Das Erbauungs-Buch der Christen: Teil 7 Die kleineren Briefe des Apostels Paulus an die Galater, Epheser, Philipper, Kolosser, Thessalonicher, an Timotheus, Titus und Philemon [Reprint 2020 ed.] 9783111429540, 9783111064161


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Das Erbauungs-Buch der Christen: Teil 7 Die kleineren Briefe des Apostels Paulus an die Galater, Epheser, Philipper, Kolosser, Thessalonicher, an Timotheus, Titus und Philemon [Reprint 2020 ed.]
 9783111429540, 9783111064161

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Die

(kleineren)

Briefe des Apostels Paulus an die

Galater, Epheser, Phjlipper, Kolosser, Thessalonicher, an

Timotheus, Titus und Philemon, mit

Erklärungen und Betrachtungen herausgegeLe» von

Johannes Goßner.

Brief des Apostels Paulus an

die Galater. Vorrede. liefet Brief ist nicht an eine einzelne Gemeine, sondern an mehrere Gemeinen in Galatien, einer Landschaft in Klein-Asien, jetzt Natolien, geschrieben. Paulus ist zweimal in diese Landschaft gekommen. (Apostelgesch. 16, 6. und 18, 23.) Nachdem er aber gehört hatte, daß die Neubekehrten allda sich von jüdischen Jrrlehrern hatten irre machen kaffen, die behaupteten, die Beobachtung des mosaischen Gesetzes sey nothwendig zur Seligkeit, so schrieb et an sie, um sie wieder auf den wahren Weg des Glaubens zurückzuführen. Auch bei den Galatischen Christen war Paulus verleumdet wor­ den, als wäre er kein rechter Apostel Christi, weil er Jesum nicht persönlich gekannt habe, Und also nur ein Schüler der übrigen Apostel sey Diese Beschuldigung widerlegt er in diesem Briefe, und zeigt, daß er den andern Aposteln in nichts nachstehe, und sie ihn selbst da, für erkennen, und mit ihm in Lehre und Leben einverstanden seyen. Er zeigt auch besonders, daß man nicht durch eigene gesetzliche Gerecht tigkeit, sondern durch den Glauben an Jesum allein selig werde, und daß Christus denen durchaus nichts nütze, daß die Christum und alle Gnade verloren hätten, die durch das Gesetz gerecht und selig werden wollen. Wo und wann dieser Brief geschrieben worden, ist ungewiß. Ei­ nige meinen, es sey der erste Brief des Apostels, und sey ungefähr um das Jahr Christi 50 geschrieben worden.

Da- I. Kapitel. 1. Paulus, ein Apostel (nicht von Menschen noch durch Menschen), wie man euch bereden 1*

Brief des Apostels Paulus an

die Galater. Vorrede. liefet Brief ist nicht an eine einzelne Gemeine, sondern an mehrere Gemeinen in Galatien, einer Landschaft in Klein-Asien, jetzt Natolien, geschrieben. Paulus ist zweimal in diese Landschaft gekommen. (Apostelgesch. 16, 6. und 18, 23.) Nachdem er aber gehört hatte, daß die Neubekehrten allda sich von jüdischen Jrrlehrern hatten irre machen kaffen, die behaupteten, die Beobachtung des mosaischen Gesetzes sey nothwendig zur Seligkeit, so schrieb et an sie, um sie wieder auf den wahren Weg des Glaubens zurückzuführen. Auch bei den Galatischen Christen war Paulus verleumdet wor­ den, als wäre er kein rechter Apostel Christi, weil er Jesum nicht persönlich gekannt habe, Und also nur ein Schüler der übrigen Apostel sey Diese Beschuldigung widerlegt er in diesem Briefe, und zeigt, daß er den andern Aposteln in nichts nachstehe, und sie ihn selbst da, für erkennen, und mit ihm in Lehre und Leben einverstanden seyen. Er zeigt auch besonders, daß man nicht durch eigene gesetzliche Gerecht tigkeit, sondern durch den Glauben an Jesum allein selig werde, und daß Christus denen durchaus nichts nütze, daß die Christum und alle Gnade verloren hätten, die durch das Gesetz gerecht und selig werden wollen. Wo und wann dieser Brief geschrieben worden, ist ungewiß. Ei­ nige meinen, es sey der erste Brief des Apostels, und sey ungefähr um das Jahr Christi 50 geschrieben worden.

Da- I. Kapitel. 1. Paulus, ein Apostel (nicht von Menschen noch durch Menschen), wie man euch bereden 1*

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Galater r, 2 — 4,

und mich verleumden will, sondern durch Jesum Christum und Gore den Vater, der Ihn aitfier« weckt hat von den Todten. Seine Feinde griffen bei den Galatern seinen apo­ stolischen Beruf an, als wäre er nicht von Gott und Christo dazu erwählt; darum schickt er einen solchen Ti-cd voraus. Nicht durch einen Menschen, sondern durch Christum bin ich berufen, sagt Paulus; also hielt er Chri­ stum nicht für einen bloßen Menschen, sondern für den Gott-Menschen.

2. Und alle Brüder, die bei mir sind, an die Gemeinen in Galatien. Die Galater sollten nicht meinen, Paulus betreibe nur seine Privat-Ansicht und Schulmeinung, darum setzt er alle Brüder mit sich voran, damit sie sehen, sie stehen alle für dieselbe Wahrheit, wie Ein Mann. Wohl der Kirche, wo die Hirten und Glieder in vollkommener Einigkeit stehen.

3. Gnade und Friede sey mir euch von Gott dem Vater und unserm Herrn Jesu Christo. Warum nennt Paulus nie den heiligen Geist nebst dem Vater und Sohn ? weil er Gnade und Friede von beiden wünscht, und der heilige Geist lauter Gnade und Friede ist, und als Gnade und Friede vom Vater und Sohn ausgeht und in den Herzen wirkt.

4. Der sich selbst dahingegeben har für un­ sere Sünden, daß Er uns erlssece von der gegen­ wärtigen argen Welt, nach dem Willen Gottes des Vaters. Er hat uns erlöset durch seinen Tod 1) vom Sa­ tan, Kol. 1, 13., 2) von der Welt, 3) vom Fluch des Gesetzes, 4) von aller Ungerechtigkeit. Der Sa­ tan hat sich selbst zu weit vorwärts gewagt, indem er den Unschuldigen zum Tode brachte, und so die Schul­ digen frei geben mußte. Die Welt aber ist mit ihrem Fürsten und Gott, dem Satan, zugleich geschlagen.

Galater i, 5. 6.

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Sie steht selbst unter dem, der feine Gefangenen nicht halten kann, sondern sie losgeben muß um des Blutes willen, das für sie vergossen ist. Also muß sie uns auch loslassen. Sie hat nichts an uns zu fordern. — Jesus ließ sich dafür — für uns — von ihr kreuzigen und anspeien rc. Das ist der ganze Inhalt des ganzen Evange­ liums, oder des ganzen neuen Testamentes: Man soll glauben an Jesu Tod, und sich dadurch zum Anbeten bringen lassen, wie Thomas, daß man Jesum für sei­ nen Herrn und Gott bekenne und anrufe. Das ist der Wille Gottes, des Vaters, daß Christus so vor die Augen gestellt wird, wie Er am Kreuze sich hingegeben hat, und als wenn Er setzt vor den Augen da hinge. In dieser Gestalt müssen wir Ihn als Sünder und Bettler annehmen. Aber die Art und Weise, wie die eigengerechten Menschen zu Christo kommen wollen, schickt sich für Christi Kreuz nicht, und Christi Kreuz schickt sich nicht für sie. Der demüthige Jesus will demüthige Sünder haben. Es ist ein Beweis unserer sklavischen Natur seit dem Falle, daß wir uns lieber selbst einen Gott machen, der uns beherrschen und für bas Böse bestrafen oder fürs Gute bezahlen soll, als einen freund­ lichen Heiland, der für uns bezahlt, uns lieb hat und segnet, aus freier Hand für nichts. Aber was wir machen, so finden wir Gott nicht außer dem Sohne, und dieser will nichts als Sünder haben und Gnade erzeigen. Um deswillen und um deswillen allein ist Er in die Welt gekommen und am Kreuze gehangen. 5. Dem sey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Das sey nicht nur so ein Anhang aus Ge­ wohnheit ; das gehe von Herzen, sey das erste und letzte, und ziehe sich durch alles hin. Denn sobald eigene Ehre oder was anderes sich einmischt, so ist alles verdorben. 6 Ich wundere mich, über euer unbeständiges Wesen, daß ihr euch sobald habet abwenden lassen

von dem, der euch zur Gnade Christi berufen hat,

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Galater i, 7. 8.

zu einem andern Evangelium, als das in Gottes Wort gegründet ist. Wenn man jemand irre macht im Glauben an das Evangelium, und ihn wieder zu Menschen-Satzungen bringt, wem thut man es? Christo, nicht den Lehrern und Zeugen, Es sind ja alle Ver­ heißungen Ihm, nicht uns geschehen, daß Er alle zu­ sammen bekomme, und seinem Vater sich und seine Kin­ der auf einmal mit Freuden barstelle,

7, Da es doch kein anderes Evangelium giebt, nur Menschen giebt es, die euch verwirren und das Evangelium zu verkehren suchen. Es giebt kein anderes Evangelium, als das Eine von Jesu Kreuz und Tod, in welchem allein Heil und Seligkeit und Erlösung zu finden ist von allen Sünden. Solche Verwirrer und Verkehrcr des Evangeliums giebt es zu allen Zeiten, die es entweder zum Muth­ willen und zur Sicherheit mißbrauchen, oder MenschenSatzungen und eigene Gerechtigkeit daneben aufrichten, und nicht durch Christi Verdienst allein selig werden wollen, Ach möchten sich doch alle heutigen Christen be­ sinnen und prüfen, ob sie nicht längst von dem hinweg sind, der sie zur Gnade Christi, nicht zum Gesetze be­ rufen hat; ob sie nicht ein anderes Evangelium haben, als das von Christus und den Aposteln, und ob Satan ihnen nicht das Kind ausgetauschr habe, und das Ge­ setz nicht neben eingekommen se»; ob sie das Evange­ lium haben, welches eine Kraft Gottes ist, selig zu ma­ chen alle, die daran glauben, oder ob sie noch in ihren Sünden, und im alten Buchstaben dahin leben, unter dem Fluche des verdammenden Gesetzes.

8. Aber wenn auch wir, oder ein Engel vom -Himmel euch ein anderes Evangelium verkündigte, als wir euch verkündiget haben, so sey er verflucht. So fest müsset ihr stehen auf dem einmal ange­ nommenen Evangelium, das euch selig und sündenfrei gemacht hat, daß, wenn selbst ich Paulus, der ich es

Galater i, 9.

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euch geprediget habe, davon abfiele, ihr euch nicht nach mir richten, nicht mit mir abfallen, sondern stehen blei­ ben sollet. Kein Engel, vom Himmel sollte euch irre machen können, und jeden, es sey ich oder ein Engel, oder wer es sey, der euch abfällig machen wollte, den treffe der Fluch! Wenn ein Lehrer, oder wer immer, er sey Petrus oder Paulus, er sitze auf einem Stuhle, oder auf einer Bank, Vek Kirche oder hohen Schule, wer das Evan­ gelium ändert, verdreht oder Niederreißen will, dem be­ gegne, wie'Christus dem Petrus: -Hebe dich weg von mir, Satan! du bist mir ärgerlich! Warum? Es hangt das Leben und die Seligkeit der Menschen daran. Wenn jemand etwas anderes zum Grunde der Seligkeit legt, als Jesum, und zwar den am Kreuze, sein Blut und sein Verdienst, wenn jemand dem Pau­ lus geradezu widerspricht und behauptet, nicht durch den Glauben, nicht aus Gnaden, sondern durch die Werke und eigenen Verdienste muß man gerecht und selig werden; wenn jemand das Evangelium auf eine andere Art dreht, daß ein pures Gesetz daraus wird, der sey ein Anathema, ein Fluch, sagt Paulus, und wenns ein Engel wäre, wenn er engelrein lebte, und die Heiligkeit selbst wäre. Wenn er noch so reine Sitten hat, aber das Evangelium verkehrt, so ist er ein Sa­ tan, der sich in einen Engel des Lichts verstellt. 9, Ich wiederhole eo noch einmal, denn ich habe es wohl bedacht, und nicht in der Hitze gesagt, was ich so eben gesagt habe, wenn jemand ein anderes Evangelium verkündiget, als das, was wir von Paulus, Petrus, Johannes rc. empfangen haben, nämlich das von der freien Gnade Gottes und dem Glauben an Christus für uns und in uns, der allein unsere vor Gott gültige Gerechtigkeit und Heili­ gung ist, der sey verflucht. Bei diesem Evangelium von Jesu verdienstlichem, seligmachendem Leiden und Tode bleiben wir, bis Er wieder kommt. Wenn man

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Galater i, io,

uns auch etwas aus dem Himmel erzählte, wir hörten doch nichts Größeres, nichts Interessanteres, als sein Kreuz. Der für uns Gekreuzigte sey uns ins Herz ge­ graben, und nichts soll uns von seiner Liebe scheiben. Wenn wir zur Rechten oder Linken davon abwichen, und auf etwas anderes fielen, so würde es uns sehr übel bekommen. Man sieht, wie Paulus eifert, wenn das reine Evangelium mit Flickwerk entkräftet werden -will, wenn man außer und neben dem Evangelium noch etwas anderes annimmt. Bei Christus und dem Evangelium heißt es: Nimm mich allein, oder du bist Anathema! Die Verfälschung oder Aenderung des Evangeliums, das Einpfuschen in dasselbe, ist ärger, als die größte Verfolgung. Und wenn daher der Teufel nicht verfolgt, so sucht er ein anderes Evangelium unrerzuschieben, das einen Schein hat, aber keine Kraft, selig zu machen. Er sucht die Menschen durch Strenge des Gesetzes zur Heiligkeit zu treiben und Christus zum Moses zu ma­ chen, daß sie sich viel mühen und plagen, fürchten und zappeln, aber nicht zum Ziele kommen.

10. Huldige td) noch den Menschen oder Gott ? Suche ich Menschen zu gefallen ? wenn ich noch Menschen zu gefallen suchte, so wäre ich Lhristi Diener nicht. Daß die Frage: Was werden die Leute dazu sa­ gen? dem Menschen so sehr anhangk, daran ist die Furcht Schuld, oder Selbstgefälligkeit, daß man gerne von al­ len Leuten gelobt, bei allen beliebt seyn will. Das ist dann der Same zum Hochwerden; man will etwas gelten und werden bei der Welt, und hört auf, ein Knecht Christi zu seyn. Wenn man nun das ganz von sich wegbringt, so ist es eine große Seligkeit für ein Jünger-Herz; denn sonst ist er sehr übel daran, wenn er noch Menschen gefällig ist, er ist Christi Knecht nicht. Wenn sein Gang in allen Umständen und seine Amts-Führung in allen Theilen den Beifall der Men-

Galater i, ii —15.

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schen behalten kann, so kann sie unmöglich ganz aus dem Herzen Les Heilands geben. 11. Ihr sollet wissen, Brüder! daßdasEvangelhmi, das ich predige, keine Menschen-Lehre ist, wie das Evangelium der Patronen des alten Adams, und derer, die den Menschen gefällig sind. 12. Denn ich habe es nicht von Menschen empfangen, noch auf der Universität,, von der theologischen Fakultät gelernet, sondern durch Offenbarung Jesu Christi; die gilt aber nicht mehr, sondern ist Schwärmerei, wie die Leute sagen, die Gott die Hände binden wollen. Weil die Menschen in der Welt, in ihrer Weis­ heit Gottes Weisheit nicht erkennen, so muß man des­ wegen nicht denken, daß man durch Studien, Bücher­ lesen und andere dergleichen Methoden zum göttlichen Evangelium kommen könne, das göttlich mächtig wirkt und selig macht. Das Evangelium, das nicht von Menschen und keine Menschen-Lehre ist, sondern Got­ tes Kraft und Gottes Weisheit, kann von keinem Men­ schen gelernet werden; „wer cs vom Vater hört und lernt," der kommt dazu; der heilige Geist muß es uns lehren, daß wir es, wie es dasteht, annehmen, fassen und erfahren. Wer es von Gott dem heiligen Geiste nicht empfängt, der hat es nicht. 2. Kor. 4, 3. Unser Evangelium ist denen, die verloren gehen, verhüllt, oder Thorbeit; denen aber, welchen es der Vater gegeben hat, ist es dennoch Weisheit. 13. Denn ihr Haber ja wohl gehört, was für einer ich gewesen bin, von meinem ehemaligen wan­ del im Judenchume, wie ich über die Maßen die Gemeine Gottes verfolgte und zerstörte, so daß cs mir keiner vorgethan hat. 14. Denn ich übertraf im Judenchume viele meiner Zeitgenossen, indem ich ein rechter Zelot war, und heftiger eiferte für die väterlichen Ueberlieferungen und für den Buchsta­ ben des Gesetzes, für die Form der Lehre. 15. Da es aber Gorr, der mich von Mutterleibe an aus-

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Galater i, 16.

gesondert und durch seine Gnade berufen hat, (Eltern wissen oft nicht, warum sie ein Kind durch ei­ nen Gamaliel so sorgfältig erziehen lassen müssen. Aber nachher, wenn ein solcher Mann berufen ist und mit Segen im Beruf steht, erkennt er erst, wenn er zurück­ sieht, daß Gott von Mutterleib an alles darauf angelegt und geordnet, das aus ihm zu machen, was er hernach seyn und ausrichlen sollte. Selig, wer seiner Erwählung und Berufung durch Gottes Gnade so gewiß ist, wie

Paulus!) Da es Gott gefiel, 16. seinen Sohn in mir zu offenbaren, damit ich das Evangelium von Ihm unter den -Heiden predigte, so fuhr ich zu und habe mich nicht einen Augenblick mit Fleisch und Blut berathen, zu hören, was diese dazu sagen, was ich dem Fleische nach gewinnen oder verlieren werde; sondern ich fuhr zu und predigte es ungescheut. Einem jeden Menschen-Herzen muß Gott seinen Sohn besonders offenbaren und in einem jeden Ge­ müthe geschehen lassen, was in Paulus geschah. Daß ein Gott ist, weiß jeder Mensch, so unwissend er übri­ gens ist. Aber 'Gott in Christo kennt niemand, dem es Gott nicht geoffenbaret hat. Sonst ist es ein bloßes Reden ohne Wirkung und ein Hören ohne Verstand. Gott weht die Todten mit dem Odem des Lebens an; da muß man nur stille seyn, warten und Acht ge­ ben auf seine Stimme, wenn Er mit seiner Kraft, mit seinem Feuer, Zuge und Geiste ans Herz kommt, und sich nicht mit Fleisch und Blut berathen, sondern der himmlischen Erscheinung gleich gehorsam werden. Gott sieht, wie er einer Seele am besten beikommen kann; die Arten, Gelegenheiten und Stunden sind ungleich; man kann sie nicht bestimmen; den einen ergreift Er in der Predigt, den andern in seinem Hause, den dritten auf der Gasse, wieder einen andern auf dem Felde, und einen fünften mitten in seinen Sünden. Daher kann man keine Regeln vorschreiben, wie die Seelen vorher stehen müssen. Man muß es der freien Gnade des

Galater i, 17 — 19.

II

Heilands überlassen, wie Er den Seelen beikommen kann und will. Da Er aber so bereit ist, allen Seelen mit seiner verlaufenden Gnade entgegen zu kommen, so ist es eine unverantwortliche, ja eine himmelschreiende Sün­ de, wenn man sich dem heiligen Geiste zu der Zeit, da Er mit göttlicher Kraft an die Seele kommt, zu ent­ ziehen sucht, oder doch leichtsinnig und nachlaßig bei seiner Herannahung ist. Da kann man oft einen Mo­ ment versäumen, daran viel Gnade und Heil hing, den man in Tagen und Jahren nicht wieder einbringen kann, und vergeblich wieder sucht, bis der heilige Geist, der inzwischen an seinen Ort gegangen ist, Osea 5,15., in Gnaden wieder zurückkommt. Da muß man alles stehen und liegen lassen, wenn solche Gnaden-Züge und Zeiten kommen, weil alles, auch das wichtigste Geschäft in der Welt, eher wieder eingebracht werden kann, als ein solcher Besuch. 17. Ich ging auch nicht nach Jerusalem zu denen, die vor mir Apostel waren, und ich danke Gott, daß ich es nicht gethan habe; denn sonst würdet ihr sagen, ich hätte Gewalt und Ansehen von ihnen empfangen müssen, sondern ich ging nach Arabien und kehrte wieder zurück nach Damaskus. Also muß man es nicht gerade zu Jerusalem bei den Krä­ mern holen, sondern man kann es unmittelbar von dein selbst erhalten, von welchem sie es herhaben, 18. -Hierauf, nachdem Gott schon vieles durch mich gewirkt hatte, nach drei Jahren erst kam ich nach Jerusalem, um den Petrus kennen zu ler­ nen, und blieb bei ihm fünfzehn Tage, nicht um mich bei ihm konfirmiren zu lassen. Die falschen Apo­ stel wollten dort schon alles dem Petrus zuschreiben und den Paulus von ihm abhängig machen, und hat­ ten den Stuhl zu Jerusalem immer im Munde, aber Paulus zeigt es ihnen anders.

19. Von den andern Aposteln sah ich keinen, außer Jakobus, den Bruder des -Herrn, der zu

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Galater i, 20—23,

Jerusalem Bischof war, und der so genannt wird, weil er Maria Schwester-Sohn war. Paulus will sagen, er habe seine Authoritär und apostolische Gewalt nicht von den andern Aposteln, sondern vom Herrn selbst em­ pfangen. 20. Was ich aber schreibe, sieh! das schreibe ich vor Golt; ich lüge nicht, teo viel ist ihm daran gelegen, daß er also heilig schwört, wie es die Wahrheit der Sache erfordert, weil sie ihn immer von den andern abhängig machen wollten. 21. -Hierauf kam ich in die Gegenden von Syrien und Cilicien. 22. Ich war aber damals noch von Person unbekannt den Gemeinen Christi in Judäa — unbekannt als Christ, aber wohlbekannt als Verfolger der Christen. Selig ist, der dadurch seine Bekehrung zeigt, daß er sich der Welt entzieht und unbekannt macht. 23. Sie harren blos von meiner wunderbaren Veränderung gehört; der uns eheinals wie ein grim­ miger Löwe verfolgte, verkündigt nun den Glau­ ben, den er ehemals zerstörte, der hält sich nun als ein Hirt und Lamm zu den Schafen und läßt sich selbst verfolgen. Man sieht, daß wir gewiß wissen müssen, daß wir glauben, wenn wir Theil haben wollen an gött­ lichen und himmlischen Dingen. Wenn auch der Hei­ land jemand mitten in der Sünde ergreift, (und das thut Er auch manchmal, doch ist keinem zu rathen, daß er sich darauf verlasse,) so ist doch gleich das Glauben, die gewisse Zuversicht da. Das sehen wir an Paulus; den Augenblick, da sich Jesus seiner erbarmte, da ihm Gott seinen Sohn offenbarte, da sich die Stimme hö­ ren ließ, alsobald fuhr er zu: Herr, sagt er, wer bist du? Kaum hat sich Jesus kund gemacht, so glaubt der Verfolger, der Mann, der die Minute zuvor dem Manien Jesus alles Böse anthun zu müssen glaubte, an denselben Namen lebendig und kräftig, so daß er

Galater iz 24

2, 1. 2,

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gleich frägt: was willst du, Herr! daß ich thun soll? Nur hin, in die Statt bin, da sollst du's hören. Wa6 wars denn hernach? Es ward ihm im Vertrauen ge­ sagt, wie viel Gutes er geschenkt kriegen sollte; weiter wars nichts. Genuß, der Heiland frägt nichts darnach, wie wir sind zur Stunde, da Er sich unser erbarmet. Wir mögen seyn, wer und wie wir wollen, so schenkt Er uns Gllade und verqiebt uns. Aber den Moment, wo das geschieht, macht Er uns anders. Das Blut Chnsti, VL6 uns vertritt beim Vater, thut gleich seine Wirkung, Uns zu reinigen und zu heiligen. Wenn man nun keine Aenderung am Menschen sieht, so kann man mit Wahrheit sagen: Entweder du hast keine Gnade geknegt, oder du hast die Reinigung deiner vorigen Sünden vergessen, welches eben so viel ist/ als seine Seligkeit vergessen. 24. Und sie verherrlichten Gott über mir, dem kein Ding unmöglich ist, der aus Steine Kinder Abrahams erwecken kann.

Das II. Kapitel. 1. Hierauf, nach vierzehn Jahren,zog ich abermal hinaufnach Jerusalem mit Barnabas, und nahm den Titus auch mit mir. So lange ließ er es anstehen, weil er niemand im Aberglauben bestärken wollte, als wenns an den Ort gebunden wäre. 2. Ich zog aber hinauf, nicht um den heiligen Geist da zu holen oder zu suchen, sondern vermöge einer Offenbarung, auf gött­ lichen Antrieb, und legre ihnen mein Evangelium der freien Gnade vor, das ich verkündigte unter den Heiden (er hat das Licht nicht gescheut, er gabs in die Censur), besonders aber denen, die im An-

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gleich frägt: was willst du, Herr! daß ich thun soll? Nur hin, in die Statt bin, da sollst du's hören. Wa6 wars denn hernach? Es ward ihm im Vertrauen ge­ sagt, wie viel Gutes er geschenkt kriegen sollte; weiter wars nichts. Genuß, der Heiland frägt nichts darnach, wie wir sind zur Stunde, da Er sich unser erbarmet. Wir mögen seyn, wer und wie wir wollen, so schenkt Er uns Gllade und verqiebt uns. Aber den Moment, wo das geschieht, macht Er uns anders. Das Blut Chnsti, VL6 uns vertritt beim Vater, thut gleich seine Wirkung, Uns zu reinigen und zu heiligen. Wenn man nun keine Aenderung am Menschen sieht, so kann man mit Wahrheit sagen: Entweder du hast keine Gnade geknegt, oder du hast die Reinigung deiner vorigen Sünden vergessen, welches eben so viel ist/ als seine Seligkeit vergessen. 24. Und sie verherrlichten Gott über mir, dem kein Ding unmöglich ist, der aus Steine Kinder Abrahams erwecken kann.

Das II. Kapitel. 1. Hierauf, nach vierzehn Jahren,zog ich abermal hinaufnach Jerusalem mit Barnabas, und nahm den Titus auch mit mir. So lange ließ er es anstehen, weil er niemand im Aberglauben bestärken wollte, als wenns an den Ort gebunden wäre. 2. Ich zog aber hinauf, nicht um den heiligen Geist da zu holen oder zu suchen, sondern vermöge einer Offenbarung, auf gött­ lichen Antrieb, und legre ihnen mein Evangelium der freien Gnade vor, das ich verkündigte unter den Heiden (er hat das Licht nicht gescheut, er gabs in die Censur), besonders aber denen, die im An-

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Galater 2, 3— 5.

sehen standen, damit ich nicht vergeblich liefe oder gelaufen wäre, damit man nicht sagen könnte, ich schließe mich nicht an die andern an, oder ich predige ganz anders, als andere Apostel. 3. Aber nicht einmal Tirus, der bei mir war, ward gezwungen, sich beschneiden zu lasten, ob­ schon er von Geburt ein -Heide war. Damit will er beweisen, daß auch die andern Apostel die Beschnei­ dung nicht mehr für nöthig hielten, und daß er nicht allein für die Freiheit des Evangeliums stehe. 4. Dies geschah aber wegen eingeschlichener falscher Brüder, die sich eingedrungen harren, un­ sere Freiheit auszukundschaften, die wir in Lbristo Jesu haben, damit sie uns wieder unter das Joch brächten. Die geistlichen Spionen und Kundschafter sind die rechten Plagegeister; sie lauten, ob man andere Wege gehen wolle, als sie; sie vergessen sich selbst, und kund­ schaften das Thun anderer aus. Die Freiheit, die Christus uns mit Blut erwor­ ben hat, sollen wir nicht gering achten, und darüber halten, wenn man uns wieder unter das Joch des Ge­ setzes bringen will, wohin alle Absichten der falschen Brüder zielen. 5. Wo wir aber so falsche Brüder antrafen, da gaben wir ihnen nicht einen Augenblick nach, und unterwarfen uns nicht. Das wird von der Welt und den Heuchlern für Eigensinn, Stolz und Harrnäkkigkeit erklärt, wenn man sich nicht unter das Joch aller herrschenden Irrthümer ergiebt; wenn man Neben­ sachen sich nicht als Hauptsachen aufdringen und zur Gewissens-Nothwendigkeit machen läßt. Aber da sagt Paulus, sonst wollen wir gerne weichen, aber da nicht, damit die Wahrheit des Evangeliums bei euch bestände, damit es lauter bleibe und nicht mit phari­ säischem Sauerteige vermischt werde. Wenn man Un-

Galater 2, 6—8.

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terwerfung verlangt unter etwas, das gegen das Evan« gelium ist, das ist nicht erlaubt. 6. was aber die bereifst, die im Ansehen standen, (wer sie weiland seyn mochten, das geht mich nicht an; bei Gott gilt kein Ansehen der Person.) Sie mögen gewesen seyn, wer sie wollen, und mögen vor mir Apostel gewesen seyn, so sind sie doch nicht mehr als ich. Was wollet ihr mir lange AuthoritLten entgegensetzen; genug, die Angesehenen haben mich nichts Neues gelehrt, und haben an mir und meiner Lehre nichts auszusehen gefunden. Paulus will das Ansehen der Apostel nicht schwächen, sondern nur die Leute abtreiben, die ihn damit drücken wollten. Er geht auf die Sache, nicht auf die Personen, „die Sache ist nichts, die ihr mir vorwerfet; darum frage ich nichts darnach/' Sonst ists keine Tugend, zu sagen: Ich frage nichts darnach. Wenn man aber mit dem Ansehen die Wahrheit beeinträchti­ gen will, so muß man nichts darnach fragen und nicht weichen.

7. 'Sondern im Gegentheile, da sie sahen, daß mir das Evangelium an die Unbeschnittenen anvertraut worden, so wie dem Petrus an die Beschnittenen. Das Evangelium giebt sich niemand selber, so wie es die Apostel von sich bekennen, daß sie es nicht selbst erfunden, ersiudirt und sich erworben haben, sondern eS wird von Gott dem anvertraut, geschenkt, gegeben, den Gott dazu erwählt, nicht wer sich selbst erwähle oder dazu hervordringt. Und das geht so weit, daß es einem für diese, dem andern für eine andere Na­ tion, Land, Stadt rc. anvertraut wird. Wer damit hinlauft, wo er will, der läuft an und kommt leer zu­ rück; Gott muß senden, dann geht es.

8. Denn der mit Petrus kräftig war zum Apostel. Amt unter den Beschnittenen, war auch kräftig mit mir unter den -Heiden.

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Galater 2, 9 —11.

Sieh da, nicht Petrus, nicht Paulus, sondern der Herr m ihnen wirkt. Petrus und Paulus schreiben cs nicht sich zu, sondern dem Herrn, was durch sie ge­ wirkt worden ist. Christus alles in allem. Gott hat die Güte, daß Er denen an Sitten, Ge­ müth und Charakter verschiedene Nationen auch eben so verschiedene Apostel sandte. 9. Da sie die Gnade erkannten, dl? ffrir ver­ liehen ist, so gaben Jakobus und Rephas und Johannes, welche für Säulen angesehep waren, mrr und dem Barnabas den HaNdschtaA der Gemeinfchafc, daß wir unter den -Heiden, sitz aber unter den Beschnittenen predigten. Ich will die Säulen gerne stehen lassen, wenn man die Sache nur nicht höher treibt, als sichs ge­ bührt, und sie es selbe gut heißen können.' 2öie sie sich als Diener Christi achteten, so erkannten sie'auch mich dafür. Sie haben sich aber nicht damit erhoben und einen Vorzug angemaßt. Man soll niemand verwerfen, der den Grund der Wahrheit hat. Die Welt aber stoßt gewöhnlich die von sich, die den Grund haben, und ihre Zusätze und Nebendinge nicht anerkennen; andere dagegen, die nur so mitmachen, nennt sie Brüder. 10. Nur sollten wir (das einzige erinnerten sie) der Armen eingedenk seyn, was ich mich auch zu thun bestrebt habe, (wie die Apostel-Geschichte und seine Briefe beweisen). Was soll aber das für ein Christenthum seyn, wo der Arme so viele gefunden werden? 11. Als aber Rephas (Petrus) nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, weil er tadelnswerrh war. Damit hat Paulus zeigen wol­ len, daß kein Ansehen in der Kirche unter den Brü­ dern gegen die Wahrheit des Evangeliums gilt und seyn soll, wenn nicht die Kirche in Gefahr kommen soll, weil oft solche Petruffe irren. Wer

Galater 2, 12. 13,

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Wer ein zuverläßiger Freund und Christ seyn soll, der muß die Eigenschaft haben, daß er im Augenblicke gegen seinen allerzärtlichsten Gemüthsfreund aufgebracht werden kann, wenn derselbe dem Heilande und dem Evangelium unwürdig denkt oder handelt; man muß so zerfallen können über der Einen Wal rheic, daß man sich in dem Augenblicke nicht erinnert, daß man sich je gekannt habe. Wenn wir diesen Grund gelegt haben, dann ist die andere Regel: Außer dem Heilande und seinem In­ teresse muß im Himmel und auf Erden nichts erfunden werden, das uns mit unserm Freunde entzweien könnte. Unsere Geduld, unsere Entschuldigung und unser Ver­ geben muß keine Gränzen haben, wenn die Sache von uns abhangt, und es nicht die Sache des Herrn und seiner Gemeine erfordert, daß wir wider unsern Willen und unser Herz gegen einen Freund seyn müssen. 12. Denn ehe erliche von Jakobus von Ieru. salem, die noch jüdisch und gesetzlich gesinnt wa.en, ka­ men, aß er mir den bekehrten Heiden ohne Beden­ ke»; also hat er es nicht für unrecht gehalten, sondern die Freiheit gehabt; weil er aber den engherzigen Ju­ den-Christen gefallen wollte, so entzog er sich, als sie kamen, und sonderte sich ab, und ließ sich zur Heuchelei verleiten aus Furcht vor den Beschnittenen, daß sie ihm als ungestüme Leute Vorwürfe gemacht und ihn verketzert haben würden; obwohl es schon aus dem Concilium zu Jerusalem ausgemacht war, daß man das Jock des Gesetzes zu tragen nicht mehr ver­ bunden sey. 13. Und mir ihm heuchelten auch die übrigen Juden, so daß sich auch Barnabas von ihnen zu dieser Heuchelei mit hinrerßen ließ. Sie dachten: Weil es Petrus, so ein heiliger Mann und großer Apostel, thut, so müssen wir es auch thun. Da war nun nöthig, daß Paulus stritt für die Freiheit des Evangeliums; denn Petrus ist da wieder gesunken aus Furcht, wie einst auf dem Meere, da er sich vor dem Winde und den Wellen fürchtete. CrbammgSbuch vn, rhell. 2

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Galater 2, 14—16.

Wenn aber Petrus da noch fiel, wer will sich denn für unfehlbar halten? 14. Da ich aber sah, daß sie nicht den ge­ raden weg, sondern krumme Wege wandelten, nicht nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Rephas nn 2lngcsichte aller hveil er auch vor allen sündigte): Wenn du, der du ein Iyde bist, nach heidnischer Gitte leben darfst, und nicht nach jüdischer, das ist, mit Heiden frei umgehest, warum zwingst du denn drs -Heiden zu einer an­ dern Zeit wieder, jüdisch zu leben? So bleibst du ja nicht aus Einem Grunde und bist nicht unpartheiisch. Einmal aß er, das anderemal aß er nicht mit den Hei­ den. Einmal richtete er sich nicht nach dem jüdischen Gesetze, sondern lebte frei nach dem Evangelium; das anderemal richtete er sich wieder nach dem Gesetze, und hielt die Heiden-Christen auch dazu an, und heuchelte blos aus Furcht, um vor den Juden-Christen auch jü­ disch zu scheinen, was er doch nicht war. Der arme Petrus war vorher gewarnt genug. ApG. 10, 5. Darauf ward noch die Versammlung zu Jerusalem gehalten, und doch ließ er sich hmreißen. Geschah dies am grünen Holze, was wird am dürren geschehen? Und was ist nicht geschehen? Aber wer wagt es wie Paulus zu wi­ derstehen, und ins Angesicht zu widersprechen ? 15. Wir sind «war von lTl-rrur Juden, und nicht Sünder aus den Heiden, aber deswegen sind wir doch Sünder aus den Juden und um kein Ham Keffer, weil wir geborne Juden sind. Das giebt uns vor Golt keinen Vorzug. Die Juden schoben das Won Sünder von sich weg auf die Heiden und Zöllner; dies« mußten an dem Orte der armen Sünder stehen; abni der heilige Geist ist unpartheiisch; er verwirft das Böse/

eS mag sielten, wo es will. Sünder lb. Weil wir aber wissen, eine ausgemachte Sache und davon mehr ist, daß der Mensch gerecht

ist Sünder. und das bei uni gar keine Fragt gemacht wird^

Galater 2, 16.

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nicht durch die Werke des Gesetzes, sondern al­ lem durch den Glauben an Jesus Christus, so haben wir auch an Jesum Christum geglaubt, und uns ick Glauben zugeeignet, was uns durch Ibn aus Gnaden ahgeböten wurde, damit wir gerecht würden, durch den Glauben, und Nicht durch die Werke des Sesttzee. Denn durch die Werke des Gesetzes wird einmal kein Mensch gerecht. Daran müssen wir ftsthalten, und darnach uns richten in Lehre und Leben. C- ist ein gwßer Streit in der Welt, ob zum Selig- und Begnadigt-Werden erfordert werbe, baß man schon müsse angefangen haben, den Heiland lieb zu haben. Einicfe haben gesagt: Ja, andere: Nein; es würden die Sunden vergeben, wenn man gleich den Heiland noch lein Bischen lieb gehabt hätte. Ehe ich Gnade habe, känn ich nicht lieben. Wir können der Gnade nicht vbrlauftn und der Vergebung der Sünden nichts entgegen- und vorausschicken, als Erkenntniß und Jammer über unser Elend. Die Gnade und Barmherzigkett Gottes muß uns zuvorkommen; die Gnade läuft uns vor mit der Vergebung der Sünden, so daß wir uns schämen müssen und vor Scham die Augen nicht aufl)eben können, wenn uns alles vergeben wird, auch das, wovon wir selbst glaubten, es könne uns nicht vergeben werden; wenn wir Gnade erhalten zu einer Zeit, wo wir es am wenigsten vermuthen. Der freien Gnade und Barmherzigkeit Gottes kann man keine Schranken setzen. Was Gutes an uns ist, ist nicht von uns, sondern von Gott aus Gnaden geschenkt. Wenn Gott mit der Vergebung der Sünden auf un­ ser Gutes warten wollte, so müßte Er lange warten. Wir können zu keinem guten Gedanken kommen, bis wir Gnade haben; die Liebe wird erst rege, wenn al­ les vergeben ist. Da lernen wir erst unfern Herrn als den freundlichen, treuen und gnädigen Herrn kennen, davon wir vorher nichts gewußt, sondern uns nur ge-

20

Galater r, 17. ig.

fürchtet haben. Hätte Er uns nicht erwählt, wir hät« ren Ibn nie erwählt. Es ist aber auch gewiß, daß man hernach nicht selig seyn kann, wenn man den Heiland nicht erstaun« lich lieb hat, daß man nicht vergnügt aus der Welt scheiden kann, ohne von Ihm erkannt und als ein Lieb­ ling umarmt zu seyn. Wenn, also unsere Freude voll­ kommen seyn soll, wenn wir gewiß wissen wollen, daß unS vergeben ist, daß wir durch den Glauben gerecht gemacht sind, so müssen wir nothwendig wissen, daß wir Ihn lieb haben; unser Her; muß uns nicht ver­ dammen, sondern ja sagen können, wenn Er fragt: Hast du mich lieb ? Man muß Beweise der X'iebe geben, daß der Heiland erkennen kann, daß wir Ihn über alles lieben, und daß Gott sagen kanftr Nun weiß ich, daß du mich lieb hast. 1. Mos. 22, 12. Den verdammlichen, schändlichen Maul? Glauben, der vor wie nach ohne Liebe und ein Knecht dek Sünde, außer und ohne Christus, bleibt, hat alsp Paulus nicht gemeint, wenn er sagt: Wir werden allein durch den Glauben gerecht; dieser macht eben sy wenig gerecht, als die Werke des Gesetzes, die das Gesetz dem Men­ schen aus Furcht und Zwang auspreßt. Die Werke sind nie die Gerechtigkeit und machen nie gerecht, sie seyen in oder außer Christo gethan, sondern die Werke zeigen, offenbaren die Gerechtigkeit, sind eine Folge der von Go» geschenkten Gerechtigkeit, und diese Gerechtig­ keit macht gerechte Werke. Wenn sich die Quelle der Gerechtigkeit, die Liebe Gottes ins Herz ausgegoffen hat, so ergießt sie sich in viele tausend Bächlein guter Werke. 17. wenn wir nun aber, da wir durch Chri­ stus, und nicht durchs Gesetz, gerecht gemacht zu werden suchen, auch noch als Sünder erfunden würden, dadurch, baß wir das Gesetz Moses nicht beobachten und mit den Heiden essen, wäre dann Chri­ stus nicht cm Gündendiener? 18. wenn ich wieder aufvaue, das Ccremonial-Gesetz, was ich nieder-

Galater r, 19,



gerissen habe, wenn ich heute sage: Man muß S nicht halten, und morgen halte ichs wieder für eine Sünde, wenn ichs nicht halte, so mache id? mich selbst zum Sünder. Wer, nachdem er begnadiget oder gerechtfertigct worden und Vergebung der Sünden empfangen hat, Nicht in der That in Gerechtigkeit und Wahrbeit vor Golt wandelt, und mit der Gerechtigkeit des Glaubens nicht auch die Gerechtigkeit des Lebens verbindet, sondern so durch Christus selig zu werden sucht, daß er in seinen Sünden verharret und meint, es gehe Christi Verdienst etwas ab, wenn er nicht der Sünde diente, sondern heilig zu leben suchte, der macht Christus zum Sündendiener, und will Christo zu Ehren sündigen, damit Er doch auch etwas zu absolviren habe. Der Glaube hält sich an Christus, daß Christus in ihm alles ist. Er wickelt sich ganz in Christo ein; das zieht dem alten Menschen die Haut ab; denn Chri­ stus ist kein Freund, Beschützer und Patron der Sünde, sondern rin Zerstörer der Werke des Satans. Die Gerechtigkeit Christi will dir keinen Deckmantel deiner Ungerechtigkeiten und Sünden abgeben, damit du ruhig darunter sortsündigen kannst. Bilde dir nur keinen Christus ein, der deinem alten Adam schmeichelt und gute Tage läßt; Er kann unmöglich zugleich mit der Sünde im Herzen wohnen. Wenn einer dächte: Weil man nicht durch gute Werke gerecht wird, so will ich mich ja recht hüten, daß ich keine gute Werke thue, sondern fortsündigen, damit Christus immer etwas hat, mir umsonst zu vergeben, so würde er das Evangelium gräulicher verkehren, als der Teufel selbst. 19. Ich bin aber durch das Gesetz dem Gesetze entstorben, nicht, damit ich gesetzlos, gottlos lebe, son­ dern damit ich Gott lebe, baß ich meinem Gott erst recht von ganzem Herzen freiwillig diene und lebe. Ich bin durch das Gesetz Christi, durch das Ge­ setz der Liebe, dem Gesetze Mosis, dem Zwange und Fluche des Gesetzes entronnen. Das Gesetz kann mich

2i

Galater 2, 20.

nun nicht mehr treiben, zwingen und verdammen; Chris stus hat mich frei gemacht von dem Fluche und der Strafe, die das Gesetz droht, und hat mir Geist und Leben geschenkt, daß ich freiwillig thue und thun kann, waö das Gesetz fordert. Das Gesetz wird in Christo nicht weggeworfen, sondern erfüllt; nicht aufgehoben, sondern aufgerichtet. Der heilige Geist muß Christum ins Herz bringen, pnd dann muß die Moral aus zärtlicher Liebe, Ver­ bindung und Umgang und Gewohnheit mit Ihm ent­ stehen. Was man lieb hat, sieht man immer an; was man ansieht, weil es einem gefallt, dessen Art gewöhnt man sich an. So werden wir moralisch; von da her kommt es, daß man endlich ganz so wird, wie Er war in dieser Welt, daß man es einem ansieht, mit wem man immer umgeht. — Wir sind mit Christo gekreuziget, allem, was Welt, Sünde, Fleisch und Böse heißt. An was für einem Heiland hangst du? An dem, der ein Patron der Wollust uud des Geizes ist? Nein, sondern an dem, der der Wollust und dem Geize ge« kreuziget ist, und mit dem ich.diesen Dingen auch gekreuzlget und todt bin.

20. Ich lebe, doch nicht ich, sondern Chri­ stus lebt in mir; was ich noch lebe im Fleische, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gocces, der mich geliebt und sich selbst für mich hrngegeben I?«'*). Wer gewohnt ist, sich genauer zu kennen, und sei­ nen vorigen Zustand gegen den jetzigen zu halten, der *) Das kann heißen; im Glauben an den Sohn Gottes, wie Er selbst sagte: Glaubt Eins an Gott, so glaubt cS auch an mich. Ioh. 14, 1. ES kann aber auch heißen: ich lebe in eben dem Glauben, in welchem der Sohn Gottes seine Tage verlebt Sein Glaube ist der Meine. Er ist der Anfänger des Glaubens. Hebr 12, 2. Er hat da- Glauben nicht nur angefangen, sondern auch das volle Beispiel des Glaubens gegeben. Er ist der originelle Glaubens - Mann. Hebr. 5, 7 Unser Glaube ist nicht nur an Ihn, sondern auch von Ihm, ist sein Glaube; Er hat uns das Recht und Kraft zu glauben erwor­ ben und das Modell dazu gegeben.

Galarer 2, 20.

23

kann es genau wissen, ob nichts als Christus, nichts als das Verdienst des Lammes, nichts als ChristusSinn in. und bei ihm die Oberhand hat? Und ob das bei ihm eigenthümlich und eingewohnt ist, so daß er vom Sqtan und der Welt nur von außen beschwert wird, daß das Herz frei ist, und der Satan und die Weir nur so herumgcht, wie ein brüllender Löwe; oder ob Saran und Welt noch mit uns Zusammenhängen; ob wir noch in einem heimlichen Einverständnisse und feinem Zusammenhänge mit der Sünde, mit der Ein­ bildung von sich selbst, mit Eigenliebe, Geilheit, Geiz und Sorge der Nahrung, oder mit dem eigenen Geiste stehen, der sich selbst sucht, an sich selbst mehr denkt, als an das Lamm und stine Brüder; da man sein Leben für sich einrichtet und mehr für sich lebt, als daß man mit Wahrheit sagen könnte: Ich weiß nichts mehr von mir; ich lebe, aber nicht ich, sondern Christus in mir rc. *) *) Was hu noch fleischlich, vernünftlich lebst (nicht verständig), was du noch lebst in unnützen Sachen, das lebst du ohne Glauben an den Sohn Gottes, in Ber.äumung der Nähe und des täglichen Um­ gangs mit Ihm; Henoch ist 30i) Jahr im Umgang mit Gott geblie­ ben, und har dabei nichts, was einem Manne im Hause obliegt, ver­ säumt So können wir auch leben im Glauben des Sohnes Gottes an unsern Herrn und Bräutigam, der mrt uns zugleich Gortes Abend­ mahl und Sabbat halten will und hält, mit uns zugleich betet, un­ ser Mitgenoß zu seyn begehrt, daß Er lagt: Seyd ihr krank, ich binS mit. Seyd ihr gefangen, ich auch. Habt ihr nichts anzuziehen, mir ist, als ob ich auch nackt und bloß wäre Hungert euch, ich fühle eure Noth. Wer euch dient, dient mir. Ich brn bei euch alle Lage. Mit diesen Worten sollen wir uns trösten, sie müssen uns aber auch Spieße und Nägel seyn und uns sehr wehe thun, wenns nöthig ist, bei Trägheit, Faulheit, Leichtsinn und liederlicher Unad)t|amhii der unaussprechlichen Seligkeit des Schatzes über alle Schatze, vor dem Ach die Vernachlüßigung soll die Engel die tiefste Ehrfurcht haben uns erschrecklich seyn Wir sollen nicht ruhig schlafen können, wenn wir nicht wissen, wie wir mit unserm Freund stehen, ob wir Ihn nahe haben oder in Ihm leben. Wenn ich aufwache, bin ich noch bei dir, sagt Ps 134, 18. Wer die Erlösung im Blute Jesu erlangt hat, der bekommt Kraft, alles Böse, das er an sich weiß, und das er immer genauer aufsucht in sich, unter die Füße zu bringen und zu beherrschen, bis endlich, wenn wir lange beim H'iland bleiben, des Dinges miteinan­ der vergessen wird, und man nur in dem Heiland lebt, welches end­ lich, durch beständige Gnade, bei der getreuen Nachfolge des Heilands zuwege zu bringen ist, daß nur Er in uns lebt Denn so viel man für sich lebt («vio; Röm. 7, 25., bleibt man ein Sünder.

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Galater 2, 21.

Z, l.

21. Ich werfe die Gnade Gottes nicht weg. Denn wenn die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt, so ist Lhristus vergeblich gestorben. Es heißt von den meisten: Wenn ihnen gleich Gnade angeboten wird, so fallen sie doch auf einen andern Weg, lernen doch nicht Gerechtigkeit, Jes. 26, 10.; denn wer sucht nicht die Gerechtigkeit durch das Gesetz, durch allerlei- gute Werke, die Menschen geboten haben, die sie aus eigener Krafts ohne Christus thun können? Wenn man sich aber die Gerechtigkeit selbst so erwerben, verdienen und erkaufen kann, wozu ist Christus gut? Da Christus für uns gestorben ist, und uns Vergebung der Sünden und ewiges Leben erworben hat und umsonst geben will, warum sollten wir denn dieses große Werk und diese schwere Arbeit, die Ihn sein Blut und Leben gekostet hat, wegwerfen, oder vorbeigehen, um uns in Formen anderer Leute zu schicken. Das thue ich nicht, sagt Paulus, das gehr nicht an. Wenn sich der Mensch eine eigene Gerech­ tigkeit hatte erwerben können, so hätte Gott seinen Sohn nicht gesandt. Wer nun nicht glaubt, daß Er ihm zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung gemacht und geschenkt sey^, sondern glaubt, er müsse und könne sich selbst ohne Christi Verdienst und Gnade ge­ recht und selig machen, durch eigenes Verdienst und Mü­ hen, der wirft die Gnade Gottes weg, der wirft Christum und alle seine Arbeit, Verdienst, Tod und Blut weg, weil er durch das Gesetz die Gerechtigkeit sucht.

Das III. Kapitel. 1. nicht im Vergleiche mir andern. Wir müssen uns gegen keine Kreatur brüsten, son«, dern ihnen allen mit einer gewissen Beugung entgegen­ sehen, und uns des Vorzugs, den wir etwa vor ihnen haben, schämen, uns auch unter den Menschen umse­ hen, und das mancherlei Gute, das wir an andern se­ hen, zusammenhalten. So kommen wir dazu, daß wir nicht aus Affektation, sondern von Herzen und aus Ueberzeugung andere höher halten als uns selbst, und auch von denen, die noch ferne von der Bürger­ schaft Israels denken können: Hätte ich ihn nur bei Jesu Wunde, er wäre mehr, als ich, in einer Stunde. Da ist einem Herzen, das Jesushaft denkt, nichts zu schlecht und zu geringe; das Herz ist für jede mensch­ liche Kreatur offen, die sich zu ihrem Erlöser und Hei­ ligmacher herzufindet, cs sey aus Liebe oder aus Noth. 5. Denn jeder hat seine eigene Last zu tra­ gen; ein jeder wird für sich einst Gott Rechenschaft geben müssen, und nicht einer für den andern. Daher dann auch kein Zwang und Gewalt Platz findet in Sachen des Gewissens und der Religion.

Galater 6, 6—9.

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6. wer aber im Worte unterrichtet wird, der theile dem, der ihn unterrichtet, von allen Gütern mit. Wir sollen Brunnen senn, die eben so viel Walser von sich geben, als sie empfangen, und kei­ nen Mangel dabei besorgen. Es soll Gemeinschaft seyn in Allem und mit Allen; bleibt aber die Gemeinschaft und Miithsikung im Zeitlichen aus, so ist gewiß auch die Frucht dLS Wortes noch sparsam. 7/ nicht, Gott laßt seiner nicht spotten. Paulus behandelt die Sache ernstlich, damit nicht je­ mand mit dieser Gemeinschaft ein Gespött treibe, weil der falsche Sinn zur mittheilenden Gemeinschaft sehr träg und mgenorgt ist. Lasset euch euer nützliches Her; nicht verleiten. Man mag so scheinbare Behelfe und Ausflüchte suchen, wie man will, Gott schaut doch durch, und siebt alle Heuchelei und Tücke. Wenn man meint, man wolle Ihn verblenden, so betrügt man sich selbst. 8. Was -er Mensch säet, das wird er auch ärnten. wer auf sein Fleisch säet, Fleisch und Blut liebt, der wird vorn Fleische Verderben ärnten. wer aber auf den Geist säet, der wird vom Geiste ewiges Leben ärnten. Wenn sich der Mensch an der Eitelkeit satt ge­ gessen hat mit seinen Begierden, so sind zuletzt Wür­ mer seine Decke. Wer aber auf den Geist und Sinn Jesu Christi sich gründet und baut, stets im Geiste wandelt und Gott Früchte bringt in Geduld, der hat das ewige Leben. Wo das lebendige Wort tief in die Seele fällt, und durch die Wiedergeburt aufgeht, da wächst ein neues göttliches Leben hervor. Das ist der Lebens-Baum, der ohne Aufbören Früchte trägt. 9. Lasser uns Gutes thun, ohne müde zu werden; denn zu seiner Zelt werden wir auch ärnten, wenn wir nicht ermatten. Wir wollen also thätig seyn, nicht aus Leichtsinn oder Unruhe des Gemüths, sondern weil man nicht weiß,

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Galater 6, io. n,

wie lange man es seyn kann. Darum thut man alles fleißig, damit man lange lebe; d. i. es wahre so kurz als es wolle, so ist doch so viel geschehen, als kaum von den längsten Tagen zu erwarten ist. Wir wollen im Aeußern starke Schritte thun, als wenn wir einen weiten Weg vor uns hätten; fest werden und immer zunehmen, eifriger werden iin Werke des Herrn, weil wir wissen, daß unsere Arbeit nicht vergeblich ist. Im Innern vermehrt sich das Hinblicken, Sehnen und Auf­ sehen nach Ihm, den jedes Herz für sich und jedes Häuflein zusammen erwartet.

10. Lasser uns also, so lange wir Zeit ha­ ben, jedermann Gutes thun, besonders aber den Glaubens - Genossen. Der Vater im Himmel ist gegen alle Kreaturen gütig und freigebig; so wenig eines Raben Aufführung untersucht wird, sondern wenn sie nichts haben, und schreien, seufzen und schnappen, so bekommen sie ihre Nothdurft, so wird vielmehr das ganze Menschenge­ schlecht als seines Sohnes Kreatur angesehen und nicht untersucht, wie es um die Leute aussieht, sondern er ist gegen alle unbeschreiblich gütig. Wenn aber der Heiland vollends jemand das Attestat giebt: „Der ist mein," so ists kein Wunder, daß die Tröstung in aller seiner Mühe niemals fehle. Der Vaters-Sinn sey auch der unsrige.

11. Seher, wie viel ich euch geschrieben habe mit eigner -Hand! Liebe macht oft so beredt, daß man sich selbst dar­ über verwundert. Wenn man nicht sein eigenes Werk, sondern die Gabe des Geistes Gottes bewundert, so ist es auch keine Ruhmredigkeit, keine Prahlerei, sondern Dankgefühl und Glaube. Es kann auch als ein feiner liebevoller Verweis angesehen werden, den der väterliche Apostel seinen Gläu­ bigen damit gegeben hat, als wenn er hätte sagen wol­ len, diese Mühe hättet ihr mir ersparen können, wenn ihr

Galater 6, 12—14,

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ihr nicht abgewichen wäret. Ich will aber lieber glau­ ben, es sey aus einem andern Ton, aus dem Ton der lautern Liebe gegangen — und Paulus habe damit sagen wollen: Seht, wie lieb ich euch dennoch habe, und weil sich euer Herz gegen mich aufgethan hat. Dies ist des Apostels würdiger. 12. Leute, die zu gefallen suchen dem Fleische nach, predigen, wie es das Fleisch gerne hört, zwin­ gen euch zuV Beschneidung, machen eine GewissensSache daraus, damit sie nur nicht um des Rreuzes Christi willen verfolgt werden. So gab es anfangs und jederzeit solche falsche Lehrer, die aufs Ansehen gehen, sich der herrschenden Parthei, von der sie doch abgegangen sind, gleichstellen und insinüiren, indem sie gesetzliche Werke und Menschen-Satzungen empfehlen und zur Nothwendigkeit ma­ chen, nur damit sie von den blinden Eiferern nicht ver­ folgt werden. Die herrschende Parthei will nichts ver­ lieren; wenn man sich an ihre äußerliche Zeremonien hält und alles mitmacht, so bat man es gut, und es ist einem wohl bei ihr dem Fleische nach; man spürt nichts vom Kreuze Christi, aber eben deswegen auch nichts von der Rrafc Christi. 13. Denn sie selbst, obwohl sie beschnitten sind, halten das Gesetz nicht, wie es seyn soll; es ist ihnen selbst nicht so ans Herz gewachsen; sie haben eine ganz andere Absicht; es ist ihnen nicht um das Gesetz, wie dem Judas nicht um die Armen, zu thun, sondern sie wollen nur, daß ihr euch beschneiden lasser, damit sie sich eures Fleisches rühmen kön­ nen. Sie wollen euch blos an sich ziehen und ihre Parthei vergrößern. Ruhmsucht, Eitelkeit, FleischesSinn treibt sie, nicht Liebe zum Gesetze Gottes. 14. Von mir aber sey es ferne, mich zu rüh­ men, als allein des Rrevzes unsers Herrn Jesu Christi, durch welchen mir die Welt gekreuztHet ist, und ich der Welt. Lasset die andern sich rühErbauungtbuch VII. Theil. 5

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Galater 6, 14.

men ihres Reichthumes, ihres Ansehens, ihrer Ehre, Freuden und Wollüste; was mich betrifft, ich weiß von keiner größer» Glückseligkeit, Herrlichkeit und X'ufi, als

daß Christus für meine Sünden gekreuzizet, mich Gott versöhnet und eine ewige Erlösung durch sein Blut und Kreuz erfunden hat, und daß ich mit meinem gekreu­ zigten Heiland hintenangesebk, gekreuzigt und unter die Uebelthätcr gerechnet werde *). •) Warum sollen wir uns keines andern rühmen, als des Kreuzes? 1) Weil nichts da ist, deß wir uns mit Grund rühmen könnten ES giebt Leute, die den Kopf voll haben von einer Tugend, die sich der Mensch selbst verschaffen kann, und bringen Beispiele von solchen Tu­ gendhelden. Allein einige Beispiele beweisen nlchts für alle, fürs Ganze; es hat dagegen viel rmhr gegeben, schon unter den alten Phi­ losophen, z B. den SimonideS, die bekannten, daß sie immer garsti­ ger geworden wären, je mehr sie aus eigenen Kräften schon zu wer­ den sich bemüht hätten. Zu dieser Erkenntniß wären sie wohl ge­ langt, aber zur wahren Besserung nicht Es ist mehr als offenbar, daß auf den Menschen gar nicht zu bauen ist, weil sein Thun, seine Beständigkeit, Tugend, Wahrheit rc. gar zu veränderlich ist. Man kann denselben Mann des Tages dreimal an­ ders denken und reden hören in einer und derselben Sache. Es ist auch ächt menschlich, man kann nicht mehr von Menschen erwarten. Oft zeigt es sich erst später, daß ein Mann, der wie ein Heller Stern lange leuchtete, auf einmal wie ein Irrwisch verschwindet. Alles, was man von Menschen fordert, ist, daß sie Mitleiden haben mit einander, daß einer die Schwachheit des andern entschuldigt und zum Besten deutet, weil man weiß, es ist unser allgemeines Schicksal, wir sind alle nicht besser. Darum hat keiner Ruhm. Aber die Christen, die die Salbung, den Geist haben, der sie treibt? Die können sich viel weniger rühmen, denn sie haben weniger eigene Kraft, Geschick und Zuverläßigkeit, als natürliche Menschen, die Ambition und Geiz viel weiter treibt. Dieses Triebwerk fehlt bei Kindern Gottes. Die Achtung der Menschen, äußere Vortheile haben keine solche Gewalt mehr über sie. Wenn sie Treue und Llebe zum Heiland nicht treibt, sind sie nachläßiger und unbehülflicher, als na­ türliche Menschen Wir leben nun von Gnade, als arm am Geist, können von uns selbst nichts, wenn Er und nicht hilft. Wenn wir eine Stunde von Ihm abkommen mit unserm Herzen, und uns auf uns selbst verlassen, so werden wir -u Schanden und können uns nicht halten, noch unsern Ruhm behaupten. Warum aber rühmen wir uns gerade des Kreuzes? Weil es die Hauptsache ist, das große All und Meisterstück aller göttlichen und menschlichen Sachen, aller Gotteswunder, alles, was nur gedacht wer­ den kann. Denn am Kreuze ist alles Elend, Roth, Schmach, Sündigkeit, alles künftige Unglück, und das große Schreckbild, der Tod selbst, abgetban, abgebüßt, und so zu sagen geheiligt, der Fluch in Segen, die Verweslichkeit in Unverweslichkeit, der Tod in Leben, das

Galater 6, 14.

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Die Welt ist mir bitter, ich mag nichts mehr mit ihr zu thun haben. Ich sehe die Welt als eine Ge­ hängte an; aber ich kann nicht läugnen, die Welt sieht mich wieder so an. Ich kann nicht schlechtere Gedan­ ken von ihr haben, als sie von mir hat. Wenn mich die Welt noch achtet, noch etwas aus mir macht, mich noch ziemlich wohl dulden kann, und noch einigermaßen mit mir zufrieden ist, so steht es gewiß noch nicht recht mit mir; denn die Welt bleibt nichts schuldig, schenkt lieber doppelt ein, wenn man sie recht verschmäht. Wenn es also auf meiner Seite nicht fehlte an ernstlicher, red­ licher Verläugnung der Welt, wozu die Liebe zum Ge­ kreuzigten dringt, so müßte ich der Welt gewiß auch ein Kreuz, ein Dorn im Auge, ein Fluch und Gräuel, ein Gehängter in ihren Augen seyn. Das weiß also ein Gläubiger wohl, daß ihn die Welt nicht lieb haben kann, weil er sich ihr nicht gleichElend in Herrlichkeit, die Schwachheit in Kraft, Haß in Liebe, das Elendsgefühl in ein ewiges Luftschöpfen der Gnade und Liebe Jesu verwandelt worden. Und das alle- durch das Blut und den Lod des Menschen, der Gott über alles gelobet in Ewigkeit ist, der, in so fern Er Mensch ist, ein Gast in der Welt, in so fern Er Gott ist, zu Hause ist. Wer das erkennt, bei dem kann nicht- anderes aufkommen. Wenn Moses schon zur Zeit der dicksten Finsterniß in Egypten die Schmach Christi höher achtete, als ein egyptischer Prinz zu seyn, Hebr. 11, 26., und sich davon Nutzen versprochen hat, der ihm allen Verlust ersetzen kann, so müßte einer, der unter Christen erzogen ist, schon wieder alles vergessen oder nie gehört haben, oder durch Lüste und Neigungen geblendet, eü nicht sehen und begreifen, sonst müßte ihm einleuchten, daß es jetzt tausendmal verantwortlicher ist, die Schmach des gekreuzigten Jesu gering zu schätzen, der nun schon wie­ der auf seinem Thron sitzt und herunter sieht auf die Menschen^ die nicht an Ihn glauben wollen, als sähe er Ungeziefer, als wenn Mo­ ses die Schmach Christi gescheut hätte, des verheißenen Christi, der erst kommen und sterben sollte. Denn wir haben von Ihm mehr ge­ hört als Moses, wir haben nun 1800 Jahre in dem Namen Jesu re­ den, schreiben und handeln sehen, und MoseS kam aus einer ^jäh­ rigen Stocksinsterniß heraus, wo man kaum mehr wußte, daß ein Gott war. Und doch wußte er von einer Schmach Christi, und konnte sie höher halten, als alle Ehre, Majestät und Reichthum Egyptens. Endlich warum sollte ich mich des Kreuzes nicht rühmen, will Paulus sagen, bin ich nicht selbst der Welt und sie mir gekreuzigt? wird nicht die Kreuzigungs-Geschichte mit mir selbst gespielt? WaS hilfts euch, wenn ich mich in waS anderes rühme, als womit ich täg­ lich zu thun habe? ich hange ja doch täglich am Kreuze.

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Galater 6, r§.

stellt. Darum betrübt er sich auch nicht darüber; denn er Hal ja auch die Welt nicht lieb, noch was in der Welt ist. Ihr Narrentitek ist ihm lieber, als alle ihre Ehrentitel und ihr Lob. 15. Denn in Christo Jesu gilt weder Be­ schneidung noch Vorhaut etwas, sondern ein neues Geschöpf. Das wird wiederholt, weil es das Wichtigste ist, und es die Leute doch immer nicht glau­ ben wollen, sondern bei ihrer Beschneidung und Vor­ haut, d. i. bei ihren äußerlichen Dingen bleiben. Sie treiben allerlei, nur den alten Menschen wollen sie nicht austreiben und den neuen nicht anzichan. Sie bleiben gerne beim Alten, und was je auf ein neues dringt, das niuß.eine neue Lehre seyn. Die neue Schöpfung oder Kreatur ist eine Sache, die man nicht beschreiben und in kein S»)stem bringen kann; der Wind bläst, wo er will, und man hört sein Sausen wohl, aber man weiß doch nicht recht, was er ist. Und wenn man niehrere Beschreibungen von der neuen Geburt hat, so kanns doch seyn, daß man die des nächsten Nachbars nach keiner dieser Beschreibungen erklären oder ausfinden kann, welche es eigen«lich ist. Wenn er aber nur das Leben aus Gott hat, so mags immer mit den Beschreibungen nicht zusammenpassen. Der Heiland hat nicht ohne Ursache gesagt, daß man es nicht beschreiben könne, so wenig, als den Wind. Denn hätten wir eine Methode des Lebendigwerdens, so setzten wir uns darauf, probirten sie an einander, und menns ein Mensch so gemacht hätte, so dächten wir: Er lebt; und hätte er es nicht so gemacht, so dächten wir, er lebe nicht. Das würde dann falsche Urtheile verursachen. Daher hat es dem Heilande be­ liebt, die Geburt ins neue Leben zum Geheimnisse zu machen, das Ihm allein überlassen bleibt. Er macht lebendig, welche Er will. Sind wir aber neue Krea­ turen, so kann man es leicht kennen; denn dann heißt es: Das Alte ist vergangen; steh, es ist alles neu ge-

Galater 6, r6. 17.

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worden; es ist keine Spur mehr da von der alten Krea­ tur, es ist etwas ganz anderes, etwas Neues, Göttli­ ches, Heiliges, der wahrhaftige Sinn und Geist Jesu Christi in den Menschen gekommen, den er vorher nicht hatte, nicht kannte, nicht ahnte. 16. Und über alle, die nach dieser Richt­ schnur der neuen Geburt und Kreatur, in dem Sinne und Geiste Christi wandeln, nicht nur davon reden können,- über alle die wird der apostolische Segen ge­ sprochen: Friede und Barmherzigkeit über das Israel Gottes. Was bleibt dann den andern? Die Beschneidlrng und die Vorhaut, bis sie auch um Frie­ den und Barmherzigkeit schreien.

17. Uebrigens mache mir niemand weiter Beschwerde, und noch mehr zu schaffen, daß ich im­ mer von vorne anfangen muß mit euch, denn ich trage die Maalzeichen dös Herrn Jesu an meinem Leibe, der ich so gestäupt, gesteinigt und geprügelt wurde um Jesu und des Evangeliums willen. Warum wollet denn ihr mich auch noch plagen?

Ein Soldat prangt mit seinen Wunden. Bist du ein Streiter Jesu Christi, wo sind denn deine Wun­ den? Was hast du um Christi willen gelitten? Wo sind deine Maalzeichen? Die Menschen berufen sich aber gerne auf ihre Leiden, auf Errettung aus Noth und Gefahr, als auf Ehrenzeichen. Sie nennen es das Kreuz; es ist aber nur natürliches Elend, und weder das Kreuz Christi, noch ein Grund, sich für begnadigt zu halten. Wer dem Heilande ähnlich wird in seinem Leiden, wem äußerliche Schmach des Kreuzes Christi zu Theil wird, wer ein Mann ist, den der König gerne ehren will, dem seine Dornen-Krone aufgesetzt, der seiner Schmach gewürdiget wird, so daß man sie an ihm sieht, wie man sie an Jesu gesehen hat, der hat die Maal­ zeichen des Herrn Jesu.

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Galater 6, i8.

18. Brüder 1 die Gnade unsers Herrn Jesu Christi sey mit eurem Geiste! Amen. Mit Gnade fängt der Apostel an, und mit Gnade schließt er. Gnade ist das A und O. Ohne Gnade geht es nicht. Und zwar wünscht er die Gnade dem Geiste des Menschen, daß sie ihn regiere, belebe, er­ leuchte und alles in ihm wirke. Dieselbe Gnade, die Paulus den Galatischen Chri­ sten, die im Jahr Christi 60 lebten, wüftschte, sey auch mit dem Geiste der fetzigen Leser, wo sie immer sind und wohnen, und führe Iste in dieselbe Wahrheit und in dasselbe Wesen hinein, in dem die Apostolischen Chri­ sten lebten. Amen!

Brief des Apostels Paulus an -ie Epheser.

Vorrede. 'M es ns wav -kiie schr große und berühmte Handels-Stadt kn Klein-Asien, am Meere gelegen, die Hauptstadt in Ionien. Wissen­ schaften und Künste blühten in derselben, aber auch Götzendienst, Zau­ berei und Laster herrschten eben so sehr. Es war da der große und prächtlge Tempel der Drana, welcher unter die sieben Welt-Wunder gehörte. Jetzt ist von dieser großen und schönen Stadt nichts mehr übrig, als einige Ruinen, auf welchen ein von Türken bewohntes elen­ des Dorf erbauet ist, das Ajasalik heißt, und ungefähr aus 15 armen Hütten besteht. Herr Lundsai, ein Reisender, der im Jahre 1816 dort war, fand daselbst nicht mehr als drei griechische Christen, die in der kläglichsten Unwissenheit steckten, und nicht einmal den Namen deApostels Paulus gehört zu haben schienen. Paulus war auf seinen Reisen einigemal nach Ephesus gekommen; das erstemal ungefähr im Jahre Christi 53 Ein Jahr darnach kam er wieder und hielt sich drei Jahre daselbst auf. Zuerst predigte er drei Monate lang den Juden; da aber diese seine Lehre verachteten, wandte er sich zu den Heiden, und zwar mit so gutem Erfolge, daß nicht nur viele vom gemeinen Volke, sondern auch Vornehme und Ge­ lehrte gläubig wurden, und die Lehre Jesu sich in der ganzen umlie­ genden Gegend verbreitete. Da aber die Verehrer der Göttin Diana fürchteten, diese Göttin möchte endlich alle ihre Verehrer verlieren, wenn Paulus noch länger da predigte, so erregten sie einen Aufruhr, wodurch Paulus genöthigt wurde, Ephesus zu verlassen, nachdem er daselbst eine christliche Gemeine gestiftet hatte, die mehr aus bekehr­ ten Heiden, als aus Juden bestand. An diese ihm sehr liebe Gemeine schrieb er diesen Brief, und zwar vermuthlich, als er das erstemal in Rom gefangen war, etwa im Jahre Christi 61, ungefähr 5 Jahre, nachdem er Ephesus verlassen hatte. Der Zweck dieses Briefes war, sie in der wahren Erkenntniß Jesu zu befestigen, und vor Verführungen und Trennungen zu warnen, welche ihnen sowohl von jüdischen Eiferern für das Gesetz, als von heidnischen Philosophen drohten. Dieser Brief ist äußerst wichtig und lehrreich für alle Christen aller Zeiten. Paulus schildert die Vortrefflichkeit und göttliche Kraft des Evangeliums, und zeigt auch da wieder, daß wir nicht durch eü genes Verdienst, sondern aus lauter Gnade selig werden.

72.

Epheser l, i.

2.

DaS I. Kapitel. 1. Paulus, ein Apostel Jesu Christi durch den willen Gottes, an alle Heilige zu Ephesus und an alle Gläubige in Christo Jesu. Da dieser Brief an Alle Gläubige in Christo Jesu gerichtet ist, so ist er auch dir, lieber Leser! zugeeignet, wenn du anders ein Gläubiger in Christo bist, wenn du anders unter die Heiligen gehören willst, an die Paulus schreibt, und die heutzutage die Verachtung und das Gespött der Leute sind, die sich Christen nen­ nen. Wenn du nicht unter die Heiligen gehören willst, nicht der Heiligung nachtrachten willst, gehörst du auch nicht unter die Gläubigen in Christo Jesu. Denn wer in Christo ist, der ist eine neue Kreatur. Chrysostomus hom. 1. in Eph. Seht, Heilige nennt er Männer und Weiber und Knechte und Mägde; denn daß er diese so nennt, erhellet aus dem Ende des Briefes, wo er sagt: Ihr Weiber seyd Unterthan euren Männern, ihr Kinder gehorchet euren Vätern, und ihr Knechte gehorchet euren Herren, so daß auch die Laien, die Weltlichen, Heilige und Gläubige genannt wurden.

2. Gnade und Friede sey mit euch von Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Gnade ist das tägliche Brod der Christen, das sie alle Tage vom Vater sich ausbitten, und sich deswegen auch vor allem andern einander wünschen; die Welt schreit auch nur nach Brod, und thut alles um des Brodes willen. Der Christ auch; nur das Brod, nach dem der Christ strebt, und von dem er lebt, ist him­ melweit verschieden von dem, nach welchem die Welt hungert. Durch Christus erhalten wir unser Brod, weil Er selbst es ist, der unsere Herzen bewohnt, belebt und stärkt.

Epheser i, 3. 4.

73

3. Gelobt sey Gott, der Vater unsers-Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allem geist­ lichen Segen in den himmlischen Gütern durch Christum. Durch Christum sind wir und haben wir allen gei­ stigen Segen und alle Güter des Himmels, die wir ha­ ben und genießen; denn durch Ihn haben wir den Va­ ter. Zu dem Rechte, eben den Vater zu haben, sind wir durch Ihn gekommen, und dadurch zu allem Se­ gen und zu allen Gütern des Vaters, wie denn jeder Vater seine Kinder segnet, und seine Güter mit ihnen theilt. Aber erst mußten wir versöhnt seyn; denn wir sind geborne Feinde. Wenn das nicht erst weggeräumt ist, so kann an keine Annahme an Kindes-Statt ge­ dacht werden; so haben wir kein Recht- zum Vater und zu seinen Gütern und Segnungen.

4. wie Er uns denn erwählet hat in demselben vor Grundlegung der Welt, daß wir heilig und ohne Tadel vor seinem Angesichte seyn sollten in der Liebe. Ehe wir noch waren, hat Gott uns schon im Auge gehabt, und uns alles Gute zugedacht. Bei denen Er nun vorhergesehen hat, daß sie es annehmen würden, die hat Er auch dazu erwählet. Wenn nun aber die Wenigsten dazu geneigt sind, heilig und unsträflich zu seyn, wie hätte Er sie erwählen können, da Er es vor­ ausgesehen hat? Das ist das allergewisseste Kennzeichen eines Auserwahlren, daß er alles, was er redet, denkt und thut, vor den Augen des Heilandes denkt, redet und thut, wenn er sich täglich und stündlich mir Freuden be­ wußt ist, daß er nicht liegen, sitzen, gehen, stehen, schlafen, wachen, essen und trinken kann, ohne daß es der Heiland alles hört und sieht, wie David sagt: „Ich sitze oder stehe auf, so weißt Du es; es ist kein Wort auf meiner Zunge, das Du, Herr! nicht weißt. Ps. 139. Wem das unangenehm ist und Angst macht,

74

Epheser i, 5. 6.

wer, um einen guten Tag zu haben, vergessen muß, daß der Heiland alles sieht und hört, der ist eine un­ glückselige Kreatur. Wenn man auch mit seinen Fehlern, mit seinen Vergehungen, mit den Dingen, die man selbst nicht an sich leiden kann, den Augenblick zum Heilande kommt, als sie sich äußern, und mit Ihm und seinem Geiste in einer gebeugten Vertraulichkeit stehl, so steht man recht. Weil man doch niemals vergessen kann, daß Er Gott, daß Er der Schöpfer ist, so kann man dabei nicht leichtsinnig seyn, und so muß aus der Vertrau­ lichkeit mit Ihm die größte Heiligkeit und Unsträflich­ keit, dazu wir von Ewigkeit erwählt sind, entstehen, die mit lauter Seligkeit und Ruhe verbunden ist.

5. Der uns vorher bestimmt har, uns durch Jesus Christus als feine Rinder anzunehmen, nach dein Wohlgefallen feines Willens. Eines Theils ist es wahr, daß wir zu Kindern adoptirt, angenommen sind; und auf der andern Seite ist es auch wieder wahr, daß der Heiland unser Fleisch und Blut wirklich ist, daß Er die menschliche Hütte wirklich trägt und sich ein rechtes Vergnügen daraus gemacht har, sich den Menschen-Sohn zu nennen. Er schämt sich nicht, uns Brüder zu heißen, weil Er wirklich in unser armes Fleisch und Blut verkleidet und an Geberden als ein Mensch erfunden ward. Darum ist sein Vater auch unser Vater. Er ist der Vater des ganzen menschlichen Geschlechtes, weil sein Sohn ein wirklicher Mensch ist; Er ist verwandt mit den Men­ schen durch seinen Sohn. Das ist alles in der Ver­ söhnung durch das Blut Jesu und in der Vergebung der Sünden gewurzelt. Wer Vergebung der Sünden hat, der ist wirklich in das Kinder-Recht eingetreten, der ist brüderlich gegen das Lamm gesinnt, und dem ist es gcoffenbaret, daß Christi Vater sein Vater ist.

6. Zum Preise feiner herrlichen Gnade, womit Er uns begnadiget har in feinem geliebten Sohne.

Epheser i, 7. 8.

75

Alles, was Gott gethan hat, und thut zu unserer Erlösung und Errettung, geschieht, um seine Gnade, sein gnädiges, gütiges Vaterherz zu offenbaren und zu zeigen, daß wir an seiner Liebe nicht zweifeln. Und alle Gnade kommt uns durch Jesum, seinen geliebten Sohn, durch welchen und in welchem wir be­ gnadigt sind und werden, d. i. Vergebung der Sünden, Kinder- und Erb-Recht, den Zutritt zum Vater, Geist und Leben, und alles, was Gnade heißt, erlangen. 7. In welchem wir die Erlösung *) haben durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden, nach dem Reichthume seiner Gnade. Die Erlösung besteht also darin, daß Er die Leute an sich zieht und ihnen das Herz nimmt, indem Er sie wissen läßt, daß Er sein Blut vergossen zur Vergebung unserer Sünden. Sobald unser Herz das fassen kann, und fühlt es, daß es Wahrheit ist, so ist die Sache gethan; alle vorige Angst wegen unserer Sünden ist weg, und es geht nun ein neues, seliges und ewiges Leben an. Dem Reichthume seiner Gnade, der einem dadurch recht klar gezeigt wird, kann nicht zu viel zu­ getraut werden. 8. welche uns überschwänglich zu Theil ge­ worden in aller Weisheit und Erkenntniß. Die Gnade ist ein Strom, der nicht in Ufer eingeschloffen *) Erlösung heißt hier kurz nur die Vergebung der Sünden — sie besteht aber nach andern Schriftstellen in mancherlei Dingen; Er hat uns erlöset 1) vom zukünftigen Zorn; 2) von aller Ungerechtigkeit, Lit- 2, 12.; 3) von der Gewalt des Teufels, Kol. 1, 13.; 4) von der gegenwärtigen argen Welt, Gal. 1, 4.; 5) und (was ein ganz besonderer Ausdruck ist) von unserm eitlen Wandel nach väterlicher Weise. Wir sind davon erlöset, losgekauft, durch eine wahre, gültige und vollkommene Bezahlung, durch ein Lösegeld, durch das Blur de-, der von Gottes Gnaden für uns alle den Tod geschmeckt hat. Warum schämt man sich, die Erlösung durch das Blut Jesu zu bekennen und zu bezeugen? Die ewigen Schaaren vor dem Throne des Lammes werden vor allen andern Cantaten, Chorälen und Collecten hauptsächlich diese singen: ,,Du bist aller Anbetung werth, denn du hast uns erkauft mit deinem Blure." Off. 5, 9.

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Epheser i, 9—n.

werden kann, sondern immer überströmend und über« fließend ist. 9. Indem Lr uns das Geheimniß seines wil­ lens kund gethan, was Er nach seinem Wohl­ gefallen bei sich beschlossen har. Alles, was wir sind und haben, unser Daseyn und unsere Erlösung haben wir dem Heilande und dem Wohlgefallen des himmlischen Vaters zu danken, d. i. es hat Ihm so Wohlgefallen, so beliebt, seinen Sohn herzugeben; es hat und konnte Ihn niemand dazu zwingen; es war freier Entschluß seiner Liebe und Güte. So ging auch der Sohn ungezwungen dahin, und der Herr ließ sich martern für seine Knechte. Das macht unaussprechlich dankbare Herzen. 10. Um zur bestimmten Zeit die Anordnung zu treffen, daß alles, was im -Himmel und auf Erden ist, in Lhristo unter Em Haupt zusam­ mengefaßt würde. Weil der Mensch sich durch den Fall von Gott und Allem, was im Himmel ist, getrennt hat, so hat, was auf Erden ist, mit dem, was im Himmel, mit Gott und Engeln wieder versöhnt und zusammengefaßt werden müssen. Christus ist das recht­ mäßige Oberhaupt, mit dem alle zerstreuten und losgeriffenen Glieder wieder zusammengefaßt werden müssen, durch Ihn nämlich, 11. durch welchen auch wir zum Erbtheile gekommen sind, die wir vorher bestimmt waren nach dem Vorsatze dessen, der alles wirkt nach dem Rathschlusse seines willens. Das müssen wir arme Sünder oft hören, damit wir den Faden nicht verlieren und vergessen, daß der ewige Wille Gottes die Ursache aller Dinge und auch unserer Seligkeit ist. Er hat uns berufen und zu Er­ ben eingesetzt, nicht weil wirs werth waren und es ver­ dient hätten, sondern weil Er es frei so wollte. Wir kommen zum himmlischen Erbtheile, nicht weil es uns von Geburt aus gebührt, und wir also Recht und An-

Epheser r, 12. 13.

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sxruch darauf hatten; nein, ach nein; es hing ganz vom Ratbschlusse, vom freien Entschlüsse des Willens Gottes ab, ob Er uns noch einmal annehmen, zu sei­ nen Kindern und Erben machen wollte oder nicht. Aber Er bar eS gethan aus Erbarmung und X'iebe, um fer­ nes SobneS willen. Es liegt aber noch eine große Verheißung darin:

der alles wirke nach dem Rathschlusse seines wil­ lens; nämlich, daß sich nichts von Ungefähr mache, wie man es in der Welt denkt: Gott hat wohl alles geschaffen, aber nun laßt Er alles feinen Gang gehen; wers so oder so macht, dem gehts auch so; wer das oder das vermeidet, der kann sich das ersparen; wer aufs Eis gebt, bricht das Bein, So ist es mit der Sache der Kinder Gottes nicht, sondern der Gang ei­ nes jeden steht unter der Leitung der Vorsehung; der Vater schämt sich nicht, die geringsten Kleinigkeiten, die die Sachen seines Sobnes und seiner Leute betreffen, zu besorgen. Es ist Ibm nicht zu viel; Er schläft und schlummert nicht; Er behütet ihren Ausgang und Eingang, nicht nur den Tag, die Woche, den Monat, sondern von dem Tage an, da es geredet ist, bis in die Ewigkeit. Es kann ihnen auch nicht ein Haar entfallen von ihrem Haupte, ohne Wissen und Willen ihres Vaters. Zu diesem Erbtheile sind wir auch durch Christum ge­ kommen, und besitzen und genießen es schon hier. 12. Daß wir Juden, die wir schon vorher auf Christum gehofft haben, zum Lobe seiner -Herrlichkeit seyn sollten, daß wir Ihn ewig loben und preisen sollten, als dazu Bestimmte und Auser­ wählte, die als Zeugen und Stimmen seine Ehre und feinen Ruhm verkündigen sollen.

13. Durch welchen auch ihr Heiden, nachdem ihr das Wort der Wahrheit, das Evangelium eurer Seligkeit, gehört, durch welchen auch ihr, nachdem ihr gläubig geworden, versiegelt wor­ den seyd mit dem verheißenen heiligen Geiste.

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Epheser i, 14.

Wo also das Siegel nicht aufgedrückt ist, da ist die Urkunde falsch, da ist der Glaube eitel; denn so­ bald man wahrhaftig gläubig wird an das Evangelium unserer (Seligkeit, an das Wort der Wahrheit, so drückt Gott sein Siegel aufs Herz, d. h. Er gießt seinen Geist in das Herz aus. Daran erkennt man die Aechtheit des Glaubens. Darum gehört ein so starker Glaube dazu, wenn man soll erglauben können, daß die heuti­ gen Christen, die keinen Geist haben und keinen haben wollen, den wahren Glauben, oder das Wort der Wahr­ heit haben sollen. Es ist nicht genug, daß einer das Wort der Wahr­ heit, das Evangelium unserer Seligkeit höre, für wahr halte und nur so annehme; nein, er muß das Siegel Gottes haben, den heiligen Geist. Das Evangelium Gottes, wo es ist, führt allezeit auch das Siegel Got­ tes mit sich. Daran erkennt man erst die Aechtheit desselben. Wenn man das Siegel nicht hat, Röm. 5, 5., so weiß man nicht, wie man daran ist. 14. Wdcber das Pfand unseres Erbes ist, bis zur Erlösung seiner Erworbenen, zum Lobe seiner -Herrlichkeit. Der heilige Geist ist nicht nur Siegel, sondern auch ein Unterpfand, das wir haben müssen, wenn wir zur Erbschaft gelangen wollen. Denn unsere Erbschaft kann uns noch nicht völlig übergeben werden, weil sie haupt­ sächlich in himmlischer Seligkeit und Herrlichkeit besteht. Die Erlösung ist zwar von Seite Gottes und Christi schon vollendet und alles vollbracht; aber von Seite unser wird die Erlösung erst vollendet, wenn wir auch von diesem Leibe des Todes erlöset und in vollkommenem Besitze der himmlischen Seligkeit sind. Inzwischen ist uns der heilige Geist Pfand und Ver­ sicherung genug, daß die Erlösung vollendet ist, und die volle Erbschaft uns mitgetheilt werde. Wer aber das Pfand nicht hat oder nicht achtet, der erhält die Erbschaft nicht.

Epheser 1, 15 —18.

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15. Darum, seitdem ich von eurem Glauben an den Herrn Jesum, und von eurer Liebe ge­ gen alte Heilige gehört habe, 16. höre ich nicht auf, für euch zu danken, und euer in meinem Ge­ bete zu gedenken. Glaube an den Herrn Jesum und Liebe gegen alle heilige Glieder und Brüder Jesu ist das Wesent­ liche des Christenthums; wenn die Apostel es dahin ge­ bracht hatten, so dankten, und konnten sie nicht aufhö­ ren, zu danken und zu beten, und warum noch zu beten ? 17. Daß der Gort unsers Herrn Jesu Christi, der Vater der Herrlichkeit, euch den Geist der ZVeisheic und der Offenbarung verleihe (vor dem sich die heutigen Christen so sehr fürchten, und Ihn als einen Privat-Geist verschreien, der aber jedem Chri­ sten unentbehrlich ist, wozu?) zur Erkenntniß Seiner, daß ihr sein Herz immer besser kennen lernet und wis­ set, nicht nur, wer der Heiland an sich ist, sondern was Er uns ist, und nicht nur, was Er einem Nachbar, ja der ganzen Gemeine, dem Orte ist, sondern was Er dir, Mir ist; so daß jedem von uns ist, als wäre Er ganz allein für ihn da. Wenn wir nun das mit euch erreichen, daß ihr euren Freund und Schöpfer kennen lernet, wenn ihr auch sonst die elendesten Leute wäret, so wären wir reichlich getröstet. Wenn ihr ein Herz voll Liebe zu Ihm habet, das ohne Thränen nicht mehr an Ihn denken kann, wenn ihr alsdann auch das Un­ glück hättet, in die Welt zu gerathen und würdet halb gefressen, so hinktet ihr doch wieder zu Ihm hin, und weder ihr ruhetet, bis ihr wieder bei Ihm wäret, noch Er ruhete, bis Er euch wieder hätte. Und um was bat Paulus noch? 18. Um erleuchtete Augen eures Verstandes, damit ihr erkennet, welches die Hoffnung seiner Be­ rufung sey, was ihr von Ihm noch zu hoffen habet, und von welch überschwänglicher Herrlichkeit das Erbcheil seiner Heiligen, was für ein Segen von

8o

Epheser i, 19.

himmlischen Dingen uns zugedacht sey *), 19. und von welch unermeßlicher Größe seine Rraft an uns sey, die wir glauben, durch die Wirkung seiner mächtigen Starre, so daß wir uns nicht mit menschlicher Schwachheit entschuldigen können. Der Feind hält den Menschen die Augen, daß sie das Helle Licht des Evangeliums und der unermeßlichen Schatze Gottes, die darin liegen, nicht sehen und nicht darnach verlangen; darum bittet Paulus, daß Gott ih­ nen die Augen öffne, damit sie weiter sehen, als der *) ES giebt eine Liebe und Anhänglichkeit an Jesum, ehe man recht weiß, was man an Ihm hat, welche Wissenschaft doch auch zum Glauben gehört. „Ich weiß, an wen ich glaube." Auch wirb Glauben uno Liebhaben oft in dec Schrift für synonim, für ein und dasselbe gebraucht. Zuweilen ist Lieben vor dem Glauben angegeben. „Der Barer hat euch lieb, weil ihr mich liebet und glaubet, daß ich 20" Joh. 16, 27. Die Jünger hatten Ihn sehr lieb, obwohl sie noch nicht recht wußten, was sie glaubten, denn der Heiland beschwerte sich oft, daß sie noch nicht so recht an Ihn glaubten. Die Welt aber glaubt nicht und liebt nicht. In der sogenannten Christenheit aber müssen die Kinder alle zum Glauben gehörige Stücke lernen und wissen, ehe sie zur äußern Kir­ chen - Communion gelassen werden. Und diese Ueberredung, daß man schon glaubt, weil man weiß, was man glauben soll, hält Lausend Men­ schen ab, daß sie nie zu Jesu kommen, nicht zum lebendigen Glau­ ben, zur innigen Liebe Jesu gelangen. Mancher aber ist bei und in Jesu, ohne daß er regelmäßig weiß, was er glauben soll. Es ist also ein Unterschied zwischen Glauben und zu Ihm kommen, was nicht seyn sollte. Wer an Ihn glaubt und nicht zu Ihm gekommen ist, der ist viel schlechter daran mit seinem Glauben, als wer zu Ihm gekommen ist, ohne regelgerecht an Ihn zu glauben. Denn ohne allen Glauben an Ihn kann man Ihn nicht lieben, nicht zu Ihm kommen. Einige nennen den Glauben ein Licht Gottes im Herzen, ein mächtig Ding, das den ganzen Menschen erneuert, verwandelt und einen ganandern Menschen machte an Herz, Sinn, Muth und allen Kräften. Andere nennen ihn eine bloße Wissenschaft der Wahrheit mit Beifall und Zuversicht Beides gehört zusammen. Wenn man den Schatz be­ sitzt, Erbe deß Guts ist, so soll man auch die Urkunden haben und kennen Hat man aber blos die Papiere und Kenntniß derselben, aber den Schatz, das Gut nicht, so hilft es nichts. Wenn du den Heiland zärtlich lieb hast und dein Herz voll von Ihm ist, so sollst du auch Erkenntniß, Theorie in dem Verstand von Ihm haben. Wer aber nur den Kopf von Ihm voll hat und andern voll redet, nur die Ambition des Wissens und Lernens erregt und aufbläht, deß Mittel ist ärger als der Schade. Wir wollen zuerst den Heiland durch den Glauben wohnen lassen im Herzen, und wenn er durch die Liebe eingewurzelt und gegründet ist, alsdann auch erfahren mit allen Heiligen, welches da sey die Natur und der Reichthum Seines Berufs.

Epheser iz 20. 21»

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blinde Haufe; damit sie auch genießen, erfahren und fühlen, wie freundlich der Herr, wie kräftig, wirksam und allgenugsam die Kraft des Herrn in allen denen ist, die da glauben. Die Welt beschuldigt den lieben Heiland, daß Er in seinen Geboten und Befehlen Unmöglichkeiten ver­ ordne, Vollkommenheiten fordere, die kein Mensch thun und erreichen könne, da man sich zu Tode martern müßte, bis man sie nur verstände, hernach doch nicht thun könnte. Das heißt aber den Heiland für einen Mann halten, der das Menschengeschlecht nur zum Be­ sten har. So können die nicht denken, denen die Wir­ kung seiner mächtigen Stärke, die Größe seiner Rraft in ifynen offenbar geworden ist, die seine liebe Nähe erfahren und wissen, daß Er mehr in uns thut, als wir bitten und verstehen. Er hütet sich wohl, ei­ ner Seele etwas zu befehlen, wovon Er nicht gewiß weiß, sie kann es Lurch Ihn, oder das Er nicht selbst in ihr wirken will. Denn Paulus sagt hier: Seine große Kraft ist in den Seinen, seine mächtige Stärke wirkt in den Seinen. Sie sinds nicht, die da wirken; Er, seine Rraft ists, obwohl Er nicht ohne sie, wie in einer Maschine, wirkt, sondern in vollkommener Ein­ stimmung mit einander, doch so, daß die Kraft sein ist, weil wir ebne Ihn, ohne seine Kraft nichts können, ohne seine Kraft und Wirkung, der nichts gleich kommt; 20. die Er in Christo gewirkec har, da Er Ihn von den-Todten auferwecker und geseyet hat zu seiner Rechten in dem -Fimmel (wohin Er auch uns versetzen will), 21. hoch über alle Fürsten­ würde, und Gewalt und Macht und Herrschaft, und über alle Namen, die genannt werden mö­ gen, nicht nur in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen, wovon wir noch sehr wenig wissen. So hoch ist eben der Jesus erhaben, der auf dieser Welt sein Kreuz-Reich bat; Er ist der lebendige Gott in der Höhe, der Gott über Alles; der Herr und MeiErbnmmgSbuch vn. TlieiL 6

8r

Epheser i, 22, 23.

ster aller Könige, Fürsten, Riesen, Helden, sie seyen Engel oder Menschen. Daher wenden sich alle Men­ schen in der Welt an Ihn, als an den Allmächtigen und Allgewaltigen, und wenn sie glauben können, daß Er gewiß hilft, so hilft Er ihnen auch gewiß. 22. Er hat alles unter seine Füße gethan, und Ihn zum -Haupte gesetzt über die ganze Ge­ meint Der Heiland ist das Haupt aller seiner Gläu­ bigen ; sie hangen von Ihm ab und hangen so an Ihm, Daß Er nur winken darf, so stehen sie alle zu seinem Gebote; und wenn sie ungehorsam sind, so fühlen sie es, ohne daß Er sich darüber beklagt. Sie können sich nicht zufrieden geben, wenn sie seiner Erinnerung und Zucht des Geistes in der kleinsten Kleinigkeit kein Ge­ hör geben; selbst seine Geduld und Langmutb schmerzt sie; Das nagt und plagt sie, wenn Er nichts sagt. Er ists, der Die Seinen beschützt, vertritt, mit Flügeln be.Deckt, unter dessen Schatten sich ruhig wohnen laßt.

Da der Heiland über alles erhöht und Ihm alles unterworfen ist, so haben sich die Seinigen, seines Lei­ bes Glieder, vor keinem Feinde, vor nichts zu fürchten, und dürfen nicht zittern, wenn Alles, Hohe und Mäch­ tige gegen sie sind. Denn Er ist noch höher. Er ist über Alle. So werden die Seinigen heimlich bewaff­ net wegen der Furcht, weil sie so viele Feinde haben. Genug! Sie gehören zu der Gemeine, 23. welche sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllet. Das Haupt ist, so zu sa­ gen, in allen Gliedern, d. h. Haupt und Glieder, oder Haupt und Leib können von einander nicht getrennt werden, und so kann Christus von den Seinigen nicht getrennt werden. Er erfüllt sie alle. Er lebt in allen, Er giebt allen alles, und erfüllt sie mit seinem heiligen Geiste, als mit der Seele des Kirchen-Leibes; und so ist also die Gemeine und jedes Glied der Gemeine seine Fülle, erfüllt mit Ihm und mit seinem Geiste.

Epheser 2, 1. 2.

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Wie kann man aber ein lebendiges Glied der Kirche seyn, wenn man nicht am Haupte hängt, nicht von Christus erfüllt ist?

Das 11. Kapitel. 1. Auch euch, die ihr todt wäret durch Uebertrecungen und Sünden. Es sind nur zweierlei Leute in der Welt, lebendige und todte; Leute, die einen Geist haben, der Leib und Seele bewegt und regiert, und also leben; oder fleisch­ liche, natürliche Leute, die keinen Geist haben, wo das Fleisch Herr im Hause, und der Geist todt ist. Und so sind alle Leute, ehe sie den Heiland kennen lernen. Er selbst nennt sie Todte, die ihre leiblich Todten begraben. Wer Jesum nicht im Herzen hat, der ist lebendig todt. Solche Menschen haben noch gar keine Erkenntniß von Christo und seinem Reiche, gar keinen Geschmack von geistlichen Dingen. Der Heiland selbst rechnet sie unter die Todten, die erst erweckt werden müssen. Wer aber eine Bangigkeit im Herzen hat, und ei­ nen Drang fühlt, selig zu werden, der da bleibend ist und ihm in alle seine Geschäfte, ja selbst in alle seine Sünden nachfolgt, der fängt an zu leben, und ist aus Gott gezeugt. Wohl allen, die erweckt und von neuem gezeugt sind; sie haben das ewige Leben und gehören unter die Leute, die nicht ins Gericht kommen, sondern vom Tode zum Leben durchgedrungen sind. Joh. 5, 24. . 2. In welchen (Sünden und Ueberrrecungen) ihr'einst gewandelt habt nach dem Ginne dieser welc, nach dem Fürsten, der da herrschet in der Luft, nach dem Geiste, der jetzt in den Rindern des Unglaubens wirkt.

Epheser 2, 1. 2.

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Wie kann man aber ein lebendiges Glied der Kirche seyn, wenn man nicht am Haupte hängt, nicht von Christus erfüllt ist?

Das 11. Kapitel. 1. Auch euch, die ihr todt wäret durch Uebertrecungen und Sünden. Es sind nur zweierlei Leute in der Welt, lebendige und todte; Leute, die einen Geist haben, der Leib und Seele bewegt und regiert, und also leben; oder fleisch­ liche, natürliche Leute, die keinen Geist haben, wo das Fleisch Herr im Hause, und der Geist todt ist. Und so sind alle Leute, ehe sie den Heiland kennen lernen. Er selbst nennt sie Todte, die ihre leiblich Todten begraben. Wer Jesum nicht im Herzen hat, der ist lebendig todt. Solche Menschen haben noch gar keine Erkenntniß von Christo und seinem Reiche, gar keinen Geschmack von geistlichen Dingen. Der Heiland selbst rechnet sie unter die Todten, die erst erweckt werden müssen. Wer aber eine Bangigkeit im Herzen hat, und ei­ nen Drang fühlt, selig zu werden, der da bleibend ist und ihm in alle seine Geschäfte, ja selbst in alle seine Sünden nachfolgt, der fängt an zu leben, und ist aus Gott gezeugt. Wohl allen, die erweckt und von neuem gezeugt sind; sie haben das ewige Leben und gehören unter die Leute, die nicht ins Gericht kommen, sondern vom Tode zum Leben durchgedrungen sind. Joh. 5, 24. . 2. In welchen (Sünden und Ueberrrecungen) ihr'einst gewandelt habt nach dem Ginne dieser welc, nach dem Fürsten, der da herrschet in der Luft, nach dem Geiste, der jetzt in den Rindern des Unglaubens wirkt.

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Epheser 2, 3,

Wider die bösen Geister pflegen die Menschen viele Klagen zu führen und ihnen gewöhnlich alte Schuld zu geben. Aber eben die sich so sehr mit ihnen entstmuLigen, lasten sich vom Satan führen nach seinem Willen. Es ist wahr, daß er der Gott und Fürst der Welt ist, daß er sein Reich hat in den Kindern der Welt und des Unglaubens, und sie gefangen hält, daß sic seinen Willen thun müssen; aber das ist ihre Schuld; denn sie sind alle erlöset, und sind nicht schuldig, des Teufels zu seyn. Dafür starb Christus, daß alle Welk aus der Gewalt des Satans frei werden soll.. Der Mensch kann auch sein Her; und seinen Wil­ len dem Satan schenken, und dann ist der Satan Herr und Meister über ihn, und der Mensch ein satanischer Mensch. Wie weit aber die Macht des Satans in den Kindern des Unglaubens gehen darf, und in wie­ fern er die Seelen, die sich noch nicht dem Heilande ergeben haben, versuchen, locken, ja gewissermaßen zwin­ gen kann, das können wir nicht bestimmen. Unstreitig aber hat er in dem Augenblicke des Seligwerdens, wo sich die Seele ganz Jesu ergiebt, nicht die geringste Prätention zu machen. Da ist kein Kettenhund von der Schlafkammer einer Königin entfernter, als der Satan in dem Augenblicke von der Seele entfernt ist, in dem Augenblicke, da sie eine Braut Christi wird. Er darf ihr nicht einmal ein Blendwerk vormachen. Das muß er wohl bleiben lassen, sobald es Ernst wird mit einer Seele, übcrzugehen in die Arme Jesu, aus den Ketten des Satans. 3. Unter welchen auch wir (Juden) einst wan­ delten in den Lüsten unsers Fleisches, indem wir den willen des Fleisches und der Neigungen vollbrachten, und von Natur auch Rinder des Zornes waren, wie die Andern, wie ihr Heiden. Das ist der Zustand, in den, die Welt schon etliche Tausend Jahre liegt, in dem sie zu Christi und der Apostel Zei­ ten gestanden, in den, sich noch alle Nationen befincen,

Epheser 2, 4. 5.

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alle Religionen, und niemand mehr als die Christenheit, in der fast ein feder, der es anders macht, für eine fremde Kreatur, für ein Wnnder angesehen wird. Alle Welt wälzt sich in den Begierden und in dem Willen des Fleisches. Gottes Willen kennt sie nicht und thut sie nicht, sondern widersetzt sich ihm aus allen Kräften, oder was sie davon thut, geschieht auf eine solche Art, daß, wo nicht jedermann, doch Gott sieht, sie thut es ungerne, es geht ihr nicht vom Herzen. Darin sind wir alle einander gleich von Geburt; wir mögen geboren worden seyn, wo wir wollen, unter Juden oder Heiden, Türken oder Christen, so sind wir Kinder des alten Adams. Der Zorn Gottes ist das Erbtheil der Kinder Adams, d. h. den Zorn, die Strafe, Hölle und Verdammniß haben sie verdient. Wer den Zorn Gottes nie fühlt, der ist todt, oder, wenn er getauft ist, zum andernmal gestorben. 4. Gore aber, der reich ist an Barmherzig­ keit, vermöge seiner großen Liebe, mit der Er uns geliebec hat, hat auch uns, 5. da wir todt wa­ ren in Sünden, mit Christo lebendig gemacht. Was allen Menschen und Engeln unmöglich war, das thut die Barmherzigkeit Gottes; die ist für uns ein Heilbrunnen, den uns die Schrift aller Orten an­ preist; das thut Gott durch seine große Liebe, deren Länge, Breite, Höhe und Tiefe noch keiner ausgemesfen hat; das thut seine Liebe, womit Er uns geliebt hat, ehe wir Ihn kannten, geschweige lieben konnten; denn wir waren ja erst nicht, und dann waren wir todt in Sünden, wo gar nichts Liebenswürdiges an uns war; da Er mit Recht über uns hatte zürnen können, weil wir Kin­ der des Zorns, d. h. fiuch-, straf- und höllenwürdige Sünder waren. Aber da es so schlecht um uns aus­ sah, da hat Er nicht den Zorn, sondern die Liebe herr­ schen lasten, und hat durch Christum die Todten leben­ dig, die Sünder gerecht, die Elenden selig gemacht. Darum tust Paulus mit Freuden aus: Durch seine

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Epheser 2, 6.

Gnade seyd ihr selig geworden. Denn ein Todter kann sich ja doch nicht selbst erwecken, und daß wir uns durch Sünde getödtet haben, ist doch auch kein Verdienst zum Leben und zur Erweckung. Ehe man aber erweckt ist und lebt, kann man ja doch nichts thun und nichts verdienen. Sind wir aber vom Tode er­ weckt und lebendig, so ists nichts mehr und nichts we­ niger als Schuldigkeit, was wir thun mit der geschenk­ ten Lebenskraft.

6. Er har uns mir auferweckec und uns mit versetzt ins -Himmlische, in Christo Jesu. Darum ist seine Auferstehung unsere Auferstehung, und seine Himmelfahrt unsere Himmelfahrt; unser Geist hat die Reise aus dem Grabe in den Himmel mitgemacht durch seine Auferstehungskraft, die uns durch den Glauben geschenkt wird.

Der alte und natürliche Mensch ist ins Irdische verseht und versunken; der geistliche, erweckte und wie-, dergeborne Mensch aber ist ins Himmlische versetzt, in­ dem er immer trachtet nach dem, was droben ist, und nicht, was hier unten ist. Es giebt freilich eingebildete Christen, deren Ein­ bildung so stark ist, daß sie glauben, mit Christo schon im Himmel zu sitzen, während dem ihr Herz und Sinn noch ganz irdisch ist, und sie bis über die Ohren in die­ ser Welt versunken liegen. Wer aber wirklich Verge­ bung der Sünden hat und mit dem Heilande recht be­ kannt ist, dem sind alle irdische Sachen ganz gleichgül­ tig, und sie haben für ihn keinen Werth mehr. Wir sind zwar noch immer in der Welt, und müssen mit der Welt und irdischen Dingen umgehen; aber unsere Herzen sind hier doch nicht anheim, sondern in Ihm zu Hause. Ein kindliches, begnadigtes, erwecktes Herz, das an Jesu klebt, ist nicht von der Welt, und kann unmöglich von der Welt eingenommen werden; sein Sinn und sein ganzes Wesen hat mit dem Lamme vollauf

Epheser 2, 7. 8.

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zu thun, das sich für uns hat schlachten lassen, damit wir Leben und volle Genüge haben mögen. 7. Um in den folgenden Zeiten den über­ schwänglichen Reichthum seiner Gnade zu zeigen, durch die uns in Christo Jesu erwiesene Güte. Wurum zeigt ErS denn? Daß du nicht verzagen, ver­ zweifeln, sondern glauben, nehmen und genießen sollst von der überschwänglich reichen Gnade und Güte, die dir und aller Welt in Christo offen steht und dargeboten wird. 6. Denn aus Gnaden seyd ihr selig gewor­ den, durch den Glauben, und das nicht aus euch selber, Gottes Gabe ist es. Nicht aus euch, nicht aus euch, ihr Heilige und Sünder! ihr Frommen und Gerechten! nicht aus euch, nicht aus euch! durch den Glauben, und auch der ist nicht euer; sondern Gottes Werk, Gabe und GnadenGeschenk. Der Glaube kommt durchs Hören; und Gott thut Augen und Ohren und das Herz auf, wie es von der Lydia heißt. Apostelg. 16, 19. Wir selber haben nichts, wir müssen alles von Ihm herholen. Was wir sind und haben, gehört Ihm, kommt aus seiner Fülle, aus seinem Verdienst, Vorrath und Schabe. Kein Gutes, es habe Namen, wie es wolle, ist unser, oder aus uns, als aus uns selbst, son­ dern sein, aus Ihm, von Ihm und durch Ihn und in Ihm. Wir haben keine Ehre zu reden, können nichts unser nennen, was gut ist, sondern müssen alles als sein Geschenk und seine Gaben ansehen. Bei all dem, daß alles, was wir haben, geliehene, geschenkte Sachen, Gaben und Gnaden sind, können wir Ihn doch so un­ ser nennen, wie wir sein sind. Mein Freund ist mein und ich bin sein. Die Gnade trifft uns an in Sünden und macht uns frei von Sünden. Der Glaube ist ein beständiges Nehmen, Essen und Genießen der heilbringenden Gnade Gottes, die uns in Christo vorgehalten wird.

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Epheser 2, 9.

Anfangs ist der Glaube klein, schwach und zitternd, und eine Ergebung auf Gnade und Ungnade. Weil er bald erfahrt, daß Gnade und viel Erlösung beim Herrn ist, Ps. 130, 7., so wird er voll Zuversicht und Freudigkeit, daß er mit beiden Armen zu greift, und al­ les in sich verschlingt, was Gott verheißen hat. Glauben ist daher das Eine Nothwendige, welches der Mensch erbitten, suchen und begehren muß, weil das Seligwerden nur durch den Glauben möglich ist. Sobald der Glaube da ist, so muß der Tod mit sei­ nem Rechte weichen, und man kommt von der Angst zur Gnade, zum Frieden, zum Leben, zur Freiheit durch Christum. 9. Nicht aus den werken, oder um der Werke willen, die wir gethan haben, damit sich niemand rühme. Das ist noch ein Nachtrag, damit man es ja verstehe. Aber wer keinen Verstand hat, oder boshaft genug ist, es nicht verstehen zu wollen, der versteht es doch nicht, sondern behauptet gerade das Gegentheil und sagt: Nein, aus den Werken und durch die Werke. Paulus räumt sauber auf und sagt: Der Glaube leidet nichts neben sich, er muß allein der Grund und die Wurzel bleiben; wer auf etwas anderes, auf Werke baut, der baut auf Sand. Und dennoch, obschon es nicht aus den Werken und um der Werke willen kommt, so geht es doch nicht ohne Werke; denn wie es unmöglich ist, Gott ohne Glauben zu gefallen, so ist es auch unmöglich, daß der Glaube ohne Werke bleibe; er müßte denn lauter Lüge und schändlicher Betrug seyn. Aber Paulus will der Blindheit und Hoffart der Menschen begegnen, die gerne auf äußerliche Werke baut und meint, sie .könne das Gute aus eigenen Kräften thun; darum schreibt er es allein der Kraft des Glaubens und der Gnade zu. Ja darum spricht er von nichts, als von lauter Gnade, von Gortes Werk, von Gottes Zubereitung, von neuer Schö­ pfung, von lauter überschwänglichen Reichthümern der

Epheser 2, io.

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Gnade, von lauter Gnaden-Glauben, den Gott wirkt, um nämlich allem Ruhme der eigenen Frömmigkeit, Werkheiligkeit, des eigenen Zubereitens, der eigenen Kräfte den Weg abzuschneiden, daniic sich kein Mensch rühme, sondern Gott allein die Ehre, der Ruhm und Dank bleibe. Seyd doch, ihr stolzen Heiligen! so demüthig und bescheiden, wie Christus, und wollet doch nicht mehr und besser seyn, als Er, der seine eigenen Werke nicht einmal sich selbst zugeschrieben und zum Verdienste gerechnet hat, der nicht seine Ehre und seinen Ruhm suchte, sondern sagte: Dee Vater thut die Werke, nicht Ich. seyen es dann noch so verschiedene Geister, wenn nur alles ja sagt. Wie es in der ersten Minute der letzten Stunde im Jahre 33 gewesen ist, so sollte es seyn. Seitdem sich aber Meinungen in Systeme verwandelt haben, worüber sich endlich Kirchen und Patriarchate von ein­ ander geschieden haben, sieht es betrübt und schrecklich aus in der Christenheit, als wäre es eine Festung ge­ gen Johannes 17., über die man fast nicht wegkom­ men könnte. Aber wenn man sich an Ihn hält, wie Er cs in seiner Familie gemacht hak, so kommt man doch durch.

Epheser 4, 4—6.

105

4. Ein Leib, Ein Geistsso wie ihr auch be­ rufen seyd zu Einer Hoffnung eures Berufes. 5. Ein Herr, Ein Glaube, Eine Taufe. Darum ist eß nicht anders möglich; es kann nur Eine Kirche Christi, nur Ein Schafstall in der Welt seyn, weil auch nur Ein Hirt, Ein guter Hirt ist; und Eine Versammlung, und diese Versammlung auf Jesum hin, die Versammlung um Ihn herum. Außer dieser Kirche wird kein Mensch selig; und alle haben Einen Geist, Eine Liebe. Diese Kirche ist die wahre, ob sie sich gleich der Welt nicht beweisen kann, sondern immer zurück­ kriechen muß, wegen ihrer Schwachheit. Im Herzen des Heilands ist sie aber doch die Kirche, denn Er ist mitten unter ihr, und sieht sie an als sein Fleisch und Bein. Die Kirche ist ein Leib, aber kein Leib ohne Geist, sondern Ein Leib und Ein Geist, der den ganzen Leib, alle Glieder beseelt und zusammenhält. Eine Kirche ohne Geist ist ein todter Leib. Die Kirche hat nur Einen Herrn, und der ist Christus; von einem andern Herrn weiß sie nichts. Ei­ ner ist euer Herr, ihr aber seyd alle Brüder. Es ist auch nur Ein Glaube in der Kirche, der nämlich, durch welchen Christus in unserm Herzen wohnt. So ist auch die Taufe nur Eine, und zwar die Geistes-Taufe, aus der lauter lebendige Kinder Gottes geboren werden; die Taufe, in der man Christum anziebt. 6. Em Gott und Vater aller, der über alle und durch alle, und in uns allen ist. Damit will Paulus sagen: Die Kirche hat auch nur Einen Vater; es sind alle Kirchen-Glieder aus Gott geboren und Kinder Gottes durch den Glauben an Christus; denn Gott ist nur Vater derer, die aus Ihm geboren sind. Sonst heißt es: Ihr seyd aus eu­ rem Vater, dem Teufel. Jene innige nahe Verbin­ dung mit Gott als Vater, daß Er über alle, durch alle und in uns allen ist, geschieht nur durch eine wahr-

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Epheser 4, 7—11.

hafte Geburt aus Gott, wodurch wir theilhaftig werden der göttlichen Natur. Gott wird unser Vater, wenn wir seine Kinder werden, und das nicht nur dem Na­ men nach, sondern durch Wiedergeburt. 7. Einem jeden aber von uns ist die Gnade verliehen, nach den» Maße, wie sie Christus uns geschenkt hat. Die nun viel haben, sollen sich nicht erheben, und die wenig haben, sollen andere nicht be­ neiden. 8. Darum heißt es.- Er ist in die -Höhe gefahren und hat die Gefangenschaft gefangen geführt und den Menschen Gaben gegeben. Al­ les, was den Menschen gefangen genommen hat, das hat der Heiland wieder gefangen genommen durch sei­ nen Tod, durch den Er die Gefangenen von der Sünde und Gewalt des Satans erlöst und frei gemacht hat. Zugleich hat Er dadurch Gaben und Gnaden erworben und uns geschenket, gegen die Feinde, die uns gefan­ gen nehmen wollen, zu kämpfen. Die Gaben, die Er den Seinigen gegeben, werden Vers 11. 12. erzählt. Es sind Amts-Gaben, von welchen die falschen Lehrer sagen, die könne ein Sklav des Teufels so gut haben, als ein Frommer. Aber das Predigt-auswendig-Lernen macht das Amt nicht aus.

9. Jenes aber: Er ist hinaufgefahren, was heißt das anders, als daß Er vorher hinabgestie­ gen ist in die Tiefe der Erde. Das ist der ordent­ liche Weg im Reiche Gottes nach unserm Muster und Vorbild, zuerst hinunter. Wer mit Christo zuerst hinab­ steigt, der wird mit Ihm auch erhöht. 10. Der hinabstieg ist es auch, der empor­ stieg über alle Himmel, dainit Er alles erfülle. Er hat alle Wege betreten, damit Er Hohes und Nie­ deres erfüllte. 11. Derselbe bestellte nun einige zu Aposteln, andere zu Propheten, andere zu Evan­ gelisten, andere zu Hirren und Lehrern; womit Er aber keine Orden und Würden, noch Grade und

Epheser 4, 12—15.

107

Stufen einführen wollte, sondern nur Gaben und Aem­ ter; keine Herrschaft, sondern eine Dienerschaft. Wozu? 12. Zur Vervollkommnung der Heiligen, zur Verrichtung des Dienstes sind diese Aemter verord­ net, zur Erbauung des Leibes Christi. So wenig übrigens die Lehrer und Hirten sich erheben und glau­ ben dürfen, die Schafe seyen um ihretwillen da, so we­ nig sollen sich die andern dem Lehramte entziehen und selbst klug seyn wollen; man soll sich in die von Christo eingerichtete Ordnung schicken. 13. Bis wir alle ge­ langen zur Einheit im Glauben und in der Er­ kenntniß des Sohnes Gorces, und ein vollkom­ mener Mann werden nach dem Maße des in Christo vollendeten Alters. Es geht bergan; man­ cher fallt wieder herunter. Wir sollen Christo nach. Ein Kind ist darum da, daß es ein Mann werde. Der inwendige Mensch wachst von Kindheit an bis ins ganze Alter Christi hinein, und wird ganz Jesushaft. 4. Esdr. 2,34. Es muß doch einmal dahin kommen, 14. daß wir nicht mehr Rinder sind, die wie Meeres­ wellen, oder wie ein wankendes Rohr, sich hin- und herbewegen und von jedem winde der Lehre umherrreiben lassen, durch die Schalkheit der Menschen, durch die arglistigen Runftgriffe der Verführung zum Irrthume. Ehe Jesus eine Ge­ stalt im Menschen erreicht hat und das Herz fest durch Gnade geworden ist, schwebt er immer hin und her, wie Kinder, die gehen lernen; er wankt, zweifelt, äng­ stet sich, giebt sich hin und nimmt sich wieder. Bald folgt man dem Wege, bald will man wieder einen an­ dern einschlagen. 15. Lasset uns der Wahrheit in Liebe uns ergeben, und in allen Stücken wachsen an dem, der das Haupt ist, Christus. Wahrheit darf nicht ohne Liebe seyn. Wer Wahr­ heit ohne Liebe hat, ist vom Satan betrogen, und hat nur die Worte der Wahrheit; aber die Wahrheit selbst

log

Epheser 4, 16,

nicht. Er wird nicht wachsen, weil er nicht in Liebe mit der Wahrheit, Christo, verbunden ist. Es giebt Leute, die bei aller Erkenntniß der Wahrheit und dem Gebrauche der Gnadenmittel schlechter werden. Sie streben nach einem gewissen Grade der Erkenntniß und nach gewissen Gemein-Gnaden. Es fehlt mir noch, denken sie, dieses und jenes, wenn ich nur erst das hätte! Wenn sie es dann haben, so denken sie, nun haben sie alles, und hören auf, im Sehnen und Ver­ langen nach Ihm zu verharren, weil sie sich schon für fertig und vollkommen halten. Wenn es dann die ver­ meinte mechanische Wirkung nicht hat, die nach ihrer Meinung alles vernageln soll, daß sie nicht nöthig har­ ten, Treue zu beweisen, so lernen sie nach und nach geringschätzig von den Ggaden-Mitteln denken. Wer aber glaubt, wenn er zu einem gewissen Grade und zu einer bestimmten Gemein-Gnade gelangt ist, daß nun Punktum gemacht sey, und er nichts mehr nöthig hätte, der Hal kein Herz, der hangt nicht am Heilande, am Haupte; denn unsere Sache mit dem Heilande har we­ der Ende noch Ziel, sondern alles haben, was man haben kann (d. h. alle Gnaden-Mittel in der Gemeine haben), heißr nichts weiter, als nun in die Thüre hin­ ein und Ein Geist mit Jbm seyn, und seine ganze geist­ liche Nahrung haben. Aber von da an fängt man an zu wachsen in allen Stücken, und das Ende ist, daß man erblaßt in seinem Arme und Schooße. Von da an, da man Jbm einverleibt worden ist, geht es in die Aebnlichwerdung seines Sinnes und Gemüthes hinein. Und unsere größte Seligkeit ist, wenn wir mit dem, was hier gethan werden soll, eben fertig sind, wann unsere äußere Hütte bricht.

16. Durch welchen der ganze Leib zusammen­ gefügt und verbunden wird, und durch alle Ge­ lenke der Dienstleistung, nach der einem jeden Gliede zugemefsenen Wirksamkeit, Wachsthum hat oder wächst zu seiner Erbauung in Liebe.

Epheser 4, 17. 18.

109

Alle Glieder werden in Ihm zusammengehalten, so daß sie alle zusammen nur Einen Leib und mit dem Haupte Einen Christus ausmachen. Ein Glied muß dem andern Hand reichen, Dienst leisten in Allem, nach der Gnade, die jedem Gliede gegeben ist. Diese Hand­ reichung ist so nöthig, daß ohne dieselbe der Leib nicht bestehen kann und in seinem Wachsthume gehindert wird. Wer über andere, oder für sich selbst seyn, und nicht in seinem Theile dem Leibe dienen und von an­ dern sich dienen lassen will, der zerreißt den Leib.

17. Das sage ich also, als etwas, das noch nothwendig dazu gehört, und beschwöre euch in dem Herrn, daß ihr nicht mehr wandelt wie die übri­ gen -Heiden in der Eirelkeic ihres Sinnes. — Christ seyn und es mit der Welt ballen, das geht nicht. Nun ist es aber mit den Christen dahin gekommen, daß zwischen ihnen und den Heiden kein Unterschied ist; daß die Welt und die sogenannten Christen auf einer Straße gleichen Schrittes wandeln in dem eitlen Welrsinne. 18. Die in ihrem Verstände verfinstert und entfremdet sind von dem Leben aus (Bott, durch die in ihnen wohnende Unwissenheit, durch die Blindheit ihres -Herzens. Sind wir gleich Gott an sich nahe, daß wir in Ihm leben, schweben und sind, und ist gleich der Hei­ land ein Mensch und uns ganz gleich geworden, so ist doch seiner vergessen unter den Menschen, wie eines Todten, weil Ihn ihr Auge nicht sieht, und wir Ihn im Geiste betrachten müssen. Wenn die armen Menschen, die ohne Geist sind, von weitem von Gott hören, so istö ihnen gleichgültig ; kommt es ihnen aber zu nahe, so greift sie es an; es giebt mancherlei Empfindungen und Aengstlichkeiten. Das kommt daher: Gott ist ein Geist und die Men­ schen sind Fleisch; der Geist ist aus ihnen gewichen;

HO

Epheser 4, 19 — 21.

die Sachen müssen groß und greiflich seyn, mit denen sie in der Nähe zu thun haben sollen. Der natürliche Zustand des Menschen, den man das Verderben nennt, ist der, da man keine Neigung zum Heilande, keine wahre Liebe zum Guten, kei­ nen Zusammenhang und Gefühl in Hinsicht derer, die Gott kennen, und eine Feindschaft gegen Gott hat. Wenn sich ein natürlicher Mensch im Grunde unter­ sucht, so wird er finken, daß er mit dem ewigen leben­ digen Gott in keiner Verbindung, sondern in einer völ­ ligen Gleichgültigkeit gegen Ihn stehe. Gott fällt ihm des Tages kaum einmal ein, und wenn Er ihm ein­ fällt, so geschieht es auf eine Art, daß man nicht weiß, was man damit gewollt oder gedacht har. Und das währt so lange, bis der Mensch zu sich selbst kommt und seine Noth fühlt. Es giebt Leute, die den geschicktesten Verstand und die lebhafteste Phantasie haben, so daß man sie für Wunder der Gelehrsamkeit, für die erfahrensten und einsichtsvollsten Menschen hält, die aber doch bei allen Sachen Gottes ohne alles geistliche Licht und Verständ­ niß sind. 19. Welche schamlos sich der Unzucht erge­ ben, und jede Arc der Wollust treiben, aus schänd­ licher Gewinnsucht. So weit ist es nicht nur mit den Heiden, sondern auch mit den Getauften gekom­ men. Da soll sich nun ein Bekehrter warnen lassen, daß er nicht wieder dahin zurückfalle. 20. Ihr aber habet Christum nicht also gelernet; 21. wenn ihr anders Ihn gehört habet und in Ihm gelehrt seyd, wie nämlich Wahr­ heit oder rechtschaffenes Wesen in Jesu ist. Wenn wir schon nicht sagen können: Ich habe Jesum selber gesehen, so können wir doch sagen: Ich habe meinen -Herrn Jesum selber gelernet, wie Maria; ich habe mich im Geiste zu seinen Füßen ge­ setzt, und da hunderttausend Lektionen (Lehren) von Ihm

Epheser 4, 22.

III

erhalten. Es sind zwar Lehren, die man aus seinem Munde gehört hat; aber an mein Herz sind sie im in­ nigen Umgänge mit Ihm gekommen. Wir, die es alle Tage so gut bei Ihm, und den Himmel auf Erden haben könnten, wir möchten uns selber feind werden, daß wirs so schlecht machen, daß wir so wenig für Ihn thun, daß wir so unartig blei­ ben und seinen Unterricht, seine Schule nicht besser eh­ ren. Das ist unsere Noch, das plagt uns. Ein ganz unbekehrter Mensch, der gar nichts taugt, und erst heute in die Nähe und Umarmung des Heilands gekommen ist, und sich selig nnd begnadiget sieht, kann eher über seinen Jammer zufrieden gestellt werden, als wir mit uns zufrieden seyn können, die wir Ihn schon lange genossen haben, und doch bei wertem nicht sind, was wir seyn könnten und sollten. Wenn uns auch das Zurückbleiben an unserer ewigen Seligkeit nicht schadet, so bringt -es uns doch um unsere Freude und Zufrie­ denheit, weil Er es gar so schön mit seinen Leuten macht und werth wäre, daß man um seinetwillen sich ganz vergäße. Denn die Heiligkeit, die man sich von den Engeln vorstellt und von Henoch liest, ist doch nichts gegen das, was man Ihm zu lieb, und in so seliger Gemeinschaft mit Ihm thun könnte und sollte. Denn sein Sinn, den Er uns giebt, macht uns alle Dinge leicht. Wenn man seinen Sinn hat, wenn man Ihm gehört, Ihn gelernt hat, stellt man sich alle Dinge von einer andern Seite vor. Ein heiliges und göttli­ ches Leben führen ist alsdann keine Arbeit, also auch kein Lob und Verdienst mehr, sondern es ist an sich selbst so selig, daß es unter die Wohlthaten gehört. 22. Daß ihr nicht mehr wie vorher wan­ deln, sondern ablegen sollet den alten Menschen, der sich durch verführerische Lüste verdirbt. Das alte Verderben, der Grundpfuhl der Erbsünde, in dem die natürlichen Menschen schwimmen, wie in ihrem Ele­ mente, und die Gläubigen als durch ein Meer der Angst

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Epheser 4, 23. 24.

waten, und um die seine Wellen schlagen, ist eine wahre Hölle, aus der man sich ja gerne retten lassen soll. 23. Daß ihr euch erneuern sollet im Geiste eures Gemüthes, 24. und den neuen Menschen anziehen, der nach Gott geschaffen ist in recht­ schaffener -Heiligkeit und Gerechtigkeit. Der Heiland ist bis diese Stunde so reich, wie Er es ewiglich war; darum wie wir glauben, daß Er die ganze Welt wie ein Tuch zusammenwickeln, geschweige Kleinigkeiten machen kann, so glauben wir auch, daß Er unsern innern Menschen umwandeln kann. Und das ist die Hauptsache, worüber wir mit dem Heilande reden sollen; denn wir sollen Leute seines Herzens, Ihm ähnlich, Kinder nach seinem Sinne werden. Daher must auch jeder Christ, ohne ängstlich, gesetzlich und peinlich zu s yn, in seinem Leben mehr als hundertmal, ja so eit Buße thun, das heißt, seinen Sinn ändern, so ost er sich auf einem, dem Heilande entgegengesetz­ ten Sinne autr-ssl. Denn so oft man etwas an sich siebt, düs nicht Iesushaft ist, davon man glaubt, es töni-le oder sollte anders seyn, so oft wird man böse i'.uf lieb selbst, und grämt sich über seine Dummheit, Trägheit, Ungeschicklichkeit. Das macht einem unange­ nehme Stunden, und die liebsten Freunde, mit denen man wie im Himmel leben könnte, sind einem zu dieser Stunde ein bischen lästig. Da denkt man: „Lieber Heiland! du hast schon so viel an mich gewandt, und ich bin noch nicht besser, ganzer, Iesushafter; das ist doch eine ewige Schande.^ Wenn man sich dann wie­ der aufrafft, kommt zum Lamme, und sieht seinen Ver­ söhner im Geiste, dem das Herz vorgeweint hat, so spürt nian, daß man unvermerkt geheilt, gesalbt und aufgefrischt ist, wo es gehappert hat. Und wenn einem dergleichen Gedanken hundert verdrießliche Stunden ma­ chen, so machen sie einem auch wieder hundert beson­ ders selige Stunden; und je öfter man sich dem Hei­ lande darstellt, und in einer wahren Beschämung über seine

Epheser 4,25 — 29,

113

seine Schlechtigkeit Buße thut, und um neue Gnade und Besprengung verlegen ist, desto mehr Seligkeit trägt man davon, desto gewisser wird man, daß man nicht umsonst auf Ihn vertraut hat. 25. Darum leget die Lügen ab, die auch zum alten Menschen gehören, und ein jeder rede die Wahrheit mit seinem Nächsten; denn wir sind Glieder unter einander. Kein Glied begegnet ja seinem Mitglieds falsch und bübisch; wie sollen das Christen thun, die sich ja auch als Glieder an demsel­ ben Leibe Christi anzusehen haben? 26. Zürnet ihr, so sündiger nicht. Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorne! Man sollte ja freilich gar nicht zürnen, aber wenn es denn doch geschieht, daß einer glaubt, zürnen zu müssen, oder aus Unwachsamkeit vom Zorne überfallen wird, so muß er es doch nicht so weit kommen lassen, daß er im Zorne und Unwillen verharre, und ihn etwa gar einen ganzen Tag in sich Herumtrage. Er muß sich doch wenigstens nicht schlafen legen, und die Sonne nicht untergehen lassen, ehe er sich versöhnt und wieder Ruhe und Frie­ den im Herzen hat. 27. Gebet nicht Raum dem Teufel, der dann das Zornfeuer noch ärger anblasen könnte. 28. wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr; er arbeite vielmehr, und schaffe mit -Handarbeit etwas Gutes, damit er im Stande sey, dem Dürftigen mirzurheilen. Dazu soll alles verwendet werden, was man nicht selbst nöthig hat. Blos nicht stehlen ist dem Christen nicht genug. Geben, mitthei­ len ist ihm seliger, als nehmen. 29. Rein faules Wort gehe aus eurem Munde; sondern was gut ist zur Erbauung im Glauben, damit es den Zuhörenden heilsam sey. Faule Worte sind Worte ohne Salz des Geistes, ohne Salbung. Wer nicht reden kann, daß er seinen Bru­ der erbaut, daß er Segen davon hat und Gnade emErbauunasbuch vn. Stell. 8

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Epheser 4, 30—32»

pfindet, oder einen Eindruck und eine gute Wirkung zurückläßt, der schweige. 30. Betrübet nicht den heiligen Geist Got­ tes, mit dein ihr versiegelt seyd auf den Tag der Erlösung; macht es Ihm nicht schwer; Er ist kein Präceptor, kein Schulmeister, kein leiblicher Vater oder Mutter; es ist schlimm genug, wenn man Vater oder Mutter ungehorsam ist; aber was will das sagen, dem heiligen Geiste Gottes ungehorsam seyn?! Geben wir auf kleine Erinnerungen bei Zeiten Achtung, so können wir uns viele schwere Stunden ersparen, ein vergnüg­ tes und ruhiges Leben führen, und die übrigen Sachen, die ohnedies ihren täglichen Kummer und Last mit sich bringen, desto getroster und mit befferm Glaubensmuthe übertragen. Es geschieht gar leicht, daß man sich in unnütze, überflüssige Reden oder andere Eitelkeiten mit hinreißen läßt. Man wird wohl im Herzen darüber gewarnt, abgemahnt, zurückgezogen, folgt man aber dem Geiste Gottes nicht, so wird Er betrübt, d. h. Er zieht sich zurück, seine Wirkungen werden gehindert, die Freude weicht, und es folgt eine schwere Zucht. 31. Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung sey ferne von euch, sammt aller Bosheit. Es ist nicht auszusprechen, welchen Gräuel der Verwüstung diese wilden Thiere in der Seele anrichten können. 32. Seyd vielmehr gegen einander freundlich, herzlich und vergebet einan­ der, so wie Gott in Christo euch vergeben hak. Wenn man gegen jemand etwas im Gemüthe hat, so werden einem alle Freuden verbittert. Wenn man ein Jubiläum hält und es fällt einem ein, daß man gegen jemand etwas hat, so ist der Jubel und alles verdor­ ben; man wird gereizt, es brennt einen eine Nessel, «der sticht einen eine Wespe. Gar kein Mißvergnügen gegen jemand haben, gar keines, das ist das Seligste. Sobald einem etwas zuwider geschieht, so muß der erste

Epheser 5, r. 2.

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Gedanke seyn: „Wie mache ich den Bruder wieder gut?" Sonst macht man sich selbst Schmerzen. Wenn man denkt: „Hats doch der andere versehen; er mag sich zuerst melden," so mag dies wohl vor Gericht und nach Recht bestehen; aber es ist nicht nach dem Gefühle, nach der Natur der Liebe gedacht. Denn man gewinnt am meisten dabei, wenn man alles auf das geschwin­ deste vergeben, vergessen und ablhun kann.

Das V. Kapitel. 1. Go seyd nun Gottes Nachfolger, als die lieben Rinder, 2. und wandelt in der Liebe, st> wie auch Christus uns geliebet und sich für uns hingegeben har zur Gabe und zum Opfer, Gott zu einem angenehmen Gerüche. Christi Tod und Hingabe an das Kreuz war nicht nur eine versöhnende, sondern auch eine vorbildende Liebe, daß wir durch sie versöhnt auch lieben, wie Er uns zuvor geliebet hat. Er war das Vorbild der Liebe, wir sollen sein Nachbild werden. Auch in uns soll der Heiland leben, und wie man von einem Lehrer oder Vater sagt, daß er noch in seinen Schülern und Kin­ dern lebe, so soll das in Absicht auf den Heiland auch an uns erfüllt werden; wir sollen als seine lieben Kin­ der und Schüler seine Nachfolger seyn. So soll Er in uns leben, und sein Charakter und Wandel durch uns fortgesetzt werden bis ans Ende; so sollen wir seine Lehre zieren in allen Stücken. An unserm Be­ tragen soll die Welt erkennen, was unser Herr und Haupt für ein Mann sey. Wie wird ein Kind des Vaters Nachfolger? Was thut ein Sohn dazu, daß er seines Vaters Natur hat, und ihm ähnlich sieht? Nichts weiter, als daß er sei8*

Epheser 5, r. 2.

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Gedanke seyn: „Wie mache ich den Bruder wieder gut?" Sonst macht man sich selbst Schmerzen. Wenn man denkt: „Hats doch der andere versehen; er mag sich zuerst melden," so mag dies wohl vor Gericht und nach Recht bestehen; aber es ist nicht nach dem Gefühle, nach der Natur der Liebe gedacht. Denn man gewinnt am meisten dabei, wenn man alles auf das geschwin­ deste vergeben, vergessen und ablhun kann.

Das V. Kapitel. 1. Go seyd nun Gottes Nachfolger, als die lieben Rinder, 2. und wandelt in der Liebe, st> wie auch Christus uns geliebet und sich für uns hingegeben har zur Gabe und zum Opfer, Gott zu einem angenehmen Gerüche. Christi Tod und Hingabe an das Kreuz war nicht nur eine versöhnende, sondern auch eine vorbildende Liebe, daß wir durch sie versöhnt auch lieben, wie Er uns zuvor geliebet hat. Er war das Vorbild der Liebe, wir sollen sein Nachbild werden. Auch in uns soll der Heiland leben, und wie man von einem Lehrer oder Vater sagt, daß er noch in seinen Schülern und Kin­ dern lebe, so soll das in Absicht auf den Heiland auch an uns erfüllt werden; wir sollen als seine lieben Kin­ der und Schüler seine Nachfolger seyn. So soll Er in uns leben, und sein Charakter und Wandel durch uns fortgesetzt werden bis ans Ende; so sollen wir seine Lehre zieren in allen Stücken. An unserm Be­ tragen soll die Welt erkennen, was unser Herr und Haupt für ein Mann sey. Wie wird ein Kind des Vaters Nachfolger? Was thut ein Sohn dazu, daß er seines Vaters Natur hat, und ihm ähnlich sieht? Nichts weiter, als daß er sei8*

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Epheser 5, Z—5«

ms Vaters Kind ist. Das ist alles. So viel thun wir dazu, daß wir Kinder Gottes werden. Sobald aber der Zug des Vaters an unser Herz kommt, sobald wir vom Geiste erinnert werden, was für uns geschehen ist, wie sich Christus für uns hingegeben und uns er­ löset hat von aller Ungerechtigkeit, und wir nehmen den Zug an, und schämen uns von Herzen, daß wir so viele Jahre gelebt und Ihm so wenig gedankt, Ihn noch so wenig geliebt haben; so hört der Vater, der uns gezeuget hat, nie aus, den Sinn des Sohnes in uns zu wirken durch den heiligen Geist, daß wir Kin­ der und Nachfolger Gottes werden. 3. -Hurerei aber, und alle Unreinigkeit oder Geiz soll nicht einmal genannt werden unter euch, wie es -Heiligen ziemt; 4. noch Schamlosigkeit und Zoten und Poficn, dergleichen euch nicht anftehet, sondern vielmehr Danksagung. Ihr seyd nun hei­ lig; bedenket, was sich für euch schickt! Den Unflath der Welt müsset ihr mehr, als die Pest, fliehen. Die Liebe zu Gott vertreibt die Lust der Welt, und die Lust zur Welt vertreibt Gottes Nachfolge. 5. Denn das sollet ihr ja wissen, daran wer­ det ihr ja nicht mehr zweifeln, daß kein Hurer oder Unzüchtiger, oder Geiziger, der ein Götzendiener ist, ein Erbtheil am Reiche Gorres und Christi habe. Das ist wohl an sich selbst klar, wird aber doch nicht verstanden; am wenigsten, daß Geiz und Abgöt­ terei Eins sind. Kein Geiziger halt sich für einen Gö­ tzendiener, sondern für einen sparsamen, klugen Mann, der aufs Künftige denkt; und daß ihn feine Geldliebe vom Himmelreiche ausschließen soll, fällt ihm gar nicht ein, sondern er hält sich wohl gar für einen besondern Heiligen, weil die Geizigen aus Geiz sich gewöhnlich anderer Laster enthalten. Es braucht einer aber kein Todtschläger, kein Hu­ rer, kein Dieb und Geizhals zu seyn, er darf nur ei­ nen Fehler haben, der nicht so verdammlich aussieht,

Epheser 5, 6—8.

117

als er es doch ist, so kann er nicht nur das Reich Got­ tes nie sehen, sondern muß in den Pfuhl ewiglich. Und das ist? die Verzagtheit. Offenb. 21, 8. Verzagt­ seyn heißt, etwa immer anfangen und sich von neuem vo.-setzen, sich zu bekehren, aber es bald aus der, bald aus einer andern Ursache immer wieder ausseben. Das sind eben keine muthwillige Sünder, sondern solche, die über ihren Wünschen sterben, Sprichw. 21, 25., die die Kraft des Todes Jesu nicht ergreifen, also auch nicht die Herrlichkeit seines Lebens.

6. Lasset euch von Niemand verführen mir leeren Worten; denn um deswillen kommt der Zorn Gottes, Gerichte und Strafen hier schon, und dort die ewige Verdammniß über die Rinder des

Unglaubens.

7. Werdet daher nicht ihre Mit­

genossen. Wenn die Schmeichler und falschen Tröster euch bereden wollen, man werde durch den Maul-Glau­ ben selig, so glaubet ihnen nicht; sie verführen sich und andere; wer sich bethören läßt, der will gerne verführt seyn. Wenn man sich mit leeren Worten entschuldigen will, so wird das Gewissen nicht gestillt, sondern Gottes Zorn erweckt und gereizt in der Seele; der heilige Geist wird erbittert und entrüstet; die Liebe Christi verbirgt sich.

8. Denn ihr wäret Finsterniß, nun aber seyd ihr Licht in dem -Herrn. So wandelt nun als Rinder des Lichtes. Was die Finsterniß sey, das sieht man an den Leuten, deren Herz durch den Glau­ ben an Jesum und sein Kreuz noch nicht durchleuchtet und durchstrahlt ist. Sie sind im Verstände voll Un­ wissenheit, im Willen voll Bosheit, im Gewissen voll Angst und Anklage. Das Gegentheil davon oder das Licht ist nichts anderes, als das selige, aufgeklärte und vergnügte Wesen des Herzens, das mit Jesus erfüllt ist; die innige Freude, die man allen begnadigten ar­ men Sünder-Herzen ansehen und abfühlen kann. So­ bald man den Heiland kennen lernt, und Heil in sei­ nem Blute findet, so geht eine Veränderung im Men-

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5* 9—13.

schen vor; was vorher finster war, wird hell und Licht, und man wird von innen und außen vergnügt. Alle Stunden, da man es nicht so har und fühlt, kommen daher, wenn seine Nähe nicht das Herz erwärmt, son­ dern unser Herz davon abkommt; da wird man auf Stunden und Tage finster; darum will der Heiland haben, man soll darauf sehen, damit der Feind nicht im Trüben fischen möge. 9. Die Frucht des Geistes aber ist allerlei Gütigkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit. Daran kann man erkennen, ob man ein Kind des Lichts ist. Wo Licht ist, da beweiset es sich durch diese Früchte. Das Licht muß leuchten, wenn es kein gemahltes ist. 10. prüfet, was Gott gefällig sey. 11. Neh­ met nicht Theil an den unfruchtbaren Werken der Finsterniß, strafet sie vielmehr. Prüfen muß ein Kind Gottes, was Sünde, was nahe bei der Sünde ist. Denn es giebt viele Dinge, die nicht für Sünde gehalten werden, und es wohl auch nicht sind; aber sie sind doch so nahe bei der Sünde, wie Nagel und Wand einander nahe sind. So heißt es z. B>: wie der Nagel in der Wand zwischen zwei Steinen steckt, so steckt die Sünde zwischen Käu­ fer und Verkäufer. Weil nun das Naheseyn bei der Sünde einen nicht nur verderben könnte, sondern schon so manche verderbt hat, die sich damit eingelassen ha­ ben; so warnet Paulus, daß man ja nicht Theil nehme an den Werken der Finsterniß; daß man sich ja nicht in ihre Nähe wage, sie weder billige, noch damit ein­ stimme, sondern sie vielmehr mißbillige, sein Mißfallen zu erkennen gebe. 12. Denn was heimlich von ih­ nen geschieht, muß man sich schämen, auch nur zu nennen. Man hat auch nicht nöthig, alles in den Mund zu nehmen. 13. Es wirb doch alles offenbar, was vom Lichte bestraft wird; denn alles, was offenbar macht, ist Licht. Man darf nicht denken, wenn man

Epheser 5, 14. 15.

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es nicht so beschriebe, so merkten es die nicht, die man bestrafen will. Nein, man muß nur ans Herz reden, die Axt dem Baume an die Wurzel setzen, und ihre Schandthaten nicht einmal aussprechen. 14. Darum heißt es.- wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Todten, so wird dich Christus erleuchten. Es ist ein großes Glück, wenn der Mensch bald und willig, ohne daß Gott die Ruthe brauchen darf, erkennt, daß er kein Leben und keine geistlichen Ohren und Augen, und keine Tüchtigkeit zum Guten habe, sondern das alles erst von Christo erhalten müsse, so kann ihm bald geholfen werden. Er muß es doch einmal zuletzt und vielleicht zu spät gestehen, und sich demüthigen als ein todter Hund vor dem Lamme. Wenn einer aber glaubt, daß es anders mit ihm werden muß, so erwacht durch diesen Glauben ein Hunger in ihm, und dadurch kommt der Glaube selbst, der die Gnade faßt und sein Herz verändert, zum Leben. Wenn einer fühlt, daß er todt sey, und keinen rechten Geist habe, kein Leben und Wesen, und bittet um den Geist des Lebens, und giebt bei seiner Untüch­ tigkeit Gott die Ehre, so ist ihm schon so gut als ge­ holfen ; er ist schon von oben gezeugt und erweckt; sonst würde er nicht bitten. Und da eigentlich das größte Elend ist, wenn man den Heiland nicht hat, — denn in der Gnade und Liebe des Heilands leben, ist der Himmel auf Erden, — so ists ein Glück, daß Er mehr geneigt ist, die Seele zu erlauchten und sich ihr als Heiland zu erkennen zu ge­ ben, den Glauben zu schenken, als wir Ihn anzuneh­ men geneigt sind; denn gewiß Er trägt uns die Se­ ligkeit entgegen. 15. So scher nun zu, Brüder! wie ihr vor­ sichtig wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise. Trauet der Welt nicht, sondern sehet den Weltgeist als euren Feind an, und gehet so sachte und

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Epheser 5, 16 — 18.

von der Seite durch die Welt, als ob der bloße Wind, den die Welt von euch, oder ihr von ihr haben könn­ tet, schädlich wäre. 16. Benützet die Zeit, und ver­ schwendet keine Stunde mir eitlen Dingen; denn es sind böse Tage, wo uns alles zum Bösen reizet. 17. Darum seyd nicht unverständig, sondern ler­ net verstehen, was des Herrn Wille sey. Man muß nicht nur überhaupt wissen, was es heißt: Gottes Willen thun, sondern jeder muß insbesondere wissen, was Gottes Wille für ihn ist. Allen Dingen, von de­ nen man weiß, daß sie nicht Gottes Wille sind, muß man gute Nacht geben. Und da kann sich eine Seele besonders in vier Stücken prüfen. Wer den Heiland lieb hat, der muß mit Wahrheit sagen können: Ich be­ gehre in der Welt kein Vergnügen; ich begehre nichts zu seyn in der Welt; ich begehre nichts zu besitzen in der Welt; ich begehre, mich nicht zu schonen in der Welt. Und ob das wahr ist, das kann man in den Gelegenheiten wahrnehmen, wenn man emporkommen sollte und der Herr widersteht einem; wenn man ein Vergnügen für die Sinne haben könnte, und Gott läßts nicht zu; wenn man etwas vor sich bringen könnte, und Gott hinderts; wenn man Gemächlichkeit haben könnte, und Gott führt einen in allerlei Arbeit und Mühe hinein. Wenn da eine Seele denkt: Gott hat mich lieb, darum entzieht Er mir alle Nahrung für die Sinnlichkeit; Er sey gelobt! so ist sie eine Seele, die nichts will, was Gott nicht will. Denn das sind lau­ ter Gegenstände des nichtsnützigen Eigenwillens, der sterben muß. 18. Berauschet euch nicht mit wein, Bier und Branntwein, woraus Ausschweifung folgt. (Es müssen einige diesem ergeben gewesen seyn.) Liebet ihr aber die Fülle, so werdet voll des heiligen Gei­ stes. Oben hat er sie schon ermahnt, daß sie mit al­ ler Fülle Gottes erfüllt werden sollten. Man muß sich nämlich nicht nur mit einigen guten Rührungen des

Epheser 5, 19 — 21.

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Geistes begnügen, sondern wie ein Säufer immer dur­ stiger wird, je mehr er trinkt, so sollten auch wir nie genug haben, sondern immer mehr dürsten und zu trin­ ken verlangen von dem lebendigen Wasser und süßen Weine des heiligen Geistes, bis wir davon voll sindWäre aber das Herz voll vom heiligen Geiste und Got­ tes Fülle, so würde es auch bei jeder Gelegenheit gleich davon übergehen. An dem, was herauskommt, kann man kennen, was darin ist. 19. Und redet mit einander in Psalmen und Lobgesangen und geistlichen Liedern; singet und rubelt dem -Herrn in euren Herzen. In euren Her­ zen muß es geschehen, nicht nur mit dem Munde. Die größte Sünde der jetzigen Christenheit ist die, daß sie alles so nachsprechen, mitbeten, mitsingen, davon reden als von einer bekannten Sache; und wenn sie ihr Herz dabei untersuchten, so würden sie finden, daß sie nichts davon glauben. Das ohne Glauben davon Reben, Sprechen, Singen ist eine große Sünde, dadurch der Heiland beleidiget wird. 20. Danket allezeit Gott dem Vater im Na­ men unsers Herrn Jesu Christi für alles, was ihr gebrauchet, genießet, habet, was euch begegnet, Gutes oder Böses, Kleines oder Großes, Innerliches oder Aeußerliches. 21. Unterwerfet euch einander in der Furcht Christi. Die Menschen sind gerne übereinander, wel­ ches ein Zeichen eines nichtsnützigen Gemüthes ist. Ein Iesushaftes Herz demüthigt sich gerne. Es bringt auch die Natur der Sache mit sich, daß einer dem andern Unterthan ist; aber es muß es jeder auch von Herzen gerne seyn. Eine Gemeine des Herrn muß aus lau­ ter unterthänigen Herzen bestehen, sonst ist sie es nicht. In der Welt hält man die für große Genies, die sich mit dem, was ihre Vorfahren gethan haben, oder ihre Vorgesetzten noch thun, nicht befriedigen können; aber .:>? Reiche des Heilands und bei Zesushaften Herzen ist

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Epheser 5, 22 — 25.

das keine schöne Eigenschaft; sondern herzliche Unters ihänigkeit, Mißtrauen gegen seine eigene Geschicklichkeit ist der Sinn Christi. 22. Die Weiber seyen ihren Männern, die sie selbst dafür erkannt und angenommen haben, unrerthänig wie dem Herrn; nicht in gleichem Grade, son­ dern als obs dem Herrn geschehe. 23. Denn der Mann ist das -Haupt des Weibes, wie Christus das -Haupt der Gemeine ist, Er der -Heiland sei­ nes Leibes. 24. wie nun die Gemeine sich Christo unterwirft, so sollen sich auch die Weiber in Al­ lem ihren Männern unterwerfen. In einer Gemeine des Heilands muß alles unterthänig seyn; denn der Heiland richtet die Gemeine sel­ ber auf, und braucht oft die Geringsten am meisten. In der Kirche führt Er das Regiment selbst. Das weltliche Regiment hat Er den Obrigkeiten übergeben, als seinen Amtleuten; das Regiment der Kirche aber hat Er dem heil. Geiste übergeben und noch dazu ge­ sagt: Ich bin schon selbst bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt. Die weltliche Herrschaft bleibt also der Obrigkeit; das Haupt aber der Kirche, oder seines Leibes, bleibt Er; Er regiert unabläßig unter seinem Volke; und wenn Er jemand würdiget, zum Gliede sei­ nes Leibes zu machen, den setzt Er, zu was Er will. Wenn aber das Haupt unter dem Leibe, oder das Oberste unten und das Untere oben steht, so ist das eine monströse Gestalt, in der Ehe sowohl als in der Kirche; wenn nämlich das Weib über ihren Mann, oder ein Glied über das Haupt seyn will. 25. Ihr Männer! lieber eure Weiber, so wie auch Christus die Gemeine gelieber har. Wie liebt Christus die Gemeine? Das sagt Paulus zugleich: Der sich selbst für sie hingegeben har. Er ward unser aller Knecht; Er rechnete sich selbst unsere Schuld zu, und trug unsere Sünden, und je mehr die Seelen abweichen, desto mehr sucht Er sie durch Wohlthun,

Epheser 5, 26. 27.

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Sanstmuth und Demuth an sich zu ziehen. 26. Um sie zu heiligen, nachdem Er sie gereiniget hat durch das Wasserbad Lm Worte des Lebens; 27. und sich eine herrliche Gemeine darzu stellen, ohne Flecken, ohne Runzel, oder etwas derglei­ chen, sondern daß sie heilig und unbefleckt sey. Das hat Er seiner Gemeine erworben, daß sie so sey; das bekommt sie geschenkt; das bekommt jedes Glied seiner Gemeine geschenkt; das ist das Kleid, in welchem seine Braut, in welchem jedes Glied seines Leibes sei­ ner Braut bei der Hochzeit erscheinen muß. Das ist das weiße, heilige, unbefleckte Kleid, die Gerechtigkeit Christi, dir weiße Seide der Heiligen, der Schmuck, bas Hochzeitkleid, das wir nicht bezahlen, nicht verdienen können noch müssen, sondern das Er, der Bräutigam, schon für alle zurecht gemacht hat, und jeder von Ihm geschenkt bekommt. Da braucht man nur kindlich und einfältig zu seyn, sich das geben zu lassen, und im Na­ men des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes das Kleid anzuziehen, wie man einen Rock anzieht ohne große Mühe; ich darf mir nur schenken, mich begna­ digen lassen, so viel als Er will. Er mag mich schmükken, so viel als Er will; ich weiß, daß ich kein Recht dazu habe, aber ich will es annehmen mit tiefem Dank; das heißt, Geschmack an der Sache haben, Lust und Willen dazu haben, Freude darüber haben und darin bleiben. Aber wo ist diese herrliche, fleckenlose, heilige Ge­ meine Jesu? Wo kann man sie sehen, mit Fingern darauf weisen und sagen: Das ist die lautere, reine Gemeine Jesu! Davon sind manche Seelen so einge­ nommen, daß sie darüber verwirrt werden, weil sie das immer gesucht und nie gefunden haben *). Es ist wahr, *) Was Augustin in seinen Retract. hierüber sagt, darf hier ste­ hen: „Da die Kirche, so lange sie hienieden ist, bittet: „vergieb uns unsere Schulden!" so ist sie hienieden nicht ohne Flecken und Runzel. Doch wird sic durch Gnade, die sie hier empfängt, zu jener Herrlich­ keit, die hier nicht ist, und zur Vollkommenheit vollendet."

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Epheser 5, 28.

eine Anstalt, oder Kirche Jesu, die auf Geist und Le­ ben geht, die mit seinem Blute besprengt, in deren Mitte der Heiland ist, für die der heilige Geist täglich Sorge tragt, die der Vater in seinen Schutz nimmt, muß sich nicht etwa nur durch etliche Kinder Gottes erhalten. Wenn wir aber auf Erden eine Gemeinde suchen, in der nicht allezeit einige Lazareth-Leute, oder etliche, die man für Unkraut halten muß, gefunden und darin erhalten werden müßten, so irren wir sehr. Eine solche Gemeine kann nicht seyn; der freie Wille müßte durch eine äußere Anstalt gezwungen werden können; es ist auch gegen die Erfahrung und das Beispiel der ersten apostolischen Gemeinen, von denen Paulus sagt, die sich Gott mit seinem Blute erworben, und in wel­ chen der heilige Geist die Bischöfe gesetzt habe, und die doch sehr heruntergekoinmen waren. Doch muß sich damit keine Gemeine entschuldigen, die lauter Unkraut, voll todter Leute ist. Eine Schwalbe macht keinen Sommer; aber wo lauter Schwalben sind? —

28. Also sollen die Männer ihre Weiber lie­ ben, wie ihre eigenen Leiber, wer sein Weib liebt, der liebt selber. Die Liebe zwischen christ­ lichen Eheleuten kann sich kein natürlicher Mensch vor­ stellen. Die eheliche Gemeinschaft zwischen einem Manne und einer Frau, die Ein Geist, Ein Fleisch und Eine Seele sind, um eine Vorstellung von Jesu und seiner ehrwürdigen Gemeine zu seyn, das ist ein Grad der Liebe, der sich nicht erhalten kann, wenn nicht eine keusche Seele da ist, wenn nicht der Heiland immer nahe und gegenwärtig ist; wenn nicht der heilige Geist Jesu Verdienst, Schönheit, Rechte und Vorzüge immer wiederholt, und den Eheleuten vor die Augen stellt, daß sie Seiner nie vergessen. Darum müssen Eheleute ganz besonders immer ihre Seele keusch machen, nicht nur, damit man ein ruhiges Gewissen habe, und den« Heilande zur Ehre und Freude

Epheser 5, 29—31.

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sey, sondern auch, weil man auf Gottes Befehl eine so besondere Liebe zu einer Kreatur haben soll. Daher kommt es auch, daß ein Mann, der eine Frau har, an der, wegen ihrer gar nicht einnehmenden oder gar widrigen Gestalt, niemand etwas Liebenswür­ diges bemerkt, dennoch denken kann, er habe etwas sehr Schönes und Liebenswürdiges; denn er findet, wenn es auch sonst niemand sieht, doch in ihrem Umgänge, in ihrer Seele und ganzem Betragen etwas Schatzungswerthes. Nur muß er das nicht auch von andern Leu­ ten fordern. Um nun diese Liebe zu behaupten, wird ein reines Herz erfordert, damit man brünstig lieben könne, ohne daß sich das Fleisch darein mische. 29. Denn niemand haßt ja sein eigenes Fleisch, sondern nährt und pflegt es, so wie auch Christus die Gemeine, der seines Leibes Heiland ist. Er nährt sein Fleisch und pflegt es; Er hat uns er­ staunlich lieb, Er wendet alle Treue an uns. 30. Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Flei­ sche, und von seinem Gebeine, und können so we­ nig von Ihm getrennt werden, als Er sich einen Fin­ ger oder Fuß, oder ein anderes Glied hat wegreißen lassen. Wie Ihm alle seine Gebeine bewahrt und nicht Eines davon zerbrochen worden ist, so werden auch wir von Ihm bewahrt und erhalten, bis wir bei Ihm daheim sind *)• 31. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Murcer verlassen und seinem Weibe an♦) Wie Eva von der Seite Adams im Schlaf genommen und darum Männin hieß, weil sie vom Manne genommen wurde; so kann man sagen, ist die Kirche von und aus der geöffneten Seite Jesu am Kreuze genommen worden und entstanden, darum kann man sie Christin heißen, weil sie von Christo genommen ist. ES ist eine ausgemachte Sache, daß die ganze Kirche Christi darum seinen Namen trägt, weil nach und nach alle ihre Lausende so wahrhaftig aus Leib, Seel und Geist deö Heilandes genommen und zu Einer Seele mit Ihm geworden und mit seinem Geiste begabt sind, wie jede mensch­ liche Kreatur auö Adams und Evas Leib und Seele urständet. Jedes

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Epheser 5, 32. zz.

hangen, und es werden zwei in Einem Fleische seyn. 32. Groß ist das Geheimniß, ich meine aber bei Christo und der Gemeine. Mein Gott! welch eine große Sache ist es, ein heiliges, keusches Eheleben zu führen, Kinder zu zeugen in Gegenwart des Heilands durch den Segen seiner Hände; kurz, alle Ehehandlungen zu verrichten mit dem Zeugnisse des ei­ genen Herzens und der heiligen Engel, daß es wahr sey, was der Heiland zum Vater sagt: „Daß die Liebe in ihnen sey, womit du mich liebest, und ich in ihnen." Zwei solche Leute, die Er zusammen­ gefügt hat, hängen auch an Ihm so fest, daß man sie eher zerrisse, als daß sie Ihn fahren ließen. Dabei hat man auch an die gegenseitigen Pflich­ ten zu denken; es muß auch zur Hauskirche kommen, um immer vor seinen Augen zu schweben. Heiligkeit und Tempelandacht muß ihren Umgang mit einander immer ehrwürdig machen: „Ich wache oder schlafe, heißt es, ich sitze oder liege, gehe oder stehe, so weißt du alles. Vor deinen Augen schweben ist wahre Se­ ligkeit. Der verborgene Mensch des Herzens und sein unverrückter Gang mit dir ist mein und meiner Gattin eigentliches Augenmerk. Das Verdienst deines Lebens heilige uns durch und durch!" 33. Jedoch auch ihr liebet jeder sein Weib, Theilchen ist von Ihm her, wie das letzte Stückchen Sauerteig vom ersten abstammt, nicht nur idealisch, oder zurechnungsweise, sondern wesentlich, wahrhaftig. Wie Er unseres Fleisches und Blutes theil­ haftig geworden, so sind wir Seiner theilhaftig geworden. Wie sich bei der Zeugung die Elterliche Natur mir dem Kinde vereinigt, so muß jeder geistliche Mensch unter der Ueberschattung des heiligen Geistes zur geistlichen Welt ins Himmelreich geboren werden, dann kann er den Namen Christi annehmen und Christ heißen, wenn er Bein von seinem Bein, Fleisch von seinem Fleische ist; wenn sein Gewissen und der heilige Geist Zeugniß geben, daß er von dem Manne genommen, aus der Seite gegraben ist, die für uns am Kreuze durch­ stochen ward. Ein solches Geistes-Kind kann sich Christ nennen, kann sagen: Ich gehöre zur Christin, denn er ist mein anderer Adam, der Ur-Othem meines Gebens. Solche Leute machen die Christen­ heit, die Kirche Christi aus, die sein Leib ist. Die andern haben den Namen, daß sie leben und sind todt.

Epheser 6, i.

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wie sich selber; das Weib aber fürchte den Mann. Man muß sich vor dem falschen Schluffe hüten und nicht sagen: Der Ehestand taugt nichts, weil man das in der Welt gar nicht dabei sicht, wozu Er vom Schöpfer bestimmt ist. Die wenigen Beispiele solcher Ehepaare, da sich eines des andern im Namen Christi annimmt, als von Gott einander anvertraute Seelen, und wo eines dem andern Zeugniß geben kann, daß sie einander auf dem Wege des Heils fortgeholfen ha­ ben, diese wenigen Beispiele beweisen doch, daß die Ehe ein heiliger und wichtiger Stand ist. Die Män­ ner besonders haben sehr nöthig, sich vor dem Heilande zu demüthigen und Ihn zu bitten, daß Er sie selber zu solchen Männern mache, durch die Er sein Schö­ pfers - Werk an den ihnen anvertrauten Seelen erreiche, daß diese Gott danken können, daß sie durch ihre Män­ ner Christo näher gekommen, und Ihm als eine reine Braut zugeführt worden seyen.

Das VI. Kapitel. 1. )hr Rinder! gehorchet euren Aeltern im Herrn, denn es ziemt sich. Die Kindheit ist eine Zeit, wo man mit Freuden Unterthan seyn, unter an­ dern stehen und ihnen gehorchen muß. Daß der Hei­ land dreißig Jahre unterthänig war, und erst dann zu dem Geschäfte geschritten, wozu Er in die Welt ge­ kommen ist, das kann kein vorschneller Mensch begrei­ fen, der das Thun nicht erwarten kann. Wer aber weiß, was das für eine Seligkeit ist, von andern ab­ zuhangen, andere für sich sorgen zu lassen, und weiter nichts zu thun zu haben, als was einem von Tag zu Tag befohlen wird, sein Spänchen in Liebe und Ge-

Epheser 6, i.

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wie sich selber; das Weib aber fürchte den Mann. Man muß sich vor dem falschen Schluffe hüten und nicht sagen: Der Ehestand taugt nichts, weil man das in der Welt gar nicht dabei sicht, wozu Er vom Schöpfer bestimmt ist. Die wenigen Beispiele solcher Ehepaare, da sich eines des andern im Namen Christi annimmt, als von Gott einander anvertraute Seelen, und wo eines dem andern Zeugniß geben kann, daß sie einander auf dem Wege des Heils fortgeholfen ha­ ben, diese wenigen Beispiele beweisen doch, daß die Ehe ein heiliger und wichtiger Stand ist. Die Män­ ner besonders haben sehr nöthig, sich vor dem Heilande zu demüthigen und Ihn zu bitten, daß Er sie selber zu solchen Männern mache, durch die Er sein Schö­ pfers - Werk an den ihnen anvertrauten Seelen erreiche, daß diese Gott danken können, daß sie durch ihre Män­ ner Christo näher gekommen, und Ihm als eine reine Braut zugeführt worden seyen.

Das VI. Kapitel. 1. )hr Rinder! gehorchet euren Aeltern im Herrn, denn es ziemt sich. Die Kindheit ist eine Zeit, wo man mit Freuden Unterthan seyn, unter an­ dern stehen und ihnen gehorchen muß. Daß der Hei­ land dreißig Jahre unterthänig war, und erst dann zu dem Geschäfte geschritten, wozu Er in die Welt ge­ kommen ist, das kann kein vorschneller Mensch begrei­ fen, der das Thun nicht erwarten kann. Wer aber weiß, was das für eine Seligkeit ist, von andern ab­ zuhangen, andere für sich sorgen zu lassen, und weiter nichts zu thun zu haben, als was einem von Tag zu Tag befohlen wird, sein Spänchen in Liebe und Ge-

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Epheser 6, 2—4.

duld zu tragen, wenn gleich nichts herauskommt, der ist gerne des lieben Heilands Nachfolger. Das kind­ liche Herz, das sich gerne ziehen läßt, gerne Lehren an­ nimmt, das von Tag zu Tag lernt und ein Ohr hat, das die Anleitung der erfahrnen Aeltern, der Brüder rc. gerne hört, das hat eine große Seligkeit. Was muß das für eine Freude seyn, wenn man noch ein Kind, ein Knäbchen oder Mädchen ist, und in-seinem gehor­ samen und kindlichen Umgänge ein Nachfolger des Hei­ lands und so fleißig seyn kann, wie Er war! Wer Ihn lieb hat, dem ist es eine große Gnade, in seinem Gehorsam, in seinem Daheimfitzen und'etwas Lernen, dem Heilande nachzufolgen. 2. Ehre deinen Vater und deine Mutter; das ist das erste Gebot, das eine Verheißung har, 3. damit es dir wohl gehe und du lange lebest auf Erden. Im Alten Testamente war eine der großen Ver­ heißungen das lange Leben auf Erden; und wenn Gott damals seinem Volke etwas Gutes prophezeihen wollte, so hat Er gesagt: Eure Kinder sollen nicht vor der Zeit weggerissen werden, sondern ihre Tage errei­ chen, und die Erwachsenen ihre Jahre erfüllen und ihre Lebenszeit ausleben. Jes. (55, 20. Es ist aber ein Unterschied zwischen dem Alten und Neuen Testamente, wie zwischen der Dämmerung und der Sonne am Mittage, wenn es auf das Kapi­ tel vom Heimgehen kommt. Im Neuen Testamente ist das keine Verheißung: Du sollst lange leben, lange auf der Welt seyn; denn wir wollen nichts lieber, als bei Ihm daheim seyn. Der Apostel sagt: Ich bin ver­ reiset; ich bin weg von meinem Herrn, so lange ich in der Hütte bin. Mein Daseyn auf Erden halte ich nur für eine Herberge, für ein Nachtlager, und mich für ei­ nen Pilger; ich bin nicht daheim. 2. Kor. 5. Phil. 1,23. 4. Und, ihr Vater! reizet eure Binder nicht zum Zorne, sondern erziehet sie in der Zucht und Ermahnung des -Herrn.

Epheser 6, 4.

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Die Aeltern sollen ja ihre Kinder mit der Bekeh­ rung nicht plagen, sondern nur treue Wächter seyn; allen Schaden und Hindernisse zu verhüten; sie sollen nur trachten, sie in beständiger Freundschaft gegen sich und ihren Herrn zu erhalten, so würde sich der Hei­ land bei einem jeden Kinde oder Hausgenossen, wo eine Neigung und nur keine Abneigung ist, sich Ihm zu er­ geben, wohk selbst ins Herz hineinarbeiten. Aber so versperren viele Aeltern und Hausväter dem Heilande allen Weg und Steg in die Herzen der Kinder durch eine dumme, absurde Eilfertigkeit und Ungeduld, indem 'sie die Kinder nach ihren Begriffen formen, und wenn sie ihnen nichts ins Herz bringen können, es wenigstens so weit zu bringen suchen, daß sie so aussehen, sich so anstellen und aufführen, als wenn sie zum Heilande gehörten. Der größte Fehler ist, daß die Aeltern nicht genug wachen, die Sachen zu verhüten, die die Kmder an dem Kommen zum Heilande verhindern können, dazu die eilfertigen Bemühungen der Aeltern meistens mit gehören. Wenn man nichts mit guten Worten zu ih­ rer Bekehrung beitragen kann, so soll man doch sorgen, daß an ihrer Bekehrung nichts gehindert werde, daß der Heiland Raum und Platz behalte, ihnen ungehin­ dert ans Herz zu kommen; daß sie an ihren Aeltern keine Unarten wahrnehmen, die ihnen zur Entschuldi­ gung dienen könnten: „Habe ichs doch bei meinen Ael­ tern gesehen!" Das brauchen die listigen Kinder gerne zum Pflaster. Es ist auch ein böser Grundsatz, wenn matt die Kinder zuerst stettig, widerspänstig werden läßt, und sie dann zwingen will. Dazu haben wir keine Anweisung vom Heilande, sondern daß wir die seufzenden und um ihr Heil bekümmerten Menschen aufsuchen, mitten aus der Welt heraus; aber nicht, daß wir die Leute, die alle Tage Gelegenheit hätten, den Heiland in das Herz zu bekommen, dazu zwingen, und wenn sie nicht wol« 33

Das I. Kapitel. 1. Paulus und Gilvanus und Timotheus. — Paulus seht seine Mitarbeiter neben sich; die wahre Demuth behauptet doch ihr Amt, ohne andere auszu­ schließen, aber der Hochmuth will allein herrschen. Man sey so gelehrt und erleuchtet als man wolle, so muß man doch nicht unterlassen, seine Lehren mit dem Zeug­ nisse seiner Brüder zu bekräftigen. Darum macht Pau­ lus die Ueberschrift nicht allein in seinem Namen; Silvanus und Timotheus müssen auch dabei seyn, weil sie Mitgehülfen in der Verkündigung des Evangeliums waren. Man sieht, wie die Apostel das Apostel-Amr nicht allein an sich reißen wollten, sondern es gerne mit andern theilten. Es war ihnen fremd, Fürsten und Herren zu spielen. — An die Gemeine der Thessalonicher in Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Die Kirche ist in Gott und Christo; sie ist von Gott ausgegangen, ohne außer Gott zu seyn; sie ist und bleibt in Gott, weil ihr ganzes Leben mit Christo in Gott verborgen ist; sie ist in Christo, wie die Glie­ der im Leibe mit dem Haupte zusammen hangen. — Gnade und Friede sey mir euch von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus! Durch die Gnade herrscht Gott in dem Menschen, durch den Frieden herrscht der Mensch in Gott ewiglich. 2. wir danken Gott allezeit für euch alle, und gedenken eurer ohne Unterlaß in unsern Gebeten. Danken unh bitten und bitten und danken muß immer mit einander verbunden werden. Das Gebet erfleht die Gnadengaben vom Himmel herab; die Dank­ sagung schickt sie wieder hinauf, giebt sie wieder redlich heim, das heißt, sie giebt Gott die Ehre, als dem Ur­ heber und der Quelle alles Guten.

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i. Thessalonicher i, 3—5.

3. Unvergeßlich ist uns die Thätigkeit eures Glaubens, die Bestrebsamkeir eurer Liebe, und die Standhaftigkeit eurer-Hoffnung auf unfern-Herrn Jesus Christus, vor Gorc unserm Varer. Wie rühmt er ihren thätigen Glauben, der, wenn er kein Maul-Glaube ist, beständig etwas Gutes wirkt; ihre bestrebfame Liebe, die von eben der Art ist, daß sie nie ruhen kann, bis alles Gute gethan ist, und ihre standhafte -Hoffnung, womit fie die Verheißungen in Geduld erwarteten. Da haben wir also die drei soge­ nannten theologischen Tugenden, die drei Schwestern sind, welche zugleich geboren werden, und Eine Mutter haben, das Evangelium.

4. Denn noch wissen wir wohl, von Gott geliebte Brüder! wie ihr erwählt wurdet. Ach, wir sind von Ewigkeit erwählt; aber bis wir der Stimme, die uns einlader, an unserer Erwählung Theil zu nehmen, Gehör geben, geht es oft lange her. Und man kann von wenigen rühmen, was Paulus von den Thessalonichern rühmt:

5. Unser Evangelium bestand bei euch nicht blos in Worten, sondern auch in Rraft und im heiligen Geiste und in der festesten Ueberzeugung, wie ihr denn selbst wisset, wie wir uns unter euch erwiesen haben um euretwillen. Das Evangelium muß gegenseitig beim Prediger und Zuhörer nicht blos in Worten bestehen, es muß nicht beim Schall bleiben; der Prediger muß nicht blos ein Glockenschwengel, eine klingende Schelle und tönend Erz seyn, und der Zuhörer nicht blos lauten und schel­ len hören, und den Schall in der Luft vergehen lassen; der Prediger muß es in Kraft und im heiligen Geiste und in der festesten lebendigsten Ueberzeugung verkündi­ gen, und der Zuhörer das Gepredigte in Kraft des Glaubens, der Liebe, des heißen Hungers nach Gerech­ tigkeit und Seligkeit, durch die Erleuchtung und Be­ stätigung und das inwendige Zeugniß des heiligen Gei-

i. Thessalonicher i, 6. 7.

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stes, als Gottes Wort aufnehmen, das die Seelen selig macht. So, sagt Paulus, haben wir uns unter euch er­ wiesen, so predigten wir, und so glaubtet ihr; es ging aus dem Geist in Geist, aus Glauben in Glauben über.

6. Ihr wurdet unsere und des Herrn Nach­ folger, indem ihr das wort unter vieler Trübsal aufnahmet, mit Freude im heiligen Geiste. Kann denn jemand, der das Evangelium lesen oder predigen hört, Weihnachten, Ostern und Pfingsten mitfeiert, als ein ehrlicher Mensch bestehen, wenn er nicht von der Stunde an, da er es hört, den Heiland über alles lieb gewinnt, und mit einer unaussprechlichen Sehnsucht Ihm anhangt, ja wirklich für nichts ande­ res mehr zu Hause ist, oder etwas anderes schmackhaft findet? Wer dabei vorübergehen kann, der ist entwe­ der dumm, oder falsch, untreu und undankbar im höch­ sten Grade. Und doch wissen die Auserwählten kein anderes Lied zu singen, als daß es der Heiland erst mit vielen Umständen dahin gebracht hat, daß sie sich Ihm ergeben haben. „Ach daß ich dich so spät erkannt. Und dich nicht eher mein genannt! Es ist mir leid, ich bin betrübt. Daß ich so spat geliebt!"

Man kann nicht sagen, sie haben nichts von Ihm gewußt, oder sie wissen heute mehr von Ihm, als vor zwanzig Jahren. Er hat nur so lange mit ihnen zu thun gehabt, bis Er ihnen das Herz abgewonnen hat. Es kostet einen Todes-Kampf, eine Agonie, bis wir uns entschließen, Ihm das Herz zu geben. Das ist eine Schande, davon uns unser ganzes Leben ein Fleck bleibt. Da hatten die Thessalonicher einen Vorzug; sie nah­ mens gleich an, und zwar

7. so, daß thu ein Vorbild gewesen seyd für alle Gläubigen in Macedonten und Achaja. Ein schöner Leuchtthurm auf dem stürmischen Meere bei Nacht und Nebel für die Schiffenden und Seefah-

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I, Thessalonicher l, 8. 9-

rer dieser Welt ist der lebendige Glaube, die ungefärbte Liebe wahrer Christen. Da können ganze Länder se­ hen, wie sie daran sind, wo sie stehen, an welchen Klip­ pen oder Sandbänken sie stecken bleiben oder scheitern. Bedenket dies, ihr Erstlinge der Erweckung in einem Lande, in einer Stadt; ihr sollt ein Vorbild für alle eure Landsleute seyn. Darum hat euch Gott die Gnade gethan, und euch erleuchtet und erwecket. 8. Denn von euch aus erscholl das wort des -Herrn nicht nur in Macedonien und Achaja, sondern aller Orten ist euer Glaube an Gorc kund geworden, so daß wir nicht nöthig hatten, etwas davon zu sagen. Das ist ein herrliches Lob, wenn man so willig ist, das Evangelium zu glauben, und sein Licht leuchten zu lassen, daß ganze Gegenden aus der Finsterniß zum Lichte kommen. 9. Denn sie sel­ ber verkündigen überall von uns, welchen Ein­ gang wir bei euch gefunden, und wie ihr euch von den Götzen zu dem lebendigen Gott bekehrt habet, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen. Wann und wo die Gnade nur Eingang findet, so ist sie gleich da. Man darf nicht lange auf sie war­ ten, sondern wenn es einmal dazu kommt, daß es ei­ nem anliegt und Pein macht, ob man ein wahrer Christ und Jesus unser sey; wenn man sich erkennt in seinem Elende, sich krümmt und beugt und bittet endlich, daß man sehend und lebendig werde, so ist Gottes Reich schon da; man darf nur zugreifen, wie man ein Kind zugreifen sieht, dem der Vater einen Apfel hinhält; wo­ bei das anbefohlene Bitten ein Zeichen und die Be­ dingung des augenblicklichen Habens ist. So ist, wo der heilige Geist ein Verlangen nach Gnade merkt, die Gnade gewiß schon da; sie wartet nur auf das An­ nehmen und den Eingang bei uns, ob wir ihr auf­ thun, unsere Hände nach ihr ausstrecken, so theilt sie sich uns mit.

i. Thessalonicher i, io. 2, i.

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So wird das Evangelium vielen Tausenden hin­ gehalten und dargereicht; aber es findet bei den We­ nigsten willige Aufnahme und Eingang. 10. Und seinen Sohn vom -Himmel herab zu erwarten, den Er von den Todten erweckt hat, Jesum nämlich, der uns vom zukünftigen Zorne erlöset hat; das ist, von seinem eigenen Zorne, von seiner richterlichen Gewalt, von dem schrecklichen Tage, an welchem Er die Lebendigen und Todten ohne Ap­ pellation, ohne weitere Hülfe, ohne alle Einwendung richten wird. Davon hat Er uns erlöst, indem Er den Becher des Zornes Gottes bis auf den Boden, bis auf den lebten Tropfen austrank. Wenn nun fetzt jemand melancholifiren und ein ängstliches Buß-Leben führen wollte, so hätte er keine Ursache dazu. Doch auch nicht zum Leichtstnn und Spielen mit dem theuren Lösegeld. Es hat Ihn viel gekostet. Er mußte den Zorn-Be­ cher austrinken bis auf die Hefen. Das soll uns al­ lerdings freuen: Wir sind erlöst vom zukünftigen Zorne. „Die Hölle ist ausgetrunken! der Tod ist tobt." Man soll aber nur dafür sorgen, daß man seines Verdienstes und Sinnes theilhaftig werde, so hat man sich vor kei­ nem Zorne mehr zu fürchten.

Das II. Kapitel. 1. Denn ihr selbst wisset, Brüder! daß un­ ser Eingang bei euch nicht fruchtlos war. Wir haben uns nicht nur so eingeschmeichelt mit süßen Wor­ ten und höflichen Complimenten, sondern es hat Früchte gegeben, Segen gebracht. Wir sind nicht in eure Häu­ ser geschlichen, um euch für uns zu gewinnen, euch an uns zu ziehen, sondern in eure Herzen sind wir gestie­ gen, und haben Teufel, Welt und Sünde herausge-

i. Thessalonicher i, io. 2, i.

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So wird das Evangelium vielen Tausenden hin­ gehalten und dargereicht; aber es findet bei den We­ nigsten willige Aufnahme und Eingang. 10. Und seinen Sohn vom -Himmel herab zu erwarten, den Er von den Todten erweckt hat, Jesum nämlich, der uns vom zukünftigen Zorne erlöset hat; das ist, von seinem eigenen Zorne, von seiner richterlichen Gewalt, von dem schrecklichen Tage, an welchem Er die Lebendigen und Todten ohne Ap­ pellation, ohne weitere Hülfe, ohne alle Einwendung richten wird. Davon hat Er uns erlöst, indem Er den Becher des Zornes Gottes bis auf den Boden, bis auf den lebten Tropfen austrank. Wenn nun fetzt jemand melancholifiren und ein ängstliches Buß-Leben führen wollte, so hätte er keine Ursache dazu. Doch auch nicht zum Leichtstnn und Spielen mit dem theuren Lösegeld. Es hat Ihn viel gekostet. Er mußte den Zorn-Be­ cher austrinken bis auf die Hefen. Das soll uns al­ lerdings freuen: Wir sind erlöst vom zukünftigen Zorne. „Die Hölle ist ausgetrunken! der Tod ist tobt." Man soll aber nur dafür sorgen, daß man seines Verdienstes und Sinnes theilhaftig werde, so hat man sich vor kei­ nem Zorne mehr zu fürchten.

Das II. Kapitel. 1. Denn ihr selbst wisset, Brüder! daß un­ ser Eingang bei euch nicht fruchtlos war. Wir haben uns nicht nur so eingeschmeichelt mit süßen Wor­ ten und höflichen Complimenten, sondern es hat Früchte gegeben, Segen gebracht. Wir sind nicht in eure Häu­ ser geschlichen, um euch für uns zu gewinnen, euch an uns zu ziehen, sondern in eure Herzen sind wir gestie­ gen, und haben Teufel, Welt und Sünde herausge-

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i. Thessalonicher 2, 2 — 6.

jagt und Christum eingepflanzet. Das ist der rechte Eingang. 2. Da wir vorher in Philippi Leiden und Schmach erduldet haben, und uns das hatte muthlos machen können, so faßten wir doch im Ver­ trauen auf unfern Gott Muth, auch euch das Evangelium zu verkündigen unter schwerem Kam­ pfe; wir ließen uns durch nichts schüchtern machen. 3. Denn wir predigen nicht aus irrigem Wahne, nicht aus unlautern Absichten, nicht mit List. Das beweist sich wohl schon dadurch, wenn man un­ ter schwerem Kampfe, ohne Ehre bei Menschen, sondern unter vielen Lästerungen, Schmach und Verfolgung dennoch Zeugniß giebt und nicht aufhörl, wie dort die Apostel: Wir könnens ja nicht lassen, zu bezeugen, was wir gesehen haben rc. Dabei prüfe sich aber jeder Pre­ diger, was ihn treibe, welche Absichten ihn leiten, ob sie lauter und rein, oder mechanisch oder irdisch sind, obs Christus, das Heil der Seelen, oder der Bauch, die Ehre, oder der Zwang ist, was ihn auf die Kanzel stellt. 4. Sondern wie wir von Gott bewahrt erfunden worden sind, daß uns das Evangelium anvertraut worden ist, so reden wir, nicht um den Menschen zu gefallen, sondern Gort, der un­ sere -Herzen prüft. Bei dem Evangelium und der Nachfolge hat man besonders dieses Gute, daß man es mit einem Herrn zu thun hat, bei dem es niemand schlimmer hat, als die Heuchler und Betrüger, das ist, die Menschen, die etwas anderes vorgeben, als sie in der Thar in ihrem Herzen haben; denn Er ist mit al­ len ihren Worten und Thaten nicht zufrieden. Er kehrt sich gar nicht daran, daß sie große Lehrer sind, und Leute, die viele Teufel ausgetrieben haben. Matth. 7, 22. 23. 5. Denn niemals sind wir mir schmeichelhaf­ ten Worten umgegangen, wie ihr wisset, noch mit habsüchtigen Absichten — Gott ist mein Zeuge! 6. noch haben wir Ehre von Menschen gesucht,

i. Thessalonicher 2, 7—9.

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weder von e«d>, noch von andern. Schmeichelei sucht immer sich selbst, eigene Ehre oder eigenen Nutzen. Schmeichelei ist aber an keinem Menschen schändlicher und unverantwortlicher, als am Prediger, der dazu be­ stellt ist, ohne Ansehen der Person die Leute in den Spiegel der Wahrheit schauen zu lassen. Wehe ihm, wenn sein Wort ein falscher, ein Zauberspiegel ist, der die Leute tauscht. Selig jeder, der wie Paulus sagen kann: Gott ist mein Zeuge, ich suche nichts, als daß die Menschen gerettet werden. Er suchte nicht nur nichts, er nahm das nicht, was ihm gebührte, er gab, half lieber denen, die ihm hatten geben sollen. 7. Obwohl wir euch hatten beschwerlich fal­ len können, als Apostel Christi, so waren wir doch schonend, wie Rindlein in eurer Mitte, wie eine Amme ihre Rinder pflegt; 8. voll zärtlicher Liebe gegen euch waren wir von Herzen bereit, euch nicht nur das Evangelium mitzurheilen, son­ dern auch unser Leben hinzugeben, weil ihr uns gar so lieb wäret. £) Paulus! wo, wo sind deine Nachfolger! Wer liebt, wie du liebtest? Wem ist, ich will nicht sagen, sein Leben, sondern wem sind nur einige Bequemlichkeiten und Bedürfnisse des Lebens nicht so lieb, daß er sie willig und freudig opfert, um Chri­ stum in die Herzen zu bringen? 9. Denn ihr erinnert euch, Brüder! unserer Mühe und Beschwerde, wie wir Tag und Nacht arbeiteten, um keinem von euch beschwerlich zu fal­ len, da wir euch das Evangelium Gottes predigten. Aus allem dem, was Paulus hier V. 5—9. von sich und seinen Mitarbeitern sagt, geht hervor, daß die Zeugen Jesu das Gegentheil von dem suchen, was die Welt sucht. 1) Suchen sie nicht geehrt zu werden, sondern erwarten, daß sie verachtet werden. Ehre ist ihnen eine Last, und Schmach ist ihnen eine Ehre; und wenn sie ein Ehrenamt annehmen müssen, so thun sie es aus Pflicht und Noth; denn anstatt sich Ruhm und

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i. Thessalonicher 2, 9.

Nutzen zu versprechen, sehen sie wohl vor, daß die Er­ habenheit ihrer Umstände ihre Leiden nur vermehren, und ihre Schmach sichtbarer machen werde. Geringe Leute haben eine geringe, ihrem Stande gemäße Schmach; aber große Aemter und Stände, verbunden mit der Ge­ meinschaft Jesu, führen große Schmach mit sich. 2) Wollen sie nicht nur, was die Sinne vergnügt, gerne fahren lassen, sondern sie erwählen Christi Schmerzen und Leiden, und sind Ihm gerne ähnlich; wollen gerne ihrem äußern Menschen alle unnöthige und überflüssige, ihrem Berufe hinderliche Pflege abschneiden. Sie essen, trinken, schlafen in Gottes Ordnung aus Liebe und Gehorsam. Sie begehren nichts weniger, als reich zu werden; sie finden vielmehr eine große Süßigkeit in der Armuth und eine Beschwerde in den Gütern dieser Erde. 3) Sie mögen nicht gerne andern zur Last seyn, sondern sie lassen sich lieber beladen; und haben sie etwas eigenes, so sehen sie es gerne als etwas Ge­ schenktes beim Dienste anderer zu, nicht anders, als wären sie uneigennützige Diener bei einer Anstalt. 4) Sie hassen nicht nur den Müßiggang, und begehren keine Ruhe fürs Fleisch, sondern sie wollen sich gerne zu Tode arbeiten, und weil die Zeit ohnehin kurz, und die Ewigkeit zum Ausruhen lange genug ist, so wollen sie so lange leben und arbeiten, als der Herr will. Alsdann dünkts ihnen erst Zeit zu seyn, sich der Ruhe von der Arbeit und der Gemächlichkeit zu bedienen. Bei einer solchen Fassung kann ihnen der Satan nicht beikommen, er mag es so künstlich angreifen, als er will; weil alles, was er bei andern als Lockspeise braucht, von ihnen für Mäuse-Pulver und Fliegengift erkannt, und sie sich nicht einmal nach sonst unschul­ digen Dingen umsehen, geschweige, daß sie sich an die gefährlichen wagen sollten. Aber dazu gehört ein kindlich freiwilliger Sinn. Die Gnade kann alles leicht machen; was dem einen schwer, dem andern absurd dünkt, ist dem ganz begreiflich, der Jesum kennt, wel-

r. Thessalonicher 2, 10—13.

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cher wohl hätte Freude haben können, und doch ans Kreuz gewollt hat. 10. Ihr seyd Zeugen und Gött, wie heilig und gerecht und tadellos wie uns gegen euch er­ wiesen haben, da ihr gläubig wurdet. Wenn alle Prediger und Geistliche heutzutage nach diesem von Paulus hier aufgestellten Muster beschaffen seyn, und diesen Sinn haben müßten, wie Viele würden die Köpfe zurückziehen! Wo würde man genug Pfarrer, Bischöfe re. finden?! 11. Ibr wisset, daß wir jeden von euch, wie ein Vater seine Rinder, ermahnet und getröstet, 12. und beschworen haben, daß ihr würdig wan­ deln sollet vor Gott, der euch zu seinem Reiche and zu seiner -Herrlichkeit berufen hat. Das öf­ fentliche Predigen machts allein nicht aus; man muß mit jedem insbesondere reden, wie es jeder nöthig har, die Betrübten trösten und die Faulen ermahnen. * Wenn man den erhabenen Beruf bedenkt, so sollte man ja nie müde werden, der Heiligung nachzujagen, ohne welche man in daS Reich der Herrlichkeit Gottes nicht eingehen kann. Wir sollen niederfallen und anbeten, so oft wir denken oder lesen: Er hat uns berufen zu seinem Reiche und zu seiner Herrlichkeit. Cs soll uns ja nimmermehr aus dem Sinn kommen, und daher sollten wir immer uns so halten, so wandeln, wie himmlische Prinzen, die ihres Adels, ihrer Würde, ihres Berufes nie vergessen. 13. Darum danken wir auch Gott unabläßig, daß, da ihr empfinget von uns das Wort göttlicher predigt, ihr es nicht als Menschen-Wort annahmec, sondern, was es in der Thar ist, als Wort Gottes, der auch in euch wirket, die ihr glaubet. Gottes Wort ist sehr verschieden vom MenschenWorte. Ein Wort Gottes mag von einem Zeugen Jesu auf der Kanzel gesagt, oder von einem Bettler auf der Gaffe gesungen werden, so ist es immer Gottes Wort. ErbauunqSbuch VII. Theil. 16

242.

* Thessalonicher 2, 14. 15.

Wenn ich die schlechteste Predigt höre, und eß kommt nur ein Wort Gottes darin vor, so ist dies eine Wort die Würze über allen Unsinn, der vorhergegangen ist, oder darauf folgt. Das wahre Wort GotkeS und die Sakramente können absolute weder in jemands Mund noch Hand verderben, wenn es der Mensch nur einfach ausspricht und thut, wie es da steht und seyn soll, und nicht mit Fleiß falsche Glossen macht. Die Worte Gottes sind ein unerschöpflicher Schatz. Wohl dem, der ihn kennt und hat und genießt. Er ist das Original; seine Worte sind die gelungensten Ab­ drücke und Ausdrücke, wie es Ihm ums Herz ist. Er hat seinen Jüngern sein ganzes Herz gesagt, gerade so, wie es Ihm war. Wenn wir bei seinem Worte blei­ ben, so werden wir selige Menschen-Sohns-Tage haben. 14. Denn, Brüder! ihr wurdet Nachfolger der Gemeinen Gorreo, die in Judäa sind in Lhristo Jesu, da ihr dasselbe gelitten (und gleiche Verfol­ gungen ausgcstanden^habec von euren Landsleuten, was jene von den Juden litten, und man jetzt noch von seinen Glaubens-Genossen oder seiner Murrer Kin­ dern zu leiden hat, wenn man sich so zu Christo be­ kehrt, wie die Thessalonicher. Denn in den heurigen Christen ist der Sinn der Juden noch herrschend, 15. welche sogar ihre eigenen Propheten und uns verfolgt haben, die Gott mißfallen und allen Menschen zuwider sind. Und doch glauben sie fest, sie seyen das geliebte Volk Gottes, und es könne ih­ nen nicht fehlen; alle andern Nationen und Religionen aber seyen verdammt und verflucht von Gott. Mit solchen Menschen soll ein Knecht Gottes nichts zu thun haben; er predigt tauben Ohren. Da muß man den Staub abschütteln. Es ist ein erschreckliches Gericht, wenn sich der Lahme ärgert, daß andere gehen; wenn sich der Blinde erzürnt, daß andere sehen; wenn es den Fühllosen erbittert, daß andere ein Gefühl ha-

r. Thessalonicher r, 16. 17.

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ben; wenn der Kranke nicht begreifen will, daß andere gesund seyn sollen. 16. Sie wehren uns, den -Heiden zu predi­ gen, daß sie selig werden, um das Maaß ihrer Sünden allezeit voll zu machen; aber am Ende trifft sie der Zorn Gottes. Es giebt lasterhafte Menschen tn der Welt, die das Gute stehen lassen, wie Felix; sie lästern nicht und verfolgen nicht, sie sind in geistlichen Dingen ganz todt. Es giebt aber fromme, tugendhafte Leute, die es in einer falschen, vom Saran zugelaffenen Frömmigkeit so weit gebracht haben, daß sie in Engels-Gestalt einhergehen; die find nicht todt, sondern lebendig und geschäftig genug, vom Geiste des Satans belebt, von der Hölle entzündet. Sie tragen das Bild des Teufels in sich, und sind deklarirte, of­ fenbare, abgerichtete, ja recht erkaufte Feinde des Reichs Christi; sie suchen es mit Fleiß auf alle Art und Weise zu hindern, und machen sich ein besonderes Verdienst und eine Religions-Pflicht daraus, sich wider das Werk und die Knechte Gottes als Werkzeuge brauchen zu lassen. Sie haben oft keinen Ruhm und Nutzen, sondern Schande und Schaden davon, und thuns doch. 17. Da wir nun, Brüder! auf eine kurze Zeit eurer beraubt waren, von Angesicht, nicht mit dem Herzen, so haben wlr nun so mehr geeilt, euer Angesicht zu sehen, mir großer Sehnsucht.

Ein Hirte, ein Lehrer muß seinen Posten lieben, und sich ohne Noth nicht davon entfernen, mir dem Herzen schon gar nie abwesend seyn. Er muß überzeugt seyn, daß dem Saran nichts lieber ist, als daß er sich entferne, wozu er alles beiträgt was er kann, weil der Wolf am leichtesten rauben und morden kann, wenn der Hirt nicht bei der Heerde ist. Es muß jeder, der bekehrt wird, dem Satan aus den Rachen gerissen werden. Nun kann man denken, daß er seinen Raub gern wieder rauben möchte.

16*

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i. Thessalonicher 2,18—20. 3,1. 2.

18. wir wollten zu euch kommen, und zwar ich Paulus ein- und das anderemal, aber Saran hat uns verhindert. Man betrügt sich, wenn man denkt, daß es der Saran nur so leiden und stille sitzen müsse, wenn man ihm Seelen oder ganze Länder, Na­ tionen und alle Poffeffionen nehmen, und dem Evange­ lium Bahn machen will. Es geht aber dennoch, wenn man es nur getrost angreift, und sich durch keinen blin­ den Lärmen oder äußerlich verzweifelten Anschein der Sache abschrecken läßt; man bleibt der Letzte und ge­ winnt. 19. Denn wer ist unsere -Hoffnung, unsere Freude, oder die Rrone unsers Ruhmes? Seyd es nicht auch ihr, vor unserm Herrn Jesus Chri­ stus, bei seiner Wiederkunft? 20. Ja, ihr seyd unsere Ehre und Freude. Ja, da wirds schön aus­ sehen bei so manchem Pfarrer, Lehrer oder Bischöfe, wenn seine Gemeine, die er hätte weiden sollen, seine Krone und Ehre seyn sollte. Wird sie ihm nicht viel­ mehr zur Schande und zur ewigen Anklage dienen? Wird sie nicht über ihn schreien und ihn verdammen helfen? Darum sagt Chrysostomus: Ein wunder ists, wenn Einer selig wird.

Das in. Kapitel. 1. Darum konnten wir es nicht länger er­ tragen, so lange ohne alle Nachricht von euch zu seyn, und wollten lieber allein zu Athen bleiben, 2. und sandten den Timotheus, unsern Bruder und Mit­ arbeiter und Diener Gorres am Evangelium Christi; so sehr wir ihn selbst nöthig gehabt hätten, so wollten wir ihn doch lieber entbehren und zu euch senden, da­ mit er euch bestärkte und ermahnte in eurem

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i. Thessalonicher 2,18—20. 3,1. 2.

18. wir wollten zu euch kommen, und zwar ich Paulus ein- und das anderemal, aber Saran hat uns verhindert. Man betrügt sich, wenn man denkt, daß es der Saran nur so leiden und stille sitzen müsse, wenn man ihm Seelen oder ganze Länder, Na­ tionen und alle Poffeffionen nehmen, und dem Evange­ lium Bahn machen will. Es geht aber dennoch, wenn man es nur getrost angreift, und sich durch keinen blin­ den Lärmen oder äußerlich verzweifelten Anschein der Sache abschrecken läßt; man bleibt der Letzte und ge­ winnt. 19. Denn wer ist unsere -Hoffnung, unsere Freude, oder die Rrone unsers Ruhmes? Seyd es nicht auch ihr, vor unserm Herrn Jesus Chri­ stus, bei seiner Wiederkunft? 20. Ja, ihr seyd unsere Ehre und Freude. Ja, da wirds schön aus­ sehen bei so manchem Pfarrer, Lehrer oder Bischöfe, wenn seine Gemeine, die er hätte weiden sollen, seine Krone und Ehre seyn sollte. Wird sie ihm nicht viel­ mehr zur Schande und zur ewigen Anklage dienen? Wird sie nicht über ihn schreien und ihn verdammen helfen? Darum sagt Chrysostomus: Ein wunder ists, wenn Einer selig wird.

Das in. Kapitel. 1. Darum konnten wir es nicht länger er­ tragen, so lange ohne alle Nachricht von euch zu seyn, und wollten lieber allein zu Athen bleiben, 2. und sandten den Timotheus, unsern Bruder und Mit­ arbeiter und Diener Gorres am Evangelium Christi; so sehr wir ihn selbst nöthig gehabt hätten, so wollten wir ihn doch lieber entbehren und zu euch senden, da­ mit er euch bestärkte und ermahnte in eurem

i. Thessalonicher 3, 3—5.

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Glauben. Wie sehr war dem Apostel an der Pflanze des Glaubens gelegen, wie suchte er ihr Wachsthum und Gedeihen zu befördern in jungen Christen. 3. Da­ mit niemand wankend würde in diesen Trübsa­ len; denn ihr wisset, wozu wir bestimmt sind. Pauli Wachsamkeit und Sorgfalt verdient Nachahmung. Die Trübsal reißt, wie der Sturmwind, viele Blüthen und unreife Früchte vom Baum, erschreckt viele junge Wanderer, daß sie wieder umkehren zur Welt. Aber Leiden, verfolgt, gehaßt, gelästert werden, ist hier des Christen Bestimmung, so wie dort die Herrlichkeit Got­ tes. Wer jene scheut, wird diese nicht sehen. 4. Als wir bei euch waren, haben wir es euch ja gesagt, daß wir Trübsale würden zu lei­ den haben, wie es auch geschehen ist und ihr wisset. Apostelgesch. 17, 1. Man muß Neubekehrten gleich vom Kreuze sagen, damit sie sich nicht befremden, wenn es kommt; denn es bleibt nicht aus. Leiden ist der erste Gruß und Willkomm. Wenn die Jünger des Heilands von der Welt wären, und da die Thaten thäten, die sie ihrem Herrn thun, so würden sie dafür mit Ehre und Lob gekrönt; weil sie aber Christo angehören, so wird aller Nutzen und Segen nicht erkannt, sondern sie werden dafür verfolgt und gedrückt. 5. Darum konnte ich es nicht länger ertragen, und sandte ihn, um zu erfahren, wie es um euren Glauben stehe, ob nicht etwa der Versucher euch versucht habe, und unsere Arbeit vereitelt werde. Versucht werden heißt hier, einen in solche Umstande bringen, da einem schwarz wie weiß vorkommt, und man nicht weiß, wie man daran ist. Das ist manch­ mal ein Gericht über Leute, die sich mit hundert Ne­ bensachen aufhalten, und nicht auf das Herz kommen; da darf ihnen der Teufel Skrupel, Einwendungen, Um­ stände vormachen, die sie nicht auflösen können. Wenn das böse Herz eine Neigung zu etwas hat, so über-

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i* Thessalonicher 3, 6—9.

nimmt die Neigung den Verstand, daß man wie durch «in rothes, grünes oder gelbes Glas sieht. Wenn man dann gefallen ist, sich prostituirt hat, und um die Gnade gekommen ist, so kann man nicht begreifen, wie einem da gewesen ist.

6. Nun «der, da Timotheus von euch wie­ der zu uns kam, und uns die frohe Botschaft brachte von eurem Glauben und eurer Liebe, und daß ihr uns immer iu guten Andenken behaltet, und sehnlich verlanget uns zu sehen, so wie auch wir euch: 7. so sind wir deshalb getröstet, Brü­ der t euretwegen bei all unsrer Noth und Trüb­ sal, durch euren Glauben. 8. So daß wir nun aufleben, daß ihr feststeher im Glauben. Die Kirche blüht, wo der Glaube rein, die Liebe zum Evangelio brünstig, die Gemeinschaft mit den er­ leuchteten Lehrern und lebendigen Zeugen aufrichtig und herzlich ist. Darüber kann sich ein Lehrer freuen mit­ ten in der Trübsal und Verfolgung. Das ist die beste Entschädigung für alle Leiden. Die meisten Hirten und Lehrer unserer Zeit leben auf, wenn ihre Gemeine reich, freigebig, ihre Pfarrei erträglich ist, und die Leute mit ihnen zufrieden sind. Möchte es doch solcher Hirten, wie Paulus, mehrere geben, die ihr Leben und ihre Freude nur darin finden, wenn es um die Gemeine wohl steht in Hinsicht des lebendigen Glaubens und der wahren Gottseligkeit. Denn äußerlich hatte die Kirche zu Theffalonich keine guten Tage, keinen Glanz, keine Herrlichkeit, keinen Or­ nat, als Druck und Verfolgung.

9. Wie können wir Gotc genug danken eu­ rethalben für all die Freude, mit der wir uns freuen über euch vor unserm Gott. Wo sind derwärtigkeiten Leiden denken, ganz voll sind

die Evangelisten, die mitten unter Wi­ und Verfolgungen weder an ihr eigen noch Trost für sich selbst suchen, sondern von der Freude über das Wachsthum

I* Thessalonicher 3, 10—13.

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der Gläubigen, und nicht genug danken können für die Gnaden, die der Herr ihnen giebt? 10. Tag und Nacht flehen wir angelegent­ lichst, daß wir euer Angesicht sehen mögen, um vollends zu ersetzen, was eurem Glauben noch mangelt. 11. Gorr unser Vater und der Herr Jesus Christus lenke unsern weg zu euch. Er lobte schon immer ihren Glauben, und zwar die Thätigkeit ihres Glaubens, und doch sieht er noch Mängel, daß die Sache noch nichts Ganzes, und noch immer des Wachsthums fähig ist. Man muß im Glau­ ben nicht stille stehen und denken, setzt glauben wir ein­ mal, nun ist es gut; nein, es muß von Glauben zu Glauben gehen. Den Glauben lernt man nie aus. Der Apostel sieht, daß all seine Schritte und Tritte von Gott abhangen, darum seufzet er zu ihm, daß er seinen Gang dahin richte, wo sein Herz so gern wäre. 12. Euch aber erfülle und überfülle der Herr mit Liebe gegen einander und gegen alle, gleich der unsrigen gegen euch. Daran soll jedermann erkennen, daß eine Kirche Christi, ein Lehrstuhl Christi an einem Orte, in einer Stadt ist, wenn sich die Leute zärtlich lieb haben. Das ist das Zeichen, daß der Herr sein Haus, seine Gemeine da hat, verbundene, vereinigte Seelen, von denen selbst die Ungläubigen sagen müssen: Die Leute haben sich lieb. Und man kann nichts als Ursache avführen, daß es aus diesen oder jenen Vor­ theilen, noch aus leiblicher Verwandtschaft, noch weil es etwa Ehre brächte, geschähe; denn man hat vielmehr Schmach und Spott davon, und doch ist eine unzer­ trennliche Liebe vor den Augen der ganzen Welt unter ihnen, die immer fester wird. 13. Damit eure Herzen befestiget werden in Unsträflichkcit und Heiligkeit vor Gott, unserm Vater, bei der Ankunft Jesu Christi mir allen seinen Heiligen! Amen. Wie-kann ein Mensch seinen Weg unsträflich ge-

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i. Thessalonicher 4, i. 2.

hen, und ganz denken? Wie wird es in seiner Seele unschuldig und Jesushaft? Wenn er sich von Tag zu Lage, von Stund zu Stunde mehr Hineinseht, hineindenkt, hineinliebt, hineinglaubt, hineinbetet, hineinwünscht in die Person deß einigen, heiligen, unsträflichen Mannes, des Lammes ohne Fehl, des Meisters ohne Gleichen.

Das IV. Kapitel. 1. Uebrigens, Brüder! bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus, daß ihr eben so, wie ihr von uns angewiesen seyd zu wandeln und Gort zu gefallen, auch wirklich wandelt, da­ mit ihr immer vollkommener werdet, und die Prä­ zis mit der Erkenntniß verbindet; denn diese beide zu­ sammen machen einen Christen. Daran läßt man es aber gewöhnlich fehlen. Man ist zufrieden, etwas zu wissen, zu hören, zu reden vom Christenthume, ohne zu wandeln nach der Wahrheit, ohne wachsen $u wollen. Es giebt fromme Leute, die selbst das Wort Vollkom­ menheit, vollkommener werden, das Paulus hier braucht, fürchten und sich sorgfältig hüten, daß sie sich ja immer gleich bleiben und keinen Hahnenschritt weiter gehen, als es ihrem alten Adam beliebt. 2. Denn ihr wisset, welche Vorschriften ich euch gegeben habe durch den Herrn Jesus. Da die Apostel nichts lehrten und vorschrieben, als was sie von Christus und dem heiligen Geiste empfan­ gen haben, so kann man sie nicht verachten, noch ihre Lehre verwerfen, ohne den zu verachten und zu beleidi­ gen, in dessen Namen sie lehrten und handelten. Er erinnert sie daran, wie er ihnen gleich im An­ fang mit allem Ernste verkündigt habe, daß der Glaube

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i. Thessalonicher 4, i. 2.

hen, und ganz denken? Wie wird es in seiner Seele unschuldig und Jesushaft? Wenn er sich von Tag zu Lage, von Stund zu Stunde mehr Hineinseht, hineindenkt, hineinliebt, hineinglaubt, hineinbetet, hineinwünscht in die Person deß einigen, heiligen, unsträflichen Mannes, des Lammes ohne Fehl, des Meisters ohne Gleichen.

Das IV. Kapitel. 1. Uebrigens, Brüder! bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus, daß ihr eben so, wie ihr von uns angewiesen seyd zu wandeln und Gort zu gefallen, auch wirklich wandelt, da­ mit ihr immer vollkommener werdet, und die Prä­ zis mit der Erkenntniß verbindet; denn diese beide zu­ sammen machen einen Christen. Daran läßt man es aber gewöhnlich fehlen. Man ist zufrieden, etwas zu wissen, zu hören, zu reden vom Christenthume, ohne zu wandeln nach der Wahrheit, ohne wachsen $u wollen. Es giebt fromme Leute, die selbst das Wort Vollkom­ menheit, vollkommener werden, das Paulus hier braucht, fürchten und sich sorgfältig hüten, daß sie sich ja immer gleich bleiben und keinen Hahnenschritt weiter gehen, als es ihrem alten Adam beliebt. 2. Denn ihr wisset, welche Vorschriften ich euch gegeben habe durch den Herrn Jesus. Da die Apostel nichts lehrten und vorschrieben, als was sie von Christus und dem heiligen Geiste empfan­ gen haben, so kann man sie nicht verachten, noch ihre Lehre verwerfen, ohne den zu verachten und zu beleidi­ gen, in dessen Namen sie lehrten und handelten. Er erinnert sie daran, wie er ihnen gleich im An­ fang mit allem Ernste verkündigt habe, daß der Glaube

i. Thessalonicher 4, z —5.

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an Christus kein Sündendeckel sey, sondern daß er die Reinigung von Sünden wirke und den Menschen heilige.

3. Denn das ist Gottes Wille, eure Heili­ gung, daß ihr euch von der Hurerei enthaltet. Daran hat ein Christ genug, und fragt nicht lange, warum er dies oder das thun oder unterlassen soll; ge­ nug, der-Herr will es so. Was sind das für Christen, die nicht wissen oder nicht wissen wollen, was des Herrn Wille ist. Fraget den Apostel; wie kann ers euch deutlicher sagen, was Gottes Wille sey? Eure Heiligung — daß ihr, wie es Heiligen ziemt, heiliglich wandeln sollt vor Gottes Angesicht, wie Henoch und Abraham, wie Moses, der sich an den Unsichtbaren hielt, als sahe er ihn. Was ist aber die Heiligung anders, als daß man sich reinige von aller Befleckung des Fleisches und Geistes, alle Werke des Fleisches durch den Geist tödte, den alten Menschen aus, und Christum den neuen, Christi Sinn, anziehe. So erklärt sich Paulus selbst. 2. Kor. 7, 1. Röm. 8, 13. rc. Wie kann die Finsterniß mit dem Lichte Gemeinschaft haben. 1» Joh. 1. Gegen die Heiligung ist besonders die leibliche und geistliche Hurerei, die äußerlich grobe und die feine in­ nerliche, wo man sich vor den Ausbrüchen des Lasters hütet, die Lust und Begierde aber desto mehr von innen wüthet. Es kann aus der geistlichen, heiligen, brüder­ lichen, schwesterlichen Liebe, wenn man nicht wacht und aufrichtig gegen seine Lehrer ist, leicht eine unreine, hu­ rerische, abgöttische, und nach und nach grob fleischliche Liebe werden. Der Teufel weiß dies so zu färben und die Augen zu verblenden, daß er den Verblendeten weiß macht: dem Reinen ist alles rein. Wer in Ihm bleibt, kann nicht sündigen. Darum wachet und betet, daß ihr nicht in solche Versuchung fallet.

4. Daß jeder sein Gefäß, seinen Leib, in Heivgung und Ehren ZU erhalten wisse; 5. nicht in unreiner Lust, wie die Heiden, die Gott nicht

2$o

i. Thessalonicher 4, 6. 7.

kennen. Es ist unvereinbarlich, ein Kind Gottes, ein Glied am Leibe Jesu zu seyn, und zugleich leichtsinnig denken und handeln an sich und mit sich. Und das ist noch nicht genug, daß man beides nicht thut, sondern man muß gottesdienstlich handeln und seinen Leib an­ sehen als ein Opfer Gottes, daß, wenn du aufstehest oder zu Bette gehest, es dir nicht anders ist, als stän­ dest du vor Gottes Altar, und opfertest deine Hütte in priesterlicher Heiligkeit durch das Verdienst Jesu, der auch unsere Hütte getragen hat, dem Vater und dem heiligen Geiste, der in unserer Hütte als in seinem Tem­ pel wohnt. 6. Daß Niemand zu weit greife, und sei­ nen Bruder übervorrheile im Handel; denn der Herr ist Rächer von dem allem, und wird dieses nicht ungestraft lassen, wie wir euch vorher gesagt und bezeugt haben. 7. Denn Gott har uns nicht berufen zur U-rreinigkeir, sondern zur Hei­ ligung. Wir sollen heilig seyn, wie Er heilig ist. Wer in unreiner Lust dahin lebt, dem Rufe Gottes zur Heiligung nicht folgt, der kann auch nicht glauben, daß er zur Seligkeit berufen sey, sondern er glaubt der Schlange: „Gott will dich nicht selig haben, Er hat dich nicht erwählt." *) *) Wenn uns Jesus die alten Sünden vergeben hat, läßt man das Sündigen gern bleiben. Der heilige Geist versichert uns, daß uns unsere Sünden vergeben sind in seinem Namen, daß wir das Sündi­ gen lassen dürfen. Und damit wirds ganz anders im Herzen. Dem Hochmüthigen ist nichts ekelhafter als Ruhm und Ehre, dem Wollü­ stigen graut vor den Lüsten, der Träge erschrickt vor dem Müßiggänge, der Geizige bekreuzt sich vor dem Reichthum. Dieses Werk führt der Heiland vom ersten Tage an fort bis zum letzten Wir werden immer heiliger, gerechter, seliger Das Unheilige, das Böse macht der Herr nicht nach und nach gut, wie die Moralisten sagen, sondern es muß alles auf einmal verleugnet werden Der Heü land schwemmt alles Böse mit seinem Blute weg, unterdrückt eS mit seiner Kraft, zerstört das System der Sünde. Das Gute aber hat seine Grade. Der Mensch wird keuscher, des wüthiger, freigebiger; der Schuler wird zum Mann, und nach und nach gar zum Lehrmeister. Man lernt das Geheimniß der Heiligung immer inniger einsehen,

wird der Handgriffe durch Uebung immer gewohnter.

i. Thessalonicher 4, 8 — u.

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8. Derohalben, wer dies verachtet, und denkt, er habe die reine Lehre oder den Maul-Glauben; im Wandel und im Leben könne man es so genau nicht nehmen, der verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der uns auch seinen heiligen Geist gege­ ben hak; wie Ananias nicht den Petrus, sondern Gott, oder den heiligen Geist in Petrus betrogen hat. 9. Was die Bruderliebe betrifft, so habet ihr nicht nöthig, daß wir euch schreiben, und euch dazu viel ermahnen und treiben; denn ihr seyd selbst von Gott gelehrt, euch einander zu lieben. Augustin sagt, das sey das gewisseste Kennzeichen, daß man von Gott gelehrt sey, wenn man das auch thut, was man gelehrt worden ist. Wer aber nicht thut, was er weiß, der hat noch nichts von Gott gelernet, sondern weiß es nur nach dem Gesetze und Buchstaben, nicht nach der Gnade. 10. Und ihr thut es in der That gegen alle Brüder. (Das kommt mit dem Gesagten überein; sie waren von Gott gelehrt, darum thaten sie es auch wirk­ lich.) Nur bitten wir euch, Brüder! daß ihr im­ mer vollkommener werdet, und nicht glaubet, ihr dürftet nicht noch mehr lieben. Ein wahrer Christ wächst immer in allen Stücken und steht niemals still. Denn Stillstand ist Rückgang im innern Leben. Wer nicht zunimmt, der nimmt ab *). 11. Und daß ihr euch bestrebet, stille zu seyn, das Geräusch zu fliehen, eure Berufsgeschäfce zu treiben, und mir euren -Händen zu arbeiten, wie *) DaS muß das Streben einer jeden Christen-Gemeine seyn, sich zu bessern, das Mangelhafte zu ergänzen, und das nächste Jahr was besseres zu haben, als das vorige. Werden wir gleich niemals die höchste Vollkommenheit, die Gott allein ist und bleibt und allein blei­ ben muß, weil es ein Prärogativ der Gottheit ist, so können wir uns durch die allgenugsame Gnade, die Er uns in Christo darreicht, in3 infmitum (Unendliche) corrigiren, und immer ein bischen mehr vollen­ det, ganzer werden, als wir gewesen, und das kann und soll und muß bis zum Maaße des vollkommenen Alters Christi gehen» Wie lange das braucht, will ich nicht ausrechnen. Aber per salium (durch Doltigiren) gehtS nicht.

2zr

i« Thessalonicher 4, 12—14,

wir euch geboten haben, 12. damit ihr wohlanstän­ dig wandelt vor denen, die draußen sind (nicht außer der Pfarrei oder Stadt, sondern außer der Ge­ meinschaft, in der Welt und von der Welt, ohne Geist, Glauben und Leben), und Niemands bedürfet. Es ist also ein apostolisches Gesetz, was nicht nur zu Thessalonich, sondern in der ganzen christlichen Kirche beob­ achtet werden soll, daß man arbeite, den Müßiggang fliehe, sein Handwerk, sein Berufsgeschäft treibe, nicht aus Geiz, sondern um sich und andere zu nähren und wohlthätig seyn zu können. Wer, nachdem er sich be­ kehrt hat, nichts mehr arbeiten will, der macht dem Christenthume vor der Welt einen schlechten Namen, und giebt den Schein, als wolle er vom Schweiße an­ derer leben.

13. In Hinsicht der Entschlafenen, die da schlafen gehen mußten, wollen wir euch nicht in

Ungewißheit lassen, Brüder! damit ihr euch nicht so betrübet, wie die übrigen, die keine Hoffnung haben, und Christum weder in seinem Tode noch in seinem Leben kennen. „Lasset die weinen, die keine Hoff­ nung und keinen Glauben haben! Wer soll eine selige Seele betrauern," sagt Paulinus von Nola. Chrysostomus berichtet von den Mönchen seiner Zeit, unter denen er früher selbst lebte: „Man hört hier keine Klage; mit Gesänge begleiten sie die Abgeschiedenen, sie nennen dies Begleitung, nicht Bestattung. Und wenn berichtet wird, daß einer gestorben, verbreitet sich große Freude. Man sagt nicht, es ist Einer gestorben, sondern er ist vollendet worden. Dann danken alle Gott, und feder bittet um ein solches Ende, so den Kamps des Lebens zu überstehen, von Mühe und Kampf auszuruhen und zur Anschauung Christi zu gelangen. Wenn einer krank wird, erfolgen wieder keine Thränen und Klagen, sondern Gebet."

14. Denn wie wir glauben, daß Jesus ge­ storben und außerstande» ist, so wird Du »bet rede, was der gefunden Lehre gemäß ist. Der Prüfstein, daran wir die Lehren, die uns vorkommen, streichen und prüfen können, ob sie aus Gott und gesund sind, ist das Wort, die heilige Schrift. Wenn wir die nicht hätten, so wüßten wir hundertmal nicht, wie wir daran wären. 2. Daß die Alten nüchtern seyen, ehrbar, verständig, gesund irn Glauben, in der Liebe, in der Geduld. Ach wie viele Kranke und Krankheiten -im Glauben, in der Liebe, in der Geduld giebt es nicht! 3. Gleicherweise, daß die alten Frauen sich kleiden, wie eo -Heiligen ziemt, alß ehrwürdige Christ» liche Matronen, die der Heiligung nachstreben, Gott und nicht der Welt gefallen wollen; daß sie keine Teufcunneii seyen, die mit Verleumden und Lästern sich abgeben, nicht dem weine sich ergeben, oder über» Haupt nicht dem Trünke, es sey Bier oder Branntwein oder Kaffee rc.; daß sie Lehrerinnen des Guten seyen; 4. daß sie die jungen Weiber lehren, ihre Männer und Rinder lieben. Das Alter hat mehr Erfahrung, und also Bescheidenheit. Darum sollen alte Leute den jungen zu Hülfe kommen. 5. Sie sol­ len sie lehren, daß sie züchtig, keusch, nüchtern, häuslich, gütig, ihren Männern unterthänig seyen, damit das Wort Gorces nicht gelästert werde. Darauf hat jeder Christ besonders zu sehen, und des­ wegen ehrbar zu wandeln gegen die, die draußen sind. 6. Die Jünglinge ermahne, daß sie gesittet seyen, ihre jugendliche Hitze und Begierden bezähmen. Und damit Titus nicht meine, er habe sein Amt erfüllt, wie man heutzutage glaubt, man habe das Seinige gethan, wenn man die Leute auf der Kanzel, im Beichtstühle zum Guten anhalte, mehr könne man nicht thun, so

TituS 2, 7—A.

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fährt Paulus fort: 7, In allen Stöcken stelle dich selbst als ein Vorbild guter Werke dar; denn das ist eigentlich das Amt eines christlichen Lehrers« Die Lehre trage unverfälscht und mit würde vor, ohne auf Ansehen der Person zu schauen; 8. als ein gesundes, unradelhaftes Wort, damit der XOU dersacher beschämt werde, und uns nichts Böses Nachreden könne; und weil alle unsere Sachen, die nichts taugen, auch auf den Heiland zurückfallen, auch Ihm zu keiner Ehre gereichen, und Er mit feder Un­ anständigkeit seiner Leute selbst prostituirt ist« Wir müssen es also genau nehmen, nicht darum, weil wir ein so scharfes Gesetz, weil wir Strafe zu fürchten hät­ ten, sondern weil die Ehre unsers Herrn so genau mit der unsern verknüpft ist; weil wir uns nicht rühren und rücken können, oder es geschieht zu seinem Nachtheile und zu seiner Schande. Das ist eigentlich unser Gesetz, der Drang und das Triebwerk, das hinter uns drein­ geht, wie eine lebendige Peitsche. Es ist weder Furcht vor Gefahr, noch Drohung, sondern eine Ueberzeugung, was Er um unserer Sünden willen schon gelitten hat, und was Er um unsers Leichtsinnes willen sich muß nachreden lassen von seinen Widersachern, von dem äu­ ßerlich geduldeten, innerlich verworfenen Feinde. David hat es auch zum Beweise gebraucht, warum ihn der Heiland nicht lassen könne: „Damit sich mein Feind nicht rühme, er sey mir Herr geworden, und mein Wi­ dersacher sich nicht freue, daß ich darniederliege." Denn das ist der heimliche Holm, der nicht nur dem Zeuge Gottes, sondern Gott selbst gesprochen wird, da Belial sich damit einen vergnügten und guten Tag macht. Mit was denn? Mit unserm Unganzseyn, mit unserm Leichtsinne, mit unsern Gebrechen, die der Heiland längst geheilt hätte, wenn wir darauf gemerkt hätten. 9. Die Rnechke ermahne, ihren -Herren un« terthänig und in allem gefällig zu seyn, so weit nämlich Herren zu befehlen haben; nicht zu wider»

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Titus 2, io—12.

sprechen, aus Eigensinn oder Eigenwillen; 10. nichts zu entwenden, auch nicht das Geringste, sondern in allem Treue und Redlichkeit zu beweisen, und alle Sachen ihrer Herren so gut zu besorgen, als wenn sie ihre eigenen wären, damit sie die Lehre Gortes, unsers -Heilandes, in allen Stücken zieren, durch ihren Wandel und durch ihr Verhalten. So kommt eß im ganzen Christenthume auf das Leben und den Wandel an; wer anders lehrt und anders lebt, der schändet die Lehre des Heilandes. Wer aber lebt, wie er lehrt und glaubt, der ziert die Lehre, der macht ihr Ehre. 11. Denn es ist die Gnade Gottes, unsers -Heilandes, allen Menschen erschienen. Wir sehen also, was der ganzen Welt im Wege steht, sowohl al» len Bösewichtern und Ungläubigen in allen Nationen, allen Wilden, allen Halbthieren, allen Menschenfressern, als allen honetten Leuten, allen Vornehmen und Ge­ ringen, allen Gelehrten und Laien, allen Gottesdienst­ lichen und allen Spöttern, allen Bestien und allen Tu­ gendhaften, allen Philosophen und blöden Gemüthern, mit einem Wort, Allen, die nicht selig werden; was denn? Nichts als der Unglaube. Denn Christus ist für alle dahingegeben, ist für alle gekommen, für alle gestorben, damit alle, die an Ihn glauben, nicht verloren gehen, son­ dern selig werden. 12. Und züchtigt uns, daß wir die Gottlosigkeit, alles gottlose Weseh, und die welt­ lichen Lüste verläugnen, und sittsam und gerecht und gottselig in dieser welk leben. Das ist die allgemeine zuvorkommende Gnade, welche als ein Same der Gerechtigkeit Christi in aller Menschen Herzen gesäet wird, ohne all ihr Zuthun und Wissen, die sich bei jedem reget, die allen in alle Winkel nachgeht Tag und Nacht, und allen zuruft: Kehre wieder, du ab­ trünniges Schäflein; komm in meine Arme, laß dich finden, daß du durch mich selig werdest! rc. Die Er­ scheinung oder den Rus dieser Gnade in unserm Herzen

TituS 2f 12.

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müssen wir in Acht nehmen und uns mit ihr vereint'« gen, sie aufnehmen und einlaffen; so lehrt und stärkt sie uns mit demüthiger Erkenntniß, daß wir uns nicht selbst helfen können. Was hülfe es uns, wenn in Gott noch so viele Gnade wäre, aber uns nicht er­ schiene? Und was hilft das Erscheinen, wenn wir sie nicht annehmen, nicht genießen? Eine Seele, die nicht falsch, leichtsinnig und kein boshafter Feind Gottes ist, kann gleich diese Stunde Gnade erhalten, und die Kraft des Blutes Christi er­ fahren zu ihrer Versöhnung, sie mag seyn, wer sie will. Denn die Gnade erscheint allen wie die Sonne; wer die Augen öffnet, genießt ihre Strahlen, ihr Licht, ihre Wärme. Sobald wir auf Christum am Kreuze recht blicken, und der Strahl seines Verdienstes uns recht ins Auge blitzt, so ist gleich alles weg, aller Fluch und alle Verdammung, alle Kraft und Herrschaft der Sünde. Man wird bei dem Glauben an Christus gleich so gerecht, heilig und selig, daß man seines Le­ bens erst froh wird. Da lehrt .und zeigt einem die Gnade so viel, daß man nicht genug hören und ler­ nen kann. Die zuvorkommende Gnade macht den Leuten ost so angst und bange über dem Bösen und ihrem irdi­ schen Sinne, daß sie hin- und herlaufen und Trost su­ chen, daß sic meinen, es seyen schändliche Anfechtungen des Feindes, und sorgen, sie müßten verzweifeln. Fal­ sche Lehrer suchen dann die Leute mit ihren guten Wer­ ken zu trösten, und machen ihnen weiß, sie wären nicht so böse; sie sollten diesen teuflischen Eingebungen kein Gehör geben. So wird der Mensch wieder sicher, leichtsinnig. Laßt sich aber der Mensch durch die Angst zu Christo treiben, indem er an sich selbst verzagt, und sich ganz der Gnade in Christo ergiebt, so wird er die wahre Ruhe erhalten. Die Gnade unterweiset, züchtiget, straft, wie eine gute Mutter innerlich und äußerlich; sie leitet bei der

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Titus 2, 13, 14.

Hand zur wahren Besserung; sie verleidet alle Lust und Liebe zur Sünde, und giebt Anleitung zu einem heili­ gen göttlichen Leben. Und wenn sie uns gerecht und selig gemacht hat, so lehrt sie uns auch 13. entgegenharren der seligen Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gortes und unsers Heilandes Jesu Christi. Wenn ein­ mal die herzliche Freundschaft mit dem Heilande zu Stande gekommen ist, so ists einem, als könnte man es nicht ertragen, ohne Ihn selbst da zu haben, aber ungesehen; Er läßt uns nicht viel thun, da Er nicht mit angriffe. Aber die Freude, die Ersättigung, die Geist, Seele und Leib von seinem Anblicke und von seiner unwidersprechkichen Gegenwart haben würden, stellt man sich doch billig sehr groß vor. Daß Er sich seinen Leuten so nahe machen kann, davon sind seit seiner Auferstehung Beispiele genug vorhanden. Er hat an dem Sehnen und an den Thränen unserer Herzen nach Ihm sein Vergnügen. Was Er einmal den Seelen, die keinen Tag ohne das Verlangen ihres Her­ zens nach Ihm hinbringen können, für einen freundli­ chen und gnädigen Blick geben wird, das kann man sich leicht verstellen. 14. Wie kann aber der Gnade haben, der nicht von ganzem Herzen den liebt, welcher uns so hoch geliebet, daß Er sich selbst für uns hingegeben hat in die äußerste Schmach und alles Elend, auch endlich in den Tod des Kreuzes, damit Er uns erlösece von aller Ungerechtigkeit, und uns reinigte zu seinem eigenthümlichen Volke, das eifrig in au» un w-rk-n wärDaS ist also die Erlösung, nicht daß Er uns die Freiheit zu sündigen und in eigenen Wegen zu wan­ deln erworben hätte, nicht daß Er alles für uns ge­ than hätte, daß wir nichts thun dürften, sondern daß wir ein Volk sein sollten, frei und rein von aller Un­ gerechtigkeit, und eisrig in guten Werken» Daß wir

TituS 2, iz.

3, i« 2.»

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das seyn können, das hat Er uns erworben» Wir waren gefangen und gebunden in der Sünde und Un­ gerechtigkeit, in der Neigung zum Bösen, im Unver­ mögen, etwas Gutes zu thun; von dieser Gefangen­ schaft hat Er uns erlöset, und uns die Freiheit erwor­ ben, die freie Macht und Gewalt, Kraft und Lust, ganz nach seinem Herzen zu wandeln und zu handeln. 15. Dies lehre und schärfe ein und weise sie zurecht mit allem Nachdrucke; diese rechtfertigende, reinigende und heiligende Gnade, die allen Menschen erschienen ist, verkündige laut und lade sie dazu ein. Niemand müsse deine Jugend verachten. Mache dich nicht verächtlich oder verachtungswürdig. Halte dich unsträflich, männlich, daß dich niemand verachte und damit auch das Wort gering schätze.

Das ui. Kapitel. 1. Erinnere sie, den -Herrschaften und Obrig­ keiten unrerrhan zu seyn, zu gehorchen, zu allen guten werken bereit zu seyn. Wer sich vor Ge­ spenstern fürchtet, und verachtet die Obrigkeit, der ist gewiß kein Kind Gottes, der hat gewiß keinen geistli­ chen Kopf. Denn die eine Obrigkeit, die Obrigkeit der Finsterniß, hat nichts mehr zu prätendiren. „Er hat uns errettet von der Obrigkeit oder Gewalt der Fin­ sterniß." Kol. 1, 33. Aber die Civil-Obrigkeit steht noch in allen ihren Rechten, und die Zeit, da Er auf­ heben wird alle Obrigkeit und Gewalt, wovon in der Bibel steht, ist so nahe an der gänzlichen Verwand­ lung und Verklärung seiner Haushaltung, daß, wer schon jetzt daran denken wollte, nicht bei Sinnen wäre. 2. Niemand zu lästern, nicht streitsüchtig, sondern vertragsam zu seyn, und alle Sanfrmukh

TituS 2, iz.

3, i« 2.»

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das seyn können, das hat Er uns erworben» Wir waren gefangen und gebunden in der Sünde und Un­ gerechtigkeit, in der Neigung zum Bösen, im Unver­ mögen, etwas Gutes zu thun; von dieser Gefangen­ schaft hat Er uns erlöset, und uns die Freiheit erwor­ ben, die freie Macht und Gewalt, Kraft und Lust, ganz nach seinem Herzen zu wandeln und zu handeln. 15. Dies lehre und schärfe ein und weise sie zurecht mit allem Nachdrucke; diese rechtfertigende, reinigende und heiligende Gnade, die allen Menschen erschienen ist, verkündige laut und lade sie dazu ein. Niemand müsse deine Jugend verachten. Mache dich nicht verächtlich oder verachtungswürdig. Halte dich unsträflich, männlich, daß dich niemand verachte und damit auch das Wort gering schätze.

Das ui. Kapitel. 1. Erinnere sie, den -Herrschaften und Obrig­ keiten unrerrhan zu seyn, zu gehorchen, zu allen guten werken bereit zu seyn. Wer sich vor Ge­ spenstern fürchtet, und verachtet die Obrigkeit, der ist gewiß kein Kind Gottes, der hat gewiß keinen geistli­ chen Kopf. Denn die eine Obrigkeit, die Obrigkeit der Finsterniß, hat nichts mehr zu prätendiren. „Er hat uns errettet von der Obrigkeit oder Gewalt der Fin­ sterniß." Kol. 1, 33. Aber die Civil-Obrigkeit steht noch in allen ihren Rechten, und die Zeit, da Er auf­ heben wird alle Obrigkeit und Gewalt, wovon in der Bibel steht, ist so nahe an der gänzlichen Verwand­ lung und Verklärung seiner Haushaltung, daß, wer schon jetzt daran denken wollte, nicht bei Sinnen wäre. 2. Niemand zu lästern, nicht streitsüchtig, sondern vertragsam zu seyn, und alle Sanfrmukh

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Titus 3, 3.

zu beweisen gegen alle Menschen. Man kann die Leure nid)t sanftmüthig nennen, die es nur in Einem Stücke, nur gegen einige Menschen sind; in andern Stücken aber und gegen gewisse Menschen gar leicht gestört, unmuthig und gedrückt sind. Der Heiland for­ dert eine durchgängige Gemüths-Stille und Sanftmuth in allen Dingen und gegen alle Menschen, auch gegen todte, rohe und ungesi,lachte Menschen. Man muß sie lieben und ihnen dienen, zur Hand gehen; man sieht sie als seine Mitmenschen an, und weiß, daß man sich ihnen schuldig ist; besonders, wenn man denkt, daß sie verloren gehen, so sucht man ihnen ihr elendes Le­ ben zu erleichtern, so viel man kann. Man denkt von einem Gläubigen: Du hast den Heiland; und von ei­ nem natürlichen Menschen: Du hast nichts. Und dar­ um ist das Erbarmen, die Zärtlichkeit, die Liebe und Sanftmuth gegen solche unglückliche Menschen doppelt groß. Gegen Leute, welche die melancholischen, finstern Philosophen, oder die stolzen, heiligen Pharisäer gott­ lose und böse Leute nennen, die sie hart behandeln und von sich stoßen, gegen die ist ein Kind Gottes nach­ gebend, geduldig, freundlich und sanft; alle ihre Ver­ gehungen trägt man, und das geringste Gute, das man an ihnen sieht, freut einen, weil es einem Hoffnung macht, es werde Gnade seyn. Man setzt sich nicht hochmüthig über natürliche Leute weg; denkt auch nicht: Gott! ich danke dir, daß ich nicht bin wie diese Leute; man denkt vielmehr: Kennte er nur seinen Heiland, hätte er nur Gnade, er wäre treuer, als ich; und das macht einen demüthig, sanftmüthig, freundlich und langmüthig gegen jedermann.

3. Denn «ud? wir waren ehedem unverstän­ dig, ungläubig, irrend, Sklaven von mancherlei Begierden und Wollüsten; wir wandelten in Bosheit und Neid, waren hassenswerch und ge­ hässig gegen einander. Das ist das elende, jäm­ merliche Bild von einem Menschen außer Christo, der

Titus Z, 4V

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nach Gottes Bild geschaffen war, aber des Teufels Bild geworden ist durch die Sünde. Bei einem Chri­ sten aber soll es heißen: wir waren so. Aber jetzt heißt es leider fast bei allen Christen, wenn sie die Wahrheit reden wollen: „wir sind es noch; wir sind unverständig in geistlichen Dingen, unerleuchtet in Sa­ chen Les Heiles, ungläubig an Gottes Wort und Jesu Verdienst; wir thun, was unsere Begierden und Küste haben wollen; wir wandeln in Bosheit und Neid; wer wider unsere väterliche Gewohnheit redet, den ver­ folgen wir; wer etwas Gutes thut oder redet, den mei­ den und lästern wir. Wir Haffen, was gut ist, und lieben, was haffenswerth ist." So steht es bei den mei­ sten sogenannten Christen. 4. Da aber die Güte und Menschenfreund» lichkeic Gottes unsers -Heilandes erschien, —■ so sollte sie ja billig alle Menschen zur Sinnesänderung bewegen. Die Erscheinung des Heilands in der Welt war nicht nur eine Aufforderung und freundliche Ein­ ladung an alle Sünder zur Sinnesänderung, sondern eine liebreiche Handreichung und Hülfsleistung, wodurch sie können, wenn sie wollen. Schon im Namen liegt es: Jesus oder Heiland. Wer Ihn bei seinem rech­ ten Namen unter uns Deutschen nennt, der heißt Ihn Heiland, Seligmacher. Als solcher ist Er erschienen, und als solcher beweist Er sich. Der heilige Geist hat Ihn als solchen geprediget, und prediget Ihn auch noch so der ganzen Welt als den Erlöser von Sünden, und bis an seinen Tag geht es in Einem Erlösen fort. Der Haupthandel, den der heilige Geist mit dem Menschen hat, ist, daß sie glauben sollen, daß sie Sün­ der sind, wie sie im vorigen Verse beschrieben sind, und daß die Sünde der Leute Verderben ist, daß ein jeder über seine Sünden betrübt werden soll, und daß, wer seine Sünden recht kennen und Haffen lernt, wissen soll, daß ein Heiland, ein Erretter von Sünden erschienen sey, der Jesus heißt. Gott hat seinen Sohn nicht in

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TituS z, 4.

die Welt gesandt, daß Er die Welt richte, sondern daß die Welt durch Ihn selig werde. Darin liegt die Menschenfreundlichkeit und Güte Gottes, die uns in Jesu erschienen ist. Wer den Leuten weiß macht, daß sie bei allem ihren Sündigen selig sind, wenn sie nur mit dem Munde glauben, der ist ein Betrüger. Da­ von heißt es in den Propheten: Deine Seligpreiser verführen dich. Jes. 3, 12. Die aber lehren, man müsse zuvor fromm werden, um zu Christo zu kommen und selig zu werden, die sind betrogen. Ihr habet Christum verloren, die ihr durchs Gesetz selig werden wollet, und seyd von der Gnade gefallen. Gal. 5, 4. Wer aber sagt: „Ihr armen Menschen! ihr fresset, saufet, zürnet, stehlet, huret freilich, so lange ihr müs­ set ; ihr hütet euch nur, daß ihr der Obrigkeit nicht in die Hände fallet. Ich will euch einen Rath geben: Lasset euch doch dabei nicht wohl ums Herz seyn, son­ dern denket lieber: Wir sind doch gar zu elende Leute; wir sind geplagter, als das Vieh; wir sind die un­ glückseligsten Kreaturen! Murret über eure Sünden; lasset sie euch einmal leid seyn; haltet sie für Gräuel in euren Augen, wie sie es vor Gott sind. Und wenn ihr darunter seufzet, als unter einer Last, so sprechet zu Ihm: Rette mich von meinem Widersacher! und wenn ihr höret, ihr sollet glauben, so sprechet: Ich glaube, Herr.' hilf mir wider meinen Unglauben! Ihr wisset, daß ein Mann erschienen ist auf Erden, der darum Jesus, Heiland heißt, weil Er ein Seligmacher seines Volkes ist, seiner Kinder, aber auch der ganzen Welt. Der wird euch menschenfreundlich, gütig auf­ nehmen; Er ist gar ein leutseliger Herr; der wird euch von eurem hurerischen, versoffenen, neidischen Sinne los- und aus eurem verdammten, verlornen Zustande herausreißen; Er wird euch, wie ihr seyd, um den Hals fallen, euch segnen; Er wird sich freuen über sein ar­ mes verlornes Schäflein, das sich wieder hat finden lassen, und wird euch weder euer Saufen, noch euer

Titus Z/ 5.

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Huren, noch euer Stehlen, noch alle eure Unordnun­ gen vorwerfen, sondern Er wird fragen: Was willst du, daß ich dir thun soll? Sprechet ihr: Herr! ich möchte gerne selig seyn; aber ich armer, wüster Mensch darf nicht vor dir erscheinen; du wirst mich nicht anseen und anhören. Komm nur, wird Er sagen, du Vlst frei seyn von deiner Plage; deine Sünden sind ^vergeben; glaube nur und folge mir nach!

Das ist die Procedur, das Verfahren des mensche>-eundlichen Gottes und Heilandes, der allen Menr9en u gut erschienen ist; so macht es der Heiland. Darum kxjßt Er so. So nennen wir Ihn; auf die Art verl^En wir Ihn, besonders im Anfänge unserer Begnadig^. ^enn hje Nachschulen gehen dann ihren avn8j°rt* Nur erst gerechtfertigt, darnach gcheiliget! D>e Er gc^^ macht, die macht Er auch heilig, le Kor. 1/ o 5? “ ^har Er nicht um der N-erke der

Gerechtigkeit gtt^An ^ben, sonöern uach len. Barmherzigkeit uns selig ge­ wacht durch va^ad Oet. Wiedergeburt und der Erneuerung des^^j^en Geistes. Das ist also eine ausgemachte S^. roer ist, ist es nicht aus sich selbst und durch „e gßerfc, sondern aus Barm­ herzig e,t durch daö tl^ Verdienst Jesu. Unser Heil unö Seligkeit quillt nicht aus uns und unsern-Werken Indern ist in dem Ab­ grunde der Barmherzig?« @Dtteg suchen. Diese tystt uns aus dem tiefen ^derben herausgeholt, ehe wir etwas Gutes thun ton^ pe h§t uns erst wie­ dergeboren, da wir todt wa Sünden; dann gebadet, gewaschen, gereimget man ^erst geboren f^n mwf / ma” kann; denn im Muner-Le.be pflegt fern Kmd zu werden, das Bad kommt nach der Geburt), r, erneuert durcb den heiligen Geist, neue Augen, neue^ n(UC H„z.n gegeben. Erweckt oder wiederzeb^ bct Mensch,

Z82

Titus 3, 6. 7.

sobald er fein Verderben erkennt, sich als Sünder fühlt (denn ein Todter fühlt, sieht und erkennt ja nichts); da ist er aber noch nicht rein; er muß erst ins Bad des Blutes Jesu; er fühlt die Ketten und Bande; ist aber noch nicht frei. Das muß er erst werden durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung des heiligen Geistes, 6. welchen Er reichlich über uns ausgegoffen har durch Jesum Christum unsern -Herrn. Diese Ausgießung ist die wahre Taufe und das Bad der Wiedergeburt. Darum wird jede Seele bei ihrer Bekehrung am dringendsten angehalten; denn ehe sie einen neuen Geist hat, kann sie nicht neu wer» den, den alten Menschen nicht ausziehen. Aber sie wird, wenn sie anhält mit Gebet, reichlich damit über­ schüttet und getranket, wie mit einem Strome. Und das geschieht durch Jesum und um Jesu willen, weil Er es uns erworben und verdienet hat durch die Kraft seines Verdienstes. 7. Damit wir gerecht gemacht durch seine Gnade, Erben des ewigen Lebens seyen, nach der -Hoffnung. Es ist also und bleibt alles Gnade und Barmherzigkeit, vom Anfänge bis zum Ende; nicht aus Verdienst, nicht um der Werke willen sind wir ge­ recht und selig und Erben, sondern aus Gnade, durch seine Gnade. Darum sagte der Heiland: Wir sollen, wenn wir alles gethan hätten, und ganze Heilige