integrität als besonders werthaltige Rechtsgüter der grundrechtlichen Ordnung,98 welche durch gewalttätige Zuschauer für die Sportler und die friedlichen Fans ausgehen kann, verpflichtet die Polizei, sich mit den Sicherheitsproblemen einer solchen Veranstaltung zu befassen.99 Auf dieser Stufe des (Entschließungs-)Ermessens ist freilich noch nicht entschieden, in welcher Weise die Polizei die verschiedenen Verfassungsgüter zu schützen hat. Diese Entscheidung wird auf der Ebene des Auswahlermessens getroffen.100 Hierbei sind sämtliche gefahrabwehrenden Maßnahmen denkbar, beginnend von der Absage des Spiels bis hin zur Planung und Ausführung eines umfangreichen polizeilichen Großeinsatzes. Auf diese Entscheidung nehmen die verfassungsmäßigen Werte des Sports und die Freiheitsrechte der an der Sportveranstaltung Beteiligten ebenso wie die grundrechtlichen Belange derer 96
Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 54. Markert/Schmidbauer, Kriminalistik 1994, 494. 98 BVerfGE 39, 1 (42). 99 Im Ergebnis ebenso Broß, DVBl. 1983, 377; Nolte, Sport und Recht, S. 131. 100 Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 323. 97
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Einfluss, die bei der Durchführung der Sportveranstaltung beeinträchtigt werden (z. B. Nachbarn des Stadions, anderweitige Verkehrsteilnehmer). Dabei verlangt der verfassungsrechtliche Schutzauftrag von der Polizei, dem Veranstalter sowie den Sportlern und Zuschauern den aktiven Gebrauch ihrer Grundrechte zu ermöglichen.101 Ein landesverfassungsrechtliches Staatsziel „Sportförderung“ unterstreicht diese Verpflichtung zusätzlich. Die polizeilich verfügte Absage von Spielbegegnungen würde gleichsam eine teilweise Absage an die Erfüllung des grundrechtlichen Schutzauftrags und eines etwaigen landesverfassungsrechtlichen Sportförderungsauftrags bedeuten. Gleichwohl kann die verfassungsmäßige Ermessensabwägung im Einzelfall auch die Absage eines Spiels zum Ergebnis haben. Es ist nicht auszuschließen, dass selbst unter Anwendung umfangreicher polizeilicher und privater Sicherheitsmaßnahmen die körperliche Unversehrtheit oder andere Rechtsgüter der durch die Hooligangewalt Betroffenen so stark bedroht bleiben, dass ihr Schutz den Interessen an der Durchführung der Sportveranstaltung vorgeht. Da aber eine Absage der Veranstaltung den grundrechtlichen Schutzauftrag der Polizei zu Lasten der betroffenen Spieler, des Veranstalters und der friedlichen Fans unerfüllt ließe, kann sie allenfalls ultima ratio sein. 3. Subjektives öffentliches Recht auf polizeilichen Schutz bei der Durchführung des Spiels? Besteht dem Grunde nach eine behördliche Pflicht, die Sportgroßveranstaltung vor gewaltsamen Übergriffen zu schützen, so können die Veranstaltungsbeteiligten eine entsprechende polizeiliche Leistung nur dann verlangen, wenn der objektiven Schutzpflicht auch ein subjektives öffentliches Recht korrespondiert.102 Ein solcher Anspruch auf polizeilichen Schutz bei Sportgroßveranstaltungen kann weder aus der verfassungsrechtlichen Sportförderungspflicht, noch aus der Dimension grundrechtlicher Leistungsansprüche folgen [hierzu siehe unten lit. a)], sondern allenfalls aus den grundrechtlichen Schutzpflichten in Verbindung mit den Polizeigesetzen [hierzu siehe unten lit. b)]. a) Kein subjektives öffentliches Recht auf Polizeischutz aus verfassungsrechtlicher Sportförderungsklausel oder aus grundrechtlichen Leistungsansprüchen Ein subjektives Recht auf Schutz kann nicht aus einer verfassungsrechtlichen Sportförderungsklausel hergeleitet werden. Sie beinhaltet wie jede Staatszielbestimmung ausschließlich objektive staatliche Verhaltenspflichten. Staatszielbestimmungen können keine subjektiven Ansprüche gegen staatliche Hoheitsträger 101 102
Im Ergebnis ebenso: Manssen, SpuRt 1994, 170. Mauer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn 2 f.
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begründen.103 Auch bei der Auslegung einfachen Rechts darf es nicht zu einer Umdeutung des Staatsziels Sport in einen subjektiven Anspruch kommen. Das Staatsziel „Sportförderung“ hat wie jede objektive Verfassungsbestimmung ausschließlich den Zweck, der Allgemeinheit zu dienen. Es vermag staatliche Entscheidungen und Eingriffe zu rechtfertigen; Ansprüche aber will es nicht begründen.104 Da der polizeiliche Schutz bei sportlichen Großveranstaltungen keine sozialstaatlichen, sondern ausschließlich rechtsstaatliche Aufgaben erfüllt,105 kann ein Schutzanspruch auch nicht aus der Dimension der Grundrechte als soziale Teilhabe- oder Leistungsrechte folgen. b) Subjektives öffentliches Recht auf Veranstaltungsschutz aus den grundrechtlichen Schutzpflichten? Die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates wird im Rahmen von Sportgroßveranstaltungen durch den Vollzug der Polizeigesetze erfüllt. Damit ist ein möglicher grundrechtlicher Schutzanspruch durch die Polizeigesetze „gesetzesmediatisiert“.106 Ein subjektives öffentliches Recht der Veranstaltungsbeteiligten auf polizeilichen Schutz kann sich nicht unmittelbar aus den Grundrechten ergeben, sondern allenfalls aus ihren einfachrechtlichen Konkretisierungen im Polizeirecht.107 Es setzt daher voraus, dass der einzelne den Vollzug der Polizeigesetze verlangen kann [hierzu siehe unten lit. aa)]. Wegen der erheblichen Relevanz der Gefahrenvorsorge bei Sportveranstaltungen stellt sich zudem die Frage, ob die Beteiligten auch das gefahrenvorbeugende Handeln von der Polizei verlangen können [hierzu siehe unten lit. bb)]. aa) Der Anspruch des Einzelnen auf fehlerfreie Ermessensausübung und Ermessensreduktion auf Null Nach den Polizeigesetzen erfüllt die Polizei ihre Aufgabe der Gefahrenabwehr und damit die grundrechtliche Schutzpflicht nach pflichtgemäßem Ermessen. Hierbei besteht ein subjektives öffentliches Recht des von einer Polizeimaßnahme Begünstigten auf ermessensfehlerfreie Entscheidungen der Behörde. Diese setzen die angemessene Berücksichtigung der betroffenen Grundrechte 103
Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn 208. Steiner, Sportrecht heute, S. 204; siehe auch Schwarz, NdsVBl. 1998, 227. 105 Hierzu siehe oben unter Ziff. 2., lit. c). 106 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 44, 53; siehe auch oben unter Ziff. 2., lit. b). 107 Auch Knemeyer wendet sich in VVDStRL 35, S. 252 gegen die unmittelbare Heranziehung der Grundrechte zur Begründung subjektiver öffentlicher Rechte im Polizeirecht. 104
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voraus. Die Beachtung grundrechtlicher Schutzpflichten als Ermessensgrenzen und -richtlinien des polizeilichen Handelns kann von den betroffenen Grundrechtsträgern verlangt und gerichtlich durchgesetzt werden.108 Dies gilt auch für die beteiligten Grundrechtsträger einer Sportgroßveranstaltung. Eine „hohe Intensität der Störung“ grundrechtlicher Freiheiten kann die Polizei gegenüber dem schutzbedürftigen Grundrechtsträger sogar verpflichten, in einer konkreten Gefährungssituation einzugreifen.109 Als Beispiel mag der unbeteiligte Fan in einer Hooligan-Schlägerei oder die Demolierung des Stadions dienen. bb) Anspruch auf ermessensfehlerfreie Gefahrenvorsorge bei Sportgroßveranstaltungen? Weitaus problematischer als der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Gefahrenabwehr ist jedoch die Frage, ob bereits im Vorfeld einer konkreten Spielbegegnung ein entsprechendes polizeiliches Kräfteaufgebot zur Gefahrenvorbeugung verlangt werden kann. Dies setzt zweierlei voraus: Die Gefahrenvorbeugung muss wie die Gefahrenabwehr nicht nur im Interesse der Allgemeinheit, sondern auch im Interesse des einzelnen erfolgen [hierzu siehe unten lit. aaa)]. Darüber hinaus muss auch im Rahmen der Gefahrenvorbeugung eine Ermessensreduktion auf Null gerichtlich durchgesetzt werden können [hierzu siehe unten lit. bbb)]. aaa) Die Planung eines Einsatzes sowie die Präsenz polizeilicher Kräfte an neuralgischen Gefahrenpunkten stellen Maßnahmen der Gefahrenvorsorge dar. Sie richten sich nicht gegen eine konkrete Gefahr, sondern dienen dazu, künftige Gefahren bereits im Vorfeld zu verhindern.110 Die Gefahrenvorsorge ist nicht in allen polizeirechtlichen Aufgabennormen der Länder ausdrücklich erwähnt.111 Dennoch ist sie vom gesetzgeberischen Auftrag der Gefahrenabwehr erfasst. Die hiergegen eingewandten Bedenken einer gesetzeswidrigen Ausweitung des polizeilichen Aufgaben- und Befugnisbereichs greifen nicht durch. Denn Gefahrenabwehr ist untrennbar mit Gefahrenvermeidung verbunden. Gerade bei Sportgroßveranstaltungen setzt die wirksame Gefahrenabwehr gründliche Planungen und umfangreiche Vorfeldmaßnahmen 108 Götz, Innere Sicherheit, HStR III, § 79 Rn 14; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 54. 109 BVerwGE 11, 95 ff.; sogenannte „Ermessensreduzierung auf Null“, hierzu siehe Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn 24 f. 110 Wolf/Stephan, PolG BW, § 1 Rn 4; ebenso: Reichert/Ruder/Fröhler, Polizeirecht, Rn 206. 111 Während die Aufgabe der Gefahrenvorsorge Erwähnung findet in den §§ 1 Abs. 5 BGSG, 1 Abs. 3 und 2 Abs. 1 BKAG, 1 Abs. 4 HSOG, 1 Abs. 1 Satz 2 PolG Nds., reduziert sich die ausdrückliche Aufgabenbeschreibung z. B. in § 1 Abs. 1 PolG BW auf die Abwehr von Gefahren.
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voraus. Durch diese notwendige Einbeziehung der Gefahrenvorsorge in den polizeilichen Schutzauftrag werden die Eingriffsbefugnisse der Polizei nicht etwa auf Kosten der Rechtssicherheit und der Freiheit des einzelnen erweitert. Denn ein Rechtseingriff wird nicht aufgrund der Aufgabenzuweisung, sondern nur in Verbindung mit einer Befugnisnorm möglich.112 Ist die Gefahrenvorsorge Teil des verfassungsrechtlich vermittelten polizeilichen Schutzauftrags, so wird auch sie – wie der gesamte gefahrenabwehrrechtliche Schutzauftrag113 – nicht allein im öffentlichen Interesse, sondern zumindest auch im Interesse des schutzbedürftigen einzelnen wahrgenommen. Denn der individuelle Schutzanspruch der Verfassung gelangt nicht über die Befugnisnorm, sondern über die Aufgabenzuweisung in das einfache Recht.114 Wäre das individuelle Interesse an der Gefahrenabwehr erst dann geschützt, wenn das zum Eingriff ermächtigende Stadium der konkreten Gefahr erreicht ist, liefe der verfassungsrechtlich vermittelte Schutzanspruch im Polizeirecht in vielen Fällen leer. Die gesetzgeberische Wertentscheidung, den Schutz des einzelnen neben dem Allgemeininteresse in das Polizeirecht mit einzubeziehen, wäre unterlaufen. Es ist dem einzelnen nicht zumutbar, sich erst der Gefahr aussetzen zu müssen, um Anspruch auf polizeilichen Schutz zu erhalten. Die an der Veranstaltung beteiligten Grundrechtsträger können daher die angemessene Berücksichtigung ihrer verfassungsmäßig geschützten Interessen als subjektives öffentliches Recht auch im Rahmen der Gefahrenvorsorge verlangen. bbb) Stellt sich hiernach die Begünstigung des schutzsuchenden Bürgers bei der polizeilichen Gefahrenvorsorge nicht nur als Rechtsreflex, sondern als Verwirklichung seines individuellen Schutzanspruchs dar, so stellt sich die Frage, ob auch die Beteiligten einer Sportgroßveranstaltung bereits in der Planungsphase des Einsatzes eine bestimmte polizeiliche Maßnahme, z. B. die Bereitstellung eines bestimmten Kräfteansatzes am Spieltag im Stadion, verlangen können. Für die Beantwortung dieser Frage können zwei Entscheidungen des VGH BW fruchtbar gemacht werden:115 In beiden Fällen ging es um die Heranzie112 VGH BW VWBl.BW 2004, 21; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 86; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 9 ff.; Reichert/Ruder/Fröhler, Polizeirecht, Rn 206, Pausch/Prillwitz, S. 113, Wolf/Stephan, PolG BW, § 1 Rn 4; Würtenberger, Freiheit und Sicherheit, S. 19; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht Rn 76; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 36; Di Fabio, Jura 1996, 566 ff.; Waechter, JZ 2002, 854, 855 f. Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn 422 ff.; Nolte, Sport und Recht, S. 132 f.; a. A.: Gusy, Polizeirecht, Rn 187; Gössner, cilip 2/1993; Mussmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 168; Belz/Mussmann, § 20 Rn 25. 113 Götz, Innere Sicherheit, HStR III, § 79 Rn 14. 114 Knemeyer, VVDStRL 35, S. 233 ff.
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hung eines privaten Veranstalters zweier Pop-Konzerte für einen Teil der zur Absicherung der Großereignisse aufgewendeten Polizeikosten auf der Grundlage des mittlerweile ersatzlos aufgehobenen § 81 Abs. 2 PolG BW. Im Rahmen der Kostenpflicht des Veranstalters prüften die Richter, ob die einsatzplanenden Entscheidungen der Polizei über den Umfang und die Dauer der Bereitstellung personeller Kräfte rechtmäßig waren. Nach den Ausführungen des Senats „unterliegen diese Entscheidungen nur in eingeschränktem Maße gerichtlicher Kontrolle. Dies gilt zum einen für die Beurteilung und Bewertung der Gefahren durch die den polizeilichen Einsatz planende und leitende Stelle, die hierfür auf eine ganze Reihe prognostischer Annahmen zurückgreifen muss. Es gilt zum anderen aber auch für die im pflichtgemäßen Ermessen liegenden Entscheidungen, welche der prognostizierten Gefahren gegebenenfalls mit welchen Prioritäten abgewehrt werden sollen und welche Kräfte bereitzustellen sind. Insofern können nur die Verfolgung unzulässiger Zwecke und die Festsetzung des Kräftebedarfs, die (. . .) auf offensichtlich fehlerhaften rechtlichen oder taktischen Erwägungen beruht, zu einer gerichtlichen Beanstandung führen.“116 Wenn auch der Kläger in den beiden vorgenannten Verfahren gegen einen belastenden Verwaltungsakt (d.h. die Verpflichtung zur Kostentragung) vorging, während es bei der vorliegenden Frage darum geht, ob die Beteiligten einer Sportgroßveranstaltung von der Polizei ein sie begünstigendes Tätigwerden verlangen können, stehen nach diesen Urteilen dennoch zwei obergerichtliche Grundaussagen für den Bereich der Gefahrenvorsorge fest: – Die polizeiliche Beurteilung möglicher, zukünftig entstehender Gefahren wird nur im Rahmen des Beurteilungsspielraums nach sogenannten „Beurteilungsfehlern“ überprüft; – bei der Frage, auf welche Weise die Polizei den von ihr prognostizierten Gefahren begegnen will, genießt sie erheblichen Ermessensspielraum.117 Diesem Rückzug richterlicher Kontrolle wird im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und auf die Gewaltenteilung in der Literatur erhebliche Kritik entgegengebracht.118 Soweit es aber um die Beurteilung zukünftiger, potentieller Gefahren bei polizeilichen Großeinsätzen geht, sind die Beurteilungs- und Ermessensspielräume der planenden Polizeibehörde aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Denn die Grundrechte verpflichten den Staat zum 115
VGH BW NJW 1981, 1226 und DÖV 1981, 804 ff. VGH BW, DÖV 1981, 805. 117 Wolf/Stephan, PolG BW, § 3 Rn 23 ff. verwenden den Begriff „Toleranzspielraum“, welcher jedoch in die herkömmlichen Begriffe des Beurteilungs- und Ermessensspielraums einzuordnen ist. Auch Schenke, NJW 1983, 1888 ordnet die zitierten Ausführungen des VGH BW diesen herkömmlichen Begriffen zu (siehe dort FN 45). 118 Bereits Schenke, NJW 1983, 1888; auch Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F, Rn 154. 116
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Schutz des einzelnen vor Gefahren, nicht aber zum Ausschluss sämtlicher Risiken.119 Zudem räumt die höchstrichterliche Rechtsprechung der Exekutive im Umwelt- und Wirtschaftsverwaltungsrecht – beides Teilbereiche des besonderen Polizeirechts – bei Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen ebenfalls einen Beurteilungsspielraum ein, der gerichtlich nicht überprüft wird.120 Auch der Polizei muss bei der Gefahrenvorsorge im Zusammenhang mit Sportgroßveranstaltungen, insbesondere bei der Einsatzplanung, ein Spielraum bei der Beurteilung von potentiellen zukünftigen Gefahren verbleiben. Denn ebenso wie bei der Risikobewertung im Umwelt- und im Wirtschaftsverwaltungsrecht wird die Rechtsprechung an die Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit gebracht, wenn sie die polizeiliche Prognose über potentielle zukünftige Gefahren und ihre Entscheidung darüber nachprüfen soll, wann und gegebenenfalls mit welcher Priorität und welchen Mitteln den möglicherweise gefahrdrohenden Umständen begegnet werden soll. Das Zugeständnis des Beurteilungs- und Ermessenspielraums hat jedoch nicht zur Folge, dass die Planung und Durchführung eines polizeilichen Großeinsatzes bei Sportveranstaltungen überhaupt keiner richterlichen Kontrolle unterläge. Denn bei der Beurteilung möglicher zukünftiger Gefahren kann überprüft werden, ob der zugestandene Beurteilungsspielraum eingehalten wurde. Zudem kann die polizeiliche Planung gemäß § 114 VwGO auf Ermessensfehler, insbesondere offensichtlich fehlerhafte rechtliche oder taktische Erwägungen überprüft werden.121 Für die Möglichkeiten zur Durchsetzung des individuellen Schutzanspruchs im Rahmen der Gefahrenvorsorge hat dies zweierlei Konsequenzen: (1) Die an der Sportveranstaltung Beteiligten können im Vorfeld der Veranstaltung nicht verlangen, dass ein polizeilicher Großeinsatz in einer bestimmten Weise oder mit einem bestimmten Kräfteaufgebot durchgeführt wird. (2) Sie können jedoch gerichtlich prüfen lassen, ob die Polizei bei der Einsatzplanung ihre Beurteilungs- und Ermessensspielräume eingehalten hat. Sind diese Spielräume überschritten, so kann dies – gegebenenfalls vor der Veranstaltung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO – gerichtlich gerügt und auf diese Weise eine neuerliche behördliche Bewertung des Sachverhalts erreicht werden.
119 Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, HStR V, § 111 Rn 90. 120 BVerwGE 72, 300 (316 f.); 79, 208 (213 ff.); 82, 295 (299 ff.); 81, 185 (192). 121 Kopp/Schenke, § 114 Rn 37; Wolf in: Sodan/Ziekow, § 114 Rn 220; Wolf/Stephan, PolG BW, § 3 Rn 23.
B. Europarechtliche Grundlagen
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III. Ergebnis zur verfassungsmäßigen Ausgangslage von Sportgroßveranstaltungen Bei der Teilnahme an Wettkämpfen und der Organisation von Spielbegegnungen üben die beteiligten Sportler, Sportvereine und Kapitalgesellschaften vor allem ihre verfassungsmäßigen Freiheitsrechte aus den Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG aus. Durch den Schutz einer sportlichen Großveranstaltung erfüllt die Polizei den über das einfache Recht vermittelten verfassungsrechtlichen Schutzauftrag für die beteiligten Grundrechtsinteressen. Die hieraus folgende objektive Pflicht, die Veranstaltung zu schützen, wird durch einen landesverfassungsrechtlichen Sportförderungsauftrag zwar nicht begründet, aber unterstrichen. Obgleich die Absage einer Spielbegegnung gleichsam die Absage an die Erfüllung des verfassungsrechtlichen Schutz- und Sportförderungsauftrags bedeutet, kann eine solche Maßnahme dennoch durch eine Bedrohung verfassungsrechtlicher Schutzgüter gerechtfertigt sein. Die beteiligten Grundrechtsträger haben ein subjektives öffentliches Recht auf ermessensfehlerfreie polizeiliche Entscheidungen und Maßnahmen im Rahmen einer sportlichen Großveranstaltung. Dies gilt auch für die polizeiliche Gefahrenvorsorge. Jedoch muss ein durchsetzbarer Anspruch auf die Bereitstellung einer bestimmten Kräftekapazität und/oder auf die Erstellung und Durchführung eines bestimmten Einsatzplanes regelmäßig an den polizeilichen Beurteilungsund Ermessensspielräumen im Vorfeld konkreter Gefahren scheitern.
B. Europarechtliche Grundlagen Das europäische Recht nimmt auf die sicherheitsrechtlichen Probleme einer internationalen Sportgroßveranstaltung von zwei Seiten Einfluss: Einerseits sind die Grundfreiheiten des EGV beim professionell betriebenen Sport zu beachten, wie die ständige Rechtsprechung des EuGH bestätigt (hierzu siehe Ziff. I.). Andererseits wird die internationale Polizeiarbeit bei Sportveranstaltungen umgesetzt, indem die Instrumentarien aus der sogenannten „dritten Säule“ der Europäischen Union122, weiterer völkerrechtlicher Verträge und sonstiger politischer Vereinbarungen genutzt werden (hierzu siehe Ziff. II.).
122
Hierzu siehe Di Fabio, DÖV 1997, 89 ff.
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
I. Recht der Europäischen Gemeinschaft Der professionelle Fußballsport macht einen wesentlichen Teil des europäischen Wirtschaftslebens aus. Aus diesem Grund wendet der EuGH in ständiger Rechtsprechung die Bestimmungen des EGV auf den Berufssport an.123 Damit hat auch die Polizeiarbeit bei europäischen Sportveranstaltungen den Bestimmungen des EGV Rechnung zu tragen. Die Auswirkungen des EGV betreffen sowohl die Grundfreiheiten und Grundrechte der beteiligten Sportler, Veranstalter und Zuschauer (hierzu siehe unten Ziff. 1.) als auch die Frage, ob es für die Mitgliedstaaten eine gemeinschaftsrechtliche Pflicht zum Schutz der Veranstaltung gibt (hierzu siehe unten Ziff. 2.). 1. Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechte Der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechte bei Sportgroßveranstaltungen wird im folgenden für die beteiligten Sportler [hierzu siehe unten lit. a)], Veranstalter bzw. Vereine [hierzu siehe unten lit. b)] und Zuschauer [hierzu siehe unten lit. c)] betrachtet. Zwingende Voraussetzung für die Anwendung der Grundfreiheiten ist in allen Fällen ein grenzüberschreitendes Element.124 a) Sportler Wenn Fußballprofis an internationalen Spielbegegnungen teilnehmen, ist fraglich, ob sie sich auf die einschlägigen Grundfreiheiten aus den Art. 39 bzw. 49 EGV berufen können.125 Ihre Leistung weist selbst im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs nicht notwendigerweise grenzüberschreitenden Bezug auf. Im bezahlten Fußball erbringen die Spieler ihre vertragsgemäße Leistung gegenüber ihrem Verein oder, sofern es sich um einen Einsatz innerhalb eines Nationalteams handelt, gegenüber ihrem nationalen Fußballverband.126 Dies gilt auch für Einsätze bei internationalen Spielen. Die vorliegende Rechtsfrage ist zu trennen von dem Beschränkungsverbot zugunsten ausländischer Sportler aus dem Bosman-Urteil. Dort ging es um die 123 EuGH Slg. 1974, 1405 ff. – Walrave/Koch; Slg. 1976, 1333 ff. – Donà/Mantero; Slg. 1987, 4097 ff. – Heyles/UNECTF; Slg. 1995, I 4921 ff. – Bosman; NJW 2000, 2011 ff. – Deliège; EuZW 2000, 375 ff. – Lehtonen; SpuRt 2005, 20 ff. – Majcen; siehe auch Streinz, SpuRt 2000, 222. 124 Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf, Vor Art. 39–55 EGV, Rn 42; auch: Jarass, EuR 2000, 707. 125 Welche der beiden Grundfreiheiten für Fußballprofis in Betracht kommt, hat der EuGH bislang offengelassen, Krogmann, S. 201. 126 Hierzu siehe oben unter A., Ziff. I., 1. und 2.
B. Europarechtliche Grundlagen
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europarechtliche Zulässigkeit von Ausländersperrklauseln in den nationalen Lizenzligen.127 Will ein europäischer Sportler seine Fähigkeiten in den Dienst eines Vereins aus einem anderen Mitgliedstaat stellen, so hat seine Leistung notwendigerweise grenzüberschreitenden Bezug. Er erbringt seine Leistung für den Verein in der Liga eines anderen Mitgliedstaats. Hier geht es es aber um die Frage, ob ein grenzüberschreitender Bezug allein dadurch gegeben ist, dass der Verein, für den der Sportler in der Mannschaft spielt, an einem europäischen internationalen Wettbewerb wie z. B. der Champions-League teilnimmt. Allein die Mitwirkung eines Mannschaftssportlers innerhalb eines internationalen Wettbewerbs ist unabhängig von dessen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Mitgliedstaat und hat keinen zwingenden grenzüberschreitenden Charakter. So kann z. B. ein deutscher Spieler seine vertragsgemäße Leistung gegenüber dem 1. FC Bayern München als seinem Arbeitgeber im Rahmen eines Champions-League Spiels im Guiseppe-MeazzaStadion in Italien erbringen, ohne dass seine Leistung eine mitgliedstaatliche Grenze überwinden muss. Im Fall Deliège führte der EuGH aus, die Dienstleistung eines Sportlers bei einem internationalem Wettbewerb bestehe darin, es dem Veranstalter durch die Teilnahme am Wettkampf zu ermöglichen, ein internationales Sportereignis zu durchzuführen.128 Dieser Ausspruch darf aber nicht dazu verleiten, den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten pauschal für alle Sportler zu eröffnen, die an internationalen Sportveranstaltungen beteiligt sind. Im Falle eines Mannschaftswettbewerbs ermöglicht es nicht der einzelne Spieler, die Veranstaltung durchzuführen. Vielmehr kommt der Wettbewerb nur durch die Teilnahme der Vereine bzw. Nationalverbände zustande, welche zu diesem Zweck ihre Sportler in Form einer Mannschaft einsetzen. Damit ist der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten für Fußballspieler allein durch die Mitwirkung an internationalen Spielbegegnungen nicht eröffnet. Dagegen können sich die europäischen Sportler auf die im gemeinschaftlichen Raum geltenden Grundrechte berufen. Die Grundrechte sind Bestandteil der allgemeinen Rechtsgrundsätze und als solche von Organen der Europäischen Gemeinschaft sowie von den Mitgliedstaaten zu beachten.129 Die Berufssportler können sich dabei insbesondere auf die gemeinschaftsrechtliche Berufsfreiheit stützen.130 Obgleich noch kein Urteil des EuGH zu den Grundrechten auf Leben und körperlicher Unversehrtheit vorliegt,131 dürften auch diese Rechtsgüter gemeinschaftsgrundrechtlichen Schutz erfahren. Sie sind sowohl in 127
Slg. EuGH 1995 I, 4921 ff. EuGH NJW 2000, 2014, Rs. C-51/96 Rn 57. 129 EuGH Slg. 1979, 3727 ff., Rn 15 ff., zum Grundrechtsschutz innerhalb der Europäischen Union siehe auch Ritgen, ZRP 2000, 371 ff. 130 Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 194 f. 128
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
Art. 2 und 5 EMRK, deren Menschenrechte über Art. 6 Abs. 2 EUV europarechtliche Geltung beanspruchen, als auch in Art. 2 und 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union132 enthalten und dürften in sämtlichen Verfassungen der Mitgliedstaaten erwähnt sein. Schließlich genießen Sportler, welche gleichzeitig die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates aufweisen, das Recht der Freizügigkeit aus Art. 18 Abs. 1 EGV. Dieses Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ist im Gegensatz zur Freizügigkeit aus den Grundfreiheiten der Art. 39 und 49 EGV nicht an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit geknüpft.133 b) Vereine und Veranstalter Die Vereine bzw. Nationalverbände der Mitgliedstaaten erbringen durch ihre Teilnahme an den Wettbewerben Dienstleistungen im Sinne des Art. 49 EGV. Dabei werden Dienstleistungen durch Art. 50 Abs. 1 EGV definiert als Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden. Vorliegend könnten die erfolgsabhängigen Prämien, welche die Mannschaften im Rahmen eines europäischen Wettbewerbs von der UEFA erhalten, ein Entgelt für ihre Teilnahme darstellen. Nach den Erhebungen des Verfassers beim DFB erhält ein Verein bzw. Nationalverband, welcher an einem europaweiten Wettbewerb teilnimmt, entsprechend seinem sportlichen Erfolg bei diesem Turnier einen bestimmten Geldbetrag von der UEFA. Diese „Siegprämien“ werden vor allem durch die Verwertung von Fernsehrechten finanziert, welche von der UEFA zentral vermarktet werden. Es spricht einiges dafür, bereits die mit der Teilnahme am Wettbewerb verbundene Chance auf die Siegprämie als „Entgelt“ im Sinne des Art. 50 EGV zu werten. In der Rechtssache „Schindler“ ging ein Unternehmer gegen das Verbot eines Mitgliedstaates vor, auf dessen Staatsgebiet für seine Lotterie zu werben. Nach dem Urteil des EuGH konnte sich der Unternehmer auf die Dienstleistungsfreiheit berufen, da bereits die Chance der Teilnehmer auf den Lotteriegewinn ein Entgelt im Sinne des Art. 49 EGV für den eingesetzten Teilnahme-Beitrag darstellt. Das Gericht stellt dabei ausdrücklich einen Vergleich zum Sport an.134 Daher könnte durchaus die Chance auf den finanziell prämierten Sieg als Gegenleistung der Teilnahme für ein Entgelt i. S. d. Art. 49 EGV ausreichen. 131 Zu den bisher vom EuGH judizierten Gemeinschaftsgrundrechten siehe Koenig/ Haratsch, Europarecht, Rn 83 ff. 132 ABl. 2000 Nr. C 364/9; als Teil des EU-Verfassungsentwurfs: ABl. 2003 Nr. C 169/1 ff.; obgleich die Charta bislang nur deklaratorischen Charakter hat, dürfte sie zumindest in Auslegungsfragen herangezogen werden können; so auch Rengeling, DVBl. 2004, 453 ff. 133 Koenig/Haratsch, Europarecht, Rn 507. 134 EuGH Slg. 1994 I, 1033 ff.
B. Europarechtliche Grundlagen
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Diese Frage kann jedoch letztlich offenbleiben. Denn jedenfalls besteht die Dienstleistung der Vereine bzw. nationalen Verbände gegenüber dem Veranstalter in ihrer Wettbewerbsteilnahme, da sie hierdurch die Veranstaltung erst ermöglichen. Der Veranstalter dagegen eröffnet mit der Organisation des Wettbewerbs für die Vereine die Möglichkeit, sich mit Konkurrenten zu messen. Er kann seine Veranstaltung zudem einem Publikum anbieten und insbesondere den Fernsehsendern die Möglichkeit zur Übertragung des Wettbewerbs bieten.135 Obgleich in diesem Geflecht verschiedener Dienste die Leistungen nicht immer in unmittelbarem Austauschverhältnis stehen, können sich die teilnehmenden Vereine bzw. Nationalverbände der Mitgliedstaaten und die Veranstalter auf die Dienstleistungsfreiheit berufen. Der Schutz des Art. 49 EGV setzt nicht voraus, dass der Dienstleistungsempfänger die Gegenleistung erbringt. Ausreichend ist ein gewisses Näheverhältnis zwischen Dienstleistungserbringer, -empfänger und demjenigen, der die Gegenleistung erbringt.136 Weiter können sich die Vereine und Veranstalter auf die Gemeinschaftsgrundrechte berufen, soweit deren jeweiliger Schutzbereich eröffnet ist. In Betracht kommen v. a. die Eigentums- und Berufsfreiheit, welche auch für juristische Personen gelten.137 Ein Grundrechtsdefizit kann sich für die Bundesligisten ergeben, die als eingetragene Vereine organisiert sind. Sie können sich mangels Gewinnerzielungabsicht nicht auf die Berufsfreiheit stützen.138 Ein dem Art. 2 Abs. 1 GG vergleichbares Auffanggrundrecht im Sinne einer allgemeinen Handlungsfreiheit zum Schutz wirtschaftlicher Tätigkeiten, die nicht von der Berufsfreiheit erfasst sind, existiert nach der Rechtsprechung des EuGH nicht.139 Sofern der EuGH in derartigen Fallkonstellationen nicht auf das Tatbestandsmerkmal der Gewinnerzielungsabsicht verzichtet und auch die Eigentumsfreiheit nicht einschlägig ist, bleibt den eingetragenen Vereinen auf europäischer Ebene allenfalls die Berufung auf den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gegenüber belastenden Maßnahmen durch Organe der EU oder durch Mitgliedstaaten. In den hierzu ergangenen Entscheidungen räumt der EuGH den Mitgliedstaaten jedoch ein weites Ermessen bei der Beurteilung ein, welche Beeinträchtigungen dem Betroffenen zumutbar sind.140
135 136 137 138 139 140
EuGH NJW 2000, 2014, Rs. C-51/96 Rn 57. Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf EGV Art. 49/50 Rn 36. EuGH Slg. 1979, 3727 ff., Rn 13 ff. ; EuGH Slg. 1994 I, 4973 ff., Rn 64 ff. Siehe oben Teil B., Ziff. I., 1., lit. b) cc). Hilf/Hörmann, NJW 2003, 6. EuGH Slg. 1979, 3747 und 1994, I-5068.
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
c) Stadionbesucher Als Empfänger einer Dienstleistung können sich Touristen auf die sogenannte „passive Dienstleistungsfreiheit“ berufen.141 Da die Fußballfans, welche ihren Verein zu den Auswärtsspielen europaweiter Wettbewerbe begleiten, ebenfalls touristische Dienstleistungen in Anspruch nehmen, gilt auch für sie Art. 49 EGV. Zudem erwerben sie als Stadionbesucher Eintrittskarten und nehmen so die Dienstleistung des Veranstalters in Anspruch. Weiter können die Stadionbesucher im Hoheitsgebiet der Europäischen Gemeinschaft das Recht der Freizügigkeit aus Art. 18 Abs.1 EGV für sich in Anspruch nehmen, soweit sie die Unionsbürgerschaft besitzen. 2. Polizeiliche Pflicht der Mitgliedstaaten zum Schutz von Sportveranstaltungen aus der gemeinschaftsrechtlichen Pflicht zur Sicherstellung der Beachtung der Grundfreiheiten In seinem sogenannten „Bauernprotest-Urteil“ hat der EuGH klargestellt, dass die Mitgliedstaaten die Grundfreiheiten des EGV nicht nur durch aktives Handeln, sondern auch durch staatliche Untätigkeit beeinträchtigen können. Hiernach müssen die Mitgliedstaaten die Effektivität der Grundfreiheiten auch gegenüber Beeinträchtigungen durch Private sicherstellen.142 Ob die Mitgliedstaaten nach diesem Urteil verpflichtet sind, die im Rahmen einer Sportgroßveranstaltung ausgeübten Grundfreiheiten gegenüber den Beeinträchtigungen durch gewaltsame Zuschauerausschreitungen sicherzustellen, soll im folgenden untersucht werden. Dazu wird zunächst der Inhalt der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten nach dem „Bauernprotest-Urteil“ dargestellt [siehe unten lit. a)], bevor nach der dogmatischen Herleitung der gemeinschaftlichen Handlungspflicht zum Schutz der Veranstaltung [siehe unten lit. b)] deren Voraussetzungen [siehe unten lit. c)] geprüft werden. Abschließend soll untersucht werden, inwieweit eine solche Handlungspflicht vor dem EuGH durchgesetzt werden kann [siehe unten lit. d)]. a) Inhalt der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten nach dem „Bauernprotest-Urteil“ Dem „Bauernprotest-Urteil“ des EuGH lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach französische Bauern durch gewaltsame Angriffe auf Lastwagen und Handelsgeschäfte versuchten, den Import und Verkauf von Obst und Gemüse zu verhin141 Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf EGV Art. 49/50 Rn 38; Hackenberg in: Lenz/Brochardt, Art. 49/50 EGV, Rn 15. 142 EuGH Slg. 1997, I-6959 ff. – Kommission/Frankreich.
B. Europarechtliche Grundlagen
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dern, welches nicht aus Frankreich, sondern aus europäischen Nachbarstaaten stammte. Die Kommission leitete ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die französische Republik ein, da deren Ordnungsbehörden nach Auffassung der europäischen Beamten nicht die erforderlichen präventiven und repressiven Maßnahmen zur Unterbindung der gewaltsamen Angriffe auf die Transporteure und Händler ausländischer Waren trafen. Im Urteil hat der EuGH klargestellt, dass nicht nur eine Handlung, sondern auch die Untätigkeit eines Mitgliedstaates zur Beeinträchtigung von Grundfreiheiten führen kann. Das Gericht hat den Mitgliedstaaten die Pflicht auferlegt, die Effektivität der Grundfreiheiten gegen Beeinträchtigungen von Seiten Privater sicherzustellen.143 Um dem Gemeinschaftsrecht Wirksamkeit zu verleihen, haben die Mitgliedstaaten ihre gesamte Verwaltung einschließlich der Polizei einzusetzen.144 Insofern kann von einer gemeinschaftsrechtlichen Handlungspflicht zur Sicherstellung der Grundfreiheiten gesprochen werden. In der Rechtssache „Schmidberger“ hat der EuGH diese Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt. Jeder Mitgliedstaat ist verpflichtet, den freien Warenverkehr in seinem Gebiet auch gegen Beeinträchtigungen durch Privatpersonen zu gewährleisten.145 b) Dogmatische Herleitung der mitgliedstaatlichen Handlungspflicht Nach der Urteilsbegründung des EuGH folgt die Pflicht der Mitgliedstaaten, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um in ihrem Gebiet die Beachtung der Grundfreiheiten sicherzustellen, aus Art. 30 EGV a. F. (jetzt: Art. 28 EGV) in Verbindung mit Art. 5 EGV a. F. (jetzt: Art. 10 EGV).146 Teile der deutschen Rechtsliteratur sehen durch dieses Urteil des EuGH eine der deutschen Grundrechtslehre entsprechende „Schutzpflicht“ aus den Grundfreiheiten begründet. Teils wird die so verstandene Schutzpflicht von den Grundfreiheiten auf die Gemeinschaftsgrundrechte ausgedehnt.147 Teils werden die mitgliedstaatlichen Schutzpflichten aus den (Gemeinschafts-)Grundrechten heraus begründet und das Urteil des EuGH lediglich als Übertragung der grundrechtlichen Schutzpflicht auf die Grundfreiheiten verstanden.148 143
EuGH Slg. 1997-I, S. 6960, Ls. 1. So Generalanwalt Lenz in seinem Schlussantrag zu dem vorbezeichneten Urteil, Slg. EuGH 1997, I-6959 ff., 6976 f. Rn 34 am Ende. 145 EuGH NJW 2003, 3185 ff., 3187; darüber hinaus regelt mittlerweile auch die Verordnung des Rates vom 07.12.1998 Nr. 2679/98 über das Funktionieren des Binnenmarktes im Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr (ABl. L 337/98) diverse Pflichten der Mitgliedstaaten im Falle der Verletzung der Warenverkehrsfreiheit. 146 EuGH Slg. 1997, I-6959 ff., 6999 Rn 32. 147 So Koenig/Haratsch, Europarecht, Rn 93. 144
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
Dass der EuGH eine gemeinschaftsrechtliche Dogmatik entwickeln wollte, wie sie den Schutzpflichten der Grundrechte aus dem deutschen Grundgesetz zugrunde liegt, ist seinem Urteil jedoch nicht zu entnehmen. Weder in den Urteilsgründen noch in den Schlussanträgen des Generalanwalts ist von dem Begriff oder der Dogmatik der „Schutzpflichten“ die Rede. Die mitgliedstaatliche Pflicht, die Ausübung der Grundfreiheiten gegen Beeinträchtigungen Privater sicherzustellen, findet ihre Begründung vielmehr in allgemeinen völkerrechtlichen Regeln. Hiernach hat ein Staat grundsätzlich nicht für Rechtsverletzungen einzustehen, die von dessen staatsangehörigen Privatpersonen begangen werden. Nur wenn der Staat nicht die gebotene Sorgfalt („due diligence“) anwendet, um private Übergriffe auf die Rechte von anderen Staaten oder von Ausländern zu verhindern, ist er hierfür verantwortlich.149 In den Schlussanträgen des Generalanwaltes Lenz wird ausdrücklich auf diese völkerrechtlichen Prinzipien Bezug genommen. Hiernach stellt die Bestimmung des Art. 5 EGV a. F. (jetzt: Art. 10 EGV) eine besondere Regelung des allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatzes der due diligence für das europäische Gemeinschaftsrecht dar.150 Der EuGH hat sich den Ausführungen des Generalanwalts angeschlossen, indem er zur Begründung der in Rede stehenden Pflichten gemäß dessen Schlussanträgen die betroffene Grundfreiheit in Verbindung mit dem Loyalitätsgebot aus Art. 5 EGV a. F. herangezogen hat.151 Damit folgt die mitgliedstaatliche Verpflichtung, die Wirksamkeit der Grundfreiheiten sicherzustellen, nicht aus einer Dogmatik grundrechtlicher Schutzpflichten, sondern aus einer völkerrechtlichen Sonderregelung des EGV zur staatlichen Verantwortlichkeit für privates Verhalten. Nach dem Urteil des EuGH besteht kein grundrechtlicher Schutzauftrag zur Absicherung von Sportgroßveranstaltungen auf europäischer Ebene. Dagegen existiert eine gemeinschaftsrechtliche Verantwortlichkeit für gewaltsames Handeln von Privatpersonen im Bereich der Warenverkehrsfreiheit.
148 Szczemkalla, DVBl. 1998, 220 f.; ähnlich Kainer, JuS 2000, 431 ff. und Kühling, NJW 1999, 403 f.; ebenfalls die Schutzpflichten in den Gemeinschaftsgrundrechten sehend: Wielsch, Die europäische Gefahrenabwehr, S. 35 ff. 149 Schröder in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Abschnitt, Rn 25; Seidl-Hohenveldern/Stein: Völkerrecht, Rn 1671; Doehring, Völkerrecht, § 17, Rn 832. 150 EuGH Slg. 1997, I-6959 ff., 6977, Rn 36 ff. 151 EuGH Slg. 1997, I-6959 ff., 6999, Rn 32; auch nach Breucker (Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, Seiten 118 ff.; 141) besteht gemäß den Grundsätzen der „due diligence“ die völkerrechtliche Pflicht eines Staates, eventuelle Rechtsgutsverletzungen, die durch seine staatsangehörigen Privatpersonen auf fremdem Hoheitsgebiet verübt werden, zu verhindern. Diesem Ansatz fehlt jedoch noch der Bezug zu Art. 10 EGV und den für die Praxis relevanten Konsequenzen hieraus.
B. Europarechtliche Grundlagen
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Diese Handlungspflicht aber ist nicht auf Art. 28 EGV beschränkt, sondern besteht für alle Grundfreiheiten. Das Bauernprotest-Urteil geht vom Gedanken des Binnenmarktes aus, welcher „u. a.“ über die Warenverkehrsfreiheit gewährleistet wird.152 Da der europäische Binnenmarkt nicht nur durch eine einzige Grundfreiheit, sondern gemäß Art. 14 Abs. 2 EGV durch den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital verwirklicht werden soll, sind diese Grundsätze auch auf die übrigen Grundfreiheiten anzuwenden.153 c) Voraussetzungen mitgliedstaatlicher Handlungspflichten Dem Urteil des EuGH lassen sich folgende, in den Schlussanträgen von Generalanwalt Lenz ausdrücklich genannten Voraussetzungen entnehmen, nach denen ein Mitgliedstaat zur Abwehr gewaltsamer Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten durch Private verpflichtet ist: Es muss eine Beeinträchtigung einer Grundfreiheit vorliegen [lit. aa)]. Die Beeinträchtigung muss einem Mitgliedstaat zuzurechnen sein [lit. bb)]. Die Beeinträchtigung der Grundfreiheit darf nicht gerechtfertigt sein [lit. cc)].154 Dieselben Voraussetzungen finden sich auch einem späteren Urteil des EuGH wieder.155 aa) Beeinträchtigung einer Grundfreiheit In dem Urteil des EuGH war die Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit „unzweifelhaft gegeben“ aufgrund der unstreitigen, schwerwiegenden und massiven gewaltsamen Angriffe französischer Bauern auf ausländische Produkte. Zur Begründung wird u. a. sowohl vom Generalanwalt als auch vom Gericht die „Atmosphäre der Unsicherheit“ innerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes angeführt, welche die gewaltsamen Attacken verursachten.156 Gleichwohl hat der EuGH bislang nicht definiert, wann eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten anzunehmen ist.157
152
EuGH Slg. 1997, I-6959 ff., 6998, Rn 25. Im Ergebnis ebenso: Jarass, EuR 2000, 713; auch: Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf EGV vor Art. 39–55 Rn 8. 154 EuGH Slg. 1997, I-6959 ff., 6969, Rn 12 am Ende; diese Voraussetzungen lassen sich auch den Leitsätzen des Urteils (dort Rn 1 f.) entnehmen. 155 EuGH NJW 2003, 3185 ff. – Schmidberger; klar herausgearbeitet ist die Prüfungsreihenfolge (Beeinträchtigung, Zurechenbarkeit, Rechtfertigung) v. a. in den Schlussanträgen des Generalanwaltes Jakobs (Rs.C-112/00 Rn 57 ff., http://europa. eu.int, 02.01.2004). 156 Zu den Schlussanträgen des Generalanwalts siehe EuGH Slg. 1997, I-6959 ff., 6970, Rn 15; für das Gericht S. 7003 Rn 53; auch Schwarze, EuR 1998, 57 stellt die Betonung dieses Aspekts durch das Gericht fest. 157 So auch Kainer, JuS 2000, 434. 153
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
Diese Frage wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Teils wird – der Eigenart der jeweiligen Grundfreiheit entsprechend – auf eine Behinderung des Zugangs zum europäischen Markt abgestellt.158 Teils wird darauf abgestellt, ob der Kernbereich einer Grundfreiheit angetastet ist.159 Schließlich soll die Spürbarkeit der belastenden Maßnahme Aufschluss über eine Beeinträchtigung geben.160 Dieses Merkmal erscheint v. a. für die vorliegenden Fallkonstellationen einschlägig, in denen eine Sportgroßveranstaltung durch gewaltsames Zuschauerverhalten gestört wird. Dem Spürbarkeitskriterium werden zwar die Ausführungen des EuGH entgegengehalten, wonach die Grundfreiheiten alle Handelshemmnisse unabhängig von ihrer Intensität verhindern sollen. Daher soll es auf die Wahrnehmungsmöglichkeit eines Handelshemmnisses gerade nicht ankommen.161 Jedoch klingt in den Ausführungen des EuGH und insbesondere denen des Generalanwalts Lenz zur „Atmosphäre der Unsicherheit“162 dennoch der Gedanke der Spürbarkeit an. In einer späteren Entscheidung („Schmidberger“) stellt der EuGH bei der Prüfung, ob bzw. in welchem Maß die Warenverkehrsfreiheit durch eine Demonstration von Privaten beeinträchtigt wird, ausdrücklich auf diese Atmosphäre der Unsicherheit ab.163 Generalanwalt Jakobs nimmt in seinen Schlussanträgen zu diesem Verfahren ausdrücklich auf eine „De-minimisRegel“ Bezug, wonach manche Beschränkung einer Grundfreiheit zu ungewisse und indirekte Wirkungen haben kann, als dass sie geeignet wäre, den Handel zu behindern.164 Auch in der weiteren Rechtsprechung des EuGH werden Anhaltspunkte für die Anwendung eines Spürbarkeitskriteriums auf alle Grundfreiheiten gesehen.165 Zudem ist selbst nach den oftmals als zu weit verstandenen Kriterien der Dassonville-Formel166 eine Beeinträchtigung unterhalb einer Schwelle der Spürbarkeit abzulehnen. Denn stellt sich die Handlung eines Privaten als nicht spürbar auf dem europäischen Binnenmarkt dar, so kann sie im Sinne der Dassonville-Formel weder unmittelbar noch mittelbar geeignet sein, den innergemeinschaftlichen Handel zu gefährden.
158 Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf EGV vor Art. 39–55 Rn 94 ff., insbesondere Rn 112. 159 Jarass, EuR 2000, 710 f. 160 Fezer, JZ 1994, 623 (624 f.); Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, S. 297. 161 Kainer, JuS 2000, 434. 162 EuGH Slg. 1997, I-6959 ff., 7003, Rn 53; 6970, Rn 15. 163 EuGH NJW 2003, 3188, Rn 88. 164 Siehe die Schlussanträge in der Rechtssache Schmidberger, C-112/00 (dort Rn 65), http://europa.eu.int, 02.01.2004. 165 Montag, NJW 2001, 1615. 166 EuGH Slg. 1974, 837, 852; eingeschränkt durch EuGH Slg. 1979, 649, 662 (Cassis de Dijon).
B. Europarechtliche Grundlagen
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Gewalttaten, wie sie der Hooliganismus hervorbringt, legen jedenfalls spürbare Auswirkungen auf den gemeinschaftlichen Wirtschaftsraum nahe. Zwischen dem in Art. 2 EUV festgelegten Vertragsziel des Raumes der Sicherheit und einer effektiven Geltung der Grundfreiheiten besteht ein Zusammenhang.167 Im Einzelfall mag nicht jede Zuschauerausschreitung die Grundfreiheiten der Beteiligten beeinträchtigen. Unzweifelhaft schaffen jedoch massive Zuschauerausschreitungen, die sportliche Großveranstaltungen nur noch in Verbindung mit aufwendigen Polizeieinsätzen zulassen, ein Klima der Unsicherheit, welches sowohl für die Vereine, Verbände und Veranstalter als auch für die friedlichen Zuschauer ein Hemmnis darstellt, von ihren gemeinschaftlich garantierten Grundfreiheiten Gebrauch zu machen.168 bb) Zurechnung der Beeinträchtigung Die gemeinschaftsrechtliche Zurechnungsnorm für das Verhalten Privater ist Art. 10 EGV. Hiernach haben die Mitgliedstaaten alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zur Sicherstellung der Wirksamkeit der Grundfreiheiten zu treffen. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Die Mitgliedstaaten sind verantwortlich für alle Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten durch Private, sofern sie keine ausreichenden Vorsorge- bzw. Gegenmaßnahmen getroffen haben. Hierbei haben sie ihre gesamte öffentliche Verwaltung einschließlich der Polizei einzusetzen.169 Ob die Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten durch Private wie im Fall französischer Bauernproteste auf dem eigenen Hoheitsgebiet oder auf dem Staatsgebiet eines anderen Mitgliedstaates stattfinden, ist für die staatliche Verantwortlichkeit nicht maßgeblich. Dies ergibt sich aus dem Verständnis der Zurechnungsnorm des Art. 10 EGV als gemeinschaftsrechtliche Sonderregelung des allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatzes, wonach ein Staat im Falle einer Sorgfaltswidrigkeit für das Verhalten von Privaten einzustehen hat, die seiner Rechtshoheit unterstehen. Maßgeblich ist danach nicht der Ort der beeinträchtigenden Handlung, sondern die hoheitliche Rechtsmacht des Mitgliedstaates über den Gewalttäter. Dieser Gedanke wird durch die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts im Bauernprotest-Urteil des EuGH bestärkt. In jenem Fall war es ohne Bedeutung, ob die gewaltsamen Angriffe auf ausländische Waren während des Transports stattfanden oder erst dann, wenn sie bereits den Handel in Frankreich erreicht haben.170 Daher kann eine Beeinträchtigung auch dann vorliegen, wenn z. B. deutsche Hooligangruppen im europäischen 167 168 169 170
Meyring, EuR 1999, 322. Zu den Auswirkungen des Hooliganismus siehe oben Erster Teil, B., Ziff. III. EuGH Slg. 1997, I-6959 ff., 6976 f. Rn 34. EuGH Slg. 1997, I-6959 ff., 6970, Rn 14.
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
Ausland randalieren, obgleich es den deutschen Behörden möglich gewesen wäre, dies durch ein präventives Ausreiseverbot zu verhindern. cc) Keine Rechtfertigung der Beeinträchtigung der Grundfreiheit Schließlich darf die Beeinträchtigung der Grundfreiheit nicht gerechtfertigt sein. Als Rechtfertigungsgründe kommen die Ausnahmen gemäß Art. 30 EGV sowie zwingende Erfordernisse des öffentlichen Interesses im Sinne der Cassisde-Dijon-Rechtsprechung in Betracht.171 Darüber hinaus kann eine begrenzte Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit gerechtfertigt sein, wenn sie durch die rechtmäßige Ausübung von Grundrechten durch Private bedingt ist, z. B. bei einer zeitlich begrenzten Demonstration auf einer Autobahn.172 In den vorliegenden Fallkonstellationen werden die Grundfreiheiten aber nicht durch die rechtmäßige Ausübung von Grundrechten, sondern durch gewaltsame Handlungen von Hooligans beeinträchtigt, denen regelmäßig durch polizeiliches Vorgehen begegnet werden muss. Zwar ist es denkbar, dass durch unverhältnismäßige polizeiliche Maßnahmen eine Eskalation der Lage und somit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung innerhalb des Staates herbeigeführt werden kann. In diesem Fall kann es gerechtfertigt sein, im Rahmen polizeilichen Ermessens von staatlichen Zwangsmaßnahmen abzusehen. Es obliegt jedoch dem Mitgliedstaat, die tatsächlichen Voraussetzungen einer solchen Gefahr zu beweisen. Bei Beeinträchtigungen von Grundfreiheiten durch gewaltsames Handeln von Privaten dürfte ein solcher Nachweis jedoch nur in Ausnahmefällen gelingen.173 d) Durchsetzbarkeit der mitgliedstaatlichen Pflicht zur Sicherstellung der Grundfreiheiten Bei der Frage, auf welche Weise die Mitgliedstaaten die Beachtung der Grundfreiheiten sicherzustellen haben, hat der EuGH weite Ermessensspielräume zugestanden.174 Es kann somit regelmäßig keine bestimmte Maßnahme vor dem EuGH durchgesetzt werden,175 wie z. B. die Erteilung von Ausreiseverweigerungen für bekannte Rädelsführer durch einen Mitgliedstaat. 171 Siehe die Schlussanträge des Generalanwalts Jakob in der Rechtssache Schmidberger, C-112/00 (dort Rn 86), http://europa.eu.int, 02.01.2004. 172 EuGH NJW 2003, 3185 ff.; siehe auch Brenner/Huber, DVBl. 2004, 869 und Mann/Ripke, EuGRZ 2004, 125. 173 EuGH Slg. 1997, I-6959 ff., 7003, Rn 58 f.; Schwarze, EuR 1998, 58. 174 EuGH Slg. 1997, I-6959 ff., 6999, Rn 33 f., ebenso EuGH NJW 2003, 3188, Rn 82. 175 So auch Schwarze, EuR 1998, 59.
B. Europarechtliche Grundlagen
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Dagegen hat das Gericht die Befugnis zur Prüfung, ob der betreffende Mitgliedstaat erforderliche und geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung der Grundfreiheiten ergriffen hat. Die gänzliche Untätigkeit oder offensichtlich nicht ausreichende Maßnahmen eines Mitgliedstaates gegen ihm zurechenbare Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten durch Private können in einem Vertragsverletzungsverfahren als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht festgestellt werden.176 Falls das verurteilte Mitglied die sich aus dem Urteil ergebenden Maßnahmen nicht vornimmt, kann das Gericht in einem zweiten Verfahren gemäß Art. 228 Abs. 2 Satz 4 EGV die Zahlung eines Zwangsgeldes aussprechen. II. Grundlagen im Recht der Europäischen Union, im Recht der internationalen Europäischen Organisationen und im internationalen Polizeikooperationsrecht Die Grundlagen für die grenzüberschreitenden polizeilichen Maßnahmen wurden im EU-Vertrag und im Europarecht im weiteren Sinn geschaffen (hierzu siehe unten Ziff. 1.). Diese primärrechtlichen Grundlagen wurden in mehreren Sekundärrechtsakten umgesetzt (siehe hierzu unten Ziff. 2.). Fraglich ist, ob für die grenzüberschreitenden europäischen Polizeimaßnahmen ein ausreichendes gerichtliches Kontrollsystem vorhanden ist (siehe hierzu unten Ziff. 3.). 1. Primärrechtliche Basis des EUV und völkerrechtliche Grundlagen europäischer polizeilicher Zusammenarbeit bei sportlichen Großveranstaltungen Auf Regierungsebene werden die primärrechtlichen europäischen und völkerrechtlichen Grundlagen geschaffen, auf die sich die Polizei bei ihrer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit berufen kann. Nachfolgend werden diese Grundlagen innerhalb der Europäischen Union [siehe unten lit. a)], im Europarecht im weiteren Sinn [siehe unten lit. b)] und im allgemeinen völkerrechtlichen Polizeikooperationsrecht anhand eines konkreten Beispiels [siehe unten lit. c)] dargestellt. a) Sicherheitskooperation innerhalb der Europäischen Union Mit der Gründung der Europäischen Union durch den „Maastricht-Vertrag“177 erhielten die nationalen Politiken der Mitgliedstaaten in den Bereichen der Außen- und Sicherheitspolitik sowie auf dem Gebiet „Justiz und Inneres“ einen einheitlichen europäischen Rahmen, innerhalb dessen sich die Mitgliedstaaten 176 177
EuGH Slg. 1997, I-6960, Leitsatz 1. BGBl. 1992 II, S. 1253.
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
abstimmen und entsprechend der Vorbemerkung des EUV eine „immer engere Union der Völker Europas“ verwirklichen können.178 Nachfolgend wird zunächst die europäische polizeiliche Zusammenarbeit dargestellt, die bereits vor der Gründung der Europäischen Union stattfand [siehe unten lit. aa)]. Die Einbeziehung dieser Zusammenarbeit in das Vertragswerk des EUV [siehe unten lit. bb)] und die Handlungsmöglichkeiten des Rates im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit [siehe unten lit. cc)] werden sodann aufgezeigt. aa) Von der „vor-unionalen“ europäischen Polizeikooperation zu Titel VI EUV Bereits bevor der Vertrag von Maastricht im Jahre 1992 die polizeiliche Zusammenarbeit der Vertragsstaaten in die europäische Integration aufnahm, ermöglichten völkerrechtliche Vereinbarungen grenzüberschreitende Polizeiarbeit in Europa. Für die Sicherheitsarbeit bei internationalen Sportgroßveranstaltungen sollten hiervon im wesentlichen zwei Elemente polizeilicher Zusammenarbeit bedeutsam werden: Vor dem Hintergrund terroristischer Aktivitäten wurde im Jahre 1976 die TREVI-Kooperation ins Leben gerufen. Die TREVI-Zusammenarbeit wurde nicht im Rahmen des europäischen Gemeinschaftsrechts, sondern auf völkerrechtlicher Ebene, jedoch ausschließlich durch die EG-Mitgliedstaaten, geleistet.179 Sie war auf drei Ebenen organisiert: Auf Ministerebene fanden halbjährliche Treffen mit intensivem Informationsaustausch und gegebenenfalls politischen Entscheidungen statt. Diese Treffen wurden vorbereitet durch den Ausschuss der Hohen Beamten, der sich aus den Leitern der ministerialen Polizeiabteilungen zusammensetzte. Schließlich entwarfen TREVI-Arbeitsgruppen Vorschläge zur Beschlussfassung der TREVI-Minister und kontrollierten die Umsetzung getroffener politischer Entscheidungen. Die TREVI-Arbeitsgruppen setzten sich aus Vertretern der Polizeien der beteiligten Staaten zusammen. Von den insgesamt fünf TREVI-Arbeitsgruppen war die Arbeitsgruppe TREVI II unter anderem zuständig für die Störung der öffentlichen Ordnung einschließlich Ausschreitungen im Zusammenhang mit Fußballspielen.180 Als weiteres Element „vor-unionaler“ polizeilicher Zusammenarbeit in Europa sind die Vereinbarungen des Schengener Abkommens und des SDÜ zu nennen. Der Verzicht auf die Grenzkontrollen innerhalb des Gebietes der Schen178 Zu dem im Maastricht-Vertrag begründeten unionalen Rahmen europäischer Zusammenarbeit im Bereich Inneres und Justiz siehe Di Fabio, DÖV 1997, 89 ff. 179 Elsen, Rechtlicher Rahmen und Grundsatzprobleme der Zusammenarbeit von Polizei und Justiz, S. 9; auch Mokros in: Handbuch des Polizeirechts, Teil O Rn 183 ff. 180 Wielsch, Die europäische Gefahrenabwehr, S. 155 ff.
B. Europarechtliche Grundlagen
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gener Vertragsstaaten war als Modell und Motor für einen Raum ohne Binnengrenzen zwischen den Mitgliedern der Europäischen Gemeinschaften geschaffen; gleichzeitig sollen die Sicherheitsdefizite, welche sich aus dem grenzfreien Raum ergeben können, durch die im SDÜ vereinbarte verstärkte polizeiliche Kooperation der Vertragsparteien ausgeglichen werden. Insbesondere lässt Art. 46 Abs. 1 SDÜ die zwischenstaatliche Übermittlung von Informationen über die Anreise gewaltbereiter Hooligans zu einer Spielbegegnung zu.181 bb) Eingliederung der TREVI-Kooperation in den EUV und Bildung der „AG Polizeiliche Zusammenarbeit“ Der Vertrag von Maastricht gab der bislang auf völkerrechtlichen Vereinbarungen beruhenden grenzüberschreitenden Polizeiarbeit in Art. K.1 Ziff. 9 EUV a. F. erstmals einen einheitlichen europäischen Rahmen. Die TREVI-Kooperation wurde in die dritte Säule des EUV eingegliedert. Deren Struktur veränderte sich jedoch nicht: Die ehemaligen TREVI-Minister kamen nunmehr als Rat der Europäischen Union zusammen, der Ausschuss Hoher Beamter wurde in Art. K.4 EUV a. F. (jetzt: Art. 36 EUV) geregelt und die Arbeitsgruppen führten ihre Tätigkeit nahtlos innerhalb der neuen Struktur fort. Die frühere Arbeitsgruppe TREVI II ist nunmehr unter dem Namen „AG Polizeiliche Zusammenarbeit“ bei der Bekämpfung des Hooliganismus tätig.182 Mit dem „Amsterdamer Vertrag“183 wurden u. a. die Regelungen der polizeilichen Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union reformiert. Dabei wurde auch die polizeiliche Zusammenarbeit der Schengener Vereinbarungen durch das Protokoll (Nr. 2) zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstandes184 unter das Dach des EUV gestellt. Hierbei wurden die bisherigen Formen der Kooperation in die Institutionen der Europäischen Gemeinschaften eingegliedert.185 Wenn auch unter dem einheitlichen europäischen Dach der Union teilweise supranationale Eigenschaften erkennbar sind, so bleibt die ausschließlich völ-
181 Schelter, Zusammenarbeit der Polizei- und Justizverwaltungen in Europa, S. 3; Mokros, in: Handbuch des Polizeirechts, Teil O Rn 123; siehe auch die Präambel von Schengen I, wonach eine immer engere Union zwischen den Völkern der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften geschaffen werden soll; auch van Ooyen/Möllers bezeichnen die Schengener Vereinbarungen als „Pilotprojekt für eine mögliche Integration der Zusammenarbeit“, Polizei & Wissenschaft, 2000, 22. 182 Wielsch, Die europäische Gefahrenabwehr, S. 155 ff.; zur Eingliederung der TREVI-Arbeit auch Soria, Polizeiliche Zusammenarbeit in Europa, S. 64. 183 BGBl. 1998 II, S. 387 und BGBl. 1999 II, S. 416. 184 Sart. II, Nr. 151. 185 Schmidt-Jortzig, NordÖR 1999, 485; Mokros in: Handbuch des Polizeirechts, Teil O Rn 187.
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
kerrechtliche Grundlage polizeilicher Zusammenarbeit auch in den Bestimmungen des Titel VI EUV erhalten.186 cc) Handlungsmöglichkeiten des Rates im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit Titel VI des EUV stellt den Vertragsparteien legislative Gestaltungsmöglichkeiten und Kooperationsfelder zur Verfügung, um das gemeinsame Ziel eines europäischen Raumes der Sicherheit zu verwirklichen. Nach dem durch den Amsterdamer Vertrag reformierten Art. 34 EUV (vormals Art. K.3 EUV) kann der Rat in folgenden Formen handeln:187 (1) Er kann gemeinsame Standpunkte annehmen [Art. 34 Abs. 2 Satz 2 lit. a)]. Sie bestimmen das Vorgehen der Union in einer bestimmten Frage und sind insoweit auch für die Mitgliedstaaten verbindlich.188 (2) Die Handlungsformen der Rahmenbeschlüsse [Art. 34 Abs. 2 Satz 2 lit. b)] und Beschlüsse [Art. 34 Abs. 2 Satz 2 lit. c)] ersetzen die Gemeinsamen Maßnahmen des Maastrichter Vertrages [damals Art. K.3 Abs. 2 lit. b)]. Während die Rechtswirkungen der Gemeinsamen Maßnahmen nicht abschließend geklärt waren,189 sind Rahmenbeschlüsse und Beschlüsse verbindlich. Sie sind zwar nicht unmittelbar wirksam; jedoch kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit Maßnahmen zur Durchführung ergreifen und seinen Beschlüssen auf diese Weise entsprechenden Nachdruck verleihen.190 (3) Der Rat kann völkerrechtliche Übereinkommen erstellen und diese den Mitgliedstaaten zur Annahme empfehlen [Art. 34 Abs. 2 Satz 2 lit. d)].191 (4) Darüber hinaus trifft der Rat Entschließungen und spricht Empfehlungen, Erklärungen und Schlussfolgerungen aus. Obgleich sie im EUV nicht explizit erwähnt sind, sind auch diese sogenannten „ungekennzeichneten Rechtshandlungen“, auch als „soft law“ bezeichnet, zulässig. Ihre Bindungswirkung ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Sie kann aber nicht die Rechtswirkung von ausdrücklich im EUV erwähnten Handlungsformen erreichen.192 186 Götz, Festschrift Rauschning, S. 197; Soria, Polizeiliche Zusammenarbeit in Europa, S. 65. 187 Hecker, EuR 2001, 828; BGBl. 1999 II, S. 296; die Reformen des Gipfeltreffens von Nizza ließen Art. 34 EUV unberührt, siehe ABl. 2001 Nr. C 80. 188 Röben in: Grabitz/Hilf, EUV, Art. 34 Rn 12; Mokros in: Handbuch des Polizeirechts, Teil O, Rn 189 f. 189 Schweitzer/Hummer, 5. Auflage Rn 971. 190 Rouchereau in: Léger, TUE, Art. 34 nº 2; ob die Durchführungsmaßnahmen des Rates unmittelbar rechtswirksam sind, ist aber umstritten, vgl. Röben in: Grabitz/Hilf, EUV, Art. 34 Rn 21 ff. 191 Haratsch/König, Europarecht, Rn 949.
B. Europarechtliche Grundlagen
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b) Völkerrechtliche Vereinbarungen des Europarechts im weiteren Sinne Auf der Ebene des Europarechtes im weiteren Sinne verabschiedete der Europarat mit Sitz in Straßburg am 19.08.1985 das Europäische Übereinkommen zur Verringerung von Gewalttätigkeiten und Fehlverhalten von Zuschauern bei Sportveranstaltungen und insbesondere bei Fußballspielen.193 Die Konventionen des Europarates tragen ausschließlich völkerrechtlichen Charakter und sind daher nicht unmittelbar bindend, sondern müssen durch die Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Sie sind nicht Gegenstand des von der Europäischen Union gesetzten primären oder sekundären Rechtes.194 Das Übereinkommen zählt in Art. 3 bestimmte Maßnahmen zur Verhinderung von Zuschauerausschreitungen auf. Sie richten sich sowohl an die Veranstalter und nationalen Sportverbände als auch an öffentliche Behörden. Darüber hinaus wurde durch Art. 5 des Abkommens ein Ständiger Ausschuss gebildet, der aus Delegierten der Vertragsparteien besteht. Der Ständige Ausschuss hat gemäß Art. 9 die Aufgabe, die Einhaltung des Übereinkommens zu überwachen, mit den Sportverbänden in Kontakt zu bleiben und Empfehlungen auszusprechen, deren Anwendung dem Ziel des Übereinkommens dient.195 c) Bilaterales Polizeikooperationsrecht als Grundlage grenzüberschreitender Sicherheitsarbeit am Beispiel der Gemeinsamen Erklärung (. . .) von Deutschland, Belgien und den Niederlanden vom 16.02.2000 Neben den multilateralen Gremien der Europäischen Union und des Europarates werden weitergehende Formen der Zusammenarbeit je nach Bedarf durch völkerrechtliche Vereinbarungen ermöglicht. Am Beispiel des Inhalts der Gemeinsamen Erklärung der Innenminister von Deutschland, Belgien, des niederländischen Ministers des Inneren und für Königreichsbeziehungen sowie des niederländischen Justizministers vom 16.02.2000 [hierzu siehe unten lit. aa)] 192 Homepage der EU http://ue.eu.int/jai/pres.asp?lang=de, 10.04.2002; zur Rechtsnatur des europäischen „soft law“ siehe auch Meyring, EuR 1999, 310; Röben in: Grabitz/Hilf, EUV, Art. 34 Rn 4 und Schweitzer/Hummer, Rn 970. 193 Text abrufbar als Vereinbarung No.120 unter http://conventions.coe.int/Treaty/ EN/cadreListeTraites.htm, 29.04.2002. 194 Koenig/Haratsch, Europarecht, Rn 20 ff.; eine Liste der beigetretenen Staaten zu dem genannten Abkommen findet sich unter http://conventions.coe.int/Treaty/EN/cadreListeTraites.htm, 23.09.2004; die Bundesrepublik Deutschland ist dem Abkommen erst am 17.03.2004 beigetreten und hatte zuvor nach den Informationen des BMI gegenüber dem Verfasser den Status eines ständigen Beobachters, der Erfahrungen und Ratschläge in das Gremium eingebracht hat. 195 Zum Inhalt und zur Entstehung des Abkommens siehe Siekmann, Football Hooliganism, Chapter 2.2 f.; pp. 13.
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
werden Rechtmäßigkeitsmaßstäbe völkerrechtlicher Polizeikooperation dargestellt [hierzu siehe unten lit. bb)]. aa) Inhalt der Erklärung Die Innenminister von Deutschland, Belgien und den Niederlanden vereinbarten in Vorbereitung der Fußball-EM 2000 eine enge polizeiliche Zusammenarbeit zur Verhinderung gewaltsamer Zuschauerausschreitungen. Die nicht veröffentlichte Erklärung bezieht sich auf die Entschließung des Rates der Europäischen Union vom 21.06.1999 zum Handbuch für internationale Zusammenarbeit der Polizei und Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung gewaltsamer Auseinandersetzungen und Zwischenfälle bei internationalen Fußballspielen als Grundlage.196 Insbesondere vereinbarten die Minister die Begleitung der Fans in den Zügen durch den BGS bis zum ersten Haltebahnhof in den Niederlanden bzw. in Belgien. Dabei treten die Beamten des deutschen BGS in vollständiger Dienstkleidung auf fremdem Hoheitsgebiet in Erscheinung. Nach Informationen des BMI gegenüber dem Verfasser wurde diese Art der Fanbegleitung auf der Grundlage der Erklärung anlässlich des UEFA-Cup Spiels Feyenoord Rotterdam – Borussia Dortmund im Jahre 2002 intensiviert, indem die Beamten des BGS die Zuschauer bis zum Zielbahnhof in Rotterdam begleitet hatten. bb) Rechtmäßigkeitsmaßstäbe völkerrechtlicher Polizeikooperation Vereinbarungen zur internationalen Polizeikooperation können als förmlicher völkerrechtlicher Vertrag sowie im Wege einfacher Verwaltungsabkommen geschlossen werden.197 Da die Gemeinsame Erklärung der Innenminister von Deutschland und Belgien, des niederländischen Ministers des Inneren und für Königreichsbeziehungen sowie des niederländischen Justizministers nicht durch den Bundestag ratifiziert wurde, stellt sie eine Vereinbarung auf Verwaltungsebene dar. Sollen dem Vertragspartner in solchen Verwaltungsvereinbarungen Polizeimaßnahmen zugesichert oder erlaubt werden, die mit grundrechtlichen Eingriffen verbunden sind, so verlangt das grundgesetzliche Demokratieprinzip in jedem Fall eine Rechtsgrundlage, welche über das Abkommen hinausgeht. Dabei kann auf bestehende Ermächtigungsgrundlagen wie z. B. die polizeirechtlichen Bestimmungen zur Datenübermittlung an ausländische Stellen (z. B. § 43 PolG BW) Bezug genommen werden. Soweit keine Ermächtigungsgrundlagen 196 Zum Handbuch der EU siehe unten, Ziff. 2., lit. i); zum Inhalt und zur Entstehung der Gemeinsamen Erklärung siehe Siekmann, Football Hooliganism, Chapter 6.3.3, pp. 130. 197 Mokros, Handbuch des Polizeirechts, Teil O, Rn 52.
B. Europarechtliche Grundlagen
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bestehen, kann keine darüber hinaus gehende völkerrechtliche Verpflichtung eingegangen werden.198 Ferner ist sorgsam zu prüfen, ob die Souveränität der jeweiligen Vertragsstaaten gewahrt ist. Nicht unproblematisch ist vor diesem Hintergrund die polizeiliche Fanbegleitung auf fremdem Hoheitsgebiet. Im Falle einer Fanbegleitung durch ausländische Polizeibeamte auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist sicherzustellen, dass die hoheitlichen Befugnisse mit Rücksicht auf Art. 20 Abs. 1 GG durch die deutsche Staatsgewalt ausgeübt werden. Die ausländischen Beamten können sich lediglich auf die Vorschriften der Notwehr bzw. der Nothilfe stützen, wenn deren unmittelbares Einschreiten durch einfache körperliche Gewalt oder sonstigen polizeilichen Zwang erforderlich würde. Insbesondere können sich die ausländischen Polizeibeamten – selbst als Vertragspartner des SDÜ – nicht auf die Eingriffsbefugnisse der Art. 40 f. SDÜ berufen. Hierin ist keine Ermächtigung zur Gefahrenabwehr enthalten.199 Auch das Tragen einer Waffe durch Polizeibeamten aus anderen Staaten kann auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nur nach Maßgabe der Vorschriften des WaffG (insbesondere § 6 Abs. 2b WaffG) erlaubt sein. Ferner muss eine bilaterale Vereinbarung mit bereits bestehendem internationalem Polizeikooperationsrecht vereinbar und stimmig sein.200 Ein Widerspruch zu sonstigen völkerrechtlichen Vereinbarungen ist zu vermeiden. Insbesondere sind die Regelungen auf der Ebene der Europäischen Union zu beachten. Den Mitgliedstaaten ist zwar in Art. 41 EUV eine engere Zusammenarbeit im Bereich der dritten Säule erlaubt. Eine systematische polizeiliche Zusammenarbeit ist den EU-Mitgliedstaaten nach der Gründung der Europäischen Union im Maastricher Vertrag aber grundsätzlich nur noch unter dem Dach des EUV möglich.201 Daher hat jede neue bilaterale Vereinbarung zur polizeilichen Zusammenarbeit Kohärenz zu den Regelungen des primären und sekundären EURechtes herzustellen. 2. EU-Sekundärrecht und Empfehlungen des Ständigen Ausschusses des Europarates Um über die Zuschauerausschreitungen Herr zu werden, machten die Vertragsparteien von den im primären EU-Recht und im europäischen Völkerrecht 198 Mokros, Handbuch des Polizeirechts, 2. Auflage, Teil N, Rn 21; auch Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, S. 74. 199 Göppl, VBlBW 2002, 3; auch Breucker (Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, S. 290) hält einen derartigen Einsatz ausländischer Polizeibeamter auf deutschem Hoheitsgebeit ohne verfassungsrechtliche Grundlage für bedenklich. 200 Hecker, EuR 2001, 831 f. 201 Di Fabio, DÖV 1997, 91.
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
geschaffenen Grundlagen regen Gebrauch. Vorwiegend wurden dabei keine bindenden Rechtsakte, sondern Handlungsempfehlungen für die Polizeien der Vertragsparteien verabschiedet. Da die sekundärrechtlichen Maßnahmen des Rates der Europäischen Union maßgeblich von den völkerrechtlichen Maßnahmen des Europarates beeinflusst werden, werden diese im folgenden nicht getrennt, sondern in ihrer historischen Reihenfolge dargestellt.202 a) Absichtserklärung der TREVI-Kooperation in La Hague: Schaffung eines Korrespondentennetzes zur Informationsübermittlung Noch im Rahmen der TREVI-Kooperation verabschiedeten die Vertragsparteien auf dem Treffen von La Hague im Jahre 1991 eine Absichtserklärung zum Informationsaustausch bei Großveranstaltungen und Versammlungen. Es wurde beschlossen, durch die Angabe nationaler Kontaktstellen ein Korrespondentennetz zur Informationsübermittlung zu schaffen. In der Folgezeit wurden in diesem Rahmen Informationen über die Zahl der Teilnehmer einer Veranstaltung, deren Absichten, Reisebewegungen und Transportmittel ausgetauscht.203 b) Check-Liste des Ständigen Ausschusses des Europarates204 Der Ständige Ausschuss des Übereinkommens zur Verringerung von Gewalttätigkeiten und Fehlverhalten von Zuschauern bei Sportveranstaltungen und insbesondere bei Fußballspielen mit Sitz in Straßburg erarbeitete eine StandardCheck-Liste, welche Maßnahmen beinhaltet, die das Gremium zur Verringerung der Zuschauerausschreitungen für geeignet hält. Die Check-Liste sieht sowohl Maßnahmen durch die Veranstalter und die nationalen Verbände als auch durch die öffentlichen Behörden vor. In seiner „Recommendation on Measures to be taken by the Organisers of Football Matches and Public Authorities (93/1)“ empfahl der Ausschuss seinen Vertragsstaaten die Anwendung dieser Richtlinien.
202 Um den Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht zu überschreiten, können nur ausgewählte Sekundärrechtsakte ohne Anspruch auf Vollständigkeit dargestellt werden. Ausführlicher zu den Sekundärrechtsakten der EU in diesem Bereich siehe Siekmann, Football Hooliganism, Chapter 3.4, pp. 15 und Chapter 4, pp. 18. 203 Empfehlung des Rates vom 01. Dezember 1994 über den Informationsaustausch bei Großveranstaltungen und Versammlungen (Annex III zu Doc. 4289/96 des Rates der EU; nicht veröffentlicht). 204 Anhang zur Maßnahmenempfehlung des Ausschusses für Veranstalter von Fußballspielen und öffentlichen Behörden (93/1), http://www.coe.int/T/E/cultural_cooperation/Sport/Resources/esprec.93.1asp#TopOfPage.html, 26.04.2002.
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c) Erste Sitzung des Rates der EU für Justiz und Inneres am 30. November 1993: Empfehlung zur Übernahme der Check-Liste des Ständigen Ausschusses des Europarates Seit dem Vertrag von Maastricht konnten die Mitgliedstaaten ihre Zusammenarbeit auf dem Gebiet der inneren Sicherheit unter dem Dach der Europäischen Union verstärken.205 In der ersten Zusammenkunft des Rates der Europäischen Union für Justiz und Inneres, welcher vormals im Rahmen der TREVI-Kooperation zusammentrat, wurde ein erster Arbeitsplan für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten verabschiedet.206 Dabei hat der Rat den Mitgliedstaaten empfohlen, die vom Ständigen Ausschuss des Europarates erstellte Check-Liste207 bei Sportgroßveranstaltungen anzuwenden. Die zuständigen Minister sollten entsprechende Richtlinien an die nationalen Fußballverbände verfassen.208 d) Empfehlung des Rates vom 01. Dezember 1994 über den Informationsaustausch bei Großveranstaltungen und Versammlungen In Anknüpfung an die Erklärung von La Hague durch die TREVI-Minister fasste der Rat der Europäischen Union die Absicht, das Korrespondentennetz über Hooligans durch die Benennung nationaler Verbindungsbeamten („liaison officers“) zu erweitern. Bereits in der Vergangenheit wurden Verbindungsbeamte bei großen Sportveranstaltungen eingesetzt, um mit ihren Szenekenntnissen gegebenenfalls auch kurzfristig Informationen an die Sicherheitsbehörden des Veranstaltungslandes weiterzugeben. Daher empfahl der Rat den Mitgliedstaaten, für Großveranstaltungen entsprechende Verbindungsbeamte bereitzuhalten, um den Behörden des Veranstaltungslandes, gegebenenfalls auf fremdem Hoheitsgebiet, beratend zur Seite zu stehen. Die Verbindungsbeamten verfügten jedoch über keinerlei hoheitliche Kompetenzen.209
205
Siehe oben unter Ziff. 1., lit. b). Presseerklärung des Rates der EU 10550/93, http://europa.eu.int/rapid/start/cgi/ guesten.ksh?p action.gettxt=gt&doc=PRES/93/209|0|AGED&lg=FR&display, 26.04. 2002. 207 Siehe oben unter lit. b). 208 Empfehlung des Rates vom 30. November 1993 über die Verantwortung der Organisatoren von Sportveranstaltungen (nicht veröffentlicht, Doc. ENFOPOL 17 4289/ 96). 209 Anhang III zu Doc. 4289/96 des Rates der Europäischen Union (nicht veröffentlicht). 206
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
e) Empfehlung des Ständigen Ausschusses des Europarates vom 02.06.1994: Check-Liste bei Hallensportveranstaltungen Im Jahre 1994 erstellte der Ständige Ausschuss einen Maßnahmenkatalog, der Gewaltausschreitungen bei Hallensportveranstaltungen – vergleichbar mit der unter lit. b) dargelegten Check-Liste – eindämmen sollte.210 Auch dieser Maßnahmekatalog wurde von der EU übernommen und den Mitgliedstaaten zur Anwendung empfohlen.211 f) Empfehlung des Rates vom 22. April 1996: einheitliches Formblatt zum Informationsaustausch212 In seiner Schlussfolgerung vom 21.06.1995 beauftragte der Rat auf Antrag der britischen Regierung den sogenannten K.4-Ausschuss,213 Vorschläge zur mitgliedstaatlichen Zusammenarbeit auszuarbeiten, um die Zuschauergewalt zu verhüten.214 Sodann erließ der Rat in Anwendung des Titels VI des EUV die Empfehlung vom 22.04.1996. Neben der Annahme der Check-Liste des Europarates für Hallensportveranstaltungen empfahl der Rat, das vom K.4-Ausschuss entwickelte Formblatt zum Informationsaustausch zu verwenden. In diesem Formblatt werden die bisherigen Angaben über die Zahl der Teilnehmer einer Veranstaltung, deren Absichten, Reisebewegungen und Transportmittel systematisiert. Durch seine Einheitlichkeit bewirkt dieses Formblatt eine höhere Effizienz des Informationsaustausches. Erwähnenswert ist jedoch, dass mit diesem Formblatt durch die enthaltenen Angaben über die Transportmittel der anreisenden Fans wie z. B. Name des Busunternehmens, Kennzeichen des PKWs und geschätzte Zusammensetzung der Reisenden in Einteilung der Fan-Kategorien A, B und C in nicht unerheblichem Maße personenbezogene Daten gesammelt und weitergegeben werden. Da durch eine Empfehlung des Rates keine Grundlage für Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschaffen ist, hat sich die Datenübermittlung durch die deutschen Polizeibehörden an die Vorgaben des deutschen Rechts zu halten. Nur wenn die Voraussetzungen der länderspezifischen Regelungen des § 10c Abs. 4 VEMEPolG erfüllt sind, ist eine Übermittlung personenbezogener Daten zulässig.215 210 http://www.coe.int/T/E/cultural_co-operation/Sport/Resources/espec.94.1/aps# TopOfPage, 03.05.2002. 211 Empfehlung des Rates vom 22. April 1996, ABl. 1996/C 131/01. 212 ABl. 96 Nr. C 131 S. 1 vom 03.05.1996. 213 Ausschuss hoher Beamter gemäß Art. K.4 des Maastricht-Vertrages (nunmehr Art. 36 EUV). 214 Presseerklärung des Rates der EU 194 Nr. 8133/95. 215 Zur Problematik der Datenerfassung und -übermittlung bei Spielen mit internationaler Beteiligung siehe unten, Dritter Teil, B., Ziff. V., 2., lit. a).
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Schließlich legt die vorgenannte Empfehlung eine engere Zusammenarbeit in der Ausbildung und ein formularmäßiges Unterstützungsersuchen des Veranstaltungslandes nahe, welches rechtzeitig vor der Veranstaltung an andere Mitgliedstaaten zu richten ist. g) Gemeinsame Maßnahme vom 26.05.1997:216 erster formeller Rechtsakt zur Institutionalisierung der bisherigen polizeilichen Zusammenarbeit Mit der Gemeinsamen Maßnahme vom 26.05.1997 wurden die bislang empfohlenen Formen polizeilicher Zusammenarbeit institutionalisiert. Während Art. 1 der Maßnahme weitere Regelungen zum Informationsaustausch trifft, beinhaltet Art. 2 Aufgaben und Funktionen von Verbindungsbeamten, die zeitweilig auf fremdem Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten agieren. Schließlich wird für die Zusammenkünfte der nationalen Kontaktpersonen sowie deren Benennung eine gewisse Regelmäßigkeit bestimmt.217 Während der Rat bislang ausschließlich Empfehlungen und damit ungekennzeichnete Rechtsakte verabschiedet hatte, stellt die oben genannte Gemeinsame Maßnahme den ersten formellen und verbindlichen Rechtsakt auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit bei Sportgroßveranstaltungen dar, der ein vom EUV vorgesehenes Regelungsinstrument ausfüllt.218 Zwar mag der Verbindlichkeitsgrad der vormaligen Empfehlungen angesichts der deutschen Übersetzung unterschätzt werden; der französische Ausdruck „recommandation“ geht über eine bloße Empfehlung in Richtung einer Ermahnung hinaus.219 Dennoch kann keine ungekennzeichnete Rechtshandlung des Rates so verbindlich wie ein im Vertrag genanntes Regelungsinstrument sein.220 Wenn auch der Verbindlichkeitsgrad Gemeinsamer Maßnahmen nicht abschließend geklärt war, so ist ihnen angesichts ihrer Nennung in Art. K.3 EUV eine intensivere Rechtswirkung als den bisherigen Empfehlungen beizumessen.
216
ABl.1997 Nr. L 147. Jedes Frühjahr sollen Zusammenkünfte sowie die Aktualisierung der nationalen Kontaktstellen stattfinden (Art. 3 der Gemeinsamen Maßnahme des Rates vom 26.05. 1997). 218 Siekmann, Football Hooliganism, Chapter 3.7, p. 22. 219 Neben der empfehlenden Bedeutung hat das französische Wort „recommander“ auch eine einschärfende und ermahnende Funktion, siehe Pons Kompaktwörterbuch, Französisch-Deutsch, Stichwort „recommandable“. 220 s. o. unter Ziff. 1., lit. a), cc). 217
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
h) Entschließung des Rates vom 09.06.1997:221 Nutzung der Möglichkeiten des Stadionverbotes auf Europäischer Ebene und weitere Intensivierung der Zusammenarbeit In dieser weiteren Entschließung erkennt der Rat der EU das Stadionverbot, wie es bereits in einigen Mitgliedstaaten angewandt wird, als wirksames Instrument zur Verhinderung von Störungen bei nationalen Fußballspielen an. Daher sollten die zuständigen Minister der Mitgliedstaaten prüfen, ob Stadionverbote auch im europäischen Rahmen angewandt werden könnten (Ziff. 1 der Entschließung). Weiter wird die Wichtigkeit eines jährlichen europaweiten Lageberichtes betont (Ziff. 2 der Entschließung), welcher anlässlich einer jährlichen Sachverständigensitzung (Ziff. 4 der Entschließung) erstellt werden sollte. Eine Check-Liste für den Umgang der Polizeibehörden mit den Medien soll erstellt werden (Ziff. 3 der Entschließung). Die Mitgliedstaaten sollten dem Rat bis spätestens im ersten Halbjahr 1998 eine Initiative für den Beschluss einer Gemeinsamen Maßnahme unterbreiten (Ziff. 5 der Entschließung). i) Entschließung des Rates vom 21.06.1999:222 Handbuch für die internationale polizeiliche Zusammenarbeit (. . .) bei Fußballspielen In Anknüpfung an die Entschließung des Rates vom 09.06.1997 nahm der Rat am 21.06.1999 die Entschließung an, die Mitgliedstaaten zu einer Verstärkung ihrer Zusammenarbeit zu ersuchen (Ziff.1 der Entschließung). Zu diesem Zweck wurde ein Handbuch mit Beispielen von Arbeitsmethoden für Polizeibehörden erstellt, welches die AG „Polizeiliche Zusammenarbeit“ in Zukunft verbessern sollte (Ziff. 2 der Entschließung). Freilich ähnelt das im Anhang der Entschließung wiedergegebene „Handbuch für die internationale polizeiliche Zusammenarbeit und Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Gewalttätigkeiten und Störungen im Zusammenhang mit internationalen Fußballspielen, die zumindest einen Mitgliedstaat betreffen, sei es durch Teilnahme am Spiel oder dessen Ausrichtung“ eher einer Check-Liste als einem Handbuch im eigentlichen Sinne. Jedoch handelt es sich bei diesem Text um eine – wenn auch stichwortartige – umfassende und systematische Zusammenstellung von Maßnahmen internationaler polizeilicher Zusammenarbeit. Zwar stellt das Handbuch nach dem Wortlaut der Entschließung „Beispiele“ mit Arbeitsmethoden für die polizeiliche Zusammenarbeit dar; daher kann nicht von einer rechtlichen Verbindlichkeit ausgegangen werden. Jedoch ermöglicht die praktische Umsetzung dieses Handbuches den Polizeien in 221 222
ABl. 1997 Nr. C 193. ABl. 1999 Nr. C 196.
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Europa, ihre grenzüberschreitende Zusammenarbeit einheitlich zu organisieren und ihr somit unter dem Dach des EUV eine höhere Effizienz zu verleihen. j) Entschließung des Rates vom 06.12.2001:223 Aktualisierung des Handbuches für die internationale polizeiliche Zusammenarbeit (. . .) bei Fußballspielen In seiner Entschließung vom 06.12.2001 ersucht der Rat die Mitgliedstaaten erneut, ihre Zusammenarbeit zur Vermeidung der Hooligan-Gewalt zu verstärken (Ziff. 1). Zu diesem Zweck wurde das Handbuch der Entschließung vom 21.06.1999 nach den Erfahrungen bei der Fußball-EM 2000 überprüft und aktualisiert. Das im Anhang der Entschließung wiedergegebene Handbuch hat in seinen Titel das Wort „Empfehlungen“ aufgenommen.224 Hieraus ist zu schließen, dass dem überarbeiteten Handbuch ein höherer Grad an Verbindlichkeit beizumessen ist als dem früheren Werk, dessen Titel der aus den ungekennzeichneten Rechtsakten stammende Ausdruck „Empfehlung“ fehlte. Gleichwohl handelt es sich nicht um letztverbindliche rechtliche Anforderungen an die befassten Polizeibehörden, sondern nach dem Wortlaut der Entschließung erneut um „Beispiele von Arbeitsmethoden“.225 Das überarbeitete Handbuch ist als weiterer Schritt zur Verfestigung und Institutionalisierung der bereits erarbeiteten Formen polizeilicher Zusammenarbeit unter dem Dach des EUV zu werten. In Kapitel 1 wird das zwischenstaatliche Informationsmanagement anlässlich internationaler Fußballwettbewerbe systematisch dargestellt. Im Gleichklang mit dem empfehlenden Charakter des Titels wird „nachdrücklich empfohlen (Hervorhebung durch den Verfasser), in jedem Mitgliedstaat eine ständige nationale (polizeiliche) Fußballinformationsstelle zu schaffen.“226 Anforderungen und Aufgaben einer solchen nationalen Informationsstelle, welche in der Bundesrepublik Deutschland in Gestalt der ZIS bereits existiert, werden detailliert dargelegt. Die auszutauschenden Informationen werden in verschiedene Arten eingeteilt und Übermittlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Die Vorbereitung und der Ablauf eines grenzüberschreitenden Einsatzes werden in einzelne Verfahrensschritte eingeteilt. Hiernach beantragt das ersuchende Land rechtzeitig Unterstützung. Sodann wird im unterstützenden Land 223
ABl. 2002 Nr. C 196. Das „Handbuch mit Empfehlungen (Hervorhebung durch den Verfasser) für die internationale polizeiliche Zusammenarbeit und Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Gewalttätigkeiten und Störungen im Zusammenhang mit Fußballspielen von internationaler Dimension, die zumindest einen Mitgliedstaat betreffen,“ ist auf den Seiten 2 ff. des ABl. 2002 Nr. C 22 zu finden. 225 ABl. 2002 Nr. C 22, S. 1. 226 ABl. 2002 Nr. C 22, S. 2. 224
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
eine Risikoanalyse erstellt, auf deren Basis über die weitere Art der Unterstützung entschieden wird. Die grenzüberschreitende Fanbegleitung durch szenekundige Beamte wird ebenso wie die Benennung von Verbindungsbeamten zur Effektuierung des Informationsaustausches durch organisatorische Regelungen festgeschrieben.227 Die weiteren Kapital des Handbuchs behandeln die Vorbereitung und Zusammenarbeit der verschiedenen Polizeidienststellen vor einer der Sportveranstaltung, die Einbeziehung der Stadionordnung in die Sicherheitsarbeit und den polizeilichen Umgang mit den Medien. Abschließend trifft das Handbuch Regelungen zur Verantwortlichkeit der Veranstalter. Wie bereits in der Empfehlung des Rates vom 30. November 1993 über die Verantwortung der Organisatoren von Sportveranstaltungen wird auch im überarbeiteten Handbuch den Veranstaltern auferlegt, alle erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Zuschauerausschreitungen vorzunehmen. Schließlich ist im Anhang zum Handbuch eine umfangreiche Check-Liste mit möglichen Auflagen an den Veranstalter beigefügt.228 k) Beschluss des Rates vom 25.04.2002:229 verbindliche Pflicht der Mitgliedstaaten zur Errichtung einer nationalen Fußballinformationsstelle Im Wege des in Art. 34 Abs. 2 lit. c) EUV vorgesehenen und verbindlichen Rechtsakts des Beschlusses verständigten sich die Vertragsparteien im Rat der Europäischen Union darauf, in jedem Mitgliedstaat eine nationale polizeiliche Fußballinformationsstelle einzurichten. In den Vorbemerkungen des Beschlusses wird ausdrücklich auf das oben unter lit. j) bezeichnete Handbuch der Europäischen Union verwiesen, welches die Errichtung nationaler Zentralstellen nachdrücklich empfohlen hatte. Nach Art. 1 Ziff. 3 des Beschlusses sollen die nationalen Fußballinformationsstellen zentrale Kontaktstellen für den zwischenstaatlichen Informationsaustausch und die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit sein. Art. 1 Ziff. 4 verpflichtet die Mitgliedstaaten, ihre nationalen Fußballinformationsstellen so auszustatten, dass sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben erfüllen können. Art. 2 und 3 enthalten weitere Konkretisierungen zu den Aufgaben der Informationsstellen. Unter anderem soll die Stelle über personelle Daten von Risikofans verfügen. 227
ABl. 2002 Nr. C 22, S. 3 ff. ABl. 2002 Nr. C 22, S. 11 ff.; weitere Ausführungen zum Inhalt des Handbuchs, insbesondere zum innergemeinschaftlichen polizeilichen Informationsaustausch finden sich bei Siekmann, Football Hooliganism, Chapter 3.10, pp. 23. 229 ABl. 2002 Nr. L 121. 228
B. Europarechtliche Grundlagen
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Dieser Beschluss stellt die bislang verbindlichste Maßnahme des Rates der Europäischen Union auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit bei internationalen Fußballspielen dar. Sie bestätigt den Trend des ansteigenden Verbindlichkeitsgrades der innerhalb der dritten Säule des EUV gefassten Maßnahmen.230 l) Entschließung des Rates zu internationalen Stadionverboten In der Entschließung des Rates vom 17.11.2003 werden die Mitgliedstaaten aufgefordert zu prüfen, ob nach dem jeweiligen nationalen Recht Stadionverbote gegen gewalttätige Zuschauer verhängt werden können. Ziel ist es, die bislang lediglich in vereinzelten Staaten genutzte Möglichkeit eines Stationverbotes auf die europäische Ebene auszuweiten, um einem gewaltsamen Hooligan im konkreten Fall den Zutritt zu allen Stadien innerhalb der Europäschen Union verbieten zu können.231 Bei der Umsetzung des europaweiten Stadionverbotes wird v. a. der Informationsaustausch zwischen den Veranstaltungsorganisatoren und den Polizeidienststellen verbessert und dabei das informationelle Recht auf Selbstbestimmung der Betroffenen beachtet werden müssen. Hierzu wird eine Harmonisierung der rechtlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten der EU für erforderlich gehalten.232 3. Justizielle Kontrolle internationaler polizeilicher Zusammenarbeit unter dem Dach des EUV Nach der Darstellung der europarechtlichen Handlungsgrundlagen für die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit soll nunmehr die gerichtliche Kontrolle hierüber dargestellt werden. Die Gerichte der Europäischen Union können dabei durch das im Amsterdamer Vertrag geschaffene Kontrollsystem des Art. 35 EUV angerufen werden [hierzu siehe unten lit. a)]. Darüber hinaus haben die europäischen Gerichte jedoch bereits weitergehenden individuellen Rechtsschutz nach Art. 230 EGV gewährt [hierzu siehe unten lit. b)].233
230
Hecker, EuR 2001, 830; Siekmann, Football Hooliganism, Chapter 3.13, p. 29. SpuRt 2004, 63. 232 Siekmann, Football Hooliganism, Chapter 3.12, p. 29. 233 Weiter verbleibt einem Betroffenen außerhalb des Rahmens der EU der Weg der Individualbeschwerde nach Art. 34 ff. EMRK; die Erläuterung derartiger Verfahren würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung überschreiten; siehe daher zum Rechtsschutz durch die EMRK gegen Maßnahmen internationaler polizeilicher Zusammenarbeit; Wielsch, Die europäische Gefahrenabwehr, S. 294 ff. 231
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
a) Gerichtliches Kontrollsystem des Art. 35 EUV Der Maastrichter Vertrag zur Gründung der Europäischen Union enthielt keine Zuständigkeit des EuGH, unionale Rechtsakte aus der dritten Säule zu überprüfen. Nach der Kritik an dieser Begrenzung der Rechtsprechungsbefugnis des EuGH234 verlieh der Amsterdamer Vertrag in Art. 35 EUV dem Gericht die Kompetenz, in bestimmten Grenzen über die Auslegung und die Gültigkeit von Sekundär-Rechtsakten nach Titel VI des EUV zu entscheiden. Dagegen bleibt dem EuGH die Zuständigkeit zur Auslegung der primärrechtlichen Bestimmungen der dritten Säule auch nach derzeitiger Rechtslage verweigert.235 Die Rechtsprechungskompetenz des EuGH auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit ist nach dem Wortlaut des Art. 46 EUV auf das gerichtliche Kontrollsystem des Art. 35 EUV begrenzt. aa) Klagebefugnis der Mitgliedstaaten und der Kommission Nach Art. 35 Abs. 6 EUV können die Mitgliedstaaten und die Kommission Rahmenbeschlüsse und Beschlüsse des Rates auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen lassen. Aufgrund der Parallelität dieser Vorschrift zum Verfahren gemäß Art. 230 f. EGV wird dem EuGH die Kompetenz zugestanden, die betreffende Norm gegebenenfalls für nichtig zu erklären.236 Weiter entscheidet der EuGH gemäß Art. 35 Abs. 7 EUV über alle Streitigkeiten der Mitgliedstaaten über die Auslegung und Anwendung der Sekundär-Rechtsakte nach Titel VI EUV.237 bb) Fakultatives Vorabentscheidungsverfahren Art. 35 Abs. 5 EUV stellt ausdrücklich fest, dass der EuGH die Rechtmäßigkeit einzelner polizeilicher Maßnahmen eines Mitgliedstaates nicht überprüft. Der Rechtsschutz ist ausschließlich vor den nationalen Gerichten zu erlangen.238 Gemäß Art. 35 Abs. 1 bis 3 EUV können jedoch die Mitgliedstaaten ihren nationalen Gerichten das Recht und/oder die Pflicht einräumen, den EuGH in einem anhängigen Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines streitgegenständlichen Sekundär-Rechtsaktes nach Titel VI des EUV anzurufen. Dieses Verfahren entspricht dem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV. Allerdings besteht die Rechtsprechungskompetenz des EuGH 234 Beispielhaft: Robles-Piquer, Europeans Parliament’s Position on Co-operation in the Areas of Justice and Police, S. 36. 235 Götz, Festschrift Rauschning, S. 197; hierzu auch Mokros in: Handbuch des Polizeirechts, Teil O Rn 192 ff. und Böse in: Schwarze, EUV, Art. 35 Rn 5. 236 Röben in: Grabitz/Hilf, EUV, Art. 35 Rn 22. 237 Rouchereau in: Léger, TUE, Art. 34 nº 11. 238 Göppl, VBlBW 2002, 4.
B. Europarechtliche Grundlagen
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nicht per se, sondern beruht auf einer Zuständigkeitsanerkennung der jeweiligen Mitgliedstaaten.239 Das EuGHG240 der Bundesrepublik Deutschland hat in § 1 Abs. 1 jedem deutschen Gericht das Recht zu einer solchen Vorlage eingeräumt; Abs. 2 verpflichtet diejenigen Gerichte zur Vorlage, deren Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln angreifbar sind. Zwar lässt das EuGHG offen, ob die Vorlagepflicht für das letztinstanzliche Gericht im konkreten Fall gilt oder ob das vorlagepflichtige Gericht abstrakt-generell zu bestimmen ist. Jedenfalls aber besteht eine Vorlagepflicht zumindest dann, wenn ein mitgliedstaatliches Gericht unionales Sekundärrecht für ungültig hält, da die Verwerfungskompetenz über EU-Recht ausschließlich dem EuGH zusteht.241 cc) Prüfungsumfang des EuGH nach Art. 35 EUV Im Rahmen des Art. 35 EUV prüft der EuGH den betreffenden europäischen Rechtsakt umfassend. Während der Gesetzeswortlaut im Vorabentscheidungsverfahren von der „Gültigkeit“ einer Norm spricht, geht es in der Nichtigkeitsklage eines Mitgliedstaates oder der Kommission um die „Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung dieses Vertrages oder seiner Durchführung“. Somit hat der EuGH den betreffenden Rechtsakt sowohl in formeller Hinsicht als auch auf seine Vereinbarkeit mit den Menschenrechten und den Grundfreiheiten hin zu prüfen.242 b) Individualrechtsschutz nach Art. 230 EGV im Bereich der dritten Säule? Bereits vor der ausdrücklichen Kompetenzverleihung durch den Amsterdamer Vertrag hat sich die gemeinschaftsrechtliche Gerichtsbarkeit in zwei Entscheidungen zu ihrer Zuständigkeit im Bereich der dritten Säule der Europäischen Union geäußert.243 Obgleich das gerichtliche Kontrollsystem des Art. 35 EUV kein Klagerecht für etwaige betroffene Bürger vorsieht, wird in der Literatur angesichts dieser Entscheidungen eine Individualnichtigkeitsklage vor dem EuGH gegen Rechtsakte polizeilicher Zusammenarbeit unter dem Dach des EUV nicht mehr ausgeschlossen.244 Nachfolgend wird diese Entwicklung in ih239 Böse in: Schwarze, EUV, Art. 35 Rn 6; Koenig/Haratsch, Europarecht, Rn 830; Meyring, EuR 1999, 319. 240 BGBl. 1998 I, S. 2035. 241 Röben in: Grabitz/Hilf, EUV, Art. 35 Rn 16 f. 242 Böse in: Schwarze, EUV Art. 35 Rn 10. 243 EuGH Slg. 1998, I-2763 ff.; EuG, Slg. 1998, II-2289 ff.; hierzu siehe auch Röben in: Grabitz/Hilf, EUV, Art. 35 Rn 27. 244 Röben in: Grabitz/Hilf, EUV, Art. 35 Rn 28; wohl auch: Meyring, EuR 1999, 319, der den EuGH für kompetent hält, Akte der dritten Säule der EU wegen Verlet-
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
rem Inhalt [hierzu siehe unten lit. aa)] und ihren Auswirkungen [hierzu siehe unten lit. bb)] aufgezeigt. aa) Selbst-judizierte Kompetenzen der europäischen Gerichte im Bereich des Titels VI EUV Das EuG hatte über die Klage des schwedischen Journalistenverbandes gegen den Rat zu entscheiden, welcher den öffentlichen Zugang zu Ratsdokumenten aus der dritten Säule der Europäischen Union verweigert hatte. Obgleich das Gericht nach Art. L EUV a. F. (jetzt: Art. 46 EUV) keine Kompetenz hatte, die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme des Rates im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit zu prüfen, leitete es aus folgenden Erwägungen zumindest eine Prüfungskompetenz zur formellen Rechtmäßigkeit ab: Nach Art. K.8 EUV a. F. (jetzt Art. 41 EUV) finde die gemeinschaftsrechtliche Bestimmung des Art. 151 Abs. 3 EGV a. F. (jetzt: Art. 207 Abs. 3 EGV), wonach sich der Rat eine Geschäftsordnung gibt, auch auf Maßnahmen nach Titel VI des Unionsvertrages Anwendung. Daher könne das Gericht diejenigen Maßnahmen prüfen, die in Durchführung der Geschäftsordnung des Rates getroffen würden, auch wenn sie dem Gebiet der europäischen polizeilichen Zusammenarbeit angehörten.245 Auch der EuGH erklärte sich in einer anderen Entscheidung entgegen dem Wortlaut des Art. L EUV a. F. (jetzt: Art. 46 EUV) zu einer beschränkten Prüfung von Maßnahmen aus der dritten Säule für kompetent. Der Rat hatte eine Richtlinie in Anwendung des Titels VI des Maastrichter EUV erlassen, während die Kommission der Ansicht war, die Maßnahme hätte nach den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts getroffen werden müssen. Nach Auffassung des Gerichts blieben die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. M EUV a. F. (jetzt: Art. 47 EUV) und damit der EGV von der Gründung der Europäischen Union unberührt. Folglich habe der Gerichtshof darüber zu wachen, dass die Handlungen, von denen der Rat behaupte, sie fielen unter Titel VI EUV, nicht in die Zuständigkeiten übergreifen, die die Bestimmungen des EGV der Gemeinschaft zuweisen.246 bb) Auswirkungen der Rechtsprechung der europäischen Gerichte Teilweise wird es nach den oben dargestellten Urteilen für möglich gehalten, dass der EuGH im Rahmen einer Individualnichtigkeitsklage entgegen dem Wortlaut des Art. 46 EUV zumindest Zuständigkeit, Verfahren und Form eines zung des EGV aufzuheben; abwartend dagegen: Koenig/Haratsch, Europarecht, Rn 986, kritisch: Böse, EuR 1998, 682, ders. in: Schwarze, EUV, Art. 35 Rn 8. 245 EuG Slg. 1998, II-2289 ff., 2316, RN 82 ff. 246 EuGH, Slg. 1998, I-2763 ff., 2788 RN 16.
B. Europarechtliche Grundlagen
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Rechtsaktes nach Titel VI EUV überprüft.247 Ob der EuGH seine bisherige Rechtsprechung in dieser Hinsicht tatsächlich fortsetzt, bleibt sicherlich abzuwarten.248 Jedenfalls aber ist die vermeintlich selbst-judizierte Ausweitung der Kompetenzen des EuGH als eine Folge des mangelhaft ausgestalteten gerichtlichen Kontrollsystems über die Maßnahmen des Rates nach Titel VI des EUV zu werten, welches auch nach der Amsterdamer Fassung des EUV zu Recht kritisiert wird.249 Zwar mag das Erfordernis eines individuellen Rechtsschutzes gegen die derzeit nur beschränkt verbindlichen Maßnahmen auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit derzeit noch theoretisch erscheinen.250 Der Verbindlichkeitsgrad der Maßnahmen des Rates nach Titel VI EUV nimmt jedoch zu.251 Soll gemäß Art. 2 EUV ein einheitlicher europäischer Raum der Sicherheit und der Freiheit geschaffen werden, so ist die Ausstattung des EuGH mit den erforderlichen Rechtsprechungskompetenzen nicht nur von erheblicher rechtsstaatlicher Bedeutung, sondern auch für eine einheitliche Rechtsprechung innerhalb des europäischen Raumes unumgänglich. Die nur begrenzte gerichtliche Prüfungsmöglichkeit sicherheitstechnisch gebotener und europarechtlich beschlossener Maßnahmen könnte im Streitfall einen unnötigen Rückschlag des europäischen Zusammenwachsens bewirken, verursacht durch längst überholte nationalstaatliche Souveränitätsvorbehalte.252 III. Ergebnis zur europarechtlichen Ausgangslage bei internationalen Sportgroßveranstaltungen Im Gegensatz zu den einzelnen Profi-Fußballern können sich die Vereine bzw. Nationalverbände bei europaweiten Wettbewerben auf die Grundfreiheiten des EGV, namentlich auf Art. 49 EGV, berufen. Auch die zur Spielbegegnung angereisten europäischen Fans machen von der Dienstleistungsfreiheit Gebrauch. Ferner stehen die Beteiligten unter dem Schutz der einschlägigen Gemeinschaftsgrundrechte. Die Mitgliedstaaten sind aus Art. 49 Abs. 1 EGV in Verbindung mit Art. 10 EGV verpflichtet, Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten, welche durch Hooligans ihrer Staatsangehörigkeit verursacht werden, zu vermeiden. Jedoch können keine bestimmten präventiv-polizeilichen Maßnahmen im Vorfeld einer Spielbegegnung verlangt werden. 247
Röben in: Grabitz/Hilf, EUV, Art. 35 Rn 28. So auch Koenig/Haratsch, Europarecht, Rn 829. 249 Gusy, Polizeirecht, Rn 25 a. E. m. w. N. 250 Böse, EuR 1998, 682. 251 Siehe die oben unter Ziff. 2. dargestellte Entwicklung; ebenso: Hecker, EuR 2000, 830. 252 Eine zusätzliche Notwendigkeit für die gerichtliche Kontrolle von Rechtsakten im Rahmen der dritten Säule des EUV stellt die mangelhafte demokratische Legitimation dieser Rechtsakte dar, welche hier jedoch nicht behandelt werden kann. 248
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2. Teil: Grundlagen bei der Absicherung von Sportereignissen
Auf der Ebene des unionalen Primärrechts ist die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit in Titel VI des EUV eingebettet. Die Grundlagenentscheidungen des Rates zur polizeilichen Zusammenarbeit bei Sportgroßveranstaltungen werden durch die AG polizeiliche Zusammenarbeit vorbereitet. Neben den Anstrengungen zur Zusammenarbeit unter dem Dach der Europäischen Union werden je nach Bedarf völkerrechtliche Vereinbarungen und Verwaltungsverträge abgeschossen. Der Europarat mit Sitz in Straßburg verabschiedete das Europäische Übereinkommen zur Verringerung von Gewalttätigkeiten und Fehlverhalten von Zuschauern bei Sportveranstaltungen und insbesondere bei Fußballspielen. Der durch dieses Übereinkommen ins Leben gerufene Ständige Ausschuss spricht sekundärrechtliche Empfehlungen aus, welche wiederum das einschlägige EUSekundärrecht beeinflussen. Die sekundärrechtlichen Maßnahmen des Rates der Europäischen Union tendieren zu einer immer stärkeren Verbindlichkeit. Das Handbuch der Europäischen Union zur Verhinderung von Zuschauerausschreitungen bei internationalen Wettbewerben ist zwar nicht rechtsverbindlich, eröffnet aber den nationalen Polizeien einen einheitlichen unionalen Rahmen zur grenzüberschreitenden Absicherung von europäischen Sportgroßveranstaltungen. Das bislang geschaffene gerichtliche Kontrollsystem des Art. 35 EUV zur Überprüfung von Sekundärrechtsakten aus der dritten Säule des EUV ist weder aus rechtsstaatlicher Sicht noch zur Sicherung einer einheitlichen europäischen Rechtsprechung ausreichend. Abzuwarten bleibt, ob der EuGH seine integrationsdynamische Rechtsprechung in Ausweitung seiner Kompetenzen zum Ausgleich dieses Mangels fortsetzt, welche jedoch angesichts des Wortlauts des Art. 46 EUV gewissen Bedenken ausgesetzt ist.
Dritter Teil
Umsetzung der verfassungs- und europarechtlichen Ausgangslage im Polizeirecht Nach der Klärung der verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Ausgangslage polizeilicher Sicherheitsarbeit bei Sportgroßveranstaltungen wird im Folgenden deren Umsetzung im Verwaltungsrecht dargestellt. Entsprechend den beiden Bezugsobjekten polizeilichen Handelns wird zwischen „veranstalterorientierter“ (Teil A.) und „fanorientierter“ (Teil B.) Gefahrenabwehr unterschieden. Schließlich wird die Problematik um die Tragung der einsatzbedingten Polizeikosten beleuchtet (Teil C.).
A. „Veranstalterorientierte“ Gefahrenabwehr Die Effektivität der polizeilichen Absicherung einer Sportgroßveranstaltung hängt maßgeblich von einer möglichst reibungslosen Kooperation der ausrichtenden Vereine und Verbände mit den zuständigen Sicherheitsbehörden ab. In der Praxis arbeiten die Organisatoren nach den Erhebungen des Verfassers mit den Polizeibehörden eng zusammen.1 Auch die Sicherheitsrichtlinien des DFB bzw. des Ligaverbandes und der UEFA sehen es ebenso wie das „Nationale Konzept Sport und Sicherheit“ vor, im Wege des einvernehmlichen Zusammenwirkens alle Beteiligten frühzeitig in die Gewaltprävention einzubeziehen.2
1 Insoweit sei nochmals ausdrücklich gedankt für die wertvollen Informationen aus der Praxis durch Herrn PD Sieber vom BMI, Herrn KK/szB Sujata (Polizeiinspektion Mitte des Polizeipräsidiums Bochum), Herrn PD Notka von der Polizeiführungsakademie Münster-Hiltrup, die Sicherheitsbeauftragten der Vereine Eintracht Frankfurt, TSV 1860 München, FC Schalke 04, MSV Duisburg, Hamburger Sportverein, FC Bayern München, VfL Wolfsburg, SC Freiburg, 1. FC Kaiserslautern sowie Herrn Dr. Englisch vom DFB, welcher mir die DFB-Sicherheitsrichtlinien zur Verfügung stellte. Von den hier nicht genannten Vereinen der 1. Bundesliga (Spielzeit 1999/2000) waren leider keine Angaben zu erhalten. 2 Vgl. die §§ 2, 10 und 18 der Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen des Ligaverbandes der deutschen Bundesliga sowie Ziff. 4 der Verbindlichen Weisungen der UEFA für sämtliche UEFA-Wettbewerbsspiele an die Adresse der Organisatoren, der teilnehmenden Verbände und Vereine; siehe auch S. 5 und 29 ff. des Ergebnisberichtes der Arbeitsgruppe Nationales Konzept Sport und Sicherheit. Das „Nationale Konzept Sport und Sicherheit“ wurde als ein gemeinsames Projekt der Innen- und Sportministerkonferenz, der Jugendministerkonferenz, des Deut-
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
In der Rechtswissenschaft ist dagegen bislang keineswegs geklärt, welche polizeirechtlichen Pflichten die Organisatoren sportlicher Großereignisse zu tragen haben. Nach einer Darstellung der hierzu bislang hervorgebrachten Lösungsansätze soll zur Klärung dieser Frage beigetragen werden, indem bei der Zurechnung polizeilicher Gefahren Grundsätze herangeogen werden, die aus dem Versammlungsrecht bekannt sind (siehe hierzu unten Ziff. I.). Bei der weitergehenden Frage der Zuordnung von Verantwortungsbereichen im Rahmen der Gefahrenvorsorge im Vorfeld der Veranstaltung kann das Kooperationsprinzip aus dem Brokdorf-Beschluss des BVerfG3 fruchtbar gemacht werden (siehe hierzu unten Ziff. II.). Schließlich wird das Szenario einer polizeilich verfügten Spielabsage wegen der Gefahr gewaltsamer Zuschauerausschreitungen auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse dargestellt (hierzu siehe unten Ziff. III.). I. Polizeipflicht des Veranstalters Die Diskussion um die Polizeipflicht privater Veranstalter betrifft die Frage, für welche Gefahren der Organisator die polizeirechtliche Verantwortung trägt und damit als Störer zur Gefahrenabwehr herangezogen werden kann und in welchen Fällen ein polizeilicher Verwaltungsakt gegenüber dem Veranstalter die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes zu beachten hat. Hierzu bestehen seit Beginn der 1980er Jahre erhebliche Meinungsverschiedenheiten, welche bislang nicht entschieden und im Laufe der Zeit gleichsam „eingefroren“ wurden.4 Das Aufbrechen des juristischen Packeises ist indes unabdingbar für die Zuordnung der Rechte und Pflichten zwischen dem Veranstalter und der Polizei. Sie sind nicht nur im Streitfall entscheidend, sondern bestimmen auch die Vorgehensweise im Rahmen einer einvernehmlichen Zusammenarbeit. Nachfolgend wird zunächst die Bandbreite der bislang im allgemeinen Polizeirecht vertretenen Auffassungen zu dieser Frage dargestellt (hierzu siehe unten Ziff. 1.), bevor anhand der Grundsätze zur Gefahrenzurechnung im Versammlungsrecht (hierzu siehe unten Ziff. 2.) geprüft wird, ob der Veranstalter für die Gefahren des Hooliganismus die Verantwortung im polizeirechtlichen Sinne trägt (siehe hierzu unten Ziff. 3.).5 schen Städtetages, des DFB, des Bundesministeriums für Frauen und Jugend sowie des BMI erarbeitet. 3 BVerfGE 69, 315 ff. 4 Lege, Verwaltungsarchiv 1998, 73; zu den Meinungsstreitigkeiten siehe insbesondere einerseits Broß, DVBl. 1983, 380, andererseits Schenke, NJW 1983, 1882 f. 5 An dieser Stelle geht es ausschließlich um Verantwortungsabgrenzung im juristischen Sinne. Dies kann keine Antwort auf die weitergehende Frage geben, ob die Vereine zusätzliche Verantwortung in soziologischer Hinsicht für die Hooliganproblematik zu tragen und wahrzunehmen haben. Zu diesem Problemkreis siehe Pilz, Was leisten
A. „Veranstalterorientierte‘‘ Gefahrenabwehr
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1. Bandbreite der Ansätze aus dem allgemeinen Polizeirecht zur Polizeipflicht des Veranstalters Die Bandbreite der im allgemeinen Polizeirecht vertretenen Rechtsauffassungen zur Polizeipflicht von Organisatoren privater Großveranstaltungen lässt einer ergebnisorientierten Suche keine Wünsche offen. Einigkeit besteht lediglich darin, dass für die Beurteilung der Eigenschaft des Polizeipflichtigen als Störer neben der physikalischen Verursachung der polizeilichen Gefahr weitere Eingrenzungen im Wege einer juristischen Wertung zu treffen sind.6 Die Erarbeitung geeigneter Zurechnungskriterien war und ist Gegenstand verschiedener Kausalitätstheorien. Die Voraussetzungen für die Polizeipflicht des Veranstalters sind jedoch sowohl unter den Vertretern der Theorie der unmittelbaren Verursachung [hierzu siehe lit. a)] als auch unter den Autoren der Theorie der rechtswidrigen Verursachung [hierzu siehe lit. b)] umstritten. Auch in den weiteren Ansätzen, die sich keiner der beiden Hauptzurechnungstheorien zuordnen lassen, wird der Veranstalter im Hinblick auf die Zuschauerausschreitungen teils als Störer, teils als Nichtstörer behandelt [hierzu lit. c)]. a) Theorie der unmittelbaren Verursachung Nach den Abgrenzungskriterien, welche die Theorie der unmittelbaren Verursachung hervorgebracht hat [hierzu siehe unten lit. aa)], wird der Veranstalter teils als Störer [lit. bb)], teils als Nichtstörer behandelt [lit. cc)]. aa) Kriterien zur Abgrenzung der polizeilichen Verantwortlichkeit und Voraussetzungen für die Polizeipflicht des „Zweckveranlassers“ Nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung ist Störer, wer durch sein Verhalten die Gefahr unmittelbar herbeiführt, indem er im konkreten Fall die polizeiliche Gefahrengrenze überschreitet. Ausgeschlossen werden demnach alle Umstände, die nur mittelbar zur Entstehung der polizeilichen Gefahr beigetragen haben; deren Urheber wird im Gegensatz zum Störer als Veranlasser bezeichnet.7 Gleichwohl muss der Störer nicht in jedem Fall die zeitlich letzte Bedingung für den Eintritt der Gefahr gesetzt haben. Auch der sogenannte „Zweckveranlasser“ wird für eine polizeiliche Gefahr verantwortlich gemacht; durch seine Fanprojekte?; ebenso: Schulze-Marmeling, Fußball – zur Geschichte eines globalen Sports, S. 202 f. 6 Denninger in: Handbuch des Polizeirechts, Teil E Rn 64 m. w. N. 7 VGH BW VWBl. BW 1982, 371 f.; Schoch, JuS 1994, 933; Drews/Vogel/Wacke/ Martens, Gefahrenabwehr, § 20, 3., S. 313 f. m.w.N.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
Handlungsweise wird bezweckt, dass dritte Personen mit ihrem Verhalten eine konkrete Gefahr auslösen. Teilweise wird gefordert, der Zweckveranlasser müsse das polizeiwidrige Verhalten dritter Personen in subjektiver Hinsicht herbeiführen wollen.8 Andere Autoren folgen einem objektiven Ansatz und stellen auf einen engen Wirkungs- und Verantwortungszusammenhang zwischen dem Verhalten des Zweckveranlassers und der Gefahr ab.9 Teilweise werden die objektiven und subjektiven Kriterien auch kumulativ angewendet.10 bb) Veranstalter als „Zweckveranlasser“? Allein auf objektive Umstände der Zweckveranlassung abstellend bereitet es einigen Autoren „keinerlei Schwierigkeiten, den Veranstalter eines Fußballspieles, bei dem Ausschreitungen (. . .) zu befürchten sind, als Zweckveranlasser (. . .) zu behandeln.“ Sofern die Gewalt durch Hooligans typischerweise mit einer solchen Veranstaltung verbunden sei, sei der Organisator für die entsprechenden Gefahren unmittelbar verantwortlich. Die Abwehr von Gefahren für das Publikum, z. B. durch Ordnerdienste, Absperrungen und Kontrollen liege im unmittelbaren Einwirkungsbereich des Veranstalters. Es bestehe eine unmittelbare Verbindung zwischen der Veranstaltung und den durch sie heraufbeschworenen Gefahren gewaltsamer Zuschauerausschreitungen.11 cc) Veranstalter als „Gestörter“ Gleichfalls basierend auf der Lehre der unmittelbaren Verursachung lehnen es zahlreiche Autoren ab, den Veranstalter einer Spielbegegnung für die Gefahren der Hooligangewalt als verantwortlich anzusehen. Teilweise wird dabei die Rechtsfigur des Zweckveranlassers insgesamt abgelehnt und die Überschreitung der Gefahrengrenze bereits aus diesem Grund ausschließlich den Gewalttätern zugerechnet.12 Andere Autoren gehen vom subjektiven Ansatz des Zweckveranlassers aus und stellen auf das Interesse des Veranstalters an einem störungsfreien Verlauf ab. Gewaltsame Ausschreitungen schreckten Zuschauer vom Stadionbesuch ab und beschädigten das Ansehen des 8 Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 322 ff., auch VGH BW, DÖV 1990, 346; HessVGH, NVwZ 1992, 1111, 1113; BayVGH BayVBl. 1979, 629, 631. 9 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 20, 3., S. 316; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 198; auch: OVG Lüneburg, NVwZ 1988, 83, jedoch von Götz in NVwZ 1990, 731 kritisiert. 10 VGH BW, DÖV 1996, 83, auch Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 245. 11 Broß, DVBl. 1983, 380; Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 293 a. E.; Götz, NVwZ 1984, 215, ders., Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 207. 12 Pausch/Prillwitz, Polizei- und Ordnungsrecht in Hessen, S. 126 f.
A. „Veranstalterorientierte‘‘ Gefahrenabwehr
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Sports. Daher sei die Gewalt der Hooligans gerade nicht vom Veranstalter bezweckt.13 Weiter sei für den Zweckveranlasser die Beherrschung der Situation, aus der die Gefahrenlage entstehe, charakteristisch. In diesem Sinne sei der Veranstalter eines Sportereignisses bloßer Anlassgeber, nicht aber Störer, da er keinen Einfluss auf die Willensentschließung und -betätigung der Gewalttäter habe.14 Schließlich wird das Argument, der Veranstalter mache von seinen Grundrechten Gebrauch (insbesondere Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG), von Vertretern sowohl des objektiven als auch des subjektiven Zweckveranlasser-Begriffs vorgetragen. Mit Rücksicht auf das Bewertungselement bei der Zurechnung polizeilicher Gefahren stehe die Ausstrahlungswirkung der erwähnten grundgesetzlichen Freiheitsrechte einer Polizeipflicht des Veranstalters entgegen. Andernfalls müsse die rechtmäßig durchgeführte Veranstaltung regelmäßig als Störung angesehen werden. Da der Veranstalter von seiner rechtlichen Befugnis zur Ausübung seiner Grundrechte Gebrauch mache, sei er nicht Störer; vielmehr werde er selbst bei der Ausübung seiner Rechte von den gewaltsamen Zuschauern gestört. Die Hooligans verhielten sich rechtswidrig und seien allein für die Gefahr verantwortlich.15 Jedoch wird auch von denjenigen Autoren, die die Verantwortung des Veranstalters für die Gefahren aus der Hooligangewalt ablehnen, eine Gefahrenvermeidungspflicht des Organisators statuiert. Nach Schenke kann die Störereigenschaft auch in der Verletzung einer zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht begründet sein, sofern deren Einhaltung mittelbar auch für das öffentliche Recht bedeutsam sei. Diese Grundsätze sollen auch für den Veranstalter einer Fußballbegegnung gelten.16 Andere Autoren lehnen zwar die Durchsetzung zivilrechtlicher Pflichten über das Polizeirecht ab, sehen aber zu der herkömmlichen bürgerlich-rechtlichen Verkehrssicherungspflicht in der öffentlich-rechtlichen Gefahrenvermeidungspflicht ein Pendant. Der Veranstalter von Großereignissen sei daher verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit Gefährdungen des Publikums ausgeschlossen werden können. Hierzu zählten 13 Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 449; Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil Rn 34. 14 Steiner in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 7 Rn 10. 15 Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 246; Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn 499; für den subjektiven Ansatz: Würtenberger, Risikosportarten, S. 38; ebenso Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht Baden-Württemberg, Rn 448. Das Argument der Grundrechtsausübung wurde auch bereits von Majer, Verwaltungsarchiv 1982, S. 182 erkannt. Auch Möller/Wilhelm, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 132 und Schoch, JuS 1994, 934 lehnen eine Störereigenschaft aus diesen Gründen ab. 16 Schenke, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 239; auch Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil Rn 34.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
z. B. die Trennung von Zuschauerblöcken und die Bereitstellung eines Ordnerdienstes. Soweit der „normale Ablauf der Sportveranstaltung“ betroffen sei, könne der Veranstalter Adressat polizeilicher Verfügungen sein, nicht jedoch zur Vermeidung von Gefahren, die durch randalierende Zuschauer verursacht würden.17 b) Theorie der rechtswidrigen Verursachung Die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse aus der Gefahrenzurechnung nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung wird von den Vertretern der Lehre von der rechtswidrigen Verursachung für unbefriedigend erachtet und als willkürlich empfunden. Das Kriterium der Unmittelbarkeit sei eine inakzeptable Vorgabe. Die polizeiliche Verantwortlichkeit müsse anhand der Verfassung und der hieraus resultierenden Rechtsordnung bestimmt werden. Hiernach sei Störer, wer gegen eine Rechtsnorm verstößt, die die öffentliche Sicherheit schützen soll. Fehlt eine Rechtsnorm, welche die Rechtskreise der Beteiligten gesetzlich regelt, so soll für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit eine Rechtsgüterabwägung im Einzelfall am Maßstab der betroffenen grundgesetzlichen Freiheitsrechte maßgeblich sein.18 Nach der Theorie der rechtswidrigen Verursachung kann nicht Störer sein, wer sich rechtmäßig verhält. Daher müsste ihren Grundsätzen entsprechend die Verantwortlichkeit des Veranstalters für die Gefahren der Hooligangewalt abgelehnt werden. Dies gilt umso mehr, als die Verantwortlichkeit durch vorsätzliches Handeln Dritter nach dieser Theorie stets ausgeschlossen wird.19 Dennoch wird auch auf der Grundlage der Theorie der rechtswidrigen Verursachung eine Polizeipflicht des Veranstalters von Fußballspielen vertreten. Danach sei das aus dem Umweltrecht stammende „Verursacherprinzip“ ein im Rahmen der Steuererhebung und der Lastentragung verfassungsrechtlich verankerter Grundsatz.20 Er könne zur Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen Staat und Individuum im gesamten öffentlichen Recht angewendet werden. Dies gelte auch dann, wenn die Verwaltung Beurteilungs- und Ermessens17 Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht Baden-Württemberg, Rn 448; auch Würtenberger, Risikosportarten, S. 39. 18 Für Denninger in: Handbuch des Polizeirechts, Teil E Rn 68 ff., liegt es „auf der Hand“, dass die unterschiedlichen Ergebnisse der Unmittelbarkeitslehre mit der Frage der mittelbaren oder unmittelbaren Kausalität nichts mehr zu tun haben; für die Theorie der rechtswidrigen Verursachung auch Erichsen, VVDStRL 35, S. 204 und Gusy, Polizeirecht, Rn 269. 19 Gusy, Polizeirecht, Rn 270 a. E.; so auch das Ergebnis der Subsumtion von Möller/Wilhelm, Allgemeines Polizeirecht, Rn 132. 20 Nach dem umweltrechtlichen Verursacherprinzip ist der Umweltschädiger für die Kosten zur Beseitigung der Umweltbelastung heranzuziehen, hierzu siehe Peters, Umweltverwaltungsrecht, Rn 23 ff., Rn 25.
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spielräume auszufüllen habe. Insbesondere bei der polizeirechtlichen Störerbestimmung könne das Verursacherprinzip im Rahmen der Rechtsgüterabwägung zwischen Abwehr- und Schutzbelangen fruchtbar gemacht werden, indem die Risikosphären anhand des grundrechtlichen Rahmens der Steuererhebung und der Lastentragung bestimmt würden. Der Veranstalter von Sportgroßereignissen sei – im Gegensatz zum Organisator einer Versammlung – als polizeirechtlich Verantwortlicher für die Gefahren der Zuschauergewalt heranzuziehen, damit die Polizei nicht auf Kosten der Allgemeinheit handeln müsse. Eine anderweitige Zuordnung der mit der Veranstaltung zusammenhängenden Risiken bedeute, den geschäftlichen Erwerb des Veranstalters auf Kosten der Allgemeinheit zu steigern. Allerdings hänge die Verantwortlichkeit des Veranstalters als Hintergrundperson auch davon ab, inwieweit die vordergründig Handelnden gegen gesetzliche Vorschriften verstießen und im welchem Maße der Veranstalter hierfür die Ursache gesetzt habe. Mithin sei die Verantwortlichkeit bei exzessivem Verhalten der vordergründig Störenden herabzustufen.21 c) Weitere Ansätze zur Abgrenzung der polizeilichen Verantwortlichkeit und ihre Anwendung zur Frage der Polizeipflicht des Veranstalters Diejenigen Autoren, die sich nicht in die vorgenannten Kausalitätstheorien einordnen lassen, beurteilen zwar einhellig die bislang existierenden polizeirechtlichen Verursachungslehren als unzureichend;22 ein einheitliches Ergebnis zur Störereigenschaft des Veranstalters kann dagegen nicht festgestellt werden. Nach dem Ansatz Pietzckers soll die Eingrenzung der Verursachungsbeiträge nach Pflichtwidrigkeiten und Risikosphären erfolgen. Das Umschlagen von der Freiheitsausübung in die pflichtwidrige Gefährdung müsse im Einzelfall durch rechtliche Wertungen herausgearbeitet werden. Anhaltspunkte könne die Konkretisierung der „allgemeinen Nichtstörungspflicht“ geben, welche aus der polizeilichen Generalklausel abzuleiten sei. In ihrer Entwicklung sei diese öffentlich-rechtliche Pflicht der zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht ähnlich. Bei der Veranstaltung von Bundesligaspielen wiege der Gebrauch der freiheitlichen Grundrechte so schwer, dass deren Organisator nicht pauschal als Störer angesehen werden könne. Dagegen könne er sehr wohl Träger gewisser Sicherungspflichten sein, wenn es regelmäßig zu Exzessen komme.23 Einer anderen Auffassung zufolge sind sämtliche Theorien polizeilicher Verantwortungszurechnung entbehrlich. Die Polizei solle vielmehr aus allen Personen, die einen äquivalenten Verursachungsbeitrag zu einer Gefahrenlage geleis21
Frenz, Das Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht, S. 233 ff., 246 ff. Pietzcker, DVBl. 1984, S. 458; Lege, Verwaltungsarchiv, 1998, S. 78; Muckel, DÖV 1998, S. 21. 23 Pietzcker, DVBl. 1984, S. 458 ff. 22
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
tet haben, nach den Grundsätzen der effektiven Gefahrenabwehr und der Verhältnismäßigkeit den richtigen Adressaten für ihre Polizeiverfügung auswählen. Hiernach könne auch der Veranstalter von Fußballspielen für die in diesem Zusammenhang auftretenden Gefahren verantwortlich gemacht werden. Zwar könne er sich auf seine grundrechtlichen Freiheitsrechte berufen; diese gewährten jedoch keinen absoluten Schutz gegenüber Eingriffen zur Gefahrenabwehr, sondern könnten durch das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht eingeschränkt werden.24 Schließlich wird die von einem Fußballspiel angezogene Menschenmenge aufgrund „massenpsychologischer Mechanismen“ bereits als eine konkrete Gefahr angesehen.25 Die polizeiliche Zurechnung von Gefahren erfolge im wesentlichen nach drei Kriterien: Zunächst sei derjenige für eine Gefahr verantwortlich, der diese beherrsche; er sei verpflichtet, den Gefahrenherd unter Kontrolle zu halten. Weiter könne eine Gefahr demjenigen zugerechnet werden, der sie zwar nicht vollständig beherrsche, aber erlaubterweise seine Vorteile daraus ziehe (Kriterium „Risikonutzen“). Die Rechtmäßigkeit des Handelns als das dritte herausgearbeitete Kriterium polizeilicher Risikozurechnung wird indes für ungeeignet erachtet, weil es einem Zirkelschluss verfallen sei. Man könne gerade nicht darauf abstellen, ob sich der potentielle Störer rechtmäßig verhalte, da die Rechtswidrigkeit seines Handelns auch darin bestehen könne, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu verursachen.26 In Anwendung dieser Grundsätze wird der Veranstalter als Zweckveranlasser angesehen. Er locke die Menschenmenge an und ziehe seinen Nutzen aus den durch die Spielbegegnung verursachten Risiken. Diese Wertung verstoße nicht gegen die Grundrechte des Veranstalters. Er könne rechtmäßig handeln und dennoch eine Gefahr verursachen, indem er von einer Gefahrenlage zu Lasten der Allgemeinheit profitiere. Dies gelte umso mehr, wenn die Gefahrenlage ohne polizeiliche Hilfe nicht zu beherrschen sei. Die Ausübung seiner Grundrechte stehe unter dem allgemeinen Nichtstörungsvorbehalt der polizeilichen Generalklausel und könne durch das Polizeirecht eingeschränkt werden. Dabei sei der Veranstalter nicht nur für die Gefahren innerhalb des Stadions verantwortlich, sondern für alle Gefahren, die mit der Menschenmenge zusammenhängen und damit auch für die An- und Abreise der Fans. Dass die tatsächlichen Gewalttäter Störer seien, ändere an dieser Beurteilung nichts, sondern sei dem Komplex der Störerauswahl zuzurechnen.27
24
Muckel, DÖV 1998, S. 21 ff. Lege, Verwaltungsarchiv, 1998, S. 75 f. unter Bezugnahme auf das aus dem 19. Jahrhundert stammende Werk LeBons (Psychologie des Foules); hierzu siehe oben Erster Teil, A., Ziff. II., 1. 26 Lege, a. a. O., S. 79 f. 27 Lege, a. a. O., S. 81 ff. 25
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Aus der polizeilichen Praxis wird dagegen vorgeschlagen, die Verpflichtungen des Veranstalters durch eine Übereinkunft mit den Behörden rechtzeitig vor dem Spiel vertraglich festzulegen. Auf diese Weise könnten die Verantwortlichkeiten geklärt und gegebenenfalls eingeklagt werden. Bei einem Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten könne eine Schadensersatzpflicht entstehen.28 Bei einer derartigen Vorgehensweise könnte die Frage der Polizeipflicht des Veranstalters zunächst offenbleiben, da die gegenseitigen Verantwortlichkeiten durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne der §§ 54 ff. VwVfG geregelt werden. Die polizeirechtlichen Verantwortlichkeiten sind aber spätestens dann zu klären, wenn keine Einigung über den Vertrag zustande kommt oder wenn Situationen auftreten, die vertraglich nicht geregelt wurden. Auch bei der Auslegung eines solchen Vertrages dürfte die Polizeipflicht des Veranstalters heranzuziehen sein, da sie die gesetzliche Ausgangslage zur Verantwortung der Organisatoren und der Sicherheitsbehörden darstellt. 2. Gefahrenzurechnung im Versammlungsrecht Obgleich bei Versammlungen ähnliche polizeipraktische Probleme wie bei sportlichen Großveranstaltungen zu bewältigen sind und sich eine vergleichbare rechtliche Problematik um den richtigen Adressat für polizeiliche Verfügungen stellt,29 ist die Beurteilung der Störereigenschaft in diesem Fall weit weniger strittig. Soweit die Gefahrenzurechnung bei Versammlungen nicht durch spezifische Wertungen der in Art. 8 Abs. 1 GG garantierten Versammlungsfreiheit bedingt ist, sondern das Ergebnis der Anwendung allgemeiner polizeirechtlicher Grundsätze darstellt, könnte dieser Umstand zur Klärung der Polizeipflicht von Organisatoren sportlicher Großveranstaltungen beitragen. Zu diesem Zweck ist vorab darzustellen, aus welchen Gründen und in welcher Weise der Verfassungs- und Gesetzgeber die Beschränkung der Versammlungsfreiheit ermöglicht hat [siehe hierzu lit. a)]. Weiter ist abzugrenzen, für welche Gefahren der Veranstalter einer Versammlung verantwortlich ist, insbesondere bei einem unfriedlichen Versammlungsverlauf [siehe hierzu lit. b)], und wann der Zurechnungszusammenhang für polizeiliche Gefahren unterbrochen wird [siehe hierzu unten lit. c)]. Zu diesen Fragen hat das BVerfG in seinem sogenannten „Brokdorf-Beschluss“30 grundlegend Stellung bezogen. 28 So das unter Mitwirkung der AG Polizeiliche Zusammenarbeit erstellte Handbuch der Europäischen Union zur Verhinderung von Zuschauerausschreitungen bei internationalen Fußballspielen, dort ABl. 2002 Nr. C 22, S. 24 f., zum Handbuch siehe oben Teil C., Ziff. II., 2., lit. i) und j). 29 Für die Polizeipraxis: siehe Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03.2000, S. 3; aus rechtswissenschaftlicher Sicht: Lege, Verwaltungsarchiv, 1998, S. 76.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
a) Notwendigkeit der Beschränkung der Versammlungsfreiheit und Umsetzung im Verfassungs- und Verwaltungsrecht Das Grundgesetz hat der Versammlungsfreiheit in zweifacher Weise Beschränkungen auferlegt: Nach dem Verfassungswortlaut genießt nur die „friedliche“ Versammlung den Schutz des Art. 8 GG. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht gemäß Art. 8 Abs. 2 GG durch oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Durch das Erfordernis der Friedlichkeit wird bereits der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Da die Versammlungsfreiheit ein Mittel geistiger Auseinandersetzung ist, ist ihre friedliche Ausübung Vorbedingung für ihre Gewährleistung. Sie ist zudem die zwingende Konsequenz aus der Überwindung des mittelalterlichen Faustrechts und aus dem staatlichen Gewaltmonopol.31 Weiter ist die Versammlung unter freiem Himmel mit einem höheren Gefahrenpotential verbunden als eine Versammlung in geschlossenen Räumen. Aufgrund ihrer Berührung mit der Außenwelt kollidiert die Ausübung der Versammlungsfreiheit unter freiem Himmel zwangsläufig in besonderem Maße mit den grundrechtlich geschützten Interessen anderer. Damit zwischen der Versammlungsfreiheit und den Grundrechten Dritter ein angemessener Ausgleich hergestellt werden kann, besteht der Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG für Versammlungen unter freiem Himmel.32 Im Verwaltungsrecht ist diese Differenzierung nicht mehr zu finden. Vielmehr sind beide Beschränkungsvorgaben des GG im VersG umgesetzt: Es konkretisiert zum einen die Schutzbereichsschranke der Friedlichkeit aus Art. 8 Abs. 1 GG und ermächtigt so zu einem Vorgehen gegen unfriedliche Versammlungen. Es füllt zum anderen den Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG aus und ermöglicht der Versammlungsbehörde, in das Grundrecht einzugreifen, um es im konkreten Fall mit den kollidierenden Interessen Dritter in Ausgleich zu bringen.33 In beiden Fällen kann der Veranstalter als Störer herangezogen werden.
30
BVerfGE 69, 315 ff. BverfGE 69, 315 (359 f.); Geis, NVwZ 1992, 1028. 32 BVerfGE 69, 315 (348); Weber, SächsVBl. 2002, 27; zum erhöhten Gefahrenpotential von Versammlungen unter freiem Himmel siehe auch bereits Frohwein, NJW 1969, 1083. 33 BVerfGE 69, 315 (349); BVerfG NJW 2001, 1408 und NJW 2001, 1411, 1412; BVerfG DVBl. 2004, 239; Kniesel in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H, Rn 206; Geis, Die Polizei 1993, 296; Schoch, JuS 1994, 481 (FN 29). 31
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b) Verantwortlichkeit des Versammlungsveranstalters, insbesondere bei unfriedlichen Versammlungen Zur Durchsetzung des Friedlichkeitsgebots und zum Schutz von Grundrechten Dritter erlaubt das VersG im Interesse der öffentlichen Sicherheit beschränkende Verfügungen und Auflagen bis hin zum Versammlungsverbot und der Auflösung von Versammlungen. Dabei müssen beschränkende Verfügungen die Abwehr versammlungsspezifischer Gefahren zum Gegenstand haben. So muss z. B. gewährleistet sein, dass der Straßenverkehr möglich bleibt, eine ausreichende Anzahl von Toiletten bei länger andauernden Veranstaltungen bereitgestellt werden und nicht andere kollektive oder individuelle Gefahren Folge der Versammlung werden.34 Primärer Adressat derartiger Maßnahmen der Gefahrenabwehr ist der Veranstalter der Versammlung. Das BVerfG erkennt insoweit seine Pflicht, bei der Ausübung des Grundrechts Beeinträchtigungen von Drittinteressen zu minimalisieren. Sie folgt unmittelbar aus der Grundrechtsgewährleistung und der Abstimmung auf die Grundrechte anderer. Daher werden dem Veranstalter diejenigen Gefahren für die Rechtsgüter Dritter zugerechnet, die bei der „Ausübung“ der Versammlungsfreiheit entstehen.35 Droht eine Veranstaltung insgesamt unfriedlich zu verlaufen, so kommt die Konkretisierung des Friedlichkeitsgebotes durch das VersG zum Tragen. Denn die hieraus entstehenden Gefahren werden ebenfalls der Versammlung bzw. deren Veranstalter als versammlungstypisch zugerechnet. Obgleich in diesem Fall bereits der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht eröffnet ist, erfolgt das Verbot bzw. die Auflösung der Versammlung auf der Grundlage des VersG, da dies auch für unfriedliche Versammlungen gilt.36 Zwar lässt nicht jeder Rechtsverstoß die Qualifikation der Versammlung als unfriedlich zu, jedenfalls aber bei gefährlichen Handlungen durch aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder durch sonstige Gewalttätigkeiten ist ein Eingreifen der Versammlungsbehörde zulässig. Dabei muss es sich um eine kollektive Unfriedlichkeit der gesamten Versammlung handeln. Ergibt eine rechtmäßig durchgeführte Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde das Bild einer unfriedlichen Versammlung, so kann sie aufgelöst bzw. verboten werden. Die Unfriedlichkeit kann auch dann prognostiziert werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, der Veranstalter werde Gewalt aus der Versammlung heraus tolerieren.37 34 Frohwein, NJW 1985, 2377; Kniesel in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H Rn 530; ders./Poscher, NJW 2004, 429. 35 BVerfGE 69, 315 (349 ff.); ebenso: Kniesel in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H Rn 420. 36 BVerfGE 69, 315 (360); Dietel/Gintzel/Kniesel, § 1 Rn 188; Geis in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar, Art. 8 Rn 114.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
c) Unterbrechung der polizeilichen Gefahrenzurechnung bei gewaltsamen Handlungen Dritter oder einer gewaltsamen Versammlungsminderheit Wenn sich der Veranstalter und sein Anhang friedlich verhalten und Störungen lediglich von Außenstehenden (d.h. Gegendemonstrationen, Störergruppen) ausgehen, haben sich behördliche Maßnahmen zunächst gegen diese zu richten. Gegen die Versammlung kann nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden.38 Ebenso bleibt der Grundrechtsschutz für die Demonstration als Ganze erhalten, wenn sich einzelne Veranstaltungsteilnehmer aus der Menge heraus unfriedlich verhalten. Ansonsten hätten es die Täter in der Hand, jede rechtmäßige Demonstration in eine unfriedliche Versammlung „umzufunktionieren“. Die Polizei hat alle sinnvoll anwendbaren Mittel einzusetzen, um den friedlichen Versammlungsteilnehmern die Ausübung ihres Grundrechtes zu ermöglichen.39 Aus diesen Aussagen wird deutlich, dass es das BVerfG ablehnt, der Versammlung oder dem Veranstalter Gefahren zuzurechnen, die durch gewaltsame Handlungen von außenstehenden Dritten oder von einer Minderheit aus der Versammlung heraus hervorgerufen werden. Während das Gericht die friedliche Versammlung im ersten Fall ausdrücklich als „Nichtstörerin“ bezeichnet, benutzt es diesen Begriff zwar nicht, wenn einzelne Störer aus Menge der Demonstration heraus agieren. Dennoch behandelt das Gericht den Veranstalter auch im diesem Fall als Nichtstörer. Denn der Grundrechtsschutz für die friedlichen Versammlungsteilnehmer und den Veranstalter bleibt erhalten; die Polizei hat alle „sinnvoll anwendbaren Mittel“ einzusetzen, um die „Grundrechtsverwirklichung der friedlichen Demonstranten“ zu „ermöglichen“.40 Hieraus folgert die Literatur zu Recht, dass gegen die friedliche Versammlung und ihren Veranstalter nur als Nichtstörer eingeschritten werden kann.41 Denn die Erhaltung des Grundrechtsschutzes bedeutet nichts anderes, als dass die Unfriedlichkeit einzelner dem Veranstalter nicht zugerechnet wird. Ansonsten käme zur Abwehr gewaltsamer Ausschreitungen durch einzelne Versammlungsteilnehmer auch ein Versammlungsverbot als die wohl effektivste Maßnahme in Betracht.
37 BVerfGE 69, 315 (360); BVerfG NJW 2000, 3053; auch Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 259; Benda in: Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 8 Rn 38; Geis, Die Polizei 1993, 295; Kniesel, Handbuch des Polizeirechts, Teil H Rn 133 ff. 38 BVerfGE 69, 315 (360 f.); BVerfG NJW 2000, 1406; Kniesel/Poscher, NJW 2004, 429. 39 BVerfGE 69, 315 (361 f.). 40 BVerfGE 69, 315 (361 f.). 41 Unter direkter Bezugnahme auf BVerfGE 69, 315 (361) Kniesel in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H, Rn 426; auch Geis, Die Polizei 1993, 297; ebenso: Weber, SächsVBl. 2002, 35.
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Damit hätte es aber jede gewaltsame Minderheit in der Hand, eine friedliche Versammlung zu einer rechtswidrigen Ansammlung „umzufunktionieren“. Ein solches Ergebnis aber haben die Beteiligten, allen voran Polizei und Veranstalter, zu verhindern.42 3. Relevanz der Gefahrenzurechnung des Brokdorf-Beschlusses für das allgemeine Polizeirecht, insbesondere für Sportgroßveranstaltungen Das Ergebnis der Gefahrenzurechnung im Brokdorf-Beschluss kann für das allgemeine Polizeirecht und insbesondere für Sportgroßveranstaltungen fruchtbar gemacht werden, wenn es nicht auf spezifischen versammlungsrechtlichen, sondern auf allgemeinen polizeirechtlichen Wertungen beruht [siehe unten lit. a)]. Dieser Umstand wird sowohl anhand der Abwehr veranstaltungstypischer Gefahren, insbesondere bei unfriedlichen Veranstaltungen [siehe unten lit. b)] als auch bei der Unterbrechung des polizeilichen Zurechnungszusammenhangs bei gewaltsamen Handlungen einzelner Zuschauer gegen die Billigung des Veranstalters [siehe unten lit. c)] dargestellt. a) Die Maßstäbe des allgemeinen Polizeirechts im Brokdorf-Beschluss bei der Zurechnung der Gefahren gewaltsamen Verhaltens Mehrere Gründe sprechen dafür, dass das Ergebnis der Gefahrenzurechnung im Brokdorf-Beschluss nicht ausschließlich durch die spezifischen Wertungen der grundrechtlichen Versammlungsfreiheit, sondern durch die Anwendung allgemeiner polizeirechtlicher Grundsätze zu Stande gekommen ist. Neben der Verwendung polizeirechtlich besetzer Begriffe bei der Zurechnung von Gefahren einer unfriedlichen Versammlung43 lassen bereits die Erwägungen, die das BVerfG für die Notwendigkeit anführt, das Grundrecht der Versammlungsfreiheit zu beschränken, eine Parallele zur typischen Gefährdungslage bei Sportgroßveranstaltungen erkennen. Das Erfordernis, die Friedlichkeit der Versammlung gegebenenfalls durch polizeiliche Maßnahmen durchzusetzen, ergibt sich letztlich aus dem Gewaltmonopol des Staates und seinem damit verbundenen Auftrag, die Gewaltausübung durch Private zu verhindern.44 Für den polizeilichen Schutz einer Sportgroßveranstaltung ergibt sich dies aus den
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BVerfGE 69, 315 (361). Das BVerfG bezeichnet die gewaltsamen Versammlungsteilnehmer ausdrücklich als „Störer“ und benutzt den Begriff des „polizeilichen Notstands“, BVerfGE 69, 315 (361). 44 BVerfGE 69, 315 (359). 43
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
grundrechtlichen Schutzpflichten, die ebenfalls mit der Staatsaufgabe der inneren Sicherheit und dem Gewaltmonopol eng verflochten sind.45 Auch das Erfordernis, widerstreitende grundrechtliche Interessen in Ausgleich zu bringen, findet sich sowohl im Versammlungsrecht als auch bei Sportgroßveranstaltungen. In beiden Fällen sind durch die Außenwirkung der Veranstaltung grundrechtliche Interessen Dritter tangiert. Zwar misst das GG der Versammlungsfreiheit unbestritten eine andere staatsrechtliche Relevanz zu als den bei einer Sportgroßveranstaltung ausgeübten Grundrechten. Aus diesem Grund genießt die Versammlungsfreiheit besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Zur Ausgestaltung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber im VersG besondere Regelungen für die Eingriffe in die Versammlungsfreiheit geschaffen. Das VersG enthält jedoch keine Bestimmung für die polizeiliche Verantwortlichkeit und die Gefahrenzurechnung. Die Ermittlung des Adressaten für gefahrenabwehrrechtliche Verfügungen erfolgt auch im Versammlungsrecht über die Grundsätze des allgemeinen Polizeirechts.46 Hiernach kann dem Veranstalter nur dann eine eingreifende gefahrenabwehrende Verfügung auferlegt werden, wenn er für eine Gefahr verantwortlich ist oder wenn die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes vorliegen. Mithin kann das Ergebnis der Gefahrenzurechnung im Brokdorf-Beschluss über das Versammlungsrecht hinaus für das allgemeine Polizeirecht fruchtbar gemacht werden. Daher ist der Organisator einer sportlichen Großveranstaltung verantwortlich für „veranstaltungstypische“ Gefahren [siehe hierzu lit. b)], nicht jedoch für das gewaltsame Verhalten von Hooligans [siehe hierzu unten lit. c)]. b) Abwehr „veranstaltungstypischer“ Gefahren, insbesondere bei unfriedlichen Veranstaltungen Ebenso wie eine Demonstration kann eine sportliche Großveranstaltung aufgrund ihrer „Berührung mit der Außenwelt“ mit grundrechtlichen Interessen Dritter kollidieren und die Beschränkung von Freiheitsrechten erfordern.47 Während der Gesetzgeber zum Ausgleich der mit der Versammlungsfreiheit kollidierenden Rechtsgüter die Eingriffsbefugnisse VersG zur Verfügung gestellt hat,48 richtet sich die Durchführung sportlicher Großveranstaltungen nach allgemei45
Hierzu siehe oben Zweiter Teil, A., Ziff. II., 2. Huber, Der Veranstalter einer Versammlung im Rechtskreis der Exekutive, S. 65 ff., auch Schoch, JuS 1994, 482; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 11, 2., g), ß), S. 177; Kniesel in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H Rn 417 ff.; so praktiziert von VGH BW DÖV 1990, 346; HessVGH, NVwZ-RR 1994, 86 (87 f.). 47 Für die grundrechtliche Versammlungsfreiheit: BVerfGE 69, 315 (349); zur notwendigen Begrenzung „wildwüchsigen“ Grundrechtsgebrauchs: Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn 206; zur Umsetzung durch das Polizeirecht: Prümm/Sigrist, Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsrecht, Rn 14. 46
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nem Polizeirecht.49 Die Ausübung der in Rede stehenden Freiheitsrechte, namentlich der Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG, kann durch die polizeiliche Generalklausel im Interesse der öffentlichen Sicherheit beschränkt werden. Die mit der Veranstaltung kollidierenden grundrechtlichen Güter Dritter bilden einen Teil der durch die Generalklausel geschützten öffentlichen Sicherheit.50 Somit hat die Polizei die widerstreitenden Interessen ähnlich wie bei einer Versammlung in Einklang zu bringen und gegebenenfalls die Grundrechte des Veranstalters, der Sportler und Zuschauer aufgrund der polizeilichen Generalklausel einzuschränken. Ebenso wie der Veranstalter einer Versammlung ist der Organisator eines Sportereignisses gehalten, die Beeinträchtigung grundrechtlicher Drittinteressen zu minimalisieren. Nur wenn der Organisator bei der Ausrichtung der Sportveranstaltung keine grundrechtlichen Interessen Dritter verletzt, handelt er rechtmäßig und kann sich auf seine Freiheitsrechte berufen. Denn bei der Durchführung der Veranstaltung hat er seinerseits die Grundrechte anderer zu beachten. Deren Schutz ist in Gestalt der polizeilichen Generalklausel gesetzlich umgesetzt und kann durch präventive Polizeiverfügungen konkretisiert werden.51 Aus diesem Grund kann den Ansichten nicht gefolgt werden, die eine Störereigenschaft trotz rechtmäßigen Verhaltens des Betroffenen erkennen wollen.52 Störer kann nicht sein, wer sich im Einklang mit der Rechtsordnung befindet. Verletzt der Veranstalter kollidierende verfassungsmäßige Drittinteressen, so hat er die Grenze zwischen „rechtmäßiger Freiheitsausübung und pflichtwidriger Gefährdung“53 überschritten und hält sich nicht mehr in den zulässigen Schranken seiner Grundrechtsausübung. Dem gemäß ist der Veranstalter für alle gefahrenabwehrenden Maßnahmen als Adressat heranzuziehen, die die Polizei in Abwägung der genannten widerstreitenden Interessen trifft. Sie seien an dieser Stelle als „veranstaltungstypische“ Gefahren bezeichnet. Den „veranstaltungstypischen“ Gefahren ist gemeinsam, dass sie unmittelbar „in Ausübung“ der Grundrechte durch die Veranstalter, Sportler und Zuschauer entstehen und mit der Veranstaltung kollidierende Rechtsgüter betreffen. Hierzu zählen z. B. die Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs durch die An- und Abreise der Menschen-
48 Kniesel in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H Rn 409; so praktiziert von BVerfG NJW 2000, 1411 f. 49 Nolte, NVwZ 2001, 148. 50 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 18 Ziffer 2., S. 268 ff., 278, 279; zu den Individualgrundrechten als Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit siehe Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 147 f. 51 Hierzu siehe oben Zweiter Teil, A., Ziff. II., 2., lit. b). 52 So aber Lege, Verwaltungsarchiv 1998, S. 80; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 205; Frenz, Das Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht, S. 246 ff.; Muckel, DÖV 1998, 24. 53 Begriff nach Pietzcker, DVBl. 1984, 459.
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massen und die mit der Veranstaltung verbundene Lärmbelästigung für etwaige Anwohner. Veranstaltungstypisch sind weiter solche Gefahren, die aus einem kollektiv unfriedlichen Verlauf der Veranstaltung entstehen können. Daher kann in die Rechte des Veranstalters eingegriffen werden, wenn die polizeiliche Gefahrenprognose ergibt, dass die Veranstaltung einen insgesamt unfriedlichen Verlauf nehmen und dies vom Veranstalter gebilligt wird. Durch die Organisation einer unfriedlichen Veranstaltung würde der Verein seine Freiheitsrechte missbrauchen und bewegte sich im polizeirechtswidrigen Bereich. Aus diesem Grund ist z. B. der Veranstalter eines Rock-Konzertes, bei dem es zum Image der auftretenden Band gehört, die Zuschauer „aufzuheizen“, so dass es gewaltsame Ausschreitungen prognostiziert werden müssen, als Störer zu qualifizieren.54 Dieser Wertung entsprechend kann in Anlehnung an das Versammlungsrecht die kollektive Unfriedlichkeit der Veranstaltung prognostiziert werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, der Veranstalter werde Gewalt tolerieren.55 c) Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs bei gewaltsamem Verhalten von Hooligans Die Verantwortlichkeit des ausrichtenden Vereins für „veranstaltungstypische“ Gefahren beinhaltet jedoch nicht seine Verantwortung für die Gefahren aus dem gewaltsamen Verhalten von Hooligans. Für den Bereich des Versammlungsrechts hat der Brokdorf-Beschluss klargestellt, dass Gefahren aus gewaltsamen Verhalten einer störenden Minderheit dem Veranstalter und seinem friedlichen Anhang nicht zugerechnet werden können.56 Da die Gefahrenzurechnung im Versammlungsrecht nach den Grundsätzen des allgemeinen Polizeirechts erfolgt, muss diese Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs auch für die Gewaltausbrüche von Hooligans im Rahmen sportlicher Großveranstaltungen gelten. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Gefahrenzurechnung im Brokdorf-Beschluss sei das Ergebnis einer versammlungsrechtsspezifischen Verteilung der Verantwortlichkeiten. Zwar beeinflusst die Versammlungsfreiheit auch die polizeiliche Gefahrenzurechnung, da ihre grundlegende Bedeutung bei der Auslegung und Anwendung grundrechtsbeschränkender Vorschriften zu beachten ist.57 Das ausschlaggebende Argument jedoch, welches nach Auffassung des BVerfG den Zurechnungszusammenhang für die Gefahren gewaltbereiter Minderheiten unterbricht, weist eine über das grundgesetzliche Versammlungsrecht hinausgehende Relevanz auf: Nach der zutreffenden Darlegung des Ge54 55 56 57
Im Ergebnis ebenso Schenke, NJW 1983, 1883. Für das Versammlungsrecht: BVerfG NJW 2000, 3053. Siehe oben unter Ziff. 2., lit. b). BVerfGE 69, 315.
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richts darf es nicht in der Hand unfriedlicher Einzelner liegen, ob die Versammlung als Ganze Grundrechtsschutz genießt oder nicht. Es darf nicht im Machtbereich von Krawallmachern liegen, eine friedliche Versammlung zu einer rechtswidrigen Ansammlung umzufunktionieren58 und damit zur Störerin zu machen. Dieses Argument gilt ohne Zweifel für die Ausübung der Versammlungsfreiheit angesichts ihrer Bedeutung für das demokratische Gemeinweisen59 in besonderer Weise. Es muss jedoch auch über den Bereich der Versammlungsfreiheit hinaus Geltung beanspruchen. Die rechtmäßige Ausübung freiheitlicher Grundrechte bei Sportgroßveranstaltungen durch Sportler, Veranstalter und Zuschauer kann nicht in der Hand gewaltbereiter Hooligans liegen. Wollte man den Veranstalter für diese Gefahren verantwortlich machen, so unterstellte man ihm, sich nicht mehr in den rechtmäßigen Schranken seiner Grundrechtsbetätigung zu halten, indem er ein Sportereignis ausrichtet. Daher kann der Veranstalter eines Sportereignisses im polizeirechtlichen Sinne nicht für die Gefahren des Hooliganismus verantwortlich gemacht werden. Nur als Nichtstörer kann er Adressat derartiger Polizeiverfügungen sein. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Rechtsfigur des Zweckveranlassers, welche der ausrichtende Verein nach der Gegenmeinung ausfülle,60 im Versammlungsrecht nicht anwendbar sei. Die Bedenken gegen die Störereigenschaft einer Versammlung als Zweckveranlasser betreffen diejenigen Konstellationen, in denen durch das provokante Thema der Versammlung eine Gegendemonstration hervorgerufen wird. Dabei kann die provozierende Versammlung nicht als Zweckveranlasser für die Gefahren aus der Gegendemonstration verantwortlich gemacht werden, solange es sich um eine Auseinandersetzung im Rahmen legaler Rechtsausübung handelt.61 Diese Bedenken wirken sich jedoch nicht auf die Gefahrenlage aus, die von einzelnen gewaltbereiten Teilnehmern aus einer Menge heraus ausgeht. Von einer Versammlung verlangt das BVerfG gewaltloses, friedliches Verhalten.62 Kommt es zu gewaltsamen Ausschreitungen aus der Menge heraus, so werden der Veranstalter und sein Anhang entweder als Nichtstörer behandelt, wenn eine gewaltsame Minderheit agiert, oder die Menge wird insgesamt als Störer angesehen, wenn „kollektive Unfriedlichkeit“ um sich greift – tertium non datur.63 58
BVerfGE 69, 315 (361). Die Bedeutung der Versammlungsfreiheit für den demokratischen Staat ist in BVerfGE 69, 315 (342 ff.) dargelegt. 60 Siehe oben unter Ziffern I.,1., lit. a), aa). 61 Offengelassen von BVerfG NVwZ 2000, 1406; gegen eine derartige Verantwortlichkeit des Veranstalters im Versammlungsrecht Geis, Die Polizei 1993, 297; Kniesel in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H Rn 428 f.; Götz, NVwZ 1990, 731; Kniesel/ Poscher, NJW 2004, 429; dafür OVG Lüneburg, NVwZ 1988, 638 und VGH BW, DÖV 1990, 346. 62 BVerfGE 69, 315 (359 f.). 59
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Somit hängt die Zurechnung von Gefahren, die von einzelnen Hooligans aus einer friedlichen Zuschauermenge heraus begangen werden, nicht von der Frage ab, ob die Rechtsfigur des Zweckveranlassers im Versammlungsrecht angewendet werden kann. II. Das Kooperationsprinzip als Mittel zur Gefahrenvorbeugung Unabhängig von der Gefahrenzurechnung kann der Veranstalter nur dann Adressat einer eingreifenden polizeilichen Verfügung werden, wenn der Tatbestand einer Befugnisnorm erfüllt ist. Die Mehrzahl der polizeigesetzlichen Befugnisnormen setzen eine konkrete Gefahr voraus.64 Die wirksame Verhinderung von Zuschauerausschreitungen bei Sportgroßveranstaltungen erfordert jedoch in besonderem Maße Vorkehrungen der Beteiligten, noch bevor konkrete Gefahren entstanden sind.65 Zur Gefahrenvermeidung und -vorbeugung bei Versammlungen hat das BVerfG in seinem Brokdorf-Beschluss Polizei und Veranstalter aufgerufen, bereits im Vorfeld der Veranstaltung zu kooperieren (hierzu siehe unten Ziff. 1.). Ob und gegebenenfalls mit welchen Konsequenzen das Kooperationsprinzip auch zur Zuordnung der Verantwortungsbereiche von Polizei und Organisator im Vorfeld von Sportveranstaltung herangezogen werden kann, soll nachfolgend untersucht werden (siehe hierzu unten Ziff. 2.). 1. Kooperation zwischen Versammlungsbehörde und Demonstrationsveranstalter Im Brokdorf-Beschluss hat sich das BVerfG nicht mit der Zuordnung polizeirechtlicher Verantwortlichkeiten begnügt. Es hat darüber hinaus die Sicherheitsbehörden und die Veranstalter von Demonstrationen zu einer kooperativen Zusammenarbeit aufgerufen. Indem Erfahrungen aus vergangenen Veranstaltungen genutzt werden, soll das Zusammenwirken der Beteiligten zur friedlichen Durchführung von Veranstaltungen beitragen.66 Nachfolgend werden die Grundsätze der bei Versammlungen praktizierten Kooperation anhand ihres Ziels und Zwecks [siehe unten lit. a)], ihrer Durchführung [siehe unten lit. b)] und den Rechtsfolgen bei einer fehlerhaften oder gänzlich unterbliebenen Kooperation [hierzu siehe unten lit. c)] dargestellt.
63 Zu der sich aus Störer und Nichtstörer zusammensetzenden Dichotomie der Polizeipflicht siehe Poscher, Gefahrenabwehr, S. 17 f. 64 Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 103 f.; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 87 ff. 65 Nolte, NVwZ 2001, 149. 66 BVerfGE 69, 315 (354 ff.).
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a) Ziel und Zweck der Kooperation zwischen Behörde und Veranstalter Selbst die engste Kooperation zwischen Veranstalter und Sicherheitsbehörde kann keine Garantie für die Gewaltlosigkeit der Versammlung geben. Sie soll aber eine möglichst günstige Ausgangslage für den friedlichen Ablauf schaffen. Ihr Ziel ist es, Gewalttäter zu isolieren und die Teilnehmer der Versammlung zu friedlichem Verhalten anzuhalten. Eine frühzeitige Kontaktaufnahme kann es ermöglichen, dass sich die Beteiligten kennenlernen, Informationen austauschen und im Idealfall eine Vertrauensbasis schaffen, welche im Stande ist, auch unvorhergesehene Konfliktsituationen zu bewältigen.67 Aufgrund der erhaltenen Informationen wird für die Polizei der Weg zu einer sicheren Gefahrenprognose eröffnet. In diesem Sinne ist die Kooperation ein Mittel für die Behörde zur Gefahrenvorsorge. Der Veranstalter dagegen kann seine Vorstellungen in die Abwägung einbringen, die die Behörde bei Kollisionen der Versammlungsfreiheit mit anderen Rechtsgütern zu treffen hat und die Grundlage für etwaige spätere Auflagen bildet.68 b) Durchführung einer erfolgreichen Kooperation Die öffentlichen Sicherheitsbehörden sind verfassungsrechtlich gehalten, die Bereitschaft des Veranstalters zur Kooperation zu begünstigen. Die Kernstücke der Kooperation durch die Behörde sind Erörterung, Beratung und Auskunft. Sie hat über die tatsächlichen und rechtlichen Grenzen der geplanten Versammlung zu informieren, mögliche Gefährdungen für die polizeilichen Rechtsgüter offenzulegen und etwaige Auflagen mit dem Veranstalter zu erörtern.69 Von dem Veranstalter dagegen können im Rahmen der Kooperation wahrheitsgemäße Auskünfte erwartet werden. Er hat sich an getroffene Absprachen zu halten. Ebenso wie die Behörde muss der Veranstalter bewährte Erfahrungen berücksichtigen. Das BVerfG setzt die Bereitschaft des Demonstrationsträgers zum Dialog und zur Verantwortungsübernahme voraus.70
67
BVerfGE 69, 315 (355); Frohwein, NJW 1985, 2377. BVerfG NJW 2001, 1412; BVerfG NJW 2001, 1408; Kniesel in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H Rn 323, 334. 69 BVerfGE 69, 315 (357); Kniesel, in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H, Rn 323; nach Hoffmann-Riem in: Festschrift für Helmut Simon, S. 382 ermöglicht das Kooperationsprinzip sogar ein wechselseitiges Aushandeln der erforderlichen Maßnahmen. 70 BVerfGE 60, 315 (357 ff.); Kniesel, in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H, Rn 328. 68
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c) Rechtsfolgen fehlerhafter oder unterbliebener Kooperation Das Kooperationskonzept stellt an die Behörden ebenso wie an die Veranstalter hohe Anforderungen. Gleichwohl hat es für die Beteiligten unterschiedliche Rechtsfolgen, wenn einerseits die Versammlungsbehörde (siehe unten lit. aa), andererseits der Veranstalter (siehe unten lit. bb) diesen Anforderungen nicht gerecht werden. In jedem Fall beeinflusst das Maß an Kooperation die Schwelle für behördliches Eingreifen. Je größer die Bereitschaft des Veranstalters zur Kooperation ist, desto höher rückt die behördliche Eingriffsschwelle.71 aa) Auswirkungen für die Versammlungsbehörde Auf die verwaltungsbehördliche Entscheidung wirkt sich die Kooperation im Wesentlichen auf zweierlei Ebenen aus: (1) Die Bereitschaft des Veranstalters zur Kooperation nimmt Einfluss auf die tatbestandliche Gefahrenprognose der Behörde. Lehnt der Veranstalter die Kooperation ab, so sind die Tatsachen zur Beurteilung, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliegt, auf die polizeilich bekannten Fakten beschränkt. Trägt der Veranstalter nachträglich Tatsachen vor, die der Behörde aufgrund seiner mangelnden Kooperationsbereitschaft nicht bekannt waren, so werden diese im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht mehr berücksichtigt.72 (2) Weiter setzt insbesondere ein „Verbot der Versammlung als ultima ratio voraus, dass das mildere Mittel, durch Kooperation (. . .) eine Gefährdung zu verhindern, gescheitert ist (. . .).“73 Steht eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit tatbestandlich fest, so kann die Behörde die Versammlung gemäß § 15 Abs. 1 VersG verbieten. Das Erfordernis eines Kooperationsversuchs engt dabei das behördliche Ermessen auf der Rechtsfolgenseite ein. Wird ein Verbot verfügt, bevor die Möglichkeiten der Kooperation ausgeschöpft sind, liegt hierin ein Verstoß gegen das ermessensbegrenzende Übermaßprinzip.74 Handelt eine Behörde entgegen den vom BVerfG aufgezeigten kooperativen Grundsätzen, so kann dies zu einer fehlerhaften Gefahrenprognose und/oder zu einem Ermessensfehler führen. Ein eingreifender Verwaltungsakt hält unter Umständen einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung nicht Stand. Da die Behörde aus Art. 1 Abs. 3 GG verpflichtet ist, die Grundrechte unmittelbar zu 71 BVerfGE 69, 316; BVerfG NJW 2001, 1407 f. und 2078 f.; OVG Weimar NVwZ-RR 2003, 207; Kniesel/Poscher, NJW 2004, 424. 72 BVerfGE 69; 315 (354); Kniesel, Handbuch des Polizeirechts, Teil H Rn 310. 73 BVerfGE 69, 315 (362). 74 So auch Kniesel, NJW 2000, 2863.
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beachten, ist es für sie eine Rechtspflicht, die Grundsätze der Kooperation einzuhalten.75 bb) Auswirkungen aus der Sicht des Veranstalters Für den Veranstalter ergeben sich aus dem Kooperationsmodell ohne eine gesetzliche Regelung keine Rechtspflichten. Vielmehr wird von einer Obliegenheit gesprochen.76 Von den Obliegenheiten des Kooperationsmodells trennt das BVerfG die (Rechts-)Pflicht des Veranstalters, unfriedliches Verhalten zu unterlassen und die Beeinträchtigung von Drittinteressen zu minimalisieren. Diese Anforderungen hat er zu erfüllen, um den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG zu erlangen und sein Freiheitsrecht in Übereinstimmung mit den Grundrechten anderer ausüben zu können.77 Die Erfüllung dieser Rechtspflicht kann gemäß § 15 VersG von der Behörde durchgesetzt werden. Zur Erfüllung von Obliegenheiten dagegen kann niemand verpflichtet werden.78 Selbst ein bewusster Kooperationsverzicht des Veranstalters darf versammlungsrechtlich nicht sanktioniert werden.79 Eine aktive Kooperation gibt dem Veranstalter jedoch die Chance, auf den Vorgang polizeilicher Entscheidungsfindung auf folgenden Ebenen Einfluss zu nehmen: (1) Durch sein kooperatives Verhalten kann der Veranstalter entlastenden Tatsachenstoff für die behördliche Gefahrenprognose liefern. Eine veranstalterseitig unterbliebene Kooperation hebt zwar nicht den Untersuchungsgrundsatz des Verwaltungsrechts auf; auch gegenüber einem unkooperativen Veranstalter wird von der Behörde verlangt, den Sachverhalt umfassend zu erforschen, einschließlich der für die Beteiligten günstigen Umstände. Jedoch vergibt der unkooperative Veranstalter die Chance, durch sein eigenes Verhalten zu einem für ihn positiven Ergebnis der Gefahrenprognose beizutragen; die rechtliche Überprüfung der Gefahrenprognose bleibt ohne seine Mitwirkung auf die von der Behörde ermittelten Tatsachen beschränkt.80
75 BVerfGE 69, 315 (356 f.): „Verwaltungspraxis und Rechtsprechung sind (. . .) verfassungsrechtlich gehalten (. . .)“. 76 Deutlich: BVerfG NJW 2001, 2078 f.; Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 263; der Begriff der Obliegenheit wird auch in BVerfGE 69, 315 (357) benutzt. 77 BVerfGE 69, 315 (356 f.). 78 Medicus, Schuldrecht I, Rn 674 f.; die vom BVerfG übernommene Terminologie von „(Rechts-)Pflicht“ und „Obliegenheit“ stammt aus dem Zivilrecht, hierzu siehe Huber, Der Veranstalter einer Versammlung im Rechtskreis der Exekutive, S. 73. 79 BVerfG NVwZ 2002, 982; Hoffmann-Riem, Festschrift für Helmut Simon, S. 383 f.; Kniesel/Poscher, NJW 2004, 424 f. 80 BVerfG NJW 2001, 2079; Kniesel in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H, Rn 310; allgemein zum Untersuchungsgrundsatz im Verwaltungsverfahren siehe Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn 18.
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(2) Auf der Rechtsfolgenseite hat die Behörde bei der Ermessensausübung umso größere Rücksicht auf die Belange des Veranstalters zu nehmen, je mehr sich dieser um eine erfolgreiche Kooperation bemüht hat. Sie hat alle sinnvoll anwendbaren Mittel auszuschöpfen, die es dem kooperativen Veranstalter ermöglichen, sein Grundrecht auszuüben.81 Zwar hat die Polizei auch im Falle einer gescheiterten Kooperation die möglichen Gefahren nach pflichtgemäßem Ermessen zu beseitigen. Dabei hat sie im Rahmen der Ermessensabwägung auch die Belange eines unkooperativen Veranstalters zu berücksichtigen. Der unkooperative Veranstalter vergibt aber die Möglichkeit, der Behörde für ihn positiv wirkendes Abwägungsmaterial zur Ermessensausübung zur Verfügung zu stellen und seine Interessen für die behördliche Abwägung deutlich zu machen. 2. Die Anwendbarkeit des Kooperationsprinzips im allgemeinen Polizeirecht bei Sportgroßveranstaltungen Anhand der dogmatischen Herleitung des Kooperationsprinzips durch das BVerfG wird geprüft, ob dessen Begründung von den spezifischen Wertungen der Versammlungsfreiheit oder von allgemeinen Rechtsgrundsätzen getragen wird [hierzu siehe unten lit. a)]. Die sich hieraus ergebenden Auswirkungen für die Polizeipraxis [hierzu siehe unten lit. b)] und die Grenzen des Kooperationsmodells bei Sportgroßveranstaltungen [hierzu siehe unten lit. c)] werden sodann dargestellt. a) Herleitung des Kooperationsprinzips Die Anwendung des Kooperationsprinzips im allgemeinen Polizeirecht würde sich verbieten, wenn es in den Besonderheiten der grundrechtlichen Versammlungsfreiheit wurzelte. Die Verfahrensbeteiligten im Brokdorf-Beschluss haben versucht, das Kooperationsprinzip mit den grundrechtlichen Schutzpflichten zu begründen [hierzu siehe unten lit. aa)]. Auch in der jüngeren Literatur wurden Kooperationsformen zwischen Staat und Privat untersucht [hierzu siehe unten lit. bb)]. Schließlich kann die staatliche Kooperationspflicht in den allgemeinen Grundrechtswirkungen zur Gestaltung von Verwaltungsorganisation und -verfahren begründet sein [hierzu siehe unten lit. cc)]. aa) Begründungsversuch aus grundrechtlicher Schutzpflicht Aus der objektiven Dimension der grundrechtlichen Versammlungsfreiheit wird die Pflicht der Polizei hergeleitet, die friedliche Versammlung vor gewalt81
BVerfGE 69,315 (362); Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, VersG, § 14 Rn 19.
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samen Übergriffen Dritter zu schützen.82 Einen ähnlichen Schutzauftrag erteilen die Grundrechte, welche im Rahmen einer sportlichen Großveranstaltung ausgeübt werden.83 Im Verfahren um das Versammlungsverbot in Brokdorf hat die Gewerkschaft der Polizei aus dieser grundrechtlichen Schutzpflicht die Erforderlichkeit hergeleitet, „neue Strategien zu entwickeln“, um möglichen Gewaltausschreitungen bei Großdemonstrationen entgegenzuwirken. Erfahrungen aus vergangenen Demonstrationen und Gespräche zwischen Polizei und Veranstalter sollten genutzt werden, um potentiellen Störern angemessen begegnen zu können.84 Das BVerfG hat sich dieser Argumentation nicht angeschlossen, sondern offengelassen, ob sich die Pflicht der Behörden zur Kooperation aus der grundrechtlichen Schutzpflicht ergeben kann.85 Auch an dieser Stelle erübrigt sich eine Entscheidung, wenn sich die Wurzeln des Kooperationsprinzips auf andere Weise offenbaren. bb) Kooperation als Element der Staatsaufgabenlehre Praktizierende Kooperation zwischen Hoheitsträgern mit den Adressaten ihrer Ge- oder Verbote ist keinesfalls auf den Bereich des Versammlungsrechts beschränkt. So kooperieren z. B. im Umweltrecht die Verwaltungsbehörden unter anderem mit der Privatwirtschaft zur Bewältigung von Risiken und Gefahren für die natürlichen Lebensgrundlagen.86 Das umweltrechtliche Kooperationsprinzip ist gekennzeichnet von der Erkenntnis, dass der Umweltschutz nicht allein Aufgabe des Staates ist, sondern die Zusammenarbeit zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft erfordert. Die erforderlichen Maßnahmen werden soweit möglich im Einvernehmen mit den betroffenen Wirtschaftszweigen ergriffen. Das Kooperationsprinzip wird dabei nicht als umweltspezifische, sondern als allgemeine Leitmaxime der Aufgabenverteilung im demokratischen Rechtsstaat verstanden.87 Dementsprechend ist selbst die „uralte“ staatliche Aufgabe der inneren Sicherheit im demokratischen Gemeinwesen nicht allein durch den Staat zu erfüllen, sondern unter der Mithilfe aller verantwortungsbewussten Bürger.88 82
Reichert/Ruder/Fröhler, Polizeirecht, Rn 182. s. o., Zweiter Teil, A., Ziff. II., 2., lit. b). 84 BVerfGE 69, 315 (335 f.). 85 BVerfGE 69, 315 (355). 86 Hoffmann-Riem weist in Festschrift Simon, S. 379 f. im Zusammenhang mit dem versammlungsrechtlichen Kooperationsprinzip auf die Kooperation im Umweltrecht hin. Bonk untersucht in DVBl. 2004, 141 ff. die informelle Zusammenarbeit zwischen staatlichen Hoheitsträgern und Privatpersonen. 87 Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn 45; Müggenborg, NVwZ 1990, 909; zur grundsätzlich arbeitsteiligen Aufgabenwahrnehmung von Staat und Gesellschaft: Isensee, HStR III, § 57 Rn 138. 88 Herzog, HStR III, § 58 Rn 38, 52; zur Herkunft und Einordnung der „Staatsaufgabe Sicherheit“ siehe oben Zweiter Teil, A., Ziff. II., 1., lit. c) und Ziff. 2. 83
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Auch die neuere Literatur erkennt die Kooperation zwischen Staat und Privat auf dem Gebiet der inneren Sicherheit und liefert Ansätze für ihre rechtliche Einordnung. Der aktivierende Staat bediene sich gesellschaftlicher Ressourcen und verteile die Verantwortung über die Aufgaben neu.89 Er wandle sich vom hierarchischen zum kooperativen Verwaltungsstaat. In diesem Sinne arbeite auch die Polizei in einem neuen Selbstverständnis, das ihre Tätigkeit mehr und mehr als Dienstleistung gegenüber dem Bürger verstehe. Die Kooperation der Polizei mit der Gesellschaft beziehe sich dabei besonders auf die Gefahrenvorsorge. Für die Bewältigung der Sicherheitsprobleme bei Fußballspielen solle die Polizei ihre Kapazitäten durch private Dienstleister ergänzen.90 Bei Sportgroßveranstaltungen nimmt die Polizei Maßnahmen zur Gefahrenvorbeugung in enger Ansprache mit dem Veranstalter vor; sobald die Fans das Stadion erreicht haben, gehen die polizeilichen Sicherheitsmaßnahmen in die Kontrollen durch die Ordnerdienste der ausrichtenden Vereine fast nahtlos über.91 In nahezu allen Stadien der Fußball-Bundesliga werden gewerbliche Sicherheitsdienste eingesetzt.92 Insofern mag die Sicherheitsarbeit bei sportlichen Großveranstaltungen als Vorbild für die jüngst beobachteten kooperativen Leistungen zwischen staatlicher Verwaltung und gesellschaftlichen Kräften dienen. Dabei zeigen die Grundsätze zur Verantwortungsverteilung zwischen Staat und Gesellschaft Grenzen ihrer Zulässigkeit und Maßstäbe für ihre verwaltungsorganisatorische Umsetzung auf. Konkrete verfassungsrechtliche Vorgaben für eine einseitige oder gar wechselseitige Pflicht zur Kooperation lassen sich daraus jedoch nicht gewinnen. cc) Kooperation als grundrechtseffektuierende Organisations- und Verfahrensgestaltung Im Brokdorf-Beschluss stellt das BVerfG zur Begründung der behördlichen Kooperationspflicht auf die Wirkung der Grundrechte für das Verwaltungsverfahren ab. Es bezieht sich dabei auf seine Rechtsprechung zur verfahrensgestal89 Pitschas, DÖV 2004, 233; ders. beschreibt in NVwZ 2002, 519 ff. die Kooperation staatlicher und privater Gefahrenabwehr auf europäischer Ebene und fordert eine gesetzliche Grundlage für eine förmliche Aufgabenübertragung an gewerbliche Sicherheitsunternehmen. Gegen die Übertragung öffentlicher Aufgaben auf private Sicherheitsunternehmen Götz, NVwZ 1998, 680. 90 Stober, ZRP 2001, 261 f.; Pitschas, DÖV 2002, 222; Glavic, in: Handbuch des privaten Sicherheitsgewerbes, Teil Z Rn 43 ff., 45; hierzu siehe auch Nolte, Sport und Recht, S. 140 ff. 91 Hierzu siehe oben Erster Teil, C., Ziff. III., 3., lit. b) und c). 92 Leider war trotz schriftlicher Anfrage keine Auskunft zu erhalten von Borussia Dortmund, VfB Stuttgart, 1. FC Köln, VfL Bochum, Borussia Mönchengladbach, Hansa Rostock, Bayer Leverkusen, Werder Bremen, Arminia Bielefeld und Hertha BSC Berlin.
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tenden Wirkung von Grundrechten.93 An erster Stelle führt es hierbei das sogenannte „Mülheim-Kärlich-Urteil“ an. Explizit verweist der Text des BrokdorfBeschlusses auf das Sondervotum der Richter Simon und Heußner (BVerfGE 53; 30, 69 ff.), welchem bei der Aufdeckung des Zusammenhangs zwischen Grundrechten und Verfahren „Lehrbuchcharakter“ zuerkannt wird.94 Hiernach ist ein Verfahren oftmals das einzige Mittel, um bei kollidierenden Verfassungspositionen ein grundrechtsmäßiges Ergebnis zu erhalten. Soweit eine behördliche Entscheidung Grundrechte berührt, muss nicht nur die Entscheidung selbst, sondern auch das behördliche Verfahren und der Prozess der Entscheidungsfindung der Grundrechtswirkung Rechnung tragen. Die Aussage des Sondervotums zu den Grundrechten als „Maßstäbe für eine den Grundrechtsschutz effektuierende Verfahrensgestaltung“ findet sich im Brokdorf-Beschluss nahezu wortgleich wieder.95 Das BVerfG wendet „diese Rechtsprechung auch (Hervorhebung durch den Verfasser) auf die Versammlungsfreiheit“ an, „zumal dieses Grundrecht auch einen wesentlichen verfahrens- und organisationsrechtlichen Gehalt“ habe.96 Hieraus ergibt sich folgendes: Im Brokdorf-Beschluss wendet das Gericht bereits vorhandene Grundsätze seiner Rechtsprechung zu den verfahrensmäßigen Wirkungen der Grundrechte an. Diese Dimension der Grundrechte ist nicht auf ein einzelnes Freiheitsrecht beschränkt, sondern wurde vom BVerfG bereits zuvor auf verschiedene Grundrechte angewandt, namentlich auf die Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 197, 2 Abs. 298, 12 Abs. 199, Art. 14 Abs. 1100 und Art. 16101 GG. Dabei geht das Gericht selbst von „gefestigter Rechtsprechung“ aus, „nach der der Grundrechtsschutz weitgehend auch durch die Gestaltung des Verfahrens zu bewirken ist“.102 Weiter stellt das Gericht den spezifischen verfahrens- und organisationsrechtlichen Gehalt des Art. 8 Abs. 1 GG nicht als ausschlaggebendes Argument, sondern als Zusatzbegründung zur Anwendung dieser allgemeinen Grundrechtslehre auf die Versammlungsfreiheit dar: Die genannte Rechtsprechung soll „auch“ für die Versammlungsfreiheit gelten, „zumal“ deren Ausübung aufgrund ihrer Außenwirkung organisiert sein will.103 Das versammlungsrechtliche Ver93
BVerfGE 69, 315 (355). Stern, Staatsrecht III/1, § 69 Ziff. V., 3. 95 BVerfGE 69, 315 (355): Grundrechte als „Maßstäbe für eine den Grundrechtsschutz effektuierende Organisations- und Verfahrensgestaltung“. 96 BVerfGE 69, 315 (355 f.). 97 BVerfGE 65, 1 (44, 49); 63, 131(143). 98 BVerfGE 53, 30 (65 f., 72 f.). 99 BVerfGE 39, 276 (294); 44, 105 (119 ff.); 45, 422 (430 ff.). 100 BVerfGE 37, 132 (141, 148); 46, 325 (334); 49, 220 (225). 101 BVerfGE 56, 216 (236). 102 BVerfGE 65, 76 (94). 94
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fahren zeigt sich dabei als Mittel zum Ausgleich kollidierender Interessen im Rahmen des § 15 VersG. Somit fügt sich das Verwaltungsverfahren zur Herbeiführung des versammlungsspezifischen Interessenausgleichs zwar gleichsam als Musterbeispiel in die Reihe grundrechtsbezogener Verfahren ein; die Kooperation im Versammlungsrecht hat aber die verfahrensbezogene grundrechtliche Rechtsprechung des BVerfG nicht begründet. Auch in der Literatur ist die Wirkung der Grundrechte auf das Verfahren als allgemeiner Grundsatz dargestellt und nicht auf spezifische Grundrechte beschränkt. Die Rechtsprechung zur verfahrensrechtlichen Dimension der Grundrechte wird als eine Entwicklung verstanden, in welche sich der Brokdorf-Beschluss einfügt und die weiter an Boden gewinnen wird. Das Erfordernis der Kooperation mit den Grundrechtsträgern ist weniger durch den spezifischen Regelungsgehalt des betroffenen Grundrechtes als vielmehr durch die jeweilige Situation gekennzeichnet, in welcher das Freiheitsrecht in Anspruch genommen wird. In vielen Fällen kann eine sinnvolle Grundrechtsausübung nur noch im Wege der Kooperation verwirklicht werden.104 Damit kann festgehalten werden, dass sich die Wurzeln des bislang aus dem Versammlungsrecht bekannten Kooperationsprinzips nicht um den spezifischen Grundrechtsgehalt des Art. 8 Abs. 1 GG ranken. Sie sind vielmehr in der allgemeinen Grundrechtslehre begründet, welche vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung angewandt wird und nicht auf bestimmte Grundrechte beschränkt ist. Diese Wurzeln des Kooperationsprinzips tragen neben der Ausübung der Versammlungsfreiheit daher auch die Verwirklichung der Grundrechte bei Sportgroßveranstaltungen: Angesichts des erheblichen polizeilichen Aufwandes bei einer Spielbegegnung105 sowie der vielschichtigen und komplizierten Interessenlage zwischen den unmittelbar an der Sportveranstaltung Beteiligten,106 den von der Hooligangewalt persönlich Betroffenen107 und den Belangen der Allgemeinheit und der Inneren Sicherheit108 lässt sich ein verfahrens- und organisationsrechtlicher Gehalt der ausgeübten Grundrechte (namentlich Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) schwerlich leugnen. Dies gilt umso mehr, als das BVerfG der bei Sportveranstaltungen besonders einschlägigen grundrechtlichen Berufs- und Eigentumsfreiheit bereits verfahrens- und organisationsrechtlichen Gehalt zuge103
BVerfGE 69, 315 (355 f.). Stern, Staatsrecht III/1, § 69 Ziff. V., 6., lit. a); Denninger, Staatliche Hilfe zur Grundrechtsausübung in: HStR V, § 113, Rn 19, 28; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn 358 ff. 105 Hierzu siehe Erster Teil, C., Ziff. III. 106 Hierzu siehe Zweiter Teil, A., Ziff. I. 107 Hierzu siehe Erster Teil, B., Ziff. III., 1. bis 3. 108 Hierzu siehe Erster Teil, B., Ziff. III., 4. 104
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sprochen hat.109 Die polizeiliche Sicherheitsarbeit sieht sich einer vielschichtigen Interessenlage gegenüber, der sie in Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags gerecht werden muss. Zu diesem Zweck ist ein grundrechtseffektuierendes Verfahren unentbehrlich, um die kollidierenden Verfassungsrechtspositionen zum Ausgleich zu bringen. Nicht nur die Entscheidung selbst, sondern auch der Prozess der Entscheidungsfindung hat diesen grundrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen. Dabei muss die Verfahrensgestaltung umso höhere Anforderungen erfüllen, je komplizierter die Sachentscheidung ist.110 b) Auswirkungen für die Polizeipraxis Die im Versammlungsrecht gewachsene Kooperationspraxis lässt sich allerdings nicht nahtlos auf das allgemeine Polizeirecht übertragen. Sie hat sich anlässlich der besonderen Problemlagen im Demonstrationsrecht entwickelt. Daher geht es nachfolgend nicht um die Übertragung einer Verwaltungspraxis aus einem Teilbereich des besonderen Polizeirechts auf das allgemeine Gefahrenabwehrrecht a minore ad maius. Vielmehr geht es darum, die in den grundrechtlichen Wurzeln des Kooperationsprinzips enthaltenen Wirkungen für das allgemeine Polizeirecht am Beispiel einer Sportgroßveranstaltung darzustellen. Nachfolgend werden diese Auswirkungen zunächst anhand ihres Einflusses auf die polizeiliche Eingriffsschwelle [siehe unten lit. aa)] und dem Charakter der Kooperation als Rechtspflicht der Polizei [siehe unten lit. bb)] dargestellt, bevor im Hinblick auf die Vereine die wichtige Differenzierung zwischen Rechtspflichten und Obliegenheiten der Grundrechtsträger getroffen wird [siehe unten lit. cc)]. Schließlich werden die Rechtsprobleme aus der Verzahnung der Sicherheitsvorkehrungen des Veranstalters mit dem polizeilichen Sicherheitskonzept am Beispiel des Stadionverbotes und der Durchsuchung von Stadionbesuchern durch private Sicherheitsdienste aufgezeigt [siehe unten lit. dd)]. aa) Einwirkungen der Kooperation auf die polizeiliche Eingriffsschwelle Um die Forderung nach einem grundrechtseffektiven Verfahren mit dem Zweck, die geplante Veranstaltung zu ermöglichen, zu erfüllen, liegt es nahe, ebenso wie im Versammlungsrecht auch bei der Durchführung von Sportgroßereignissen auf bewährte Erfahrungen zurückzugreifen. Die Ziele, die die Behörde gemeinsam mit den ausrichtenden Vereinen durchzusetzen hat, gleichen denen 109 Für Art. 12 Abs. 1 GG: BVerfGE 39, 276 (294); 44, 105 (119 ff.); 45, 422 (430 ff.); für Art. 14 Abs. 1 GG: BVerfGE 37, 132 (141, 148); 46, 325 (334); 49, 220 (225). 110 Stern, Staatsrecht III/1, Ziff. V., 7., lit. d); Maurer, § 19 Rn 9.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
aus dem Versammlungsrecht: Es gilt, die Voraussetzungen für eine insgesamt friedliche Veranstaltung zu schaffen und die entschlossenen Gewalttäter von der Mehrheit der Fans zu isolieren.111 Dabei hat die Polizei die Bereitschaft des Veranstalters zu einer konstruktiven Zusammenarbeit gegen gewaltsame Ausschreitungen zu begünstigen. Je erfolgreicher und enger die vorangegangene Zusammenarbeit war, desto mehr sind die hieraus entstandenen Erfahrungswerte zu berücksichtigen. Andererseits ist von den ausrichtenden Vereinen zu erwarten, dass sie sich kooperativ und konstruktiv an der Lösung von Sicherheitsproblemen beteiligen. Auch die Vereine haben auf vorangegangene Erfahrungen zu bauen. Je mehr die Veranstalter zu einer Zusammenarbeit mit der Polizei bereit sind, desto höher rückt die Schwelle für behördliches Eingreifen aufgrund einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gegenüber dem Veranstalter. Verwaltungsrechtsdogmatisch kann diese Flexibilisierung der Eingriffsschwelle auf zwei Ebenen eingeordnet werden: (1) Auf der Ebene des Tatbestandes der polizeilichen Eingriffsnorm haben die Behörden sämtliches Tatsachenmaterial, welches die Vereine rechtzeitig vor einer Spielbegegnung zur Verfügung stellen, in ihrer Gefahrenprognose zu berücksichtigen. (2) Auf der Rechtsfolgenebene hat die Polizei bei der Ausübung ihres Ermessens vor einer eingreifenden polizeilichen Verfügung gegen den Veranstalter alle sinnvollen Möglichkeiten der Kooperation auszuschöpfen, um die jeweilige Gefahr zu beseitigen. Die Grundsätze kooperativen Verhaltens gelten unabhängig davon, ob ein Störer oder ein Nichtstörer zur Gefahrenabwehr herangezogen werden soll. Auch der Nichtstörer kann der Polizei durch kooperatives Verhalten ein milderes Mittel zur Gefahrenbeseitigung anbieten und so möglicherweise eine eingreifende Polizeiverfügung verhindern.112 bb) Verwaltungsbehördliche Kooperation als Rechtspflicht der Polizei Die verfahrensmäßige Ausstrahlung der Grundrechte der an der Sportveranstaltung Beteiligten verlangt, ihre Belange in das polizeiliche Entscheidungsverfahren mit einzubeziehen. Aufgrund der unmittelbaren Bindung der Polizei an 111 Während BVerfGE 69, 315 (355) demonstrationsbezogen von der „Isolierung von Gewalttätern“ spricht, wird im Rahmen von Sportgroßveranstaltungen Wert darauf gelegt, die Hooligans „aus der Anonymität“ der Zuschauermenge „herauszureißen“, vgl. hierzu aus der Polizeitaktik Markert/Schmidbauer, BayVBl. 1993, 518; dies. Kriminalistik 1994, 494; Gruber, Polizeispiegel 1998, 179. 112 BVerfGE 69, 315 (362).
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die Grundrechte aus Art. 20 Abs. 3 GG besteht für die Behörde eine Kooperationspflicht. Diese verlangt von der Polizei ein angemessenes Maß an Erörterung, Beratung und Auskunft gegenüber dem Veranstalter. Wenn möglich, sind seine Sicherheitsmaßnahmen in das polizeiliche Gefahrenabwehrkonzept schlüssig zu integrieren. Gegebenenfalls ist ihm z. B. das erforderliche Know-How zur Durchsetzung seines Hausrechtes im Stadion zur Verfügung zu stellen. Die Polizei hat die Informationen des Veranstalters, etwa zur erwarteten Menge und Zusammensetzung der Zuschauer, in ihre Prüfung zur Beurteilung möglicher Gefahren aufzunehmen. Sie hat entsprechend der bislang gängigen Praxis mögliche Auflagen mit den Vereinen zu erörtern, bevor sie grundrechtsbeschränkende Maßnahmen verfügt. Auch die Benennung von szenekundigen Beamten als Kontaktpersonen für die Vereine fügt sich in das grundrechtsfreundliche Verfahren polizeilicher Sicherheitsarbeit bei Sportgroßveranstaltungen ein. Die Kooperationspflicht ist dem Grunde nach unabhängig von der Bedeutung und der Größe der sportlichen Veranstaltung. Auch bei kleinen und lokalen Sportveranstaltungen kann die verfahrensgestaltende Wirkung der Grundrechte zum Tragen kommen. Wenn die Schutzbereichsmerkmale eines Grundrechts erfüllt sind, entfaltet dieses seine Wirkung.113 Die Geltung der Grundrechte und ihres verfahrensrechtlichen Gehalts ist nicht davon abhängig, ob das jeweilige Verhalten in dem eröffneten grundrechtlichen Schutzbereich regionale, bundesoder europaweite Bedeutung erfährt. Ein Unterschied nach Bedeutung und Größe der Sportveranstaltung ergibt sich jedoch zwangsläufig aus den praktischen Notwendigkeiten. Je bedeutsamer und größer eine Spielbegegnung ist, umso mehr Berührungspunkte ergeben sich mit der Außenwelt und etwaigen grundrechtlichen Interessen Dritter. Je komplexer sich der von der Polizei vorzunehmende Interessenausgleich zwischen den Grundrechten des Veranstalters und der öffentlichen Sicherheit gestaltet, desto höheren Organisationsaufwand bringen die Planung des Einsatzes und die damit verbundenen behördlichen Entscheidungen mit sich. Mit der Komplexität des Verfahrens wächst auch der organisationsrechtliche Gehalt der betroffenen Grundrechte. Daher werden an die Kooperationspflichten der Polizei bei einem Champions-League-Spiel regelmäßig höhere Anforderungen zu stellen sein als dies in der Regionalliga der Fall ist. cc) Pflichten und Obliegenheiten der Vereine Die ausrichtenden Vereine sind aus ihren Grundrechten zu einer Kooperation mit der Polizei berechtigt, aber ohne eine gesetzliche Regelung nicht verpflich113 Lerche, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung und Grundrechtseingriff, HStR V, § 121, Rn 11; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn 226; Maurer, Staatsrecht I, Rn 44.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
tet. Zwar besteht für sie die Rechtspflicht, bei der Durchführung der Veranstaltung die Beeinträchtigung von Drittinteressen zu minimalisieren, d.h. die Rechte anderer nicht zu verletzen. Diese Pflicht kann durch polizeiliche Verfügung im Rahmen der allgemeinen polizeilichen Verantwortlichkeit des Veranstalters durchgesetzt werden.114 Indes gründet sich das Recht auf ein grundrechtseffektuiertes Verfahren und auf die Kooperation der öffentlichen Behörden unmittelbar in den verfassungsmäßigen Freiheitsrechten. Die Grundrechte berechtigen die Privatrechtssubjekte gegenüber der staatlichen Hoheitsgewalt, aber verpflichten sie nicht. Andernfalls stünde einer Kooperationspflicht der Veranstalter ein Kooperationsrecht der Polizei gegenüber. Diese kann jedoch als staatlicher Hoheitsträger nicht gleichzeitig grundrechtsverpflichtet und -berechtigt sein.115 Dementsprechend hat das BVerfG für das versammlungsrechtliche Kooperationsprinzip ausdrücklich klargestellt, dass die Mitwirkung des Veranstalters für ihn keine Rechtspflicht, sondern eine bloße Obliegenheit ist.116 Dennoch tut der Veranstalter nach den Worten des BVerfG „gut daran, die aus bewährten Erfahrungen herleitbaren Empfehlungen (. . .) von sich aus zu berücksichtigen.“117 Denn je mehr die Vereine zur Kooperation bereit sind, umso höher rückt die Eingriffsschwelle der Polizei. Der kooperative ausrichtende Verein kann durch seinen Beitrag zur Gefahrenvermeidung im Verwaltungsverfahren auf die polizeiliche Entscheidungsfindung auf der Ebene der Gefahrenprognose und im Bereich des Ermessens Einfluss nehmen. Zugleich bietet die konstruktive Beteiligung an einem von der Polizei angebotenem grundrechtsfreundlichen Verfahren dem Veranstalter ein mögliches Forum, um seine Interessen zu artikulieren, die seiner Ansicht nach in den behördlichen Abwägungsvorgang zum Ausgleich mit Drittinteressen einzufließen haben. Entsprechend der gesteigerten Kooperationspflicht der Polizei nach der Größe des Sportereignisses118 sind auch an die Kooperations-Obliegenheiten des Veranstalters umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr durch die Veranstaltung die öffentliche Sicherheit und Grundrechte Dritter beeinträchtigt werden können. Dies wird regelmäßig von der sportlichen Bedeutung einer Spielbegegnung abhängen. Die effektive Einbringung der Veranstalter-Interessen in die polizeilichen Gefahrenprognosen und Ermessensentscheidungen setzt daher umfangreichere Maßnahmen bei einem Champions-League-Spiel als bei einer Regionalliga-Begegnung voraus.
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s. o. Ziff. I., 3. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn 154. BVerfG NJW 2001, 2079; s. o. Ziff. 1., lit. c), bb). BVerfGE 69, 315 (357). Siehe hierzu oben lit. bb).
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dd) Rechtsprobleme aus der Verzahnung der Sicherheitsvorkehrungen des Veranstalters mit dem polizeilichen Sicherheitskonzept: Stadionverbot und Durchsuchungen durch private Sicherheitsdienste Das Erfordernis der Zusammenarbeit zur Gefahrenvorbeugung ist bei allen Beteiligten bekannt und wird entsprechend praktiziert.119 In diesem Sinne sind die Sicherheitsmaßnahmen der Vereine mit den polizeilichen Gefahrenabwehrkonzepten bereits fest verzahnt. Aus der Integration privater Maßnahmen in das polizeiliche Sicherheitskonzept können sich indes Spannungen ergeben, wenn sich die Maßnahmen der Vereine gegenüber den Stadionbesuchern nicht mit geltendem Recht im Einklang befinden. Die Schwierigkeiten beginnen bereits bei der Frage, ob polizeiliche Verfügungen gegenüber den Zuschauern auf Tatsachen gestützt werden dürfen, welche von Privatpersonen in rechtswidriger Weise – zielgerichtet oder zufällig – erlangt und sodann an die Behörde weitergegeben wurden.120 Angesichts der unmittelbaren Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) ist jedenfalls die geplante Einbeziehung rechtswidriger privater Maßnahmen in ein polizeiliches Sicherheitskonzept unzulässig. Nicht unproblematisch sind vor diesem Hintergrund die Stadionverbote der Veranstalter ebenso wie die körperliche Durchsuchung der Zuschauer am Eingang des Stadions durch private Ordnungskräfte.121 Soweit ersichtlich, ist ein Stadionverbot bislang nur ein einziges Mal Gegenstand einer gerichtlichen Prüfung gewesen. Aufgrund eines Ermittlungsverfahrens wegen Landfriedensbruch war gegen einen Hooligan in Übereinstimmung mit § 30 der Richtlinien des DFB zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundes119 Der Ergebnisbericht „Nationales Konzept Sport und Sicherheit“ 1993 fordert auf Seite 5 die Zusammenarbeit aller Beteiligten; auch auf Seite 3 des Studienpapiers „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie – Stand 28.03.2000 – ist zu lesen: „Sicherheit und Gewaltverhinderung kann nur im abgestimmten Verbund erfolgreich sein. Hier sind insbesondere Veranstalter, Ordnungs- und Polizeibehörden, Sportverbände, Fanprojekte, politische Gremien der Kommunen, der Länder und des Bundes ebenso gefordert wie private Sicherheitsdienste.“ Zur praktischen Zusammenarbeit zwischen Polizei und Veranstalter siehe auch oben Erster Teil, C., Ziff. III., 3. sowie Nolte, Sport und Recht, S. 140 ff. 120 Dies streng verneinend: Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24 Rn 64; Clausen in: Knack, VwVfG, § 24 Ziff. 3.3; auch Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn 143 sieht eine Begrenzung der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Informationen im Verwaltungsverfahren; a. A.: BVerwG NJW 1982, 2887; BFHE 96, 300, 302. 121 Zur praktischen Handhabung dieser Maßnahmen siehe oben Erster Teil, C., Ziff., II., 2. und III., 3.; auch das in den Ticket-Bedingungen des DFB enthaltene Übertragungsverbot von WM-Tickets zur Eindämmung des Schwarzmarktes ist umstritten, siehe hierzu Weller, NJW 2005, 934.
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spielen ein bundesweites Stadionverbot ausgesprochen worden. Das AG Leverkusen wies die Klage gegen das Stadionverbot ab. Rechtsgrundlage sei das private Hausrecht des ausrichtenden Vereins. Als Mitglied des DFB sei der Verein durch die DFB-Sicherheitsrichtlinien verpflichtet und ermächtigt, ein bundesweites Stadionverbot zu erteilen. Hiernach soll ein Stadionverbot ausgesprochen werden, wenn gegen den betreffenden Hooligan ein anlassbezogenes staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren stattfinde. Die Sicherheitsrichtlinien seien in diesem Fall korrekt umgesetzt worden. Das Verbot habe durch das Ermittlungsverfahren einen sachlichen Grund. Es sei daher weder willkürlich noch unverhältnismäßig. Da es sich um ein präventives Vorgehen handle, liege auch kein Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Unschuldsvermutung vor.122 Mit seinem Urteil liegt das AG Leverkusen im Ergebnis richtig, wenn auch die dogmatischen Grundlagen des Stadionverbotes nur angedeutet werden. Rechtsgrundlage ist zutreffenderweise das private Hausrecht des ausrichtenden Vereins.123 Dieser ist entweder Eigentümer oder als Mieter bzw. Pächter Besitzer des Stadions. Wie jeder Inhaber eines privaten Hausrechtes kann es der Verein einem anderen verbieten, sein Grundstück bzw. das Stadion zu betreten. Durch die Öffnung des Stadions für die Allgemeinheit während des Spiels erteilt der ausrichtende Verein die generelle Erlaubnis, das Gelände zu betreten. Die einschlägige Rechtsprechung zum Betreten von Kaufhäusern, wonach bei der Eröffnung die generelle Zutrittserlaubnis erteilt wird, ist insofern auf Fußball-Bundesligaspiele übertragbar. Hiernach erfasst das Einverständnis des Hausrechtsinhabers alle Personen, die sich im „üblichen (Käufer-)Verhalten“ bewegen. Weicht das Verhalten einer Person hiervon ab, so muss der Hausrechtsinhaber eine Störung seines Geschäftsbetriebes nicht hinnehmen, sondern kann ein Hausverbot erteilen.124 Besteht Anlass zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bzw. ist bereits ein solches entsprechend dem vom AG Leverkusen entschiedenen Fall bereits anhängig, so mag dies für eine Abweichung vom üblichen Verhalten ausreichen und damit den jeweiligen Hooligan von der generellen Zutrittserlaubnis ausschließen.125 122 AG Leverkusen, SpuRt 2001, 72; es befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der Vereine und der Polizei, siehe: Nationales Konzept „Sport und Sicherheit“ S. 20, Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, S. 9. 123 So auch Manssen, SpuRt 1994, 169; Nolte, Sport und Recht, S. 142; zur tiefergehenden dogmatischen Grundlage des Hausrechtes siehe Christensen, JuS 1996, 873 m. w. N.; Semerak, ThürVBl. 2001, 176 f.; Hümmerich, DB 2001, 1778. 124 BGH NJW 1994, 188 m. w. N. 125 Das AG Kulmbach (NJW 1998, 3360) hat eine Störung des Geschäftsbetriebs und damit einen Ausschluss der Zutrittserlaubnis zumindest dann verneint, solange zwar eine Straftat (hier: Diebstahl) wahrscheinlich ist, jedoch kein hinreichender Tatverdacht i. S. d. § 203 StPO vorliege. Angesichts der bei Fußballspielen drohenden Gefahren könnte aber der Anfangsverdacht eines Ermittlungsverfahrens ausreichen, um einen Zutrittswilligen vom generellen Einverständnis auszuschließen.
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Eleganter ist es freilich, die generelle Zustimmung zum Betreten durch eine rechtsverbindlich formulierte Stadionordnung zu beschränken und von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen. Diese kann entweder als Allgemeine Geschäftsbedingung (sogenannte „Betretens-AGB“126) bezugnehmend auf den schuldrechtlichen Vertrag zwischen Verein und Stadionbesucher, oder in Form einer Hausordnung, beruhend auf dem dinglichen Hausrecht des Vereins, gestaltet sein. In jedem Fall aber sind die zutrittsbeschränkenden Tatsachen hinreichend bestimmt und verbindlich zu formulieren.127 Bei der weiteren inhaltlichen Gestaltung der privaten Stadionordnung ist der Verein weitgehend frei. Im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Normgeber ist er bei der Ausgestaltung seines Hausrechtes nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden, sondern nur dem einfachen Gesetz, insbesondere § 138 BGB, unterworfen. Konkretisiert die Stadionordnung das dingliche Hausrecht des Vereins, so kommt im Gegensatz zur Benutzung von Betretens-AGB eine umfassende Inhaltskontrolle entsprechend den §§ 307 ff. BGB nicht in Betracht.128 Insofern kommt der Prüfung des AG Leverkusen bezüglich des Willkürverbotes, der Unschuldsvermutung sowie der Verhältnismäßigkeit des Stadionverbotes allenfalls Bedeutung zu, soweit diese Verfassungsgrundsätze über zivilrechtliche Generalklauseln mittelbar wirken. Festzuhalten ist indes, dass das private Hausrecht des Vereins gegenüber dem einzelnen Stadionbesucher nicht durch öffentlich-rechtliche Stadionordnungen gestaltet werden kann. Eine öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung regelt das Nutzungsverhältnis einer öffentlichen Sache zwischen dem öffentlich-rechtlichen Träger und den privaten Benutzern. Sie kann allenfalls den öffentlichrechtlichen Träger des Stadions kraft seiner Anstaltsgewalt, nicht aber den ausrichtenden Verein als juristische Person des Privatrechts zu Eingriffen ermächtigen.129 Ist der Verein selbst Eigentümer des Stadions, so scheidet die Regelung der Benutzung durch eine öffentlich-rechtliche Satzung völlig aus. Will sich der Verein gegenüber den Stadionbesuchern auf die öffentlich-rechtliche Stadionordnung berufen, so hat er diese kraft seines privaten Hausrechtes oder durch Allgemeine Geschäftsbedingungen130 in seine Rechtsbeziehung zum Stadionbesucher einzubeziehen. 131
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v. Westphalen, NJW 1994, 367. Betretens-AGB und Hausordnung werden vom BGH in NJW 1994, 188 ausdrücklich angesprochen und von Christensen, JuS 1996, 873 ff. erläutert; aus der Praxis vorbildlich: die Stadionordnung des 1. FC Kaiserslautern in der Fassung vom 02.08.1997. 128 Christensen, JuS 1996, 876. 129 Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, Rn 126. 130 So Gern, a. a. O. 131 Insofern ist der Erlass einer öffentlich-rechtlichen Stadionordnung, auf dessen Hinwirken sich die Vereine des Ligaverbandes der Bundesliga in § 27 der Richtlinien 127
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Auch die auf dem Vereinsrecht beruhenden Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen132 sind ungeeignet, das Rechtsverhältnis des veranstaltenden Vereins zum Stadionbesucher zu regeln. Soweit das Urteil des AG Leverkusen den gegenteiligen Eindruck vermittelt, indem es die Voraussetzungen dieser Vorschrift prüft, muss dem widersprochen werden: Durch diese vereinsrechtliche Regelung ermächtigen sich die Bundesligavereine kraft eigener Autonomie gegenseitig, unter den dort genannten Voraussetzungen über die Hausrechte in allen Stadien der Bundesliga mit Wirkung für und gegen alle übrigen Mitglieder zu verfügen. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift beschränkt sich indes auf das vereinsrechtliche Verhältnis der Vereine untereinander.133 Der jeweilige Stadionbesucher ist hieran nicht beteiligt. Sofern die Voraussetzungen für ein Stadionverbot aus den Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen im Verhältnis des ausrichtenden Vereins zum Zuschauer gelten sollen, müssen diese in der privatrechtlichen Stadionordnung unmissverständlich aufgenommen werden. Andernfalls sind die DFB-Sicherheitsrichtlinien für das Rechtsverhältnis des Vereins zum Stadionbesucher irrelevant. Nicht unproblematisch ist es weiter, wenn die Bediensteten gewerblicher Sicherheitsunternehmen am Eingang des Stadions Personen auf gefährliche Gegenstände durchsuchen. Eine solche Kontrolle stellt einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar. Sie ist vorbehaltlich des Einverständnisses des Betroffenen ausschließlich nach Maßgabe der §§ 229, 859 BGB zulässig.134 In einer Stadionordnung kann die Erlaubnis zum Betreten zwar an ein solches Einverständnis des Zutrittswilligen zur Durchsuchung gekoppelt werden. Jedoch kann kein Zuschauer durch eine Stadionordnung dazu verpflichtet werden, eine Durchsuchung zu dulden. Verweigert er die Kontrolle, so kann ihm lediglich der Zutritt verwehrt werden.135 Weiter muss es sich um eine auf dem privaten zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen vereinsrechtlich verpflichtet haben, weder geeignet noch ausreichend. 132 Seit April 2001 sind die Bundesligavereine nicht mehr unmittelbar unter dem DFB sondern im Ligaverband e. V. vereinsrechtlich verbunden. In § 5 Nr. 1a der Satzung des Ligaverbandes e. V. haben sich die Vereine der Fußball-Bundesligen einem Ligastatut unterworfen. Nach der Präambel dieses Ligastatutes i. V. m. § 30 seines Anhangs III (Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen) ist jedes Mitglied des Ligaverbandes von den übrigen Vereinen ermächtigt, einer Privatperson zu verbieten, das Stadion eines Mitgliedes des Ligaverbandes zu betreten. 133 Schwab, NJW 2005, 938. 134 BGH NJW 1994, 189; auch: v. Westphalen, NJW 1994, 367; eine Übersicht über die „Eingriffsbefugnisse privater Sicherheitskräfte“ ist bei Czepluch in: Handbuch des privaten Sicherheitsgewerbes, Teil H, Rn 67 ff. zu finden; hierzu siehe auch Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 493c. Zwar mag die Interessenlage vergleichbar sein zu den ebenfalls von gewerblichen Sicherheitsunternehmen durchgeführten Kontrollen der Fluggäste, jedoch handeln diese als Beliehene kraft übertragener Hoheitsgewalt, hierzu siehe Hofmann/Grabherr, § 29c LuftVG, Rn 24 ff.
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Hausrecht des Vereins beruhende Stadionordnung handeln. Der Vorbehalt einer Durchsuchung in einer öffentlich-rechtlichen Stadionordnung, wie er in § 4 der Musterstadionordnung des Ligaverbandes e. V. enthalten ist, hat dagegen aus den oben genannten Gründen keinen Einfluss auf das private Hausrecht des ausrichtenden Vereins im Verhältnis zum Zuschauer. Doch auch die Koppelung des Einverständnisses zur Kontrolle mit der Zutrittserlaubnis über eine private Hausordnung wird vom BGH nicht für unbedenklich gehalten.136 Die Einwände des BGH bezogen sich auf die Situation in Kaufhäusern, welche sich durch Taschenkontrollen gegen Diebstahl sichern wollten. Deren Situation unterscheidet sich aber von der Sicherheitslage bei einem Fußballspiel grundlegend. Selbst wenn man die Zutrittsbeschränkung als Allgemeine Geschäftsbedingung einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterwerfen würde, wäre sie zulässig. Gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des durchsuchten Zuschauers streitet nicht wie bei den Taschenkontrollen in Kaufhäusern „nur“ das Eigentumsrecht.137 Vielmehr dient die Kontrolle auch dem Schutz von Leib und Leben aller Personen, die sich im Stadion aufhalten. Festzuhalten bleibt, dass die ausrichtenden Vereine bei ihren Sicherheitsmaßnahmen im Verhältnis zu den Stadionbesuchern die Grenzen des zivilen Rechts zu achten haben. Nur wenn deren Gestaltung mit Recht und Gesetz im Einklang steht, können sie mit dem polizeilichen Sicherheitskonzept verzahnt und dem Veranstalter im Rahmen der Kooperation zugute gehalten werden. c) Grenzen des Kooperationsmodells Der Brokdorf-Beschluss hat es nicht versäumt, neben der Darstellung der verfassungsrechtlichen Gebotenheit der Kooperation auch deren Grenzen aufzuzeigen. Hierzu heißt es in BVerfGE 69, 315 (356): „(. . .) gegenüber den staatlichen Behörden dürfen die genannten verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht so weit gespannt werden, dass sie den Charakter der polizeilichen Aufgabe als Gefahrenabwehr grundsätzlich verändern oder etwa die Anwendung flexibler Einsatzstrategien unmöglich machen. Ebenso und erst recht dürfen gegenüber den Veranstaltern und Teilnehmern von Großdemonstrationen keine Anforderungen gestellt werden, welche den Charakter von Großdemonstrationen als prinzipiell staatsfreie Beiträge (. . .) aushöhlen würden.“ Hiernach lässt sich eine Begrenzung des Kooperationsmodells von zwei Seiten her erkennen: Einerseits muss die Wahrnehmung der Aufgabe der Gefahren-
135
Christensen, JuS 1996, 876. BGH NJW 1994, 189. 137 Zur Interessenabwägung bei Kaufhäusern siehe Christensen, JuS 1996, 877 und v. Westphalen, NJW 1994, 367. 136
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abwehr durch die Polizei gesichert sein [hierzu siehe unten lit. aa)]. Andererseits zeigt die Bezugnahme auf die Staatsfreiheit der Versammlung, dass die Kooperation nicht zu einer staatlichen Bevormundung bei der Ausübung des Freiheitsrechtes führen darf [siehe unten lit. bb)]. Diese Forderung fügt sich in das Bild des mündigen Bürgers im demokratisch-freiheitlichen System ein, wonach die eigenverantwortliche Grundrechtsausübung in der Würde des Menschen begründet ist, die es der Polizei verbietet, den einzelnen als Objekt staatlichen Handelns zu betrachten.138 Für keinen der Beteiligten darf die Kooperation zu einer Begrenzung ihres eigenverantwortlichen Bereiches werden; vielmehr sollen deren Handlungsmöglichkeiten flexibilisiert werden. aa) Grenzen aus polizeilicher Sicht Anhand der nachfolgend dargestellten Topoi soll geprüft werden, ob diese im Versammlungsrecht entwickelte Begrenzung des Kooperationsmodells auch für das bei Sportgroßveranstaltungen geltende allgemeine Polizeirecht herangezogen werden kann. (1) Das Kooperationsmodell lässt die Geltung des verwaltungsrechtlichen Untersuchungsgrundsatzes unberührt.139 Die Polizei hat von sich aus die entscheidungserheblichen Tatsachen zu ermitteln, auch wenn eine Kooperation scheitert. Sie bleibt „Herr des Verwaltungsverfahrens“ und entscheidet über Art und Umfang der Ermittlungen.140 Vom Veranstalter zur Verfügung gestellte Informationen, z. B. über Anzahl, Ausrüstung und Zusammensetzung der zu erwartenden Zuschauermengen, hat sie gegebenenfalls zu überprüfen, bevor sie auf dieser Grundlage etwaige Verfügungen trifft. Im Rahmen der Kooperation kann der Veranstalter der Polizei bei der Tatsachenermittlung behilflich sein; eine Delegation der Verantwortlichkeit zur Sachverhaltsermittlung ist jedoch mit dem Untersuchungsgrundsatz nicht vereinbar und würde die Pflichten der Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Gefahrenabwehr verzerren. (2) Die Polizei bleibt Sachwalterin des öffentlichen Interesses.141 Zwar hat sie die Grundrechtsausübung der an der Sportveranstaltung Beteiligten zu ermöglichen; die auskunftgebende und beratende Kooperation mit dem Veranstalter ist jedoch nicht mit der anwaltlichen Wahrnehmung seiner Interessen zu verwechseln. Während in der versammlungsrechtlichen Ausprägung 138
BVerfGE 65, 1 (41). BVerfG NJW 2001, 2079. 140 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn 18. 141 Zur Bedeutung des öffentlichen Interesses bei der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 14, S. 228 ff. 139
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des Kooperationsprinzips aus diesem Grunde großer Wert gelegt wird auf die Wahrung angemessener Distanz zum Anliegen der Demonstration,142 mag im Allgemeinen Verwaltungsrecht entsprechend den Grenzen für sogenanntes „informelles Verwaltungshandeln“143 eher der Begriff der Transparenz angebracht sein. In jedem Falle ist der Eindruck zu vermeiden, die Behörde bevorzuge die Interessen der Veranstalter vor den Belangen der Allgemeinheit. (3) Die Entscheidung über die kollidierenden Interessen trifft einzig und allein die Behörde. Für das Versammlungsrecht hat das BVerfG klargestellt, dass der Veranstalter im Rahmen der Kooperation seine Interessen zwar formulieren kann; die Entscheidung, in welcher Weise ein entsprechender Ausgleich zu treffen ist, ist allein der Behörde vorbehalten.144 Eine wesentliche Bedeutung der allgemeinen verfahrensrechtlichen Wirkung der Grundrechte liegt im Ausgleich kollidierender Interessen.145 Diesen hat auch im allgemeinen Polizeirecht ausschließlich die Behörde vorzunehmen. Wo die Behörde in diesem Sinne tätig wird, ist es kein Verstoß gegen das Kooperationsmodell, wenn sie den Interessen des Veranstalters nicht gerecht werden kann. (4) Der Hinweis des BVerfG auf die Flexibilität polizeilicher Einsatzstrategien146 macht deutlich, dass die Kooperation keinesfalls zu einer Einengung polizeilicher Handlungsspielräume führen kann. Gerade angesichts der Vielschichtigkeit der beteiligten Interessen an Sportgroßveranstaltungen wäre es mit dem gesetzlichen Schutzauftrag der Polizei unvereinbar, wenn ihr nicht alle gesetzlichen Mittel zur Aufgabenerfüllung zustünden. Aus diesem Grund kann der Veranstalter zwar Tatsachen vorbringen, welche ihn sowohl auf der Ebene des polizeilichen Tatbestandes, d.h. der Frage, ob eine Gefahr vorliegt, als auch auf der Ebene der polizeilichen Rechtsfolge, d.h. der Frage, ob und gegebenenfalls auf welche Weise eine bestehende Gefahr beseitigt wird, begünstigen können. Keinesfalls aber kann er den behördlichen Vorgang der Gefahrenprognose oder der Ermessensausübung selbst beeinflussen. Die Vornahme und das Ergebnis der behördlichen Entscheidung stehen nicht zur Disposition des Veranstalters. Keinesfalls darf sich die Polizei daher z. B. verpflichten, gegen den Erhalt einer bestimmten Information auf einen gefahrenabwehrenden Eingriff gegen den Informanten zu verzichten. 142 Kniesel in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H Rn 322; ebenso Hoffmann-Riem in: Festschrift Simon, S. 383. 143 Hierzu Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn 14 ff.; insbesondere Rn 21. 144 BVerfG NJW 2001, 1408. 145 Stern, Staatsrecht III/1, § 69 Ziff. V, 7, S. 975. 146 BVerfGE 69, 315 (356).
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(5) Schließlich ist dem Kooperationsmodell kein Selbstzweck beizumessen. Wie das gesamte Verwaltungsverfahren nur eine Hilfsfunktion hat, um das materielle Recht durchzusetzen und zu verwirklichen, stellt sich die verfahrensmäßige Wirkung der Grundrechte ganz in den Dienst einer objektiven Entscheidung.147 Daher hat eine behördlicherseits unterbliebene Kooperation per se noch keine unmittelbare Rechtsfolge. Vielmehr wird der Verstoß nur relevant, wenn er ein fehlerhaftes polizeiliches Handeln ausgelöst hat. Wird die Behörde der Mitwirkung des ausrichtenden Vereins nicht gerecht, so kann dies z. B. zu einer fehlerhaften Gefahrenprognose führen. Ebenso kann ein Ermessensfehler vorliegen, wenn eine polizeiliche Maßnahme bei Ausschöpfung kooperativer Mittel vermeidbar gewesen wäre oder wenn die Interessen des Veranstalters bei der Ermessensausübung nicht oder nicht gehörig berücksichtigt wurden. Klarstellend sei angefügt, dass es hierbei nicht um eine direkte oder analoge Anwendung des § 46 VwVfG geht. Diese Vorschrift setzt einen Verstoß gegen die Normen des Verwaltungsverfahrens voraus, wie z. B. eine entgegen § 28 VwVfG unterbliebene Anhörung.148 Das Kooperationsmodell ist jedoch nicht kodifiziert. Eine erfolgreiche Kooperation verlangt eine weitergehende Zusammenarbeit, als es das VwVfG für die Verfahrensbeteiligten vorsieht.149 Ein Verstoß ist daher gesetzlich nicht sanktioniert und nur erheblich, wenn er sich auf die materielle Rechtslage auswirkt. Somit sind die im Versammlungsrecht entwickelten Grenzen des Kooperationsmodells auch im Rahmen der Kooperation bei Sportgroßveranstaltungen anzuwenden. bb) Grenzen aus Veranstaltersicht Aus der Sicht des Veranstalters sind die Grenzen seiner Kooperationsobliegenheit geprägt von der eigenverantwortlichen Ausübung seiner Grundrechte. Eine Konkretisierung lässt sich vornehmen anhand der Rechtsnatur der Kooperation als Obliegenheit und der Nichtübertragbarkeit von Verantwortungsbereichen bei der Grundrechtsausübung. (1) Die Mitwirkung im Verwaltungsverfahren ist für den Veranstalter keine Pflicht, sondern nur eine Obliegenheit.150 Sie kann nicht zwangsweise durchgesetzt werden. Über die Art und Weise, wie der Veranstalter seine 147 Denninger, Staatliche Hilfe zur Grundrechtsausübung in: HStR V, § 113, Rn 34; zur Hilfsfunktion des Verfahrensrechts siehe Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn 8. 148 Klappstein in: Knack, VwVfG § 46 Rn 41. 149 Auch nach Kniesel in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H Rn 312 „ergänzt die Kooperation als informales Mittel des Verwaltungsverfahrens das überkommene hoheitlich strukturierte Handeln nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen.“
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Grundrechte ausüben und die Spielbegegnung organisieren möchte, entscheidet er in eigener Verantwortung. Es liegt in seiner Hand, die Beratung der Behörde anzunehmen oder auszuschlagen. Er entscheidet darüber, ob und wenn ja in welcher Weise er der Polizei seine Mitwirkung an der Gefahrenabwehr anbietet. Verweigert er die Kooperation, so vergibt er die Möglichkeit, am Verfahren mitzuwirken. Wie im Versammlungsrecht151 führt die unterbliebene Kooperation nicht zu einer verwaltungsrechtlichen Sanktion. Insbesondere kann auf diesem Wege keine polizeiliche Verantwortlichkeit des Veranstalters begründet werden. (2) Die Kooperation kann nicht zu einer Verschiebung der Verantwortungsbereiche zwischen Polizei und Veranstalter führen. Die hoheitliche Aufgabenwahrnehmung obliegt ausschließlich der Polizei. Sie kann ohne gesetzliche Grundlage keine hoheitlichen Aufgaben auf den Veranstalter übertragen. Alle Sicherheitsmaßnahmen des Veranstalters, die in die Rechte der Betroffenen eingreifen, müssen daher durch die allgemeinen zivilrechtlichen Grundlagen gedeckt sein. Da die Kooperation für den Veranstalter eine Obliegenheit ist, kann er hierdurch keine rechtlichen Pflichten erfüllen oder Verantwortungen an die Polizei delegieren. Allein die Zusammenarbeit mit der Polizei oder die Befolgung ihrer Ratschläge entbindet ihn z. B. nicht von der Erfüllung seiner zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht gegenüber den Stadionbesuchern oder etwaigen Nachbarn. Auch ein Stadionverbot gegenüber einem Hooligan hat nur der Veranstalter zu verantworten,152 selbst wenn es von den szenekundigen Beamten angeregt wurde. III. Veranstalter als Adressat einer polizeilich verfügten Spielabsage Die gewonnenen Erkenntnisse zur Polizeipflicht des Veranstalters und zur Anwendung des Kooperationsprinzips153 sollen nunmehr am Beispiel des „worst case“ – einer polizeirechtlich verfügten Spielabsage wegen erwarteter HooliganKrawalle – umgesetzt werden. Dabei wird vorab klargestellt, dass die Spielabsage ihre Ermächtigungsgrundlage in der polizeilichen Generalklausel findet, deren Voraussetzungen jedoch aufgrund der fehlenden polizeilichen Verantwortlichkeit des Veranstalters um die Anforderungen des polizeilichen Notstandes ergänzt werden (siehe hierzu 150 Für die versammlungsrechtliche Ausprägung des Kooperationsprinzips sehr deutlich BVerfG NJW 2001, 2078 f. 151 Hoffmann-Riem in: Festschrift Simon, S. 384. 152 Wie vor dem AG Leverkusen, SpuRt 2001, 72 f. geschehen; hierzu siehe oben lit. b), dd). 153 Siehe oben unter Ziff. I. und II.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
unten Ziff. 1.). Sodann werden die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen einer Spielabsage dargelegt (siehe hierzu unten Ziff. 2.) und abschließend geprüft, ob ein Entschädigungsanspruch des Veranstalters wegen der polizeilich verfügten Spielabsage besteht (siehe hierzu unten Ziff. 3.). 1. Ermächtigungsgrundlage Mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung kommt als Ermächtigungsgrundlage lediglich die polizeiliche Generalklausel in Betracht. Wenn ihre Voraussetzungen erfüllt sind, kann zunächst derjenige in Anspruch genommen werden, der für die zu beseitigende Gefahr polizeilich verantwortlich ist.154 Für die Gefahr aus dem gewaltsamen Verhalten von Hooligans ist der ausrichtende Verein jedoch gerade nicht verantwortlich, da der polizeiliche Zurechnungszusammenhang durch deren gewaltsames Verhalten unterbrochen wird.155 Ist eine Gefahr nicht anders abzuwehren als durch die Inanspruchnahme eines Nichtstörers, wird dies durch das Rechtsinstitut des polizeilichen Notstandes ermöglicht. Ermächtigungsgrundlage bleibt dabei die polizeiliche Generalklausel; denn die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes ermächtigen nicht zu Eingriffen, sondern stellen weitere Beschränkungen für eine eingreifende Polizeiverfügung dar, die sich dem Grunde nach auf eine polizeiliche Standard- oder Generalermächtigung stützt.156 2. Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigung zur Spielabsage Nach den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes157 setzt die Spielabsage aufgrund bevorstehender Hooligan-Krawalle eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr [siehe unten lit. a)], die Unmöglichkeit der Gefahrenabwehr durch Maßnahmen gegen die Hooligans als Störer [siehe unten lit. b)] oder durch eigene Mittel der Polizei [siehe unten lit. c)] sowie die Einhaltung der Opfergrenze für den betroffenen Nichtstörer [siehe unten lit. d)] voraus.
154
Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 318 ff., 322. s. o. Ziff. I. 3., lit. c). 156 Drews/Vogel/Wacke/Martens, Gefahrenabwehr, § 22 Ziffer 1, S. 331; Schmidbauer in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 10 Rn 7. 157 Hierzu: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 313 ff.; Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn 558. 155
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a) Gegenwärtige erhebliche Gefahr wegen drohender Ausschreitungen gewaltsamer Hooligans Die Merkmale der Gegenwärtigkeit und der Erheblichkeit fordern – über die konkrete Gefahr der Generalklausel hinaus – eine enge zeitliche Nähe bzw. eine hohe Wahrscheinlichkeit des drohenden Schadenseintritts sowie die Gefährdung besonders bedeutsamer Rechtsgüter.158 Angesichts des Schadensausmaßes und der Bedrohung von Leib und Leben der friedlichen Zuschauer, Sportler und der Bevölkerung in der Innenstadt, welche oftmals zum Schauplatz gewalttätiger Auseinandersetzungen wird, kann eine Bedrohung bedeutsamer Rechtsgüter nicht bestritten werden. Liegen der Polizei ausreichende konkrete Hinweise für gezielte Randale vor, so liegt auch die besondere Schadenswahrscheinlichkeit vor. In die Gefahrenprognose sind auch die Bemühungen eines kooperativen Veranstalters einzubeziehen, der Anstrengungen zur Gewaltvermeidung trifft. Nimmt er diese nicht vor, so sinkt nach dem Kooperationsmodell die Eingriffsschwelle für die Polizei. Daher kann eine gegenwärtige erhebliche Gefahr auch dann vorliegen, wenn der Schaden zwar durch Maßnahmen des Veranstalters zu vermeiden wäre, die entsprechenden Vorkehrungen jedoch nicht getroffen werden. Denn Grundsätze des Kooperationsmodells gelten auch im Verhältnis zwischen Polizei und Nichtstörer.159 b) Unmöglichkeit der Gefahrenabwehr durch Maßnahmen gegen die Hooligans als Störer Eine Spielabsage ist nicht zulässig, wenn die durch den Hooliganismus drohende Gefahr durch Maßnahmen gegen die gewalttätigen Störer beseitigt werden kann. Tatsächlich treffen die Behörden hierzu umfangreiche Maßnahmen, z. B. zur Anreiseverhinderung potentieller Gewalttäter.160 Ob diese Einzelmaßnahmen aber eine ausreichende Gewähr für die Gefahrenbeseitigung darstellen, ist im Rahmen der Gefahrenprognose im konkreten Fall zu entscheiden. Dabei ist z. B. zu bedenken, dass den Behörden bei internationalen Wettkämpfen gegenüber ausländischen Hooligans weder dieselbe Kenntnis der Szene noch dieselben rechtlichen Befugnisse wie bei nationalen Spielen zur Verfügung stehen. Eine deutsche Polizeibehörde kann z. B. keine Meldeauflage zur Anreiseverhinderung gegenüber einem im Ausland wohnhaften englischen Hooligan verfügen.
158 159 160
Schoch, JuS 1995, S. 33. Siehe oben Ziff. II.., 2., lit. b), aa). Siehe oben Erster Teil, C., Ziff. III., 3., lit. b) und Ziff. 4., lit. c).
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
Auch bei der vorrangigen Inanspruchnahme der Störer gibt das Kooperationsmodell dem Veranstalter die Möglichkeit, der Polizei ein milderes Mittel als die Spielabsage zur Verfügung zu stellen. Durch eigene Maßnahmen, z. B. die Organisation der Anreise der Fans, einen kontrollierten Kartenverkauf, die strikte Einhaltung des Blockzwangs und vor allem durch eine zuverlässige und solide Information der Polizei kann der ausrichtende Verein dazu beitragen, dass gefahrenabwehrende Maßnahmen gegen die potentiellen Gewalttäter möglich werden und das Spiel durchgeführt werden kann. Lässt der Veranstalter diese Möglichkeiten der Kooperation ungenutzt, kann dies auch für das polizeiliche Gebot der primären Inanspruchnahme des Störers dazu führen, dass die Eingriffsschwelle sinkt. c) Keine Möglichkeit der Gefahrenabwehr durch eigene Mittel der Polizei Bevor die Polizei den Notstandspflichtigen heranzieht, muss sie alle eigenen Mittel zur Gefahrenabwehr einsetzen. Gegebenenfalls hat sie im Wege der Amts- und Vollzugshilfe auswärtige Polizeikräfte einzusetzen.161 Dabei wird das zumutbare Maß des Kräfteeinsatzes nicht durch den finanziellen Aufwand begrenzt. Die eigenen Mittel der Polizei sind erst erschöpft, wenn die Gefahrenbeseitigung ohne Rücksicht auf die Kosten objektiv unmöglich ist.162 Daher kann ein Spiel nicht allein deswegen abgesagt werden, weil dessen Absicherung nur durch einen umfangreichen Großeinsatz möglich ist und erhebliche, möglicherweise unzumutbare Kosten verursacht. Die einzusetzenden Mittel werden indes durch die faktischen Grenzen polizeilichen Könnens beschränkt. Insbesondere für Krawalle bei Sportveranstaltungen können sich faktische Grenzen polizeilicher Handlungsmacht ergeben, wenn sich unlösbare logistische Probleme bei der Heranziehung auswärtiger Kräfte oder bei der Unterbringung von festgenommenen Störern zeigen.163 Auch in diesem Rahmen kann der Veranstalter durch kooperatives Verhalten Problemlösungen ermöglichen, die allein mit polizeilichen Kräften nicht erreichbar wären. So kann er z. B. der Polizei innerhalb des Stadions ausreichende und gut ausgestattete Einsatzräume, Videokameras und Gefangenensammelstellen zur Verfügung stellen. Rechtzeitige und umfassende Information vor einer Spielbegegnung ermöglicht der Polizei eine solide Vorbereitung und logistische Planung ihrer Einsätze. Mithin ist die Eingriffsschwelle auch an diesem Punkt von der kooperativen Mitarbeit des Veranstalters abhängig. 161 Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 308; nach mündlicher Auskunft des BMI gegenüber dem Verfasser kann keine Großveranstaltung bewältigt werden, ohne dass der örtlich zuständigen Polizeibehörde weitere Polizeikräfte aus anderen Bundesländern zugeordnet werden. 162 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 22 Ziffer 2, lit. b), S. 335. 163 Denninger in: Handbuch des Polizeirechts, Teil E, Rn 134.
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Unter dem Begriff der faktischen Grenzen polizeilichen Handelns ist auch die Verfügbarkeit der polizeilichen Ressourcen zu fassen. Hierauf kann sich die Polizei berufen, wenn zeitgleich mehrere gleichwertige ressourcenintensive Schutzaufgaben zu bewältigen sind. Dabei obliegt es der Behörde, über die Verteilung ihrer Ressourcen und den Einsatz ihrer Kräfte selbst zu entscheiden. Hiernach ist es möglich, dass die Polizei aufgrund vorrangig zu erfüllender Aufgaben nicht in der Lage ist, die Veranstaltung in ausreichendem Maße zu schützen. Allerdings trägt die Polizei für die Tatsachen, die ihrer Entscheidung zugrunde liegen, die Darlegungs- und Beweislast; pauschale Behauptungen reichen nicht aus, um dieses Tatbestandsmerkmal des polizeilichen Notstandes zu belegen.164 d) Kein Überschreiten der Zumutbarkeitsgrenze durch Spielabsage Maßnahmen gegen den Nichtstörer verbieten sich, wenn sie unzumutbar sind, weil sie den Betroffenen einer erheblichen Gefährdung aussetzen oder ihm obliegende höherwertige Pflichten verletzen. Ob die Zumutbarkeitsgrenze eingehalten ist, wird durch eine Abwägung ermittelt zwischen dem Rechtsgut, dessen Gefährdung durch den Nichtstörer beseitigt werden soll und demjenigen, welches durch die Inanspruchnahme des Notstandspflichtigen gefährdet würde.165 Durch die Ausschreitungen der Hooligans werden regelmäßig zahlreiche unbeteiligte Stadionbesucher, teilweise auch die Sportler, verletzt.166 Wenn derartige Ausschreitungen zu erwarten sind, dürften meist die körperliche Unversehrtheit und teilweise auch das Leben der an der Sportveranstaltung beteiligten Zuschauer, Sportler und Trainer gefährdet sein. Bei der Untersuchung der grundrechtlichen Ausgangslage167 traten keine Rechtsgüter des Veranstalters zu Tage, welche eine erhebliche Gefährdung der verfassungsrechtlich zentral geschützten Rechtsgüter von Leib und Leben der Sportler, Trainer und Zuschauer aufwiegen könnten. Insbesondere wird das Interesse am Schutz dieser zentralen Grundrechte nicht durch das merkantile oder sportliche Interesse des Veranstalters aufgewogen. Sind nach der polizeilichen Prognose Hooliganausschreitungen zu erwarten, deren Gefahren für Leib und Leben der Zuschauer, Sportler und Trainer nicht durch polizeiliche Maßnahmen verhindert werden können, wird durch eine Spielabsage die Zumutbarkeitsgrenze für den Veranstalter nicht überschritten. 164 Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 26; BVerfG NJW 2001, 2069 (2972); BVerfG NJW 2001, 1411 f. 165 Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 309; Schmidbauer in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 10 Rn 22. 166 Hierzu siehe oben Erster Teil, C., I., II. 167 Siehe oben Zweiter Teil, A., Ziff. I.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
3. Entschädigung für den von einer Spielabsage betroffenen Veranstalter? Wenn die Polizeibehörden ordnungsrechtliche Verfügungen gegenüber dem Veranstalter als Nichtstörer treffen, die bis zur Spielabsage reichen können, kommt dem Grunde nach ein Anspruch des ausrichtenden Vereins auf Entschädigung aus § 45 MEPolG bzw. den entsprechenden Normen in den Polizeigesetzen der Länder in Betracht. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 MEPolG ist dem Nichtstörer, der infolge einer rechtmäßigen Inanspruchnahme einen Schaden erlitten hat, ein angemessener Ausgleich zu gewähren. Für den Organisator einer Sportgroßveranstaltung wird ein derartiger Ausgleichsanspruch zum Teil als unbillig empfunden und dies als Begründung für die angebliche umfassende Störereigenschaft des Veranstalters von Fußballspielen herangezogen.168 Eine genauere Betrachtung von Inhalt und Rechtsfolgen des Entschädigungsanspruchs macht indes den Zwang zur Begründung der polizeilichen Veranstalter-Verantwortlichkeit entbehrlich. Vielmehr wird anhand der Überprüfung der Sonderopfersituation der Vereine [siehe unten lit. a)], der Beschränkung der Ersatzpflicht auf unmittelbare Schäden [siehe unten lit. b)], der Mitverantwortung der Vereine bei unterbliebener Kooperation [siehe unten lit. c)] und der Auswirkungen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit [siehe unten lit. d)] deutlich, dass die Entschädigungspflicht für eine polizeilich verfügte Spielabsage in der Praxis kaum zu einer konkreten Zahlungsverpflichtung des Staates führen kann. a) Nur teilweise Sonderopfersituation der Vereine Gemäß § 46 Abs. 5 Satz 1 MEPolG ist bei der Bemessung des Schadens unter anderen zu berücksichtigen, ob der Geschädigte oder sein Vermögen durch die Maßnahme der Polizei geschützt worden ist; nach Art. 70 Abs. 4 BayPAG besteht ein Entschädigungsanspruch nicht, soweit die Maßnahme auch unmittelbar dem Schutz der Person oder des Vermögens des Geschädigten gedient hat. Hiernach kann ein Entschädigungsanspruch für solche Personen ausgeschlossen sein, die zwar als Nichtstörer von der Polizeimaßnahme betroffen wurden, aber dennoch gegenüber dem Gemeinwesen kein Sonderopfer aufgebracht haben, weil die Gefahrenabwehr zum Schutz ihrer eigenen Rechtsgüter gedient hat.169 Die polizeiliche Absicherung von Sportgroßveranstaltungen dient auch dazu, dem Veranstalter die Ausübung seiner Grundrechte, insbesondere der Nutzung seines Eigentums, zu ermöglichen. Besteht aufgrund konkreter Erkenntnisse die Gefahr, dass durch gewalttätige Zuschauerausschreitungen das Stadion Schaden nehmen könnte, dient eine Spielabsage auch dem Schutz des Veranstalters. Dies 168 169
So Lege, Verwaltungsarchiv 1998, 85. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 33 Ziffer 3, S. 664 ff.
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trifft auch dann zu, wenn Leib oder Leben der Sportler gefährdet sind. Ihr Schutz dient letztlich dem Verein, der auf seine Spieler als „Arbeitsmaterial“170 dringend angewiesen ist. Soweit eine Spielabsage verfügt wird, damit das Stadion oder die Spieler selbst geschützt werden, ist ein Entschädigungsanspruch des Veranstalters daher ausgeschlossen. Wird die Maßnahme gegen den nichtstörenden Veranstalter nicht nur zu dessen Schutz, sondern auch zum Schutze anderer getroffen, ist der Entschädigungsanspruch entsprechend zu mindern.171 Somit kommt eine anteilige Entschädigung in Betracht, wenn die polizeiliche Notstandsmaßnahme nicht nur zum Schutz von Sportler und Stadion bzw. dem sonstigen Eigentum des Vereins getroffen wird, sondern auch im Interesse anderer Personen erfolgt, die von der Hooligangewalt betroffen sind. Denkbar ist es z. B., dass ein Spiel abgesagt wird, weil Krawalle nicht nur im Stadion, sondern auch in der Innenstadt prognostiziert werden. In diesem Fall erfolgt die Notstandsmaßnahme auch zum Schutz der Geschäfts- und Gaststätteninhaber in der Innenstadt. b) Entschädigung nur für unmittelbare Schäden Im Gegensatz zum Staatshaftungsanspruch erfasst die Entschädigung des Notstandspflichtigen nicht die Wiederherstellung des Zustandes ohne die verfahrensgegenständliche Spielabsage, sondern lediglich eine angemessene Entschädigung. Grundsätzlich ist nur der unmittelbare, konkret nachzuweisende Schaden an den betroffenen Vermögensgütern, nicht aber der entgangene Gewinn zu ersetzen.172 Dabei ist zu beachten, dass ein abgesagtes Spiel in der Regel nachgeholt wird. Für diese Nachholspiele behalten die im Vorverkauf abgesetzten Eintrittskarten ihre Gültigkeit und müssen nicht zurückgenommen werden. Auch die TV-Rechte aus einer Spielbegegnung gehen nicht verloren, sondern können im Nachholtermin verwertet werden. Soweit dennoch ein tatsächlicher Schaden aus der teilweise fehlenden Verwertung der Fernsehrechte verbliebe, etwa aufgrund einer Vertragsstrafe gegenüber dem TV-Sender, weil das Spiel nicht zum ursprünglichen Zeitpunkt stattfinden konnte,173 bleibt höchst fraglich, ob dieser noch einen unmittelbaren und entschädigungspflichtigen Vermögensverlust darstellt. Denn die Vereinbarung einer solchen Vertragsstrafe ist nicht unmittelbar an die Substanz des TV-Rechtes gebunden, sondern unterliegt einer weiteren Verfügung und der Entscheidung des Rechteinhabers, welche dem Einflussbereich der Polizei entzogen ist. 170 Zu Eigenschaft der Sportler als vom Verein eingesetztes Mittel zum Sieg siehe Zweiter Teil, A., Ziff. I., 1., lit. b), bb). 171 Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil L, Rn 115. 172 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 33 Ziffer 3, S. 671; Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 526. 173 So das Szenario von Lege, Verwaltungsarchiv 1998, 85.
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c) Mitverantwortung des Veranstalters für unterbliebene oder gescheiterte Kooperation Schließlich ist beim polizeigesetzlichen Entschädigungsanspruch gemäß § 254 BGB analog das Mitverschulden des Geschädigten zu berücksichtigen. Die Mitverantwortung des Geschädigten kann dabei so gewichtig sein, dass sie seinen Ersatzanspruch ausschließt. Sie liegt immer dann vor, wenn der Geschädigte den Schaden durch ein Verschulden gegen sich selbst, d.h. die Verletzung einer Obliegenheit, mitverursacht hat.174 In diesem Rahmen kommt die Eigenschaft der Kooperation als Obliegenheit des Veranstalters zum Tragen. Unternimmt der Veranstalter nicht alle zumutbaren Maßnahmen der Kooperation, so kann sein Unterlassen zu einer Einschränkung der polizeilichen Handlungsmöglichkeiten führen.175 Hätte die Veranstaltung unter der Mitwirkung des ausrichtenden Vereins durchgeführt werden können und war unter Ausschöpfung aller übrigen polizeilichen Handlungsmöglichkeiten die Gefahr nicht anders abzuwenden als durch eine Spielabsage, kann die verweigerte Kooperation des Veranstalters den Entschädigungsanspruch mindern oder auch gänzlich ausschließen. Das Mitverschulden des Geschädigten bezieht sich nicht nur auf den Eintritt des Schadens, sondern auch auf dessen Ausmaß.176 Der Veranstalter muss zumindest diejenigen Schadensfolgen in eigener Person tragen, die aus der freiwilligen Übernahme unkalkulierbarer Risiken folgen. Daher wird eine Vertragsstrafe, zu der sich ein Verein verpflichtet, wenn ein Spiel zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht im Fernsehen übertragen werden kann, nicht entschädigt.177 d) Auswirkungen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit Ohne eine gesetzliche Regelung wird der Entschädigungsanspruch durch eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht ausgeschlossen.178 Eine solche Sonderregelung stellt z. B. die Subsidiaritätsklausel in Art. 70 Abs. 1 BayPAG dar. Hiernach besteht die Entschädigungspflicht der Polizei gegenüber dem Nichtverantwortlichen nur, soweit „der Geschädigte nicht von einem anderen Ersatz zu verlangen vermag“. In Betracht kommen dabei in erster Linie Versicherungsleistungen aufgrund Gesetz oder eines Vertrages.179 Soweit ersichtlich, 174 Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil L, Rn 109; auch Heinrichs in: Palandt, § 254, Rn 7 und 52 sowie Medicus, Schuldrecht I, Rn 676. 175 s. o. lit. b). 176 Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, § 31 Rn 36 ff. 177 A. A. Lege, Verwaltungsarchiv 1998, 85. 178 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 33, Ziffer 3., lit. b), S. 672. 179 Schmidbauer in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 70 Rn 71; insofern liegt eine andere Praxis vor als im Falle des § 839 Abs. 1
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versuchte die FIFA die Fußball-WM 2002 gegen den Ausfall zu versichern.180 Besteht ein solcher Versicherungsvertrag, so ist eine Entschädigung nach bayerischem Recht ausgeschlossen, da der Veranstalter durch den Vertrag abgesichert ist. IV. Ergebnis Der Veranstalter eines Fußballspiels ist für diejenigen polizeilichen Gefahren verantwortlich, die durch das Sportereignis für kollidierende Grundrechte Dritter und sonstige Verfassungsgüter drohen. Dabei kann er als Störer in die Schranken seiner Rechte verwiesen werden, wenn er bei der Durchführung der Spielbegegnung die Grundrechte anderer verletzt, z. B. durch die Organisation einer unfriedlichen Veranstaltung. Die Unfriedlichkeit kann insbesondere dann prognostiziert werden, wenn anzunehmen ist, der Veranstalter werde Gewaltausbrüche tolerieren. Der polizeiliche Zurechnungszusammenhang wird in jedem Fall unterbrochen, wenn gewaltbereite Hooligans aus der Menge heraus agieren. Zur Vermeidung solcher Gefahren kann der Veranstalter allenfalls als Nichtstörer in Anspruch genommen werden. Das Kooperationsprinzip, welches seit dem Brokdorf-Beschluss des BVerfG zur Vorbereitung auf Demonstrationslagen praktiziert wird, ist dem Grunde nach kein versammlungsrechtliches Spezifikum, sondern in den verfahrensmäßigen Wirkungen der Grundrechte begründet und daher auch im allgemeinen Polizeirecht anwendbar. Hiernach ist die Polizei verpflichtet, die Bemühungen des Veranstalters zur kooperativen Zusammenarbeit zu begünstigen und als Mittel der Gefahrenvorbeugung und -abwehr auszuschöpfen. Ein Verstoß gegen die Kooperationspflicht kann zu einem Fehler bei der Gefahrenprognose und/oder bei der Ermessensausübung führen. Für den Veranstalter ist die Kooperation keine Rechtspflicht, sondern eine Obliegenheit. Ihre Wahrnehmung begünstigt den Veranstalter bei der polizeilichen Absicherung von Sportgroßveranstaltungen. Eine effektive Interessenswahrnehmung durch den Veranstalter im Verwaltungsverfahren ist nur möglich, wenn er seinerseits bei der Organisation und Durchführung der Veranstaltung die Grenzen des Rechts beachtet, insbesondere bei der Erteilung von Stadionverboten und der Vornahme körperlicher Durchsuchungen, damit seine Maßnahmen in das polizeiliche Einsatzkonzept integriert werden können. Das Kooperationsmodell findet seine Grenzen im gesetzgeberischen Auftrag an die Polizei und in der eigenverantwortlichen Wahrnehmung verfassungsmäßiger Freiheitsrechte durch den Veranstalter. Satz 2 BGB, in dessen Rahmen nach BGHZ 79, 35 und 85, 230 Ansprüche aus freiwilligen Versicherungen nicht als anderweitige Ersatzmöglichkeit gelten. 180 FAZ vom 13.10.2001, Nr. 283/2001, S. 13.
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Eine Spielabsage aufgrund von Gefahren gewalttätiger Hooligans kann gegenüber dem Veranstalter als Nichtstörer verfügt werden. Durch seine kooperative Mitarbeit kann er jedoch dazu beitragen, dass die polizeilichen Gefahren des Hooliganismus auf andere Weise beseitigt werden. Im Falle einer Spielabsage besteht nur teilweise eine entschädigungspflichtige Sonderopfersituation für den ausrichtenden Verein. Eine Entschädigung wird regelmäßig scheitern, weil eine Spielabsage dem Schutz des Veranstalters dient, keinen entschädigungspflichtigen Vermögensschaden hervorruft oder durch das Mitverschulden des geschädigten Vereins ausgeschlossen bzw. vermindert ist.
B. „Fanorientierte“ Gefahrenabwehr Als „fanorientierte“ Gefahrenabwehr soll im folgenden diejenige polizeiliche Arbeit beleuchtet werden, die sich an die Fußballfans als Eingriffsbetroffene richtet. Dabei haben die polizeilichen Einsatzkonzepte zu differenzieren zwischen den gewaltsamen Hooligans als Störern und den friedlichen Fans, die den weitaus größten Anteil der Zuschauer eines Fußballspiels ausmachen (siehe hierzu unten Ziff. I.). Zur Umsetzung dieses Differenzierungsgebotes und zur Erstellung einer zuverlässigen Gefahrenprognose ist die polizeiliche Informationsgewinnung und -auswertung von entscheidender Bedeutung (siehe hierzu unten Ziff. II.). Die auf der Grundlage der erhobenen Informationen basierende Gefahrenabwehr lässt sich anhand ihrer Umsetzung gegenüber einzelnen Personen (siehe hierzu unten Ziff. III.) und gegenüber der Fanansammlung (siehe hierzu unten Ziff. IV.) unterteilen, bevor die Besonderheiten der fanorientierten Gefahrenabwehr bei internationalen Spielen dargestellt werden (siehe hierzu unten Ziff. V.). I. Differenzierungsgebot als Grundlage fanorientierter Polizeiarbeit Nachfolgend wird das Recht der friedlichen Fans aufgezeigt, in Freiheit und Sicherheit eine Sportveranstaltung zu erleben (siehe unten Ziff. 1.). Das aus diesem Recht folgende Differenzierungsgebot ist in den polizeilichen Einsatzkonzepten zur Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen umzusetzen (siehe unten Ziff. 2.). 1. Recht des friedlichen Fußballfans auf Sicherheit Die Ausgangslage bei Sportgroßveranstaltungen ist – insofern vergleichbar zum Demonstrationsgeschehen – geprägt von einem vergleichsweise geringen Anteil gewaltentschlossener Hooligans und einer überwiegenden Anzahl von
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friedlichen Stadionbesuchern.181 Dabei sind weder die friedlichen Fans noch der Veranstalter für die Gefahren verantwortlich, die aus gewalttätigen Handlungen der Hooligans entstehen. Denn der polizeiliche Zurechnungszusammenhang wird durch die Gewalt der Hooligans unterbrochen.182 Daher können friedliche Fans nur als Nichtstörer Adressat einer polizeilichen Verfügung werden. Zudem hat die Polizei dem verfassungsmäßigen Schutzauftrag, der auch die Fans begünstigt und im polizeilichgesetzlichen Handlungsauftrag umgesetzt ist, Rechnung zu tragen. Denn die friedlichen Fans können sich jedenfalls auf die allgemeine Handlungsfreiheit berufen und sind bei der Ausübung dieses Rechtes vor gewaltsamen Übergriffen Dritter polizeilich zu schützen.183 Der polizeiliche Schutzauftrag bezieht sich hiernach auch auf das Recht der friedlichen Fans, ein Fußballspiel im Stadion zu erleben. Bei der Abwehr der polizeilichen Gefahren, die aus dem Hooliganismus erwachsen, sind sämtliche Maßnahmen auszuschöpfen, um die Teilnahme der friedlichen Fans an der Veranstaltung zu ermöglichen. Dies bedeutet, dass zur Erfüllung des verfassungsrechtlich vorgegebenen und polizeirechtlich umgesetzten Schutzauftrages differenziert werden muss zwischen den friedlichen Fans und den gewalttätigen Hooligans.184 2. Umsetzung des Differenzierungsgebotes in den polizeilichen Einsatzkonzepten Die polizeilichen Einsatzkonzepte bei Sportgroßveranstaltungen haben diese verfassungs- und einfachrechtlichen Vorgaben der Differenzierung des Zuschauerpotentials umzusetzen. Sie übertragen die Einsatzkonzepte aus den Demonstrationslagen und haben die Unterscheidung zwischen Gewalttätern und friedlichen Zuschauern zum Ziel.185 Die Probleme von polizeilichen Einsätzen bei Sportgroßveranstaltungen liegen zu einem großen Teil in der Vermengung gewalttätiger Hooligans mit der Masse der friedlichen Stadionbesucher. Wird ein Hooligan auf frischer Tat oder kurz zuvor betroffen, so steht der Polizei ein ausreichendes Handlungsinstrumentarium zur Verfügung. Die Durchsetzung und der Erfolg dieses Instrumentariums stößt aber aufgrund der „Einbettung“ der Täter in die friedliche Menge auf erhebliche Hindernisse. Die polizeilichen Einsatzkonzepte sind daher richti-
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Zur Zusammensetzung des Stadionpublikums siehe Erster Teil, C., Ziff. I., 1. Zur Unterbrechung der polizeilichen Verantwortungszurechnung gegenüber dem Veranstalter siehe oben A., Ziff. I., 3. 183 Zum polizeigesetzlich konkretisierten grundrechtlichen Schutzauftrag siehe Zweiter Teil, A., Ziff. II., 2., lit. b). 184 Im Ergebnis ebenso Markert/Schmidbauer, BayVBl. 1993, 518. 185 Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03. 2000, S. 3, 15; Kuhleber, Einsatzlehre, S. 348 f.; Gruber, Polizeispiegel 1998, 177. 182
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gerweise darauf ausgerichtet, Gefahren vorzubeugen und Ausschreitungen zu vermeiden.186 Dies wird durch eine möglichst frühzeitige Separierung der Gewalttäter von den friedlichen Zuschauern erreicht, indem von außen nach innen mehrere Filter, z. B. Kontrollstellen, gewährleisten sollen, dass am Ort des Geschehens selbst nur friedliche Zuschauer auftreten.187 Voraussetzung für den Erfolg eines solchen Konzeptes ist die korrekte Abgrenzung zwischen Gewalttätern und friedlichen Fußballfans an den jeweiligen Filterpunkten. Entsprechend dem präventiv-polizeilichen Auftrag, mögliche Schäden in der Zukunft zu verhindern, kann diese Abgrenzung nur durch eine Prognose erfolgen. Die Effektivität der polizeilichen Absicherung eines Fußballspiels hängt dabei von der Qualität der im Einzelfall vorgenommenen Gefahrenprognose ab, die somit von entscheidender Relevanz ist für die einzelnen polizeilichen Verfügungen. II. Informationsgewinnung und Informationsauswertung als Entscheidungsgrundlage für personenbezogene Gefahrenprognose Ausreichendes Informationsmaterial erweist sich als unentbehrlich für die Grundlage der polizeilichen Gefahrenprognose vor Sportgroßveranstaltungen.188 Für die Rechtmäßigkeit eines polizeilichen Einsatzkonzeptes sind unter anderem die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person entscheidungserheblich. Als sogenannte „personenbezogene Daten“ im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG sind sie erfasst vom Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.189 Dessen verfassungsrechtliche Vorgaben (siehe unten Ziff. 1.) sind bei der Informationsgewinnung (siehe unten Ziff. 2.) und der Informationsverarbeitung (siehe unten Ziff. 3.) zu beachten und umzusetzen. 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Schutz des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung sind im wesentlichen im „Volkszählungsurteil“ des BVerfG definiert worden. Hiernach soll der einzelne gegen die unbegrenzte Er186
Manssen SpuRt 1994, 170; Nolte, NVwZ 2001, 149. Studienpapier „Großveranstaltungen/Demonstrationen“ der Polizeiführungsakademie Münster-Hiltrup, Stand 09/2000, S. 10; auch die im Ersten Teil unter C., Ziff. 3. dargestellten polizeilichen Maßnahmen lassen auf eine Filterwirkung schließen. 188 Gruber, Polizeispiegel 1998, 175; Kuhleber, Einsatzlehre, S. 357, auch: VGH BW VBlBW 2000, 476. 189 Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 176; Nolte, Sport und Recht, S. 133. 187
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hebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten geschützt werden. Der Eingriff in dieses Recht ist nur aufgrund eines Gesetzes möglich, das dem Betroffenen die Kenntnis vermittelt, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß.190 Diese durch das BVerfG definierten Vorgaben wurden durch den Erlass bereichsspezifischer Regelungen zur Informationsgewinnung und -verarbeitung in den Polizeigesetzen der Länder umgesetzt. Sie lehnen sich im wesentlichen an den VEMEPolG an, welcher stellvertretend für die landespolizeigesetzlichen Normen herangezogen wird.191 2. Umsetzung des Persönlichkeitsschutzes bei der polizeilichen Informationsgewinnung und -verarbeitung Die Rechtmäßigkeitsanforderungen an die polizeiliche Praxis der Informationsgewinnung lässt sich aufteilen in die Informationserhebung im Vorfeld der Sportveranstaltung [siehe unten lit. a)], die Datenerhebung und Observation am Spieltag selbst [siehe unten lit. b)] und die informationelle Nachbereitung eines Spieltages durch die Polizei [siehe unten lit. c)]. a) Polizeiliche Informationserhebung im Vorfeld der Veranstaltung Die polizeiliche Informationsgewinnung setzt bereits im Vorfeld der Sportveranstaltung an. Soweit die Informationen durch Personenbefragungen aus der Szene gewonnen werden, stützt sich die polizeiliche Praxis auf die allgemeine Erhebungsbefugnis entsprechend § 8a VEMEPolG.192 Abs. 1 dieser Vorschrift rechtfertigt die Datenerhebung zur Abwehr einer konkreten Gefahr; Abs. 2 zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten. Da der Polizei im Vorfeld der Spielbegegnung nur selten Erkenntnisse für eine konkrete Gefahr vorliegen, hat sich die Erhebung personenbezogener Daten im Vorfeld einer Spielbegegnung regelmäßig auf die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten zu stützen. Hierfür müssen bestimmte Tatsachen vorliegen, die zwar noch keine konkrete Gefahr begründen, aber die Annahme rechtfertigen, der Betroffene werde am Spieltag eine Straftat begehen. Dabei kommt dem Umstand große Bedeutung zu, wie häufig jemand in strafrechtlichen Ermitt190 BVerfGE 65, 1 (43); so auch das Verständnis des Volkszählungsurteils von Bäumler in: Handbuch des Polizeirechts, Teil J, Rn 10; differenzierend: Götz, NVwZ 1990, 726. 191 Zur Entstehung des VEMEPolG siehe Knemeyer, NVwZ 1988, 196. 192 Bäumler in: Handbuch des Polizeirechts, Teil J Rn 598; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 195; für die insoweit entsprechende Norm des BayPAG (Art. 31 Abs. 1) Markert/Schmidbauer, Kriminalistik 1994, 495.
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lungsverfahren als Verdächtiger verwickelt war oder gar wegen strafbarer Handlungen verurteilt wurde.193 Da § 8a Abs. 2 VEMEPolG nicht konkretisiert, welche Straftaten die präventive Datenerhebung rechtfertigen, haben die Befürchtungen einer unzulässigen Ausweitung der polizeilichen Befugnisse durchaus ihre Berechtigung. Ihnen kann jedoch nur durch eine konsequente Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Anwendung der Ermächtigungsgrundlage Rechnung getragen werden. Die Begrenzung der Befugnisse über einen enumerativen Katalog mit Straftaten von erheblicher Bedeutung ist dagegen abzulehnen.194 Gerade die polizeiliche Absicherung von Sportgroßveranstaltungen zeigt, dass aus Straftaten, die dem Grunde nach nicht von erheblicher Bedeutung sind (wie z. B. § 223 Abs. 1 StGB) dennoch erhebliche Gefahren erwachsen können. Außerdem hat die Befragung grundsätzlich dem Betroffenen gegenüber zu erfolgen. Nur wenn die Erfüllung polizeilicher Aufgaben dadurch wesentlich erschwert oder gefährdet wird, können die Daten über dritte Personen erhoben werden; nicht ausreichend ist eine bloße Erschwerung der polizeilichen Arbeit.195 Da die erforderlichen Angaben selten von den Hooligans selbst zu erhalten sind, wird die Datenerhebung im Vorfeld von Sportgroßveranstaltungen in zahlreichen Fällen über dritte Personen erfolgen dürfen. Auch die Voraussetzungen einer verdeckten Datenerhebung196 können im Einzelfall vorliegen. b) Datenerhebung und Observation am Spieltag Am Spieltag selbst werden an bestimmten neuralgischen Punkten Daten erhoben und Observationen durchgeführt. Dabei wird unterschieden zwischen dem bloßen Beobachten der Fans, welches von der allgemeinen Befugnis zur Datenerhebung aufgrund einer abstrakten Gefahr gedeckt sein soll, und der verdeckten Observation, die bei einer konkreten Gefahr zulässig sei.197 Weiter werden die landespolizeigesetzlichen Umsetzungen des § 8b VEMEPolG zur Rechtfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen bei Sportveranstaltungen herangezogen. Hiernach kann die Polizei personenbezogene Daten bei Veranstaltungen, die nicht dem VersG unterliegen, erheben, soweit tatsächliche 193
Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F, Rn 177 f. So die von Bäumler in: Handbuch des Polizeirechts, Teil J Rn 598 ff. präsentierte Lösung dieses Problems. 195 Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 180; Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 397. 196 Siehe hierzu Bäumler in: Handbuch des Polizeirechts, Teil J Rn 746 f.; Nolte, Sport und Recht, S 136 f. 197 Markert/Schmidbauer, BayVBl. 1993, 519 sowie Kriminalistik 1994, 498. 194
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Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entstehen. Eine solche Regelung gestattet der Polizei im Ergebnis unbeschränkte Aufnahmen bei öffentlichen Veranstaltungen.198 Die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung während des Spieltags hat zu unterscheiden zwischen der Frage, ob ein Grundrechtseingriff vorliegt und wann dieser gerechtfertigt ist: Die reine Präsenz der Polizei an neuralgischen Punkten und die Beobachtung bestimmter Plätze sowie der sich dort aufhaltenden Fans stellt keinen Grundrechtseingriff dar und ist bereits von der polizeilichen Aufgabenzuweisung der Gefahrenabwehr gedeckt.199 Die offene Präsenz von Polizeikräften tangiert nicht das Recht der informationellen Selbstbestimmung und hindert niemanden an der Ausübung seiner Grundrechte. Damit ist die Rechtfertigung der bloßen Betrachtung der Fans durch den Hinweis auf eine abstrakte Gefahr ebenso überflüssig wie der Verweis auf § 8a VEMEPolG200 als angebliche Ermächtigungsgrundlage. Vielmehr schränkt die unzutreffende Anwendung dieser Normen den polizeiliche Handlungsspielraum unnötig ein. Ein Grundrechtseingriff liegt dagegen vor, wenn die Polizei einen Ort mittels Bildübertragung beobachtet („Kamera-Monitor-Prinzip“). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Aufnahme gefertigt oder die Bilder vor laufender Kamera ausgewertet werden. Durch die Möglichkeiten moderner Kameratechnik – etwa durch das „Heranzoomen“ auf einzelne Personen – werden personenbezogene Daten ohne oder gar gegen den Willen des Betroffenen erhoben. Ein solcher Grundrechtseingriff ist jedoch bereits dann gerechtfertigt, wenn er zur Vermeidung und zur Vorsorge von Gefahren erfolgt. Eine konkrete Gefahr ist nicht erforderlich. Daten können bereits im Vorfeld konkreter Gefahren zur Verbrechensvorbeugung erhoben werden, sofern an bestimmten Orten ein gewisses Gefährdungspotential besteht und der Einsatz von Kameras zur Gefahrenvorsorge geeignet und verhältnismäßig ist.201 Das Gefährdungspotential einer Sportgroßveranstaltung kann nicht bestritten werden. Angesichts der erheblichen Rechtsgutsverletzungen, die durch gewaltsame Zuschauerausschreitungen drohen, ist die Videoüberwachung zur Verbrechensvorbeugung gemäß § 8b VEMEPolG zulässig.202
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Nolte, NVwZ 2001, 151; Götz, NVwZ 1990, 728. Manssen, SpuRt 1994, 171. 200 Von Markert/Schmidbauer a. a. O. in Gestalt des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG herangezogen. 201 VGH BW VBlBW 2004, 20 ff. 202 Im Ergebnis ebenso Deger, VBlBW 2004, 98. 199
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c) Informationelle Nachbereitung des Spieltages Auch die informationelle Nachbereitung einer Spielbegegnung ist nicht unproblematisch, soweit personenbezogene Daten betroffen sind. So sieht sich z. B. die Mitteilung etwaiger Stadionverbote durch den Veranstalter an die Polizei gemäß § 30 Ziff. 6 Abs. 3 der Richtilinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen des Ligaverbandes bzw. des DFB zwei wesentlichen Hindernissen ausgesetzt: Zunächst beschränken die Vorschriften der §§ 27 ff. BDSG203 die Befugnis des privaten Veranstalters zur Weitergabe der persönlichen Daten des vom Stadionverbot Betroffenen; weiter ist es höchst fraglich, ob die Voraussetzungen der polizeilichen Befugnis zur Datenerhebung auch noch nach dem jeweiligen Spieltag vorliegen. Ob ein erteiltes Stadionverbot einen ausreichenden Anhaltspunkt für die zukünftige Begehung einer Straftat im Sinne des § 8a VEMEPolG darzustellen vermag, ist höchst zweifelhaft. Denn mit Blick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip rechtfertigt ein möglicher Verstoß durch den Betroffenen gegen das Stadionverbot bei einem späteren Spiel, welcher strafrechtlich als Hausfriedensbruch zu werten ist, die Datenerhebung nicht. Die Straftat des Hausfriedensbruchs wird nur auf Antrag verfolgt (§ 123 Abs. 2 StGB), den der Veranstalter als Antragsberechtigter zu stellen hat. Dieser verfügt selbst über alle rechtserheblichen Tatsachen, da er das Stadionverbot kennt und auch das unbefugte Betreten unmittelbar wahrnimmt. Er kann den Täter auch selbst durch seine Ordnungskräfte am Zugang zum Stadion hindern. Somit besteht keine gefahrenabwehrrechtliche Ermächtigungsgrundlage zur Erhebung von Stadionverboten beim Veranstalter. Die repressivpolizeilichen Befugnisse der §§ 163a StPO, 46 OWiG greifen nur, sofern eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit verfolgt werden soll; zur Prävention können sie nicht herangezogen werden. Dieses Problem wäre umgangen, wenn der Veranstalter die Einwilligung der Stadionbesucher zur Weitergabe ihrer Daten im Falle eines Stadionverbots an die Polizei in seine private Stadionordnung oder AGB aufnähme. Die zivilrechtliche Wirksamkeit einer solchen Bestimmung ist aus den oben unter Ziff. II., 2., lit. b), dd) genannten Gründen zu bejahen. Hiernach ist die Weitergabe personenbezogener Daten für den Betroffenen keine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 BGB. Der veranstaltende Verein hat ein berechtigtes Interesse an der Datenweitergabe, da er seiner Kooperationsobliegenheit bei der Gefahrenvorbeugung nachkommen möchte.
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Die Anwendung des BDSG wird eröffnet durch § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG.
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3. Verarbeitung personenbezogener Daten in der Datei „Gewalttäter Sport“ In der bundesweiten Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ werden alle Personen registriert, gegen die ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren aufgrund einer Katalogtat der Datei204 eingeleitet wurde oder die Adressat einer präventiven polizeilichen Maßnahme waren (z. B. Personalienfeststellung, Platzverweis, Ingewahrsamnahme), wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich die Person künftig an anlassbezogenen Straftaten beteiligen werde. Die Datei ist Teil des INPOL-Systems.205 Sie wird zwar vom BKA geführt, aber unmittelbar von den Verbundteilnehmern gespeist. Allein diese sind verantwortlich für die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung und Speicherung.206 Da die Speicherung der Daten neben der Erhebung einen eigenständigen Grundrechtseingriff darstellt, ist hierfür eine gesetzliche Ermächtigung notwendig.207 Weiter erhalten durch die Speicherung alle Verbundteilnehmer unmittelbaren Mitbesitz an den Daten. Daher sind bei einer Verbunddatei zum Zeitpunkt der Speicherung auch die Voraussetzungen für die Datenübermittlung zu prüfen. Verbundteilnehmern der Datei „Gewalttäter Sport“ sind die Dienststellen des Polizeivollzugdienstes. Die Voraussetzungen zur Datenübermittlung an Polizeidienststellen innerhalb des Bundesgebietes (§ 10c Abs. 1 VEMEPolG) decken sich mit den gesetzlichen Anforderungen an die Speicherung (§ 10a VEMEPolG). Hiernach ist die Speicherung bzw. Übermittlung personenbezogener Daten gerechtfertigt, soweit dies zur Erfüllung der polizeilichen Aufgaben erforderlich ist. Durch die Aufnahme der vorbeugenden Verhütung von Straftaten in das polizeigesetzlich geregelte Aufgabenspektrum können damit sowohl Daten gespeichert werden, die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gewonnen wurden (10a Abs. 3 VEMEPolG), als auch solche, die zur präventiven Verhütung von
204 Straftaten unter Gewaltanwendung gegen Leib und Leben bzw. fremde Sachen mit der Folge eines nicht unerheblichen Schadens, gefährliche Eingriffe in den Verkehr (§§ 315 ff. StGB), Störung öffentlicher Betriebe (§ 316b StGB), Nötigung, Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch, Gefangenenbefreiung, Raub- und Diebstahlsdelikte, Missbrauch von Notrufen, Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz, Handlungen nach § 27 Abs. 2 VersG. 205 INPOL bezeichnet das bundesweite elektronische Informationssystem der Polizei; hierzu www.bka.de/about/text.html, 16.08.2002, siehe auch die weitergehenden Hinweise in Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 424. 206 May, NdsVBl. 2002, 42; Schmidbauer in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 1 Rn 46; auch: Bäumler in: Handbuch des Polizeirechts, Teil J Rn 772; zur Verwendungspraxis der Datei siehe auch oben Erster Teil, C., Ziff. III., 2., lit. c) sowie das Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, Stand 28.03.2000, S. 9. 207 Gusy, Polizeirecht, Rn 230.
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Straftaten oder im Rahmen von Maßnahmen der Gefahrenabwehr erlangt wurden. Als ungeschriebene Voraussetzung ist die Prognose erforderlich, dass der Betroffene zukünftig anlassbezogene Straftaten begehen wird.208 Demnach befindet sich die Speicherpraxis der Datei „Gewalttäter Sport“ im Einklang mit dem geltenden Polizeirecht. Dennoch wird die Datenspeicherung von Adressaten präventiv-polizeilicher Maßnahmen bemängelt, da eine Prognose zukünftiger Straftaten anhand der Daten, die z. B. aus einer Identitätsfeststellung stammen, nicht möglich sei.209 Die gesetzliche Befugnis des BKA, nach der Errichtungsanordnung gemäß § 34 BKAG eine Verbunddatei zu führen, ergibt sich aus den §§ 7 ff. BKAG.210 Gemäß § 7 Abs. 6 BKAG bestimmt das BMI durch Rechtsverordnung das Nähere über die Art der Daten, die gespeichert werden dürfen. Umstritten ist, ob diesen Rechtsverordnungen konstitutive oder lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt. Für die Datei „Gewalttäter Sport“ existiert eine solche Rechtsverordung derzeit nicht. Sollte die Rechtsverordnung zur Bestimmung der gesetzlichen Speicherungsvoraussetzungen erforderlich sein, so wären die in der Datei „Gewalttäter Sport“ vorhandenen Daten unzulässig gespeichert und nicht verwertbar.211 Gemäß § 10h Abs. 1 Ziff. 8 VEMEPolG sind für jede automatisierte Datei in ihrer Errichtungsanordnung Fristen festzulegen, nach deren Ablauf zu prüfen ist, ob die Speicherung der Daten noch aufrechtzuerhalten ist. Für die Datei „Gewalttäter Sport“ sind die Speicherfristen in der Errichtungsanordnung des BMI geregelt. Mehrere Landesbeauftragte für Datenschutz haben sich gegen dessen Vorschlag ausgesprochen, die Speicherfrist von derzeit zwei auf zukünftig fünf Jahre zu verlängern.212 Die Nutzung der Daten einschließlich eines Datenabgleichs als einer besonderen Form der Datennutzung ist grundsätzlich nur zu dem Zweck zulässig, zu welchem die Daten erhoben und gespeichert wurden (§§ 10a und e VEME208
Bäumler in: Handbuch des Polizeirechts, Teil J Rn 669 ff. 15. Datenschutzbericht des LfD NRW, Ziffer 4, S. 72 f.; in Thüringen werden dagegen nur die Daten von Beschuldigten eines Ermittlungsverfahrens und von verurteilten Straftätern in die Datei „Gewalttäter Sport“ eingestellt, vgl. Antwort des Thüringer Innenministeriums auf die kleine Anfrage des MdL Dittes vom 23.03.2000, LT-Drs. 3/641; die weitere Prüfung datenschutzrechtlicher Anforderungen an die Speicherpraxis würde jedoch den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen und muss vorbehalten bleiben. 210 Schmidbauer in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 1 Rn 46 f. 211 18. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für Datenschutz, BT-Drs. 14/5555, S. 99; May, NdsVBl. 2002, 42. 212 Tätigkeitsbericht 2000 des Landesbeauftragten für Datenschutz des Landes Brandenburg, Ziffer 4 (LT-Drs. 3/2481); 18. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für Datenschutz des Landes Rheinland-Pfalz, Ziffer 5.7 (LT-Drs. 14/486). 209
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PolG). Daher ist ein Abgleich von Daten, die zur vorbeugenden Verhinderung von Straftaten erhoben wurden, grundsätzlich nur zu eben diesem Zweck zulässig.213 § 10a Abs. 2 Satz 2 VEMEPolG lässt darüber hinausgehend auch eine Nutzung zu anderen polizeilichen Zwecken zu, sofern die Daten hierfür hätten gespeichert werden dürfen. Dieser polizeigesetzlich zugelassene Zweckaustausch ermöglicht es grundsätzlich, zur Strafverfolgung gespeicherte Daten eines Betroffenen auch zur Gefahrenabwehr oder zur Verhütung von Straftaten zu nutzen oder abzugleichen. Dies soll sogar dann gelten, wenn das Strafverfolgungsverfahren von der Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO unter Verweisung auf das Privatklageverfahren oder nach § 153a StPO gegen Erfüllung von Auflagen und Weisungen eingestellt wurde. Dagegen sollen personenbezogene Daten, die zur Gefahrenabwehr gespeichert wurden, nicht im Ermittlungsverfahren verwendet werden können.214 Ausgehend von diesen Grundsätzen können z. B. die Daten aus einem Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) aufgrund eines missachteten Stadionverbots zur polizeilichen Gefahrenvorbeugung verwendet werden. Ausgeschlossen ist dagegen der umgekehrte Fall, wonach Daten, die bei der Gefahrenabwehr erhoben wurden (z. B. bei einer Identitätskontrolle auf der Anreise zum Spiel) im Ermittlungsverfahren zum Nachweis eines Verstoßes gegen ein Stadionverbot genutzt werden. III. Anforderungen an die personenbezogene Gefahrenabwehr Sofern die Polizei über ausreichende Informationen verfügt, werden Maßnahmen gegen einzelne potentielle Gewalttäter möglich. Zwar begründen präventive Maßnahmen gegen den Störer aufgrund der Verschuldensunabhängigkeit des Polizeirechts grundsätzlich keinen persönlichen Vorwurf.215 Dennoch ist höchste Sensibilität gefordert, wenn der Betroffene einer polizeilichen Maßnahme als potentieller Hooligan bzw. Gewalttäter in Anspruch genommen wird. Dies stellt sowohl die Wohnsitzbehörden bei der Entscheidung über die Anreiseverhinderung potentieller Gewalttäter (hierzu siehe unten Ziff. 1.) als auch die Beamten, die etwaige Maßnahmen gegen den Fan während der Anreise treffen müssen (hierzu siehe unten Ziff. 2) vor besondere Herausforderungen.
213
Möller/Wilhelm, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 330. VGH BW NJW 2002, 161 = NVwZ 2001, 1289; VGH BW NVwZ-RR 2000, 287; Bäumler in: Handbuch des Polizeirechts, Teil J Rn 635 ff.; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 207; für das PolG BW: Wolf/Stephan, § 37 Rn 16 und Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn 641. 215 Selmer, JuS 1992, 98. 214
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1. Gefahrenabwehr durch die Wohnsitzbehörden Die Wohnsitzbehörden bekannter Problemfans setzen ihre Maßnahmen zur Gefahrenabwehr bereits vor der Anreise der Fans an deren Wohnorten an.216 Potentielle Gewalttäter werden direkt angesprochen [siehe unten lit. a)]; gegebenenfalls werden Meldeauflagen erteilt oder Gewahrsamnahmen vorgenommen, um die Anreise sogenannter „Problemfans“ zur Veranstaltung zu verhindern [siehe hierzu lit. b)]. a) Gefährderansprachen Bei sogenannten Gefährderansprachen werden szenebekannte oder in der Datei „Gewalttäter Sport“ gespeicherte Personen zu Hause oder am Arbeitsplatz von der Polizei aufgesucht. Die Polizeibeamten setzen den potentiellen Hooligan darüber in Kenntnis, dass er bereits polizeilich identifiziert ist und ihm im Falle einer Straftat eine zielgerichtete Strafverfolgung droht. Dieses Gespräch wird als die grundrechtsschonendste personenbezogene Maßnahme zur Gefahrenabwehr bei Fußballspielen beschrieben.217 Aus polizeirechtlicher Sicht stellt die Gefährderansprache schlichtes Verwaltungshandeln dar, das dem Betroffenen keinen Handlungs- oder Duldungsbefehl erteilt und nicht die klassischen Kriterien eines Grundrechtseingriffs218 erfüllt. Obgleich im Einzelfall auch schlichtes Verwaltungshandeln in die Grundrechte des Betroffenen eingreifen kann, besteht noch keine abschließende Klarheit über die Eingriffskriterien. In Rede stehen vor allem die Merkmale der Finalität des Verwaltungshandelns, der Unmittelbarkeit und der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Inanspruchnahme staatlicher Autorität.219 Ob die Gefährderansprache nach diesen Kriterien einen Grundrechtseingriff darstellt, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von der Art und Weise ab, wie die Polizeibeamten gegenüber dem Betroffenen und seinem sozialen Umfeld auftreten. Jedenfalls wenn der Betroffene zu Hause oder am Arbeitsplatz als potentieller Hooligan aufgesucht wird, ist die Beeinträchtigung seiner persönlichen Ehre oder seines guten Rufes nicht ausgeschlossen. Diese Rechtsgüter erfahren über Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsmäßigen Schutz.220 Ein Eingriff kann z. B. vorliegen, wenn die Ansprache des 216
Zur Tätigkeit der Wohnsitzbehörden siehe oben Erster Teil, C., Ziff. III., 3.,
lit. c). 217 Manthey, Wesentliche Ergebnisse der EURO 2000 aus deutscher Sicht, S. 4; Nolte, NVwZ 2001, 150; ders., Sport und Recht, S. 136. 218 Hierzu Pieroth/Schlink, Rn 238. 219 Gusy, NJW 2000, 983; Mussmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 388; Hausshül, VBlBW 1998, 92 f. m. w. N. aus der Rechtsprechung. 220 BVerfGE 54, 208 (221), BVerfGE 75, 369 (380), BVerwGE 82, 76 (78).
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potentiellen Gewalttäters am Arbeitsplatz oder zu Hause bezweckt, ihm selbst – wahrnehmbar für andere – unter Inanspruchnahme polizeilicher Autorität die Diskrepanz seines potentiellen Verhaltens im Stadion und in der persönlichen Umgebung vor Augen zu führen. Er gilt damit für andere als polizeilich bekannter Hooligan. Dies gilt jedenfalls, wenn der Betroffene seine Eigenschaft als Hooligan bislang gegenüber seinem Familienkreis geheimgehalten hat, was in vielen Fällen zutrifft. Doch selbst wenn die Betroffenen bereits als Hooligans bekannt sind, dürfte es für sie in zahlreichen Fällen mit negativen Konsequenzen verbunden sein, wenn sie am Arbeitsplatz häufig von uniformierten Polizeikräften aufgesucht werden. Für die Rechtmäßigkeit der Gefährderansprache ist daher wie folgt zu differenzieren: Liegt im Einzelfall noch kein Eingriff vor, so reicht die polizeiliche Aufgabennorm aus, um das Tätigwerden der Polizei zu rechtfertigen. Im Falle eines Eingriffs ist dagegen eine polizeiliche Befugnis notwendig. Hierfür können nicht etwa die polizeilichen Befugnisse zur Befragung von Personen herangezogen werden.221 Die Gefährderansprache zielt auf die Warnung vor straffälligem Verhalten und hat mit einer Befragung des Betroffenen nichts gemein. Daher kommt als Ermächtigungsgrundlage nur die polizeiliche Generalklausel in Betracht, die eine konkrete Gefahr voraussetzt. Hierfür reicht allein die Bekanntheit des Betroffenen in der Szene oder seine Erfassung in der Datei „Gewalttäter Sport“ nicht aus. Hinzutreten müssen weitere polizeiliche Erkenntnisse über konkrete Vorhaben des Betroffenen am bevorstehenden Spieltag.222 b) Meldeauflage und Ingewahrsamnahme zur Verhinderung der Anreise Im Vorfeld der EM 2000 verhängte die Polizei in Verbindung mit pass- und personalausweisrechtlichen Maßnahmen Meldeauflagen gegen Störer, wenn Erkenntnisse für deren geplante Beteiligung an gewalttätigen Auseinandersetzungen vorlagen. Die Rechtsprechung billigte die Meldeauflagen, sofern eine konkrete Gefahr für die Beteiligung des Betroffenen an Straftaten im Ausland nachzuweisen war.223
221 A. A. wohl Manthey, Wesentliche Ergebnisse der EURO 2000 aus deutscher Sicht, S. 4. 222 Dies schließt eine Befragung von Personen zur Erkenntnisgewinnung nicht aus (hierzu siehe oben unter Ziffer 2., lit. b); die Befugnis zur Befragung ist jedoch verlassen, sobald eine polizeiliche Warnung ausgesprochen bzw. die grundrechtliche Beeinträchtigung durch das Verhalten der Polizeibeamten herbeigeführt wird. 223 Für die Polizeipraxis Manthey, Wesentliche Ergebnisse der EURO 2000 aus deutscher Sicht, S. 4; siehe auch oben, Erster Teil, C., Ziffern III., 4., zur Rechtsprechung VGH BW, VBlBW 2000, 474 ff. = NJW 2000, 3658; VG Minden, Kriminalistik 2000, 654.
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Die polizeiliche Einsatzlehre sieht Meldeauflagen auch bei Spielbegegnungen im Inland mit ausschließlich nationaler Beteiligung vor.224 Als Rechtsgrundlage dient die polizeiliche Generalklausel. Wenn die Begehung von Straftaten durch deutsche Staatsbürger im Ausland eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit darstellt und ein Vorgehen nach der Generalklausel rechtfertigt, so muss dies bei der konkreten Gefahr einer Beteiligung an Straftaten im Inland erst recht gelten. Dabei müssen Tatsachen die polizeiliche Prognose rechtfertigen, der Betroffene werde sich bei der bevorstehenden Spielbegegnung an gewaltsamen Auseinandersetzungen beteiligen. Als schärfstes Mittel kommt in Betracht, den potentiellen Gewalttäter zur Anreiseverhinderung in polizeilichen Gewahrsam zu nehmen. Dabei kann die Ingewahrsamnahme nicht etwa als Vollstreckungsmaßnahme einer Meldeauflage oder einer Teilnahmeuntersagung gerechtfertigt werden. Die Anordnung von Zwangshaft als Vollstreckungsmittel für eine polizeilich angeordnete Duldung oder Unterlassung kommt nach § 16 VwVG nur in Betracht, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich ist. Zwangsgeld wird gemäß § 11 VwVG wiederum nur fällig, wenn der Hooligan bereits gegen die Polizeiverfügung verstoßen und an der Veranstaltung teilgenommen hat. Daher ist die Vollstreckung der Meldeauflage durch Zwangshaft nicht geeignet, den Stadionbesuch des Hooligans am Spieltag zu verhindern. Soll der Störer von einem bestimmten Tun abgehalten werden, so wird dies vielmehr durch den Sicherheitsgewahrsam nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 MEPolG durchgesetzt.225 Dieser ist nur zulässig, wenn der Schadenseintritt für die polizeilichen Rechtsgüter unmittelbar bevorsteht. Konkrete Tatsachen müssen eine akute Bedrohung der öffentlichen Sicherheit belegen. In Bayern sind die prognoseerheblichen Tatsachen gemäß Art. 17 BayPAG gesetzlich definiert. Hiernach ist ausreichend, wenn die Person die Begehung einer Straftat ankündigt (Art. 17 Abs. 1 Nr. 2a). Dies kann z. B. durch mündliche Verlautbarungen des potentiellen Täters innerhalb der Szene erfolgen. Feststehen müssen Angaben über Zeit und Ort des geplanten Vorhabens, damit die bevorstehende Straftat anhand nachvollziebarer Tatsachen eindeutig bestimmt werden kann. Maßgeblich ist zudem, ob der Störer in der Vergangenheit mehrfach durch vergleichbare Taten in Erscheinung getreten ist.226 Verfügt die Polizei im Vorfeld der Sportgroßveranstaltung über entsprechende Kenntnisse über eine Person, so kommt eine Gewahrsamnahme in Betracht. Die 224
Kuhleber, Einsatzlehre, S. 367. Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F Rn 495. 226 Schmidbauer in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 17 Rn 44 ff.; für den gleichlautenden § 19 ThürPAG: ThürOLG, ThürVBl. 2004, 94 ff.; für die übrigen Bundesländer siehe auch Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F Rn 510 und Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 292. 225
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Erfassung der Person in der Datei „Gewalttäter Sport“ rechtfertigt zwar für sich allein noch nicht die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Straftat;227 jedoch können die Angaben über eine bereits erfolgte Beteiligung der Person bei anlassbezogenen Straftaten eine entsprechende Prognose unterstreichen. In jedem Falle ist bei einer Gewahrsamnahme gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 MEPolG unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. 2. Personenbezogene Gefahrenabwehr während der Anreise Während der Anreise der Fans richtet die Polizei stationäre und mobile Kontrollstellen ein. Hierfür benötigt sie neben der Aufgabenzuweisung keine gesetzliche Befugnis. Ermächtigungsgrundlagen werden jedoch erforderlich, sofern an den Kontrollstellen eingreifende Maßnahmen stattfinden.228 Die nachfolgend behandelten Standardmaßnahmen können jedoch auch außerhalb der Kontrollstellen, z. B. an sogenannten „gefährlichen Orten“ vorgenommen werden. a) Personenkontrolle Unabhängig von der Eigenschaft als Störer kann gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MEPolG die Identität einer Person festgestellt werden, wenn sie sich an einem Ort aufhält, an dem Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben (sogenannter „gefährlicher Ort“). Eine konkrete Gefahr muss nicht vorliegen.229 Bei Sportveranstaltungen kann sich die Polizei auf ihre Erfahrungen aus vergangenen Spielbegegnungen stützen, um an bestimmten Orten Identitätsfeststellungen durchführen zu können. Aber auch an eigens eingerichteten Kontrollstellen ist die Personenfeststellung zulässig. Vor allem Busabfahrpunkte, Bahnhöfe und bekannte Anmarschrouten kommen als Kontrollorte in Betracht. Außerdem können die Ergebnisse aus der Informationsgewinnung vor dem Spieltag die Identitätsfeststellung an einem bislang unverdächtigen Ort rechtfertigen. Weder muss der gefährliche Ort eine kriminelle Tradition aufweisen, noch ist die Prognose über eine entsprechende zukünftige Entwicklung des Orts erforderlich.230
227 Auch Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F Rn 513 fordert neben der einschlägigen Erfassung des Betroffenen in einer Datei weitere Anhaltspunkte, die eine gegenwärtige Gefahr rechtfertigen. 228 Nolte, NVwZ 2001, 151, ders., Sport und Recht, S. 135. 229 Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F, Rn 343; Drews/Wacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr, § 12 Ziffer 2., lit. a), S. 186; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 119 f.; mit Bedenken gegen diese Vorschrift: Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 183. 230 Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil Rn 38; Markert/Schmidbauer, BayVBl. 1993, 520.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
Nach Auffassung des OVG Hamburg reicht es nicht aus, wenn der Betroffene den gefährlichen Ort lediglich passiert. Kontrolliert werden kann nur, wer sich an dem gefährlichen Ort aufhält, d.h. dort verweilt.231 Wenn also ein Fan am Bahnhof den Zug verlässt und unmittelbar im Anschluss den Weg zum Stadion nimmt, kann er nicht kontrolliert werden. Eine Identitätsfeststellung kommt dagegen in Betracht, sofern der Betroffene am Bahnhof wartet, um mit anderen Stadionbesuchern zusammenzutreffen. Kann die Identität der kontrollierten Person nicht an Ort und Stelle festgestellt werden, so ist die Polizei befugt, den Betroffenen in Gewahrsam zu nehmen und zur Dienststelle zu verbringen. Dies ist jedoch nur dann zulässig, wenn es zur Feststellung der Identität der Person unerlässlich ist. Sofern die Voraussetzungen des § 10a VEMEPolG vorliegen, kann sich ein Datenabgleich mit der Datei „Gewalttäter Sport“ anschließen.232 b) Durchsuchung Die Durchsuchung der Fans an den Kontrollstellen richtet sich vor allem auf gefährliche Gegenstände und Waffen. Nach § 17 Abs. 1 Nr. 4 MEPolG kann eine Person durchsucht werden, wenn sie sich an einem gefährlichen Ort i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MEPolG aufhält. Dies bedeutet, dass eine Person unabhängig von einem konkreten Verdacht auch dann durchsucht werden kann, wenn ihre Identität bereits feststeht.233 Bei der Durchsuchung an gefährlichen Orten bestehen jedoch zwei Einschränkungen: Die an dem gefährlichen Ort befürchteten Straftaten müssen zu einer Gefährdung von Personen oder wichtigen Objekten führen. Weiter kann nur durchsucht werden, wer als Störer in Betracht kommt; Personen, die erkennbar keine Störer sein können, sind von der gesetzlichen Durchsuchungsermächtigung ausgenommen.234 Vor allem letztere Einschränkung kann in der Hooliganszene problematisch werden, da die Täter nicht mehr vorwiegend in der sogenannten „Kuttenszene“ zu suchen sind, die sich durch auffällige Utensilien zu ihrem Verein bekennt. Je mehr das Auftreten der Hooligans in unauffälliger Kleidung für die Szene charakteristisch wird, umso schwieriger wird es, den unbeteiligten Passanten oder den friedlichen Zuschauer erkennbar vom gewaltbereiten Hooligan zu unterscheiden. Daher ist vor allem bei der Durchführung der Durchsuchung in besonderer Weise dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 231
OVG Hamburg, NordÖR 2003, 122. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 281; Schoch, JuS 1994, 484; Nolte, Sport und Recht, S. 136; zu den Voraussetzungen einer Speicherung in der Datei „Gewalttäter Sport“ siehe oben unter Ziff. II., 3. 233 Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil Rn 38. 234 Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F Rn 583. 232
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Rechnung zu tragen. Insbesondere haben sich die Intensität der Durchsuchung und die damit verbundenen Belastungen für die Betroffenen an dem Grad der im Einzelfall vorliegenden bzw. zu vermeidenden Gefahr zu orientieren. So ist z. B. die Verbringung zur Dienststelle oder das Entkleiden zum Zweck der Durchsuchung nur gerechtfertigt, wenn neben dem bloßen Aufenthalt der Person an der Kontrollstelle weitere Tatsachen für eine mögliche Störereigenschaft sprechen. c) Beschlagnahme von Gegenständen Die Polizei kann eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren (§ 21 Nr. 1 MEPolG). Eine gegenwärtige Gefahr liegt vor, wenn der Eintritt eines Schadens sofort und fast mit Gewissheit, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.235 Keine Probleme bereitet die Beschlagnahme von Gegenständen, die zur Sportveranstaltung mitgeführt werden und gemäß § 1 WaffG als Schuss-, Hieboder Stoßwaffe bestimmt sind (z. B. Gaspistolen, Messer, Schlagringe, etc.; dasselbe gilt für Sprengstoffe i. S. d. § 3 SprengstoffG). Ebenso wie bei Demonstrationen stellt das Mitführen einer Waffe zu einem Fußballspiel eine gegenwärtige Gefahr dar und berechtigt zur Beschlagnahme.236 Bei Sportveranstaltungen führen die Fans aber auch Gegenstände mit, die zwar keine Waffen im technischen Sinne sind, aber dennoch als Waffe verwendet werden können. Fraglich ist, ob allein die objektive Eignung eines solchen Gegenstandes als Waffe für die Annahme einer unmittelbaren Gefahr ausreicht. Würde dies zutreffen, so könnten überhaupt keine Fanutensilien mehr zum Spiel mitgebracht werden. Denn eine gewöhnliche Fahnenstange kann je nach dem Willen des Besitzers als Schlagwerkzeug, eine Pressluftfanfare als Flammenwerfer benutzt werden.237 Daher reicht allein das Mitführen eines Gegenstandes, der zweckwidrig als Waffe benutzt werden kann, für eine Beschlagnahme nicht aus. Vielmehr müssen neben dem Auffinden von Gegenständen, die üblicherweise als Fanutensilien mitgeführt werden, weitere Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass sich der Besitzer an einer gewalttätigen Auseinandersetzung beteiligen wird.238 Sollte in diesem Rahmen ein kurzfristiger Abgleich mit der Datei „Gewalttäter Sport“ möglich sein, so können sich hieraus je nach Art der Eintragung Rückschlüsse auf seine Intention ergeben. Auch 235
BVerwGE 45, 51 (58). Für das Versammlungsrecht Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F Rn 665. 237 Nolte, NVwZ 2001, 152; Manssen, SpuRt 1994, 172. 238 Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F Rn 666; Markert/Schmidbauer, BayVBl. 1993, 520. 236
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
eine Erkundigung bei den fanbegleitenden szenekundigen Beamten des Gastvereins über die betreffende Person kann weitere Informationen vermitteln. Ein zusätzliches Indiz kann es sein, wenn der mitgeführte Gegenstand ohnehin nicht mit in das Stadion genommen werden kann, weil dies den Reglementierungen der Stadionordnung des Veranstalters widerspricht. So sieht z. B. die Musterstadionordnung des DFB bzw. des Ligaverbandes in § 6 Ziff. 1. lit. h) ein Verbot für Fahnenstangen vor, die länger als einen Meter sind oder einen größeren Durchmesser als drei Zentimeter haben. Ein Fan, der die Einlasskontrollen am Stadion kennt, wird davon ausgehen müssen, dass er mit einer 3 Meter langen Fahnenstange nicht in das Stadion eingelassen wird und die Fahne jedenfalls nicht zur Unterstützung seiner Mannschaft verwenden kann. Im Einzelfall kann dies eine Beschlagnahme rechtfertigen. d) Platzverweis und Verbringungsgewahrsam Gemäß § 12 MEPolG kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Voraussetzung für einen Platzverweis ist eine konkrete Gefahr. Sie dürfte z. B. vorliegen, wenn der Hooligan entgegen einem Stadionverbot versucht, Zugang zur Spielbegegnung zu erhalten; teilweise wird bereits die Alkoholisierung des Betroffenen oder das Mitführen verbotener Gegenstände für ausreichend gehalten.239 Umstritten ist, ob ein Platzverweis durchgesetzt werden kann, indem die betroffene Person von dem Gefahrenort zu einem anderen, weiter entfernten Ort (z. T. zurück in die Heimatstadt) verbracht wird, um sie an störenden Handlungen durch die räumliche Distanz zu hindern (sogenannter „Verbringungs- bzw. Rückführungsgewahrsam“).240 Teilweise wird diese Maßnahme für eine unzulässige Form der Ingewahrsamnahme gehalten, für die in den Polizeigesetzen keine Ermächtigungsgrundlage bereit stehe. Andere Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur ordnen den Verbringungsgewahrsam als Vollstreckungsmaßnahme des Platzverweises ein.241 239 Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil Rn 39; Nolte, NVwZ 2001, 152, ders., Sport und Recht, S. 138. 240 Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 17 Rn 4; zur praktischen Anwendung siehe Köbschall, Die Polizei 1997, 263; Rupprecht, Polizeilexikon, Stichwort „Verbringungsgewahrsam“. 241 Für die Unzulässigkeit des Verbringungsgewahrsams Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F Rn 493 f.; ebenso für das HbgSOG LG Hamburg, NVwZ-RR 1997, 537; mit Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit auch Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 202; differenzierend: BayObLG, NVwZ 1990, 196 f. und OVG Bremen, NVwZ 1987, 237.
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Richtigerweise ist wie folgt zu differenzieren: Soweit der Adressat eines Platzverweises zur Dienststelle verbracht wird, liegt aufgrund der Kurzfristigkeit keine Gewahrsamnahme vor, sondern eine Vollstreckungsmaßnahme der platzverweisenden Grundverfügung in Form des unmittelbaren Zwangs. Dagegen beinhaltet die Verbringung des Störers an einen anderen, entfernteren Ort eine Umsetzung, die neben der Durchsetzung des Platzverweises eigenständigen Eingriffsgehalt aufweist, z. B. wenn der Betroffene an einen Ort verbracht wird, von welchem aus er nur durch einen längeren Fußmarsch zum nächstgelegenen Bahnhof gelangen kann, um die Heimreise anzutreten. Daher kann die Verbringung nicht allein als Vollstreckungsmaßnahme gerechtfertigt sein. Vielmehr ist zur Rechtfertigung des zusätzlichen Regelungsgehaltes der Umsetzung die polizeiliche Generalklausel heranzuziehen. In Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann der Verbringungsgewahrsam nur gerechtfertigt sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der Betroffene nicht an den Platzverweis halten und alsbald wieder zurückkehren werde. Dabei kann die Polizei den Ort, an den der Hooligan verbracht wird, gezielt so bestimmen, dass seine alsbaldige Rückkehr verhindert wird.242 e) Ingewahrsamnahme auf der Anreise § 13 Abs. 1 Nr. 2 MEPolG rechtfertigt eine Ingewahrsamnahme, wenn sie unerlässlich ist, um eine unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Gefahr zu verhindern. Eine Straftat steht unmittelbar bevor, wenn die öffentliche Sicherheit aufgrund der besonderen zeitlichen Nähe ihrer Begehung akut bedroht ist.243 Bei Sportgroßveranstaltungen ist die Gewahrsamnahme eines Hooligans zulässig, wenn dessen Entschluss zur Gewalttat durch sein Auftreten nach außen erkennbar wird. Führt eine Person Gegenstände mit sich, die ersichtlich zur Tatbegehung bestimmt oder erfahrungsgemäß hierfür verwendet werden können, so liefert dies gewichtige Anhaltspunkte für den Entschluss zur Straftat.244 Ob allein das Auffinden der Gegenstände diesen Umstand indiziert, ist aber zweifelhaft.245 Geht es um die üblichen Fanutensilien, die – zweckwidrig verwendet – auch zur Verletzung anderer Personen eingesetzt werden, so besteht ein ähnliches Problem wie bei der Beschlagnahme dieser Gegenstände.246 Wenngleich 242 Schmidbauer in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 17 Rn 67; Götz, NVwZ 1998, 683; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 139; Köbschall, Die Polizei 1997, 263 f., der jedoch den Verbringungsgewahrsam als Minusmaßnahme des Sicherheitsgewahrsams für zulässig erachtet. 243 Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F Rn 508. 244 Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil Rn 38; Nolte, NVwZ 2001, 152. 245 So aber Markert/Schmidbauer, BayVBl. 1993, 520; ähnlich Nolte, Sport und Recht, S. 138 f.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
allein die Speicherung einer Person in einer einschlägigen Datei zur Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Straftat nicht ausreicht, kann das bisherige Auftreten des jeweiligen Hooligans – sofern es den meist vor Ort anwesenden szenekundigen Beamten bekannt ist oder in der Datei „Gewalttäter Sport“ gespeichert wurde – in Verbindung mit seinen mitgeführten Gegenständen eine unmittelbare Gefahr nahelegen. Zudem ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Gewahrsamnahme gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 MEPolG unerlässlich ist oder ob die Gefahr nicht bereits durch die Beschlagnahme mitgeführter gefährlicher Gegenstände beseitigt werden kann. Dabei reicht die Beschlagnahme zur Gefahrenbeseitigung nicht aus, wenn trotz ihrer Durchführung weitere konkrete Anhaltspunkte für die Gewaltbereitschaft des Betoffenen sprechen, z. B. dessen Vorverhalten als Gewalttäter.247 Daher kann seine Registrierung in der Datei „Gewalttäter Sport“ je nach Art der Eintragung die Gefahrenprognose unterstützen. Nach der polizeilichen Ingewahrsamnahme hat die Polizei gemäß Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG unverzüglich, d.h. ohne sachlich begründete Verzögerung, eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und die Fortdauer der Maßnahme herbeizuführen. Aus eigener Machtvollkommenheit darf die Polizei niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in Gewahrsam halten (Art. 104 Abs. 2 Satz 3 GG). Der Gewahrsam ist aufzuheben, sobald der Grund für die Maßnahme weggefallen ist (§ 16 Nr. 1 MEPolG). Die Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung der richterlichen Entscheidung erfordert keinen richterlichen Bereitschaftsdienst zu jeder Tages- und Nachtzeit. Vielmehr ist ausreichend, wenn organisatorisch sichergestellt ist, dass eine richterliche Entscheidung bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen ergeht. Daher ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, eigens für die Sportveranstaltung richterliche Bereitschaftsdienste einzurichten.248 Dennoch kann ein Hooligan nicht in jedem Fall ohne richterliche Kontrolle bis zum Ende des nächsten Tages festgehalten werden. Eine richterliche Entscheidung kann zwar unterbleiben, wenn sie erst nach dem Wegfall des Grundes der polizeilichen Maßnahme ergehen würde (§ 14 Abs. 1 Satz 2 MEPolG). Denn die Freiheitsentziehung soll keinesfalls über das Erreichen des polizeilichen Zwecks nur um der richterlichen Entscheidung willen hinaus verlängert 246
Hierzu siehe oben unter lit. cc). Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 204; Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F, Rn 515. 248 BVerwGE 45, 51 (63); auch Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 293; a. A. Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F, Rn 534; der bloße Hinweis auf den „Dienstschluss“ des AG kann das Unterbleiben der richterlichen Entscheidung nicht rechtfertigen, hierzu siehe BVerfG NJW 2002, 3162; dennoch bestehen z. T. staatsanwaltliche und richterliche Bereitschaftsdienste für Fußballspiele, siehe hierzu oben Erster Teil, C., Ziff. III., 2., lit. b). 247
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werden. Daher kann eine Person auch dann in Gewahrsam genommen werden, wenn es absehbar ist, dass die Freilassung erfolgt, bevor eine richterliche Entscheidung ergehen kann. Wird der Richterspruch aber voraussichtlich noch vor der Freilassung erfolgen, so ist die Entscheidung einzuholen, auch wenn sich das Ende des Gewahrsams bereits in wenigen Stunden abzeichnet.249 IV. Gefahrenabwehr gegenüber der Fanansammlung Am Spieltag selbst ist die Abwehr polizeilicher Gefahren vor allem geprägt von der großen Menge der Stadionbesucher. Der Umgang mit dieser Ansammlung250 wirft verwaltungsrechtsdogmatische und polizeirechtliche Probleme auf, die nachfolgend anhand ihrer Adressaten- und Störereigenschaft (hierzu siehe unten Ziff. 1.) und der polizeilichen Maßnahmen der einschließenden Begleitung (siehe unten Ziff. 2.), des verzögerten Abmarsches der Fanblöcke (siehe unten Ziff. 3.) und der Auflösung einer Ansammlung durch Platzverweis und Einkesselung (siehe unten Ziff. 4.) untersucht werden. 1. Adressateneigenschaft und Polizeipflicht der Fanansammlung im Zusammenhang mit polizeilichen Verfügungen Oftmals muss eine Polizeiverfügung nicht an einen einzelnen Fan, sondern an eine ganze Fanansammlung gerichtet werden. Grundsätzlich kann aber nur eine natürliche oder juristische Person polizeipflichtig sein. Vereinigungen, die keine juristischen Personen sind (z. B. nichtrechtsfähige Vereine), können nur polizeipflichtig sein, soweit sie über eine körperschaftliche Struktur verfügen.251 Dieses Merkmal trifft auf eine Ansammlung von Fußballfans vor oder nach einer Spielbegegnung nicht zu. Folglich kommt sie als Adressat einer gefahrenabwehrrechtlichen Verfügung nicht in Betracht. Eine Polizeiverfügung wendet sich nur scheinbar an die Zuschauermenge und ist in Wirklichkeit an die einzelnen Fußballfans gerichtet. Dabei handelt es sich nicht etwa um Massenverwaltungsakte, sondern um eine personenbezogene Allgemeinverfügung gemäß § 35 S. 2 Alt. 1 VwVfG. Die Polizeiverfügung gegenüber der Fanansammlung richtet sich unabhängig von der Anzahl ihrer Adressaten gegen ein- und dieselbe Gefahr; sie regelt da249 BVerfGE 105, 239 ff., BVerwGE 45, 51 (64); VGH BW VBl. BW 2005, 63 = DÖV 2005, 106; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 12 Ziffer 6 lit. b), S. 200; Schmidbauer in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 18 Rn 11; Würtenberger/Heckmann/Rickert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 363. 250 Zum Begriff siehe oben Zweiter Teil, A., Ziff. I., 5. 251 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehrrecht, § 19 Ziffer 4, S. 294; OVG Lüneburg, NJW 1979, 735.
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mit einen Einzelfall. Massenverwaltungsakte sind zwar ebenso an eine Vielzahl von Adressaten gerichtet; sie haben aber nicht denselben, sondern nur einen ähnlichen Regelungsgehalt. Mit ihnen wird kein Einzelfall geregelt, sondern eine Vielzahl gleicher oder gleichgelagerter Fälle. Insofern besteht bei Sportgroßveranstaltungen Gleichklang mit der Situation bei Demonstrationen. Auch hier handelt die Polizei gegenüber der Versammlung durch Allgemeinverfügungen.252 Aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung müssen die befugniseröffnenden Tatbestandsmerkmale der Ermächtigungsnorm bei jedem einzelnen Betroffenen erfüllt sein, damit eine Polizeiverfügung ihre Adressaten rechtmäßig verpflichten kann, den hierin enthaltenen „Polizeibefehl“253 zu befolgen. Probleme für das polizeiliche Handlungsspektrum können sich bei Sportgroßveranstaltungen aus der Zusammensetzung der Zuschauermenge ergeben, da sich diese mehrheitlich aus Nichtstörern und nur zu einem kleinen Anteil gewaltbereiter Hooligans zusammensetzt. Allein der Aufenthalt einer Person in einer Ansammlung, in welcher oder aus welcher heraus Straftaten begangen werden, rechtfertigt noch nicht ihre Qualifizierung als Störer.254 Nur wenn konkrete Tatsachen dafür sprechen, dass alle Mitglieder der Gruppe das Ziel der Begehung von Straftaten verfolgen, kann die Störereigenschaft jedes einzelnen Gruppenmitglieds angenommen werden. Anhaltspunkte dafür liefern eine enge organisatorische oder sonstige Verbindung bis hin zur äußeren Geschlossenheit der Personengruppe.255 Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so sind von der Polizeiverfügung regelmäßig nicht nur polizeiliche Störer, sondern auch nichtstörende Fußballfans betroffen und es sind die Regelungen des polizeilichen Notstands zu beachten.256 Dies wäre indes nicht erforderlich, wenn der friedliche Zuschauer, der sich in einer Fanansammlung aufhält, als Anscheinsstörer behandelt werden könnte. 252 Kniesel in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H Rn 353; ders./Poscher, NJW 2004, 429; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn 122 ff.; zum Aufenthaltsverbot für Personen aus der „Punk-Szene“ als Allgemeinverfügung siehe VGH BW VBlBW 2003, 115; zur Situation bei Massenverwaltungsakten siehe Maurer, § 18 Rn 4 ff. 253 Begriff nach Otto Mayer, Verwaltungsrecht, I, S. 271, zitiert nach Denninger in: Handbuch des Polizeirechts, Teil E, Rn 56. 254 BVerfGE 69, 315 (360 f.); Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F, Rn 512. 255 OLG Nürnberg, NVwZ-RR 1991, 67 (69); VGH München, BayVBl. 1983, 434 (436); Schmidbauer in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 17 Rn 39; OVG Bremen, NVwZ 2001, 222 will das Verhalten der gewalttätigen Gruppenmitglieder den anderen Teilnehmern der Ansammlung zurechnen; mit Haase, NVwZ 2001, 164 ist jedoch davon auszugehen, dass damit keine Zurechnung fremden Verhaltens, sondern die Beurteilung der Störereigenschaft der Begleitpersonen gemeint ist. 256 Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil Rn 39; Manssen, SpuRt 1994, 170 f.; Markert/Schmidbauer, BayVBl. 1993, 518.
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Richtigerweise ist Anscheinsstörer aber nicht derjenige, der den Eindruck erweckt, für eine Gefahr verantwortlich zu sein, sondern nur, wer den Anschein einer Gefahr aufgrund seines Verhaltens unmittelbar verursacht hat. Denn es ist zu trennen zwischen dem Vorliegen einer Gefahr und der Verantwortlichkeit hierfür.257 Für die Gefahren gewaltsamer Zuschauerausschreitungen sind ausschließlich die Gewalttäter polizeilich verantwortlich, nicht die friedlichen Fans. Durch die Gewaltausübung der Hooligans wird der polizeiliche Zurechnungszusammenhang unterbrochen. Andernfalls würde der friedliche Fan z. B. durch die Anreise zu einem Fußballspiel in einem Sonderzug der Bundesbahn oder in einem Fanbus bzw. allein durch das Aufsuchen des Stadions automatisch eine Anscheinsgefahr verursachen. Bei der Absicherung von Sportereignissen gegen gewaltsame Zuschauerausschreitungen dürfte jedoch die Voraussetzung einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 MEPolG für die Inanspruchnahme von Nichtstörern regelmäßig erfüllt sein. Denn in den allermeisten Fällen sind die Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und zumindest in Einzelfällen auch des Lebens bedroht. Sofern diese Rechtsgüter im Zusammenhang mit einer Fanansammlung betroffen sind, dürfte diese Gefahr aufgrund der gruppendynamischen Wirkungen in der Zuschauermenge regelmäßig unmittelbar bevorstehen, so dass die Nichtstörereigenschaft der friedlichen Fans das polizeiliche Handlungsspektrum kaum einschränken kann. 2. Eingriff und Befugnis bei der einschließenden Begleitung Mit der einschließenden Begleitung soll den Hooligans durch die enge Präsenz polizeilicher Kräfte jede Möglichkeit zur gewaltsamen Auseinandersetzung genommen werden. An den bekannten Ankunftsorten (z. B. Bahnhöfen) werden die Fans von den uniformierten Beamten „in Empfang genommen“ und nach dem Klettenprinzip bis ins Stadion begleitet.258 Fraglich ist, ob es sich dabei um eine atypische polizeiliche Maßnahme oder um einen gesetzlich nicht legitimierten rechtswidrigen Eingriff zur Gefahrenvorbeugung handelt. Richtigerweise ist bei der Rechtmäßigkeitsprüfung die Frage nach der Eingriffsqualität von der Existenz einer konkreten Gefahr als Rechtfertigung eines potentiellen Eingriffs zu trennen. Mit Blick auf die Eingriffsfrage kann ein klassischer Grundrechtseingriff ausgeschlossen werden, da die einschließende Begleitung kein hoheitliches Ge- oder Verbot beinhaltet. Die Fans können gehen, 257 Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 251 ff.; a. A. Belz/Mussmann, § 6 Rn 10. 258 Markert/Schmidbauer, BayVBl. 1993, 521; zum Begriff und zur polizeitaktischen Umsetzung der einschließenden Begleitung siehe oben Erster Teil, C., Ziff. III., 3., lit. b).
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wohin sie wollen, nur nicht ohne die Polizei. Somit kann die einschließende Begleitung als schlichtes Verwaltungshandeln allenfalls zu einem faktischen Grundrechtseingriff führen. Da die Polizeibeamten die Fans bei der einschließenden Begleitung jedoch nicht an einem bestimmten Ort festhalten, sondern an beliebige Orte begleiten, liegt keine Gewahrsamnahme und kein Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG vor.259 Eingriffsqualität gewinnt die einschließende Begleitung dagegen, soweit die Fans durch diese Maßnahme in ihrer Gesamtheit für alle außenstehenden Personen als potentielle Gewalttäter behandelt werden. Insofern wird wie bei der Gefährderansprache deren guter Ruf bzw. persönliche Ehre beeinträchtigt.260 Sofern hiernach ein Eingriff vorliegt, muss dieser durch die Generalklausel und – soweit die Fanansammlung nicht ausschließlich aus Störern besteht – die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes gemäß § 6 Abs. 1 MEPolG – gerechtfertigt sein. Teilweise wird in der einschließenden Begleitung eine unzulässige Maßnahme der Gefahrenvorbeugung gesehen, da eine konkrete Gefahr bei Ankunft der Fans an den Sammelstellen noch nicht gegeben sei. Es liege vielmehr nur eine abstrakte Gefahr vor, die ohne weitere gesetzliche Grundlage keinen Eingriff rechfertigen könne.261 Dabei wird jedoch übersehen, dass die einschließende Begleitung in praktischer Hinsicht nur durchführbar ist, wenn der Polizei ausreichende Erkenntnisse über Anreiserouten und -zeiten, Beförderungsmittel, Stärke, Verhalten, Bekleidung und Ausrüstung der Rowdiegruppen zur Verfügung stehen.262 Ohne Zweifel muss im Einzelfall geprüft werden, ob die konkreten polizeilichen Erkenntnisse die Annahme einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr rechtfertigen. Sie kann jedoch nicht pauschal verneint werden. Die genannten Daten über die anreisenden Fans beziehen sich allesamt auf die konkret bevorstehende Spielbegegnung, weshalb die pauschale Annahme einer lediglich abstrakten Gefahr zu einer Fehleinschätzung der Lage führen kann. Dies gilt umso mehr, als sich die polizeiliche Prognose der Schadenswahrscheinlichkeit nach dem drohenden Schadensausmaß und dem Rang des hoheitlich beeinträchtigten Rechtsgutes bestimmt.263 Bei den gewalttätigen Auseinan259 Manssen, SpuRt 1994, 171; Kniesel in: Handbuch des Polizeirechts, Teil H, Rn 121. 260 Zum Eingriff bei der Gefährderansprache siehe oben Ziff. III., 1., lit. a); Breucker (Transnationale polizeiliche Gewaltprävention S. 240 f.) will die einschließende Begleitung als polizeiliche Observierungsmaßnahme mit einem Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht ansehen, was jedoch dem polizeitaktischen Zweck der Maßnahme – frühzeitige Unterbindung von Gewalttaten und Sicherstellung einer zügigen Eingriffsmöglichkeit (hierzu siehe oben Erster Teil, C., III., 3., b) – entgegensteht. 261 Manssen, SpuRt 1994, 171. 262 Siehe oben Erster Teil, C., III., 3., b). 263 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 13 Ziffer 2 lit. b), S. 224; a. A. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 77, der die hoheitliche Beeinträchtigung des Betroffenen jedoch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt.
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dersetzungen des Hooliganismus können Gefahren für Leib und Leben aller an der Sportveranstaltung Beteiligter bestehen. Der Eingriff durch die einschließende Begleitung in die persönliche Ehre der Betroffenen dagegen ist weniger intensiv als bei einer Gefährderansprache, da nicht der einzelne Fan als Hooligan stigmatisiert, sondern lediglich in anonymer Form durch die Polizei begleitet wird.264 3. Verzögerter Abmarsch der Fan-Blöcke Bei der Verzögerung des Abmarsches wird ein Fanblock innerhalb des Stadions festgehalten, bis die Anhänger der gegnerischen Mannschaft abgereist sind. Die polizeiliche Praxis ordnet diese Maßnahme richtigerweise als Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG ein. Bei der Freiheitsentziehung wird die betroffene Person an einem eng umgrenzten Ort festgehalten. Ihr Zweck besteht darin, die festgehaltene Person an der Fortbewegung zu hindern.265 Soweit die gewaltentschlossenen Hooligans von der Freiheitsentziehung betroffen sind, kann dies nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 MEPolG gerechtfertigt sein. Hiernach kann die Polizei eine Person in Gewahrnahm nehmen, wenn das unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern. Der verzögerte Abmarsch der Fanblöcke kann daher nur angeordnet werden, wenn der Polizei konkrete Erkenntnisse über eine geplante Konfrontation zwischen den gegnerischen Hooligans vorliegen.266 Hiergegen wird vorgebracht, die Hooligans könnten innerhalb der Zuschauermenge nicht als Adressaten einer Polizeiverfügung individualisiert werden. Zudem seien Kenntnisse über die strafrechtliche Vorgeschichte von Einzelpersonen, welche die Begehung einer Straftat unmittelbar erwarten ließen, bei einer Massenveranstaltung unwahrscheinlich.267 Dabei wird jedoch übersehen, dass die Polizei aufgrund ihrer Aufklärungsarbeit im Vorfeld, der „Datei Gewalttäter Sport“ und durch den Einsatz von Videokameras (auch durch das „Heranzoomen“ an einzelne Personen mit der Kamera) sehr wohl Kenntnisse über Einzelpersonen hat. Weiter verfügen die szenekundigen Beamten durch jahrelange Beobachtung der Hooliganszene sowie durch die Sachbearbeitung aller Delikte 264 So im Ergebnis auch Markert/Schmidbauer, BayVBl. 1993, 521 und Nolte, NVwZ 2001, 152; ebenso Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil Rn 36, 39. 265 BVerwGE 62, 325 (328); Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F, Rn 485 ff.; VG Berlin, NVwZ-RR 1990, 188; zur Einbindung dieser Maßnahme in die polizeilichen Maßnahmen siehe oben Erster Teil, C., Ziff. III., 3., lit. d) und Studienpapier „Sport und Gewalt“ der Polizeiführungsakademie, S. 9. 266 Dies entspricht auch der polizeilichen Praxis, hierzu Nolte, NVwZ 2001, 152 f.; Markert/Schmidbauer, BayVBl. 1993, 521. 267 So Geißler/Haase/Subatzus, NVwZ 1998, 712.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
rund um Fußballspiele über eine umfassende Personenkenntnis und sind in der Lage, Problemfans differenziert zu beurteilen.268 Daher ist der verzögerte Abmarsch der Zuschauerblöcke nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 MEPolG gerechtfertigt, soweit die gewaltentschlossenen Hooligans betroffen sind. Durch diese Maßnahme sind aber auch die zahlreichen friedlichen Fans betroffen, die sich in der Zuschauermenge aufhalten. Deren Gewahrsamnahme kann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 MEPolG (sogenannter „Schutzgewahrsam“) gerechtfertigt sein. Hiernach kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn es zu ihrem Schutz gegen eine Gefahr für Leib und Leben erforderlich ist. Eine bevorstehende gewaltsame Auseinandersetzung von Hooligans bringt regelmäßig Gefahren für die körperliche Unversehrtheit der friedlichen Fans mit sich. Eine erhebliche Anzahl der bei Sportveranstaltungen registrierten Straftaten richtet sich gegen friedliche Stadionbesucher.269 Daher kann der verzögerte Abmarsch der Zuschauerblöcke gegenüber den friedlichen Fans als Schutzgewahrsam angeordnet werden, wenn konkrete Erkenntnisse über eine bevorstehende Auseinandersetzung bestehen.270 Teilweise wird dagegen vorgebracht, die Gefahren gewaltsamer Zuschauerausschreitungen entstünden erst durch den eigenverantwortlich hergestellten Kontakt zu den „gegnerischen Fans“. Da somit eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung der Fans vorliege, sei es nicht gerechtfertigt, sie in den Zuschauerblökken festzuhalten und ihren Abmarsch zu verzögern.271 Diese Ansicht unterscheidet aber nicht zwischen gewaltentschlossenen und friedlichen Stadionbesuchern, sondern prüft undifferenziert die Zulässigkeit des Schutzgewahrsams für beide Personengruppen. Sie beinhaltet die Unterstellung, jeder Stadionbesucher willige in die Gefahr gewaltsamer Ausschreitungen durch den Kontakt mit „gegnerischen Fans“ ein und übersieht, dass der polizeiliche Zurechnungszusammenhang durch die Gewaltbereitschaft der Hooligans unterbrochen wird. Nur von den Störern sind Gewalt- und Straftaten zu erwarten; sie können in Sicherheitsgewahrsam genommen werden. Die Rechtsfigur des Schutzgewahrsams ermächtigt dagegen zum Festhalten der friedlichen Fans. Da es sich beim verzögerten Abmarsch der Fan-Blöcke nur um eine kurzfristige Freiheitsentziehung handelt, dürfte eine richterliche Entscheidung hierüber regelmäßig entbehrlich sein.272 268
VGH BW, VBl. BW 2000, 476. Siehe oben Erster Teil, B., III., 1.; in der Spielzeit 2001/2002 wurden 104 verletzte Unbeteiligte und nur 45 verletzte „Problemfans“ registriert. 270 Fritzweiler/Pfister/Summerer, 1. Teil Rn 41; Nolte, NVwZ 2001, 153; ders., Sport und Recht, S. 139; Markert/Schmidbauer, BayVBl. 1993, 521; auch: Berner/ Köhler, Bay PAG, Art. 17 Rn 10. 271 Geißler/Haase/Subatzus, NVwZ 1998, 712. 269
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4. Auflösung einer Ansammlung durch Platzverweis und Einkesselung Bei der sogenannten Einkesselung (auch „Einschließung“ genannt) wird eine Menschenmenge durch eine Polizeikette an einem bestimmten Ort festgehalten. Die einzelnen Teilnehmer werden getrennt und zeitversetzt unter Beobachtung entlassen, damit sich die Menge zerstreut. Eine solche Maßnahme stellt eine freiheitsentziehende Ingewahrsamnahme dar.273 Die Einkesselung unterscheidet sich vom verzögerten Abmarsch der Fan-Blöcke dadurch, dass die Gewahrsamnahme nicht im Stadion stattfindet und den Betroffenen ein massives Polizeiaufgebot gegenübersteht. Soweit die Einkesselung zur Verhinderung drohender Ausschreitungen eingesetzt wird, kann sie sich auf die Vorschriften des Sicherheitsgewahrsams entsprechend § 13 Abs. 1 Nr. 2 MEPolG stützen. In diesem Fall müssen jedoch alle Teilnehmer der Ansammlung den Eindruck erwecken, in allernächster Zeit Straftaten zu begehen.274 Dies kann zutreffen, wenn es sich um eine in sich geschlossene Gruppe von gewaltbereiten Hooligans handelt, die bereits in Ausschreitungen verwickelt sind oder kurz davor stehen. Soweit dagegen nicht alle Teilnehmer der Ansammlung als Störer ausgemacht werden können, liegen für die friedlichen Fans die Voraussetzungen des Sicherheitsgewahrsams nicht vor. Die Rechtsprechung schlägt für den Fall der Vermengung friedlicher und gewaltbereiter Personen in einer Ansammlung vor, zunächst den friedlichen Teilnehmern durch einen Platzverweis die Gelegenheit zu geben, sich zu entfernen. Der Platzverweis sei gegenüber den Gewalttätern wie den friedlichen Teilnehmern zulässig, da auch letztere durch ihre Anwesenheit unter den Störern die Arbeit der Polizei behinderten und somit eine Gefahr verursachten. Wird der Platzverweis nicht befolgt, so könne er durch eine Ingewahrsamnahme vollstreckt werden.275 Gegen die Einkesselung als Vollstreckungsmaßnahme eines Platzverweises spricht jedoch, dass sie die Betroffenen am Verlassen ihres Aufenthaltsorts hindert. Sie wirkt daher dem Polizeibefehl des Platzverweises, sich zu entfernen, entgegen und dürfte kaum geeignet sein, diesen zu vollstrecken. 272
Mußmann, Allgemeines Polizeirecht, Rn 209 und oben unter Ziff. III., 2., lit. e). Studienpapier „Großveranstaltungen/Demonstrationen“ der Polizeiführungsakademie Münster-Hiltrup, Stand 09/2000, S. 65; Rupprecht, Polizeilexikon, Stichwort „Einschließung“; VG Hamburg, NVwZ 1987, 829 („Hamburger Kessel“); VG Berlin, NVwZ-RR 1990, 188; KG Berlin, NVwZ 2000, 470; BayObLG, NVwZ 1990, 196. 274 Für das BerlASOG in der Fassung von 1975: KG Berlin, NVwZ 2000, 469; auch Hermanns/Hönig, Nds.VBl. 2002, 203. 275 OVG Bremen, NVwZ 2001, 223; auch das KG Berlin, NVwZ 2000, 470, erkennt die Vornahme einer Einschließung in Form des Sicherheitsgewahrsams „zur Durchsetzung“ einer (allerdings versammlungsrechtlichen) Auflösungsverfügung als rechtmäßig an. 273
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
Einige Polizeigesetze der Länder sehen eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage für den Gewahrsam zur Durchsetzung eines Platzverweises vor. Hiernach kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn es unerlässlich ist, um einen Platzverweis durchzusetzen. Ob die Ingewahrsamnahme dabei als „echte Zwangsmaßnahme“ oder als eigenständige Originärmaßnahme gilt, kann offen bleiben.276 Jedenfalls ist durch diese Norm eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage geschaffen worden, um einem Platzverweis mittels Gewahrsamnahme faktische Wirkung zu verleihen.277 Da die Einkesselung stets mit erheblichen Grundrechtseingriffen verbunden ist, kann sie nur durchgeführt werden, wenn sie zur Durchsetzung des Platzverweises unerlässlich ist und hierdurch eine erhebliche Gefahr beseitigt wird.278 Zum Teil wird vertreten, eine Vollstreckung mit den üblichen Zwangsmitteln dürfe von vorn herein keinen Erfolg versprechen, damit das Merkmal der Unerlässlichkeit erfüllt ist.279 Wollte man sich dieser Ansicht anschließen, so müsste auch der Einsatz eines Wasserwerfers als „Regelfall der Durchsetzung eines Platzverweises“ der Einkesselung als milderes Mittel vorgezogen werden. Wasserwerfer können jedoch erhebliche Verletzungen bis hin zu Knochenbrüchen verursachen. Zudem sind dem Wasser oftmals Reizstoffe beigemischt, die ebenfalls zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können.280 Daher ist anhand der konkreten Prognose im Einzelfall zu entscheiden, ob der Einsatz von einfachen Zwangsmitteln (wie z. B. Drängen und Schieben281) zur Durchsetzung des Platzverweises Erfolg verspricht; je intensiver sich die Beeinträchtigung der Betroffenen, insbesondere ihrer körperlichen Integrität, beim Einsatz eines Zwangsmittels darstellt, desto mehr muss geprüft werden, ob nicht die vorübergehende Ingewahrsamnahme ein milderes Mittel sein kann.
276 Einerseits Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F, Rn 528, der auch die einzelnen polizeigesetzlichen Normen aufführt; andererseits für das BayPAG BVerfG NVwZ 2005, 80 f.; BayObLG, NVwZ 2000, 467 f.; Schmidbauer in: Schmidbauer/ Steiner/Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 17 Rn 60. 277 Zweifel über die „grundsätzliche Anwendbarkeit“ einer solchen Norm äußert Haase, NVwZ 2001, 165. Sie betreffen jedoch die (allein dem Gesetzgeber obliegende) dogmatische Einbindung solcher Normen in das System des Polizeirechts und nicht deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit; die entsprechenden Normen sind mithin anwendbar. 278 Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F Rn 529; BayObLG, NVwZ 2000, 468; nach KG Berlin, NVwZ 2000, 470 kann die Polizei kann auch von der Durchsetzung der Platzverweisung absehen, wenn sie hierdurch eine Eskalation der Lage befürchtet. 279 Schmidbauer in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 17 Rn 64. 280 Rachor in: Handbuch des Polizeirechts, Teil F, Rn 788 f. 281 Zur diesbezüglichen Vollstreckung eines Platzverweises siehe VG Schleswig, NVwZ 2000, 464.
B. „Fanorientierte‘‘ Gefahrenabwehr
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Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips hat die Polizei alle erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um die Einkesselung baldmöglichst beenden zu können und die Festgehaltenen freizulassen, wenn der polizeiliche Zweck erreicht ist. So hat sie z. B. ausreichende Durchlass- und Durchsuchungsstellen zu schaffen, wenn sich die Betroffenen freiwillig kontrollieren lassen, um die Dauer der Freiheitsentziehung so kurz wie möglich zu halten.282 V. Besonderheiten bei internationalen Spielen Die Gefahrenabwehr bei internationalen Spielbegegnungen weist angesichts der grenzüberschreitenden Aspekte besondere Umstände auf, die nachfolgend anhand der gefährdeten Rechtsgüter und der polizeitaktischen Methoden bei internationalen Spielen dargestellt werden (siehe unten Ziff. 1.). Dabei ergeben sich Unterschiede bei Spielbegegnungen mit deutscher Beteiligung im Ausland (siehe unten Ziff. 2.) und internationalen Wettkämpfen innerhalb Deutschlands (siehe unten Ziff. 3.). 1. Gefährdete Rechtsgüter und polizeitaktische Methoden bei internationalen Spielen Im Rahmen der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit zur Vorbereitung der EM 2000 haben die deutschen Polizeibehörden umfangreiche Maßnahmen getroffen, um Ausschreitungen deutscher Hooligans im Ausland zu verhindern. Insbesondere wurden Gefährderansprachen vorgenommen, Meldeauflagen erteilt, Beschränkungen, Versagungen und Entziehungen der Ausweispapiere angeordnet sowie die Ausreise polizeibekannter Hooligans untersagt. Unmittelbar vor und während des EM-Turniers wurden Kontrollen an den innereuropäischen Grenzen durchgeführt. Soweit Erkenntnisse über bevorstehende Straftaten vorlagen, wurden die jeweiligen Personen in Gewahrsam genommen. Mit den ausländischen Polizeien wurden zahlreiche Informationen ausgetauscht.283 Die Gerichte rechtfertigten die polizeilichen Maßnahmen in Übereinstimmung mit den bislang erschienenen Stellungnahmen in der Literatur mit einer Gefährdung des internationalen Ansehens der Bundesrepublik Deutschland durch die Zuschauerausschreitungen. Hiernach bringt der Hooliganismus schwere Gewalttaten mit sich; wenn diese durch deutsche Hooligans bei einem internationalen Sportereignis wie der Fußball EM vor den Augen eines erheblichen Teils der europäischen Bevölkerung verübt werden, werden die Interessen der Bundesrepublik Deutschland erheblich beeinträchtigt.284 282
KG Berlin, NVwZ 2000, 473; auch Hermanns/Hönig, NdsVBl. 2002, 201 f. Siehe oben Erster Teil, C., Ziff. III., 4. sowie zusammenfassend Manthey, Wesentliche Ergebnisse der EURO 2000 aus deutscher Sicht. 283
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
Darüber hinaus ist die Bundesrepublik Deutschland nach den Bestimmungen des EGV zur polizeilichen Zusammenarbeit verpflichtet. Wie jeder Mitgliedstaat der EU muss auch Deutschland die Erfordernisse der „due diligence“ gemäß Art. 10 EGV erfüllen und dafür sorgen, dass die bei internationalen Spielen ausgeübten Grundfreiheiten der Art. 39 und 49 EGV nicht durch das gewaltsame Verhalten deutscher Hooligans beeinträchtigt werden. Auch die Grundfreiheiten des EGV sind vom polizeilichen Schutzgut der öffentlichen Sicherheit erfasst. Denn die Polizei ist beauftragt, für die Unversehrtheit der gesamten Rechtsordnung zu sorgen.285 Damit es nicht zu einer Verletzung der genannten Rechtsgüter kommt, ist die Beteiligung der deutschen Gefahrenabwehrbehörden an der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit dringend geboten. Die polizeiliche Zusammenarbeit wird maßgeblich umgesetzt durch umfangreichen Informations- und Erfahrungsaustausch sowie durch die Verhinderung der Anreise potentieller Gewalttäter. 2. Maßnahmen bei Spielbegegnungen mit deutscher Beteiligung im Ausland Die polizeilichen Ziele des Informationsaustausches und der Anreiseverhinderung gewalttätiger Hooligans wurden im Zuge der EM 2000 durch umfangreiche Informationserhebung und durch die Weitergabe der gewonnenen Ergebnisse [lit. a)] sowie durch Maßnahmen zur Anreiseverhinderung [lit. b)] umgesetzt. a) Sammlung und Weitergabe von Informationen zur Erstellung einer Risikoanalyse durch die ausländischen Behörden Die Praxis sowie die europa- und völkerrechtlichen Grundlagen der informationellen internationalen polizeilichen Zusammenarbeit wurden bereits dargestellt.286 Nachfolgend geht es um die Umsetzung dieser Grundlagen im System des Polizeirechts. Zur Erhebung der Informationen kommt vor allem die Befragung nach § 8a Abs. 2 MEPolG sowie der Datenabgleich aus der Datei „Gewalttäter Sport“ gemäß § 10a MEPolG in Betracht. In beiden Fällen ist die po284 VGH BW VBlBW 2000, 475 f.; OVG Bremen, NordÖR 2001, 108; VG Minden, Kriminalistik 2000, 654; VG Gelsenkirchen, SpuRt 2001, 77; May, Nds.VBl. 2002, 41; Fehn, Polizei & Wissenschaft 2000, 24; Graßhof, VBlBW 2002, 284; für sogenannte „Polit-Hooligans“ anlässlich befürchteter Ausschreitungen des G8-Gipfels in Genua VG Freiburg, VBlBW 2002, 130. 285 BVerfGE 69, 315 (352); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 15, Ziff. 2., lit. c), S. 236; zur Gefährung der Grundfreiheiten durch den Hooliganismus siehe oben Zweiter Teil, B., Ziff. I., 2. 286 Zur polizeilichen Praxis siehe oben Erster Teil, C., Ziff. III., 3., lit. d); zu den europa- und völkerrechtlichen Grundlagen Zweiter Teil, B., Ziff. II.
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lizeiliche Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten zulässig. Fraglich ist dabei, ob die Polizei auch dann zu einem Eingriff ermächtigt ist, wenn die Verwirklichung der Straftat nicht im Inland, sondern im Ausland droht; schließlich ist die polizeiliche Verbrechensbekämpfung ein Aufgabenbereich der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.287 Der VGH BW führt hierzu aus: „Darauf, ob die Verletzung der körperlichen Unversehrtheit oder des Eigentums, der begegnet werden soll, im Ausland oder im Inland einzutreten droht, kommt es nicht an.“288 In der Literatur wird die Gefahr mit der strafrechtlichen Verfolgbarkeit im Ausland begangener Straftaten gemäß § 7 StGB begründet. Da die öffentliche Sicherheit alle Strafrechtsnormen einschließe, gehöre es zur Aufgabe der deutschen Polizei, auch diejenigen Straftaten zu verhindern, die nach deutschem Strafrecht verfolgbar seien.289 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen, wenn auch die Verantwortlichkeit der deutschen Polizei für die Gefahrenabwehr grundsätzlich auf das deutsche Staatsgebiet begrenzt ist. Daher kann es nicht unerheblich sein, ob die abzuwehrende Gefahr im In- oder im Ausland entsteht. Ausnahmsweise ist die deutsche Polizei jedoch für das Verhalten eines deutschen Staatsangehörigen im Ausland nach den völkerrechtlichen Grundsätzen der due diligence (bzw. Art. 10 EGV) verantwortlich, sofern ihr eine Sorgfaltspflichtverletzung zur Last gelegt werden kann.290 Dies trifft zu, wenn ein deutscher Staatsangehöriger im Ausland eine Straftat begeht, obgleich dies in Deutschland bereits erkennbar bzw. zu verhindern gewesen wäre. Demnach hat die Polizei die ihr zur Verfügung stehenden Mittel auch zur Verhinderung von Straftaten im Ausland durch deutsche Staatsbürger auszuschöpfen. Sie ist zur Datenerhebung auch dann berechtigt, wenn es um die Verhütung einer Straftat durch einen deutschen Staatsangehörigen im Ausland geht. Im Unterschied zur Begründung der präventiv-polizeilichen Aufgaben über den Umweg des § 7 StGB setzt die Verantwortung der deutschen Polizei nach den Grundsätzen der due diligence nicht an die Verwirklichung eines Straftatbestandes, sondern direkt an der Schadens- bzw. Gefahrenverhinderung an. Eine polizeilich abzuwehrende Gefahr kann daher auch bestehen, wenn ein im Ausland geschütztes Rechtsgut verletzt wird und die einschränkenden Verfolgungsvoraussetzungen des § 7 StGB nicht vorliegen. Drohende Straftaten deutscher Hooligans im Ausland rechtfertigen in jedem Falle eine Datenerhebung zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung im Sinne der §§ 8a und 10a MEPolG. 287
Götz, Innere Sicherheit, HStR III, § 79 Rn 4. VGH BW, VBlBW 2000, 477. 289 Fehn, Polizei & Wissenschaft 2000, 26; Breucker, Transnationale polizeiliche Gefahrenabwehr, S. 225; ders. NJW 2004, 1632. 290 Hierzu siehe oben Zweiter Teil, B., Ziff. I., 2., lit. c). 288
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
Die Datenübermittlung an die Polizei des Veranstaltungslandes erfolgt ausschließlich über die ZIS.291 Die ZIS ist beim LKA Düsseldorf eingerichtet292 und somit gemäß § 2 PolG NRW eine Polizeibehörde des Landes NRW. Daher müssen die Voraussetzungen des § 28 PolG NRW erfüllt sein, wenn die ZIS personenbezogene Daten zur Vorbereitung auf ein internationales Sportereignis an ausländische Polizeien übermittelt.293 Hiernach kann die Polizei personenbezogene Daten an ausländische öffentliche Stellen übermitteln, wenn es zur Erfüllung ihrer Aufgaben (Abs. 1) oder zur Abwehr einer erheblichen Gefahr durch den Empfänger (Abs. 4) erforderlich ist. Die Datenübermittlung hat zu unterbleiben, wenn gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde oder schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt würden. Da die Verhütung von Straftaten im Ausland vom polizeilichen Aufgabenbereich nicht ausgenommen ist, ist auch die Datenübermittlung zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung im Ausland hiervon abgedeckt. Ebenso wie bei der Datenerhebung kann dies aber nicht zu einer uferlosen Befugnis zur Datenübermittlung führen. Vielmehr müssen bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, der Betroffene werde am Spieltag eine Straftat begehen. Weiter ist die polizeiliche Übermittlungsbefugnis eingeschränkt, wenn im Empfängerland kein Datenschutz existiert. Die Polizei hat in jedem Fall eine Abwägung zwischen den öffentlichen Belangen an der Datenübermittlung und an den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen vorzunehmen.294 Angesichts der Verschiedenheit der Anlässe, die zu einer Speicherung in der Datei „Gewalttäter Sport“ führen können (vor allem die Speicherung der Daten von Adressaten einer präventiven Polizeiverfügung), ist durch die Abwägung einer undifferenzierten Datenübermittlung vorzubeugen. Dies gilt umso mehr, als die deutschen Behörden auf die weitere Behandlung der Daten im Ausland keinen Einfluss mehr nehmen können. b) Maßnahmen im Inland zur Anreiseverhinderung Nachfolgend werden die Beschränkungen der Ausreise zur Verhinderung einer Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland [lit. aa)] und die Ausreiseverhinderung durch den BGS [lit. bb)] geprüft.
291
Hierzu siehe oben Erster Teil, C., Ziff. III., 2., lit. c). www.lka.nrw.de/aktuell/zis.htm, 25.10.2001. 293 Richtigerweise ist die Datenübermittlung als Eingriff zu werten, der eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage voraussetzt. Siehe hierzu Knemeyer, NVwZ 1988, 196. 294 Bäumler in: Handbuch des Polizeirechts, 2. Auflage, Teil J, Rn 737; Mußmann, Allgemeines Polizeirecht Baden-Wüttemberg Rn 443 für die entsprechende Vorschrift des PolG BW; Roese für die Art. 40 Abs. 5 Satz 2 BayPAG, in: Schmidbauer/Steiner/ Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 41 Rn 6. 292
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aa) Beschränkungen der Ausreise zur Verhinderung einer Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland Nach § 8 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 PassG können die Passbehörden den Geltungsbereich des Passes dergestalt beschränken, dass dieser die Ausreise in bestimmte Staaten während einer bestimmten Zeitspanne nicht gestattet; gemäß § 2 Abs. 2 PAuswG i. V. m. § 10 PassG gilt entsprechendes für die Beschränkung des Personalausweises. Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt für diese Maßnahme Tatsachen voraus, die die Annahme begründen, der Betroffene gefährde erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn deutsche Hooligans im Ausland Gewalttaten verüben und so dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schaden. Daher ist eine passbzw. personalausweisrechtliche Beschränkung zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, nach denen sich eine Beteiligung des Betroffenen an gewaltsamen Ausschreitungen im Ausland prognostizieren lässt.295 Fraglich ist, welche Relevanz einer Eintragung des Betroffenen in der Datei „Gewalttäter Sport“ bei der polizeilichen Gefahrenprognose zukommt. Problematisch ist dabei, dass nach der Errichtungsanordnung des BMI in dieser Datei auch Personen erfasst sind, deren Personalien lediglich aufgrund einer präventiv-polizeilichen Maßnahme festgestellt wurden. Dies allein dokumentiert jedoch weder eine Gewaltbereitschaft noch liefert es hinreichende Anhaltspunkte dafür, der Betroffene werde sich an der kommenden Spielbegegnung an Ausschreitungen beteiligen. Daher kann die Registrierung in dieser Datei lediglich einen Anhaltspunkt für eine Entwicklung des Persönlichkeitsbildes des Betroffenen bilden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass nicht die Speicherung als solche, sondern allenfalls aus der der Speicherung zugrunde liegende Sachverhalt Rückschlüsse auf eine Gewaltneigung des Betroffenen ermöglichen kann. Darüber hinaus müssen zusätzliche personenbezogene Erkenntnisse aus der polizeilichen Vorfeldermittlung für seine Beteiligung an gewaltsamen Ausschreitungen herangezogen werden. Dabei sind umso weniger zusätzliche Anhaltspunkte erforderlich, je mehr und je schwerwiegender die Einträge in der Datei „Gewalttäter Sport“ sind. Jedenfalls dann, wenn der Betroffene bis in die jüngste Zeit in der gewalttätigen Szene aktiv gewesen ist, liegen hinreichende Tatsachen zur Annahme einer Gefahr vor. Aber auch ein längeranhaltendes unauffälliges Verhalten kann aufgewogen werden durch die langjährige Verstrickung des Betroffenen in der Szene.296 295 VGH BW VBlBW 2000, 475 = NJW 2000, 3658; OVG Bremen, NordÖR 2001, 107; VG Minden, Kriminalistik 2000, 654; VG Gelsenkirchen, SpuRt 2001, 76; Breucker, NJW 2004, 1631; Nolte, Sport und Recht, S. 134.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
Ist der Geltungsbereich des Passes gemäß § 7 Abs. 1 PassG oder des Personalausweises gemäß § 2 Abs. 2 PAuswG eingeschränkt, so hat dies ein entsprechendes Ausreiseverbot zur Folge. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 PassG haben die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen in diesem Fall die Ausreise zu untersagen. Zudem stellt es gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 PassG eine Straftat dar, wenn ein Deutscher die Bundesrepublik über eine Auslandsgrenze verlässt, obwohl der Geltungsbereich seines Passes gemäß § 7 Abs. 2 PassG durch eine vollziehbare Anordnung beschränkt wurde oder gegen ihn eine vollziehbare Anordnung nach § 2 Abs. 2 PAuswG ergangen ist. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sich der Betroffene nicht an das Ausreiseverbot hält, so kann er gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 MEPolG in Sicherheitsgewahrsam genommen werden.297 bb) Ausreiseverhinderung durch den Bundesgrenzschutz Bei der EM 2000 waren je nach Gefährdungsstufe des Spiels ca. 880 bis 2000 Beamte des BGS zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs im Einsatz.298 Dabei hat der BGS gemäß § 23 BGSG die Befugnis zur Identitätsfeststellung. Ferner sieht das BGSG die den Polizeigesetzen entsprechenden Standardbefugnisse zur Datenerhebung und -verarbeitung (§§ 21 ff. und 29 ff. BGSG) sowie zum Platzverweis, Gewahrsam, Durchsuchung (§§ 38 ff. BGSG) und zur Sicherstellung bzw. Beschlagnahme (§§ 47 ff. BGSG) vor. Auf die entsprechenden Ausführungen (Ziff. II. und III., 2.) kann verwiesen werden. Bei einem Versuch oder dem unmittelbaren Bevorstehen einer unerlaubten Ausreise kann der Täter gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 BGSG in Sicherheitsgewahrsam genommen werden. Denn durch die unerlaubte Ausreise wird der Straftatbestand des § 24 Abs. 1 Nr. 1 PassG verwirklicht. Kommt der handelnde Beamte des BGS bei Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zur Annahme, der Betroffene werde sich an Gewalttätigkeiten beteiligen, so kann er selbst gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 PassG die Ausreise untersagen, auch wenn die zuständige Passbehörde den Geltungsbereich seines Passes oder Personalausweises nicht beschränkt hat. Neben den für die Passbehörde maßgeblichen Kriterien bietet das Mitführen von Waffen oder gefährlichen Gegenständen Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Belange der Bun296 VGH BW VBlBW 2000, 476; VG Gelsenkirchen, SpuRt 2001, 77; Fehn, Polizei & Wissenschaft 2000, 24; May, NdsVBl. 2002, 41; Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, S. 157 ff., 161. 297 Fehn, Polizei & Wissenschaft 2000, 29; Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, S. 239; auf die Voraussetzungen der Ingewahrsamnahme zur Anreiseverhinderung unter Ziff. III.), 1.), lit. b) wird Bezug genommen. 298 Manthey, Wesentliche Ergebnisse der EURO 2000 aus deutscher Sicht, S. 8.
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desrepublik Deutschland. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann auch Ausländern die Ausreise entsprechend den Voraussetzungen des § 10 PassG versagt werden.299 3. Anlassbezogene Eingriffsbefugnisse bei internationalen Spielbegegnungen im Inland Bei Spielen mit internationaler Beteiligung in Deutschland stellt sich das Problem der Anreise gewaltbereiter Hooligans aus dem Ausland. Fraglich ist, ob gewaltbereiten Hooligans aus dem Ausland ausschließlich mit dem herkömmlichen Instrumentarium des allgemeinen Polizeirechts zu begegnen ist oder ob nach den Bestimmungen des Ausländerrechts deren Einreise verhindert [lit. a)] bzw. bereits eingereiste Gewalttäter zur veranstaltungsbedingten Gefahrenabwehr aus dem Gebiet der Bundesrepublik entfernt werden können [lit. b)]. a) Zurückweisung gewaltbereiter Hooligans an der Grenze der Bundesrepublik Deutschland Bei der Zurückweisung eines Ausländers gemäß § 15 AufenthG wird dessen Einreise an der Grenze von den zuständigen Behörden verweigert.300 Dabei ist zu unterscheiden zwischen sogenannten „Negativstaatern“ einerseits [siehe hierzu lit. aa)] und „Positivstaatern“, EG-Ausländern einschließlich EWR-Staatsangehörigen andererseits [siehe hierzu lit. bb)]. Die Zurückweisung ist nur ausnahmsweise an den Binnengrenzen der Schengener Vertragsstaaten zulässig [siehe untern lit. cc)]. Für die Durchführung der Grenzkontrollen und die Entscheidung über die Zurückweisung sind gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 BGSG die Behörden des BGS zuständig. Soweit daneben der Zollverwaltung und den Polizeien der Länder Bayern, Bremen und Hamburg Aufgaben der Grenzkontrolle zugewiesen sind, können auch diese als Grenzbehörden handeln.301 aa) Zurückweisung von „Negativstaatern“ Entsprechend der Terminologie des AuslG und der DVAuslG, welche zum 01.01.2005 durch das AufenthG und die DVAufenthG ersetzt worden sind, wer299 Siehe zu den Befugnissen des BGS bei der Ausreiseverhinderung auch Fehn, Polizei & Wissenschaft 2000, 22 ff. und Breucker, Transnationale polizeiliche Gefahrenabwehr, S. 97 ff. 300 Jakober, Inf AuslR, 2005, 97; Hailbronner, AuslR, § 60 AuslG Rn 1. 301 Renner, Ausländerrecht, § 44, Rn 37.
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den nachfolgend Ausländer, deren Staat nicht in der Positivliste der Anlage II zur DrittLVO aufgeführt ist, als sogenannte „Negativstaater“ bezeichnet. Negativstaater benötigen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i. V. m. § 15 DVAufenthG und Art. 1 Abs. 1 DrittLVO für die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland auch bei kurzfristigen Aufenthalten bis zu drei Monaten einen Aufenthaltstitel.302 Die Einreise ohne einen zuvor eingeholten Aufenthaltstitel ist unerlaubt (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird gemäß § 15 Abs. 1 AufenthG an der Grenze zurückgewiesen. Ihm ist die Einreise zwingend zu versagen.303 Somit benötigen Negativstaater, die als Zuschauer einer Sportgroßveranstaltung in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollen, vor dem Grenzübertritt einen Aufenthaltstitel. Regelmäßig wird bei ausländischen Fußballfans der Aufenthaltstitel in Form eines Schengen-Visums gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erteilt werden, da für den Besuch einer Sportveranstaltung ein kurzfristiger Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (weniger als drei Monate gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i. V. m. § 15 DVAufenthG) ausreicht. Die Entscheidung über eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. 2 AufenthG wird daher regelmäßig nicht nötig sein. Wenn der Ausländer das Schengen-Visum beim auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland beantragt, setzt die Erteilung dieses Aufenthaltstitels gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Auch nach dem europarechtlich maßgebenden Art. 5 Abs. 1 lit. e) SDÜ muss das Schengen-Visum nicht erteilt werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung in einem Vertragsstaat des Schengener Abkommens darstellt. Ausreichend für die Versagung des Schengen-Visums ist die Verwirklichung eines Ausweisungstatbestandes; nicht erforderlich ist, dass eine Ausweisung tatsächlich verfügt werden könnte. Hat ein ausländischer Hooligan bereits in seiner Heimat oder sonst außerhalb der Bundesrepublik Deutschland anlassbezogene Straftaten von erheblichem Gewicht begangen, so liegt der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (Begehung einer nach deutschem Recht verfolgbaren Straftat im Ausland) vor.304 302 Zur Terminologie des AuslG siehe Hailbronner, Ausländerrecht Rn 29 in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 2; zur Aufhebung des AuslG durch das AufenthG bzw. das Zuwanderungsgesetz siehe Beneicke, NordÖR 2005, 1 ff.; zum Erfordernis des Aufenthaltstitels siehe das Informationsmaterial des nds. IM, S. 11, Ziff. 2.4. 303 Zur Übereinstimmung des AufenthG mit dem AuslG siehe Jakober, InfAuslR 2005, 97 f.; zur Zurückweisung nach dem AuslG siehe Welte in: AktAR, § 60 AuslG Rn 24. 304 § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ist insofern wortgleich mit § 46 Nr. 2 AuslG; hierzu siehe Renner, Ausländerrecht, § 30 Rn 467 m. w. N. aus der Rechtsprechung.
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Eine Ausweisung kann auch ausschließlich auf § 55 Abs. 1 AufenthG gestützt werden, wenn der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt. Dies trifft zu, wenn nach einer individuellen Schadensprognose durch den Aufenthalt des Ausländers eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht für einen Schaden an einem gewichtigen polizeilichen Rechtsgut. Bedeutet der Aufenthalt des Ausländers für Dritte eine Gefahr für Leib und Leben, so kann er auch dann ausgewiesen werden, wenn kein in § 55 Abs. 2 AufenthG konkretisierter Ausweisungstatbestand erfüllt ist.305 Eine derartige Gefahrenprognose kann aber nur getroffen werden, wenn ausreichendes Tatsachenmaterial zur Verfügung steht. Die ohnehin gegebene gesellschaftliche und politische Sensibilität des Ausländerrechts306 erhöht sich bei einem Sportgroßereignis wie z. B. der Fußball-WM um die Beachtung durch die internationale Staatengemeinschaft. Eine undifferenzierte Gefahrenprognose nur aufgrund der Herkunft eines bestimmten Fußballfans ist in jedem Fall zu vermeiden. Entscheidend sind die polizeilichen Erkenntnisse über die jeweilige Person. Diese können im Regelfall nur von der ausländischen Polizeibehörde zur Verfügung gestellt werden. Dies untermauert die Wichtigkeit des Informationsaustausches bei der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit. bb) Zurückweisung von „Positivstaatern“, EG-Ausländern und EWR-Staatsangehörigen Als „Positivstaater“ werden nachfolgend Staatsangehörige bezeichnet, deren Heimatstaat in Anlage II zur DrittLVO aufgeführt ist. Sie benötigen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 1 Abs. 2 DrittLVO und den §§ 15, 17 DVAufenthG keinen Aufenthaltstitel, wenn sie einen gültigen Nationalpass besitzen und keine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Der Aufenthalt eines ausländischen Fußballfans wird in der Regel auf die Sportveranstaltung beschränkt sein und daher drei Monate nicht überschreiten. Somit reicht es für seine Einreise aus, wenn er einen gültigen Nationalpass mitführt. Die Einreise ohne einen erforderlichen Pass ist dagegen gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unerlaubt. Positivstaater, die zur Fußball-WM ohne Pass einreisen möchten, sind daher ebenso wie Negativstaater ohne Visum gemäß § 15 Abs. 1 AufenthG zwingend an der Grenze zurückzuweisen. Ebenso ist ein 305 Die Systematik der Ausweisungsgründe des AuslG wurde vom AufenthG übernommen (siehe das Informationsmaterial des nds. IM, S. 58), zum AuslG siehe VGH BW, VBlBW 1996, 386; Hailbronner, Ausländerrecht, Rn 104 in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 2; Kloesel/Christ/Häußler, § 46 AuslG Rn 1; a. A. Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, S. 202, der eine präventive Zurückweisung nur bei befürchteten Gewalttätigkeiten mit politischer Zielsetzung für gerechtfertigt hält. 306 Hierzu siehe Robbers, Ausländer im Verfassungsrecht, HBdVerfR Rn 89 ff.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
Positivstaater zwingend zurückzuweisen, der bereits ausgewiesen oder abgeschoben wurde, sofern die hieraus resultierende Sperrfrist aus § 11 Abs. 1 AufenthG noch nicht abgelaufen ist. Seine Einreise ist gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG unerlaubt. Auch wenn Positivstaater einen gültigen Pass mitführen, können sie gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn ein Ausweisungsgrund vorliegt. Ebenso wie bei der Versagung eines Visums ist es ausreichend, dass ein Ausweisungstatbestand verwirklicht ist; ob eine Ausweisung mit ihren weitreichenden Rechtsfolgen verfügt werden könnte, ist nicht entscheidend. Daher kann auch Positivstaatern unter den Voraussetzungen der §§ 53 ff. AufenthG die Einreise verweigert werden.307 Bei EG-Ausländern und EWR-Staatsangehörigen ist bereits durch die Zurückweisung deren Freizügigkeitsrecht berührt. An dieser Stelle kann offenbleiben, ob die Rechte des FreizügG/EU nur in Anspruch nehmen kann, wer die Voraussetzungen der §§ 2 ff. FreizügG/EU erfüllt oder ob diese gemäß Art. 18 EGV für alle Ansländer gilt, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU sind.308 Fußballfans reisen ein, um die Dienstleistungen des Sportveranstalters, der Sportler und sonstiger Personen (z. B. Gastwirte) zu empfangen und sind daher jedenfalls gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU (für EWR-Staatsangehörige: i. V. m. § 12 FreizügG/EU) zur Freizügigkeit berechtigt. Ihr Recht auf Einreise und Aufenthalt kann gemäß § 6 FreizügG/EU nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränkt werden.309 Wenn der Verlust der Freizügigkeit bereits durch einen Verwaltungsakt (z. B. eine Ausweisung) bestandskräftig festgestellt und eine Sperrfrist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG verhängt worden ist, ist die Einreise des Ausländers trotz dessen EU-Bügerschaft bzw. EWR-Staatsangehörigkeit nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG unerlaubt. Der Ausländer ist in diesem Fall gemäß § 15 Abs. 1 AufenthG zwingend an der Grenze zurückzuweisen. Im Übrigen können EU-Ausländer und EWR-Staatsangehörige an der Grenze nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zurückgewiesen werden (§ 6 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU). Gemäß § 6 Abs. 2 FreizügG/EU genügt eine strafrechtliche Vorverurteilung allein nicht, um eine Zurückweisung zu rechtfertigen. Vielmehr muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (§ 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU). Hierzu muss z. B. bei Straftätern eine konkrete (Wiederholungs-)Gefahr vorliegen. Sie muss bei individueller Würdigung 307 Zur Entsprechung des § 15 AufenthG mit § 60 AuslG siehe Jakober, InfAuslR 2005, 97 f.; zu § 60 AuslG siehe Hailbronner, AuslR, § 60 AuslG Rn 24; auf die Ausführungen unter lit. aa) kann verwiesen werden. 308 So hess. VGH DVBl. 2005, 319; DVBl. 2005, 320 (322). 309 Hierzu siehe BVerwG DVBl. 2005, 122 f.
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des Einzelfalls hinreichend wahrscheinlich sein. Generalpräventive Erwägungen können weder die Ausweisung noch die Zurückweisung eines EG-Ausländers rechtfertigen.310 Demnach ist die Zurückweisung eines Fußballfans aus einem Mitgliedstaat der EU nur zulässig, wenn seine Beteiligung an gewaltsamen Auseinandersetzungen aufgrund der polizeilichen Erkenntnisse hinreichend wahrscheinlich ist. Unabdingbar hierfür sind die durch die Polizeien der EG-Mitgliedstaaten vermittelten personenbezogenen Kenntnisse. Eine Zurückweisung kann aber auch dann zulässig sein, wenn der Hooligan bereits an der Grenze gefährliche Gegenstände mit sich führt und weitere Umstände die Prognose zulassen, er werde sich sicher an gewaltsamen Auseinandersetzungen beteiligen. Wenn der Tatbestand eines Ausweisungsgrundes bei einem Positivstaater oder EG-Ausländer erfüllt ist, eröffnet dies den Ermessensspielraum der Grenzbehörde gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU i. V. m. § 15 Abs. 2 AufenthG. Sie muss sich über ihr Ermessen bewusst sein und dieses auch ausüben. Andernfalls ist die Zurückweisung rechtswidrig.311 cc) Zurückweisung an den Schengener Binnengrenzen Die Zurückweisung ist örtlich auf die Grenze der Bundesrepublik Deutschland bzw. auf deren Flug- und Seehäfen sowie auf den Zeitraum beschränkt, in dem der Ausländer die förmliche Grenzkontrolle noch nicht passiert hat. Da gemäß Art. 2 Abs. 1 SDÜ an den Schengen-Binnengrenzen keine Grenzkontrollen mehr durchgeführt werden dürfen, kommt eine Zurückweisung grundsätzlich nur noch an den Schengen-Außengrenzen in Betracht.312 Bei einem sportlichen Großereignis ist es jedoch denkbar, von der Ausnahmeregelung des Art. 2 Abs. 2 SDÜ Gebrauch zu machen und für den Zeitraum des Wettkampfes auch die Schengen-Binnengrenzen zu kontrollieren. Voraussetzung ist, dass die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit die Kontrollen der Grenzen erfordern (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 SDÜ). Fraglich sind die Anforderungen, die an dieses Tatbestandsmerkmal zu stellen sind. Nach einem Beschluss des Europäischen Parlamentes vom 21.05.1996 ist hierfür eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Zusammenhang mit dem Sportereignis erforderlich. Andere wollen diesen Ausnahmefall jedenfalls auf konkrete und bedeutsame Gefährdungslagen beschränken.313
310 BVerwG NJW 1979, 506; BVerwG InfAuslR 88, 1; Hailbronner, Ausländerrecht, Rn 254 in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 2. 311 So bereits für das durch das FreizügG/EU abgelöste AufenthGEWG: Hailbronner, AuslR, § 60 AuslG Rn 24. 312 Renner, Ausländerrecht, § 21 Rn 89 f.; Welte in: AktAR, § 60 AuslG Rn 11.
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Aufgrund der Eingliederung des Schengen-Besitzstandes unter das Dach der Europäischen Union wird zur Auslegung der „Erfordernisse der öffentlichen Ordnung und nationalen Sicherheit“ aus Art. 2 Abs. 2 SDÜ auf die Rechtsprechung des EuGH zu den sogenannten „ordre-public-Vorbehalten“ zurückzugreifen sein. Hiernach reicht eine bloße Störung der öffentlichen Ordnung, die in jeder Gesetzesverletzung bestehen kann, nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die das Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Die Gefährdung für die wichtigen Schutzgüter muss hinreichend intensiv sein.314 Für die Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen von EG-Bügern innerhalb der EU wurden die ordre-public-Vorbehalte der Art. 39 Abs. 3 und 46 Abs. 1 EGV durch die RL 64/221/EWG konkretisiert.315 Hiernach können die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit nicht für wirtschaftliche Zwecke geltend gemacht werden (Art. 2 Abs. 2 RL 64/221/EWG); strafrechtliche Verurteilungen allein können Maßnahmen zur Aufenthalts- und Einreisebeschränkung nicht begründen (Art. 3 Abs. 3 RL 64/ 221/EWG). Überträgt man diese gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgedanken auf das Erfordernis der öffentlichen Ordnung und nationalen Sicherheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 SDÜ, so können jedenfalls keine Kontrollen an den europäischen Binnengrenzen angeordnet werden, um die Durchführung eines Sportereignisses in wirtschaftlicher Hinsicht zu erleichtern, etwa, um die Kosten der Sicherheitsarbeit zu reduzieren. Da weiter eine strafrechtliche Verurteilung allein nicht ausreicht, um das Freizügigkeitsrecht eines Betroffenen zu beschränken, können vereinzelt befürchtete Straftaten die Grenzkontrollen ebensowenig rechtfertigen. Auch die mit der Sportveranstaltung zwangsläufig verbundenen abstrakten Gefahren vermögen die Kontrollen an den Binnengrenzen nicht zu begründen, da eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen muss. Vorauszusetzen sind daher konkrete Anhaltspunkte, nach denen erhebliche gewaltsame Auseinandersetzungen anlässlich des bevorstehenden Wettkampfes zu prognostizieren sind. Für eine hinreichend intensive Berührung der Schutzgüter reicht die Befürchtung einer einmaligen Auseinandersetzung an nur einer Spielbegegnung, z. B. einem Champions-League-Spiel, nicht aus. Steht aber ein länger andauerndes Turnier wie z. B. eine WM oder EM bevor, so können sich dabei mehrere Risikospiele innerhalb eines kurzen Zeitraumes ereignen. Daher wird sich die Durchführung von Grenzkontrollen an den Schengener Binnengrenzen auf konkrete Gefährdungslagen während solcher Turniere beschränken müssen. Zuvor sind die anderen Vertragsparteien des SDÜ zu konsultieren.316 313 Siekmann, Football Hooliganism, Chapter 3.6, p. 21; Handbuch „Internationale polizeiliche Zusammenarbeit“, Teil III., Ziffer 3. 314 EuGH DVBl. 2004, 876 ff., 879; EuGH NJW 1978, 480; Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 46 Rn 19. 315 Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, S. 336.
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b) Polizeilicher Zwang zum Verlassen des Staatsgebietes der Bundesrepublik Deutschland während der Sportveranstaltung? Hat ein gewaltbereiter Hooligan die Grenze bereits passiert, so ist die Zurückweisung nicht mehr möglich; diese Maßnahme ist nur an der Grenze zulässig.317 Das AufenthG hält für die Verbringung von Ausländern aus dem Staatsgebiet der Bundesrepublik besondere Regelungen bereit, die für die vorliegende Fallkonstellation nachfolgend geprüft werden. Ist ein Ausländer unerlaubt eingereist, soll er gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 AufenthG innerhalb von sechs Monaten „zurückgeschoben“ werden. Die Zurückschiebung erfolgt in den Staat, aus dem er eingereist ist.318 Zuständig für die Zurückschiebung innerhalb des Grenzgebietes bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern ist gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG i. V. m. § 2 Nr. 3 BGSG der BGS; im übrigen Bundesgebiet sind die Polizeien der Länder gemäß § 71 Abs. 5 AufenthG unbeschränkt zuständig.319 Da die Zurückschiebung eine unerlaubte Einreise voraussetzt, kommt sie in Betracht für Negativstaater ohne Visum, Positivstaater ohne gültigen Pass und EG- bzw. EWR-Ausländer, die das Staatsgebiet der Bundesrepublik während einer Sperrfrist betreten haben. Wenn der Ausländer dagegen nicht unerlaubt eingereist ist, kann er auch dann nicht zurückgeschoben werden, wenn er bereits an der Staatsgrenze zur Gewalt entschlossen war. Neben der Zurückschiebung sieht das AufenthG (vorbehaltlich der Abschiebungsanordnung gemäß § 58a AntenthG) lediglich die Abschiebung zur tatsächlichen Entfernung eines Ausländers aus dem Bundesgebiet vor. Ob den Gefahren einer internationalen Sportgroßveranstaltung durch die Abschiebung ausländischer Hooligans begegnet werden kann, ist angesichts der Verfahrensregelungen zur Abschiebung und ihren materiellen Voraussetzungen aber höchst fraglich. Zweifelhaft ist bereits, ob bei der Abschiebung eines gewaltbereiten Hooligans mit dem Ziel der Vermeidung von Zuschauerkrawallen die Zuständigkeitsregelungen des Ausländerrechtes gewahrt werden können. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sind für die Entscheidungen „nach diesem Gesetz“ die Ausländerbehörden zuständig. Im Gegensatz zu den Vollzugspolizeien der Länder sind
316 Kontrollen an den Schengener Binnengrenzen wurden z. B. im Rahmen der Fußball-EM 2000 und 2004 durchgeführt. Hierzu und zum Verfahren der Konsultation der Vertragsstaaten siehe Siekmann, Football Hooliganism, Chapter 4.3, p. 33. 317 Zur örtlichen Beschränkung der Zurückweisung auf die Staatsgrenze siehe oben unter lit. a), cc). 318 Hailbronner, Ausländerrecht, Rn 36 in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 2. 319 Renner, AuslR, § 44 Rn 40, 59.
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damit die Polizei- und Ordnungsverwaltungen der unteren Verwaltungsebene gemeint.320 In Baden-Würrtemberg sind dies die Landratsämter, großen Kreisstädte, Verwaltungsgemeinschaften und in den Stadtkreisen die Gemeinden (§ 2 Nr. 3 AAZuVo BW i. V. m. § 13 LVG BW). Regelmäßig wird aber nicht die Ausländerbehörde, sondern die Vollzugspolizei während ihres Einsatzes mit den Problemen des Hooliganismus konfrontiert sein, zumal sich viele Spielbegegnungen am Wochenende außerhalb der Dienstzeiten der Ausländerbehörde ereignen. Abgesehen von den gesetzlichen Aufgabenzuweisungen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Vollzugspolizei kann diese anstelle der Ausländerbehörde lediglich dann tätig werden, wenn die subsidiäre polizeiliche Zuständigkeit bei Gefahr im Verzug eröffnet ist (§ 1a MEPolG). In diesem Fall kann die Vollzugspolizei gegenüber Ausländern aber nur vorläufige Maßnahmen treffen. Die Anordnung einer Abschiebung ist keine vorläufige Maßnahme.321 Demnach kann auch die Verfügung einer Ausweisung nicht mehr von der polizeilichen Eilkompetenz gedeckt sein, zumal ihr sofortiger Vollzug anzuordnen wäre, wenn sie ihren veranstaltungsschützenden Zweck erreichen wollte. Auch das Schriftformerfordernis für eine Ausweisung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AufenthG spricht gegen eine mit einer Abschiebung kombinierte sofort vollziehbare Ausweisung durch die Polizei im Wege der Eilkompetenz, da dieses gemeinhin und selbst im Bürgerlichen Recht vor Übereilung schützen soll.322 Zwar wäre bei einem Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelung und die Schriftform „nur“ formelles Recht verletzt. Ob die Folgen eines derartigen Formfehlers nach § 46 VwVfG unbeachtlich sind, kann jedoch offen bleiben. Aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung aus Art. 20 Abs. 3 GG ist es jedenfalls unzulässig, in ein polizeiliches Einsatzkonzept zur Gefahrenabwehr rechtswidrige Maßnahmen einzubeziehen, selbst wenn sie gerichtlich nicht gerügt werden können. Als vorläufige Maßnahme, die die Polizei aufgrund ihrer subsidiären Zuständigkeit für die Ausländerbehörde treffen könnte, käme danach lediglich in Betracht, zur Sicherung der Ausweisung bei dem zuständigen Haftrichter die Vorbereitungshaft gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu beantragen. Die Vorbereitungshaft selbst kann jedoch nicht als vorläufige Maßnahme durch die Polizei, sondern nur „auf richterliche Anordnung“ durchgeführt werden. Für die Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 AufenthG hat die Rechtsprechung klargestellt, dass der gerichtliche Beschluss in jedem Fall vor der Haft vorliegen muss.323 Da der Gesetzeswortlaut für die Vorbereitungshaft insofern gleichlautend mit 320
Renner, AuslR, § 44 Rn 23. Rumpf in: Huber, Handbuch des Ausländerrechts, § 63 AuslG Rn 105 f.; Renner, Ausländerrecht, § 44 Rn 61. 322 Rüthers/Stadler, § 24 Rn 8. 323 BVerwGE 62, 317; BGH NJW 1993, 3069; OLG Frankfurt, InfAuslR 1997, 315 („Die bundesgesetzlichen Vorgaben sind eindeutig: keine Festnahme, Ingewahrsam321
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den Vorschriften der Sicherungshaft ist, sind diese Vorgaben auch auf die Vorbereitungshaft anzuwenden. Zur Vorbereitung einer Ausweisung kann daher die Polizei einen ausländischen Hooligan nicht in Gewahrsam nehmen. Ein weiteres Problem stellt das Erfordernis der Abschiebungsandrohung dar. Sie soll gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unter Bestimmung einer Ausreisefrist angeordnet werden. Auf sie kann nur in atypischen Ausnahmefällen verzichtet werden; sie soll dem Ausländer Gelegenheit geben, seine Angelegenheiten so zu regeln, dass er das Land verlassen und gegebenenfalls Rechtsmittel einlegen kann.324 Zwar könnte die Sicherheitslage bei einer Sportgroßveranstaltung einen atypischen Ausnahmefall nahelegen, in dem auf eine Ausreisefrist gänzlich verzichtet werden kann. In diesem Fall hätte aber der Ausländer keine Möglichkeit, gegen die Anordnung seiner Ausweisung, ihrer sofortigen Vollziehung oder die Abschiebung Rechtsmittel einzulegen, was mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren ist. EG-Ausländer und EWR-Staatsangehörige sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU erst dann ausreisepflichtig, wenn die Ausländerbehörde unanfechtbar festgestellt hat, dass deren Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht. Dies bedeutet, dass die Anordnung des Sofortvollzugs einer die Ausreisepflicht begründenden Verfügung für einen Unionsbürger bzw. EWR-Staatsangehörigen nicht zulässig ist.325 Für den Schutz der Sportveranstaltung aufgrund befürchteter Gewalttaten durch einen Hooligan eines EU-Mitgliedstaates ist die Ausweisung somit aus praktischen Gründen nicht geeignet. Da der Sofortvollzug der Ausweisung nicht angeordnet werden kann, könnte der Hooligan den Vollzug seiner Ausreisepflicht durch die Ausschöpfung des Rechtsweges auf mehrere Jahre hinweg aufschieben und somit den mit der Ausweisung bezweckten Schutz der Veranstaltung vereiteln. Abgesehen von den dargelegten Verfahrensproblemen ist es zudem höchst fraglich, ob die materiellen Voraussetzungen einer Abschiebung erfüllt sind, wenn ein ausländischer Hooligan zur Vermeidung von Zuschauerkrawallen aus dem Gebiet der Bundesrepublik entfernt werden soll. Die Abschiebung setzt gemäß § 58 Abs. 1 AufenthG eine vollziehbare Ausreisepflicht des Betroffenen voraus. Gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG liegt eine vollziehbare Ausreisepflicht vor, wenn der Ausländer unerlaubt eingereist ist. In diesem Fall besteht aber kein Bedarf für eine Abschiebung, da der Hooligan gemäß § 57 AufenthG zurückgeschoben werden kann.
nahme oder Vorführung ohne richterliche Anordnung“); Beichel-Benedetti/Gutmann, NJW 2004, 3016. 324 Renner, Ausländerrecht, § 41 Rn 354. 325 Hess. VGH, DVBl. 2005, 319; DVBl. 2005, 320 (322).
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Die Ausreisepflicht ist gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auch dann vollziehbar, wenn der Verwaltungsakt, durch den der Ausländer ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist. Somit könnte die vollziehbare Ausreisepflicht eines Hooligans auch durch eine sofort vollziehbare Ausweisung hergestellt werden. Voraussetzung hierfür ist die Verwirklichung eines Ausweisungstatbestandes. Die Ausweisung gegen einen Hooligan zur Verhinderung von Zuschauerausschreitungen während eines Sportereignisses dient dem Schutz der öffentlichen Sicherheit. Daher wird regelmäßig eine Ermessensausweisung gemäß § 55 AufenthG einschlägig sein. Bei der Ermessensausweisung muss die Behörde alle für und gegen die Ausweisung sprechenden Gründe abwägen. Insbesondere ist zu prüfen, ob eine Ausweisung zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet, erforderlich und ausreichend ist.326 Vor allem angesichts der drastischen Folgen einer Ausweisung327 ist es kaum denkbar, dass diese zum Zweck der Absicherung einer Sportveranstaltung in einem angemessenen Verhältnis steht, zumal der Polizei für ihre Sicherheitsarbeit die Instrumentarien des allgemeinen Polizeirechts zur Verfügung stehen. Hiernach können ausländische Hooligans z. B. in Form des Verbringungsgewahrsams innerhalb des Staatsgebietes der Bundesrepublik umgesetzt werden; gefährliche Gegenstände können beschlagnahmt werden; stehen die Gewalttaten unmittelbar bevor, so können auch Ingewahrsamnahmen vorgenommen werden. Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen derartiger Maßnahmen entsprechen denjenigen, die gegenüber deutschen Hooligans beachtet werden müssen.328 Fraglich ist, ob eine Abschiebungsanordnung gegen ausländische Hooligans zum Schutz der Sportveranstaltung erlassen werden kann. Gemäß § 58a AufenthG kann diese von der obersten Landesbehörde oder dem BMI gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorherige Ausweisung verfügt werden. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar, einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht (§ 58a Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Rechtsschutz gegen diese Maßnahme kann gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO ausschließlich vor dem Bundesverwaltungsgericht innerhalb einer Frist von sieben Tagen nach deren Bekanntgabe erlangt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Da der Betroffene während dieser Frist bzw. bis zur Entscheidung des Gerichts nicht abgeschoben werden darf (§ 58a Abs. 4 Satz 3 AufenthG), ist von der verfügenden
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Welte in: AktAR, § 45 AuslG Rn 26. Hierzu Dollinger/Speckmaier, Rn 273; im Gegensatz zu einer Zurückweisung an der Grenze zieht eine Ausweisung ein Betretensverbot der Bundesrepublik Deutschland nach sich. Eine zeitliche Befristung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG wäre z. B. denkbar auf die Dauer der Sportveranstaltung. 328 Hierzu siehe oben Ziff. III. und IV. 327
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Behörde in jedem Fall gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG beim zuständigen Haftrichter die Sicherungshaft zu beantragen.329 Zur Annahme einer besonderen Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland, die eine Abschiebungsanordnung rechtfertigt, reicht eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit nach herkömmlichem Polizeirecht nicht aus. Vielmehr muss durch die Anwesenheit des Ausländers die Fähigkeit der Staatsorgane beeinträchtigt sein, sich gegen Angriffe und Störungen der inneren und äußeren Sicherheit zur Wehr zu setzen.330 Die Abschiebungsanordnung ist aufgrund der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 30.06.2004 in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden. Ihr liegen die tragischen Erfahrungen aus den abscheulichen Terroranschlägen in New York (11.09.2001) und Madrid zugrunde. Mit ihr sollte v. a. die Abschiebung sogenannter „Hassprediger“ und „Top-Gefährder“ erleichtert und beschleunigt werden.331 Hiernach wird eine Abschiebungsanordnung gegen einen Hooligan kaum in Betracht kommen. Zwar kann die innere Sicherheit eines Staates durch die Gewalttätigkeiten des Hooliganismus sehr wohl beeinträchtigt werden. Dies hat seinen Grund jedoch zumeist in den besonderen massenpsychologischen und soziologischen Auswirkungen dieses Phänomens.332 Die polizeilichen Gefahren aus gewaltsamen Zuschauerausschreitungen unterscheiden sich somit von den abscheulichen Terroranschlägen, die zur Entstehung des § 58a AufenthG geführt haben, einerseits durch die geringere Organisations- und Planungsintensität der Taten und andererseits durch die geringere Bedeutung individueller Täter. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch das planmäßige Handeln eines Hooligans die besondere Gefährdungsstufe des Terrors im Einzelfall erreicht werden kann; regelmäßig werden sich jedoch selbst die geplanten „Hooligan-Fights“ unterhalb dieser besonderen Gefahrenschwelle befinden. Ihnen muss der Rechtsstaat mit den herkömmlichen Mitteln des Polizeirechts begegnen.
329
Informationsmaterial des nds. IM, S. 64. Informationsmaterial des nds. IM, S. 64. 331 BT-Drs. 15/3479 (jedoch ohne Begründung); Pressemitteilung Nr. 542/04 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 23.12.2004 (www.stmi.bayern.de/ presse/Archiv/2004/542, 24.04.2005), Pressemitteilung des BMI vom 29.03.2004; Pressemitteilung des DAV vom 20.04.2004 (www.anwaltverein.de/03/02/2004/dat0304.html, 24.04.2005), Statement des Bundesinnenministers Otto Schily zum Abschluss des Zuwanderungsgesetzes vom 17.04.2004 (www.bmi.bund.de/cln_012/nn_165090/ Internet/content/Themen/Zuwand, 22.04.2005). 332 Hierzu s. o. Erster Teil, B., III., 4. 330
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
VI. Ergebnis Die „fanorientierte Gefahrenabwehr“ bezieht das polizeiliche Handeln auf die Zuschauer einer Sportveranstaltung. Dabei haben die polizeilichen Einsatzkonzepte das Recht der friedlichen Fans zu beachten, ein Sportereignis zu erleben, und zwischen Gewalttätern und friedlichen Stadionbesuchern zu differenzieren. Als Tatsachengrundlage der Gefahrenprognose dienen die polizeilich erhobenen und gespeicherten allgemeinen und personenbezogenen Daten. Sofern durch die Datengewinnung in das Recht der informationellen Selbstbestimmung eingegriffen wird, sind zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für eine bevorstehende Straftat erforderlich. Probleme können sich bei der informationellen Nachbereitung einer Sportveranstaltung ergeben, da keine konkrete Straftat bevorsteht. Die Speicherpraxis personenbezogener Daten in der bundesweiten Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ befindet sich im Einklang mit den geltenden Polizeigesetzen. Umstritten ist dagegen, ob die Art der zu speichernden Daten in einer Rechtsverordnung durch den Bundesminister des Inneren gesondert zu regeln ist. Die gegenüber den einzelnen Hooligans vorgenommenen Maßnahmen finden im allgemeinen Polizeirecht ihre gesetzliche Grundlage. Erforderlich ist jeweils eine sorgfältige Gefahrenprognose, da die Betroffenen durch die polizeilichen Maßnahmen als potentielle Gewalttäter behandelt werden. Probleme ergeben sich, wenn gewaltsame Hooligans aus einer Menge friedlicher Fans heraus agieren. Sofern sich die polizeiliche Maßnahme an die Fanansammlung als solche richtet, sind meist auch die friedlichen Fans vom gefahrenabwehrrechtlichen Eingriff betroffen. Daher müssen diese entweder als Störer qualifiziert werden können oder die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes vorliegen. Bei Spielen mit internationaler Beteiligung ist eine erfolgreiche Gefahrenabwehr nur im zwischenstaatlichen Zusammenwirken aller beteiligten Polizeien möglich. Hierzu ist ein umfassender internationaler Informationsaustausch erforderlich und nach den Regelungen der Polizeigesetze auch zulässig. Sofern die Spiele im Ausland stattfinden, können deutsche Hooligans an der Ausreise gehindert werden. Bei internationalen Spielbegegnungen im Inland können ausländische gewaltbereite Hooligans an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zurückgewiesen werden. Dagegen ist die Entfernung eines ausländischen Gewalttäters zum Schutz der Veranstaltung aus dem Gebiet der Bundesrepublik abgesehen von dem Fall der Zurückschiebung nicht zulässig. Dies gilt auch für die Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG. Sofern ein Sportereignis im Inland nicht nur durch deutsche, sondern auch durch ausländische Hooligans gefährdet wird, muss auch gegen diese das Instrumentarium des allgemeinen Polizeirechts angewandt werden.
C. Kostenpflicht des Veranstalters für Polizeieinsätze
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C. Kostenpflicht des Veranstalters für Polizeieinsätze bei Sportgroßveranstaltungen Angesichts der erheblichen Kosten, die für die polizeiliche Sicherheitsarbeit bei einem Sportereignis aufgewendet werden müssen, werden immer wieder Forderungen nach einer finanziellen Beteiligung der veranstaltenden Vereine und Verbände erhoben. Dies gilt insbesondere für den Berufsfußball als vermeintlicher Nutznießer der Sicherheitsmaßnahmen, der einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellt.333 Im folgenden wird geprüft, ob der Veranstalter nach dem geltenden Recht zur Kostenerstattung herangezogen werden kann (Ziff. I.) und welche Rechtmäßigkeitsbedingungen zu beachten wären, wenn die Kostenpflicht des Veranstalters in einer neu zu schaffenden Regelung festgelegt werden soll (Kostenpflicht de lege ferenda, siehe hierzu Ziff. II.). I. Kostenpflicht des Veranstalters nach geltendem Recht Da die Auferlegung polizeilicher Kosten ein Grundrechtseingriff ist, bedarf sie stets – auch gegenüber dem Störer – einer gesetzlichen Grundlage. Die legislative Ermächtigung für die Kostenerhebung findet sich teilweise in den Polizeigesetzen, gegebenenfalls in Verbindung mit den Vollstreckungsgesetzen (siehe unten Ziff. 1.) und teilweise in den Landesgebührengesetzen (siehe unten Ziff. 2.).334 1. Kostenpflicht des Veranstalters aus den Polizeibzw. Verwaltungsvollstreckungsgesetzen? Eine Kostenpflicht des Veranstalters für die Aufwendungen der polizeilichen Sicherheitsarbeit könnte nur dann aus den Polizeigesetzen hergeleitet werden, wenn ihm die Gefahren aus den gewaltsamen Zuschauerausschreitungen als Störer zugerechnet werden können. Denn nur wer eine Gefahr verursacht und sie nicht selbst beseitigt, hat nach den Polizeigesetzen die Kosten dafür zu tragen, dass die Polizei die Gefahr an seiner Stelle beseitigt.335 Nach der hier vertretenen Auffassung kann der Veranstalter aber gerade nicht für die Gefahren aus den Zuschauerausschreitungen verantwortlich gemacht werden, da der poli-
333 Beispielhaft die Forderung der Gewerkschaft der Polizei in der „Allgäuer Zeitung“ vom 02.08.2001: „Nicht länger Hilfstruppe für Milliardäre“; zum Kostenaufwand siehe auch oben im Ersten Teil, C., Ziff. III. 334 BVerwG NJW 1992, 2243; auch Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in BadenWürttemberg, Rn 517; zur Verortung des Polizeikostenrechts im Polizei- und Verwaltungskostenrecht siehe Götz, DVBl. 1984, 14. 335 Schenke, NJW 1983, 1883; Broß, DVBl. 1983, 378; Sailer in: Handbuch des Polizeirecht, Teil M Rn 59; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 450.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
zeiliche Zurechnungszusammenhang durch das gewaltsame Verhalten der Hooligans unterbrochen wird.336 Somit kann eine Kostenpflicht bereits aus diesem Grund nicht aus den Polizeigesetzen hergeleitet werden. Doch betonen selbst diejenigen Autoren, die eine Polizeipflicht des Veranstalters für die Zuschauerausschreitungen erkannt haben wollen, dass es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach der Störer für alle polizeilichen Kosten bei der Beseitigung der von ihm gesetzten Gefahr aufkommen muss. Vielmehr bedarf es für eine Kostenpflicht aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes einer normativen Grundlage.337 Nach den Polizeigesetzen kann der Störer herangezogen werden für die Kosten einer unmittelbaren Ausführung (§ 5a MEPolG), einer Ersatzvornahme (§ 30 Abs. 1 MEPolG), einer Sicherstellung (§ 24 Abs. 3 MEPolG) und für die polizeiliche Entschädigung, die an einen eingriffsbelasteten Nichtstörer zu zahlen ist (§ 50 MEPolG). Je nach landesgesetzlicher Ausgestaltung werden zudem die Kosten für die Anwendung von Zwangsmitteln, insbesondere von unmittelbarem Zwang erhoben. Regelungstechnisch wird dabei die Ermächtigungsgrundlage durch einen Verweis des Polizeigesetzes auf das Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz und der Vollstreckungsgebührenordnung geschaffen.338 Voraussetzung einer Kostenpflicht des Störers für eine Ersatzvornahme oder unmittelbare Ausführung ist, dass die durchzusetzende Grundverfügung einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Dies ist nicht der Fall bei Verfügungen, die der Adressat aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht erfüllen kann. Dies gilt für alle Maßnahmen, deren Umsetzung nur kraft hoheitlicher Gewalt möglich sind. Der Veranstalter kann unmöglich einen Polizeibefehl erfüllen, der an die Hooligans gerichtet ist (z. B. die Gebote, vom Stadion fernzubleiben, sich an eine Meldeauflage zu halten, während des verzögerten Abmarschs der FanBlöcke im Stadion zu verbleiben usw.). Daher kann vom ihm kein Kostenersatz für die polizeilichen Maßnahmen gegenüber randalierenden Zuschauern oder auch zur Verkehrsregulierung verlangt werden. Ebenso wenig kommt ein Kostenersatz für die Anwendung unmittelbaren Zwangs oder ähnlicher Maßnahmen (z. B. Sicherstellung gefährlicher Gegenstände) in Betracht, welche erforderlich werden können, um gegen gewaltsame Hooligans vorgehen zu können, da der Veranstalter nicht Adressat der jeweiligen Polizeimaßnahmen ist.339 336 337
Hierzu siehe oben A., Ziff. I., 3. Broß, DVBl. 1983, 379; Götz, DVBl. 1984, 17; Lege, Verwaltungsarchiv 1998,
86. 338 Sailer in: Handbuch des Polizeirechts, Teil M, Rn 41 f.; Broß, DVBl. 1984, 379; für Baden-Württemberg siehe Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rn 518 (§§ 49 Abs. 1, 52 Abs. 4 PolG BW i. V. m. §§ 25, 31 LVwVG i. V. m. LVwVGKO). 339 Lege, Verwaltungsarchiv 1998, 88; Sailer in: Handbuch des Polizeirechts, Teil M Rn 64; Schenke, NJW 1983, 1883; Götz, DVBl. 1984, 17; Nirschl, Kosten der Polizei-
C. Kostenpflicht des Veranstalters für Polizeieinsätze
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2. Kostenpflicht aus dem Landesgebührenrecht? Da für den Veranstalter keine Kostenpflicht nach den Vorschriften der Polizeigesetze begründet werden kann, stellt sich die Frage, ob dieses Ergebnis durch einen Rückgriff auf die Landesgebührengesetze zu ändern ist. Zu diesem Zweck wird untersucht, ob die polizeilichen Handlungen überhaupt einer Gebührenpflicht zugänglich sind [siehe unten lit. a)] und ob der Rückgriff auf das allgemeine Kostenrecht neben den polizeigesetzlichen Kostenregeln möglich ist [siehe unten lit. b)]. Schließlich wird die Abhängigkeit der Gebührenpflicht von einem speziellen Kostentatbestand im Kostenverzeichnis [siehe unten lit. c)] und von dem gebührenrechtlichen Begriff des überwiegenden öffentlichen Interesses [siehe unten lit. d)] dargestellt. a) Gebührenrechtlicher Vorteilsausgleich und das öffentliche Interesse am polizeilichen Handeln Die Erhebung von Gebühren dient dazu, eine individuelle staatliche Leistung und die damit verbundenen Vorteile auszugleichen, die dem Gebührenpflichtigen zuteil geworden sind.340 Die Polizei erfüllt ihre Aufgabe der Gefahrenabwehr aber grundsätzlich nicht im individuellen Interesse eines einzelnen, sondern im öffentlichen Interesse der Allgemeinheit.341 Daher können Zweifel aufkommen an der Zulässigkeit der Gebührenerhebung für ihr Handeln. Fraglich ist dabei, ob dem einzelnen durch die im Allgemeininteresse begründete polizeiliche Aufgabenerfüllung überhaupt ausgleichspflichtige Vorteile entstehen können. Denn es ist eine „Urfunktion“342 und Kernaufgabe des Staates, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten und seine Bürger vor Kriminalität und Gewalt zu schützen. Aus dieser Aufgabenzuweisung zum Staat wird auch seine Finanzierungsverantwortung für die öffentliche Sicherheit hergeleitet. Dabei verbietet es der in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der bürgerlichen Lastenverteilung, die öffentlichen Lasten einer bestimmten Person oder Personengruppe aufzubürden.343 und Sicherheitsbehörden, S. 82; a. A. Nolte, Sport und Recht, S. 141, der den Veranstalter als Zweckveranlasser für die Kosten aus der zwangsweisen Durchführung von polizeilichen Verfügungen und Sicherstellung gefährlicher Gegenstände heranziehen will. 340 BVerfGE 20, 257 (269); BVerwGE 2, 246 (247 f.); 5, 136 (141), 12, 162 (165), 13, 214 (219); Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, S. 309; Nirschl, Kosten der Polizeiund Sicherheitsbehörden, S. 18. 341 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 21; Götz, Innere Sicherheit, HStR III, § 79 Rn 13; auch Sailer in: Handbuch des Polizeirechts, Teil M Rn 8. 342 Ausdruck nach Würtenberger, NVwZ 1983, 193; hierzu siehe auch oben unter Zweiter Teil, A., Ziff. II., 2., m. w. N. 343 Scholz, Festschrift Friauf, S. 444 und 448.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
Zudem wird die Ausgestaltung der öffentlichen Sicherheit als öffentliches und daher von der Allgemeinheit zu finanzierendes Gut in unmittelbaren Kontext weiterer Verfassungsgrundsätze gebracht. So gebietet es der Gleichheitssatz, alle Bürger unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit in gleichem Maße zu schützen. Aus der rechtsstaatlichen Bindung an die Gesetze folgt, dass kein Bürger den gesetzlich vorgesehenen Schutz kaufen oder sich davon loskaufen kann. Schließlich ist es mit dem Demokratieprinzip unvereinbar, die Entscheidung über die Ausübung hoheitlicher Macht von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Schutzsuchenden abhängig zu machen. Nicht zuletzt ist es der Polizei aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols verboten, durch die Entgeltlichkeit ihrer Leistung in einen gleichrangigen Wettbewerb mit privaten Ordnungskräften zu treten. Keinesfalls darf die Polizei für den Schutzbedürftigen zu teuer werden.344 Dennoch können diese Verfassungsprinzipien kein generelles Verbot einer polizeilichen Kostenerhebung statuieren; vielmehr ist hierin ein Grundsatz zu sehen, wonach die öffentliche Sicherheit ein öffentliches Gut ist; ihr Schutz ist daher auch von der Allgemeinheit zu finanzieren.345 Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen aber dann, wenn der einzelne von der Tätigkeit der Polizei unmittelbar wirtschaftlich profitiert. Die Finanzierung polizeilicher Maßnahmen über die Allgemeinheit kann zu einer ungleichen Lastenverteilung führen, wenn der unmittelbare wirtschaftliche Vorteil einzelner durch das allgemeine Steueraufkommen gedeckt wird. In diesen Fällen ist die Abschöpfung des aus dem polizeilichen Handeln erwachsenen Vorteils im Wege einer Gebührenerhebung gerechtfertigt. Der unmittelbare Vorteil, den die Sportorganisatoren durch die polizeiliche Sicherheitsarbeit erhalten, wird darin gesehen, dass die Veranstaltung ohne die polizeiliche Mithilfe überhaupt nicht stattfinden kann. Zudem erspart sich der Veranstalter durch die Polizeiarbeit zumindest einen Teil seiner eigenen Sicherheitsaufwendungen. Weiter wird auf das Maß an immanenter Gefahrenträchtigkeit der betreffenden Veranstaltung abgestellt. Je größer die Risiken einer Veranstaltung sind, desto mehr ist der Organisator auf die polizeiliche Mithilfe angewiesen und von ihr begünstigt.346 Doch selbst wenn nach diesen Kriterien ein privates Sicherheitsinteresse des Begünstigten festgestellt wird, kann es zwar das öffentliche Interesse an der polizeilichen Tätigkeit überlagern, aber nicht verdrängen. Das öffentliche Interesse am polizeilichen Tätigwerden bleibt auch dann erhalten, wenn die abzuwehrende Gefahr nicht für die Allgemeinheit, sondern für den Einzelnen besteht.347 344 Gusy, DVBl. 1996, 722 f.; Sailer in: Handbuch des Polizeirechts, Teil M Rn 20 ff. 345 Scholz, Festschrift Friauf, S. 445. 346 Sailer in: Handbuch des Polizeirechts, Teil M Rn 9; Nirschl, Kosten der Polizeiund Sicherheitsbehörden, S. 85 f.; Scholz, Festschrift Friauf, S. 449. 347 Albrecht, Festschrift Samper, S. 169.
C. Kostenpflicht des Veranstalters für Polizeieinsätze
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b) Keine Ausschließlichkeit der polizeilichen Kostenerhebung nach den Polizeigesetzen Teilweise wird die Ansicht vertreten, die Erhebung polizeilicher Kosten sei in den Polizeigesetzen abschließend geregelt. Daher könne nicht auf die allgemeinen Kostengesetze zurückgegriffen werden, um eine Gebührenschuld des Begünstigten zu begründen. Andernfalls könne die polizeigesetzliche Unterscheidung zwischen kostenfreier Gefahrenabwehr für jedermann und kostenpflichtigem Tätigwerden für den Störer beliebig unterlaufen werden.348 Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Die Gebührengesetze gelten nach ihrem Wortlaut für die gesamte Verwaltung; eine Ausnahme für die Polizeiverwaltung und den Polizeivollzugsdienst besteht nicht. Zudem würde es dem Regelungsgehalt der Polizeigesetze widersprechen, dort eine abschließende Bestimmung für die Kostenerstattung polizeilicher Maßnahmen erwarten zu wollen. Die Polizeigesetze weisen der Verwaltung die Aufgabe der Gefahrenabwehr zu und regeln die damit verbundenen Rechte und Pflichten der beteiligten Rechtsträger. Die Kostenerhebung selbst hat aber nicht die Gefahrenabwehr zum Ziel. Dagegen verfolgen die Kostengesetze den Zweck einer abschließenden Kostenregelung für die Verwaltung. Ist in diesen kein Gebührentatbestand normiert, so können für die jeweilige Amtshandlung keine Kosten erhoben werden. Durch den Rückgriff auf das allgemeine Gebührenrecht wird der polizeirechtliche Grundsatz der kostenfreien Gefahrenabwehr nicht verletzt, solange er auch in den Gebührengesetzen beachtet wird. Daher sind die Gebührengesetze neben den Kostenregelungen in den Polizeigesetzen anwendbar, soweit der Gesetzgeber keine ausdrückliche anderweitige Regelung getroffen hat.349 c) Erforderlichkeit eines speziellen Gebührentatbestandes im Gebührenverzeichnis Fraglich ist, ob für die Begründung der Kostenpflicht des Veranstalters bereits ein allgemeiner Auffangtatbestand in den Gebührengesetzen ausreicht, wonach die staatlichen Behörden Gebühren erheben für Amtshandlungen, die sie auf Veranlassung oder im Interesse einzelner vornehmen (so z. B. die §§ 1, 3 LGebG BW). Teilweise wird hierzu vertreten, die Polizeiverwaltungen seien befugt, ohne entsprechende Regelung eines Gebührentatbestandes im Gebühren-
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Majer, Verwaltungsarchiv 1982, 191. Im Ergebnis auch: Lege, Verwaltungsarchiv 1998, 88; Götz, DVBl. 1984, 18 f.; Broß, DVBl. 1983, 379; Würtenberger, NVwZ 1983, 196 (insbesondere FN 55); auch OVG Lüneburg, DVBl. 1977, 832 (834); Jelden/Fischer, BWVP 1992, 107; zur Rechtslage in Bayern nach Art. 76 BayPAG siehe Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden, S. 64 ff. 349
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
verzeichnis nach behördlichem Ermessen über die Erhebung von Gebühren für ihre Amtshandlungen zu entscheiden.350 Hierdurch wäre aber der Grundsatz, dass die Polizei ihre Aufgabe im öffentlichen Interesse und damit prinzipiell kostenfrei wahrnimmt351, endgültig aus den Angeln gehoben und die Bedenken gegen einen Rückgriff von den Polizeigesetzen auf das allgemeine Gebührenrecht352 würden schließlich doch durchschlagen. Zudem wirken die Maßnahmen der Polizei im Gegensatz zur „Amtshandlung“, wie sie die Landesgebühren- bzw. Kostengesetze voraussetzen, in vielfältigerer Weise auf die Lebensverhältnisse der Bürger ein. Es ist nahezu keine polizeiliche Maßnahme denkbar, an welcher kein Bürger Interesse hat. Selbst das Umschalten einer Ampel von rot auf grün liegt auch im konkreten Interesse der wartenden Verkehrsteilnehmer und könnte eine Gebührenpflicht auslösen. Eine solche Auslegung der gebührenrechtlichen Auffangtatbestände würde aber die Gefahr eines ausufernden Gebührenfiskalismus in sich bergen und verstieße zudem gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, da die Polizei ansonsten für alle ihre Handlungen von nahezu allen Bürgern Gebühren erheben könnte.353 Ohne eine Regelung im Gebührenverzeichnis kann daher vom Veranstalter keine Kostenerstattung verlangt werden.354 d) Gebührenbefreiung bei überwiegendem öffentlichen Interesse Die meisten Kostengesetze der Länder enthalten Regelungen, wonach Amtshandlungen, welche überwiegend im öffentlichen Interesse liegen, von der Gebührenpflicht befreit werden können (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 LGebG BW, § 2 Abs. 2 Verwaltungskostengesetz Sachsen-Anhalt, § 2 Abs. 2 Satz 1 Gebühren- und Beitragsgesetz Berlin, § 6 Satz 2 Gebührengesetz Brandenburg, § 17 Abs. 2 Alt. 2 hessisches Verwaltungskostengesetz, § 6 Verwaltungskostengesetz MecklenburgVorpommern, § 2 Abs. 2 niedersächsisches Verwaltungskostengesetz, § 6 Satz 2 Gebührengesetz NRW, § 4 saarländisches Gebührengesetz, § 2 Abs. 1 Nr. 1 Thüringer Verwaltungskostengesetz, § 3 Abs. 1 Nr. 3 Verwaltungskostengesetz Sachsen, § 6 Verwaltungskostengesetz Schleswig-Holstein, § 3 Abs. 1 Nr. 2 bayerisches Kostengesetz, § 6 Abs. 1 Landesgebührengesetz Rheinland-Pfalz; auch § 6 Verwaltungskostengesetz des Bundes). Fraglich ist, welche Anforderungen an eine solche Gebührenbefreiung zu stellen sind und ob der Schutz sportlicher Veranstaltungen hiervon erfasst ist. 350
Jelden/Fischer, BWVP 1992, 107. Hierzu siehe oben unter lit. a). 352 Hierzu siehe oben unter lit. b). 353 Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden, S. 42, 68, 75 f. 354 So auch Lege, Verwaltungsarchiv 1998, 88; Götz, DVBl. 1984, 21; Schenke, NJW 1983, 1886; Nolte, Sport und Recht, S. 148. 351
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Das gebührenbefreiende überwiegende öffentliche Interesse ist zu unterscheiden vom bereits behandelten öffentlichen Interesse am polizeilichen Tätigwerden per se. Während die Gefahrenabwehr auch dann im öffentlichen Interesse erfolgt, wenn sie von einem einzelnen veranlasst wurde, besteht das gebührenbefreiende überwiegende öffentliche Interesse nur bei solchen Amtshandlungen, bei denen das Interesse der Behörde die Veranlassung durch den polizeilich Begünstigten überwiegt.355 In diesem Zusammenhang wird vertreten, die Mehrzahl der polizeilichen Maßnahmen erfolgten im überwiegenden öffentlichen Interesse; die damit verbundene Begünstigung sei lediglich ein Reflex, der keine Kostenpflicht begründen könne.356 Dagegen muss richtigerweise differenziert werden zwischen dem öffentlichen Interesse am polizeilichen Einschreiten einerseits und an der Kostenerhebung andererseits, die sich an der Schutzrichtung der polizeilichen Maßnahme orientiert. Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des polizeilichen Handelns dürfen nicht mit dem Recht der Kostenerstattung vermengt werden.357 Für die polizeiliche Absicherung von Sportgroßveranstaltungen wird das überwiegende öffentliche Interesse an der Gebührenbefreiung teilweise verneint, weil die Organisatoren mit den sportlichen Wettkämpfen beabsichtigen, Gewinne zu erwirtschaften.358 Dabei wird jedoch der hohe Integrations- und Identifikationswert von Sportveranstaltungen für die Bevölkerung vernachlässigt.359 Diesem Umstand ist auch auf der Ebene der polizeilichen Kosten Rechnung zu tragen. Weiter nimmt die Polizei durch den Schutz der Sportveranstaltung auch die öffentliche Aufgabe der Sportförderung wahr, welche in den meisten Ländern der Bundesrepublik Deutschland sogar landesverfassungsrechtlichen Rang genießt. Ist der Sport einschließlich des Leistungssports zur öffentlichen Aufgabe geworden, so hat der Staat im Interesse der Allgemeinheit umso mehr dagegen anzugehen, dass einzelne Gewalttäter den Ablauf eines sportlichen Wettkampfes durch ihre ungesetzlichen Handlungen überschatten und stören. Daher steht der Grundsatz der Kostenfreiheit von Amtshandlungen im überwiegenden öffentlichen Interesse – soweit in den Kostengesetzen geregelt – einer Gebührenpflicht des Veranstalters entgegen.360 355
Götz, DVBl. 1984, 19. Albrecht, Festschrift Samper, S. 168 ff., auch Schmidbauer in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 76 Rn 20. 357 So zurecht: Würtenberger, NVwZ 1983, 196. 358 So Sailer in: Handbuch des Polizeirechts, Teil M Rn 67. 359 Zum Indentifikationswert des Sports siehe BVerfGE 97, 228 (257); Steiner, Sport und Medien aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 83; ders., Sportrecht heute, S. 205. 360 Im Ergebnis ebenso Würtenberger, NVwZ 1983, 196 und Nolte, Sport und Recht, S. 149; dies gilt selbstverständlich nur, wenn die Gebührenbefreiung für Amtshandlungen im überwiegenden öffentlichen Interesse ausdrücklich gesetzlich normiert ist. 356
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II. Eckpunkte für eine Kostenpflicht des Veranstalters de lege ferenda Kann der Veranstalter de lege lata nicht für die Kosten eines Einsatzes zum Schutz eines Fußballspiels herangezogen werden, so stellt sich die Frage, ob (hierzu siehe Ziff. 1.) und gegebenenfalls wie (hierzu siehe Ziff. 2.) sich eine mögliche Kostenpflicht le lege ferenda gestalten ließe. 1. Polizeiliche Kostenerstattung zwischen Zulässigkeit und Gebotenheit Dem Gesetzgeber wäre die Entscheidung über das „Ob“ einer Kostenerstattungspflicht des Veranstalters verwehrt, wenn diese bereits aus rechtlichen Gründen unzulässig [lit. a)] oder zwingend geboten [lit. b)] wäre. a) Begründungsbedürftigkeit einer normativen Kostenpflicht des Veranstalters Gegen die Zulässigkeit einer Kostenpflicht für die polizeiliche Absicherung einer Sportveranstaltung wird vorgebracht, die Tätigkeit der Polizei sei bereits durch das allgemeine Steueraufkommen vorfinanziert. Eine zusätzliche Kostenerhebung bringe eine doppelte Deckung der Polizeikosten mit sich und widerspreche dem Rechtsstaatsgebot.361 Die Verwendung der Steuern ist jedoch nicht zweckgebunden; der Gesetzgeber ist grundsätzlich in seiner Entscheidung über ihre Verteilung im Staatshaushalt frei.362 Bedenken ergeben sich weiter aus der Entscheidung des Grundgesetzes für einen Steuerstaat. Die Pflicht zur Vollständigkeit des Haushaltsplans aus Art. 110 Abs. 1 GG verbietet es, dass sich der Gesetzgeber Einnahmequellen außerhalb seines Budgets organisiert. Der Staat ist verpflichtet, sich primär durch die Erhebung von Steuern zu finanzieren; ein Gebührenstaat dagegen, der sich vorrangig durch die Entgeltlichkeit seiner staatlichen Leistungen finanziert, ist mit dem finanzverfassungsrechtlichen System des Grundgesetzes unvereinbar. Wenn sich hieraus auch keine generelle Unzulässigkeit staatlicher Kostenerhebung ableiten lässt, so muss aber bei jeder Normierung von Gebührentatbeständen darauf geachtet werden, den Grundsatz des Steuerstaates nicht „aus den Angeln zu heben“.363 Diese Bedenken werden unterstrichen durch den Grundsatz, wonach die Polizei im öffentlichen Interesse handelt. Dies verlangt jedenfalls eine Rechtfertigung, wenn vom polizeilich Begünstigten Gebühren erhoben werden sollen. 361
Albrecht, Festschrift Samper, S. 176 ff. Schenke, NJW 1983, 1883; Götz DVBl. 1984, 18 (FN 44). 363 Sailer in: Handbuch des Polizeirechts, Teil M Rn 18; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden, S. 39 ff. 362
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Denn für den Schutz des allgemeinen Guts der öffentlichen Sicherheit trägt der Staat die Handlungs- und die Finanzierungsverantwortung. Grundsätzlich muss dieses Gut für jeden zugänglich bleiben und darf nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Schutzbedürftige in der Lage ist, entsprechende Gebühren zu zahlen.364 Somit besteht zwar kein generelles Verbot, einen Gebührentatbestand zu schaffen, um die Organisatoren von Sportveranstaltungen für die Kosten der polizeilichen Sicherheitsarbeit heranzuziehen; eine derartige Gebührenpflicht muss jedoch die Ausnahme bleiben und besonders begründet sein. b) Verfassungsmäßige Gebotenheit einer polizeilichen Kostenregelung? Ist die Erhebung polizeilicher Kosten auf Ausnahmefälle beschränkt, so fragt sich, ob eine Kostenerhebung verfassungsmäßig zwingend geboten ist, wenn ein solcher Ausnahmefall vorliegt. Ausnahmen von dem Prinzip der Kostenfreiheit polizeilichen Handelns bestehen vor allem in den gesetzlich geregelten Fällen der Störerhaftung. Sie beruhen auf dem Gedanken, dass die Kosten einer polizeilichen Maßnahme von demjenigen zu tragen sind, in dessen Rechte- und Pflichtenkreis sie gehört. Wer für einen polizeiwidrigen Zustand verantwortlich ist und diesen nicht beseitigt, soll durch seine pflichtwidrige Untätigkeit keine finanziellen Vorteile ziehen. Durch sein Unterlassen hat er einen polizeilichen Kostenaufwand veranlasst, den er auszugleichen hat.365 Dieser Gedanke des Veranlasserprinzips wird teilweise aus der grundgesetzlichen Finanzverfassung abgeleitet. Hiernach gebiete es das Übermaßverbot und der Grundsatz der Lastengleichheit, individuell verursachte Belastungen nicht der Allgemeinheit, sondern dem Verursacher aufzuerlegen. Damit diene das Verursacherprinzip als maßgebliches Kriterium, die Einstandspflicht der öffentlichen Hand zu begrenzen und begründe eine Kostenabwälzung an den Verursacher. Die Lastenverschiebung zuungunsten der Steuerzahler sei unverhältnismäßig, wenn eine private Finanzierungsmöglichkeit und -fähigkeit bestehe. Diese Überlegungen seien sowohl für die Normsetzung durch den Gesetzgeber als auch für die Normanwendung durch die Verwaltung heranzuziehen.366 Aus diesen Gedanken des Veranlasserprinzips und des Vorteilsausgleichs ließe sich nicht nur dann eine verfassungsmäßige Gebotenheit der Kostenpflicht des Veranstalters ableiten, wenn man diesem – entgegen den obigen Ausführun364 Scholz, Festschrift Friauf, S. 445; Gusy, DVBl. 1996, 722 f.; Sailer in: Handbuch des Polizeirechts, Teil M Rn 20. 365 Götz, DVBl. 1984, 15; Gusy, DVBl. 1996, 723 m. w. N. 366 So Frenz, Das Verursacherprinzip im öffentlichen Recht, S. 79 ff.; 182 ff.; 233 ff.; 246 ff.
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gen367 – die polizeiliche Verantwortung für die Hooligangewalt zuschreiben möchte. Auch wenn der Veranstalter die Gefahren der Hooligangewalt nicht in polizeilichem Sinne verursacht hat, könnte er dennoch im Sinne des kostenrechtlichen Veranlasserprinzips den Anstoß für die kostspieligen polizeilichen Schutzmaßnahmen gegeben haben.368 Nicht nur bei einem Störer, sondern auch bei dem wirtschaftlich und individuell Begünstigten der polizeilichen Leistung kann sich im Interesse der steuerlichen Lastenverteilung die Gebotenheit eines Vorteilsausgleichs aufdrängen.369 Als maßgebliche Kriterien könnten das Maß an immanenter Gefahrenträchtigkeit der betreffenden Veranstaltung ebenso wie das Maß der jeweiligen individuellen Begünstigung des Veranstalters durch den polizeilichen Schutz in Betracht kommen.370 Gegen eine verfassungsrechtlich zwingende Finanzierungsverantwortung des Veranstalters für die Aufwendungen der polizeilichen Sicherheitsarbeit spricht jedoch, dass die staatliche Kostentragung nicht unmittelbar in die Grundrechte des Steuerzahlers eingreift. Vielmehr finanziert dieser die Polizeikosten allenfalls mittelbar durch das allgemeine Steueraufkommen.371 Zudem hat der Gesetzgeber vor allem im Bereich des Gleichheitssatzes einen weiten Ermessensund Gestaltungsspielraum. Er ist nicht gehalten, in jedem Fall immer die jeweils gerechteste und zweckmäßigste Regelung zu treffen.372 Die Freistellung des Veranstalters von den Kosten für die polizeiliche Absicherung einer Sportgroßveranstaltung hält sich damit im vorgegebenen Rahmen der Verfassung. Es obliegt allein der politischen Entscheidung des Gesetzgebers, ob eine normative Regelung der Kostenpflicht des Veranstalters erfolgt.373 2. Vorgaben für eine normative Regelung zur Kostenpflicht des Veranstalters de lege ferenda Sollte sich der Gesetzgeber für eine Kostenpflicht des Veranstalters entscheiden, so stellt sich die Frage, wie eine solche Regelung zu gestalten ist. Damit eine Kostenpflicht de lege ferenda im gesetzlichen System platziert werden
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Siehe oben A., Ziff. I., 3. So auch Majer, Verwaltungsarchiv 1982, 182; Schenke, NJW 1983, 1884; dies übersieht Lege, Verwaltungsarchiv 1998, 86, in dem er in FN 75 die polizeiliche Verursachung eines Zustandes mit der kostenrechtlichen Veranlassung gleichsetzt. 369 Diesen Gedanken formuliert auch Sailer in: Handbuch des Polizeirechts, Teil M Rn 3, wenn auch nicht als zwingendes verfassungsrechtliches Gebot; ebenso Gusy, DVBl. 1996, 725. 370 Kriterien nach Scholz, Festschrift Friauf, S. 449, der aus diesen jedoch keine Verfassungspflicht zur Kostenerstattung ableitet. 371 Majer, Verwaltungsarchiv, 1982, 193. 372 BVerfGE 64, 158 (168 f.); 66, 84 (95). 373 Majer, Verwaltungsarchiv, 1982, 192 ff.; Broß, DVBl. 1983, 379. 368
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kann, wird sie zunächst im Verhältnis zum allgemeinen Abgabenrecht dargestellt [lit. a)]; im Anschluss werden deren Rechtmäßigkeitsbedingungen formuliert [lit. b)]. a) Die Pflicht zur polizeilichen Kostenerstattung im Verhältnis zum allgemeinen Abgabenrecht Bei der Einführung einer Gebührenpflicht des Veranstalters handelt es sich um die Zahlung eines Geldbetrages an die Staatskasse. Daher liegt deren Einordnung in das System des öffentlichen Abgabenrechts nahe. Eine öffentliche Abgabe ist eine Geldleistung, die der Staat zur Erzielung von Einnahmen kraft öffentlichen Rechts in Anspruch nimmt.374 Ob die Kostenpflicht für Polizeimaßnahmen der Einnahmeerzielung dient, kann zweifelhaft sein. Denn die polizeigesetzliche Haftung des Störers beruht auf dem Gedanken des Vorteilsausgleichs. Wer im polizeirechtlichen Sinn für eine Gefahr verantwortlich ist, hat den polizeiwidrigen Zustand auf eigene Kosten zu beseitigen. Unterlässt er dies pflichtwidrig, so hat er sich dadurch einen finanziellen Vorteil geschaffen, welcher durch die Kostenerhebung wieder ausgeglichen werden soll. Daher wird die Zahlungspflicht des Störers herkömmlich nicht als öffentliche Abgabe, sondern als öffentlich-rechtliche Geldleistungspflicht eigener Art eingestuft.375 Der vorteilsausgleichende Gedanke der Störerhaftung greift jedoch nicht, wenn es darum geht, dem polizeilich Begünstigten ein Entgelt in Rechnung zu stellen. In diesem Fall dient die Kostenpflicht zwar ebenso wie die Störerhaftung dem Ausgleich des durch die polizeiliche Handlung erlangten Vorteils; dem Organisator einer Sportveranstaltung wird z. B. deren Durchführung erst ermöglicht, zudem reduziert die Polizeiarbeit seine eigenen Sicherheitsaufwendungen. Der Vorteilsausgleich ist jedoch nicht darin begründet, dass der Kostenpflichtige auf eigene Verantwortung und Rechnung eine polizeiliche Gefahr zu beseitigen hätte, wie es die Rechtsordnung vom Störer erwartet. Vielmehr befindet sich der Begünstigte innerhalb seines Rechtskreises. Ihm obliegt keine Handlungspflicht, sondern er hat als Gefährdeter das Recht auf die Abwehr der ihm drohenden Gefahren. Der Grund seiner kostenmäßigen Heranziehung besteht nicht in der Verursachung einer Gefahr, sondern lediglich darin, dass er durch den – ohnehin zu gewährenden – polizeilichen Schutz aufgrund eines besonderen Sachverhalts besondere Vorteile erhält. Soll aber eine individuell zu374
BVerfGE 13, 181 (198). Götz, DVBl. 1984, 14; Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden, S. 39 f.; ebenso Gusy, DVBl. 1996, 727, der jedoch die Einordnung der Polizeikosten im Verhältnis zum allgemeinen Abgabenrecht ebenso wie Broß, DVBl. 1983, 380 nicht für ergiebig hält. 375
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
rechenbare Begünstigung eines Bürgers, die durch eine behördliche Amtshandlung hervorgerufen wurde, finanziell ausgeglichen werden, so erfolgt dies im System des allgemeinen Abgabenrechts regelmäßig über eine Gebühr. Denn die Gebührenerhebung wird gerade durch ihre Ausgleichsfunktion legitimiert. Die Gebühr ist dazu bestimmt, die Kosten einer individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung ganz oder teilweise zu decken.376 Wenn sich der Gesetzgeber für eine Kostenpflicht des Veranstalters entscheidet, so sollte er sie als Gebühr umsetzen. Eine solche Regelung sollte aus systematischen Gründen nicht im Polizeigesetz, sondern im Gebührenrecht getroffen werden. b) Rechtmäßigkeitsbedingungen einer Gebührenpflicht des Veranstalters Bei der Normierung einer Gebührenpflicht des Veranstalters ist zunächst die Frage der Rechtsnatur der zu erlassenen Vorschrift zu klären [lit. aa)]. Zudem muss die Norm hinreichend bestimmt sein [lit. bb)] und die Grundrechte des Veranstalters [lit. cc)] wahren. Bei der Bemessung der Gebührenhöhe ist dem gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip Rechnung zu tragen [lit. dd)]. aa) Formelles Gesetz oder Rechtsvorschrift zur Festlegung der Gebührenpflicht? Die Verpflichtung, eine Gebühr zu entrichten, stellt einen Eingriff in die Rechte der Betroffenen dar. Hierfür benötigt die Verwaltung aufgrund des Gesetzesvorbehalts eine gesetzliche Ermächtigung. Diese kann ein formelles Gesetz oder eine von der Exekutive erlassene Rechtsverordnung auf formell-gesetzlicher Grundlage sein. Damit scheidet die Begründung einer Gebührenpflicht des Veranstalters durch Verwaltungsvorschriften oder innerdienstliche Weisungen aus.377 Ein formelles, vom Parlament zu schaffendes Gesetz ist immer dann erforderlich, wenn wesentliche Entscheidungen zu treffen sind. Diese sind dem Gesetzgeber vorbehalten und dürfen nicht auf die Exekutive delegiert werden.378 Teilweise wird zur Einführung einer Gebührenpflicht des Veranstalters ein formelles Gesetz für erforderlich gehalten, weil die Erhebung von Gebühren für 376 BVerfGE 93, 319 (Ls. 2); Wolff/Bachhof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 42 Rn 22 f. 377 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 42 Rn 23; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn 8; Broß, DVBl. 1983, 379; auch durch öffentlich-rechtlichen Vertrag i. S. d. §§ 54 ff. VwVfG kann eine Zahlungspflicht des Veranstalters nicht herbeigeführt werden, hierzu siehe Nolte, Sport und Recht, S. 144. 378 BVerfGE 58, 257 f.
C. Kostenpflicht des Veranstalters für Polizeieinsätze
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sicherheitsrechtliche Leistungen eine wesentliche Entscheidung von einschneidender Bedeutung sei, die allein der Gesetzgeber treffen könne.379 Dem ist jedoch nicht zu folgen. Der Gesetzgeber hat in den Kostengesetzen die wesentlichen Fragen zur Erhebung von Verwaltungsgebühren entschieden und dabei auch die Polizeiverwaltung mit erfasst.380 Die Kostengesetze der Länder beschränken die Entscheidung der Exekutive auf die Einführung von Gebühren für solche Amtshandlungen, die im Interesse oder auf Veranlassung des Gebührenschuldners vorgenommen werden (so z. B. § 1 LGebG BW). Nur wenn diese Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, ist der Verordnungsgeber dazu ermächtigt, Gebührentatbestände zu schaffen. Durch die Aufnahme eines Gebührentatbestandes zur Kostenerhebung für die polizeiliche Absicherung einer Sportgroßveranstaltung trifft der Verordnungsgeber nicht die wesentliche Entscheidung über die Frage, ob für präventiv-polizeiliche Maßnahmen grundsätzlich Gebühren erhoben werden sollen oder nicht. Hierzu ist er vom Gesetzgeber auch nicht ermächtigt. Vielmehr hat er bei der Einführung neuer Gebührentatbestände sicherzustellen, dass sie den Grundsatz der Gebührenfreiheit des Polizeihandelns nicht verletzen. Der Veranstalter erhält durch die polizeiliche Sicherheitsarbeit die Möglichkeit, das Sportereignis überhaupt durchzuführen und zudem eigene Sicherheitsaufwendungen einzusparen. Die Vergütung dieses Vorteils hebt den Grundsatz der Gebührenfreiheit polizeilichen Handelns nicht auf. Daher kann eine Kostenpflicht des Veranstalters dem Grunde nach durch die Aufnahme eines entsprechenden Tatbestandes im Gebührenverzeichnis geschaffen werden. Jedoch kann das Tätigwerden des Gesetzgebers bei der Gestaltung einer Gebührenpflicht des Veranstalters aus anderen Gründen erforderlich werden. Denn der Schutz einer sportlichen Großveranstaltung erfolgt im überwiegenden öffentlichen Interesse. Daher steht der Grundsatz der Kostenfreiheit von Amtshandlungen im überwiegenden öffentlichen Interesse einer im Verordnungsweg eingeführten Gebührenpflicht des Veranstalters entgegen.381 Dieser Grundsatz hat jedoch weder Verfassungsrang noch sonst allgemeine Bedeutung; er gilt nur, wenn er im jeweiligen Kostengesetz im Range einfachen Rechtes umgesetzt ist.382 Sofern sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, in den Gebührengesetzen Amtshandlungen im überwiegenden öffentlichen Interesse von der Kostenpflicht zu befreien, kann hiervon zwar abgewichen werden, jedoch nur unter der Voraussetzung einer ausdrücklichen legislativen 379 So Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden, S. 68 f.; wohl auch Gusy, DVBl. 1996, 727, der den Gesetzgeber zur Entscheidung über die Kostentragung der Sicherheitsmaßnahmen für Flughäfen aufgerufen sieht. 380 Hierzu siehe oben unter Ziff. I., 2. 381 Hierzu siehe oben unter Ziff. I., 2., lit. d). 382 BVerwGE 13, 214 (219); BVerwG BayVBl. 1972, 585.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
Entscheidung.383 Zum Teil sind in den Gebührengesetzen der Länder bereits Ausnahmen vom Grundsatz der Gebührenfreiheit geschaffen worden. So gilt die Gebührenbefreiung nach § 5 Abs. 2 LGebG BW nicht für Vermessungsgebühren. Soll eine Kostenpflicht des Veranstalters für Sportgroßveranstaltungen begründet werden, so ist daher neben der Aufnahme eines entsprechenden Tatbestandes im Gebührenverzeichnis durch den Verordnungsgeber eine Ausnahmeregelung vom einfachgesetzlichen Gebührenbefreiungstatbestand durch den Gesetzgeber erforderlich, wenn in den jeweiligen Landesgebührengesetzen Amtshandlungen im überwiegenden öffentlichen Interesse von der Kostenpflicht befreit sind.384 bb) Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes an eine Gebührenpflicht des Veranstalters Der Bestimmtheitsgrundsatz ist Teil des Rechtsstaatsprinzips. Ihm zufolge muss jede Rechtsnorm in ihren Voraussetzungen und in ihrem Inhalt so formuliert sein, dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können.385 Im Abgabenrecht verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz, dass der Betroffene nicht mit Abgaben belastet werden darf, die für ihn nicht voraussehbar waren und mit denen er nicht rechnen konnte, weil die Abgabennorm zu unbestimmt und in ihrem Umfang zu unbegrenzt war. Daher muss eine im Gebührenverzeichnis formulierte Gebührenpflicht des Veranstalters sowohl in ihrem Tatbestand, der die Abgabenpflicht auslöst, als auch in ihren Rechtsfolgen, die den Umfang der Abgabe festlegen, hinreichend bestimmt sein. Aus diesem Grund kann eine Kostenpflicht des Veranstalters nicht über eine gebührenrechtliche Generalklausel begründet werden. Gebührentatbestände müssen stets die einzelnen polizeilichen Handlungen aufführen und ihnen eine Gebührenfolge zuordnen.386 Problematisch war vor diesem Hintergrund die seit 1991 aufgehobene Norm des § 81 Abs. 2 PolG BW a. F.387 Hiernach konnte ein privater Veranstalter für die Kosten in Anspruch genommen werden, die durch die Hinzuziehung auswärtiger Polizeikräfte von anderen Polizeidienststellen des Landes oder des Bundes angefallen waren. Unklar war dabei vor allem, welche Veranstaltung 383
Würtenberger, NVwZ 1983, 196. Nolte, Sport und Recht, S. 149. 385 BVerfGE 52, 1 (41); BVerfGE 21,79. 386 VG Frankfurt, NVwZ 1985, 214 und VG Kassel, NVwZ 1985, 212 zur HessPolKostVO; Götz, DVBl. 1983, 21; Gusy, DVBl. 1996, 727; Broß, DVBl. 1983, 382; Schenke, NJW 1983, 1886. 387 GBl. BW 1968, S. 61 (73); Majer, Verwaltungsarchiv 1982, 180 bezeichnete die Norm als „gerade noch haltbar“. Sie wurde aufgehoben durch Gesetz vom 02.10.1991 (GBl. S. 625). 384
C. Kostenpflicht des Veranstalters für Polizeieinsätze
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unter den Begriff „privat“ fällt und welche polizeilichen Kosten konkret vom Veranstalter verlangt werden konnten.388 Sollte eine Gebührenpflicht erneut zu regeln sein, so muss bereits aus dem Tatbestand der Norm klar und eindeutig hervorgehen, welche privaten Veranstaltungen von der Gebührenpflicht erfasst sind, indem sie z. B. auf kommerzielle Veranstaltungen beschränkt wird. Bei der Festlegung des Umfangs der Gebührenpflicht besteht das Problem, dass das Ausmaß des polizeilichen Einsatzes, welches die Höhe der Kosten bestimmt, von der eigenverantwortlich zu beurteilenden Gefahrenprognose und den Ermessensentscheidungen der Polizei abhängt. Da sowohl die Prognose über das Entstehen zukünftiger Gefahren als auch die Ausübung des Ermessens nur in beschränktem Maße gerichtlich überprüfbar sind, muss dem Veranstalter zumindest eine Kalkulationsgrundlage zur Verfügung gestellt werden, indem ihm die Höhe der voraussichtlichen Kosten zuvor mitgeteilt wird.389 In diesem Falle wäre der tatsächliche Aufwand Grundlage der Gebühr. Alternativ könnte eine Pauschgebühr erwogen werden, deren Gebührenrahmen in der Rechtsfolge der Norm anhand der Erfahrungen aus vergangenen Fußballspielen weitgehend eingegrenzt wird. cc) Grundrechtsbezug der Gebührenpflicht des Veranstalters Wenn die Gebührenpflicht durch einen Verwaltungsakt konkretisiert wird, greift die staatliche Aufforderung zur Zahlung in die Grundrechte des Veranstalters ein. Handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, so ist deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus Art. 14 Abs. 1 GG und das Recht der Berufsfreiheit betroffen. Ein eingetragener Verein kann sich dagegen auf das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG berufen.390 Auch eine Gebühr, die nachträglich festgesetzt wird, berührt die Grundrechte des Veranstalters. Er hat in jedem Fall mit ihrer Beitreibung zu rechnen, unabhängig davon, ob ihm ihre endgültige Höhe vor oder nach der Veranstaltung bekannt gegeben wird. Die Gebühr ist veranstaltungsbezogen und wirkt sich auf die Entscheidung über zukünftige Veranstaltungen sowie auf den wirtschaftlichen Erfolg des vergangenen Ereignisses aus. Daher ist darauf zu achten, dass die Gebühr für den Veranstalter keine erdrosselnde oder gar existenzvernichtende Wirkung hat.391 Zwar kann eine Gebühr nicht schon dann die Grund388 Sailer in: Handbuch des Polizeirechts, Teil M Rn 56; Würtenberger, NVwZ 1983, 193; Schenke, NJW 1983, 1887; Broß, DVBl. 1983, 383; Götz, DVBl. 1984, 18. 389 Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden, S. 92; auch Schenke, NJW 1983, 1885 und 1887 f., der sich jedoch ausdrücklich gegen einen Beurteilungsoder Ermessensspielraum der Polizei bei der Gefahrenprognose wendet. 390 Hierzu siehe oben Zweiter Teil, A., Ziffer I. und Schenke, NJW 1983, 1887. 391 Schenke, NJW 1983, 1887; Würtenberger, NVwZ 1983, 197; Lege, Verwaltungsarchiv 1998, 89; Nolte, Sport und Recht, S. 147.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
rechte des Abgabepflichtigen verletzen, wenn die konkrete Veranstaltung einen finanziellen Verlust mit sich bringt, da die Polizei nicht für das wirtschaftliche Risiko des Unternehmers verantwortlich sein kann. Dabei ist es dem Veranstalter grundsätzlich zumutbar, in wirtschaftlicher Hinsicht das Risiko möglicher Zuschauerausschreitungen und damit auch die Kosten zur polizeilichen Prävention aufzubürden, da ihm auch die Gewinne aus dem Sportereignis zustehen. Eine Verletzung der Veranstaltergrundrechte kann aber dann angenommen werden, wenn es der betroffenen Kapitalgesellschaft oder dem Bundesligaverein aufgrund der Gebührenlast unmöglich gemacht wird, Spielbegegnungen zu veranstalten und am Ligabetrieb teilzunehmen. Dies betrifft jedenfalls die Grundrechte, die den kommerziellen Spielbetrieb erfassen (Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG). Fraglich ist dagegen, ob es einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 GG darstellt, wenn einem Bundesligisten durch die Gebührenlast die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs und die Teilnahme an der Bundesliga unmöglich gemacht wird. Art. 9 Abs. 1 GG schützt zwar den Kernbestand und die Funktionsfähigkeit eines Vereins; dem Verein kann aufgrund der Vereinigungsfreiheit aber nicht erlaubt sein, was dem einzelnen nur nach den jeweiligen Individualgrundrechten gestattet ist. Mit der Durchführung des kommerziellen Profi-Spielbetriebs und der Veranstaltung von Spielbegegnungen tritt der Fußballverein im Rechtsverkehr auf wie jede andere natürliche Person.392 Wird aber ein Gewerbetreibender, Freiberufler oder Industrieller durch die öffentliche Abgabenlast an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert, so sind dessen Rechte aus Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG betroffen.393 Für den kommerziellen Spielbetrieb eines Fußball-Bundesligavereins bzw. einer Kapitalgesellschaft kann nichts anderes gelten. Daher wird zumindest im Profi-Sport die Vereinigungsfreiheit durch eine Gebührenpflicht für polizeiliche Großeinsätze nicht verletzt. dd) Das Äquivalenzprinzip als Maßstab für die Höhe der Gebühr Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Gleichheitsprinzips ist das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip.394 Hiernach besteht zwischen der Amtshandlung der Behörde und der vom Bürger zu entrichtenden Gebühr ein unmittelbarer Zusammenhang; die staatliche Leistung wird durch ein Entgelt des Begünstigten ausgeglichen. Dabei muss die Gebühr in angemessenem Verhältnis zur Amtshandlung als staatlicher Gegenleistung 392
BVerfGE 30, 227 (243); siehe auch oben Zweiter Teil, A., Ziffer I., 2. BVerfGE 8, 222 (228); 13, 181 (185 ff.); 14, 221 (241); 87, 153 (169). 394 BVerfG NJW 1979, 1345; auch Sailer in: Handbuch des Polizeirechts, Teil M Rn 11 ff. 393
C. Kostenpflicht des Veranstalters für Polizeieinsätze
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stehen. Anhaltspunkte zur Festsetzung der Gebührenhöhe sind dabei die Kosten der Verwaltung und der Wert ihrer Leistung für den Bürger.395 Aus diesem Grund kann die Höhe der Veranstaltergebühr nicht willkürlich festgelegt, sondern muss durch eine finanzielle Bewertung der polizeilichen Schutzmaßnahmen ermittelt werden. Als mögliche Gestaltungsvariante kann entweder der tatsächliche Aufwand an eingesetzten Polizeibeamten gewählt werden, indem die sogenannten „Mannstunden“ entlohnt werden.396 Denkbar wäre aber auch eine Pauschgebühr, deren Rahmen im Gebührenverzeichnis festgelegt ist. Die Gebühr kann innerhalb des Gebührenrahmens im Einzelfall durch pflichtgemäßes Ermessen festgesetzt werden. Sie muss sich jedoch auch in diesem Fall an den tatsächlich entstandenen Kosten orientieren. Da aus dem Äquivalenzgebot keine Untergrenze für die Abgabenhöhe folgt,397 muss der polizeiliche Aufwand in wirtschaftlicher Hinsicht jedoch nicht durch die Gebühr gedeckt sein. Sollte dies angestrebt werden, so ergäbe sich angesichts der erheblichen finanziellen Aufwendungen der Polizei möglicherweise eine erdrosselnde Wirkung für den Veranstalter. Eine Gebühr wird daher in keinem Falle zu einer vollständigen Deckung der Kosten führen, sondern allenfalls zu einer maßvollen Beteiligung des Veranstalters an den Aufwendungen der Polizei.398 III. Ergebnis Für die Kosten, die zur polizeilichen Absicherung eines Fußballspiels erforderlich sind, haftet der Veranstalter nach den geltenden Polizei- und Verwaltungsvollstreckungsgesetzen nicht. Dies gilt selbst dann, wenn man dem veranstaltenden Verein oder Verband für die Gefahren des Hooliganismus in der polizeirechtlichen Verantwortung sehen möchte. Da zur Verhinderung der Hooligangewalt in der Regel hoheitliche Machtbefugnisse in Anspruch genommen werden müssen, über die der Veranstalter nicht verfügt, fehlt es an einer vollstreckbaren Grundverfügung, für deren Vollstreckungskosten der Veranstalter herangezogen werden könnte. Zwar kann sich eine Kostenpflicht nicht nur aus den Polizei- und Vollstreckungsgesetzen, sondern auch aus dem allgemeinen Kosten- und Gebührenrecht ergeben. Da jedoch der polizeiliche Schutz einer Sportgroßveranstaltung im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, steht der Kostenpflicht die Gebührenbefreiung für Amtshandlungen im überwiegenden 395 BVerfGE 50, 217 (227) und BVerwGE 2, 246 (249); 5, 136 (141), 12, 162 (166); 22, 299 (305); Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden, S. 35. 396 Dieser Weg wurde bereits Anfang der 1980er Jahre in Bremen gewählt, hierzu Majer, Verwaltungsarchiv 1982, 189. 397 Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg Rn 519. 398 Auch Lege, Verwaltungsarchiv 1998, 90 spricht ausdrücklich von einer „maßvollen“ Gebühr; ähnlich Nolte, Sport und Recht, S. 147, 149.
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3. Teil: Umsetzung der Ausgangslage im Polizeirecht
öffentlichen Interesse entgegen, soweit sie gesetzlich geregelt ist. Zudem scheitert eine Kostenpflicht nach den Gebührengesetzen in jedem Fall, wenn im Gebührenverzeichnis kein Gebührentatbestand für den polizeilichen Schutz von Sportgroßveranstaltungen enthalten ist. Eine Kostenerhebung de lege ferenda ist weder von vornherein unzulässig noch verfassungsrechtlich zwingend geboten; vielmehr ist die Entscheidung über die Kostentragung des Veranstalters bei Sportgroßveranstaltungen ausschließlich politischer Natur. Sofern eine politische Entscheidung für eine Kostentragung des Veranstalters juristisch umzusetzen wäre, ist diese im System des Abgabenrechts als Gebühr nach den allgemeinen Gebühren- bzw. Kostengesetzen der Länder zu regeln. Dabei ist es ausreichend, im Verordnungswege einen Gebührentatbestand in die Gebührenverzeichnisse der jeweiligen Gebührenbzw. Kostengesetze der Länder aufzunehmen. Sofern jedoch das jeweilige Gebühren- bzw. Kostengesetz einen Befreiungstatbestand für Amtshandlungen im überwiegenden öffentlichen Interesse vorsieht, ist neben einem Gebührentatbestand im Wege des formellen Gesetzes eine Ausnahmevorschrift für polizeiliche Leistungen bei Sportgroßveranstaltungen zu fassen. Schließlich muss die Kostenregelung im Gebührenverzeichnis hinreichend bestimmt sein und darf in grundrechtlicher Hinsicht keine erdrosselnde Wirkung entfalten. Die Gebührenhöhe ist nach dem Äquivalenzgebot in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten des Polizeieinsatzes zu bestimmen.
Vierter Teil
Gesamtergebnis und Thesen A. Zusammenfassendes Ergebnis I. Ergebnis der Grundlagen im Verfassungs- und Europarecht 1. Polizeigesetzlich konkretisierte Verfassungspflicht zum Schutz der Veranstaltung Die an der Sportveranstaltung beteiligten Rechtsträger können sich auf die Freiheitsrechte der Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG berufen. Der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG ist dem professionellen Sport dagegen regelmäßig nicht eröffnet, soweit es um die Organisation von Veranstaltungen geht. Durch die Professionalisierung und Kommerzialisierung des Sports treten die Vereine und Verbände nach außen wie eine natürliche Person auf und können keine weitergehenden Rechte für sich in Anspruch nehmen. Die Pflicht der Polizei, die Sportgroßveranstaltung gegen gewaltsame Zuschauerausschreitungen zu schützen, folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem Schutzauftrag der grundrechtlichen Freiheitsrechte der Veranstaltungsbeteiligten, den der Gesetzgeber durch die Polizeigesetze an die Polizeibehörden vermittelt hat. Der Schutzauftrag wird zusätzlich verstärkt durch eine landesverfassungsrechtliche Sportförderungsklausel. Diesem objektiven Schutzauftrag der Polizei entspricht ein subjektives öffentliches Recht der Beteiligten auf ermessensfehlerfreie Entscheidungen über das „Ob“ und das „Wie“ bei der polizeilichen Sicherheitsarbeit. Dies gilt nicht nur für die Abwehr konkreter Gefahren, sondern auch für die Gefahrenvorsorge, der bei Sportgroßveranstaltungen entscheidende Relevanz zukommt. Ein Anspruch eines Beteiligten auf die Bereitstellung eines bestimmten polizeilichen Kräfteansatzes im Vorfeld der Veranstaltung muss jedoch regelmäßig an den Beurteilungs- und Ermessensspielräumen der Polizei im Bereich der Gefahrenvorsorge scheitern. Die Polizei ist daher verfassungsrechtlich verpflichtet, bereits im Vorfeld von Sportgroßveranstaltungen zu prüfen, ob gewaltsame Ausschreitungen zu befürchten sind und gegebenenfalls Vorkehrungen hiergegen zu treffen. Bei der
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4. Teil: Gesamtergebnis und Thesen
Entscheidung über das „Ob“ und das „Wie“ konkreter Planungs- und Vorfeldmaßnahmen hat sie jedoch erhebliche Beurteilungs- und Ermessensspielräume. Auch bei einer verschärften Gefahrenlage bei der Bedrohung wichtiger Rechtsgüter ist die Polizei grundsätzlich gehalten, die Durchführung des Spiels zu ermöglichen. Eine Spielabsage kann zwar verfassungsrechtlich zulässig sein, stellt die Polizei jedoch unter erheblichen Rechtfertigungszwang. 2. Gemeinschaftsrechtliche Pflichten der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung des Hooliganismus und ihre Umsetzung auf der Ebene des EUV und des Europarechts im weiteren Sinn Der professionelle Fußballsport ist vom Regelungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts erfasst. Bei europaweiten mannschaftsbezogenen Sportgroßveranstaltungen und Turnieren können sich zwar nicht die einzelnen Sportler, dagegen aber die Vereine und die Fans auf die Dienstleistungsfreiheit des EGV berufen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Ausübung der europäischen Dienstleistungsfreiheit vor den Gefahren des Hooliganismus sicherzustellen. Auf der Ebene des EUV stellt dessen dritte Säule eine geeignete Plattform zur grenzüberschreitenden Bekämpfung der Gefahren aus dem Hooliganismus zur Verfügung. Daneben werden je nach Bedarf bilaterale Vereinbarungen getroffen. Auch im Europarat werden Maßnahmen zur Verhinderung von Zuschauergewalt bei Sportveranstaltungen getroffen. Dessen Empfehlungen beeinflussen das einschlägige Sekundärrecht zur polizeilichen Zusammenarbeit innerhalb der EU. Angesichts der fortschreitenden Rechtsverbindlichkeit des Sekundärrechts aus der dritten Säule der EU ist das Rechtsschutzsystem vor den europäischen Gerichten im Bereich der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit nicht ausreichend. Bei internationalen Spielbegegnungen auf europäischer Ebene sind daher sowohl die deutschen als auch die ausländischen Polizeibehörden verpflichtet, ausreichende Vorkehrungen gegen die Ausschreitungen durch ihre Staatsangehörigen zu treffen, um die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 Abs. 1 EGV bei der Spielbegegnung sicherzustellen. Verfügt eine Behörde die Absage einer internationalen Spielbegegnung oder verweigert sie die Zusammenarbeit mit der Polizei eines Mitgliedstaates, so hat sie diese Entscheidung auf der Ebene des europäischen Rechtes zu rechtfertigen.
A. Zusammenfassendes Ergebnis
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II. Verwaltungsrechtliches Ergebnis zur veranstalter- und fanorientierten Gefahrenabwehr 1. Beschränkung der polizeilichen Verantwortlichkeit und Kooperationsobliegenheit des Veranstalters Der Veranstalter ist in polizeilicher Hinsicht dafür verantwortlich, bei der Durchführung des Sportereignisses die Beeinträchtigung anderer Grundrechte zu vermeiden und eine insgesamt friedliche Veranstaltung zu organisieren. Für die von gewaltsamen Hooligans herbeigeführten Gefahren ist er nicht verantwortlich. Der Veranstalter ist im Rahmen seiner Kooperationsobliegenheit gehalten, die polizeiliche Sicherheitsarbeit zu unterstützen. Er kann auf die polizeiliche Einschreitschwelle Einfluss nehmen, indem er Tatsachenmaterial zur Gefahrenprognose beisteuert und seine Interessen für die polizeiliche Ermessensabwägung artikuliert. Für die Polizei besteht eine Rechtspflicht, die Kooperationsbemühungen des Veranstalters zu unterstützen. Ein Pflichtverstoß kann einen Fehler bei der Gefahrenprognose oder bei der Ermessensausübung hervorrufen. Das Kooperationsmodell ist auf Seiten der Polizei durch ihren Auftrag zur Gefahrenabwehr und auf Seiten des Veranstalters durch die eigenverantwortliche Wahrnehmung seiner verfassungsmäßigen Freiheitsrechte begrenzt. Verweigert der Veranstalter seine Kooperation, so begründet dies keine Polizeipflicht; hierdurch kann aber die polizeiliche Absage einer Spielbegegnung begünstigt werden. Die polizeilich verfügte Absage eines Spiels aufgrund bevorstehender Hooligankrawalle kommt daher gegenüber dem Veranstalter nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes in Betracht. Dessen Tatbestandsmerkmale sind erfüllt, wenn die drohenden Ausschreitungen Gefahren für Leib und Leben der Veranstaltungsbeteiligten begründen. Indem der Veranstalter im Vorfeld ausreichende Kooperationsmaßnahmen ergreift, kann er aber einen eigenen Beitrag zur Vermeidung der Hooligan-Gewalt erbringen. Kommt es zu einer Spielabsage, wird der Veranstalter in der Regel die Möglichkeiten der Kooperation nicht ausgeschöpft haben, was seinen Entschädigungsanspruch als Nichtstörer ausschließt. 2. Gefahrenprognose im Rahmen der „fanorientierten“ Gefahrenabwehr Bei der fanorientierten Gefahrenabwehr hat die Polizei zwischen friedlichen Fans und gewalttätigen Hooligans zu differenzieren. Die polizeiliche Gefahrenprognose setzt die Erhebung umfangreicher allgemeiner und personenbezogener Daten voraus. Neben den herkömmlichen Standardmaßnahmen werden bei Sportgroßveranstaltungen zulässigerweise Gefährderansprachen, Meldeauflagen,
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4. Teil: Gesamtergebnis und Thesen
Maßnahmen zur Anreiseverhinderung, einschließende Begleitungen und die Verzögerung des Abmarsches der Fans aus dem Stadion angewandt. Bei Spielen im Ausland mit deutscher Beteiligung können die potentiellen Gewalttäter an der An- und Ausreise gehindert werden. Bei internationalen Spielbegegnungen in Deutschland kann das Ausländerrecht – abgesehen von der Zurückweisung an der Grenze und der Zurückschiebung nach einer unerlaubten Einreise – nicht für den Schutz der Veranstaltung fruchtbar gemacht werden, so dass gegenüber Hooligans aus dem Ausland mit den herkömmlichen Instrumentarien des allgemeinen Polizeirechts vorzugehen ist. 3. Die Umlegung veranstaltungsbedingter Polizeikosten Sofern in den Gebührenverzeichnissen zu den Kosten- bzw. Gebührengesetzen der Länder kein entsprechender Gebührentatbestand existiert, besteht de lege lata keine Pflicht des Veranstalters, die Kosten des Polizeieinsatzes ganz oder teilweise zu tragen. Die Einführung einer Kostenpflicht des Veranstalters ist weder von vorn herein unzulässig, noch verfassungsrechtlich zwingend geboten und daher ausschließlich eine politische Entscheidung. De lege ferenda kann eine Kostenpflicht als Gebühr gestaltet werden, indem im Gebührenverzeichnis zum Landesgebührengesetz ein Gebührentatbestand aufgenommen wird. Wenn das jeweilige Landesgebührenrecht den Grundsatz der Gebührenbefreiung von Amtshandlungen im überwiegenden öffentlichen Interesse vorsieht, ist zusätzlich im Gebühren- bzw. Kostengesetz eine Ausnahme zu formulieren, da der Schutz einer sportlichen Großveranstaltung im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt.
B. Thesen I.
Durch den Schutz einer Sportgroßveranstaltung erfüllt die Polizei ihren verfassungsrechtlichen Schutzauftrag. Hiervon ist auch die Planung und Vorbereitung des Einsatzes im Vorfeld der Veranstaltung mit dem Ziel der Gefahrenvorsorge erfasst.
II.
Bei Wettbewerben auf europäischer Ebene besteht dem Grunde nach eine Pflicht der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, durch die Mitwirkung an der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit die Ausübung der Grundfreiheiten bei der Sportveranstaltung gegen die Beeinträchtigungen durch Hooligans sicherzustellen.
III.
Der ausrichtende Verein einer Sportveranstaltung ist in polizeilicher Hinsicht dafür verantwortlich, dass das Großereignis keine grundrechtlichen Belange Dritter rechtswidrig beeinträchtigt; er ist nicht verantwortlich für die Gefahren, die aus dem Verhalten gewaltsamer Hooligans erwachsen.
B. Thesen
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IV.
Das aus dem Brokdorf-Beschluss des BVerfG bekannte Kooperationsprinzip ist kein Spezifikum des Versammlungsrechts. Vielmehr ist es im verfahrensmäßigen und organisatorischen Gehalt der Grundrechte begründet und auch im Geltungsbereich des allgemeinen Polizeirechts bei Sportgroßveranstaltungen anzuwenden.
V.
Für die Polizei besteht eine Rechtspflicht, die Kooperationsbemühungen des Veranstalters zu unterstützen. Ein Verstoß kann zu einer fehlerhaften Gefahrenprognose oder zu Ermessensfehlern führen.
VI.
Den Veranstalter trifft die Obliegenheit, an der Verhinderung gewalttätiger Zuschauerausschreitungen mitzuwirken, indem er mit der Polizei kooperiert. Die Kooperationsbemühungen des Veranstalters haben Auswirkungen auf die polizeiliche Einschreitschwelle.
VII. Nur durch rechtmäßige Sicherheitsvorkehrungen kann der ausrichtende Verein seine Kooperationsobliegenheiten erfüllen. Maßnahmen des Veranstalters, die gegen das bürgerliche oder öffentliche Recht verstoßen, können nicht in die polizeilichen Einsatzkonzepte einbezogen werden und sind von der Polizei nicht zu begünstigen. VIII. Die Grenzen der Kooperation sind einerseits durch den gesetzlichen Schutzauftrag der Polizei, andererseits durch die eigenverantwortliche Wahrnehmung der Grundrechte des Veranstalters definiert. IX.
Bei der „fanorientierten“ Gefahrenabwehr hat die Polizei von dem Recht der friedlichen Fans auszugehen, ein Sportereignis im Stadion zu erleben. Die Planung und Durchführung des Einsatzes muss zwischen den Gewalttätern und den friedlichen Fußballfans differenzieren.
X.
Eine Kostenpflicht des ausrichtenden Vereins für den polizeilichen Schutz der Sportveranstaltung besteht nach geltendem Recht grundsätzlich nicht. Die Einführung einer Kostenpflicht de lege ferenda ist weder von vorn herein unzulässig noch zwingend geboten, sondern eine politische Entscheidung.
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Sachwortregister Die Angaben verweisen auf die Seitenzahlen Abgabe, öffentliche 229 ff., 232, 234 ff. Abmarsch, verzögerter 64, 189, 197 ff., 220, 240 Abschiebung 213 ff., 217 Abschiebungsanordnung 213, 216 ff. AG „Polizeiliche Zusammenarbeit“ 109, 126 Anreiseverhinderung 64, 66, 167, 183 ff., 202, 204, 240 Ansammlung 29 ff., 77, 139, 143, 174 ff., 193 ff., 199, 218 Anscheinsgefahr 195 Anspruch 89 ff., 170 ff., 237 Äquivalenzprinzip 234 Aufenthaltstitel 208 f. Ausländer 207 ff. Ausreise, Ausreisebeschränkung 66, 106, 201, 204 ff., 215 f., 218, 240 Ausschreitung 27, 29 f., 33, 35 ff., 39 f., 43, 46, 48 f., 53, 55, 58, 62, 100, 105, 108, 111 ff., 128 ff., 137 f., 142 ff., 149, 154, 167, 169 f., 176, 179, 195, 198 f., 201, 205, 216 f., 219, 230, 234, 237 ff., 241 Ausweisung 208 ff., 214 ff. „Bauernprotest-Urteil“ 100, 103, 105 Begleitung, einschließende 62 ff., 66, 193, 195 ff., 240 Berufsfreiheit 68 ff., 78, 97, 99, 233 Beschlagnahme 189 ff., 206 Bestimmtheitsgrundsatz 224, 232 Beurteilungsspielraum 93 f. Binnengrenzen, Schengener 109, 207, 211 ff. Binnenmarkt, europäischer 103 f.
Blockzwang 62 f., 168 „Bosman-Urteil“ 92 Brokdorf-Beschluss 128, 131, 139 f., 142, 144, 148, 150 ff., 161, 173, 241 Bundesgrenzschutz 51, 54, 59 f., 62, 66 f., 112, 204, 206 f., 213 Bundeskriminalamt (BKA) 60, 181 f. Bundesliga 30, 36, 38, 47, 51, 54, 58, 60 ff., 70 ff., 74 ff., 127, 133, 150, 160, 234 Champions-League 28, 47 f., 97, 156, 212 Datei 59 f., 181 f., 185, 187 ff., 192, 197, 202, 204 f., 218 Datenerhebung 177 ff., 181, 203 f., 206 Datenspeicherung 182 Datenübermittlung 112, 116, 181, 204 Dassonville-Formel 104 Deindividuation 31 „Deliège“ 97 Delikte, anlasstypische 53 f., 197 Demonstration 29 f., 104, 106, 138, 140, 143 ff., 149, 153, 161, 163, 173 f., 194 DFB 42, 44, 56, 61, 69 f., 72, 74, 98, 127, 157 f., 160, 180, 190 Dienstleistungsfreiheit 99 f., 125, 238 due diligence 102, 202 f. Durchsuchung 62, 153, 157, 160 f., 188 f., 201 Eigentum 75 f., 99, 152, 161, 170 f., 203 Eingriff 45, 79, 86, 90, 92, 112 f., 116, 134, 140, 146, 153 f., 156, 159 f., 163,
262
Sachwortregister
166 ff., 174, 177, 179, 181, 184 f., 195 ff., 200, 203 f., 207, 218 ff., 230 Eingriffsschwelle, polizeiliche 146, 153 f., 156, 168 Einkesselung 193, 199 ff. Einreise, unerlaubte 207 ff., 212 f., 215, 240 Einsatzkonzept 173 ff., 214, 241 Entschädigung 166, 170 ff., 220, 239 Ermächtigungsgrundlage 112, 166, 178, 185, 187, 190 Ermessen 85, 87 ff., 93 ff., 99, 106, 132, 146, 148, 156, 164, 173, 211, 216, 224, 228, 233, 235, 237 ff., 241 Ermittlungsverfahren, strafrechtliches 54, 56, 158, 181, 183 Europameisterschaft (EM) 28, 47, 66, 185, 201 Europarat 111, 113 ff., 126, 238 Fan 33 f., 36 ff., 43 ff., 49 ff., 59 ff., 78, 100, 112 f., 116, 150, 154, 168, 174 ff., 239 ff. Fanbegleitung 58, 112 f., 130 Fanblock 57, 197 Freiheitsentziehung 59, 192, 197 f., 201 Freizügigkeit 98, 100, 210, 212 Gebühren 215 ff., 221 ff., 230 ff., 240 Gebührenbefreiung 224 f., 232, 235, 240 Gebührenpflicht 217, 224, 227, 229 ff. Gebührenverzeichnis 223 f., 231 f., 235 f., 240 Gefahr 27 ff., 30, 34 f., 42 ff., 47 f., 50, 52, 58, 68, 79 ff., 86 ff., 90 ff., 106, 113, 127 ff., 174 ff. Gefährderansprache 62, 65, 184 ff., 201, 239 Gefahrenabwehr 27, 52, 78 ff., 127 ff., 174 ff. Gefahrenprognose 137, 145 ff., 154, 156, 163 f., 167, 173 f., 176, 192, 205, 209, 218, 233, 239, 241 Gefahrenvermeidung 131, 144, 156
Gefahrenvorbeugung 27, 91, 144 ff., 150, 157, 173, 183, 195 f. Gefahrenvorsorge 82 f., 90 ff., 128, 145, 237, 240 Gefahrenzurechnung 128, 132, 135, 138 ff., 144 Gefangenensammelstelle 61 „Gestörter“ 130 „Gewalttäter Sport“ 59 f., 181 f., 184, 187 ff., 192, 197, 204 f., 218 Gewahrsam, polizeilicher 61 f., 181, 184 ff., 190 ff., 196, 198 ff., 206, 215 f. Gewinn 71, 76, 78, 99, 234 Grenzkontrolle 66, 108, 207, 211 f. grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit 27, 48, 57, 64, 96 f., 107 ff., 112, 119 f., 126, 201, 206, 238, 240 Grundfreiheiten 95 ff., 100 ff., 124 f., 202, 240 Grundgesetz 79 f., 82, 85, 87, 102, 131, 136, 227 Grundrecht 70, 74, 77, 86, 136, 139, 148, 151, 153 Haftung 229 Handlungsfreiheit, allgemeine 68, 78, 99, 175 Handlungspflicht 84, 100 ff., 229 Hausfriedensbruch 56, 180, 183 Hausrecht 56, 158 f., 161 Hooligan 37, 41, 43, 45, 47 ff., 51 ff., 56, 91, 119, 121, 152, 157 f., 165 ff., 175, 183 ff., 188, 190 ff., 208, 211, 213, 215 ff., 239 Hooliganismus 27, 29, 33 ff., 37, 41 ff., 86, 105, 109, 138, 167, 174 f., 197, 201, 214, 217, 235, 238 Identitätsfeststellung 62, 182, 187 f., 206 Identitätskontrolle 163 Inanspruchnahme 166, 168 ff., 184 f., 195 Informationsgewinnung 176 f., 187
Sachwortregister Ingewahrsamnahme 62, 185 f., 191 f., 199 f. „INPOL-System“ 60, 181 Integrationswert 225 Interesse, öffentliches 92, 106, 137, 162, 221 f., 224 ff., 236 Interesse, überwiegendes öffentliches 224 f., 231 f., 240 „Kamera-Monitor-Prinzip“ 179 Kapitalgesellschaft 69 ff., 95, 233 f. Kontrollstelle 62, 176, 187 ff. Kooperation 27, 107 ff., 127 f., 144 ff., 150, 152 ff., 161 ff., 165, 170, 172 f., 239, 241 Kooperationsmodell 147, 161 f., 164, 167, 173, 239 Kooperationspflicht 148, 150, 155 f., 173 Kooperationsprinzip 27, 128, 140, 144, 148 f., 152 f., 156, 163, 165, 173 Kosten 27, 93, 127 f., 212, 219 ff., 240 f. Landesinformationsstelle für Sporteinsätze (LIS) 59 ff. Landeskriminalamt (LKA) 51, 53, 59, 200 Landesverfassung 71, 79, 83 ff., 89, 95, 225, 237 Massenpsychologie 30 f. Massenverwaltungsakt 193 f. Meldeauflage 62, 66, 167, 184 ff., 220, 239 Menschenmenge 29 ff., 34, 38 f., 56, 134, 199 Mitgliedstaaten 96 ff., 100 f., 105 ff., 110 f., 113, 115 ff., 125, 211, 238, 240 Mitverschulden 172, 174 „Mülheim-Kärlich-Urteil“ 151 „Negativstaater“ 207 ff., 213 Nichtstörer 129, 138, 143, 154, 166 f., 169 f., 73 ff., 194 f., 220, 239
263
Nichtstörungspflicht, allgemeine 133 Notstand, polizeilicher 128, 134, 140, 165 f., 168 f., 171, 94, 196, 218, 239 Obliegenheit 147, 153, 155 f., 164 f., 172 f., 80, 239, 241 Öffentlichkeitsarbeit, polizeiliche 61 Organisator 27, 120 f., 127 ff., 133, 135, 140 f., 44, 150, 170, 222, 225, 227, 229 Pass 66, 185, 205 ff., 209 f., 213 Personalausweis 66, 181, 205 f. Personenkontrolle 187 Platzverweis 181, 190 f., 193, 199 f. Polizeieinsatz 32, 67, 85, 236, 240 Polizeikooperation, internationale 107 f., 111 ff. Polizeikosten 93, 127, 219, 226, 228, 240 Polizeipflicht 128 f., 131 ff., 135, 165, 193, 220, 239 „Positivstaater“ 207, 209 ff., 213 Prävention 112, 127, 180 Präventiv 67, 101, 106, 125, 141, 158, 176, 181 f., 203 f., 211, 231 Profi 71, 96, 125, 234 Prognose 94, 137, 142, 145 ff., 154, 156, 163 f., 167, 169, 173 f., 176, 182, 186 f., 192, 196, 200, 205, 209, 211, 216, 218, 233, 239, 241 Recht, subjektives öffentliches 79, 89 f., 92, 95, 237 Rechtsfolge 144, 146, 148, 154, 163 f., 170, 210, 232 f. Rechtsreflex 92 Risikosphäre 133 Rückführungsgewahrsam 190 Schengen 108 f., 207 f., 211 ff. Schutzgewahrsam 198 Schutzpflicht, grundrechtliche 86 ff., 101 f., 140, 148 f.
79 ff.,
264
Sachwortregister
Selbstbestimmung, informationelle 116, 121, 176, 179, 218 Sicherheitsgewahrsam 186, 198 f., 206 Sicherheitsrichtlinien 48, 56, 127, 158, 160 Sonderopfer 170, 174 Sozialadäquanz 57 Spielabsage 85, 128, 165 ff., 174, 238 f. Spielbetrieb 70 ff., 74, 76, 78, 234 Sportförderung 79 ff., 88 ff., 95 ff., 225, 237 Sportler 88 f., 95 ff., 141, 143, 167, 169, 171, 210, 238 Sportverein 74, 78, 95 Staatszielbestimmung 80 f., 83 f., 89 Stadionordnung 56, 120, 159 ff., 180, 190 Stadionverbot 56, 118, 121, 153, 157 ff., 165, 173, 180, 183, 190 Störer 43, 88, 128 f., 131 ff., 136, 138, 141 ff., 149, 154, 166 ff., 173 f., 183, 185 ff., 191, 194, 196, 198 f., 219 f., 223, 228 f. Störerhaftung 227, 229 szenekundiger Beamte 56, 58 f., 62 ff., 120, 155, 165, 190, 192, 197 TREVI 108 f., 114 f. UEFA 42, 44, 47 f., 54, 61, 64, 67, 72, 74, 98, 112, 127 Unfriedlichkeit 137 f., 142 f., 173 Veranstalter 27, 48, 56, 61, 63 f., 68 f., 75, 89, 93, 96 ff., 105, 111, 114, 120, 127 ff., 153 ff., 161 ff., 180, 190, 210, 219 ff., 239 ff. Verantwortlicher, verantwortlich, Verantwortlichkeit 134 f., 137, 140, 142 ff., 156, 165 f., 170, 172 f., 175, 195, 219, 227, 229, 239 ff. Verbringungsgewahrsam 190 f., 216
Verein 33, 36, 38, 43 f., 46 ff., 50 f., 53, 58, 60 f., 63, 68 ff., 95 ff., 105, 125, 127, 142 f., 150, 153 ff., 164, 166, 168, 170 ff., 174 f., 188, 190, 193, 219, 233 ff., 238, 240 Vereinigungsfreiheit 68, 72 ff., 234 Verfahrensgestaltung, grundrechtseffektuierende 150 f., 153 Verfassung 68 ff., 73, 75 ff., 79 ff., 95 ff., 127, 132, 135 f., 140, 145, 150, 153, 159, 169, 173, 175 f., 192, 222, 224, 231, 234, 236 ff. Verfügung, polizeiliche 52, 132, 134 f., 137, 140, 144, 154, 157, 162, 166, 170, 175 f., 186, 191, 193 f., 196 f., 204, 214 f., 220, 230, 235 Verkehrssicherungspflicht 131, 133, 165 Versammlungsfreiheit 77, 135 ff., 139 f., 142 f., 148, 151 Versammlungsrecht 27, 128, 135, 139 f., 142 ff., 149, 151 ff., 156, 162 ff., 173, 241 Verursachung 129 f., 132 f., 229 Verwaltungsakt 93, 128, 146, 210, 216, 233 Verwaltungsverfahren 152, 162, 164 Videoüberwachung 179 Visum 208 ff., 213 „Volkszählungsurteil“ 176 Vollstreckung 54, 186, 190 f., 199 f., 219 f., 235 Zentrale Informationsstelle für Sporteinsätze (ZIS) 51, 53 f., 56, 59 ff., 64 f., 119, 200 Zurechnungszusammenhang, polizeilicher 139, 142, 173, 175, 220 Zurückschiebung 213, 218, 240 Zurückweisung 207, 209, 211, 240 Zuschauergewalt 34, 40, 47 f., 116, 133 Zweckveranlasser 129 ff., 134, 143 f.