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German Pages 360 Year 2017
Vera Allmanritter Audience Development in der Migrationsgesellschaft
Vera Allmanritter (Mag.A., M.A.), Politikwissenschaftlerin und Kulturmanagerin, arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim sowie als selbstständige Kulturmanagerin in Berlin. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Kulturmanagement, Kulturmarketing, Audience Development und Kulturbesucherforschung.
Vera Allmanritter
Audience Development in der Migrationsgesellschaft Neue Strategien für Kulturinstitutionen
Dissertation an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, 2016, unter dem Titel »Migranten als Publikum von Kulturinstitutionen. Eine exemplarische Betrachtung des Kulturnutzungsverhaltens des Intellektuell-kosmopolitischen Migranten-Milieus von Sinus«.
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Inhalt
Danksagung | 7 1.
1.1 1.2
Einleitung | 9 Vorgehensweise der Arbeit | 18 Aufbau der Arbeit | 20
2.
Audience Development: strategisches Gewinnen und Binden (neuen) Publikums | 23
2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.5 2.6
Grundverständnis von Audience Development | 23 Historische Entwicklung von Audience Development | 26 Audience Development in Großbritannien | 26 Audience Development in den USA | 30 Audience Development in Deutschland | 33 Grundvoraussetzungen von Audience Development-Strategien | 38 Audience Development als Organisationsphilosophie | 38 Zielsetzungen von Audience Development(-Strategien) | 41 Kernbestandteile von Audience Development-Strategien | 48 Der Strategie-Begriff | 49 Analyse der Ausgangssituation der Kulturinstitution | 51 Strategien für ein mehrdimensionales Strategieprofil | 55 Kulturmarketing und Kulturvermittlung im Zusammenspiel | 71 Schwerpunkt: Abbau von (potenziellen) Besuchsbarrieren | 75 Evaluation | 80 Audience Development-Prozessmodell | 86 Zwischenfazit | 88
3.
Audience Development in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund | 93
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1
Stand der Audience Development-Forschung | 97 „Cultural diversity and audience development“ in Großbritannien | 98 „Attracting diverse audiences“ in den USA | 101 „Interkulturelles Audience Development“ in Deutschland | 103 Erkenntnisse aus der Besucherforschung | 106 Fokus: Kulturnutzer mit Migrationshintergrund nach geografischer Herkunft | 109
3.2.2 Geografische Herkunft – Überblick über die aktuellen Erkenntnisse | 113 3.2.3 Fokus: Kulturnutzer mit Migrationshintergrund nach sozialen Milieus | 128 3.2.4 Beschreibung der Sinus-Migranten-Milieus | 136 3.3 Offene Forschungsfragen der Besucherforschung | 145 4.
Konzeption der empirischen Studie | 149
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7
Fragestellung und Forschungsthese | 149 Ein ,̧passendesʻ Milieu-Modell: Die Sinus-Typologie | 151 Grundgesamtheit | 153 Erhebungsmethode | 155 Mehrstufige Stichprobenziehung | 156 Erhebungsinstrumente | 157 Analyse | 158
5.
Ergebnisse der empirischen Studie | 161
5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5
Strukturdaten der Stichprobe | 161 Das Kulturnutzungsverhalten der Befragten – Detailergebnisse | 164 Einfluss von Herkunftskultur, Identität und kultureller Bildung | 164 Produkt- und Servicepolitik | 178 Kommunikationspolitik | 216 Preis- und Distributionspolitik | 250 Besuchsbarrieren bzw. -anreize | 260
6.
Fazit und Ausblick | 285
Kernergebnisse der Studie | 286 Ergebniszusammenfassung | 295 Implikationen für Audience Development-Strategien | 298 Anregungen für die zukünftige Audience Development-Forschung | 301 6.4.1 Zukünftige Audience Development-Strategien | 301 6.4.2 Eine neue und übergreifende Zielgruppenbildung | 305 6.1 6.2 6.3 6.4
Literaturverzeichnis | 311
Danksagung
Ausdrücklich danken möchte ich Prof. Dr. Armin Klein vom Institut für Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Sein stetiger konstruktiver thematischer Input und seine Unterstützung in fachlichen sowie organisatorischen Fragen haben entscheidend zum erfolgreichen Gelingen der dieser Veröffentlichung zugrunde liegenden Dissertation beigetragen. Ein besonderer Dank gilt auch Prof. Dr. Jürgen W. Falter vom Institut für Politikwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der die Arbeit als Zweitgutachter mit vielen wertvollen Hinweisen begleitet hat. Mit unserem inzwischen fünfzehn Jahre andauernden Austausch und unserer langjährigen Zusammenarbeit hat er auf meinen beruflichen Weg starken Einfluss ausgeübt. Danken möchte ich zudem der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg für meine Förderung durch das Stipendium nach dem Landesgraduiertenförderungsgesetz Baden-Württemberg und vielfältige weitere Fördermittel. Zu großem Dank verpflichtet bin ich den vielen Einzelpersonen und Institutionen, die mich bei der Suche nach Interviewpartnern für diese Arbeit unterstützt haben, sowie den Personen, die mir für Interviews zur Verfügung standen. Ohne die breite Unterstützung bei der Befragtensuche und die große Bereitschaft der Interviewpartner zur Teilnahme an einem aufwendigen Befragungsprozess wäre diese Studie nicht möglich gewesen. Unabhängig von den Forschungsergebnissen habe ich im Rahmen der Interviews sehr interessante Menschen kennengelernt, deren Perspektive auf das Themenfeld der Untersuchung, aber auch auf das Leben an sich, mich sehr bereichert hat. Ein ganz besonderer Dank gebührt meiner Familie und meinen Freunden, die ebenfalls maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen und mich durch diese besondere Zeit begleitet haben. Berlin im November 2016, Vera Allmanritter
1. Einleitung
In der Bundesrepublik Deutschland leben seit jeher viele Menschen unterschiedlichster Herkunft1 – dennoch sind Menschen mit ausländischen Wurzeln erst seit Beginn des neuen Jahrtausends als (potenzielles) Publikumssegment sowohl im wissenschaftlichen Diskurs des Forschungsfelds „Kulturmanagement“ als auch in strategischen Überlegungen von hiesigen öffentlichen Kulturinstitutionen 2 präsent. Erst seit sich Deutschland im Zusammenhang mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts und der Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes offiziell zu seiner Rolle als Einwanderungsland bekannt hat, beschäftigen sich die deutsche Politik und der Kunst- und Kulturbereich ernsthaft und intensiv mit der Frage, wie mit in Deutschland lebenden Migranten3 und ihren Nachkommen umgegangen werden könnte und sollte.4 Mit der Einführung der Kategorie „Personen mit Migrationshintergrund“ 5 in die bundesweite Repräsentativstudie
1
In die Einleitung flossen textlich überarbeitete und erweiterte Versionen von bereits veröffentlichten Texten der Autorin zum gleichen Thema ein (siehe Allmanritter 2014a; 2014b; 2014c; 2014d).
2
Der Fokus dieser Arbeit liegt auf öffentlich geförderten Kulturinstitutionen. Dies soll jedoch nicht andeuten, dass das behandelte Themenfeld für nicht öffentlich geförderte Institutionen und/oder Kulturangebote, die nicht institutionell sind und/oder für nicht der Hochkultur zuzuzählende Kulturangebote keine Relevanz hat.
3
Aus sprachökonomischen Gründen wird in dieser Arbeit auf spezifische Genusmarkierungen verzichtet. Die verwendeten Markierungen beziehen sich ausdrücklich auf beide Geschlechter.
4
Siehe hierzu bspw. Meier-Braun/Weber 2013; Hell 2005; Storz/Reisslandt 2002.
5
Hierzu zählen laut Definition aus dem Jahr 2005 des Statistischen Bundesamts „alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche
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„Mikrozensus“ des Statistischen Bundesamts im Jahr 20056 wurde jenseits der reinen Ausländerstatistiken belegt, was bereits zuvor für jeden sichtbar war: Es konnte kaum noch von unbedeutenden Minderheiten gesprochen werden. In deutschen Großstädten war der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund bereits im Jahr 2005 hoch. Die Top 3 damals waren: Stuttgart: 40,1 %, Frankfurt/Main: 39,5 %, Nürnberg: 37,3 % – ein Anteilswert, der seit Jahren ansteigt.7 Der aktuellste Report der OECD aus dem Jahr 2016 bescheinigt, dass die Zuwanderung in den letzten Jahren in kaum einem anderen Industrieland so deutlich gestiegen ist wie in Deutschland – das Land ist derzeit neben den USA das attraktivste Einwanderungsland unter den OECD-Staaten.8 Im Juli 2015 wurde durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Rekordhoch an gestellten Asylanträgen seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland vermeldet, und auch bis Mitte des Jahres 2016 wurde weiterhin eine hohe Anzahl entsprechender Anträge gestellt.9 Ab etwa dem Jahr 2000 taucht in Deutschland die Frage auf, inwieweit mit diesem Themenfeld und mit Menschen mit Migrationshintergrund als (potenziellem) Kulturpublikum umgegangen werden könnte, mit steigender Tendenz in Form von Tagungsthemen und/oder -beiträgen im weiteren Feld der Kulturpolitik und des Kulturmanagements. Doch auch wenn die Fragestellung bereits damals ganz offensichtlich hochaktuell war – die hiesigen öffentlichen Kulturinstitutionen hielten sich mit diesbezüglichen Aktivitäten zunächst eher zurück. 10 Erst seit Mitte der Nullerjahre lassen sich einzelne Annäherungen an diese (neu entdeckten) gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, Versuche einer größeren sogenannten „interkulturellen Öffnung“11 und eine Annäherung an diese (neue) Zielgruppe feststellen: In der „Statistischen Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland“ des Instituts für Museumsforschung wurde im Jahr 2006 abgefragt, inwieweit gezielte Angebote für die Bevölkerungsgruppe der „ausländischen Mitbürger“ offeriert wurden (bspw. spezifische AusstellunGeborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil“, Statistisches Bundesamt (2009: 6). 6
Vgl. Statistisches Bundesamt 2009: 5 f.; siehe bspw. auch Mannitz/Schneider 2014.
7
Vgl. Alscher 2015; Engler 2012; Statistisches Bundesamt 2009: 8.
8
Vgl. OECD 2016: 15.
9
Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016b; 2015.
10 Vgl. Allmanritter/Siebenhaar 2010: 9. 11 Zu einer Reflexion des Begriffs „interkulturelle Öffnung“ sowie zu „Interkulturalität“ in Abgrenzung zu anderen Gesellschaftskonzepten wie „Multikulturalität“ und „Transkulturalität“ siehe bspw. Göhlich (2013); Griese/Marburger (2012); Handschuck/Schröer (2011); Foitzik (2008).
E INLEITUNG
| 11
gen oder museumspädagogische Programme). Dies war zwar in etwa 19 % der befragten Museen der Fall, doch dabei handelte es sich überwiegend um projektbezogene Angebote. Kontinuierliche Maßnahmen oder Bestandteile des regulären Programms waren noch die Ausnahme.12 Innerhalb der Studie „Migranten als Publikum in öffentlichen deutschen Kulturinstitutionen – Der aktuelle Status Quo aus Sicht der Angebotsseite“ des Zentrums für Audience Development der Freien Universität Berlin im Jahr 2008 gaben 55,2 % der befragten Kulturinstitutionen an, dass sie sich mit dem Themenfeld beschäftigten (wenn auch Großteils nicht intensiv). Weitere 15,5 % taten dies bislang nicht, aber hatten es vor. Den Stellenwert dieser Zielgruppe innerhalb der nächsten fünf Jahre schätzten 55,8 % der Institutionen als gleichbleibend ein, 43 % prognostizierten sogar eine Steigerung. Gerade einmal 1,2 % der Kulturinstitutionen erwarteten eine Abnahme des Stellenwerts.13 Und in der Infrastrukturerhebung „Lernorte oder Kulturtempel“ des Zentrums für Kulturforschung unter klassischen Kultureinrichtungen zu (kulturellen) Bildungsangeboten im Jahr 2009 wurde festgestellt, dass nur ca. 15 % der befragten Einrichtungen Bildungsangebote offerierten, die sich explizit an die Bevölkerungsgruppe der „Migranten“ richteten.14 Inzwischen gehört das Thema zwar anscheinend zum guten Ton – eine Beschäftigung des Kulturbereichs damit scheint schon fast selbstverständlich –, und es werden in Veröffentlichungen inzwischen wiederholt erfolgreiche Best Practice-Beispiele hervorgehoben.15 Ein Rückblick aus heutiger Sicht zeigt jedoch: Trotz aller wohldurchdachten Leitbilder und Konzepte und vieler (auch erfolgreicher) Initiativen hinsichtlich einer größeren interkulturellen Öffnung des Kulturbereichs in den letzten 10–15 Jahren hinkt die Praxis offenbar noch immer der Theorie hinterher. So wird in der kulturpolitischen Diskussion auch weiterhin auf mangelnde konzeptionell-theoretische Grundlagen sowie eine ungenügende Beachtung von Menschen mit Migrationshintergrund bei Planungsprozessen und in der Förderpolitik hingewiesen. Ebenso wird auf eine hierfür bislang inadäquate kulturelle Infrastruktur und Defizite bei der konkreten Ansprache dieser Zielgruppe verwiesen.16 Aber woran liegt es, dass trotz inzwischen vielzähliger wissenschaftlicher Quellen und praktischer Erfahrungen hinsichtlich einer interkulturellen Öffnung in Kulturverwaltungen und -institutionen weiterhin Probleme bei der praktischen Umsetzung auftauchen? Auf welche gesicherten Befunde aus 12 Vgl. Institut für Museumsforschung 2007: 45 ff. 13 Vgl. Allmanritter 2009: 16, 35. 14 Vgl. Keuchel/Weil 2010: 131. 15 Bspw. in Mandel 2013d; Schneider 2011; Kulturpolitische Gesellschaft 2010; ausführlich auch in Allmanritter/Siebenhaar 2010. 16 Siehe hierzu bspw. Höhne 2012: 136; Kulturpolitische Gesellschaft 2010: 9.
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der Kulturmanagementforschung können Kulturinstitutionen hinsichtlich Menschen mit Migrationshintergrund zurückgreifen, um strategisch auf diese zuzugehen? Eine Betrachtung des Forschungsstands seit etwa dem Jahr 2005 zeigt, dass die ersten wissenschaftlichen Arbeiten im Forschungsbereich des Kulturmarketings entstanden und das Themenfeld zunächst nur aus Sicht der Angebotsseite, sprich der Kulturinstitutionen, erforscht wurde.17 Der Fokus dieser Studien lag auf den finanziellen Vorteilen für Kulturinstitutionen, bspw. mit einer etwaigen besseren Auslastung der Häuser sowie einer gesteigerten Legitimation von Kulturfinanzierung, wenn sie (neue) Zielgruppen mit Migrationshintergrund als Kulturpublikum erreichen würden. Der Schwerpunkt der Empfehlungen lag darin, wie die Einrichtungen ihr bereits aktuell bestehendes Angebot bestmöglich an ein (potenzielles) Publikum mit Migrationshintergrund vermitteln können. Die künstlerische Grundausrichtung der Kulturinstitutionen und ihre Angebotspaletten (an künstlerischen Werken/Produkten) wurden bezüglich ihrer Diversität zunächst kaum zur Diskussion gestellt. Auch wurden die Kulturinstitutionen in ihrer aktuell bestehenden Haltung und ihrem Charakter zunächst wenig angezweifelt. Es deutete sich jedoch bereits damals an, dass ein Hinterfragen genau dieser beiden Punkte zentral sein würde.18 Bei fortschreitender wissenschaftlicher Beschäftigung mit der Thematik zeigte sich zudem, dass finanzielle Anreize zwar die Aufmerksamkeit im Kulturbereich weckten, dadurch aber wesentliche, nicht-monetäre Argumente weitgehend ausgeblendet wurden. Der Slogan „Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik“ aus der sogenannten „Neuen Kulturpolitik“, die in den 1970er-Jahren ihren Ursprung hat,19 wirkt in diesem Kontext aktueller denn je. Das Themenfeld „Menschen mit Migrationshintergrund als Kulturpublikum“ zeigt deutlich, dass Kulturinstitutionen nicht als isolierte Inseln, sondern nur eng mit gesellschaftlichen Entwicklungen verknüpft betrachtet werden können. Während zu Beginn der Beschäftigung mit dem Forschungsfeld – sicherlich auch als Spiegel gesamtgesellschaftlicher Herangehensweise an das Thema20 – Menschen mit Migrationshintergrund eher passives Objekt der kulturpolitischen und kulturmanagerialen Diskussion waren und vor allem diejenigen zu Wort kamen, die sich entweder mit den Problemen von Migranten oder mit Migranten als Problem beschäftigten, ist inzwischen ein anderer Trend zu verzeichnen: Neben der Tatsache, dass verschiedenste Akteure zunehmend versuchen, die verbreitete Defizitsichtweise in17 Siehe hierzu bspw. Allmanritter/Siebenhaar 2010; Allmanritter 2009. 18 Vgl. Allmanritter/Siebenhaar 2010: 185; Allmanritter 2009: 28 f. 19 Siehe hierzu bspw. Klein 2009: 178 ff.; Singer 2003: 20 ff. 20 Siehe hierzu bspw. Gräf 2008; Jung/Niehr/Böke 2000.
E INLEITUNG
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nerhalb des Themenfeldes immer weiter aufzubrechen, wird sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf praktischer Ebene inzwischen immer mehr mit Menschen mit Migrationshintergrund im Sinne einer „Kultur mit allen“21 zusammengearbeitet. Unter anderem durch diesen Perspektivwechsel findet sich in der aktuellen Diskussion auch eine Bandbreite von primär nicht-monetären Argumenten, die für eine intensive Auseinandersetzung von Kulturinstitutionen mit dem Themenfeld sprechen. Dazu gehören:22 • die Forderung nach einer Erfüllung des Kultur- und Bildungsauftrags gegen-
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über möglichst vielen Bevölkerungsgruppen als Basis der Legitimation der öffentlichen Kulturförderung und somit selbstverständlich auch im Hinblick auf Menschen mit Migrationshintergrund die Forderung nach einer Repräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund im Kulturbereich, bspw. im Rahmen von künstlerischen und nichtkünstlerischen Beschäftigungsverhältnissen innerhalb von Kulturinstitutionen die Forderung nach einer Spiegelung verschiedenster Herkunftskulturen (Stoffe, Stücke, Kunstformen etc.) im Angebot öffentlich finanzierter Kultureinrichtungen, die für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund eine interessante Angebotserweiterung darstellen die Frage nach der Relevanz der Institutionen für breite Bevölkerungsanteile, so sie denn die in der Gesellschaft vorhandene Diversität nicht ausreichend abbilden und ihre Angebote auch deshalb die Lebensrealität und -welt der Menschen um sie herum eventuell nur wenig berührt das Wissen, dass Kunst und Kultur eine wertvolle und vielversprechende Brücke zwischen Menschen verschiedener Herkunftskulturen und Lebenswelten herstellen, Dialoge zwischen verschiedensten Bevölkerungsgruppen anregen und zu einem größeren Zusammenhalt einer sich mehr und mehr ausdifferenzierenden Gesellschaft beitragen können – auch wenn der Bereich hierfür nicht instrumentalisiert werden sollte23 das Verständnis, dass es hierbei nicht nur um ein ,Bedienen‘ neuer Zielgruppen im Sinne von deren passiver Partizipation gehen sollte, sondern auch um deren aktive Partizipation und Mitgestaltung des Kunst- und Kulturbereichs24
21 Allmanritter/Siebenhaar 2010. 22 Siehe hierzu bspw. Mandel 2013a: 11 f.; 2011d: 112 f.; Kulturpolitische Gesellschaft 2010: 8 ff.; Deutscher Bundestag 2007: 43; Wagner 2006: 38; Graser 2005: 292 ff.; Meyer 2005: 10. 23 Hierzu kritisch bspw. Terkessidis 2011; 2008a; 2008b. 24 Obwohl „Partizipation“ in der öffentlichen Diskussion als scheinbar homogenes Phänomen auftaucht, kann sie dennoch vielfältige Formen annehmen: die (passive) An-
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Es wird bei einer Betrachtung dieser Aspekte offensichtlich, dass Kulturinstitutionen – so sie hiermit nicht längst begonnen haben – zukünftig nicht umhin kommen werden, ihre gesellschaftliche Position, ihren Habitus sowie ihr eventuell (noch) nicht ausreichend (kulturell) diverses Angebotsspektrum zu hinterfragen, wenn sie mit den seit langer Zeit offensichtlichen gesellschaftlichen Entwicklungen Schritt halten möchten. Aber wie könnte dies aussehen? Die ersten Forschungsarbeiten betonten eines bereits sehr deutlich: Eine Beschäftigung der Kulturinstitutionen mit Menschen mit Migrationshintergrund muss – soll sie denn nachhaltig sein – in eine generelle Besucherorientierung eingebettet werden, die sich durch die komplette Aufbau- und Ablauforganisation der Institutionen zieht. Ferner muss sie Teilbereich umfassender Audience Development-Strategien sein.25 Auch auf Basis dieser Erkenntnisse haben Kulturinstitutionen in den letzten Jahren Aufmerksamkeit und Ressourcen in die Frage investiert, wie sie mittels Audience Development-Strategien ein größeres und diverses Publikum erreichen können. Doch dabei reduzierten sie Audience Development oftmals auf Zusatzprogramme: „Ein […] Ansatz, der Marketing, Services, Kulturprogramme, Zusatzveranstaltungen und Vermittlungsarbeit […] als strategisches Gesamtkonzept begreift, findet sich bislang nur in Ausnahmefällen.“26 Dies ist nicht wirklich verwunderlich, denn obwohl Audience Development im Kulturbereich in Deutschland schon zu Beginn des 21. Jahrhunderts Eingang fand und „in der Diskussion um eine bessere Besucherorientierung […] fast wie ein Allheilmittel“27 klingt, bieten der aktuelle Forschungsstand und die zugehörige Literatur im deutschsprachigen Raum bis heute nur recht spärliche Informationen hierzu. Es bleibt weiterhin recht vage, was darunter genau zu verstehen ist und welche Grundvoraussetzungen und Kernbestandteile für Audience Development-Strategien von Bedeutung sind. Auch gibt es kaum Orientierungshilfen, wie die Institutionen im Rahmen von diesbezüglichen Bemühungen konkret vorgehen können. Im jüngeren Kontext ist in der kulturmanagerialen Forschung in Deutschland zunehmend auch die Begriffskombination „interkulturelles Audi-
wesenheit bei einem Kulturangebot („Participate through attendance“), durch eigene künstlerisch-kulturelle Aktivität und/oder aktive Beteiligung bei einem Kulturangebot anderer („Participate in a ‚hands-on‘ way“) oder durch eine Teilhabe an einem Kulturangebot über Medien („Participate through the media“), siehe hierzu bspw. McCarthy/Jinnett (2001: 7 f., 16 ff.). 25 Vgl. Allmanritter/Siebenhaar 2010: 185. 26 Allmanritter/Siebenhaar 2010: 9. 27 Estermann 2008: 39.
E INLEITUNG
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ence Development“28 aufgetaucht. Sie entstand im Kontext eines groß angelegten und bislang einzigartigen Forschungsprojekts aus Nordrhein-Westfalen, das sich mit der Frage beschäftigte, wie Kulturinstitutionen (neue) Zielgruppen mit Migrationshintergrund nachhaltig ansprechen könnten. Doch was genau verbirgt sich hinter einem solchen interkulturellen Audience Development? Welche Anregungen und Empfehlungen für zukünftige Audience Development-Strategien lassen sich hiervon für Kulturinstitutionen ableiten und inwieweit unterscheiden sich diese von Erkenntnissen in Bezug auf Menschen ohne Migrationshintergrund? Eine essenzielle Voraussetzung für jegliche Erfolg versprechende Audience Development-Aktivitäten des Kulturbereichs hinsichtlich einer Zielgruppe – und dies gilt selbstverständlich ebenfalls für Menschen mit Migrationshintergrund – ist es von jeher, ein detailliertes Profil der Zielgruppe zu entwickeln.29 Denn ohne ein tiefer gehendes Verständnis der Thematik besteht die große Gefahr, dass der Kunst- und Kulturbereich „aus dem gut meinenden, aber dennoch klischeebeladenen ‚Bauch‘ heraus […] Angebote entwickelt, die eher den Befindlichkeiten und Gesellschaftswahrnehmung[en] des Anbieters als den Bedürfnissen der potenziellen Rezipienten entsprechen“ 30 . Schon bei einer ersten Sichtung des Themenfelds zeigt sich, dass sich die Herausforderung, Menschen mit Migrationshintergrund als Kulturpublikum zu erreichen, nicht „mit Kochrezeptlösungen meistern“31 lässt, denn den Menschen mit Migrationshintergrund gibt es nicht. Es handelt sich bei der Bezeichnung „Migrationshintergrund“ um einen neutralen statistischen Begriff,32 der zunächst auf jeglichen Migrationshintergrund bezogen werden kann. Bemühungen um Menschen mit Migrationshintergrund als Kulturpublikum beziehen sich somit zunächst noch auf Menschen aller Herkunftsländer. Für die praktische Arbeit bedarf es fraglos einer genaueren Ausdifferenzierung. Zudem sind in Zeiten von zunehmender Pluralisierung und Individualisierung33 keine homogenen Nationalkulturen oder durch Herkunftsethnien klar bestimmbare kulturelle Identitäten vorzufinden34 – falls dies denn jemals der Fall war. Es gibt somit auch nicht die Angehörigen einer Herkunftsnation oder die Herkunftsethnie, um die sich bemüht werden kann. Stattdessen gilt für Menschen mit Migrationshintergrund, dass sie (äquivalent zu jenen ohne Migrations28 Mandel 2013b, d; 2011d. 29 Siehe bspw. Klein 2008a: 45 ff.; 2005: 121 ff. 30 Graser 2005: 292. 31 Allmanritter/Siebenhaar 2010: 181. 32 Vgl. Statistisches Bundesamt 2013: 5 f. 33 Siehe hierzu zentral Hradil 1987; Beck 1983. 34 Siehe hierzu wegweisend Bhabha 1994; Hall/Hall 1990; Hall 1990; Hall 1976.
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hintergrund) jenseits ihrer Herkunft in verschiedenen sozialen Milieus zu verorten sind.35 Hinzu kommt, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland zwar statistisch gegenüber der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund durchschnittlich und damit quer über alle ursprünglichen Herkunftsländer hinweg strukturell benachteiligt sind (bspw. bezüglich Bildungsstand, Erwerbstätigkeit, Einkommen).36 Ein Bemühen um diese Bevölkerungsgruppe überschneidet sich somit in Teilen mit dem Umwerben sozial benachteiligter, Kulturangeboten oft fernen Zielgruppen – die für den Abbau von Besuchsbarrieren eventuell einer sogenannten niedrigschwelligen Kulturvermittlung bedürfen. Sie sind mit diesen aber keinesfalls gleichzusetzen,37 wie es der noch in den letzten Jahren fast ausschließlich defizitorientierte Diskurs über Menschen mit Migrationshintergrund vielleicht nahelegen mag.38 Ein offenbar verbreitetes Klischee ist, dass Menschen mit Migrationshintergrund hiesige öffentliche Kulturangebote im Bereich der Hochkultur nicht nutzen.39 Für diese Annahme gibt es jedoch keine empirischen Belege: Wurden einzelne Kulturinstitutionen zu dieser Fragestellung selbst befragt, wie in der Studie „Migranten als Publikum in öffentlichen deutschen Kulturinstitutionen – Der aktuelle Status Quo aus Sicht der Angebotsseite“ (2009) des Zentrums für Audience Development der Freien Universität Berlin geschehen, konnten gerade einmal 2,3 % den ungefähren Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund in ihrem Publikum angeben.40 Tatsächlich empirisch belegt ist einzig die Tatsache, dass in Deutschland bei gleich ausgeprägtem kulturellen Interesse Menschen mit Migrationshintergrund quer über alle Herkunftsländer hinweg seltener Kulturangebote nutzen als Menschen ohne Migrationshintergrund.41 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass laut mehreren Studien auch in Bezug auf die deutsche Gesamtbevölkerung zwischen generellem Interesse und tatsächlicher Nutzung eine deutliche Differenz besteht und je nach Sparte von nur maximal rund 10 % regelmäßigen Kulturbesuchern ausgegangen wird.42 Wie also könnten Kul35 Vgl. SINUS 2008, 2007b. 36 Vgl. Statistisches Bundesamt 2013. 37 Vgl. SINUS 2008, 2007b. 38 Siehe hierzu bspw. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2014a: 16. 39 Siehe bspw. Sauer 2009: 197; Fuchs 2007: 89. 40 Vgl. Allmanritter 2009: 21. 41 Vgl. Keuchel 2012: 102 ff. 42 Siehe hierzu bspw. Klein 2008a: 67; Keuchel 2005a: 53; 2005b: 112 ff. Bspw. die „Eurobarometer“-Studie aus dem Jahr 2013 zeigt zwischen den Jahren 2007 und 2013
E INLEITUNG
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turinstitutionen Menschen mit Migrationshintergrund erfolgreicher ansprechen bzw. welche Barrieren stehen ihrem Kulturbesuch entgegen? Im Rahmen der empirischen Kulturpublikumsforschung wurden in den letzten Jahren einige Forschungsarbeiten vorgelegt, deren Perspektive auf der Nachfrageseite lag, sprich auf Menschen mit Migrationshintergrund selbst. Dabei lassen sich zwei grundsätzliche Herangehensweisen herauskristallisieren: Auf der einen Seite lassen sich Studien finden, die (potenzielle) Kulturbesucher nach verschiedenen Herkunftsländern beleuchten. In diesen wurde entweder das Kulturnutzungsverhalten von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gegenübergestellt oder es wurde das Kulturnutzungsverhalten von Menschen mit einem bestimmten Migrationshintergrund tiefer gehend untersucht.43 Auf der anderen Seite lassen sich Studien finden, die Informationen über verschiedene und herkunftsübergreifende Lebenswelten/Milieus von Menschen mit Migrationshintergrund liefern.44 Doch sind diese Befunde für konkrete Bemühungen von Kulturinstitutionen hinsichtlich dieser Zielgruppe ausreichend? Forschungsarbeiten, wie bspw. das „InterKulturBarometer“ (2012) oder die Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) von Interkultur.pro, die sich auf Menschen einzelner Herkunftsländer oder gar Migrationshintergrund generell beziehen, kamen zu dem Schluss, dass es bezüglich des Kulturnutzungsverhaltens sowohl zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund als auch zwischen Menschen verschiedenen Migrationshintergrunds herkunftsbedingte Unterschiede gibt. 45 Werden diese Erkenntnisse für eine Ansprache von verschiedenen Zielgruppen mit Migrationshintergrund in marketing- oder kulturvermittlungsrelevante Informationen übersetzt, ähneln sie einer Herangehensweise, die im Bereich von Wirtschaftsunternehmen bereits erprobter ist als im „Non-Profit“-Bereich: dem sogenannten „Ethnomarketing“46. Dieses kann sich gängiger Marketingstrategien und Instrumente bedienen, die auch im Kulturbereich (durch das Kulturmarketing) kein Neuland sind. Entsprechende Kennzahlen zur Verbreitung von bestimmten Gruppen eines Migrationshintergrunds innerhalb des Einzugsgebiets von Kulturinstitutionen liegen in der Regel als offizielle statistische Daten vor. Das Vorgehen sieht sich jedoch mit der oben beschriebenen und zentralen Herausforderung konfrontiert, dass es den Menschen zudem eine sinkende (aktive und passive) kulturelle Aktivität der Bevölkerung in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (vgl. Abbott 2013). 43 Siehe bspw. Keuchel 2012; Cerci 2008b. 44 Vgl. Gerhards 2013a; Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010; Cerci/Gerhards 2009. 45 Vgl. Keuchel 2012; Cerci 2008b. 46 Siehe hierzu bspw. Rinas 2014; Schammann 2014; Dorfner 2009.
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mit Migrationshintergrund oder die homogenen Nationalkulturen, Ethnien oder Identitäten nicht gibt (s. o.). Für ein Übergehen dieser Tatsache und aufgrund der Gefahr, dass Ethnomarketing Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungen konstruieren könnte, die in dieser Form gar nicht bestehen, wird ein solches Vorgehen durchaus kritisch betrachtet.47 Können Kulturinstitutionen bei vorsichtiger Annäherung und beständiger Reflexion hieraus dennoch wichtige Erkenntnisse für ihre Bemühungen um Menschen mit Migrationshintergrund ziehen? Forschungsarbeiten wie die Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008), die sich auf gemeinsame lebensweltliche Muster/Milieus von Menschen mit Migrationshintergrund beziehen, sehen sich dieser Kritik nicht gegenüber, aber mit anderen Herausforderungen konfrontiert. Sie legen den Schluss nahe, dass Kulturinstitutionen bei einer Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund deren individuelle ethnische oder nationale Herkunft vernachlässigen und die einzelnen Sinus-Migranten-Milieus vielleicht sogar auf eine zumindest ähnliche Art und Weise als (potenzielle) Kulturbesucher ansprechen können wie die Sinus-Milieus in der deutschen Gesamtbevölkerung.48 Doch der Migrationshintergrund einer Zielgruppe kann im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zu anderen ästhetischen Gewohnheiten führen, zusätzliche und interessante Möglichkeiten des Anknüpfens an deren Lebenswelt bieten, zusätzliche Kommunikationswege (bspw. herkunftskulturelle/herkunftssprachliche Medien) eröffnen und spezielle Besuchsbarrieren (bspw. Sprachbarrieren) bedeuten. 49 Die Sinus-Migranten-Milieus wurden jedoch herkunftsübergreifend gebildet. Die Milieubeschreibungen geben entsprechend keinerlei Informationen über Unterschiede zwischen Befragten mit verschiedenem Migrationshintergrund. Wären zusätzliche Informationen zum Migrationshintergrund etwaiger Zielgruppen je nach angedachten Bemühungen somit nicht wenigstens hilfreich?
1.1 V ORGEHENSWEISE
DER
A RBEIT
Inwieweit sind für eine erfolgreiche Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund als Kulturpublikum an erster Stelle Hintergrundinformationen zu deren Zugehörigkeit zu einzelnen sozialen Milieus oder zu deren individuellem Migrationshintergrund zielführend, oder ist gar beides in Kombination erforderlich? Zur Beantwortung dieser Frage ist es notwendig, das Kulturnutzungsver-
47 Siehe hierzu bspw. Kulinna 2007; Schuchert-Güler/Eisend 2007. 48 Siehe hierzu bspw. SINUS 2008; 2007b. 49 Siehe hierzu bspw. Keuchel 2012: 172 ff.
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halten von Menschen mit Migrationshintergrund innerhalb einer Studie in Bezug auf beide (potenzielle) Einflussfaktoren zu beleuchten. Dies ist in der Kulturmanagementforschung bislang jedoch noch nicht in dieser Kombination erfolgt. Das Ziel der für die vorliegende Veröffentlichung durchgeführten Untersuchung war es, die oben genannte Frage für ein bestimmtes Sinus-Migranten-Milieu zu beantworten und gleichzeitig ein Modell dafür zu entwickeln, wie weitere Arbeiten verfahren könnten. Hierbei wurde im Rahmen einer empirischen Studie die folgende These überprüft: Für eine Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund als Kulturpublikum sind Hintergrundinformationen zu deren Zugehörigkeit zu einzelnen Sinus-Migranten-Milieus notwendig, aber nicht hinreichend. Zusätzliche Informationen zum Migrationshintergrund einer Zielgruppe erhöhen die Erfolgschancen der Ansprache. Es wurde davon ausgegangen, dass es in Bezug auf eine Zielgruppe, mit der Kulturinstitutionen eventuell bislang noch wenig Erfahrung haben, sinnvoll ist, „Bemühungen zunächst auf die kulturaffineren und damit im Verhältnis leichter zu erreichenden Milieus innerhalb migrantischer Zielgruppen auszurichten, bevor man sich kulturferneren Milieus zuwendet“50. Entsprechend wurden hier aus der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus modellhaft Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ intensiv in Bezug auf ihr Kulturnutzungsverhalten untersucht. Es handelt sich dabei um das Sinus-Migranten-Milieu, das Kulturangebote am häufigsten nutzt.51 Das Instrument zur Erfassung und die Methode der Erstellung der SinusMigranten-Milieus sind nicht frei zugänglich. Aus Kostengründen konnte nicht auf die Unterstützung des Marktforschungsinstituts Sinus zurückgegriffen werden, das hierauf das Monopol hält. Entsprechend musste zunächst ein eigenes Verfahren entwickelt werden, das es ermöglichte, die Angehörigen des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ im Rahmen eines mehrstufigen Screenings zu identifizieren. Im Anschluss wurden diese exemplarisch mittels quantitativen und qualitativen Methoden befragt. Die Themen der hier vorgenommenen Untersuchung lagen in der Wahrnehmung des Themenfelds durch das „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“, dessen Kulturnutzungsverhalten (bspw. Interesse vs. Nutzung, Erwartungen, Informationswege, Ticket-Erwerbswünsche) und Hinweisen auf etwaige eigene sowie Nutzungsbarrieren für andere SinusMigranten-Milieus. Aufgrund des großen Kulturangebots, der vergleichsweise hohen Anzahl von Menschen mit Migrationshintergrund vor Ort und eines vergleichsweise hohen Engagements dieser Großstädte in der Arbeit für und mit 50 Allmanritter/Siebenhaar 2010: 182. 51 Vgl. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 99 ff.
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dieser Bevölkerungsgruppe wurde die Befragung in Berlin, in Frankfurt/Main und in Stuttgart realisiert. Laut der wenigen bisherigen Forschungserkenntnisse in dieser Richtung innerhalb des „InterKulturBarometers“ (2012) und der beiden „Jugend-KulturBarometer“-Studien (2012; 2006) des Zentrums für Kulturforschung ließen dabei vor allem zwei große Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund deutliche Unterschiede in ihrem Kulturinteresse und ihrem Kulturnutzungsverhalten erwarten und wurden für Vergleichszwecke ausgewählt: Menschen mit Migrationshintergrund aus der Türkei und mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion.52 Mit den Ergebnissen der vorliegenden Veröffentlichung soll Kulturinstitutionen eine Handhabe geboten werden, mit der sie geeignete Audience Development-Strategien entwickeln können, um Menschen mit Migrationshintergrund erfolgreicher als bislang als Kulturpublikum anzusprechen.
1.2 A UFBAU
DER
A RBEIT
Die vorliegende Veröffentlichung gliedert sich für die Bearbeitung der oben beschriebenen Fragestellung in zwei inhaltliche Abschnitte: Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit dem aktuellen Forschungsstand innerhalb der Kulturmanagementforschung hinsichtlich der Frage, wie Menschen mit Migrationshintergrund von Kulturinstitutionen als (neues) Publikum gewonnen werden können. Kapitel 2 widmet sich dabei zunächst grundlegenden Aspekten von Audience Development. Kapitel 3 stellt vertiefend den aktuellen Kenntnisstand der Audience Development-Forschung mit Fokus auf Menschen mit Migrationshintergrund dar. Am Ende des ersten Abschnitts beschäftigt sich ein Zwischenfazit mit der Frage, inwieweit Kulturinstitutionen aufgrund des aktuellen Kenntnisstands zu Audience Development über ausreichend Orientierungshilfen verfügen, wie Zielgruppen mit Migrationshintergrund erfolgreich angesprochen und als Kulturpublikum gewonnen werden können. Hierbei werden zentrale, aber aus Sicht der Autorin noch offene Forschungsfragen im Themenfeld der Publikumsforschung herausgearbeitet, mit deren Beantwortung sich der anschließende zweite Abschnitt der Arbeit befasst. Der zweite Abschnitt der Arbeit beginnt mit einer kurzen Beschreibung des Vorgehens der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Untersuchung des Kulturnutzungsverhaltens von Angehörigen des Sinus-Migranten-Milieus „Intellek-
52 Vgl. Keuchel 2012; Keuchel/Larue 2012; Keuchel 2006.
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tuell-kosmopolitisches Milieu“ (Kapitel 4). Im digitalen Anhang 53 der Arbeit findet sich zudem eine ausführliche Beschreibung der Vorgehensweise, da für die Erhebung ein eigenes Verfahren entwickelt werden musste, mit dessen Hilfe Angehörige des gewünschten Sinus-Migranten-Milieus gefunden und in Folge befragt werden konnten. Nur so können weiterer Forschung entsprechende Erfahrungswerte für Wiederholungsstudien zur Verfügung gestellt werden. In Kapitel 5 werden die Ergebnisse der Studie präsentiert. Da es sich um ein Forschungsfeld handelt, zu dem bislang noch kaum Kenntnisse vorliegen, werden hierbei für eine größtmögliche inhaltliche Tiefe viele Originalzitate der befragten Personen eingearbeitet. Eine zusammenfassende Schlussbetrachtung, die Kulturinstitutionen Handlungs- und Orientierungshilfen bietet, sowie ein kurzer Ausblick hinsichtlich anknüpfender Forschungsfragen (Kapitel 6) schließen die Arbeit ab. Am Ende eines jeden Kapitels finden sich Zusammenfassungen, die dem Leser eine erste Orientierung über das entsprechende Themenfeld bieten. Sie können zusammen mit dieser Einleitung sowie dem Fazit als Einstieg in die intensive Lektüre dieser Veröffentlichung dienen.
53 Der
digitale
Anhang
zu
dieser
Studie
ist
abrufbar
über
diesen
Link:
http://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-3788-5/audience-development-in-dermigrationsgesellschaft
2. Audience Development: strategisches Gewinnen und Binden (neuen) Publikums
Das folgende Kapitel soll einen Überblick über Informationen zu Audience Development geben, die in der aktuellen Forschung zu finden sind. Auf Basis der Wurzeln und Definitionen von Audience Development in dessen Ursprungsländern und in Deutschland wird zunächst ein Grundverständnis von Audience Development herausgearbeitet (Kapitel 2.1). In Folge wird auf die Grundvoraussetzungen für (Kapitel 2.2) und Kernbestandteile von (Kapitel 2.3) Audience Development-Strategien eingegangen. Ein anschließendes kurzes Zwischenfazit (Kapitel 2.4) fasst die Kernergebnisse der vorhergehenden Kapitel zusammen und gibt einen kurzen Ausblick auf den folgenden Themenabschnitt zu Audience Development(-Strategien) in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund (Kapitel 3).
2.1 G RUNDVERSTÄNDNIS
VON
A UDIENCE D EVELOPMENT
Seit den 1990er-Jahren ist in Deutschland eine große Bandbreite von Publikationen und Beiträgen erschienen, die sich mit den Themenfeldern „Kulturmarketing“, „Besucherorientierung“, „Besucherbindung“, „Publikumsforschung“, „kulturelle Bildung“, „Kulturvermittlung“ und „Audience Development“ beschäftigen.1 Der angloamerikanische Begriff „Audience Development“ bezeichnet hierbei von den oben genannten das in Deutschland zeitlich jüngste Themenfeld. Er stammt zwar ursprünglich ebenfalls aus der Mitte der 90er-Jahre, fand aber erst mit Beginn des 21. Jahrhunderts im deutschsprachigen Kulturbereich Eingang.2 Bis heute bleibt recht diffus, was darunter tatsächlich zu verstehen ist. Für das Begriffspaar „Audience Development“ gibt es bislang offenbar kaum ei1
Vgl. Lutz 2011a: 119.
2
Vgl. bspw. Mandel 2012a: 15, 2009a: 19; Siebenhaar 2008b: 21 f.
24 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT
ne adäquate Übersetzung in die deutsche Sprache, es wurde entsprechend zumeist einfach eins zu eins in das hiesige Vokabular übernommen.3 Weit gefasst wird damit „eine gezielte, dauerhafte und nachhaltige ‚Zuschauerentwicklung‘“4 oder eine „Strategie, um mehr und andere NutzerInnen für Kulturprogramme zu finden“ 5 bezeichnet, eine Querschnittsaufgabe, deren Ziele „gleichermaßen im Künstlerischen, Managerialen, Wirtschaflichen und Sozialen begründet“6 liegen. Der Begriff scheint aber gewissermaßen „alles zu inhalieren, was mit Besucherund Zielgruppenarbeit zu tun hat“7. Systematische Überblicksdarstellungen, die Audience Development in einen übergreifenden Gesamtzusammenhang stellen und aufzeigen, wie es zu den anderen oben genannten Ansätzen in Beziehung steht, sind in Deutschland bislang selten. Die Ursache hierfür ist sicherlich einerseits darin zu suchen, dass sich Audience Development in den Ursprungsländern Großbritannien und USA unterschiedlich entwickelt hat und schon dort unterschiedliche Verständnisse vorliegen: „Audience development is an amorphous concept that describes a wide range of activities with varied outcomes that are achieved utilising one or a blend set of skill sets.“8 Dies spiegelt sich entsprechend in Versuchen wider, diese ins Deutsche zu übertragen. Andererseits steht der Forschungsbereich im deutschsprachigen Raum noch am Beginn des Erkenntnisfortschritts. Es hat sich noch keine eigene und eigenständige theoretische Schule des Audience Development entwickeln können.9 Anscheinend hat hier die Praxis die Theorie überholt, denn in der Literatur finden sich oftmals Beschreibungen von als gelungen gepriesenen Audience Development-Praxis-Beispielen („Best Practice“).10 Nicht selten präsentieren Kulturinstitutionen auch einfach selbst ihre Best Practice-Beispiele – oftmals allerdings ohne auch (genau) auf die weniger erfolgreichen Aspekte ihrer Versuche intensiv einzugehen. 11 Dabei erproben sie anscheinend – aus Ermangelung an Alternativen teilweise ohne fundierte theoretische oder praktische Kenntnisse hierzu – Audience Development-Strategien und definieren Audience Development implizit dadurch, dass sie es anwenden. Auch wenn es grundsätzlich natür3
Vgl. Mandel 2013e.
4
Klein 2011a: 126.
5
Mandel 2012d; Mandel 2013e.
6
Siebenhaar 2009b: 13.
7
Waltl 2008: 6.
8
Hayes 2003: 2.
9
Vgl. Lutz 2011a: 119.
10 Bspw. in Mandel 2011: 2 ff.; 2009a. 11 Bspw. in Siebenhaar 2009a.
AUDIENCE DEVELOPMENT: STRATEGISCHES GEWINNEN UND BINDEN (NEUEN) PUBLIKUMS
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lich zu begrüßen ist, wenn Erkenntnisse aus der Umsetzung in die weitere Theorieentwicklung einfließen und damit helfen, die weitere Umsetzung zu verbessern, ist infrage zu stellen, ob dies tatsächlich immer in ausreichendem Maß erfolgt. Es handelt sich dabei um eine Schwierigkeit, die zumindest in der diesbezüglichen Forschung in Großbritannien beschrieben wurde: „However, in parallel with such developments in practice, there seems to be a worry that ,audience development‘ is advancing too fast, without a solid understanding of the concept either in theory or in practice.“12 Und so wurde im Laufe der Jahre deutliche Kritik an dort gängiger Audience Development-Praxis geäußert: Oftmals seien die Absichten einzelner Audience Development-Projekte, messbare Unterziele und die angestrebten Zielgruppen nicht klar genug ausformuliert und/oder bei unterschiedlichen Projektbeteiligten (bspw. der Abteilungen für Marketing und kulturelle Bildung) verschieden. Abgeschlossene Projekte würden nur selten ausreichend evaluiert und dokumentiert. Unter anderem deshalb finde ein Austausch zwischen Kulturinstitutionen über durchgeführte Projekte nur selten statt. Kulturinstitutionen scheiterten regelmäßig daran, nachhaltige Effekte im Sinne von einer gesteigerten Beziehung zu (potenziellen) Besuchern zu erzielen, die über einzelne Projekte hinausgehen.13 Zudem sei durch eine starke projektbezogene Förderung von öffentlichen Stellen ein Verständnis verbreitet, dass Audience Development etwas sei, das Kulturinstitutionen mit einem besonderen Zuschuss leisten oder es lediglich tun, um einen solchen zu erhalten, anstatt es als integrativen Teil der Institution und aller ihrer Aktivitäten zu sehen.14 Eine übergreifende Evaluation von Audience Development-Bemühungen in Deutschland hinsichtlich dieser Kriterien steht noch aus, doch es lässt sich vermuten, dass schon aufgrund der kaum ausgeprägten Tradition hierzulande ähnliche Schwierigkeiten festgestellt werden würden. Eine erste und bislang einzige deutsche Wirkungsstudie zu Audience Development-Maßnahmen speziell im Hinblick auf Menschen mit Migrationshintergrund, basierend auf einem Modellversuch zwischen den Jahren 2011 und 2013 in Nordrhein-Westfalen,15 ist eine richtige und wichtige, aber hierfür allein noch nicht ausreichende Maßnahme.
12 Kawashima 2000: 2. 13 Siehe hierzu bspw. Maitland 1997: 4 f., 28. 14 Vgl. Torreggiani 2016. 15 Vgl. Mandel 2013d.
26 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT
2.2 H ISTORISCHE E NTWICKLUNG VON A UDIENCE D EVELOPMENT Obwohl sich das heutige Verständnis von Audience Development anscheinend in etwa zum gleichen Zeitpunkt in Großbritannien und den USA zu formen begann – in Großbritannien durch Keith Diggle (1984), in den USA durch Bradley G. Morison und Julie G. Dalgleish (1987) –, sind die Ausgangssituationen, die primär hierzu geführt haben, höchst unterschiedlich. Entsprechend lassen sich in diesen beiden Ländern seit den 1990er-Jahren Unterschiede in den jeweiligen Definitionen, Zielen und Vorgehensweisen aufzeigen, die zudem einem ständigen Wandel unterworfen waren und es bis heute sind. Im heutigen Verständnis von Audience Development in Deutschland, das auf den Vorstellungen und Erkenntnissen der beiden Ursprungsländer aufbaut, spiegeln sich diese Ambivalenzen wider.16 Mit dem Ziel einer zusammenfassenden Definition wird im Folgenden in Kürze die historische Entwicklung zum heutigen Verständnis von Audience Development in den drei Ländern Großbritannien, USA und Deutschland in der jüngsten Zeitgeschichte (seit ca. dem Jahr 1949 und der Gründung der BRD) aufgezeigt.17 2.2.1 Audience Development in Großbritannien In Großbritannien ist Audience Development für öffentlich geförderte Kulturinstitutionen eine zentrale Verpflichtung, die ihnen die staatliche Kulturpolitik über den Arts Council mit seinen unabhängigen regionalen Zweigstellen auferlegt.18 Es lassen sich nach dem Jahr 1945 verschiedene kulturpolitische Entwicklungsphasen ausmachen, die zu der ursprünglichen Idee und heutigen Vorstellung von Audience Development geführt haben. Die erste Phase (1949–1964)
16 Siehe hierzu bspw. Mandel 2012a: 18. 17 Für eine ausführliche Darstellung der historischen Entwicklung der Kulturfinanzierung in allen drei Ländern siehe bspw. Gerlach-March 2011; Lueg 2007; Höhne 2005. 18 Vgl. Council of Europe 2016. Im Jahr 1994 wurde der Arts Council of Great Britain in die Dependencen Arts Council of England, Arts Council of Northern Ireland, Arts Council of Wales und Arts Council of Scotland aufgeteilt. Diese haben zum Teil jeweils weitere Zweigstellen, deren Anzahl und geografischer Verwaltungsbereich sich im Laufe der Jahre ändern konnte. Bspw. wurden im Jahr 2013 die ursprünglich neun Zweigstellen des Arts Council England zu fünf „Area Councils“ für die Gebiete Midlands, London, North, South East und South West zusammengefasst, vgl. Arts Council England (2013).
AUDIENCE DEVELOPMENT: STRATEGISCHES GEWINNEN UND BINDEN (NEUEN) PUBLIKUMS
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zielte auf eine möglichst große geografische Verteilung und regionale Gleichheit von Kulturangeboten ab. Staatlich gefördert wurden zu dieser Zeit an erster Stelle die Entwicklung von kultureller Infrastruktur (inklusive Wiederaufbau im Krieg zerstörter Einrichtungen) sowie Tourneen professioneller Künstler in abgelegenen Gegenden, um der Bevölkerung einen landesweit qualitativ und quantitativ gleichen Zugang zu Kulturangeboten zu ermöglichen. In der zweiten Phase (1965–1980) zielte Kulturförderung primär auf die Herstellung sozialer Gleichheit und eine Demokratisierung der Kultur ab. Während auf der einen Seite die Idee, die sogenannte Hochkultur breiten Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen, stark an Bedeutung gewann, entstanden auf der anderen Seite zahlreiche kommunale Kunstzentren („Soziokultur“), die ihren Schwerpunkt auf die Präsentation und Förderung von Kunstformen und Bevölkerungsgruppen legten, die bislang in etablierten Kunst- und Kultureinrichtungen nicht repräsentiert waren. Zu dieser Zeit rückte der Kulturnutzer in das Zentrum kulturpolitischer Bemühungen. In der dritten Phase (1980–1997) wurde die Kulturförderung deutlich gekürzt und es entstand die Idee eines strategischen Audience Developments, das zu diesem Zeitpunkt jedoch in erster Linie eine ökonomische Zielsetzung hatte. Kulturinstitutionen entwickelten eine verstärkte Marktorientierung mit dem Ziel, einen möglichst hohen Anteil an Eigeneinkommen zu erwirtschaften. Audience Development wurde in diesem Kontext zwar zunächst als Unterbereich von Marketing verstanden,19 doch es begann sich zunehmend ein weiter angelegtes Verständnis zu verbreiten, das neben Marketingelementen auch immer mehr Bestandteile von Kulturvermittlung und Programmplanung beinhaltete. Während in den genannten drei Phasen ein angebotsorientierter Ansatz vorherrschte, begann nun ein Paradigmenwechsel hin zu einer nachfrageorientierten Haltung, der bis heute anhält.20 In der vierten Phase zwischen 1997 und 2010, die mit der Wahl einer neuen durch die Labour Party gebildeten Regierung in Großbritannien begann, hat sich die Zielsetzung von Audience Development von ökonomischen Zielsetzungen hin zu dem Ziel sozialer Inklusion („Access & Diversity“) durch Kulturangebote verlagert. Öffentliche Kulturfinanzierung ist seitdem gekoppelt an den Wertbeitrag und Nutzen, den die Einrichtungen für die Gesellschaft erbringen („Public Value“). Dieser wird gemessen einerseits an deren Bemühungen, Barrieren gegenüber bislang nicht kunstaffinen Zielgruppen zu erkennen und abzubauen und somit diverse und für die Gesellschaft repräsentative(-re) Besuchergruppen zu erreichen. Andererseits sollen mithilfe von staatlicher Kulturfinanzierung das 19 Bspw. bei Diggle 1984. 20 Vgl. Council of Europe 2016; Black 2008: 13 f.; Hayes 2003: 4 ff.; Kawashima 2000: 11 ff.
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Bildungspotenzial kultureller Ressourcen entwickelt sowie die Standards kultureller Bildung und kultureller Vermittlung erhöht und sichergestellt werden, sodass möglichst viele Menschen die Möglichkeit haben, sich über und mit Kulturangebote/n persönlich weiterzuentwickeln (bspw. hinsichtlich Bildung, Talenten, Persönlichkeit).21 Die fünfte und aktuelle kulturpolitische Phase begann im Jahr 2010 mit der Regierungsübernahme durch die Conservative Party. Radikale Kürzungen in der staatlichen Kulturförderung in Großbritannien haben seitdem dazu geführt, dass sich die Bedeutung von wirtschaftlichen Zielen des Audience Development in den dortigen Kulturinstitutionen deutlich erhöht hat.22 Es bleibt zu beobachten, inwieweit sich der aktuell stattfindende Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union23 auch auf die dortige Kulturfinanzierung auswirken und eventuell eine sechste Phase einleiten könnte. Doch auch bereits vor dem Jahr 2010 stand nicht nur Soziales hinter der Zielsetzung von Audience Development in Großbritannien. Kulturförderung ist in Großbritannien seit jeher nicht vorrangig Aufgabe des Staates.24 Finanzielle Förderung wird Kulturinstitutionen von der Kulturpolitik fast ausschließlich nur dann zur Verfügung gestellt, wenn diese für die von ihnen angedachten Tätigkeiten parallel eine mindestens gleichhohe Mittelhöhe aus anderen Quellen (eigene Einnahmen oder private monetäre oder nicht-monetäre Zuwendungen) mobilisieren können („Matching Funds“25). In Eigenregie akquirierte Mittel machen entsprechend etwa die Hälfte der Einnahmen öffentlich geförderter Kulturinstitutionen in Großbritannien aus. Die Kulturpolitik unterstützt die Institutionen bei der Akquise von Spendern und Sponsoren, zudem gibt es hierfür steuerliche Anreize, bspw. indem sowohl für Geber als auch für Empfänger keine steuerliche Belastung anfällt.26 Audience Development-Bemühungen von Kulturinstitutionen in Großbritannien mögen somit primär auf das kulturpolitische Ziel einer größeren Partizipation verschiedenster Bevölkerungsgruppen abzielen, ebenfalls wichtig – wenn auch zumeist
21 Vgl. Council of Europe 2016; Black 2008: 13 f.; Hayes 2003: 4 ff.; Kawashima 2000: 11 ff. 22 Vgl. Torreggiani 2016; Volkery 2010. 23 Zu dieser Entwicklung siehe bspw. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2016. 24 Vgl. Lueg 2007: 73. 25 Vgl. bspw. Arts Council 2016b. 26 Vgl. Lueg 2007: 79 ff.
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nur implizit nach außen kommuniziert – ist für die Institutionen in deren Rahmen selbstverständlich auch das Generieren von Einkommen.27 Eine allgemein geteilte Definition von Audience Development existiert in Großbritannien nicht. Die Forschung und/oder Fachliteratur orientiert sich bezüglich der Begrifflichkeiten stark an der aktuellen Definition der Kulturpolitik (hier gibt es eine starke Dominanz des Arts Council England), ist oftmals auch mit deren Förderung entstanden oder wurde von (ehemaligen) Akteuren der Kulturpolitik verfasst. 28 Obwohl sie die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Themenfeld somit dominieren, unterscheiden sich die zugrunde liegenden Charakterisierungen des Begriffs jedoch leicht in der inhaltlichen Schwerpunktsetzung: „Audience development is based on the same principles as marketing, but it is about increasing the range of audiences not just increasing the numbers of attendees. The term audience development describes activity which is undertaken specifically to meet the needs of existing and potential audiences and to help arts organisations to develop ongoing relationships with audiences. It can include aspects of marketing, commissioning, programming, education, customer care and distribution.“29 „Audience Development projects can aim to change the perception and behavior of people who already have some experience of the arts […]. [They] can also increase the number of people attending the arts by bringing people into contact with the arts for the first time. […] projects only work if they are part of a long term strategy for audience development which is developed jointly by the artistic, education and marketing functions of an organization.“30 „[Audience development means] quantitatively and qualitatively targeting new sectors in innovative ways to broaden the arts audience base, then nurturing new attenders, along with existing audiences, to encourage them to grow with the organization. […] Working collaboratively, education and marketing can enhance the vital activity of audience development. […] Education can work without audience development, but it is hard to imagine real audience development without education – and access for a wide range of groups and individuals can only be achieved if education and marketing join forces.“31
27 Vgl. Maitland 2008: 7 f. 28 Bspw. Black 2005; Maitland 2000; Rogers 1998. 29 Arts Council 2016b: 5 f. 30 Maitland 2000: 6, 9. 31 Rogers 1998: 1, 7.
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In der öffentlichen Kulturverwaltung in Großbritannien stehen für Kulturinstitutionen spezielle Audience Development-Beratungsstellen sowie an sie angekoppelt regionale Audience Development-Agenturen zur Verfügung.32 2.2.2 Audience Development in den USA In der Finanzierung von Kulturinstitutionen in den USA spiegelt sich das dort historisch verankerte Selbstverständnis wider, staatliche Macht zu begrenzen und stattdessen eine (Mit-)Verantwortung für das Gemeinwohl auf die Bürger zu übertragen. Entsprechend war und ist Kulturförderung dort an erster Stelle eine Aufgabe der Selbstverantwortung der Gesellschaft und, wenn überhaupt, nur in geringem Ausmaß eine Staatsaufgabe.33 Etablieren konnte sich öffentliche Kulturförderung erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als in den 1960erund 1970er-Jahren die „Cultural Revolution“34 mit einem Schwerpunkt auf soziale Werte einsetzte, in deren Rahmen auch das staatliche Engagement in den Bereichen Gesundheit, Bildung sowie Umwelt- und Verbraucherschutz intensiviert wurde. Es besteht in den USA jedoch bis dato kein Konsens über die staatliche Förderwürdigkeit von Kunst und Kultur, und die unveränderte Grundüberzeugung, dass deren Förderung primär privat erfolgen sollte, drückt sich in niedrigen Budgets aus.35 Unter 15 % der Finanzierung der Einrichtungen besteht aus öffentlicher Kulturförderung, die primär über die unabhängige bundesstaatliche National Endowment of the Arts (NEA)36 und regionale Kulturbehörden, State Arts Agencys (SAA), in jedem Bundesstaat abgewickelt wird. Wie in Großbritannien ist diese staatliche Kulturförderung durch die NEA an die Prämisse gebunden, dass Kulturinstitutionen sie nur dann erhalten können, wenn sie für die von ihnen angedachten Aktivitäten eine mindestens gleich hohe Summe selbst aufbringen (Matching Funds oder „Matching Grants“)37. Für eine direkte Finan32 Für eine Auflistung siehe bspw. Arts Council 2016c. Vgl. Council of Europe 2016. 33 Vgl. Lueg 2007: 83 f.; Heinrichs 2004: 28 f.; Bisping 2000: 20 f. 34 Ausschlag für diese Neuausrichtung gab die Wahl einer neuen demokratischen Regierung in den USA im Jahr 1963 unter Lyndon B. Johnson und seine Idee der „Great Society“, siehe hierzu und zur „Cultural Revolution“ und der Einflüsse auf die heutigen USA bspw. Freidel/Sidey (2001), Kimball (2001). 35 Vgl. Lueg 2007: 84 f.; Bisping 2000: 23 ff. Kulturförderung wurde in den 1960erJahren in der amerikanischen Politik offenbar auch als eine Form der Strategie innerhalb des Kalten Krieges gesehen, vgl. Bisping (2000: 23). 36 Zur Geschichte der NEA siehe bspw. Bauerlein/Grantham (2009). 37 Vgl. bspw. National Endowment for the Arts 2016a; Lueg 2007: 85 f.; Bisping 2000: 39 ff.
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zierung der Betriebskosten oder gar eine Defizitdeckung der Institutionen ist sie nicht zuständig, stattdessen fördert die Organisation nur Fellowships für besonders begabte Künstler und regionale Kulturbehörden. Eine Förderzusage der NEA dient somit keinesfalls der finanziellen Absicherung der Kulturinstitutionen, hat jedoch in der Regel eine hohe Signalwirkung, die private Förderer zu weiterer Unterstützung animiert.38 Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil die beiden weiteren Hauptfinanzierungsquellen der Institutionen etwa zur Hälfte auf Zuwendungen von Einzelpersonen, Stiftungen oder Unternehmen sowie auf selbst erwirtschafteten Mitteln (bspw. Verkauf von Eintrittskarten, Souvenirs, Vermietung) basieren.39 In Bezug auf die oben genannten Zuwendungen findet zudem eine indirekte staatliche Finanzierung des Kulturbereichs über Steuervergünstigungen für private und unternehmerische Spenden statt.40 Während sich dieses Finanzmodell über viele Jahre als weitgehend stabil erwies, sahen sich Kulturinstitutionen in den USA in den 1980er- und 1990erJahren aufgrund einer massiven Wirtschaftskrise mit veränderten philanthropischen Prioritäten von Stiftungen und Unternehmen sowie mit schrumpfenden staatlichen Zuwendungen konfrontiert. Es wurde in der Folge für Kulturinstitutionen essenziell, den Wegfall von Großspendern durch eine ausgeweitete Akquise von Spenden einzelner Privatpersonen (auch kleinen Einzelbeiträgen) zu kompensieren. Zur gleichen Zeit fingen eigens erwirtschaftete Gelder an, für das weitere Bestehen der Institutionen eine noch größere Rolle zu spielen als zuvor. Durch einen deutlichen Anstieg der Anzahl von Kulturinstitutionen in den vorangegangenen Jahren schien der aktuelle Markt für kulturelle Angebote jedoch gesättigt, und der Konkurrenzdruck der Institutionen um Kleinspender und Besucher untereinander wuchs.41 Als sich in diesem Kontext die Idee des Audience Development entwickelte, lag dies entsprechend primär in einer existenzbedrohenden finanziellen Notlage der Kulturinstitutionen begründet, nicht in kulturpolitischen Zielsetzungen. 42 Wie in Großbritannien wurde Audience Development in den USA zunächst als reiner Unterbereich von Marketing verstanden, es beinhaltete jedoch zur Erreichung von Marketingzielen von Beginn an auch Bestandteile von Kulturvermittlung.43 38 Vgl. Heinrichs 2004: 29; Bisping 2000: 39 f. 39 Vgl. Auswärtiges Amt 2016b; Lissek-Schütz 1999: 224. 40 Vgl. Lueg 2007: 90; Bisping 2000: 33. 41 Vgl. Bisping 2000: 28 f. 42 Siehe hierzu bspw. Siebenhaar 2009b: 14; 2008b: 22. 43 Siehe hierzu bereits Morison/Dalgleish 1992.
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Auch in den USA existiert keine allgemein geteilte Definition von Audience Development. Die NEA ist zwar das maßgebliche bundesstaatliche Regierungsorgan für Kulturförderung. Da die Organisation jedoch (innerhalb gesetzlicher Beschränkungen) unabhängig agiert und in den Entscheidungsgremien private Fachleute und keine Regierungsbeamten sitzen, liegt ihren Entscheidungen keine öffentliche, kontrollierbare Politik zugrunde und somit auch wenig Möglichkeiten der Evaluation und/oder Reform. Diese Form der Gremienbesetzung gilt auch für drei Viertel aller State Arts Agencies. Entscheidungsgrundlage für deren Mittelvergabe sind offiziell künstlerische Beurteilungskriterien und die Vorgabe, die Gelder im Sinne eines gesellschaftlichen Nutzens zu verteilen. Wie und aufgrund welcher Prämissen solche Entscheidungen tatsächlich ausfallen, hängt aber faktisch stark von der aktuellen Zusammensetzung des Vergabegremiums ab und ist somit in ständigem Wandel.44 Verschiedene Charakterisierungen von Audience Development lassen sich mit teils unterschiedlicher inhaltlicher Schwerpunktsetzung unter anderem in Publikationen von unabhängigen Audience Development-Agenturen45 oder Forschungsveröffentlichungen finden, die oftmals von oder zusammen mit (ehemaligen) Mitarbeitern jener Agenturen verfasst wurden:46 „Audience Development is long term relationships firmly rooted in a philosophical foundation that recognizes and embraces the distinctions of race, age, sexual orientation, geography and class.“47; „Audience Development is the merging of marketing techniques with relationship-building skills […] The goal […] is identical for all arts organizations: Tapping into an unrealized market that can increase your profit margin and everyone’s cultural awareness.“48 „Audience development is reaching and engaging people in local communities by increasing the number or types of people who participate in arts activities, or deepening an existing audience’s level of participation. […] Thorough planning and comprehensive implementation (including not only programmatic but also marketing, organizational development, and institutional strategies) are necessary to ensure that audience development initiatives are effective.“49
44 Vgl. Lueg 2007: 85 ff.; Bisping 2000: 39 f. 45 Bspw. Walker International Communications Group 2016. 46 Bspw. Connolly/Cady 2001; Morison/Dalgleish 1992. 47 Walker-Kuhne 2003: 6. 48 Walker-Kuhne 2005: 11, 166. 49 Connolly/Cady 2001: 7 f.
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„The objective of audience development is creating a love affair between people and art that will have a lifelong impact on the minds and spirits of those who partake […]. ,Audience development‘ in its broadest possible interpretation [is] an ‚umbrella‘ term to encompass all aspects of promotion, publicity, marketing, public relations, communications and educational programs […]. [It] can move the arts ahead again in their quest for a larger, more democratic audience.“50
In der öffentlichen Kulturverwaltung in den USA stehen für Kulturinstitutionen kaum Audience Development-Beratungsstellen zur Verfügung. Die vorhandenen Audience Development-Agenturen agieren privatwirtschaftlich und müssen von Kulturinstitutionen für ihre Beratungs- und Arbeitsleistung engagiert werden. 2.2.3 Audience Development in Deutschland Der Themenbereich „Audience Development“ befindet sich im deutschsprachigen Raum noch im eher „exploratorischen Stadium“51 und „steckt […] noch in den Kinderschuhen“ 52 . So hat die Kulturmanagementforschung auch bislang kaum einen „veritablen Versuch unternommen, die institutionspolitische Relevanz des AD [Audience Development] als Führungs- und Programmkonzeption von künstlerischen Betrieben überzeugend zu demonstrieren“53. Doch in neuester Zeit gibt es Anzeichen, dass Audience Development auch in Deutschland merklich an Bedeutung gewinnen wird.54 Es lassen sich nach dem Jahr 1945 auch in Deutschland verschiedene kulturpolitische Entwicklungsphasen ausmachen, die zu dieser Entwicklung geführt haben: Während der ersten Phase (1950–1966) spielte ein etwaiger landesweit qualitativ und quantitativ gleicher Zugang der Bevölkerung zu Kulturangeboten noch kaum eine Rolle. Kulturpolitik zielte auf eine Wiederherstellung der kulturellen Infrastruktur nach dem Krieg sowie auf die Sicherung, Verwaltung, Pflege und Förderung der traditionellen Kunstformen und Kulturinstitutionen ab. 55 Aufgrund der Erfahrung einer Instrumentalisierung von Kunst und Kultur zu Propagandazwecken aus der Zeit des Nationalsozialismus stand die neugegründete Bundesrepublik einer zentral gesteuerten Kulturpolitik eher kritisch gegenüber. Kulturpolitik wurde infolgedessen explizit dezentralisiert, sprich: Die Kul50 Morison/Dalgleish 1992: 7, 64. 51 Lutz 2011a: 119. 52 Klein 2011a: 11. 53 Schmidt-Ott 2008: 37. 54 Vgl. Mandel 2012a: 19; 2011b: 13; 2009a: 25. 55 Vgl. Singer 2003: 14; Heinrichs 1999: 83.
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turhoheit wurde den Bundesländern zugesprochen und die Zuständigkeit des Bundes wurde auf ein Minimum festgeschrieben.56 Zudem wurde nach der massiven Verfolgung von Künstlern in der Zeit des Nationalsozialismus im Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes die sogenannte „Kunstfreiheitsgarantie“ – „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“57 – als Abwehrrecht gegen den Staat festgeschrieben, die bis heute die zentrale Leitlinie von Kulturpolitik in Deutschland ist.58 In der zweiten Phase (1966–1982) zielte Kulturförderung ähnlich wie in Großbritannien auf die Herstellung sozialer Gleichheit im Sinne einer Demokratisierung der Kultur ab. Zu dieser Zeit rückte erstmalig der Kulturnutzer in den Blickwinkel kulturpolitischer Bemühungen. Kulturförderung sollte primär zugunsten derer wirken, die bis dato nur bedingt Zugang zu kulturellen Angeboten hatten, und für eine Gleichberechtigung alternativer Kulturformen sorgen. Auch in Deutschland führte dies in den 1970er-Jahren zu einem Ausbau der Kulturinstitutionen und zu zahlreichen neuen kulturellen Praxisfeldern (bspw. Stadtteilkultur, soziokulturelle Zentren), die mit wachsenden öffentlichen Mitteln gefördert wurden.59 Gleichzeitig begannen sich in diesem Zusammenhang in größerem Umfang verschiedene (neue) Formen von Kulturvermittlung zu etablieren, die im weitesten Sinne eine Brücke zwischen künstlerischer Produktion und unterschiedlichen Gruppen von Rezipienten herstellen wollten.60 In der dritten Phase (1980–1998) verbreitete sich in Deutschland äquivalent zu Großbritannien zunehmend ein gesellschaftliches Wettbewerbsbewusstsein, das auch vor dem Kultursektor nicht haltmachte und in der Vorstellung vom Image-, Wirtschafts-, Standort- und Stadtplanungsfaktor Kultur mündete. 61 Gleichzeitig wurde (infolge der Wiedervereinigung) in den 1990er-Jahren der Spar- und Konsolidierungsdruck der öffentlichen Haushalte immer deutlicher, und die Kulturförderung wurde entscheidend gekürzt.62 Es folgten eine stärkere marktwirtschaftliche Orientierung im gesamten Kulturbereich sowie ein Paradigmenwechsel von einem angebotsorientierten Ansatz zu einer nachfrageorientierten Haltung. Sowohl die Einspielergebnisse von Kulturinstitutionen als auch die Frage
56 Siehe hierzu bspw. Rudzio 2006: 315 ff.; Klein 2005: 73 f.; Singer 2003: 14. 57 Jarass/Pieroth 2006: 26 f. 58 Vgl. Mandel 2011b: 12. 59 Vgl. Singer 2003: 20; Heinrichs 1999: 84. 60 Vgl. Mandel 2013e; Klein 2011a: 250. 61 Vgl. Singer 2003: 26 f.; Heinrichs 1999: 12 ff. 62 Vgl. Singer 2003: 26.
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der Legitimation von öffentlicher Finanzierung abhängig von Besucherzahlen und der Besucherzusammensetzung rückten zunehmend in den Vordergrund.63 Aufgrund der Kunstfreiheitsgarantie und der Tatsache, dass sich Deutschland als Kulturstaat versteht, werden Kulturangebote bis heute dennoch zu sehr großen Teilen staatlich gefördert und gezielt einem freien Markt kultureller Angebote und der Nachfrage (potenzieller) Besucher und deren Bedürfnissen und Wünschen entzogen.64 Eine indirekte staatliche Förderung des Kunst- und Kulturbereichs durch Steuervergünstigungen für Spenden, Schenkungen oder Erbschaften gibt es auch in Deutschland, sie hat aber aufgrund des geringen Anteils an der Gesamtfinanzierung der Institutionen nur eine untergeordnete Relevanz.65 Kulturpolitik in der vierten und aktuellen Phase sieht sich weiterhin mit einer finanziell angespannten Lage und zunehmend mit gravierenden Veränderungen aufseiten der Nachfragestrukturen konfrontiert. Hierzu gehören vor allem der Rückgang des Publikums traditioneller Kultureinrichtungen durch einen Schwund des traditionellen Kulturbildungsbürgertums sowie ein geringer werdendes Interesse von jungen Menschen an den traditionellen Kulturangeboten (bspw. durch eine Erweiterung des Kulturbegriffs, den demografischen Wandel, die Digitalisierung).66 Ähnlich wie in den USA ist gleichzeitig eine zunehmende Übersättigung des Marktes für kulturelle Angebote zu verzeichnen, denn während das Kulturangebot in Deutschland in den letzten 30 Jahren stark gewachsen ist, ist die Nachfrage gleich geblieben oder sogar gesunken.67 Fast alle Kulturinstitutionen haben somit heutzutage gemein, dass sie auf der einen Seite ihr Stammpublikum halten und auf der anderen neues Publikum hinzuzugewinnen müssen.68 Infolgedessen wird in Deutschland zunehmend die Bedeutsamkeit von Kulturvermittlung auf breiter Ebene erkannt, es werden innerhalb von Kulturinstitutionen Positionen dafür geschaffen und auf kulturpolitischer Ebene Gelder für entsprechende Bemühungen zu Verfügung gestellt.69 Als Leitbegriff der aktuellen Phase der Kulturpolitik sehen manche Autoren aus diesem Grund sogar „Kulturelle Orientierung – Kulturelle Bildung“70. Des Weiteren ist in den letzten Jahren das Interesse von Kulturpolitik, Kulturmanagement und 63 Vgl. Singer 2003: 27; Heinrichs 1999: 85. 64 Vgl. bspw. Hausmann 2011a: 21 ff.; Klein 2011a: 70; Mandel 2011b: 12. 65 Vgl. Lueg 2007: 47 ff. 66 Vgl. Mandel 2012a: 16 f.; 2011b: 13; 2009a: 25 ff.; Lutz 2011a: 121 f.; 2011b: 74 f.; Siebenhaar 2008b: 22; Klein 2005: 47 ff. 67 Vgl. Mandel 2012a: 17, 2009b: 20; Glogner-Pilz/Föhl 2011a: 14; Klein 2011a: 110. 68 Vgl. Mandel 2012a: 15: 69 Vgl. Mandel 2012a: 16; 2012b: 8; 2008c: 9. 70 Scheytt 2006.
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kultureller Bildung an (potenziellem) Kulturpublikum deutlich gewachsen.71 Zudem und in Konsequenz sind „Strategien des Audience Development derzeit die vermutlich am stärksten nachgefragte Wissensressource der Kulturmanagementwissenschaft“72. Eine allgemein geteilte Definition von Audience Development gibt es auch in Deutschland nicht. Unterschiedliche Charakterisierungen sind mit teils unterschiedlicher inhaltlicher Schwerpunktsetzung fast ausschließlich in Forschungsveröffentlichungen aufgeführt. In Audience Development-Definitionen, die vor allem von Birgit Mandel stammen,73 vereinen sich die Ansätze aus Großbritannien und den USA. Teilweise beziehen sich die Forscher (explizit) auf entsprechende Definitionen und Beschreibungen aus der englischsprachigen Literatur (vor allem auf Heather Maitland und/oder dem Arts Council England und/oder Bradley G. Morison und Julie G. Dalgleish und/oder Donna Walker-Kuhne). Während Mandel in ihren Veröffentlichungen schwerpunktmäßig die Entwicklung von Audience Development in Großbritannien und in diesem Rahmen die Bedeutung der Marketingperspektive, vor allem aber die der kulturellen Bildung aufzeigt, liegt der Fokus von Siebenhaar und Schmidt-Ott auf den Wurzeln von Audience Development in den USA und ist deutlich marketingorientierter: „Audience Development bezeichnet die Generierung und Bindung neuen Publikums für Kultureinrichtungen.“74; „Audience Development arbeitet mit Ansätzen aus dem Kulturmarketing, der Kultur-PR, der Besucherforschung, der Kunstvermittlung und der kulturellen Bildung, um kulturelle Angebote für unterschiedliche Zielgruppen zu gestalten, zu positionieren, zu kommunizieren, zu vertreiben und zu vermitteln. […] Audience Development kann vorwiegend als Instrument gesehen werden zur […] quantitativen Erhöhung der Besucherzahlen und der Einnahmen eines Kulturbetriebs. Darüber hinaus kann das Ziel […] auch darin bestehen, neue Nutzer […] zu gewinnen, die sich bislang nicht für […] kulturelle Angebote interessiert haben.“75 „,Audience Development‘ ist auf Kultureinrichtungen bezogen […] ein besucherorientiertes Managementkonzept im umfassenden, integralen Sinne.“76; „Vermeintliche deutsche Ersatz-Begriffe wie Kulturvermittlung, Benutzerbindung, Publikumsorientierung, kultu71 Vgl. Mandel 2012a: 21; 2008c: 9; Glogner-Pilz/Föhl 2011a: 9. 72 Mandel 2012a: 15. 73 Bspw. Mandel 2012a; 2011a, c; 2009a; Siebenhaar 2009b; 2008b; Schmidt-Ott 2009; 2008; 2007. 74 Mandel 2013a: 13. 75 Mandel 2011b: 9. 76 Siebenhaar 2007: 3.
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relle Bildung sind in Audience Development als Elemente enthalten, greifen aber in Aufgabenstellung, Implementierungsgehalt und operativer Praxis zu kurz.“77; „Diese […] in einem ,Customer-Relationship-Management‘-Gesamtkonzept zu vereinigen und erlebbar zu machen, ist Aufgabe und Herausforderung zugleich.“78 „Audience Development ist strategisches Publikumsmanagement“79; „Primärziele des Audience Development […] basieren auf der Ergiebigkeit von Publikumsbeziehungen im Sinne von Vermittlungs- und/oder Bildungs- und Unterhaltungserfolgen auf der einen und einer Ausschöpfung des Publikumspotenzials bzw. einer Optimierung der Publikumsdurchdringung auf der anderen Seite. […] Audience Development […] versteht sich als gesamtbetrieblich, normativ, indem es sich auf die Beziehungen zu allen Anspruchsgruppen – Trägern, Wettbewerbern, Drittinstitutionen und auf institutionsinterne Beziehungen – ausdehnt.“80
Eine deutsche Besonderheit stellt das Themenfeld „Interkulturelles Audience Development“81 dar, das sich explizit auf das Erschließen von (neuem) Publikum mit Migrationshintergrund bezieht und die Audience Development-Forschung hierzulande derzeit dominiert. Die Thematik spielt in Großbritannien und den USA zwar ebenfalls eine große Rolle und es gibt entsprechende Studien und Veröffentlichungen. In der Regel wird eine Beschäftigung mit dieser Zielgruppe dort jedoch nicht derart prominent betitelt oder behandelt, sondern wird neben Bemühungen zu allen weiteren Zielgruppen eher als regulärer Unterbereich von Audience Development verstanden (siehe hierzu Kapitel 3.1). In Deutschland gibt es bislang kaum Audience Development-Beratungsangebote durch offizielle Stellen wie der Kulturverwaltung und/oder explizit hierauf spezialisierter Audience Development-Agenturen wie in Großbritannien und den USA.
77 Siebenhaar 2009b: 13. 78 Siebenhaar 2008b: 22. 79 Schmidt-Ott 2007: 28. 80 Schmidt-Ott 2009: 75, 79. 81 Mandel 2013d.
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2.3 G RUNDVORAUSSETZUNGEN VON A UDIENCE D EVELOPMENT -S TRATEGIEN Als Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Audience Development-Strategien werden in der Forschung zwei Faktoren benannt: erstens eine Kulturinstitution mit Audience Development-Philosophie, sprich mit einer konsequenten Besucherorientierung als übergreifende Organisationsphilosophie; zweitens gilt eine klare Zielsetzung für jegliche Strategieüberlegungen und -entwicklungen als elementar. 2.3.1 Audience Development als Organisationsphilosophie Als zentrale Grundlage für die Entwicklung von Audience DevelopmentStrategien gilt das Verständnis, dass es sich bei Audience Development um eine ganzheitlich ausgerichtete Organisationsphilosophie bzw. um ein umfassendes Managementkonzept handelt: „AD [Audience Development] ist […] kein einzelnes Projekt […], sondern eine umfassende künstlerisch-strategische Neuorientierung, die die gesamte Institution umfasst“82 und somit „integraler Bestandteil der Aufbau- und Ablauforganisation [von] Kultureinrichtungen“83. Das heutige Verständnis von Audience Development ist dabei stark von einer Entwicklung geprägt, die im Profitbereich in den 1960er-Jahren ihren Anfang nahm und seit dem Jahr 2005 als abgeschlossen gilt: Der Markt, auf dem Angebot und Nachfrage zusammentreffen und in eine Austauschbeziehung treten, hat sich von einem Verkäufermarkt zu einem Käufermarkt gewandelt. Während bei einem Verkäufermarkt die Nachfrage nach Gütern das Angebot übersteigt und die Austauschsituation durch den Anbieter dominiert wird, übersteigt bei einem Käufermarkt das Angebot an Gütern die Nachfrage. In dieser Situation hat der (potenzielle) Nachfrager eine große Auswahl und ist in einer verhandlungstaktisch günstigeren Position. Eine Fortsetzung der bislang im klassischen Marketing angewandten kurzfristigen und anonymen Kundenwerbung und -gewinnung mittels Marketinginstrumenten (Stichwort: Produktmanagement) war nicht mehr zielführend, da hiermit von vielen Unternehmen aufgrund der großen Konkurrenzsituation nicht mehr ausreichend Nachfrage für ihre Produkte generiert werden konnte. Als Konsequenz erfolgte der Wandel zu einem Beziehungsmarketing, das sich stärker als zuvor an den Bedürfnissen der Kunden ausrichtete. Hierbei wurde versucht, eine größere Kundenzufriedenheit sowie eine größere Kunden-
82 Schmidt-Ott 2009: 75. 83 Siebenhaar 2009b: 11.
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loyalität mittels einer stärkeren Interaktion mit (potenziellen) Kunden als Partnern, einer langfristigen Orientierung an Kundenbedürfnissen sowie durch deren dauerhafte Befriedigung (Stichwort: Kundenbeziehungsmanagement bzw. „Customer Relationship Management“) zu erreichen.84 Bis auf wenige Ausnahmen gilt die oben beschriebene Dynamik auch für den Kulturbereich in Deutschland.85 Dem (potenziellen) Kulturbesucher stehen durch eine erhebliche Steigerung und Diversifikation des kulturellen Angebots seit den 1970er-Jahren Dutzende von Wahlmöglichkeiten zu Verfügung, 86 und dieser Angebotsvielfalt steht eine differenzierte Nachfrage mit komplexem Nutzungsverhalten gegenüber: Eine Analyse des derzeitigen Besucherverhaltens der deutschen Bevölkerung zeigt, dass es zwar ein Kernpublikum für kulturelle Angebote gibt, das sich ausdrücklich für den Bereich Kunst und Kultur interessiert und entsprechende Angebote intensiv nachfragt, dessen Anteil liegt aber, unterschiedlich nach Kultursparte, deutlich unter 10 % der deutschen Bevölkerung (Intensivnutzer ca. 3–5 %). Die Gruppe von Personen, die kulturelle und künstlerische Produkte gelegentlich nachfragt, liegt im Bereich von 35–40 % der deutschen Bevölkerung. Der Anteil der Nicht-Nutzer hingegen, die nie oder selten kulturelle Angebote nachfragen und sich hierfür auch nicht interessieren, liegt bei über 50 % der Bevölkerung.87 Trotz vielfältiger Bemühungen der Kulturpolitik, -verwaltung und/oder -institutionen in den letzten Jahrzehnten ist die Nachfrage nach kulturellen Angeboten im Zeitvergleich fast gleich geblieben. Es mag in Deutschland (wie in vielen anderen Ländern auch) zwar statistisch insgesamt eine Steigerung der Kulturbesuche zu verzeichnen sein, dies gilt aber nicht für die Anzahl der Besucher.88 Um weiterhin ihre ökonomischen, gleichermaßen aber auch ihre künstlerisch-kulturellen und/oder politischen Zielsetzungen zu erreichen, müssen die Institutionen (potenzielle) Besucher davon überzeugen, dass sie ein von anderen Anbietern unterscheidbares, unverwechselbares und attraktives Angebot offerieren, das Konkurrenzangeboten gegenüber vorzuziehen ist.89 In der Forschung wird eine konsequente Besucherorientierung innerhalb von Kulturinstitutionen als grundlegend für ein erfolgreiches Audience Development 84 Siehe hierzu bspw. Lutz 2011b: 77; Schmidt-Ott 2009: 74 ff.; Klein 2008a: 17 ff. 85 Siehe hierzu bspw. Lutz 2011b: 73; Schmidt-Ott 2008: 34 f., 2007: 28 f.; Klein 2005: 31. 86 Siehe hierzu bspw. Glogner-Pilz 2011a: 100 ff. 87 Vgl. Klein 2011a: 124; Keuchel 2005a: 53; 2005b: 112 ff.; Frank/Maletzke/MüllerSachse 1991. 88 Vgl. Sievers 2010: 224; Colbert 2009: 16. 89 Siehe hierzu bspw. Lutz 2011b: 78; Bristot 2007: 28 ff.
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gesehen, 90 wie sie auch innerhalb eines modernen Kulturmanagements/Kulturmarketings seit vielen Jahren gefordert wird.91 Konsequente Besucherorientierung ist hierbei jedoch nicht gleichbedeutend damit, dass dem (potenziellen) Publikum im Sinne einer völligen Nachfrageorientierung nur noch angeboten wird, was es sich wünscht. Sie „bedeutet vielmehr, dass die jeweilige Kultureinrichtung tatsächlich alle Anstrengungen unternimmt, das, was sie künstlerischästhetisch produziert, einem größtmöglichen Kreis von Interessenten nahe zu bringen“92. Auf den Kulturbereich in Form eines strategischen Besuchermanagements übertragen, zielt Kundenbeziehungsmanagement (Customer Relationship Management) entsprechend darauf ab, die Ziele einer Kulturinstitution mit den Bedürfnissen ihrer unterschiedlichen (potenziellen) Besuchergruppen in Einklang zu bringen. Es versucht zu erklären, wie Beziehungen zwischen der Institution und den (potenziellen) Besuchern zustande kommen, und herauszufinden, wie diese Beziehungen (erfolgreicher) ausgestaltet werden könnten. 93 In diesem Rahmen sollen sämtliche Maßnahmen, die für die Erreichung dieser Ziele ergriffen werden, daraufhin überprüft werden, welche Wirkung sie bei der (potenziellen) Besucherschaft erzeugen und inwieweit sie geeignet sind, die Akzeptanz gegenüber der Kulturinstitution zu erhöhen oder im Gegenteil Besuchsbarrieren abzubauen.94 Ist eine solche Besucherorientierung nicht bereits erfolgt, hat eine konsequente Realisierung einer umfassenden Besucherorientierung ein entsprechendes „Change-Management“ zur Folge: Es erfordert innerhalb der Kulturinstitution einen Wandel von der in einem Verkäufermarkt typischen Angebotsorientierung hin zu einer Nachfrageorientierung im Käufermarkt. Die hierfür notwendige Besucherorientierung muss sich ganzheitlich in der kompletten Aufbau- und Ablaufstruktur der Institutionen widerspiegeln. Hierfür ist zumeist eine Veränderung von innerbetrieblichen Prozessen und Schnittstellen, von künstlerischer Planung und von bislang eingesetzten Management-Methoden erforderlich.95
90 Vgl. bspw. Mandel 2012a: 19; Schmidt-Ott 2009: 75; Siebenhaar 2008a: 3 f. 91 Siehe hierzu bspw. Günter/Hausmann 2012: 12 ff.; Hausmann 2011a: 61 ff.; Klein 2011a: 97 ff.; 2005: 61 ff. 92 Klein 2011a: 100. 93 Vgl. Lutz 2011a: 123 ff.; 2011b: 77 ff.; Schmidt-Ott 2007: 28. 94 Vgl. Lutz 2011b: 78 ff. 95 Vgl. bspw. Mandel 2013c: 99 ff., 2012a: 25; Schmidt-Ott 2009: 75, 2008: 36; Siebenhaar 2009b: 8.
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2.3.2 Zielsetzungen von Audience Development(-Strategien) Bevor Audience Development-Strategien entwickelt und messbare Erfolge erzielt werden können, müssen zunächst die globalen Ziele der Kulturinstitution festgelegt werden. Zentrale Elemente sind hierbei das Mission Statement und die Vision einer Institution. Der wesentliche Zweck oder das Leitbild einer Kulturinstitution spiegelt sich dabei in deren Mission Statement wider, das deren Handlungsrahmen und Handlungsrichtung (übergeordnete Ziele) vorgibt. Innerhalb der Vision wird der Zielhorizont dargestellt, der durch die Arbeit der Kulturinstitution erreicht werden soll und auf dessen Basis spezifische Teilziele formuliert (strategisches Leitbild und Zielvereinbarungen) und Strategien für deren Erreichung entwickelt werden können.96 Bei der Zielorientierung von Kulturinstitutionen handelt es sich grob vereinfacht um ein Zusammenspiel aus drei einzelnen internen und/oder von extern an sie herangetragenen Zielen (bspw. durch Träger, Kulturpolitik): erstens die Erfüllung des kulturellen/künstlerischen Auftrags (ästhetische, bildungspolitische, kulturelle oder allgemeine künstlerische Ziele), zweitens das Erreichen bestimmter Zielgruppen (bspw. demografische Gruppen, soziale Milieus, Gruppen nach Nutzungsstatus) und drittens die Bestandssicherung der Kulturinstitution (siehe Abbildung 1).97 Abbildung 1: Ziele von Audience Development(-Strategien) Erfüllung des kulturellen/ künstlerischen Auftrags Ziele von Audience Development Erreichung bestimmter Zielgruppen
Bestandssicherung der Kulturinstitution
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Klein 2008a: 26.
Das Zusammentreffen dieser drei Zielrichtungen spiegelt sich in den Zielsetzungen von Audience Development in allen drei oben aufgeführten Ländern – Großbritannien, USA und Deutschland – wider. Mit inhaltlichen Schnittmengen
96 Siehe hierzu bspw. Günter/Hausmann 2012: 27 ff.; Hausmann 2011a: 46 ff.; Klein 2011a: 70 ff., 288 f.; 2005: 101 ff. 97 Vgl. Klein 2011a: 67 ff.; 2008a: 25 f.; Cashman/Pagan 2002: 9 ff.; Maitland 2000: 7 f.
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lassen sich aus den oben aufgeführten Definitionen und Beschreibungen als Ziele von Audience Development-Strategien vor allem ableiten: Erhöhung der Besucherzahlen und Eigeneinnahmen von Kulturinstitutionen Nachhaltiges Binden bestehender Besucher an Kulturinstitutionen Rückgewinnen ehemaliger Besucher von Kulturinstitutionen Abbau von Barrieren, die Menschen von einem Kulturbesuch abhalten Gewinnen von Besuchern, die bislang innerhalb des Besucherprofils von Kulturinstitutionen unterrepräsentiert sind (Abbild der Gesamtgesellschaft) • Höhere Partizipation von Menschen an Kulturangeboten (soziale Inklusion) • Förderung des Einzelnen (Bildung, Talente, Persönlichkeit) via Kulturbesuche • Legitimation für Kulturinstitutionen in der Bevölkerung und der Kulturpolitik • • • • •
2.3.2.1 Kategorisierung von Audience Development-Zielen in Großbritannien, USA und Deutschland In der Forschung werden diese teils sehr unterschiedlichen Zielsetzungen und Stile von Audience Development auf verschiedene Art und Weise zusammengefasst: Kevin F. McCarthy und Kimberly Jinnett aus den USA (2001) klassifizieren verschiedene Ziele von Audience Development nach Zielgruppen von Kulturinstitutionen abhängig von ihrem Nutzerstatus. Institutionen können hierbei drei verschiedene Ziele verfolgen: Sie können versuchen, den Kulturbesuch für die aktuellen Besucher attraktiver und lohnender zu gestalten, indem sie diesen mit zusätzlichen Erfahrungen und Kenntnissen anreichern. Kulturangebote sollen für ihre Besucher hiermit eine höhere Relevanz in ihrem Leben erlangen, womit eine stärkere Bindung der Besucher an die Institution erreicht werden soll („Deepen Participation“). Sie können versuchen, ganz generell mehr Besucher zu gewinnen („Broaden Participation“). Dies soll vor allem dadurch erreicht werden, dass Zielgruppen angesprochen werden, die der Kulturinstitution ohnehin nahestehen. Diese Bemühungen richten sich entsprechend vor allem an die kulturaffinen Noch-nicht- und die Nicht-mehr-Besucher („Inclined to participate“) und zielen an erster Stelle darauf ab, vorhandene praktische Barrieren abzubauen (mangelnde Information über Programme, Preise, Öffnungszeiten etc.). Bei der letzten von McCarthy und Jinnett aufgeführten Zielmöglichkeit – „Diversify Participation“ – versuchen die Kulturinstitutionen, Menschen für ihre Angebote zu gewinnen, die diese typischerweise nicht in Anspruch nehmen. Diese Bemühungen richten sich entsprechend vor allem auf die Nicht-Besucher („Disinclined to participate“), von denen Kulturangebote als mögliche Freizeitaktivitäten bislang nicht beachtet wurden und bei denen eine Neigung oder Bereitschaft zum Kulturbesuch erst geweckt
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werden muss. Hierfür sind vor allem vorhandene soziale und psychische Barrieren abzubauen (fehlendes Vorverständnis, das Gefühl, nicht dazuzugehören etc.).98 Debi Hayes und Alix Slater aus Großbritannien klassifizieren Ziele von Audience Development ebenfalls nach Zielgruppen und unterscheiden zwischen einem missionarischen Zugang („Missionary Approach“) und einem herkömmlichen Zugang („Mainstream Approach“). Der Fokus von missionarischen Audience Development-Bemühungen richtet sich auf das Gewinnen von NichtBesuchern und dabei vor allem auf Gruppen, die an den Rändern der Gesellschaft zu suchen und/oder für Kulturangebote nur schwer und mit hohem Aufwand erreichbar sind (bspw. körperlich und geistig Beeinträchtigte, ethnische Minderheiten, Arbeitslose, Jugendliche). Audience Development-Bemühungen innerhalb des „Mainstream“-Bereichs wiederum zielen auf die bestehende Besucherschaft kultureller Angebote ab (kulturaffine Noch-nicht-Besucher, Besucher, Nicht-mehr-Besucher). Mit diesen Bemühungen werden eine höhere Besuchsfrequenz und eine stärkere Besucherbindung angestrebt. Dabei ist diese Zielgruppe in zweifacher Hinsicht für Kulturinstitutionen von Vorteil: Ihre Ansprache bedeutet ein geringes Risiko, und sie ist weniger ressourcenintensiv.99 Birgit Mandel klassifiziert Ziele von Audience Development sehr ähnlich wie Debi Hayes und Alix Slater. Sie sieht auf der einen Seite „Kulturpolitische Ziele“ beziehungsweise „Kulturvermittlungsziele“. Sie streben eine Gewinnung von Nicht-Besuchern an, legen den Fokus auf wenig kulturangebotsaffine Gruppen) und würden somit dem Missionary Approach entsprechen. Auf der anderen Seite sieht sie „Marketingziele“. Diese zielen auf eine Erhöhung von Besucherzahlen und Einnahmen ab, legen den Fokus auf kulturangebotsaffine Gruppen und würden dem Mainstream Approach entsprechen.100 In der Audience Development-Forschung wird somit davon ausgegangen, dass auch bislang nur wenig oder nicht an einem Kulturbesuch interessierte Personen
98
Vgl. McCarthy/Jinnett 2001: 32 ff. Für ein Erreichen der Ziele entwickelten McCarthy und Jinnett das „RAND-Modell“ (2001: 24): „What we offer is a framework for designing and implementing strategies for influencing people’s participation in the arts. This framework consists of a behavioral model for understanding how people decide to participate, an integrative approach for organizations to use when implementing the model, and a set of guidelines to apply to this task.“ (McCarthy/Jinnett 2001: 1) Für eine kritische Einschätzung des Nutzens des „RAND-Modells“ als Audience Development-Modell siehe bspw. Wiggins (2004).
99
Vgl. Hayes/Slater 2002: 1 f.
100 Vgl. Mandel 2011b: 9.
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mit entsprechenden Bemühungen hierfür zu motivieren sind. 101 Sowohl Keith Diggle aus Großbritannien als auch Bradley G. Morison und Julie G. Dalgleish aus den USA unterscheiden in diesem Kontext zwischen Nicht-Besuchern, bei denen es wahrscheinlich ist, dass sie zu Besuchern werden („Soft Targets“ bzw. „Available Audience“) und jenen, bei denen es mit großem Aufwand verbunden ist („Hard Targets“ bzw. „Unavailable Audience“).102 Obwohl die Bezeichnung „Unavailable targets“ impliziert, dass Bemühungen in Richtung dieser Zielgruppe erst gar nicht zielführend sind, werden diese nicht ausgeschlossen: „[…] if you want to be involved in Audience Development […] you must accept that you will need to create a different kind of arts product if you are to attract members of your Unavailable Audience.“103 Es handelt sich hierbei also um ein Verständnis, das unter einem Nicht-Besucher nicht eine Person versteht, die „auf gar keinen Fall und unter gar keinen, wie auch immer günstig gestalteten Bedingungen, entsprechende Kulturangebote nachfragt“104, sondern von Nicht-Besuchern als (nichtkulturaffinen) Noch-nicht-Besuchern ausgeht. 2.3.2.2 Aktuelle Audience Development-Zielsetzungen in Großbritannien, USA und Deutschland Die oben beschriebene Klassifizierung von Zielrichtungen zugrunde gelegt, sind die Priorisierung und die strategischen Absichten hinter Audience DevelopmentBemühungen in den drei Ländern deutlich verschieden. Inhaltliche Schwerpunktsetzungen von Audience Development sind in allen drei Ländern jedoch keinesfalls festgelegt oder gar allgemeiner Konsens: Audience Development in Großbritannien ist mit einem demokratischen und partizipatorischen Konzept verbunden und zielt an erster Stelle auf eine Erschließung von Zielgruppen ab, die innerhalb der bisherigen Besucherschaft unterrepräsentiert sind (Missionary Approach/Diversify Participation). Diese gesellschaftspolitische Sichtweise und entsprechende staatliche Kulturförderung bewirkt in Kulturinstitutionen (vor allem) eine Ausrichtung auf neue, Kulturangeboten ferne und eventuell schwierig zu erreichende Zielgruppen (NichtBesucher). Dennoch ist Kulturpolitik in Großbritannien im Vergleich zu Deutschland marktwirtschaftlicher ausgerichtet. Die Fördersummen sind dort weit geringer als hierzulande und verstehen sich eher als Hilfe zur Selbsthilfe. In Großbritannien wird in der Forschung bspw. bereits seit einigen Jahren auf theoretischer Ebene diskutiert, ob es nicht besser wäre, einen insgesamt größeren 101 Vgl. Kawashima 2000: 12 ff. 102 Vgl. Morison/Dalgleish 1987; Diggle 1984. 103 Diggle 2016. 104 Klein 2005: 148.
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Schwerpunkt (auch) auf den Mainstream-Zugang zu legen.105 Die radikalen Kürzungen in der staatlichen Kulturförderung in Großbritannien seit Ende des Jahres 2010 haben schließlich dazu geführt, dass sich die Bedeutung von wirtschaftlichen Zielen von Audience Development in den dortigen Kulturinstitutionen deutlich erhöht hat.106 In den USA unterliegen Kulturangebote aufgrund der äußerst niedrigen staatlichen Kulturförderung, die auch dort primär eher als Hilfe zu Selbsthilfe verstanden wird, noch viel stärker den Gesetzen des Marktes als in Großbritannien. Audience Development zielt in den USA entsprechend stattdessen an erster Stelle auf eine quantitative Steigerung der Nachfrage und auf eine Steigerung von Legitimation von öffentlicher und privater Finanzierung sowie von Eigeneinnahmen ab. Die hiermit verbundene nachfrageorientierte Sicht impliziert (vor allem) eine Ausrichtung auf besonders ansprechbare Zielgruppen wie kulturaffine Noch-nicht-Besucher, Besucher, Nicht-mehr-Besucher (Mainstream Approach/ Broaden Participation) und deren Erhalt (Deepen Participation). In den USA gibt es gleichzeitig seit einigen Jahren verstärkt die Forderung nach dem Missionary Approach, um mittels Audience Development einen Zugang zu Kulturangeboten für breitere Bevölkerungsschichten zu bewirken,107 den Fokus auf Bemühungen um aktive Beteiligung mit aktivem Engagement von Besuchern und/oder die stärkere Förderung des Einzelnen anstatt nur auf zahlenmäßige Vergrößerung der Besucherschaft zu setzen.108 Für Deutschland bleibt abzuwarten, ob die zunehmend angespannte Finanzlage von Kulturinstitutionen aufgrund knapper öffentlicher Kassen zukünftig ebenfalls zu einem stärkeren Fokus auf den Mainstream Approach innerhalb von Audience Development-Strategien führen könnte. Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Besucher für Kulturinstitutionen ist in Großbritannien und den USA entsprechend deren Fokus auf den Kulturbesucher deutlich größer als in Deutschland.109 Denn hierzulande hatten die (potenziellen) Besucher von Kulturangeboten für Kulturinstitutionen und für die Kulturpolitik lange Zeit eine eher untergeordnete Bedeutung. So gibt es in der deutschen Kulturmanagementforschung auch bis dato nur unzureichende Kenntnisse über diese.110 Dies liegt vor allem in der Tatsache begründet, dass die För105 Vgl. bspw. Hayes 2003: 3 f.; Hayes/Slater 2002: 2. 106 Vgl. Torreggiani 2016; Volkery 2010. 107 Vgl. Walker-Kuhne 2003: 5. 108 Siehe hierzu bspw. Zakaras/Lowell 2008; McCarthy/Jinnett 2001. 109 Vgl. Mandel 2012a: 18; 2011b: 9 ff.; 2008b: 34 ff.; Reussner 2010: 68; Hayes/Slater 2002: 1 ff. 110 Siehe hierzu bspw. Mandel 2011b: 12; 2009a: 19 ff.
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derung von künstlerischer Produktion hier historisch gewachsen grundsätzlich Vorrang vor der Förderung der Kunstrezeption hat. Das Zielsystem öffentlich finanzierter Kulturinstitutionen definiert sich nicht vorrangig durch finanziellen Gewinn, sondern durch den Erreichungsgrad künstlerischer bzw. kulturellinhaltlicher Ziele. Der Wertbeitrag und Nutzen, den die kulturellen Einrichtungen für die Gesellschaft erbringen sollen, wird mit deren Kultur- und Bildungsauftrag formuliert: Es ist ihre Aufgabe, aus Steuermitteln sowohl künstlerische Exzellenz zu ermöglichen als auch möglichst vielen und unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen.111 Eine Gewährleistung des Zugangs zu öffentlichen kulturellen Gütern für alle Bürger ist in Deutschland im Gegensatz zu Ländern wie bspw. Großbritannien keine Vorgabe der Verfassung und spiegelt sich entsprechend auch nicht in kulturpolitischen Förderrichtlinien wider. Kulturinstitutionen, die sich an Audience Development-Strategien erproben, tun dies nicht aus einer Verpflichtung, die ihnen die staatliche Kulturpolitik auferlegt, und/oder aus finanziellen Zwängen, sondern bislang weitgehend freiwillig. Entsprechende Zielvereinbarungen zwischen staatlicher Kulturfinanzierung und Kulturinstitutionen sind in Deutschland derzeit (noch) eher selten.112 Audience Development-Strategien können in Deutschland zwar theoretisch alle der oben beschriebenen Zielrichtungen aufweisen, der Kultur- und Bildungsauftrag sowie die weitgehend staatliche Finanzierung von Kulturinstitutionen bewirken hier jedoch offenbar eine Schwerpunktsetzung bzw. eine Aufgabenteilung: In der deutschen Forschung explizit als Beispiele für Audience Development aufgeführte Bemühungen zielen allem Anschein nach an erster Stelle einem Missionary Approach entsprechend auf den Abbau von (potenziellen) Besuchsbarrieren und eine Erschließung von Zielgruppen ab, die innerhalb der bisherigen Besucherschaft unterrepräsentiert sind. 113 Audience DevelopmentBemühungen, die einem Mainstream Approach entsprechend auf kulturaffine Noch-nicht-Besucher, Besucher und Nicht-mehr-Besucher abzielen, fallen in Deutschland hingegen, wie es scheint, an erster Stelle in den Bereich des Besuchermanagements als (ausschließlichen) Aufgabenbereich des Kulturmarketings. Vermutlich aus diesem Grund wird Audience Development hierzulande in der Forschungsliteratur bisweilen verkürzt auf das Erschließen von bislang in der Besucherschaft unterrepräsentierten Besuchergruppen (vor allem NichtBesucher) bezogen, anstatt als ein übergreifendes strategisches Konzept für das 111 Vgl. Hausmann 2011a: 21 ff.; Mandel 2011b: 12; 2008b: 29 ff.; Klein 2011a: 70; 2008a: 22; 2005: 351 f. 112 Vgl. Mandel 2012a: 21; 2011b: 12; 2008b: 29 ff. 113 Siehe bspw. die Best-Practice-Beispiele in Mandel 2011d; Siebenhaar 2009b.
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Gewinnen und/oder Binden innerhalb und außerhalb der aktuellen Besucherschaft verstanden zu werden.114 2.3.2.3 Trend: Community Building und Community Engagement Es lässt sich in allen drei Ländern eine allmähliche, aber zunehmend deutliche Abwendung von klassischem Audience Development, das sich vor allem auf die Akquise von Besuchern für kulturelle Angebote bezieht, hin zu einem breiteren Verständnis feststellen: In Großbritannien finden eine Diskussion um die gesellschaftliche Rolle von Kulturinstitutionen und die positiven Auswirkungen von Kunst und Kultur auf die Entwicklung von Individuen und Communities sowie entsprechende Aktivitäten von Kulturinstitutionen bereits seit den 1960er-/70er-Jahren statt (siehe Kapitel 2.2.1). Einen deutlichen Schub bekam das Themenfeld auf Basis der Ergebnisse von den seit dem Jahr 2005 großangelegten Befragungen innerhalb der Gesamtbevölkerung zu deren kulturellen Interessen und Kulturnutzungsverhalten115 und einem Wechsel zu einer durch die Conservative Party geführten Regierungskoalition im Jahr 2010. Zu diesem Zeitpunkt setzte ein Neudenken von Audience Development ein, das ein (noch) stärkeres Engagement in Bezug auf soziale Fragen (bspw. Arbeit mit Altenheimen, Krankenhäusern) sowie generell die Arbeit mit Communitys und deren Einbeziehung als Mitgestalter des kulturellen Lebens beinhaltete.116 Unter dem Slogan „Building communities, not audiences“ wird ein breiteres Verständnis von Audience Development im Sinne von „Community Building“ als integrativer Bestandteil der Arbeit von Kulturinstitutionen inzwischen ebenfalls in den USA verstärkt diskutiert.117 Das Thema wird dort in den größeren Rahmen von „Creative Placemaking“ gesetzt: „partners from public, private, non-profit, and community sectors strategically shape the physical and social character of a neighborhood, town, city, or region around arts and cultural activities“118. Vor diesem Hintergrund sollen Kulturinstitutionen als ,Good neighbor‘ nicht nur Kunst und Kultur produzieren, sondern auch Mitverantwortung für das soziale und kulturelle Leben in ihrem Umfeld übernehmen.119 114 Bspw. in Lutz 2011a: 125 ff. 115 Siehe hierzu Arts Council 2016d; UK Government 2016. 116 Vgl. Doeser/Vona 2016: 7 f.; Torreggiani 2016. 117 Siehe hierzu bspw. Borwick 2012; Borwick/Bacon 2012. 118 Markusen/Gadwa 2010: 3. 119 Vgl. Crane 2012: 83 ff. Für einen Überblick der Entwicklung der gesellschaftlichen Rolle von Kulturinstitutionen in Großbritannien und den USA siehe bspw. Doeser/Vona 2016.
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Während die Vorstellung, dass Kulturinstitutionen (auch) soziale Aufgaben übernehmen könnten oder gar sollten, in Deutschland an sich ebenfalls bereits in den 1970er-Jahren propagiert wurde,120 wurde eine tatsächliche Entwicklung der Institutionen in diese Richtung jedoch bislang nur in Ansätzen umgesetzt.121 Seit Audience Development mit Beginn des 21. Jahrhunderts hierzulande bekannter wurde, lag dessen Fokus zumeist auf einem klassischen Verständnis. Obwohl eine breite Etablierung in der Praxis noch aussteht, wird auch in Deutschland in jüngster Zeit bspw. im Kontext von Kulturentwicklungsplanung eine Weiterentwicklung von Audience Development hin zu einer stärkeren Ausrichtung auf Communities und einem partizipativem und dialogischem Verständnis diskutiert.122 Es bleibt zu beobachten, ob eine Implementierung von klassischem Audience Development eine solche Weiterentwicklung voraussetzt oder in Deutschland eventuell gleich ein solch breiteres Verständnis von Audience Development Verbreitung und Anwendung finden wird.
2.4 K ERNBESTANDTEILE VON A UDIENCE D EVELOPMENT -S TRATEGIEN Ausgangspunkt von konkreten Audience Development-Strategien ist zunächst eine umfassende Analyse der Ausgangssituation der Kulturinstitution, bei der sowohl die interne als auch die externe Situation beleuchtet wird. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hierbei auf der Kenntnis der (potenziellen) Nachfrager von Kulturangeboten. Auf Grundlage dieser Analyse werden konkrete und messbare Handlungsziele für einzelne Audience Development-Strategien erarbeitet, wovon Strategieansätze abgeleitet und in einem mehrdimensionalen Strategieprofil zusammengefasst werden. Umgesetzt werden Audience Development-Strategien mit Instrumenten des Kulturmarketings und Maßnahmen der Kulturvermittlung, die im Zusammenspiel sowohl ausgewählt werden als auch zum Einsatz kommen. Besondere Beachtung findet hierbei der Abbau (potenzieller) Besuchsbarrieren. Ein weiterer Kernbestandteil von Audience Development-Strategien ist deren umfassende Evaluation, die sowohl wertvolle globale Rückschlüsse für die zukünftige Ausrichtung und Arbeit einer Kulturinstitution als auch konkrete An-
120 Siehe hierzu bspw. Klein 2009: 178 ff.; Singer 2003: 20 ff. 121 Vgl. Mandel 2016. 122 Vgl. Föhl/Wolfram 2016; Mandel 2016; Föhl 2015; Wolfram 2015.
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haltspunkte für die (Weiter-)Entwicklung etwaiger zukünftiger Audience Development-Strategien liefern kann.123 Im Kontext der Audience Development-Literatur taucht häufig der Begriff „Strategie“ auf, dieser wird jedoch zumeist nicht definiert. Vor diesem Hintergrund wird an dieser Stelle zunächst eine kurze Reflexion des Strategiebegriffs vorangestellt, bevor vertiefend auf Vorgehensweisen für die Entwicklung von Audience Development-Strategien eingegangen wird. 2.4.1 Der Strategie-Begriff Der kanadische Professor für Betriebswirtschaftslehre und Management Henry Mintzberg unterscheidet zwischen fünf Arten von Organisationsstrategien („Five Ps for Strategy“124) und sieht erst in einem Verständnis dieser Vielgestaltigkeit die Möglichkeit einer effizienten Strategiekonzeption und -implementierung (siehe Abbildung 2). Abbildung 2: Fünf Strategiearten nach Mintzberg Strategies
Plan
Ploy
Pattern
Position
Perspective
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Mintzberg 1987: 11 ff.
Die erste Strategievariante beschreibt einen Zukunftsplan, sprich ein Ziel und den Weg, der von einer Organisation zu gehen ist („Plan“). Die zweite Variante bezeichnet eine geschickte Taktik einer Organisation, um eine bessere Position als ein Wettbewerber zu erreichen („Ploy“). Bei der dritten Variante werden in der Vergangenheit getroffene Entscheidungen und/oder vollzogene Handlungen einer Organisation nachträglich in ein konsistentes Muster zusammengefasst („Pattern“). Die vierte Variante bezeichnet die Art und Weise, wie sich eine Organisation in einem Markt positionieren möchte („Position“). Die fünfte Strategievariante legt den Fokus auf die Organisationskultur, den Blickwinkel einer
123 Als Hilfestellung für konkrete Audience Development-Pläne sei an dieser Stelle bspw. verwiesen auf Harlow (2014); Morton u. a. (2004); Connolly/Cady (2001); McCarthy/Jinnett (2001). 124 Mintzberg 1987: 11 ff
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Organisation auf sich und ihre Umwelt und die hieraus resultierende Art und Weise, wie sie agiert („Perspective“).125 Diese Kategorisierung von Strategien wurde ursprünglich für die freie Wirtschaft entwickelt, kann bei entsprechender Reflexion der Besonderheiten des kulturellen Sektors aber auf den Kulturbereich übertragen werden.126 Aufgrund der inhaltlichen Nähe der Bereiche „Audience Development“ und „Kulturmarketing“ ist es sehr wahrscheinlich, dass in Bezug auf den Strategiebegriff ein ähnliches Verständnis herrscht, selbst wenn dies von einzelnen Autoren im Themenfeld nicht explizit ausgeführt wird. In der deutschen Kulturmarketingliteratur liegt der Fokus des Strategiebegriffs auf der Variante „Plan“ mit Schnittmenge zu „Ploy“. Bspw. definiert Armin Klein „Strategie“ wie folgt: „Auf den spezifischen Bereich des Marketings bezogen ist die Strategie […] ein bedingter, langfristiger, globaler Verhaltensplan zur Erreichung der Unternehmens- und Marketingziele.“127 Bei Bernd Günter und Andrea Hausmann liegt der Fokus des Strategiebegriffs ebenfalls auf diesen zwei Bereichen, allerdings mit Schnittmengen zu dem Bereich „Position“: „Strategien sind konsistente Handlungsprogramme, die im Marketing auf die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen und eine eindeutige Positionierung eines Kulturbetriebs abzielen.“128 Eine für alle erdenklichen Kontexte (bspw. nach Zielen, Orten, Zeiten) gleiche Definition von Audience Development erscheint schon aufgrund spezifischer nationaler gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Rahmenbedingungen und Voraussetzungen in Großbritannien, in den USA und in Deutschland kaum möglich. Es wird in der englischsprachigen Forschung auch die Frage gestellt, inwieweit es überhaupt sinnvoll ist, hiernach zu suchen: „Audience development describes a practice which can have a range of uses and intentions that when applied appropriately, can play a part in helping an organisation achieve its particular objectives. So rather than coming up with a single and definitive definition, perhaps what really needs to be recognised is that audience development is […] a multi-faceted tool that can be used to accomplish a range of jobs in a variety of settings.“129
125 Vgl. Mintzberg 1987: 11 ff. 126 Siehe hierzu bspw. Cordes/Betker 2012; Günter/Hausmann 2012; Klein 2005. 127 Klein 2005: 259. 128 Günter/Hausmann 2012: 37. 129 Cashman 2002.
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2.4.2 Analyse der Ausgangssituation der Kulturinstitution Bei der konkreten Planung von Audience Development-Strategien ist eine differenzierte und strukturierte Herangehensweise vonnöten. Sie setzt zunächst eine Präzisierung der vorab festgelegten allgemeinen Ziele der Institution (siehe Kapitel 2.3.2) voraus. Welche Prioritäten und strategischen Absichten im Rahmen eines mehrdimensionalen Strategieprofils für eine erfolgreiche Audience Development-Strategie zusammenspielen können und/oder sollten, kann letztlich nur spezifisch zugeschnitten auf die aktuelle Situation und Bedürfnisse der Kulturinstitution formuliert werden. Um diese bei der Planung bestmöglich zu berücksichtigen, ist zunächst eine umfassende Analyse von deren Ausgangssituation vonnöten. Für die Konzeption von Audience Development-Strategien wird entsprechend in einem ersten Schritt eine ausführliche Analyse der Ausgangssituation der Kulturinstitution vorgenommen. Dies beinhaltet eine Prüfung von internen und externen Rahmenbedingungen. Es bietet sich an, eine Analyse der Ausgangssituation im eigenen Haus und mit einer Potenzialanalyse zu beginnen. Hierbei werden vor allem die Stärken und Schwächen der Kulturinstitution hinsichtlich ihrer Kapazitäten und Ressourcen beleuchtet. Diese Analyse beruht im Idealfall sowohl auf dem Selbstbild der Institution als auch auf einem Fremdblick auf die Institution (bspw. durch Besucher, Experten). Zu externen Rahmenbedingungen gehören eine Analyse der Konkurrenz sowie (möglicher) Kooperationspartner, des Beschaffungsmarkts und sonstiger Umweltbedingungen.130 Eine zentrale Grundlage für die Entwicklung von Audience DevelopmentStrategien ist zudem die Analyse der Nachfrager, die auf einer Sichtung der bisherigen Ergebnisse der (Kulturnutzer-)Forschung beruht und an die sich bei vertieftem Erkenntnisbedarf eigene Erhebungen anschließen können. 131 Auf dem Markt für kulturelle Angebote bewegen sich die verschiedensten (potenziell) zu erreichenden Besucher mit jeweils unterschiedlichem Verhalten, unterschiedlichen Wünschen, Bedürfnissen und (kulturellen) Voraussetzungen sowie unterschiedlichen individuellen Barrieren, die sie von einem Besuch abhalten. Zu versuchen, sie entsprechend den übergreifenden Zielen einer Kulturinstitution alle gleichzeitig für sich zu gewinnen und/oder deren Besuch mit den gleichen Kulturvermittlungsmaßnahmen zu bereichern, ist nicht zielführend.132 Erforderlich ist vielmehr ein auf einzelne Zielgruppen zugeschnittener Einsatz von Marke130 Siehe hierzu bspw. Günter/Hausmann 2012: 18 ff.; Klein 2011a: 79 ff.; 2005: 183 ff. 131 Vgl. bspw. Mandel 2013a: 18; 2012a: 16; 2009a: 26 f. 132 Vgl. Günter/Hausmann 2012: 21 ff.; Klein 2005: 121 ff.; 216 f.
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tinginstrumenten und Kulturvermittlungsmaßnahmen. Um dies zu bewerkstelligen, sieht die Kulturmarketingtheorie im Rahmen des KulturmarketingManagementprozesses drei Schritte vor: Der künstlerisch-kulturelle Gesamtmarkt wird zunächst in einzelne möglichst intern homogene sowie untereinander heterogene Segmente unterteilt, aus diesen werden dann nach Attraktivität der Segmente sowie Zielen und Kompetenzen der Institution einzelne ausgewählt. Im Anschluss werden Positionierungskonzepte für jedes Segment entwickelt.133 Doch bevor eine solche Strategieplanung überhaupt stattfinden kann, steht zunächst die Aufgabe an, von (potenziellen) Zielgruppen ein detailliertes Profil zu entwickeln. In diesem Rahmen ist zielführend, in einem ersten Schritt und im Rahmen einer Sekundärforschung sämtliche innerbetriebliche Daten zu analysieren. Zudem können außerbetriebliche Daten herangezogen werden, die bspw. von statistischen Ämtern stammen können oder anderen öffentlichen Stellen sowie von Verbänden oder von einzelnen Forschungsinstituten. Zu den außerbetrieblichen Daten gehören auch Veröffentlichungen aus den verschiedensten Forschungsbereichen, insbesondere aber aus der Kultursoziologie/Kulturnutzerforschung sowie von einzelnen kommerziellen Marktforschungsinstituten.134 Im Anschluss an die Sichtung dieser Quellen kann entschieden werden, ob und in welchem Ausmaß zusätzliche eigene Recherchen und/oder Erhebungen zu den Zielgruppen erforderlich sind und durchgeführt werden sollten.135 Grundsätzlich können (potenzielle) Besucher anhand struktureller und verhaltensorientierter Merkmale in Zielgruppen gebündelt werden (siehe Abbildung 3 auf der folgenden Seite). Zu den strukturellen Merkmalen zählen geografische, soziodemografische/sozioökonomische sowie psychografische Faktoren wie Milieu- oder Lebensstilzugehörigkeit.
133 Vgl. Günter/Hausmann 2012: 40 ff.; Klein 2005: 259 ff. 134 Vgl. Klein 2008a: 54; 2005: 178 f.; für einen Überblick hierzu siehe bspw. GlognerPilz/Föhl 2011b; Wagner 2005. 135 Vgl. Mandel 2011b: 10 f.
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Abbildung 3: Systematisierung von Besuchermerkmalen Besuchermerkmale
Strukturelle Besuchermerkmale
Geografische Merkmale
Soziodemografische Merkmale
Psychografische Merkmale
Verhaltensorientierte Besuchermerkmale
Verwendungsmerkmale
Nutzen-/Benefitmerkmale
Anlassmerkmale
Einstellungsmerkmale
Quelle: Klein 2008a: 55.
Bezüglich geografischer, soziodemografischer und psychografischer Faktoren lassen sich in der deutschen Forschung bereits vielfältige Studien finden, beispielsweise über das Kulturnutzungsverhalten von Touristen und Einwohnern einer bestimmten Region oder Stadt,136 der deutschen Gesamtbevölkerung, Jugendlichen und jungen Erwachsenen und Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.137 Zu den verhaltensorientierten Merkmalen werden Verwendungs-, Nutzen-/ Benefit-, Anlass- und Einstellungsmerkmale gezählt. Bezüglich der Verwendungsmerkmale wird in der Regel nach Nutzungsstatus/-rate und dabei vereinfacht zwischen kulturaffinen Noch-nicht-Besuchern, Besuchern, Nicht-mehrBesuchern und Nicht-Besuchern oder nach Stamm-, Wiederholungs- und ErstBesuchern unterschieden. In Bezug auf Nutzen-/Benefit-Merkmale wird danach unterschieden, welchen Nutzen sich ein Kulturbesucher von seinem Besuch verspricht. Hierbei wird klassisch zwischen (mindestens) vier Nutzendimensionen unterschieden: Kernnutzen (Besuch eines Kulturangebots in hoher Qualität), sozialem Nutzen (Kulturbesuch als Gemeinschaftserlebnis), symbolischem Nutzen (Geltungs-/Imagegewinn durch einen Kulturbesuch) und Servicenutzen (mit Zusatzservice abgerundeter Kulturbesuch). Anlassmerkmale unterscheiden nach 136 Zum Kulturnutzungsverhalten von Touristen siehe bspw. Pröbstle 2014; Steinecke 2013; für das von Einwohnern einer Region bspw. für Niedersachsen siehe Keuchel 2003; für das von Einwohnern einer Stadt bspw. das „KulturBarometer Frankfurt“ siehe Kulturfond Frankfurt RheinMain 2013 oder das „Kulturmonitoring“ in Berlin siehe Partner Relations 2016. 137 Siehe bspw. Keuchel/Mertens 2011; Keuchel/Larue 2012; Keuchel/Wiesand 2006; Keuchel/Wiesand 2008; Keuchel 2012; Interkultur.pro/SINUS 2010b, 2010c; Gerhards 2013a; Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010; SchuckWersig/Wersig 2000; Terlutter 2000; Schulze 1992.
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den Gründen für einen Kulturbesuch, während unter Einstellungsmerkmalen ganz generell Ansichten und Einstellungen des (potenziellen) Kulturbesuchers gegenüber Kulturangeboten fallen.138 Eine Segmentierung des Markts für kulturelle Angebote primär anhand von vergleichsweise einfach messbaren geografischen, soziodemografischen und/oder sozioökonomischen Faktoren bietet sich zwar an, dieses Vorgehen ist jedoch nur bedingt zielführend. Denn in der Forschung ist seit geraumer Zeit bekannt, dass diese Faktoren aufgrund des gesellschaftlichen Wandels von einer Klassen- und Schichtengesellschaft hin zu einer Milieu- und Lebensstilgesellschaft139 für Entscheidungsprozesse und Verhalten von (potenziellen) Besuchern kaum noch Relevanz haben. Für Kulturinstitutionen zielführender wäre eine Segmentierung nach Milieu- und Lebensstilmodellen.140 Hierbei stehen sie allerdings vor dem Problem, dass entweder dahinterliegende Erhebungsinstrumente und Auswertungsverfahren gar nicht erst öffentlich zugänglich sind (wie bspw. diejenigen von Sinus), oder sie zwar zugänglich sind, 141 Erhebungsergebnisse aber bislang nicht für den individuellen Kontext der Institution vorliegen und aus Ressourcengründen von ihnen selbst auch nur in den seltensten Fällen selbst erhoben werden können. Für ihre Strategieplanung und im Sinne einer Komplexitätsreduktion können Kulturinstitutionen als Mittelweg eine grobe Segmentierung über verschiedene Besuchertypen vornehmen.142 Dabei können sie sich an bereits empirisch überprüften Typen aus der bisherigen Forschung orientieren wie sie bspw. für Museumsbesucher oder Theaterbesucher vorliegen.143 Erkenntnisse der bisherigen (Kulturnutzer-)Forschung sind für Strategieüberlegungen von Kulturinstitutionen zwar hilfreich, aber nicht immer ausreichend. Oftmals fehlt es an aktuellen Daten, die spezifisch auf die eigenen Kontexte und Fragestellungen hinter akuten Planungs- und Entscheidungsprozessen zugeschnitten sind. Ist dies der Fall, empfiehlt es sich, entsprechende Kenntnisse mittels auf die einzelne Institution angepasster Besucher- und/oder Nicht-Besucherforschung zu ermitteln.144 138 Siehe hierzu bspw. Günter/Hausmann 2012: 42; Geyer 2008: 93 ff.; Klein 2008a: 45 ff., 87 ff.; 2005: 121 ff. 139 Überblicksartig siehe hierzu bspw. Burzan 2011; Hradil/Schiener 2005. 140 Vgl. Geyer 2008: 105; Klein 2005: 138 ff. 141 Wie bspw. Schuck-Wersig/Wersig 2000; Schulze 1992; Terlutter 2000. 142 Vgl. Klein 2005: 266. 143 Für Museumsbesucher siehe bspw. Falk 2009; Terlutter 2000; für Theaterbesucher siehe bspw. Reuband/Mishkis 2005; Hilger 1985. 144 Siehe hierzu bspw. Koch/Renz 2013; Glogner-Pilz 2012; 2011b; Klein 2008a: 47 ff.
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2.4.3 Strategien für ein mehrdimensionales Strategieprofil In der englischsprachigen Forschungsliteratur finden sich einige wenige Modelle von Audience Development-Strategien, die für eine konkrete Strategieplanung hilfreich sein können. Es handelt sich dabei auf der einen Seite um Ansätze, die an eine aus dem klassischen Marketing adaptierte Marktfeldstrategie von Harry I. Ansoff (1965; 1957) erinnern oder gar auf deren Basis für ein Agieren in Wachstumsmärkten entwickelt wurden. Auf der anderen Seite handelt es sich um eine Adaption von Strategien aus dem betriebswirtschaftlichen Kundenbeziehungsmanagement auf den Kulturbereich, die für ein Agieren in gesättigten Märkten entwickelt wurden. 145 Für ein besseres Verständnis werden hier zunächst die ursprünglichen Strategien vorgestellt, die in diese Audience Development-Ansätze einfließen. Im Anschluss werden die verschiedenen Arten der Zusammenführung aus der Audience Development-Forschung dargestellt. 2.4.3.1 Audience Development-Strategien für Wachstumsmärkte Ein recht einfaches, aber sehr bekanntes Marktfeldstrategiemodell, die „ProduktMarkt-Matrix“, stammt von Harry I. Ansoff (1965; 1957) und war das dominierende strategische Denkschema in den 1960er- und 1970er-Jahren. Es wurde ursprünglich für die freie Wirtschaft entwickelt, war vor allem für Wachstumsmärkte konzipiert und zielte darauf ab, verschiedene Wachstumsstrategien von Unternehmen logisch zu kategorisieren. Das Modell wird für eine Kategorisierung solcher Strategien jedoch auch im Bereich des Kulturmarketings angewandt.146 Hierauf bezogen beschreibt es vier Kernstrategien, die sich aus einer Kombination von bestehenden und neuen Märkten bzw. bestehenden und neuen Angeboten ergeben und mit denen Kulturinstitutionen neue Marktanteile gewinnen können (siehe Abbildung 4 auf der folgenden Seite).
145 An dieser Stelle nicht ausgeführt wird das „A.D.A.M.-Modell“ von Keith Diggle (1984). Der Autor versteht Audience Development als einen Teil von Kulturmarketing und liefert im Grunde speziell in Bezug auf Audience Development ein nur wenig theoretisch unterfüttertes und reines Prozessmodell, das klassischen Kulturmarketing-Management-Prozessmodellen stark ähnelt und das bereits in das Audience Development-Modell in Kapitel 2.2 eingeflossen ist. 146 Vgl. Günter/Hausmann 2012: 38; Barz 2010: 422 f.; Klein 2005: 280 ff.; Lohkamp/Maletz 1997: 82 f.
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Abbildung 4: Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff
Existing
MARKETS
Market Penetration
Product Development
Market Development
Diversification
Increasing Risk
New
New
PRODUCTS Existing
Increasing Risk
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ansoff 1957: 114.
Kulturinstitutionen haben hierbei die Möglichkeit, von dem ihnen bekannten Markt auszugehen („Existing Markets“) und bei Noch-nicht-Besuchern, Besuchern und Nicht-mehr-Besuchern eine höhere Nachfrage hervorzurufen oder neue Besucher (-gruppen) zu akquirieren („New Markets“). Gleichzeitig können sie ihre bisherigen Angebote unverändert anbieten („Existing Products“) oder sie abwandeln bzw. ersetzen („New Products“). Bei der ersten Möglichkeit, die sich aus einer Kombination beider Faktoren ergibt, handelt es sich um die MarketPenetration-Strategie. Hierbei verbleibt die Kulturinstitution in ihrem bestehenden Markt und bei ihren aktuellen Angeboten. Möchte sie dennoch neue Marktanteile gewinnen, ist es erforderlich, die Nachfrage bei der Institution bereits nahestehenden Noch-nicht-Besuchern, Besuchern und Nicht-mehr-Besuchern zu erhöhen („Intensivierung“) und/oder der Konkurrenz Besucher abzuwerben. Diese Strategie ist die am meisten verwendete Wachstumsstrategie. Sie bedeutet für Kulturinstitutionen ein nur geringes Risiko und ist vergleichsweise einfach umzusetzen. Gleichzeitig ist sie aber auch nur mit geringen Wachstumschancen verbunden. Sie findet ihre Grenze, wenn der bestehende Markt gesättigt ist und darin keine weitere Nachfrage zu erzielen ist.147 Bei der zweiten Möglichkeit handelt es sich um die Market-DevelopmentStrategie. Hierbei werden neue Märkte erschlossen, sprich neue Zielgruppen (Marktentwicklungsstrategie), die der Institution bislang nicht nahestehen (Nicht-Besucher). Dabei wird das Angebot – abgesehen von eventuellen minimalen Anpassungen wie bspw. bezüglich rechtlicher Gegebenheiten oder spezieller Kundenbedürfnisse des neuen Markts – nicht verändert. Erweiterungsmöglichkeiten ergeben sich dabei bspw. durch das Erschließen neuer soziodemografischer, sozioökonomischer oder regionaler Märkte. Möglich ist in diesem Rah-
147 Vgl. Klein 2005: 280 ff.; Ansoff 1957: 114.
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men auch das Schaffen neuer ,Verwendungszwecke‘ der Kulturinstitution, bspw. die Vermietung von darin befindlichen Räumen. Insbesondere für die Erschließung neuer Zielgruppen sind in der Regel hohe Investitionen in passende Marketingaktivitäten erforderlich, was die Strategie deutlich riskanter macht als ein reiner Ausbau der Marktdurchdringung.148 Bei der dritten Strategiemöglichkeit – Product Development – wird in den bestehenden Markt (Noch-nicht-Besucher, Besucher und Nicht-mehr-Besucher) der Kulturinstitution ein neues Angebot eingeführt. Möglich ist hierbei entweder eine Erweiterung des Angebotssortiments, bei der ein neues Angebot eingeführt wird, die bisherigen jedoch bestehen bleiben, oder eine Angebotssubstitution, bei der das neu eingeführte Angebot ein bisheriges ersetzt („Produktinnovation“). Risiken liegen hierbei bei den unter Umständen hohen Investitionen im Rahmen der Angebotsentwicklung und einer eventuell notwendigen Fortbildung der Mitarbeiter. Die vierte Möglichkeit ist die Diversification, bei der eine Kulturinstitution auf neuen Märkten (Nicht-Besucher) neue Angebote offeriert. Dabei gilt, dass bei dieser Strategie das größte Wachstumspotenzial besteht, sie aber auch im Vergleich zu den anderen Strategien mit dem größten Risiko behaftet ist.149 Bei verschiedenen Typen der Diversification bestehen für Kulturinstitutionen verschiedene Risikograde und Erfolgschancen (siehe Abbildung 5). Abbildung 5: Arten der Produktdiversifikation bei Ansoff Diversification
Vertical
Lateral
Horizontal
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ansoff 1957: 118.
Bei einer „horizontal Diversification“ verbreitert die Kulturinstitution ihre Angebotspalette mit neuen Angeboten, diese stehen jedoch mit den bisherigen in engem sachlichen Zusammenhang. Bei einer „vertical Diversification“ werden bestehende Angebote nur umgewandelt (Ausführung, Qualität, Preis) oder erweitert (bspw. durch Vor- oder Nachschaltung neuer Angebote), damit sie auf eine neue Zielgruppe passen. Bei diesen Diversifikations-Typen kann eine Kulturinstitution sowohl auf vorhandenes Fachwissen und praktische Erfahrungen
148 Vgl. Klein 2005: 280 ff.; Ansoff 1957: 114. 149 Vgl. Klein 2005: 280 ff.; Ansoff 1957: 114.
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aus ihren bisherigen Aktivitäten aufbauen als auch oftmals bereits vorhandene Mittel, die zur Erstellung von Angeboten erforderlich sind (Produktionsmittel), besser auslasten. Die Nähe der neuen, bereits bekannten und bewährten Angebote kann diesen gegenüber zudem bei den angestrebten Zielgruppen einen Vertrauensvorschuss bewirken. Bei der „lateral Diversification“ stehen hingegen neue Angebote nicht mit bisherigen in Zusammenhang (auch Mittelakquise durch eine reine Raumvermietung innerhalb der Institution könnte hier hineinzählen). Auf vorherige Erfahrungen mit Angeboten und/oder Märkten kann hierbei nur sehr beschränkt aufgebaut werden. Es handelt sich für Kulturinstitutionen entsprechend um die risikoreichste Wachstumsstrategie.150 Als wesentliches Entscheidungskriterium für die Auswahl der zu verfolgenden Strategien schlägt Ansoff selbst den Grad der Synergienutzung vor. Das höchste Synergiepotenzial weist hierbei die Market-Penetration-Strategie auf, denn für sie sind die nötigen Kompetenzen, Kenntnisse, Vertriebswege etc. bereits vorhanden, und der Aufwand und das Risiko dieser Strategie sind für die Kulturinstitution entsprechend gering. Die geringsten Synergien bieten Diversification-Strategien, weshalb sie als deutlich risikoreicher zu beurteilen sind. Die unter Synergiegesichtspunkten sinnvollste Strategiereihenfolge ist laut Ansoff entsprechend: Market Penetration, Market Development, Product Development und erst an vierter Stelle Diversification.151 Die Produkt-Markt-Matrix von Ansoff zeigt auf einfache und übersichtliche Art und Weise Wege auf, wie Kulturinstitutionen in verschiedenen Kombinationen von Markt und Produkt Wachstum planen können. Im Hinblick auf den Bereich des Kulturmarketings in Deutschland ist für Adaptionen kritisch zu bemerken, dass dessen Ziele hier nicht an erster Stelle im Generieren von Einnahmen/Erschließen von Marktanteilen liegen, sondern darin, für neues Publikum zugänglich zu sein und es jenseits von finanziellen Gewinnüberlegungen zu erschließen. Auch ist in Bezug auf das Produkt die Möglichkeit einer völligen Anpassung an Wünsche und Bedürfnisse eines Markts nicht vorgesehen.152 Diese Einschränkung berücksichtigend, lassen sich aus von der Produkt-Markt-Matrix 150 Vgl. Klein 2005: 284 f.; Ansoff 1957: 118. Gerade diese Vereinfachung ist jedoch auch der Hauptkritikpunkt an dem Modell, denn weitere Einflussfaktoren wie bspw. die Kostenentwicklung, das Verhalten der Konkurrenz und Strategiemöglichkeiten, die nicht auf Wachstum zielen, werden hier nicht berücksichtigt. Entsprechend gibt es für die Produkt-Markt-Matrix auch eine Reihe von modernen Erweiterungsversuchen, bspw. eine erweiterte und präzisierte Version von Philip Kotler (1999). 151 Vgl. Ansoff 1965: 75 ff. 152 Siehe hierzu bspw. Günter/Hausmann 2012: 16; Hausmann 2011a: 40 f.; Klein 2011b: 100,2005: 37.
AUDIENCE DEVELOPMENT: STRATEGISCHES GEWINNEN UND BINDEN (NEUEN) PUBLIKUMS
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abgeleiteten Modellen sehr anschaulich Anregungen für zukünftige Audience Development-Strategien ableiten: Die Modelle von Audience Development-Strategien von Douglas Eichten (1995) aus den USA und von Nobuko Kawashima (2000) aus Großbritannien weisen zumindest starke Ähnlichkeiten mit der oben beschriebenen ProduktMarkt-Matrix von Harry I. Ansoff auf, während sich der Ansatz von Stephen Cashman und Victoria Pagan (2002) aus Großbritannien explizit an diesem orientiert. Dies erscheint logisch, denn in beiden Ländern zielen Audience Development-Bemühungen nicht unwesentlich auf finanziellen Gewinn für Kulturinstitutionen ab (siehe Kapitel 2.2.2). Im Gegensatz zu der für das Kulturmarketing angepassten Ursprungsmatrix enthalten diese Ansätze jedoch nicht nur Elemente der klassischen Kulturmarketingpraxis, sondern auch Elemente aus dem Feld der Kulturellen Bildung. Douglas Eichten (1995) lieferte das erste in der Forschung diesbezüglich zu findende Modell. Er fokussiert die strategischen Zielsetzungen von Kulturinstitutionen sowie die hiervon abzuleitenden Audience Development-Ziele und unterscheidet vier verschiedene, aber recht grobe Strategien (siehe Abbildung 6). Abbildung 6: Audience Development-Strategien nach Eichten PROGRAMS Existing New
Audience Maintenance
New
Audience Enrichment
Audience Expansion
Audience Development
Increasing Risk
AUDIENCES
Existing
Increasing Risk
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Eichten 1995: 38 ff.
Die erste Strategie in Eichtens Modell – Audience Maintenance – ähnelt der Strategie der Market Penetration von Ansoff. Hierbei soll die bestehende Besucherschaft einer Kulturinstitution mittels Investitionen in stärkere Besucherbindung zu einer zumindest gleichbleibenden, im besten Sinne aber höheren Besuchsfrequenz angeregt werden. Das bestehende Angebot wird hierbei beibehalten. Die Strategie der Audience Expansion richtet sich auf Zielgruppen, die bislang nicht zur Besucherschaft der Kulturinstitution gehören und mittels verstärkten Marketingbemühungen gewonnen werden sollen, behält aber das bestehende Angebot bei und kommt somit Ansoffs Market Development nahe. Mit der Au-
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dience Enrichment-Strategie wird versucht, Kulturbesuche vor allem durch verstärkte begleitende Servicebemühungen für die bestehende Besucherschaft zu einer möglichst angenehmen und bereichernden Erfahrung zu machen. Damit erzielt diese Strategie letztlich wie Audience Maintenance im Sinne von Ansoff noch am ehesten eine größere Marktdurchdringung (Market Penetration), indem verstärkt in Besucherzufriedenheit und damit verbunden in eine größere Besucherbindung (bei bestehenden Besuchern) investiert wird. Ist der Bereich „Service“ nicht bereits Teil des bestehenden Programms und werden hierfür völlig neue Angebote entwickelt, hat diese Strategie ebenfalls Schnittmengen mit Ansoffs Product Development. Ansonsten wäre in Eichtens Modell das Kulturangebot („Programm“) an sich von Strategieüberlegungen ausgenommen und es käme keine explizite, Ansoffs Product Development entsprechende Strategie vor. Die Strategie des Audience Development ist je nach inhaltlichem Vorgehen Ansoffs Diversification oder Market Development nahe. Hierbei geht es darum, neue Zielgruppen mit speziellen Programmen zu erreichen, etwa mit umfangreichen Schul- und/oder Erwachsenenbildungs-Programmen. Wird eine Verbreiterung der Angebotspalette mit wirklich neuen Angeboten vorgenommen, die mit den bisherigen in engem sachlichen Zusammenhang stehen oder eine Umwandlung bestehender Angebote bedeuten können, und sollen völlig neue Zielgruppen erschlossen werden, handelt es sich um Ansoffs „horizontal Diversification“ bzw. „vertical Diversification“. Sind Programme im Bereich der kulturellen Bildung bereits Grundbestandteil des aktuellen Angebots und werden nicht verändert, sondern es sollen für sie nur (auch) neue Zielgruppen innerhalb des bestehenden Markts erschlossen werden, handelt es sich eher um eine MarketDevelopment-Strategie.153 Die Schnittmengen zwischen den Strategien und die leider auch nur kurzen Ausführungen Eichtens zu den einzelnen Vorgehensweisen bewirken, dass dieses Modell vergleichsweise recht wenig differenziert und noch eher marketingorientiert ist (es sei denn, Kulturvermittlung ist implizit als Teil von Service inbegriffen) und der Vielfältigkeit von Audience Development nur wenig gerecht wird. So wird kaum ersichtlich, mit welchen Marketing- und/oder Kulturvermittlungsmaßnahmen und in welchem Zusammenspiel aus diesen die Ziele hinter den vier Strategien erreicht werden sollen. Als Basis für die Entwicklung von Audience Development-Strategien ist es entsprechend auch nur bedingt geeignet, inspirierte jedoch bspw. Cashman und Pagan (2002) zu einer Weiterentwicklung (s. u.). Nobuko Kawashima (2000) klassifiziert Audience Development-Strategien nach den Zielgruppen, die diese erreichen möchten, ausdifferenziert nach deren 153 Vgl. Eichten 1995: 38 ff.
AUDIENCE DEVELOPMENT: STRATEGISCHES GEWINNEN UND BINDEN (NEUEN) PUBLIKUMS
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Nutzerstatus (Noch-nicht-Besucher, Besucher, Nicht-mehr-Besucher sowie Nicht-Besucher). Sie unterscheidet vier verschiedene Strategien (siehe Abbildung 7). Abbildung 7: Audience Development-Strategien nach Kawashima
New
Existing
Audience Education
Taste Cultivation
New
Extended Marketing
Cultural Inclusion
Increasing Risk
AUDIENCES
PRODUCTS Existing
Increasing Risk
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kawashima 2000: 8 ff.
Bei der ersten Strategie Kawashimas – „Audience Education“ –, die an Ansoffs Strategiemöglichkeit der Market Penetration erinnert, wird das bestehende Kulturangebot nicht verändert, jedoch mit umfangreichen Maßnahmen der Kulturvermittlung verknüpft. Hiermit sollen einerseits die Kenntnisse über das Verständnis für Kulturangebote und andererseits das Vergnügen an einem Kulturbesuch erhöht werden. Die primäre Zielsetzung hinter dieser Audience Development-Strategie ist eine kulturelle Bildung der bestehenden Besucher. Zudem wird davon ausgegangen, dass diese durch die Anreicherung des Angebots mit neuen Einsichten und Erlebnissen zu einer höheren Besuchsfrequenz angeregt werden.154 Die zweite Strategie – „Extended Marketing“ – kann als eine Form von Ansoffs Market Development verstanden werden und zielt auf Noch-nicht- und Nicht-mehr-Besucher ab, die ein hohes Besuchspotenzial aufweisen, aber aktuell nicht zur Besucherschaft gehören. Diese sollen – ohne dass das bestehende Kulturangebot verändert wird – mittels anderem oder intensiverem Marketing (wie „Special Discounts“) zu einem Besuch motiviert werden. Die Hauptzielsetzung dahinter ist zumeist finanzieller und/oder künstlerischer Natur.155 „Taste Cultivation“ als dritte Strategiemöglichkeit zielt auf die bestehenden Besucher einer Institution ab und ähnelt dem Product Development von Ansoff. Dabei findet eine Einführung von neuen Kunstformen und -genres in die Ange-
154 Vgl. Kawashima 2000: 8 ff. 155 Vgl. Kawashima 2000: 8 ff.
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botspalette der Institution statt, allerdings ohne eine besondere begleitende Kulturvermittlung. Bereits bestehende Besucher sollen durch eine größere Angebotspalette (bspw. durch Kooperationen mit anderen Kulturinstitutionen) zu einer höheren Besuchshäufigkeit angeregt werden. Die Zielsetzung hinter diesem Vorgehen ist vor allem finanzieller und künstlerischer Natur, kann aber auch in kultureller Bildung liegen.156 Bei der vierten Strategie handelt es sich um „Cultural Inclusion“. Diese Strategie, die der Diversification von Ansoff nahekommt, zielt auf ein Erreichen von Nicht-Besuchern einer Kulturinstitution, die ihr aus vornehmlich sozialen Gründen fern bleiben, mittels neuer Programme ab. Mithilfe von intensiver Kommunikation und Zusammenarbeit mit der Gemeinde im Umfeld der Institution und einem Hineintragen von Kulturangeboten in diese („Community Outreach“) sollen völlig neue Besucher gewonnen werden. Die Zielsetzung dahinter ist vor allem sozial, sprich im Sinne von sozialer Inklusion soll eine größere Partizipation von (vor allem, aber nicht nur, bislang nicht kunstaffinen) Menschen an Kulturangeboten gewonnen werden (Nicht-Besucher). Solche Bemühungen haben nicht das bestehende Kulturangebot, sondern Interessen, Bedürfnisse, Erfahrungen und Wissensstand der Zielgruppe im Fokus und beinhalten daher zumeist (neue) niedrigschwellige Angebote.157 Dieses Modell ist differenzierter als der Ansatz von Eichten, und es wird im Vergleich deutlicher, wie Marketing- und/oder Kulturvermittlungsmaßnahmen zusammenspielen können, um die Ziele hinter den vier Strategien zu erreichen. Auch dieses Modell inspirierte Cashman und Pagan (2002) für ihr Audience Development-Modell (s. u.). Im Vergleich zu den Modellen von Eichten und Kawashima entwickelten Stephen Cashman und Victoria Pagan (2002) ihren Ansatz explizit auf Basis der Produkt-Markt-Matrix von Ansoff und beziehen die Erkenntnisse aus dem Modell von Eichten und Kawashima mit ein. Es handelt sich somit um das in der Forschung bislang umfassendste Modell. Auch sie kommen entsprechend auf vier Arten von strategischer Ausrichtung (siehe Abbildung 8 auf der folgenden Seite).
156 Vgl. Kawashima 2000: 8 ff. 157 Vgl. Kawashima 2000: 8 ff.
AUDIENCE DEVELOPMENT: STRATEGISCHES GEWINNEN UND BINDEN (NEUEN) PUBLIKUMS
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Abbildung 8: Audience Development-Strategien nach Cashman und Pagan Audience Development Research
Existing
VISITORS
Retention and Cultivation
Programme Development
Broadening Audience Scope and Access
Innovation
Increasing Risk
New
New
PROVISION Existing
Increasing Risk
Quelle: Cashman/Pagan 2002: 20.
„Retention“ und „Cultivation“ bezeichnet hierbei eine Strategie, die im Sinne von Ansoffs Strategiemöglichkeit der Market Penetration darauf abzielt, die bestehende Besucherschaft zu erhalten und dafür zu sorgen, dass der Kulturbesuch für sie eine möglichst bereichernde Erfahrung wird. Hier fließen sowohl die Strategien Audience Maintenance und Audience Enrichment von Eichten als auch die Taste-Cultivation-Strategie von Kawashima ein. Die zweite Strategie – „Broadening Audience Scope and Access“ – soll die Zielgruppen einer Kulturinstitution hinsichtlich sozialer, demografischer und regionaler Faktoren verbreitern, ändert jedoch nichts an dem bestehenden Angebot („Provision“) der Institution. Die Strategie entspricht Ansoffs Market Development und ist somit der Audience Expansion-Strategie von Eichten und der Extended Marketing-Strategie von Kawashima nahe. Cashman und Pagans Modell beinhaltet im Gegensatz zu Eichtens (wenn, dann höchstens Audience Enrichment), aber wie Kawashimas Modell (dort Taste Cultivation), eine Strategie, die einer auf den Kunst- und Kulturbereich abgewandelten Form von Ansoffs Product Development entspricht. Die Strategie des Programme Development möchte darauf hinwirken, das Angebotsspektrum der Kulturinstitution hinsichtlich Qualität sowie um neue Einsichten und Erlebnisse für bestehende Besucher zu erweitern. Auch in diesem Modell findet sich eine Strategie, die sich auf Ansoffs Diversification bezieht: Die Strategie der Innovation zielt auf die Entwicklung neuer (Kultur-)Produkte für neue Zielgruppen ab. Wie bei Eichtens Audience Development (verstanden als horizontal Diversification bzw. vertical Diversification) und Kawashimas Cultural Inclusion sollen Zielgruppen erreicht werden, die bis-
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lang nicht zur Besucherschaft der Institution gehören, indem ihnen eine breite Palette von (neuen) Angeboten unterbreitet wird. Als Voraussetzung für alle vier Strategien sehen die Autoren den Erwerb von Kenntnissen über (potenzielle) Besucher, weshalb sie „Audience Development Research“ als zusätzliche Kategorie einer Audience Development-Aktivität in das Modell eingefügt haben.158 2.4.3.2 Audience Development-Strategien für gesättigte Märkte Ebenfalls in mehreren Audience Development-Strategien aufgegriffen wird ein strategisches Besuchermanagement als Adaption von Strategien aus dem betriebswirtschaftlichen Kundenbeziehungsmanagement (Customer Relationship Management) (siehe Kapitel 2.2.1). Entsprechende Modelle wurden entgegen der Produkt-Markt-Matrix von Ansoff nicht für Wachstumsmärkte, sondern vor allem für gesättigte Märkte konzipiert. Sie gehen davon aus, dass sich die Neukundengewinnung in diesen Märkten ungleich schwieriger darstellt, weshalb es vergleichsweise weit wichtiger ist, Besucherbeziehungen herzustellen und zu erhalten. Zentrale Erfolgsfaktoren sind hierbei die Besucherzufriedenheit und die Besucherbindung.159 Ein solches Besuchermanagement hat vier zentrale Ziele, die einzeln, aber auch in Kombination angestrebt werden können: die Vergrößerung, die Erweiterung, die Entwicklung und den Erhalt der Besucherschaft einer Kulturinstitution (siehe Abbildung 9). Abbildung 9: Elemente des Besuchermanagements Besucherorientierte Kulturinstitution
Vergrößerung, Erweiterung, Entwicklung, Erhalt der Besucherschaft
Besuchergewinnung
Besucherbildung
Besucherrückgewinnung
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Lutz 2011a: 125 ff.; 2011b: 85.
Eine Vergrößerung der Besucherschaft zielt dabei primär auf die Gewinnung von bereits kulturaffinen Noch-nicht- und Rückgewinnung von Nicht-mehrBesuchern ab. Eine Erweiterung der Besucherschaft hat die Zielsetzung, Zielgruppen zu erreichen, die bislang noch nicht zum Besucherprofil gehören. Und 158 Vgl. Cashman/Pagan 2002: 19 ff. 159 Vgl. Schmidt-Ott 2009: 77 f.; 2007: 28 f.; Klein 2008a: 17 ff.
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auch im Rahmen von einer Entwicklung der Besucherschaft wird angestrebt, (potenziellen) Besuchern (neue) Zugänge zu Kulturangeboten zu schaffen. Bemühungen um den Erhalt der Besucherschaft konzentrieren sich auf die bestehende Besucherschaft und zielen auf deren weiteren Bestand ab,160 indem stabile, auf Vertrauen basierende Beziehungen zwischen der Kulturinstitution und ihren Besuchern aufgebaut und gepflegt werden.161 Die Pflege bestehender Besucherbeziehungen lohnt sich dabei für Kulturinstitutionen in vielerlei Hinsicht: Zufriedene und mit der Institution verbundene Besucher sind treue Besucher. Sie fragen regelmäßig Angebote nach, sind offener gegenüber neuen Inhalten und Formaten und wenden sich bei etwaiger Unzufriedenheit nicht gleich ab. Sie kennen die Institution, deren Angebote, mögliche Informationsquellen hierzu, Möglichkeiten des Ticket-Erwerbs etc. und sind somit vergleichsweise wenig beratungsbedürftig und betreuungsintensiv. Sie haben bereits gute Erfahrungen mit der Kulturinstitution gesammelt, vertrauen ihr und beachten Konkurrenzangebote weniger stark. Sie lassen sich oftmals gut in Bezug auf ihr Verhalten analysieren und einschätzen (bspw. Abonnenten). Sie können in die Institution neue Ideen einbringen und/oder sogar bei der Entwicklung neuer Angebote einbezogen werden. Sie sprechen positiv über die Kulturinstitution, empfehlen diese häufig weiter und sorgen damit für indirekte WerbeEffekte. Zudem ist es deutlich weniger aufwendig und somit auch weniger kostenintensiv, bestehende Besucher zu binden, als neue Besucher zu akquirieren. Die elementare Voraussetzung hierfür ist, dass die Kulturinstitution den (potenziellen) Besucher unverrückbar in den Mittelpunkt jeder Überlegung und jedes Geschehens stellt (Besucherorientierung) und – innerhalb ihrer künstlerischkulturellen und/oder ökonomischen und/oder politischen Zielsetzung – jede Anstrengung unternimmt, sensibel Besucherwünsche und -bedürfnisse wahrzunehmen, zu bedienen und vor allem langfristig zu befriedigen.162 Dahinter steht kurzgefasst eine Überlegung aus der betriebswirtschaftlichen Forschung zum Thema „Kundenwert“163: „Je länger ein Kunde gehalten werden kann, desto wertvoller wird er damit für den Anbieter.“164 Hiervon abgeleitet wäre der Leitgedanke eines wertorientierten Besuchermanagements für Kulturinstitutionen, die ̧Loyalitätʻ von Besuchern zugunsten der Institution möglichst zu entwickeln: von einem Nicht-Besucher bzw. Noch-nicht-Besucher zu einem Erst-Besucher, zu einem wiederkehrenden Besucher und zu einem Stamm160 Vgl. Lutz 2011a: 125 ff. 161 Vgl. ausführlicher hierzu u. a. Klein 2008a; Laukner 2008; Günter/John 2000. 162 Vgl. Lutz 2011a: 123 f.; 2011b: 7; Klein 2008a: 27 ff.; 2005: 291 ff. 163 Siehe hierzu ausführlich bspw. Günter/Helm 2006. 164 Helm/Günter 2006: 11.
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Besucher und schließlich zu einem aktiven Empfehler oder Förderer (siehe Abbildung 10).165 Abbildung 10: Abstufung der Besucher nach Bindungsintensität
NichtBesucher
ErstBesucher
WiederBesucher
StammBesucher
Empfehler/ Förderer
Quelle: Lutz 2011b: 83.
Ein auf Besucherbindung abzielendes Besuchermanagement bedient sich verschiedener Besucherbindungsinstrumente, 166 die je nach Besucherstruktur der Kulturinstitution entweder in Verbundenheitsstrategien oder in Gebundenheitsstrategien eingebettet werden. Während Verbundenheitsstrategien eine Bindung der Besucher von Kulturinstitutionen über psychologische Determinanten, vor allem über Besucherzufriedenheit, erreichen möchten, wird eine Besucherbindung bei der Gebundenheitsstrategie durch einen Aufbau von Wechselbarrieren erlangt.167 Die Denkweise, die hinter einem solchen Besuchermanagement steht, ist vor dem Hintergrund des Kultur- und Bildungsauftrags von öffentlichen Kulturinstitutionen durchaus kritisch zu betrachten. Aus Sicht einer Kulturinstitution erscheint es zwar logisch, die Prioritätensetzung bei der Gewinnung und Pflege von Besuchern auch an wertorientierten Gesichtspunkten anzulehnen. Eine schwerpunktmäßige oder gar reine Ausrichtung von Besuchermanagement auf den Besucherwert ist jedoch in diesem Kontext kaum vertretbar, denn sie würde dazu führen, dass diejenigen Zielgruppen, die bei einer solchen Beurteilung vergleichsweise schlechter abschneiden (vor allem die Nicht-Besucher – Hard Targets –, siehe Kapitel 2.2.2), zugunsten von leichter kulturaffinen und erreichbaren Zielgruppen (Soft Targets) wenig oder gar unberücksichtigt bleiben.168 Diese Einschränkung bedenkend, können aus Strategien, die eng mit einem solchen Kundenbeziehungsmanagement (Customer Relationship Management) in Beziehung stehen, wertvolle Anregungen für zukünftige Audience Development-Strategien gewonnen werden.
165 Vgl. Lutz 2011b: 83 f.; Klein 2011a: 126 f.; 2008a: 34 ff. 166 Siehe hierzu bspw. Klein 2008a: 147 ff. 167 Vgl. Lutz 2011a: 135 f.; Klein 2008a: 29 ff.; 2005: 291 ff., 499 f. 168 Vgl. Klein 2011a: 82; Lutz 2011b: 84; Wiggins 2004: 23 ff.
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Entsprechende Strategien stammen bspw. von Danny Newman (1977), Bradley G. Morison und Julie G. Dalgleish (1987) und dem Art Institute of Chicago (o. J.) aus den USA. Eine Anwendung auf den Orchesterbereich in Deutschland lieferte Thomas Schmidt-Ott (2009). Im Gegensatz zu rein marketingorientierten Besuchermanagement-Ansätzen enthalten alle diese Modelle jedoch nicht nur Elemente der klassischen Kulturmarketingpraxis, sondern auch Elemente der Kulturvermittlung. Letztere werden in diesem Kontext allerdings an erster Stelle für das Erreichen von Marketingzielen (höhere Besucherzufriedenheit, dadurch höhere Besucherbindung und dadurch höhere Ticketverkäufe etc.) eingesetzt, anstatt für eine (potenzielle) individuelle Entfaltung oder Förderung des Besuchers (Bildung, Talente, Persönlichkeit). Den diesbezüglich zeitlich ersten strategischen Ansatz, der in der Forschung als ein Vorläufer des heutigen Audience Development gilt, entwickelte der Public Relations-Experte Danny Newman (1977). Newman sieht die größte Chance von Kulturinstitutionen (hier: Organisationen für darstellende Künste), Besucher dauerhaft zu binden darin, sie von Einzelticketkäufern („Slothful, fickle Single-Ticket Buyers“169) in Abonnenten zu verwandeln. Er geht davon aus, dass ein Abonnement sowohl für die (potenziellen) Besucher als auch für die Kulturinstitution im Gegensatz zum Einzelkauf bzw. Einzelverkauf von Tickets nur Vorteile bringt: für Abonnenten finanzielle Einsparungen durch günstigere Tickets, bessere Sitzplätze sowie Ansehen und besondere Vergünstigungen innerhalb der Institution, für die Kulturinstitution Planbarkeit durch eine garantierte Anzahl von verkauften Tickets sowie Einsparungen bezüglich Marketing- und Verkaufsbemühungen. Zudem geht Newman davon aus, dass Abonnenten auch Angebote besuchen würden, die sie ansonsten eventuell nicht besucht hätten, und dass dadurch ihr Verständnis für verschiedenste Formate (Kulturelle Bildung) und ihre Anerkennung hierfür wachsen würden. Die Kulturinstitution würde mit diesem Vorgehen einerseits mehr Menschen dazu bringen, mehr Angebote zu besuchen, und zeitgleich an eine Kernbesucherschaft mit immer breiter werdendem Geschmack gelangen. Auf Basis dieser Annahmen entwickelte er im Rahmen seiner Tätigkeit als Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Chicago Lyric Opera das Konzept „Dynamic Subscription Promotion“ (DSP), stellte den Verkauf von Einzeltickets ein und verkaufte stattdessen nur noch Abonnements für eine ganze Saison und die Monate, bevor diese startete.170 Newmans Methode bewirkt in der Tat eine Steigerung der Besucherfrequenz innerhalb der bestehenden klassischen Besucherschaft von Kulturangeboten. Doch durch den Fokus auf Abonnenten wird nicht ausreichend in das Erschlie169 Newman 1983: 15. 170 Vgl. Newman 1983: 15 ff.
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ßen von anderen und neuen Zielgruppen (Noch-nicht-Besucher, Nicht-mehrBesucher und Nicht-Besucher) investiert. Im Gegenteil, das Vorgehen bekräftigt sogar eher noch die Auffassung, dass es sich um Angebote für eine Elite handelt, und schreckt potenzielle Besucher zusätzlich ab. Die Folge hiervon war innerhalb der Kulturinstitutionen, die nur oder primär auf Dynamic Subscribe Promotion gesetzt hatten, eine langfristige Verkleinerung ihrer Besucherschaft durch natürliche Fluktuation (Wohnortwechsel, Mortalität der Kunden).171 Des Weiteren sind mit diesem Vorgehen – im Gegensatz zu Newmans sehr positiver Sichtweise – Nachteile für Kulturinstitutionen verbunden: Bspw. können die Einnahmen aus Ticketverkäufen durch eventuell recht hohe Ermäßigungen für Abonnements deutlich niedriger ausfallen als bei dem Verkauf von Einzeltickets, und der Spielplan wird durch langfristige Abonnementsankündigungen sehr unflexibel. Künstlerisch wenig zufriedenstellende und/oder wenig erfolgreiche Angebote können nicht seltener angeboten werden als ursprünglich geplant, gleichzeitig können besonders erfolgreiche Angebote und/oder solche von besonders hoher Qualität nicht häufiger angeboten werden.172 Es stellt sich zudem die Frage, inwieweit ein Fokus auf Abonnements ganz generell noch zeitgemäß ist, nimmt deren Wertigkeit für (potenzielle) Besucher, die Kulturbesuche zunehmend kurzfristig planen wollen, im Verlauf der letzten Jahre doch immer weiter ab.173 Unter anderem auf Basis der Erkenntnisse von Danny Newman entwickelten Bradley G. Morison und Julie G. Dalgleish (1983) die „Strategy to Encourage Lifelong Learning“ („S.E.L.L.“). Dabei handelt es sich um die zeitlich erste Audience Development-Strategie in der Forschung, die Besucherentwicklung und -bindung über ein umfassendes Konzept der Anreicherung des Angebots mit neuen Einsichten und Erlebnissen anstrebt. Hierbei wird davon ausgegangen, dass ein häufiger Kulturbesuch die Besucher im Sinne der Kulturinstitution positiv verändere: „Creating a love affair.“174 Für die Entwicklung einer treuen, engagierten und gegenüber neuen Formaten/Inhalten aufgeschlossenen Besucherschaft sei es dabei unabdinglich, Möglichkeiten für deren Beteiligung und kulturelle (Weiter-)Bildung zu maximieren. Abgezielt wird hierbei auf eine Steigerung der Besucherbindung, indem der Einstieg möglichst niedrigschwellig gestaltet wird,175 und indem möglichst Bezüge zum alltäglichen Leben der Besu171 Vgl. Hayes/Slater 2002: 3. 172 Vgl. Klein 2008a: 149. 173 Siehe hierzu bspw. Klein 2008a: 147 ff.; Keuchel 2005a: 57 ff.; 2005b: 119 ff. 174 Morison/Dalgleish 1992: 62. 175 Bspw. durch „Pre-Concert Chats“, „Post-Show Discussions“, „Newsletters with Background on the Shows“, „Meet-and-Greet Opportunities“.
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cher hergestellt werden (bspw. durch Veranstaltungen in Schulen, auf Sportplätzen).176 Morison und Dalgleish gehen davon aus, dass diese Angebote Interesse wecken, zu positiven Erfahrungen mit der Kulturinstitution und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu Folgebesuchen führen würden. Die Zielgruppe dieser Maßnahmen liegt an erster Stelle in Besuchern, die (noch) keine enge Bindung an die Kulturinstitution aufweisen und eher wenig kulturell gebildet sind. Mit der „Strategy to Encourage Lifelong Learning“ sollen somit zwar gezielt auch neue Zielgruppen erreicht werden (Nicht-Besucher bzw. Hard Targets), jedoch primär solche, die bereits zumindest gelegentlich Angebote der Kulturinstitution wahrgenommen hatten oder ihr prinzipiell nahestanden (Noch-nicht-Besucher, Besucher, Nicht-mehr-Besucher bzw. Soft Targets).177 Ein Audience Development-Ansatz, der ebenfalls auf den Grundsätzen des Kundenbeziehungsmanagements beruht, stammt von dem renommierten Kunstmuseum Art Institute of Chicago (o. J.). Mittels eines systematischen und abteilungsübergreifenden Plans wird hierbei angestrebt, die Besucherschaft zu vergrößern und an die Kulturinstitution zu binden, während gleichzeitig deren hoher künstlerischer, wissenschaftlicher und bildungsbezogener Standard beibehalten werden soll. Der hierfür entwickelte „Audience Development-Plan“ beinhaltet entsprechend Bemühungen, die Anziehungskraft eines Besuchs der Institution zu erhöhen und zudem jeden Besuch zu einer möglichst bedeutsamen und faszinierenden Erfahrung werden zu lassen (Kulturelle Bildung), die der Besucher wiederholen möchte. Die Institution erhofft sich durch dieses Vorgehen eine hohe finanzielle Stabilität durch einen gesteigerten Ticketverkauf und/oder größere Einnahmen durch Mitgliedschaften, Einkäufe in Museumsshops und Restaurant, Teilnahmen an speziellen Veranstaltungen und vor allem Spenden. Dabei sollen unregelmäßige Besucher zu regelmäßigen Besuchern werden, regelmäßige Besucher zu Mitgliedern und Mitglieder durch Spenden und eine stärkere Einbeziehung in die Institution zu höchst engagierten Museumsträgern.178 In einer „Visitor Value Chain“, die durch die Kulturinstitution aufgebaut wird, soll hierfür Schritt für Schritt mit aufeinander aufbauenden Zielen vorgegangen werden: Der potenzielle Besucher wird für einen Erstbesuch interessiert. Dabei wird sichergestellt, dass alle Aspekte des Besuchs positiv verlaufen und der Besucher damit möglichst zufrieden ist, um einen Folgebesuch zu erreichen. Nach einer gewissen Zeit werden dem Besucher bspw. eine Mitgliedschaft in einem Förderverein oder andere spezielle Angebote der Institution angeboten. 176 Vgl. Morison/Dalgleish 1992: 77 ff. 177 Vgl. Morison/Dalgleish 1992: 77 ff. 178 Vgl. Lutz 2011b: 84; Klein 2011a: 126 f.; 2008a: 34, 208 ff.; Lord/Lord 1997: 169 f.
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Später wird versucht, ihn für eine erste Spende zu gewinnen und für ein dauerhaftes Engagement für die Institution zu begeistern. Je nach Stufe, auf der sich ein (potenzieller) Besucher befindet, unterscheidet sich die Form der Ansprache durch die Institution.179 In Thomas Schmidt-Otts Adaption von Audience Development für Orchester prägen vor allem drei Aktionsbereiche etwaige Audience DevelopmentMaßnahmen: Die möglichst treffsichere Neukundenakquisition/neue Publika gewinnen, die Intensivierung der bestehenden Kunden-/Publikumsbindung sowie die Erhöhung der Profitabilität bestehender Kundenbeziehungen. Hierfür müssen laut Schmidt-Ott der Kontakt zu und die Bindung mit den Besuchern erhöht werden, indem alle Orchesterprozesse auf mögliche Publikumsbedürfnisse und zufriedenheit ausgerichtet würden – unter anderem durch eine Vertiefung, Erweiterung und Diversifizierung des Kulturerlebnisses für den Besucher.180 Schmidt-Ott beschreibt dabei einen Optimierungsprozess der Publikumsdurchdringung, der mit Publikumsnähe beginnt und über Publikumsintegration, Publikumszufriedenheit, Publikumsbindung und Publikumstreue zu einem Stammpublikum führt, während die Kulturinstitution vermittlungsspezifische und wirtschaftliche Erfolge generiert. Im Zentrum seiner Überlegungen steht eine Orientierung am Publikumswert, sprich einer bewussten Priorisierung von Bemühungen und Investitionen auf langfristig aussichtsreiche und wirtschaftlich attraktive Besucherbeziehungen. Die Aufgaben von Audience Development zeigt er anhand eines Zeitpfads/Kundenbeziehungslebenszyklus auf. Dieser beginnt mit Interessenmanagement und einem Anbahnen von Geschäftsbeziehungen („Anbahnung“). Wurde das Interesse von Kunden geweckt, beginnt das Kundenbindungsmanagement, sprich eine Festigung von neuen Geschäftsbeziehungen („Sozialisation“), eine Stärkung von bestehenden Geschäftsbeziehungen („Wachstum und Reife“) und eine Stabilisierung gefährdeter Beziehungen von beschwerenden Kunden bzw. eine Verhinderung von Kündigungen („Gefährdung“). Konnten letztere nicht verhindert werden, erfolgt ein Rückgewinnungsmanagement mit dem Ziel der Rücknahme von Kündigungen („Kündigung“) und Wiederanbahnung der Geschäftsbeziehung („Revitalisierung“). Da sich in jeder dieser Phasen unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen sowie unterschiedlich ausgeprägte Beziehungen zwischen einem Orchester und dessen Publikum feststellen lassen, müssen Audience Development-Konzepte alle Phasen dieses Zyklus abdecken.181
179 Vgl. Lutz 2011b: 84; Klein 2011a: 126 f.; 2008a: 34, 208 ff.; Lord/Lord 1997: 169 f. 180 Vgl. Schmidt-Ott 2009: 77 f. 181 Vgl. Schmidt-Ott 2009: 80 ff.
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2.4.4 Kulturmarketing und Kulturvermittlung im Zusammenspiel Für eine erfolgreiche Audience Development-Strategie ist ein Zusammenspiel von Kulturmarketing und Kulturvermittlung erforderlich. Somit ist es wesentlich, sowohl vielfältige Marketinginstrumente als auch verschiedenste Maßnahmen der Kulturvermittlung zu kennen, um je nach vorab festgelegten Strategieüberlegungen (siehe Kapitel 2.3.2) passende Instrumente auszuwählen und diese effektiv und miteinander verschränkt innerhalb eines Marketing-Mix zusammenzubringen. Dabei hat Kulturmarketing „zum Ziel, Kultur möglichst breit abzusetzen. […] Die besondere Herausforderung besteht darin, […] kulturelle Bedürfnisse zu wecken, die bislang nicht vorhanden oder nicht bewusst waren.“182 Um dies zu erreichen, bedient es sich nach einer Festlegung auf Marketingstrategien auf operativer Ebene verschiedener Mittel und Maßnahmen, die als „Marketinginstrumente“ bezeichnet werden. Kulturelle Bildung hingegen wird als Voraussetzung dafür gesehen, dass (potenzielle) Besucher ein Interesse für Kulturangebote entwickeln, wahrnehmen und gewinnbringend rezipieren können. Es handelt sich zwar im Grunde um einen Selbstbildungsprozess, häufig wird jedoch eine professionelle Kulturvermittlung benötigt, um diesen anzuregen.183 Kulturvermittlung steht dabei „für diverse Formen der Vermittlung zwischen künstlerischer Produktion und Rezeption, zwischen verschiedenen kulturellen Ausdrucksformen sowie für die Animation zu eigenem reflektierten ästhetischen Gestalten und umfasst sowohl kulturpädagogische wie kulturmanageriale Vermittlungsformen medialer wie personaler Art.“184
Während eine systematische Kategorisierung von Marketinginstrumenten innerhalb der Literatur zu Kulturmarketing einfach nachvollziehbar und abbildbar ist, ist eine solch strukturierte Kategorisierung für Maßnahmen der Kulturvermittlung (zumindest) in der deutschsprachigen Forschung bislang nicht zu finden.185 Es liegt im Interesse von Kulturmarketing, Kulturvermittlungsziele (Missionary Approach) zu verfolgen, denn das Ermöglichen von Kultureller Bildung schafft Potenziale für einen breiteren Absatz des eigenen kulturellen Angebots. Ohne Kulturmarketing kann Kulturvermittlung in vielen Fällen gar nicht erst 182 Mandel 2008b: 24; siehe hierzu bspw. auch Klein 2005: 37 f. 183 Vgl. Mandel 2011e: 235. 184 Mandel 2011e: 235. 185 Ein Versuch einer solchen Kategorisierung der Autorin befindet sich aktuell im Review-Prozess der Zeitschrift für Kulturmanagement: Kunst, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
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stattfinden, weil es seine Adressaten nicht erreicht. Gleichzeitig kann Kulturvermittlung Marketingziele (Mainstream Approach) verfolgen, indem sie Aufmerksamkeit für und positive Erwartungen an Kulturangebote weckt (Information, Aufmerksamkeitsmanagement, Imagebildung/„Branding“), (neue) Zugänglichkeiten zu Kulturangeboten schafft sowie (in Verbindung damit) zu einer Steigerung von Besucher- und Einnahmezahlen führt oder durch einen Beitrag zur Besucherzufriedenheit zu einer größeren Besucherbindung beiträgt.186 Obwohl diese direkten Beziehungen zueinander offensichtlich sind,187 werden Instrumente des Kulturmarketings und Maßnahmen der Kulturvermittlung in Deutschland offenbar – und sicherlich auch aus Mangel an Literatur zu Audience Development – (noch) weitgehend voneinander getrennt gedacht. Es gibt im Themenbereich des Kulturmanagements in der Regel getrennte Veröffentlichungen zu Kulturmarketing auf der einen und zu Kulturvermittlung auf der anderen Seite.188 Damit bleibt zunächst die Frage offen, in welcher Art und Weise Kulturmarketing- und Kulturvermittlungsmaßnahmen innerhalb von Audience Development konkret zusammenspielen könnten. In der aus den USA und Großbritannien stammenden Literatur zu Audience Development aus dessen Anfangszeit zu Beginn der 1990er-Jahre dominierte die Sichtweise, dass Kulturvermittlung gegenüber dem Kulturmarketing eine zumindest tendenziell untergeordnete beziehungsweise dienende Funktion innehat.189 Da Kulturangebote in den USA traditionell nur eine äußerst geringe öffentliche Förderung erhalten, zielen deren Audience Development-Bemühungen in Konsequenz bis heute vor allem auf Marketingziele wie bspw. eine quantitative Steigerung der Nachfrage sowie von Eigeneinnahmen und eine Ausrichtung auf besonders ansprechbare Zielgruppen ab.190 Es ist somit davon auszugehen, dass der Schwerpunkt innerhalb von Audience Development-Strategien dort entsprechend auch weiterhin eher bei einer dienenden Funktion der Kulturvermittlung gegenüber dem Kulturmarketing liegt (Mainstream Approach). In Großbritannien hatte sich hingegen bereits Mitte der 1990er-Jahre die Sichtweise etabliert, dass Kulturinstitutionen neben Kulturmarketingzielen in größerem Maß Kulturvermittlungsziele sowie sozial-/gesellschaftspolitische Ziele ver186 Vgl. Hausmann/Frenzel 2014: 1; Mandel 2012b: 6; 2011e: 235 f.; 2008c: 14; Föhl/Lutz 2011: 61; Lutz 2011b: 76; Klein 2008a: 26; 2008b: 89. 187 Siehe hierzu bspw. auch Föhl/Lutz 2011: 61; Lutz 2011b: 76; Klein 2008a: 26; 2008b: 89. 188 Zu Kulturmarketing siehe bspw. Günter/Hausmann 2012; Hausmann 2011a; Klein 2005; zu Kulturvermittlung siehe bspw. Hammer 2014; Mandel 2008a; 2005b. 189 Vgl. Morison/Dalgleish 1987; Diggle 1994. 190 Vgl. Siebenhaar 2009b: 14; 2008b: 22.
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folgen sollten.191 Da Kulturangebote in Großbritannien deutlich stärker als in den USA, aber dennoch bei Weitem nicht in existenzsichernder Höhe öffentlich gefördert werden, liegt deren Ausrichtung zwar vergleichsweise stärker auf neuen, Kulturangeboten fernen und eventuell schwierig zu erreichenden Zielgruppen (Missionary Approach), dennoch spielen Kulturmarketingziele (Mainstream Approach) eine nicht unbedeutend große Rolle.192 Es ist daher davon auszugehen, dass der Schwerpunkt innerhalb von Audience Development-Strategien dort lange Jahre eher bei einer dienenden Funktion der Kulturvermittlung gegenüber dem Kulturmarketing lag. Jüngste deutliche Kürzungen in der öffentlichen Kulturförderung haben jedoch dazu geführt, dass die Bedeutung von Kulturmarketingzielen gewachsen ist.193 Es ist somit zu vermuten, dass dort inzwischen eine Verschiebung hin zu einer eher dienenden Funktion der Kulturvermittlung gegenüber dem Kulturmarketing stattgefunden hat. Einen der ersten Versuche aus Deutschland, die Verbindung von Kulturmarketing, Kulturvermittlung und Audience Development in ein Modell zu integrieren, legte Markus Lutz im Jahr 2011 vor. Er konzentrierte sich dabei auf den inhaltlichen Teilbereich des Besuchermanagements, das vier zentrale Ziele verfolgt, die einzeln, aber auch in Kombination angestrebt werden können: Vergrößerung, Erweiterung, Entwicklung und Erhalt der Besucherschaft einer Kulturinstitution (siehe Abbildung 11). Abbildung 11: Elemente des Besuchermanagements nach Lutz Besucherorientierte Kulturinstitution
Vergrößerung, Erweiterung, Entwicklung, Erhalt der Besucherschaft
Besuchergewinnung
Besucherbildung
Besucher(rück)gewinnung
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Lutz 2011a: 125.
Eine Vergrößerung der Besucherschaft zielt dabei an erster Stelle auf das Gewinnen von bereits kulturaffinen Noch-nicht- und das Rückgewinnen von Nichtmehr-Besuchern ab. Bemühungen um den Erhalt der Besucherschaft legen den
191 Vgl. Black 2008: 13 f.; Hayes 2003: 4 ff.; Kawashima 2000: 11 ff. 192 Vgl. Lueg 2007: 79 ff.; Maitland 2008: 7 f. 193 Vgl. Torreggiani 2016.
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Schwerpunkt auf die bestehende Besucherschaft und haben deren weiteren Bestand zum Ziel. Eine Erweiterung der Besucherschaft strebt an, Zielgruppen zu erreichen, die bislang noch nicht zum Besucherprofil gehören. Eine Entwicklung der Besucherschaft zielt darauf ab, (potenziellen) Besuchern (neue) Zugänge zu Kulturangeboten zu schaffen. 194 Kulturvermittlung ist in Lutz’ Modell ausschließlich an der Erweiterung und Entwicklung der Besucherschaft einer Kulturinstitution beteiligt, was er mit Audience Development gleichsetzt. Da Besuchermanagement nach seinem Verständnis Aufgabenbereich des Kulturmarketings ist, hat Kulturvermittlung in seinem Modell vor allem eine dem Kulturmarketing dienende Funktion und verfolgt entsprechend zusammen mit diesem an erster Stelle Kulturmarketingziele (Mainstream Approach). Einen weiteren Versuch aus Deutschland, die Verbindung von Kulturmarketing und Kulturvermittlung (hier: Kunstvermittlung) im Rahmen von Audience Development in ein Modell zu integrieren, legten Andrea Hausmann und Linda Frenzel im Jahr 2014 vor. Sie konzentrieren sich dabei ebenfalls auf den inhaltlichen Teilbereich des Besuchermanagements. Während das Kulturmarketing sich in diesem Modell darauf konzentriert, Besucher zu gewinnen, zufriedenzustellen und langfristig zu binden, konzentriert sich die Kulturvermittlung hier auf die Besucherentwicklung. Letztere stellt im Verständnis der Autorinnen im weiteren Sinne und grob vereinfacht eine Zustandsveränderung eines Besuchers durch dessen Kulturbesuch dar (emotionale/kognitive Berührung, Weiterentwicklung von Wissen, Einstellungen, Persönlichkeit etc.).195 Audience Development beinhaltet laut den Autorinnen die Integration von Kulturmarketing und Kulturvermittlung (siehe Abbildung 12). Abbildung 12: Modellintegration Kunstvermittlung und Marketing (Audience Development) nach Hausmann/Frenzel Weiterempfehlung Besuchergewinnung
Besucherzufriedenheit Besucherentwicklung
Quelle: Hausmann/Frenzel 2014: 2.
194 Vgl. Lutz 2011a: 125 ff. 195 Vgl. Hausmann/Frenzel 2014: 2 f.
Besucherbindung Wiederbesuch
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Idealerweise tragen Kulturmarketing und Kulturvermittlung in diesem Modell in ihrem Zusammenspiel dazu bei, dass die ihnen gemeinsamen Ziele der Besucherbindung und in Folge auch jene der Weiterempfehlung und des Wiederbesuchs erreicht werden.196 Innerhalb von Audience Development liegt der Schwerpunkt von sowohl Kulturmarketing als auch Kulturvermittlung hier ebenfalls darin, Marketingziele zu verfolgen (Mainstream Approach). Da Kulturpolitik in Deutschland öffentlich finanzierten Kulturinstitutionen bislang nur äußerst selten Zielvorgaben für Audience DevelopmentBemühungen auferlegt,197 können diese bspw. als Reaktion auf eine angespannte Finanzlage zwar Kulturmarketingziele in den Vordergrund stellen. Der Kulturund Bildungsauftrag sowie die damit verbundene weitreichende öffentliche Finanzierung bewirken jedoch eine vergleichsweise höhere Bedeutung von Kulturvermittlungszielen sowie sozialpolitischen Zielen. Damit stellt sich die Frage, inwieweit eine eins-zu-eins-Adaption von primär auf Marketingziele ausgerichteten Audience Development-Modellen – wie vorgenommen von Lutz sowie Hausmann und Frenzel – für Deutschland überhaupt zielführend sein kann. Denn trotz einer eventuell finanziell angespannter werdenden Lage von öffentlichen Kulturinstitutionen impliziert deren grundlegende Situation eine untergeordnete beziehungsweise dienende Funktion des Kulturmarketings gegenüber der Kulturvermittlung (Missionary Approach). 2.4.5 Schwerpunkt: Abbau von (potenziellen) Besuchsbarrieren Ein besonderer Schwerpunkt innerhalb von Audience Development-Strategien liegt auf dem Abbau (potenzieller) Besuchsbarrieren, denn oftmals reicht eine reine Bereitstellung eines Kulturangebots nicht aus. Dies gilt insbesondere für Zielgruppen mit einer (bislang) geringen Besuchsmotivation.198 Für ein besseres Verständnis etwaiger Hinderungsgründe für einen Kulturbesuch lohnt zunächst ein kurzer Blick auf die Frage, aus welchen Gründen kulturelle Einrichtungen primär besucht werden. Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 zu den Motiven für Museumsbesuche von Marilyn G. Hood handelte es sich dabei (in alphabetischer Reihenfolge) um die Motive: „Being with people, or social interaction“, „Doing something worthwile“, „Feeling comfortable and at ease in one’s surroundings“, „Having a challenge of new experiences“, „Having an opportunity to learn“ und „Participating actively“. 199 Für häufige Besucher von Museen standen hierbei 196 Vgl. Hausmann/Frenzel 2014: 2 f. 197 Vgl. Mandel 2011b: 12; 2008b: 29 ff. 198 Siehe hierzu bspw. Mandel 2011b: 10; 2009a: 26. 199 Hood 2004: 151.
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vor allem der Wunsch etwas zu lernen, neue Erfahrungen zu sammeln und etwas Sinnvolles/Wertvolles tun zu wollen im Vordergrund. Für Personen, die Museen nur selten besuchten, lagen die Motive stattdessen vor allem in sozialer Interaktion, Interaktivität und Entspannung in angenehmer Umgebung.200 In einer Metastudie, die die Ergebnisse der Besucherforschung von Museen in Großbritannien untersucht, kam Alix Slater (2007) auf die Hauptmotive „Escapism“, „Learning“ und „Social and family interaction“.201 Von dem Bedürfnis der Besucher, sich zu entspannen, aber gleichzeitig etwas Wertvolles tun zu wollen, leitet Slater das Besuchsmotiv des konstruktiven Entspannens ab („Constructive chillers“).202 Diese Ergebnisse spiegeln sich in großen Teilen auch in den aktuellen Ergebnissen der empirischen Kulturnutzerforschung in Deutschland wider: In verschiedenen „KulturBarometer“-Studien des Zentrums für Kulturforschung wird von Befragten bezüglich ihrer Erwartungen an einen Kulturbesuch seit vielen Jahren „gute Unterhaltung“, „etwas live erleben“ und „gute Atmosphäre“ genannt.203 Zudem sind vor allem interdisziplinäre und eventorientierte Veranstaltungsformate beliebt, bei denen Kommunikation und Geselligkeit elementare Bestandteile sind.204 Das wichtigste Motiv für einen Kulturbesuch war in einer Studie von Birgit Mandel der Wunsch nach sozialen Begegnungen und Aktivitäten. Motive wie „sich weiterbilden, etwas lernen“ (an zweiter Stelle) oder „neue Kunstformen kennen lernen und ästhetischer Genuss“ (an dritter Stelle) standen im Vergleich zu diesem Faktor hintenan.205 Besuchsbarrieren können sowohl bei (potenziellen) Besuchern ins Gewicht fallen, die der Kulturinstitution an sich nahestehen (Noch-nicht-Besucher, Besucher, Nicht-mehr-Besucher), als auch bei Besuchern, für die dies (bislang) nicht gilt (Nicht-Besucher). Entsprechende Hinderungsgründe für einen Kulturbesuch lassen sich laut einer Studie von Pandora L. Kay, Emma Wong und Michael Jay Polonsky (2009) grob in acht Inhaltsbereiche gliedern, die sowohl subjektiv in der Biografie und Situation des Einzelnen begründet sein als auch durch die Kulturangebote/-anbieter ausgelöst werden können. Mit leichten Schnittmengen handelt es sich um: Barrieren aufgrund von Sozialisation und Vorbildung, persönliche Zugangsbarrieren, Barrieren aufgrund von persönlichen Interessen und denen des sozialen Umfelds, physische Zu200 Vgl. Hood 2004: 153. 201 Vgl. Slater 2007: 93 ff. 202 Vgl. Slater 2007: 97. 203 Vgl. Keuchel/Mertens 2011: 6. 204 Vgl. Mandel 2009a: 27; Zentrum für Kulturforschung 2005: 21 ff. 205 Vgl. Mandel 2005a: 2.
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gangsbarrieren, Barrieren aufgrund des Angebots, aufgrund mangelnder Information, durch Kosten und/oder durch Zeitpunkt und -planung (siehe Abbildung 13).206 Abbildung 13: Zugangsbarrieren nach Kay, Wong und Polonsky Persönlich Physisch
Kosten
Zeitpunkt & Planung
Information
Angebot Interessen & soziales Umfeld
Sozialisation & Vorbildung
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kay/Wong/Polonsky 2009: 838 ff.
Zu den Zugangsbarrieren aufgrund von Sozialisation und Vorbildung zählen bspw. die Vermutungen, Angebote „seien nichts für einen“, würden gesellschaftliche Umgangsformen erfordern, die eventuell nicht ausreichend bekannt sind und aufgrund mangelnder Vorbildung unter Umständen nicht verstanden werden. Hierzu gehören entsprechend bspw. Ängste, nicht dazuzugehören oder sich zu blamieren. Sie entstehen an erster Stelle aufgrund von mangelndem Kontakt mit Kulturinstitutionen, kaum/keiner kulturellen Bildung und/oder schlechten Erfahrungen mit Kulturbesuchen in der Vergangenheit. Persönliche Zugangsbarrieren sind mit Barrieren aufgrund von Sozialisation und Vorbildung eng verbunden. Hierunter wird bspw. verstanden: das Gefühl, sich bei einem Besuch nicht wohlzufühlen, nicht unterhalten zu werden, dabei keine neuen/interessanten Anregungen zu bekommen. Ebenfalls hierzu zählt das Empfinden, dass die Angebote nicht offen und zugänglich sind und in Kontexten oder an Orten stattfinden, die als einschüchternd empfunden werden, das Gefühl, einen Besuch planen zu müssen. Ebenfalls gehört hierzu keine Begleitung zu haben – eventuell, weil im sozialen Umfeld kein Interesse besteht – sowie konkrete Familienumstände oder körperliche/gesundheitliche Einschränkungen, die Personen von einem Kulturbesuch abhalten können.207 206 Vgl. Kay/Wong/Polonsky 2009: 838 ff. 207 Vgl. Kay/Wong/Polonsky 2009: 838 ff.
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Zugangsbarrieren aufgrund von persönlichen Interessen und denen des sozialen Umfelds stehen mit den beiden erstgenannten ebenfalls in enger Verbindung. Hierzu zählt bspw. die Meinung, Kulturangebote hätten für das eigene Leben keine Relevanz, würden nicht zum eigenen Lebensstil passen oder seien hierfür wertlos. Auch gehören hierzu Befürchtungen, im sozialen Umfeld als sonderbar zu gelten. Zu den physischen Zugangsbarrieren gehören mangelnde Kulturangebote in der Nähe oder deren erschwerte Zugänglichkeit, bspw. durch Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, Parkplätze, unsicherer Standort, mangelnde Barrierefreiheit. Zugangsbarrieren aufgrund des Angebots liegen bspw. in schlechter Qualität einzelner oder gar aller Angebote eines Anbieters, mangelnder Angebotsvariation und unattraktiven Rahmenbedingungen begründet. Hierzu zählen bspw. eine unattraktive Präsentation, unzureichende Vermittlung und schlechter Service, aber auch das Gefühl, Angebote seien zu konservativ, zu langweilig, zu konfrontativ oder zu intellektuell.208 Zugangsbarrieren aufgrund mangelnder Information treten bspw. auf, wenn Kulturangebote und ihre Rahmenbedingungen bspw. aufgrund ihrer Zeiten, Orte, Kanäle, Frequenz, Inhaltsmenge unzureichend, nicht in einer verständlichen/vertrauten Sprache kommuniziert oder nicht ausreichend vermittelt/erläutert werden. Zugangsbarrieren durch Kosten können für Individuen/Gruppen in finanziell prekärer Lage entstehen. Sie beziehen sich entweder auf vermutete oder auf tatsächliche Kosten und dabei sowohl auf Eintrittspreise als auch auf den Besuch insgesamt (Anreise, Babysitter etc.). Zugangsbarrieren durch Zeitpunkt und Zeitplanung resultieren bspw. aus einem Zeitmangel bei potenziellen Besuchern, bspw. aufgrund von Familie oder Arbeit – u. a. Schichtarbeit, Ausbildung, kaum/keine Urlaubszeiten und/oder beschränkte/unpassende Öffnungszeiten.209 Es ist zu vermuten, dass bei kulturaffinen Zielgruppen (Noch-nichtBesucher, Besucher, Nicht-mehr-Besucher) im Vergleich zu Kulturangeboten fernen Zielgruppen (Nicht-Besucher) unterschiedliche Besucherbarrieren besondere Relevanz haben, und dass es vor allem bei Letzteren primär soziale und subjektive Barrieren sind, die sie von einem Kulturbesuch abhalten.210 Dennoch werden von Befragten in empirischen Untersuchungen zu Hinderungsgründen für einen Kulturbesuch (und unabhängig von ihrem Nutzerstatus) vor allem zu hohe Eintrittspreise und keine Zeit genannt, zum Teil auch zu wenig Kulturangebote in der Nähe des Wohnorts. Dies könnte darin begründet liegen, dass entsprechende Studien am ehesten Barrieren abfragen, die durch die Kulturinstituti208 Vgl. Kay/Wong/Polonsky 2009: 838 ff. 209 Vgl. Kay/Wong/Polonsky 2009: 838 ff. 210 Vgl. Mandel 2010b: 17; siehe hierzu bspw. auch Deutscher Bühnenverein 2003; Kirchberg 1996.
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onen selbst (innerhalb gewisser Grenzen) veränderbar sind und damit soziale und subjektive Barrieren oft auslassen. Eine weitere Ursache könnte sein, dass insbesondere Kosten- und Zeitbarrieren häufig keine tatsächlichen Hinderungsgründe für einen Kulturbesuch darstellen, sondern es sich bei ihnen oftmals um vorgeschobene Gründe für andere Prioritätensetzungen oder soziale und subjektive Barrieren handelt.211 In der Audience Development-Literatur wird, insbesondere in Bezug auf den Abbau (potenzieller) Besuchsbarrieren für neue und Kulturangeboten ferne Zielgruppen, die hohe Wirksamkeit von speziellen Events, von „OutreachStrategien“ sowie der Einsatz von „Keyworkern“ betont. 212 Kulturelle Events lassen sich laut Gerhard Schulze charakterisieren als geplante, zeitlich begrenzte und außergewöhnliche Veranstaltungen/Ereignisse („Einzigartigkeit“), die in Bezug auf ihren inhaltlichen Aufbau einen gewissen Spannungsbogen aufweisen („Episodenhaftigkeit“). Sie werden gemeinschaftlich erlebt („Gemeinschaftlichkeit“) und beinhalten eine (zumindest minimale) aktive Beteiligung der Besucher („Beteiligung“).213 Dabei sprechen sie alle Sinne gleichermaßen an, wirken in Bezug auf ihre Besucher aktivierend und kommunikationsstiftend und knüpfen insbesondere an Bedürfnisse nach besonderen und gemeinschaftlichen Kulturerlebnissen an. Zudem sind sie im Vergleich zu einem gewöhnlichen Kulturbesuch offener und gastfreundlicher sowie niedrigschwelliger, sprich ihre Inhalte lassen sich zumeist ohne große Vorbildung erschließen.214 „Outreach“ bedeutet in einer engen Definition entweder, dass Kulturinstitutionen im Sinne einer aufsuchenden Kulturarbeit ihren gewohnten Ort und Rahmen verlassen und sich in die Lebenswelt dieser Zielgruppen bewegen (Kindergärten, Schulen, Sportvereine, Gemeinde-/Einkaufszentren etc.), um diese besser mit ihren Angeboten/Aktivitäten zu erreichen (bspw. durch niedrigschwelligen Zugang, direkte Bezüge zur Lebenswelt). Oder es handelt sich um eine Möglichkeit, durch Außenpräsenz auf ihre Angebote/Aktivitäten aufmerksam zu machen. In einer weiteren Definition handelt es sich hierbei jedoch – wie bei Audience Development – um einen strategischen Management-Ansatz, der Zielgruppen nicht nur adressiert und als Publikum zu gewinnen versucht, sondern bei dem diese aktiv in die Arbeit der Kulturinstitution eingebunden werden.215
211 Vgl. bspw. Mandel 2010b: 17; Renz/Mandel 2010: 1 ff.; Kay/Wong/Polonsky 2009: 842 f. 212 Vgl. bspw. Mandel 2011b: 11; 2009a: 31 f.; Siebenhaar 2009b: 15. 213 Vgl. Schulze 2000: 22 f. 214 Vgl. Mandel 2009a: 31; 2009b: 18 f. 215 Siehe hierzu überblickshaft bspw. Scharf/Wunderlich 2014.
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Im Rahmen von Keyworker-Strategien werden Angehörige von avisierten Zielgruppen, die gleichzeitig mit einer Kulturinstitution vertraut sind (dort aber nicht tätig sind), ehrenamtlich oder bezahlt als Multiplikatoren und Botschafter („Arts Ambassadors“) eingesetzt. Sie ermöglichen Kulturinstitutionen einerseits als Kontaktpersonen einen besseren Zugang zu diesen Zielgruppen, denn sie können als Identifikationsfiguren dienen, ferner können sie helfen, Vertrauen gegenüber der Institution aufzubauen und Netzwerke zu entwickeln, auch können sie im Umfeld persönlich für die Angebote der Institution werben (persönliche Empfehlung). Andererseits agieren sie als Vermittler zwischen diesen Zielgruppen und der Kulturinstitution und ihren Angeboten. Dabei können sie Kulturinstitutionen nicht nur dabei unterstützen, für jene Zielgruppen (neue) Zugänge zu Kulturangeboten zu schaffen, sie können auch Kulturinstitutionen helfen, ein besseres Verständnis für die Zielgruppen zu entwickeln und diese in die Entwicklung von zukünftigen Angeboten (mehr) einzubeziehen.216 2.4.6 Evaluation Während und nach der Implementierung einer Audience Development-Strategie ist deren systematische Evaluation essenziell. Für Paul Connolly und Marcelle H. Cady (2001) dient sie primär dazu, die Wirksamkeit und die Effizienz einzelner Audience Development-Bemühungen zu messen: „An effective evaluation involves gathering the appropriate information to determine how close, or far, you are from meeting the goals at key points throughout your audience development project, as well as to assess what you have learned along the way. By periodically reviewing progress toward goals, planners and facilitators can determine whether the strategies are effective and determine how to adjust these strategies if goals are […] unmet.“217
Mit einer Evaluation können jedoch nicht nur Erkenntnisse bezüglich Wirksamkeit und Effizienz erzielt und/oder Kontrolle ausgeübt werden (Soll-IstVergleich). Sie kann auch erheblich dazu beitragen, Transparenz zu schaffen und damit einen Dialog (zwischen den unterschiedlichen internen und externen Stakeholdern) und eine Grundlage für ein gemeinsames Lernen zu ermöglichen. Zudem liegen durch sie (auch) Erfolgsdaten für eine freiwillige Darlegung oder Rechenschaftsberichte bspw. gegenüber Trägern/Förderern, Öffentlichkeit und 216 Siehe hierzu überblickshaft bspw. Schanner 2008; 2007; für eine Wirkungsevaluation der Strategie siehe bspw. Jennings 2003. 217 Connolly/Cady 2001: 110.
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Adressaten vor.218 Letzteres spielt bspw. in Großbritannien und den USA seit vielen Jahren eine sehr große Rolle, denn für Kulturinstitutionen sind Rechenschaftsberichte für die Verwendung erhaltener öffentlicher Gelder Pflicht, und private Geldgeber möchten den nachhaltigen Einsatz ihrer Gelder in der Regel belegt sehen. In Deutschland spielen solche Berichte bislang zwar noch keine große Rolle, doch auch hierzulande wird aufgrund der Knappheit öffentlicher Mittel die Überprüfung eines zielgerichteten und effizienten Einsatzes von Kulturförderung zukünftig sehr wahrscheinlich an Bedeutung gewinnen.219 Evaluationen beinhalten somit auf der einen Seite eine Messung und Dokumentation, inwieweit vorab gesetzte monetäre und nicht-monetäre Ziele effizient erreicht werden. Es empfiehlt sich dabei zu unterscheiden zwischen globalen Zielen der Kulturinstitution, zu dem ein Projekt/eine Strategie einen Beitrag leisten will, und konkreten Projekt-/Strategiezielen wie bspw. dem Erreichen von bestimmten Zielgruppen, Finanzzielen, Qualität eines Angebots, Vermittlungszielen. Auf der anderen Seite wird innerhalb von Evaluationen festgehalten und bewertet, was in diesem Kontext im Hinblick auf Methoden, Praktiken oder Vorgehensweisen gelernt wurde. Solche Evaluationen können hierbei intern bewältigt werden oder mit dem Ziel einer möglichst unabhängigen Fachexpertise in Teilen oder vollständig an Externe ausgelagert werden (Experten, Gutachter etc.).220 Tiefer gehende Informationen zu konkreten Zielsetzungen, Zielkriterien und Vorgehensweisen von entsprechenden Evaluationen lassen sich in der Forschungsliteratur zu Audience Development jedoch kaum finden. 221 Wenn das Thema in der diesbezüglichen Literatur thematisiert wird, wird es zum Teil auf die Analyse von Besuchern und Nicht-Besuchern verengt.222 Als Datenquellen kommen innerhalb von Evaluationen zudem jedoch auch noch vielfältige andere sowohl interne als auch externe Daten in Betracht, die entweder bereits vorhanden (bspw. innerbetriebliche Daten aus den regulären Betriebsabläufen) oder speziell zu erheben sind (bspw. Mitarbeiterbefragung, Medienresonanzanalyse).223 218 Siehe hierzu bspw. Klein 2011a: 292 ff.; Lueg 2007: 74; McCarthy/Jinnett 2001: 49 ff. 219 Siehe hierzu bspw. Klein 2011a: 287 ff.; Lueg 2007: 74. 220 Vgl. Connolly/Cady 2001: 109 f. 221 Als mögliche Quellen können Hinweise der Arts Councils in Großbritannien für die Erstellung von Rechenschaftsberichten für die Mittelverwendung innerhalb öffentlich geförderter Audience Development-Bemühungen dienen, siehe hierzu bspw. Arts Council England (2015a). 222 Bspw. bei Connolly/Cady 2001. 223 Siehe hierzu bspw. Koch/Renz 2013; Glogner-Pilz 2012; 2011b; Klein 2008a: 47 ff.
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Es ist elementar, Ergebnisse der Evaluation einzelner Audience DevelopmentStrategien als integrativen Prozess in ein übergreifendes Controlling der Institution einzubetten, verstanden als „ein Konzept zur Unterstützung einer ganzheitlichen, ergebnisorientierten Kulturbetriebsführung, in dem Aufgaben der Informationsversorgung, Planung, Koordination und Kontrolle auf unterschiedlichen Ebenen miteinander verknüpft werden“ 224 , um abgeleitete Erkenntnisse innerhalb von Kulturinstitutionen sinnvoll verwerten zu können.225 Da Audience Development-Bemühungen in Großbritannien stark von der Kulturpolitik gefordert und entsprechend gefördert werden, sind deren Evaluation und darauf basierende öffentlich zugängliche Berichte üblich. Hervorzuheben sind hierbei bspw. die Evaluation des Programms „New Audiences for the Arts“ des Arts Council England, das zwischen den Jahren 1998 und 2003 landesweit in England stattfand und eine Fördersumme von 20 Millionen Pfund umfasste.226 Dessen Ziel lag darin „to encourage as many people as possible, from all backgrounds and every walk of life, to participate in and benefit from the arts“227. Gefördert wurden auf der einen Seite unabhängige Forschung sowie Trainings- und Entwicklungsarbeit in diesem Themenfeld. Auf der anderen Seite wurden die Umsetzung (inklusive der Schaffung damit verbundener Stellen) und die Evaluation von Bemühungen von Kulturinstitutionen unterstützt, die vor allem auf soziale Randgruppen abzielten und diese dazu anregten, für sie unbekannte Kulturangebote und -aktivitäten zu erkunden.228 Die Kulturpolitik betonte dabei, dass geförderte Institutionen Risiken eingehen und völlig neue Ansätze entwickeln und erproben sollen. Ein explizites Ziel der Förderung lag im Erfahrungsaustausch.229 Ebenfalls viele wichtige Anregungen enthält die Evaluation des Folgeprogramms „Not for the Likes of you“, das bis ins Jahr 2004 fortgesetzt wurde, viele Best Practice-Beispiele für Audience Development-Maßnahmen in England untersuchte und versuchte, die Frage zu beantworten, „how a cultural organisation can become accessible to a broad general audience by changing its overall positioning and message, rather than just by implementing targeted audience development schemes or projects“ 230 . Der Endbericht zur Evaluation dieser Fördermaßnahmen „New audiences for the 224 Günter/Hausmann 2012: 129. 225 Vgl. ausführlich hierzu bspw. Schneidewind 2013; Günter/Hausmann 2012: 129 ff.; Klein 2011a: 287 ff. 226 Vgl. Johnson u. a. 2004: 22 ff. 227 Arts Council England 2004b: 2. 228 Vgl. Arts Council England 2004b: 3. 229 Vgl. Johnson u. a. 2004: 226. 230 Morton u. a. 2004: 3.
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arts. The New Audiences Programme 1998-2003“231 beinhaltete – ohne konkrete Zahlen zu nennen – das Ergebnis, dass die Programme Kulturinstitutionen dabei unterstützt haben, ihre Besucherschaft zu erweitern, indem sie Personen für ihre Angebote gewinnen konnten, die bislang keinen Zugang zu künstlerischen und kulturellen Aktivitäten hatten (Nicht-Besucher). 232 Die Studie nannte neun Haupterfolgsfaktoren für Audience Development-Bemühungen:233 • • • • • • • • •
Making a type of activity part of the core work of the organization Knowledge of existing research, good practice, access to training and advice Gaining greater understanding and awareness of a specific audience group Good project planning and realistic objectives Involving target audiences in consultation, creation and presentation of work Skilled professional advisors, specifically in relation to disability and diversity Modelling internally what you wish to achieve externally to be truly inclusive Developing partnerships to support audience development Recognising that changes of this nature take time
Zudem nannte sie sechs Haupthinderungsfaktoren:234 • • • • • •
Lack of appropriate project management skills Lack of contingency budget or time to deal with unexpected crises Lack of resources to continue and build on project successes Lack of planning to ensure that relationships built could be sustained Lack of information captured on new attender Communication difficulties with project partners
Eine Recherche nach bereits erfolgten Evaluationen von Audience Development-Strategien oder gar ganzen Programmen in den USA ergab im Kontext der langen Zeit seit der Entwicklung von Audience Development in den 1990erJahren nur wenige Ergebnisse. Dies liegt darin begründet, dass entsprechende Bemühungen von Kulturinstitutionen dort primär aus Eigeninteressen stattfinden und nicht von der Kulturpolitik vorgegeben sind und (zumindest) für diese keine Rechenschaftsberichte erfordern. Es ist entsprechend zwar stark davon auszugehen, dass sie von den jeweiligen Kulturinstitutionen (auch für Geldgeber) evalu-
231 Johnson u. a. 2004. 232 Vgl. Johnson u. a. 2004: 225. 233 Zusammengefasster Originaltext, Johnson u. a. 2004: 214 ff. 234 Zusammengefasster Originaltext, Johnson u. a. 2004: 221.
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iert werden, die Ergebnisse stehen in der Regel aber nicht öffentlich zur Verfügung. Eine wichtige Wissensressource für den Kulturbereich in den USA stellt die Wallace Foundation dar. Es handelt sich dabei um eine national agierende Stiftung mit Sitz in New York, deren Zielsetzung darin liegt, „to foster improvements in learning and enrichment for disadvantaged children and the vitality of the arts for everyone“235. Die Stiftung unterstützt seit über 15 Jahren Bemühungen um den Aufbau und Ausbau der Besucherschaft von Kulturinstitutionen („Audience-building Efforts“) und Forschungsarbeiten hierzu.236 Zwischen den Jahren 2006 und 2014 förderte die Wallace Foundation in einer 45 Millionen US-Dollar umfassenden „Excellence Award Initiative“ exemplarisch 46 (Nonprofit-)Kulturinstitutionen dabei, „Audience-Building Projects“ zu entwickeln und zu realisieren. Die Stiftung regte die Kulturinstitutionen an, mithilfe eines hierfür entwickelten „Framework for Building Participation in the Arts“237 Ideen zu entwickeln, welche Zielgruppen im Einklang mit der jeweiligen Mission und Vision der Institution (siehe hierzu Kapitel 2.2.2) durch welche Methoden erreicht werden könnten. Gleichzeitig wurden die teilnehmenden Institutionen dazu angehalten, ihre Arbeit mit der permanenten Gewinnung, Analyse und Bewertung von relevanten Daten zu stützen.238 Der Endbericht zur Evaluation dieser Fördermaßnahme „The Road to Results. Effective Practices for Building Arts Audiences“239 beinhaltete vielversprechende Ergebnisse: Bei den elf Kulturinstitutionen, die eine generelle Vergrößerung der Besucherschaft angestrebt hatten, lag der durchschnittliche Zuwachs bei 27 %. Bei den 35 Institutionen, die bestimmte Besuchersegmente hinsichtlich ihrer Größe ausbauen wollten (bspw. Teenager, Familien), lag der durchschnittliche Zuwachs innerhalb dieser (zum Teil kleinen) Zielgruppen sogar bei bis zu 60 %.240 Zudem führt die Studie neun erfolgversprechende Vorgehensweisen auf:241 • Recognizing when change is needed (respond to audience challenges) • Identifying the target audience that fits • Determining what kinds of barriers need to be removed (figure out obstacles) 235 The Wallace Foundation 2016. 236 Vgl. Mendels 2014: 5. 237 McCarthy/Jinnett 2001. 238 Vgl. Mendels 2014: 8. 239 Harlow 2014. 240 Vgl. Harlow 2014: vi. 241 Zusammengefasster Originaltext, Harlow 2014: ix ff., 5 ff.
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Taking out the guesswork: (use audience research to clarify the approach) Thinking through the relationship (develop a vision) Providing multiple ways in (offer a variety of engaging experiences) Aligning the organization around the strategy (develop a shared commitment) Building in learning (experiment, evaluate, adjust, repeat) Preparing for success (plan for required workload and staff skills)
Für Kulturinstitutionen, die eine Wirkung erzielen möchten, die über Einzelprojekte hinaus geht, wurden zwei Grundvoraussetzungen herauskristallisiert: „a) the audience-building effort must be tightly aligned with an arts organization’s mission, resources and operations; and b) it needs to be continuously studied and refined.“242 In Deutschland gibt es bislang keine groß angelegten und übergreifenden Studien zu den Erfolgsfaktoren von Audience Development-Bemühungen generell bezogen auf die verschiedensten Zielgruppen (bspw. kulturaffine Nochnicht-Besucher, Besucher, Nicht-mehr-Besucher, Nicht-Besucher), bspw. finanziert von der Kulturpolitik und/oder Stiftungen. Zudem sind Evaluationen zu Bemühungen einzelner Kulturinstitutionen – so es sie denn überhaupt gibt – nur in den seltensten Fällen öffentlich zugänglich. Ersatzweise und mit einer gewissen Vorsicht kann auf Best Practice-Darstellungen in der Forschungsliteratur zurückgegriffen werden. Hierbei handelt es sich jedoch in der Regel nicht um Ergebnisse unabhängiger Evaluationen, sondern um eigene Berichte der Kulturinstitutionen.243 Durchgeführt wurde hierzulande jedoch eine Studie dazu, wie Audience Development insbesondere in Bezug auf die Zielgruppe von Menschen mit Migrationshintergrund ausgestaltet werden könnte, die sich auf die Ergebnisse des Modellprojekts im Bundesland Nordrhein-Westfalen „Interkulturelles Audience Development“ zwischen den Jahren 2011 und 2013 bezieht.244 Hierauf wird in Kapitel 3 vertieft eingegangen.
242 Mendels 2014: 9; siehe hierzu auch Harlow 2014: 81 ff. 243 Siehe bspw. in Siebenhaar 2009b. 244 Siehe hierzu Mandel 2013d.
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2.5 A UDIENCE D EVELOPMENT -P ROZESSMODELL Auf Basis der oben beschriebenen Wurzeln von Audience Development und dem aktuellen Stand des Themenfelds in Deutschland lässt sich zusammenfassend konstatieren: Audience Development ist multidimensional. Auf der einen Seite handelt es sich um eine ganzheitlich ausgerichtete Organisationsphilosophie bzw. um ein übergreifendes Managementkonzept, auf der anderen Seite wird damit ganz generell umschrieben, in welcher Art und Weise die Beziehungen zwischen einer Kulturinstitution und ihren Anspruchsgruppen – insbesondere (potenziellen) Besuchern – ausgestaltet werden. Doch auch wenn für verschiedene Kontexte letztlich individuelle Formen von Audience Development und/oder Audience Development-Strategien zu entwickeln und umzusetzen sind, besteht die Möglichkeit einer Überblicksdarstellung bezüglich der Grundvoraussetzungen und -bestandteile (siehe Abbildung 14). Abbildung 14: Audience Development-Prozessmodell Kulturinstitution mit Audience Development als Organisationsphilosophie Übergeordnete künstlerisch-kulturelle, ökonomische & politische Ziele (Mission Statement, Vision)
Audience Development Strategien Analyse der Ausgangssituation Eigene Situation Umwelt Konkurrenz Beschaffungsmärkte Kooperationspartner Nachfrager
Festlegung von Zielen und Strategien Präzisierung von Handlungszielen Prioritäten & strategische Absichten festlegen Mehrdimensionales Strategieprofil
Operative Umsetzung Kulturmarketing
Kulturvermittlung
Implementierung
Controlling
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an das „A.D.A.M.-Modell“ von Diggle 2015 sowie an die Kulturmarketing-/Management-Prozessmodelle von Günter/Hausmann 2012: 18; Klein 2005: 97.
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Die erste Grundvoraussetzung für erfolgreiche Audience DevelopmentStrategien ist deren Einbettung in eine umfassend besucherorientierte Kulturinstitution bzw. eine Institution, die Audience Development als grundlegende Organisationsphilosophie verinnerlicht hat. Die zweite Grundvoraussetzung ist eine übergeordnete künstlerisch-kulturelle und/oder ökonomische und/oder politische Zielsetzung der Kulturinstitution, auf deren Grundlage sie einzelne, aber in gemeinsamem Kontext gedachte Audience Development-Strategien entwickeln kann. Unerlässlich hierfür ist eine genaue Kenntnis der Ausgangssituation der Kulturinstitution in Bezug auf interne und externe Rahmenbedingungen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf einem Verständnis (potenzieller) Zielgruppen, an das im Zweifelsfall durch eigene Evaluationen zu gelangen ist. Auf Basis dieser Kenntnis werden konkrete Handlungsziele formuliert und, von diesen abgeleitet, Marketingstrategien entwickelt, in denen Prioritäten und strategische Absichten festgelegt und im Rahmen eines mehrdimensionalen Strategieprofils zusammengeführt werden. Operativ umgesetzt werden diese Strategien mithilfe einer auf verschiedene Zielgruppen abgestimmten Kombination aus Instrumenten des Kulturmarketings sowie Maßnahmen der Kulturvermittlung, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf den Abbau (potenzieller) Besuchsbarrieren gelegt wird. In dem hier entwickelten Modell wird von einer Integration von Kulturmarketing und Kulturvermittlung in Audience Development ausgegangen, die versucht, die spezielle Situation in Deutschland stärker zu berücksichtigen als dies in bisherigen Adaptionsversuchen245 der Fall war. Um dem hierzulande bislang noch nicht abgeschlossenen Diskurs um die primäre Zielrichtung und entsprechenden Audience Development-Bemühungen eine möglichst große Flexibilität zu ermöglichen, wird bewusst offen gehalten, ob im Rahmen eines mehrdimensionalen Strategieprofils bei Audience Development-Bemühungen an erster Stelle Kulturmarketing- oder Kulturvermittlungsziele in den Vordergrund treten. Die operative Umsetzung dieser Strategien erfolgt entsprechend jeweils mithilfe einer Kombination von Instrumenten des Kulturmarketings sowie Maßnahmen der Kulturvermittlung, die einander gleichberechtig sind. Beide Bereiche konzentrieren sich in diesem Modell im Rahmen einer umfassenden Besucherorientierung entsprechend gleichermaßen und im Zusammenspiel darauf, Kulturmarketing- oder Kulturvermittlungsziele zu erreichen. Keiner der beiden Bereiche ist hierbei per se als dem jeweils anderen übergeordnet oder untergeordnet gedacht.
245 Vgl. Hausmann/Frenzel 2014: 2 f.; Lutz 2011a: 125 ff.
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Im Sinne der Qualitätssicherung und einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und Verbesserung der Audience Development-Aktivitäten der Institution ist nach der Implementierung einer jeden Audience Development-Strategie eine Evaluation erforderlich, die in das Controlling der Institution einzubetten ist.
2.6 Z WISCHENFAZIT Während Audience Development erst mit Beginn des 21. Jahrhunderts im deutschsprachigen Kulturbereich Eingang fand, ist es in Großbritannien und den USA bereits seit der Mitte der 1990er-Jahre ein viel diskutiertes Thema. Als Mittel, um mehr und/oder andere Besucher für Kulturangebote zu finden, entstand es in den beiden Ursprungsländern zu einem Zeitpunkt, zu dem dort einerseits die Finanzierung von Kulturinstitutionen durch öffentliche und/oder private Mittel einbrach, und sich andererseits durch gesellschaftliche Entwicklungen wie einer Individualisierung und Pluralisierung der Lebensstile und dem demografischen Wandel klassische Besucherschichten der Institutionen zunehmend auflösten. Auch in Deutschland dürfte dies der Hauptgrund der in jüngster Zeit großen Nachfrage im Kulturbereich nach Kenntnissen zu und praktischen Anleitungen für Audience Development-Strategien innerhalb der Wissenschaftsdisziplin des Kulturmanagements sein. In der Tat handelt es sich bei „Audience Development“ um eine Bezeichnung für die Ausgestaltung von Beziehungen zwischen Kulturinstitutionen und ihren (potenziellen) Besuchern (sowie allen weiteren Stakeholdern), doch eine Bezugnahme allein hierauf wird dem Begriff nicht gerecht. Gleichzeitig handelt es sich nämlich um eine Bezeichnung für eine umfassende Organisationsphilosophie, die auf einer konsequenten Besucherorientierung beruht. Beides mag in der Theorie noch getrennt zu betrachten sein, in der Praxis kann es jedoch nur im Zusammenspiel miteinander erfolgreich sein: Kulturinstitutionen, die jegliche Aktivitäten an einer Audience Development-Philosophie ausrichten, jedoch keine Audience Development-Strategien entwickeln, um (potenzielle) Besucher zu gewinnen und zu binden, werden langfristig ebenso wenig ihre Ziele erreichen wie Kulturinstitutionen, die zwar die verschiedensten Audience DevelopmentStrategien zu entwickeln und umzusetzen versuchen, aber dies (noch) nicht auf Basis einer Audience Development-Ausrichtung tun. Somit ist die erste Grundvoraussetzung für erfolgreiche Audience Development-Strategien deren Einbettung in eine umfassend besucherorientierte Kulturinstitution, sprich eine Institution, die Audience Development als grundlegende Organisationsphilosophie verinnerlicht hat.
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Bevor für Audience Development-Strategien jedoch konkrete Strategieüberlegungen aus dem Kulturmarketing angegangen werden können, ist zunächst eine klare Zielsetzung für die angedachten Bemühungen vonnöten. Audience Development-Strategien werden im Rahmen der generellen Zielsetzung einer Kulturinstitution (Mission/Vision) und auf Basis von davon abgeleiteten konkreten strategischen Zielen entwickelt. Diese generelle Zielsetzung kann auf internen und/oder von extern herangetragenen Zielen beruhen und bewegt sich innerhalb einer Trias aus 1. der Erfüllung des kulturellen/künstlerischen Auftrags (ästhetische, bildungspolitische, kulturelle oder allgemeine künstlerische Ziele), 2. dem Erreichen bestimmter Zielgruppen (bspw. demografische Gruppen, soziale Milieus, Gruppen nach Nutzungsstatus) und 3. der Bestandssicherung der Kulturinstitution. Hiervon abgeleitet lassen sich die Ziele von Audience DevelopmentStrategien für Kulturinstitutionen grob verkürzt in zwei Ausrichtungen unterscheiden: in einen missionarischen Zugang (Missionary Approach/Kulturvermittlungsziele) und einen herkömmlichen Zugang (Mainstream Approach/ Kulturmarketingziele). Der Fokus von missionarischen Audience Development-Strategien richtet sich auf das Gewinnen von Nicht-Besuchern und dabei vor allem auf Gruppen, die an den Rändern der Gesellschaft zu suchen und/oder für Kulturangebote nur schwer und mit hohem Aufwand erreichbar sind. In diesem Rahmen wird sich vor allem um den Abbau von Barrieren für einen Kulturbesuch, das Gewinnen von Besuchern, die bislang innerhalb des Besucherprofils von Kulturinstitutionen unterrepräsentiert sind, und eine größere Partizipation von Menschen an Kulturangeboten im Sinne von sozialer Inklusion bemüht. Der Fokus von Audience Development-Strategien im Mainstream-Bereich wiederum liegt auf der bestehenden Besucherschaft kultureller Angebote (kulturaffine Noch-nichtBesucher, Besucher, Nicht-mehr-Besucher). In diesem Rahmen werden vor allem deren höhere Besuchsfrequenz und eine größere Besucherbindung angestrebt. Die Priorisierung und die strategischen Absichten hinter Audience Development-Bemühungen sind in Großbritannien, in den USA und in Deutschland unterschiedlich: In Großbritannien zielt Audience Development an erster Stelle auf eine Erschließung von Zielgruppen ab, die innerhalb der bisherigen Besucherschaft unterrepräsentiert sind (Missionary Approach). Die dort herrschende gesellschaftspolitische Sichtweise von Audience Development als partizipatorisches Konzept und die entsprechende in großen Teilen hieran gebundene staatliche Kulturförderung bewirken eine Ausrichtung der Strategien auf (vor allem) neue, Kulturangeboten ferne und eventuell schwierig zu erreichende Zielgruppen (Nicht-Besucher). Da kulturpolitische Fördersummen in Großbritannien im Ver-
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gleich zu Deutschland aber weit geringer sind, sind die dortigen Kulturinstitutionen gleichzeitig weit marktwirtschaftlicher ausgerichtet als hierzulande. Auch der Mainstream Approach spielt dort entsprechend eine nicht unbedeutende Rolle. In den USA gelten die Gesetze des Marktes für Kulturangebote aufgrund einer geschichtlich bedingt äußerst niedrigen staatlichen Kulturförderung noch viel stärker als in Großbritannien. Audience Development-Strategien zielen dort entsprechend an erster Stelle auf eine quantitative Steigerung der Nachfrage und damit auf eine Steigerung von Legitimation von öffentlicher und privater Finanzierung sowie von Eigeneinnahmen ab. Die hiermit verbundene nachfrageorientierte Sicht impliziert (vor allem) eine Ausrichtung auf besonders ansprechbare Zielgruppen wie kulturaffine Noch-nicht-Besucher, Besucher, Nicht-mehrBesucher (Mainstream Approach) und deren Erhalt. Gleichzeitig werden in den USA aber auch ein stärkerer Fokus auf den Missionary Approach und damit verbunden eine stärkere Bemühung um Nicht-Besucher, eine aktivere Einbindung der Bevölkerung innerhalb von Kulturinstitutionen und eine stärkere Förderung des Einzelnen durch Kulturangebote gefordert. Historisch bedingt werden Kulturinstitutionen in Deutschland mit einem Kultur- und Bildungsauftrag verknüpft in hohem Ausmaß öffentlich gefördert. Aus dieser Situation heraus liegt der Fokus der Institutionen nicht vorrangig auf dem Erzielen von finanziellem Gewinn, sondern in der Erreichung künstlerischer bzw. kultureller inhaltlicher Ziele. Audience Development-Strategien von Kulturinstitutionen in Deutschland sind somit bislang vor allem freiwillige Aktivitäten und streben entsprechend (vor allem) den Abbau von (potenziellen) Besuchsbarrieren und eine Erschließung von Zielgruppen an, die innerhalb der bisherigen Besucherschaft unterrepräsentiert sind (Missionary Approach). Der Mainstream Approach wird hierzulande anscheinend bislang an erster Stelle als Teilbereich des Besuchermanagements als (ausschließlicher) Aufgabenbereich des Kulturmarketings verstanden. Mit zunehmend knappen öffentlichen Kassen bleibt abzuwarten, inwieweit für Kulturinstitutionen in Deutschland zukünftig eventuell auch der Mainstream Approach innerhalb von Audience Development eine größere Rolle spielen wird und ob Missionary Approach und Mainstream Approach infolge in ein übergreifendes strategisches Konzept zusammengeführt werden. Als eine weitere Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Audience Development-Strategien gilt eine profunde Kenntnis der Noch-nicht-Besucher, der Besucher, der Nicht-mehr-Besucher und der Nicht-Besucher einer Kulturinstitution, an die über die bestehende Kulturnutzerforschung und/oder eigene Erhebungen gelangt werden kann. Nur auf deren Basis können an die Wünsche, Be-
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dürfnisse und Voraussetzungen (potenzieller) Besucher angepasste Überlegungen angestellt werden. Für die konkrete Umsetzung von Audience DevelopmentStrategien wird schließlich auf Strategieüberlegungen aus dem Kulturmarketing zurückgegriffen, die dann auf operativer Ebene mittels Instrumenten des Kulturmarketings und Maßnahmen der Kulturvermittlung umgesetzt werden. Audience Development-Strategien können grundsätzlich entsprechend der dahinterliegenden Zielsetzung entweder primär auf neue Märkte (NichtBesucher) oder auf bestehende Märkte (Noch-nicht-Besucher, Besucher, Nichtmehr-Besucher) abzielen. Strategien, die auf den Aufbau und die Entwicklung neuer Zielgruppen abzielen, sind äußerst wichtig, jedoch in der Regel auch sehr aufwendig, risikobehaftet und kostspielig. Möglich und sicherlich empfehlenswert ist hierbei für Kulturinstitutionen ein Herantasten, beginnend mit einem möglichst geringen Risiko und mit schrittweiser Risikosteigerung. Wenn überhaupt, ist hierbei aber nur von einem langfristigen und geringen Anwachsen der Besucherschaft auszugehen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, nachhaltige Erfolge zu erzielen, die neu gewonnenen Besucher zu Wiederholungsbesuchen anzuregen und sie langfristig an sich zu binden. Gleichzeitig dürfen Stamm-Besucher und deren Bindung an die Institution nicht vernachlässigt werden. Strategien, die an erster Stelle versuchen, den bestehenden Markt von Kulturangeboten zu mehr Kulturbesuchen zu bewegen und/oder Besucher stärker an die Kulturinstitution binden möchten, beruhen auf Modellen des Besuchermanagements und sind vergleichsweise einfach, risikoarm und kostengünstig. Ein ausschließlicher Fokus auf diese Strategien vernachlässigt jedoch die Erschließung und Entwicklung neuer Besuchergruppen und führt durch einen langsamen natürlichen Besucherschwund zu einer langfristigen Verkleinerung der Besucherschaft. Zudem ist die Grenze der maximalen Besuchshäufigkeit innerhalb eines bestehenden Markts unter Umständen schnell erreicht. Ausgehend von der Zielorientierung von Kulturinstitutionen – Erfüllung des kulturellen/künstlerischen Auftrags, Erreichen bestimmter Zielgruppen und Bestandssicherung – ist hierbei sicherlich eine Balance zwischen beiden Strategien zu finden. Auch aus der Audience Development-Forschung der beiden Ursprungsländer lässt sich entsprechend deutlich herauslesen, dass ein zu starker Fokus auf nur einen der beiden Strategieansätze dauerhaft nur wenig zielführend ist. Nur wenn beide Strategien zusammen gedacht, zueinander in Balance gebracht und parallel verfolgt werden, kann gewährleistet werden, dass neues Publikum hinzugewonnen und zusammen mit dem Stammpublikum gehalten werden kann. Bei der Ansprache (potenzieller) Besucher – sowohl innerhalb des bestehenden Markts (Noch-nicht-Besucher, Besucher, Nicht-mehr-Besucher) als auch
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außerhalb davon (Nicht-Besucher) – kommen Instrumente des Kulturmarketings und Maßnahmen der Kulturvermittlung innerhalb von Audience DevelopmentStrategien gemeinsam zur Anwendung. Aus den zu Wachstumsmärkten und zu gesättigten Märkten aufgezeigten Ansätzen für Audience DevelopmentStrategien lässt sich ableiten: Eine Ansprache und das Binden von Noch-nichtBesuchern, Besuchern oder Nicht-mehr-Besuchern mag in großen Teilen mittels Instrumenten des Kulturmarketings zu bewerkstelligen sein, doch auch Kulturvermittlung kann hierzu erheblich beitragen. Eine Ansprache von NichtBesuchern mag einen intensiveren Einsatz von Maßnahmen der Kulturvermittlung erfordern, eine Kontaktaufnahme mit dieser Zielgruppe und deren Gewinnung und Bindung ohne Instrumente des Kulturmarketings dürfte jedoch nur äußerst schwer zu erreichen sein. Es ist somit essenziell, Instrumente des Kulturmarketings und Maßnahmen der Kulturvermittlung innerhalb von Audience Development-Strategien in Form eines übergreifenden Kulturmarketing-Kulturvermittlungs-Mix von vorneherein zusammen zu denken und umzusetzen. Audience Development-Strategien in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund unterscheiden sich abgesehen von der Festlegung auf diese spezifische Zielgruppe von der Denk- und Herangehensweise zunächst nicht grundlegend von ,regulären‘ Audience Development-Strategien. Für diese sind somit alle der oben genannten Punkte inklusive aller weiteren grundsätzlichen Erfolgssowie Hinderungsfaktoren gleichermaßen relevant. Dennoch stellt sich die Frage, ob in dieses Feld nicht auch ergänzende und gerade in Bezug auf diese Zielgruppe äußerst spezifische Punkte hineinspielen, die bei der Konzeption und Umsetzung von Audience Development-Strategien zu berücksichtigen sind. Hierfür spricht einerseits die Tatsache, dass eine große Auswahl an Literatur im weiteren Themenfeld der „interkulturellen Öffnung“ verschiedenster (auch) öffentlicher Institutionen246 – und damit auch von Kulturinstitutionen – sowie ganz generell „interkultureller Kommunikation“ 247 vorliegt. Andererseits impliziert die in Deutschland gebräuchliche Bezeichnung „interkulturelles Audience Development“248, dass sich dieses in relevanten Punkten von anders gerichtetem Audience Development abhebt. Diesen Hinweisen wird im folgenden Kapitel 3 mithilfe einer systematischen Analyse des diesbezüglichen Forschungsstands in Deutschland nachgegangen.
246 Siehe bspw. Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst BadenWürttemberg 2015; Göhlich 2013; Griese/Marburger 2012; Handschuck/Schröer 2011. 247 Siehe bspw. Göhlich 2013; Griese/Marburger 2012; Handschuck/Schröer 2011. 248 Vgl. Mandel 2013d.
3. Audience Development in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund
Die kommunalpolitische Ebene beschäftigte sich zwar bereits frühzeitig mit Integrationskonzepten und in diesem Rahmen zum Teil auch seit den 1980er-/ 1990er-Jahren mit einer „interkulturellen Öffnung“ des Kulturbereichs – bspw. in Nürnberg,1 in Frankfurt/Main2 und in Stuttgart3. Das Themenfeld „Menschen mit Migrationshintergrund als Kulturpublikum“ erreichte in Deutschland jedoch erst mit dem offiziellen Eingeständnis der Bundesregierung im Jahr 2001, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei,4 eine breite Öffentlichkeit. Erst seit diesem Zeitpunkt rückte es auch wirklich in den Fokus der Arbeit von Kulturinstitutionen, der Kulturpolitik sowie der Kulturmanagementforschung. Eine Art Auftakt stellt in diesem Kontext die zweite Jahrestagung der Kulturpolitischen Gesellschaft unter dem Titel „Inter.Kultur.Politik. Kulturpolitik in der multiethnischen Gesellschaft“ dar, die im Jahr 2003 stattfand. Der Verband veranstaltete zudem im Jahr 2005 die Fachtagung „Beheimatung durch Kultur. Kulturorte als Lernorte interkultureller Kompetenz“.5 Nachdem das Thema erst einmal zu öffentlicher Aufmerksamkeit gelangt war, folgten in rascher Folge weitere Veranstaltungen, die sich hiermit beschäftigten: Die Tagung „Kultur und demographischer Wandel“ der Stiftung Niedersachsen im Jahr 2006, 6 die Fachgesprächsreihe „Demographischer Wandel – Konsequenzen für die kulturelle Infrastruktur“ des Instituts für Landes- und 1
Vgl. Stadt Nürnberg 2015; 2006.
2
Vgl. Stadt Frankfurt am Main 2013.
3
Vgl. Forum der Kulturen Stuttgart 2016.
4
In einem Bericht der unabhängigen Kommission „Zuwanderung“, eingesetzt durch das Bundesministerium des Innern (vgl. Bundesministerium des Innern 2001).
5
Vgl. Kulturpolitische Gesellschaft 2006;2005; 2003.
6
Vgl. Stiftung Niedersachsen 2006.
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Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 2005, 7 die Tagung „Inter:Kultur:Komm“ der Kulturabteilung der Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen im Jahr 20068 sowie die seit dem Jahr 2007 zweijährlich stattfindenden „Bundesfachkongresse Interkultur“, organisiert von einem Zusammenschluss verschiedener kulturpolitischer Organisationen.9 Erste Publikationen in der gängigen Fachliteratur, die sich systematisch mit diesem Themenfeld beschäftigten, waren entsprechend zunächst Tagungsbände und basierten oftmals auf dortigen Beiträgen der unterschiedlichsten Akteure aus Theorie und Praxis des Kulturbereichs. Die deutsche Kulturpolitik beschäftigt sich seit etwa dem Jahr 2004 intensiver mit dem Themenfeld: Im diesem Jahr wurde das Positionspapier „Kulturelle Vielfalt in der Stadtgesellschaft – Chancen und Herausforderungen für die kommunale Politik und kommunale Kulturpolitik“ des Kulturausschusses des Deutschen Städtetags veröffentlicht.10 Und auch auf Ebene der Bundesländer gab es etwa ab diesem Zeitpunkt diesbezügliche Initiativen. Dies gilt insbesondere für das Bundesland Nordrhein-Westfalen, das als Vorreiter im Jahr 2005 ein Programm startete, das sechs Städte dabei unterstützte, kommunale kulturpolitische Konzepte interkultureller Arbeit zu entwickeln 11 und das zwischen 2008 und 2011 um das interkulturelle Qualifizierungsprogramm „interkultur.pro“ ausgeweitet wurde.12 Vonseiten der Bundesebene wurde die hohe Bedeutung einer kulturellen Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund sowie einer interkulturellen Kulturpolitik in Deutschland jedoch erst etwa seit dem Jahr 2007 deutlich hervorgehoben. Zu sehen ist dies bspw. in dem in diesem Jahr verabschiedeten „Nationalen Integrationsplan“ der Bundesregierung mit einem eigenen Abschnitt zu „Kunst und Kultur“, der die drei Themenschwerpunkte „Kulturelle Bildung“, „Kultureinrichtungen“ und „Kulturelle Integration als übergreifende Querschnittsaufgabe“ beinhaltet.13 In dem im gleichen Jahr erschienenen Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages, der ebenfalls einen Abschnitt zu „Migrantenkultur/Interkultur“ enthält, lässt sich dies auch beobachten.14 Seit dem Jahr 2009 existiert zudem das UNESCO7
Vgl. Danielzyk u. a. 2005.
8
Vgl. EXILE-Kulturkoordination 2016.
9
Vgl. Bundesfachkongress Interkultur 2014.
10 Vgl. Deutscher Städtetag/Kulturausschuss 2007. 11 Vgl. Jerman 2007. 12 Vgl. Interkultur.pro 2016. 13 Vgl. Bundesregierung 2007: 127 ff. 14 Vgl. Deutscher Bundestag 2007: 210 ff.
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Weißbuch „Kulturelle Vielfalt gestalten. Handlungsempfehlungen aus der Zivilgesellschaft zur Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens zur Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (2005) in und durch Deutschland“. Es handelt sich dabei um ein Dokument, das von zahlreichen kulturpolitischen Institutionen, Verbänden, Organisationen und Ämtern gemeinsam erarbeitet wurde und aus dem sich ein hohes Maß an deren Selbstverpflichtung ableiten lässt.15 Die Auseinandersetzung mit dem Themenfeld basierte in den ersten Jahren eher auf normativen Konzepten als auf wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Zielgruppe der Menschen mit Migrationshintergrund. Erste Forschungsstudien zu dieser Thematik erschienen zwar bereits etwa ab der Jahrtausendwende, beschäftigten sich aber zunächst vor allem mit dem Grad der Aktivitäten von Kulturinstitutionen: Mit als erste Studie im Themenfeld führte die Kulturpolitische Gesellschaft im Jahr 2001 unter dem Titel „Kulturorte als Lernorte interkultureller Kompetenz“ eine spartenübergreifende Untersuchung zum Stand von interkultureller Kulturarbeit in Nordrhein-Westfalen durch.16 Die Bundeszentrale für politische Bildung befragte im Jahr 2002 im Rahmen der Studie „Interkulturelle Kulturarbeit“ deutschlandweit Stadtverwaltungen (primär Kulturämter und Ausländerbeiräte) nach interkulturellen Angeboten in ihrer Stadt.17 Im Jahr 2004 startete das Forschungsprojekt „Kulturorte als Lernorte interkultureller Kompetenz“, in dessen Rahmen die Kulturpolitische Gesellschaft im Auftrag des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport interkulturelle Aktivitäten von Kulturämtern in Nordrhein-Westfalen untersuchte.18 Ebenfalls mit der Häufigkeit und der Art von Aktivitäten von Kulturinstitutionen hinsichtlich dieser Zielgruppe beschäftigten sich folgende Veröffentlichungen: die „Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland“ des Instituts für Museumsforschung im Jahr 2006 in Bezug auf Museen,19 die spartenübergreifende empirische Studie „Migranten als Publikum in öffentlichen deutschen Kulturinstitutionen – Der aktuelle Status Quo aus Sicht der Angebotsseite“ des Zentrums für Audience Development der Freien Universität Berlin aus dem Jahr 2009,20 die spartenübergreifende Infrastrukturerhebung „Lernorte oder Kulturtempel“ unter klassischen Kultureinrichtungen zu (kulturellen) Bildungsangeboten im Jahr 2009 des Zentrums für Kulturforschung21 so15 Vgl. Deutsche UNESCO-Kommission 2009. 16 Vgl. Kröger u. a. 2003. 17 Vgl. Görres u. a. 2002. 18 Vgl. Kröger/Tutucu/Schacke 2007; Tutucu/Kröger 2006; Kröger/Tutucu 2005. 19 Vgl. Institut für Museumsforschung 2007. 20 Vgl. Allmanritter 2009. 21 Vgl. Keuchel/Weil 2010.
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wie der ebenfalls im Kontext des Zentrums für Audience Development der Freien Universität Berlin entstandene Band „Kultur mit allen! Wie öffentliche deutsche Kultureinrichtungen Migranten als Publikum gewinnen“, der BestPractice-Beispiele aus diesem Themenfeld bis ins Jahr 2009 umfasst.22 Der Forschungsstand zu Audience Development-Strategien hinsichtlich Menschen mit Migrationshintergrund ist in Deutschland jedoch bis heute noch recht gering. Explizit in den Kontext von Audience Development gesetzt wurden Menschen mit Migrationshintergrund erst ab dem Jahr 2008 innerhalb des Zentrums für Audience Development der Freien Universität Berlin und dessen oben genannten Veröffentlichungen.23 Seit etwa dem Jahr 2010 forscht und veröffentlicht auch das Institut für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim zu dieser Thematik. 24 Im Jahr 2013 wurden die Ergebnisse eines groß angelegten Forschungsprojekts mit dem Titel „Interkulturelles Audience Development“ aus Nordrhein-Westfalen publiziert, an dessen Konzeption, Durchführung und Evaluation das Hildesheimer Institut maßgeblich beteiligt war. Im Rahmen dieses Projekts wurden, gefördert durch das Kulturministerium des Landes NordrheinWestfalen und der Zukunftsakademie Nordrhein-Westfalen, interkulturell angelegte Audience Development-Strategien in sieben große, renommierte, öffentliche Kulturinstitutionen verschiedener Sparten implementiert und im Anschluss einer Erfolgsmessung unterzogen. Hierbei handelt es sich um das in Deutschland bislang einzige Forschungsprojekt zu Audience Development-Strategien mit Fokus auf Menschen mit Migrationshintergrund. 25 Ebenfalls etwa ab dem Jahr 2008 entstanden im Forschungsfeld des Kulturmanagements Untersuchungen zur Nachfrageseite, sprich des Kulturnutzungsverhaltens und dessen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Menschen mit Migrationshintergrund selbst. Ihr Fokus lag entweder darauf, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in ihrem Kulturnutzungsverhalten gegenüberzustellen bzw. das Kulturnutzungsverhalten von Menschen eines bestimmten Migrationshintergrunds tiefer gehend zu betrachten, 26 oder es handelte sich um Untersuchungen zu verschiedenen herkunftsübergreifenden Lebenswelten/Milieus von Menschen mit Migrationshintergrund.27 Um Kulturinstitutionen eine Basis zu geben, wie sie Audience DevelopmentStrategien insbesondere in Bezug auf ein (potenzielles) Publikum mit Migrati22 Vgl. Allmanritter/Siebenhaar 2010. 23 Vgl. Allmanritter/Siebenhaar 2010: 9 ff.; Allmanritter 2009: 3. 24 Für den ersten Sammelband hierzu siehe Schneider 2011. 25 Vgl. Mandel 2013d. 26 Vgl. bspw. Keuchel 2012; Cerci 2008b. 27 Vgl. bspw. Cerci/Gerhards 2009; Cerci 2008a; SINUS 2008; 2007b.
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IN
B EZUG AUF M ENSCHEN MIT M IGRATIONSHINTERGRUND
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onshintergrund entwickeln können, wird in Kapitel 3.1 zunächst darauf eingegangen, was „interkulturelles Audience Development“ genau beinhaltet. Da diese Forschungsrichtung hierzulande erst seit kurzer Zeit besteht, werden hierbei erneut – wie bereits in Bezug auf Audience Development – nicht nur aktuelle Erkenntnisse aus dem hiesigen Kontext einbezogen, sondern mit Einsichten aus Großbritannien und den USA ergänzt. Mehrfach wurde hervorgehoben, dass in der größtmöglichen Kenntnis von (potenziellen) Zielgruppen eine der Grundvoraussetzungen für die Entwicklung von zielführenden Audience DevelopmentStrategien liegt. Entsprechend wird in Kapitel 3.2 der aktuelle Stand der deutschen Kulturpublikumsforschung hinsichtlich Menschen mit Migrationshintergrund beleuchtet. In einem kurzen Zwischenfazit wird im Anschluss herausgearbeitet, an welchen weitergehenden Forschungserkenntnissen aus der Publikumsforschung es Kulturinstitutionen für die Entwicklung und Implementierung von Audience Development-Strategien in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund eventuell noch mangelt (Kapitel 3.3).
3.1 S TAND
DER
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Während Audience Development in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ein noch sehr junges Forschungsfeld ist und das erste explizite Forschungsprojekt „Interkulturelles Audience Development“ erst vor kurzer Zeit, sprich zwischen den Jahren 2011 und 2013, durchgeführt und evaluiert wurde, 28 ist das Themenfeld in den Ursprungsländern des Audience Development schon seit zehn bis 20 Jahren aktuell. Vor diesem Hintergrund wird an dieser Stelle erneut sowohl der aktuelle diesbezügliche Forschungsstand aus Großbritannien und den USA als auch derjenige aus Deutschland beleuchtet. Wie bereits für Audience Development aufgezeigt, lassen sich in den drei Ländern historisch bedingt Unterschiede in den jeweiligen Definitionen, Zielen und Vorgehensweisen aufzeigen. Diese spiegeln sich ebenfalls in der Herangehensweise an das Themenfeld „Audience Development“ in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund wider. Auch wenn eine Eins-zu-eins-Übertragung der Erfahrungen aus Großbritannien und den USA auf den deutschen Kontext wie bei dem Bereich Audience Development ganz generell sicherlich nicht möglich ist, gilt dennoch, dass sie für eine Reflexion wichtige Anregungen liefern können.
28 Siehe hierzu Mandel 2013d.
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3.1.1 „Cultural diversity and audience development“ in Großbritannien In Großbritannien wird das Themenfeld „Audience Development“ im Hinblick auf Menschen mit Migrationshintergrund – wie der gesamte Bereich des Audience Development (siehe Kapitel 2.1 bis 2.3) – stark durch die dortige Kulturpolitik geprägt, die das Erreichen eines (auch herkunfts-)kulturell diversen Publikums für Kulturinstitutionen als eines ihrer Kernziele definiert hat: „Championing cultural diversity is one of our core ambitions. […] We want everyone to have access to excellent arts activity. To make this happen, we are focussing on race and ethnicity, disability and social inclusion.“ 29 Bereits seit den 1970erJahren fördert und evaluiert dort die Kulturpolitik mit wechselnden Strategien Bemühungen in diesem Feld.30 In jüngerer Zeit hatte bspw. das „New Audiences for the Arts”-Programm des Arts Council England zwischen den Jahren 1998 und 2003 (auch) einen Schwerpunkt auf Bemühungen hinsichtlich Menschen mit Migrationshintergrund. Innerhalb des zugehörigen Auswertungsberichts „The New Audiences Programme 1998-2003“ findet sich ein eigenes und ausführliches Kapitel zu den gewonnenen Erkenntnissen im Bereich „Diversity“, in dem fünf Hinderungsgründe für Besuche von Menschen mit Migrationshintergrund in Kulturinstitutionen herauskristallisiert wurden:31 • Non-relevant products (no relation to their experience, lives or artistic tradi• • • •
tions) Price Timing Visibility and availability of communication materials Lack of peer group representation across staff, artists and audiences
Die Studie nannte zudem zehn Haupterfolgsfaktoren für Audience DevelopmentBemühungen im Hinblick auf Menschen mit Migrationshintergrund mit Fokus auf Fragen des Kulturmanagements und -marketings:32
29 Arts Council England 2004a: 4. 30 Für einen kurzen historischen Überblick siehe bspw. Redlberger 2013. 31 Zusammengefasster Originaltext, Johnson u. a. 2004: 112 f. 32 Zusammengefasster Originaltext, Johnson u. a. 2004: 93 ff. Der Auswertungsbericht beinhaltet zudem eine fünfseitige Auflistung von Literatur und Studien aus Großbritannien im Themenfeld (vgl. Johnson u. a. 2004: 116 ff.).
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• Continual engagement with communities and review of their working practi-
ces • The commitment of time and resources by the organization • A willingness to challenge its own preconceptions • Integration of the project into overall strategic planning to ensure sustainabil-
ity Clarity in partnerships over the needs of part taking organisations Working together with other sectors (e. g. commercial sector and/or media) Skills audit to determine the capacity of the organisation Building in support from mentors, advisors, specialists or dedicated coordinators • Firm leadership from senior management and a dedicated project „champion“ • An appropriate methodology for monitoring audiences in terms of ethnicity • • • •
Ergänzend veröffentlichte der Arts Council England unter dem Titel „A practical guide to working with arts ambassadors“ ein Handbuch speziell zur erfolgreichen Umsetzung von Keyworker-Strategien (auch) für Zielgruppen mit Migrationshintergrund. 33 Der in Großbritannien verfolgte kulturpolitische Ansatz von Audience Development als ein demokratisches und partizipatorisches Konzept mit dem primären Ziel der Erschließung von Zielgruppen, die innerhalb der bisherigen Besucherschaft unterrepräsentiert sind (Nicht-Besucher), bewirkt auch in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund einen deutlichen Fokus auf Fragen der Repräsentation und Teilhabe einzelner Bevölkerungsgruppen. Sehr anschaulich dargestellt wurde dies bspw. innerhalb des Sammelbands „Navigating difference. Cultural diversity and audience development“ des Arts Council England mit Beiträgen von 40 Autoren unter anderem aus den Bereichen Kulturmanagement, Kulturpolitik, Kunst und Forschung. Dieser stellte fünf Hauptdiskussionsthemen in diesem Kontext heraus:34 • The way that imbalance of power is at the root of inequality within the cultural • • • •
sector The complexities of representation The importance of the way language is used How internal dynamics of an organisation impact on its ability to develop audiences How diversity brings creativity and innovation
33 Vgl. Jennings 2003. 34 Zusammengefasster Originaltext, Maitland 2006: 9.
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Zudem wurde innerhalb des Berichts die Frage gestellt, warum bislang erst wenige Kulturinstitutionen effizient und erfolgreich innerhalb des Themenfelds agieren, wobei acht Faktoren gefunden wurden, denen hier besondere Bedeutung zukam:35 • Ways of working widely accepted within the cultural sector are based on out•
•
• •
dated philosophies of multiculturalism Conventions and stereotypes need to be abandoned in favour of an intercultural space that both reflects and transcends minority and majority cultural identities Cultural policies should not respond to multiculturalism but to local diversity and changing needs and that are created in the context of broad local development priorities Arts managers need to question the „common sense“ thinking behind their working practice Achieving diversity requires change in organizational culture and managers with the skills to bring about that change and respond to the challenges of complexity
In Großbritannien stellt die Kulturpolitik dem Kulturbereich regelmäßig Studien zu kulturellen Interessen und zum Kulturnutzungsverhalten der dortigen Bevölkerung zur Verfügung, auf deren Basis Kulturinstitutionen ihre strategische Planung ausrichten können. Neben vielen Einzelerhebungen verschiedener Arts Councils im Rahmen ihrer spezifischen Förderprogramme ist hierbei die Befragung „Taking Part“ von besonderer Bedeutung, die im gemeinsamen Auftrag des nationalen Department for Culture, Media & Sport, des Arts Council England, Sport England und von Historic England seit dem Jahr 2005 jährlich innerhalb der Gesamtbevölkerung Englands durchgeführt wird.36 Auf Basis der Erhebung werden vierteljährlich statistische Kernzahlen veröffentlicht, zudem gibt es jährliche Berichte unterteilt nach erwachsenen- und kinderbezogenen Daten sowie einen regelmäßig aktualisierten Langzeitstudienbericht. Öffentlich verfügbar sind zudem die erhobenen Daten selbst. Innerhalb der demografischen Daten bezüglich der Befragten sind standardmäßig Informationen zu „Ethnicity“ („Black and minority ethnic“, „White“) enthalten.37
35 Zusammengefasster Originaltext, Maitland 2006: 38, 132. 36 Siehe hierzu Arts Council England 2016d; UK Government 2015. 37 Vgl. Prior/Matthews/Charlton/Angela 2015.
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3.1.2 „Attracting diverse audiences“ in den USA Eine Recherche nach Audience Development-Strategien im Hinblick auf Menschen mit Migrationshintergrund in den USA ergab trotz der langen Zeitspanne seit der Entwicklung von Audience Development in den 1990er-Jahren nur wenige Ergebnisse.38 Dass Audience Development in den USA an erster Stelle auf eine quantitative Steigerung der Nachfrage innerhalb des bestehenden Markts für Kulturangebote (Noch-nicht-Besucher, Besucher, Nicht-mehr-Besucher) abzielt, lässt sich auch in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund und einen deutlichen Fokus auf Fragen des Kulturmanagements und -marketings hinsichtlich dieser Zielgruppe ablesen. Fragen der Repräsentation und Teilhabe einzelner Bevölkerungsgruppen kommen hier nur am Rande vor. Seit etwa dem Jahr 1993 beschäftigt sich bspw. die unabhängige Audience Development-Agentur Walker International Communications Group besonders intensiv mit diesem Themenfeld. 39 Donna Walker-Kuhne, Geschäftsführerin und Gründerin der Agentur, veröffentlichte im Jahr 2005 in diesem Kontext das Buch „Invitation to the party. Building bridges to the arts, culture and community“40. Zudem steuerte sie im Jahr 2010 zu der Publikation „The Experts’ Guide to Marketing the Arts“, einem frei zugänglichen Onlinehandbuch mit Weiterbildungsmaterial für Kulturinstitutionen, herausgegeben durch den nationalen Verband für die Förderung von Kunst und Kultur Americans for the Arts,41 das Kapitel „Attracting Diverse Audiences“42 bei. Walker-Kuhne stellt vier Kernpunkte für eine erfolgreiche Ansprache vom Menschen mit Migrationshintergrund heraus:43 • Creating a partnership with the community and related institutions (long-term
investment and commitment) • Hiring the appropriate staff who can establish these relationships – it should be
a mirror of the community you are trying to reach • Ensuring constant evolution of points of entry: Helping audiences to find the
work, creating an invitation (the offer), building the bridge (packaging the offer) and welcoming the audience (environment at the event)
38 Für eine Auflistung von Literatur im Themenfeld aus den USA siehe bspw. Chittick/Linett (2008). 39 Vgl. Walker-Kuhne 2005: xi. 40 Vgl. Walker-Kuhne 2005. 41 Vgl. Americans for the Arts 2010. 42 Vgl. Walker-Kuhne 2010. 43 Zusammengefasster Originaltext, Walker-Kuhne 2010: 2 f.; 2005: 21 ff.
102 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT • Building support based on shared interests, so that the audience enjoys produc-
tions that reflect their culture and are secure enough to explore others Für die konkrete Umsetzung von etwaigen Bemühungen empfiehlt WalkerKuhne einen „Vier-Schritte-Plan“, bestehend aus:44 • Research the community: Get to know who’s and what’s important to the tar-
get audience, find key people to be included in this fact-finding dialogue (1) • Convince others to join the process by sending out information on a local level
brochures or posters to the cleaner, the bakery, the grocery store (2) • Use their language: Invite representatives from the community to help publi-
cize the institution, use culturally sensitive marketing (3) • Create partnerships with organizations that matter in the community, create
programs that emphasize these partnerships, and stress the benefits to both partners, make contacts through partner organizations, stay in touch with them, create personal relationships and nurture them (create value, follow up) (4) Auch die Wallace Foundation ist innerhalb des Themenbereichs „Audience Development“ hinsichtlich Menschen mit Migrationshintergrund aktiv. Beispielsweise in der durch die Stiftung zwischen den Jahren 2006 und 2014 finanzierten „Excellence Award Initiative“ war das Erreichen von kulturell diversen Zielgruppen ein explizites Ziel zahlreicher teilnehmender Kulturinstitutionen. Der zugehörige Auswertungsbericht „The Road to Results. Effective Practices for Building Arts Audiences“45 beinhaltete jedoch keine expliziten Erkenntnisse hinsichtlich des Themenbereichs. Innerhalb der Tagungspublikationen der „The Wallace Foundation Arts Grantee Conferences“ (bspw. San Francisco, 2.–4. April 2008, Philadelphia, 1.–3. April 2009), die aus dem Kontext der „Excellence Award Initiative“ stammen, werden jedoch Kernfragen und Anregungen für Kulturinstitutionen bei entsprechenden Bemühungen kurz angeschnitten:46 • Arts organizations need to deepen their understanding of the complexities of
diversity in order to plan for long term audience building. • When does a group gain a significant market share? Implicit in this is where is
the tipping point for changes in powers, in policies?
44 Zusammengefasster Originaltext, Walker-Kuhne 2010: 3 ff.; 2005: 21 ff. 45 Vgl. Harlow 2014. 46 Zusammengefasster Originaltext, The Wallace Foundation 2009: 15 f.; 2008: 11 f.
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• Immigrants have actually been developing alternative systems that exist paral-
•
•
•
•
lel to the mainstream – is there an adaptation of the mainstream to embrace these alternative systems? Earning the interest of more diverse audiences demands good listening skills and avoiding pat assumptions about what they are or not willing to spend money on. Do not assume „a universal set of values“ when marketing to minority audiences – too often, diverse demographic groups are lumped together in a single category and targeted by the same means. Do not assume that diversity in hiring will automatically build responsive programming – staffing for diversity means little without giving those staffers the power to make important decisions. To break down barriers, encourage arts groups to stress personal relationships that establish direct ties into their neighborhoods.
In den USA stehen dem Kulturbereich über die Kulturpolitik regelmäßig Studien zu kulturellen Interessen und zum Kulturnutzungsverhalten der dortigen Bevölkerung zur Verfügung. Besonders hervorzuheben ist hierbei der „Survey of Public Participation in the Arts (SPPA)“, der im Auftrag der National Endowment of the Arts (NEA) seit dem Jahr 1982 regelmäßig innerhalb der Gesamtbevölkerung der USA erhoben wird.47 Öffentlich verfügbar sind sowohl jährliche statistische Berichte als auch die erhobenen Daten selbst. Innerhalb der demografischen Daten bezüglich der Befragten sind standardmäßig Informationen zu „Race and Ethnicity“ („Hispanic“, „African American“, „Other“, „White“) enthalten.48 3.1.3 „Interkulturelles Audience Development“ in Deutschland In Deutschland existiert bislang nur eine Studie zu „Interkulturellem Audience Development“, bei der es sich um einen erweiterten Auswertungsbericht zu einem gleichnamigen Forschungsprojekt handelt, das zwischen den Jahren 2011 und 2013 in Nordrhein-Westfalen, finanziert durch das Kulturministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und die Zukunftsakademie Nordrhein-Westfalen, durchgeführt wurde. Innerhalb eines Modellversuchs wurden interkulturell angelegte Audience Development-Strategien in sieben großen, renommierten, öffentlichen Kulturinstitutionen konzipiert, implementiert und evaluiert. Es handelte sich dabei um das Schauspielhaus Bochum, das Schauspiel Düsseldorf, das Schau47 Siehe hierzu National Endowment for the Arts 2016b. 48 Vgl. National Endowment for the Arts 2013.
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spiel Dortmund, das Theater Oberhausen, das Westfälische Landestheater Castrop Rauxel, das Theater im Revier Gelsenkirchen und das Rautenstrauch-Jost-Museum in Köln.49 Die aus der Auswertung abgeleiteten Empfehlungen hatten einen Fokus auf Fragen des Kulturmanagements und -marketings. Dabei wurden sieben Kernpunkte für erfolgreiche Audience Development-Bemühungen im Hinblick auf Menschen mit Migrationshintergrund herausgestellt:50 • Interkulturalität in der eigenen Organisationskultur etablieren (Einbindung al-
•
•
•
• • •
ler Mitarbeiter, Veränderung interner Strukturen, eventuell andere Mitarbeiter, interkulturelle Qualifizierung) Bekanntheit und breite öffentliche Aufmerksamkeit für interkulturelle Bemühungen einer Einrichtung schaffen (Corporate Identity, Markenbildung und Aufmerksamkeitsmanagement) Differenzierte Segmentierung, Ansprache und Bindung neuer Zielgruppen (interkulturelles Marketing und Ethnomarketing, Mehrsprachigkeit, interkulturellen Austausch ermöglichen) Netzwerken, Aufbau und Pflege von Kooperationen und Zusammenarbeit mit Multiplikatoren, die für die Zielgruppe Relevanz haben (Institutionen, Einzelpersonen) Barrieren für die neue Zielgruppe erkennen und ausräumen, Vertrieb, Preis, Service und Vermittlung auf deren (interkulturelle) Bedürfnisse ausrichten Durch neue Formate traditionelle Rezeptionsformen erweitern und Zugänge erleichtern (Aktionen, Events, Outreach-Projekte, partizipative Projekte) Attraktive neue Programme für ein diverses Kulturpublikum entwickeln, statt zu versuchen, diese für ,alte‘ Programme zu interessieren (vielfältiges Programm, kulturell hybride Formate gemeinsam mit neuen Akteuren, evtl. auch Laien)
Zudem wurden sieben Hauptfaktoren herauskristallisiert, die als Barrieren für eine interkulturelle Öffnung von Kultureinrichtungen wirken:51 • Ein konservatives Image von Kulturinstitutionen als elitäre und langweilige
Orte hält ein potenzielles Publikum von einem Besuch ab.
49 „Interkultur, Kulturelle Bildung und Zukunft von Stadtgesellschaft – ZAK NRW“ (vgl. Mandel 2013d). 50 Zusammengefasster Originaltext, Mandel 2013c: 99 ff. 51 Zusammengefasster Originaltext, Mandel 2013c: 157 ff.
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• Konservative Kunst- und Kulturvermittlung an Schulen vermittelt bereits
Schülern, dass Kunst und Kultur wenig mit ihrem Leben zu tun haben. • Zu wenig aktueller und/oder interkultureller Bezug klassischer Kulturangebote
führt zu mangelnder Relevanz der Stoffe für ein potenzielles Publikum. • Traditionell unflexible und bürokratische Strukturen in Kultureinrichtungen
und Kommunen bremsen die Konzeption und Implementierung etwaiger Bemühung. • Es fehlt an Personal (und damit an finanziellen Mitteln), um langfristige interkulturelle Strategien zu verfolgen. • Interkulturelle Projekte sind Zusatzaufgabe und nicht Teil des regulären Betriebs, so können entsprechende Bemühungen nicht verstetigt werden. • Interkulturelle Projekte werden aus Sorge nicht angegangen, hiermit das bisherige Stammpublikum zu verprellen. Eine tiefer gehende Reflexion von Fragen der Repräsentation einzelner Bevölkerungsgruppen im Kulturbereich sowie deren gleichberechtigter Zugang zu und deren Teilhabe an entsprechenden Angeboten kamen in der Studie zu interkulturellem Audience Development nicht prominent vor, obwohl dies (Teil-) Schwerpunkte der entsprechender Bemühungen waren. Dennoch lassen sich aus der Auswertungspublikation Diskussionsanregungen herausziehen, die die Notwendigkeit einer intensiveren Beschäftigung verdeutlichen:52 • Kunst- und Kulturveranstaltungen (vor allem im Bereich der Hochkultur) sind
• •
• •
häufig Abgrenzungs- und Distinktionsmittel, nur ein kleiner Teil der Bevölkerung fühlt sich den entsprechenden Kulturinstitutionen zugehörig. Warum ist das so und wie lässt es sich ändern? Wie kann es Kultureinrichtungen gelingen, Orte zu sein, die für verschiedene gesellschaftliche Gruppen relevante Bestandteile ihres Lebens sind? Wie kann es ihnen gelingen, unterschiedliche Bevölkerungsgruppen (Bildung, Alter, soziale und/oder ethnische Herkunft) zu erreichen, um repräsentativer für die sich immer weiter ausdifferenzierende Gesellschaft zu werden? Wie können Kultureinrichtungen zu partizipativen Orten werden, die dazu beitragen, Brücken zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu bauen? Wie kann es gelingen, durch Kunst und Kultur Dialoge anzuregen, Interesse an unterschiedlichen Perspektiven zu entwickeln, Gemeinsamkeiten zu entdecken oder zu schaffen?
52 Zusammengefasster Originaltext, Mandel 2013a: 11 ff.
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In Deutschland unterstützt die Kulturpolitik den Kulturbereich nicht mit standardisierten regelmäßigen Studien zu kulturellen Interessen und zum Kulturnutzungsverhalten der Bevölkerung. Kulturinstitutionen könnten ihre strategische Planung hierzulande entsprechend bislang nur auf Basis von verstreuten Einzelstudien ausrichten (siehe Kapitel 2.3.1). Innerhalb der im Rahmen von solchen Untersuchungen abgefragten demografischen Daten finden sich zudem in den seltensten Fällen Angaben zu einem etwaigen Migrationshintergrund von Befragten. Dies liegt sicherlich einerseits darin begründet, dass eine Abfrage des Migrationshintergrunds einer Person durchaus komplex ist – zumindest, wenn die Erhebungsmethode des Statistischen Bundesamts herangezogen wird. 53 Gleichzeitig fließt möglicherweise mit ein, dass Umfrageinitiatoren die Sorge haben, die Abfrage eines potenziellen Migrationshintergrunds könnte von Befragten als stigmatisierend und diskriminierend empfunden werden. Zumindest eine Abfrage unter Anwendung der in Großbritannien und den USA verwendeten Kategorien („Rasse“/„Ethnizität“) würde im deutschen Kontext sicherlich (schon allein aus historischen Gründen) für Irritation sorgen.54
3.2 E RKENNTNISSE
AUS DER
B ESUCHERFORSCHUNG
Inwieweit Audience Development-Bemühungen erfolgreich sein können oder nicht – und dies gilt selbstverständlich auch für jene, die auf Menschen mit Migrationshintergrund abzielen –, hängt unter anderem von der Kenntnislage bezüglich der potenziellen Zielgruppen ab (siehe Kapitel 2.3 bis 2.5). Je mehr über diese bekannt ist, desto passgenauer können sie von Kulturinstitutionen angesprochen werden. Nur so kann auf ihr unterschiedliches Verhalten, ihre Wünsche, Bedürfnisse, (kulturellen) Voraussetzungen und etwaigen Hinderungsgründe für Kulturbesuche optimal eingegangen werden. Zu unterscheiden ist laut Birgit Mandel in diesem Kontext zwischen dem zum Teil unterschiedlichen Erkenntnisbedarf von Kulturinstitutionen und dem von Kulturpolitik: Für Kulturinstitutionen sind vor allem Informationen von Bedeutung, die sich auf die Konzeption und Umsetzung von Anreizstrategien für das Gewinnen und Binden von (potenziellem) Publikum beziehen, sprich auf Kulturmarketing und -vermittlung. Hierzu gehören insbesondere Kenntnisse über das Informationsverhalten in Bezug auf Kulturangebote, die Bewertung des Images der Institution, das Kulturnutzungsverhalten, die Bewertung von Rahmenbedingungen von Kulturnut-
53 Siehe hierzu: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2015. 54 Für eine kritische Reflexion hierzu siehe bspw. Supik 2014.
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zung (inklusive Serviceangeboten), die Bewertung von Formaten und Programmen sowie personenbezogene Informationen wie soziodemografische/sozioökonomische Merkmale und/oder die Zugehörigkeit zu sozialen Milieus. Für die Kulturpolitik sind in erster Linie Informationen zur Zugänglichkeit kultureller Angebote von Bedeutung, sprich Kenntnisse zur Kulturnutzung verschiedener Bevölkerungsgruppen, insbesondere aber bezüglich derjenigen, die bislang zu den Nicht-Besuchern der Angebote zählen. Hierzu gehören vor allem die generellen Einstellungen zu Kunst und Kultur, das Image von Kultur, der Kulturbegriff, die Motive für Kulturnutzung (inklusive Erwartungen, Interessen), die Häufigkeit und die Art der Kulturnutzung, die Wirkung von Kulturbesuchen im Sinne von kultureller Bildung sowie etwaige Besuchsbarrieren.55 In den letzten Jahren wurden teils unmittelbar nacheinander einige wissenschaftliche Studien publiziert, die sich mit dem Kulturnutzungsverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland eingehend beschäftigen. Bezüglich ihrer inhaltlichen Ausrichtung können diese Arbeiten in zwei grundsätzliche Herangehensweisen an das Themenfeld heruntergebrochen werden: Auf der einen Seite finden sich Studien, die sich in irgendeiner Form auf den Faktor der geografischen Herkunft einer Person und/oder deren Vorfahren konzentrierten. Auf der anderen Seite finden sich Untersuchungen, die auf das Kulturnutzungsverhalten sozialer Milieus innerhalb der Bevölkerungsgruppe der Menschen mit Migrationshintergrund abzielten, die quer zu der verschiedenen Herkunft einzelner Personen und/oder deren Vorfahren liegen.56 Im Folgenden werden primär die Ergebnisse derjenigen Studien zusammengefasst, die einen expliziten Bezug zum Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit aufweisen. Bei allen einfließenden Untersuchungen handelte es sich um Befragungen, die entweder „Face to Face“57 oder per Telefon umgesetzt wurden. Während der Schwerpunkt der Erhebungen auf quantitativer Forschung lag, finden sich unter ihnen auch Studien, die (zumindest) anteilig auf qualitativen Untersuchungsmethoden beruhen. Sie sammelten Informationen über bereits erreichte Zielgruppen (Besucherforschung) sowie über bislang nicht erreichte Zielgruppen (Nicht-Besucher-Forschung). Deren Erkenntnisinteressen lagen zusammengefasst in den Bereichen von soziodemografischen Merkmalen, Besuchsmotiven, Besuchsverhalten, Besuchszufriedenheit und Besuchsbarrieren. All diese Studien beziehen sich auf eine passive Teilhabe von Menschen mit 55 Vgl. Mandel 2012a: 22 f. 56 Siehe hierzu auch Allmanritter 2014a; 2014c; 2014d. 57 Eine „Face-to-Face“-Befragung ist eine mündliche, persönliche Befragung, die im direkten Kontakt zwischen Interviewer und Befragten stattfindet (siehe hierzu bspw. Brosius/Haas/Koschel 2012: 103 ff.).
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Migrationshintergrund an Kulturangeboten. Allerdings lagen ihnen oftmals unterschiedliche Definitionen von Migrationshintergrund 58 und unterschiedliche Kulturbegriffe zugrunde, und sie bezogen sich auf unterschiedliche geografische Erhebungsräume (einzelne Kommunen oder Bundesländer, Deutschland). Die unterschiedliche methodische Anlage der Studien macht sie für einen Vergleich oftmals nur bedingt geeignet. Sie fließen an dieser Stelle – soweit irgend möglich und wenn ausreichend Ergebnisse und Informationen über die Methodik der Studien vorliegen – aus zwei Gründen dennoch ein: Erstens ist die Anzahl der Studien im Themenfeld insgesamt weiterhin so gering, dass an dieser Stelle kaum auf eine von ihnen verzichtet werden kann; zweitens können sie als Ergänzung dennoch dabei helfen, an ein kongruentes Gesamtbild der Forschungsergebnisse zu gelangen.
58 Als problematisch ist an dieser Stelle anzumerken, dass die Definition und die entsprechende Erhebung des Faktors „Migrationshintergrund“ sich in den hier im Folgenden aufgeführten Studien zum Teil unterscheiden. In den Studien „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) von Interkultur.pro und „Teilhabe und Orientierungen türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in Nordrhein-Westfalen“ (2009) des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung wird sich hierbei bspw. auf die Definition des Statistischen Bundesamts bezogen (vgl. Sauer 2009: 45 ff.; Cerci 2008b: 7 ff.), die Stichproben wurden hier mithilfe „onomastischer Verfahren“ (Namenslistenverfahren) gezogen (siehe hierzu bspw. Humpert/Schneiderheinze 2002; 2000). Für die Studien „Kulturelle Identitäten in Deutschland“ (2010), vgl. Keuchel (2011); Keuchel/Larue (2010), und das „9. KulturBarometer“ (2011), vgl. Keuchel/Mertens (2011), des Zentrums für Kulturforschung liegen keine Definitionen vor. Andere Studien des Zentrums für Kulturforschung erheben in diesem Kontext, ob bei einer Person mindestens ein Elternteil ausländische Herkunft aufweist, dies gilt für die Studien „InterKulturBarometer“
(2012),
vgl.
Keuchel
(2012:
194 ff.),
„2.
Jugend-
KulturBarometer“ (2012), vgl. Keuchel/Larue (2012: 144 ff., 201 f.), „1. JugendKulturBarometer“ (2006), vgl. Keuchel (2006: 61 ff.); Keuchel/Wiesand (2006: 296 f.), „Rheinschiene – Kulturschiene“ (2003), vgl. Keuchel (2003: 141 ff., 297 ff.), während in der Studie „KulturBarometer 50+“ (2008) nach der Staatsbürgerschaft der Befragten unterschieden wurde, vgl. Keuchel/Wiesand (2008: 13, 30 ff., 126 f.).
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3.2.1 Fokus: Kulturnutzer mit Migrationshintergrund nach geografischer Herkunft Studien, die das Kulturnutzungsverhalten nach der geografischen Herkunft einer Person und/oder deren Vorfahren beleuchten, stellen teils das Kulturnutzungsverhalten von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gegenüber. In diesem Themenfeld gibt es bislang drei groß angelegte Studien: Die zeitlich erste empirische Untersuchung, die sich explizit mit kulturellen Interessen und Gewohnheiten von Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund in Deutschland befasste, stammt aus dem Jahr 2008. Sie entstand unter dem Titel „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ im Auftrag des beim Ministerpräsident des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen angesiedelten Referats „Interkulturelle Kunst- und Kulturangelegenheiten“ und wurde von Interkultur.pro herausgegeben. Es handelte sich hierbei um eine quantitative telefonische Befragung, für die aus der Grundgesamtheit der Dortmunder mit und ohne Migrationshintergrund ab 16 Jahren eine Stichprobe von 1.023 Zielpersonen gezogen wurde. Darunter befanden sich 508 Personen ohne Migrationshintergrund sowie Angehörige der zum Zeitpunkt der Untersuchung größten Gruppen mit Migrationshintergrund in Dortmund, sprich 136 Personen mit osteuropäischer, 126 Personen mit türkischer, 126 Personen mit südeuropäischer Zuwanderungsgeschichte und 127 Personen mit anderem Migrationshintergrund. Die Befragung wurde vom Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen in Kooperation mit ENIGMA GfK Markt- und Medienforschung durchgeführt.59 Im Jahr 2010 erschien die zweite relevante Studie im Themenfeld, die quantitative Studie „Kulturelle Identitäten in Deutschland“ des Zentrums für Kulturforschung und des Instituts für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim, die mit Fördermitteln des Bundesbeauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert wurde. Sie bestand inhaltlich aus mehreren Teilen. Zunächst wurden die bisher in Deutschland erschienenen empirischen Untersuchungen im Themenfeld Kunst, Kultur und Migration sekundäranalytisch ausgewertet, und es wurde der Forschungsstand in den Themenfeldern der Identitätsforschung (kulturelle und nationale Identitäten) gesichtet. Die Ergebnisse dieser Analyse wurden anschließend in qualitativen Interviews mit in Deutschland lebenden
59 Vgl. Cerci 2008b. Ein herzlicher Dank an dieser Stelle geht an das Statistische Landesamt für Nordrhein-Westfalen, Information und Technik, Nordrhein-Westfalen (IT.NRW), das auf eine von der Autorin durchgeführte Anfrage im Herbst 2015 mit einer Dateiversion der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) weiterhalf, in der sämtliche Prozentwerte ablesbar waren.
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Künstlern und Nicht-Künstlern mit und ohne Migrationshintergrund reflektiert. Für eine qualitative (Face-to-Face-)Befragung wurde aus der Grundgesamtheit der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland eine Stichprobe von zwölf Personen gezogen. Hierfür wurden Angehörige der zum Zeitpunkt der Untersuchung größten Gruppen mit Migrationshintergrund ausgewählt. Es wurden fünf Künstler mit und zwei Künstler ohne Migrationshintergrund aus den zum Zeitpunkt der Untersuchung größten Gruppen mit Migrationshintergrund in Deutschland sowie fünf Nicht-Künstler, davon drei mit und zwei ohne Migrationshintergrund, befragt. Weitere Informationen zur Anlage der Untersuchung lassen sich aus den zugehörigen Publikationen nicht ableiten, denn die Studie selbst ist nicht öffentlich zugänglich. Es gibt jedoch Publikationen zu deren Kernergebnissen.60 Die dritte Studie in diesem Kontext, das „InterKulturBarometer“, das sich den kulturellen Interessen und Einstellungen sowie der kulturellen Identität und Teilhabe von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland widmete, erschien im Jahr 2012. Diese quantitative Untersuchung wurde auf Basis der Ergebnisse der oben genannten Studie „Kulturelle Identitäten in Deutschland“ entwickelt und ist sicherlich die wichtigste Studie zum Kulturnutzungsverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund nach der geografischen Herkunft einer Person und/oder deren Vorfahren. Sie wurde mit Fördermitteln des Bundesbeauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie der Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen finanziert und entstand in Kooperation des Zentrums für Kulturforschung mit dem Institut für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim und der Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg. In Face-to-Face-Interviews wurden hierfür 2.800 Personen ab einem Alter von 14 Jahren befragt. Die Stichprobe bestand dabei sowohl aus Menschen ohne Migrationshintergrund als auch aus Menschen mit Migrationshintergrund aus den zum Zeitpunkt der Untersuchung größten Gruppen mit Migrationshintergrund in Deutschland (1.637 Befragte). Um Hintergründe zu vertiefen und lokale Zusammenhänge herzustellen, wurden zudem 60 qualitative Interviews durchgeführt.61 Des Weiteren finden sich im Forschungsfeld des Kulturmanagements, aber auch darüber hinaus, Studien und/oder Publikationen, die inhaltlich an sich einen anderen Fokus aufweisen, jedoch die Kulturnutzung von Menschen mit Migrationshintergrund als Unterthema und/oder Sonderauswertung beinhalten: Dies gilt bspw. für zwei andere Studien des Zentrums für Kulturforschung, in denen sich zum Teil Abschnitte speziell über die Antworten von Befragten mit ausländi60 Vgl. Keuchel 2011; Keuchel/Larue 2010. 61 Vgl. Keuchel 2012.
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scher Staatsbürgerschaft und/oder mit Migrationshintergrund finden. Hierzu zählt die „2. Jugend-KulturBarometer“-Studie aus dem Jahr 2012, die sich auf kulturelle Interessen und das Kulturnutzungsverhalten von Jugendlichen in Deutschland konzentrierte und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde. Hierfür wurden deutschlandweit 2.060 Personen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren in Face-to-Face-Interviews befragt. 1.088 der Befragten wiesen einen Migrationshintergrund auf (Türkei, Russland, Polen, „sonstige europäische Länder“ sowie „sonstige nichteuropäische Länder“).62 Ferner ist zu nennen das „1. Jugend-KulturBarometer“ des Zentrums für Kulturforschung aus dem Jahr 2006, das sich ebenfalls auf kulturelle Interessen und das Kulturnutzungsverhalten von Jugendlichen in Deutschland konzentrierte. In der Studie wurden deutschlandweit 2.625 Personen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren in Face-to-Face-Interviews befragt, dabei wiesen etwa 16 % Migrationshintergrund auf (osteuropäische Länder inkl. Russland, Länder des islamischen Kulturkreises, südeuropäische Länder sowie „andere Herkunftsländer“).63 Auch das „KulturBarometer 50+“ (2008) des Zentrums für Kulturforschung aus dem Jahr 2008 birgt relevante Informationen. Sein Fokus lag auf den Interessen und dem Kulturnutzungsverhalten von Menschen in Deutschland ab einem Alter über 50 Jahren. Hierfür wurden deutschlandweit 2.000 Personen im Alter von mindestens 50 Jahren in Face-to-Face-Interviews befragt. Auch hierbei wurde ein kleiner, nicht genau bezifferter Anteil von Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft befragt (Spanien/Portugal, früheres Jugoslawien, Russland/Polen, Italien/Griechenland, Türkei/Syrien/Irak, „anderes Land in Europa“ sowie „anderes nichteuropäisches Land“).64 Zudem wurde im Jahr 2009 eine Studie des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung im Auftrag des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen unter dem Titel „Teilhabe und Orientierungen türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in Nordrhein-Westfalen“ publiziert. In einer telefonischen Befragung wurde aus der Grundgesamtheit der Einwohner Nordrhein-Westfalens mit türkischem Migrationshintergrund ab 18 Jahren eine Stichprobe von 1.013 Zielpersonen befragt. Die Untersuchung beinhaltete einen eigenen Abschnitt zu kulturellen Interessen, Gewohnheiten und Bedürfnissen der Befragten.65 Ähnliches gilt für die Studie „Rheinschiene – Kulturschiene“ des Zentrums für Kulturforschung aus dem Jahr 2003, die im Auftrag des Landesministeriums 62 Vgl. Keuchel/Larue 2012. 63 Vgl. Keuchel/Wiesand 2006. 64 Vgl. Keuchel/Wiesand 2008. 65 Vgl. Sauer 2009.
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für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport Nordrhein-Westfalen sowie zehn großen Kultureinrichtungen in ausgewählten Städten und Landkreisen durchgeführt wurde. Die Untersuchung beschäftigte sich mit kulturellen Interessen der jeweiligen Einwohner der Städte sowie ihrer Mobilität bei der Nutzung kultureller Angebote. Bei den beauftragenden Kultureinrichtungen handelte es sich um das Festivalbüro der Stadt Duisburg („Duisburger Akzente“ und „Traumzeit Festival“), das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, das Internationale Beethovenfest Bonn, die Kölner Philharmonie, die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, die Kunstsammlung NordrheinWestfalen, das Orchester der Beethovenhalle, das Römisch-Germanische Museum, die Tonhalle Düsseldorf und das Wilhelm-Lehmbruck-Museum Duisburg. Innerhalb der Bevölkerung ab 14 Jahren im Gebiet der sogenannten „Rheinschiene“, sprich in Bonn, Köln, Düsseldorf, Duisburg, im Landkreis Neuss, im Landkreis Leverkusen/Rheinisch-Bergischer Kreis, im Landkreis Erftkreis, im Landkreis Mettmann und im Landkreis Rhein-Sieg-Kreis, wurden 4.491 Personen in Face-to-Face-Interviews befragt. Darunter befanden sich knapp 20 % (sprich etwa 900 Personen) mit unterschiedlichstem Migrationshintergrund (osteuropäische Länder inkl. Russland, Länder des islamischen Kulturkreises, südeuropäische Länder sowie „andere Herkunftsländer“).66 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich einzelne Ergebnisse zu Menschen mit Migrationshintergrund als Nutzer und/oder Nichtnutzer von Kulturangeboten auch in einigen anderen Studien im (weiteren) Forschungsfeld finden. Sie fließen an dieser Stelle jedoch aus dreierlei Gründen nicht in die Darstellung des aktuellen Forschungsstands ein: Deren Ergebnisse sind entweder nicht öffentlich zugänglich, das Themenfeld taucht in ihnen nur sehr marginal, mit stark regionalem oder auf nur ein spezifisches Kulturangebot Bezug nehmend auf, oder es handelt sich um Studien, die nicht aus Forschungszentren oder von Hochschulen stammen und/oder (auch) in Kooperation mit Hochschulen entstanden sind und deren hohe wissenschaftliche Qualität nicht garantiert ist. Nur innerhalb von Kurzberichten zugänglich sind bspw. die Ergebnisse des „9. KulturBarometers“ des Zentrums für Kulturforschung aus dem Jahr 2011, das in Kooperation mit der Deutschen Orchestervereinigung erstellt und in dem erstmals in einer KulturBarometer-Studie bezogen auf die deutsche Gesamtbevölkerung auch der Migrationshintergrund der Befragten erfasst wurde. 67 Auch die Ergebnisse des „Kulturmonitoring“ (KULMON), das seit dem Jahr 2009 im Auftrag der Berliner Senatskanzlei für kulturelle Angelegenheiten und der Berlin
66 Vgl. Keuchel 2003. 67 Vgl. Keuchel/Mertens 2011.
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Tourismus Marketing GmbH in zahlreichen Berliner Kultureinrichtungen durchgeführt wird, sind nur in Form von Kurzberichten öffentlich zugänglich.68 3.2.2 Geografische Herkunft – Überblick über die aktuellen Erkenntnisse 3.2.2.1 Identität, Kulturbegriff und kulturelle Bildung Die „InterKulturBarometer“-Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung kam zu dem Ergebnis, dass das Vorhandensein eines Migrationshintergrunds deutlichen Einfluss auf die individuelle Identitätsbildung hat. Dies galt nicht nur für die erste Einwanderergeneration, denn auch die zweite und die dritte Generation schrieben neben der Wertprägung durch die Familie und Bildung den Einflussfaktoren „Völkerzugehörigkeit“ bzw. „Geburtsland“ innerhalb der Studie eine bedeutsame Rolle für ihre Identitätsbildung zu. Insbesondere in der dritten Einwanderergeneration spielten diese Faktoren eine große Rolle, zum Teil sogar eine größere als für die erste, definitiv aber eine größere als für die zweite Einwanderergeneration. In der Studie wurde vermutet, dass die beiden ersten Generationen im Vergleich noch eher von dem Wunsch geprägt sind, dazuzugehören und nicht (ausschließlich) über ihre Herkunft definiert werden wollen, während in der dritten Generation eine besonders große Sehnsucht nach einer Identität besteht, die sich (auch) auf die familiären Wurzeln des Herkunftslands der Vorfahren (rück-)bezieht.69 Erklären ließe sich ein solcher Effekt laut der Studie mit der aktuell im Forschungsbereich der Culture Studies diskutierten Vorstellung, dass in der Postmoderne eventuell die Abweichung von der herrschenden kulturellen Norm (der Mehrheitskultur) und in diesem Rahmen eine Wiederentdeckung etwaig anderer kultureller Wurzeln als Grundlage von Identitäten dienen könnte.70 Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass ein Einfluss der Herkunftskultur auf kulturelle Interessen von Menschen mit Migrationshintergrund im Generationenverlauf gänzlich verloren gehen wird. In welchem Ausmaß ein solcher Einfluss zum Tragen kommen kann, hängt jedoch neben den genannten Faktoren „Familie“, „Bildung“ und „Generationenzugehörigkeit“ auch ab von der Aufenthaltslänge einer Person im Aufnahmeland, deren Deutschkenntnissen, der räumlichen Distanz des ursprünglichen Herkunftslands zum europäischen Kultur-
68 Vgl. Partner Relations 2016. 69 Vgl. Keuchel 2012: 64 ff. 70 Siehe hierzu bspw. Hall 1989.
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raum, der Wohnregion im Aufnahmeland und der Tatsache, ob sie in einem binationalen Elternhaus aufgewachsen ist oder nicht.71 Auch die Studie „Kulturelle Identitäten in Deutschland“ (2010) des Zentrums für Kulturforschung betonte, dass Migrationserfahrung innerhalb der Familie offenbar (mit-)prägend für die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen ist, es sich aber nur um einen Teilaspekt von dessen Identität neben anderen handelt. Die innerhalb dieser Untersuchung befragten Personen gaben zwar an, dass sie sich durch ihre Wurzeln geprägt sahen, deren Einfluss auf ihre Person schätzten sie aber als eher gering ein. Zudem fühlten sich die meisten Befragten nicht nur durch kulturelle Wurzeln ihres Herkunftslands geprägt, sondern – im Sinne einer „hybriden Identität“72 – mehr als einer (national gebundenen) Kultur verbunden, wie bspw. auch der des Aufnahmelands.73 Entsprechend jener hybriden Identität gestaltet sich der Kulturbegriff von Menschen mit Migrationshintergrund: Während laut der „InterKulturBarometer“-Studie (2012), der „2. Jugend-KulturBarometer“-Studie (2012) und der Studie „KulturBarometer 50+“ (2008) des Zentrums für Kulturforschung vor allem innerhalb älterer Bevölkerungsgruppen die Mehrheit der Menschen ohne Migrationshintergrund in Deutschland einen Kunstbegriff vertrat, der sich an erster Stelle auf die klassischen Künste, sprich Hochkultur bezieht, umfasste der Begriff Menschen mit (und jüngeren Menschen ohne) Migrationshintergrund im Sinne eines breiteren Verständnisses und von kultureller Diversität bspw. auch Elemente der Lebensweise und der Alltagskultur wie „Familie“, „Religion“, „Lebensweise“, „kulturelle Diversität“ oder „Kultur der Länder/Völker“.74 3.2.2.2 Produkt- und Servicepolitik Das generelle Interesse von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund an Kunst- und Kulturangeboten sowie das Interesse an einzelnen Genres lagen in der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) und der „2. Jugend-KulturBarometer“-Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung sowie der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) von Interkultur.pro in etwa auf gleichem Niveau.75 Während bei Menschen ohne Migrationshintergrund in Deutschland vor allem ein hoher Bildungsstand in Bezug auf das Kulturinteresse eine große Rolle spielte, galt dies laut der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) für 71 Vgl. Keuchel 2012: 64 ff. 72 Siehe hierzu wegweisend Bhabha 1996; 1994; Hall 1990. 73 Vgl. Keuchel 2011: 25 ff.; Keuchel/Larue 2010: 21 ff. 74 Vgl. Keuchel 2012: 36 ff.; Keuchel/Larue 2012: 12 ff.; Keuchel/Wiesand 2008: 48 ff. 75 Vgl. Keuchel 2012: 100; Keuchel/Larue 2012: 171; Cerci 2008b: 3, 29 ff.; Keuchel 2003: 142 ff.
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Menschen mit Migrationshintergrund nur bedingt. Insbesondere bei Menschen mit Migrationshintergrund aus weiter entfernten Kulturräumen (außer der Türkei) war keine systematische Beziehung zwischen Schulbildung und Kulturinteresse festzustellen. Die Studie erklärte auch dieses Ergebnis damit, dass eine andere kulturelle Infrastruktur in den jeweiligen Herkunftsländern dazu führen könne, dass unabhängig vom Bildungsniveau einer Person nur ein geringer Bezug zu den hiesigen Angeboten erwachsen könne.76 Sowohl die „InterKulturBarometer“-Studie (2012) und die beiden bisherigen „Jugend-KulturBarometer“-Studien (2012, 2006) als auch das „9. KulturBarometer“ (2011) des Zentrums für Kulturforschung kamen zu dem Ergebnis, dass Menschen mit Migrationshintergrund in ihren künstlerischen Interessen (auch) von der kulturellen Infrastruktur, von kulturgeschichtlichen Traditionen sowie von politisch und kulturpolitisch gewachsenen gesellschaftlichen Wertesystemen des Herkunftslands geprägt wurden. Sie hatten Erfahrungen und Praktiken sowie Seh- und Hörgewohnheiten bei der Kunstrezeption im Herkunftsland entwickelt, die sie als „kulturelles Kapital“77 während ihrer Migration in das Aufnahmeland mitbrachten. Dies galt in den Studien entsprechend an erster Stelle für diejenigen, die selbst migriert waren, jedoch gingen Effekte der Herkunftskultur im Generationenverlauf nicht verloren. Jugendliche mit Migrationshintergrund aus osteuropäischen Ländern und vor allem Russland interessierten sich wie Erwachsene mit den gleichen Wurzeln im Vergleich und entsprechend der traditionell hohen Bedeutung dieser Angebote in dem Kulturraum, aus dem sie abstammen, stärker für klassische und seltener für zeitgenössische/avantgardistische Kulturangebote als diejenigen ohne oder mit anderweitigem Migrationshintergrund. Gleichzeitig interessierten sich junge Bevölkerungsgruppen mit türkischem Migrationshintergrund äquivalent zu den Erwachsenen mit gleichem Migrationshintergrund anteilig wesentlich häufiger für Kulturangebote aus dem islamischen bzw. arabischen Kulturkreis als andere Bevölkerungsgruppen.78 Zudem scheint der Faktor „Migrationshintergrund“ Einfluss auf die Art und Weise zu nehmen, in der Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund hiesige Kulturangebote zugänglich gemacht werden. Für Menschen mit wie auch ohne Migrationshintergrund galt in der „InterKulturBarometer“-Studie (2012), dass Elternhaus und Schule die entscheidenden Instanzen bezüglich der Kulturvermittlung sind. Bei Menschen ohne Migrationshintergrund war der Bildungsgrad des Elternhauses der Faktor, der hier die entscheidende Rolle spielte: War dieser 76 Vgl. Keuchel 2012: 82 f. 77 Siehe hierzu urspr. Pierre Bourdieu 1982. 78 Vgl. Keuchel 2012: 64 ff., 81 ff.; Keuchel/Larue 2012: 144 ff., 171; Keuchel/Mertens 2011: 4; Keuchel 2006: 61 ff.
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hoch, stieg auch die Chance, dass Kinder einen intensiven Zugang zu kultureller Bildung erhielten. Dieser Zusammenhang zeigte sich jedoch bei Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund nur in begrenztem Ausmaß. In der Studie wurde davon ausgegangen, dass diese Tatsache darin begründet liegt, dass ein Migrationshintergrund aus Herkunftsländern mit anderer kultureller Infrastruktur dazu führt, dass Eltern eventuell auch bei einem hohen Bildungsgrad hiesige Kulturangebote nicht bekannt genug sind, um ihre Kinder mit diesen vertraut zu machen.79 Das „InterKulturBarometer“ (2012) stellte in diesem Zusammenhang fest, dass sich die erste Generation besonders stark für traditionelle Kunstformen interessierte, während die dritte Generation besonders starkes Interesse an klassischen und zeitgenössischen Kunstformen zeigte. Dass es sich hierbei um keinen linearen Zusammenhang handelte, zeigt die Tatsache, dass in dieser Studie auch die dritte Generation im Kontext ihrer Identitätsfindung (siehe oben) ein großes Interesse an der Kulturgeschichte und Kunst des Herkunftslands der Familie aufwies, obwohl das Interesse an Kunst aus dem europäischen Kulturraum bei Menschen mit Migrationshintergrund in der zweiten und dritten Generation offenbar ganz generell zu- und das Interesse an Kunst und Kultur aus den Herkunftsländern abnahm. Dabei galt: Je weiter dieses Herkunftsland vom europäischen Kulturraum entfernt war, desto größer war die Rolle, die die jeweiligen kulturellen Wurzeln spielten.80 Bei Menschen mit türkischem Migrationshintergrund zeigten sich Effekte des Lebensalters auf Genre-Interessen, die einem linearen Zusammenhang nach Generation – wie innerhalb des „InterKulturBarometers“ (2012) zum Teil festgestellt – ebenfalls entgegensprachen. Zwar wurden laut der Studie „Teilhabe und Orientierungen türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in NordrheinWestfalen“ (2009) des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung auch innerhalb der Bevölkerungsgruppe mit türkischem Migrationshintergrund deutsche Kulturveranstaltungen überproportional von jüngeren Zugewanderten und von den Nachfolgegenerationen der ursprünglich Eingewanderten besucht, während das Alter derjenigen überdurchschnittlich hoch war, die sich für die Kulturangebote wie türkische Folkloretänze, religiöse Musik, türkische Folkloremusik und türkische Literaturveranstaltungen interessierten. Doch war das Alter derjenigen, die sich für Opernaufführungen und Museen/Ausstellungen interessierten, ebenfalls überproportional hoch, während sich gleichzeitig vor allem
79 Vgl. Keuchel 2012: 162 ff. 80 Vgl. Keuchel 2012: 81 ff.
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jüngere Bevölkerungsgruppen der Nachfolgegenerationen verstärkt für türkische Kulturangebote interessierten.81 Die „InterKulturBarometer“-Studie (2012) kam auch zu dem Schluss, dass die Migrationsgeschichte einer Person ihre kulturellen Interessen in mehrfachem Sinne beeinflusste: Ein Migrationshintergrund führte entsprechend dem hieraus resultierenden breiteren Kulturbegriff zu einer größeren Interessenvielfalt, denn der Fokus lag nicht nur auf klassischen Kunstformen, auch traditionelle volkstümliche Kunstformen auf der einen und jüngere Kunstformen wie Medien- und Videokunst auf der anderen Seite des Spektrums spielten in die Definition des Kulturbegriffs mit hinein. Ein Migrationshintergrund führte zudem häufig zu einem Kulturinteresse, das sich gleichzeitig auf mehrere Herkunftsräume bezog, bspw. einem gleichzeitigen Interesse sowohl an Kulturgeschichte, Kunstwerken, Künstlern und sprachbasierten Kunstrichtungen wie Literatur aus den Herkunftsländern als auch an kulturellen Werken aus dem deutschen und/oder europäischen Kulturraum. Dies galt insbesondere für Personen mit Wurzeln aus weiter entfernten Kulturräumen.82 Dieses Ergebnis deckte sich mit der Feststellung der Studie „Teilhabe und Orientierungen türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in NordrheinWestfalen“ (2009): Von denjenigen innerhalb der Bevölkerung mit türkischem Migrationshintergrund, die sich stark oder mittelmäßig für türkische Kulturveranstaltungen interessierten, interessierte sich ein sehr hoher Prozentsatz (knapp 60 %) auch stark oder mittelmäßig für deutsche Kulturveranstaltungen. Dieser Effekt ging nach den Ergebnissen der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) nicht im Generationenverlauf verloren. Im Gegenteil: Insbesondere bei Angehörigen der dritten Migrantengeneration konnte – auch im Vergleich zur Bevölkerung ohne Migrationshintergrund – ein anteilig stärkeres Interesse für verschiedenste Kulturräume beobachtet werden.83 Das Ergebnis deckt sich ebenfalls mit den beiden bisherigen „JugendKulturBarometer“-Studien (2012, 2006), dem „9. KulturBarometer“ (2011) und der Studie „Teilhabe und Orientierungen türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in Nordrhein-Westfalen“ (2009), nach der innerhalb der Bevölkerung mit türkischem Migrationshintergrund besonders häufig die dritte Generation, die in Deutschland geboren oder aufgewachsen war und die über vergleichsweise hohe Bildungsabschlüsse verfügte, ein starkes Interesse an türkischen Veran-
81 Vgl. Sauer 2009: 207 ff. 82 Vgl. Keuchel 2012: 81 ff. 83 Vgl. Keuchel 2012: 64 ff.
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staltungen aufwies.84 Gleichzeitig war die dritte Einwanderergeneration laut der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) klassischen Kunstformen gegenüber punktuell sogar aufgeschlossener als die in etwa gleichaltrige Bevölkerungsgruppe ohne Migrationshintergrund im Alter von 14 bis 24 Jahren.85 Des Weiteren zeigte sich innerhalb der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) bei denjenigen Personen, für die Kunst und Kultur aus mehreren Kulturräumen attraktiv waren, dass sie gleichzeitig auch deutlich interessierter an zeitgenössischen avantgardistischen Kunstformen waren als bspw. Bevölkerungsgruppen mit hohem Bildungsgrad innerhalb der Gesamtbevölkerung.86 An dieser Stelle ist eine Ergänzung hinsichtlich Bevölkerungsgruppen ohne Migrationshintergrund wichtig, bei der die Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, sich laut „InterKulturBarometer“-Studie (2012) und der Studie „KulturBarometer 50+“ (2008) offenbar aber (vor allem bei den Älteren) im Vergleich bislang nicht in gleichem Ausmaß im Interessenspektrum an kulturellen Angeboten aus vielfältigen Migrantenherkunftsländern spiegelte.87 Bezüglich der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund in Deutschland kam das „InterKulturBarometer“ (2012) zu dem Schluss: „Noch nicht gelungen ist es […], einen kulturellen ‚Kapitaltransfer‘ des erweiterten kulturellen Interessenspektrums der migrantischen Bevölkerungsgruppen aus nichteuropäischen Herkunftsländern auf weitere Teile der deutschstämmigen Bevölkerung zu übertragen, die noch sehr selten ein explizites Interesse an Künstlern und Kunstwerken außerhalb des europäischen und angloamerikanischen Raums an den Tag legen.“88
Auf dieser Erkenntnis basierend empfahl die Studie, dass im Sinne einer größeren kulturellen Vielfalt und einer besseren Verständigung zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Deutschland Vermittlungsangebote von Kulturinstitutionen entsprechend nicht nur darauf abzielen sollten, Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund für die hiesigen Angebote zu interessieren, sondern umgekehrt auch darauf, die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund mit Kunst aus anderen Kulturräumen vertraut zu machen.89
84 Vgl. Keuchel/Larue 2012: 144 f., 177; Keuchel/Mertens 2011: 4; Sauer 2009: 203; Keuchel 2006: 61 ff. 85 Vgl. Keuchel 2012: 81 ff. 86 Vgl. Keuchel 2012: 81 ff. 87 Vgl. Keuchel 2012: 86 ff.; Keuchel/Wiesand 2008: 118. 88 Keuchel 2013: 19. 89 Vgl. Keuchel 2012: 88.
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Das Interesse und die tatsächlich realisierten Besuche von Kulturveranstaltungen waren sowohl bei Menschen mit als auch bei jenen ohne Migrationshintergrund laut der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) nicht deckungsgleich. Menschen mit Migrationshintergrund sahen laut dieser Studie und der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) jedoch offenbar noch weniger Bezug der Programme hiesiger Kulturinstitutionen zu ihrem Leben und fühlten sich von ihnen noch weniger angesprochen als Menschen ohne Migrationshintergrund. 90 Obwohl beide Bevölkerungsgruppen ein ähnlich hohes Interesse an kulturellen Angeboten aufwiesen, nutzten diejenigen mit Migrationshintergrund Kulturangebote signifikant weniger. Vor allem klassische Kultureinrichtungen (bspw. Theater, Kunstmuseen und Opern) und tendenziell auch die freie Kulturszene hatten Schwierigkeiten, Menschen mit Migrationshintergrund als Zielgruppe und dabei in besonderem Maß als wiederkehrende Besucher zu erreichen. Dies galt insbesondere für jene Bevölkerungsgruppen, die aus weiter entfernten Kulturkreisen stammten. Es galt ebenfalls – trotz ihrem hohen Kulturinteresse – für Angehörige der dritten Migrantengeneration. Zwar nahm der Anteil der wiederkehrenden Besucher im Generationenverlauf zu, es wurden jedoch selbst bei der an sich kulturell sehr aufgeschlossenen dritten Generation nicht die Besucheranteile von Menschen ohne Migrationshintergrund erreicht. Kommerziellen Anbietern hingegen gelang es offenbar sehr gut, Menschen mit Migrationshintergrund zu erreichen. Dies galt sogar in besonderem Maß für ebenjene dritte Generation, bspw. im Bereich von Filmvorstellungen.91 Wenn sie Kulturangebote besuchten, verbanden Menschen mit Migrationshintergrund laut der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) diesen Besuch seltener mit anderen Aktivitäten, bspw. mit dem Besuch von Restaurants, Kneipen, Cafés, als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund.92 Die Studie lieferte zu diesem Befund keine Erklärungsansätze, es ist jedoch zu vermuten, dass dieser vor allem aus der im Vergleich zum Bevölkerungsschnitt durchschnittlich schlechteren Finanzlage von Menschen mit Migrationshintergrund resultierte, die bewirkte, dass für solche Anknüpfungsaktivitäten eventuell nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung standen.93 Deutlich öfter als von der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund (aus dieser besuchten sie vor allem junge, gebildete Kulturinteressierte in größeren Städten) wurden laut der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) von Menschen mit Migrationshintergrund kulturelle Angebote von Migrantenselbstorganisationen 90 Vgl. Keuchel 2012: 102 ff.; Cerci 2008b: 32 ff. 91 Vgl. Keuchel 2012: 102 ff. 92 Vgl. Cerci 2008b: 87. 93 Vgl. Statistisches Bundesamt 2015a: 398 ff.
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besucht. Auch wenn diese Angebote noch am meisten von der ersten Einwanderergeneration besucht wurden und die Besucheranteile in der zweiten und dritten Generation abnahmen, ging die Nutzung dieser Angebote entsprechend dem Interesse an solchen Angeboten mit Bezug zur Herkunftskultur (siehe oben) im Generationenverlauf nicht verloren. Besonders hoch war hierbei der Anteil von Mitgliedern von Migrantenvereinen und -organisationen innerhalb der Bevölkerung mit türkischem Migrationshintergrund. Dieser besuchte auch Angebote dieser Institutionen im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen am häufigsten.94 Im Rahmen der Studie wurde vor allem von Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund, die einen hohen Grad an Selbstorganisation auswiesen (wie bspw. jene mit türkischem Migrationshintergrund), der Wunsch geäußert, dass Kulturinstitutionen bei der Gestaltung ihrer Angebote häufiger mit Migrantenvereinen und -organisationen kooperierten, jedoch verbunden mit dem Hinweis, dass dies ,auf Augenhöhe‘ geschehen müsse. Hierfür traten vor allem Angehörige der dritten Einwanderergeneration ein, die in diesem Kontext ebenfalls deutlich stärker als diejenigen aus der ersten und zweiten Generation forderten, mehr Menschen mit Migrationshintergrund in Planungsprozesse von (Kultur-)Veranstaltungen einzubinden. 95 Gleichzeitig wiesen die geringen Zufriedenheitswerte mit dem Kulturangebot von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland auf einen Missstand hin, der sehr wahrscheinlich mit in die im Vergleich zu Menschen ohne Migrationshintergrund geringe Nutzungsfrequenz hineinspielte: Die Größe und die Qualität des Kulturangebots in Deutschland bewerteten sie positiv, die Internationalität des Kulturangebots, bspw. die Existenz von Kunst aus Migrantenherkunftsländern, sahen Menschen mit Migrationshintergrund jedoch als nicht ausreichend gegeben an.96 Von den Befragten mit (und ohne Migrationshintergrund) wurde in der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) und der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) entsprechend der Wunsch geäußert, mehr Künstler und Kulturangebote aus Migrantenherkunftsländern als bislang im öffentlichen Kulturleben zu integrieren.97 Dabei kam das „InterKulturBarometer“ (2012) zu dem Ergebnis, dass das Fehlen von Angeboten aus anderen Herkunftsländern von Befragten mit türkischem Migrationshintergrund häufiger als Grund für ein Fernbleiben von Kulturangeboten genannt wurde als von anderen Bevölkerungsgruppen. 98 Ergänzend kam in Bezug auf Menschen mit türkischem Migrationshintergrund 94 Vgl. Keuchel 2012: 112 ff. 95 Vgl. Keuchel 2012: 172 ff. 96 Vgl. Keuchel 2012: 39 ff. 97 Vgl. Keuchel 2012: 172 ff.; Cerci 2008b: 94 ff. 98 Vgl. Keuchel 2012: 167 ff.
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die Studie „Teilhabe und Orientierungen türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in Nordrhein-Westfalen“ (2009) des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung zu dem Ergebnis, dass – wenn Alternativen zwischen deutschen und türkischen Angeboten bestanden (bspw. bei Kino, Kabarett/Comedy, Rock/Pop-Konzerten, Lesungen) – sich mehr Menschen aus dieser Bevölkerungsgruppe für die eigenethnische Variante interessierten als für die deutsche.99 Der vergleichsweise starke Wunsch der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund nach Angeboten aus anderen Herkunftsländern innerhalb des „InterKulturBarometers“ (2012) – was hier sehr wahrscheinlich vor allem ihr eigenes Herkunftsland implizierte – war offenbar nicht mit einem generell großen Interesse der Gesamtgruppe an diesen Angeboten gleichzusetzen: Die Studie „Teilhabe und Orientierungen türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in Nordrhein-Westfalen“ (2009) kam in diesem Kontext ebenfalls zu dem Ergebnis, dass sich nur etwa ein Fünftel der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund stark für türkische Kulturveranstaltungen interessierte, etwa ein Drittel mittelmäßig, fast die Hälfte interessierte sich hierfür jedoch nur wenig.100 Additive oder quotenhafte Verfahren, die dazu dienen sollen, in bestehende Kultureinrichtungen anteilig mehr Kunst und Kultur aus verschiedenen Herkunftsländern zu integrieren, wurden von den Befragten in der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) als äußerst kritisch gesehen. Denn diese bargen aus ihrer Sicht die Gefahr, dass dadurch eine ungewollte Betonung von Unterschieden und eine Abgrenzung von „eigener“ zu (vermeintlich) „anderer“ Kultur resultiere, vor allem, wenn sie ohne entsprechende Vermittlungsansätze erfolgten oder gar als spezifische „Migrantenangebote“ kommuniziert wurden.101 Sowohl in der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) und in der Studie „Kulturelle Identitäten in Deutschland“ (2010) als auch im „KulturBarometer 50+“ (2008) wurde die Möglichkeit eines Brückenbaus mittels Kunst und Kultur herausgestellt. Dies könne einerseits durch ein gegenseitiges Zeigen, ein Kennenlernen und einen Austausch stattfinden, der zu einem Abbau von Vorurteilen führt. Andererseits seien hierfür gemeinsame Projekte von Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund möglich (Cross-Culture-Projekte), aus deren Begegnung sich passend zu auf kultureller Diversität beruhenden Gesellschaftskonzepten neue und hybride Kunstformen entwickeln. Insbesondere solche Cross-Culture-Projekte wurden von den Befragten mit und ohne Migrations-
99
Vgl . Sauer 2009: 207 .
100 Vgl. Sauer 2009: 202. 101 Vgl. Keuchel 2012: 175 ff.; siehe hierzu auch Keuchel 2009: 172.
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hintergrund in beiden Studien als besonders spannend und angesichts der in der Gesellschaft herrschenden Diversität als zeitgemäß empfunden.102 In der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) und in der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) wünschten sich die Befragten zudem mehr Kulturund Kulturvermittlungsangebote in den Sprachen ihrer Herkunftsländer und/oder speziell für Menschen mit Migrationshintergrund. Ob diese aufgrund von tatsächlichen sprachlichen Barrieren gewünscht wurden oder ob hier eventuell andere Gründe hineinspielten – bspw. die Pflege der Herkunftssprache in der Freizeit oder die Kommunikation mit Freizeitpartnern mit ähnlichem Migrationshintergrund, wurde in der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) spekuliert –, ließen die Studienergebnisse unbeantwortet.103 Hinsichtlich der Wünsche nach Vermittlungsangeboten und Informationsmedien in der Sprache der Herkunftsländer sowie nach mehr Künstlern und Kulturangeboten aus den jeweiligen Herkunftsländern zeigten sich in der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) Unterschiede zwischen verschiedenen Migrantengenerationen. Während Angebote in der Herkunftssprache insbesondere von der ersten Einwanderergeneration gewünscht wurden, setzte sich die dritte Migrantengeneration deutlich stärker (und dabei stärker als die erste und zweite Generation) für Künstler und Kunstangebote aus den jeweiligen Herkunftsländern ein.104 3.2.2.3 Kommunikationspolitik Die Ergebnisse des „InterKulturBarometers“ (2012), des „1. JugendKulturBarometers“ (2006) und der „Rheinschiene-Kulturschiene“-Studie (2003) des Zentrums für Kulturforschung sowie der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) von Interkultur.pro weisen darauf hin, dass zwischen Vertriebswegen und Öffentlichkeitsmaßnahmen von Kulturinstitutionen und dem Alltagsleben von Menschen mit Migrationshintergrund nur wenige Berührungspunkte bestehen.105 Dies lag laut der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) unter anderem daran, dass Teile dieser Bevölkerungsgruppe fast ausschließlich in eigenen medialen Kontexten und Erfahrungswelten lebten und damit oftmals nicht einmal die Existenz der Kulturangebote wahrnahmen. Die Studie „RheinschieneKulturschiene“ (2003) kam zu dem Schluss, dass Menschen mit Migrationshintergrund vor allem aufgrund ihrer durchschnittlich niedrigeren Schulbildung 102 Vgl. Keuchel 2012: 175 ff.; 2011: 29 ff.; Keuchel/Larue 2010: 26; Keuchel/Wiesand 2008: 30 ff. 103 Vgl. Keuchel 2012: 172 ff.; Cerci 2008b: 94 ff. 104 Vgl. Keuchel 2012: 172 ff. 105 Vgl. Keuchel 2012: 167 ff.; Cerci 2008b: 94 ff.; Keuchel 2006: 64; 2003: 146.
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schlechter von Informationen über Kulturangebote erreicht wurden als diejenigen ohne Migrationshintergrund.106 Das „InterKulturBarometer“ (2012) und das „1. JugendKulturBarometer“ (2006) empfahlen für die Öffentlichkeitsarbeit von Kulturinstitutionen auf Basis dieser Erkenntnisse einerseits eine stärkere Einbeziehung herkunftssprachlicher Medien (im Print-, aber auch im Rundfunk- und Fernsehbereich). 107 Das „InterKulturBarometer“ (2012) ergänzte zudem Social Media-Kanäle, die laut dieser Studie mehr als ein Drittel der Befragten häufig nutzten (und hierbei vor allem Facebook). Andererseits legte die Studie nahe, traditionelle Kommunikationswege damit zu ergänzen, dass Informationen zu Kulturangeboten für eine leichtere Zugänglichkeit (auch) an Alltagsorten (wie Schulen, Arztpraxen, Betrieben, Glaubenszentren) platziert werden, an denen zugleich Gruppen (Schüler und Eltern, Arbeitskollegen etc.), sprich mögliche Begleitpersonen mit angesprochen werden können.108 Als eine der wichtigsten Informationsquellen der deutschen Bevölkerung für Kulturveranstaltungen stellten bspw. die Studie „Rheinschiene, Kulturschiene“ (2003) und die „2. Jugend-KulturBarometer“-Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung „Empfehlungen von Verwandten, Freunden und/oder Bekannten“ heraus.109 Zu diesem Ergebnis kommen auch die Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) für Menschen sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund 110 sowie die Studie „Teilhabe und Orientierungen türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in Nordrhein-Westfalen“ (2009) des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung für Menschen mit türkischem Migrationshintergrund. In letzterer Studie stellte sich zudem heraus, dass eine solche Mundpropaganda als Informationsquelle für eigenethnische Kulturveranstaltungen sogar eine noch größere Rolle spielt als für deutsche Kulturangebote.111 Laut der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) stellten für Menschen sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund gleichermaßen die Medien „Tageszeitungen“, „Radio“ und „Fernsehen“ Informationsquellen dar, während dem „Internet“, den „Stadtmagazinen“, den „Aushängen in Kneipen, Restaurants usw.“ und „E-Mail-Newslettern“ hier eine geringere Bedeutung zukam. An Kommunikationsmitteln von Kulturinstitutionen hatten in diesem Zusammenhang als Informationsquelle für beide Gruppen vor allem „Plakate“ eine große Bedeutung, „Flyer“ und „Prospekte/Spielpläne der Kultureinrichtun106 Vgl. Keuchel 2003: 146. 107 Vgl. Keuchel 2012: 167 ff.; 2006: 64 f. 108 Vgl. Keuchel 2012: 167 ff. 109 Vgl. Keuchel/Larue 2012: 48 ff.; Keuchel 2003: 194 ff. 110 Vgl. Cerci 2008b: 77 f. 111 Vgl. Sauer 2009: 225.
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gen/Veranstalter“ standen hinter dieser Quelle zurück.112 Zudem zeigte sich in den Studien „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) und „Teilhabe und Orientierungen türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in NordrheinWestfalen“ (2009), dass verschiedene Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund durch diese Informationsquellen unterschiedlich gut erreicht wurden. Vergleichsweise gut wurden über diese Quellen Menschen mit südeuropäischem Migrationshintergrund erreicht, in weiten Teilen galt dies auch für Menschen mit osteuropäischem Migrationshintergrund, während sie für Menschen mit türkischem Migrationshintergrund im Vergleich die geringste Relevanz hatten.113 Sowohl in den Ergebnissen der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) als auch in der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) zeigte sich, dass Menschen mit Migrationshintergrund Informationsquellen über kulturelle Veranstaltungen in mehreren Sprachen nutzen wollten und dies soweit möglich auch bereits taten. Als die am häufigsten genutzte Sprache zur Information über kulturelle Veranstaltungen gaben die Befragten in der Dortmunder Studie bezüglich der meisten Informationsquellen Deutsch an, aber auch andere Sprachen nutzten sie hierfür. Nur bei Gesprächen mit Freunden/Bekannten und in kulturellen Zentren wurde besonders häufig (auch) in einer anderen Sprache kommuniziert.114 Die Studie nannte zu diesen Ergebnissen keine Hintergründe, aber es ist wahrscheinlich, dass sie sich vor allem daraus erklären lassen, dass die meisten Informationsquellen in deutscher Sprache vorlagen, während (insbesondere) Menschen mit Migrationshintergrund in ihrem Umfeld und/oder in kulturellen Zentren auf Menschen trafen, die wie sie mehrsprachig waren und entsprechend auch hinsichtlich Kulturangeboten mehrsprachig kommunizierten. In beiden Studien wünschten sich die Befragten mehr Informationsmaterial bzw. Werbematerial der Kulturinstitutionen in den Sprachen ihrer Herkunftsländer. Auch hier ließen die Studienergebnisse unbeantwortet, ob diese aufgrund von sprachlichen Defiziten gewünscht wurden oder ob hier eventuell andere Gründe hineinspielten.115 3.2.2.4 Preis- und Distributionspolitik In der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) von Interkultur.pro gaben Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sehr ähnliche Präferenzen an, wie sie Karten für Kulturveranstaltungen kaufen möchten. Die beliebtesten Optionen waren für beide Gruppen „Beim Anbieter direkt“ und „Örtliche Vorverkaufsstellen“, wobei letztere von Menschen mit Migrationshintergrund etwas 112 Vgl. Cerci 2008b: 77 f. 113 Vgl. Sauer 2009: 225 ff.; Cerci 2008b: 77 ff. 114 Vgl. Cerci 2008b: 81 f. 115 Vgl. Keuchel 2012: 172 ff.; Cerci 2008b: 94 ff.
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weniger geschätzt wurden. Auch die Möglichkeiten „Über das Internet“, „Konzertgutscheine“ und „An der Abendkasse/Last Minute Verkauf“ schätzten beide Gruppen als mittelmäßig interessant ein sowie „Telefonisch/Call Center“ und „Abonnement“ als vergleichsweise wenig attraktiv. 116 Hinsichtlich Preispräferenzen in Bezug auf kulturelle Angebote lagen für Menschen mit Migrationshintergrund keine Studienergebnisse vor. Bezüglich der Ausgaben für Kulturveranstaltungen lag in dieser Studie der Anteil derjenigen, die in den letzten sechs Monaten mehr als 200 Euro hierfür ausgegeben hatten, bei Menschen mit und ohne Migrationshintergrund auf gleichem Niveau. Hingegen lag der Anteil derjenigen, die hierfür in diesem Zeitraum gar kein Geld ausgegeben hatten, bei Menschen mit Migrationshintergrund knapp doppelt so hoch wie bei Befragten ohne Migrationshintergrund. 117 In der Studie „Rheinschiene, Kulturschiene“ (2003) des Zentrums für Kulturforschung zeigten sich bezüglich des jährlichen Kulturbudgets von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund nur wenig Unterschiede. In der Tendenz gaben jedoch auch hier Menschen mit Migrationshintergrund pro Jahr weniger Geld für Kulturangebote aus als Menschen ohne Migrationshintergrund. 118 Auf die Hintergründe dieser Ergebnisse gingen die Studien nicht ein, und sie können an dieser Stelle nur vermutet werden. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass auch hier wieder mit hineinspielte, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich zur Gesamtbevölkerung im Durchschnitt in einer schlechteren Finanzlage befanden.119 3.2.2.5 Gründe für einen Nicht-Besuch von Kulturangeboten Aus der „8. KulturBarometer“-Studie (2005) des Zentrums für Kulturforschung bezüglich der deutschen Gesamtbevölkerung ist bekannt, dass Kulturbesuche vor allem dann attraktiv waren, wenn sie als ,lockerʻ empfunden wurden und mit ihnen ein geselliges Erlebnis verbunden war. Entsprechend steigerte es die Besuchsmotivation deutlich, wenn eine mögliche Begleitung zur Verfügung stand.120 In der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung zeigte sich, dass Kulturbesuche für Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu denjenigen ohne einen solchen in sogar noch höherem Ausmaß als gesellschaftliche Veranstaltungen galten, wenn sie diese in Begleitung von Familie und Freunden besuchten. Als die wichtigsten Gründe für ausbleibende Besuche von Kulturangeboten durch Menschen mit Migrationshinter116 Vgl. Cerci 2008b: 84 117 Vgl. Cerci 2008b: 89 f. 118 Vgl. Keuchel 2003: 147. 119 Vgl. Statistisches Bundesamt 2015a: 398 ff. 120 Vgl. Keuchel 2009: 169; Zentrum für Kulturforschung 2005: 21 ff.
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grund stellten sich in dieser Studie vor allem ein fehlendes Interesse von Menschen in ihrem sozialen Umfeld und ein Mangel an Besuchspartnern für kulturelle Angebote heraus. Dies galt insbesondere für Menschen mit türkischem Migrationshintergrund, die im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen besonders häufig innerhalb ihrer Familien mangelndes Interesse hierfür bemängelten. Als Hauptgrund für einen Nicht-Besuch nannte die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund hingegen etwas häufiger als diejenige mit Migrationshintergrund ein fehlendes persönliches Interesse – ein Hinderungsgrund, der vor allem von der dritten Einwanderergeneration genannt wurde.121 Als Gründe für einen Nicht-Besuch der verschiedenen Freizeitangebote wählten die Befragten in der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) von Interkultur.pro mit und ohne Migrationshintergrund am häufigsten die Antwortoption „Ich hatte keine Zeit“ und „Ich wusste nicht, wo es so etwas gibt“ (siehe hierzu auch Kapitel 2.3.3.3). Beide Gründe wurden im Vergleich häufiger von Menschen mit Migrationshintergrund angegeben.122 Dass die jeweiligen Eintrittspreise zu hoch seien, wurde in der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) und der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) als ein Einflussfaktor für einen Nicht-Besuch genannt. In der Dortmunder Studie wurde dieser Grund von Befragten mit Migrationshintergrund häufiger genannt als von Befragten ohne einen solchen. Dieser Faktor war jedoch in dieser Studie für beide Befragtengruppen ganz generell nicht die relevanteste Barriere und wurde in Bezug auf klassische Kulturangebote auch nur bei „Theater/Schauspiel“ und „Oper“ und hier nur an dritter Stelle nach den oben genannten Gründen angegeben.123 In der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) war dieser Faktor für Befragte mit und ohne Migrationshintergrund in gleichem Maße relevant, jedoch auch hier nicht der Haupthinderungsgrund für einen Kulturbesuch.124 Die Studie „Rheinschiene-Kulturschiene“ (2003) des Zentrums für Kulturforschung stellte als Haupthinderungsgründe für einen Kulturbesuch die Höhe der Eintrittsgelder, das Fehlen von Information, vergriffene Tickets und ungünstige Verkehrsanbindungen heraus.125 In der Studie „Teilhabe und Orientierungen türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in Nordrhein-Westfalen“ (2009) des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung nannten Menschen mit türkischem Migrationshintergrund günstigere Eintrittspreise hingegen an ers-
121 Vgl. Keuchel 2012: 167 ff. 122 Vgl. Cerci 2008b: 39 ff. 123 Vgl. Keuchel 2012: 167 ff.; Cerci 2008b: 39 ff. 124 Vgl. Keuchel 2012: 167 ff. 125 Vgl. Keuchel 2003: 147.
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ter Stelle als Anreiz, Kulturveranstaltungen häufiger zu besuchen, gefolgt von einer besseren Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.126 In diese Ergebnisse spielte sicherlich hinein, dass Menschen mit Migrationshintergrund durchschnittlich im Vergleich zur deutschen Gesamtbevölkerung finanziell schlechter ausgestattet sind und Eintrittspreise und eine mangelnde Anbindung von Angeboten an den öffentlichen Nahverkehr für sie somit im Vergleich eine größere Hürde darstellen können.127 Gleichzeitig deutete sich jedoch an, dass hier (auch) ein Defizit in der Internationalität des hiesigen Kulturangebots eine nicht unerhebliche Rolle spielen könnte. In der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) wurde zwar im Durchschnitt nur von etwa 10 % der Menschen mit und ohne Migrationshintergrund das Fehlen von Angeboten aus anderen Herkunftsländern als Grund für ihr Fernbleiben von Kulturangeboten genannt. Menschen mit türkischem Migrationshintergrund nannten diesen Grund jedoch fast doppelt so häufig wie andere Bevölkerungsgruppen.128 Dies deckte sich mit dem Ergebnis der Studie „Teilhabe und Orientierungen türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in Nordrhein-Westfalen“ (2009), in der die Bevölkerung mit türkischem Migrationshintergrund (und hierbei vor allem die dritte Generation) günstigere Eintrittspreise als Anreizfaktoren für häufigere Kulturbesuche, zu über 70 % mehr Angebote in Türkisch und zu jeweils zwei Dritteln häufiger Künstler aus der Türkei und mehr Informationsmaterial auf Türkisch angaben. Dabei stießen authentische Darbietungen mit Künstlern aus der Türkei auf ein größeres Interesse als Veranstaltungen, in denen mehr Menschen mit Migrationshintergrund als Künstler auftraten.129
126 Vgl. Sauer 2009: 228. 127 Vgl. Statistisches Bundesamt 2015a: 398 ff. 128 Vgl. Keuchel 2012: 167 ff. 129 Vgl. Sauer 2009: 228 ff.
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3.2.3 Fokus: Kulturnutzer mit Migrationshintergrund nach sozialen Milieus In der deutschen Forschung findet sich nur eine Untersuchung, die auf soziale Milieus130 innerhalb der hiesigen Menschen mit Migrationshintergrund abzielte, die quer zu der verschiedenen Herkunft einzelner Personen und/oder deren Vorfahren liegen: Die Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus, die im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Abteilung Kultur, des Deutschen Caritasverbands, der Konrad-Adenauer-Stiftung, des SWR Südwestrundfunks und der Landesanstalt für Kommunikation Baden Württemberg, des vhw Bundesverbands für Wohneigentum und Stadtentwicklung sowie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung entstand.131 Mit dem Ziel der „Untersuchung der Lebenswelten und Lebensstile von Menschen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund […] [und einem] Kennenlernen des Alltagsbewusstseins und Alltagshandelns der Migranten, ihrer grundlegenden Werte, ihrer Lebensziele, Wünsche, Träume und Zukunftserwartungen“132 und für eine grundlegende Milieukonzeption wurde in deren Rahmen zunächst eine qualitative Erhebung durchgeführt. Hierfür wurden knapp über 100 mehrstündige Face-to-Face-Interviews mit Menschen mit Migrationshintergrund aus den zu diesem Zeitpunkt größten Einwanderergruppen in sechs Regi-
130 Im Rahmen gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse wurden vorhergehende Modelle aus der Soziologie zur Ständegesellschaft (ca. von 1800–1830), zur Klassengesellschaft (ca. von 1830–1918) und zur Schichtengesellschaft (seit 1918) von Milieu- und Lebensstilmodellen (ab ca. 1980) abgelöst. Modelle zur Schichtengesellschaft gingen dabei, als die Vielschichtigkeit moderner Gesellschaften mit ihnen nicht mehr ausreichend fassbar war, zum Teil in den Milieu- und Lebensstilmodellen auf. Für einen Überblick siehe bspw. Otte 2005a; 2005b; Hermann 2004; Meyer 2001. 131 Vgl. SINUS 2008; 2007b. Als Versuch eines alternativen Ansatzes konnte trotz ausführlicher Recherche nur ein Versuch des Zentrums für Türkeistudien gefunden werden, das Konzept der sozialen Milieus auf die türkische Gemeinde in Deutschland anzuwenden. Die Autoren kommen jedoch zu dem Schluss, dass der Milieuansatz in diesem Kontext offenbar ungeeignet ist (vgl. Halm/Sauer 2011). 132 SINUS 2007b: 5.
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onen in Deutschland und quotiert nach Alter, Bildung, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Einwanderungsgeneration geführt.133 Aufbauend auf dieser Erhebung und um die genaue Größe der darin ermittelten Sinus-Migranten-Milieus zu bestimmen, erfolgte im Anschluss eine bundesweite quantitative Face-to-Face-Befragung von 2.072 Personen innerhalb der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Deutschland in einem Alter ab 14 Jahren.134 Die Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) identifizierte im Sinne „gemeinsamer, herkunftskulturübergreifender lebensweltlicher/lebensstilistischer Muster“ 135 acht SinusMigranten-Milieus. Diese wurden nach Einkommen, Bildung, Beruf und Wohn-/ Arbeitsumfeld – abgekürzt mit „sozialer Lage“ – und Orientierungen, Interessen, Präferenzen, Maximen, Werturteilen und Zielen – abgekürzt mit „Grundorientierung“ – in ein Milieumodell angeordnet (siehe Abbildung 15 auf der folgenden Seite).136
133 Vgl. Cerci 2008a: 4; SINUS 2007a: 101; 2007b: 7 ff. 134 Vgl. Cerci/Gerhards 2009: 7; SINUS 2008: 1. Die Definition von „Migrationshintergrund“ und dessen entsprechende Erhebung orientierten sich in dieser Studie an der Definition des Statistischen Bundesamts (vgl. Wippermann 2010: 7), und umfasste „Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder Menschen, die seit 1950 zugewandert sind oder Menschen mit mindestens einem seit 1960 zugewanderten oder ausländischen Elternteil“ (Gerhards 2013a: 5). 135 SINUS 2007b: 5. 136 Vgl. Gerhards 2013a: 6 f.; SINUS 2008: 1 ff.
A3
AB3
B23
11%
16%
BC2
Postmodernes WertePatchwork, Sinnsuche, multikulturelle Identifikation
Neuidentifikation
Multi-Optionalität
© Sinus Sociovision 2008
Selbstverwirklichung, Leistung, Genuss, bi-kulturelle Ambivalenz und Kulturkritik
15%
Hedonistischsubkulturelles Milieu
BC3
13%
Multikulturelles Performermilieu
Individualisierung
Modernisierung
Status, Besitz, Konsum, Aufstiegsorientierung, soziale Akzeptanz und Anpassung
Tradition
Konsum-Materialismus
Ethnische Tradition Pflicht- und Akzeptanzwerte, materielle Sicherheit, traditionelle Moral
9%
Entwurzeltes Milieu
B3
B12 Intellektuellkosmopolitisches Milieu
Adaptives Bürgerliches Milieu
Vormoderne Tradition
16%
Traditionelles Arbeitermilieu
12%
Konservativ-religiös, strenge, rigide Wertvorstellungen, kulturelle Enklave
7%
Religiösverwurzeltes Milieu
AB12 Statusorientiertes Milieu
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an SINUS 2008: 6.
Grundorientierung
Soziale Lage
Niedrig
Mittel
Hoch
Abbildung 15: Sinus-Migranten-Milieus in Deutschland
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Inhaltlich wurden die Milieus dabei wie folgt beschrieben (siehe Tabelle 1): Tabelle 1: Beschreibung der Sinus-Migranten-Milieus
„Adaptives Bürgerliches Milieu“: (Sinus B23; 16 %)
Die pragmatische moderne Mitte der Migrantenpopulation, die nach sozialer Integration und einem harmonischen Leben in gesicherten Verhältnissen strebt
„Statusorientiertes Milieu“: (Sinus AB12; 12 %)
Klassisches Aufsteiger-Milieu, das durch Leistung und Zielstrebigkeit materiellen Wohlstand und soziale Anerkennung erreichen will
„Religiös-verwurzeltes Milieu“: (Sinus A3; 7 %)
Vormodernes, sozial und kulturell isoliertes Milieu, verhaftet in den patriarchalischen und religiösen Traditionen der Herkunftsregion
„Traditionelles Arbeitermilieu“: (Sinus AB3; 16 %)
Traditionelles „Blue Collar“-Milieu der Arbeitsmigranten und Spätaussiedler, das nach materieller Sicherheit für sich und seine Kinder strebt
„Multikulturelles Performermilieu“: (Sinus BC2; 13 %)
Junges, leistungsorientiertes Milieu mit bikulturellem Selbstverständnis, das sich mit dem westlichen Lebensstil identifiziert und nach beruflichem Erfolg und intensivem Leben strebt
„Intellektuell-kosmopolitisches Milieu“: (Sinus B12; 11 %)
Aufgeklärtes, global denkendes Bildungsmilieu mit einer weltoffenen, multikulturellen Grundhaltung und vielfältigen intellektuellen Interessen
„Entwurzeltes Milieu“: (Sinus B3; 9 %)
Sozial und kulturell entwurzeltes Milieu, das Problemfreiheit und Heimat/Identität sucht und nach Geld, Ansehen und Konsum strebt
„Hedonistisch-subkulturelles Milieu“: (Sinus BC3; 15 %)
Unangepasstes Jugendmilieu mit defizitärer Identität und Perspektive, das Spaß haben will und sich den Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft verweigert
Quelle: SINUS 2008: 6 (Originaltext).
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Innerhalb des Modells wurden die einzelnen Sinus-Migranten-Milieus in vier Milieugruppen aufgeteilt: Das „Adaptive Bürgerliche Milieu“ und das „Statusorientierte Milieu“ werden zu den „Bürgerlichen Migranten-Milieus“, das „Religiös-verwurzelte Milieu“ und das „Traditionelle Arbeitermilieu“ werden zu den „Traditionsverwurzelten Migranten-Milieus“, das „Multikulturelle Performermilieu“ und das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ wurden zu den „Ambitionierten Migranten-Milieus“ gezählt und zu „Prekären Migranten-Milieus“ gehörten das „Entwurzelte Milieu“ sowie das „Hedonistisch-subkulturelle Milieu“.137 Das Sinus-Migranten-Milieu-Modell liegt bislang nur für eine einzige Bevölkerungsgruppe mit Migrationshintergrund spezifisch vor: als „Die Milieus der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund“138 (2009) von Sinus (siehe Abbildung 16 auf der folgenden Seite). In dieser Studie zeigte sich, dass die in der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) gebildeten acht SinusMigranten-Milieus gut geeignet waren, auch die Bevölkerungsgruppe mit türkischem Migrationshintergrund abzubilden. Allerdings wichen die Anteilswerte innerhalb der jeweiligen Sinus-Migranten-Milieus in den beiden Studien trotz großer Ähnlichkeiten zum Teil deutlich voneinander ab. In der Tendenz fanden sich innerhalb der Bevölkerung mit türkischem Migrationshintergrund innerhalb fast aller Sinus-Migranten-Milieus im Vergleich leicht geringere Anteile als bei der Bevölkerungsgruppe mit Migrationshintergrund insgesamt. Der deutlichste Unterschied zeigte sich jedoch hinsichtlich des „Religiös-verwurzelten Milieus“, in dem sich fast dreimal so viele Menschen mit türkischem Migrationshintergrund einordnen ließen, als dies für die Gesamtheit der Menschen mit Migrationshintergrund der Fall ist.139
137 Vgl. SINUS 2008: 6. 138 Dies steht dem Ergebnis von Halm und Sauer gegenüber, laut dem der MilieuAnsatz für diesen Kontext nicht anwendbar sei (vgl. Halm/Sauer 2011). 139 Vgl. SINUS 2009: 7.
AB3
14%
BC2
Postmodernes WertePatchwork, Sinnsuche, multikulturelle Identifikation
Neuidentifikation
Multi-Optionalität
© Sinus Sociovision 2008
Selbstverwirklichung, Leistung, Genuss, bi-kulturelle Ambivalenz und Kulturkritik
18%
Hedonistischsubkulturelles Milieu
BC3
10%
Multikulturelles Performermilieu
Individualisierung
Modernisierung
Status, Besitz, Konsum, Aufstiegsorientierung, soziale Akzeptanz und Anpassung
Tradition
Konsum-Materialismus
Ethnische Tradition Pflicht- und Akzeptanzwerte, materielle Sicherheit, traditionelle Moral
Vormoderne Tradition
9%
Entwurzeltes Milieu
B3
B23 Adaptives Bürgerliches Milieu
Konservativ-religiös, strenge, rigide Wertvorstellungen, kulturelle Enklave
14%
Traditionelles Arbeitermilieu
9%
8%
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Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an SINUS 2009: 3.
Grundorientierung
Soziale Lage
19%
Religiösverwurzeltes Milieu
A3
AB12 Statusorientiertes Milieu
B12 Intellektuellkosmopolitisches Milieu
IN
Niedrig
Mittel
Hoch
Abbildung 16: Sinus-Milieus der Menschen mit türkischem MH A UDIENCE D EVELOPMENT
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Das wesentliche Ergebnis der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) lautete, dass die Sinus-MigrantenMilieus sich untereinander weniger nach ethnischer Herkunft und sozialer Lage unterschieden als nach ihren Wertvorstellungen, Lebensstilen und ästhetischen Vorlieben: „Menschen des gleichen Milieus mit unterschiedlichem Migrationshintergrund verbindet mehr miteinander als mit dem Rest ihrer Landsleute aus anderen Milieus. Man kann also nicht von der Herkunftskultur auf das Milieu schließen. Und man kann auch nicht vom Milieu auf die Herkunftskultur schließen.“140
Die Studie schloss daraus: „Mit diesen Milieus liegen nun erstmals für die Praxis verwertbare Zielgruppendefinitionen vor, die bisherige falsche Vorstellungen von Einteilungen der Menschen mit Migrationshintergrund nach dem Status (‚die Ausländer‘) oder nach dem Herkunftsgebiet (‚die Türken‘, ‚die Russen‘) korrigieren.“141
Gleichzeitig ergab die Studie, dass die Sinus-Migranten-Milieus große Ähnlichkeiten mit den Sinus-Milieus für die deutsche Gesamtbevölkerung aufwiesen,142 jedoch ist „das Spektrum der Grundorientierungen bei den Migranten breiter, d. h. heterogener als bei den Bürgern ohne Zuwanderungsgeschichte“.143 Sprich: „Menschen mit Migrationshintergrund sind weder alle gleich noch überraschend anders.“144 Das Ergebnis der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) veranschaulicht somit deutlich, dass eine Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund oder Bevölkerungsgruppen eines bestimmten Migrationshintergrundes für Kulturinstitutionen einzig auf Basis ihrer Herkunft kaum zielführend sein kann. Diese Erkenntnis ist jedoch nicht damit gleichzusetzen, dass ein Migrationshintergrund keinen Einfluss auf kulturelle Interessen und Teilhabe hat und es nicht lohnenswert sein könnte, diesen bei der Ansprache dieser Zielgruppe zu berücksichtigen. Zunächst ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es gar nicht erst ein Sinus-Migranten-Milieus-Modell gäbe, wenn im Vergleich zu dem Modell für die Gesamtgesellschaft keine hierfür ausreichenden Abweichungen feststellbar wä140 SINUS 2008: 2. 141 Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 10. 142 Vgl. Gerhards 2013a: 7 f.; Cerci/Gerhards 2009: 15. 143 SINUS 2008: 4. 144 Vgl. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 15.
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ren. Aber auch einzelne Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass auch das Kulturnutzungsverhalten sehr wahrscheinlich durch den Migrationshintergrund einer Person beeinflusst wird. So seien „Lebenswelten, die von Zuwanderungsbiografien geprägt sind, […] per se bi- oder multikulturell“,145 und Faktoren wie ethnische Zugehörigkeit und Zuwanderungsgeschichte wirkten zwar nicht milieuprägend, beeinflussten aber die Alltagskultur.146 Ein kurzer Blick auf die Methodik der Untersuchung untermauert diese Feststellung: Den Sinus-Migranten-Milieus zugrunde lag der seit inzwischen fast drei Jahrzehnten angewandte Ansatz der Sinus-Milieus.147 Dieser beinhaltet, dass für eine Zuordnung in einzelne Sinus-Milieus und für die Berechnung von deren Größe nur Elemente der Grundorientierung berücksichtigt werden, die soziale Lage dient ausschließlich ex post der Beschreibung.148 In den Sinus-MigrantenMilieus zählten neben den für die Sinus-Milieus üblichen Faktoren, mit denen die soziale Lage umschrieben wird – „Einkommen“, „Bildung“, „Beruf“ und „Wohn-/Arbeitsumfeld“ – zusätzlich die Faktoren „Ethnie“ und „Herkunft“ mit hinein. Sprich: Ein (potenzieller) Einfluss der ethnischen Herkunft der Befragten auf ihre Antworten wurde zunächst ebenfalls ex post analysiert und diente nicht als Vorfilter.149 Die Verfasser gaben an, dass sie mit diesem Vorgehen unter anderem vermeiden wollten, dass ein ,Kurzschluss‘ von Unterschieden zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund auf der Makroebene (bspw. dem durchschnittlichen Bildungsgrad) auf die individuelle MilieuEinstufung einer Person stattfinde (Mikroebene). 150 So war es „ein wichtiges konzeptionelles Element […], Migranten nicht aufgrund ihrer Ethnie vorab einem Segment zuzuordnen und davon ausgehend auf ihre Orientierungen zu schließen“.151 Sinus überprüft jedoch nach der Bildung der Sinus-Milieus standardmäßig den Zusammenhang von sozialer Lage und Grundorientierung: Laut dem Umfrageinstitut gibt es zwischen den beiden Dimensionen zwar keinen deterministischen Zusammenhang, dennoch beeinflussen sie sich nicht unwesent145 Gerhards 2013a: 14. 146 Vgl. Gerhards 2013a: 10. 147 Vgl. SINUS 2008: 5. 148 Vgl. Wippermann/Sellmann 2011: 12 ff.; Wippermann/Zarcos-Lamolda 2002: 20. 149 Vgl. SINUS 2009: 1. 150 Diese Befürchtung ist durchaus begründet, denn wird auf Basis von Aggregatdaten (der „Makroebene“) unzulässigerweise auf Individualdaten (die „Mikroebene“) geschlossen, wird in den Sozialwissenschaften von einem „ökologischen Fehlschluss“ gesprochen. Siehe hierzu bspw. Gehring/Weins 2009: 20 ff.; Schnell/Hill/Esser 2005: 253. 151 SINUS 2009: 1.
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lich. Die soziale Lage erklärt die Milieuvarianz innerhalb der Sinus-MilieuModelle zu immerhin ca. 40 %.152 Sicherlich auch deshalb wurde in den Ergebnissen der qualitativen Teilstudie der Sinus-Migranten-Milieus in den einzelnen Milieubeschreibungen neben anderen Faktoren der sozialen Lage jeweils auch auf die darin jeweils am stärksten vertretenen Herkunftsgruppen verwiesen.153 Auch innerhalb der Ergebnisse der quantitativen Studie gabt es hierzu Angaben.154 3.2.4 Beschreibung der Sinus-Migranten-Milieus Aus der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus lassen sich Informationen zum Kulturnutzungsverhalten einzelner Sinus-Migranten-Milieus herauslesen, die quer zu der ursprünglichen Herkunftskultur der im Rahmen der Untersuchung befragten Personen liegen. Für jedes der Sinus-Migranten-Milieus liegen auf der einen Seite einzelne Angaben zu milieutypischen Werten, zur soziodemografischen Zusammensetzung, zur Migrationsbiografie und zur Einstellungen zum Thema „Integration“ vor. Neben vielen weiteren Themengebieten beinhaltete die Studie auf der anderen Seite zudem sowohl innerhalb der qualitativen als auch innerhalb der quantitativen Erhebung einen spezifischen Sonderbereich zu „Kunst und Kultur“. Innerhalb dessen wurden von den Befragten Informationen zu ihren Einstellungen zu Kunst und Kultur und zu kultureller Bildung sowie ihren kulturellen Interessen abgefragt. Ebenfalls wurde erhoben, welche Informationsquellen hinsichtlich Kulturangeboten konkret (zumindest gelegentlich) genutzt und welche Kulturangebote (innerhalb der letzten sechs Monate mindestens einmal) besucht wurden.155 Für ein Verständnis der Einstellungen von Angehörigen der einzelnen Sinus-Migranten-Milieus zu Kunst und Kultur sowie ihrer Kulturpräferenzen und ihres Kulturnutzungsverhaltens ist als Kontext eine zumindest kur152 Vgl. SINUS 2012: 4. Es handelt sich hierbei um eine Aussage des Sinus-Instituts, die sich auf sämtliche Milieu-Modelle des Unternehmens bezieht (mit vermutlichem Schwerpunkt auf dem Modell für die Gesamtbevölkerung). Auf eine von der Autorin durchgeführte Anfrage im Herbst 2015 an das Sinus-Institut, zu wie viel Prozent die soziale Lage und/oder speziell der Faktor „Migrationshintergrund“ die MilieuVarianz innerhalb des Sinus-Migranten-Milieu-Modells erklären, wollte das Unternehmen keine Auskunft geben. 153 Vgl. Cerci 2008a. 154 Vgl. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010. 155 Vgl. Gerhards 2013a; Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010; Cerci/Gerhards 2009; Cerci 2008a.
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ze Beschreibung der Sinus-Migranten-Milieu-Profile von Bedeutung. 156 Die Kernergebnisse hierzu lassen sich aus den genannten Studien für die einzelnen Sinus-Migranten-Milieus grob wie folgt zusammenfassen (siehe Tabelle 2): Tabelle 2: Kernergebnisse zu einzelnen Sinus-Migranten-Milieus „Adaptives Bürgerliches Milieu“ (Sinus B23; 16 %): Werte:
Soziodemografie:
Geordnete Verhältnisse, finanzielle Absicherung, harmonische Familie, Gemütlichkeit, Optimismus, Zufriedenheit, Freiheit, Selbstbestimmung
Mittlere Altersgruppen (30–60 Jahre), ausgeglichenes Geschlechterverhältnis, überwiegend verheiratet mit Kindern, mittleres Bildungsniveau und Einkommen
Kulturelle Präferenzen:
Kulturnutzung:
Aufgeschlossene, undogmatische Einstellung zu Kunst und Kultur ohne ausgeprägte thematische und stilistische Schwerpunkte, große kulturelle Neugier, hohes Interesse für interkulturelle Veranstaltungen
Nutzung von (hoch-)kulturellen Angeboten, allerdings ohne bildungsbürgerlichen Anspruch, gelegentliche Nutzung von ethnischen Zentren, Kulturvereinen und Migrantenorganisationen, um den Bezug zur Herkunftskultur nicht zu verlieren
Top 5 der genutzten Kulturangebote: Museen/Ausstellungen (36 %), Schauspiel/Theater (18 %), Musical (16 %), Weltmusik-Konzerte (8 %), Tanz/Ballett (6 %) Top 5 der Informationsquellen für Kunst und Kultur: Gespräche mit Freunden/Bekannten (63 %), Anzeigenblätter/Kostenlose Stadt-, Regionalzeitungen (42 %), Tageszeitung (40 %), Plakate (39 %), Radio (38 %)
156 Vgl. Gerhards 2013a: 13.
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„Statusorientiertes Milieu“ (Sinus AB12; 12 %): Werte:
Soziodemografie:
Materieller Wohlstand, Geld, Statussymbole, Ehrgeiz, Zielstrebigkeit, Soziale Anerkennung, Ansehen, Prestige
Altersschwerpunkt zwischen 20–50 Jahren, überdurchschnittlicher Männeranteil, überwiegend verheiratet mit Kindern, gehobenes Bildungsniveau und Einkommen
Kulturelle Präferenzen:
Kulturnutzung:
Meist nur oberflächliches Interesse an Kultur und Kunst, keine ausgeprägten Geschmacksvorlieben, Konsumeinstellung gegenüber Kunst und Kultur, populäre und traditionelle Angebote der Herkunftskultur werden bevorzugt
Besuch von Theater, Museen, Ausstellungen sind eher Pflicht als Neigung; (hoch)kulturelle Kompetenz gilt als wichtiges Statusmerkmal, bevorzugte Nutzung von Angeboten aus der Heimatkultur (Fernsehsendungen und Zeitschriften, kulturelle Veranstaltungen, religiöse Feste)
Top 5 der genutzten Kulturangebote: Museen/Ausstellungen (39 %), Kabarett/Comedy/Kleinkunst (28 %), Schauspiel/Theater (28 %) Konzerte mit Musik aus der Herkunftsregion (23 %), Musical (22 %) Top 5 der Informationsquellen für Kunst und Kultur: Gespräche mit Freunden/Bekannten (69 %), Plakate (49 %), Tageszeitung (49 %), Anzeigenblätter/Kostenlose Stadt-, Regionalzeitungen (42 %), Internet (40 %)
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„Religiös-verwurzeltes Milieu“ (Sinus A3; 7 %): Werte:
Soziodemografie:
Bewahren der kulturellen Identität, Familienehre, religiöse Pflichten, strikte Moral, eiserne Selbstdisziplin
Mittlere Altersgruppen und Ältere (ab 30 Jahren), ausgeglichenes Geschlechterverhältnis, überwiegend verheiratet, kinderreich, niedriges Bildungsniveau und Einkommen
Kulturelle Präferenzen:
Kulturnutzung:
Aufgeschlossenheit gegenüber Angeboten wie Museen, Konzerte, Theater, Bibliotheken, starke Verwurzelung in der Tradition des Herkunftslandes, Motive: Kulturelle Identität bewahren, Verbindung mit der Heimat aufrecht erhalten, Traditionen an die nächste Generation weiter geben
Besuch heimatlicher Musik-, Tanz-, Literatur- und Theaterveranstaltungen, ethnisch geprägte Institutionen werden häufig besucht, wenig Zugang zum kulturellen Angebot im Zuzugsland (Sprachbarriere, Zeit- und Kostengründe), gelegentlich auch Ablehnung des (zeitgenössischen) deutschen Kulturangebots
Top 5 der genutzten Kulturangebote: Sportveranstaltungen (33 %), Konzerte mit Musik aus der Herkunftsregion (28 %), Kino/Film (24 %), Museen/Ausstellungen (13 %), Kirchenmusik-Konzerte/religiöse Musik (10 %) Top 5 der Informationsquellen für Kunst und Kultur: Gespräche mit Freunden/Bekannten (57 %), Anzeigenblätter/Kostenlose Stadt-, Regionalzeitungen (26 %), Fernsehen (21 %), Tageszeitung (15 %), Stadtmagazine (14 %)
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„Traditionelles Arbeitermilieu“ (Sinus AB3; 16 %): Werte:
Soziodemografie:
Befriedigender Lebensstandard, gesicherter Arbeitsplatz, Absicherung im Alter, traditionelle Familienwerte, Gesundheit, soziale Gerechtigkeit
Ältere (ab 50 Jahre), leicht überdurchschnittlicher Frauenanteil, überwiegend verheiratet, ohne Kinder, niedriges Bildungsniveau und Einkommen
Kulturelle Präferenzen:
Kulturnutzung:
Geringe Affinität zu Kunst und Hochkultur, die als Domäne der Intellektuellen und Höhergestellten nicht zum praktisch-proletarischen Selbstbild des Milieus passt, Orientierung an der Kultur des Heimatlandes, Kulturkonsum folgt dem Streben nach Harmonie und Geborgenheit
Kaum Zugang zum etablierten deutschen Kulturleben (Schwellenängste, mangelnde Kompetenz, Sprachprobleme, knappe Finanzen, Angebote werden teilw. als fremd und kalt erlebt), allerdings keine grundsätzliche Ablehnung, volkskulturelle Traditionen werden bewusst gepflegt, Literatur, 157 Filme in der Heimatsprache
Top 5 der genutzten Kulturangebote: Kino/Film (26 %), Museen/Ausstellungen (25 %), Konzerte mit Musik aus der Herkunftsregion (23 %), Kirchenmusik-Konzerte/religiöse Musik (17 %), klassische Musikkonzerte, Theater (je 13 %) Top 5 der Informationsquellen für Kunst und Kultur: Gespräche mit Freunden/Bekannten (58 %), Tageszeitung (31 %), Anzeigenblätter/Kostenlose Stadt-, Regionalzeitungen (28 %), Plakate (26 %), Stadtmagazine, Radio, Fernsehen (je 22 %)
157 An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass der Begriff „heimatsprachig“ in besagter Studie in der Form im Hinblick auf Medien verwendet wird, dieser aus Sicht der Autorin in diesem Kontext aber höchst problematisch ist und aus diesem Grund in dieser Veröffentlichung auch nicht verwendet wird, denn „Heimat“ ist ein biografisch-individuelles Konstrukt (vertiefend hierzu siehe bspw. Bender u. a. 2015; Donig/Flegel/Scholl-Schneider 2009). Die Studie spricht auch oftmals von „Migranten“, da sie sich aber in ihrer Gesamtheit auf Menschen mit Migrationshintergrund bezieht, ist die Verwendung des Begriffs aus Sicht der Autorin in diesem Kontext ebenfalls problematisch und wird aus diesem Grund in dieser Arbeit auch nicht verwendet, denn laut Definition des Statistischen Bundesamtes ist ein großer Teil der Menschen mit Migrationshintergrund nicht selbst migriert (vgl. Statistisches Bundesamt 2015a: 4 f.).
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„Multikulturelles Performermilieu“ (Sinus BC2; 13 %): Werte:
Soziodemografie:
Spitzenleistung, Erfolg, Selbstverwirklichung, Offenheit, Freiheit, Internationalität, Vielfalt, Abwechslung, Weiterentwicklung vs. (Basis-) Sicherheit, Status, Geld
Jüngere Altersgruppen bis 30 Jahre, ausgeglichenes Geschlechterverhältnis, überwiegend ledig, leben noch bei den Eltern, gehobenes Bildungsniveau, mittleres Einkommen
Kulturelle Präferenzen:
Kulturnutzung:
Meist sind andere Dinge als Kunst und Kultur wichtig, und man bekennt sich offen zu seinem Desinteresse, Vorbehalte gegenüber dem etablierten Kulturbetrieb (Oper, Museum) und gegenüber Migrantenorganisationen
Souveräner Umgang mit in- und ausländischen Medien- und Kulturangeboten, ausschlaggebend für die Nutzung ist allein der persönliche Bezug, die aktuelle Interessenlage bzw. die „Lust und Laune“, ohne bildungsbürgerliche Ambitionen, konsumiert alles von Klassik bis Pop
Top 5 der genutzten Kulturangebote: Kino/Film (75 %), Sportveranstaltungen (51 %), Rock-/Popkonzerte (44 %), Konzerte mit Hip-Hop, Techno, elektronischer Musik (27 %), Kabarett/Comedy/Kleinkunst (20 %) Top 5 der Informationsquellen für Kunst und Kultur: Gespräche mit Freunden/Bekannten (79 %), Plakate (52 %), Internet (46 %), Radio (42 %), Anzeigenblätter/Kostenlose Stadt-, Regionalzeitungen (41 %)
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„Intellektuell-kosmopolitisches Milieu“ (Sinus B12; 11 %): Werte:
Soziodemografie:
Bildung, Kultur, Kreativität, Internationalität, Entfaltung der Persönlichkeit, Kommunikation, Toleranz, soziale Gerechtigkeit, Emanzipation, Verantwortungsbewusstsein
Jüngere und mittlere Altersgruppen (20– 50 Jahre), Frauen sind deutlich überrepräsentiert, Alleinlebende und Alleinerziehende sind überrepräsentiert, hohes Bildungsniveau und Einkommen
Kulturelle Präferenzen:
Kulturnutzung:
Vielfältige kulturelle Interessen, alle Formen von Kunst und Kreativität sind interessant, Kunst und Kultur spielen im Alltagsleben wie im Selbstverständnis eine herausragende Rolle und haben, neben sozialen Aktivitäten, Konsumpriorität, viele sind Künstler, viele spielen ein Instrument
Kulturelle Angebote werden oft und gerne genutzt, engagieren sich aktiv in Kulturvereinen und organisieren kulturelle Events mit in- und ausländischen Künstlern, sind offen für kulturellen Austausch (in alle ethnischen und künstlerischen Richtungen), übernehmen bewusst eine vermittelnde Rolle zwischen den Kulturen
Top 5 der genutzten Kulturangebote: Kino/Film (72 %), Museen/Ausstellungen (67 %), Schauspiel/Theater (49 %), Kabarett/Comedy/Kleinkunst (36 %), Rock-/Popkonzerte (35 %) Top 5 der Informationsquellen für Kunst und Kultur: Gespräche mit Freunden/Bekannten (87 %), Plakate (62 %), Tageszeitung (56 %), Internet (51 %), Stadtmagazine (47 %)
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„Entwurzeltes Milieu“ (Sinus B3; 9 %): Werte:
Soziodemografie:
Festes Einkommen, Unterkunft, Gesundheit, traditionelle Familienwerte, Geld, Konsum, materielles Prestige, Spaß, Geselligkeit, Unterhaltung
Jüngere und mittlere Altersgruppen (20– 50 Jahre), deutlich überdurchschnittlicher Männeranteil, überdurchschnittlich Alleinlebende und Alleinerziehende, niedriges Bildungsniveau und Einkommen
Kulturelle Präferenzen:
Kulturnutzung:
Meist keinerlei Interesse am etablierten Kulturangebot, insbesondere die Hochkultur ist eine fremde Welt, zu der man keinen Zugang hat (weder im Herkunfts- noch im Zuzugsland), viele waren noch nie in ihrem Leben im Theater oder im Museum, großes Interesse an unterhaltenden Angeboten aus dem Bereich der Populärkultur
Besuch von Sportveranstaltungen, Popkonzerten, Diskotheken und Kinos, kulturelle Zentren und Gemeinden der Herkunftsethnie sind wichtige Anlaufstationen aufgrund von Sprachdefiziten und Orientierungsproblemen, wo man sich sicher und zugehörig fühlen kann; dort werden auch Veranstaltungen mit traditionellen Kulturangeboten (z. B. Folkloreabende) besucht, die man ansonsten meidet
Top 5 der genutzten Kulturangebote: Kino/Film (52 %), Sportveranstaltungen (45 %), Konzerte mit Musik aus der Herkunftsregion (22 %), Konzerte mit Hip-Hop, Techno, elektronischer Musik (10 %), Schlagerkonzerte (6 %) Top 5 der Informationsquellen für Kunst und Kultur: Gespräche mit Freunden/Bekannten (63 %), Plakate, Fernsehen (je 30 %), Tageszeitung (29 %), Anzeigenblätter/Kostenlose Stadt-, Regionalzeitungen 27 %)
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„Hedonistisch-subkulturelles Milieu“ (Sinus BC3; 15 %): Werte:
Soziodemografie:
Teilhabe, Anerkennung, Geld, Erfolg, Konsumwerte, Fun & Action, Freizeit, „Feiern“, Gemeinschaft, Zugehörigkeit zur „Peer group“, Szenen
Altersschwerpunkt unter 30 Jahren, überdurchschnittlicher Männeranteil, überwiegend ledig, leben noch bei den Eltern, niedriges Bildungsniveau und Einkommen
Kulturelle Präferenzen:
Kulturnutzung:
Hohes Interesse an Kultur und Kunst – soweit es sich dem Bildungsanspruch des etablierten Kulturbetriebs entzieht; besonders attraktiv sind kreative Aktivitäten der Pop- und Jugendkultur (z. B. Gangsta-Rap, Graffiti, experimentelles Theater, House- und Hip Hop-Partys), manche sind selbst schöpferisch tätig, spielen in Bands, schreiben Rap-Texte, zeichnen und malen
Lust- und stimmungsabhängige Nutzung von Kultur- und Medienangeboten; dabei stehen Abwechslung und Unterhaltung an erster Stelle, oft eine Sehnsucht nach der (großteils verlorenen) Herkunftskultur; Teilnahme an den traditionellen Veranstaltungen als „Kontrastprogramm“ zum sonstigen post-modernen Lebensstil; gelegentlicher Besuch heimatsprachlicher Literaturabende, Theateraufführungen und Gesangs-/Tanzveranstaltungen
Top 5 der genutzten Kulturangebote: Kino/Film (69 %), Sportveranstaltungen (43 %), Rock-/Popkonzerte (32 %), Konzerte mit Hip-Hop, Techno, elektronischer Musik (18 %), Medien- und Videokunst (12 %) Top 5 der Informationsquellen für Kunst und Kultur: Gespräche mit Freunden/Bekannten (68 %), Plakate (38 %), Internet (33 %), Radio (32 %), Fernsehen (30 %)
Quellen: Gerhards 2013a: 52 ff.; Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 18 ff.; Wippermann 2010: 12 ff.; Cerci/Gerhards 2010d: 10 ff.; 2010c: 61 ff.; 2010a: 16 ff.; Cerci/Gerhards 2009: 16 ff.; Cerci 2008a: 8 ff. (gekürzte und zusammengeführte Originaltexte).158
158 Ein herzlicher Dank an dieser Stelle geht an Gabriela Schmitt (interkultur.pro/Düsseldorfer Institut für soziale Dialoge) und Klaus Gerhards (iD-AgenturRuhr), die auf eine Anfrage der Autorin im Sommer 2015 freundlicherweise die bislang unveröffentlichten Vergleichsdaten der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) mit dem Kulturnutzungsverhalten der Gesamtbevölkerung, erhoben im Rahmen der Studie „Die Sinus-Milieus in Deutschland“ (2009), von Sinus zur Verfügung stellten. Wenn sich in den Studien die Prozentangaben unterscheiden, liegt dies an unterschiedlichen Arten der Rundung in
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3.3 O FFENE F ORSCHUNGSFRAGEN DER B ESUCHERFORSCHUNG Bei dem Versuch, aus den aufgeführten Ergebnissen der Publikumsforschung abzuleiten, wie Kulturinstitutionen Menschen mit Migrationshintergrund mittels Audience Development-Strategien ansprechen und an sich binden können, stellte sich schnell heraus, dass bislang nur unzureichend Erkenntnisse vorhanden sind, die in Kulturmarketing und -vermittlung umgesetzt werden können.159 Eines der Kernforschungsergebnisse der letzten Jahre in diesem Forschungsbereich stammt aus der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus. Es besagt, dass es innerhalb der Bevölkerung mit Migrationshintergrund verschiedene Sinus-Migranten-Milieus gibt und dass sich innerhalb dieser Bevölkerung nach herkunftsübergreifenden Wertvorstellungen, Lebensstilen und ästhetischen Vorlieben weit erklärungskräftigere Untergruppen bilden lassen als nach ethnischer Herkunft oder sozialer Lage. 160 Spielt der Migrationshintergrund als Einflussfaktor auf das Kulturnutzungsverhalten eine vergleichsweise geringe Rolle, liegt der Schluss nahe, Kulturinstitutionen könnten bei einer Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund deren individuelle ethnische oder nationale Herkunft vernachlässigen und die einzelnen Sinus-Migranten-Milieus vielleicht sogar auf ähnliche Art und Weise als (potenzielle) Kulturbesucher ansprechen wie die deutsche Gesamtbevölkerung. Dass ein Migrationshintergrund dennoch Einfluss auf das Kulturnutzungsverhalten einer Person haben kann, lässt sich aus der Studie ablesen. Wie stark dieser Einfluss im Vergleich zu anderen Faktoren (bspw. „Bildung“) ist, beantwortet sie jedoch nur unzureichend. Alle anderen vorliegenden Untersuchungen zum Kulturnutzungsverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund bezogen sich auf verschiedene Herkunftsgruppen. Sie versuchten, eine Aussage zum Kulturnutzungsverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund generell oder einer Gruppe/mehrerer Gruppen mit Migrationshintergrund zu treffen (bspw. türkischer, polnischer, russischer Migranten) und Empfehlungen für deren Ansprache als Gesamtgruppe/Gesamtgruppen zu formulieren. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass die
verschiedenen Veröffentlichungen. Im Zweifelsfall wurden hier immer die Originaldaten gewählt (siehe Cerci/Gerhards 2010a; 2010c; 2010d). 159 In diesen Textabschnitt flossen textlich überarbeitete und erweiterte Teile von bereits veröffentlichten Texten der Autorin zum gleichen Thema ein (siehe Allmanritter 2014a; 2014c; 2014d). 160 Vgl. SINUS 2008.
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ethnische Herkunft einer Person ein Einflussfaktor von vielen ist (neben bspw. „Bildung“), der Einfluss auf das Kulturnutzungsverhalten ausübt, und dass dieser Einfluss bei Menschen verschiedener Herkunft unterschiedlich ist.161 Werden die Ergebnisse dieser Studien von Kulturinstitutionen in marketing- oder kulturvermittlungsrelevante Informationen übersetzt, ähneln sie einer Herangehensweise, die im Profitbereich bereits erprobt ist und unter dem Begriff „Ethnomarketing“ firmiert162 und Zielgruppen nach verschiedener ethnischer Herkunft bildet.163 Eine Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund als Kulturpublikum mittels Ethnomarketing-Strategien wird auch für den Kulturbereich reflektiert, 164 sieht sich jedoch mit einer zentralen Herausforderung konfrontiert: Kulturinstitutionen können sich hierfür zwar gängiger Marketingstrategien und Instrumente bedienen, und Kennzahlen zur Verbreitung von Menschen mit Migrationshintergrund innerhalb des Einzugsgebiets von Kulturinstitutionen für eine entsprechende Zielgruppenfestlegung liegen in der Regel als offizielle statistische Daten vor. Der Forschungsbereich der Culture Studies lehrt jedoch, dass es den Menschen mit Migrationshintergrund oder die homogenen Nationalkulturen, Ethnien oder Identitäten nicht gibt.165 Auch die hier vorgestellte Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) belegte überdeutlich, dass ein rein herkunftsbasiertes Vorgehen bei der Zielgruppenansprache nur bedingt zielführend sein kann.166 Zudem kann Ethnomarketing dazu beitragen, Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu konstruieren, die in der Form vielleicht gar nicht bestehen.167 Grundlage jeder Ansprache müssten nach dieser Logik immer soziale Milieus statt die nationale oder ethnische Herkunft einer Person sein. Doch auch ein Fokus auf die Sinus-Migranten-Milieus sieht sich mit Herausforderungen konfrontiert: Kulturinstitutionen liegen nur in seltenen Fällen Angaben über die Verbreitung bestimmter Sinus-Migranten-Milieus innerhalb ihres Einzugsgebiets vor. Das Instrument zur Erfassung und die Methode zur Erstellung der Sinus-Migranten-Milieus sind nicht frei zugänglich. Entsprechende Daten, auch die Verteilung von Milieus im geografischen Umfeld in Form von
161 Siehe hierzu bspw. Keuchel 2012; Keuchel/Larue 2012; Cerci 2008b. 162 Siehe hierzu bspw. Rinas 2014; Schammann 2014; Dorfner 2009. 163 Siehe hierzu bspw. Panjawin 2012; Akin 2008; Kraus-Weysser/Uğurdemir-Brincks 2002. 164 Siehe hierzu bspw. Mandel 2013c: 118 ff.; Nieuweboer 2010: 5 ff. 165 Siehe hierzu bspw. Bhabha 1994; Hall/Hall 1990; Hall 1990. 166 Vgl. SINUS 2008. 167 Kritisch hierzu bspw. Kulinna 2007; Schuchert-Güler/Eisend 2007.
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„GEO-Milieus“168, können nur über das Sinus-Institut kostspielig erworben werden.169 Gleichzeitig können zumindest in der Theorie aus Sinus-Milieu-Studien konkrete Handlungsempfehlungen für den Umgang mit dem Themenfeld oder für Kulturmarketing und -vermittlung für bestimmte Sinus-Milieus abgeleitet werden, doch gibt es für den Kulturbereich bislang kaum Umsetzungshinweise, wie dies konkret geschehen könnte.170 Es stellt sich an dieser Stelle zudem die Frage, ob zusätzliche Informationen zum Migrationshintergrund etwaiger Zielgruppen – selbst wenn er gegenüber der Sinus-Migranten-Milieu-Zugehörigkeit als Einflussfaktor auf Kulturnutzungsverhalten eventuell zurücktritt – nicht wenigstens hilfreich sein könnten. Der Migrationshintergrund einer Person könnte schließlich interessante Möglichkeiten des Anknüpfens an deren Lebenswelt bieten, zusätzliche Kommunikationswege (bspw. herkunftskulturelle Medien) eröffnen und/oder spezielle Besuchsbarrieren (bspw. Sprachbarrieren) bedeuten.171 Der Faktor „Migrationshintergrund“ ist in den per definitionem herkunftsübergreifenden Sinus-Migranten-Milieus nicht enthalten, und Sinus-MigrantenMilieus nach verschiedenem Migrationshintergrund liegen in der Regel nicht vor. Inwieweit sind für eine erfolgreiche Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund als Kulturpublikum Hintergrundinformationen zu deren Migrationshintergrund oder zu deren Sinus-Migranten-Milieu-Angehörigkeit gewinnbringend? Es liegt vor dem Hintergrund der oben aufgeführten Forschungsergebnisse nahe, zu vermuten, dass für eine Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund eine Kombination aus beiden Informationen – zur SinusMigranten-Milieu-Zugehörigkeit und zur Herkunftskultur einer Person – am zielführendsten sein könnte. Um festzustellen zu können, inwieweit dies zutrifft, müsste eine Studie das Kulturnutzungsverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund gleichermaßen nach Sinus-Migranten-Milieu und nach verschiedenen Herkunftskulturen beleuchten. Dies ist in der Kulturnutzerforschung jedoch bislang in keiner Studie versucht worden. Wenn empirische Studien zum Kulturnutzungsverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund vorliegen, handelt es sich zudem fast ausschließlich um quantitative Forschung. Dies gilt sowohl für diejenigen Studien, die sich auf die Herkunft beziehen, als auch für diejenigen, die sich auf die jeweilige SinusMigranten-Milieu-Zugehörigkeit beziehen. Hieraus resultiert jedoch, dass die Ergebnisse dieser Untersuchungen auch deshalb oftmals nur unzureichend in 168 Siehe hierzu Microm 2016. 169 Vgl. Gerhards 2013b: 195 ff. 170 Siehe hierzu im Grunde nur Gerhards 2013b; Barz u. a. 2008; Barz/Tippelt 2007. 171 Siehe hierzu bspw. Keuchel 2012: 172 ff.
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Kulturmarketing und -vermittlung umsetzbare Erkenntnisse enthalten, da sie nur selten ausreichend in die Tiefe gehend auf einzelne hierfür relevante Faktoren eingehen. Gleichzeitig wäre es somit äußerst lohnend, in einer solchen Studie zumindest auch auf qualitative Verfahren zurückzugreifen, um gleichzeitig auf für Marketing und Vermittlung relevante Fragenstellungen hinreichend tief gehend eingehen zu können. Das Ziel dieser Arbeit liegt darin, diese Forschungslücke in einem Pilotversuch zumindest für ein bestimmtes Sinus-Migranten-Milieu zu verkleinern und gleichzeitig ein Modell dafür zu bieten, wie zukünftige Arbeiten fortfahren könnten, ergänzende Kenntnisse über andere Sinus-Migranten-Milieus zu gewinnen. Mit ihren Ergebnissen soll Kulturinstitutionen eine konkrete Handhabe gegeben werden, anhand der sie Menschen mit Migrationshintergrund gezielt(er) als Kulturpublikum ansprechen, für sich gewinnen und an sich binden können.
4. Konzeption der empirischen Studie
Im Folgenden wird in aller Kürze ein Überblick zur Konzeption und Methodik der empirischen Studie beschrieben, die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wurde. Für die Erhebung musste ein eigenes und völlig neues Verfahren entwickelt werden: ein Instrument zur Selbst- und Fremdeinstufung in SinusMigranten-Milieus jenseits der üblichen quantitativen Verfahren. Eine ausführliche Beschreibung ist im digitalen Anhang dieser Arbeit enthalten, damit es der Forschung für Folgeuntersuchungen zur Verfügung steht.
4.1 F RAGESTELLUNG
UND
F ORSCHUNGSTHESE
Inwieweit sind für eine erfolgreiche Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund als Kulturpublikum an erster Stelle Hintergrundinformationen zu deren Zugehörigkeit zu einzelnen Sinus-Migranten-Milieus oder zu deren Migrationshintergründen zielführend, oder ist gar beides in Kombination erforderlich? Eine Ansprache, die einzig über die Zugehörigkeit einer Person zu Sinus-MigrantenMilieus erfolgt, kann zwar auf Informationen zu der milieutypischen Kulturnutzung Bezug nehmen und erfolgreich sein. Durch den Verzicht auf die Information „Migrationshintergrund“ hätte sie große Ähnlichkeit mit einer Zielgruppenansprache der Gesamtbevölkerung auf Basis der Sinus-Milieus. Doch es ist davon auszugehen, dass eine zusätzliche Information zu dem Migrationshintergrund einer Zielgruppe eine deutlich bessere Bezugnahme auf deren Lebenswelt ermöglichen und damit die Erfolgschancen der Ansprache erhöhen würde. Sprich: In diesem Fall lägen zwar die notwendigen Informationen für eine gezielte Ansprache vor (Sinus-Migranten-Milieu-Zugehörigkeit), sie wären für den vollen Erfolg der Ansprache jedoch nicht hinreichend und bedürften weiterer Informationen (Migrationshintergrund).
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Eine Ansprache hingegen, die einzig über den Migrationshintergrund einer Person erfolgt, kann zwar Bezug auf deren Lebenswelt nehmen. Sie kann aber kaum erfolgreich sein, da es die Angehörigen eines Migrationshintergrunds nicht gibt und Menschen mit Migrationshintergrund stattdessen in Sinus-MigrantenMilieus zu verorten sind. Erst eine zusätzliche Information zu deren Zugehörigkeit zu Sinus-Migranten-Milieus und damit zu ihrem milieutypischen Kulturnutzungsverhalten würde der Ansprache wirkliche Erfolgschancen ermöglichen. Sprich: In diesem Fall lägen zwar hinreichende Informationen für eine Ansprache vor (Migrationshintergrund), für den vollen Erfolg der Ansprache fehlte jedoch eine notwendige Information (Sinus-Migranten-Milieu-Zugehörigkeit). Die Kernthese hinter der hier vorgenommenen empirischen Studie lautete entsprechend: Für eine Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund als Kulturpu-blikum sind Hintergrundinformationen zu deren Zugehörigkeit zu einzelnen Sinus-Migranten-Milieus notwendig, aber nicht hinreichend. Zusätzliche Informationen zum Migrationshintergrund einer Zielgruppe erhöhen die Erfolgschancen der Ansprache. Träfe diese Kernthese zu, müssten sich erstens aus der Sinus-MigrantenMilieu-Zugehörigkeit einer Person Informationen zu ihrem milieutypischen allgemeinen Kulturnutzungsverhalten ableiten lassen, die unabhängig von ihrem individuellen Migrationshintergrund sind. Auf Basis dieser Informationen müsste eine gezielte Ansprache einzelner Sinus-Migranten-Milieus möglich sein. Zweitens müsste das konkrete und individuelle Kulturnutzungsverhalten einer Person mit Migrationshintergrund innerhalb eines Sinus-Migranten-Milieus (auch) von ihrem individuellen Migrationshintergrund abhängen. Eine zusätzliche Information zu dem Migrationshintergrund einer Zielgruppe müsste für eine gezielte Ansprache einzelner Sinus-Migranten-Milieus einen Gewinn bedeuten. Aus dem aktuellen Forschungsstand zu Menschen mit Migrationshintergrund als Kulturpublikum (siehe Kapitel 3.2) lassen sich fünf Themengebiete ableiten, innerhalb derer ein Zutreffen oder Nicht-Zutreffen der oben benannten These zu überprüfen wäre: • • • • •
Identität, Kulturbegriff und kulturelle Bildung Produkt- und Servicepolitik Kommunikationspolitik Preis- und Distributionspolitik Gründe für einen Nicht-Besuch von Kulturangeboten
Für deren Überprüfung war es erforderlich, Angehörige verschiedener Herkunftskulturen unterteilt nach ihrer Sinus-Migranten-Milieu-Zugehörigkeit zu
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untersuchen. Da zu den genannten zu untersuchenden Inhalten bislang noch keinerlei Daten in Kombination erhoben wurden, war es nicht möglich, eine Sekundäranalyse bestehender Daten vorzunehmen. Die benötigten Daten mussten entsprechend zunächst erhoben werden. 1 Das Ziel der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Studie lag primär darin, neue Erkenntnisse für die Forschung zu erzielen. Gleichzeitig wurde jedoch auch eine möglichst hohe praktische Relevanz der Ergebnisse angestrebt. Mit ihnen soll eine Handhabe geboten werden, mittels derer Kulturinstitutionen geeignete Strategien entwickeln können, um Menschen mit Migrationshintergrund erfolgreicher als bislang als Kulturpublikum anzusprechen.
4.2 E IN , PASSENDES ʻ M ILIEU -M ODELL : D IE S INUS -T YPOLOGIE Für eine Überprüfung der These war eine empirische Studie erforderlich, die die Faktoren „Migrationshintergrund“ und „Sinus-Migranten-Milieu-Zugehörigkeit“ gemeinsam erfasste. Zur Erhebung des ersten Faktors sind in der aktuellen Umfrageforschung bereits seit vielen Jahren etablierte Standardinstrumente in Anwendung. 2 Auf sie konnte im Rahmen der Erstellung eines Erhebungsinstruments zurückgegriffen werden. Trotz der langen Historie der Milieu- und Lebensstilforschung liegt jedoch noch immer kein empirisches Messinstrument vor, das standardmäßig in Bevölkerungsumfragen eingesetzt wird.3 Modelle, die in Forschungszusammenhängen entwickelt wurden, haben den großen Vorteil, dass sie veröffentlicht wurden und somit nachvollziehbar und für Folgestudien anwendbar sind. Viele von ihnen haben jedoch den Nachteil, dass sie sich im Forschungsfeld nicht durchgesetzt haben und/oder von der kommerziellen Marktforschung nicht aufgegriffen wurden und entsprechend zu ihnen keine größeren Datenbestände für etwaige Vergleichszwecke vorliegen.4 Die Wahl des Milieu-Modells in dieser Arbeit fiel auf das Sinus-MigrantenMilieu-Modell des Marktforschungsinstituts Sinus, denn es hat sich seit seiner Entstehung im Jahr 1979 gegen viele der oben genannten anderen Ansätze be-
1
Vgl. Gehring/Weins 2009: 14 ff.; Kaya 2009: 49 ff.; Schnell/Hill/Esser 2005: 248 ff.
2
Vgl. Hertel u. a. 2014; Partner Relations 2016; TNS Infratest Sozialforschung 2014;
3
Vgl. Otte/Rössel 2011: 17; Otte 2005a: 442.
4
Vgl. Schuck-Wersig/Wersig 2000: 27.
Tucci 2008; Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten 2016b.
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hauptet 5 und wurde bereits für die verschiedensten Kontexte angewandt. 6 Im Gegensatz zu den meisten anderen Milieu- und Lebensstilmodellen liegen des Weiteren inzwischen in vielen Städten Deutschlands Auswertungen zu der geografischen Verteilung von „microm GEO Milieus“, einer lizenzierten Adaption der Sinus-Milieus im Stadtgebiet, vor.7 Diese Hintergrundinformation ist für das Erstellen und Umsetzen von Audience Development-Strategien äußerst hilfreich, da für Kulturinstitutionen so deutlich wird, welche (potenziellen) Zielgruppen in ihrem Umfeld für eine etwaige Ansprache aufzufinden sind. Zudem konnte neben der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus keine andere Milieu-Studie gefunden werden, die Menschen mit Migrationshintergrund eingehender betrachtet (siehe Kapitel 3.2.3).8 Die Sinus-Typologie als Basis für die hier angedachte Untersuchung zu wählen, bedeutete jedoch, dass ein Umgang mit einem entscheidenden Nachteil dieses Ansatzes gefunden werden musste: Die aktuellen Erhebungsinstrumente und konkreten statistischen Verfahren zur Erstellung der Sinus-Milieus sind nicht öffentlich zugänglich. Die Sinus-Typologie ist somit im Grunde nicht exakt nachstellbar, deren Einsatz an eine Beauftragung des Marktforschungsinstituts gekoppelt und entsprechend teuer.9 Für die in dieser Studie notwendige Feststellung einer Zugehörigkeit von einzelnen Personen zu bestimmten Sinus-Milieus war entsprechend eine Form des ,Umgehens‘ der klassischen Methodik des Umfrageinstituts vonnöten. Um an Hinweise bezüglich eines solchen Verfahrens zu gelangen, erfolgte eine intensive Recherche nach etwaigen Referenzbemühungen in der Forschung. Doch trotz des langjährigen Bestehens der Sinus-Milieus ließen sich kaum entsprechende Versuche finden, die ohne eine Datenerhebung von oder zusammen 5
Vgl. Otte 2005a: 443; Schuck-Wersig/Wersig 2000: 27; Hartmann 1999: 87.
6
Untersuchungen zur deutschen Gesamtbevölkerung mit über 100.000 Fällen pro Jahr vgl. SINUS 2015: 4, 13; zu Jugendlichen vgl. Thomas/Calmbach 2012; zu Männern vgl. Wippermann/Calmbach/Wippermann 2009; zu Migranten vgl. SINUS 2008, 2007b; zu Internetnutzung vgl. Schmölz u. a. 2013; zu Umweltbewusstsein vgl. Borgstedt/Christ/Reusswig 2010; zu Religion und Kirche vgl. Wippermann/Magalhaes 2005. Bezogen auf Städte, bspw. für Nürnberg, siehe Kramer 2013, und Wiesbaden, siehe Landeshauptstadt Wiesbaden 2009.
7
Vgl. Microm 2016.
8
Ein Versuch von Dirk Halm und Martina Sauer, das Konzept der sozialen Milieus auf die türkische Gemeinde in Deutschland anzuwenden, scheiterte (vgl. Halm/Sauer 2011).
9
Vgl. Otte 2008: 52; 2005a: 445; Hartmann 1999: 50, 73 ff.
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mit dem Sinus-Institut und/oder Kenntnis von dessen Instrumenten und/oder Methoden erfolgten.10 Vor diesem Hintergrund entstand die Überlegung, ein eigenes und völlig neues Verfahren zu entwickeln: eine Fremd-/Selbsteinstufung in Sinus-Migranten-Milieus im Rahmen einer explorativen qualitativen Untersuchung auf Basis einer ausführlicheren Sinus-Milieu-Beschreibung. Bei dem hier angewendeten Vorgehen handelt sich ganz bewusst um einen mutigen Pilotversuch. Er wird im Rahmen dieser Arbeit ausführlich begründet sowie intersubjektiv nachvollziehbar und empirisch überprüfbar konzipiert, aber dennoch werden gegen das Verfahren sicherlich die verschiedensten methodischen Einwände aufzuführen sein. Inwieweit eine solche Selbst- oder Fremdeinstufung tatsächlich zu einer korrekten Einstufung in die Sinus-MigrantenMilieus führt, kann letztlich nur durch einen Abgleich der Ergebnisse mit einer Einstufung einzelner Personen mithilfe des Instrumentariums des Sinus-Instituts selbst ermittelt werden. Dieses stand jedoch zumindest im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht zur Verfügung. So musste an dieser Stelle darauf spekuliert werden, dass die letztendliche Einstufung einer Person in ein bestimmtes Sinus-Migranten-Milieu nach einer entsprechenden Anzahl von Einstufungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Einstufung des Sinus-Instituts entsprechen würde.
4.3 G RUNDGESAMTHEIT Im Rahmen dieser Arbeit wurde versucht, die festgestellte Forschungslücke in einer heuristischen Studie zunächst nur für ein bestimmtes Sinus-MigrantenMilieu für bestimmte Herkunftsgruppen von Migranten zu schließen. Gleichzeitig wurde versucht, ein Modell dafür zu entwickeln, wie weitere Arbeiten fortfahren könnten, ergänzende Kenntnisse über andere Sinus-Migranten-Milieus zu gewinnen. Als inhaltliche Beschränkung diente die Fokussierung auf ein bestimmtes Sinus-Migranten-Milieu, das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“11. Diese inhaltliche Eingrenzung der Grundgesamtheit erfolgte aus mehreren Gründen:
10 Ein herzlicher Dank an dieser Stelle geht an einen in diesem Themenfeld als Spezialisten einzustufenden Forscher, Gunnar Otte, Professor für Soziologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der auf eine von der Autorin durchgeführte Anfrage hin im Sommer 2015 mit Hinweisen zu den äußerst wenigen Studien/Veröffentlichungen in diesem Themenbereich deutlich weiterhalf. 11 SINUS 2008; 2007b.
154 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT • Es handelt sich dabei von acht Migranten-Milieus um dasjenige, das (Hoch-)
Kulturangebote vergleichsweise am häufigsten nutzt.12 Dessen Ansprache bedeutet für Kulturinstitutionen das höchste Synergiepotenzial mit bisherigen Aktivitäten und somit den geringsten Aufwand und das kleinste Risiko.13 Damit ist es für erste Bemühungen der Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund als (potenzielle) Besucher (zunächst) besonders attraktiv. • Dieses Milieu wird in der Sinus-Studie als Leitmilieu beschrieben, das als ein Vorbild und Multiplikator deutlichen Einfluss auf das Kulturnutzungsverhalten anderer Milieus ausüben kann.14 Da sich in diesem Milieu viele Künstler und Kulturmanager befinden und sich die Milieuangehörigen in kulturell vermittelnder Funktion verstehen, bringt es ein großes Potenzial für eine interkulturelle Vermittlerrolle mit.15 • Es war davon auszugehen, dass die Milieuangehörigen aufgrund ihrer ausgeprägten Erfahrungswerte mit der Nutzung von Kulturangeboten substanzielle Anregungen für Entwicklung von Audience Development-Strategien in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund insgesamt geben können. Des Weiteren erschienen sie aufgrund ihrer kosmopolitischen Ausrichtung als besonders geeignet, um zu überprüfen, ob herkunftskulturelle Einflussfaktoren tatsächlich hinter den Einfluss der Milieuzugehörigkeit zurücktreten. Um hinsichtlich der Fragestellung, inwieweit die ursprüngliche Herkunftskultur neben der Zugehörigkeit zu Sinus-Migranten-Milieus Einfluss auf das Kulturnutzungsverhalten nimmt, fundierte Ergebnisse zu erhalten, wurde es als notwendig erachtet, Angehörige mehrerer Herkunftsethnien innerhalb desselben SinusMigranten-Milieus zu vergleichen. Für einen sinnstiftenden Vergleich mussten diese Bevölkerungsgruppen vor allem zwei Kriterien erfüllen: Es musste aufgrund ihres geschichtlichen und geografischen Hintergrunds innerhalb der Gruppen ein geteiltes kulturelles Wissen vorhanden sein und dieses musste sich zwischen den beiden Gruppen eindeutig unterscheiden. In Anlehnung an die Erkenntnisse aus der Kulturnutzerforschung (siehe Kapitel 3.1.1) ließen vor allem zwei große Bevölkerungsgruppen deutliche Unterschiede in ihrem Kulturnutzungsverhalten erwarten: Menschen mit Migrationshintergrund aus der Türkei sowie aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion.16 12 Vgl. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 94 ff. 13 Vgl. Allmanritter/Siebenhaar 2010: 182. 14 Vgl. Gerhards 2013a: 55 f. 15 Vgl. Gerhards 2013a: 104; Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 94 ff. 16 Siehe bspw. Keuchel 2012; Cerci 2008b.
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Es handelt es sich zudem um diejenigen Gruppen, die in der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus mit als am stärksten vertretene Herkunftsethnien (aus nicht EU-Ländern) innerhalb des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ aufgeführt wurden.17 Der Fokus der Erhebung wurde in der vorliegenden Studie entsprechend auf diese beiden Bevölkerungsgruppen gelegt. Um zudem den logistischen Aufwand der Erhebung zu reduzieren, aber dennoch eine gewisse geografische Varianz aufrechtzuerhalten, erfolgte zusätzlich eine räumliche Eingrenzung der Erhebung auf die drei deutschen Ballungszentren Berlin, Frankfurt/Main und Stuttgart.
4.4 E RHEBUNGSMETHODE Für die Entscheidung hinsichtlich der Erhebungsmethode dieser Arbeit waren mehrere Punkte ausschlaggebend: Erstens war grundlegend, dass damit eine größtmögliche Breite an Ergebnissen erzielt werden konnte, aber dennoch eine möglichst hohe Vergleichbarkeit der einzelnen Erhebungen gewährleistet wurde. Zweitens musste es sich um eine ökonomische Methode handeln, die dennoch der Tatsache gerecht wurde, dass es sich um Befragte an mehreren in Deutschland verteilten Standorten handeln sollte. Und drittens war bei der Auswahl der Erhebungsmethode die Zielgruppe der Befragung maßgeblich: Menschen mit Migrationshintergrund aus der Türkei und aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland. Denn Menschen mit Migrationshintergrund werden in der Umfrageforschung – unabhängig von ihrer spezifischen Herkunft oder einer Untergliederung in Milieus – oft als Spezialpopulation gefasst sowie als schwierige Zielgruppe und schwerer erreichbar als Einheimische umschrieben.18 Nach einer Abwägung der jeweiligen Vor- und Nachteile der Methoden hinsichtlich ihrer Eignung für eine Erhebung der im Rahmen der Fragestellung benötigten Daten fiel die Wahl schließlich auf die Anwendung qualitativer Methoden (persönliche
17 Vgl. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 95. Anteil von Menschen
mit
verschiedenem
Migrationshintergrund
im
„Intellektuell-
kosmopolitischen Milieu“: andere EU-Länder: 17 %; Türkei: 14 %; Polen: 14 %; ehemalige Sowjetunion: 13 %; Land in Asien: 11 %; Südeuropa: 11 %; Land in Amerika: 8 %; andere osteuropäische Länder: 5 %; ehemaliges Jugoslawien: 4 %; Land in Afrika: 1 %; andere Länder: 2 %. Wie genau Herkunftsländer innerhalb dieser Studie gruppiert wurden, ließ sich leider nicht nachvollziehen (vgl. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 95). 18 Siehe hierzu bspw. Feskens u. a. 2006; Blohm/Diehl 2001; Salentin 1999; Koch 1997.
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Interviews) in Kombination mit quantitativen Methoden (vorgelagerte schriftliche Befragung).
4.5 M EHRSTUFIGE S TICHPROBENZIEHUNG Die Entscheidung für die Verwendung von primär qualitativen Verfahren der Datenerhebung bedeutete, dass bei der folgenden Ergebnisauswertung keine repräsentativen Aussagen im Sinne der quantitativen Sozialforschung erzielt werden konnten. Im Mittelpunkt stand stattdessen eine theoriebezogene Repräsentativität bzw. inhaltliche Repräsentativität. Ausgewählte Untersuchungsobjekte sollten in der Lage sein, alle im Rahmen des Forschungsthemas/der Fragestellung wirksamen Faktoren bestmöglich aufzudecken, zu beschreiben und verständlich zu machen.19 Wie häufig im Zusammenhang qualitativer Erhebungen, wurde auch in dieser Studie eine Stichprobenziehung nach ebensolchen theoretischen Kriterien und infolge mittels einer „bewussten Auswahl“ in Form einer Quotenstichprobe erhoben.20 Hierfür mussten zunächst einzelne, für das Thema der Untersuchung als relevant erachtete Merkmale der Grundgesamtheit festgelegt werden. Als am relevantesten für die Untersuchung wurden hierbei als Merkmale die Zugehörigkeit einer Person zu einem Sinus-Migranten-Milieu sowie deren Migrationshintergrund eingeschätzt. Um innerhalb dieser Merkmale eine weitere Differenzierung der inhaltlichen Ergebnisse zu erhalten, wurden zwei weitere Merkmale ergänzt: der Wohnort und das Geschlecht der Stichprobenkandidaten.21 Mit dem Ziel der größtmöglichen Varianz innerhalb der Stichprobe, bei gleichzeitiger Sicherstellung von einer Mindestanzahl von Befragten pro einzelnem Merkmal, wurde eine Quotensetzung festgelegt, die unabhängig von der tatsächlichen Gesamteinwohnerzahl und deren Zusammensetzung in den drei Erhebungsorten Berlin, Frankfurt/Main und Stuttgart jeweils die gleiche Anzahl von Interviewpartnern umfasste: je zur Hälfte mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen
19 Siehe hierzu bspw. Misoch 2015: 188 ff.; Lamnek 2010: 161 ff.; Kelle/Kluge 2008: 41 ff. 20 Siehe hierzu bspw. Schreier 2011: 252 ff.; 2010: 241 ff.; Flick 2011a: 165 ff.; Lamnek 2010: 163 ff. Für eine Erläuterung von 16 verschiedenen Formen der bewussten Auswahl innerhalb der qualitativen Forschung siehe bspw. Patton 1990: 169 ff. 21 Siehe hierzu bspw. Schnell/Hill/Esser 2005: 300 ff.; Diekmann 2001: 338 ff.
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Sowjetunion und türkischem Migrationshintergrund und je zur Hälfte männlichen und weiblichen Geschlechts (disproportional geschichtete Stichprobe).22 Bezüglich der Art der Ziehung der oben festgelegten Quotenstichprobe fiel die Wahl auf ein Schneeballverfahren.23 Dabei wurden zunächst eine oder mehrere bekannte Ausgangspersonen gesucht, und basierend auf deren Hinweisen/Kontakten (Freunde, Bekannte etc.) wurde weitergeforscht. Ein für die Stichprobenziehung entwickeltes mehrstufiges Screening-Verfahren mittels Selbst- oder Fremdeinstufung in Sinus-Milieus sollte gewährleisten, dass mit dessen Ende entsprechend der Fragestellung der Studie nur Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ in der Stichprobe zu finden waren.
4.6 E RHEBUNGSINSTRUMENTE Sowohl für die Einstufung von Befragten in Sinus-Migranten-Milieus als auch für die Untersuchung von deren Kulturnutzungsverhalten mussten vor Beginn der Befragung entsprechende Erhebungsinstrumente erstellt werden. Während das Instrument zur Erfassung und die Methode zur Erstellung der SinusMigranten-Milieus bislang nicht für die Forschung frei zugänglich sind und entsprechend ein hierfür geeignetes Erhebungsinstrument neu entwickelt werden musste, konnte bezüglich der Erstellung des Fragebogens für die quantitative Voruntersuchung zumindest zum Teil auf vorliegende Instrumente der Kulturnutzerforschung in Deutschland zurückgegriffen werden. Da der Leitfaden für die qualitativen Interviews auf den beiden anderen, oben genannten Erhebungsinstrumenten basierte, musste dieser ebenfalls neu entwickelt werden. Die Erstellung der Erhebungsinstrumente erfolgte unter Beachtung der in der empirischen Sozialforschung erprobten Regeln der Frage- und Antwortformulierung sowie der Fragebogen- und Leitfadenkonstruktion.24 Alle Erhebungsinstrumente wurden in Zusammenarbeit mit Personen erstellt, die selbst verschiedene Migrationshintergründe aufwiesen, und mehrfach daraufhin überprüft, inwieweit sie interkulturell anwendbar sind.
22 Siehe hierzu bspw. Brosius/Haas/Koschel 2012: 67 f. 23 Siehe hierzu bspw. Fuchs 2000: 65 ff.; Merkens 1997: 102. 24 Vgl. bspw. Schumann 2012: 51 ff.; Porst 2008: 31 ff.; Schnell/Hill/Esser 2005: 325 ff.; Diekmann 2001: 439 ff.; Flick 2011a: 221 ff.; Lamnek 2010: 321 ff.; Meuser/Nagel 1997: 487.
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4.7 A NALYSE Die Auswertung der erhobenen quantitativen Daten zur Kulturnutzung der Befragten erfolgte aufgrund der geringen Anzahl der Fragebögen mithilfe des Tabellenkalkulationsprogramms Microsoft EXCEL. Für die Auswertung der qualitativen Interviews erfolgte zunächst eine Verschriftlichung der Interviews. Für deren Analyse fiel die Wahl auf eine Methode, die in der Forschung mit dem Sammelbegriff „qualitative Inhaltsanalyse“ umschrieben wird. 25 Anschließend erfolgten die Kontrolle der vorgenommenen Analyse sowie die Interpretation und die Aufbereitung der Daten. Die inhaltliche Auswertung des umfangreichen Textmaterials erfolgte computergestützt durch die Software für qualitative Datenanalyse MAXQDA.26 Nachdem die Interpretation der Daten abgeschlossen war, erfolgte im Rahmen des letzten Auswertungsschritts die gemeinsame Ergebnisaufbereitung der quantitativen und qualitativen Daten.27 Hierbei wurden immer die Ergebnisse zu Menschen mit türkischem Migrationshintergrund und Menschen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion verglichen. Soweit sinnvoll und möglich wurden Tabellen, Schaubilder und Diagramme erstellt. Die Ergebnisse wurden – soweit passend – nach dem Prinzip der „exemplarischen Verallgemeinerung“28 mit einer Darstellung allgemeiner oder besonders typischer Aussagen ergänzt. Die Suche nach potenziellen Interviewpartnern und Personen, die diese eventuell vermitteln konnten, startete am 04.05.2012. Der gesamte Zeitraum der Suche nach geeigneten Befragten und der Datenerhebung erstreckte sich bis zum 30.04.2014. Zu diesem Zeitpunkt waren die gesetzten Quoten in der Stichprobenziehung erfüllt. Durchgeführt wurden letztlich 58 Interviews mit Personen, die im Rahmen der konzipierten Gruppeneinstufung dem „Intellektuellkosmopolitischen Milieu“ zugeordnet werden konnten wurden. In den Ergebnisteil dieser Arbeit flossen letztlich aus 50 der 53 Interviews Zitate ein. Damit die verwendeten Prozentangaben nicht zu der Annahme verleiten, es handle sich um große Stichproben und statistisch repräsentative Ergebnisse, wurde innerhalb des Auswertungstexts und, soweit platztechnisch möglich, auch innerhalb von Grafiken und Abbildungen hinter jede Prozentangabe zudem eine Angabe zu der absoluten Zahl der hier einfließenden Personen hinzugefügt. War
25 Siehe hierzu bspw. Kuckartz 2014: 169; Auer-Srnka 2009: 167. Überblickshaft zu den verschiedensten Varianten der qualitativen Inhaltsanalyse siehe bspw. Schreier 2014. 26 Siehe hierzu bspw. Kuckartz 2014; 2010; 2007; Kuckartz/Grunenberg 1997. 27 Für die hier verwendete Darstellungsform siehe Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014. 28 Wahl/Honig/Gravenhorst 1982: 206.
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die Information zu der Gesamtzahl der auf eine Frage antwortenden Personen nicht in einer Grafik oder Abbildung ablesbar, wurde sie in einer Fußnote ergänzt. Auf Abweichungen in den Ergebnissen zwischen den Befragten, die im Rahmen von unter fünf Prozentpunkten und damit innerhalb der statistischen Unschärfentoleranz29 lagen, wurde innerhalb der Ergebnisdarstellung grundsätzlich nicht eingegangen. Da einige der Befragten eine Anonymisierung ihrer Interviews wünschten, wurde diese letztlich für alle Interviews vorgenommen. Aufgrund der notwendigen Begrenzung der Seitenzahl innerhalb dieser Arbeit konnte leider nur ein Bruchteil der Ergebnisse der Erhebung an dieser Stelle wirklich dargestellt werden. Für weitere Auswertungen sei an dieser Stelle auf Folgeveröffentlichungen verwiesen.
29 Siehe hierzu bspw. Schumann 2012: 206; Bortz/Döring 2009: 26 f.
5. Ergebnisse der empirischen Studie
Kapitel 5 stellt die Ergebnisse der vorgenommenen empirischen Untersuchung vor. Dabei wird zunächst knapp auf die Strukturdaten der Stichprobe eingegangen (Kapitel 5.1)1. Im Anschluss werden die inhaltlichen Detailergebnisse der Untersuchung zum Kulturnutzungsverhalten der Befragten dargestellt (Kapitel 5.2). Sie gliedern sich in Anlehnung an die in Kapitel 3.2 gewählten, für Audience Development-Strategien relevanten Themengebiete aus der Publikumsforschung in die folgenden Abschnitte: Einfluss von Herkunftskultur, Identität und kultureller Bildung, Produkt- und Servicepolitik, Kommunikationspolitik, Preisund Distributionspolitik und Besuchsanreize bzw. -barrieren. Dabei folgen die Unterkapitel dem Schema: Einordnung der Ergebnisse der vorliegenden Studie in bestehende Forschung, Auswertungsergebnisse der vorliegenden Studie, Interpretation dieser Ergebnisse.
5.1 S TRUKTURDATEN
DER
S TICHPROBE
Innerhalb der Quotensetzung wurde festgelegt, dass in den drei Erhebungsorten Berlin, Frankfurt/Main und Stuttgart jeweils 16–20 Interviewpartner zu gewinnen waren, die zur Hälfte türkischen Migrationshintergrund und zur Hälfte Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion aufweisen (siehe Kapitel 4.6). Wo möglich, wurde im Verhältnis eine leicht größere Anzahl von Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion angestrebt, um eine bessere Streuung über die 15 ehemaligen Mitgliedstaaten zu erreichen. Die im Rahmen der Stichprobenziehung vorab gesetzten Quoten konnten zu einem hohen Maß erfüllt werden. Zudem konnte innerhalb der Quo-
1
Ausführlichere Informationen finden sich im digitalen Anhang.
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ten eine gute Streuung der Befragten nach Stadtteil nachgewiesen werden. In die Auswertung flossen letztlich 53 Interviews ein (siehe digitaler Anhang). Innerhalb der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) wurde das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ als überwiegend in urbanen Zentren und Metropolen lebend beschrieben.2 In Bezug auf die Kriterien „Alter“, „Bildungsgrad“ und „Einwanderergeneration“ 3 war durch den Fokus auf das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ (Gruppe 5) zu erwarten, dass, wie unter den Unterpunkten „Soziodemografie“ und „Migrationsbiografie“ der Milieubeschreibung angegeben, die Befragten primär ein mittleres Alter (30–50 Jahre) aufwiesen, vor allem aus der ersten Einwanderergeneration stammen und über einen hohen Bildungsgrad sowie ein vergleichsweise hohes Einkommen verfügten.4 In allen drei Städten handelte es sich den vorab gesetzten Quoten entsprechend (siehe Kapitel 4.6) jeweils in etwa zur Hälfte um männliche und zur Hälfte um weibliche Befragte. Auch gehörte ein Großteil der Befragten (64 %, 34 Personen) der in der Beschreibung des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ angegebenen Altersgruppe an. Jünger als 30 Jahre alt waren 17 % (neun Personen), älter als 50 Jahre alt 19 % der Befragten (zehn Personen). Ebenfalls bezüglich des Bildungsgrads zeigte sich, dass es sich bei den Befragten an erster Stelle und der Milieubeschreibung entsprechend um Personen mit einem hohem Bildungsniveau handelte: 83 % der Befragten (44 Personen) hatten entweder bereits (mindestens) ein abgeschlossenes, in Deutschland durchgeführtes oder dort anerkanntes Hochschulstudium vorzuweisen, oder sie studierten zum Zeitpunkt der Befragung noch an einer deutschen Hochschule. Nur 13 % der Befragten (sieben Personen) hatten kein Studium abgeschlossen und studierten auch nicht. Zudem gehörten die Befragten zu einem hohen Anteil (85 %, 45 Personen) zur ersten Generation von Einwanderern.
2
Vgl. Gerhards 2013a: 47.
3
Einwanderergenerationen werden hier in Anlehnung an den „Mikrozensus“ des Statistischen Bundesamts wie folgt definiert: Erste Generation: Personen mit eigener Migrationserfahrung; zweite Generation: In Deutschland Geborene – Personen ohne eigene Migrationserfahrung, von denen mindestens ein Elternteil zugewandert ist (vgl. Statistisches Bundesamt 2015a: 4, 575).
4
Vgl. Gerhards 2013a: 49 ff.; Cerci/Gerhards 2009: 51. Auf eine Aufschlüsselung der Berufe der Befragten, um den Punkt „oft akademische Berufe“ der Gruppenbeschreibung zu belegen, wurde an dieser Stelle im Interesse der Anonymität der Befragten verzichtet, auch wenn der Punkt auf die Befragten in hohem Maße zutraf.
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13 % (sieben Personen) gehörten der zweiten und nur 2 % (eine Person) der dritten Einwanderergeneration an (siehe Abbildung 17).5 Abbildung 17: Streuung der Befragten nach soziodemografischen Faktoren Männlich 49% (26)
Weiblich 51% (27)
30-50 Jahre 64% (34)
Bis 29 Jahren 17% (9)
Ab 51 Jahre 19% (10) 3. Generation 2% (1)
2. Generation 13% (7)
1. Generation 85% (45)
Kein Studienabschluss 13% (7)
Abgeschlossenes Studium 83% (44)
Im Studium 4% (2)
n = 53
Quellen: Eigene Erhebung.
Bezüglich der Zugehörigkeit zur Einwanderergenerationen ergaben sich leichte Unterschiede zwischen den Befragtengruppen. Bei den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund stammten 17 Personen aus der ersten, fünf Personen aus der zweiten und eine Person aus der dritten Einwanderergeneration. Von den 17 Personen, die innerhalb dieser Gruppe zur ersten Generation von Einwanderern zu zählen sind, waren neun als Minderjährige und acht als Erwachsene eingewandert. Bei den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion hingegen stammten 28 Personen aus der ersten, zwei Personen aus der zweiten und keine Person aus der dritten Einwanderergeneration. Von 5
Viele der Befragten, insbesondere, aber nicht nur aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion hatten vor ihrer Einwanderung nach Deutschland bereits einen Studienabschluss erworben. Da dieser aber nicht anerkannt wurde oder ihnen beruflich wenig Vorteile bot, schlossen sie in Deutschland ein weiteres Hochschulstudium ab. Eine dieser Personen hatte zwar in ihrem Heimatland einen Hochschulabschluss erworben, nachdem dieser in Deutschland jedoch nicht anerkannt wurde, hier eine Berufsausbildung nachgeholt, drei hatten eine Ausbildung auf einer Schauspielakademie absolviert und eine Person an einer Berufsakademie anderer beruflicher Richtung. Zwei Personen hatten keinerlei berufliche Ausbildung vorzuweisen.
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den 28 Personen, die innerhalb dieser Gruppe zur ersten Generation von Einwanderern zu zählen sind, waren sieben als Minderjährige und 23 als Erwachsene eingewandert.
5.2 D AS K ULTURNUTZUNGSVERHALTEN B EFRAGTEN – D ETAILERGEBNISSE
DER
5.2.1 Einfluss von Herkunftskultur, Identität und kultureller Bildung 5.2.1.1 Herkunftskultur und Identität Die Milieubeschreibung des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ innerhalb der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus ließ es mit den Umschreibungen „Meist bewusste Kombination kultureller Elemente des Herkunfts- und des Aufnahmelandes im Lebensstil, […], bi- bzw. multikulturelle Orientierung“6 sowie „Nationale oder andere formale Zugehörigkeit spielt für die Kosmopoliten keine Rolle“ 7 bereits stark vermuten – die Analyseergebnisse der Befragung spiegelten es ebenfalls wider: Die kulturelle Identität der Befragten war individuell sehr unterschiedlich und entsprach einem Puzzle aus den verschiedensten Einflussfaktoren. Zu sehen war in Bezug auf die Befragten – wie aus der zugehörigen Forschung zu erwarten –, dass es sich bei deren Herkunftskultur um kein den Grenzen eines Nationalstaats entsprechendes Konstrukt handelte.8 Obwohl zwar fast alle Befragten einen Teil ihrer Herkunftskultur mit den Grenzen des Nationalstaats (bspw. Türkei, Russland, ehemalige Sowjetunion) verknüpft sahen, aus dem sie Migrationshintergrund aufweisen, war diese ganz offensichtlich nicht mit einer einheitlichen Herkunftskultur oder gar Identität gleichzusetzen. Dies galt sowohl für Befragte mit Migrationshintergrund aus der Türkei als auch für Befragte mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Dazu beispielhaft: „‚Herkunftskultur‘ definiere ich als die Kultur, in der ich sozialisiert wurde. Das wären dann bei mir die türkische und die deutsche Kultur. Ich bin in der Türkei geboren und als Teenager nach Deutschland gekommen. Ich würde sagen, dass beides eine Rolle gespielt
6
Cerci 2008a: 26.
7
Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 94.
8
Vgl. Bhabha 1994; Hall/Hall 1990; Hall 1990; Hall 1976.
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hat und in mir gemischt vorhanden ist. Wenn man es genau nimmt, müsste man das natürlich auch noch einmal untergliedern. Es gibt ja nicht die EINE türkische oder die EINE deutsche Kultur. Meine Familie kommt ursprünglich aus Zentralanatolien, ich habe aber in Istanbul mein erstes Studium abgeschlossen. Da gibt es natürlich, wie in Deutschland, schon allein Unterschiede zwischen der dortigen ländlichen und städtischen Kultur.“ (Erkan, TK, Abs. 27) „Ich bin in Russland, genauer gesagt, in der Großstadt Omsk in Sibirien aufgewachsen. Grundsätzlich ist Herkunftskultur für mich alles, was aus Russland und im weiteren Sinne aus allen Ländern der ehemaligen Sowjetunion kommt, aber auch alles, was in russischer Sprache angeboten wird. Ich habe, solange ich noch in Russland gelebt habe, auch sehr regionale Sachen mitbekommen. Beispielsweise stammen meine Großeltern mütterlicherseits aus der Ukraine, und was sie von dort mitgebracht haben, ist auch in die Familienkultur eingeflossen. Es gehören zu meiner Herkunftskultur auch Sachen dazu, die zu den in Russland lebenden Deutschen gehören.“ (Jelena, SU, Abs. 33)
Entsprechend differenzierten fast alle Befragten (TK: 65 %, 15 Personen; SU: 93 %, 28 Personen9) ihre Herkunftskultur noch weiter aus. Bei den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund wurden neben der „Türkei“ als Nationalstaat und/oder ganz generell Türkischsprachigem als beeinflussendes Element der Herkunftskultur des Weiteren der besondere Einfluss einer bestimmten Stadt (bspw. Istanbul) oder Region (bspw. Anatolien) innerhalb des Landes sowie politische oder religiöse Einflüsse genannt. Bei den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion waren die Antworten noch ausdifferenzierter. Hier wurden Einflüsse des Nationalstaats, in dem sie oder ihre Eltern geboren wurden (eine der Teilrepubliken der ehem. Sowjetunion) und der teilweise darin vorhandenen verschiedenen Volksgruppen, Einflüsse der gesamten ehemaligen Sowjetunion (oder Post-Sowjetunion), Einflüsse einzelner kulturell ähnlicher Länder innerhalb der ehem. Sowjetunion (bspw. mehrfach die Kombination: Russland, Weißrussland, Ukraine, Moldau), Einflüsse einer dominierenden russischen Kultur innerhalb der ehemaligen Sowjetunion und/oder einer gemeinsamen russischen Sprache (als Amtssprache der ehem. Sowjetunion) sowie religiöse Aspekte genannt (siehe Abbildung 18 auf der folgenden Seite).
9
Innerhalb dieser Frage gilt n = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30.
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Abbildung 18: Was würden Sie als „Ihre Herkunftskultur“ bezeichnen? Türkisch
100% (23)
Deutsch
30% (7)
Bestimmte Stadt
26% (6)
Herkunft Eltern Bestimmte Region Kemalistisch Alevitisch
83% (25)
Russisch Geburtsland
67% (20)
Ganze SU
63% (19) 23% (7)
Deutsch
17% (4)
LänderKombination
17% (5)
9% (2)
Bestimmte Stadt
17% (5)
9% (2)
Russischsprachig
13% (4)
Herkunft Eltern
10% (3)
Jüdisch
10% (3)
13% (3)
TK n = 23 Ø = 2,0 0%
100%
0%
SU n = 30 Ø = 3,0 100%
Quelle: Eigene Erhebung.
Zudem unterschieden die Befragten zwischen eigener kultureller Prägung aus dem Herkunftsland (wenn selbst migriert wurde) und einer indirekten Prägung über die Eltern (oder Großeltern), wenn diese migriert waren und die Befragten selbst nicht (durch Geburt in Deutschland). Teilweise hatten die Eltern der Befragten auch bereits vor der Migration nach Deutschland Migrationshintergrund (bspw. durch verschiedene Geburtsländer, Migrationshintergrund von ihren Eltern). Deutlich wurde des Weiteren ein kultureller Einfluss durch die Länge der Zeit, die die Befragten in Deutschland verbracht hatten (durch Geburt oder zeitlich lang zurückliegende Einwanderung). Bei Befragten aus der ehemaligen Sowjetunion spielte ebenfalls die Tatsache eine Rolle, dass einige (sechs Personen) von ihnen zur Gruppe der „Spätaussiedler“10 gehörten und bereits vor ihrer Einwanderung nach Deutschland in dieser Hinsicht kulturell geprägt waren. Beides führte bei vielen Befragten sowohl mit Migrationshintergrund aus der Türkei als auch aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion zu einer Identität, die sich aus verschiedensten kulturellen Elementen zusammensetzte, basierend auf dem Mi grationshintergrund (eigene Herkunftskultur und/oder die der Eltern) und kultu-
10 Für eine Definition des Begriffs „Spätaussiedler“ siehe bspw. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: „Spätaussiedler sind deutsche Volkszugehörige aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion und anderen osteuropäischen Staaten, die im Wege eines speziellen Aufnahmeverfahrens ihren Aufenthalt in Deutschland begründet haben.“ (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016a).
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rellen Elementen einer ebenfalls auszudifferenzierenden deutschen Kultur im Sinne einer hybriden Identität (siehe Kapitel 3.2.2.1).11 Dazu beispielhaft: „Für mich ist es definitiv türkische und deutsche Kultur. Ich kann da keines von beidem ausschließen. Ich unterscheide da auch nicht dazwischen. Für mich ist einfach beides Herkunftskultur.“ (Zafer, TK, Abs. 34) „Deutsche und russische – beides gehört gemeinsam zu mir.“ (Piotr, SU, Abs. 35)
Nicht nur aus den zwei bisherigen „Jugend-KulturBarometer“-Studien (2012; 2006) und der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung ist bekannt, dass die politischen und kulturpolitischen Wertesysteme, aus denen eine Person abstammt, die Seh- und Hörgewohnheiten hinsichtlich Kulturangeboten prägen und Einfluss auf Interessen und Nutzungsverhalten haben können (siehe Kapitel 3.2.2.1).12 Vor diesem Hintergrund wurden die Befragten ebenfalls gefragt, inwieweit sie ganz global der Meinung sind, dass ihre Herkunftskultur (im Sinne von Einflüssen basierend auf ihrem individuellen Migrationshintergrund) Einfluss darauf nimmt, welche Kulturangebote sie in Deutschland nutzen (siehe Abbildung 19). Abbildung 19: Hat Ihre Herkunftskultur Einfluss auf Ihre Kulturnutzung? Nein 22% (5)
Ja, zu großem Teil 30% (7) TK
Ja, aber wenig 22% (5)
Ja, zu gewissem Maß 26% (6) n = 23
Ja, zu großem Teil 50% (15)
Nein 23% (7)
Ja, aber wenig 10% (3)
SU
Ja, zu gewissem Maß 17% (5)
n = 30
Quelle: Eigene Erhebung.
Hierauf antworteten beide Befragtengruppen sehr ähnlich: Etwas mehr als drei Viertel von ihnen bejahten (TK: 78 %, 18 Personen13; SU: 77 %, 23 Personen14) und etwas unter einem Viertel verneinte dies (TK: 22 %, fünf Personen; SU: 23 %, sieben Personen). Dazu beispielhaft: 11 Siehe hierzu bspw. Bhabha 1996; Hall 1990. 12 Vgl. Keuchel 2012: 88 ff.; Keuchel/Larue 2012: 144 ff.; Keuchel 2006: 61 ff. 13 Innerhalb dieser Frage gilt n = 20. 14 Innerhalb dieser Frage gilt n = 30.
168 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT „Ja, ich glaube, sie hat einen Einfluss, und der ist sicherlich auch anders, als wenn ich aus einem anderen Land eingewandert wäre. Es gibt in der Türkei ja eigene kulturelle Elemente, die es in anderen Ländern in der Form nicht gibt.“ (Hatice, TK, Abs. 139) „Ich bin ja erst mit fast 30 Jahren nach Deutschland gekommen. Da habe ich natürlich vorher schon viel kulturelle Prägung gehabt und das mitgenommen. […] Da kann man nicht sagen, man kommt unbeeinflusst, wie ein leeres Blatt. Natürlich hat man dann eine neue Seite angefangen, aber das Buch wurde schon vorher zu schreiben begonnen.“ (Dmitri, SU, Abs. 166)
Offenbar sahen die Befragten ihren Migrationshintergrund als einen Faktor, der ihr Kulturnutzungsverhalten mitbeeinflusst. In Bezug auf die hier befragten Personen galt dabei auf der einen Seite: Je jünger die Befragten waren, als sie mit kulturellen Einflüssen in Deutschland in Kontakt gekommen waren, und je länger ihr Aufenthaltszeitraum in Deutschland war, desto geringer erschien ihnen der Einfluss ihres Migrationshintergrundes auf ihre Kulturnutzung. Am geringsten war er entsprechend bei denjenigen Befragten, die zur ersten Einwanderergeneration gehörten, aber sehr jung nach Deutschland eingewandert waren oder zur zweiten und dritten Einwanderergeneration gehörten und in Deutschland geboren und aufgewachsen waren. Umgekehrt galt: Am deutlichsten sahen diejenigen Personen einen Einfluss der Herkunftskultur, die selbst migriert waren. Je älter die Befragten zum Zeitpunkt der Migration waren und je kürzer ihre Aufenthaltsdauer in Deutschland, desto größer schätzten sie den Einfluss ihrer Herkunftskultur auf ihr Kulturnutzungsverhalten ein. Unterschiede, die in der Abbildung 19 auf Seite 167 zwischen beiden Befragtengruppen abzulesen sind, beruhen deshalb vermutlich auf der Tatsache, dass zu den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund kaum Personen gehörten, die als Erwachsene und Teil der ersten Einwanderergeneration nach Deutschland gekommen sind. Der hier festgestellte negative Zusammenhang von Generationenverlauf und dem Interesse an Kulturangeboten, die in irgendeiner Weise Bezug zur Herkunftskultur der Befragten aufwiesen, verwunderte zunächst etwas, widersprach er doch einer Feststellung der „InterKulturBarometer“-Studie (2012), der beiden bisherigen „Jugend-KulturBarometer“-Studien (2012, 2006) und dem „9. KulturBarometer“ (2011) des Zentrums für Kulturforschung und der Studie „Teilhabe und Orientierungen türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in Nordrhein-Westfalen“ (2009) des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung, nach denen auch jüngere Generationen (vor allem innerhalb der Bevölkerung mit türkischem Migrationshintergrund) weiterhin großes Interesse an ih-
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rer Herkunftskultur aufwiesen (siehe Kapitel 3.2.2.1).15 In den weiteren Ergebnissen der Untersuchung wurde jedoch eine Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung der Befragten und dem tatsächlichem Verhalten deutlich. Denn bezüglich des Interesses an Kulturangeboten, die aus der jeweiligen Herkunftskultur der Befragten stammten oder hierzu in irgendeiner Weise Bezug hatten, sowie hinsichtlich deren Nutzung war zwischen den verschiedenen Generationen innerhalb der Befragten faktisch kaum ein Unterschied feststellbar (siehe Kapitel 5.2.2). In der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) konnten keine Vergleichswerte zu dem anteiligen Einfluss einzelner Elemente der Identitäten innerhalb der Sinus-Migranten-Milieus gefunden werden. Ein entsprechender Abgleich kann hier somit nicht stattfinden. Die hier festgestellte Vielfalt kultureller und nationaler Identitäten der Befragten entspricht jedoch den Ergebnissen der deutschlandweiten Repräsentativstudie „InterKulturBarometer“ (2012), in der Befragte mit Migrationshintergrund ebenfalls die unterschiedlichsten Einflussfaktoren auf ihre Identitätsbildung benannten. Hierzu gehörten in dieser Studie bspw. ebenfalls das Geburtsland, die Volkszugehörigkeit, die aktuelle Staatszugehörigkeit, die Religion und die Wohnregion in Deutschland. Auch dort wurde festgestellt, dass Effekte des ursprünglichen Migrationshintergrunds innerhalb der Familie in der zweiten und dritten Generation niedriger ausgeprägt waren als bei der ersten Generation und dass der Einfluss Deutschlands als Geburtsland gleichzeitig zunahm (siehe Kapitel 3.2.2.1).16 Im Hinblick auf die Frage danach, wie ein solcher Einfluss der Herkunftskultur konkret aussehen könnte, gingen bei den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund die Positionen auseinander: Einige hielten unterschiedliche Präferenzen von in Deutschland lebenden Türkischstämmigen im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung und/oder zu anderen Einwanderungsgruppen (fünf Personen) in Bezug auf bestimmte Kulturangebote oder Sparten aus historischen Gründen für möglich. Dazu beispielhaft: „Generell gibt es in Deutschland zwar keine kulturellen Bereiche, die es nicht in der Türkei prinzipiell auch geben würde, aber bspw. Theater oder das, was hier als Hochkultur bezeichnet wird, war bis zu den 50er-Jahren bspw. in Istanbul sehr griechisch-armenisch geprägt. […] diese Form von Kunst und Kultur war sehr verbreitet, aber nur in einer bestimmten Community und innerhalb der Elite der dortigen türkischen Bevölkerung. […] 15 Vgl. Keuchel 2012: 64 ff., 81 ff.; Keuchel/Larue 2012: 144 ff., 171; Keuchel/Mertens 2011: 4; Sauer 2009: 203; Keuchel 2006: 61 ff. 16 Vgl. Keuchel 2012: 64 ff.
170 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT Es hat also keine so starke Verwurzelung in der ursprünglichen türkischen Kultur.“ (Faith, TK, Abs. 124)
Ein nicht unwesentlicher Teil der Befragten stellte grundsätzlich infrage, ob nicht der Einfluss von familiärer Sozialisation und das Vorhandensein kultureller Bildung (neun Personen) und/oder das tatsächliche Vorhandensein von Kulturangeboten im geografischen Umfeld vor der Migration (neun Personen) einen vergleichsweise größeren Einfluss auf das heutige Kulturnutzungsverhalten ausübten als die Herkunftskultur. Dazu beispielhaft: „Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass die Familie als prägender Mikrokosmos sehr ausschlaggebend ist und dabei insbesondere das Milieu und die Bildung, quasi die Ressourcen der Eltern. […] Mich hat deshalb natürlich auch die Kultur in der Türkei geprägt, über meine Zeit dort und über meine Eltern. […] Wenn ich jetzt ganz generell überlege, würde ich schon sagen, dass Regionen und der Ort, an dem man aufwächst, schon auch eine Rolle spielen, wenn man überlegt, welche kulturelle Prägung man hat. Wenn ich, um es plakativ zu machen, in Anatolien geboren wäre, auf einer breiten Ebene mit Weiden und Bergen und Tieren und hätte 15 Jahre nicht gewusst, was ein Museum ist, dann hätte ich dazu natürlich auch keine Beziehung entwickelt, bis mich dort jemand mit hin nimmt.“ (Yasemin, TK, Abs. 107)
Auch bei den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion gingen die Positionen hinsichtlich der möglichen Art und Weise eines solchen Einflusses auseinander. Elf Befragte betonten die hohe Relevanz einer klassischen Prägung im Hinblick auf Kulturangebote, die im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung und/oder zu anderen Einwanderungsgruppen zu unterschiedlichen Präferenzen im aktuellen Kulturnutzungsverhalten führen könne. Dazu beispielhaft: „Der Fokus auf kulturelle Bildung war in der ehemaligen Sowjetunion viel höher […] als in anderen Ländern und die […] Erziehung hat eher auf klassischen Werten basiert. Das hat sicherlich auch damit zu tun, was in Russland an Kulturellem vorhanden ist. Nicht jedes Land kann so eine Mannigfaltigkeit an Klassikern, Namen und Werken vorweisen, die weltweit bekannt sind. Das ist ohne Frage natürlich auch der Stolz der Russen.“ (Marija, SU, Abs. 98) „Ich würde beispielsweise sagen, dass in der ehemaligen Sowjetunion die Bereiche Theater, Oper, Ballett und Literatur eine größere Rolle gespielt haben, Kunst aber eher weniger, denn Kunst wurde inhaltlich sehr kontrolliert.“ (Jurij, SU, Abs. 121)
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„Ich denke schon, dass es einen beeinflusst, wie man Kunst und Kultur näher gebracht bekommt. In Russland war in der bildenden Kunst lange Zeit als Stil typisch der sozialistische Realismus. Diese Form der Darstellung wird auch noch immer so studiert. […] Im Theaterbereich, in der Regiekunst gibt es in Russland natürlich mehrere Richtungen, die Hauptrichtung kommt aber bis heute von dem Theaterreformer Konstantin Stanislawski aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Das […] prägt bis heute die gesamte dortige Theaterkultur. Wenn man primär das als Theaterform kennengelernt hat, wird das natürlich einen Einfluss darauf haben, was man von Theaterangeboten erwartet, egal, wo man gerade auf der Welt lebt.“ (Piotr, SU, Abs. 107)
Gleichzeitig betonten sieben Befragte, dass ihre eigenen Präferenzen hiervon vielleicht beeinflusst sind, sie aber nicht darauf fokussiert, sondern seit jeher gegenüber anderen Kultur- und Kunstformen offen gewesen seien. Dazu beispielhaft: „Für mich ist […] viel interessanter, was für mich neu ist. Kunst und Kultur der Sowjetunion habe ich als sehr homogen empfunden. In allen Ländern war auf gleiche Weise klar, wie richtiges Ballett zu sein hat. Ich besuche diese klassischen Sachen noch immer, in Deutschland genauso oft wie schon in Weißrussland, aber interessanter finde ich Sachen, die ich noch nicht kenne.“ (Iwan, SU, Abs. 128)
Die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion stellten ebenfalls infrage, ob der Einfluss von familiärer Sozialisation und das Vorhandensein kultureller Bildung (neun Personen) und/oder das tatsächliche Vorhandensein von Kulturangeboten im geografischen Umfeld vor der Migration (drei Personen) in Bezug auf das aktuelle Kulturnutzungsverhalten im Vergleich nicht eine größere Rolle spielten als die Herkunftskultur. Dazu beispielhaft: „Ich glaube, dass meine Erziehung und mein soziales Umfeld mehr damit zu tun haben als meine Herkunft. Gerade in Russland hängt es extrem davon ab, wo du aufgewachsen bist, ob es viel Kulturangebot gab. Ich kenne genug Leute, die ursprünglich aus einem Dorf kommen und damit gar nichts anfangen können, weil sie es einfach gar nicht kennen. Ich bin in einer Großstadt geboren und aufgewachsen, dort gab es alles, und in meiner Familie waren Kunst und Kultur sehr, sehr wichtig.“ (Sofia, SU, Abs. 113)
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5.2.1.2 Zugang zu Angeboten kultureller Bildung in der Kindheit In der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus wurden keine Informationen über den Zugang einzelner Sinus-Migranten-Milieus zu kultureller Bildung in der Kindheit abgefragt. Die Kulturmanagementforschung geht jedoch davon aus, dass sich die Prägung einer frühen kulturellen Bildung bei vielen Menschen durch die weiteren Lebensabschnitte zieht und am ehesten vorhersagt, ob und inwieweit Kulturangebote besucht werden. Eine besondere Rolle spielen hierbei die folgenden Faktoren: von der Familie und/oder der Schule vermittelte Wertvorstellungen, Kontakt zu Kunst- und Kultur in der Kindheit und eigenes (evtl. amateurhaftes) Praktizieren von Kunst- und Kultur.17 Gleichzeitig ist bekannt, dass der Herkunftsraum und die dortigen politischen und kulturpolitischen Wertesysteme, aus denen eine Person stammt, Einfluss auf das Kulturnutzungsverhalten ausüben können.18 Hiervon abgeleitet war es möglich, dass die Herkunftskultur der Befragten Einfluss auf die Art und Weise ausgeübt hatte, inwieweit oder mit welcher inhaltlichen Schwerpunktsetzung sie „kulturelle Bildung“ erlangt hatten. Vor diesem Kontext wurden die Befragten gebeten, Auskunft darüber zu geben, inwieweit sie als Kinder Hobbys im Bereich „kulturelle Bildung“ gepflegt (Musikinstrumente spielen, Theater, Tanz, Kunst etc.) und ob sie mit ihren Eltern Kulturangebote besucht hatten. Dies war bei einem hohen Prozentsatz der Befragten der Fall, jedoch bei Weitem nicht bei so vielen Personen, wie durch deren hohes Interesse an Kulturangeboten vielleicht zu erwarten gewesen wäre. Zudem zeigten sich hier Unterschiede zwischen den Befragtengruppen: Bei den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund gaben auf der einen Seite 46 % (zehn Personen) an, dass sie viele solcher Hobbys gehabt hatten und ihre Eltern häufig mit ihnen Kulturangebote besucht hatten, 9 % (zwei Personen) meinten, dass dies zumindest in einem gewissen Maß der Fall war. Auf der anderen Seite sagten 9 % der Befragten (zwei Personen), dass sie nur sehr wenig mit ihren Eltern bei Kulturveranstaltungen gewesen waren oder kaum solche Hobbys hatten. Und 36 % der Befragten (acht Personen) hatten gar keine solchen Hobbys und ihre Eltern waren nie mit ihnen zusammen bei Kulturangeboten (siehe Abbildung 20 auf der folgenden Seite). Bei den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion berichteten 50 % der Befragten (15 Personen) von einem hohen Maß an kultureller Bildung (viele kulturelle Hobbys und häufige Kulturbesuche 17 Siehe hierzu bspw. Keuchel/Larue 2012: 84 ff.; Keuchel/Wiesand 2006: 75 ff.; Zentrum für Kulturforschung 2005: 15; Colbert 2002: 44 f. 18 Vgl. Keuchel 2012: 88 ff.; Keuchel/Larue 2012: 148 ff.; Keuchel/Wiesand 2006: 68 ff.
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mit Eltern). 17 % (fünf Personen) gaben an, dass dies zumindest in einem gewissen Maß der Fall war. 20 % (sechs Personen) waren nur sehr wenig mit ihren Eltern bei Kulturveranstaltungen oder hatten kaum solche Hobbys. Für 13 % (vier Personen) war beides gar nicht der Fall. Die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund hatten somit im Vergleich einen etwas geringeren Zugang zu kultureller Bildung im Kindesalter als diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Abbildung 20: Hobbys im Bereich der kulturellen Bildung in der Kindheit Nein 36% (8)
Ja, aber wenig 9% (2)
Ja, zu großem Teil 46% (10)
Ja, aber wenig 20% (6)
TK
Ja, zu gewissem Maß 9% (2)
Nein 13% (4)
n = 23
Ja, zu gewissem Maß 17% (5)
Ja, zu großem Teil 50% (15)
SU
n = 30
Quelle: Eigene Erhebung.
An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass Menschen mit türkischem Migrationshintergrund als statistische Gruppe im Vergleich zu Menschen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion im Hinblick auf das Bildungsniveau damit indirekt hinsichtlich des Zugangs zu kultureller Bildung durchschnittlich schlechter abschneiden. Dies liegt vor allem darin begründet, dass der durchschnittliche Bildungsgrad bei den aus der Türkei nach Deutschland eingewanderten Menschen (1. Generation) im statistischen Mittel deutlich niedriger lag als bei Einwanderern aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion und sich Effekte hiervon zum Teil noch in den Folgegenerationen fortsetzen.19 Es ist somit stark zu vermuten, dass Unterschiede, die zwischen den beiden Befragtengruppen festgestellt wurden, nicht auf ihrem individuellen Migrationshintergrund (Mikroebene), sondern auf der Tatsache basieren, dass die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund im Durchschnitt eher aus bildungsfernen Familien stammen als diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (Makroebene). Als Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ hielt der geringere Zugang zu kultureller Bildung im Kindesalter die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund jedoch nicht von einer hohen Kulturnutzung ab.
19 Vgl. Statistisches Bundesamt 2015a: 247 f.
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Auch in der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung stellte sich heraus, dass der Anteil der mindestens stark Kulturinteressierten bei Menschen mit Migrationshintergrund aus der Türkei mit hoher Schulbildung (mind. Abitur) deutlich kleiner ist als bei Menschen ohne Migrationshintergrund oder Bevölkerungsgruppen mit anderem Migrationshintergrund mit vergleichbarem Bildungsniveau. Bei Türkischstämmigen spielte der Bildungshintergrund als Prädiktor für Kulturnutzung offenbar eine im Vergleich weniger entscheidende Rolle als bei den anderen Bevölkerungsgruppen (siehe Kapitel 3.2.2.2). 20 Gleichzeitig wurde von einer türkischstämmigen Befragten hinterfragt, inwieweit und in welchem Ausmaß Einflüsse der Herkunftskultur hier – wenn sie denn festzustellen seien – heutzutage wirklich noch eine große Rolle spielten: „Ich behaupte, dass das, was mir aufgrund von dieser Herkunft vielleicht an hochkultureller Kompetenz nicht mitgegeben wurde, dann hier in Deutschland vermittelt wurde, bspw. in der Schule. Ich glaube, dass dieser Punkt hier generell keine große Rolle mehr spielt, weil diese Menschen hier größtenteils ja schon in zweiter und dritter Generation leben. […] Im türkischen Schulsystem ist kulturelle Bildung, bspw. das Lernen von Musikinstrumenten oder Theater als Unterrichtsfach ja ebenfalls teils von der Grundschule an verankert. Das ist eine der Veränderungen, die Attatürk in der Gesellschaft verankert hat.“ (Hatice, TK, Abs. 139)
In beiden Befragtengruppen wurde von denjenigen, die mit ihren Eltern kaum oder nie zusammen bei Kulturangeboten gewesen waren, insbesondere der Einfluss von Schule und Ausbildung/Universität, die sie an diesen Bereich herangeführt hätten (elf Personen), sowie die Tatsache genannt, dass sie zwar (fast) nie bei Kulturangeboten gewesen waren, aber zumindest (teils über die Schule) ein Musikinstrument gelernt und (auch) hierüber dazu Zugang gefunden hatten (acht Personen). In der Forschung konnten keine Vergleichswerte zu dem Hintergrund von Angehörigen des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ bezüglich kultureller Bildung gefunden werden. Es kann an dieser Stelle also nur vermutet werden, dass der Einfluss von Eltern und der Institution Schule auf die Tatsache, dass Kulturangebote in verschiedenen Sinus-Migranten-Milieus mehr oder weniger genutzt werden, ebenfalls hoch ist. Dass dies im Hinblick auf Menschen mit Migrationshintergrund generell der Fall war, zeigten die Ergebnisse des „InterKulturBarometers“ (2012). Auch in dieser Studie kristallisierten sich Eltern und Schule sowohl für Menschen mit Migrationshintergrund als auch für Men-
20 Vgl. Keuchel 2012: 82 ff.
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schen ohne Migrationshintergrund als Hauptimpulsgeber für den Besuch kultureller Angebote heraus.21 5.2.1.3 Migrantenvereine und -organisationen als Kooperationspartner In der Forschung wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass für eine gezielte Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund ein Einbeziehen von Migrantenvereinen und -organisationen sinnvoll ist. 22 Vor diesem Hintergrund wurden die Antworten der Befragten in den gesamten Interviews daraufhin analysiert, ob und inwieweit sich diese im Hinblick auf solche Vereine und Institutionen geäußert hatten. Da innerhalb der Einstufung in Sinus-Migranten-Milieus in mehreren Milieubeschreibungen von den Befragten Einstellungen hierzu zu kommentieren waren (siehe digitaler Anhang), war gewährleistet, dass über alle Befragten Informationen im Rahmen dieses Themenfelds vorlagen.23 Nur acht Personen sagten explizit, dass sie mit Migrantenvereinen und -organisationen Kontakt haben, allerdings primär beruflich (TK: vier Personen, SU: eine Personen) oder um ihren Kindern die Herkunftskultur näherzubringen (TK: eine Personen, SU: zwei Personen). Umgekehrt sagten 14 Befragte mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (sprich die Hälfte von ihnen) und drei Befragte mit türkischem Migrationshintergrund explizit, dass sie zu diesen Institutionen aus Mangel an Interesse an deren Angeboten keinen Kontakt hätten. Die deutliche Mehrheit der Befragten gab neutral an, dass sie den Institutionen gegenüber keine Vorbehalte haben (TK: 70 %, 16 Personen; SU: 67 %, 20 Personen).24 Es gab aber auch sehr kritische Stimmen im Hinblick auf Migrantenvereine und -organisationen, und dies innerhalb sowohl der ersten als auch der zweiten Einwanderergeneration. Dies galt auch für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund (30 %, sieben Personen). Dazu beispielhaft:
21 Vgl. Keuchel 2012: 162 f. 22 Vgl. bspw: Keuchel 2012: 172; Allmanritter/Siebenhaar 2010: 181 ff.; Allmanritter 2009: 49 f. 23 Für alle Angaben innerhalb dieses Textabschnitts gilt entsprechend: N (TK) = 23, n (SU) = 30. 24 Aussagen der Befragten im Hinblick auf das Statement „Oft Vorbehalte auch gegenüber Angeboten von Heimat- und Kulturvereinen und anderen Migrantenorganisationen“ in Gruppe 7 der Milieubeschreibung (siehe digitaler Anhang).
176 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT „Ich bin natürlich nicht in klassischen türkischen Männercafés, und klassische Migrantenvereine interessieren mich, ehrlich gesagt, auch generell nicht. Ich empfinde Menschen, die da aktiv sind oder das besuchen, meistens als zu engstirnig. Ich glaube aber auch nicht, dass die Leute da mit mir klarkommen würden.“ (Ayse, TK, Abs. 11) „Ja, teilweise [habe ich Vorbehalte], wenn ich das Gefühl habe, sie bewahren nur etwas und sind nicht offen für Entwicklung. […] Das ist doch auch der Zweck von fast allen Immigrantenvereinen. In ihren Satzungen steht geschrieben, dass sie Kulturarbeit machen, um ihre eigenen Werte zu bewahren. […] Das ist so, als wenn man Tomaten konserviert. Wenn man sie nach zehn Jahren aufmacht, kann man sie auch noch essen, aber es riecht und schmeckt nach konservierter Tomate.“ (Nuralp, TK, Abs. 21, 99)
Das galt auch für diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (33 %, zehn Personen), die sich noch viel deutlicher äußerten. Hier beispielhaft: „Wenn sich eine Gruppe in diesem Rahmen bildet, ist die Art, wie sie mit dem Thema umgehen, aus meiner Sicht meistens negativ. Ich habe oft nicht das Gefühl, dass solche Vereine darauf abzielen, dass man sich in Deutschland wohlfühlt. Da werden eher Unterschiede betont als Gemeinsamkeiten. Selbst wenn sich so eine Gruppe für Integration ausspricht, tut sie es in der Regel in der Herkunftssprache und grenzt sich somit ab.“ (Gordej, SU, Abs. 23) „Das ist aus meiner Sicht eine Generationenfrage. Selbst wenn es in meiner Generation eine Rückbewegung oder Nostalgie gibt, wird das anders ausgelebt. Da gehen Leute eher auf eine Russendisko-Party als dass sie im russischen Chor mitsingen und im russischen Heimatverein den Aufenthalt des Kosakenchors in Frankfurt organisieren. Das ist mir zu traditionell, zu bieder, und mit den Lebenskontexten dieser Menschen habe ich sehr wenig gemein. […] Wenn du hier ein gewisses intellektuelles Niveau erreicht hast und eine gewisse Liberalität […], dann findest du das abstoßend.“ (Jewa, SU, Abs. 42) „[…] nur, weil ich in Deutschland wohne, heißt das ja nicht, dass ich jetzt hier mit Leuten kommunizieren würde, mit denen ich in Georgien auch nicht kommunizieren würde. Der Fakt, dass wir hier im Ausland sind, reicht nicht dafür aus, dass ich diesen Kontakt wollen würde. Diese Vereine sind für mich eher künstlich gebildete Vereine mit einem eher traditionellen kulturellen Akzent. Das ist fast schon nationalistisch für mich. […] Was kann mir so ein Verein anbieten? Kulturveranstaltungen mit traditioneller Volksmusik – um Gottes Willen. So etwas interessiert mich nicht, dagegen habe ich sogar eine gewisse Abneigung.“ (Kirill, SU, Abs. 21)
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Der deutliche Unterschied in der Bewertung von Migrantenvereinen und -organisationen könnte auf der Tatsache beruhen, dass die beiden Befragtengruppen unterschiedlich viele Erfahrungen mit diesen gesammelt hatten. Von Befragten mit türkischem Migrationshintergrund wurde an verschiedenen Stellen des Interviews für die Städte Berlin mit dem Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg (TBB), Frankfurt/Main mit dem dortigen Ableger der Türkischen Gemeinde, Stuttgart mit dem dortigen Deutsch-Türkischen Forum auf Institutionen aus diesem Kontext hingewiesen, die sie von der Ausrichtung her im Gegensatz zu traditionellen Migrantenvereinen und -organisationen explizit als sehr modern empfanden.25 Auch in der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung zeigte sich, dass insbesondere Menschen mit türkischem Migrationshintergrund aufgrund des hohen Grads an Selbstorganisation dieser Bevölkerungsgruppe zu einem hohen Anteil Kontakt zu Migrantenvereinen aufwiesen.26 Die Ergebnisse der Studie „Die Milieus der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund“ (2009) von Sinus zeigen jedoch für Menschen mit türkischem Migrationshintergrund auf, dass Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ (8 %) im Vergleich zu anderen Sinus-Migranten-Milieus eher weniger Kontakt zu Migrantenvereinen hatten (Milieuschnitt 14 %, bspw. religiös verwurzeltes Milieu 40 %).27 In den Interviews mit Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurden keine zentralen, für alle Einzelrepubliken der ehemaligen Sowjetunion gemeinsamen Migrantenvereine und -organisationen erwähnt. Als bekannt oder wahrscheinlich existent führten die Befragten hier stattdessen verschiedene Migrantenvereine und -organisationen auf (mindestens eine pro Land, teils übergreifende, da religiöse Vereinigungen), die schon aufgrund ihrer im Vergleich zu den oben genannten Institutionen geringen Größe vermutlich über einen geringeren Professionalisierungsgrad und eine geringere Reichweite ihrer Aktivitäten verfügen. 28 25 An dieser Stelle angegeben sind Organisationen, die innerhalb der Interviews mindestens einmal – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, inhaltliche Beurteilung und Kenntnis über die tatsächliche Verfügbarkeit des Angebots – genannt wurden. 26 Vgl. Keuchel 2012: 112 ff. 27 Vgl. Wippermann 2010: 45. 28 Für einen Überblick über die in den einzelnen Städten tatsächlich vorhandenen Migrantenvereine und -organisationen siehe für Berlin die Publikation „Integration und Migration – ein Wegweiser für Berlin“ (2014b) der Beauftragten des Senats für Integration und Migration, für Frankfurt/Main die Internetseite „Vielfalt bewegt Frankfurt“ (2015) des Amts für multikulturelle Angelegenheiten (AmkA) und für Stuttgart die Internetseite des Forums der Kulturen Stuttgart (2015).
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Die unterschiedliche Bewertung von Migrantenvereinen und -organisationen durch die beiden Befragtengruppen bedeutet für Kulturinstitutionen, dass die Sinnhaftigkeit eines Einbeziehens dieser Institutionen in ihre Bemühungen (bspw. bei der Angebotserstellung, als Multiplikatoren) je nach deren Wahrnehmung innerhalb der Zielgruppe unterschiedlich sein kann. 5.2.2 Produkt- und Servicepolitik 5.2.2.1 Kulturelle Interessen 5.2.2.1.1 Kontextualisierung des Kulturinteresses Im nächsten thematischen Untersuchungsabschnitt wurden die Befragten nach ihren Interessen hinsichtlich kultureller Angebote befragt. Für eine kontextuale Einordnung ihrer Antworten ist es hier zunächst hilfreich, das Sinus-MigrantenMilieu genauer zu betrachten, zu dem sie gehören. In den Veröffentlichungen zur Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus liegen bezüglich des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ einige Angaben vor, aus denen sich dessen kulturelles Interessenspektrum gut ablesen lässt. Das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ hat „unter allen Milieus die höchste ,Affinität zu Kunst und Kultur‘ [und ein] Faible für hochkulturelle Angebote und Formate“29. Dies ließ sich auch aus den Präferenzen dieser Gruppe für einzelne Angebote deutlich ablesen. Das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ interessiert sich von allen Sinus-Migranten-Milieus für die breiteste Palette an Angeboten und zudem für die einzelnen Angebote deutlich stärker als der Milieuschnitt, sprich die Gesamtheit der innerhalb der Studie befragten Menschen mit Migrationshintergrund. Am deutlichsten wird dies bei einem Blick auf die Angebote „Literatur(-veranstaltungen)“, bei denen das Interesse des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ fast dreimal so hoch lag wie das des Milieuschnitts (29 % vs. 10 %). Bei „Oper“ (35 % vs. 10 %) sowie „Klassische Konzerte“ (57 % vs. 16 %) lag das Interesse des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ sogar mehr als dreimal so hoch wie das des Milieuschnitts (siehe Abbildung 21 auf der folgenden Seite).30
29 Gerhards 2013a: 99. 30 Vgl. Gerhards 2013a: 99.
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Abbildung 21: Kontextualisierte Kulturinteressen 69% 54%
Kino/Film
42% 52% 60% 29% 32%
Museen/Ausstellungen
63% 59% 34% 31% 39%
Theater/Schauspiel
50%
Kabarett/Comedy/ Kleinkunst
29% 16% 27% 44% 29% 30%
Musicals
53% 35% 10% 10%
Opern
27%
Sinus I.-K. Milieu 2008 (n = 232)
31% 15% 21%
Ballett/Tanz
Sinus MH 2008 (n = 2.072)
32%
ZfK 2005 (n = 2.035) 2012 (n = 1.384)
57%
Klassische Konzerte
16% 46%
Rock/Pop-Konzerte
32%
ZfK Kulturinteressierte 2005 (n = 380)
29%
Literatur (-veranstaltungen)
10% 0%
20%
40%
60%
80%
Quelle: Cerci/Gerhards 2010a; Zentrum für Kulturforschung 2005: 12 ff.; Keuchel 2012: 96.
Im Hinblick auf das Kulturinteresse liegen für eine Kontextualisierung zudem aus den deutschlandweiten Repräsentativstudien „8. KulturBarometer“ (2005) und „InterKulturBarometer“ (2012) des Zentrums für Kulturforschung Vergleichsdaten hinsichtlich der deutschen Gesamtbevölkerung sowie hinsichtlich jener Bevölkerungsgruppe innerhalb der Gesamtbevölkerung vor, die Kulturangeboten besonders viel Interesse entgegenbringt. Auch wenn die Abfrage der Interessen dort methodisch anders erfolgte als in der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus,31 lassen sich 31 In den Befragungen für die „KulturBarometer“-Studien (2005; 2012) des Zentrums für Kulturforschung wurde offen nach Themen und/oder Bereichen gefragt, für die sich eine Person interessieren kann, dabei waren Mehrfachnennungen möglich (vgl. Zentrum für Kulturforschung 2005: 12 ff.). In der Befragung für die Studie „Die Mili-
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aus einem Vergleich dennoch grobe Tendenzen ablesen: Das Interesse des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ liegt anscheinend deutlich über dem der deutschen Gesamtbevölkerung, die bezüglich ihres Kulturinteresses in vielen Punkten der Bevölkerung mit Migrationshintergrund ähnelt (siehe Abbildung 21 auf Seite 179). Bei einem Vergleich des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ mit den oben genannten besonders kulturinteressierten Bevölkerungsgruppen zeigen sich starke Ähnlichkeiten. Das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ ist an vielen Kulturangeboten sogar noch interessierter als diese. Hinsichtlich der Kulturangebote „Theater/Schauspiel“ (59 % vs. 39 %), „Kino/Film“ (69 % vs. 52 %) und „Kabarett/Comedy/Kleinkunst“ (50 % vs. 27 %) liegt das Interesse des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ etwa 20 % über dem der Bevölkerungsgruppe innerhalb der Gesamtbevölkerung, die bezüglich Kulturangeboten hohes Interesse aufweist. In Bezug auf „Museen/Ausstellungen“ (60 % vs. 63 %) und „Ballett/Tanz“ (31 % vs. 32 %) liegen die Interessen beider Gruppen in etwa gleich auf. Nur für „Musicals“ interessiert sich das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ offensichtlich weniger als die Kulturinteressierten innerhalb der Gesamtbevölkerung (44 % vs. 53 %) (siehe Abbildung 21 auf Seite 179).32 Die „InterKulturBarometer“-Studie (2012) kam zu dem Ergebnis, dass ein Migrationshintergrund zu einer größeren Interessenvielfalt im Bereich von Kunst eus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus wurden den Befragten einzelne Angebote vorgegeben, für die sie angeben mussten, wie sehr sie sich hierfür interessierten („sehr interessant“, „interessant“, „uninteressant“, „sehr uninteressant“). Innerhalb von Auswertungsberichten wurden immer die mindestens interessanten Antworten aufgeführt (vgl. Gerhards 2013a: 99 f.). Die Antworten zu „Theater/Schauspiel“, „Oper“, „Tanz“ und „Film“ hinsichtlich der Gesamtbevölkerung stammen aus der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung (vgl. Keuchel 2012), die Angaben zu „Literatur(-veranstaltungen)“, „Rock/Pop-Konzerte“, „Klassische Konzerte“, „Ballett/Tanz“, „Musicals“, „Kabarett/Comedy/Kleinkunst“ und „Theater/Schauspiel“ aus dem „8. KulturBarometer“ (2005) des Zentrums für Kulturforschung. Angaben zu den Kulturinteressierten stammen hier (und in allen folgenden Abbildungen) ebenfalls aus dem „8. KulturBarometer“ (2005) (vgl. Zentrum für Kulturforschung 2005). 32 Ergänzend kann hinzugefügt werden, dass – mit Blick auf die Antworten der Kulturinteressierten wenig überraschend – auch der Bildungsgrad in diesem Kontext laut dem „8. KulturBarometer“ (2005) des Zentrums für Kulturforschung ein Faktor mit hohem Erklärungsgrad ist. Die Befragten mit dem höchsten Bildungsgrad hatten hier im Durchschnitt auch das breiteste und größte Interesse an Kulturangeboten (vgl. Zentrum für Kulturforschung 2005: 13).
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und Kultur führen kann, da hieraus oftmals ein Interesse an Angeboten aus verschiedenen Kulturräumen resultierte (siehe Kapitel 3.2.2.1).33 Aufgrund seiner Mehrsprachigkeit, Internationalität und multikulturellen Ausrichtung34 wies das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ in der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) im Vergleich zu den anderen Sinus-Migranten-Milieus und damit zu Menschen mit Migrationshintergrund allgemein ein besonders großes Interesse an Angeboten aus vielfältigen Kulturräumen auf. Dies wird bspw. in den Umschreibungen „selbstbewusster Umgang mit seinem multikulturellen Hintergrund, der als Bereicherung empfunden wird“35, „bi- bzw. multikulturelle Orientierung“36 und „ausgeprägtes Interesse an fremden Kulturen“37 deutlich. Es verwundert daher auch nicht, dass das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ in der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) „mehr und anspruchsvollere Kulturangebote speziell für Migranten“38 forderte. Auch wenn die Breite und die Offenheit ihres Interessenspektrums für die Angehörigen des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ im Rahmen ihres Lebensstils selbstverständlich erscheinen mögen, sie unterschieden sich diesbezüglich ebenfalls von der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund in Deutschland, denn diese „zeigt vergleichsweise selten Interesse für künstlerische Ausdrucksformen aus weiter entfernten Kulturräumen“39. 5.2.2.1.2 Interesse an Kulturangeboten Durch ihre Zugehörigkeit zum „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ war im Hinblick auf die Befragten zu erwarten, dass ihre Antworten auf die Frage „Wie interessant sind diese Freizeitangebote für Sie?“ sowohl ein breites Interessenspektrum an kulturellen Angeboten als auch ein hohes Interesse an vielen einzelnen Kulturangeboten aufzeigen würden. Gleichzeitig war mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie sich (auch) für Kulturangebote aus ihrer Herkunftskultur (sowie aus verschiedenen anderen Kulturräumen) interessieren würden. Tatsächlich entsprachen die Antworten der Befragten diesen Annahmen: Beide Befragtengruppen fanden die vielfältigsten Kulturangebote innerhalb
33 Vgl. Keuchel 2012: 88 ff. 34 Vgl. Gerhards 2013a: 47 f. 35 Cerci 2008a: 26. 36 Cerci 2008a: 26. 37 Cerci 2008a: 25. 38 Cerci/Gerhards 2009: 53. 39 Keuchel 2012: 101.
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und außerhalb des hochkulturellen Bereichs mindestens interessant (siehe Abbildung 22). Abbildung 22: Interesse an kulturellen Freizeitangeboten
Kunstmuseen
100% (22) 100% (30)
Kino/Filmvorführungen
100% (23) 93% (28)
Theater/Schauspiel (Sprechtheater)
100% (23) 93% (28) 100% (23)
Literaturveranstaltungen/Lesungen
73% (22) 100% (23)
(Wort-)Kabarett/ Comedy/Kleinkunst
63% (19) 87% (20) 86% (25)
Wissenschaftliche/ Naturkundliche Museen Klassische Konzerte
83% (19) 77% (23)
Rock/Pop-Konzerte
83% (19) 73% (22) 78% (18) 93% (28)
Historische Museen
68% (15) 53% (6)
Opern/Operetten
65% (15)
Musicals
47% (14)
TK (n = 22-23) 65% (15) 70% (21)
Ballett/Tanztheater 0%
20%
40%
60%
80%
SU (n = 29-30) 100%
Quelle: Eigene Erhebung.
Auf den ersten Blick erstaunlich wirkt, dass die Befragten sich für fast alle aufgeführten Kulturangebote sogar noch deutlich stärker interessierten, als dies für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ der Fall ist. Dieser Sachverhalt lässt sich jedoch sehr wahrscheinlich aus einem Zusammenspiel verschiedener Gründe erklären: Erstens ist zu vermuten, dass das in dieser Arbeit gewählte Stichprobenverfahren dazu geführt hat, dass innerhalb des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ diejenigen Personen befragt wurden, die besonders kulturinteressiert sind. Denn ein „hohes Interesse an klassischen Kulturangeboten (Museum, Theater, klassische Konzerte, Oper, VHS, Bibliotheken etc.) und Nutzung entsprechender Angebote“ war eines der Hauptkriterien bei der Suche nach Befragten (siehe Kapitel 4.6). Zweitens lebten alle Befragten in Großstädten, in denen ein großes Kulturangebot zur Verfügung steht (siehe Kapitel 4.3), während sich der Milieuschnitt aus Personen aus ganz Deutschland zusammensetzte und vermutlich im Durchschnitt im Vergleich über weniger Kulturangebote in seinem Umfeld verfügte.
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Es ist wahrscheinlich, dass die Existenz des großen Angebots dazu führte, dass über dieses im persönlichen Umfeld der Befragten auch verstärkt kommuniziert wurde und hieraus resultierend ein großes Interesse an entsprechenden Angeboten herausgebildet wurde. Drittens beeinflusste an dieser Stelle vermutlich der Effekt der „sozialen Erwünschtheit“ die Ergebnisse der Studie (siehe Kapitel 4.4). Je anonymer sich eine Befragung für die Teilnehmer anfühlt, desto eher sind sie bereit, ehrliche Auskünfte zu geben.40 Während es sich bei der Befragung für die Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus um eine telefonische Befragung handelte, 41 bei der den Teilnehmenden (zumindest) ein Gefühl von Anonymität vermittelbar war, handelte es sich in dieser Arbeit um eine persönliche Befragung. Es war somit möglich, dass Befragte – etwa weil von der Initiatorin der Studie und/oder gesellschaftlich als erwünscht vermutet – tendenziell ein höheres Kulturinteresse angegeben hatten, als dies tatsächlich der Fall war. Da die Befragten aufgrund des Auswahlverfahrens jedoch generell ein hohes Kulturinteresse aufwiesen und für sie daher an sich nur wenig Anlass bestand, hinsichtlich ihrer Interessen zu übertreiben, wurde hier von nur recht geringer Effektstärke ausgegangen (siehe Kapitel 4.4 und 4.6).42 Zusammenfassend konnten in den Ergebnissen innerhalb dieses thematischen Abschnitts keine nennenswerten Unterschiede zwischen den beiden Befragtengruppen festgestellt werden. Das Ranking der Kulturinteressen war bei beiden Gruppen in Bezug auf viele Angebote ähnlich, bspw. belegten bei beiden Gruppen die Antworten „Kunstmuseen“ (TK: 100 %; 22 Personen; SU: 100 %, 30 Personen), „Kino/Filmvorführungen“ (TK: 100 %; 23 Personen; SU: 93 %, 28 Personen) und „Theater/Schauspiel (Sprechtheater)“ (TK: 100 %; 23 Personen; SU: 93 %, 28 Personen) die Top 3. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich jedoch, dass hinsichtlich anderer Kulturangebote zwischen den beiden Befragtengruppen einige Interessenunterschiede bestanden. Bei fast allen angeführten Kulturangeboten 40 Vgl. bspw. Bortz/Döring 2009: 237; Schnell/Hill/Esser 2005: 358 ff. 41 Vgl. SINUS 2008: 1. 42 Möglich war hier zudem ein Einfluss der verschiedenen Frageformulierungen in beiden Studien, der zu den unterschiedlichen Ergebnissen führte. Dies kann jedoch nicht überprüft werden, denn in der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus wurde zwar offensichtlich nach der Attraktivität einzelner Kulturangebote gefragt, die genaue Frageformulierung ist jedoch nicht bekannt. Die Antwortmöglichkeiten waren in beiden Studien jeweils „sehr interessant“, „interessant“, „uninteressant“ und „sehr uninteressant“ (vgl. Gerhards 2013a: 99 f.).
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war das Interesse der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund stärker ausgeprägt, als dies bei den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion der Fall war. Dies traf nur auf die Angebote „Historische Museen“ (TK: 78 %, 18 Personen; SU: 93 %, 28 Personen) und in geringerem Maße auch auf „Ballett/Tanztheater“ (TK: 65 %, 15 Personen; SU: 70 %, 21 Personen) nicht zu, die für die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion im Vergleich attraktiver waren (siehe Abbildung 22 auf Seite 182). Es ist jedoch zu vermuten, dass hinter dem Unterschied zwischen den Befragtengruppen zum Teil Gründe liegen, die nichts mit dem individuellen Migrationshintergrund der Befragten zu tun haben (Mikroebene), sondern im jeweiligen kulturellen Angebotsspektrum vor Ort zu finden sind (Makroebene): Die drei Erhebungsorte Berlin, Frankfurt/Main und Stuttgart wurden danach ausgewählt, dass dort sowohl ein großes Kulturangebot zur Verfügung steht als auch ein generell hohes Bewusstsein für das Thema „Interkulturelle Öffnung“ herrscht (siehe Kapitel 4.3). Es ist somit realistisch davon auszugehen, dass in allen drei Orten bereits verschiedene Kulturinstitutionen angefangen hatten, gezielt auf einzelne Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund in ihrem Umfeld zuzugehen. Dabei ist es aus zweierlei Gründen wahrscheinlich, dass sie sich zunächst auf Menschen mit türkischem Migrationshintergrund konzentriert hatten: In allen drei Orten bilden diese eine zahlenmäßig große Bevölkerungsgruppe (siehe Kapitel 4.3). Zudem handelte es sich laut der deutschlandweiten und repräsentativen „InterKulturBarometer“-Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund um eine Bevölkerungsgruppe mit einem besonders hohen Anteil von Nicht-Besuchern43 (siehe Kapitel 3.2.2.2), und auf ebenjene konzentrierten sich Audience Development-Bemühungen in Deutschland bislang vor allem (siehe Kapitel 2.2.3). Es ist somit sehr wahrscheinlich, dass die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund im Vergleich bislang häufiger und gezielter von Kulturinstitutionen als Zielgruppe angesprochen wurden als diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion, und dass sich hieraus – wie auch durch die Befragten als Zusammenhang angedeutet – für Erstere durch die Besonderheit der Angebote ein positiver Effekt auf die Höhe ihrer Aufmerksamkeit für und ihr Interesse an einzelnen Angeboten ergab. Hierfür spricht zudem ein Unterschied zwischen den beiden Befragtengruppen, der zunächst verwundert: Aus den zwei bisherigen „Jugend-KulturBarometer“-Studien (2012; 2006) und der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung ist bekannt, dass die politischen und kulturpoliti43 Vgl. Keuchel 2012: 113.
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schen Wertesysteme, aus denen eine Person abstammt, ihre Seh- und Hörgewohnheiten hinsichtlich Kulturangeboten prägen und ihre Interessen und Nutzungsverhalten beeinflussen können (siehe hierzu auch Kapitel 5.2.1). Die Studien kamen in diesem Kontext bspw. zu dem Schluss, dass der hohe Stellenwert von Kunst und Kultur in den ehemals kommunistischen Systemen Osteuropas anscheinend dazu führt, dass sich Menschen mit diesem Migrationshintergrund im Vergleich zu Menschen mit anderem Migrationshintergrund und zur deutschen Gesamtbevölkerung stärker für klassische Kunst aus dem europäischen Kulturkreis interessieren und entsprechende Angebote auch häufiger nutzen.44 In dieser Arbeit war das Interesse der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund an klassischen Konzerten (TK: 83 %, 19 Personen; SU: 77 %, 23 Personen) und „Opern/Operetten“ (TK: 68 %, 15 Personen; SU: 53 %, 16 Personen) jedoch – entgegen der Erwartung, die aus den genannten Forschungsergebnissen abzuleiten gewesen wäre – höher als das derjenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion und nicht umgekehrt. Den Erwartungen wiederum entsprechend hatten die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion ein größeres Interesse an „Ballett/Tanztheater“ (TK: 65 %, 15 Personen; SU: 70 %, 21 Personen) als die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund (siehe Abbildung 22 auf Seite 182). Aufschluss über die Hintergründe des unerwarteten Antwortverhaltens geben an dieser Stelle die Aussagen der Befragten hinsichtlich der Frage „Welche der im Fragebogen genannten Kulturangebote gibt es Ihrer Kenntnis nach an Ihrem Wohnort als Angebote mit irgendeinem Bezug zu Ihrer Herkunftskultur?“, die innerhalb des Interviews gestellt wurde.45 In Bezug auf die beiden Kulturangebote, bei denen das Interesse beider Befragtengruppen die größte Ähnlichkeit aufwies – „Kunstmuseen“ (TK: 100 %, 22 Personen; SU: 100 %, 30 Personen) und „Wissenschaftliche/Naturkundliche Museen“ (TK: 87 %, 20 Personen; SU: 86 %, 25 Personen) (siehe Abbildung 22 auf Seite 182) –, konnten beide Gruppen keinerlei Angebote mit Bezug zu ihrer Herkunftskultur aufführen. Oder aber sie konnten – wie bei „Rock/Pop-Konzerte“ (TK: 83 %, 19 Personen; 73 %, 22 Personen) und „Kino/Filmvorführungen“ (TK: 100 %, 23 Personen; SU: 93 %, 28 Personen) – zwar keine konkreten aktuellen Angebote nennen, jedoch bestätigen, dass es regelmäßig Konzerte und Filmvorführungen gibt. Hinsichtlich „Klassischer 44 Vgl. Keuchel 2012: 88 ff.; Keuchel/Larue 2012: 148 ff.; Keuchel/Wiesand 2006: 68 ff. 45 Im Folgenden angegeben ist, was an dieser Stelle innerhalb der Interviews mindestens einmal – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, inhaltliche Beurteilung und Kenntnis über die tatsächliche Verfügbarkeit des Angebots – genannt wurde.
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Konzerte“, „Opern/Operetten“ und „Ballett/Tanztheater“ führten die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion regelmäßig aufgeführte Klassiker von vor allem russischen Autoren und Komponisten auf deutschen Bühnen an. Sie fügten jedoch hinzu, dass diese Angebote – wenn nicht gerade ein ganz besonderes Gastspiel aus Russland (bspw. des Moskauer BolschoiTheaters) käme – aufgrund ihrer Alltäglichkeit oftmals kaum einen besonderen Reiz auf sie ausübten. Im Gegenteil hätten sie bei besonders moderneren Inszenierungen – trotz eines allgemeinen Interesses des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ an zeitgenössischer Malerei,46 aber entsprechend den oben aufgeführten Ergebnissen des Zentrums für Kulturforschung zum prägenden Einfluss der Herkunftskultur – sogar teils eher ,Abschreckungspotenzial‘ (17 %, fünf Personen47). Währenddessen erlangten laut den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund hinsichtlich der Zielgruppe mit türkischem Migrationshintergrund kurz vor oder während des Befragungszeitraums innerhalb dieser Arbeit in Berlin, Frankfurt/Main und Stuttgart einige hochwertige Angebote große Aufmerksamkeit. Diese wurden von vielen von ihnen besucht. In allen drei Städten wurden klassische Konzerte des türkischen Komponisten und Pianisten Fazıl Say angeboten. 48 In Stuttgart wurde eine Adaption des Films „Gegen die Wand“ des deutsch-türkischen Regisseurs Fatih Akin sowie eine von dem Komponisten Ludger Vollmer komponierte und von Neco Çelik inszenierte Oper in der Jungen Oper Stuttgart gezeigt.49 In Berlin begann die gezielte Öffnung der Komischen Oper Berlin mit dem Slogan „Türkisch. Oper kann das!“50 und mit Vorstellungen, in denen ab der Spielzeit 2011/2012 die Libretti sämtlicher Stücke (auch) ins Türkische übersetzt werden. In Frankfurt/Main fand eine Sondervorstellung von Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ in der Oper Frankfurt statt, bei der einzelne Stücke in türkischer Sprache gesungen wurden.51 Zeitgleich gab es für diese Zielgruppe in besagtem Zeitraum ein großes (und von einem Großteil der Befragten auch wahrgenommenes) Angebot an Kulturveranstaltungen, die durch Migrantenvereine und -organisationen angeboten wurden. Beispielsweise wurden in Frankfurt/Main von dem dortigen Ableger der Türkischen Gemeinde und in Stuttgart mit dem dortigen Deutsch-Türkischen Forum häufig Lesungen von (welt-)bekannten türkischen und türkischstämmigen
46 Vgl. Cerci 2008a: 27. 47 N = 30. 48 Vgl. Say 2016. 49 Vgl. Oper Stuttgart 2016. 50 Vgl. Komische Oper Berlin 2016. 51 Vgl. Rupp 2011.
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Autoren angeboten (bspw. Orhan Pamuk, Feridun Zaimoğlu),52 was den Interessenunterschied zwischen beiden Gruppen hinsichtlich „Literaturveranstaltungen/Lesungen“ (TK: 100 %, 23 Personen; SU: 73 %, 22 Personen) erklären könnte (siehe Abbildung 22 auf Seite 182). Auch der deutliche Unterschied hinsichtlich „(Wort-)Kabarett/Comedy/Kleinkunst“-Veranstaltungen (TK: 100 %, 23 Personen; SU: 63 %, 19 Personen) lässt sich vor dem Hintergrund erklären, dass die oben genannten Migrantenvereine und -organisationen sowie kommerzielle Kulturanbieter in aller Regelmäßigkeit Vorstellungen von bekannten türkischen und türkischstämmigen Comedians anboten (bspw. Bülent Ceylan, Django Asül).53 Die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion konnten hingegen kaum speziell auf ihre Zielgruppe abzielende „Literaturveranstaltungen/Lesungen“ oder „(Wort-)Kabarett/Comedy/Kleinkunst“-Veranstaltungen nennen, die irgendeinen Bezug zu ihrer Herkunftskultur hatten. Die Deutlichkeit des Unterschieds weist darauf hin, dass Kabarett, Comedy und/oder Kleinkunst deshalb für Menschen mit türkischem Migrationshintergrund auch unabhängig von der Größe des Veranstaltungsangebots vor Ort eine generell höhere Bedeutung haben könnten als für Menschen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Das leicht größere Interesse der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund an „Theater/Schauspiel (Sprechtheater)“ (TK: 100 %, 23 Personen; TK: 93 %, 28 Personen) könnte sich ebenfalls vor dem Hintergrund des vorhandenen Kulturangebots erklären lassen (siehe Abbildung 22 auf Seite 182). Auch diesbezüglich gaben die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion an, dass regelmäßig Klassiker von vor allem russischen Autoren auf deutschen Bühnen aufgeführt würden, diese aufgrund ihrer Alltäglichkeit wie bei den Punkten „Klassische Konzerte“, „Opern/Operetten“ und „Ballett/Tanztheater“ aber kaum attraktiv für sie wären und bei sehr moderneren Inszenierungen im Gegenteil sogar teils eher abschrecken würden (siehe oben). Gleichzeitig konnten die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund hier folgende Beispiele nennen, die sie mit ihrer Herkunftskultur assoziierten und die in dieser Zielgruppe große Aufmerksamkeit erlangt hatten und auch von ihnen besucht wurden: das Ballhaus Naunynstraße und/oder das Theater Hebbel am Ufer in Berlin mit Stücken und/oder Inszenierungen von türkischen oder türkischstämmigen Autoren und/oder Regisseuren, die zum Teil auch als Gastspiele
52 Vgl. Deutsch-Türkisches Forum Stuttgart 2016; Türkische Gemeinde Hessen 2016. 53 Siehe hierzu bspw. Eventim 2016.
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in Frankfurt/Main und Stuttgart aufgeführt wurden (bspw. „Verrücktes Blut“ von Nurkan Erpulat).54 An zwei Stellen lassen sich die Unterschiede zwischen den Befragtengruppen nicht ohne Weiteres mit dem Kulturangebot vor Ort erklären: Vor diesem Hintergrund unklar bleibt, warum sich die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund weniger stark für „Historische Museen“ (TK: 78 %, 18 Personen; SU: 93 %, 28 Personen) interessierten als die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (siehe Abbildung 22 auf Seite 182), obwohl es im Vorfeld der Befragung innerhalb dieser Arbeit laut ihnen (auch) im Hinblick auf ihre Zielgruppe zumindest in Berlin und Stuttgart Ausstellungen bspw. zum Jahrestag des Anwerbeabkommens gab, das am 31. Oktober 1961 zwischen Deutschland und der Türkei geschlossen worden war. Laut den Befragten zogen die folgenden Angebote große Aufmerksamkeit auf sich und wurden auch von ihnen selbst besucht: die Ausstellung „Geteilte Heimat. 50 Jahre Migration aus der Türkei“ des Dokumentationszentrums und Museum über die Migration in Deutschland (DOMiD) im Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin55 sowie die Ausstellung „Merhaba Stuttgart 2011 – 50 Jahre deutsch-türkisches Anwerbeabkommen“ im Linden-Museum in Stuttgart.56 Vielleicht lagen diese Ausstellungen, die alle rund um das Jahr 2011 stattgefunden hatten, zeitlich zu weit zurück, um hier noch einen merklichen positiven Einfluss auf das allgemeine Interesse an „Historischen Museen“ auszuüben. Eventuell waren sie für die Angehörigen des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ auch inhaltlich nicht interessant, weil wirtschaftliche Migrationsgründe oder gar der Migrationsgrund „Gastarbeiter“ für sie im Vergleich zu anderen Sinus-Migranten-Milieus weit seltener zutreffen.57 Unter Umständen spielte auch eine Rolle, dass die Ausstellungen – wie von manchen Befragten (vier Personen) angedeutet – von ihrer Qualität her als nicht nur positiv wahrgenommen wurden. Möglicherweise ist in Bezug auf „Historische Museen“ auch der oben bereits aufgeführte Punkt von Bedeutung, dass die politischen und kulturpolitischen Wertesysteme, aus denen eine Person abstammt, mit in deren Kulturnutzungsverhalten hineinspielen können. Wäre dies hier der Fall, würde es bedeuten, dass die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjet54 Vgl. Ballhaus Naunynstraße 2016; Hebbel am Ufer 2016. 55 Vgl. DOMiD 2011. 56 Vgl. Stadtmuseum Stuttgart 2016. In Frankfurt/Main wurde zwischen den Jahren 2004 und 2011 im Historischen Museum die auf das weitere Themenfeld „Migration“ konzipierte Ausstellung „Von Fremden zu Frankfurtern – Zuwanderung und Zusammenleben“ gezeigt (vgl. Historisches Museum Frankfurt 2016). 57 Vgl. Cerci 2008a.
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union ein größeres Interesse an „Historischen Museen“ aufwiesen, da sie sich für die Historie des europäischen Kulturraums eventuell aufgrund der Historie ihrer Herkunftsländer etwas mehr interessierten als die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund. Ebenfalls mit dem vorhandenen kulturellen Angebot nicht erklärbar ist das größere Interesse der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund an „Musicals“ (TK: 65 %, 15 Personen; SU: 47 %, 14 Personen) (siehe Abbildung 22 auf Seite 182), denn beide Befragtengruppen konnten gleichermaßen keine entsprechenden Angebote mit Bezug zu ihrer Herkunftskultur nennen. Vielleicht kam auch hier die bereits aufgeführte kulturelle Prägung zum Tragen, und es ist nicht so, dass die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund das Format „Musical“ besonders schätzten, sondern dass umgekehrt die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion es aufgrund ihrer oben dargelegten eher klassischen Prägung besonders wenig attraktiv fanden. Inwieweit diese Begründung tatsächlich auf das unterschiedliche Interesse an den Kulturangeboten „Historische Museen“ und „Musicals“ zutrifft, muss an dieser Stelle jedoch aus Mangel an Kenntnissen offenbleiben. Zusammenfassend lässt eine Betrachtung der Ergebnisse in diesem Abschnitt somit stark vermuten, dass die tatsächlich im Umfeld vorhandenen Kulturangebote (Makroebene) sich deutlich auf kulturelle Interessen auswirken und einen Einfluss des individuellen Migrationshintergrunds auf konkrete Interessen von Personen an einzelnen Angeboten (Mikroebene) eventuell verschleiern können. Es kann an dieser Stelle somit nicht eindeutig beantwortet werden, inwieweit sich der Migrationshintergrund der Befragten auf ihre Präferenz für einzelne Kulturangebote auswirkt. Es zeigt sich in diesem Abschnitt zumindest für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund, dass ein vorhandenes und aus ihrer Sicht hochwertiges Angebot, welches aus ihrer jeweiligen Herkunftskultur stammt und/oder hierzu in irgendeiner anderen Form Bezug aufweist, sowohl zu einem hohen Interesse und eventuell auch zu einer hohen Nutzung führen kann. Zudem wirken für manche der Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion allzu moderne Angebote in den Bereichen Theater, Tanz und klassische Konzerte, vermutlich (auch) geprägt durch ihre Herkunftskultur, wenig attraktiv. 5.2.2.1.3 Interesse an Angeboten mit herkunftskulturellem Bezug Beide Befragtengruppen konnten auf die vertiefenden Fragen innerhalb der Interviews „Sind dies eher deutsche Angebote oder eher Angebote mit Bezug zu Ihrer Herkunftskultur?“ und „Interessieren Sie sich eher für Angebote von deutschen Anbietern oder eher von Anbietern mit Bezug zu Ihrer Herkunftskultur?“, die sich auf ihre Antworten in der oben genannten Frage zu ihren Kulturinteres-
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sen im Fragebogen bezogen, zunächst kaum konkrete Antworten geben. Befragte aus beiden Gruppen betonten, dass es vor allem die inhaltliche Attraktivität und die hohe Qualität der Angebote (sprich der erfüllte Kernnutzen; siehe Kapitel 2.3.1) seien, die diese unabhängig von Bezügen zu jedweden Kulturräumen für sie interessant machten oder eben nicht (TK: 78 %, 18 Personen; SU: 73 %, 22 Personen). Entsprechend gaben sie an (auch unabhängig von der Einwanderergeneration, zu der sie gehörten), keine bewussten Unterschiede hinsichtlich der Herkunft der Angebote/oder nach Bezügen zu der jeweiligen eigenen Herkunftskultur zu machen, sondern sich für Angebote aus aller Welt zu interessieren (TK: 96 %, 22 Personen; 93 %, 28 Personen58). Dazu beispielhaft: „Ich könnte jetzt keinen kulturellen Bereich identifizieren, bei dem ich sagen würde, dass Sachen aus meiner Herkunftskultur für mich per se interessanter wären. […] Ich differenziere nicht nach der Herkunft des Angebots. Mir wäre das Thema wichtiger oder ob es mich grundsätzlich anspricht. […] Ich bin sehr international und interessiere mich entsprechend auch für kulturelle Sachen aus den unterschiedlichsten Regionen. Angebote, die einen Bezug zu meiner Herkunftskultur haben, interessieren mich einfach auch.“ (Hatice, TK, Abs. 39) „Es spielt für mich generell erst einmal keine Rolle, ob ein Herkunftsbezug besteht oder nicht. Je nachdem, ob mich gerade das Angebot inhaltlich interessiert, würde ich mich entscheiden, ob ich es besuche oder nicht. Ich könnte keine Veranstaltungen nennen, bei denen es mir nur um den Herkunftsbezug geht und zu denen ich nicht gehen würde, wenn dieser nicht gegeben wäre.“ (Alexandra, SU, Abs. 31)
Aus den Antworten der Befragten lässt sich schließen, dass Angebote, die einen wie auch immer gearteten Bezug zu ihrer Herkunftskultur haben, für sie keine spezielle Bedeutung haben. Einige von ihnen ergänzten jedoch von sich aus, dass aus ihrer Sicht qualitativ hochwertige Angebote, die einen (wie auch immer gearteten) Bezug zu ihrer Herkunftskultur aufwiesen, in der Regel einen so hohen Seltenheitswert hätten, dass sie aber schon allein deshalb eine stärkere Aufmerksamkeit und ein größeres Interesse wecken würden (TK: 26 %, sechs Personen; SU: 27 %, acht Personen). Dies galt für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund. Dazu beispielhaft: „Meine Herkunftskultur bewirkt auch einfach, dass ich automatisch schaue, was es hier in Deutschland für Angebote von dort gibt. Ich schaue einfach, gibt es Ausstellungen von türkischen Künstlern, gibt es etwas aus Istanbul, gibt es etwas, was Themen aus der Türkei 58 Innerhalb dieser Frage gilt n = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30.
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mit einbezieht, spielt im Ensemble eines Theaterhauses jemand mit dem gleichen Hintergrund etc.“ (Sibel, TK, Abs. 147) „Das kommt auf die Angebote an. Wenn etwas mit Türkeibezug oder eher mit Leuten mit türkischem Migrationshintergrund zu tun hat, dann schaue ich teilweise schon eher hin und nutze die Sachen auch eher. […] Meine türkischen Wurzeln beeinflussen also schon auch, was mich interessiert, aber das ist eben nicht ausschließlich.“ (Murat, TK, Abs. 41)
Es galt auch für die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Dazu beispielhaft: „Ich würde sagen, mich interessieren Angebote aus meiner ukrainischen Herkunftskultur insbesondere, weil ich alles andere ständig um mich herum habe. Ich habe Sehnsucht nach solchen Angeboten. […] Das gibt es ja aber gar nicht, deshalb schaue ich auch andere Sachen an.“ (Gella, SU, Abs. 43) „Was aber sicherlich der Fall ist, dass es meine Aufmerksamkeit weckt und ich im Vergleich zweimal darüber nachdenke, ob es interessant sein könnte. […] Es passiert bspw., dass mir Sachen auf Russisch eher ins Auge springen oder ein Bezug zu meiner Herkunftskultur ein entsprechendes Angebot vielleicht einen Tick interessanter macht.“ (Sonja, SU, Abs. 35, 115)
Offenbar hatten Angebote, die aus ihrer jeweiligen Herkunftskultur stammen und/oder hierzu in irgendeiner anderen Form Bezug aufweisen, für die Befragten somit doch und entgegen der von ihnen geäußerten Selbsteinschätzung einen besonderen Stellenwert. Dabei handelte es sich bei beiden Befragtengruppen abhängig von ihrer Herkunftskultur um jeweils unterschiedliche Aufmerksamkeit und Interesse weckende Angebote. 5.2.2.1.4 Interesse an Cross-Culture-Formaten Sowohl in der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) und in der Studie „Kulturelle Identitäten in Deutschland“ (2010) als auch im „KulturBarometer 50+“ (2008) des Zentrums für Kulturforschung wurde darauf hingewiesen, dass insbesondere sogenannte Cross-Culture-Formate ein Lösungsmodell für eine erfolgreiche und vor allem gemeinsame Ansprache von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund durch Kulturinstitutionen sein könnten. 59 Um dieses Forschungsergebnis im Hinblick auf die hier Befragten zu überprüfen, wurden diese 59 Vgl. Keuchel 2012: 175 ff.; 2011: 29 ff.; Keuchel/Larue 2010: 26; Keuchel/Wiesand 2008: 30 ff.
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nach ihrer Einstellung zu solchen Formaten gefragt. Auf die entsprechende Frage „Was halten Sie von sogenannten Cross-Culture-Veranstaltungen?“ antwortete eine überwältigende Mehrheit der Befragten aus beiden Befragtengruppen in der Tat, dass sie diese interessant, wenn nicht sogar sehr interessant fänden (TK: 100 %, 22 Personen; SU: 86 %, 25 Personen). Nur ein sehr kleiner Teil der Befragten – und hier ausschließlich von jenen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion – fand das Format uninteressant (14 %, vier Personen) (siehe Abbildung 23). Abbildung 23: Beurteilung von Cross-Culture-Veranstaltungen Sehr interessant 59% (13)
Uninteressant 14% (4)
TK
Interessant 41% (9)
Sehr interessant 28% (8) SU
n = 22
Interessant 59% (17)
n = 29
Quelle: Eigene Erhebung.
Die Gründe, aus denen sie das Format gut fanden, waren bei beiden Befragtengruppen gleich. Dazu beispielhaft: „Es wäre doch sinnvoll […], die Angebote hätten etwas mit meiner jetzigen Kultur zu tun. Und die ist gemischt. Denn die Realität der Stadt ist, dass 70 % der Kinder und Jugendlichen Migrationshintergrund haben. […] Um dieses Publikum anzusprechen, dürfen sie weder eine reine deutsche Kultur noch eine reine türkische Kultur anbieten, sondern auch etwas Gemischtes […] Das gilt ja ebenfalls für den Kulturbereich. Man konserviert und ist nicht offen für Neues. Die Zeit, die Geschichte und das Leben wehren sich dagegen, egal, was diese Leute tun, es entwickelt sich immer etwas Neues, eine neue Synthese.“ (Nuralp, TK, Abs. 99) „So etwas finde ich super. Vielleicht klingt es wie ein Klischee, aber ich finde, es bewirkt ein besseres Verständnis und mehr Akzeptanz für eine andere Kultur. Man lernt etwas Neues, vielleicht etwas, was einem aus der eigenen Kultur fremd ist. Ich finde, es bewirkt auch, dass man mehr Respekt vor anderen Kulturen lernt.“ (Iwan, SU, Abs. 132)
Cross-Culture-Formate waren für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund jedoch offenbar im Vergleich interessanter als für diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Die Gründe für
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die positivere Einstellung der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund lassen sich in deren weiteren Erläuterungen in diesem Themenkomplex finden. Fast ein Drittel der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund (30 %, sieben Personen60), aber nur eine Person mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion deuteten von sich aus an, sie würden solche Angebote äußerst positiv finden, da sie darin eine (bislang von der Gesellschaft eher ausgebliebene) Anerkennung und Wertschätzung ihrer Kultur und ein gutes Mittel zur Offenlegung von Gemeinsamkeiten sehen. Dazu beispielhaft: „Ich würde es auch unter den Punkt ‚Akzeptanz‘ einordnen, dass man den Leuten vermittelt: ‚Ihr seid auch Deutsche, ihr gehört dazu, ihr habt beide Kulturen in euch, die deutsche und die türkische und das ist okay.‘ Es würde damit vermittelt werden: ‚Wir sind durch euch und eure Kultur bereichert.‘ Für mich wäre es ein Schritt nach vorne, in dem man ganz einfach vermittelt, dass man zusammenkommen will.“ (Helin, TK, Abs. 127) „Das finde ich gut, weil ich glaube, dass der Austausch letztendlich das Medium ist, um aus der eigenen Engstirnigkeit herauszukommen. Wenn man Einblicke in die Sichtweisen anderer Kulturkreise bspw. auf in beiden Kulturen ähnliche Problematiken bekommt, ist das sehr wertvoll. Denn dann stellt man plötzlich Schnittmengen und Gemeinsamkeiten fest und sieht nicht mehr nur mögliche Unterschiede.“ (Demian, SU, Abs. 126)
Der Grund für die im Vergleich tendenziell höhere Abneigung von Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion gegenüber Cross-Culture-Formaten lässt sich ebenfalls aus ihren weiteren Ausführungen hierzu ableiten. Sechs Personen (20 %61) – darunter diejenigen zwei, die solche Formate nicht interessant fanden – deuteten von sich aus und unabhängig von ihrem Wohnort an, dass sie von Kulturinstitutionen bereits erfolgte Ansätze in dieser Richtung zum Teil negativ empfunden hätten, da sie als eine Instrumentalisierung von Kunst und Kultur für politische und wirtschaftliche Zwecke wahrgenommen wurden. Dazu beispielhaft: „Der Hintergrund hinter solchen Veranstaltungen wie jetzt bspw. dem deutsch-russischen Jahr ist doch […] oft, dass man politische Verbindungen und wirtschaftliche Beziehungen stärken will. Kultur wird dann dafür als Mittel instrumentalisiert und es wird sicherlich sogar auch noch die Kulturförderung dafür angezapft.“ (Anton, SU, Abs. 135)
60 N = 22. 61 N = 30.
194 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT „Je kleiner, desto interessanter. Wenn es zu groß wird, dann ist es meistens eher etwas, wo sich die Länder präsentieren wollen. […] Das ist dann wie eine Art Werbeveranstaltung und ist sehr unbeweglich. Da passiert nichts Neues. Wenn es an großen Veranstaltungsorten stattfindet oder große Parteien oder die Politik beteiligt sind, machen sie meistens nichts Interessantes, sondern präsentieren nur etwas, das schön und gut ist und repräsentativ ist, etwas Sicheres ohne Risiko.“ (Antonia, SU, Abs. 134)
Gleichzeitig lassen sich aus den Aussagen der Befragten aus beiden Gruppen wichtige Hinweise ableiten, um Fallstricke zu vermeiden, wenn Kulturinstitutionen sich an entsprechenden Formaten versuchen möchten. Dazu beispielhaft: „[Ein Einbeziehen von Migrantenvereinen] finde ich total bescheuert, und das kann ganz schön nach hinten losgehen. […] so ein Migrantenverein steht ja oft auch nur für die wenigen Menschen, die daran beteiligt sind, und nicht repräsentativ für alle mit dem gleichen Hintergrund. […] Außerdem ist der Verein ja nicht automatisch kulturell hoch kompetent und liefert qualitativ hochwertigen kulturellen Input.“ (Yasemin, TK, Abs. 113) „Man muss eben aufpassen, dass man keine Klischeeveranstaltung daraus macht und es erzwungen ist. […] Ganz platt: Wenn so eine Veranstaltung mit hochqualitativer Kunst gemacht wird, dann wird es interessant sein, aber wenn es platt ist, folkloristisch wird und um ‚Mainstream‘ geht, dann nicht. Wenn es gute Kunst ist, bleibt es ja auch bei CrossCulture gute Kunst, und dann ist es interessant. Die Hauptvoraussetzung für mich ist einfach, dass das Niveau künstlerisch hoch ist.“ (Kirill, SU, Abs. 176) „An sich ist so etwas ja eine naheliegende Lösung, das entsprechende Publikum auf dem Wege ihrer nationalen Identitäten anzusprechen. […] Es wird aber gegenwärtig oft gemacht und wahrscheinlich ist das auch gar nicht so falsch. […] Das muss, finde ich, eine gute Begründung haben, warum man jetzt ein deutsch-russisches oder deutsch-türkisches Projekt hat. Wenn ich das jetzt nur mache, um die entsprechende Community zu erreichen, könnte ich ja auch gleich etwas rein Türkisches oder Russisches machen.“ (Anton, SU, Abs. 135)
Auch innerhalb des Abschnitts zu Cross-Culture-Formaten übten somit offenbar für beide Befragtengruppen Begebenheiten auf der Makroebene – wie das Empfinden einer allgemeinen mangelnden Wertschätzung für die jeweilige ,eigene‘ Bevölkerungsgruppe mit Migrationshintergrund in der Gesamtbevölkerung oder positive bzw. negative Erfahrungen mit Kulturangeboten – Einfluss auf ihre Präferenzen für bestimmte Kulturangebote aus. Diese Einflussfaktoren könnten einen gleichzeitigen Einfluss des individuellen Migrationshintergrunds auf konkre-
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te Interessen an einzelnen Angeboten (Mikroebene) eventuell verschleiern. Für Cross-Culture-Formate ist im Kontext dieser Arbeit jedoch zumindest ein impliziter gedanklicher Fokus der Befragten auf eine Mischung ihrer jeweiligen Herkunftskultur mit einer noch zu bestimmenden anderen Herkunftskultur zu vermuten. Die Befragten aus beiden Gruppen interessierten sich ganz generell stark für diese Formate, bei denen es sich dieser Logik folgend abhängig von ihrer Herkunftskultur um jeweils unterschiedliche Angebote handelte. 5.2.2.2 Nutzung von Kulturangeboten 5.2.2.2.1 Kontextualisierung der Kulturnutzung Bezüglich der Nutzung kultureller Angebote durch das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ liegen in den Veröffentlichungen zu der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus Angaben vor: Das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ nutzte mit 16 verschiedenen Kulturangeboten die breiteste Palette und liegt in der Nutzungsfrequenz (je mind. einmal in den letzten sechs Monaten) zudem deutlich oberhalb von der Gesamtheit der in der Studie befragten Personen mit Migrationshintergrund. Im Ranking der genutzten Kulturangebote unterscheidet sich das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ ebenfalls sichtbar von der deutschen Gesamtbevölkerung, für die aus der Studie „Die Sinus-Milieus in Deutschland“ (2009) von Sinus Vergleichswerte vorliegen. Die Nutzungsfrequenz von Kulturangeboten ähnelt sich bei Menschen mit Migrationshintergrund und der deutschen Gesamtbevölkerung stark, abgesehen von wenigen Ausnahmen („Kino/Film“, „Musical“). Entsprechend liegt die Nutzungsfrequenz des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ auch im Vergleich zur Gesamtbevölkerung deutlich höher und spiegelt das Faible des Milieus für Kulturangebote generell, insbesondere aber auch für hochkulturelle Angebote wider (siehe Kapitel 5.2.2.1): 62 „Museen/Ausstellungen“ haben Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ zu einem fast doppelt so hohen Anteil in den letzten sechs Monaten mindestens einmal besucht wie Menschen mit Migrationshintergrund oder die Gesamtbevölkerung (67 % vs. 34 % bzw. 33 %). Bei anderen Angeboten ist der Anteil sogar mehr als doppelt so hoch: „Theater/Schauspiel“ (49 % vs. 20 % bzw. 22 %), „Opern“ (17 % vs. 8 % bzw. 7 %), „Ballett/Tanz“ (18 % vs. 7 % bzw. 5 %) und „Klassische Konzerte“ (30 % vs. 11 % bzw. 12 %)63 (siehe Abbildung 24 auf der folgenden Seite).64 62 Vgl. Gerhards 2013a: 99. 63 Vgl. Cerci/Gerhards 2010c: 4 f., 88 f. 64 Vgl. Gerhards 2013a: 99 f.
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Abbildung 24: Kontextualisierte Kulturnutzung 72% Kino/Film
54% 40% 67%
Museen/Ausstellungen
34% 33% 49%
Theater/Schauspiel
20% 22% 36%
Kabarett/Comedy/ Kleinkunst
15% 15% 26%
Musicals
6% 12% 17%
Opern
8% 7%
Ballett/Tanz
7% 5%
18%
30% Klassische Konzerte
11% 12%
Sinus I.-K. Milieu 2008 (n = 232)
35% Rock/Pop-Konzerte
21% 18%
Sinus MH 2008 (n = 2.072)
22%
Literatur (-veranstaltungen)
Sinus Gesamt 2009 (n = 2.015)
9% 7% 0%
20%
40%
60%
80%
Quelle: Cerci/Gerhards 2010c: 4 f., 88 f.
5.2.2.2.2 Nutzung von Kulturangeboten Im Hinblick auf die Befragten war durch ihre Zugehörigkeit zum „Intellektuellkosmopolitischen Milieu“ entsprechend zu erwarten, dass ihre Antworten auf die Frage „Wie oft haben Sie diese kulturellen Freizeitangebote in den letzten 12 Monaten genutzt?“ ebenfalls sowohl ein breites Spektrum an genutzten Kulturangeboten als auch ein hohe Besuchsfrequenz bezüglich einzelner hochkultureller Kulturangebote aufzeigen würden.65 Tatsächlich entsprachen die Antworten der Befragten diesen Annahmen: Beide Befragtengruppen nutzten die vielfältigsten Kulturangebote in hoher Frequenz (siehe Abbildung 25 auf der folgenden Seite).
65 An dieser Stelle wurde bewusst nicht nach sechs Monaten gefragt, sondern nach zwölf Monaten, um die Wahrscheinlichkeit einer sozial erwünschten Antwort im Sinne einer Angabe einer überhöhten Nutzungsfrequenz zu verringern (siehe Kapitel 4.4 und 4.6).
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Abbildung 25: Besuch von Kulturangeboten in den letzten 12 Monaten Theater/Schauspiel (Sprechtheater)
87% (20) 83% (25) 87% (20) 90% (27)
Kunstmuseen Historische Museen
78% (18) 70% (21)
Wissenschaftliche/ Naturkundliche Museen
74% (17) 83% (25)
Klassische Konzerte
70% (16) 57% (17) 57% (13)
Opern/Operetten
37% (11)
TK (n = 23)
41% (9) 47% (14)
Ballett/Tanztheater 0%
50%
SU (n = 29-30) 100%
Quelle: Eigene Erhebung.
Die Ergebnisse dieses Abschnitts zeigen eine deutliche Ähnlichkeit zwischen beiden Befragtengruppen in der Breite und der Nutzungsfrequenzen von Kulturangeboten. Es zeigten sich zwischen den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund und denjenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion zum Teil große Ähnlichkeiten, zum Teil aber auch sichtbare Unterschiede in der Besuchsfrequenz einzelner Kulturangebote. Dabei deckte sich das Ranking der in den letzten zwölf Monaten am häufigsten besuchten Angebote aus dem Bereich der Hochkultur („mindestens einmal“)66 bei beiden Befragtengruppen stark mit den von ihnen geäußerten Interessen an den einzelnen hochkulturellen Angeboten (siehe Abbildung 25 und 26):
66 Für eine einfachere Lesbarkeit wurden an dieser Stelle die Antwortmöglichkeiten „Einmal“, „Zwei- o. dreimal/gelegentlich“ und „Häufiger/regelmäßig/bin Abonnent“ zusammengefasst.
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Abbildung 26: Interesse an hochkulturellen Angeboten
Kunstmuseen
100% (22) 100% (30)
Theater/Schauspiel (Sprechtheater)
100% (23) 93% (28)
Wissenschaftliche/ Naturkundliche Museen
87% (20) 86% (25) 83% (19) 77% (23)
Klassische Konzerte
78% (18) 93% (28)
Historische Museen
68% (15) 53% (16)
Opern/Operetten
TK (n = 22-23)
65% (15) 70% (21)
Ballett/Tanztheater 0%
20%
40%
60%
80%
SU (n = 29-30) 100%
Quelle: Eigene Erhebung.
Von beiden Befragtengruppen wurden am ehesten „Theater/Schauspiel (Sprechtheater)“ (TK: 87 %; 20 Personen; SU: 83 %, 25 Personen) und „Kunstmuseen“ (TK: 87 %; 20 Personen; SU: 90 %, 27 Personen) besucht (siehe Abbildung 25 auf Seite 197). Beide Angebote lagen auch im Ranking der Kulturinteressen auf den ersten beiden Plätzen (siehe Abbildung 26). „Wissenschaftliche/Naturkundliche Museen“ – im Ranking der hochkulturellen Interessen bei den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund auf dem dritten, bei den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion auf dem vierten Platz (siehe Abbildung 26) – wurden von den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion ihrem Interesse nach besucht, von den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund jedoch etwas seltener (TK: 74 %, 17 Personen; SU: 83 %, 25 Personen) (siehe Abbildung 25 auf Seite 197). Aus den Daten, die im Rahmen dieser Arbeit erhoben wurden, lässt sich hier keine Begründung für diesen Unterschied ableiten, da an dieser Stelle nicht ausreichend in die Tiefe abgefragt wurde. Auch die Kulturnutzerforschung oder eine Betrachtung des weiteren Kontexts liefern hier keine Anhaltspunkte. Umgekehrt verhält es sich mit „Historischen Museen“, die im Ranking der genutzten Kulturangebote bei den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund auf der Höhe des diesbezüglich geäußerten Interesses lagen (Ranking Platz 5). Bei den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion lag deren Nutzungsfrequenz jedoch weit niedriger, als aus deren Interessenbekundung zu erwarten war (Ranking Platz 3) (TK: 78 %, 18 Personen; SU: 70 %, 21 Personen). Für diesen Unterschied gab es in den Antworten der Befragten einen naheliegenden Grund: In Bezug auf die Attraktivität von
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Cross-Culture-Angeboten gaben vier Personen (14 %) (siehe Abbildung 23 auf Seite 192) mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion von sich aus an, dass sie solche Formate nicht interessant fänden, weil sie von Kulturinstitutionen bereits erfolgte Ansätze in dieser Richtung zum Teil negativ und als eine Instrumentalisierung von Kunst und Kultur für politische und wirtschaftliche Zwecke empfunden hatten (siehe Kapitel 5.2.2.1). Möglicherweise wurde ein solches Vorgehen aus aktuellem Anlass (so deuteten es zumindest vier von ihnen an) vor allem mit den Erfahrungen mit Angeboten innerhalb des Russlandjahres in Deutschland und des Deutschlandjahres in Russland (2012–2013)67 und dabei vor allem mit „Historischen Museen“ assoziiert. Dies schlug sich in einer generell niedrigen Besuchsfrequenz dieser Museumsform im Befragungszeitraum (2012–2014) nieder. Wäre dies der Fall, so würden hinter diesem Unterschied zum Teil Gründe liegen, die nichts mit dem individuellen Migrationshintergrund der Befragten zu tun haben (Mikroebene), sondern im jeweiligen kulturellen Angebotsspektrum vor Ort zu finden sind (Makroebene). Auch in Bezug auf die Angebote „Klassische Konzerte“ (TK: 83 %, 19 Personen; SU: 77 %, 23 Personen), „Oper/Operette“ (TK: 68 %, 15 Personen; SU: 53 %, 16 Personen) und „Ballett/Tanztheater“ (TK: 65 %, 15 Personen; SU: 70 %, 21 Personen) unterschieden sich die beiden Befragtengruppen in der Besuchshäufigkeit der Angebote (siehe Abbildung 25 auf Seite 197). Hierbei ist zunächst auffällig, dass bei beiden Befragtengruppen die Nutzung dieser Angebote deutlich unterhalb des im entsprechenden Ranking bekundeten Interesses an hochkulturellen Angeboten lag („Klassische Konzerte“: TK: Platz 4, SU: Platz 5; „Oper“: TK: Platz 6, SU: Platz 7; „Ballett/Tanztheater“: TK: Platz 7, SU: Platz 6). Es ist zu vermuten, dass hier vor allem die in der Regel höheren Eintrittspreise von diesen drei Angeboten im Vergleich zu Theateraufführungen und insbesondere Museen ein Hindernis für häufigere Besuche darstellten. Dies würde sich mit einem Ergebnis der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus decken, dass auch „das kulturell extrem begeisterungsfähige Milieu sein Interesse nicht gleichermaßen in die Tat umsetzen [kann]. Auch hier mangelt es manchmal letztlich an Zeit und Geld.“68 Gleichzeitig bildete die unterschiedliche Nutzungsfrequenz von Kulturangeboten zwischen den Befragtengruppen hier nicht konsistent ab, was aus einer herkunftskulturellen Prägung und den daraus resultierenden unterschiedlichen Seh- und Hörgewohnheiten der beiden Gruppen zu erwarten gewesen wäre. Wie in Kapitel 5.2.1 herausgearbeitet, wäre zu vermuten gewesen, dass trotz der gemeinsamen Zugehörigkeit zum „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ die Be67 Siehe hierzu Auswärtiges Amt 2016a. 68 Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 99.
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fragten mit türkischem Migrationshintergrund eine etwas geringere Affinität zu klassischen Konzerten sowie zu Opern- und Ballett/Tanztheateraufführungen aufweisen würden als diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Hinsichtlich der Nutzung kann dies jedoch zumindest in Bezug auf die Befragten nur zum Teil bestätigt werden, wie auch schon bei den Kulturinteressen der beiden Gruppen. Die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion hatten – der oben beschriebenen Erwartungshaltung entsprechend – häufiger Ballett/Tanztheater besucht als die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund (TK: 41 %, neun Personen; SU: 47 %, 14 Personen). Die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund hatten jedoch entgegen dieser Erwartungshaltung häufiger Klassische Konzerte (TK: 70 %, 16 Personen; SU: 57 %, 17 Personen) und Opern/Operetten (TK: 57 %, 13 Personen; SU: 37 %, 11 Personen) besucht als die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (siehe Abbildung 25 auf Seite 197). Wie bei den äquivalenten Unterschieden bezüglich der Kulturinteressen ist hier davon auszugehen, dass hinsichtlich klassischer Konzerte und Opernaufführungen nicht der individuelle Migrationshintergrund der Befragten Einfluss ausübte (Mikroebene), sondern dass das jeweilige kulturelle Angebotsspektrum vor Ort (Makroebene) einen hier auftretenden Effekt in dieser Richtung überlagerte. Wie in Kapitel 5.2.2.1 aufgezeigt werden konnte, fanden insbesondere auf diese beiden kulturellen Angebote bezogen in den Erhebungsorten gezielte Bemühungen verschiedener Kulturinstitutionen in Bezug auf die Zielgruppe der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund statt. Die Befragungsergebnisse sprechen stark dafür, dass diese Bemühungen zumindest die hier befragten Personen innerhalb des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ zu einer erhöhten Besuchsfrequenz bewegt haben. Hierfür sprechen auch weitere Befragungsbefunde: Die prozentuale Abweichung zwischen Interesse und Nutzung lag bei den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund bei den Angeboten „Klassische Konzerte“ (TK: 7 % vs. SU: 20 %) und „Opern/Operetten“ (TK: 12 % vs. SU: 17 %) niedriger als bei den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Gleichzeitig war die Abweichung zwischen Interesse und Nutzung bei dem Angebot „Ballett/Tanztheater“ bei beiden Befragtengruppen annähernd gleich (TK: 24 % vs. SU: 23 %). Dies deckt sich mit der Tatsache, dass im Befragungszeitraum trotz ausführlicher Recherche entweder keine besonderen Bemühungen hinsichtlich der beiden Zielgruppen gefunden wurden (türkischer Migrationshintergrund), oder wenn, dass dann am ehesten in Form von Aufführungen von vor allem russischen Autoren und Komponisten im Rahmen des Standardprogramms stattfanden (Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion), die laut
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den Befragten aufgrund ihrer Alltäglichkeit oftmals kein besonderes Interesse weckten (siehe Kapitel 5.2.2.1).69 Die Ergebnisse innerhalb dieses Abschnitts zeigen, inwieweit das Vorhandensein einzelner Angebote vor Ort, die aus der jeweiligen Herkunftskultur der Befragten stammen und/oder hierzu in irgendeiner anderen Form Bezug aufweisen, je nachdem, ob sie positiv oder negativ bewertet werden, einen entsprechenden positiven oder negativen Einfluss auf das globale Interesse und die globale Nutzung des Angebots ausübt. Hierbei handelte es sich abhängig von der Herkunftskultur bei beiden Befragtengruppen um jeweils unterschiedliche Angebote. 5.2.2.2.3 Nutzung von Angeboten mit herkunftskulturellem Bezug Wie in Bezug auf ihre Kulturinteressen konnten beide Befragtengruppen auf die vertiefende Frage innerhalb der Interviews „Wenn Sie sowohl deutsche Angebote als auch Angebote von Anbietern aus Ihrer Herkunftskultur nutzen, welche Angebote nutzen Sie eher?“, die sich auf ihre Aussagen zu ihrer Nutzung von Kulturangeboten im Fragebogen bezog, kaum konkrete Antworten geben. Beide Befragtengruppen gaben im Hinblick auf ihre Nutzung von Kulturangeboten (auch unabhängig von der Einwanderergeneration, zu der sie gehörten) zu einem Großteil an, keine bewussten Unterschiede hinsichtlich der Herkunft der Angebote oder nach Bezügen zu der jeweiligen eigenen Herkunftskultur zu machen, sondern international ausgerichtet zu sein. Als problematisch ergänzten die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion, dass es generell nur sehr selten entsprechende und zugleich für sie interessante Angebote gäbe (17 %, fünf Personen). Keiner der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund äußerte sich in dieser Richtung. Viele Befragte aus beiden Gruppen hatten in den letzten zwölf Monaten Angebote besucht, die einen (wie auch immer gearteten) Bezug zu ihrer Herkunftskultur aufwiesen (Sprache, 69 Erwähnenswert ist hier zudem, dass sich bei genauerer Betrachtung auch nicht herausstellt, dass die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund aufgrund von Einmalbesuchen höhere Werte aufweisen: „Opern“ (TK: „Einmal“: 21,7 %, „Zwei- o. dreimal/gelegentlich“: 17,4 %, „Häufiger/regelmäßig/bin Abonnent“: 17,4 % vs. SU: „Einmal“: 26,7 %, „Zwei- o. dreimal/gelegentlich“: 6,6 %, „Häufiger/regelmäßig/bin Abonnent“: 3,3 %), „Klassische Konzerte“ (TK: „Einmal“: 21,7 %, „Zwei- o. dreimal/gelegentlich“: 26,1 %, „Häufiger/regelmäßig/bin Abonnent“: 21,7 % vs. SU: „Einmal“: 20 %, „Zwei- o. dreimal/gelegentlich“: 26,7 %, „Häufiger/regelmäßig/bin Abonnent“: 10 %). Der Hauptunterschied zeigt sich bei denjenigen, die besonders häufig zu diesen Angeboten gehen, dies sind vor allem die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund.
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Künstler, Autoren etc.) (TK: 78 %, 18 Personen; SU: 70 %, 21 Personen70). Sie meinten jedoch, nicht gezielt danach gesucht und/oder diese nach dem Kriterium eines herkunftskulturellen Bezugs ausgewählt zu haben. Dazu beispielhaft: „Ich habe sowohl Veranstaltungen besucht, die etwas mit türkischer Kultur zu tun hatten, als auch Veranstaltungen, bei denen das nicht der Fall war. Das war […] kein Auswahlkriterium. Ich schaue gern Veranstaltungen aus verschiedenen Kulturen an, vor allem interkulturelle oder Veranstaltungen mit zeitgenössischer Musik, Kunst oder zeitgenössischem Theater. Wenn das jetzt etwas auch mit türkischer Kultur zu tun hat, interessiert es mich natürlich ein bisschen mehr als vielleicht bei anderen Kulturen. […] Dass etwas Bezug zu türkischer Kultur hat, wird für mich allein nicht genügen.“ (Erkan, TK, Abs. 35–39) „Ich habe eine Vorliebe für Klassisches, und deshalb hat meine Nutzung natürlich eine Schnittmenge mit Angeboten aus meiner Herkunftskultur, denn von dort gibt es viel Gutes aus diesem Bereich. Das heißt aber natürlich nicht, dass ich nur diese Angebote nutze. […] Aber ich finde, da kann man diskutieren, inwieweit diese Klassiker noch Bezug zu meiner Herkunftskultur haben oder einfach Weltkultur sind. […] Der Großteil der Angebote, die ich in den letzten 12 Monaten besucht habe, hatte aber nichts mit meiner Herkunftskultur zu tun.“ (Larisa, SU, Abs. 37)
Ähnlich wie bei den Ergebnissen zu den kulturellen Interessen der Befragten zeigte sich an dieser Stelle, dass Angebote, die aus ihrer jeweiligen Herkunftskultur stammten und/oder hierzu in irgendeiner anderen Form Bezug aufwiesen, größere Aufmerksamkeit weckten und bei inhaltlichem Interesse von ihnen eventuell auch besucht wurden. Obwohl die Befragten selbst kaum einen Einfluss ihrer Herkunftskultur auf die Nutzung der von ihnen in den letzten zwölf Monaten besuchten Kulturangebote sahen, gab es offenbar einen entsprechenden unbewusst wirkenden Effekt. Hierbei handelte es sich bei beiden Befragtengruppen jeweils um Angebote mit unterschiedlichem herkunftskulturellen Bezug. 5.2.2.2.4 Soziale Dimension der Kulturnutzung Kulturbesuch als Gemeinschaftserlebnis In der Kulturmanagementforschung wird von einem Kernnutzen von Kulturbesuchen (Besuch eines Kulturangebots in hoher Qualität), aber auch von einer sozialen Nutzendimension ausgegangen. Diese führt dazu, dass entsprechende Angebote in den meisten Fällen in Begleitung, bspw. mit dem Partner, mit Familienmitgliedern oder mit Freunden, besucht werden (siehe Kapitel 2.3.1). Laut 70 Innerhalb dieser Frage gilt n = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30.
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dem aktuellen Stand der Publikumsforschung in Bezug auf die deutsche Gesamtbevölkerung finden zwischen 80 und 90 % der Theaterbesuche und etwa 80 % der Museumsbesuche in Begleitung statt. Einzig bei den Kunst- und Kulturgeschichtsmuseen findet sich ein Besucheranteil von bis zu 40 bzw. bis zu 30 %, der Ausstellungen allein besucht. Für eine passgenaue Ansprache von potenziellen Besuchern ist es somit wichtig zu wissen, ob nur eine oder gleich mehrere Personen an einem Besuch beteiligt wären (bspw. für Gruppenangebote), und wenn, um wen es sich handelt (bspw. Erwachsene und/oder Kinder).71 Im Rahmen der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus wurden für jedes Sinus-MigrantenMilieu die (maximal) sechs wichtigsten „Nutzungsmotive für künftige Nutzung“ von Kulturangeboten erhoben. 72 Hierbei findet sich auch ein Hinweis auf die Bedeutung von Begleitpersonen für einen Kulturbesuch für das „Intellektuellkosmopolitische Milieu“: Während die Gesamtheit der Menschen mit Migrationshintergrund (Milieuschnitt) zu 42 % als Motiv „Nette Leute treffen“ angab, kam dieser Grund in den Antworten des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ zumindest innerhalb der dort aufgeführten und offenbar (erst-)genannten sechs Motive nicht vor (siehe Kapitel 5.2.5.2). Die Befragten wurden vor diesem Hintergrund im Verlauf der vorliegenden Untersuchung gefragt: „Wenn Sie zu einer Kulturveranstaltung gehen, besuchen Sie diese mit jemandem zusammen?“ Auf Basis der geschilderten Forschungsergebnisse bezüglich des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ war davon auszugehen, dass sie zwar ebenfalls zu einem hohen Prozentsatz Kulturveranstaltungen in Begleitung besuchen würden, das Vorhandensein einer Begleitperson für sie im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen jedoch aus mehrerlei Gründen keine so große Bedeutung haben würde: Ihr generell sehr hohes Kulturinteresse und ihre große Erfahrung mit Kulturbesuchen (siehe Kapitel 5.2.2.1 und 5.2.2.2) machten es bei beiden Befragtengruppen sehr wahrscheinlich, dass persönliche Zugangsbarrieren und/oder Barrieren aufgrund von Sozialisation und Vorbildung keine große Relevanz haben würden und eine fehlende Begleitung, die diese abmildern könnte, für einen Kulturbesuch nicht notwendig sein würde (siehe Kapitel 2.3.3). Zudem war es möglich, dass sie aus den gleichen Gründen bei einem Kulturbesuch vor Ort auf Personen treffen würden, die sie bereits kennen und auch hierdurch nicht allein blieben. Gleichzeitig ließ ihre Präferenz insbesondere für Kunstmuseen vermuten, dass sie entsprechende Angebote wie
71 Vgl. Föhl/Lutz 2011: 51 f.; Wegner 2011: 122; Klein 2008a: 45 ff., 87 ff.; 2005: 121 ff.; Manschwetus 2008: 49. 72 Vgl. Cerci/Gerhards 2010c: 56 ff.
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auch die deutsche Gesamtbevölkerung zu einem nicht unwesentlichen Anteil auch allein besuchen würden. In der Tat gab ein hoher Prozentsatz der Befragten aus beiden Gruppen an, dass er Kulturangebote eher in Begleitung besucht (TK: 65 %, 15 Personen; SU: 41 %, 12 Personen). Doch auch wenn ein Kulturbesuch von ihnen offenbar gern zusammen mit anderen Personen vorgenommen wird, zeigt sich, wie erwartet, dass dies für sie nicht unbedingt notwendig ist. Ein ebenfalls großer Anteil der Befragten gab an, dass er wechselnd einmal mit anderen zusammen, einmal ohne Begleitung zu Kulturangeboten gehe (TK: 35 %, acht Personen; 52 %, 15 Personen). Dass ein alleiniger Besuch nicht unbedingt ihrer Präferenz entspricht, zeigt der geringe Anteil derjenigen, die Kulturangebote generell eher allein besuchen: Keiner der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund und nur zwei Befragte mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion gaben an, dies zu tun (6,9 %) (siehe Abbildung 27). Abbildung 27: Alleiniger oder gemeinschaftlicher Kulturbesuch Eher gemeinsam 65% (15)
SU
TK
Mal so, mal so 35% (8)
Eher gemeinsam 41% (12)
Eher allein 7% (2)
n = 23
Mal so, mal so 52% (15)
n = 29
Quelle: Eigene Erhebung.
An dieser Stelle zeigt sich ein Unterschied zwischen den beiden Befragtengruppen: Offenbar gingen die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund in der Tendenz eher in Begleitung zu Kulturveranstaltungen als die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Über die hinter diesem Unterschied liegenden Gründe kann nur gemutmaßt werden. Es ist ebenfalls möglich, dass die Befragten nicht freiwillig, sondern aufgrund eines Mangels an Begleitpersonen allein zu Kulturangeboten gehen. Die „InterKulturBarometer“-Studie (2012) zeigte, dass bei Menschen mit Migrationshintergrund ganz generell häufig mangelndes Interesse im Umfeld (Familie, Freizeitpartner) ein Grund für einen Nicht-Besuch war (siehe Kapitel 3.2.2.5).73 Dafür, dass dieser Zusammenhang für die Befragten gelten könnte, hätte auch gesprochen, dass die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund in ihrer Kindheit im Ver73 Vgl. Keuchel 2012: 167 ff.
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gleich seltener Zugang zu Angeboten kultureller Bildung hatten als diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (siehe Kapitel 5.2.1). Allerdings hätte die „InterKulturBarometer“-Studie (2012) diesen Zusammenhang eher für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund prognostiziert als für diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion.74 Da es jedoch im Gegenteil die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion waren, die seltener in Begleitung zu Kulturveranstaltungen gehen, eignet sich der Erklärungsansatz der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) hier anscheinend nicht als Erklärung für die unterschiedlichen Antworten beider Befragtengruppen. Laut den Ergebnissen der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) befanden sich innerhalb des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ zumindest auf Bundesebene in etwa gleichen Anteilen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund und mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (12 % vs. 13 %) (vgl. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 95). Es ist unwahrscheinlich, dass die Verteilung in den drei Erhebungsorten hiervon grundlegend abwich (siehe Kapitel 4.3). Es ist somit ebenfalls unwahrscheinlich, dass die festgestellten Unterschiede zwischen den Gruppen darin begründet lagen, dass sich in ihrem sozialen Umfeld unterschiedlich viele Personen aus dem „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ befanden, die sie zu Kulturbesuchen mitnehmen konnten (Makroebene). In der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung findet sich der Hinweis, dass „migrantische Bevölkerungsgruppen Kulturbesuche [im Vergleich zur deutschen Gesamtbevölkerung] gegebenenfalls stärker als Gemeinschaftserlebnis definieren und weniger aus traditionellen oder ästhetischen Gründen ‚konsumieren‘“75. Die Studie stellt hierbei einen Zusammenhang zu dem Kulturbegriff her, der speziell bei Bevölkerungsgruppen mit Migrationsgeschichte aus weiter entfernten Kulturkreisen (wozu in der Studie die Türkei gezählt wird) oft stärker mit gemeinschaftlicher und/oder familiärer Unterhaltung assoziiert wird.76 Es spricht somit viel dafür, dass hier kulturell bedingte Unterschiede in die voneinander abweichenden Antworten beider Gruppen hineinspielten und die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund aus noch unbekannten Gründen in der Tendenz weniger gern ohne Begleitung zu Kulturangeboten gehen als die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern
74 Vgl. Keuchel 2012: 167 ff. 75 Keuchel 2012: 167 f. 76 Vgl. Keuchel 2012: 36 ff.,167 f.
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der ehemaligen Sowjetunion und sich deshalb stärker um eine Begleitperson bemühten als diese.77 Begleitpersonen bei einem Kulturbesuch Die Befragten wurden ergänzend gefragt, wenn sie mit anderen zusammen Kulturangebote besuchten, mit wem sie dies tun würden. In Bezug auf diese Frage ließ sich aus der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus keinerlei direkte Information für die einzelnen Sinus-Migranten-Milieus ableiten. Es liegen jedoch aus der weiteren Publikumsforschung Vergleichsdaten für die deutsche Gesamtbevölkerung vor: Kulturangebote werden von dieser ganz generell zumeist im Freundeskreis und/oder mit der Familie konsumiert,78 bei Theaterbesuchen sind die begleitenden Personen am ehesten (Ehe-)Partner, gefolgt von Freunden und Bekannten und Familie, bei Museumsbesuchen handelt es sich dabei an erster Stelle um Partner oder Freunde. 79 Es gab keinen Anlass, davon auszugehen, dass sich das „Intellektuellkosmopolitische Milieu“ und/oder die Befragten in diesem Kontext stark abweichend von der Gesamtbevölkerung verhalten würden. Zu vermuten war aufgrund der Ergebnisse der vorhergehenden Abschnitte, dass bei den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund im Vergleich zu denjenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion aufgrund eines unterschiedlichen Kulturbegriffs die Familie einen etwas wichtigeren Stellenwert einnehmen könnte – allerdings nur, wenn in dieser überhaupt Interesse an Kulturangeboten bestand. In den Antworten beider Befragtengruppen zeigten sich zunächst eine große Gemeinsamkeit und eine hohe Schnittmenge mit den Vergleichsdaten für die 77 Erwähnt sei an dieser Stelle, dass sich die Idee einer solch unterschiedlichen Prägung mit der Vorstellung von Geert Hofstede decken würde, der davon ausgeht, dass sich Kulturen nach individualistischer und kollektivistischer Ausrichtung unterscheiden lassen. In einem Ranking des Forschers nach Grad des Individualismus der vorherrschenden Kultur der Türkei und bspw. Russland kommen beide Länder jedoch auf annähernd den gleichen Wert (Türkei: 37 Punkte auf einer Skala von 0–100; Russland: 39 Punkte) (vgl. Hofstede 2001: 215). Hofstedes Ansatz wird in dieser Veröffentlichung nicht vertiefend thematisiert, da er im Bereich der Culture Studies deutlich dafür kritisiert wird, dass sich aus seiner Forschung ableiten ließe, es gäbe homogene nationale Kulturen (siehe hierzu überblickshaft bspw. Schugk 2004: 132 ff.). Sein Ansatz steht damit ebenfalls der Grundaussage der dieser Veröffentlichung zugrunde liegenden Sinus-Migranten-Milieus entgegen (vgl. SINUS 2008). 78 Vgl. Manschwetus 2008: 49. 79 Vgl. Föhl/Lutz 2011: 51; Wegner 2011: 122.
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deutsche Gesamtbevölkerung: Die häufigsten Begleitpersonen waren sowohl für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund als auch für die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion „Freunde“ (TK: 83 %, 19 Personen; SU: 86 %, 25 Personen) und „Partner“ (TK: 61 %, 14 Personen; SU: 59 %, 17 Personen) (siehe Abbildung 28). Abbildung 28: Begleitpersonen bei einem Kulturbesuch 83% (19) 86% (25)
Freunde 61% (14) 59% (17)
Partner
44% (10)
Kinder
14% (4) 39% (8)
Weitere Familie Arbeitskollegen
7% (2)
TK (n = 23, Ø = 2,4)
17% (4)
SU (n = 29, Ø = 1,7)
3% (1) 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Quelle: Eigene Erhebung.
In den weiteren Ergebnissen unterschieden sich die beiden Gruppen jedoch: Die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund besuchen Kulturangebote wesentlich häufiger zusammen mit Kindern (TK: 44 %, zehn Personen; SU: 14 %, vier Personen) und ihrer weiteren Familie (TK: 39 %, acht Personen; SU: 7 %, zwei Personen), als dies bei den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion der Fall. Es kann nur vermutet werden, welche Gründe hinter diesen Unterschieden liegen. Es ist wahrscheinlich, dass sie sich zum Teil aus der Zusammensetzung der Befragten erklären lassen, denn innerhalb der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund war der Anteil der Personen, die zur ersten Einwanderergeneration gehörten, im Vergleich zu den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion sichtbar geringer (TK: 1. Generation: neun Personen, 2. Generation: zwölf Personen, 3. Generation: eine Personen vs. SU: 1. Generation: 28 Personen, 2. Generation: zwei Personen, dritte Generation: null Personen80). Die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion hatten aus diesem Grund vermutlich wesentlich seltener Familienangehörige in ihrem direkten geografischen Umfeld, mit denen sie Kulturangebote hätten besuchen können, als die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund. Der Unterschied in den Generationenzugehörigkeiten zwischen den Befragtengruppen ist hier jedoch 80 N = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30.
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nicht so groß, dass er als der einzige Erklärungsgrund für die Unterschiede in ihren Antworten ausreicht. Auch der deutliche Unterschied im Hinblick auf Kulturbesuche zusammen mit Kindern überrascht, hatten doch etwa genauso viele Befragte mit türkischem Migrationshintergrund kleine Kinder wie die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (TK: 39 %, neun Personen; SU: 33 %, zehn Personen81). Das Ergebnis in diesem thematischen Abschnitt bestätigt somit, dass Kulturbesuche als Erlebnis mit der ganzen Familie bei den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund tatsächlich im Vergleich zu denjenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion eine wichtigere Rolle einnehmen. Mit Kulturbesuchen kombinierte Aktivitäten Einen weiteren Hinweis auf die Relevanz sozialer Aspekte eines Kulturbesuchs für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ liefern Angaben darüber, inwieweit es diese mit anderen Aktivitäten verknüpft. Hierzu liegen innerhalb der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) und der Studie „Die Sinus‐Milieus in Deutschland“ (2009) von Sinus Vergleichsdaten des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ mit der deutschen Gesamtbevölkerung und der Bevölkerung mit Migrationshintergrund vor (siehe Abbildung 29). Abbildung 29: Kontextualisierte mit Kulturbesuchen kombinierte Aktivitäten 58%
Besuch von Restaurant/ Kneipe/Café
37% 40% 24% 23%
Besuche nur die Kulturveranstaltung
31% 23% 22%
Besuch bei Freunden/ Verwandten
14%
Sinus I.-K. Milieu 2008 (n = 232)
14% 11% 10%
Stadt-/Einkaufsbummel
Sinus MH 2008 (n = 2.072)
4% 4% 5%
Sonstiges
0%
Sinus Gesamt 2009 (n = 2.015) 20%
40%
Quelle: Cerci/Gerhards 2010e: 4, 33.
81 N = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30.
60%
80%
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Die Ergebnisse aus den Studien „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) und „Die Sinus-Milieus in Deutschland“ (2009) von Sinus bestätigen zunächst die Feststellung der „InterKulturBarometer“Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung und zeigen auf, dass Menschen mit Migrationshintergrund einen Kulturbesuch häufiger mit sozialen Aktivitäten wie einem „Besuch von Freunden/Verwandten“ verbinden (siehe Abschnitt „Begleitpersonen bei einem Kulturbesuch“), als dies in der deutschen Gesamtbevölkerung der Fall ist (22 % vs. 14 %) (siehe Abbildung 29). Dies gilt ebenfalls für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“, dessen Verhalten sich in diesem Zusammenhang mit dem der Bevölkerung mit Migrationshintergrund deckt (23 %). Sowohl Menschen mit Migrationshintergrund als auch Menschen ohne Migrationshintergrund verbinden einen Kulturbesuch augenscheinlich sehr gern mit der Nutzung gastronomischer Angebote. Für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ gilt dies jedoch offenbar ganz besonders: Es verbindet einen Kulturbesuch noch wesentlich häufiger als die deutsche Gesamtbevölkerung und die Bevölkerung mit Migrationshintergrund mit einem Besuch von sozialen Treffpunkten wie Restaurants, Kneipen und Cafés (58 % vs. 37 % bzw. 40 %).82 Für die Antworten der Befragten ließen diese Studienergebnisse zunächst erwarten, dass sie ihre kulturellen Aktivitäten ihrer Zugehörigkeit zum „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ entsprechend ebenfalls sehr häufig mit einem Besuch von Restaurants, Kneipen und Cafés koppeln würden, zu einem gewissen Anteil auch mit einem Besuch von Freunden und Verwandten, oder eben mit keiner weiteren Aktivität, zu einem kleinen Anteil eventuell auch mit einem Stadt- und/oder Einkaufsbummel. Die Antworten auf die Vertiefungsfrage im Fragebogen „Wenn Sie ein Kulturangebot besuchen, verbinden Sie dies normalerweise mit anderen Aktivitäten?“ zeigten: Die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund und diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion hatten gemeinsam, dass für sie der Besuch von Restaurants (TK: 91 %, 21 Personen; SU: 53 %,16 Personen), Cafés (TK: 70 %, 16 Personen; SU: 67 %, 20 Personen) und Kneipen (TK: 57 %, 13 Personen; SU: 43 %, 13 Personen) besonders häufig zu einem Kulturbesuch dazugehört. Ebenfalls gaben sie an, dass sie nur zu einem geringen Anteil, wenn überhaupt, lediglich ein Kulturangebot besuchen und dies mit keiner weiteren Aktivität verbinden (TK: 0 %, null Personen; SU: 16 %, vier Personen) (siehe Abbildung 30 auf der folgenden Seite).
82 Vgl. Cerci/Gerhards 2010e: 4, 33.
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Abbildung 30: Mit Kulturbesuchen kombinierte Aktivitäten 91% (21)
Restaurantbesuch
53% (16) 70% (16) 67% (20)
Cafébesuch
57% (13) 43% (13)
Kneipenbesuch 17% (4)
Stadtbummel
33% (10)
Besuch bei Freunden/ Bekannten
9% (2) 37% (11) 4% (1)
Einkaufsbummel Besuch bei Verwandten
TK (n = 23, Ø = 2,5)
7% (2)
Besuche nur die Kulturveranstaltung
SU (n = 30, Ø = 2,4)
16% (4)
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Quelle: Eigene Erhebung.
Ein Kulturbesuch ist für die Befragten aus beiden Gruppen somit anscheinend, wenn irgend möglich, bevorzugt ein soziales Ereignis, das gemeinsam mit anderen begangen wird. An dieser Stelle mag es zunächst verwundern, dass die Antworten der Befragten sichtbar von den Vergleichswerten für das „Intellektuellkosmopolitische Milieu“ abweichen, denn die Befragten besuchten im Vergleich zu diesem noch häufiger Restaurants, Kneipen und Cafés zusammen mit dem Kulturangebot, während sie gleichzeitig weit seltener nur das Angebot an sich wahrnahmen. Diese Abweichung lässt sich jedoch sehr wahrscheinlich damit begründen, dass die Befragten alle in Großstädten lebten: In allen drei Städten, aus denen die Befragten stammten, steht nicht nur ein großes Kulturangebot, sondern gemessen an der Einwohnerzahl auch ein großes Angebot an Restaurants, Kneipen oder Cafés in deren Umfeld zur Verfügung,83 während sich der Milieuschnitt innerhalb der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) aus Personen aus ganz Deutschland zusammensetzte und vermutlich im Durchschnitt über im Vergleich weniger solcher Angebote im Umfeld verfügte. In den weiteren Ergebnissen zeigten sich jedoch zwischen beiden Befragtengruppen deutliche Unterschiede: Die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund verbanden ihre Kulturbesuche im Vergleich zu denjenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion weit häufiger mit Aktivitäten, die außerhalb der Wohnstätten ihres sozialen Umfelds lagen, während Letztere sie genau umgekehrt seltener mit außerhäuslichen oder gar keinen Akti83 Vgl. Gottlieb/Becker/Piltz 2015.
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vitäten verbanden. Welche Gründe hinter diesem Unterschied liegen, kann aus den Erhebungsdaten nicht herausgelesen werden, aber es können diesbezüglich Vermutungen angestellt werden: Es liegt nahe, davon auszugehen, dass diese Unterschiede hier nicht im individuellen Migrationshintergrund der Befragten begründet lagen, sondern in persönlichen Gründen. Ein augenscheinlicher Grund, im Rahmen eines Kulturbesuchs eher Freunde, Bekannte oder Verwandte zu besuchen oder den Kulturbesuch mit keinen weiteren Aktivitäten zu verbinden, wären Kinder der Befragten. Sie könnten entweder einen Besuch im sozialen Umfeld auslösen, weil sie dort ,abgegeben‘ und betreut werden, solange die Eltern ein kulturelles Angebot besuchen, oder sie könnten der Auslöser sein, davor und/oder danach nicht weiter unterwegs zu sein. Es hatten jedoch etwa genauso viele Befragte mit türkischem Migrationshintergrund kleine Kinder wie die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (TK: 39 %, neun Personen; SU: 33 %, zehn Personen84). In Bezug auf die Befragten trifft dieser Erklärungsansatz somit nicht zu. Ein weiterer naheliegender Grund für die Unterschiede liegt in der Alterszusammensetzung der Befragten. Innerhalb der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund war der Anteil von Personen unterhalb eines Alters von 45 Jahren und insbesondere unter 30 Jahren im Vergleich zu den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion sichtbar niedriger (TK: Bis 30 J.: 9 %, zwei Personen, 31–45 J.: 43 %, zehn Personen vs. SU: Bis 30 J.: 33 %, zehn Personen, 31–45 J.: 53 %, 16 Personen85). Es liegt nahe, zu vermuten, dass sich die finanzielle Situation der Befragten – auch innerhalb eines Sinus-Migranten-Milieus – mit höherem Alter zunehmend verbesserte und somit Außerhausaktivitäten einfacher zu finanzieren sein würden.86 Darauf, dass auch innerhalb eines Sinus-Migranten-Milieus Unterschiede in der finanziellen Ausstattung zwischen verschiedenen Altersgruppen bestehen können, wurde auch im Rahmen der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) hingewiesen.87 Die festzustellenden Unterschiede zwischen den Befragtengruppen standen somit nicht mit dem Migrationshintergrund einer Person in Zusammenhang, sondern mit dem Lebensalter einzelner Befragter.
84 N = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30. 85 N = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30. 86 Vgl. Statistisches Bundesamt 2015b: 154 ff. 87 Vgl. Gerhards 2013a: 97.
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Nutzung von Museumscafés und/oder Theaterbars Kulturinstitutionen könnten die hohe Bereitschaft des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ zu weiteren Aktivitäten im Rahmen eines Kulturbesuchs aktiv nutzen, indem sie bspw. für verschiedene Zielgruppen attraktive gastronomische Leistungen im eigenen Umfeld anbieten. Zudem liegt eine weitere Nutzendimension eines Kulturbesuchs laut der Kulturmanagementforschung (neben dem Kernnutzen und dem sozialen Nutzen) im Servicenutzen, sprich in Zusatzleistungen, die einen Kulturbesuch für Besucher zu einem abgerundeten Erlebnis machen (können) (siehe Kapitel 2.3.1). Solche Serviceleistungen werden vielleicht nicht unbedingt erwartet und stellen somit bei Abwesenheit in der Regel kein Ausschlusskriterium für einen Besuch dar, ihr Vorhandensein kann den Besuch jedoch durchaus ansprechender gestalten. An Kulturinstitutionen angegliederte Cafés, Bars, Kneipen und Restaurants können von (potenziellen) Besuchern als zusätzliche Serviceleistung empfunden werden, die zudem zugunsten eines gemeinschaftlich erlebten Kulturbesuchs wirken.88 Um herauszufinden, inwieweit die hohe Bedeutung von Restaurant-, Kneipen- und Cafébesuchen im Rahmen eines Kulturbesuchs für Kulturinstitutionen potenziell nutzbar ist, wurde den Befragten innerhalb der Interviews die vertiefende Frage „Nutzen Sie, wenn vorhanden, auch Museumscafés und Theaterbars?“ gestellt. Die große Mehrheit der Befragten aus beiden Gruppen gab an, dass sie – wenn ein solches Angebot vorhanden sei – gern und oft in Museumscafés und/oder Theaterbars ginge (TK: 87 %, 20 Personen; SU: 70 %, 21 Personen). Nur ein vergleichsweise kleiner Anteil der Befragten gab an, diese Angebote zwar zu nutzen, aber nur selten (TK: 13 %, drei Personen; SU: 23 %, sieben Personen), und ein noch kleinerer Teil von ihnen nutzte die entsprechenden Angebote nie (TK: 4 %, eine Person; SU: 7 %, zwei Personen) (siehe Abbildung 31). Abbildung 31: Nutzung von Museumscafés und/oder Theaterbars Nein, nie 4% (1)
Ja, aber selten 13% (3)
Ja, oft 83% (20)
Nein, nie 7% (2)
Ja, aber selten 23% (7)
TK
n = 24
Quelle: Eigene Erhebung. 88 Siehe hierzu bspw. Klein 2008a: 45 ff., 87 ff.; 2005: 121 ff.
Ja, oft 70% (21)
SU
n = 30
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Die hier sichtbaren Unterschiede zwischen den Befragtengruppen spiegeln das bereits oben festgestellte Ergebnis wider, dass die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund ihre Kulturbesuche im Vergleich zu denjenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion weit häufiger mit einem Aufenthalt in Cafés, Bars, Kneipen und Restaurants verbanden. Auch hier wird entsprechend davon ausgegangen, dass die Abweichungen in den Antworten beider Befragtengruppen nicht auf ihrem unterschiedlichen Migrationshintergrund, sondern auf Altersunterschieden innerhalb der Befragtengruppen und der davon abhängigen unterschiedlichen finanziellen Ausstattung beruhen. Die Antworten der Befragten innerhalb dieses thematischen Abschnitts legen den Schluss nahe, dass Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ unabhängig von ihrem Migrationshintergrund auch an Kulturinstitutionen angegliederte gastronomische Angebote ansprechend finden. Bieten Kulturinstitutionen diese an, kommen sie dem Wunsch des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ nach einem sozialen Kulturerlebnis entgegen (sozialer Nutzen), und gleichzeitig bedeuteten solche Angebote für das Milieu vermutlich einen hohen Servicenutzen. Die hohe Affinität des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ zu Cafés, Bars, Kneipen und Restaurants und die Antworten der Befragten bieten Kulturinstitutionen einen wichtigen Hinweis darauf, dass für eine Ansprache des Milieus eine Kombination von Kulturangeboten mit regulären und/oder hierfür extra hinzugefügten internen oder externen gastronomischen Angeboten im Rahmen von Service und/oder Value-added-Service-Angeboten äußerst gewinnbringend sein könnte (siehe Kapitel 2.3.2 und 2.3.3). Mittler und Multiplikatoren für das soziale Umfeld In der Publikumsforschung wird davon ausgegangen, dass ein wesentlicher Anreiz für einen Kulturbesuch darin liegt, dass dieser im sozialen Umfeld empfohlen wird und/oder von dort ein konkreter Besuchsanstoß erfolgt. Eine besondere Rolle spielen hierbei Personen, die zum Stammpublikum von Kulturangeboten zählen und die in diesem Kontext besonders häufig als Mittler und Multiplikatoren agieren.89 Für eine Kontextualisierung der Antworten der Befragten auf die Frage „Lassen Sie sich zu einem Kulturbesuch vorrangig von anderen motivieren oder organisieren Sie Ihre Kulturbesuche eigenständig?“ liegen Vergleichsdaten innerhalb der „8. KulturBarometer“-Studie (2005) des Zentrums für Kulturforschung für die deutsche Gesamtbevölkerung sowie für stark kulturinteressierte Bevölkerungsgruppen vor, in denen sich der beschriebene Zusammenhang zeigt: Die Kulturinteressierten innerhalb der Gesamtbevölkerung organisieren
89 Siehe hierzu bspw. Mandel 2011c: 211.
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fast doppelt so häufig ihre Kulturbesuche selbst, wie dies anteilig in der deutschen Gesamtbevölkerung der Fall ist (43,4 % vs. 23,2 %) (siehe Abbildung 32). Abbildung 32: Kontextualisierung der Motivation für einen Kulturbesuch Eher von Anderen 37%
Eher selbst aktiv 23%
Eher von Anderen 18%
Eher selbst aktiv 43%
Das wechselt 40%
ZfK Gesamt 2005 (n = 1.520)
Das wechselt 39%
ZfK Kulturint. 2005 (n = 369)
Quelle: Zentrum für Kulturforschung 2005: 5 f.
In der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus wurde zwar nicht danach gefragt, inwieweit einzelne Sinus-Migranten-Milieus eigenmotiviert Kulturangebote nutzten oder hierzu eher von anderen motiviert wurden. Die im Vergleich zu anderen Sinus-MigrantenMilieus sehr hohe Nutzungsfrequenz kultureller Angebote des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“90 lässt jedoch vermuten, dass es sich bei den Milieu-Angehörigen in hohem Maß um Personen handelt, die einen Kulturbesuch nicht der Initiative ihres sozialen Umfelds überlassen, sondern eher selbst initiieren. Damit wären sie als Mittler und Multiplikatoren für Kulturangebote besonders attraktiv, und es wäre für Kulturinstitutionen sinnvoll, sie bei diesen Bemühungen zu unterstützen. Die Tatsache, dass die Befragten (auch) ohne Begleitung zu Kulturangeboten gehen, ist jedoch in keinem Fall damit gleichzusetzen, dass für Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ Überlegungen zu Gruppenangeboten zu vernachlässigen sind. Hier gilt genau das Gegenteil, wie die Antworten auf die oben genannte Frage deutlich zeigten. Die Befragten waren in den seltensten Fällen bei einem Kulturbesuch reine „Begleiter“91, denn nur ein minimaler Prozentsatz wurde zu Kulturbesuchen vorwiegend durch andere Personen motiviert (TK: 4 %, eine Person; SU: 7 %, zwei Personen). Im Gegenteil gilt für die Befragten in beiden Gruppen, dass sie oftmals die Rolle des Initiators und Multiplikators übernahmen und andere zu einem Kulturbesuch anregten (siehe Abbildung 33 auf der folgenden Seite).
90 Vgl. Gerhards 2013a: 99 f. 91 Zu diesem Besuchertypus siehe bspw. Keuchel 2003: 75 ff.
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Abbildung 33: Eigen- oder Fremdmotivation für Kulturbesuche Eher selbst aktiv 26% (6)
Eher von Anderen 4% (1)
TK
Das wechselt 70% (16)
Eher selbst aktiv 27% (8)
Eher von Anderen 7% (2)
SU
n = 23
Das wechselt 67% (20)
n = 30
Quelle: Eigene Erhebung.
Ein Vergleich der Antworten beider Befragtengruppen zeigt eine sehr große Ähnlichkeit zwischen ihnen auf: Etwa ein Viertel der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund sowie der Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion organisierte seine Kulturbesuche eher eigenständig und war entsprechend selbst aktiv (TK: 26 %, sechs Personen; SU: 27 %, acht Personen). Für den größten Anteil der Befragten aus beiden Gruppen galt, dass wechselnd sowohl sie als auch ihr Umfeld den Anstoß für Kulturbesuche gaben (TK: 70 %, 16 Personen; SU: 67 %, 20 Personen). Fast keiner der Befragten ließ sich eher von anderen zu einem Kulturbesuch motivieren (TK: 4 %, eine Person; SU: 7 %, zwei Personen). Möglich war an dieser Stelle ein Einfluss der Gruppengröße des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ im (Wohn-)Umfeld der Befragten auf ihre Antworten, der etwaige herkunftskulturelle Unterschiede zwischen den Befragtengruppen überdeckte (Mikroebene). Doch laut der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) war der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund aus der Türkei (14,0 %) und Ländern der ehemaligen Sowjetunion (13,0 %) zumindest auf Bundesebene fast gleich groß (Makroebene).92 Es ist unwahrscheinlich, dass die Verteilung in den drei Erhebungsorten hiervon grundlegend abwich (siehe hierzu auch Kapitel 4.3.2). Zusammenfassend konnten innerhalb dieses thematischen Abschnitts keine Unterschiede zwischen den beiden Befragtengruppen festgestellt werden.
92 Vgl. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 95.
216 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT
5.2.3 Kommunikationspolitik 5.2.3.1 Kontextualisierung des Mediennutzungsverhaltens Für eine kontextuale Einordnung der Antworten der Befragten hinsichtlich der von ihnen genutzten Informationsquellen für Kunst und Kultur innerhalb dieser Arbeit ist es auch hier zunächst hilfreich, das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ genauer zu betrachten In den Veröffentlichungen zur Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus liegen einige Angaben vor, aus denen sich zunächst ein zumindest grobes Profil von dessen allgemeinem Mediennutzungsverhalten ablesen lässt: Von den Milieuangehörigen nutzen 73 % mindestens täglich das Medium Fernsehen, 59 % das Internet, 59 % das Radio und zu 47 % Zeitungen.93 Das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ weist somit eine breite Mediennutzung über verschiedene Medientypen (Informations-, Unterhaltungs- oder Kommunikationsmedien) auf und unterscheidet sich in seinem Mediennutzungsverhalten damit an einigen Stellen deutlich vom Milieuschnitt, sprich von der Gesamtheit der innerhalb der Studie befragten Menschen mit Migrationshintergrund: Für diese war das Fernsehen zwar ebenfalls Leitmedium, sie nutzen es im Vergleich jedoch deutlich häufiger (86 %), in gleichem Ausmaß das Radio (58 %)94, aber seltener Zeitungen (36 %) und noch deutlich seltener das Internet (34 %) (siehe Abbildung 34 auf der folgenden Seite).95
93 Vgl. Gerhards 2013a; Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010; Cerci/Gerhards 2009; Cerci 2008a. 94 Ein herzlicher Dank an dieser Stelle geht an Klaus Gerhards (iD-Agentur-Ruhr), der auf Anfrage der Autorin im Sommer 2015 freundlicherweise mit in den Veröffentlichungen zu der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus fehlenden Angaben zur Radionutzung des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ im Vergleich zum Milieuschnitt weiterhalf. 95 Vgl. Gerhards 2013a: 50 f., 99 ff. Die Ergebnisse in Bezug auf den Milieuschnitt entsprechen in etwa denen der deutschlandweiten Repräsentativstudie „Migranten und Medien“ (2011) der ARD/ZDF-Medienkommission zur Mediennutzung der Bevölkerungsgruppe der Menschen mit Migrationshintergrund. Innerhalb dieser Studie weist ebenfalls das Fernsehen die höchste Reichweite auf (79 %/Tag), mit bereits deutlichem Abstand gefolgt von Radio (51 %/Tag) und Internet (39 %/Tag). An anderer Stelle zeigt sich, dass Zeitungen in der Nutzungsfrequenz für Menschen mit Migrationshintergrund noch hinter den drei bereits genannten Medien liegen (vgl. ARD/ZDFMedienkommission 2011: 16 ff.; Erk/Neuwöhner 2011: 466).
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Abbildung 34: Kontextualisiertes Mediennutzungsverhalten 73% 86% 86% 89%
Fernsehen
76% 81% 59% 34% 43%
Internet
Sinus I.-K. Milieu 2008 (n = 232)
28% 66% 50%
Sinus MH 2008 (n = 2.072)
47% 36%
ARD/ZDF Gesamt 2010 (n = 4.503)
44% 51% 44% 55%
Zeitungen
ARD/ZDF Gesamt 2005 (n = 4.500)
59% 58%
ARD/ZDF Hohe Bildung 2010 (n = 4.503)
79% 84% 79% 83%
Radio
0%
20%
40%
60%
80%
ARD/ZDF Hohe Bildung 2005 (n = 4.500) 100%
Quellen: Anfrage bei Klaus Gerhards (iD-Agentur-Ruhr) im Jahr 2015; Gerhards 2013a: 50 f., 99 ff.; Reitze/Ridder 2011: 47, 237 f.
Vor dem Hintergrund, dass die deutschlandweite Repräsentativstudie „Migranten und Medien“ (2011) der ARD/ZDF-Medienkommission zu dem Schluss kam, „[…] dass bei der Mediennutzung in Deutschland die Faktoren Alter, Bildung und sozialer Kontext ebenso wichtig, wenn nicht gar wichtiger sind als der Faktor ethnische Herkunft“96, wurde bezüglich der Breite der genutzten Medien nicht von einem hohen Einfluss der Herkunft der Befragten ausgegangen. Stattdessen wurde einem Vergleich mit dem Mediennutzungsverhalten der Gesamtbevölkerung eine weit höhere Bedeutung zugeschrieben. Die Mediennutzung des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ unterscheidet sich jedoch ebenfalls deutlich von jener der deutschen Gesamtbevölkerung, die laut der deutschlandweiten Repräsentativstudie „ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation“ (seit 1964) der ARD/ZDF-Medienkommission zwischen den Jahren 2005 und 2010 zu 89 bzw. 86 % mindestens täglich das Fernsehen nutzte, das Radio zu 84 bzw.79 %, Zeitung zu 51 bzw. 44 % und das Internet zu 28 bzw. 43 % (siehe Abbildung 34).97
96 ARD/ZDF-Medienkommission 2011: 47. 97 Vgl. Reitze/Ridder 2011: 47.
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Es lag nahe, davon auszugehen, dass das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ am ehesten ein ähnliches Mediennutzungsverhalten aufweisen würde wie Bevölkerungsgruppen innerhalb der Gesamtbevölkerung, die Kulturangebote häufig nutzen. Um zu überprüfen, ob dies tatsächlich der Fall war, lagen in der Kulturnutzerforschung jedoch nicht ausreichend Vergleichsdaten vor. Als Ersatz wurde stattdessen auf einen Vergleich mit Bevölkerungsgruppen mit hohem Bildungsniveau zurückgegriffen, denn erstens war das Bildungsniveau des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ in der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) neben seiner hohen Affinität zu Kunst und Kultur eines seiner Alleinstellungsmerkmale. Es wies im Vergleich mit den anderen Sinus-Migranten-Milieus mit einem Akademikeranteil von 41 % das höchste Bildungsniveau auf (Milieudurchschnitt 14 %).98 Damit sind die Angehörigen des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ laut einer aktuellen Veröffentlichung der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2014a) zudem mehr als doppelt so häufig Akademiker als diese in der deutschen Gesamtbevölkerung (ca. 20 %) und mehr als doppelt so häufig, wie innerhalb der Bevölkerung mit Migrationshintergrund (ca. 17 %) vertreten sind.99 Zweitens ist der zentrale Einflussfaktor für Kulturnutzung (bspw.) laut mehrerer deutschlandweiter und repräsentativer „KulturBarometer-Studien“ (2012; 2006; 2005) des Zentrums für Kulturforschung für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund das Bildungsniveau. Der Bildungsgrad von Menschen, die sich für Kunst und Kultur interessieren und entsprechende Angebote häufig nutzten, war in den Studien deutlich höher als der Bildungsgrad der deutschen Gesamtbevölkerung.100 Und drittens ist aus der Mediennutzungsforschung bekannt, dass der Bildungsgrad einer Person Effekte auf ihr individuelles Mediennutzungsverhalten hat, was hiervon abgeleitet sehr wahrscheinlich ebenfalls für das Informationsverhalten zu Kunst und Kultur gilt: Nach der oben genannten „ARD/ZDFLangzeitstudie Massenkommunikation“ (seit 1964) nutzten, wie in Abbildung 34 auf Seite 217 zu sehen, Personen mit hoher Bildung (mindestens Abitur) zwischen den Jahren 2005 und 2010 zu 79–83 % mindestens täglich das Radio, das Fernsehen zu 76–81,9 %, Zeitung zu 44–55 % und das Internet zu 50–66 %.101 Diese Studien und weitere Studien zeigten: Je höher die Bildung innerhalb einer 98
Vgl. Gerhards 2013a: 49.
99
Vgl. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2014a: 394.
100 Vgl. Keuchel 2012: 162 ff.; Keuchel/Larue 2012: 84 ff.; Keuchel/Wiesand 2006: 75 ff.; Zentrum für Kulturforschung 2005: 15. 101 Vgl. Reitze/Ridder 2011: 237 f.
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Bevölkerungsgruppe war, desto höher lag der Anteil der täglichen Internet- und Zeitungsnutzer in der Gruppe, während zeitgleich die tägliche Nutzung des Fernsehens in sogenannten bildungsfernen Bevölkerungsgruppen deutlich höher war.102 In den Veröffentlichungen zu der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus gibt es in den Angaben zur allgemeinen Mediennutzung der einzelnen Sinus-Migranten-Milieus keine expliziten Informationen dazu, ob es sich dabei konkret um deutschsprachige/deutsche oder herkunftssprachige Medien/Medien aus der Herkunftskultur handelt. In der Studie „Migranten und Medien“ (2011) wurde jedoch festgestellt: „Für viele Menschen mit Migrationshintergrund gehört die Integration zweier Medienkulturen – also die Nutzung deutscher und heimatsprachiger Medien – zum Alltag.“103 Entsprechend war an dieser Stelle stark davon auszugehen, dass dies ebenfalls für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ gelten würde, zumal es in den zugehörigen Studien mit den Umschreibungen „bi- bzw. multikulturelle Orientierung“ 104 , „Multikulturelle Kommunikation“ 105 charakterisiert wird. Des Weiteren handelte es sich bei den Angehörigen des „Intellektuellkosmopolitischen Milieus“ laut der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) zu großen Anteilen um die erste Generation von Zuwanderern, bei denen es sehr wahrscheinlich ist, dass sie im Vergleich zu anderen Generationen ein (noch) größeres Interesse an Publikationen in der Herkunftssprache und Informationen aus ihren Herkunftsländern und damit an deutschsprachigen/deutschen oder herkunftssprachigen Medien bzw. 102 Siehe bspw. Die Medienanstalten 2015: 36; ARD/ZDF-Medienkommission 2014: 88 ff.; Behrens u. a. 2014: 196 f.; Europäische Kommission 2012: 7 ff. Zwar hat auch das Alter einer Person einen deutlichen Einflussfaktor auf deren generelle Mediennutzung und die Wahl der Informationsquellen zu Kunst und Kultur (siehe hierzu bspw. Best/Engel 2011; Neuwöhner/Klingler 2011), und der Faktor „Alter“ läge auch deshalb nahe, da zum Kernpublikum von Kulturangeboten an erster Stelle ältere Menschen zählen (vgl. bspw. Föhl/Lutz 2011: 42 f.; Wegner 2011: 113 ff.; Zentrum für Kulturforschung 2005: 17). Er eignete sich in dem Kontext dieser Veröffentlichung aber dennoch nicht für einen Vergleich, denn die Angehörigen des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ weisen zwar einen Altersschwerpunkt (20–49 Jahre), generell aber – wie auch einige andere Sinus-Migranten-Milieus – ein sehr breites Altersspektrum auf (vgl. Gerhards 2013a: 49). 103 ARD/ZDF-Medienkommission 2011: 46. 104 Cerci 2008a: 26. 105 Gerhards 2013a: 47.
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Medien aus der Herkunftskultur aufwiesen. Diese Vermutung entspricht zumindest den Ergebnissen der bereits genannten Studie „Migranten und Medien“ (2011), die in diesem Kontext herausfand, dass die Relevanz herkunftssprachiger Medien für die erste Generation deutlich höher ist als bei jüngeren Menschen mit Migrationshintergrund.106 5.2.3.2 Kontextualisierung des Informationsverhaltens für Kunst und Kultur Für einen Vergleich mit den Ergebnissen innerhalb dieser Veröffentlichung liegen aus der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus zudem konkrete Angaben zu von dem „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ genutzten Informationsquellen zum Kunst- und Kulturangebot vor, die für eine Interpretation der Antworten der Befragten hier zunächst ebenfalls kontextualisiert werden. Das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ nutzt im Vergleich eine größere Breite an Informationsquellen für Kunst- und Kultur und diese zum Teil deutlich intensiver als die Gesamtheit der in der Studie befragten Personen mit Migrationshintergrund (Milieuschnitt). Zudem hat es sichtbar andere Schwerpunkte: Eindeutige Unterschiede zeigen sich – wie im Hinblick auf die oben beleuchtete allgemeine Mediennutzung des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ zu erwarten – in Bezug auf das Internet (51 % vs. 27 %), in Bezug auf Tageszeitungen (56 % vs. 36 %) und Stadtmagazine 47 % vs. 29 %), die für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ eine deutliche höhere Rolle als Informationsquelle für Kunst und Kultur spielen als für den Milieuschnitt, während Radio (43 % vs. 32 %) und Fernsehen (34 % vs. 30 %) für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ im Vergleich eine geringere Bedeutung haben und von den Nutzungswerten her näher am Milieuschnitt liegen (siehe Abbildung 35 auf der folgenden Seite).107
106 Vgl. ARD/ZDF-Medienkommission 2011: 47. 107 Vgl. Gerhards 2013a: 102; Cerci/Gerhards 2010d: 6 f.
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Abbildung 35: Kontextualisierte Informationsquellen für Kunst und Kultur 87%
Gespräche mit Freunden/Bekannten
68% 61% 62%
Plakate
40% 46% 56%
Tageszeitung
36% 64% 51%
Internet
27% 25% 47%
Stadtmagazine
29% 45% 45%
Prospekte/Spielpläne
28% 49% 43% 35%
Anzeigenblätter/kostenlose Stadt-,Regionalzeitungen
62% 43%
Radio
32% 36% 34% 30% 38%
Fernsehen
32% 20% 28%
Aushänge in Kneipen, Restaurants etc.
Sinus I.-K. Milieu 2008 (n = 232)
31%
Flyer
Sinus MH 2008 (n = 2.072)
20% 17% 10% 11%
E-Mail-Newsletter
0%
Sinus Gesamt 2009 (n = 2.015) 50%
100%
Quelle: Gerhards 2013a: 102; Cerci/Gerhards 2010d: 6 f.
Aus dem Ranking der Informationsquellen für Kunst und Kultur lässt sich zudem die hohe Affinität des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ für Kunst und Kultur herauslesen: Aus der Kulturmanagementforschung ist bekannt, dass „Empfehlungen von Freunden/Bekannten/Familie“ eine von ihrer Bedeutung her nicht zu unterschätzende Informationsquelle für Kunst und Kultur sind. 108 Es verwundert erstens nicht, dass für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ Gespräche mit Freunden/Bekannten (87 % vs. 68 %) eine große Rolle spielen, ist es doch wahrscheinlich, dass sich im Umfeld der Milieuangehörigen tendenziell häufiger Personen befinden, die sich ebenfalls für Kunst und Kultur interessieren, als dies für den Milieuschnitt der Fall ist.
108 Vgl. bspw. Klein 2008a: 29; Manschwetus 2008: 46.
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Zweitens zeigt sich – in diesem Kontext ebenfalls wenig erstaunlich –, dass das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ gut über klassische Kommunikationsinstrumente von Kulturinstitutionen (Plakate 62 %, Prospekte/Spielpläne 45 %, Flyer 31 %) zu erreichen sind, und zwar im Vergleich ebenfalls deutlich besser als der Milieuschnitt (40 %; 28 %; 20 %) (siehe Abbildung 35 auf Seite 221).109 Im Ranking der Informationsquelle für Kunst und Kultur unterscheidet sich das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ an einigen Stellen ebenfalls sichtbar von der deutschen Gesamtbevölkerung, für die aus der Studie „Die Sinus-Milieus in Deutschland“ (2009) von Sinus Vergleichswerte vorliegen. Für das „Intellektuellkosmopolitische Milieu“ spielen auf der einen Seite – wie durch die hohe Kulturund Internetaffinität des Milieus zu erwarten – auch im Vergleich zur deutschen Gesamtbevölkerung vor allem die Informationsquellen Internet (51 % vs. 25 %), Plakate (62 % vs. 46 %) sowie Gespräche mit Freunden/Bekannten (87 % vs. 61 %) eine weit wichtigere Rolle. Gleichzeitig haben Anzeigenblätter/Kostenlose Stadt-, Regionalzeitungen (43 % vs. 62 %) und in geringerem Maß auch Tageszeitungen (56 % vs. 64 %) für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ im Vergleich zur Gesamtbevölkerung offenbar eine geringere Bedeutung (siehe Abbildung 35 auf Seite 221). Aufgrund der ähnlichen Nutzungsfrequenz des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ und der Gesamtbevölkerung von Zeitungen wäre jedoch zu vermuten gewesen, dass die Wahrscheinlichkeit dieser Informationsquellen für beide (noch) ähnlicher wäre. Warum dies nicht der Fall ist, bleibt an dieser Stelle unklar. Zu erwarten gewesen wäre zudem, dass klassische Kommunikationsinstrumente von Kulturinstitutionen – Plakate, Prospekte/Spielpläne der Kultureinrichtungen, Veranstalter und Flyer – für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ aufgrund seiner hohen Kulturaffinität auch im Vergleich zur Gesamtbevölkerung eine größere Rolle spielen würden: In der Tat zeigt sich für Plakate (62 % vs. 46 %) der vermutete Zusammenhang, Prospekte/Spielpläne (45 % vs. 49 %) sind für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ als Informationsquelle jedoch in etwa gleich relevant wie für die Gesamtbevölkerung. In Bezug auf Flyer liegen für die Gesamtbevölkerung keine Vergleichswerte vor (siehe Abbildung 35 auf Seite 221).110 Auch hier kann nur spekuliert werden, worin die Gründe für die festzustellenden Unterschiede zwischen dem „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ und der Gesamtbevölkerung liegen. Es ist wenig realistisch, dass Prospekte/Spielpläne der Kultureinrichtungen und Veranstalter das häufig Kulturangebote nutzende „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ per se nicht erreichen. Sehr 109 Vgl. Gerhards 2013a: 102. 110 Vgl. Gerhards 2013a: 102.
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wahrscheinlich haben sie für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ einfach deshalb keine große Bedeutung, weil es sich bereits über das Internet intensiv über Kulturangebote informiert und deshalb keine weiteren Informationsquellen im Printformat benötigt. Es ist davon auszugehen, dass das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ in seinem Informationsverhalten für Kunst und Kultur den stark Kulturinteressierten innerhalb der Gesamtbevölkerung und/oder Bevölkerungsgruppen mit höherem Bildungsgrad ähnelt. Für eine Überprüfung dieser Annahme liegen aber bislang kaum Vergleichsdaten vor. In der deutschlandweiten Repräsentativstudie „Kultur und Medien“ (2011) im Auftrag des SWR wurde unter anderem erhoben, inwieweit Zeitungen, Internet, Fernsehen und Radio für Bevölkerungsgruppen mit einem höheren Bildungsgrad (mindestens Abitur) Informationsquellen für Kunst und Kultur darstellen. Wie durch seinen hohen Anteil an Personen mit höheren Bildungsabschlüssen zu vermuten, ähnelt das Informationsverhalten des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ in Bezug auf diese Medien demjenigen von Bevölkerungsgruppen mit einem höheren Bildungsgrad: Denn für diese sind Zeitungen die wichtigste oder zweitwichtigste Informationsquelle für Kunst und Kultur (61 %), dicht gefolgt von Internet (53 %), während Fernsehen (35 %) und Radio (25 %) für sie eine vergleichsweise geringere Rolle spielen.111 Worin die Gründe für die unterschiedliche Wertigkeit von Radio und Fernsehen als Informationsquellen zwischen dem „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ und Bevölkerungsgruppen mit einem höheren Bildungsgrad liegen, bleibt unklar. Die Vermutung lag nahe, dass das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ aus Gründen des Lebensstils von den Präferenzen der anderen Sinus-Migranten-Milieus mit hohem Akademikeranteil („Statusorientiertes Milieu“; „Multikulturelles Performermilieu“) abweicht. Wäre dies der Fall, müssten die Informationsquellen der zwei anderen Akademikermilieus in der Tendenz denen der Bevölkerung mit höheren Bildungsabschlüssen stärker ähneln, als es für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ der Fall war. Dies trifft jedoch nicht zu, denn für alle drei Sinus-Migranten-Milieus gilt, dass von den genannten vier Medien die Zeitung die wichtigste, das Internet die zweitwichtigste, Radio die drittwichtigste und Fernsehen die am wenigsten relevante Informationsquelle für Kunst und Kultur sind.112
111 Vgl. Neuwöhner/Klingler 2011: 600. 112 Vgl. Gerhards 2013a: 64 f., 96 f., 102.
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5.2.3.3 Informationsverhalten bzgl. Kunst und Kultur 5.2.3.3.1
Persönliches Umfeld und Medien als Informationsquellen für Kunst und Kultur In Bezug auf die Befragten innerhalb dieser Veröffentlichung war zu erwarten, dass sie – dem „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ entsprechend – im Rahmen der von ihnen genutzten Informationsquellen für Kunst und Kultur ebenfalls eine breite Mediennutzung über deutschsprachige/deutsche oder herkunftssprachige Medien/Medien aus der Herkunftskultur aufweisen würden. Dabei war davon auszugehen, dass Tageszeitungen und Internet eine starke und Radio und vor allem Fernsehen eine vergleichsweise geringere Rolle spielen und die Nutzung von herkunftssprachigen Medien/Medien aus der Herkunftskultur im Generationenverlauf abnehmen würden. Gleichzeitig war davon auszugehen, dass sie sehr gut über die klassischen Kommunikationsinstrumente von Kulturinstitutionen zu erreichen sein würden. Tatsächlich entsprachen die Antworten der Befragten auf die Frage „Wie könnten Sie etwas über kulturelle Freizeitangebote erfahren?“, die sich auf die von den Befragten in den letzten zwölf Monaten besuchten kulturellen Freizeitangebote bezog, in sehr weiten Teilen diesen Erwartungen.113 Dabei waren in den Antworten zwischen den Befragtengruppen große Gemeinsamkeiten auszumachen, doch es zeigten sich auch einige Unterschiede zwischen ihnen. Die für beide Befragtengruppen gleichermaßen und mit Abstand relevantesten Informationsquellen (mindestens wahrscheinlich) für Kunst und Kultur waren den oben genannten Ergebnissen für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ sehr ähnlich: Auch die Befragten nannten Empfehlungen als wichtigste Informationsquelle (TK: 100 %, 23 Personen; SU: 97 %, 29 Personen), was durch ihre Milieuzugehörigkeit nicht überrascht. Dieses Ergebnis ließ sich zudem erwarten, da die Befragten angegeben hatten, dass der Anstoß für einen Kulturbesuch zwar oftmals von ihnen, aber auch sehr häufig aus ihrem Umfeld stammte (siehe „Ab113 In den persönlichen Interviews und der darin durchgeführten Reflexion der von den Befragten in den vorab ausgefüllten Fragebögen gegebenen Antworten zeigte sich, dass diese oftmals zwei Dimensionen beinhaltet hatten: Es spielte sowohl eine Rolle, ob Informationsquellen für die Befragten persönlich relevant waren (bspw. weil sie deutsche Tageszeitungen lesen), sie bezogen in ihre Antworten jedoch auch die Überlegung mit ein, ob in einer Informationsquelle überhaupt über Kulturangebote an ihrem Wohnort berichtet wurde. Da mit der Frage nur darauf abgezielt wurde, welche Medien die Befragten tatsächlich nutzen und wo sie entsprechend eine Information dazu finden könnten, wurden im Verlauf des Interviews hiervon abweichende Antworten der Befragten in ihren Fragebögen durch sie selbst abgeändert.
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schnitt „Mittler und Multiplikatoren für das soziale Umfeld“). Als zweitwichtigste Informationsquelle nannten sie das Internet (TK: 96 %, 22 Personen; SU: 100 %, 30 Personen) (siehe Abbildung 36). Abbildung 36: Informationsquellen für kulturelle Freizeitangebote Empfehlungen von Freunden/ Bekannten/Familie
100% (23) 97% (29)
Internet
96% (22) 100% (30) 91% (21)
Tageszeitungen D
50% (15)
Prospekte/Flyer/Spielpläne
91% (21) 72% (21)
Plakate der Anbieter
91% (21) 79% (23)
Information durch anderen Kulturinstitutionen
91% (20) 77% (23) 83% (19) 67% (20)
Newsletter
74% (17)
Stadtmagazine D
50% (15) 73% (16)
Radiosender D
40% (12)
Informationen über Migrantenvereine, -organisationen
70% (16) 17% (5)
Aushänge in Kneipen, Geschäften, Restaurants etc.
61% (14) 63% (19) 57% (13) 57% (17)
Hinweisschild an Institutionen
44% (10) 37% (11)
Information über Arbeitgeber, Gewerkschaften, Verbände etc.
44% (10)
Fernsehsender D
17% (5) 44% (10)
Tageszeitungen HK
23% (7) 27% (6) 21% (6)
Informationen über die Schule meiner Kinder Radiosender HK
26% (6) 3% (1) 14% (3) 25% (7)
Informationen über meine Ausbildungsstätte Stadtmagazine HK
9% (2) 17% (5)
Fernsehsender HK
9% (2) 13% (4) 0%
20%
TK (n = 21-23) SU (n = 28-30) 40%
60%
80%
100%
Quelle: Eigene Erhebung.
Im Vergleich hatte das Internet für die Befragten somit eine sogar noch größere Bedeutung als aus dem oben beschriebenen Informationsverhalten des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ zu erwarten war. Dies könnte eventuell darin begründet liegen, dass die Frequenz der (mobilen) Internetnutzung und insbe-
226 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT
sondere der Nutzung von sozialen Medien von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in den Jahren zwischen dem Erhebungszeitraum der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2006–2007) (vgl. Cerci 2008a: 4) und der Erhebung in dieser Veröffentlichung (2012–2014) um 15 bis 20 % gestiegen ist (siehe Abbildung 36 auf Seite 225).114 Es ist somit sehr wahrscheinlich, dass eine zeitlich jüngere Wiederholung der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus bei mehreren Sinus-Migranten-Milieus – und damit auch in Bezug auf das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ – eine höhere Internetnutzungsfrequenz als acht bis zehn Jahre zuvor zum Ergebnis gehabt hätte. Zudem könnte hineinspielen, dass die Befragten alle in Großstädten lebten: In allen drei Städten, aus denen sie stammten, steht ein großes Kulturangebot zur Verfügung (siehe Kapitel 4.3), während der Milieuschnitt sich aus Personen aus ganz Deutschland zusammensetzte und vermutlich im Durchschnitt über im Vergleich weniger Kulturangebote in seinem Umfeld verfügte. Es ist wahrscheinlich, dass die Existenz des großen Angebots (inklusive dessen etwaiger Bewerbung durch Kulturinstitutionen über Onlinekanäle115) dazu führte, dass über dieses im persönlichen Umfeld der Befragten verstärkt (auch) über Onlinekanäle kommuniziert wurde. Für diese Annahme spricht, dass ein Viertel der Befragten jeweils zur Hälfte aus beiden Befragtengruppen (25 %, 13 Personen116) von sich aus ergänzte, dass in die Informationsquelle Internet teilweise ebenfalls Empfehlungen für Kunst und Kultur mit hinein spielten. Dazu beispielhaft: „Im Prinzip ist Mundpropaganda das A und O im kulturellen Bereich. Und Facebook ist sozusagen eine Art der Mundpropaganda.“ (Nicolaj, SU, Abs. 59) „Ich finde es auch gut, wenn dort [auf Facebook] etwas angekündigt wird und bspw. ein Freund einen Kommentar wie ‚Sehr empfehlenswert‘ darunter schreibt. Dann schaue ich es mir genauer an und denke, ich könnte auch hingehen. Das ist dann natürlich auch eine Art ‚Empfehlung von Freunden/Bekannten/Familie‘, nur eben über ein anderes Medium.“ (Alper, TK, Abs. 44)
Im Hinblick auf Kulturangebote gaben sie zudem an, dass das Internet von ihnen (auch) für eine aktive Recherche nach Angeboten an den verschiedensten Stellen genutzt würde. Dazu beispielhaft:
114 Vgl. van Eimeren/Frees 2014: 378. 115 Siehe hierzu bspw. Frank 2011. 116 N = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30.
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„Ich nutze das Internet eher sehr gezielt. Ich überlege mir, dass ich etwas Bestimmtes sehen möchte, bspw. ein Theaterstück oder sogar ein bestimmtes Theaterstück und schaue dann im Internet nach genaueren Informationen. Manchmal suche ich bspw. auch aus den Newslettern, die ich bekomme, etwas heraus und gehe dann zu den dort beworbenen Veranstaltungen.“ (Gökhan, TK, Abs. 69) „Das Internet nutze ich hierfür auf der einen Seite im Rahmen von Facebook. Und zwar versuche ich, so ziemlich alles ‚zu liken‘, was mich interessiert, damit ich davon Tourdaten, Veranstaltungen etc. mitbekomme. […] Auf der anderen Seite ist es so, wenn ich von irgendetwas höre, dann schaue ich oft gezielt im Internet noch einmal danach und buche vielleicht auch gleich Tickets. Wenn ich bspw. an einem Wochenende frei hätte, würde ich entweder meine Freunde fragen, was los ist und was ich spontan machen könnte, oder ich würde gezielt schauen, ob etwas angeboten wird, das mich interessiert. Es kann sein, dass ich dann auf Facebook schaue, es kann aber auch sein, dass ich bspw. online in Stadtmagazinen wie Lift oder Moritz lese.“ (Elena, SU, Abs. 34)
In der Kulturmanagementforschung wird davon ausgegangen, dass OnlineKulturmarketing und Social-Media-Marketing für Kulturinstitutionen zunehmend unerlässlich werden.117 Daher wurde als Vertiefung zu der Antwortmöglichkeit „Internet“ nachgefragt, inwieweit die Befragten insbesondere SocialMedia-Kanäle als wichtige Kommunikationsmedien für Kulturinstitutionen bewerteten. Fast alle Befragten fanden eine Kommunikation der Angebote von Kulturinstitutionen über diese Plattformen ganz generell mindestens wichtig (TK: 100 %, 22 Personen118; SU: 90 %, 27 Personen119). Auf die Frage „Können Sie Kulturinstitutionen für eine Ansprache soziale Netzwerke empfehlen, in denen viele Menschen mit dem gleichen Migrationshintergrund wie Sie aktiv sind?“ konnte knapp die Hälfte der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund Auskunft geben (39 %, zehn Personen120). Fast alle von ihnen (neun Personen) nannten Facebook auch mit dem Verweis auf vorhandene regionale Gruppen wie bspw. rund um Frankfurt/Main Frankfurtlu Türkler (deutsch: „Türken in Frankfurt“), eine Facebook-Gruppe auf Deutsch und Türkisch für den Austausch von Tipps zu Kulturangeboten, oder die türkischsprachige Facebook-Gruppe für das Rhein-Main-Gebiet Rhein Main Bölgesi’nde ne var ne yok (deutsch: „Was ist los im Rhein-Main-Gebiet“) mit gleichem Zweck. An zweiter Stelle befanden die Befragten Twitter (drei Perso117 Siehe hierzu bspw. Klein 2012; Zimmermann u. a. 2010. 118 N = 22. 119 N = 30. 120 N = 23.
228 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT
nen) als für Menschen mit türkischem Migrationshintergrund besonders wichtig. Zwei Drittel der Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (67 %, 18 Personen121) nannten Social-Media-Plattformen, über die Kulturinstitutionen Menschen ihres Migrationshintergrunds vermutlich gut erreichen könnten: Insbesondere relevant fanden sie Odnoklassniki (deutsch: „Klassenkameraden“,) (zehn Personen) und VKontakte (deutsch: „in Kontakt“) (neun Personen). Auf diesen Plattformen waren allerdings nur vier der Befragten selbst aktiv. Zudem wurde von sieben Personen auf weitere Kommunikationswege verwiesen, über die Menschen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion gut erreicht werden könnten: Die Internetseite von Germany.ru (vier Personen), die Informations- und Ticketingplattform für russischsprachige Events Afischa (zwei Personen), die russischsprachige Variante der Bloggingplattform Livejournal (zwei Personen) sowie weitere (teilweise regionale) Gruppen, bspw. innerhalb von überregionalen Plattformen wie Facebook (eine Person) und XING (eine Person). Die Empfehlungen der Befragten decken sich mit der Verbreitung von Social-Media-Plattformen in den Herkunftsländern. Tatsächlich ist nach aktuellen Forschungsergebnissen die am meisten verbreitete Social-Media-Plattform in der Türkei Facebook, aber auch Twitter ist dort sehr präsent. Die am weitesten verbreiteten Plattformen auf dem heutigen Gebiet der ehemaligen Sowjetunion sind an erster Stelle VKontakte und an zweiter Stelle Odnoklassniki, die in starker Konkurrenz um den Markt stehen. Diese beiden lokalen Plattformen werden dort bspw. gegenüber Facebook deutlich präferiert.122 Die Befragten in beiden Befragtengruppen selbst waren – ob abhängig oder unabhängig von der Verbreitung von Social-Media-Plattformen in ihren Herkunftsländern kann hier nicht beantwortet werden – in großen Anteilen (mehr oder minder) aktive Mitglieder auf Facebook (83 %, 19 Personen123; SU: 79 %, 22 Personen124). Beide Gruppen präferierten damit nicht Social-Media-Plattformen aus den Herkunftsländern ihrer Familien, sondern die Plattform, die auch für die deutsche Gesamtbevölkerung seit Jahren in den Top 20 der sozialen Netzwerke auf dem ersten Platz steht.125 In den Ergebnissen in diesem thematischen Abschnitt konnten entsprechend keine nennenswerten Unterschiede zwischen den beiden Befragtengruppen festgestellt werden.
121 N = 27. 122 Vgl. Cosenza 2016; Manders 2015. 123 N = 23. 124 N = 28. 125 Vgl. Schröder 2014.
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Hinsichtlich der Medien Zeitung, Radio und Fernsehen zeigt sich eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den Befragtengruppen: Sowohl die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund als auch diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion gaben an, dass deutsche/ deutschsprachige und herkunftssprachige Medien/Medien aus der Herkunftskultur für sie eine (mehr oder minder wahrscheinliche) Informationsquelle für Kunst und Kultur sein können. Im Hinblick auf die Relevanz einzelner deutschsprachiger/deutscher Medien als Informationsquelle waren die Antworten von beiden Befragtengruppen sehr ähnlich: Am wahrscheinlichsten erfuhren sie – wie durch ihre Zugehörigkeit zum „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ zu erwarten – von Kulturangeboten in deutschen Tageszeitungen126 (TK: 91 %, 21 Personen; SU: 50 %, 15 Personen) sowie in deutschen Radiosendern 127 (TK: 73 %, 16 Personen; SU: 40 %, zwölf Personen) und in deutschen Stadtmagazinen128 (TK: 74 %, 17 Personen; SU: 50 %, 15 Personen) sowie – und auch das entspricht aufgrund ihrer Milieuzugehörigkeit den Erwartungen – an letzter Stel-
126 Innerhalb der Interviews mindestens einmal – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, inhaltliche Beurteilung und Kenntnis über deren tatsächliche Verfügbarkeit – wurden von den Befragtengruppen in großer Übereinstimmung die folgenden „Deutschen Tageszeitungen“ genannt: TK: Berliner Zeitung, Der Tagesspiegel, Die Zeit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Frankfurter Rundschau, Handelsblatt, Neue Presse, Stuttgarter Nachrichten, Stuttgarter Zeitung, Süddeutsche Zeitung und taz; SU: Bild, Der Tagesspiegel, Die Welt, Die Zeit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Stuttgarter Nachrichten, Stuttgarter Zeitung, Süddeutsche Zeitung und taz. 127 Innerhalb der Interviews mindestens einmal – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, inhaltliche Beurteilung und Kenntnis über deren tatsächliche Verfügbarkeit – wurden von den Befragtengruppen mit bedingter Übereinstimmung die folgenden „Deutschen Radiosender“ genannt: TK: BigFM, BR, Deutschlandfunk, Funkhaus Europa, HR, JamFM, Klassik Radio, Planet Radio, Radio FFH, Radio Paradiso, Radio Teddy, RBB und SWR; SU: BigFM, Byte FM, Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur, Flux FM, HR, Radio 1, Spree Radio, SWR und YouFM. 128 „Deutsche Stadtmagazine“ gab es offenbar in allen drei Erhebungsorten. Innerhalb der Interviews mindestens einmal – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, inhaltliche Beurteilung und Kenntnis über deren tatsächliche Verfügbarkeit – genannt wurden für Berlin: Zitty, Tip und Siegessäule; für Frankfurt/Main: Journal Frankfurt, Artkaleidoscope, Skyline, Kuckuck! und Frankfurt mit Kindern, für Stuttgart: Lift, Prinz, Stuttgart geht aus, Moritz und Luftballon.
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le über deutsche Fernsehsender129 (TK: 43 %, zehn Personen; SU: 17 %, fünf Personen) (siehe Abbildung 37). Abbildung 37: Medien: Printprodukte, Radio und Fernsehen 91% (21)
Tageszeitungen D
50% (15) 74% (17)
Stadtmagazine D
50% (15) 73% (16)
Radiosender D
40% (12) 44% (10)
Fernsehsender D
17% (5) 44% (10)
Tageszeitungen HK Radiosender HK
23% (7) 26% (6) 3% (1)
Stadtmagazine HK
9% (2) 17% (5)
Fernsehsender HK
9% (2) 13% (4) 0%
20%
TK (n = 21-23) SU (n = 28-30) 40%
60%
80%
100%
Quelle: Eigene Erhebung.
Im Vergleich waren die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund hierbei im Durchschnitt deutlich besser über deutschsprachige/deutsche Medien zu erreichen als die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Im Hinblick auf die Ergebnisse der oben genannten Studie „Migranten und Medien“ (2011) verwundert dies zunächst, kommt sie doch zu dem Ergebnis, dass die Erreichbarkeit von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund über deutschsprachige/deutsche Medien im Durchschnitt schlechter ist als bei denjenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion.130 Es kann an dieser Stelle nur vermutetet werden, welche Gründe hinter diesem Unterschied liegen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass er sich aus der Zusammensetzung der Befragten erklären lässt, denn innerhalb der Befragten mit 129 Innerhalb der Interviews mindestens einmal – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, inhaltliche Beurteilung und Kenntnis über deren tatsächliche Verfügbarkeit – wurden von den Befragtengruppen mit bedingter Übereinstimmung die folgenden „Deutschen Fernsehsender“ genannt: TK: 3Sat, ARD, Arte, HR, Offener Kanal, Pro7, Rhein-Main TV, RTL, Sat 1 und ZDF; SU: 3Sat, ARD, Arte, N24, n-tv, Pro7 und ZDF. 130 Vgl. Erk/Neuwöhner 2011: 468 ff.
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| 231
türkischem Migrationshintergrund war der Anteil der Personen, die zur ersten Einwanderergeneration gehörten, im Vergleich zu den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion sichtbar geringer (TK: 1. Generation: neun Personen, 2. Generation: zwölf Personen, 3. Generation: eine Person vs. SU: 1. Generation: 28 Personen, 2. Generation: zwei Personen, 3. Generation: null Personen131). Laut der Studie „Migranten und Medien“ (2011) ist „mit der nachwachsenden jüngeren Generation der Migranten […] eine zunehmende Angleichung an die Mediennutzung der Gesamtbevölkerung zu erwarten“132. Es ist somit realistisch, dass die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund im Vergleich aufgrund ihrer häufigen Zugehörigkeit zur zweiten (und sogar dritten) Generation in stärkerem Maße von deutschen Medien erreicht werden als die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion, die öfter zur ersten Einwanderergeneration gehörten. 5.2.3.3.2
Nutzung von herkunftssprachlichen Medien/ Medien aus der Herkunftskultur Im Vergleich zu deutschsprachigen/deutschen Medien nahmen herkunftssprachliche Medien/Medien aus der Herkunftskultur für die Befragten in jedweder Form einen deutlich geringeren Stellenwert als Informationsquellen ein und rangierten bei beiden Befragtengruppen auf den letzten Plätzen in den Rankings. Auch dieses Ergebnis überrascht nicht, kam doch die Studie „Migranten und Medien“ (2011) zu dem Schluss, dass von Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich deutschsprachige Medien bevorzugt genutzt werden und mehr Stammnutzer aufweisen als herkunftssprachige. Dies galt sowohl für Fernsehen (deutschsprachig: 76 %; herkunftssprachig: 45 %) und Radio (deutschsprachig: 60 %; herkunftssprachig: 8 %) als auch für Tageszeitungen (deutschsprachig: 30 %; herkunftssprachig: 8 %).133 Auch im Hinblick auf die Relevanz einzelner herkunftssprachlicher Medien/Medien aus ihrer Herkunftskultur als Informationsquellen antworteten beide Befragtengruppen ähnlich: Im Verhältnis am wahrscheinlichsten waren für sie als Informationsquelle – auch hier wie durch ihre Zugehörigkeit zum „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ zu erwarten – Tageszeitungen aus der Herkunftskultur134 (TK: 44 %, zehn Personen; SU: 23 %, 131 N = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30. 132 ARD/ZDF-Medienkommission 2011: 47. 133 N = 3.300 (vgl. ARD/ZDF-Medienkommission 2011: 20; Erk/Neuwöhner 2011: 466). 134 Innerhalb der Interviews mindestens einmal – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, inhaltliche Beurteilung und Kenntnis über deren tatsächliche Verfügbarkeit – wurden von den Befragtengruppen die folgenden „Tageszeitungen aus der Her-
232 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT
sieben Personen). An zweiter Stelle standen bei den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund Radiosender aus der Herkunftskultur135 (26 %, sechs Personen) mit deutlichem Abstand vor Stadtmagazinen aus der Herkunftskultur (9 %, zwei Personen) (siehe Abbildung 37 auf Seite 230). Für die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion ergab sich ein anderes Bild, denn für sie standen an zweiter Stelle Stadtmagazine aus der Herkunftskultur (17 %, fünf Personen) und deutlich abgeschlagen an dritter Stelle Radiosender aus der Herkunftskultur (mindestens interessant für nur 3 %, eine Person). Für beide Befragtengruppen sind Fernsehsender aus der Herkunftskultur136 als Informationsquelle für Kunst und Kultur fast unbedeutend (TK: 9 %, zwei Personen; SU: 13 %, vier Personen). Dies deckt sich mit der oben bereits aufgeführten generell eher geringen Affinität des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ zu dem Medium Fernsehen. Mit dem oben aufgeführten Ergebnis der Studie „Migranten und Medien“ (2011) war zu vermuten, dass die Nutzung von herkunftssprachlichen Medien/Medien aus ihrer Herkunftskultur bei den Befragten, die zur ersten Einwanderergeneration gehörten, wahrscheinlicher ist als bei denjenigen aus der zweiten Generation.137 Diese Annahme kann hier jedoch nicht bestätigt werden. Sie trifft zwar für Fernsehsender aus der Herkunftskultur (1. Generation: 13,5 %, fünf Personen vs. 2. Generation: 7,1 %, eine Person) zu, Tageszeitungen aus der Herkunftskultur wurden von beiden Generationen jedoch zu fast gleichen Anteilen genutzt (1. Generation: 30 %, elf Personen vs. 2. Generation: 33 %, sechs Personen)138 wie Radiokunftskultur“ genannt: TK: Hürriyet, Milliyet, und Cumhuriyet (inkl. Deutschland-, Europa- oder Regional-Ausgabe); SU: Sovershenno Sekretno und Novaja gaseta. 135 Innerhalb der Interviews mindestens einmal – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, inhaltliche Beurteilung und Kenntnis über deren tatsächliche Verfügbarkeit – wurden von den Befragtengruppen die folgenden „Radiosender aus der Herkunftskultur“ genannt: TK: Metropol FM und Kral FM; SU: Nashe Radio und Radio Svoboda. 136 Innerhalb der Interviews mindestens einmal – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, inhaltliche Beurteilung und Kenntnis über deren tatsächliche Verfügbarkeit – wurden von den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion die folgenden „Fernsehsender aus der Herkunftskultur“ genannt: Perwy kanal und RTVi. Die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund machten hier keine Angaben. 137 Da es aus der dritten Einwandergeneration nur zwei Befragte gab, wurde dieser hier ausgeklammert. 138 Innerhalb dieser Frage gilt n = 52, davon n (TK) = 22, n (SU) = 30; 1. Generation n = 37, 2. Generation n = 14.
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sender aus der Herkunftskultur (1. Generation: 8 %, drei Personen vs. 2. Generation: 29 %, vier Personen), Stadtmagazine aus der Herkunftskultur (1. Generation: 11 %, vier Personen vs. 2. Generation: 21 %, drei Personen) sogar deutlich häufiger von der zweiten Generation. Allerdings muss an dieser Stelle in aller Deutlichkeit darauf verwiesen werden, dass die sehr niedrigen Fallzahlen hier maximal für die Tendenz sprechen können, dass hinsichtlich der Nutzung von herkunftssprachlichen Medien/Medien aus der Herkunftskultur eventuell innerhalb des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ nicht die erwarteten Generationeneffekte festzustellen sind. Im Durchschnitt nutzten die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund deutlich häufiger herkunftssprachliche Medien/Medien aus ihrer Herkunftskultur als Informationsquelle für Kunst und Kultur als die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Dies verwundert zunächst, wäre doch durch die im Vergleich häufigere Zugehörigkeit der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund zur zweiten (und sogar dritten) Generation zu vermuten gewesen, dass sie sich aufgrund ihres geringeren direkten Bezugs zu den jeweiligen Herkunftsländern seltener über diese Medien informieren als die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion, die öfter zur ersten Einwanderergeneration gehörten. Dieses Ergebnis deckt sich jedoch mit dem aktuellen Forschungsstand in Bezug auf die Bevölkerung mit Migrationshintergrund insgesamt, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2010 wie folgt zusammenfasste: „Die türkischstämmigen Migranten neigen im Vergleich mit anderen Herkunftsgruppen am stärksten zur Nutzung muttersprachiger Medien. Für sie gibt es auch das größte entsprechende Angebot, besonders bei Fernsehen und Printmedien.“139 Vor diesem Hintergrund erscheint logisch, dass – wie hier der Fall – die wahrscheinlichste Quelle für das prinzipiell zeitungsaf139 Worbs 2010: 5. An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass der Begriff „muttersprachig“ in besagter Studie in der Form im Hinblick auf Medien verwendet wird. Da sie sich aber in ihrer Gesamtheit auf Menschen mit Migrationshintergrund bezieht, ist die Verwendung des Begriffs aus Sicht der Autorin in diesem Kontext problematisch und wird aus diesem Grund in dieser Veröffentlichung auch nicht verwendet, denn laut Definition des Statistischen Bundesamtes ist ein großer Teil der Menschen mit Migrationshintergrund nicht selbst migriert, sondern in Deutschland geboren (vgl. Statistisches Bundesamt 2015a: 4 f.). Für diese Personengruppe wäre die Muttersprache somit zunächst Deutsch, im individuellen Verständnis der einzelnen Personen eventuell zusammen mit anderen Sprachen – zumindest aber nicht nur die Sprache des jeweiligen Landes, aus dem sie Migrationshintergrund aufweisen.
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fine „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ für beide Gruppen Tageszeitungen aus der Herkunftskultur waren. Ist es doch im Vergleich zu Radiosendern oder Stadtmagazinen in Deutschland recht einfach, Zugang zu entsprechenden herkunftssprachlichen Zeitungen/Zeitungen aus ihrer Herkunftskultur zu erhalten. Selbst wenn diese nicht in Papierform vorhanden sind (wie oftmals bei Tageszeitungen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion der Fall), können sie doch zumeist online gelesen werden. Radiosender aus der Herkunftskultur können von beiden Gruppen fast ausschließlich über das Internet gehört werden – ein Aufwand, den zumindest die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion offenbar nicht betreiben wollten (mindestens interessant nur 3,3 %, eine Person) (siehe Abbildung 37 auf Seite 230). Eine Ausnahme bietet der in Teilen von Deutschland ausgestrahlte türkischsprachige Radiosender Radyo Metropol FM, der über UKW (auch) in Stuttgart und Berlin zu empfangen ist (Nennung bei sieben Personen140) und vermutlich den höheren Anteilswert innerhalb der Antwortmöglichkeit „Radiosender aus der Herkunftskultur“ bei den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund erklärt. Der Sender Radio Russkij Berlin, der zumindest in und rund um Berlin über UKW zu empfangen ist, wurde von den Befragten nicht erwähnt. Stadtmagazine aus der Herkunftskultur im weitesten Sinne gab es in allen drei Erhebungsorten für beide Herkunftsgruppen.141 Für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund waren diese jedoch offenbar entweder nicht bekannt und/oder unwichtig (mindestens interessant nur 9 %, zwei Personen). Warum Stadtmagazine für die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion als Informationsquelle eine vergleichsweise größere Rolle spielten, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden, denn hierzu wurden keine Informationen erhoben. Vielleicht liegt es im Vergleich zu den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund am Mangel an alternativen 140 N = 23. 141 In der Regel handelt es sich dabei allerdings um in Deutschland für bestimmte Migrantengruppen publizierte Magazine in deren Herkunftssprache – insofern war die Bezeichnung „aus der Herkunftskultur“ nicht ganz zutreffend, denn sie impliziert die Herstellung außerhalb Deutschlands. Innerhalb der Interviews mindestens einmal – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, inhaltliche Beurteilung und Kenntnis über deren tatsächliche Verfügbarkeit – genannt wurden für Berlin: HEY Berlin, SES (TK) sowie Russkiy Berlin (SU), für Frankfurt/Main: Toplum (TK) und Neue Zeiten (SU) sowie für Stuttgart Avrupa und Demet (TK) und Russkiy Stuttgart (SU). Für Stuttgart wurden zudem noch die migrantengruppenübergreifenden Zeitschriften Begegnung der Kulturen und Interkultur aufgeführt.
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gedruckten Quellen in der Herkunftssprache (haptisches Erlebnis) oder an der unterschiedlichen Qualität der einzelnen Publikationen aus Sicht der Befragten. Nach den oben genannten Ausführungen ist davon auszugehen, dass die unterschiedliche Relevanz von herkunftssprachlichen Medien/Medien aus ihrer Herkunftskultur für beide Befragtengruppen vor allem darin begründet liegt, dass für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund ein größeres Angebot besteht als für die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (Makroebene) und nicht im individuellen Migrationshintergrund (Mikroebene). Auch wenn herkunftssprachige Medien/Medien aus der Herkunftskultur als Informationsquelle für Kunst und Kultur für die Befragten eine vergleichsweise kleine Rolle spielten, so handelte es sich doch herkunftsbedingt bei beiden Befragtengruppen um jeweils unterschiedliche Medien. An dieser Stelle ist wichtig zu ergänzen, dass die im Vergleich niedrige Relevanz von herkunftssprachlichen Medien/Medien aus der Herkunftskultur als Informationsquelle für die Befragten sicherlich (auch) aus der teilweise (sehr) kritischen Haltung gegenüber diesen Informationsquellen resultierte. In den Interviews kommentierten mehrere Befragte innerhalb des thematischen Abschnitts zu ihrem Informationsverhalten ungefragt diese Medien in dieser Richtung. Dies galt für Befragte mit türkischem Migrationshintergrund (zwei Personen142): „Generell finde ich die deutschen Medien […] interessanter, weil die türkischen Medien sich eher auf Nachrichten in der Türkei beschränken und wenig über Ereignisse in der restlichen Welt berichten. Auch wenn ich bspw. ARD und ZDF schaue, kommt immer etwas zu Deutschland und zum Ausland in den Nachrichten.“ (Alper, TK, Abs. 47) „Was ich nicht konsumiere, ist türkisches Fernsehen. Das finde ich anstrengend, und gerade in der Berichterstattung ist es aus meiner Sicht qualitativ auf zu niedrigem Niveau“. (Hatice, TK, Abs. 63)
Insbesondere aber galt es für Befragte mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (acht Personen143). Hier beispielhaft: „[…] deren Inhalte sind für mich absolut uninteressant […]. Sie sind inhaltlich ganz anders gestrickt als hier, und sie bilden ja auch die Realität kaum ab. […]. Ich brauche keine russische oder ukrainische Zeitung zu lesen, weil es für mich mehrheitlich Propaganda ist.
142 N = 23. 143 N = 30.
236 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT Ich gucke, wenn ich in Kiew bin, Nachrichten wie so eine Art ‚Freakshow‘, aber nicht für irgendeinen Erkenntnisgewinn […].“ (Jewa, SU, Abs. 66) „Bei meinen Eltern bekomme ich ab und zu russisches Fernsehen mit, und die politischen Themen, die sie dort besprechen, haben aus meiner Sicht eine seltsame Perspektive, deshalb nutze ich das nicht. Die russischen Zeitungen empfinde ich auch eher auf Alltagsniveau, Hausfrauenniveau, wie die Bildzeitung hier. Die lese ich ja aber auch nicht. […] Ich nutze das auch nicht, weil ich diese ,Migrantenkultur‘ seltsam finde. […] Ich habe das Gefühl, das nutzen nur Leute, die dort abgereist, aber hier nicht angekommen sind.“ (Lilja, SU, Abs. 65) „[…] es gibt hier in Berlin eine russischsprachige Zeitung mit Informationen zu Angeboten in Berlin, aber die finde ich völlig uninteressant. Russische Zeitungen sind zu konservativ für mich, politisch und auch sonst behandeln sie Themen, die ich nicht interessant finde, und tatsächlich sind sie auch stilistisch schlecht. Ich würde diese Medien nie gezielt nutzen, um dort nach Kulturangeboten zu sehen.“ (Sofia, SU, Abs. 82) „Russische Zeitungen bspw. finde ich alle schlecht. Und Berliner Ausgaben von russischen Zeitungen, bspw. Russkiy Berlin, orientieren sich an den Menschen, die kein Deutsch können, und das sind meist ältere Menschen über 60 Jahre. Darin finden sich auch nur russische Kulturveranstaltungen in Berlin. Das finde ich uninteressant, und sie haben auch einen schlechten Ruf, weil sie sich auf diejenigen konzentrieren, die sich für deutsche Angebote nicht interessieren oder sie nicht nutzen können oder wollen. […] Auf mich wirkt das altmodisch.“ (Xenia, SU, Abs. 58)
5.2.3.3.3
Kommunikationsinstrumente von Kulturinstitutionen als Quellen für Kunst und Kultur In den weiteren Ergebnissen innerhalb des Rankings der Informationsquellen spiegelte sich das hohe Interesse der Befragten an und deren hohe Nutzung von Kulturangeboten wider, denn die Antworten zeigen auf, dass beide Befragtengruppen tatsächlich – und wie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum „Intellektuellkosmopolitischen Milieu“ und dessen Informationsverhalten vermutet – in hohem Maße über Kommunikationsinstrumente von Kulturinstitutionen erreicht wurden: Jeweils wenigstens die Hälfte der Befragten je Gruppe nannte als mindestens wahrscheinliche Informationsquellen mit leichten Abweichungen in der Reihenfolge: Prospekte/Flyer/Spielpläne (TK: 91 %, 21 Personen; SU: 72 %, 21 Personen), Plakate der Anbieter (TK: 91 %, Personen; SU: 79 %, Personen), Information durch andere Kulturinstitutionen (TK: 91 %, 20 Personen; SU: 77 %, 23 Personen), Newsletter (TK: 83 %, 19 Personen; SU: 67 %, 20 Personen) und
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Hinweisschild an den Institutionen (TK: 57 %, 13 Personen; SU: 57 %, 17 Personen) (siehe Abbildung 38). Abbildung 38: Kommunikationsinstrumente von Kulturinstitutionen
Prospekte/Flyer/Spielpläne
91% (21) 72% (21)
Plakate der Anbieter
91% (21) 79% (23)
Information durch andere Kulturinstitutionen
91% (20) 77% (23) 83% (19) 67% (20)
Newsletter
57% (13) 57% (17)
Hinweisschild an Institutionen 0%
20%
40%
60%
80%
TK (n = 21-23) SU (n = 28-30)
100%
Quelle: Eigene Erhebung.
Gleichzeitig ist auch hier jedoch ein Unterschied zwischen beiden Befragtengruppen offenkundig: Die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund konnten im Durchschnitt über fast alle Kommunikationsinstrumente von Kulturinstitutionen besser erreicht werden als die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Warum dies der Fall ist, wird aus den Antworten der Befragten kaum ersichtlich. In den Interviews von drei Befragten fand sich in Bezug auf diesen Sachverhalt ein Hinweis im Kontext der Frage, inwieweit Informationsmaterialien in den jeweiligen Herkunftssprachen von den Befragten positiv empfunden werden. Dazu beispielhaft: „Das würde bedeuten, dass man endlich bemerkt hat, dass mehr als 10 % der Bevölkerung in Stuttgart auch Russisch sprechen. Bei den Türken haben sie es inzwischen gemerkt, etwa 20–25 % der Migranten hier sind türkischstämmig.“ (Piotr, SU, Abs. 105) „Es stellt sich für mich […] die Frage, ob man sich […] bislang nicht eher zu einseitig, also im Hinblick auf nur eine oder zwei Migrantengruppen, bewegt. Ich denke, man sollte die Zielgruppen eher wechseln […]. Manchmal habe ich das Gefühl, man würde sich eher einen Chinesen einladen als einen Russen.“ (Jelena, SU, Abs. 85) „Man würde denken: ,Oh, man hat an uns gedacht.‘ […] Das vermittelt den Eindruck, dass man wahrgenommen wird und wichtig ist. Und es zeigt, dass die Entscheidungsträger gemerkt haben, dass es von uns so viele gibt, dass wir besonders angesprochen werden sollten.“ (Larisa, SU, Abs. 84)
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Die drei Erhebungsorte wurden unter anderem danach ausgewählt, dass dort ein generell hohes Bewusstsein für das Thema „Interkulturelle Öffnung“ herrscht (siehe Kapitel 4.3). Sehr wahrscheinlich ist daher, dass verschiedene Kulturinstitutionen in allen drei Städten in den letzten Jahren bereits angefangen hatten, gezielt auf einzelne Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund in ihrem Umfeld zuzugehen. Ebenfalls sehr wahrscheinlich ist, dass sie sich dabei aus zweierlei Gründen zunächst auf Menschen mit türkischem Migrationshintergrund konzentriert hatten: Es handelt sich in allen drei Befragungsorten um eine große, wenn nicht sogar die größte Bevölkerungsgruppe mit Migrationshintergrund (siehe Kapitel 4.3). Innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe fanden sich laut der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund besonders viele Nicht-Besucher (siehe Kapitel 3.2.2),144 auf die sich die Audience Development-Bemühungen in Deutschland konzentrierten (siehe Kapitel 2.2.3). Es ist somit realistisch davon auszugehen, dass die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund im Vergleich bislang häufiger und gezielter von Kulturinstitutionen als Zielgruppe angesprochen wurden als diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion, und dass sich hieraus für Erstere ein positiver Effekt auf die Wahrscheinlichkeit der entsprechenden Informationsquellen ergab (siehe Kapitel 5.2.2.1). Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen würden die hier auszumachenden Unterschiede erneut nicht mit dem individuellen Migrationshintergrund der Befragten (Mikroebene) zusammenhängen, sondern in der Größe und sozioökonomischen Zusammensetzung der beiden Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund liegen und der hieraus resultierenden Reaktion von Kulturinstitutionen, zu denen diese gehören (Makroebene). 5.2.3.3.4 Lebensumfeld als Quelle für Kunst und Kultur Die Befragten erfuhren über Kulturangebote auch in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld, allerdings unterschied sich die Relevanz verschiedener Informationsquellen zwischen den beiden Befragtengruppen zum Teil sehr deutlich. Zwar waren für beide Gruppen gleichermaßen Aushänge in Kneipen, Geschäften Restaurants, etc. eine wahrscheinliche Quelle (TK: 61 %, 14 Personen; SU: 63 %, 19 Personen) sowie je nach ihrer persönlichen Situation Information über Arbeitgeber, Gewerkschaften, Verbände etc. (TK: 44 %, zehn Personen; SU: 37 %, elf Personen), „Informationen über die Schule meiner Kinder“ (TK: 27 %, sechs Personen; SU: 21 %, sechs Personen) und „Informationen über meine Ausbil-
144 Vgl. Keuchel 2012: 113.
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dungsstätte“ (TK: 14 %, drei Personen; SU: 25 %, sieben Personen) (siehe Abbildung 39). Abbildung 39: Lebensumfeld als Quelle für Kunst und Kultur Informationen über Migrantenvereine, -organisationen
70% (16) 17% (5)
Aushänge in Kneipen, Geschäften, Restaurants etc.
61% (14) 63% (19) 44% (10) 37% (11)
Informationen über Arbeitgeber, Gewerkschaften, Verbände etc.
27% (6) 21% (6)
Informationen über die Schule meiner Kinder
TK (n = 21-23)
14% (3) 25% (7)
Informationen über meine Ausbildungsstätte 0%
20%
40%
SU (n = 28-30) 60%
80%
100%
Quelle: Eigene Erhebung.
Die Informationsquelle „Informationen über Migrantenvereine, -organisationen“ hatte für die beiden Befragtengruppen jedoch eindeutig unterschiedliche Relevanz: Während die Quelle für 70 % (16 Personen) der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund eine mindestens wahrscheinliche Quelle darstellte und im Ranking der verschiedenen Informationsquellen bei ihnen einen mittleren Platz einnahm, war sie nur für 17 % (fünf Personen) der Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion mindestens wahrscheinlich. Bei ihnen nahm sie im Ranking entsprechend auch einen der letzten Plätze ein. Dieser Befund ist stimmig mit dem innerhalb von Kapitel 5.2.1 dargestellten Ergebnis, dass die Hälfte der Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion bewusst keinen Kontakt zu Migrantenvereinen und -organisationen hatte und etwa ein Drittel dieser Befragtengruppe sie sogar ablehnte. Zwar stand auch ein Drittel der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund den Institutionen kritisch gegenüber, dennoch hatten sie zu ihnen zu einem sehr hohen Anteil Kontakt. Vielleicht hatten die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund aber einfach nur deshalb – und unabhängig von ihrer Einstellung diesen gegenüber – häufiger angegeben, dass sie über solche Institutionen erreicht werden könnten, weil sie für sie in Gegensatz zu Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion als Quelle zumindest theoretisch zur Verfügung stehen, da sie in ihrem Umfeld hinsichtlich Größe und Bedeutsamkeit vorhanden sind (siehe Kapitel 5.2.1). Letzteres hängt jedoch nicht mit dem individuellen Migrationshintergrund der Befragten zusammen (Mikroebene), sondern mit Umweltbegebenheiten an den Erhebungsorten (Makroebene).
240 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT
5.2.3.3.5 Für Kommunikation gewünschte Sprache Es ist ein naheliegender Gedanke, Kommunikation mit Menschen mit Migrationshintergrund (auch) in ihrer Herkunftssprache zu führen. Zumal die Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) von Interkultur.pro aufzeigte, dass die zur Information über kulturelle Veranstaltungen genutzte Sprache bei Menschen mit Migrationshintergrund sowohl Deutsch (durchschnittlich zu 57 % genutzte Sprache) als auch eine andere Sprache sein kann.145 Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ hatten in den Ergebnissen der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus zu knapp 90 % erstklassige Deutschkenntnisse146 und damit deutlich bessere als der Durchschnitt innerhalb der Bevölkerungsgruppen mit gleichem Migrationshintergrund innerhalb der deutschen Gesamtbevölkerung. Die bereits angeführte Studie „Migranten und Medien“ (2011) kam zu dem Ergebnis, dass Menschen mit türkischem Migrationshintergrund die deutsche Sprache nach eigener Einschätzung zu 70 % sehr gut oder gut verstanden (Verstehen, Sprechen, Lesen, Schreiben). Bei Menschen mit Migrationshintergrund aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion lag der entsprechende Wert bei 77 %.147 Dass für Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ dennoch eine Kommunikation in ihren jeweiligen Herkunftssprachen attraktiv sein könnte, lässt sich aus der Beschreibung des Milieus vermuten, in der unter anderem als Charakteristikum aufgeführt wurde: „Mehrsprachigkeit als kulturelles Kapital ist für diese Zuwanderergruppe meist selbstverständlich.“148 Die Befragten wurden für die erfolgreiche Durchführung der Interviews unter anderem danach ausgewählt, dass sie sehr gut Deutsch sprechen (siehe Kapitel 4.5). Damit erscheint es logisch, dass dieses Faktum auf sie alle zutraf und sie zumindest ihren Sprachkenntnissen nach keine Ansprache in der Herkunftssprache benötigen würden. Dennoch war es theoretisch möglich, dass sie sich von Kulturinstitutionen (auch) eine Ansprache in ihrer (evtl. zweiten) Herkunftssprache wünschten. Selbst wenn dies nicht der Fall war, konnte dieses Vorgehen zumindest für andere Zielgruppen mit Migrationshintergrund eventuell gewinnbringend sein. So erschien es als sinnvoll, herauszufinden, ob die Befragten eine Ansprache in ihrer (evtl. zweiten) Herkunftssprache negativ auffassen würden. Um dies festzustellen, wurden sie gefragt: „Wie fänden Sie es, wenn Kulturinstitutionen Sie in Ihrer Herkunftssprache ansprechen würden?“ Bezüglich der Antworten der Befragten ist an dieser Stelle zunächst wenig überraschend festzuhal145 Vgl. Cerci 2008b: 82. 146 Vgl. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 94. 147 Vgl. ARD/ZDF-Medienkommission 2011: 8. 148 Gerhards 2013: 47.
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ten, dass sie ausnahmslos alle unabhängig von ihrem jeweiligen Migrationshintergrund angaben, dass eine Ansprache in ihrer (evtl. zweiten) Herkunftssprache für sie nicht notwendig sei (100 %, 53 Personen 149 ). Dennoch empfand der überwiegende Teil von ihnen eine Ansprache in ihrer (evtl. zweiten) Herkunftssprache als positiv (TK: 86 %, 19 Personen; SU: 66 %, 19 Personen), eine neutrale Haltung dazu hatte nur ein geringer Anteil (TK: 9 %, zwei Personen; SU: 24 %, sieben Personen). Negativ fand dies sogar ein noch geringerer Teil der Befragten (TK: 5 %, eine Person; SU: 10 %, drei Personen) (siehe Abbildung 40). Abbildung 40: Ansprache in (evtl. zweiter) Herkunftssprache Finde ich schlecht 5% (1)
Neutral 9% (2)
Finde ich gut 86% (19)
Finde ich schlecht 10% (3)
TK
Finde ich gut 66% (19)
SU
n = 22
Neutral 24% (7)
n = 29
Quelle: Eigene Erhebung.
Auch die Gründe dafür, dass diese Option trotz ihrer sehr guten Sprachkenntnisse als positiv empfunden wurde, waren bei beiden Herkunftsgruppen sehr ähnlich, für sie in ihrer Relevanz jedoch deutlich unterschiedlich: Die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund gaben als Grund hierfür an erster Stelle an, dass sie es als Anerkennung bzw. Wertschätzung empfinden würden (46 %, zehn Personen 150 ), an zweiter Stelle meinten sie, dass sie es als nette Geste bzw. ,Willkommen‘ sehen würden (36 %, acht Personen), und an letzter Stelle sagten die Befragten, dass es für manche Menschen auch eine Hilfestellung sein könnte (23 %, fünf Personen). Dazu beispielhaft: „Auch wenn ich Deutsch gut verstehe – es ist eine Anerkennung, eine Akzeptanz. Im Moment empfinde ich noch immer primär Ignoranz von diesen Institutionen. So würde man mich auch direkt ansprechen. Es ist nicht so, dass es mich hindern würde, an etwas teilzunehmen, wenn das nicht gemacht wird, dann könnte ich ja kaum etwas besuchen, aber es würde mich freuen, und, wenn man an die ganze Community denkt, wäre es einfach notwendig.“ (Filiz, TK, Abs. 99)
149 N = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30. 150 Innerhalb dieser Frage gilt n (TK) = 22.
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Die Reihenfolge der Gründe war bei den Menschen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion anders: Sie nannten als ersten Grund, dass sie es als nette Geste bzw. ,Willkommen‘ sehen würden (48 %, 14 Personen 151 ), und mit sichtbarem Abstand an zweiter Stelle, dass sie es als Hilfestellung sinnvoll fänden (17 %, fünf Personen) oder als Anerkennung bzw. Wertschätzung (10 %, drei Personen) verstehen würden. Dazu beispielhaft: „Das hieße für mich, dass das negative Klischee, dass die Russen immer nur die Bösen sind, endlich langsam verschwindet. Das wäre ein positives Signal […]. Wenn jemand auf mich zugeht und mich auf Russisch begrüßt, ist mein erster Eindruck, dass er nett ist.“ (Piotr, SU, Abs. 105)
In der Verteilung der Antworten zeigt sich, dass eine Ansprache in ihrer (evtl. zweiten) Herkunftssprache von den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund als positiver erachtet wurde als von denjenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund wurde dies vor allem als wichtige (und bislang aus ihrer Sicht weitestgehend ausgebliebene) Anerkennung bzw. Wertschätzung der Bevölkerungsgruppe ihres Migrationshintergrunds und der türkischen Sprache empfunden. Entsprechend war es für sie besonders wichtig, dass mit einer solchen Handlungsweise von Kulturinstitutionen nicht die defizitorientierte Vorstellung verbunden ist, es sei für eine Bevölkerungsgruppe sprachlich notwendig. Dazu beispielhaft: „Es muss endlich bei den Biodeutschen ankommen, die Türkischstämmigen haben sich integriert, sind zum Teil deutsche Staatsbürger, aber sie sprechen eben auch Türkisch.“ (Helin, TK, Abs. 101)
Für die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde eine Übersetzung vor allem als nette Geste bzw. ,Willkommenʻ gesehen. Für sie war vor allem wichtig, dass die inhaltliche Sinnhaftigkeit der Übersetzung bspw. durch thematische Bezüge des Angebots gegeben war. Dazu beispielhaft: „Wenn es ein deutsches Angebot mit einem deutschen Thema ist und für alle sein soll, die hier leben, erwarte ich erst einmal, dass es nur auf Deutsch ist. Wenn es dann nur auf Deutsch und Russisch wäre, würde ich mich schon fragen, wieso? Ist es jetzt doch über
151 Innerhalb dieser Frage gilt n (SU) = 29.
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Russland? Ist es nur für die Russen gedacht? Das fände ich komisch.“ (Nina, SU, Abs. 122)
Dies deckt sich sowohl mit den Ergebnissen der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) als auch mit denen der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008), die zu dem Schluss kamen, dass Menschen mit Migrationshintergrund Informationsquellen über kulturelle Veranstaltungen in mehreren Sprachen nutzen wollen (siehe Kapitel 5.2.3.3.5).152 Auch in den Empfehlungen der beiden Befragtengruppen, wie Kulturinstitutionen möglichst viele Menschen mit Migrationshintergrund ansprechen und gleichzeitig möglichst wenige verärgern könnten, spiegelten sich diese Unterschiede. Ein hoher Prozentsatz in beiden Befragtengruppen gab hier an, dass es einen nach außen klar erkennbaren Grund geben sollte, warum übersetzt worden ist, bspw. weil das zugehörige Angebot einen thematischen Bezug hierzu hat und/oder Künstler eingebunden sind, um deren Herkunftssprache es sich handelt (TK: 18 %, vier Personen; SU: 31 %, neun Personen153), und/oder weil das Angebot zumindest auch in ebenjener Sprache zur Verfügung gestellt wird (TK: 9 %, zwei Personen; SU: 21 %, sechs Personen). Diese beiden Punkte waren für die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion im Vergleich wichtiger als für diejenigen mit türkischem Migrationshintergrund. Gleichzeitig empfahlen die Befragten, dass es sprachlich für möglichst viele aus der jeweiligen Zielgruppe mit Migrationshintergrund (und für die Gesamtbevölkerung) gut zu verstehen wäre und sehr wahrscheinlich nicht als negativ oder gar als Angriff gewertet würde, wenn zudem alles zweisprachig (Deutsch und die jeweilige evtl. zweite Herkunftssprache) gestaltet werden würde (TK: 55 %, zwölf Personen; SU: 24 %, sieben Personen). Dieser Punkt war für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund im Vergleich wichtiger als für diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Um ganz generell möglichst viele Menschen anzusprechen und möglichst wenige sprachlich auszuschließen, schlugen mehrere Personen vor, dass es am besten sei, wenn generell alles mehrsprachig wäre (TK: 14 %, drei Personen; SU: 21 %, sechs Personen). Dazu beispielhaft: „Man bekommt den Eindruck, alle gehören dazu, alle sind gemeint, weil ihre Sprachen alle hier auf dem Flyer stehen. Sie gehören alle zu Frankfurt und Deutschland dazu.“ (Helin, TK, Abs. 101)
152 Vgl. Keuchel 2012: 172 ff.; Cerci 2008b: 94 ff. 153 Innerhalb dieses Themenabschnitts gilt n = 51, davon n (TK) = 22, n (SU) = 29.
244 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT „Um zu zeigen, dass Deutschland multikulturell ist, wäre es aus meiner Sicht am besten, man würde es generell in mehreren Sprachen machen.“ (Iwan, SU, Abs. 108)
Interessant ist in diesem Kontext, noch einmal genauer auf die Antworten in Bezug auf den Punkt „Hilfestellung“ einzugehen. Die Befragten spielten zwar hierbei alle auch auf die Tatsache an, dass manche Menschen mit Migrationshintergrund aus unterschiedlichen Gründen Sprachdefizite aufwiesen (TK: 23 %, 8 Personen; 17 %, 5 Personen), brachten aber zudem vielfältige vertiefende Aspekte ein. Dazu beispielhaft: „Auch auf Türkisch Informationen zu haben, ist ja schon deshalb gut, weil viele Leute aus der Türkei kommen, um hier ihre Verwandten zu besuchen, oder aus der Türkei Geschäftspartner kommen und kein Deutsch sprechen. Für die wäre es auch ein ‚Willkommen‘. Das wäre also nicht nur für die hier Ansässigen schön, sondern auch für diejenigen, die hierher als Gäste kommen.“ (Sibel, TK, Abs. 23) „Für Leute, die neue Sprachen lernen wollen, wäre es interessant, oder auch für Leute, die auch ihre Herkunftssprache weiter fördern oder besser lernen wollen.“ (Alexandra, SU, Abs. 87) „Ich würde auch sagen, es ist eine Aufwertung der Sprache. Wenn ich in der Straßenbahn Beschilderungen auch auf Türkisch lese, und sei es bspw. nur die Strafe für Schwarzfahren, dann denke ich mir, sie haben jetzt gemerkt und berücksichtigen, dass es hier in Frankfurt noch andere Sprachen als Deutsch gibt, die sehr oft gesprochen werden.“ (Adnan, TK, Abs. 121) „Manches kann man auf Deutsch einfach nicht genau so sagen wie auf Russisch. […] Wenn man beide Sprachen beherrscht oder vielleicht das Deutsche sogar weniger, ist es einfach schöner, es in der Originalsprache zu lesen.“ (Elena, SU, Abs. 112) „Es ist nun einmal so, dass in Deutschland sehr viele Menschen mit Wurzeln aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion leben, die zwar schon lang da sind, aber […] nicht gut Deutsch sprechen. Für sie ist der russische Flyer deshalb einfach cool. Und für diejenigen, die gut Deutsch können, ist es auch nett.“ (Pawel, SU, Abs. 101) „Wenn man hier ein Plakat sieht, das auch auf Russisch ist, dann ist das wie ein Fremdkörper in all dem Deutschen, man sieht es sofort, es bekommt automatisch Aufmerksamkeit und Anerkennung.“ (Boris, SU, Abs. 157)
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Gleichzeitig thematisierten Befragte aus beiden Gruppen sehr deutlich, dass einige Fallstricke lauern können, wenn Kulturinstitutionen sich (auch) an einer Ansprache in der (evtl. zweiten) Herkunftssprache von Menschen mit Migrationshintergrund versuchen. Dazu beispielhaft: „Es muss aber auf jeden Fall auch die deutsche Beschreibung dabei sein, denn man möchte die Inhalte ja auch an nicht-türkischsprachige Leute weitergeben können. […] Wenn ich mir eine türkischstämmige Familie vorstelle, die ins Museum geht: Die kleinen Kinder können gar kein Türkisch und haben es so viel einfacher, sich mit ihrer Familie und ihren vielleicht auch nicht-türkischen Freunden auszutauschen.“ (Pinar, TK, Abs. 105) „Wenn ich weiß, dass das Angebot nur auf Deutsch ist, würde ich das nicht raten, dann fände ich es eher albern. Das ist dann wie ein Lockmittel, auf das fällt man dann herein, versteht aber dann ja doch nichts, wenn man nicht gut Deutsch spricht. Das wird nicht gut ankommen.“ (Gülay, TK, Abs. 118) „Ich finde es schwer zu sagen, ob ich das gut fände, wenn das Informationsmaterial auf Russisch wäre. Ich glaube, es hängt davon ab, wie es gemacht wird, wie es aussieht, wie der Druck ist, das Design und ob es gut übersetzt ist. Es reicht nicht, einfach nur auf Russisch zu sein, damit es mich anspricht.“ (Antonia, SU, Abs. 124) „Wenn man Informationsmaterial nicht zweisprachig macht, sondern nur auf Türkisch, dann würde ich denken: ‚Was soll das denn? Ich lebe hier und kann Deutsch – warum schreiben sie es nicht auf Deutsch?‘ Wenn es nur auf Türkisch wäre, würde ich mich diskriminiert fühlen. Da wird mir ja unterstellt, dass ich kein Deutsch kann.“ (Ayse, TK, Abs. 113) „Wenn ich beide Sprachen zur Wahl habe, würde ich einfach immer schauen, was ich besser verstehe, bspw. bei Originalzitaten. Wenn es nur auf Russisch wäre, würde ich mich nicht so sehr angesprochen fühlen, weil ich einfach nicht nur russisch bin und ich ja auch noch nicht einmal sehr gut Russisch spreche.“ (Sonja, SU, Abs. 95)
In den Ergebnissen innerhalb dieses thematischen Abschnitts können zwar keine nennenswerten Unterschiede zwischen den beiden Befragtengruppen dahingehend festgestellt werden, inwieweit sie eine Ansprache in ihrer (evtl. zweiten) Herkunftssprache positiv oder negativ fänden. Hierbei handelte es sich bei beiden Befragtengruppen abhängig von ihrer Herkunftskultur im Zweifelsfall jedoch um jeweils unterschiedliche Sprachen.
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5.2.3.3.6
Geografischer Markt für Kulturangebote
Kontextualisierung des geografischen Markts für Kulturangebote Für die Wahl von geeigneten Kommunikationskanälen, mit denen sie ihre Angebote bekannt machen möchten, ist es für Kulturinstitutionen wichtig zu wissen, aus welcher Entfernung (potenzielle) Besucher anreisen würden und wie weit sich dementsprechend der (potenzielle) Markt für ihre Angebote geografisch erstreckt (siehe Kapitel 2.3.1). Laut der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus besuchten Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ (innerhalb der letzten sechs Monate) zu 49 % Angebote innerhalb ihrer Stadt bzw. Gemeinde, zu 35 % in einer benachbarten Stadt/Gemeinde, zu 23 % innerhalb der Region, aber maximal 100 km entfernt, und zu 14 % weiter als 100 km entfernt. Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ waren somit eher als die Gesamtheit der in der Studie befragten Personen mit Migrationshintergrund (Milieuschnitt) bereit, für Kulturbesuche weite(re) Entfernungen zurückzulegen. Letztere hatten zwar ebenfalls zu 49 % Angebote innerhalb ihrer Stadt bzw. Gemeinde besucht, jedoch deutlich seltener über diesen geografischen Raum hinaus: Zu 22 % in einer benachbarten Stadt/Gemeinde, zu 13 % innerhalb der Region, aber maximal 100 km entfernt, und zu 6 % weiter als 100 km entfernt.154 Hier ist zu beachten, dass die Abfrage der Entfernungen in der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) anders vorgenommen wurde als in der hier vorliegenden Veröffentlichung.155 In der Befragung für die Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) wurde davon ausgegangen, dass manche Personen Kulturangebote in verschiedenen Entfernungen nutzen würden, daher waren dort Mehrfachnennungen möglich. 156 Die Antworten ergaben somit zusammen mehr als 100 %.157 In der im Rahmen der vorliegenden Studie durchgeführten Befragung 154 N = 2.072 (vgl. Gerhards 2013a: 102 f.). 155 Zum Zeitpunkt der Erhebung stand der Autorin das in den Sinus-Milieu-Studien in diesem Kontext verwendete Erhebungsinstrument noch nicht zur Verfügung, weshalb in der vorgenommenen Befragung an dieser Stelle auf dasjenige zurückgegriffen wurde, das in den „KulturBarometer“-Studien des Zentrums für Kulturforschung Anwendung findet (siehe hierzu bspw. Zentrum für Kulturforschung 2005: 3 ff.). 156 Vgl. Gerhards 2013a: 102 f. 157 Ein herzlicher Dank an dieser Stelle geht an Klaus Gerhards (iD-Agentur-Ruhr), der auf Anfrage der Autorin im Sommer 2015 freundlicherweise mit Details zu den in der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus verwendeten Frage- und Antwortformulierungen weiterhalf.
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mussten sich die Befragten zwischen vier Antwortmöglichkeiten entscheiden, die Antworten ergaben zusammen 100 %. Ein Vergleich beider Studienergebnisse ist somit an dieser Stelle nicht möglich. Im Hinblick auf die für Kunst und Kultur zurückgelegten Distanzen liegen jedoch Vergleichsdaten aus der deutschlandweiten Repräsentativstudie „8. KulturBarometer“ (2005) des Zentrums für Kulturforschung vor. Danach besuchte die deutsche Gesamtbevölkerung Kulturangebote zu 28,9 % innerhalb der Stadtgrenzen, zu 36,8 % fährt sie hierfür bis in eine der benachbarten Städte, zu 20,7 % in weiter entfernte Städte innerhalb der Region (max. 100 km) und zu 13,6 % in weiter entfernte Städte, mehr als 100 km entfernt (siehe Abbildung 41).158 Abbildung 41: Kontextualisierter geografischer Markt für Kulturangebote >100 km 14%
Stadtgrenzen 29%
TK Region (100 km 23%
Stadtgrenzen 21%
SU Region ( 100 km 9% (2)
Region (< 100 km) 4% (1)
Stadtgrenzen 83% (19)
Region (< 100 km) 10% (3)
TK
Nachbarstädte 4% (1)
> 100 km 13% (4)
n = 23
Nachbarstädte 17% (5)
Stadtgrenzen 60% (18)
SU
n = 30
Quelle: Eigene Erhebung.
Es kann hier nur spekuliert werden, warum sich die beiden Befragtengruppen in diesem Punkt in ihrem Antwortverhalten von beiden Vergleichsgruppen derart stark unterschieden, denn bezüglich dieses Sachverhalts wurde in den Interviews nicht nachgehakt. Es ist jedoch stark davon auszugehen, dass dieser Unterschied nicht bei den Befragten selbst zu suchen ist (Mikroebene), sondern in den Umweltbegebenheiten an den Erhebungsorten (Makroebene) begründet lag: Die Befragten wohnten alle in Großstädten mit einem großen Kunst- und Kulturangebot. Für sie war der Anreiz, für ein interessantes Angebot weite(re) Strecken zurückzulegen, sicherlich nicht so hoch, wie dies im Zweifelsfall bei den beiden Vergleichsgruppen der Fall war. Denn in diese flossen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch in Regionen wohnende Personen ein, in denen weit weniger Angebote vorhanden sind.
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Die Antworten der beiden Befragtengruppen auf diese Frage waren sich grundsätzlich ähnlich, allerdings waren die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion in der Tendenz etwas reisefreudiger als die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund: Der größte Teil der Befragten informierte sich von der Entfernung her innerhalb der Stadtgrenzen, in denen er wohnte (TK: 83 %, 19 Personen; SU: 60 %, 18 Personen). Nur ein vergleichsweise geringer Teil verfolgte auch Hinweise auf Kulturangebote, die weiter entfernt liegen: Bis in eine der Nachbarstädte (TK: 4 %, eine Person; SU: 17 %, fünf Personen), in weiter entfernte Städte innerhalb der Region > 100 km (TK: 9 %, zwei Personen; SU: 13 %, vier Personen) oder gar in weiter entfernte Städte < 100 km (TK: 4 %, eine Person; SU: 10 %, drei Personen) (siehe Abbildung 42 auf Seite 248). Stark zu vermuten ist, dass die Unterschiede auch hier nicht im individuellen Migrationshintergrund der Befragten lagen, sondern mit anderen persönlichen Gründen zusammenhingen: Ein Grund, der einen negativen Einfluss auf die Reisemöglichkeiten ausüben kann, sind kleine Kinder. Würde diese Vermutung zutreffen, müssten die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund öfter bzw. mehr kleine Kinder haben als diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Es hatten jedoch etwa genauso viele Befragte mit türkischem Migrationshintergrund kleine Kinder wie die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (TK: 39 %, neun Personen; SU: 33 %, zehn Personen160). Dieser Erklärungsgrund für die Unterschiede in ihren Antworten trifft somit nicht zu. Der Hauptgrund für die Unterschiede in den Antworten beider Befragtengruppen liegt sehr wahrscheinlich in der Alterszusammensetzung der Befragten: Innerhalb der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund war der Anteil von Personen unterhalb eines Alters von 45 Jahren und insbesondere unter 30 Jahren im Vergleich zu den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion sichtbar niedriger (TK: bis 30 J.: 9 %, zwei Personen, 31–45 J.: 44 %, zehn Personen vs. SU: bis 30 J.: 33 %, zehn Personen, 31–45 J.: 53 %, 16 Personen161). Das „8. KulturBarometer“ (2005) kam zu dem Ergebnis, dass sich innerhalb der deutschen Gesamtbevölkerung die Altersgruppen „unter 25 Jahre“, „25–49 Jahre“ und „50 Jahre und älter“ in der Häufigkeit ihrer Kulturbesuche innerhalb der Stadtgrenzen und bis in eine der benachbarten Städte kaum unterschieden. Kulturbesuche in weiter entfernte Städte innerhalb der Region (max. 100 km) und in weiter entfernte Städte, mehr als 100 km entfernt, wurden im Vergleich deutlich häufiger von den Altersgruppen „unter 25 Jahre“ und „25–49 Jahre“ vor160 N = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30. 161 N = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30.
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genommen als von denjenigen, die „50 Jahre und älter“ waren.162 Es ist somit sehr wahrscheinlich, dass auch für die Befragten galt: Die Bereitschaft, für Kulturbesuche weite(re) Strecken zurückzulegen, sank mit steigendem Lebensalter. An dieser Stelle trägt offenbar der Migrationshintergrund der Befragten nicht zur Erklärung des unterschiedlichen Verhaltens der beiden Befragtengruppen bei. 5.2.4 Preis- und Distributionspolitik 5.2.4.1 Kontextualisierung der Preispräferenzen Es war zu vermuten, dass die Befragten als Angehörige des „Intellektuellkosmopolitischen Milieus“ durch ihren großen und breit gefächerten Kulturkonsum über einen sehr guten Kenntnisstand bezüglich der aktuellen Preise verschiedener Angebote verfügen würden. Die Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus kam zu dem Ergebnis, dass sich innerhalb des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ oftmals Personen befanden, die künstlerische oder soziale Berufe ausüben und die als Selbstständige und Freiberufler oder im öffentlichen Dienst tätig sind. Im Durchschnitt handelte es sich dabei meist um Angehörige mittlerer Einkommensklassen und nur selten um ,Besserverdienende‘. Im Vergleich zu Angehörigen anderer Sinus-Migranten-Milieus zählten sie dennoch eher zu Menschen in gehobener wirtschaftlicher Situation – 33 % verfügen über ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von über 3.000 Euro und 45 % über Wohneigentum.163 Diese Tatsache sprach dafür, dass die aktuellen Eintrittspreise von Kulturangeboten für die Befragten wahrscheinlich keine allzu große Besuchsbarriere darstellen würden. In der Tat steht in der Beschreibung des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ zwar: „In den meisten Fällen kann aber auch das kulturell extrem begeisterungsfähige Milieu sein Interesse nicht gleichermaßen in die Tat umsetzen. Auch hier mangelt es manchmal letztlich an Zeit und Geld.“164 Ein Senken der Eintrittspreise wird in diesem Kontext jedoch nicht als treibender Faktor für häufigere Kulturbesuche in der Zukunft genannt.165 Dafür, dass der Preis für die Befragten vermutlich kein wichtiger Hinderungsgrund sein würde, sprach ein weiterer Punkt: Aus der Kulturnutzerforschung ist bekannt, dass der für ein Kulturangebot zu zahlende Preis, insbesondere für daran bereits interessierte Zielgruppen, in der Rangordnung potenzieller
162 Vgl. Zentrum für Kulturforschung 2005: 3. 163 Vgl. Gerhards 2013a: 49; Cerci 2008a: 24. 164 Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010: 94. 165 Vgl. Gerhards 2013a: 103 f.
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Besuchsbarrieren weit unten steht.166 Als Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ waren die Befragten in jedem Fall als höchst interessiert an kulturellen Angeboten einzustufen.167 5.2.4.2 Preispräferenzen Eine Analyse der Antworten, die die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund und diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion auf die Frage „Welchen Preis wären Sie bereit, für diese Angebote maximal zu zahlen?“ für einzelne Kulturbesuche angegeben haben, zeigte zunächst deutlich, dass deren durchschnittliche Preispräferenzen sich äußerst ähnlich sind.168 Im Durchschnitt (arithmetisches Mittel) über 17 verschiedene Kulturangebote wichen sie um nur 2,84 Euro voneinander ab. Wenn Abweichungen feststellbar sind, ist zwar stark davon auszugehen, dass hier vor allem statistische Messabweichungen zum Tragen kamen, dennoch können zumindest Tendenzen aus dieser Analyse abgelesen werden. Es zeigten sich hier vier leichte, eventuell nicht zufällige Abweichungen: Für einen Besuch von Musicals (TK: 31,30 Euro vs. SU: 26,80 Euro) und (Wort-)Kabarett/Comedy/Kleinkunst (26 Euro vs. SU: 20,33 Euro) wollten die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund mehr und für Theater/Schauspiel (Sprechtheater) (TK: 29,78 Euro vs. SU: 33,07 Euro) und Ballett/Tanztheater (TK: 32,83 Euro vs. SU: 36,67 Euro) weniger zahlen als die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (siehe Tabelle 3 auf der folgenden Seite).
166 Siehe hierzu bspw. Klein 2011a: 214; Kay/Wong/Polonsky 2009: 838 ff. 167 Vgl. Gerhards 2013a: 99. 168 Innerhalb dieses Themenabschnitts gilt n = 51–53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 28. Bei der Antwortmöglichkeit „Volkshochschulen (VHS)“ wollten zwei Befragte mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion aus – wie von ihnen selbst beschrieben – genereller Unkenntnis zu diesem Angebot keine Angabe machen.
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Tabelle 3: Gewünschter Maximalpreis für einzelne Kulturangebote TK
SU
Abweichung
Ø-Preis
Rock-/Pop-Konzerte
45,43 €
46,67 €
1,23 €
46,05 €
Kino/Filmvorführungen
12,09 €
14,83 €
2,75 €
13,46 €
Literaturveranstaltungen/ Lesungen
13,61 €
15,73 €
2,12 €
14,67 €
Theater/ Schauspiel (Sprechtheater)
29,78 €
33,07 €
3,28 €
31,42 €
Musicals
31,30 €
26,80 €
4,50 €
29,05 €
(Wort-)Kabarett/ Comedy/Kleinkunst
26,00 €
20,33 €
5,67 €
23,17 €
Opern/Operetten
37,17 €
34,33 €
2,84 €
35,75 €
Wissenschaftliche/ Naturkundliche Museen
10,13 €
12,20 €
2,07 €
11,17 €
Historische Museen
9,43 €
12,03 €
2,60 €
10,73 €
Kunstmuseen
12,43 €
14,40 €
1,97 €
13,42 €
Klassische Konzerte
31,30 €
32,50 €
1,20 €
31,90 €
Ballett/Tanztheater
32,83 €
36,67
3,84 €
34,75 €
Ø 2,84 €
Quelle: Eigene Erhebung.
Über die Gründe dieses Unterschiedes kann an dieser Stelle nur spekuliert werden. Es liegt nahe zu vermuten, dass sich hier ein unterschiedlicher Interessenschwerpunkt zwischen beiden Gruppen spiegelt, ein Vergleich der Interessen beider Gruppen hinsichtlich dieser beiden Kulturangebote (siehe Kapitel 5.2.2.1) liefert jedoch keine abschließende Erklärung. Tatsächlich wiesen die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund für Musicals und (Wort-)Kabarett/Comedy/Kleinkunst ein größeres Interesse auf als die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion, wodurch sich erklären lässt, warum sie bereit waren, hierfür mehr zu zahlen. Das Interesse für Theater/
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Schauspiel (Sprechtheater) und Ballett/Tanztheater war hingegen in beiden Befragtengruppen in etwa gleich ausgeprägt und kann insofern nicht als Begründung für die unterschiedlichen Preispräferenzen der beiden Gruppen herhalten. Weitere Einflussfaktoren wie bspw. das durchschnittliche Einkommen der Befragten oder das Vorhandensein oder die Qualität von Angeboten in der Nähe wurden im Rahmen dieser Studie nicht erfasst. Trifft es, wie in Kapitel 5.2.2.2.4 vermutet, zu, dass die wirtschaftliche Lage der Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion etwas schlechter ist als diejenige der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund, so zeigte sich dies jedoch nicht in unterschiedlichen Preiswünschen beider Gruppen. Wenn die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion an Kulturbesuchen sparen müssen, tun sie dies offenbar nicht in Bezug auf das Kernangebot, sondern im Zweifelsfall an hiermit in Kombination zu besuchenden Restaurants, Kneipen oder Cafés. Auf die Frage, wie die Befragten zu den von ihnen genannten Preispräferenzen gekommen waren, ergab sich in beiden Befragtengruppen gleichermaßen ein äußerst differenziertes Bild der Entscheidungsfindung. Dazu beispielhaft: „Ich habe versucht, maximale Preise anzugeben. Bei […] ‚Musicals‘ steht hier deshalb bspw. 0 Euro, weil ich dafür nichts ausgeben möchte. Zu ‚Rock-/Popkonzerten‘ gehe ich ab und zu, da habe ich hier 40 Euro angegeben. Bislang habe ich da maximal diesen Preis ausgegeben, das ist aber nicht unbedingt die absolute Obergrenze. Ungefähr das würde ich ausgeben wollen. Ich habe hier bei […] ‚Literaturveranstaltungen/Lesungen‘ 10 Euro geschrieben, das können wir aber gern zu 15 Euro ändern. Wenn es mich sehr interessiert, würde ich das ausgeben. […] Ich habe versucht, hier meine persönlichen Maximalpreise anzugeben, kann aber nicht leugnen, dass das Wissen um die tatsächlichen aktuellen Kosten eine Rolle gespielt hat.“ (Adnan, TK, Abs. 115) „Ich habe hier fast immer 10 Euro angegeben, das heißt, bspw. für eine Oper möchte ich am liebsten maximal 10 Euro zahlen. Opern interessieren mich nicht so sehr, deshalb mag ich dafür einfach auch nicht viel zahlen. Ich bin natürlich teilweise davon ausgegangen, wie viel ich persönlich in der Tasche habe. Da das meistens nicht so viel ist, kann ich auch einfach nicht so viel ausgeben. […] Ich war aber auch nicht ganz konsequent, bei ‚Rock/Pop-Konzerten‘ habe ich nämlich 50 Euro eingetragen. […] Die Konzerte interessieren mich mehr als Oper, und man geht ja auch nicht so oft.“ (Alexej, SU, Abs. 89)
Die Gründe, die in die Entscheidung einflossen, welchen Preis sie für ein Kulturangebot maximal zahlen wollen würden, waren bei beiden Befragtengruppen sehr ähnlich, unterschieden sich aber je nach Befragtem von Angebot zu Ange-
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bot.169 Hier spiegelte sich die aus der Kulturmarketingforschung bekannte Tatsache wider, dass die Preisbereitschaft (potenzieller) Besucher insbesondere von dem von ihnen individuell wahrgenommenen Wert eines Angebots bzw. dem mit einem Besuch zu erzielenden Nutzen abhängt (Kernnutzen, sozialer Nutzen, symbolischer Nutzen, Servicenutzen) (siehe Kapitel 2.3.1).170 Insbesondere spielte in dieser Hinsicht zusammengefasst und wie bereits vermutet eine Rolle, wie attraktiv oder interessant die Befragten ein Angebot fanden. Je interessanter es für sie war, desto mehr durfte (bis zu einer gewissen Obergrenze) in der Regel auch ein Besuch kosten. Entsprechend gaben viele Befragte unabhängig von ihrem Migrationshintergrund an, dass sie bei keinem Interesse an einem Kulturangebot häufig auch kein Geld dafür ausgeben wollten (68 %, 36 Personen). In Bezug auf die generelle Attraktivität einzelner Angebote gab es jedoch offenbar für die beiden Befragtengruppen keine grundsätzlich unterschiedliche Einschätzung, die sich in Preisdifferenzen widergespiegelt hätte. Ebenfalls sehr häufig floss in den Entscheidungsprozess die Kenntnis der Befragten über die tatsächlichen Preise für einen Besuch der aufgeführten Angebote ein (38 %, 20 Personen). Ein Teil der Befragten gab überdies an, dass sie bei ihren Überlegungen sogar die Kosten der Erstellung der Angebote mitbedacht hätten (23 %, zwölf Personen). Je höher die (vermuteten oder tatsächlichen) Herstellungskosten waren, desto mehr waren sie auch bereit, für einen Besuch zu zahlen. Während zwölf Befragte (23 %) angaben, dass auch ihre aktuelle Finanzlage eine Rolle bei der Entscheidung gespielt hätte, gaben vier Befragte (8 %) an, dass sie gar nicht wüssten, wie sie auf diese Frage antworten sollten, denn Preise würden für sie bei der Entscheidung für oder gegen einen Kulturbesuch keine große Rolle spielen. Sie würden auch 100 Euro oder zumindest mehr als die aktuellen Preise für einen Besuch zahlen, wenn das Angebot für sie sehr interessant sei. Zu erwähnen ist, dass die Befragten ihre Angaben jedoch nur bedingt im Sinne der Fragestellung gemacht hatten: Nur etwa die Hälfte von ihnen (47 %, 25 Personen) gab an, tatsächlich und entsprechend der eigentlichen Fragestellung ihr wirkliches oberstes Preislimit für den Besuch eines einzelnen Angebots („etwas ganz Besonderes“) angegeben zu haben. Sehr häufig wurde von ihnen (stattdessen) eine durchschnittliche Schmerzgrenze eingetragen, sprich das, was sie durchschnittlich maximal für einen Besuch des entsprechenden Angebots zahlen wollen würden (64 %, 34 Personen). Gemessen an der Tatsache, dass den Befragten sehr häufig die tatsächlichen Preise für einen Kulturbesuch bekannt waren, lassen sich aus ihren Angaben vorsichtige Hinweise auf ihre Akzeptanz 169 Innerhalb dieses Themenabschnitts gilt n = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30. 170 Vgl. Günter/Hausmann 2012: 62; Klein 2008a: 87 ff.; 2005: 309 ff.
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der Preise und das Potenzial der Preise als Besuchsbarrieren ableiten. Da die durchschnittlichen Eintrittspreise der innerhalb der Frage aufgeführten Angebote sicherlich von Region zu Region und von Haus zu Haus verschieden sind, kann hier nur beispielhaft auf einige wenige Kulturangebote eingegangen und auch nur ein Vergleich mit den aktuellen Durchschnittspreisen in Deutschland vorgenommen werden. Laut den Ergebnissen in Kapitel 5.2.2.1 fanden beide Befragtengruppen insbesondere Kulturangebote im Bereich der Museen und im Bereich „Theater/ Schauspiel (Sprechtheater)“ interessant, weshalb hier speziell auf diese beiden Bereiche eingegangen wird: Aus der aktuellen „Statistischen Gesamterhebung an Museen“ des Instituts für Museumsforschung ist bekannt, dass ein hoher Anteil (ca. ein Drittel) der im Jahr 2014 berücksichtigten 4.547 Museen aus ganz Deutschland keinen Eintritt verlangte und nur bei etwas mehr als 11 % der Museen der reguläre Eintrittspreis durchschnittlich über 5 Euro lag.171 Für den Besuch eines Museums waren die Befragten nach eigenen Angaben im Durchschnitt und über alle drei genannten Museumsarten bereit, doppelt bis dreimal so viel für einen Besuch zu zahlen (in etwa 12,40 Euro). Der durchschnittliche Preis eines Vollpreistickets lag in der Spielzeit 2014/2015 laut der aktuellen „Theaterstatistik“ des Deutschen Bühnenvereins bei den eingeflossenen Einrichtungen für den Besuch eines Schauspiels in Berlin bei 5–48 Euro, in Frankfurt/Main bei 13–49 Euro und in Stuttgart bei 8–36 Euro.172 Für eine Aufführung im Bereich „Theater/Schauspiel (Sprechtheater)“ gaben die Befragten als Maximalpreis ca. 35 Euro an – für diesen Betrag können sie, außer vielleicht in den höheren Preiskategorien, auch eine Eintrittskarte erhalten. Auf Basis der Ergebnisse lässt sich somit vermuten, dass die Akzeptanz hinsichtlich der aktuellen Preise kultureller Angebote bei den Befragten aus beiden Gruppen gleichermaßen hoch ist und die Preise in vielen Fällen kaum eine Barriere darstellten. Dies gilt insbesondere, da in der hier vorgenommenen Auswertung durchschnittliche Maximalpreise aus allen Antworten berechnet wurden, sprich auch diejenigen einflossen, die gar keine Preisbereitschaft (0 Euro) gezeigt hatten. Bei einer Auswertung, die nur noch diejenigen einbezieht, die bereit waren, für den Besuch eines Kulturangebots einen (zumindest minimalen) Eintrittspreis zu zahlen, ist zu erwarten, dass die entsprechenden durchschnittlichen Maximalpreise noch höher liegen würden. Dieses Ergebnis deckt sich mit der Erkenntnis aus der Kulturmanagementforschung, dass der Eintrittspreis für einen Kulturbesuch – zumindest bei kulturaffinen Zielgruppen, wie dem hier betrachteten „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ – im Vergleich zu anderen Hinde171 Vgl. Institut für Museumsforschung 2015: 39 f. 172 Vgl. Deutscher Bühnenverein 2016: 178 ff.
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rungsgründen kaum eine relevante Besuchsbarriere darstellt. Im Gegenteil könnten bspw. für Museen in Bezug auf diese Zielgruppe in der Preisgestaltung eventuell sogar noch Spielräume nach oben vorhanden sein. In Bezug auf Aufführungen im Bereich Theater/Schauspiel (Sprechtheater) scheinen sich die aktuellen Preise mit den Vorstellungen der Befragten weitestgehend zu decken, hier ist – wenn überhaupt – vermutlich nur wenig Spielraum in der Preisgestaltung vorhanden. In der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) konnten keine Informationen zur Preisbereitschaft einzelner Sinus-Migranten-Milieus gefunden werden. Auch konnten in der Kulturnutzerforschung keine Vergleichswerte zu Menschen mit und ohne Migrationshintergrund oder zu Gruppen mit verschiedenem Migrationshintergrund gefunden werden, an die mit der hier verwendeten Erhebungsmethode gelangt worden war. An dieser Stelle können daher keine dementsprechenden Gegenüberstellungen aufgezeigt werden. In der Forschung zu finden ist jedoch die Erkenntnis, dass sich die Höhe der Ausgaben für Kulturveranstaltungen zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund und auch zwischen Gruppen mit verschiedenem Migrationshintergrund unterscheidet. Die Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) von Interkultur.pro kam zu dem Schluss, dass Menschen ohne Migrationshintergrund im Durchschnitt mehr für Kulturveranstaltungen ausgaben als diejenigen mit Migrationshintergrund. Besonders niedrig waren im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu Bevölkerungsgruppen mit anderem Migrationshintergrund die Kulturausgaben der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund.173 Doch auch hier ist stark davon auszugehen, dass nicht der individuelle Migrationshintergrund einzelner Personen der Grund für diese Unterschiede war (Mikroebene), sondern die im Durchschnitt unterschiedliche Finanzlage von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund und von Gruppen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund (Makroebene).174 Der Migrationshintergrund der Befragten sagt somit offenbar nur wenig über ihre Preispräferenzen aus. 5.2.4.3 Kontextualisierung der Ticket-Erwerbspräferenzen In Bezug auf die Frage, welche Ticket-Erwerbspräferenzen Menschen innerhalb des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ aufweisen würden, ließ sich aus der Milieubeschreibung innerhalb der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus keinerlei direkte Information ableiten. Auch aus weiteren Studien innerhalb der Publikumsforschung liegen 173 Vgl. Cerci 2008b: 90. 174 Vgl. Statistisches Bundesamt 2015a: 398 ff.
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keine geeigneten Vergleichsdaten vor. Herauslesen lässt sich hieraus jedoch ganz generell und vor allem im Vergleich zu den sieben anderen SinusMigranten-Milieus eine hohe Internetaffinität des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ – 59 % nutzen täglich oder gar mehrmals täglich das Internet.175 Es war somit zu vermuten, dass der Ticket-Erwerb über das Internet für die Befragten eine zumindest interessante Option sein würde. 5.2.4.4 Ticket-Erwerbspräferenzen Die Auswertung der Antworten der Befragten auf die Frage „Wie interessant sind für Sie diese Möglichkeiten, Tickets zu kaufen bzw. Kurse zu buchen?“ bestätigte einerseits die Annahme, dass Kaufmöglichkeiten über das Internet in diesem Zusammenhang eine große Rolle spielen würden. Sie zeigte zudem fast die gleichen Ticket-Erwerbspräferenzen für beide Befragtengruppen auf. Wie die in der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus festgestellte hohe Internetaffinität des „Intellektuellkosmopolitischen Milieus“ erwarten ließ,176 war sowohl für Befragte mit türkischem Migrationshintergrund als auch für Befragte mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion die interessanteste Möglichkeit über das Internet (mindestens interessant TK: 91 %, 21 Personen; SU: 97 %, 29 Personen). Auch die Präferenznennungen mit an der Abendkasse/Last Minute an zweiter Stelle (mindestens interessant TK: 82 %, 18 Personen; SU: 87 %, 26 Personen) und im Voraus beim Anbieter an dritter Stelle (mindestens interessant TK: 78 %, 18 Personen; SU: 79 %, 23 Personen) waren bei beiden Befragtengruppen gleich (siehe Abbildung 43 auf der folgenden Seite).177
175 Vgl. Gerhards 2013a: 50 f. 176 Vgl. Gerhards 2013a: 50 f. 177 Unterschiede zwischen den Prozentwerten bei den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund trotz einer Personenanzahl von 18 ergeben sich aus der Tatsache, dass bei an der Abendkasse/Last Minute-Verkauf/Buchung n = 22 galt, während bei im Voraus beim Anbieter direkt vor Ort kaufen/buchen n = 23 galt.
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Abbildung 43: Ticket-Erwerbspräferenzen 91% (21) 97% (29)
Über das Internet
82% (18) 87% (26)
An der Abendkasse/Last Minute Im Voraus beim Anbieter
78% (18) 79% (23)
Per Telefon
78% (18) 60% (18) 48% (11) 47%(14)
An Automaten
44% (10)
Über Migrantenvereine, -organisationen
17% (5)
Über Arbeitgeber, Gewerkschaften, Verbände etc.
26% (6) 20% (6)
Abonnement
26% (6) 17% (5)
TK (n = 22-23)
17% (4) 23% (7)
In Kneipen, Geschäften, Restaurants etc. 0%
20%
40%
SU (n = 29-30) 60%
80%
100%
Quelle: Eigene Erhebung.
Auch bei den am wenigsten interessanten Ticket-Erwerbsoptionen waren sich die Antworten der Befragten aus beiden Gruppen sehr ähnlich: Für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund waren die uninteressantesten Optionen des Ticket-Erwerbs über Arbeitgeber, Gewerkschaften, Verbände etc. (mindestens interessant 26 %, sechs Personen) zusammen mit Abonnement an vorletzter Stelle (mindestens interessant 26 %, sechs Personen). An letzter Stelle stand für sie die Option in Kneipen, Geschäften, Restaurants etc. (mindestens interessant 17,4 %, vier Personen). Für die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion waren die uninteressantesten Ticket-Erwerbsoptionen über Arbeitgeber, Gewerkschaften, Verbände etc. an vorletzter Stelle (mindestens interessant 20 %, sechs Personen) sowie Abonnement (mindestens interessant 17 %, fünf Personen) zusammen mit über Migrantenvereine, -organisationen an letzter Stelle (mindestens interessant 17 %, fünf Personen) (siehe Abbildung 43). Es ist zu vermuten, dass ein längerfristig bindendes Abonnement für die Befragten vor allem ihrem Wunsch nach möglichst kurzfristiger Planung widerspricht. Diese Einschätzung wird von großen Teilen der Bevölkerung geteilt, die Musiktheater und Konzerte ebenfalls zunehmend spontan nutzen und sich bei der Planung von Besuchen entsprechend immer weniger festlegen möchten.178 178 Siehe hierzu bspw. Lutz 2011b: 98 f.; Klein 2008a: 147 ff.; Keuchel 2005a: 57 ff.; 2005b: 119 ff.
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Die Option für Kulturinstitutionen, Besuchsbarrieren dadurch abzubauen, dass ein Ticket-Erwerb im unmittelbaren Lebensumfeld der (potenziellen) Besucher (bspw. über Arbeitgeber, Gewerkschaften, Verbände etc., in Kneipen, Geschäften Restaurants etc. oder über Migrantenvereine, -organisationen) angeboten wird,179 wurde von den Befragten offensichtlich nicht besonders hochgeschätzt (siehe Abbildung 43 auf Seite 258). Sicherlich benötigen sie als sehr kulturinteressierte Zielgruppe diese Möglichkeiten nicht, warum sie sie aber nicht einmal als praktischen Service empfanden, kann hier nur gemutmaßt werden. Speziell in der Einschätzung, inwieweit ein Ticket-Erwerb über Migrantenvereine, -organisationen interessant sei, unterschieden sich die beiden Befragtengruppen. Für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund war diese Option im Vergleich interessanter (mindestens interessant 44 %, zehn Personen) als für diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (17 %, fünf Personen). Insgesamt handelte es sich aber bei beiden Befragtengruppen um keine Ticket-Erwerbsoption, die eine besonders hohe Relevanz hatte (TK: an 6. Stelle; SU: an 9. Stelle) (siehe Abbildung 43 auf Seite 258). Dies lag wahrscheinlich unter anderem darin begründet, dass die Hälfte der Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion bewusst nur wenig Kontakt zu Migrantenvereinen und -organisationen aufwies und etwa ein Drittel sie sogar ganz explizit ablehnte. Befragte mit türkischem Migrationshintergrund waren den Institutionen gegenüber zwar gleichermaßen kritisch eingestellt (ebenfalls etwa ein Drittel), hatten zu ihnen aber immerhin (vielleicht auch einfach durch deren generell höhere Verbreitung und/oder die große Reichweite einzelner Institutionen) zu einem sehr hohen Anteil Kontakt (siehe Kapitel 5.2.1). In der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus konnten keine Vergleichswerte zu den TicketErwerbspräferenzen einzelner Sinus-Migranten-Milieus gefunden werden. An dieser Stelle können somit keine Vergleiche aufgezeigt werden. Die von den Befragten angegebenen Präferenzen entsprechen jedoch im Großen und Ganzen den Ergebnissen der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) von Interkultur.pro, in der die präferierten Bezugswege von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gegenübergestellt und gerankt wurden: Die Möglichkeit eines Ticketkaufs beim Anbieter direkt empfanden dort ca. 55 % der Befragten mit und ca. 60 % der Befragten ohne Migrationshintergrund als mindestens interessant. Bei der Option über das Internet waren es ca. 40 % der Befragten mit und ca. 45 % der Befragten ohne Migrationshintergrund, und bei der Möglichkeit an der Abendkasse/Last Minute-Verkauf gleichermaßen ca. 40 % der Befragten mit 179 Wie empfohlen bspw. bei Allmanritter/Siebenhaar 2010: 188.
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und ohne Migrationshintergrund. Auch in dieser Studie war die Ticket-Erwerbsoption Abonnement für die Befragten (mit und ohne Migrationshintergrund) am uninteressantesten. Nur etwas unter 10 % der Befragten mit und etwas über 10 % der Befragten ohne Migrationshintergrund fanden diese Möglichkeit mindestens interessant (siehe Kapitel 3.2.2.4).180 Deutlich wurde in dieser Studie somit der geringe Unterschied zwischen den Befragtengruppen mit und ohne Migrationshintergrund, der für einen generell geringen Einfluss des Faktors „Migrationshintergrund“ auf Ticket-Erwerbspräferenzen spricht. 5.2.5 Besuchsbarrieren bzw. -anreize 5.2.5.1 Kontextualisierung von Nutzungsmotiven für Kulturbesuche Da ein Schwerpunkt von Audience Development-Strategien im Abbau (potenzieller) Barrieren für einen Kulturbesuch liegt181 (siehe Kapitel 2.3.2), wurde im weiteren Verlauf der Erhebung zudem auf Hinderungsgründe für einen Kulturbesuch für die Befragten eingegangen. Für ein besseres Verständnis jener Besuchsbarrieren lohnt jedoch zunächst ein kurzer Blick auf die Frage, aus welchen Gründen das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ Kulturangebote primär besucht. In der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) und der Studie „Die Sinus-Milieus in Deutschland“ (2009) von Sinus liegen hierzu zum Teil Vergleichsdaten vor, denn in deren Rahmen wurde gefragt „Wenn Sie an Kunst- und Kulturangebote denken, was ist Ihnen dabei wichtig?“182. Bei einem Vergleich auffällig ist, dass für die Bevölkerung mit Migrationshintergrund (Milieuschnitt) und die deutsche Gesamtbevölkerung in der Gewichtung sehr deutlich andere Nutzungsmotive Relevanz haben als für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“. Besonders deutlich zeigt sich dies bei den Nutzungsmotiven „Neue Ideen und Anregungen bekommen“ und „Etwas dazulernen“, die für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ um mehr als 20 % wichtiger sind, sowie „Etwas Schönes erleben“ und „Ein schönes Ambiente genießen“, die für das Milieu um etwa 15 % wichtiger sind als für den Milieuschnitt und die deutsche Gesamtbevölkerung. Gleichzeitig sind für das „Intellektuellkosmopolitische Milieu“, für das nur die sechs wichtigsten Nutzungsmotive (bis anteilig mindestens 27 %) vorliegen, die Gründe „Nette Leute treffen“, „Mich entspannen, erholen“, „Einfach Spaß haben“ und „Etwas Aufregendes erleben“ 180 N = 1.023 (vgl. Cerci 2008b: 84). 181 Siehe hierzu bspw. Mandel 2011b: 10; 2009a: 26. 182 Cerci/Gerhards 2010c: 56 ff.
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im Vergleich um mindestens ca. 15 % weniger wichtig als für die beiden Vergleichsgruppen. Das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ entspricht in seinen Nutzungsmotiven somit dem Stammpublikum kultureller Angebote, für das bei einem Kulturbesuch ebenfalls vor allem der Wunsch etwas zu lernen, neue Erfahrungen zu machen und etwas Sinnvolles/Wertvolles zu tun im Vordergrund steht (siehe auch Kapitel 2.3.3.3) (siehe Abbildung 44).183 Abbildung 44: Kontextualisierte Nutzungsmotive für Kulturbesuche 76% 52%
Etwas Schönes erleben
61% 58% Etwas dazu lernen
32% 25% 55%
Einen außergewöhnlichen Tag/ Abend haben
39% 48% 49%
Ein schönes Ambiente genießen
29% 33% 43%
Neue Ideen und Anregungen bekommen
20% 20% 27%
Mehr über die heutige Zeit und was es heute alles gibt erfahren
16% 41% 40%
Nette Leute treffen
Sinus I.-K. Milieu 2008 (n = 232)
39% 43%
Mich entspannen, erholen
Sinus MH 2008 (n = 2.072)
35% 40%
Einfach Spaß haben
Sinus Gesamt 2009 (n = 2.015)
18% 18%
Etwas Aufregendes erleben 0%
20%
40%
60%
80%
Quellen: Cerci/Gerhards 2010c: 90; 2010a: 4 f.
In vielfältigen „KulturBarometer“-Studien des Zentrums für Kulturforschung wurden von der deutschen Gesamtbevölkerung als Erwartungen an einen Kulturbesuch hingegen seit vielen Jahren vor allem „Gute Unterhaltung“, „Etwas live erleben“ und „Gute Atmosphäre“ genannt.184 Die für das Stammpublikum typische Kombination aus dem Wunsch, sich zu entspannen („Etwas Schönes erleben“; „Ein schönes Ambiente genießen“, aber nicht „Mich entspannen, erholen“), aber gleichzeitig etwas Wertvolles tun zu wollen, wird in der Kulturnut-
183 Vgl. Slater 2007: 93 ff.; Hood 2004: 153. 184 Vgl. Keuchel/Mertens 2011: 6.
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zerforschung als konstruktives Entspannen („Constructive chillers“) umschrieben (siehe auch Kapitel 2.3.3.3).185 5.2.5.2 Nutzungsmotive für Kulturbesuche Die Antworten der Befragten auf die Frage danach, was sie sich versprechen, wenn sie (bestimmte) Kulturangebote besuchen,186 waren den Nutzungsmotiven des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ äußerst ähnlich. Auch für die beiden Befragtengruppen galt gleichermaßen, dass sie etwas Wertvolles tun wollen. Entsprechend hoch lagen die prozentualen Werte bei den Antwortmöglichkeiten „Überraschende Eindrücke/künstlerische Impulse“ (TK: 58 %, 13 Personen; SU: 52 %, 16 Personen), „Neue Ideen bzw. Anregungen“ (TK: 48 %, elf Personen; SU: 42 %, 13 Personen), „Verbesserung der Allgemeinbildung“ (TK: 45 %, zehn Personen; SU: 52 %, 16 Personen). Gleichzeitig suchten sie bei einem Kulturbesuch „Entspannung“ (TK: 54 %, zwölf Personen; SU: 37 %, elf Personen) und „Gute Unterhaltung“ (TK: 44 %, zehn Personen; SU: 44 %, 13 Personen) und wollten „Etwas ‚live‘ erleben“ (TK: 46 %, elf Personen; SU: 34 %, zehn Personen). Für beide Befragtengruppen spielten „Spaß und Action“ (TK: 10 %, zwei Personen; SU: 10 %, drei Personen), „Nette Leute, die mich begleiten, in der Szene sein“ (TK: 9 %, zwei Personen; SU: 20 %, sechs Personen) sowie „Das Gefühl, etwas Außergewöhnliches zu tun“ (TK: 6 %, eine Person; SU: 10 %, drei Personen) eine vergleichsweise geringere Rolle (siehe Abbildung 45 auf der folgenden Seite).
185 Vgl. Slater 2007: 93 ff. 186 Für eine bessere Vergleichbarkeit und eine Komplexitätsreduktion innerhalb dieses Themenabschnitts wurden in der Datenauswertung hier die Ergebnisse der Fragen „Was versprechen Sie sich, wenn Sie ein Theater/eine Oper/eine Tanzaufführung besuchen?“, „Was versprechen Sie sich, wenn Sie ein Museum besuchen?“ und „Was versprechen Sie sich, wenn Sie ein klassisches Konzert besuchen?“ zusammengefasst, und es wurden nur die zehn wichtigsten Erwartungen aufgeführt. Bei den hier aufgeführten Ergebnissen handelt es sich entsprechend um Mittelwerte aus den jeweiligen Einzelauswertungen zu den drei Fragen. Zum Zeitpunkt der Erhebung stand der Autorin das in den Sinus-Milieu-Studien in diesem Kontext verwendete Erhebungsinstrument noch nicht zur Verfügung, weshalb in der vorgenommenen Befragung an dieser Stelle auf dasjenige zurückgegriffen wurde, das in den „KulturBarometer“-Studien des Zentrums für Kulturforschung Anwendung findet (siehe hierzu bspw. Zentrum für Kulturforschung 2005: 7 ff.).
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Abbildung 45: Nutzungsmotive für Kulturbesuche Überraschende Eindrücke/ künstlerische Impulse
58% (13) 52% (16) 54% (12)
Entspannung
37% (11) 48% (11) 42% (13)
Neue Ideen bzw. Anregungen
46% (11) 34% (10)
Etwas „live“ erleben Verbesserung der Allgemeinbildung
45% (10) 52% (16)
Gute Unterhaltung
45% (10) 44% (13) 32% (7)
Gute Atmosphäre
44% (13) 10% (2) 10% (3)
Spaß und Action Nette Leute, die mich begleiten, in der Szene sein
9% (2)
Das Gefühl, etwas Außergewöhnliches zu tun
6% (1) 10% (3)
20% (6)
0%
20%
TK (n = 23, Ø = 3,9) SU (n = 30, Ø = 3,8) 40%
60%
80%
Quelle: Eigene Erhebung.
Dass auch die Befragten die Kombination aus ihren Bedürfnissen an einen Kulturbesuch als ein konstruktives Entspannen verstanden, zeigten deren Antworten auf ein diesbezügliches Nachhaken innerhalb der Interviews deutlich.187 Alle Befragten, die in diesem Kontext ihre Antworten konkretisierten (TK: 100 %, 22 Personen; SU: 100 %, 19 Personen), gaben unabhängig von ihrem Migrationshintergrund an, dass für sie neuer inhaltlicher Input durch einen Kulturbesuch mit Entspannung und Unterhaltung zusammengehört. Dazu beispielhaft: „Wenn ich etwas Kulturelles besuche, sind mir ‚Neue Ideen bzw. Anregungen‘, ‚Überraschende Eindrücke/künstlerische Impulse‘ und eine ‚Verbesserung der Allgemeinbildung‘ einfach wichtig. Wenn ich schreibe ‚Unterhaltung‘, muss es mir aber schon auch persönlich etwas bringen. Es geht da nicht um sinnlose Berieselung. Ich suche auch ‚Entspannung‘, aber die finde ich eben auch durch diese Anregung.“ (Yasemin, TK, Abs. 59)
187 Die Frage hierzu lautete: „Sie haben im Fragebogen als Wunsch/Wünsche an Angeboten aus dem Bereich [Platzhalter] angegeben: [Platzhalter]. Bitte konkretisieren Sie Ihre Antwort/en.“ (Siehe digitaler Anhang).
264 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT „Wenn ich klassische Musik höre oder ein schönes Bild sehe, dann entspanne ich mich automatisch. Genauso geht es mir im Theater. Ich bin dann entspannt und gleichzeitig durch den kulturellen Input angeregt. Unterhaltung ohne einen solchen Input wäre keine Entspannung für mich.“ (Agnese, SU, Abs. 47)
Trotz der deutlichen Gemeinsamkeiten innerhalb ihrer Antworten zeigten sich zwischen den beiden Befragtengruppen auch Unterschiede: Für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund waren die Aspekte „Entspannung“ und „Etwas ‚live‘ erleben“ tendenziell wichtiger als für diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Für die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion waren stattdessen die Aspekte „Gute Atmosphäre“ und „Nette Leute, die mich begleiten, in der Szene sein“ wichtiger als für diejenigen mit türkischem Migrationshintergrund (siehe Abbildung 45 auf Seite 263). Die Gründe hinter diesen Unterschieden werden aus den Ergebnissen dieser Studie, aber auch aus den bislang herangezogenen Referenzstudien nicht ersichtlich. Ob es sich hierbei aufgrund der geringen Fallzahlen um zufällige Abweichungen handelte, herkunftskulturell bedingte Unterschiede zwischen den beiden Befragtengruppen und/oder ob andere Hintergründe (bspw. Befragtenauswahl, Makroebene) eine Rolle spielten, muss an dieser Stelle entsprechend offen bleiben. 5.2.5.3 Kontextualisierung der Besuchsbarrieren bzw. -anreize In der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus wurden mit der Frage „Kulturveranstaltungen würde man häufiger besuchen, wenn …“188 für jedes der Sinus-Migranten-Milieus die „Treiber“ (mindestens „stimme eher zu“) für deren künftige Nutzung abgefragt. Die zu bewertenden Aussagen umfassten dabei die folgenden Themengebiete: „Senkung der Eintrittspreise“, „mehr familienfreundliche Angebote“, „bessere Parkmöglichkeiten“, „mehr Angebote in der Heimatsprache“, „Einführungskurse in die Veranstaltungen“, „Informationsmaterial in der Heimatsprache“, „mehr Zugewanderte unter den Künstlern“, „mehr Zugewanderte im Publikum“, „mehr Angebote, die sich mit dem Thema Zuwanderung befassen“ sowie „eine bessere Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel“.189 Die Ergebnisse der Studie legten offen, dass Zugangsbarrieren für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ (auch) aufgrund dessen hoher Affinität zu Kunst und Kultur im Vergleich zu der Gesamtheit der innerhalb der Studie be188 Cerci/Gerhards 2010c: 68 ff. 189 Vgl. Cerci/Gerhards 2010c: 68 ff.
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fragten Menschen mit Migrationshintergrund (Milieuschnitt) deutlich weniger ins Gewicht fallen.190 Das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ nannte in der Studie insgesamt nur drei zusätzliche Anreize für zukünftige Kulturbesuche, die für die Gesamtheit der innerhalb der Studie befragten Menschen mit Migrationshintergrund (Milieuschnitt) zudem eine äußerst ähnliche Relevanz aufweisen: „… wenn es familienfreundliche Angebote, z. B. besondere Angebote für Kinder gäbe“ (33 % vs. 30 %), „… wenn es eine bessere Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel wie z. B. Busse, Straßenbahnen gäbe“ (29 % vs. 26 %) und „… wenn es bessere Parkmöglichkeiten gäbe“ (23 % vs. 20 %). Aspekte, die im weiteren Sinne mit dem Migrationshintergrund der Milieuangehörigen zusammenhängen, hält das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ somit offenbar für keine wichtigen Anreize für einen Kulturbesuch. Stattdessen fallen eher logistische Fragen ins Gewicht und der Wunsch nach Angeboten, die es ihnen erleichtern, sie in Begleitung zu besuchen. Gleichzeitig wird an anderer Stelle in der Studie darauf hingewiesen, dass „es […] selbstverständlich [ist], dass bei einem so breiten Interesse an Kunst und Kultur selbst ein Milieu der gehobenen sozialen Lage wie das Intellektuell-kosmopolitische dieses Interesse nicht in gleichem Maße auch in Kulturnutzung umsetzen kann. Zeitliche und finanzielle Begrenzungen sind nur zwei Faktoren, die hierbei eine Rolle spielen.“191
Die Aspekte „keine Zeit“ und „die Angebote sind zu teuer“ sind diejenigen, die sowohl in der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus als auch in den Studien „Kulturelle Vielfalt in Dortmund“ (2008) von Interkultur.pro, „InterKulturBarometer“ (2012) und der „Rheinschiene-Kulturschiene“ (2003) des Zentrums für Kulturforschung sowie „Teilhabe und Orientierungen türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in Nordrhein-Westfalen“ (2009) des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung über das Kulturnutzungsverhalten von Bevölkerungsgruppen mit und ohne Migrationshintergrund besonders häufig als Hinderungsgründe genannt wurden (siehe Kapitel 3.2.2.5).192 In der Kulturmanagementforschung wird jedoch davon ausgegangen, dass es sich speziell bei diesen beiden Aspekten – insbesondere bei Bevölkerungsgruppen, die Kulturangebote nur selten besuchen –
190 Vgl. Gerhards 2013a: 99. 191 N = 2.072, vgl. Gerhards 2013a: 100 f. 192 Vgl. Keuchel 2012: 167 ff.; Cerci/Gerhards 2010c: 68 ff.; Sauer 2009: 228; Cerci 2008b: 39 ff.; Keuchel 2003: 147.
266 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT
oftmals um vorgeschobene Gründe handelt, die genannt werden, um soziale und subjektive Barrieren nicht angeben zu müssen.193 5.2.5.4 Besuchsbarrieren bzw. -anreize Die Befragten besuchten Kulturangebote bereits äußerst häufig (siehe Kapitel 5.2.2.2). Es war entsprechend davon auszugehen, dass Besuchsbarrieren für sie eher nicht dazu führen würden, dass sie ein Angebot gar nicht besuchen, sondern weniger, als sie es vielleicht wünschen würden. Diese Annahme wurde mit den Antworten beider Befragtengruppen auf die Frage, aus welchen Gründen sie (bestimmte) Kulturangebote trotz grundsätzlichem Interesse nicht besuchten, bestätigt. Denn diese zeigten, dass für sie Besuchsbarrieren grundsätzlich keine herausragende Bedeutung hatten. Trotz einer Auswahl von 26 möglichen Besuchsbarrieren nannte von den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund weniger als die Hälfte (ca. 39 %, ca. neun Personen)194 und bei den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion nur etwas mehr als ein Drittel (ca. 37 %, ca. elf Personen) wenigstens einen Hinderungsgrund. Aufgrund der sehr geringen Fallzahlen kann an dieser Stelle entsprechend nur auf den Gesamteindruck eingegangen werden, der sich aus diesen Antworten ergibt: Bei denjenigen aus beiden Befragtengruppen, die Hinderungsgründe für einen Kulturbesuch aufführten, wiesen „Habe keine Zeit“, „Angebote sind zu teuer“ sowie „Keine Betreuungsmöglichkeit für Kinder“ im Verhältnis zu anderen Aspekten in Übereinstimmung mit dem Ergebnis für das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ aus der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus noch die größte Relevanz auf (ins-
193 Siehe hierzu bspw. Mandel 2010b: 17; Renz/Mandel 2010: 1 ff.; Kay/Wong/ Polonsky 2009: 842 f. 194 Für eine bessere Vergleichbarkeit und eine Komplexitätsreduktion innerhalb dieses Themenabschnitts wurden in der Datenauswertung hier die Ergebnisse der Fragen „Wenn Sie nicht so häufig ein Theater/eine Oper/eine Tanzaufführung von deutschen Anbietern besuchen, wie es Sie eigentlich interessieren würde, woran liegt das primär?“, „Wenn Sie nicht so häufig in Deutschland ein Museum besuchen, wie es Sie eigentlich interessieren würde, woran liegt das primär?“ und „Wenn Sie nicht so häufig ein klassisches Konzert von deutschen Anbietern (bspw. Konzerthäusern) besuchen, wie es Sie eigentlich interessieren würde, woran liegt das primär?“ zusammengefasst. Bei den hier aufgeführten Ergebnissen handelt es sich entsprechend um Mittelwerte aus den jeweiligen Einzelauswertungen zu den drei Fragen.
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ges. mind. fünf Nennungen (> 10 % Nennungen/Gruppe195), siehe Abbildung 46). Abbildung 46: Hinderungsgründe für einen Kulturbesuch 56% (5) 63% (7)
Ich habe keine Zeit Es ist mir zu teuer
30% (3) 22% (2)
Mir fehlt Betreuung für meine Kinder
26% (2) 25% (3) 0%
20%
40%
TK (n = 9, Ø = 3,3) SU (n = 11, Ø = 1,9) 60%
80%
Quelle: Eigene Erhebung.
Innerhalb der Interviews wurde in Bezug auf die Gründe „keine Zeit“ und „zu teuer“ nachgehakt, um herauszufinden, inwieweit es sich hierbei eventuell um in irgendeiner Form vorgeschobene soziale und psychische Gründe handeln könnte.196 Aus den Antworten der Befragten ließ sich schließen, dass dies nicht zutraf: Die Hintergründe lagen bei ihnen darin (Mehrfachantworten), dass sie sehr viel arbeiteten und oft zugleich noch ehrenamtlich tätig waren (TK: sechs Personen; SU: drei Personen 197), sie aufgrund aktueller Lebensumstände (auch wg. Kindern) für häufigere Besuche nicht ausreichend finanzielle Mittel hätten (TK: fünf Personen; SU: drei Personen), sie stattdessen Zeit mit ihren Kindern verbrächten (TK: zwei Personen; SU: vier Personen) oder aber ihre Prioritäten gerade (kurzfristig) auf konkreten sonstigen Tätigkeiten/anderen Ausgaben lagen (TK: zwei Personen; SU: fünf Personen). Aufgrund der wenigen Befragten, die Hinderungsgründe für einen Kulturbesuch nennen konnten, ist in diesem Kontext interessanter, welche der abgefragten potenziellen Besuchsbarrieren (siehe Kapitel 2.3)198 für sie – als Stammpublikum von Kulturangeboten wenig überraschend – offensichtlich keine bedeutende Rolle gespielt hatten:
195 N = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30. 196 Die Frage hierzu lautete: „Sie haben im Fragebogen als Nutzungsbarriere/n für Angebote aus dem Bereich [Platzhalter] angegeben. Bitte konkretisieren Sie Ihre Antwort/en.“ (Siehe digitaler Anhang). 197 N (TK) = 9, n (SU) = 10. 198 Siehe hierzu bspw. Kay/Wong/Polonsky 2009: 838 ff.
268 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT • Barrieren aufgrund von persönlichen Interessen und denen des sozialen Um-
felds („Die Angebote sind mir zu modern“, „Mein Umfeld würde mich belächeln, wenn ich dort hinginge“) • Persönliche Zugangsbarrieren („Für einen Kulturbesuch muss ich mich besonders kleiden“, „Die Atmosphäre dort ist mir zu steif und verstaubt“, „Ich empfinde die Häuser als fremd, kalt und unfreundlich“, „Der Kartenerwerb ist mir zu umständlich“, „Es ist mir zu umständlich, mich über die aktuellen Angebote zu informieren“, „Es möchte niemand mit mir hingehen und alleine möchte ich nicht“) • Barrieren aufgrund mangelnder Information („Ich bekomme von den Angeboten nichts mit“) Die Befragten nannten zudem auch diejenigen Antwortmöglichkeiten im Fragebogen, die im weitesten Sinne mit ihrem Migrationshintergrund zusammenhingen, nicht als Hinderungsgründe für einen Kulturbesuch. Dass dies jedoch keinesfalls damit gleichzusetzen war, dass jene Antwortmöglichkeiten generell für sie keine Relevanz hatten, stellte sich innerhalb ihrer Antworten auf die Frage „Wie könnte man das Angebot von Theatern, Opern, Tanzaufführungen, Museen, klassischen Konzerten, Volkshochschulen und Bibliotheken insgesamt für Sie interessanter machen?“ im Fragebogen und der vertiefenden diesbezüglichen Nachfrage „Welche Bedeutung haben diese Punkte für Sie?“ während der Interviews heraus. 83 % der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund (19 Personen) und 93 % der Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (28 Personen) äußerten sich im Rahmen dieser beiden Fragen detailliert dazu, welche Rolle diese Aspekte für sie ganz generell und insbesondere in Bezug auf ihr Kulturnutzungsverhalten spielten (siehe Abbildung 47 auf der folgenden Seite).
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Abbildung 47: Besuchsanreize, die mit Herkunftskultur zusammenhängen 74% (14)
Fehlt interkulturelle Kompetenz
50% (14)
Fehlen Regisseure/Autoren/ Komponisten aus HK o. mit MH
68% (13) 54% (15)
Fehlen Künstler/Musiker/ Schauspieler aus HK o. mit MH
58% (11) 54% (15) 26% (5) 29% (8)
Wunsch-Angebote in HS
26% (5) 21% (6)
Kaum Personal mit MH
21% (4)
Fühle mich nicht willkommen Angebote von Anbietern aus HK interessanter
7% (2)
TK (n = 19, Ø = 2,9)
11% (2) 4% (1) 0%
20%
SU (n = 28, Ø = 2,3) 40%
60%
80%
Quelle: Eigene Erhebung.
Eine Betrachtung der Aussagen der Befragten zeigt, dass die beiden Befragtengruppen im Ranking dieser Punkte nach Relevanz weitgehend einig waren, wenn auch im Vergleich – und wie es sich bereits mehrfach in den vorherigen Auswertungsabschnitten angedeutet hatte – die meisten Punkte für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund eine etwas größere Bedeutung hatten.199 Als einen der wichtigsten Punkte sahen die Befragten, insbesondere diejenigen mit türkischem Migrationshintergrund, eine fehlende interkulturelle Kompetenz der Kulturinstitutionen, die aus ihrer Sicht dringlich verbessert werden müsste (TK: 74 %, 14 Personen; SU: 50 %, 14 Personen) (siehe Abbildung 47). Diesen Punkt sahen sie zumeist eng mit der Frage verbunden, ob und in welcher Anzahl in den Kulturinstitutionen nichtkünstlerisches Personal arbeitete, das sich aus Personen verschiedenster Abstammung zusammensetzte und/oder interkulturell geschult war (TK: 26 %, fünf Personen; SU: 21 %, sechs Personen). Dazu beispielhaft: „Die Häuser können die Anliegen verschiedenster Migranten nicht genug differenzieren, müssten es aber dringend tun. […] Das hängt natürlich auch mit einer gewissen Arroganz zusammen. Gerade im kulturellen Bereich gibt es wirklich nicht wenige, die denken, dass sie im Sinne der ‚deutschen Leitkultur‘ kulturell schon sehr weit entwickelt sind und
199 Auf die (potenziellen) Besuchsbarrieren bzw. -anreize „Das Infomaterial (bspw. Flyer, Plakate, Prospekte) sollte (auch) in meiner Herkunftssprache sein“ und Übersetzungen bei „Ich denke, mein Deutsch ist hierfür zu schlecht“ wird an dieser Stelle nicht eingegangen, denn diese beiden Aspekte wurden bereits in Kapitel 5.2.3.3 ausführlich behandelt.
270 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT nichts Anderes brauchen. […] Es wird so getan […], als wenn alle anderen Kulturen uninteressant sind und nicht das gleiche Niveau haben können.“ (Faith, TK, Abs. 108) „Ich würde auf jeden Fall interkulturelle Kompetenz als wichtigen Punkt nennen. […] Ich unterscheide zwischen ‚Herkunftskultur‘ und ‚interkultureller Kompetenz‘. […] [Personal] muss nicht immer aus meinem Kulturkreis stammen. Es kann auch ein anderer Kulturkreis sein. […] Man muss nicht unbedingt Migrant oder ausländisch sein, um die andere Kultur zu verstehen. […] Es liegt auch an der Bildung und der Offenheit der Person, inwiefern sie bereit ist, sich für die andere Kultur zu öffnen. Auch ein Deutscher kann interkulturell kompetent sein.“ (Kamil, TK, Abs. 103, 117) „Ich finde, die ‚Angst vor dem Fremden‘ ist im kulturellen Bereich viel mehr vorhanden als in anderen Bereichen, als im normalen Leben. […] Ich habe noch nie so viel Diskriminierung, so viel Arroganz, so viele Vorurteile, so viel Elfenbeinturmmentalität gegenüber anderen Kulturen erlebt […]. Die sollten einmal aus ihrem Haus hinausgehen in die Bäckerei, in die Bücherei, in den Bus steigen, egal wohin, aber aus dem Haus heraus.“ (Nicolaj, SU, Abs. 107) „Wenn ein Haus etwas anbieten will, das mit Themen meiner Herkunftskultur und/oder meiner Herkunftssprache zu tun hat, erwarte ich, dass es dort jemanden gibt, der dazu eine Verbindung hat. Es soll im Haus einfach eine Person geben, die thematisch dazu, in welcher Form auch immer, Bezug hat und nicht nur Lehrbuchkenntnisse.“ (Sonja, SU, Abs. 99)
Für die Befragten, insbesondere für diejenigen mit türkischem Migrationshintergrund, gehörte in diesen Zusammenhang auch das Gefühl, nicht willkommen zu sein (TK; 21 %, vier Personen; SU: 7 %, zwei Personen) und/oder Angebote aus der Herkunftskultur interessanter zu finden (TK: 11 %, zwei Personen; SU: 4 %, eine Person spielten (siehe Abbildung 47 auf Seite 269). Dazu beispielhaft: „Ich denke nicht, dass es hier um aktive Diskriminierung geht. […] Wenn man darunter auch fasst, dass man hier lebt und arbeitet und Steuern zahlt, aber von solchen Institutionen nicht wahrgenommen und angesprochen wird, dann ist es natürlich ein relevanter Punkt. Wenn ich diese Institutionen als stellvertretend für eine Gesellschaft oder staatliche Institutionen sehe, in der/in denen ich mich nicht willkommen fühle, ist das natürlich ebenfalls ein relevanter Punkt. Das wird nicht unbedingt in konkreter Diskriminierung zum Ausdruck gebracht, manchmal ist es eher eine Frage des Habitus.“ (Erkan, TK, Abs. 118)
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„Man sollte […] nicht immer nur türkische Popsänger wie Tarkan oder allgemein beliebte Künstler oder Volkssänger oder etwas zum Thema ‚Kebab‘ anbieten. Es fehlen qualifiziertere, anspruchsvolle Angebote […]. Das fehlt hier völlig, die klassischen Häuser zeigen so etwas nicht. Da ist es auch kein Wunder, wenn Angebote aus der Herkunftskultur selbst interessanter sind.“ (Fatma, TK, Abs. 128)
Als äußerst wünschenswert empfanden beide Befragtengruppen (entsprechend) eine Programmerweiterung (siehe Kapitel 2.3) mit Angeboten von Regisseuren, Autoren und Komponisten (TK: 68,4 %, 13 Personen; SU: 53,6 %, 15 Personen) sowie eine stärkere Präsenz von Künstlern, Musikern, Schauspielern aus ihrer jeweiligen Herkunftskultur/ihres Migrationshintergrunds (TK: 58 %, elf Personen; SU: 54 %, 15 Personen) (siehe Abbildung 47 auf Seite 269). Dazu beispielhaft: „Bei vielen Theatern etc. hat man offenbar eher die Einstellung, das Kulturgut gehört nur den Deutschen. […] Viele Zuschauer haben Migrationshintergrund, warum wird nicht auch so besetzt? Viele junge, gut ausgebildete Menschen verlassen Deutschland – gerade und vor allem im Kulturbereich, auch Schauspieler, weil sie hier nicht erfolgreich werden können. Wenn […] durchmischt besetzt werden würde, ohne es erklären zu müssen warum, ohne sich rechtfertigen zu müssen, dann würde es zur Normalität.“ (Fatma, TK, Abs. 148)
Hierbei ist wichtig, dass viele Befragte mit türkischem Migrationshintergrund von sich aus betonten, dass damit keinesfalls folkloristische Angebote gemeint sind (47 %, neun Personen). Die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion unterstrichen in diesem Kontext nochmals, dass es zwar schon ein solches Angebot gebe – vermutlich auch deshalb die für sie im Vergleich niedrigere Relevanz des Punkts –, sie dabei aber nicht ein stärkeres Vorkommen von ohnehin fest im Kanon verankerten klassischen Angeboten meinten, sondern zeitgenössische Künstler und Werke (32 %, neun Personen). „Ich würde es mir schon sehr wünschen und es sehr toll finden, wenn es hier mehr qualitativ hochwertige tolle Angebote aus Russland oder dem gesamten post-sowjetischen Raum gäbe. Ich würde hier für Gegenwartskunst eine Lanze brechen – sei es Musik, Literatur oder Theater. Klassiker sind schon etabliert.“ (Anton, SU, Abs. 129)
Dies deckt sich mit den Ergebnissen der „InterKulturBarometer“-Studie (2012) des Zentrums für Kulturforschung und der Studie „Kulturelle Vielfalt in Dort-
272 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT
mund“ (2008) von Interkultur.pro, in denen von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund der Wunsch geäußert wurde, mehr Künstler und Kulturangebote aus Migrantenherkunftsländern als bislang im öffentlichen Kulturleben zu integrieren.200 Gleichzeitig gaben die Befragten aus beiden Gruppen an, dass sie sich über Angebote in ihrer jeweiligen (evtl. zweiten) Herkunftssprache freuen würden (TK: 26 %, fünf Personen; SU: 29 %, acht Personen) (siehe Abbildung 47 auf Seite 269), allerdings nicht aufgrund von sprachlichen Defiziten, wie aufgrund ihrer sehr guten Sprachkenntnisse zu erwarten war. Dazu beispielhaft: „Ich glaube, diejenigen, die das nutzen würden, kommen perfekt oder zumindest ausreichend in beiden Sprachen zurecht. Sie wünschen sich aber aus Anerkennung oder Respekt gegenüber ihrer Herkunftskultur und Sprache auch ein stärkeres Angebot in dieser Richtung. Das kann ja auch mit Untertiteln oder Übertiteln sein und sich so an alle richten. […] Ich möchte aber nicht unbedingt die deutsche oder italienische Oper mit türkischen Untertiteln. […] Das wäre vielleicht ein schönes Symbol, aber übertrieben. Ich denke eher andersherum: Ich hätte lieber eine türkische Oper hier mit deutschen Untertiteln.“ (Haluk, TK, Abs. 111) „Wenn man den Originaltext kennt, ist die Übersetzung eine Qual. Auch wenn deutsche Theater russische Themen auf Deutsch aufgreifen würden, wäre es vielleicht für die Allgemeinbildung der Deutschen interessant, aber nicht für die Russischsprachigen. Etwas Russisches auf Deutsch zu sehen, das reizt einen nicht. Wenn, dann müsste man es auf Russisch machen und irgendwie auf Deutsch übersetzen.“ (Gella, SU, Abs. 137)
Für sich als nicht relevant (> 10 % Nennungen/Gruppe) erachteten die Befragten aus beiden Gruppen die Aspekte „Ich bräuchte (aufgrund meiner anderen Herkunft) eigentlich eine thematische Einführung dafür“, „Die dort behandelten Themen haben zu wenig Bezug zu meiner Herkunftskultur“, „Ich empfinde die Häuser als fremd, kalt und unfreundlich“ sowie „Dort sind zu wenige Personen aus meiner Herkunftskultur im Publikum“. Innerhalb dieses thematischen Abschnitts spiegelt sich ein Unterschied zwischen den beiden Befragtengruppen wider, ein Grundtenor, der bereits in Bezug auf den Wunsch nach Informationsmaterial (auch) in der (evtl. zweiten) Herkunftssprache anklang (siehe Kapitel 5.2.3.3.5): Für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund spielte an dieser Stelle die bislang aus ihrer Sicht weitestgehend ausgebliebene Anerkennung bzw. Wertschätzung der Bevölkerungsgruppe ihres Migrationshintergrunds eine große Rolle. Für sie zeigte sich dies unter anderem darin, dass Bezüge zu 200 Vgl. Keuchel 2012: 167 ff., 172 ff.; Cerci 2008b: 94 ff.
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ihrer Herkunftskultur nur selten in der Programmplanung von Kulturinstitutionen auftauchten (bspw. durch Angebote von Regisseuren, Autoren und Komponisten oder die Präsenz von Künstlern, Musikern, Schauspielern, Aufgreifen ihrer (zweiten) Herkunftssprache). Sie fühlten sich somit von Kulturinstitutionen nicht ausreichend wahrgenommen, und wenn, dann oftmals nicht ausreichend von ihnen verstanden, bspw. durch die Reduktion von türkischer Kultur auf Folklore. Die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion empfanden Kulturinstitutionen zwar ebenfalls als nicht interkulturell offen genug, fanden diesen Punkt aber im Vergleich zu den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund weniger relevant und fühlten sich dort in der Tendenz willkommener. Sie sahen bereits häufig Bezüge zu ihrer Herkunftskultur in der Programmplanung der Kulturinstitutionen sowie Menschen ihres Migrationshintergrunds in der künstlerischen Besetzung der Häuser. Von Kulturinstitutionen fühlten sie sich bereits durch das Vorhandensein von klassischen Angeboten und von Künstlern aus ihrem Kulturkreis in den Häusern in gewissem Maße wahrgenommen, aber zu stark auf ebenjene klassischen Angebote reduziert. In Bezug auf die oben aufgeführten anderen Punkte, die im weitesten Sinne mit ihrem Migrationshintergrund zusammenhingen, wurde nach einer Analyse der Aussagen der Befragten hierzu deutlich: Ganz offensichtlich stellten diese für sie zwar keine (bewussten) Besuchsbarrieren dar, aber ein Aufgreifen vieler dieser Punkte durch Kulturinstitutionen könnte sich positiv auf deren Image auswirken und deutliche Besuchsanreize schaffen. Dabei handelt es sich abhängig von ihrer Herkunftskultur um jeweils unterschiedliche Anreize. 5.2.5.5 Generelle Anregungen für eine Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund Um an Hinweise dazu zu gelangen, wie Kulturinstitutionen die Bevölkerungsgruppen ihres jeweiligen Migrationshintergrunds generell besser ansprechen könnten, wurden die Befragten im weiteren Verlauf der Interviews in Bezug auf die Antwortmöglichkeiten im Fragebogen, die im weitesten Sinne mit ihrem Migrationshintergrund zusammenhingen, gefragt: „Welche Punkte halten Sie – unabhängig von Ihnen selbst – generell für ein Publikum aus Ihrer Herkunftskultur für besonders wichtig/unwichtig?“ Erwähnenswert ist bezüglich ihrer Antworten auf diese Frage zunächst, dass viele von ihnen an unterschiedlichen Stellen der Interviews von sich aus angaben, dass sie als einen wichtigen Grund für ein Fernbleiben anderer Sinus-Migranten-Milieus soziale Gründe wie bspw. einen mangelnden Bildungsgrad und/oder mangelnde kulturelle Bildung vermuten
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(TK: 65,2 %, 15 Personen; SU: 70 %, 21 Personen201). Mit dieser Begründung wurde auch von beiden Gruppen die potenzielle Barriere „Ich bräuchte (aufgrund meiner anderen Herkunft) eigentlich eine thematische Einführung dafür“ für die Gesamtgruppe ausgeschlossen. Mit der Annahme, dass vor allem ein hoher Bildungsstand einer Person sich positiv auf deren Kulturinteresse auswirke, stehen die Befragten bezogen auf Menschen mit Migrationshintergrund und aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion in Einklang mit den Ergebnissen der „InterKulturBarometer“-Studie (2012). Es ist jedoch wichtig zu ergänzen, dass dieser Zusammenhang nicht für Menschen jeglichen Migrationshintergrunds gilt. Denn die Studie stellte ebenfalls fest, dass insbesondere bei Menschen mit Wurzeln in weiter entfernten Kulturräumen (wie auch der Türkei) – entgegen der Einschätzung der Befragten – keine oder nur eine geringe systematische Beziehung zwischen Schulbildung und Kulturinteresse festzustellen ist. Das „InterKulturBarometer“ vermutete in diesem Kontext, dass eine andere kulturelle Infrastruktur in jenen Kulturräumen dazu führen könne, dass unabhängig vom Bildungsniveau einer Person nur ein geringer Bezug zu den in Deutschland vorhandenen Kulturangeboten erwachsen könne (vertiefend hierzu siehe Kapitel 3.2.2.1 und 5.2.1.2).202 Sowohl die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund als auch diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion ergänzten in diesem Befragungsabschnitt eine Vielzahl von Anregungen, wie Kulturangebote für Menschen ihres Migrationshintergrunds attraktiver gemacht werden könnten. Diese Anregungen waren von dem Bildungshintergrund der Zielgruppe/Zielgruppen weitgehend unabhängig. Eine Betrachtung der Ergebnisse zeigt, dass die beiden Befragtengruppen für eine globale Ansprache der Bevölkerungsgruppe ihres Migrationshintergrunds mehr der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten aufführten als für sich selbst. Ferner fanden sie jene Punkte, die für sie selbst Relevanz haben, insgesamt für Menschen ihres Migrationshintergrunds aus anderen Milieus im Vergleich oftmals deutlich relevanter. Wie schon bei den Antworten zu den Besuchsanreizen für die Befragten selbst zeigt sich zudem, dass Aspekte, die im weitesten Sinne mit dem Migrationshintergrund zusammenhängen, für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund generell eine etwas größere Relevanz aufwiesen als für diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund sahen für eine Ansprache der Gesamtgruppe ihres Migrationshintergrunds folgende fünf Punkte als die wichtigsten an: „ein Fehlen von Künstlern, Musikern und Schauspielern aus der 201 N = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30. 202 Vgl. Keuchel 2012: 82 f.
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Herkunftskultur oder mit Migrationshintergrund“ (100 %, 22 Personen), „ein Fehlen von Regisseuren, Autoren und Komponisten aus der Herkunftskultur oder mit Migrationshintergrund“ (96 %, 22 Personen), „das Fehlen von interkultureller Kompetenz innerhalb von Kulturinstitutionen“ (87 %, 20 Personen) sowie den „Wunsch nach Angeboten in der Herkunftssprache“ (87 %, 20 Personen) und den „Wunsch nach Informationsmaterial in der Herkunftssprache“ (83 %, 19 Personen) (siehe Abbildung 48). Abbildung 48: Besuchsbarrieren bzw. -anreize für Gesamtgruppe 100% (22)
Fehlen Künstler/Musiker/ Schauspieler aus HK o. mit MH
59% (17) 96% (22)
Fehlen Regisseure/Autoren/ Komponisten aus HK o. mit MH
69% (20) 87% (20)
Fehlt interkulturelle Kompetenz
48% (14) 87% (20) 83% (25)
Wunsch-Angebote in HS
83% (19) 70% (21)
Wunsch Infomaterial in HS
68% (15)
Angebote von Anbietern aus HK interessanter
93% (27) 67% (14)
Kaum Personal mit MH
45% (13) 65% (15)
Mangelnde Deutschkenntnisse
92% (24) 46% (10) 55% (16)
Fehlt Bezug zu HK
38% (8) 37% (11)
Kaum Publikum mit MH
36% (8)
Fühle mich nicht willkommen
19% (5)
TK (n = 21-23, Ø = 14,0)
35% (8)
Häuser fremd, kalt, unfreundlich
SU (n = 26-30, Ø = 15,3)
8% (2) 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Quelle: Eigene Erhebung.
Für die Befragten mit Migrationshintergrund aus der ehemaligen Sowjetunion lagen die Prioritäten leicht anders. Aus ihrer Sicht hatten für eine Ansprache der Gesamtgruppe ihres Migrationshintergrunds die größte Relevanz die Aspekte, dass Angebote von Anbietern aus der Herkunftskultur interessanter seien (93 %, 27 Personen), nicht ausreichende Deutschkenntnisse innerhalb der Bevölkerungsgruppe vorherrschten (92 %, 24 Personen), sowie der Wunsch nach Angeboten in der Herkunftssprache (83 %, 25 Personen) und der Wunsch nach Informationsmaterial in der Herkunftssprache“ (70 %, 21 Personen). Erst danach nannten sie ein Fehlen von Regisseuren, Autoren und Komponisten aus der Her-
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kunftskultur oder mit Migrationshintergrund (69 %, 20 Personen) (siehe Abbildung 48 auf Seite 275). In diesem offensichtlichen Unterschied zwischen den beiden Befragtengruppen spiegelte sich ein Zusammenhang wider, der sich bereits in Bezug auf den Wunsch nach Informationsmaterial (auch) in ihrer (evtl. zweiten) Herkunftssprache angedeutet hatte (siehe Kapitel 5.2.3.3.5), und dessen Bedeutung innerhalb des Abschnitts zu Besuchsbarrieren bzw. -anreizen für das eigene SinusMigranten-Milieu verdichtet werden konnte: Die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund meinten, dass die Bevölkerungsgruppe ihres Migrationshintergrunds sich von Kulturinstitutionen durch deren weitgehendes Ignorieren von türkischer Kultur und türkischen Kulturproduzenten (Künstler, Autoren etc.) nicht ausreichend wahrgenommen und zudem oftmals bspw. durch die Reduktion von türkischer Kultur auf Folklore nicht ausreichend von ihnen verstanden fühlte. Eine mangelnde interkulturelle Öffnung von Kulturinstitutionen sei für diese Bevölkerungsgruppe Bestandteil einer (bislang aus ihrer Sicht weitestgehend ausgebliebenen) gesamtgesellschaftlichen Anerkennung bzw. Wertschätzung der türkischen Kultur und Sprache. Sie empfahlen im Kontext dieses Themenabschnitts entsprechend vor allem Punkte, die zu einem größeren Verständnis und einer größeren Sichtbarkeit von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund im Kunst- und Kulturbereich führten und/oder eine explizite und unmissverständliche Einladung zu aktiver oder passiver Teilhabe daran beinhalteten. Auch ihre Empfehlung, stärker herkunftssprachliche Elemente in Kulturangebote und deren Kommunikation einzubinden, stand vor allem vor diesem Hintergrund. Die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion hingegen meinten, die Bevölkerungsgruppe ihres Migrationshintergrunds würde sich durch das Vorhandensein von klassischen Angeboten und von Künstlern aus ihrem Kulturkreis in den Häusern bereits zum Teil als im Kunstund Kulturbereich als vertreten empfinden. Sie meinten, die Gruppe würde sich von Kulturinstitutionen aber dennoch aus zweierlei Gründen nicht ausreichend verstanden fühlen: Erstens durch die Reduktion auf Klassiker aus ihrem Kulturkreis und das Ausblenden von zeitgenössischen Künstlern und Werken aus ihrem Herkunftsraum, und zweitens durch eine moderne Inszenierung ebenjener Klassiker, die dem Geschmack der Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion nicht entspreche. Für eine Ansprache der Bevölkerungsgruppe ihres Migrationshintergrunds empfahlen sie entsprechend vor allem eine Ergänzung in der Programmplanung von Kulturinstitutionen mit Originalangeboten aus deren Herkunftskultur. Gleichzeitig rieten auch sie zu einer stärkeren Einbindung von herkunftssprachlichen Elementen in
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Kulturangebote und deren Kommunikation. Da die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion die Deutschkenntnisse der Bevölkerungsgruppe ihres Migrationshintergrunds im Vergleich zu den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund weit schlechter einschätzten (TK: 65 % vs. SU: 92 %) (siehe Abbildung 48 auf Seite 275), sprachen sie diesen Vorschlag jedoch vor allem vor dem Hintergrund eines nötigen Abbaus von sprachlichen Barrieren aus, während ein solches Vorgehen aus ihrer Sicht gleichzeitig als nette Geste bzw. deutlicheres ,Willkommen‘ empfunden werden würde. Die geschilderten Zusammenhänge zeigen sich in den vertiefenden Aussagen der beiden Befragtengruppen zu den einzelnen Aspekten deutlich: Bei beiden Befragtengruppen zeigte sich die geringste Diskrepanz zwischen der Bedeutung der einzelnen Punkte für sich selbst und für andere Menschen ihres Migrationshintergrunds bezüglich der Antwortmöglichkeiten „Fehlt interkulturelle Kompetenz“ (TK: + 13 %; SU: + 1,7 %) und „Fühle mich nicht willkommen“ (TK: + 15 %; SU: + 11 %) (siehe Abbildung 47 auf Seite 269 und 48 auf Seite 275). Diese Aspekte hatten aus ihrer Sicht somit offenbar globale Relevanz. Für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund gehörte in diesen Kontext ebenfalls der Aspekt, dass die Häuser als fremd, kalt und unfreundlich empfunden würden (35 %, acht Personen). Den hiermit laut den Ergebnissen des letzten Abschnitts zusammenhängenden Mangel an Personal mit Migrationshintergrund fanden beide Befragtengruppen und dabei insbesondere diejenigen mit türkischem Migrationshintergrund hingegen für andere Menschen ihres Migrationshintergrunds wichtiger als für sich selbst (TK: + 40 %; SU: + 23 %), allerdings aus den beschriebenen unterschiedlichen Gründen. Dazu beispielhaft: „[Das wäre] für Türkischstämmige sicherlich eine Art von Anerkennung. Dann sähen sie, dass es ganz gewöhnlich ist, dass Menschen mit türkischem Hintergrund dort arbeiten. […] Auch wenn die kulturellen Inhalte, die man sich ansieht, und die Location eher noch unbekannt sind oder inhaltlich fremd sind. Dann würde man sich wohler fühlen, wenn man bekannte Gesichter oder Mitarbeiter aus der gleichen Herkunft sieht.“ (Yusuf, TK, Abs. 94) „Es könnte schon nett sein, wenn bspw. dort jemand Russisch spricht. […] Es macht die Situation einfach anders, vielleicht persönlicher. Die Distanz wird kleiner. Meist arbeiten nicht Menschen aus verschiedenen Ländern in den Kulturinstitutionen. So wirkt es ein bisschen so, als wenn sie dort als Nicht-Muttersprachler keine Arbeitsplätze bekommen. Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern würden mehr Offenheit für andere Kulturen zeigen.“ (Xenia, SU, Abs. 125)
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Deutliche Unterschiede zwischen der Relevanz für die Befragten selbst und ihrer Einschätzung nach für die Gesamtgruppe zeigten sich hingegen hinsichtlich der Antwortmöglichkeiten, die mit ihrer jeweiligen (evtl. zweiten) Herkunftssprache zusammenhingen, sprich dem Wunsch nach Angeboten in der Herkunftssprache (TK: + 61 %; SU: + 55 %) und dem Wunsch nach Infomaterial in der Herkunftssprache (von den Befragten selbst nicht gewünscht), die (auch) in Zusammenhang mit den vermuteten Sprachkenntnissen der angedachten Zielgruppen standen (siehe Abbildung 47 auf Seite 269 und 48 auf Seite 275). Auch bezüglich dieser Punkte wurden die geschilderten unterschiedlichen inhaltlichen Gründe sichtbar, aus denen die genannten Aspekte für die beiden Befragtengruppen Relevanz hatten. Dazu beispielhaft: „Es ist ganz wichtig, dass man vermittelt, dass es einem wichtig ist, dass man alle, die in dieser Gesellschaft leben, mit einbeziehen will. Das kann ich bspw. darüber klarmachen, dass ich andere Muttersprachen […] mit einbeziehe. […] Das wird nicht gemacht, weil die da alle kein Deutsch können, sondern, weil in der Muttersprache emotionale Aspekte viel besser ausgedrückt und verstanden werden. Das muss man, meiner Meinung nach, auch im Kunst- und Kulturbereich viel mehr mit einbeziehen. (Filiz, TK, Abs. 101) „Das liegt teilweise daran, dass die Sprachkenntnisse nicht gut sind. Es gibt aber auch den psychologischen Effekt, dass man, obwohl man gut Deutsch kann, etwas auf Russisch viel, viel schneller und besser verstehen würde und viel schneller einen Überblick hat, worum es geht.“ (Alexej, SU, Abs. 95)
Zum Teil ebenfalls in diesem Zusammenhang steht die Tatsache, dass die Befragten, dabei insbesondere diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion, angaben, dass für die Gesamtgruppe aus ihrer Sicht im Vergleich zu ihnen selbst Angebote von Anbietern aus der Herkunftskultur interessanter seien (siehe Abbildung 47 auf Seite 269 und 48 auf Seite 275). Die Gründe, die die beiden Gruppen anführten, sind sehr ähnlich. Es spielten bei den Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion in der Tendenz jedoch etwas stärker vermutete mangelnde Sprachkenntnisse in der Gesamtgruppe hinein sowie die größere Sicherheit, dass diese Angebote den eigenen Seh- und Hörgewohnheiten bei der Kunstrezeption entsprechen würden. Dazu beispielhaft: „Das hat primär damit zu tun, dass man sich damit einfach verbundener und verstandener fühlt. […] Wenn ein türkisches Theater parallel zu dem deutschen Theater angeboten werden würde, hätte es schon einfach nur aufgrund der Tatsache, dass es türkisch ist, einen
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Vertrauensbonus. […] Bei deutschen Angeboten gibt es einfach eine gewisse Scheu hinzugehen. […] Ein Besuch eines Angebots, dass mit dieser Herkunftskultur zu tun hat, ruft eine Art ‚Wohlfühleffekt‘ hervor.“ (Ayse, TK, Abs. 131) „Viele Leute gehen [dorthin], weil das Angebot dort einfach auf Russisch ist oder aus Russland kommt. Da weiß man, was kommt, und dann ist die Distanz kleiner. Dann kommt noch der Stolz dazu, dass es aus dem eigenen Land kommt, da hat man einen anderen Bezug dazu, es kommt Nostalgie hinzu und da sind auch andere Russen, da kann man sich austauschen. Das ist viel mehr aus psychologischen Gründen, als dass es mit dem Kulturangebot an sich zu tun hat.“ (Alexej, SU, Abs. 123)
In diesen Kontext gehörte auch die Einschätzung der Befragten aus beiden Gruppen, dass für die Gesamtgruppe fehlendes Publikum mit Migrationshintergrund eine Rolle spielen würde (TK: 38 %, acht Personen; SU: 37 %, elf Personen) (siehe Abbildung 48 auf Seite 275). Dazu beispielhaft: „Es ist aktuell ja nur ein bestimmter, elitärer Kreis, der in diese Häuser hineingeht und die dortigen Angebote nutzt. Man ist, wenn man hingeht, immer der Exot und fällt immer auf. Das ist aber kein wirklicher Hinderungsgrund, der einen alleinig vom Besuch abhält. Ich glaube umgekehrt, wenn man das insgesamt anders aufstellen würde, würden mehr Leute mit Migrationshintergrund hingehen und dann würde das automatisch bewirken, dass man nicht mehr so auffällt und sich dann dort vielleicht auch noch wohler fühlt.“ (Pinar, TK, Abs. 111) „Man fühlt sich den Angeboten aktuell einfach zum Teil nicht zugehörig. […] Im Umfeld besuchen das vielleicht auch nicht so viele, da weiß man nicht genau, was man anziehen soll, wie man sich dort verhält etc. Wenn man Menschen in seiner Umgebung hat, die zu so etwas hingehen, geht man einfach eher mit. Wenn das nicht der Fall ist, aber man weiß, da sind ganz viele Leute aus Russland und man kann mit ihnen sogar Russisch sprechen, dann wäre das vielleicht ein Anreiz, eher hinzugehen. Dann wäre die Hemmschwelle eventuell niedriger.“ (Sonja, SU, Abs. 97)
Der Aspekt eines Fehlens von Regisseuren, Autoren und Komponisten aus der Herkunftskultur oder mit Migrationshintergrund (TK: + 27 %; SU: + 15 %) und zumindest für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund auch der Punkt des Fehlens von Künstlern, Musikern und Schauspielern aus der Herkunftskultur oder mit Migrationshintergrund (TK: + 42 %; SU: + 5 %) hatten aus Sicht der Befragten für eine generelle Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund eine (noch) größere Bedeutung als für sie selbst (siehe Abbildung 47
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auf Seite 269 und 48 auf Seite 275). Auch hier spielten jedoch, wie bei den oben genannten Aspekten, die benannten unterschiedlichen Gründe mit hinein. Dazu beispielhaft: „Was aus meiner Sicht essenziell ist, dass es gar kein Angebot gibt. […] Wenn so etwas vorhanden ist, dann nicht im Bereich der klassischen Kulturinstitutionen. […] Wenn die Institutionen das Angebotsspektrum diesbezüglich erweitern würden, würde das sehr großes Interesse wecken. Alle Türken, die etwas von sich halten, gehen dahin, aber auch welche, die kein typisches Kulturpublikum sind.“ (Hatice, TK, Abs. 105) „Ich denke, wenn man ein paar mehr türkischstämmige Schauspieler auf der Bühne hätte, könnte man viel mehr Interesse wecken. Sie übernehmen eine Art Vorbild- und Beispielrolle, es sind Impulsgeber, und so etwas spricht sich auch innerhalb der Zielgruppe rum und weckt Interesse. […] So können sie sehen, dass aus ihren ,Landsleuten‘ etwas geworden ist.“ (Yusuf, TK, Abs. 94) „Da [,Fehlen Regisseure/Autoren/Komponisten aus HK‘] würde ich zustimmen, das ist zu wenig. Es gibt aber auch die Position, dass Leute sagen: ‚Oh nein, nicht schon wieder Anton Tschechow‘. Von den klassischen russischen Komponisten/Autoren gibt es regelmäßig welche im Programm, die sind fest im Kanon verankert. Viele haben dann auch Angst hinzugehen, weil sie ahnen, was die Theater mit dem Stück machen, eine moderne Inszenierung, vielleicht Nackte, und das will dann keiner.“ (Nicolaj, SU, Abs. 144) „Wenn man die Programmhefte der Orchester oder des Balletts anschaut, findet man darin viele Künstler mit dieser Herkunftskultur.“ (Larisa, SU, Abs. 11)
In diesen Zusammenhang gehört zudem, dass beide Befragtengruppen für die Gesamtgruppe ein Fehlen von Bezügen der Angebote zu ihrer Herkunftskultur relevant fanden (TK: 46 %, zehn Personen; 55 %, 16 Personen) (siehe Abbildung 47 auf Seite 269), diese aber eher auf aktuelle Themen und Bezüge zur Lebenswelt der Menschen in Deutschland bezogen als auf Themen aus den Herkunftsländern. Dazu beispielhaft: „Aktuelle Themen aus der Türkei finde ich nicht so wichtig. Ich würde nicht eins zu eins irgendetwas aus der Türkei holen und anbieten, sondern eher die hier vorhandenen Menschen in etwas, das hier entwickelt wird, mit einbeziehen.“ (Filiz, TK, Abs. 115)
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„Generell kann man schon sagen, die meisten Sachen, die hier angeboten werden, haben eher wenig mit russischer Kultur oder aktuellen Thematiken zu tun. Das würde zumindest Interesse wecken. Ja, Leute, die bislang vielleicht gedacht haben, bspw. Theater ist nichts für sie, könnten über diese Schiene eventuell erreicht werden.“ (Elena, SU, Abs. 107)
In ihren Antworten auf die abschließende Frage „Welche der Punkte, die wir gerade besprochen haben, finden Sie am wichtigsten, wenn Kulturinstitutionen mehr Menschen mit Migrationshintergrund erreichen möchten?“ waren sich die Befragten aus beiden Gruppen mit den bereits erläuterten leichten Unterschieden und im Einklang mit ihren bisherigen Aussagen in der Gewichtung weitgehend einig: Am wichtigsten fanden sie den Ausbau von interkultureller Kompetenz innerhalb der Kulturinstitutionen (TK: 52 %, zwölf Personen, SU: 43 %, 13 Personen) und ein expliziteres Willkommenheißen von Menschen mit Migrationshintergrund (TK: 44 %, zehn Personen, SU: 37 %, elf Personen) in Verbindung mit einer stärkeren Öffnung der Programmplanung der Institutionen für Künstler, Musiker und Schauspieler aus der Herkunftskultur oder mit Migrationshintergrund (TK: 26 %, sechs Personen, SU: 23 %, sieben Personen) sowie Regisseure, Autoren und Komponisten (TK: 22 %, fünf Personen, SU: 27 %, acht Personen) aus den jeweiligen Herkunftsländern und/oder mit dem jeweiligen Migrationshintergrund (siehe Abbildung 49). Abbildung 49: Welche der Punkte sind am wichtigsten? 52% (12) 43% (13)
Interkulturelle Kompetenz
44% (10) 37% (11)
Explizit willkommen heißen Künstler/Musiker/Schauspieler aus HK o. mit MH
26% (6) 23% (7)
Regisseure/Autoren/Komponisten aus HK o. mit MH
22% (5) 27% (8) 0%
20%
TK (n = 23, Ø = 3,1)
40%
SU (n = 30, Ø = 2,6) 60%
Quelle: Eigene Erhebung.
Zuletzt und abschließend soll die zum Teil deutliche Kritik der Befragten an dem aus ihrer Sicht aktuellen Stand des Themenfelds „Menschen mit Migrationshintergrund als (potenzielles) Kulturpublikum“ innerhalb von Kulturinstitutionen nicht verschwiegen werden. Aus Sicht der Befragten war diesbezüglich noch viel zu tun, bisherige Bemühungen empfanden sie oftmals als eher alibihafte Einzelprojekte denn als ernst gemeinte Versuche einer grundlegenden und langfristigen Veränderung. Dazu beispielhaft:
282 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT „Was ich ganz besonders wichtig finde, ist, dass eine richtige, echte Auseinandersetzung mit dem Themenfeld stattfindet. […] Es wird über Integration und interkulturelle Öffnung debattiert, alle sagen, dass sie etwas verändern wollen, aber es kommt mir alles sehr pseudo, sehr alibimäßig vor. Die Häuser wollen sich aus meiner Sicht damit gar nicht wirklich auseinandersetzen. Aktuell sind wir in einer Phase, wo alle sagen, sie tun es, sie setzen sich damit auseinander, aber eigentlich tun sie es nicht. Das steht einer richtigen Auseinandersetzung im Wege, für die es längst Zeit ist.“ (Gökhan, TK, Abs. 175) „Wenn man ein Kulturangebot in dieser Stadt schaffen will, muss man Gesellschaft als Ganzes sehen, Gesellschaft in ihrer Buntheit. Das muss mit diesen Angeboten berücksichtigt werden, sei es, weil die beteiligten oder gezeigten Künstler verschiedene kulturelle Hintergründe haben, sei es mit Untertiteln in verschiedenen Sprachen oder mehrsprachigen Stücken etc. […] Im Moment bekommt man ja im Kulturbereich den Eindruck, dass den Migranten die ‚richtige‘, nämlich die deutsche, Kultur nahegebracht werden soll. […] Ich finde, man kann und darf die sogenannte ‚Leitkultur‘ nicht einseitig definieren. Diese ‚Leitkultur‘ muss immer wieder neu definiert werden und an gesellschaftliche Entwicklungen angepasst werden.“ (Filiz, TK, Abs. 141) „Deutschland ist an sich ein sehr offenes, tolerantes und soziales Land. Das Problem der Kultur- und vor allem der Theaterbetriebe ist, dass sie zu sehr um sich selbst rotieren, wie ein Elfenbeinturm, sehr selbstzentriert sind und eine Art ‚Schutzmentalität‘ haben und alles Neue, Fremde ablehnen. Sie müssten ihre Augen mehr öffnen und mehr bemerken, was um sie herum eigentlich passiert. Sie müssten bemerken, dass es nicht nur Hochkultur gibt, und sie, solang sie als ,Hochburg‘ wahrgenommen werden, eben weit weg von den Leuten sind. Und man sollte nicht diese Alibiveranstaltungen machen.“ (Nicolaj, SU, Abs. 158) „Es gibt in Deutschland einfach Menschen mit verschiedener Herkunft. Es wäre einfach schön, wenn sich das auch im Kulturangebot widerspiegeln würde. […] Wenn man sich als Kulturauftrag den Erhalt des deutschen Kulturguts vornimmt, darf man so eine Öffnung innerhalb des Angebots natürlich nicht zulassen. Aber da muss man sich inzwischen ja schon auch fragen, was das aktuelle deutsche Kulturgut ist. Vielleicht muss man das einfach ab und zu neu definieren, das ändert sich. Das ist doch auch schön, wenn man nicht stehen bleibt. Kultur, die sich nicht bewegt, ist Geschichte.“ (Jelena, SU, Abs. 121)
Dabei war aus den Antworten der Befragten deutlich herauszulesen, dass sie eine Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund als gesonderte Gruppe keinesfalls dauerhaft wünschten. Dazu beispielhaft:
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„Vielleicht hat man eine solche Öffnung gegenüber der Community irgendwann ausreichend kommuniziert und kann dann auf solche Mittel verzichten. Ich denke, dass man mit solchen Maßnahmen die Hemmschwelle für einen Besuch niedriger macht. Damit bewirkt man vielleicht irgendwann ein Selbstverständnis bei den Menschen, dass die Angebote auch für einen selbst da sind, dass man ein Teil der Gesellschaft und ein Teil der Zielgruppe ist. Dann verschwinden diese Hemmschwellen vielleicht irgendwann völlig und man eröffnet dem Menschen damit Zugänge auch zu anderen gesellschaftlichen Bereichen und Orten.“ (Erkan, TK, Abs. 112) „Ich finde es wichtig, das Thema nicht permanent zur Sprache zu bringen und es als normal zu begreifen. […] Man muss […] einfach irgendwann auch einmal einen Punkt setzen und sagen: ‚So, das gibt es nicht mehr als Spezialthema!‘ […]. Man möchte doch nicht das Gefühl bekommen, Teil eines Migrationsprojekts zu sein. Ich bin sicher, dass die Leute es merken, ob das ein einmaliges Alibi-Sonderprogramm ist oder Teil einer grundsätzlich neuen Ausrichtung. Man merkt doch, ob das Haus das als Gewinn betrachtet oder aus welchen Gründen auch immer dazu gezwungen ist, sich so zu verhalten. Es sollte ein normaler Teil des Spielplans sein, dass Sachen mit Bezügen zu unterschiedlichen Kulturen darin vorkommen. Rational ist doch Vielfalt im Angebot immer gut.“ (Gordej, SU, Abs. 163)
In Bezug auf die oben aufgeführten Punkte wurde nach einer Analyse der Empfehlungen der Befragten für eine Ansprache der Bevölkerungsgruppe ihres Migrationshintergrunds deutlich, dass ein Herstellen von Bezügen zu deren jeweiliger Herkunftskultur aus ihrer Sicht hierbei zielführend sein kann. Ein solches Vorgehen kann nach ihrer Aussage dazu beitragen, ihnen gegenüber ein deutliches ,Willkommen‘ auszusprechen und die Angebote für sie attraktiver zu machen. Aus Perspektive der Befragten kann dies aber nur erfolgreich sein, wenn solche Bemühungen in eine ernst gemeinte interkulturelle Öffnung der Kulturinstitutionen im Rahmen eines umfassenden Change-Managements eingebettet werden. Zudem äußerten sie den Wunsch, dass eine Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund als gesonderte Gruppe hinfällig und deren Einbeziehen ein regulärer Bestandteil des Selbstverständnisses und der Arbeit von Kulturinstitutionen werde.
6. Fazit und Ausblick
In der vorliegenden Veröffentlichung wurde der Frage nachgegangen, inwieweit für eine erfolgreiche Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund als Kulturpublikum an erster Stelle Hintergrundinformationen zu deren Zugehörigkeit zu einzelnen sozialen Milieus oder zu deren Migrationshintergründen zielführend ist oder ob gar beides in Kombination erforderlich ist. Um zu einer Antwort auf diese Frage zu gelangen, war es erforderlich, Menschen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund unterteilt nach ihrer Zugehörigkeit zu Sinus-Migranten-Milieus zu analysieren. Für eine solche Untersuchung wurde im Rahmen dieser Arbeit zunächst eine eigene Erhebungsmethode entwickelt, da hierfür weder die Erhebungsinstrumente noch die Auswertungsverfahren des Sinus-Instituts zur Verfügung standen. Es wurde als sinnvoll erachtet, Bemühungen in Bezug auf die Zielgruppe der Menschen mit Migrationshintergrund zuerst auf Sinus-Migranten-Milieus auszurichten, die für Kulturinstitutionen im Vergleich leichter zu erreichen sind. Aus den acht Milieus innerhalb der Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus wurde für eine tiefer gehende Untersuchung daher exemplarisch das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ gewählt. Dieses weist die höchste Nutzungsfrequenz von Kulturangeboten auf, und es handelt sich bei diesem im Vergleich zu anderen Sinus-Migranten-Milieus um eine vergleichsweise risikoarm zu erschließende Zielgruppe für Kulturinstitutionen. Um mögliche Unterschiede zwischen Angehörigen des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ mit verschiedenem Migrationshintergrund feststellen zu können, wurden für Vergleichszwecke in den Städten Berlin, Frankfurt/Main und Stuttgart zwei große Bevölkerungsgruppen ausgewählt, die laut der aktuellen Kulturnutzerforschung deutliche Unterschiede in ihren Kulturinteressen und ihrem Kulturnutzungsverhalten aufweisen: Menschen mit Migrationshintergrund aus der Türkei und Menschen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Die Angehörigen des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ aus diesen beiden
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Bevölkerungsgruppen wurden dabei intensiv zu Themengebieten befragt, die für die Entwicklung von Audience Development-Strategien relevant sind. Um zu verdeutlichen, wie hier zu einer Antwort auf die oben genannte Fragestellung gelangt wurde, werden im folgenden Kapitel 6.1 die Kernergebnisse der Untersuchung kurz nach Themengebieten aufgeführt. In Kapitel 6.2 erfolgt eine Ergebniszusammenfassung, während in Kapitel 6.3 von diesen Ergebnissen Implikationen für Audience Development-Strategien abgleitet werden. Ein Ausblick auf Fragestellungen für zukünftige Audience Development-Strategien und ein Vorschlag für neue und übergreifende Zielgruppenbildung beschließen die Arbeit (Kapitel 6.4).
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Herkunftskultur und Identität Aus Sicht der Befragten kann sich ein Migrationshintergrund aufgrund von bisheriger Kontaktintensität mit und durch Vorkenntnisse zu einzelnen Kulturangeboten sowie Erwartungen und ästhetischen Gewohnheiten bezüglich eines Kulturbesuchs im Kulturnutzungsverhalten niederschlagen. Allerdings gaben sie zu bedenken, dass ein solcher Einfluss nicht per se bei allen (potenziellen) Zielgruppen selbst bei gleichem Migrationshintergrund in gleicher Art und Weise vorhanden oder gleich stark ausgeprägt sei. Auch könne sich die Einflussstärke bei einer Person im Zeitverlauf verändern (bspw. durch junge Einwanderung und immer längeren Aufenthalt in Deutschland) und sich über die Vergrößerung des Abstands von Einwanderergenerationen zur eigentlichen Migration innerhalb der Familie hinwefg abschwächen. Migrantenvereine und -organisationen als Multiplikatoren Es kann für Kulturinstitutionen bei der Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund als (potenzielles) Kulturpublikum sinnvoll sein, (neue) Kulturangebote zusammen mit Migrantenvereinen und -organisationen zu entwickeln und/oder diese als Multiplikatoren für die Kommunikation von Kulturangeboten einzubeziehen. In Bezug auf das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ ist in diesem Kontext jedoch anzumerken, dass die Befragten in dieser Studie zu diesen Institutionen je nach ihrem Migrationshintergrund zum Teil ganz bewusst gar keinen Kontakt hatten und/oder ihnen gegenüber äußerst kritisch eingestellt waren. Im Hinblick auf dieses Milieu ist ein Einbeziehen von Migrantenvereinen und -organisationen somit unter Umständen nicht nur nicht erfolgsversprechend, sondern es ist im Gegenteil im schlechtesten Fall sogar kontraproduktiv.
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Kulturelle Bildung in der Kindheit Zwischen den Befragtengruppen ließen sich im Hinblick auf ihren Zugang zu kultureller Bildung über ihre Elternhäuser leichte Unterschiede feststellen. Diese beruhten jedoch sehr wahrscheinlich nicht auf dem unterschiedlichen Migrationshintergrund der Befragten (Mikroebene), sondern auf dem statistisch feststellbar unterschiedlichen Bildungshintergrund beider Einwanderungsgruppen zum Zeitpunkt der ersten Einwanderung der Familie nach Deutschland und damit deren im Durchschnitt unterschiedlichen Startbedingungen (Makroebene). Dieses Ergebnis bedeutet für Kulturinstitutionen zwar, dass für Zielgruppen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund je nach ihren Vorkenntnissen Maßnahmen der Kulturvermittlung einen unterschiedlich großen Gewinn für ihren Kulturbesuch darstellen. Dies gilt aber ebenso für Menschen ohne Migrationshintergrund. Kulturelle Interessen Beide Befragtengruppen interessieren sich unabhängig von ihrem Migrationshintergrund gleichermaßen für eine Vielzahl verschiedener Kulturangebote innerhalb und außerhalb des hochkulturellen Bereichs, und dies in hohem Ausmaß. Gleichzeitig interessierten sich beide Gruppen grundsätzlich für kulturelle Angebote aus aller Welt und hierbei entsprechend auch für Angebote, die aus ihrer Herkunftskultur stammten oder in irgendeiner anderen Form Bezug hierzu hatten (Sprache, beteiligte Künstler etc.). Dabei gaben die Befragten zwar an, dass sie bei der Auswahl der Angebote keine bewussten Unterschiede nach der Herkunft der Angebote oder nach Bezügen zu der jeweiligen eigenen Herkunftskultur machten. Offenbar hatte die Herkunft aber dennoch einen (zumindest unbewussten) Effekt auf das Kulturinteresse: Etwas mehr als jeweils ein Viertel der Befragten in beiden Gruppen ergänzte, dass ein aus ihrer Sicht hochwertiges Angebot in Kulturinstitutionen, das aus ihrer jeweiligen Herkunftskultur stammt oder hierzu in irgendeiner anderen Form Bezug aufweist, in der Regel einen so hohen Seltenheitswert hat, dass es schon allein deshalb eine stärkere Aufmerksamkeit erregen und ein größeres Interesse bei ihnen wecken würde. Interesse an Cross-Culture-Formaten Eine überwältigende Mehrheit der Befragten aus beiden Befragtengruppen interessierte sich aus sehr ähnlichen Gründen für sogenannte Cross-CultureFormate: Sie fanden sie inhaltlich spannend und zugleich sinnvoll, weil sie aus ihrer Sicht einerseits der Realität einer Bevölkerung bestehend aus Menschen verschiedensten Migrationshintergrunds entsprächen und andererseits zu einem größeren Verständnis und größerer Akzeptanz verschiedener Bevölkerungsgrup-
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pen füreinander führen könnten. Die Antworten der Befragten weisen jedoch deutlich darauf hin, dass Kulturinstitutionen bei der Konzeption von entsprechenden Angeboten darauf achten müssen, dass diese für die Zielgruppe klar ersichtlich nicht aufgrund der defizitorientierten Vorstellung erstellt werden, dass es für eine Bevölkerungsgruppe notwendig sei, sondern weil sie für alle Beteiligten einen inhaltlichen Gewinn darstellen. Zeitgleich sahen die Befragten es als wichtig an, dass Kulturinstitutionen vermitteln, dass mit solchen Angeboten keine Instrumentalisierung von Kunst und Kultur verbunden ist. Nutzung von Kulturangeboten Für beide Befragtengruppen galt, dass sie die vielfältigsten, auch hochkulturellen Kulturangebote sehr häufig nutzen. Dazu gehören – soweit diese in ihrem Umfeld angeboten wurden – grundsätzlich kulturelle Angebote aus aller Welt und auch Angebote, die aus ihrer Herkunftskultur stammen oder hierzu in irgendeiner anderen Form Bezug haben (Sprache, beteiligte Künstler etc.). Das Ranking der in den letzten zwölf Monaten am häufigsten besuchten hochkulturellen Kulturangebote spiegelt dabei stark die von den Befragten geäußerten Kulturinteressen wider. Auch wenn die Befragten hinzufügten, dass allein der Bezug zur Herkunftskultur ein Angebot nicht attraktiv mache, so erscheint es doch im Kontext dieser Ergebnisse als sehr wahrscheinlich, dass der hierdurch entstehende Bezug zu ihrer individuellen Lebenswelt sie für sie zumeist unbewusst interessanter macht als Angebote ohne einen solchen Bezug – zumindest aber interessanter, als dies für andere Bevölkerungsgruppen der Fall sein dürfte. In den Antworten der Befragten zeigt sich deutlich: Boten Kulturinstitutionen Angebote an, die aus der jeweiligen Herkunftskultur der Befragten stammen oder hierzu in irgendeiner Form Bezug aufweisen, und wurden diese positiv bewertet, konnte dies zu einem gesteigerten Interesse an diesem Bereich und zu dessen stärkerer Nutzung führen. Wurden sie stattdessen negativ bewertet, übte dies zwar offenbar keinen Einfluss auf das generelle Interesse an diesem Bereich aus, konnte aber zu dessen verminderter Nutzung führen. Begleitpersonen für einen Kulturbesuch Für die Angehörigen beider Befragtengruppen war der Besuch eines Kulturangebots nicht unbedingt an das Vorhandensein einer Begleitperson gebunden. Dass ein alleiniger Kulturbesuch jedoch nicht unbedingt ihrer Präferenz entsprach, zeigte sich darin, dass sie nur zu einem sehr kleinen Teil generell eher allein zu kulturellen Angeboten gehen. Hier spielten offenbar kulturell bedingte Unterschiede hinein, die dazu führten, dass ein Kulturbesuch für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund deutlich stärker mit einem Gemein-
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schaftserlebnis mit Freunden und Familie verbunden war als für diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Denn die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund gingen in der Tendenz eher in Begleitung zu Kulturveranstaltungen als die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Für beide Befragtengruppen waren die häufigsten Begleitpersonen für einen Kulturbesuch Freunde und Partner. Die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund besuchten jedoch wesentlich häufiger (auch) zusammen mit Kindern und ihrer weiteren Familie Kulturangebote. Letzteres galt weitgehend unabhängig davon, wie viele Familienangehörige sich im direkten geografischen Umfeld der Befragten befanden. Auch hatten etwa genauso viele Befragte mit türkischem Migrationshintergrund kleine Kinder wie die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Nutzung von Restaurants, Kneipen und Cafés bei einem Kulturbesuch Beide Befragtengruppen haben gemeinsam, dass für sie sehr häufig zu einem Kulturbesuch auch der Besuch von Restaurants, Kneipen und Cafés dazugehört. Dieses Ergebnis bestätigt zudem die oben geäußerte Annahme, dass ein Kulturbesuch sowohl für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund als auch für die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion bevorzugt ein soziales Ereignis ist, das gemeinsam mit anderen unternommen wird und nur selten ohne Begleitung. Angehörige aus beiden Befragtengruppen gaben gleichermaßen an, dass sie oftmals diejenigen seien, die in ihrem Umfeld die Rolle des Initiators und Multiplikators übernahmen und andere zu einem Kulturbesuch anregten. Medien als Informationsquelle über Kulturangebote Innerhalb des thematischen Abschnitts zum Informationsverhalten hinsichtlich Kulturangeboten ähneln sich die Antworten beider Befragtengruppen in ihrem allgemeinen Mediennutzungsverhalten und den für Kunst und Kulturangebote genutzten Informationsquellen weitgehend. Beide Gruppen nannten als ihre wahrscheinlichsten Informationsquellen für Kunst und Kultur Empfehlungen von Freunden/Bekannten/Familie und das Internet. Hierbei ist anzumerken, dass diese beiden Informationsquellen aufgrund der vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten über Social-Media-Kanäle hier vermutlich in enger Verbindung miteinander standen. Sowohl die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund als auch diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion gaben an, dass deutsche/deutschsprachige und herkunftsspra-
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chige Medien/Medien aus der Herkunftskultur für sie eine (mehr oder minder wahrscheinliche) Informationsquelle für Kunst und Kultur sein können. Hierbei waren insbesondere Zeitungen von hoher Bedeutung, während Radio und Stadtmagazine im Ranking auf den mittleren Plätzen lagen und Fernsehen eine vergleichsweise unbedeutende Rolle einnahm. Im Vergleich zu deutschsprachigen/deutschen Medien nahmen herkunftssprachliche Medien/Medien aus ihrer Herkunftskultur für die Befragten in jedweder Form einen deutlich geringeren Stellenwert als Informationsquelle ein. Je nach Herkunftskultur der Befragten handelte es sich um jeweils unterschiedliche herkunftssprachige Medien/Medien aus der Herkunftskultur (Zeitungen, Radio, Stadtmagazine und Fernsehen). Relevanz von Kommunikationsinstrumenten der Kulturinstitutionen In den weiteren Ergebnissen spiegeln sich das hohe Interesse der Befragten an Kulturangeboten sowie die ausgiebige Nutzung von Kulturangeboten wider. Beide Befragtengruppen wurden in hohem Maße über Kommunikationsinstrumente von Kulturinstitutionen erreicht (Prospekte/Flyer/Spielpläne, Plakate, Newsletter, Hinweisschilder an den Institutionen, aber auch durch Informationen über andere Kulturinstitutionen). Von deutlich unterschiedlicher Relevanz war jedoch für beide Gruppen die Möglichkeit, Informationen über Migrantenvereine und -organisationen zu erhalten. Für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund war diese Informationsquelle etwa viermal wahrscheinlicher als für die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Es ist zu vermuten, dass diese Informationsquelle für sie einfach deshalb eine höhere Bedeutung hatte, weil die Bevölkerungsgruppe ihres Migrationshintergrunds einen größeren Anteil von Selbstorganisation aufweist als die der Menschen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Letzteres hängt jedoch nicht mit dem individuellen Migrationshintergrund der Befragten zusammen (Mikroebene), sondern mit Umweltbegebenheiten an den Erhebungsorten (Makroebene). Ansprache in der (evtl. zweiten) Herkunftssprache Der überwiegende Teil der Befragten aus beiden Gruppen bewertete eine Ansprache in ihrer (evtl. zweiten) Herkunftssprache als positiv. Sie empfanden es als Anerkennung bzw. Wertschätzung, als nette Geste bzw. Willkommen und – wenn auch für sich selbst nicht notwendig – als eine generell sinnvolle Hilfestellung. Bei einem tiefer gehenden Nachfragen zeigte sich jedoch, dass die Gründe hierfür deutlich unterschiedlich waren. Die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund empfanden dies vor allem als wichtige und bislang aus ihrer
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Sicht weitgehend ausgebliebene Anerkennung bzw. Wertschätzung der Bevölkerungsgruppe ihres Migrationshintergrunds und der türkischen Sprache. Die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion sahen eine Ansprache in ihrer (evtl. zweiten) Herkunftssprache vor allem als nette Geste bzw. als deutliches Willkommen gegenüber ihrer Bevölkerungsgruppe. Beide Befragtengruppen empfahlen, dass eine Ansprache sprachlich für möglichst viele aus der jeweiligen Zielgruppe mit Migrationshintergrund (und für die Gesamtbevölkerung) gut zu verstehen sein müsse und sehr wahrscheinlich nicht als negativ oder gar als Angriff gewertet würde, wenn alles wenigstens zweisprachig – auf Deutsch und in der (evtl. zweiten) Herkunftssprache – gestaltet werden würde. Je nach Herkunftskultur der Befragten handelte es sich im Zweifelsfall jeweils um unterschiedliche Sprachen. Geografischer Markt für Kulturangebote Im Hinblick auf die Frage, bis zu welchen räumlichen Entfernungen sich die Befragten über ein Kulturangebot informieren, stimmten die Antworten der beiden Befragtengruppen weitgehend überein. Dabei galt unabhängig vom Migrationshintergrund der Befragten: Je älter ein Befragter war, desto weniger wahrscheinlich war er bereit, sich über weiter entfernte Kulturangebote zu informieren und für einen Kulturbesuch weitere Distanzen zurückzulegen. Preispräferenzen bei Kulturangeboten Die durchschnittlichen Preispräferenzen beider Befragtengruppen waren sich sowohl bezogen auf einzelne Kulturangebote als auch im Durchschnitt über alle innerhalb der Fragestellung angegebenen Kulturangebote grundsätzlich sehr ähnlich. Zwar konnten im Hinblick auf einzelne Angebote Unterschiede zwischen den beiden Befragtengruppen festgestellt werden. Es blieb jedoch unklar, inwieweit hierbei herkunftskulturell bedingt verschiedene Kulturinteressen eine Rolle spielten. Eine besonders große Rolle im Hinblick auf die Preisbereitschaft spielte die Frage, ob die Befragten ein Kulturangebot als individuell für sich attraktiv bzw. interessant einschätzten. Je höher die Befragten den diesbezüglichen Wert eines Angebots für sich einschätzten, desto mehr waren sie (bei individueller Preisobergrenze) in der Regel auch bereit, hierfür zu zahlen. Auf Basis der Ergebnisse lässt sich vermuten, dass die aktuellen Preise für Kulturangebote für (potenzielle) Zielgruppen innerhalb des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ kaum eine Besuchsbarriere darstellen, dass im Gegenteil hier eventuell von Fall zu Fall sogar in der Preisgestaltung noch Spielräume nach oben liegen.
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Präferenzen für den Ticket-Erwerb Für beide Befragtengruppen war die interessanteste Möglichkeit ein TicketErwerb via Internet. Zudem schätzten sie gleichermaßen die Option einer möglichst spontanen Entscheidung für einen Besuch und den direkten Kontakt mit der Kulturinstitution bzw. mit einem ihrer Mitarbeiter beim Ticket-Erwerb. Möglichkeiten des Ticket-Erwerbs in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld (bspw. über Geschäfte, Arbeitgeber) fanden beide Befragtengruppen vergleichsweise uninteressant. Die Option eines Ticket-Erwerbs über Migrantenvereine und -organisationen war in der Tendenz für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund interessanter als für diejenigen mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Die Gründe hierfür lagen jedoch vermutlich, wie bei der höheren Relevanz von entsprechenden Institutionen als Kommunikationskanal für Kulturangebote, im unterschiedlichen Grad der Selbstorganisation der Bevölkerungsgruppen mit türkischem Migrationshintergrund und Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (Makroebene), anstatt im individuellen Migrationshintergrund der Befragten (Mikroebene). Auch im Hinblick auf Ticket-Erwerbspräferenzen konnten somit keine relevanten Unterschiede zwischen den beiden Befragtengruppen festgestellt werden. Erwartungen an Kulturbesuche Ein Kulturbesuch war für beide Befragtengruppen vor allem verbunden mit einer Kombination aus dem Wunsch nach Entspannung und dem Wunsch, etwas Wertvolles zu tun. Innerhalb der von beiden Befragtengruppen weiteren geäußerten Erwartungen an Kulturbesuche zeigten sich jedoch leichte Unterschiede. Warum dies der Fall war, ließ sich weder aus den Ergebnissen dieser Studie noch aus den im Kontext dieser Veröffentlichung herangezogenen Referenzstudien erklären. Auch inwieweit es sich hier um zufällige Abweichungen aufgrund der geringen Fallzahlen handelte, um herkunftskulturell bedingte Unterschiede zwischen den beiden Befragtengruppen und/oder ob andere Hintergründe (Makroebene) eine Rolle spielten, musste hier unbeantwortet bleiben. Besuchsbarrieren bzw. -anreize Wenn die Befragten überhaupt Besuchsbarrieren nannten – was von beiden Befragtengruppen nur etwa ein Drittel tat –, waren es in beiden Gruppen gleichermaßen mangelnde Zeit, finanzielle Mittel oder fehlende Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder. Barrieren, die im weiteren Sinne mit ihrem Migrationshintergrund zusammenhingen, nannten die Befragten nicht. Dass dies jedoch keinesfalls damit gleichzusetzen war, dass Bezüge zu ihrem jeweiligen Migrationshintergrund für sie generell keine Relevanz hatten, stellte sich im weiteren Ver-
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lauf der Untersuchung deutlich heraus. Als einen der für sie wichtigsten Punkte nannten Angehörige aus beiden Befragtengruppen eine verbesserungswürdige interkulturelle Kompetenz der Kulturinstitutionen. In diesen Kontext gehörte für sie auch, dass in Kulturinstitutionen zu wenig divers zusammengesetztes und/oder interkulturell geschultes Personal arbeitet. Insbesondere für die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund gehörte in diesen Zusammenhang auch das Gefühl, in den Häusern nicht willkommen zu sein und Angebote aus der Herkunftskultur interessanter zu finden. Angehörige aus beiden Befragtengruppen wünschten sich zu großen Teilen eine Programmerweiterung mit Angeboten von Regisseuren, Autoren und Komponisten sowie eine stärkere Präsenz von Künstlern, Musikern, Schauspielern aus ihrer jeweiligen Herkunftskultur oder ihres Migrationshintergrunds in Kulturinstitutionen. Gleichzeitig gaben die Befragten aus beiden Gruppen an, wenn auch in geringeren Anteilen, dass sie sich über Angebote in ihrer jeweiligen (evtl. zweiten) Herkunftssprache freuen würden. Innerhalb dieses thematischen Abschnitts wurde ein Grundtenor sichtbar, der sich in bisherigen Abschnitten bereits angedeutet hatte: Befragte mit türkischem Migrationshintergrund fühlten sich von Kulturinstitutionen nicht ausreichend wahrgenommen, und wenn, dann oftmals (bspw. durch die Reduktion von türkischer Kultur auf Folklore) nicht ausreichend von ihnen verstanden. Die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion fühlten sich hingegen von Kulturinstitutionen bereits durch häufige Bezüge zu ihrer Herkunftskultur in der Programmplanung der Kulturinstitutionen und durch Menschen ihres Migrationshintergrunds innerhalb der künstlerischen Besetzung der Häuser in gewissem Maße wahrgenommen, aber durch die Reduktion auf klassische Angebote ebenfalls nicht ausreichend von ihnen verstanden. Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der Ergebnisse dieses thematischen Abschnitts somit festhalten, dass Aspekte, die im weitesten Sinne mit dem Migrationshintergrund der Befragten zusammenhängen, offensichtlich für sie zwar keine (bewussten) Besuchsbarrieren darstellten, ein Aufgreifen vieler dieser Punkte durch Kulturinstitutionen sich aber sehr wahrscheinlich positiv auf ihr Image auswirken und deutliche Besuchsanreize und eine stärkere Besucherbindung schaffen würde. Spätestens an dieser Stelle der Auswertung bestätigt sich entsprechend, was sich bereits in mehreren vorherigen Abschnitten mindestens angedeutet hatte: Der Faktor „Migrationshintergrund“ brachte im Hinblick auf die Befragten – auch wenn ihnen dies selbst vielleicht nicht in diesem Ausmaß bewusst sein mochte – einen nicht unbedeutenden Einfluss auf deren Kulturnutzung mit sich. Er bietet Kulturinstitutionen somit eine wertvolle Möglichkeit des Anknüpfens an deren Lebenswelt.
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Generelle Anregungen für eine Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund Beide Befragtengruppen führten für eine globale Ansprache der Bevölkerungsgruppe ihres Migrationshintergrunds eine größere Anzahl von Punkten auf, die im weitesten Sinne mit ihrem Migrationshintergrund zusammenhängen. Gleichzeitig fanden sie die Aspekte, die offenbar auch für ihre eigene Kulturnutzung einen positiven oder negativen Einfluss ausüben konnten, für die Gesamtgruppe ihres Migrationshintergrunds zumeist noch relevanter. Hinsichtlich der Priorität der einzelnen Aspekte spiegelt sich ein Zusammenhang wider, der sich bereits in Bezug auf den Wunsch der Befragten nach Informationsmaterial (auch) in ihrer (evtl. zweiten) Herkunftssprache angedeutet hatte und dessen Bedeutung innerhalb des Abschnitts zu Besuchsbarrieren bzw. -anreizen für das eigene Sinus-Migranten-Milieu unterstrichen werden konnte: Die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund sahen eine mangelnde interkulturelle Öffnung von Kulturinstitutionen für die Bevölkerungsgruppe ihres Migrationshintergrunds als Bestandteil einer (bislang aus ihrer Sicht weitestgehend ausgebliebenen) gesamtgesellschaftlichen Anerkennung bzw. Wertschätzung der türkischen Kultur und Sprache. Vor diesem Hintergrund empfahlen sie Kulturinstitutionen vor allem eine Beachtung von Punkten, die zu einem besseren Verständnis und einer größeren Sichtbarkeit von Menschen ihres Migrationshintergrunds im Kunst- und Kulturbereich führen und/oder eine explizite und (auch durch sprachliche Bezüge) unmissverständliche Einladung zu aktiver oder passiver Teilhabe daran beinhalten. Die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion sahen eine mangelnde interkulturelle Öffnung von Kulturinstitutionen eher aus anderen Gründen gegeben: durch das Ausblenden von zeitgenössischen Künstlern und Werken aus ihrem Herkunftsraum und die Reduktion auf Klassiker aus ihrem Kulturkreis sowie die Tatsache, dass ebenjene Klassiker für den Geschmack der Mehrheit oftmals zu modern inszeniert seien. Zudem sahen sie bei diesen Inszenierungsformen mangelnde Deutschkenntnisse als Besuchsbarriere. Die Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion empfahlen Kulturinstitutionen daher für eine Ansprache der Bevölkerung ihres Migrationshintergrunds vor allem eine Erweiterung der Programmplanung durch Originalangebote aus deren Herkunftskultur sowie ein stärkeres Einbinden von herkunftssprachlichen Elementen in Kulturangebote und deren Kommunikation, die aus ihrer Sicht ebenfalls als Willkommensgeste zählen würde. Abhängig von ihrer Herkunftskultur handelte es sich hierbei bei beiden Befragtengruppen um jeweils unterschiedliche Empfehlungen.
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In ihren Antworten auf die abschließende Frage, welche Punkte aus ihrer Sicht bei einer Ansprache der Bevölkerung ihres Migrationshintergrunds am relevantesten seien, waren sich die beiden Befragtengruppen weitgehend einig: Die größte Bedeutung maßen sie dem Ausbau von interkultureller Kompetenz innerhalb der Kulturinstitutionen und einem expliziteren Willkommenheißen von Menschen mit Migrationshintergrund bei. Hierzu gehörte für sie auch eine stärkere Öffnung der Programmplanung der Institutionen für Künstler, Musiker und Schauspieler sowie Regisseure, Autoren und Komponisten aus den jeweiligen Herkunftsländern und/oder mit dem jeweiligen Migrationshintergrund. Aus Sicht der Befragten kann es somit äußerst zielführend sein, bei einer Ansprache der Bevölkerungsgruppe ihres Migrationshintergrunds Bezüge zu ihrer jeweiligen Herkunftskultur herzustellen.
6.2 E RGEBNISZUSAMMENFASSUNG Die Ergebnisse dieser qualitativen Untersuchung weisen insgesamt stark darauf hin, dass Hintergrundinformationen zu der Zugehörigkeit zu einzelnen SinusMigranten-Milieus von Menschen mit Migrationshintergrund für eine Ansprache als Kulturpublikum notwendig, aber in vielen Fällen nicht hinreichend sind. Zusätzliche Informationen zum Migrationshintergrund einer Zielgruppe erhöhen offenbar ihre Erfolgschancen. Hinsichtlich der Fragestellung der Arbeit kann zumindest für die hier befragten Angehörigen des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ mit Migrationshintergrund aus der Türkei und aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion festgehalten werden: Es ist die Kombination der Faktoren „Zugehörigkeit zu einem Sinus-Migranten-Milieu“ und „Migrationshintergrund“, die Kulturinstitutionen eine erfolgreiche Ansprache verspricht. Angehörige beider Bevölkerungsgruppen innerhalb des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ glichen sich bei verschiedenem Migrationshintergrund stark in ihrem allgemeinen Kulturnutzungsverhalten bezüglich: • • • • •
des Zugangs zu Angeboten kultureller Bildung in der Kindheit der generellen Breite und Tiefe ihrer Kulturinteressen der generellen Breite und Frequenz ihrer Kulturnutzung den mit Kulturbesuchen kombinierten Aktivitäten der Nutzung von Museumscafés und/oder Theaterbars
296 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT • der Frage, inwieweit als Mittler oder Multiplikatoren für das soziale Umfeld
agiert wird • der Region, für die Veranstaltungshinweise verfolgt werden • hinsichtlich Ticket-Erwerbspräferenzen
In den Antworten der beiden Befragtengruppen innerhalb dieser Themengebiete waren keine Abweichungen festzustellen, die auf dem Migrationshintergrund einzelner Befragter beruhen (Individual- oder Mikroebene). Waren Abweichungen festzustellen, waren sie stattdessen auf Unterschiede zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen auf der Aggregat- oder Makroebene oder auf die Zusammensetzung der Befragten innerhalb dieser Untersuchung zurückzuführen. Auf Basis dieser Ergebnisse ist stark davon auszugehen, dass eine gezielte Ansprache von Angehörigen des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ zumindest bei Menschen mit Migrationshintergrund aus der Türkei und Menschen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion somit jenseits ihres jeweiligen Migrationshintergrunds möglich ist. Es ist zudem sehr wahrscheinlich, dass die Möglichkeit einer solch rein milieubasierte Ansprache auch für Angehörige beider Bevölkerungsgruppen in anderen Sinus-Migranten-Milieus gilt. Durch das Ausklammern des jeweiligen Migrationshintergrunds kann ein solches Vorgehen einer Zielgruppenansprache der Gesamtbevölkerung nach Sinus-Milieus tendenziell ähneln. Ein Vergleich des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ mit Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund und der deutschen Gesamtbevölkerung sowie – wenn möglich – auch mit stark Kulturinteressierten innerhalb der Gesamtbevölkerung zeigt, dass eine solch vereinfachte Herangehensweise jedoch nicht empfehlenswert ist. Sowohl zwischen dem Kulturnutzungsverhalten der Sinus-Migranten-Milieus (2008) und der Sinus-Milieus (2009) als auch zwischen dem Kulturnutzungsverhalten des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ und den stark Kulturinteressierten in der deutschen Gesamtbevölkerung aus der „8. KulturBarometer“-Studie (2005) des Zentrums für Kulturforschung zeigten sich teilweise deutliche Unterschiede (siehe Kapitel 5.2.2.1 und 5.2.2.2). Gleichzeitig lässt sich aus den weiteren Ergebnissen der vorliegenden Studie herauslesen, dass bei einem rein milieubasierten Vorgehen in der Tat Informationen verschenkt werden, die auf dem individuellen Migrationshintergrund der Milieu-Angehörigen basieren. Denn es zeigte sich, dass der Faktor „Migrationshintergrund“ innerhalb der folgenden Themengebiete relevanten Einfluss auf die Antworten der Befragten mit Migrationshintergrund aus der Türkei und aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion ausübte:
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Verständnis von Herkunftskultur Kulturelle Identität und Kulturnutzungsverhalten Migrantenvereine/-organisationen als geeignete Kooperationspartner Interesse an Angeboten mit herkunftskulturellem Bezug Interesse an einzelnen Kulturangeboten Interesse an Cross-Culture-Formaten Nutzung von Angeboten mit herkunftskulturellem Bezug Nutzung einzelner Kulturangebote Kulturbesuch als Gemeinschaftserlebnis Begleitpersonen bei einem Kulturbesuch Informationsverhalten für Kunst und Kultur Nutzung von herkunftssprachlichen Medien/aus der Herkunftskultur für Kommunikation gewünschte Sprache sowie Besuchsbarrieren und -anreize für das eigene und für andere Sinus-MigrantenMilieus
Nur hinsichtlich der Erwartungen der Befragten an einen Kulturbesuch und ihrer Preispräferenzen in Bezug auf einzelne kulturelle Angebote war nicht abschließend zu klären, ob unterschiedliche Migrationshintergründe eine Rolle spielten oder nicht. Aufgrund der Eindeutigkeit der Mehrzahl der hier vorliegenden Untersuchungsergebnisse ist stark anzunehmen, dass diese für Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ verallgemeinert werden können und nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund aus der Türkei und aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion gelten. Ob dies tatsächlich der Fall ist, müssten größer angelegte quantitative Studien überprüfen, da die hier vorliegende qualitative Untersuchung nicht auf statistische Repräsentativität ausgelegt war.
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6.3 I MPLIKATIONEN FÜR A UDIENCE D EVELOPMENT -S TRATEGIEN Aus den Ergebnissen dieser Arbeit lassen sich für Kulturinstitutionen, die im Rahmen von Audience Development mittels Kulturvermittlung und Kulturmarketing Menschen mit Migrationshintergrund gezielt als Publikum gewinnen und an sich binden möchten, die folgenden vier zentralen Handlungsempfehlungen ableiten: Eine Berücksichtigung des Faktors „Migrationshintergrund“ kann imageverbessernd wirken, als Besuchsanreiz, als Mittel der Besucherbindung und als Mittel zum Abbau von Besuchsbarrieren In den Aussagen der Befragten deutete sich an, dass für Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund eine doppelte Ausgrenzung zum Tragen kommen könnte: Erstens können bei Menschen mit Migrationshintergrund soziale und subjektive Barrieren dem Besuch eines Kulturangebots entgegenwirken, wie die Ängste, sich dort fehl am Platz zu fühlen, den Inhalt nicht zu verstehen oder sich zu langweilen. Es handelt sich hierbei um dieselben Barrieren, die auch bei großen Teilen der Menschen ohne Migrationshintergrund zu einem Nicht-Besuch führen. Zweitens deuten sie an, dass viele Kulturinstitutionen die kulturell diverse Zusammensetzung der Bevölkerung bislang nicht ausreichend berücksichtigen und damit Menschen mit Migrationshintergrund das Gefühl vermitteln, dass ihre (aktive wie passive) Partizipation dort nicht willkommen sei. Bei den Befragten aus dem kulturaffinen „Intellektuell-kosmopolitischen Milieu“ haben soziale und subjektive Barrieren wenig bis keine faktische Relevanz. Eine fehlende Berücksichtigung des Faktors „Migrationshintergrund“ von Kulturinstitutionen führt bei ihnen ganz offensichtlich auch nicht zum Fernleiben von Kulturangeboten. In jedem Fall kann eine Berücksichtigung des Migrationshintergrunds bei ihnen jedoch das Image der Kulturinstitutionen (bei sichtbarer interkultureller Kompetenz) positiv beeinflussen und sowohl als nicht zu unterschätzender Besuchsanreiz dienen als auch eine höhere Besucherbindung bewirken. Bei Sinus-Migranten-Milieus, die Kulturangeboten ferner sind als das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ und die somit unter Umständen nicht dem bestehenden Markt von Kulturinstitutionen angehören (Nicht-Besucher), ist aus Sicht der Befragten davon auszugehen, dass soziale und subjektive Barrieren mit hoher Wahrscheinlichkeit eine im Vergleich höhere Relevanz aufweisen. Aus ihren weiteren Aussagen lässt sich vermuten, dass eine fehlende Berücksichtigung
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des Faktors „Migrationshintergrund“ von Kulturinstitutionen bei dieser Zielgruppe vor allem bei geringer Kulturaffinität die Wirkung sozialer und subjektiver Barrieren zusätzlich verstärken oder hiervon unabhängig selbst bei einem bestehenden Grundinteresse an Kulturangeboten als Besuchsbarriere wirken könnte. Träfe dies zu, könnte eine Berücksichtigung des Faktors „Migrationshintergrund“ innerhalb dieser Sinus-Migranten-Milieus unter Umständen ausschlaggebend dafür werden, dass ein Kulturbesuch überhaupt erst stattfindet. Inwieweit dies tatsächlich der Fall ist, müssten weitere Untersuchungen überprüfen, die sich speziell auf Kulturangeboten eher ferne Sinus-Migranten-Milieus beziehen. Für eine erfolgreiche Ansprache spielen die Bereiche Produktund Service- sowie Kommunikationspolitik eine besondere Rolle Eine besonders wichtige Rolle spielen bei der Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund im Bereich der Produkt- und Servicepolitik eine Programmerweiterung mit Angeboten von Regisseuren, Autoren und Komponisten aus der Herkunftskultur/ihres Migrationshintergrunds, mit Angeboten in der (evtl. zweiten) Herkunftssprache, eine stärkeren Präsenz von Künstlern, Musikern, Schauspielern aus der Herkunftskultur/ihres Migrationshintergrunds. Gleichermaßen wichtig ist im Bereich der Kommunikationspolitik eine Ansprache in der (evtl. zweiten) Herkunftssprache. Um möglichst viele verschiedene Migrantengruppen zu erreichen, wäre ein künstlerisch hochwertiges und breites Angebotsspektrum mit verschiedensten herkunftskulturellen Bezügen in mehreren Sprachen anzubieten. Mit einem entsprechenden besseren Abbilden pluralistischer gesellschaftlicher Realitäten können Kulturinstitutionen im Sinne eines Wertbeitrags für die Gesamtgesellschaft dazu beitragen, Brücken zwischen Menschen mit und ohne oder mit verschiedenstem Migrationshintergrund zu bauen. Gleichzeitig würden sie dazu beitragen, Menschen mit Migrationshintergrund eine chancengleiche Teilhabe im Kunst- und Kulturbereich zu ermöglichen. Eine programmatische Vielfalt im Angebot von Kulturinstitutionen inklusive Bezügen zu unterschiedlichsten Kulturen kann dabei für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund nur einen Gewinn darstellen. Eine besondere Bedeutung könnten hierbei sogenannte Cross-Culture-Formate einnehmen, in denen im Zusammenspiel von Menschen und Angeboten verschiedenen kulturellen Hintergrunds etwas Gemeinsames und Neues in hoher künstlerischer Qualität entsteht.
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Angehörige kulturaffiner Milieus sind wichtige Mittler und Multiplikatoren und möchten Impulsgeber für den Kunst- und Kulturbereich sein Nicht zu unterschätzen sind potenzielle Mittler- und Multiplikatoreffekte, denn das „Intellektuell-kosmopolitische Milieu“ als Stamm-Besucher von Kulturangeboten agiert oftmals als Impulsgeber für Kulturbesuche in seinem Umfeld. Ein Zufriedenstellen dieser Zielgruppe kann somit indirekt dazu beitragen, Nochnicht-Besucher, Nicht-mehr-Besucher und Nicht-Besucher zu gewinnen. Dass Kulturinstitutionen auch bei ihrer interkulturellen Öffnung und der Entwicklung und Implementierung von Audience Development-Strategien in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund nicht auf sich gestellt sind, zeigt ein Ergebnis der empirischen Studie, auf das hier noch ergänzend verwiesen werden soll: 87 % der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund (20 Personen) und 83 % der Befragten mit Migrationshintergrund aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (25 Personen) antworteten auf die Frage „Rein theoretisch, hätten Sie Spaß daran, einer Kulturinstitution als ‚Berater‘ für dieses Themenfeld zur Verfügung zu stehen?“ mit „Ja, gern“.1 Es besteht somit ganz offensichtlich ein erhebliches Potenzial, Menschen mit Migrationshintergrund (zumindest) innerhalb des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ in eine entsprechende Entwicklung von Kulturinstitutionen einzubeziehen. Dies ist eine große Chance, mit ihnen gemeinsam eine kulturell diverse Zukunft des Kunst- und Kulturbereichs zu gestalten. Voraussetzung ist eine Einbettung in eine interkulturelle Öffnung der Kulturinstitutionen im Rahmen von Change Management Als Grundvoraussetzung für eine stärkere Berücksichtigung des Faktors „Migrationshintergrund“ in einer Ansprache sowohl ihres eigenen als auch anderer Sinus-Migranten-Milieus sahen die Befragten eine Einbettung in ernst gemeinte interkulturelle Öffnung der Kulturinstitutionen im Rahmen eines umfassenden Change-Managements. Diese Öffnung müsste zusammen mit einem expliziten „Willkommen für Menschen mit Migrationshintergrund“ deutlich nach außen kommuniziert werden. Bisherige Bemühungen von Kulturinstitutionen kritisierten sie jedoch deutlich als oftmals eher alibihafte Einzelprojekte statt als Versuche einer grundlegenden und langfristigen Veränderung. Vor dem Hintergrund einer interkulturellen Öffnung von Kulturinstitutionen und einer umfassenden Reflexion der Tatsache, dass es den Menschen mit Migrationshintergrund und die Angehörigen einer Herkunftsnation oder Herkunftsethnie nicht gibt, kann der Migrationshintergrund einer Person – neben deren 1
Innerhalb dieser Frage gilt n = 53, davon n (TK) = 23, n (SU) = 30.
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Zugehörigkeit zu Sinus-Migranten-Milieus – somit eine wichtige Information zur Konzeption und erfolgreichen Implementierung von Audience DevelopmentStrategien darstellen. Eine solche Öffnung kann hilfreich sein, eine quantitative Steigerung der Nachfrage in der bestehenden Besucherschaft mit Migrationshintergrund zu erreichen. Sie kann sehr wahrscheinlich auch dazu beitragen, Zielgruppen mit Migrationshintergrund zu erschließen, die innerhalb der bisherigen Besucherschaft unterrepräsentiert sind. Unabhängig davon, welche Zielrichtung hinter den entsprechenden Audience Development-Strategien steht: Ein Agieren in diesem Themenfeld bedeutet für Kulturinstitutionen in jedem Fall Verantwortung. Es erfordert ein beständiges Hinterfragen, inwieweit ein solches Vorgehen Unterschiede und Vorurteile zementieren könnte, anstatt sie aufzulösen. Die globale Zielrichtung solcher Bemühungen kann für Kulturinstitutionen letztlich nur eines sein: Eine Arbeit mit und für Menschen mit Migrationshintergrund nicht mehr als Besonderheit, sondern als natürlichen Teil ihres Selbstverständnisses und ihrer praktischen Arbeit zu verstehen und „Audience Development und Menschen mit Migrationshintergrund als Publikum von Kulturinstitutionen“ als ein eigenes Themenfeld langfristig obsolet zu machen. Dieses Themenfeld ist für Kulturinstitutionen in Deutschland bislang noch wenig bearbeitet, und die in den Häusern hierfür notwenige interkulturelle Öffnung hat bislang noch nicht flächendeckend stattgefunden. Beides gehört sicherlich zu den bedeutendsten Zukunftsaufgaben des Kunst- und Kulturbereichs und seiner Akteure, möchten sie (weiterhin) relevanter Bestandteil der in Deutschland seit langer Zeit vorhandenen kulturell diversen Gesellschaft sein.
6.4 A NREGUNGEN FÜR DIE ZUKÜNFTIGE A UDIENCE D EVELOPMENT -F ORSCHUNG 6.4.1 Zukünftige Audience Development-Strategien Für Audience Development-Strategien hinsichtlich Menschen mit Migrationshintergrund gelten zunächst die gleichen Grundvoraussetzungen und sie beinhalten die gleichen Kernelemente wie für alle anders gerichteten Audience Development-Strategien. Dennoch zeigt die diesbezügliche Forschung, dass es sich hierbei nicht einfach nur um eine Unterform von Audience Development von vielen handelt. Es ist ein durchdachtes und reflektiertes Vorgehen vonnöten, damit eben nicht
302 | A UDIENCE D EVELOPMENT IN DER M IGRATIONSGESELLSCHAFT „aus dem gut meinenden, aber dennoch klischeebeladenen ‚Bauch‘ heraus kulturelle Angebote entwickelt [werden], die eher den Befindlichkeiten und Gesellschaftswahrnehmung[en] des Anbieters als den Bedürfnissen der potenziellen Rezipienten entsprechen.“2
Es ist entsprechend unerlässlich, vor der Konzeption und Implementierung von entsprechenden Audience Development-Strategien die eigenen Denk- und Handlungsmuster zu reflektieren und einen größtmöglichen Kenntnisstand hinsichtlich der gesellschaftlichen Kontexte, in die sich etwaige Bemühungen hineinbewegen, und über die jeweilige Zielgruppe zu erlangen. Audience Development und Audience Development-Strategien hinsichtlich Menschen mit Migrationshintergrund haben in Kulturinstitutionen in Deutschland noch keine ausgeprägte Tradition, und auch der Forschungsbereich steht noch am Beginn des Erkenntnisprozesses. Entsprechend besteht in diesem Themenfeld noch ein hoher Forschungsbedarf, der eng mit offenen Forschungsfragen im generellen Themenfeld „Audience Development“ verknüpft ist. Unabhängig davon, ob Bemühungen sich auf Zielgruppen mit und/oder ohne Migrationshintergrund richten, führt bereits eine kurze Reflexion des aktuellen Forschungsstands zu Audience Development zu einer Vielzahl von Fragen, die bislang nicht befriedigend beantwortet sind: • Welche Herangehensweise führt innerhalb der Kulturinstitutionen am ehesten
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zu einem erfolgreichen Change-Management mit dem Ziel einer nach Audience Development-Philosophie ausgerichteten Institution? Welche Wirkung haben Audience Development-Bemühungen bei den beteiligten Akteuren innerhalb und außerhalb der Kulturinstitutionen? Welche Strategien werden innerhalb der Planung von Audience DevelopmentStrategien für welche Zielgruppen (bspw. Besucher vs. Nicht-Besucher) ausgewählt, welche verworfen und warum? Wie können Marketinginstrumente und Maßnahmen der Kulturvermittlung für verschiedene Zielgruppen (bspw. Besucher vs. Nicht-Besucher) zu einem erfolgreichen Zusammenspiel gebracht werden? Wie konzipieren und realisieren Kulturinstitutionen ein Zusammenspiel verschiedener Audience Development-Strategien, um neues Publikum zu gewinnen und zeitgleich bestehendes Publikum zu halten? Wie gelingt es ihnen, sich für weitere Bevölkerungsschichten zu öffnen, aber gleichzeitig ihr künstlerisches Profil zu halten?
Graser 2005: 292.
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• Erzielen Audience Development-Bemühungen nachhaltige Effekte im Sinne
einer gesteigerten Beziehung zu (potenziellen) Besuchern, die über einzelne Projekte hinausgehen? • Inwieweit können Audience Development-Bemühungen tatsächlich dazu beitragen, Kunst und Kultur für breitere Teile der Bevölkerung relevant und zugänglich zu machen? • Wie können sie vielleicht auch – ohne hierfür instrumentalisiert zu werden – gesellschaftliche Veränderungen mit anregen (bspw. eine interkulturelle Sensibilisierung der Gesellschaft, Anregung zum Dialog, Entdeckung/Schaffung von Gemeinsamkeiten)? Weitgehend noch offen ist im Kontext von Audience Development in Deutschland anscheinend – und nicht nur in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund – zudem eine Reflexion von Machtverteilungen innerhalb des Kultursektors: • Inwieweit nehmen diese konkreten Einfluss auf die Repräsentation einzelner
gesellschaftlicher Gruppen im Kulturbereich (Beschäftigungsverhältnisse, Sichtbarkeit von deren ,Kunst- und Kulturoutput‘)? • Inwieweit hinterfragt der Kulturbereich die tradierten Vorstellungen von Kunst und Kultur im Kontext einer immer diverser werdenden Gesellschaft und überprüft altgewohnte Denk- und Handlungsweisen, dabei eventuell einfließende theoretische Konzepte (wie bspw. Multikulturalismus) und verwendete Begrifflichkeiten/Zuschreibungen auf ihre Aktualität und ihr Diskriminierungspotenzial? • Inwieweit wirken solche Zusammenhänge bei nicht ausreichender Reflexion der erfolgreichen Konzeption und Implementierung von Audience Development-Strategien eventuell entgegen? • Inwieweit besteht die Gefahr, dass nicht ausreichend durchdachte Strategien sogar bestehende Vorurteile oder gar ungleiche Machtverhältnisse verfestigen? Es ist stark zu vermuten, dass Kulturinstitutionen in Deutschland vielerorts schon Audience Development-Strategien konzipiert und implementiert haben, sie werden jedoch zumeist kaum überregional bekannt. Wenn dem doch der Fall ist, ist der aus ihnen resultierende Erfahrungsschatz zumeist nicht für Unbeteiligte zugänglich. So ist für andere Kulturinstitutionen, die Kulturpolitik und die Kulturmanagementforschung oft nicht nachvollziehbar, welche strukturellen Veränderungen hierfür in den Institutionen eventuell vorgenommen wurden, welche generellen Absichten hinter Strategien lagen, welche konkreten Unterzie-
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le der Maßnahmen für welche Zielgruppen in deren Rahmen festgelegt wurden, welche strategischen Herangehensweisen vielleicht längst (eventuell sogar mehrfach) getestet wurden und, ob und wenn ja, welche Evaluationsergebnisse hierzu in welcher Form vorliegen. Ein Austausch über schon durchgeführte Audience Development-Bemühungen und eine Vernetzung verschiedenster Akteure für erfolgreiche zukünftige Bemühungen findet schon allein aus diesen Gründen hierzulande entsprechend noch selten statt. Bis auf das beschriebene Forschungsprojekt „Interkulturelles Audience Development“ (2011–2013) aus Nordrhein-Westfalen3 gibt es bislang keine institutionenübergreifende Evaluation von Audience Development-Bemühungen in Deutschland. Um einen Austausch zu befruchten und die oben genannten Forschungsfragen zu beantworten, sind eine verstärkte wissenschaftliche Begleitung von Audience Development-Bemühungen und deren übergreifende Evaluation sowie ein für die Bündelung von diesbezüglichem Wissen zentraler (eventuell auch virtueller) öffentlich zugänglicher Ort gewinnbringend, an dem die Bemühungen zumindest in aller Knappheit dokumentiert werden. Gleichzeitig wäre ein von der Forschung zur Verfügung gestelltes spartenübergreifendes einheitliches Manual für die Evaluation von einzelnen Audience Development-Bemühungen hilfreich, das für eine größtmögliche Vergleichbarkeit der verschiedenen Ansätze sorgt. Bei der Erforschung von Audience Development und verschiedenen Formen von Audience Development-Strategien lohnt im Sinne einer breiteren Internationalisierung zudem sicherlich ein noch stärkerer Blick in andere europäische Länder, aber auch über die Grenzen des Kontinents hinaus. Von großem Interesse wäre an dieser Stelle eine systematische Gegenüberstellung der Zielsetzungen von Audience Development in verschiedenen Ländern, der dortigen Vorgehensweisen und Erfahrungswerte. Selbst wenn dortige Herangehensweisen und hiervon abgeleitete Erkenntnisse aufgrund unterschiedlicher historischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen nicht eins zu eins auf den deutschen Kontext übertragbar sind, lässt sich aus ihnen sicherlich ein nicht unerheblicher Erkenntnisgewinn ziehen. In diesem Kontext wäre es äußerst interessant, die sowohl in Großbritannien, den USA als auch in Deutschland aktuell geführte Debatte um „Post-Audience Development“ zu verfolgen. Innerhalb dieser wird eine weit sozialere Ausrichtung und in diesem Rahmen eine Abwendung von klassischem Audience Development hin zu einer (noch) stärkeren Ausrichtung auf die Kulturinstitutionen örtlich umliegenden Communities und deren Einbeziehung als Mitgestalter des kulturellen Lebens gefordert (siehe Kapitel 2.3.2.2). Die besondere Bedeutung die3
Vgl. Mandel 2013d.
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ses Themenfelds (auch) für den deutschen Kontext wurde in den Veröffentlichungen von Birgit Mandel zu Audience Development in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund herausgestellt 4 . Obwohl Strategien des AudienceDevelopment bezüglich Menschen mit und ohne Migrationshintergrund die derzeit mit am stärksten nachgefragte Wissensressource der Kulturmanagementforschung sind,5 gibt es weiterhin zu wenige Experten und institutionalisierte Beratung in diesem Themenfeld. In Deutschland fehlt eine kontinuierliche spartenübergreifende Erforschung zu Kulturinteresse und zur Kulturnutzung der Gesamtbevölkerung, deren Ergebnisse öffentlich zugänglich sind. Weiterhin sind noch viele Forschungslücken zu schließen zu (potenziellen) Kulturbesuchern (und ihren Wünschen, Bedürfnissen, Besuchsbarrieren etc.). Insbesondere fehlt in diesem Kontext eine weitergehende Erforschung zum Kulturinteresse und zur Kulturnutzung unterschiedlicher sozialer Milieus. Weiterhin fehlt ein öffentlich zugängliches Instrumentarium, mit dem die Zugehörigkeit zu sozialen Milieus von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund unkompliziert, aber treffgenau erfasst werden kann. Eventuell kann die in dieser Studie ausführlich beschriebene Methode der Fremd- und Selbsteinstufung in Sinus-Milieus hierbei dienlich sein (siehe digitaler Anhang). Auch explizit in Bezug auf ein Kulturpublikum mit Migrationshintergrund besteht weiterer Forschungsbedarf. In diesem Kontext wäre es äußerst hilfreich, die Forschung würde ein Instrumentarium entwickeln, mit dem der Migrationshintergrund des aktuellen Kulturpublikums (bspw. in Publikumsbefragungen), aber auch etwaiger Nicht-Besucher (bspw. Umfrage im Einzugsgebiet der Institution) festgestellt werden könnte. Ein solches Instrumentarium, das den Migrationshintergrund mit wenig Aufwand, aber dennoch präzise erfasst, das im Konsens von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund entwickelt wurde und somit nach ethischen Forschungsrichtlinien ohne Sorge vor einer ungewollten Stigmatisierung einzelner Befragter anwendbar ist, steht jedoch noch aus. 6.4.2 Eine neue und übergreifende Zielgruppenbildung In der bisherigen Kulturmanagementforschung in Deutschland wurden in der Mehrheit der Fälle Zielgruppen für kulturelle Angebote mit deutscher Herkunft und ohne Migrationshintergrund betrachtet. Seit in etwa dem Jahr 2000 wurden zudem die Zielgruppen „Kultur-Touristen“ deutscher und nicht-deutscher Her-
4
Siehe bspw. Mandel 2013b, d; 2011d.
5
Vgl. Mandel 2012a: 15.
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kunft sowie „Menschen mit Migrationshintergrund“ tiefer gehend behandelt. 6 Eine Ansprache ebenjener drei Zielgruppen als Gesamtgruppen erscheint für die Praxis jedoch nicht sinnvoll: Der Forschungsbereich der Culture Studies7 und Studien zur Milieu- und Lebensstil-Forschung wie „Die Sinus-Milieus in der deutschen Gesamtbevölkerung“ (2015) und „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2008) von Sinus8 machen deutlich, dass es die Deutschen, die Menschen mit Migrationshintergrund und die KulturTouristen nicht gibt. Zudem zeigt eine intensivere Betrachtung der genannten Gruppen große Schnittmengen unter ihnen auf: (Potenzielle) Kulturbesucher in Deutschland können Migrationshintergrund haben oder nicht, sie können an ihrem Wohnort ein Kulturangebot besuchen oder als Kultur-Touristen andernorts innerhalb Deutschlands. Kultur-Touristen wiederum können aus Deutschland oder aus dem Ausland stammen und dabei in beiden Fällen an ihrem Wohnort Migrationshintergrund aufweisen oder nicht. Die bisherigen Forschungsergebnisse aus der Kulturmanagementforschung zu (potenziellen) Besuchern von Kulturangeboten sind jedoch entsprechend der Grundidee von Segmentierung9 zumeist auf die einzelnen (vermeintlich) voneinander abgrenzbaren Gruppen bezogen. Sie werden in der Regel schon allein aufgrund der Logik der Spezialisierung einzelner Forscher im Laufe der Jahre immer vertiefender betrachtet. Betont werden hierbei vor allem die (vermeintlichen) Unterschiede zwischen diesen Zielgruppen. Was bislang gänzlich fehlt, ist eine Segmentierungsform, die versucht, die vermeintlich verschiedenen Zielgruppen der Menschen ohne und mit unterschiedlichstem Migrationshintergrund und der Touristen verschiedenster Herkunft zusammenzubringen, und statt besagter Unterschiede zwischen ihnen die Gemeinsamkeiten betont. Wie könnte eine solche übergreifende Segmentierungsform aussehen? An dieser Stelle erscheint es angebracht, einen Schritt zurückzugehen und von Neuem zu reflektieren, welche gemeinsamen Erklärungsfaktoren am ehesten für das Kulturnutzungsverhalten dieser drei Gruppen (sprich von in Deutschland lebenden Menschen ohne Migrationshintergrund, mit verschiedenstem Migrationshintergrund sowie Kultur-Touristen verschiedenster Herkunft) heranzuziehen 6
Zu „Kultur-Touristen“ siehe bspw. Pröbstle 2014; Mandel 2012c; Hausmann 2011b; zu „Menschen mit Migrationshintergrund“ siehe bspw. Mandel 2013d; Keuchel 2012; Cerci 2008b.
7
Siehe hierzu bspw. Bhabha 1994; Hall/Hall 1990; Hall 1990.
8
Siehe bspw. SINUS 2015a; 2008.
9
Segmentierung: Zielgruppen bilden, deren Verhalten, Wünsche, Bedürfnisse und Voraussetzungen möglichst homogen sind; siehe hierzu bspw. Günter/Hausmann 2012: 40 ff.; Klein 2005: 259 ff.
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sein könnten. Aus der aktuellen Kulturmanagementforschung lassen sich hierfür vor allem drei Kernfaktoren herausziehen, die für eine gruppenübergreifende Vorsegmentierung infrage kommen: 1. Formelle und informelle Bildung, sprich die Tatsache, über wie viel Bildung im Allgemeinen, aber auch in Bezug auf kulturelle Zusammenhänge eine Person verfügt oder nicht (bspw. Vorinformationen zu historischen, kulturellen, philosophischen Begebenheiten und zugehörigen Künstlern). In diversen „KulturBarometer“-Studien des Zentrums für Kulturforschung konnte aufgezeigt werden, dass der wichtigste Faktor, der Kulturnutzer von Nicht-Kulturnutzern unterscheidet, das Bildungsniveau ist. 10 Insbesondere in Bezug auf kulturelle Bildung spielt dabei das Elternhaus (noch weit vor schulischen Einflüssen) eine prägende Rolle. Die Effekte einer solch frühen Prägung ziehen sich bei vielen Menschen durch die weiteren Lebensabschnitte durch. Sprich: Wer nicht schon von Kindesbeinen an mit Kulturangeboten vertraut ist, wird auch im Erwachsenenalter in den meisten Fällen nicht mehr zu einem passionierten Nutzer werden.11 Im Deutschsprachigen wird in diesem Kontext zumeist von „bildungsnah/fern“ gesprochen.12 2. Ein kulturelles Grundinteresse, sprich die Tatsache, ob eine Person generell an Kulturangeboten – im Sinne eines weiten Kulturbegriffs – interessiert und entsprechend überhaupt zu motivieren ist, diese zu besuchen. Laut der „8. KulturBarometer“-Studie (2005) des Zentrums für Kulturforschung waren – im Sinne eines weiten Kulturbegriffs – knapp zwei Drittel der deutschen Bevölkerung grundsätzlich für kulturelle Angebote erreichbar und nutzten diese zumindest punktuell. Ein weiteres Drittel der Bevölkerung zählte zur Gruppe der schwer motivierbaren Nicht-Nutzer. 5–10 % der Bevölkerung nutzten Kulturangebote regelmäßig.13 Dieser Sachverhalt gilt nicht nur für Deutschland: Unabhängig von diversen Bemühungen der Kulturpolitik, -verwaltung und/oder -institutionen in den verschiedensten Ländern der Welt, Kulturangebote für weite Teile der Bevölkerung zugänglich zu machen, ist die Anzahl der regelmäßigen Nachfrager über den Zeitverlauf der letzten Dekaden fast gleich geblieben. 14 Begrifflich wird der hier beschriebene Umstand mit „kulturangebotsnah/-fern“ umfasst.15 10 Siehe hierzu bspw. Keuchel/Larue 2012; Keuchel 2006; 2005a. 11 Vgl. Colbert 2002: 45. 12 Für einen Überblick zu dieser Begrifflichkeit siehe bspw. Bremer/Kleemann-Göhring 2011; Erler 2010; Brüning 2002. 13 Vgl. Keuchel 2005a: 53; 2005b: 112 ff. 14 Vgl. Colbert 2009: 16; Burton/Scott 2003: 56. 15 Für einen Überblick zur Forschung hinsichtlich der sogenannten Nicht-Besucher siehe bspw. Renz 2015.
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3. Vertrautheit mit dem Kulturraum, sprich das Ausmaß der Kenntnisse einer Person über den Entstehungs- und Aufführungs- bzw. Präsentationskontext eines Kulturangebots. Hierzu können bspw. Normen und Werte, Bräuche, Traditionen und Narrative einer Gesellschaft und auch Sprachkenntnisse gehören, die ein tieferes Verständnis des Kontexts ermöglichen. Unterschiedlichste „KulturBarometer“-Studien des Zentrums für Kulturforschung legten offen, dass künstlerische Interessen einer Person (auch) von der kulturellen Infrastruktur, von kulturgeschichtlichen Traditionen sowie von politisch und kulturpolitisch gewachsenen gesellschaftlichen Wertesystemen ihres Herkunftslands geprägt werden. Erfahrungen und Praktiken sowie Seh- und Hörgewohnheiten bei der Kunstrezeption werden im jeweiligen Herkunftsland der Person entwickelt und somit als „kulturelles Kapital“ bei Migration oder auf Reisen in ein anderes Land mitgebracht.16 Als für diesen Kontext inhaltlich passende Bezeichnung wird hier „kulturraumnah/-fern“ gewählt. Wie könnte nun eine Vorsegmentierung der drei oben genannten größten potenziellen Besuchergruppen aussehen, sprich von in Deutschland lebenden Menschen ohne und mit verschiedenstem Migrationshintergrund sowie KulturTouristen verschiedenster Herkunft? Zunächst werden dafür in einem ersten Schritt in der folgenden Matrix die drei genannten Einflussfaktoren (kulturelle Bildung, kulturelles Interesse, Kulturraumnähe) in jeglicher möglicher Kombination aufgeführt (vorhanden bzw. nicht vorhanden). Daraus ergeben sich auf theoretischer Ebene acht verschiedene Typen (siehe Tabelle 4 auf der folgenden Seite):
16 Vgl. Keuchel 2012: 64 ff., 81 ff.; Keuchel/Larue 2012: 144 ff., 171; Keuchel/Mertens 2011: 4.
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Tabelle 4: Matrix der Vorsegmentierung für globale Besuchergruppen Kulturelle Bildung
Kulturelles Interesse
Kulturraumnähe
Typ 1
Typ 2
X
Typ 3
X
X
Typ 4
X
Typ 5
X
Typ 6
X
X
Typ 7
X
X
Typ 8
X
X
X
Quelle: Eigene Darstellung.
Aus dieser Matrix lässt sich im zweiten Schritt für jeden der aufgeführten Besuchertypen ableiten, welche Personen in diesen fallen. Anhand von Besuchertyp 1 soll verdeutlicht werden, welche Implikationen aus dieser Matrix für ein strategisches Vorgehen von Kulturinstitutionen im Rahmen eines Segmentierungsprozesses abgeleitet werden können: Für Typ 1 würde gelten, dass er sowohl bildungs- als auch kulturangebotsund kulturraumnah ist. In die Tiefe gehend würde dieser Typ somit Personen beinhalten, die über ein hohes Bildungsniveau bzw. ein hohes Vorwissen zu Kulturangeboten verfügen und ein grundlegendes Interesse an diesen aufweisen. Mit allen drei oben benannten Zielgruppen in diesen Typ einbezogen, könnte er die folgenden Personen beinhalten: 1. Menschen ohne Migrationshintergrund, die in Deutschland aufgewachsen sind, sich somit innerhalb des Kulturraums gut auskennen 2. Menschen, die in Deutschland leben und Migrationshintergrund aus dem gleichen Kulturraum aufweisen 3. Menschen, die in Deutschland leben und keinen Migrationshintergrund aus dem gleichen Kulturraum aufweisen, diesen aber aus anderen Gründen gut kennen (bspw. durch Geburt/lange Aufenthaltsdauer in Deutschland) 4. Kultur-Touristen mit und ohne Migrationshintergrund, die in Deutschland aufgewachsen sind
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5. Kultur-Touristen, die von außerhalb Deutschlands, aber aus dem gleichen Kulturraum stammen 6. Kultur-Touristen, die nicht aus dem gleichen Kulturraum stammen, diesen aber aus anderen Gründen gut kennen In Bezug auf eine Ansprache und ein ,Bedienen‘ dieses Nutzertyps mithilfe des bekannten Instrumentariums des Kulturmarketings und/oder der Kulturvermittlung würde dies bedeuten, dass es sich um Personen handelt, die dem bereits bestehenden Markt der Institutionen zuzuordnen sind (sprich bestehende Besucher sowie kulturaffine Noch-Nicht- und Nicht-Mehr-Besucher).17 Dieser Besuchertyp ist für Kulturinstitutionen äußerst attraktiv, denn er kann mit Mitteln des klassischen Kulturmarketings in der Regel gut erreicht werden.18 Für diesen Typ entwickelte und eingesetzte Instrumente der Kulturvermittlung können zudem zumindest auf ein gewisses, wenn nicht sogar hohes Vorwissen bezüglich der formellen und informellen Spielregeln eines Kulturbesuches generell und den geschichtlichen und kulturellen Entstehungs- und Präsentationskontexten eines Kulturangebots aufbauen. Zu bezeichnen wäre dieser Typ, der ein globales Kernpublikum für Kulturangebote beinhaltet, entsprechend als „globaler Kulturbesucher“. Eine solche Form der Segmentierung für globale Kulturbesuchergruppen befindet sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Um die (tatsächliche) Notwendigkeit und die Relevanz dieser neu erarbeiteten Segmentierungsmethode zu untersuchen und zu untermauern, sind tiefer gehende Forschungen (sowohl theoretisch als auch praxisnah) notwendig. Ob die hier auf theoretischer Ebene beschriebenen Besuchertypen auch tatsächlich in der (potentiellen) Besucherschaft von Kulturinstitutionen aufzufinden sind, müsste innerhalb empirischer Studien überprüft werden.
17 Siehe hierzu bspw. Klein 2005: 149 ff. 18 Siehe hierzu bspw. Heinen 2013: 131.
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Kulturmanagement Birgit Mandel (Hg.) Teilhabeorientierte Kulturvermittlung Diskurse und Konzepte für eine Neuausrichtung des öffentlich geförderten Kulturlebens September 2016, 288 S., kart., 27,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3561-4 E-Book: 24,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3561-8
Oliver Scheytt, Simone Raskob, Gabriele Willems (Hg.) Die Kulturimmobilie Planen – Bauen – Betreiben. Beispiele und Erfolgskonzepte Mai 2016, 384 S., kart., zahlr. farb. Abb., 29,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-2981-1 E-Book: 29,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-2981-5
Maren Ziese, Caroline Gritschke (Hg.) Geflüchtete und Kulturelle Bildung Formate und Konzepte für ein neues Praxisfeld September 2016, 440 S., kart., 29,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3453-2 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3453-6
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Kulturmanagement Björn Lampe, Kathleen Ziemann, Angela Ullrich (Hg.) Praxishandbuch Online-Fundraising Wie man im Internet und mit Social Media erfolgreich Spenden sammelt 2015, 188 S., kart., farb. Abb., 9,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3310-8 als Open-Access-Publikation kostenlos erhältlich E-Book: ISBN 978-3-8394-3310-2 EPUB: ISBN 978-3-8394-3310-2
Andrea Hausmann (Hg.) Handbuch Kunstmarkt Akteure, Management und Vermittlung 2014, 480 S., kart., zahlr. Abb., 29,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-2297-3 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-2297-7 EPUB: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-2297-7
Steffen Höhne, Martin Tröndle (Hg.) Zeitschrift für Kulturmanagement: Kunst, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Jg. 2, Heft 2 Oktober 2016, 190 S., kart., 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3568-3 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3568-7
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de