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German Pages 528 [532] Year 1829
Das
Erbauungs - Buch der Christen, oder
die heiligen Schriften des Neuen Bundes mit
Erklärungen und Betrachtungen. Heran sgeg eben
von
Johannes Goßner. Sechster Theil.
Die Briefe des Apostels Paulus an die Römer und
Korinther.
Berlin, 1829. Gedruckt und verlegt
bei G. Reimer.
Die
Briefe des Apostels Paulus an die
Römer und Korinther, mit
Erklärungen und Betrachtungen herausgegebcn von
Johannes Goßner.
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Berlin, 1829. Gebr uck t und verlegt bei
G. Reimer.
Brief des Apostels Paulus an die Römer.
Vorrede. Apostel reisten nach dem Befehle Christi, ihres Herrn, umher und verkündigten den Völkern daS Evangelium, und stifteten an vie len Orten Gemeinen. Da es aber ihr Beruf nicht gestattete, lange an einem Orre zu bleiben, und ss ihnen doch sehr anlag, daß der ausgestreute Same nicht wieder erstickt werden mochte, so schrieben sie oii die gepflanzten Gemeinen Griefe, in welchen sie die gepredigten Lehren wiederholten und bestätigten. Die ersten Christen haben auch einen großen Werth auf diese Briefe der Apostel gesetzt, die es um so mehr jetzt verdienen, daß wir auch einen Hoven Werth darin setzen, weil wir das Glück nicht haben, die Apostel selbst zu hören und -u sprechen. Vierzehn dieser apostolischen Briefe sind von dem Apostel Paulus geschrieben worden. Sie stehen aber im neuen Testamente nicht nach der Zeitordnung, in welcher er sie geschrieben hat, sondern die grö-ßern Briefe stehen voran, obwohl er sie später geschrieben; dann fol gen die kleinern; zuerst die an die Gemeinen, dann die an einzelne Personen; zuletzt der an die Hebräer, weil man lange zweifelte, ob er von Paulus sey Genau läßt sich die Zeitfolge der Briefe Pauli nicht bestimmen; die Meinungen darüber sind verschieden; doch darin kom men die meisten überein, daß sie in dieser Zettfolge geschrieben wor den seyen. Zuerst der Brief an die Galater und die zwei an die Thessaloni cher im Zähre Christi 51. Dann der erste an die Korinther 56, der zweite an die Korinther 57, an die Römer 57, an Philemon, die Epheser, Kolosser und Philipper 61 und 62, an die Hebräer 63, der erste an Timotheus und an Titus 64, der zweite an Timotheus 67. Wir wollen aber nun übir jeden dieser paulimschen Briefe unsere Betrachtungen machen, in der Ordnung, wie sie im neuen Testamente stehen. Den Brief an die Römer oder Christen zu Rom schrieb Paulus zu Korinrh während seines zweiten Aufenthaltes daielbft, noch ehe er selbst nach Rom gekommen war, ungefähr im Lahre Christi 57 oder 58, da er eben im Begriffe war, die in Macedonien und Achaja ge sammelte Liebessteuer nach Jerusalem zu bringen. Röm. 1-, 25. V6.
4 Die Christengemeine La Rom bestand aus bekehrten Juden und Heiden. Die Christen au6 den Juden waren immer geneigt, sich ein Vorrecht anzumaßen, und zu glauben, man muffe das ganze Gesetz Moses, auch das Ceremonialgesetz als Christ noch halten, wenn man selig werden wolle. Die Christen aus den Heiden wollten sich dieses Joch nicht auslegen lassen. Um diesen Zwist zu entscheiden, wäre Paulus immer gerne selbst nach Rom gekommen. Da aber die Er, füllung dieses Wunsches durch andere Geschäfte immer verschoben ward, so schrieb er dieser Gemeine, die lhm sehr am Herzen lag. Doch gab er die Hoffnung, sie selbst zu besuchen, nicht auf, und diese Hoffnung ward drei oder vier Jahre darauf erfüllt, da er als Gefangener nach Rom geführt ward und zwei Jahre daselbst zubrachte, in einer gemie theten Wohnung, wo ihn Jedermann besuchen konnte. In seinem Br efe nun suchte er obgenannten Zwist beizulegen; er belehrte die Judenchrrsten, daß Juden und Heiden ungerecht und Sünder seyen; daß nicht das Gesetz und die eigenen Verdienste der Werke, sondern der GlaubK an Christus gerecht und selig mache, weil niemand das Gesetz so vollkommen beobachte, daß er gerechtfertiget vor Gott erscheinen könne. Er begegnet dann dem Einwurfe: ob denn also das Christenthum das Gesetz aufhebe, und die Sünde und Gesetzlosigkeit begünstige? Er zeigt, daß der Glaube dem schwachen Gesetze unter die Arme greife und ihm aufhelfe, indem der Glaube erst dem Menschen Kraft schenke, das Gesetz zu halten und der Heili gung uachzujagen. Es war schwer, die sektirischen, gesetzlichen Juden mit den frei denkenden Herden in Eine Kirche zu vereinigen. , Die Juden wollten immer etwas voraus haben, bildeten sich Vorzüge ein; die Heiden wollten das nicht leiden. Da führt Paulus, um Friede zu machen, beide auf ihr Elend und ihre Sündhaftigkeit zurück, und zeigt ihnen, daß sie beide Ursache hatten, sich zu demüthigen, und keiner dem an dern etwas vorzuwerfen; es sey für beide nur Ein Weg zur Selig keit, die Gnade Gottes in Christo Jesu. Dieser Brief kann übrigens in vier Theile zerlegt werden: I. zeigt er die reine Lehre. Kap 1—1t. 11. die Auöübung'des Christenthums. Kap 1'2. 1 i. III. sucht er Inden und Heiden mit einander vertragnnm zu machen. Kap 14. 15. IV. endlich das Grußkapitel. IG. Man kann deswegen mit Recht diesen Brief ein Evangelium im Kleinen, einen kurzen Inbegriff der christlichen Religion nennen. Aus diesem Briefe kann man lernen, wie die wahre römische Kirche beschaffen senn müsse, und was katholisch sey. Hieronymus hat diesen Brief oft weggelegt und gesagt: „Panlus' du willst nicht verstanden seyn!" Darum muß man, um diesen Brief recht zu verstehen, beten und flehen, daß ihn der Geist auf schließe, der ihn eingegeben hat. Um die Briefe des Apostels Paulus recht zu verstehen, muß man vor allem wissen, was Paulus mit den Worten Gesetz, Sünde, Rechtfertigung, Gerechtigkeit, Glaube, Fleisch,Geist 2c. sagen will Gesetz ist dem Paulus nicht bloß eine Forderung, der man mit äußerlichen Werken genug thut, ob das Herz dabei ist oder nicht, wie es bei bürgerlichen Gesetzen der Fall ist. Gott richtet nach dem Her zen, darum fordert er auch das Herz, und haßt die bloßen äußern Werke ohne Herz als Heuchelei und Lüge. Aus Herzensgrund und Lust kann aber von Natur niemand das Gesetz erfüllen, weil wir alle
5 von Natur zum Dösen geneigt sind, oder lustig zum Dösen und un lustig zum Guten. Wo aber keine freie Lust und Liehe zum Guten ist, da ist das Herz nicht, und wo das nicht ist, da ist noch Sünde und Zorn, so viele äußere gute Werke und ehrbares Leben da seyn mögen. Darum nennt Paulus allein die Thäter des Gesetzes gerecht vor Gott, und sagt, daß alle Menschen Sünder sind, weil sie das Ge setz nur durch das äußerliche Thun ohne Herzenslust und Liebe erfül len wollen, welches noch keine Thäter des Gesetzes, sondern nur Heuch ler macht, die im Grunde dem Gesetze feind sind, und es nur auö Furcht oder andern unedlen Absichten halten. Das Gesetz ist geistlich. Röm. 7,14. Wäre es leiblich, fleischlich, so geschähe ihm mit äußerm Thun genug; so aber fordert es das Herz, Lust und Liebe. DaS giebt aber nur Gottes Geist, der macht und schafft uns Lust und Liebe zum Gesetze Nur mit einem solchen geistlichen Herzen will das Ge setz, das geistlich ist, erfüllt seyn. Wo dieser Geist nicht im Herzen ist, da bleibt Sünde, Unlust, Feindschaft gegen das Gesetz im Herzen, bei allen äußern Werken und'Thun deß Gesetzes Darum sagt Pau lus: Die Werke des Gesetzes, das äußere geistlose, herzlose Halten des Gesetzes macht keinen Menschen gerecht vor Gott; sondern wer so mit dem Gesetze, oder mit den Werken des Gesetzes umgeht, der ist unter dem Fluche. Der Geist muß her, und der kommt nur durch den Glauben an Christus, welcher zuerst das Herz reiniget von den vorhergehenden Sünden und todten Werken, und dann zugleich Lust, Liebe, Kraft und Leben mittheilt, das zu erfüllen, was^das Gesetz fordert. So hebt also der Glaube das Gesetz nicht auf, sondern rich tet es auf. Sünde heißt in der Schrift nicht nur das äußere Werk am Leibe, sondern alles, was sich regt und bewegt in der Seele deS Menschen; alles was im Innern, in den Gliedern sitzt und treibt zu äußeren Werken, welche, wenn sie geschehen, dann die Ausbrüche der im Innern wohnenden Sünde sind. Aber das Geschwür ist doch da rin, wenn es auch nicht auf- und herausbricht. Wenn aber die äu ßern Werke geschehen, so fährt der Mensch mit Leib und Seele in die Sünde hinein. Glaube ist nicht ein menschlicher Wahn oder eine bloße Einbil dung, da man sich aus menschlichen Kräften einen Gedanken im Her zen macht, der spricht: Ich glaube. Das ist nur ein menschliches Werk, das nicht im Herzen wurzelt, und nichts wirkt, noch ändert am Menschen. Der wahre Glaube ist ein göttliches Werk in uns, das uns wandelt und neu schafft, das den alten Menschen cödtet, und uns zu ganz andern Menschen macht nach Herz, Sinn, Muth^ und allen Kräften. Der wahre Glaube ist ein lebendiges, kräftiges, thätiges und mächtiges Ding, so daß er ohne Unterlaß Gutes wirkt, und nicht erst fragt, ob gute Werke zu thun seyen, sondern ehe man fragt, hat er sie schon gethan. Wo aber das nicht ist, da ist nur ein Gewäsche und Geschwätz vom Glauben. Glaube ist eine lebendige Zuversicht zu Gottes Gnade, die so gewiß ist, daß man lieber tausendmal stürbe, als daran zweifelte. Diese Zuversicht macht fröhlich, selig, muthig und stark, Gott und dem Nächsten zu lieb allerlei Gutes zu thun ohne Zwang, freudig und freiwillig Die Werke können unmöglich vom Glauben geschieden werden, so wenig als Brennen und Leuchten vom Feuer getrennt werden kann. Rechtfertigung, oder wie es eigentlich heißt, G e recht ma ch ung, Justisicatio, ist nichts anders, als Wiederherstellung des durch
6 bte Sünde tm Grunde ganz verdorbenen Menschen; sie tft eine neue Schöpfung als Neuschaffung desselben, die nur (Lott möglich ist Sie begreift in sich 1) daß dem Menschen um Christi willen alle Sünden vergeben werden, und er von seinen Sünden und sündhaften Neigungen, von allem Verderben und bösen Wesen seiner Natur ganz befreit wird; 2) daß er als wahres Kind Gottes durch den heiligen Geist in Christo wiedergeboren werde dem Geiste nach; 3) daß er als Kind Gottes neugeschaffen zu guten Werken, nun auch darin wandelt und Früchte der Gerechtigkeit bringe; 4) daß er als so geheiligtes Kind Gottes aus Gnaden Erbe der Herrlichkeit und Seligkeit Got tes ist, und endlich von allem Uebel und auch vom Leibe erlöst, mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt wird. Gerechtigkeit GotreS ist jene Gerechtigkeit, die Gott durch Jesum Christum in uns hervorbringt, und durch seinen Geist in unS wirkt, indem uns dieser zu allem Guten treibt, belebt und tüchtig macht; die also Gott, nicht uns zum Urheber und Vollender hat, und uns nicht wegen irgend eines Verdienstes, sondern aus Gnaden zu kommt, weil wir durch die Rechtfertigung die Gnade erlangen, gerecht seyn zu dürfen und zu können; so daß wir jedermann bezahlen, was wir schuldig sind, Gott, was Gorres ist, unser ganzes Herz und Liebe, und dem Nächsten bezahlen, was des Nächsten ist, Liebe zu ihm, wie gegen uns selbst. Fleisch, fleischlicher Sinn und Wandel rc. heißt in dec Schritt nicht nur Unkeuschheit, sondern der ganz natürliche Mensch, mit Leib und Seele, mit Vernunft und allen Sinnen, alle Neigungen, Begier den, Triebe und Werke der von Adam geerbten sündigen Natur, al les äußere, sichtbare, sinnliche, körperliche, weltliche, irdische, natürliche Wesen, das dem Geiste entgegengesetzt ist, der aus Gott geboren und der göttlichen Natur theilhaftig ist, der den Sinn Christi har.
Das l. Kapitel. 1. Paulus, ein Rnechk Jesu Christi, berufen zum Apostel, ausersehen für das Evangelium Gottes, 2. welches Er durch feine Propheten in der heiligen Schrift vorher verheißen har. Paulus setzt seinen Titel, sein Amt und seinen göttlichen Beruf voraus, um seinem Briefe bei beiden Parteien, bei den Juden- und Heiden-Chsisten, an die er schrieb, ein Gewicht zu geben, daß sie ibn als Ge sandten Gottes und Jesu Christi anerkennen müßten, weil sie beide einmal das Evangelium angenommen hatten. Es hätte ihm der Muth entfallen mögen bei dem Hauskreuz, da man sich im Reiche und Hause Gottes zankte um den Vorzug, und das Evangelium mit dem Gesetze wieder vertauschen wollte. Aber er ermannt sich und tritt auf in der Kraft des Herrn, als einer, der sich darauf berufen kann, das; er von Gott berufen und ausgesondert und auserwahlt sey, Friede und frohe Botschaft zu bringen. Gott sondert und wählt sich die Seelen aus, de nen er die Gnade schenkt, sein Evangelium zu predigen. Wären alle, die im Predigtamte stehen, von Gott aus gesonderte Gesäße der Gnade, welchen Segen würden sie stiften! Da sich aber die meisten ohne Beruf Gottes ins Amt setzen oder eindringen, so können sie ja nicht geben, was sie selbst nicht empfangen haben. Würde man keine andern ins Amt setzen, als die Gott wahr haftig dazu berufen und gesalbet bat, so würde die Kirche ein Paradies seyn; man würde nicht so viele
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An die Römer i, Z. 4.
Wölfe anstatt Hirten sehen, die nur die Heerde ver schlingen, statt sie zu bewahren. Das Evangelium, (sagt Paulus zu den Juden,) das ich euch predige, ist das Evangelium Gottes, und ist längst in euren heiligen Schriften verheißen durch die Propheten, zu denen ihr euch schon bekannt habt, ehe ihr an Christum gläubig wurdet. Darum kann man für euch ja kein anderes Evangelium machen, als für die Heiden; es ist nur Eines und ist nur eine Er füllung dessen, was schon in den Propheten verheißen ist. Es ist das Evangelium 3. Von seinem Sohne, der geboren ist aus dem Samen Davids nach dem Fleische, 4. als Gottes Sohn inRraft erwiesen nach dem Geiste der Heiligung, seit er auferftanden ist von den Todten, nämlich von Jesu Ldristo unserm Herrn. Da giebt er den Juden im voraus zu, daß Chri stus von David Herstamme, und daß er ihnen also nichts nehmen wolle. Aber Er ist mehr als Davids Sohn; Er ist zugleich Gottes Sohn; und Er hat nicht blos den Titel, sondern er ist in der That und in Rraft erwiesen, als Sohn Gottes, weil der Geist der Heiligung von ihm ausgeht, der neue Menschen schafft, welches das Gesetz nicht vermag, und weil Er von den Todten auferstanden ist aus eigener Kraft. Diese Kraft theilt Er nun mit seiner Auferstehung auch allen mit, die an Ihn glauben; indem Er sie durch seinen Geist vom Tode der Sünde erweckt, und so ihnen den Sieg über Sünde, Tod, Höll und Teufel schenkt. So hat Er sich als Sohn Gottes erwiesen in Kraft durch die Auferstehung und den Geist der Heiligung. Viele Menschen, die sich zwar Christen nennen, aber keine Christen sind, denken von der Person des Heilands also, als wäre der Mensch Jesus Christus in die Welt gekommen, hätte da heilig gelebt, schöne und nützliche Lehren vorgetragen, hätte gelitten und seine Lehre mit Leiden und Tod versiegelt, und sey so ins
An die Römer i, 5.
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ewige Leben eingeführt worden. Kurz Er ist 'ihnen nicht Gott, sondern ein Weiser, höchstens ein Heiliger, der sich durch sein Leiden und Tod gleichsam eine Lei ter in den Himmel gebauet hat. Wer aber wahrer Christ ist, steht auf der Schrift: Er hat uns gemacht; Er ist unser Schöpfer; und wie Er gesehen hat, daß nichts aus uns wird, (weil wir durch den Fall verdorben waren,) so hat Er unter uns gewohnt, hat das menschliche Geschlecht besucht, hat sich ihnen zu Gefallen dreiunddreißig Jahre in die Fremde begeben, hat sich selbst ins menschliche Fleisch gekleidet und ihr Elend mit erfahren. Es war Ihm nicht genug, wenn Er eine menschliche Kreatur genom men und sie von innen und außen anatomirt hatte, sondern Er hat die Probe an seinem eigenen Leibe und Seele gemacht, und hat darin gesiegt. Endlich ist Er als Opferlamm geschlachtet worden, und hat damit al ler unserer Noth und Jammer ein Ende gemacht auf ewig. Die nun seines Leidens und Todes theilhaftig, in dessen Genuß gesetzt werden, die sind errettet und selig auf ewig; ihnen ist gegeben, Herren über die Sünde und Genossen seiner Freude und Seligkeit zu seyn. Nun ist Er zwar hingezangen, wo Er hergekom men ist, in seine Herrlichkeit; Er ist aber doch immer noch der Mensch, der für uns gekreuziget ward. Das macht uns seine menschlichen Umstande wichtig. Er ist unser Freund, unser Herz ; wir sind geschaffen. Ihn zu lieben und selig zu seyn in Ihm.
5. Von welchem wir Gnade und ApoftelAmr empfangen haben, unter allen Völkern den Gehorsam des Glaubens aufzurichten zur Ehre feines Namens. Gnade und Amt, oder Amt und Gnade ist dem Apostel Eins. Die Leute denken: Wer dem Heiland dient, der wird selig; wer ihm aber nicht dient, der geht verloren. Allein der Heiland hat unser Gutes thun und Diensterweisungen bloß aus Gnaden und Barmher-
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An die Römer i, 6,
zigkeit für uns erfunden. Gott dienen, ist eine Gnade für uns. Heilig seyn, muß unsere Natur seyn, und nicht, wie die Moralisten wabnen, eine Jncumbenz oderLast, gegen welche schon der Prophet Jeremias 23, 34 re. so heftig eifert. Die wahre Heiligkeit, da man von Herzen demüthig und von Herzen arm ist, sonnnt von der neuen Natur und Geburt her, die man in Christo aus Gnaden erlangt hat. Petrus nennt sie die göttliche Natur 2. Br. 1, 4, Wer Gnade hat, kann so seyn, und es käme ihm abgeschmackt vor, nicht so zu seyn. Der Gehorsam des Glaubens ist nichts anderes, als der in Liebe thätige Glaube, wenn der Glaube sich in seinen Früchten durch Gehorsam darstellt und be weist, daß er rechtschaffen sen. Hierin unterscheiden sich Christi und des Satans Apostel. Christus will Ge horsam des Glaubens; die Diener des Antichrists aber verfälschen das Evangelium, und unterdrücken den Ge horsam und die Kraft des Glaubens mit der leeren Entschuldigung der menschlichen Schwachheit und Un möglichkeit, indem sie zufrieden sind, daß man mit dem Munde bekennt, und alles für wahr hält. 6. Unter welchen auch ihr fcyt> als Berufene von Jesu Christo. Bist du auch unter diesen Berufenen von Jesu Christo, lieber Leser? Bist du deines Berufes von Christo gewiß? oder hast du dirs nur selbst so einge bildet oder einbilden und einreden lassen, daß du beru fen seyest? Ist Christus und Christi Ruf an dein Herz gekommen? und hast du seinem Rufe gefolgt? bis hieher gefolgt? Da Paulus dies an die Römischen Christen schreibt, und im vorigen Verse von dem Gehorsam des Glau bens redet, der unter allen Völkern aufgerichtet werden soll, unter welche er hier auch die Römer als Berufene Christi mitrechnet, so gehören sie wohl zum Ganzen, aber sie machen nicht das Ganze aus, oder das Ganze gehört nicht ihnen. Sie sind nicht der Leib, nicht das
An die Römer i f 7, 8-
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Jbstupt, sondern Glieder, die zum X'iibe und Haupte gehören, wenn sie leben und am Haupte hangen.
7. An alle GcUebre Gorces und berufene heilige in Rom. So wurden alle Christen genannt: Berufene, Heilige. Denn zum Clmsienthume berufen seyn und zur Heiligung berufen senn, oder Christ seyn, und der Heiligung nachsireben, ohne welche niemand den Herrn sehen wird, ist Eins. — Gnade und Friede sey mir euch von Gott unserm Vater und dein Herrn Jesu Christo. Das ist der apostolische Gruss, den Paulus allen seinen Briefen vorausschickt, und am Ende wieder danit't schließt. Denn Gnade und Friede muß bei den Christen überall und allezeit vorangehen. Ohne Gnade und Friede beginnen und können sie nichts. Voll Gnade und Friede muß alles seyn, was sie denken, reden, schreiben und thun. Gnade und Friede müssen gepaart gehen, weil der Friede aus der Gnade kommt, und die Gnade nie ohne Friede ist. Gnade und Friede ist aber keines Menschen Werk und Verdienst, sondern sie kommen von Gott unserm Vater und von Jesus Christus unserm Herrn, der sie uns erworben und geschenkt hat. 8, Vor allem danke ich meinem Gott durch Jesus Christus, um euer Aller willen, daß von eurem Glauben in aller Welt gesprochen wird. Der Glaube der dortmaligen römischen Christen, von dem Paulus da sagt, daß in aller Welt davon gesprochen werde, ist jetzt so unbekannt in aller Welt, daß man, wo es am besten zugeht, von rrichts als Thun und Werken hört, ohne sich um den Glauben zu bckümmern. Man nennt wohl Jesum Christum, bekennt iid) zu Ihm, rft auf Ihn getauft, gebraucht dessen