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German Pages 159 [192] Year 1966
Allgemeine Volkswirtschaftslehre i
Grundlegung, Wirtschaftskreislauf von
Dr. Andreas Paulsen o. Professor an der Freien Universität 'Berlin
7. Auflage
Sammlung Göschen Band 1169
Walter de Gruyter & Co. • Berlin 1966 vormals G. J. Gösdien'sdie Verlagshandlung • } . Guttentag, agsbudihandlung • Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp.
Die Gesamtdarstellung umfaßt folgende Bände: Band
I:
Band
II:
Grundlegung, Wirtsdiaftskreislauf (Slg. Göschen Bd. 1169) Haushalte, Unternehmungen, Marktformen (Slg. Göschen Bd. 1170)
Band I I I : Band IV:
Produktionsfaktoren (Slg. Göschen Bd. 1171) Gesamtbesdiäftigung, Konjunkturen, Wachstum (Slg. Gösdien Bd. 1172)
© Copyright 1966 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp., Berlin SO. — Alle Rechte, einschließlich der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten.— Archiv ; Nr. 7520660—Druck: Thormann & Goetsch, Berlin 44. — Printed in Germany.
Inhaltsverzeldmls Kap. I. Grundlegung
Seite
§ 1.
Wirtschaft 1. Begriff — 2. Aufwand und Ertrag — 3. Autonomes und gesellschaftliches Wirtschaften — 4. Einzelwirtschaft — Volkswirtschaft — Weltwirtschaft — 5. Wirtschaftsstruktur — 6. Grundprobleme der Gesellschaftswirtschaft
7
§ 2.
Bevölkerung und Boden 1. Bevölkerung und Wirtschaft — 2. Größe, Entwicklung und Zusammensetzung der Bevölkerung — 3. TragfShigkeit des Bodens, Bevölkerungsgesetz von Malthus
14
§ 3.
Technik 1 Technische Entwicklung — 2. Technik und Wirtschaft
24
§ 4.
Arbeitsteilung . . . 1. Spezialisierung und Integrierung — 2. Arbeitsteilung und Tauschwirtschaft — 3. Formen der Arbeitsteilung und -Vereinigung — 4. Produktion
28
Kap. II. Ordnungsformen der Gesellschattswlrtschaft §
1.
Wirtschaftsordnungen 1. Historische Typen — 2. Wirtschaftsnormen — 3. Grundtypen der Wirtschaftsordnungen — 4. Reale Wirtschaftsordnungen
33
§ 2.
D i e verkehrswirtschaftliche Ordnung 1. Die Normen der Verkehrswirtscbaft — 2. Eigentum und Vertrag — 3. W e t t b e w e r b
40
§ 3.
Gelenkte Marktwirtschaft und Zwangswirtschaft . 1. Planung und Zwang — 2. Gelenkte Marktwirtschaft — 3. Zwangswirtschaft
45
Kap. III. Sozialprodukt und Volkseinkommen §
1.
§ 2.
Begriffe 1. Sozialprodukt kommen
—
2.
Netto-Sozialprodukt
E n t w i c k l u n g des S o z i a l p r o d u k t s 1. Sozialprodukt und Volkswohlstand Entwicklung
—
2.
und
Volksein-
Geschichtliche
49
54
4
Inhaltsverzeichnis Seite
§ 3.
Einkommensarten und Einkommensverteilung 1. Einkommensarten — 2. Einkommensverteilung — 3. Einkommensausgleich
57
§
Volksvermögen 1. Begriff — 2. Reales Vermögen und Forderungsredxte
62
4.
Kap. IV. Wirtsdiaftskreislauf und Volkseinkommen § 1.
D e r Wirtschaftskreislauf 1. Einfaches Kreislaufschema — 2. Die Geschlossenheit des Kreislaufs — 3. Produktive Leistungen und Hinkommensbildung — 4. Die Verwendung der produktiven Leistungen
65
§ 2.
E r w e i t e r u n g des K r e i s l a u f s c h e m a s 1. Investieren und Sparen im Wirtschaftskreislauf — 2. Staatliche Aktivität — 3. Außenhandel und Sozialprodukt
73
§ 3.
Gleichungen der E i n k o m m e n s b i l d u n g u n d -Verwendung 1. Grundgleichungen — 2. Die Gleichheit von I und S — 3. Staatliche Aktivität und Außenhandel in den Einkommens-, gleidiungen
76
§ 4.
Nationale Buchführung 1 Begriff und Bedeutung — 2. Durchführung der Rechnungslegung
83
§ 5.
Input-Output-Analyse 1 Begriff — 2 Tabellarische und formale Darstellung — 3. Spezielle Annahmen der Input-Output-Analyse — 4. Wirtschaftspolitische Bedeutung der Analyse
91
Kap. V. Kreislauf und Preisbildung § I.
D i e B e s t i m m u n g der K r e i s l a u f g r ö ß e n . 1 Beziehungen zwischen Wirtschaftsgrößen — 2, Der Gleidigewiditsbegriff — 3, Gleichgewichtszustand und Tendenz zum Gleichgewicht — 4. Die Probleme der Steuerung des Kreislaufs
95
§ 2.
V e r k e h r s w i r t s c h a f t und M ä r k t e . . 103 I. Die verkehrswirtsdiaftlidie Steuerung — 2. Geldverwendung und Marktwirtschaft — 3. Produktion und Verbrauch — 4. Preisbildung und Einkommensbestimmung
§ 3.
Prinzipien der Preisbildung 1. Preis und Preisbildung — 2 Nachfragefunktion und Angebotsfunktion — 3. Die Bestimmung des Gleichgewichtspreises — 4. Geometrische Darstellung — 5. Bedingungen für das Vorliegen eines Gleidigewichtspreises — 6. Betsimmtheit des Preises
108
Inhaltsverzeichnis
5 Seit«
§ 4. Das Gleichgewicht des Kreislaufs
118
1. Preisrelationen und Preisniveau — 2. Das Gleichgewicht der Preisrelationen — 3. Stärke des Kreislauf stromes — 4. Die Gleichgewichtsbedingungen — 5. Das Gleichgewicht zwischen realem und monetärem Kreislauf
Kap. VI. Bedürfnisse, Güter, Nutzen § 1. Bedürfnisse und Güter
127
1. Bedürfnisse — 2. Güter — 3. Einteilungen der GQter
§ 2. Wirtschaftliches Verhalten
131
1. Die wirtschaftlichen Entsdieidungseinheifen — 2. Wirtsdiaftspläne — 3. Rationalität und wirtschaftliches Prinzip — 4. Die wirtschaftlichen Wahlhandlungen
§ 3. Wert
.139
1. Wertbegriff — 2. Objektivistische und (Nutzwert-) Theorie
subjektivistisdie
§ 4. Nutzen
143
1. Nutzen und wirtschaftliches Prinzip — 2. Erstes Gossen'sches Gesetz (Sättigungsgesetz) — 3. Das Theorem des abnehmenden Grenznutzens
§ 5. Der Grenznutzenausgleich
146
1 Zweites Gossen'sches Gesetz (Genußausgleichsgesetz) — 2. Grenznutzen und Bildung der Tauschrate — 3. Güterpreise und Grenznutzenausgleich — 4. Grenznutzen substitutiver und komplementärer Güter
Literaturhinweise
152
Sachregister
157
...
Kap. I. Grundlegung § 1. Wirtschaft 1. B e g r i f f „Wirtschaft" ist die Gesamtheit der Einrichtungen und Verfahren, mit denen Menschen Mittel („Güter") f ü r erstrebte Zwecke („Befriedigung von Bedürfnissen") beschaffen und verwenden. I m Unterschied zu ähnlichen Erscheinungen in der Tierwelt ist das Wirtschaften der Menschen: 1. nicht triebhaft, sondern bewußt, d . h . zwischen verschiedenen möglichen Verhaltensweisen wird mit dem Ziel der E r reichung des höchstmöglichen Erfolges gewählt; 2. in Mitteln und Zwecken nicht durch unveränderliche natürliche Gegebenheiten begrenzt, sondern auf ständige Ausweitung bedacht, d. h., mit besserer Ausnutzung vorhandener und Gewinnung neuer Mittel wird die bessere Befriedigung gegebener und zusätzlicher Bedürfnisse erstrebt; 3. in planender Vor-Sorge in die Z u k u n f t hinein gerichtet; 4. Dauereinrichtungen (Produktionsanlagen etc.) schaffend, um erkannte Wirkungszusammenhänge den gesetzten Zwecken nutzbar zu machen.
2. A u f w a n d u n d E r t r a g Gewirtschaftet wird mit Mitteln, die im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Zwecken „knapp" sind, so daß ihr Einsatz für bestimmte Zwecke den Verzicht auf ihre Verwendung f ü r andere Zwecke bedingt. Die „Kosten" eines durch bestimmte Mittelverwendung erreichten Nutzens sind daher „entgangener N u t z e n " der unterbliebenen Verwendung der Mittel für andere Zwecke. G r u n d prinzip alles Wirtschaftens ist der ständige Vergleich zwischen Nutzen- (Erfolgs-) Größen bei verschiedenen möglichen Arten der Mittel Verwendung; Ziel dieser W a h l h a n d -
8
Grundlegung
lungen ist die M a x i m i e r u n g der positiven D i f f e r e n z z w i schen E r f o l g (erreichtem N u t z e n , E r t r a g ) u n d O p f e r (entgangenem N u t z e n , A u f w a n d ) . D i e g r u n d l e g e n d e n Axiome, aus denen die W i r t s c h a f t s theorie entwickelt w i r d , sind d e m n a c h : 1. D i e M i t t e l z u r B e f r i e d i g u n g der Bedürfnisse sind knapp; 2. die v o m Einsatz der Mittel abhängigen Zwecke sind nach ihrer unterschiedlichen Dringlichkeit bewertet, b z w . gewichtet. 3. D e r W i r t s c h a f t s e r f o l g ist abhängig v o n der Verteil u n g d e r k n a p p e n M i t t e l auf die b e w e r t e t e n Zwecke so, d a ß durch ihre V e r w e n d u n g die . W o h l f a h r t ' als Ausdruck der befriedigten Bedürfnisse m a x i m i e r t w i r d . 4. D a z u müssen die n o t w e n d i g ungedeckt bleibenden Bedürfnisse geringer b e w e r t e t sein als die durch die M i t t e l verwendung befriedigten. a) Die wählende Entsdieidung über die Mittelverwendung setzt voraus, daß die Mittel transferabel sind, d. h. für unterschiedliche Zwecke tauglich. Das ist durchweg der Fall, denn die für bestimmte Zwecke geeigneten Mittel („spezifische Güter") sind Erzeugnisse („Produkte") von Mitteln („Produktionsmitteln"), welche ihrerseits transferabel sind, letzten Endes von Arbeit und Bodenleistungen. Die Knappheit der Produkte ist zurückzuführen auf die Knappheit der Produktionsmittel; daher bezieht sich das Wirtschaften primär auf Verwendung der Produktionsmittel für die verschiedenen möglichen Zwecke. b) Vom Grad der Teilbarkeit der Mittel hängt ab, wie ihr Einsatz für einen bestimmten Zweck quantitativ (mengenmäßig) verändert werden kann. Bei ausreichender Teilbarkeit wird der Gesamterfolg erhöht, wenn der Nutzenentgang durch verringerte Einsatzmenge in einer Verwendung mehr als ausgeglichen wird durch den Nutzenzuwachs bei Einsatz dieser Menge in anderer Verwendung. c) Hieraus folgt das Prinzip des Ausgleichs der „Grenzerträge": quantitative Veränderungen des Mitteleinsatzes in den verschiedenen Verwendungsweisen erhöhen den Gesamterfolg, solang« der „entgangene Nutzen" (Nutzeneinbuße an einer
Wirtschaft
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Stelle durch Entzug einer Einheit eines Mittels) kleiner ist als der Nutzenzuwachs (Grenzertrag), den diese Einheit in anderer Verwendungsweise herbeiführt. Optimaler Mitteleinsatz ist daher erreicht, wenn der Grenzertrag jedes Produktionsmittels in jeder Verwendungsweise gleich ist, so daß keine den Erfolg erhöhenden Umsetzungen mehr möglich sind. d) Zu diesen Entscheidungen gehört audi der Zeitpunkt der Verwendung solcher Güter, die „dauerhaft" (zeitlich transferabel) sind. Bestandsminderungen und Abnutzungen durch gegenwärtige Verwendung geschehen „auf Kosten" späterer Verwendung. Daher sind solche Abnutzungen etc. zu den Kosten der gegenwärtigen Produktion zu redinen. e) Alle Veränderungen der Zwecke (Bedürfnisse) nach A r t und relativer Dringlichkeit und alle Veränderungen der Mittel nadi Art, Menge und Technik ihrer Erzeugung und Verwendung verändern die Bedingungen für die durch „Wirtschaften" erstrebte Maximierung des Verwendungsnutzens.
Wie alle Lebewesen braucht der Mensch zur bloßen Lebenshaltung ein Mindestmaß an Nahrung, Bekleidung, Behausung. Kann er durch sein Wirtschaften nur gerade diesen unabweisbaren Bedarf versorgen, so fehlt ihm die eigentliche Freiheit der wirtschaftlichen Entscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten. Erst ein Uberschuß setzt Aktivitäten frei und ermöglicht die Entfaltung aller Werte der Zivilisation. So könnte man formulieren, daß sich das Wirtschaften auf die Beschaffung und Verwendung eines Uberschusses über das hinaus bezieht, was der Mensch als bloßes Naturwesen notwendig braucht. D a das Wirtschaften ein Verfahren mit Mitteln zu Zwecken ist, kann es keine „autonomen" Zwecke des Wirtschaf tens geben: es gibt keine „Postulate" des Wirtschaftens, die im Range von „Selbstzwecken" stehen. Die Bedeutung der Wirtschaft liegt in ihrem Beitrag zu den letzten Werten des menschlichen Daseins, die durch Weltanschauung, Religion, kulturelle Uberzeugung usw. bestimmt sind. Der Erfolg des Wirtschaf tens ist nicht durch Wirtsdiaftsgrößen allein auszudrücken, sondern in den
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Grundlegung
Gestaltungen des Daseins der Menschen und ihrer Gesellschaften, im Beitrag der Wirtschaft zu sinnhafter Fülle und Schönheit des Lebens, sozialer Gerechtigkeit und sozialem Frieden. 3. A u t o n o m e s u n d g e s e l l s c h a f t l i c h e s Wirtschaften Ein autonom wirtschaftender Mensch („Robinson-Wirtschaft") ist abhängig von der Kargheit der Natur, den Grenzen seiner Arbeitsfähigkeit und seinem technischen Können. Sein wählendes Entscheiden zwischen Aufwand und Erfolg betrifft Menge und Art des Arbeitsaufwandes, damit der produzierten Güter, und Art und Zeit der Verwendung der Produkte {z. B. Vorratsbildung). Eine Robinson-Wirtschaft ist eine Fiktion, weil der Mensch von Natur aus in gesellschaftlichen Verbänden lebt und auch bei nachträglicher Isolierung über geistige und sachliche Ausstattungen verfügt, die in der gesellschaftlichen Lebensweise erworben sind.
Im gesellschaftlichen Wirtschaften vollzieht sich das Wirtschaften im Verhältnis Mensch zu Natur und Mensch zu Mensch, letzteres in Formen wie Kooperation, Tausch, Wettbewerb etc. Hieraus bildet sich ein Gefüge von Erscheinungen und Beziehungen, die dem einzelnen gegenübertreten, die er durch sein Wirtschaften mit gestaltet, an denen er aber auch sein Wirtschaften ausrichten kann und muß. „Wirtschaft" in diesem Sinne sind die Ausformungen des Sachverhalts, der die Menschen zum Wirtschaften zwingt, im gesellschaftlich-sozialen Raum. Zu den von der Natur gesetzten kommen die von Menschen geschaffenen ,Begrenzungen" (engl, constraints) des Wirt • schaftens hinzu. a) Als gesellschaftliche Erscheinung ist Wirtschaft eine Bildung des „objektiven Geistes", der „in das Reich des Gegenständlichen hineingebaut (ist) als ein Transsubjektives, das nur aus der historischen Wechselwirkung und Summierung des Verhaltens zahlloser Subj'ekte begriffen werden kann . . . Er steht
Wirtschaft
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nun aber dem Individuum gegenüber und ist mindestens in diesem Sinne etwas Objektives, daß er vom Ich in hohem Grade unabhängig, daß er ein auf das Einzelsubjekt zurückwirkendes Nicht-Ich ist." (E. Spranger, Lebensformen. 8. Aufl. Tübingen 1950, S. 16.) b) Die Bildungen des gesellschaftlichen Wirtschaftens (Formen der Arbeitsteilung und -Vereinigung, Tausch, Preis, Geld etc.) sind der eigentliche Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften. Ihr besonderes Erkenntnisziel ist die Darstellung und Erklärung dieser Erscheinungen als Bedingung f ü r und Bedingtsein durch das wirtschaftliche Verhalten der Wirtschaftssubjekte. c) Die wirtschaftliche Grundbeziehung des Aufwand-ErfolgVergleichs ist daher an gesellschaftlichen Größen (Tiuschwerten, Preisen etc.) orientiert, an denen das Wirtschaftssubjekt seine eigenen Bewertungen ausrichtet (Bildung eines Bezugssystems f ü r die individuellen wirtschaftlichen Entscheidungen).
—
4. E i n z e l w i r t s c h a f t Volkswirtschaft — Weltwirtschaft
Im gesellschaftlichen R a u m ist eine E i n z e l w i r t s c h a f t nicht autonom, sondern Glied der Gesellschaftswirtschaft, da ihr wirtschaftliches Verhalten durch die Beziehungen zur Gesellschaft und z u anderen Einzelwirtschaften bestimmt wird. D a s Wirtschaften einer „ Wirtschaftsgesellschaf t" ( w i e Familie, Stamm, Volk, N a t i o n etc.) wird durdi U m w e l t bedingungen (Landschaft, Klima, Verhältnis zu anderen Gesellschaften etc.), Stand der Technik, N o r m e n und I n stitutionen des Wirtschaftens zu einer G e s e l l s c h a f t s w i r t s c h a f t bestimmter Prägung und Dauerhaftigkeit. 1. Normen sind Regulative für das wirtschaftliche Verhalten, deren Geltung durch Recht, Religion, Sitte etc. gesichert wird. Die Zusammenfassung der Normen stellt die Wirtschaftsordnung dar. (Vgl. unten) 2. Institutionen sind regulierte Dauereinrichtungen wie das Geldwesen, Organe der Wirtschaftsverwaltung, Korporationen etc.
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Grundlegung
V o l k s w i r t s c h a f tisf eines Staatsvolkes, die in ihrer lung durdi die Einheitlichkeit Volkstum, geschichtliches Erbe, Werte und Ziele geprägt wird.
die Gesellschaftswirtschaft Bildung und Fortentwickder Rechtsordnung, durch Tradition und gemeinsame
Volkswirtschaft als Gegenstand der Volkswirtschaftslehre besteht aus den einer größeren oder kleineren G r u p p e einzelner „Volkswirtschaften" gemeinsamen Zügen. Diese können allen Formen der Wirtschaft, nur heutigen Volkswirtschaften oder — noch weiter eingeengt — nur verkehrswirtschaftlich geordneten Volkswirtschaften etc. gemeinsam sein.
Die die Grenzen eines Staates übergreifenden wirtschaftlichen Beziehungen weisen durch ungleiches Recht, unterschiedliche Institutionen und Normen, sowie durch staatlich gesetzte gesamtwirtschaftliche und politische Ziele besondere Züge auf, so daß ihr Gesamtkomplex als W e l t w i r t s c h a f t den Volkswirtschaften gegenübergestellt werden kann. D a s theoretische Modell einer Volkswirtschaft ohne w e l t w i r t schaftliche Beziehungen wird als „geschlossene Wirtschaft" bezeichnet, der Gegensatz als eine „offene Wirtschaft".
5. W i r t s c h a f t s s t r u k t u r Soll der Begriff „Wirtschaftsstruktur" im Unterschied zu „Wirtschaftsordnung" Verwendung finden, so handelt es sich um die Bedingtheit des volkswirtschaftlichen Zusammenhanges durch die „strukturbestimmenden Faktoren", das sind jene Bauelemente des Systems, die als Gegebenheiten den eigentlich ökonomischen Regulierungen und Entscheidungen vorgegeben sind, ihnen Möglichkeiten eröffnen, aber auch Grenzen setzen. Als strukturbestimmende Faktoren können bezeichnet werden: 1. „Volk", nämlich Zahl, Dichte und Verteilung der Bevölkerung, Bevölkerungsbewegung; 2. „Raum" als Begriff, der alle Naturgegebenheiten u m f a ß t , welche ökonomisch belangvoll sind, wie geogra-
•Wirtschaft
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phische Lage, natürliche Verkehrswege, Klima, Qualität des Bodens, Vorkommen von Bodenschätzen etc.; 3. „Wirtschaftsgesinnung", d. h. alle geistigen Elemente wie Wertungen, Zwecksetzungen, ethische Tendenzen, religiöse Einflüsse, die bei den wirtschaftenden Menschen Geltung haben; 4. „Wissenschaft und Technik" als Ausmaß des menschlichen Wissens und Könnens in bezug auf die Beherrschung und nutzbare Anwendung von Naturkräften, aber auch der Gestaltungen des Gesellschaftslebens; 5. „Staat" als Inbegriff aller Formen der rechtlichen und politischen Gestaltung des Volkes. Die Struktur unterliegt dem Prozeß des geschichtlichen Werdens und ist (in Grenzen) auch der planmäßigen Gestaltung zugänglich. 6. G r u n d p r o b l e m e d e r G e s e l l s c h a f t s wirtschaft Die Wirtschaftswissenschaft will die Erscheinungen des gesellschaftlichen Wirtschaftens feststellen, geordnet beschreiben und erklären; sie will damit auch Möglichkeiten der Einflußnahme auf Art und Erfolg des Wirtschaftens aufweisen. Grundprobleme sind: 1. Die Höhe des Sozialprodukts als Maßgröße für das Ergebnis der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Volkswirtschaft, das in seiner Verwendung für Verbrauch und Vermögensbildung die wirtschaftliche Wohlfahrt gegenwärtig und künftig entscheidend bestimmt. 2. Die Art der Erstellung des Sozialprodukts durch den Vollzug des Wirtschaftens, dabei in Beurteilung des Erfolges im Verhältnis zum Mitteleinsatz (Ergiebigkeit der Mittelverwendung). 3. Die Zusammensetzung des Sozialprodukts nach Güterarten, erklärt durch die Verteilung der Produktionsmittel auf die verschiedenen Zwecke unter Berücksichtigung der Dringlichkeit des Bedarfs an den verschiedenen Gütern und Diensten. 4. Die Verteilung der Produkte an die Glieder der Gesellschaft als Einkommen, ihre Erklärung und ihre Beurteilung
Grundlegung
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nadi wirtschaftlichen Bedingungen und Folgen, sowie nach sozialen und ethischen („normativen") Gesichtspunkten („soziale Gerechtigkeit"). 5. Die wirtschaftliche Entwicklung als Veränderung des P r o duktionspotentials und des Sozialprodukts nach Richtung ( E x pansion oder Kontraktion), Stärke und Gleichmäßigkeit (Stabilität).
§ 2. Bevölkerung und Boden 1. B e v ö l k e r u n g u n d W i r t s c h a f t Ist B die Bevölkerung eines Landes, Y das Gesamteinkommen als Ergebnis der wirtsfhaftlidien Tätigkeit in einem Jahr, werden die Veränderungsgrößen mit AB und z)Y ausgedrückt, so sind die Veränderungsraten — B
• 100 bzw.
Wächst etwa die Bevölkerung von 50 Mill. um 1 Mill. auf 51 Mill., das Einkommen von 200 Mrd. um 20 auf 220 Mrd., so sind die Wachstumraten 2°/o bzw. 10°/o.
J e nachdem, ob die Wachstumsrate des Gesamteinkommens größer, gleich oder kleiner als die der Bevölkerung ist
> ist das Durchschnittseinkommen pro
Kopf der Bevölkerung — eine der wichtigsten Meßziffern für die wirtschaftliche Entwicklung — gestiegen, gleichgeblieben bzw. gesunken. Die Erklärung für die Höhe und Veränderung des Gesamteinkommens ist Aufgabe der Wirtschaftswissenschaft. Die Beziehung zur Bevölkerung ist zweiseitig: jedes Glied der Bevölkerung ist als ,Verbraucher' an der Verwendung des Gesamteinkommens beteiligt, ein Teil der Bevölkerung als ,Arbeiter' (,Produzent') an der Erstellung des Sozialprodukts. Daher muß jeder Produzent über seinen eigenen Verbrauchsbedarf hinaus noch einen Beitrag zum Verbrauch der Nicht-Produzenten erstellen. Die Höhe des Durch-
Bevölkerung und Boden
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schnittseinkommens p r o K o p f der Bevölkerung hängt also ab von der Menge und Ergiebigkeit der geleisteten Arbeit. Es sei A die Zahl der Arbeiter, H die Gesamtzahl der im J a h r geleisteten Arbeitsstunden. Dann gilt: Y _ B ~
Y H A H ' A ' B
Der Ausdruck der linken Seite ist das durchschnittliche Einkommen pro K o p f ; die Quotienten der rediten Seite zeigen, daß diese Größe umso höher ist, je größer die ,Ergiebigkeit' der geleisteten Arbeitsstunde, je größer die Zahl der im Durchschnitt von jedem Arbeiter geleisteten Stundenzahl und je größer der Anteil der arbeitenden an der Gesamtbevölkerung. Während man die ,arbeitsfähige Bevölkerung' etwa als Altersgruppe vom 15.—65. Lebensjahr annehmen kann, ist Zahl der tatsächlich am Produktionsprozeß Beteiligten und im Durchschnitt erbrachte Arbeitsmenge, gemessen an Arbeitszeit, von vielen gesellschaftlichen und individuellen stimmungsgründen abhängig.
die die die der Be-
In dieser Gleichung ist der wichtigste Quotient unerklärt, nämlich die . P r o d u k t i v i t ä t ' der durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunde
Y
Ersichtlich k a n n eine A b n a h m e
des Anteils der arbeitenden an der Gesamtbevölkerung (durch Ausdehnung der Schulung, Herabsetzung des P e n sionsalters, Freistellung v o n H a u s f r a u e n v o n der B e r u f s arbeit) wie eine V e r k ü r z u n g der Arbeitszeit (Übergang zur Sechsunddreißig-Stunden-Woche etc.) durch entsprechend erhöhte P r o d u k t i v i t ä t ' der Arbeitsleistung ausgeglichen und überboten werden. Diese P r o d u k t i v i t ä t aber und ihr Zuwachs wird wesentlich von der Ausstattung der Arbeit mit sachlichen Produktionsmitteln abhängen, n ä m lich von ,Boden' und . K a p i t a l ' . Audi das kann formalisiert werden. Es sei K eine Meßziffer für den gesamten Bestand an sachlichen Produktionsmitteln aller Art. Dann gilt: Y _
K. . Y
A ~
A ' K
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Grundlegung
Der Ausdruck der linken Seite, die Durchschnittsproduktivität je Arbeiter, ist abhängig von der durchschnittlichen Ausstattung des Arbeiters mit sachlichen Produktionsmitteln einerseits, der .Ergiebigkeit' (.Produktivität') der sachlichen Produktionsmittel (etwa der Fruchtbarkeit des Bodens, der technischen Leistungsfähigkeit der Maschinen etc.) andererseits. Auch w e n n die erbrachte ,Arbeitsmenge' in gleicher R a t e wächst wie die Gesamtbevölkerung, wird die Ergiebigkeit der Arbeit abnehmen, wenn die zusätzliche Arbeit nicht auch mit zusätzlichen sachlichen Produktionsmitteln ausgestattet wird. Daher ist die Erhöhung des Durchschnittseinkommens wesentlich d a v o n abhängig, d a ß durch immer größere u n d namentlich qualitativ verbesserte Ausstattung der Arbeit eine Erhöhung der P r o d u k t i v i t ä t erfolgt. Hieraus w u r d e eine besondere Problematik f ü r die Beziehung zwischen Boden und Bevölkerung abgeleitet. D e n n während die als .Kapital' bezeichneten sachlichen P r o d u k tionsmittel selbst produziert sind, u n d . daher auch durch Produktion vermehrt und verbessert werden können, versteht man unter Boden die Ausstattung der Gesellschaft mit dem, was die N a t u r selbst in gegebener Menge und A r t zur V e r f ü g u n g stellt, also nicht nur die Bodenfläche, sondern auch Bodenfruchtbarkeit, Klima, V o r k o m m e n an Bodenschätzen etc. D a nun insbesondere die lebenswichtigen Versorgungsgüter, namentlich der Ernährung, ,Bodenp r o d u k t e ' sind, k a n n theoretisch der Zuwachs an P r o d u k tion und damit an zu versorgender Menschenzahl an der nicht zu beseitigenden absoluten Bodenknappheit seine Grenze finden. Das ist mit dem Begriff der .Tragfähigkeit des Boden' bzw. einem optimalen Verhältnis der Menschenzahl zur verfügbaren Bodenfläche gemeint. Nach den E r f a h r u n g e n der hoch entwickelten W i r t schaften besonders des .Westens' h a t sich gezeigt, d a ß die Grenze der .Bodenknappheit' ständig hinausgeschoben werden konnte, und z w a r durch vermehrten und verbesserten Einsatz der produzierten sachlichen Produktionsmittel, des .Kapitals'. In den sog. .Entwicklungsländern' dagegen, in
Bevölkerung und Boden
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d e n e n die A g r a r w i r t s c h a f t vorherrscht u n d diese in ihrer Ergiebigkeit durch M a n g e l an K a p i t a l stark v o n der A r t u n d M e n g e des Bodens abhängt, in denen zugleich vielfach eine h o h e Wachstumsrate der B e v ö l k e r u n g vorliegt, ist es sehr sdiwer, das Durchschnittseinkommen pro K o p f nachhaltig u n d wesentlich z u erhöhen. D i e Ergiebigkeit der W i r t s c h a f t reicht nur k n a p p aus, d e n lebenswichtigen l a u f e n d e n Versorgungsbedarf zu decken. Eine Wirtschaft, die mangels K a p i t a l s u n d Bodens unergiebig arbeitet, h a t es u m s o schwerer, e i n e n Teil der P r o d u k t i o n s k a p a z i t ä t zur K a p i t a l b i l d u n g , also zur E r h ö h u n g der K a p a z i t ä t z u v e r w e n d e n . Denn f ü r die Kapitalbildung steht nur der Teil des Gesamteinkommens zur Verfügung, der nicht f ü r die Abdeckung des laufenden Versorgungsbedarfs der Bevölkerung benötigt wird. Angenommen, es sei der Verbrauch pro Kopf (nicht: Einkommen pro K o p f ) V, so d a ß der Gesamtverbrauch V - B = C ist, so bedeutet Y != C, d a ß vom Sozialprodukt nichts f ü r die Bildung von Kapital verwendet worden ist. In den später zu behandelnden Einkommensgleichungen wird formalisiert werden, wie sich das Einkommen auf Verbrauch C und Investieren als K a p i t a l bildung verteilt, also nach einer Gleichung Y = C + I, bzw. Y = V - B + I. D a nun Y nach der vorherigen Beziehung von der P r o d u k t i v i t ä t der Arbeit abhängt und keineswegs n u r von der Zahl der Arbeit, die Produktivität wieder von der K a p i t a l ausstattung, k a n n eine bereits reichlich mit Kapital ausgestattete Volkswirtschaft umso leichter zusätzliches Kapital durch Investierung produzieren. Y Wenn die oben behandelte Beziehung — als die durchschnittliche P r o d u k t i v i t ä t eines .Arbeiters' mit P bezeichnet wird, gilt: Y = P - A . Das eingesetzt: P - A = V - B + I. Das ist die sog. ökonomisch-demographische Grundgleichung, der Ausdruck der Abhängigkeit des Verbrauchs pro K o p f , der Bevölkerungszahl und der Kapitalbildung von Menge und Produktivität der Arbeit. 2
Paulsen, AUg. Volkswirtschaftslehre I
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Grundlegung
2. G r ö ß e , E n t w i c k l u n g u n d Zusammensetzung der B e v ö l k e r u n g Die Entwicklung in den letzten Jahrhunderten zeigt einen historisch einmaligen Zusammenhang außerordentlichen Wachstums der Bevölkerung mit außerordentlicher Erhöhung der wirtschaftlichen Produktivität. Bei verringerter Arbeitslast kommt auf die Einheit der zu versorgenden Zahl der Menschen ein quantitativ vergrößertes und qualitativ verbessertes Gütervolumen. Nach Berechnungen der United Nations, Population Brandl (The Future Growth of World Population. N e w York 1958) wird für das Jahr 1980 eine Weltbevölkerung zwischen 3,85 und 4,28 Mrd. Menschen und für das Ende des Jahrhunderts von 6 bis 7 Mrd. Menschen zu erwarten sein, gegenüber etwa 2,5 Mrd. Menschen im Jahre 1950.
Die Wachstumsrate ist im Weltdurchschnitt gegenwärtig etwa 1,6 °/o im Jahr, am höchsten in Mittelamerika, Ägypten, Ceylon mit über 2,5 Vo, am tiefsten in N o r d u n d Westeuropa mit etwa 0,6 °/o. Unsere Zeit ist daher charakterisiert durch eine „Bevölkerungsexplosion"; man hat geschätzt, daß von der Gesamtzahl der Menschen, die seit dem Beginn der Geschichte gelebt haben, ein Zehntel gegenwärtig lebt. D e r natürliche Zuwachs ergibt sich aus der Differenz zwischen Zahl der Geburten u n d Zahl der Sterbefälle. Sinkende Zahl der Sterbefälle (bzw. Verlängerung der durchschnittlichen Lebenserwartung) bei zunächst gleichbleibender, dann sinkender Geburtenziffer charakterisierte die bisherige Entwicklung: auf steilen Anstieg der Bevölkerung folgte Abflachen der Anstiegskurve und Tendenz zu stagnierender Bevölkerung. Ein Schluß auf die künftige Entwicklung ist daraus nur mit Vorsicht zu ziehen.
B e v ö l k e r u n g und
Boden
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a) B e v ö l k e r u n g s b e w e g u n g in Deutschland (Bis 1941 Reichsgebiet, jeweiliger Gebietsstand, a b 1951 Bundesgebiet einschl. S a a r l a n d ) Jahr 1871 1881 1891 1901 1911 1921 1931 1941 1951 1961
A u f 1000 Einwohner kamen Geborene GeburtenGestorbene ohne Totgeborene überschuß 34,5 37,0 37,0 35,7 28,6 25,3 16,0 18,6 16,0 18,3
29,6 25,5 23,4 20,7 17,3 13,9 11,2 12,0 10,7 11,0
4,9 11,6 13,6 15,1 11,6 11,4 4,8 6,6 5,4 7,4
Q u e l l e : Statistisches Jahrbuch f ü r die Bundesrepublik Deutschland. 1858, S. 47, 1963, S . 51. D i e Verteiluilg der B e v ö l k e r u n g nach Altersklassen v e r ä n d e r t sich m i t d e r G e b u r t e n z a h l u n d d u r c h s c h n i t t lichen L e b e n s d a u e r . Sie k o m m t z u r D a r s t e l l u n g in d e n s o g . A l t e r s p y r a m i d e n , in d e n e n d i e Z a h l d e r a n e i n e m gegebenen Zeitpunkt zu jeder Altersgruppe gehörenden L e b e n d e n in d e r L ä n g e j e eines R e c h t e c k s d a r g e s t e l l t wird, getrennt nach männlichen u n d weiblichen Personen. D i e jüngsten J a h r g ä n g e bilden die Basis, die ältesten die S p i t z e der P y r a m i d e , die durch A u f e i n a n d e r l e g e n dieser R e c h t e c k e e n t s t e h t , (s. A b b . 1) a) „ N a c h der Gestalt der A l t e r s p y r a m i d e lassen sich die einzelnen L ä n d e r am besten in drei G r u p p e n einteilen: a a ) L ä n d e r mit hoher Fruditbarkeits- und Sterberate, die also eine flache B e v ö l k e r u n g s p y r a m i d e aufzuweisen haben. — Z u ihnen gehören die L ä n d e r A f r i k a s und Asiens, sowie einige L ä n d e r Mittel- und S ü d a m e r i k a s , bb) L ä n d e r mit hoher Fruchtbarkeits- und mäßiger b z w . niedriger Sterberate, derfen B e v ö l k e r u n g s p y r a m i d e bei breiter Basis höher aufstrebt als im F a l l e aa). — Diese 2»
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Grundlegung
Bedingungen treffen bei vielen L ä n d e r n M i t t e l - u n d S ü d amerikas und bei einigen Völkern Asiens und A f r i k a s zu. cc) L ä n d e r mit niedriger Fruchtbarkeits- u n d S t e r b e r a t e : E u r o p a und N o r d a m e r i k a , ferner Australien, J a p a n und Argentinien. — In diesen L ä n d e r n ist der Anteil der K i n d e r an d e r G e s a m t b e v ö l k e r u n g relativ klein, derjeniA/tersaufbau der Bevölkerung des Bundesgebietes am 31. Dezember 1359. AHersjohre
Männer Frauenüberschuß
irteimsfall ^Tb&d.imkriegs
(Bundesgebiet ohne Berlin)
Abb. I. Altersaufbau der Bevölkerung Q u e l l e : Wirtschaft u n d Statistik, 1961, S. 225
Bevölkerung und Boden
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gen der alten Leute dagegen relativ groß. D i e Bevölkerungspyramide ist deswegen ziemlich steil und bringt die bestehende Überalterung zum Ausdruck." ( R . Wagenführ, D i e Welt in Zahlen (Ullstein-Bücher) 1959, S. 21.1 b) Hinsichtlich der Geschlechter besteht ein Uberschuß an K n a b e n g e b u r t e n von e t w a 106 zu 100, der aber durch geringere Sterblichkeit der Mädchen rasch ausgeglichen w i r d , so d a ß in den höheren Altersklassen d a s weibliche Geschlecht stärker vertreten ist und sich als G e s a m t z a h l ein Frauenüberschuß ergibt. Bei einer G e s a m t b e v ö l k e r u n g von 53,8 Mill. Einwohnern der Bundesrepublik a m 31. 12. 1960 waren männlich 25,4 Mill., weiblich 28,4 Mill., d a s Verhältnis also e t w a 100 : 112. 3. T r a g f ä h i g k e i t d e s B o d e n s , B e v ö l k e r u n g s g e s e t z von M a l t h u s Ist eine M e n s c h e n g r u p p e in ihrem W i r t s c h a f t e n auf e i n e b e g r e n z t e B o d e n f l ä d i e a n g e w i e s e n , s o e r g i b t sich d a s P r o b l e m der T r a g f ä h i g k e i t des B o d e n s durch die R e l a tion v e r ä n d e r t e r Menschenzahl z u r E r g i e b i g k e i t d e r gegebenen Fläche bei v e r ä n d e r t e m G r a d der Bearbeitung d e r F l ä d i e . — „ E r n ä h r u n g s k a p a z i t ä t e i n e s R a u m e s ist d i e F ä h i g k e i t eines b e s t i m m t e n R a u m e s , bei A n w e n d u n g einer bestimmten Technik der N a h r u n g s p r o d u k t i o n eine bes t i m m t e Menschenmenge zu ernähren" (Fritz B a a d e ) . a) Zwischen U n t g r b e v ö l k e r u n g , bei der die P r o d u k t i o n s k r a f t des Bodens nicht voll erschlossen werden k a n n , und O b e r bevölkerung, bei der der B o d e n e r t r a g durch M e h f a r b e i t nicht mehr p r o p o r t i o n a l zum größeren B e d a r f erhöht werden k a n n , liegt bei gegebenere S t a n d der Technik eine Zone' des O p t i m u m s mit höchstem B o d e n e r t r a g je Einheit der v o m Boden abhängigen Menschenzahl ( b z w . der d e m B o d e n zugeführten Arbeitsmenge). Im Weltdprchschnitt ist die Bevölkerungsdichte etwa 20 Bewohner je q k m , der Mittelwert für E u r o p a ist 77 Bewohner je q k m (ohne Sowjetunion), dagegen haben Australien und K a n a d a Durchschnittswerte von 2 Bewohnern je q k m . b) Historisch ist die T r a g f ä h i g k e i t des Bodens ständig, in den letzten J a h r h u n d e r t e n stürmisch, erhöht worden durch 1. technische und agrikulturchemische Fortschritte im L a n d b a u , der S c h ä d l i n g s b e k ä m p f u n g , Saatgutzucht u.a.,
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Grundlegung 2. Freistellung von Bodenleistung durch Substitution industrieller P r o d u k t e (Verwendung von Kohle, Stahl, Beton etc., statt H o l z als Brennstoff und Baumaterial, von Traktoren statt tierischer Z u g k r a f t , von künstlichen statt natürlichen Düngemitteln etc.), 3. wirtschaftliche und technische Erschließung l a n d w i r t schaftlicher Uberschußgebiete zur Versorgung der I n d u striegebiete, Kultivierung von Ö d l a n d .
Schrumpfung des landwirtschaflichen Sektors im Verhältnis zum industriellen Sektor, Verwaltungssektor etc. ist also ein Symptom f ü r Ausweitung der Tragfähigkeit des Bodens. In den USA entfallen rund 26 Menschen auf einen in der Landwirschaft Beschäftigten, in Frankreich nur 9 und in der Bundesrepublik Deutschland etwa 15. Für N o r d a m e r i k a wie f ü r Europa gilt, d a ß die Nahrungsproduktion ohne Erweiterung der landwirtschaftlichen Nutzfläche und bei abnehmender Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten schneller wächst als die Bevölkerung. I m Weltmaßstab dagegen scheint gegenwärtig die Bevölkerung k a u m weniger zu wachsen als die P r o d u k t i o n an Nahrungsmitteln. c) Jägervölker brauchen mehr Bodenfläche als H i r t e n , diese mehr als Ackerbauern, diese mehr als Gewerbe und H a n d e l treibende Völker etc. Entsprechend veränderten sich geschichtlich die Auffassungen über die „erwünschte" Bevölkerungszahl: von durch Religion und Recht gebilligten rigorosen Anpassungen (Kindesaussetzung, organisierte Auswanderungen wie „Heiliger Frühling", Kolonien und Pflanzstädte) bis zur Prämierung möglichst hoher Kinderzahl und organisierter Gewinnung von Einwanderern. d) Die Schätzungen der Tragfähigkeit der Erde liegen zwischen etwa 8 und etwa 13 Mrd. Menschen. (Bei angenommenem mittleren Bedarf von 2 500 Kalorien pro Mensch Und Tag.) Der Engländer T h o m a s R . M a l t h u s ( 1 7 6 6 bis 1 8 3 4 ; Essay o n the P r i n c i p l e of P o p u l a t i o n , zuerst 1798) vertrat mit u n g e w ö h n l i c h starker W i r k u n g die nach ihm g e n a n n t e Lehre („Malthusianismus"), d a ß der den Menschen w i e allen Lebewesen i n n e w o h n e n d e T r i e b zur V e r m e h r u n g durch b e w u ß t e Z ü g e l u n g , i m b e s o n d e r e n A u f s d i u b der E h e s c h l i e ß u n g ( „ m o r a l restraint") m i t d e n durch d e n B o d e n g e g e b e n e n E r n ä h r u n g s m ö g l i c h k e i t e n in
Bevölkerung und Boden
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Einklang gebracht werden müsse, da sonst die N a t u r durch Hunger, Seuchen etc. den Uberschuß ausmerzen werde. Die Politik müsse daher alles vermeiden, was dazu tendiert, die Bevölkerung zu erhöhen und dadurch die Versorgung pro Kopf zu vermindern, wie A r m e n u n t e r stützung. Die absolut begrenzte Bodenmenge und das Bodenertragsgesetz, nach dem der Bodenertrag nicht p r o portional zu einer zunehmenden Menge an m i t dem B o den verbundener Arbeit steigt, verhindern, daß eine f o r t gesetzt wachsende Bevölkerung m i t gleicher Menge an Bodenerzeugnissen p r o K o p f versorgt werden kann. a) Malthus (in der 1. Aufl. seines Buches): „Wer in einei bereits in Besitz genommenen Welt geboren wird, hat, wenn er die Mittel zu seiner Existenz weder von seinen Verwandten noch durch seine Arbeit finden kann, durchaus kein Recht auf Ernährung. An der großen Tafel der Natur ist kein Gedeck für ihn aufgelegt. Die Natur befiehlt ihm zu gehen und säumt auch nicht, ihren Befehl zu vollziehen." b) Unter Berufung auf Malthus entwickelte Darwin das Prinzip des Kampfes der Arten und des Oberlebens der „Tüchtigsten" als allgemeines Gesetz der Evolution („Darwinismus"). Für die Völker des Abendlandes wurde das Theorem von Malthus durch die historische Tatsache widerlegt, daß in den letzten anderthalb Jahrhunderten eine sehr stark gestiegene Bevölkerung bei verringerter Arbeitszeit mit sehr stark gestiegener Versorgung pro K o p f ausgestattet werden konnte, dank der Fortschritte der Technik und der Erschließung überseeischer Gebiete. a) Es wird eine Gesetzmäßigkeit des „Bevölkerungszyklus" angenommen: „Ein Volk, das wohlhabender und dessen hygienischer Standard verbessert wird, erlebt nach jahrhundertelangem, sehr langsamem Aufstieg seiner Bevölkerungszahl für einige Jahrzehnte, vielleicht sogar für ein ganzes Jahrhundert, einen beschleunigten Aufstieg durch einen Rückgang der Sterblichkeit, dem der Rüdegang der Geburten nur mit zeitlichem Abstand folgt. Irgendwann einmal kommt diese Periode der rasdien Bevölkerungszunahme zu einem Ende, die Zunahme verlangsamt sich, und es wird schließlich ein Zustand erreicht, in dem man bezweifeln muß, ob auf längere Sicht betrachtet, überhaupt noch eine nennenswerte Zunahme zu erwarten ist."
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Grundlegung
(Fritz Baade, Welternährungswirtschaft. Rowohlts Deutsche Enzyklopädie. Hamburg 1956, S. 30.) b) Nach einer optimistischen Auffassung wird — entgegen dem Theorem von Malthus — der Bevölkerungsdruck als Stachel („challenge") zur Entwicklung der sozialen und ökonomischen Verhältnisse gewürdigt. „Von Anfang an ist der Bevölkerungsdruck die Ursache des Fortschritts gewesen. Er führte zu der ursprünglichen Ausbreitung der Rasse. Er zwang die Menschen, ihre Beutegewohnheiten aufzugeben und sich der Landwirtschaft zu widmen. Er führte zur Kultivierung der Erdoberfläche. Er zwang die Menschen zum sozialen Leben und entwickelte soziale Gefühle. Er stachelte zu produktiven Fortschritten und zu vermehrter Geschicklichkeit und zu Intelligenz an" (Herbert Spencer, ähnlich Friedrich List).
Die Erfahrungstatsache, daß steigender Wohlstand nidit notwendig zu steigender, sondern eher zu fallender Geburtenzahl führt („Prosperitätstheorie", P. Mombert) und daß die Fortschritte in der Technik der landwirtschaftlichen Produktion die Ergiebigkeit der Landwirtschaft fortgesetzt erhöht haben, hat dazu beigetragen, daß die Menschenzahl in den industriell entwickelten Gebieten bisher nicht an eine Grenze der Versorgungsmöglidikeiten- gestoßen ist. § 3. Technik 1. T e c h n i s c h e E n t w i c k l u n g Technik als Gestaltung von Abläufen zum Erreichen bestimmter Zwecke wurde zur „rationalen" Technik durch die bewußte, namentlich wissenschaftlich fundierte Gestaltung und Durchdringung des Ablaufs mit dem Ziel, durch exakten (quantitativen) Vergleich von Einsatz und Ergebnis den höchstmöglichen Effekt zu erreichen.' Rationale Technik bildet sich durch wissenschaftliche Formulierung von Prinzipien, durch Anwendung dieser Prinzipien auf bestimmte technische' Probleme und durch darauf aufgebaute Entwicklung technischer Erfindungen und Verfahren. Der rationalen gehen die Stufen der magischen (Beeinflussung des Geschehens durch Zauber, Ritus etc.) und riartientlich der empirischen (traditionalen) Technik voraus. Es werden
Technik
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nach Erfahrung bewährte Regeln durch Lehre, zuweilen als Geheimnis, weitergegeben, oft werden sie durch Sitte oder Recht ausdrücklich gegen Veränderungen geschützt. D i e r a t i o n a l e Technik ist durch ihre wissenschaftliche Grundlegung entpersönlicht, d a die wissenschaftlichen E r kenntnisse allgemein zugänglich sind. Sie tendiert d a z u , mit den Fortschritten der Wissenschaft selbst fortzuschreiten, wobei neue Entdeckungen nicht mehr bloßer Z u f a l l sind, sondern teilweise selbst mit einer rationalen Technik (Versuchsreihen in L a b o r a t o r i e n etc.) systematisch g e w o n nen w e r d e n . D a m i t w e r d e n auch der Technik K r ä f t e dienstbar gemacht, die der Mensch aus seiner u n m i t t e l b a r e n u n d d i r e k t e n E r f a h r u n g m i t der N a t u r nicht k e n n t : Elektrotechnik, Atomtechnik. S t a t t der E r f a h r u n g gewinnt in dieser Abfolge die theoretische A b s t r a k t i o n wachsend an Bedeutung, die sogar die .Anschaulichkeit' hinter sich zu lassen beginnt. Neben dem zunehmenden Umfang der technischen Durdigestaltung der menschlichen Daseinsverhältnisse ist daher das Neue das sich ständig steigernde Tempo der technischen Entwicklung, zugleich mit Verkürzung des Zeitraums, der zwischen der wissenschaftlichen Entdeckung und ihrer praktischen Anwendung liegt. Zwischen den sporadischen Erfindungen der Vorgeschichte' (Bearbeitung des Flintsteins, Nutzung des Feuers, Zähmung der Tiere, Metallbearbeitung) lagen jeweils J a h r hunderte, wenn nicht Jahrtausende. Die Technik um das J a h r 1400 war von der der Römer noch nicht wesentlich verschieden. Nach langsamem Ansatz (Erfindung des Buchdrucks, des Pulvers, der Navigation) steigerte sich das Tempo (1780—1830: Einführung der Dampfmaschine) und zwar kumulativ, so daß der heutige Mensch zu seinen Lebzeiten umwälzenden Veränderungen seiner Umwelt unterliegt. —Eine »Entdeckung" ist die Feststellung und Isolierung von Relationen, die in der Natur vorliegen, eine „Erfindung" bedeutet die Durchführung neuer Kombinationen von Relationen, mit der menschlichen Zwecken gedient werden kann. Mit der Menge der Entdeckungen von „Naturgesetzen" steigt die Möglichkeit ihrer Kombinationen zu neuen Erfindungen J e d e einzelne Erfindung ist z w a r „ r a t i o n a l " , d. h. v o m V e r s t a n d her auf einen Zweck gerichtet. Dagegen ist die Entwicklung der Technik als Ganzes „zufällig", sie „treibt
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Grundlegung
die Menschheit v o r a n unabhängig v o n jeglicher menschlicher Auffassung eines Zieles, das verstandesmäßig ausgedrückt w i r d " ( W h i t e h e a d ) . „ W e r k z e u g e" sind im R a h m e n einer Verfahrenstechnik geschaffene sachliche Mittel zur Durchführung oder Erleichterung des Verfahrens. Innerhalb der W e r k z e u g e im allgemeinen Sinne k a n n m a n „M a s c h i n e n " als Kombinationen von W e r k z e u g e n bestimmen. 2. T e c h n i k
und
W i r t s c h a f t
D i e historische Verbindung moderner Technik mit m o derner W i r t s c h a f t hat die G e g e n w a r t entscheidend gestaltet. Ihr Gemeinsames ist die rationale W a h l und V e r w e n d u n g v o n Mitteln z u m Erreichen von Zwecken, beides mit dem A k z e n t auf ständige Verbesserung und Ausweitung der H e r r s c h a f t über die Mittel. a) Der Unterschied zwischen Wirtschaft und Tedinik liegt in der Art der im Einsatz-Erfolg-Vergleich verwendeten Größen. Die der Technik sind natürliche, d. h. unveränderliche Größen (wie Energieeinheiten, Meterkilogramm etc.), das Ergebnis eines technischen Prozesses ist also grundsätzlich mit Gewißheit vorherzusagen. Der wirtschaftliche Vergleich dagegen verwendet Wertgrößen, nämlich Preise, die selbst veränderlich sind; daher ist der wirtschaftliche Erfolg eines Produktionsvorganges selbst dann nicht gewiß, wenn sein technisches Ergebnis feststeht. Die Daten des natürlichen Geschehens sind unabhängig davon, was Menschen über sie aussagen oder wie sie sie ausnutzen die „Realität" des ökonomischen Geschehens ist aber zugleich psychisch und sozial bestimmt. b) Da die Technik es mit natürlichen Größen und Beziehungen zu tun hat, gibt es für sie kein autonomes „Wertgefälle"; z. B. läßt sich technisch nicht entscheiden, ob Dampf aus Wasser oder Wasser aus Dampf gewonnen werden soll. In der wirtschaftlichen Anwendung der Tedinik setzt daher die Wirtschaft die Daten als Werte, d. h. sie bestimmt die innerhalb der technischen Möglichkeiten zur Anwendung kommenden Verfahren bzw. die Nutzbarmachung neuer Erfindungen. „Die Herstellung von Dingen ist an sich noch nichts Wirtschaftliches, nur im Zusammenhang mit einem Wirtschaftsplan wird sie es." (v. Zwiedineck-Südenhorst.)
Technik
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c) Die Stufen der Gewinnung neuer wissenschaftlicher E r kenntnisse und ihrer Anwendung auf ein bestimmtes technisches Problem laufen der „Erfindung" als Form ihrer möglichen wirtschaftlichen Verwertbarkeit und ihrer eigentlichen Einführung in der Wirtschaft als „Neuerung" durchweg voraus. Erfindung ist ein wissenschaftlich-technischer Vorgang, Neuerung ein ökonomischer Vorgang (,Invention'-,innovation'). Hauptform der Einführung von Neuerungen ist der Einsatz ergiebigerer Produktionsmittel, also qualitative Veränderung des Realkapitals. d) Neben der logischen Beziehung der mittelwählenden K r a f t der Zwecke wächst die Bedeutung der zwecksetzenden K r a f t der Mittel, d. h., aus neuen technischen Möglichkeiten schafft die Wirtschaft neue Güter und weckt das Bedürfnis nach ihnen. Veränderungen in der Geschmacksrichtung der Verbraucher sind selten spontan, sondern regelmäßig durch Aktionen der Produzenten ausgelöst. D i e Bezeichnung der modernen W i r t s c h a f t als „ K a p i talismus" verweist auf bestimmte rechtliche und ö k o n o mische Beziehungen ( „ P r i v a t e i g e n t u m an P r o d u k t i o n s m i t t e l n " ) und auf die Bedeutung des realen K a p i t a l s ( A n lagen, Maschinen etc.) im P r o d u k t i o n s - und Verteilungsprozeß. a) Die höhere technische Leistungsfähigkeit der Maschinenarbeit beruht u. a. auf 1. der Ausnutzung nicht-menschlicher Energie, 2. der für menschliche Arbeit unerreichbaren Geschwindigkeit in der Durchführung der Prozesse, 3. der Genauigkeit in der. Wiederholung der Prozesse, 4. der exakt bestimmbaren Höhe des Energieeinsatzes an einem Punkt, 5. dem Fehlen des Faktors Ermüdung. b) Das wirtschaftliche Ausnutzen der Maschinenarbeit setzt in der Regel Massenproduktion voraus, die die individuelle Fertigung des einzelnen Stüdes verdrängt. Jede Arbeitsverrichtung, die auf sich gleichmäßig wiederholende Vorgänge zu reduzieren ist, wird früher oder später durch Maschinenarbeit übernommen. — Massenproduktion ist die Methode, mit der neue Güter verbilligt und so dem Versorgungsbedarf weiter Bevölke rungssdiichten zugänglich gemacht werden.
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Grundlegung
c) „Automation" ist technisch gesehen der Votgang, „daß an Stelle getrennter mechanisierter Erzeugungs- und Transportprozesse eine Integration aller Arbeitsvorgänge in einen fließenden Gesamtprozeß tritt, der von elektronischen Geräten gesteuert und überwacht wird. . . . Bei vollständiger Durchführung der Automation bleibt die Rolle des arbeitenden Menschen in der Produktion auf die Wahrnehmung der Kontrolle und die Behebung von Störungen der Aggregate beschränkt." (Th. Wessels)
Kennzeichen wachsender „kapitalistischer" Produktion ist, d a ß im Zusammenwirken von Arbeit und „Kapital" in der Produktion die Arbeit relativ teurer, die Kapitalleistung relativ billiger wird. Das ist zugleich ein Ausdrude f ü r die erhöhte reale Versorgung der Menschen durch die Produktion: das „Realeinkommen" je Arbeiter als Ergebnis der Leistung einer Arbeitseinheit (z. B. Arbeitsstunde) steigt.
§ 4. Arbeltsteilung 1. S p e z i a l i s i e r u n g u n d Integrierung Solange die Einzelwirtschaften vorwiegend Produktion f ü r Eigenverbrauch betreiben, ist die Gesellsdiaftswirtschaft ein nur lockerer Verband selbstversorgender (autonomer) Einheiten. Je stärker dagegen die Wirtschaftspläne auf den Absatz spezialisierter Leistungen an andere und auf den Bezug des Eigenbedarfs an Gütern und Leistungen von anderen ausgerichtet sind, um so mehr werden die Einzelwirtschaften Glieder eines integrierten Ganzen. Die Spezialisierung erhöht das Leistungsvermögen der Teile, aber um den Preis stärkerer Abhängigkeit vom Ganzen: die ökonomische W o h l f a h r t jedes einzelnen wird abhängig von der allgemeinen Wirtschaftslage. a) Die Beziehung zwischen dem Grad der Spezialisierung der Teile und der Inteerierung des Ganzen gilt als allgemeines Gesetz der Entwicklung von Organismen und gesellschaftlichen Gebilden. b) Die Leistungssteigerung spezialisierter Teile wird bewirkt durch Ausnutzen und Entwicklung besonderer Fertigkeiten, Vermeidung kraft- und zeitbeanspruchender Umstellungen, da-
Arbeltsteilung
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zu namentlich durch Schaffen und Verwenden von spezialisierten Einrichtungen und Verfahrensweisen. c) Soweit die Spezialisierung der Leistungen mit einem Verlust an „Ganzheit" dieser Leistungen verbunden sind, darf das keineswegs mit einer Einbuße an wirtschaftlicher Freiheit durch wachsende Abhängigkeit gleichgestellt werden. Im Ausmaß der Spezialisierung und Integrierung wächst der Bereich der w i r t schaftlich möglichen Wahlhandlungen sowohl auf dem P r o d u k tions- wie auf dem Verbrauchssektor, und gerade das M a ß der freien Wahlhandlungen ist mitbestimmend f ü r den Begriff des Grades an wirtschaftlicher Freiheit.
2. A r b e i t s t e i l u n g u n d T a u s c h w i r t s c h a f t Im Bereich des gesellschaftlichen Wirtschaftens heißt die Spezialisierung der Leistungen „Arbeitsteilung". Sie kann um so weiter geführt werden, je größer die integrierte Ganzheit ist; das heißt in der Tauschwirtschaft: je größer der „ M a r k t " ist. Hierauf beruht namentlich der ökonomische Vorteil des offenen Weltmarktes; es wiederholt sidi das Verhältnis zwischen dem Grad der Autonomie (Selbstversorgung) der Teile, hier der einzelnen Volkswirtschaften, und der Integrierung des Ganzen. „Weite" des Marktes ist nicht nur im Sinne der räumlichen Ausdehnung zu verstehen, so daß durch verbesserte Transportleistungen (verminderte Transportkosten einschließlich Senkung der Zölle) der M a r k t ausgeweitet wird. Auch die Vergrößerung der K a u f k r a f t durch erhöhte P r o d u k t i v i t ä t innerhalb eines gegebenen Raumes vergrößert den M a r k t f ü r die einzelnen Produkte. Die Verbindung der Teilleistungen innerhalb einer Wirtschaftseinheit (Produktionsunternehmung, Haushalt) erfolgt durdi eine organisierende. Instanz (Unternehmer, Leiter des Haushalts). Die Verbindung der Einheit nach außen dagegen geschieht in der verkehrswirtschaftlichen Ordnung durch Austausch („Tauschwirtschaft", „Marktwirtschaft"). In einer Planwirtschaft wird auch für die Volkswirtschaft als Ganzes die Verbindung der Teilleistungen „organisiert"; bei totaler Zwangswirtschaft stellt die Volkswirtschaft eine unter einheitlichem willen stehende Wirtschaftseinheit dar.-
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Grundlegung
In der arbeitsteiligen V o l k s w i r t s c h a f t tendiert jede W i r t schaftseinheit zur Spezialisierung auf eine Leistung, in deren Erstellung sie die r e l a t i v größte Überlegenheit h a t . ' a) Darstellung des Prinzips: Zwei Wirtschaftssubjekte A und B mögen bei gleichem absoluten Aufwand an Kosten (z. B. Arbeit) alternativ Einheiten zweier Güter I und II durch Produktion in folgendem Verhältnis beschaffen können:
A B
Einheiten von I oder II 10 S, 8 2
.
A ist demnach in beiden Fertigungen absolut überlegen. Gleichwohl können A und B sich mit Vorteil auf die Fertigung ihrer relativ günstigsten Leistung spezialisieren und austauschen. D a die Produktionsrelation zwischen I und II für A 2 Einheiten I : 1 Einheit II, für B 4 Einheiten I : 1 Einheit II beträgt, ist A in der Fertigung von II, B in der Fertigung von I relativ überlegen. Bei einer angenommenen Tauschrate von 3 Einheiten I zu 1 Einheit II erhält A für 5 Einheiten II im Austausch 15 (statt 10) Einheiten I, B . 15 , I „ „ 5 ( „ 3,75) „ II. b) Dieses Prinzip erklärt vor allem, daß die Tauschwirtschaft „unterlegene" Leistungsmöglichkeiten nicht ausgliedert und ungenutzt läßt, sondern sie eingliedert und am Tauschverkehr beteiligt. c) Unter der Bezeichnung „Gesetz der komparativen Kosten" wurde das Prinzip zuerst für den Außenhandel entwickelt (Torrens, Ricardo). Es gilt aber allgemein für Arbeitsteilung und Leistungstausch. 3. F o r m e n d e r Arbeitsteilung und - Vereinigung D e r u m f a s s e n d e V o r g a n g der A u f t e i l u n g einer bisher in einer -Person vereinigten Leistung so, d a ß mehrere
Arbeitsteilung
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Personen je einen Teil übernehmen, läßt sich in mehrfachen Formen aufgliedern. Als Übersicht (nach K. Bücher, Die Entstehung der Volkswirtschaft. Erste Sammlung. 14. u. 15. Aufl. Tübingen 1920): 1. „Berufsbildung", namentlich durch die Verselbständigung von Teilleistungen der früher in der selbstversorgenden bäuerlichen Wirtschaft vereinten Leistungen, z. B. Schmied, Wagner, Maurer etc. 2. „Spezialisation", als Aufspaltung der Berufe, z. B. Wagenschmied, Waffenschmied, Hufschmied etc. — Die Systematik der deutschen Berufszählung 1950 unterschied 441 Berufe. 3. „Produktionsteilung", bei der ein Gut in seiner Fertigung verschiedene selbständige wirtschaftliche Abschnitte durchläuft, z. B. Rohstoffgewinnung, H a l b f a b r i k a t , Fertigfabrikat. 4. „Arbeitszerlegung", bei der innerhalb eines Produktionsabschnittes Teilabschnitte verselbständigt werden, z. B. Dreherei, Schlosserei etc. 5. „Arbeitsverschiebung", als Veränderung des bisherigen Produktionsablaufs durch neue Verteilung der Leistungen, z. B. Verlagern der Zugkraftversorgung der Landwirtschaft auf die Industrie durch Einführung des Treckers. N e b e n das Zusammenfassen der geteilten Arbeit durch Arbeitsvereinigung, z. B. innerhalb eines Produktionsprozesses, treten Formen der Kooperation, denen keine A r beitsteilung zugrunde liegt. „Gesellige Arbeit" (z. B. Spinnstube), „Arbeitshäufung" gleichartiger Arbeit (z. B. mehrere Maurer auf einem Bau), „Arbeitsverbindung" als Vereinigung selbständiger, aber sachlich verschiedener Arbeiten (z. B. Musiker eines Orchesters), können als solche Formen unterschieden werden. Leistungssteigerung durch Arbeitsteilung gehört zu den am frühesten erkannten ökonomisch-technischen Erscheinungen (Piaton, X e n o p h o n ) und wurde durch A d a m Smith (vorher Sir W i l l i a m Petty) in das System der W i r t schaftswissenschaft eingebaut. 4. P r o d u k t i o n Wichtigstes Ergebnis der gesellschaftlichen Arbeitsteilung ist die T r e n n u n g der Produktionseinheiten, „ U n t e r -
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Grundlegung
n e h m u n g e n " genannt, von den „ H a u s h a l t e n " als V e r brauchseinheiten. Diese Einheiten sind die wichtigsten Pole des Tauschverkehrs, indem die H a u s h a l t e durdi L e i stungen in U n t e r n e h m u n g e n E i n k o m m e n erzielen und es durch Güterbezug v o n U n t e r n e h m u n g e n v e r w e n d e n . ( V g l . Kap. IV.) a) Die technischen Einheiten zur Durchführung der Produktion werden oft als „Betriebe" von den wirtschaftlichen Einheiten, den „Unternehmungen" („Firmen", engl, „firms"), die auch mehrere Betriebe umfassen können, unterschieden. Der Begriff „Betrieb" kann aber auch als „Unternehmungen" und „Haushalte" umfassender Oberbegriff verwendet werden. b) Ein Betrieb ist charakterisiert durch die einem bestimmten Produktionszweck dienenden Dauereinrichtungen und -anlagen, die Unternehmung durdi die Einheit der wirtschaftlichen Entscheidung und Führung gemäß den Prinzipien der Kostenund Ertragsgestaltung. c) ökonomisch wie technisch ist Produktion die Kombination spezialisierter Leistungen (von „Produktionsfaktoren"). „Stets aber handelt es sich darum, etwas vom Standpunkte unserer Bedürfnisbefriedigung anderes zu erzielen, als was wir vorfinden. Und stets handelt es sich darum, die gegenseitigen Beziehungen der Dinge und K r ä f t e zu verändern, Dinge und K r ä f t e zu vereinigen, die wir getrennt vorfinden, und Dinge und Kräfte aus ihrem bisherigen Zusammenhange herauszulösen" ( J . Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 5. Aufl. Berlin 1952, S. 16/17). Dieses Eingreifen erfordert stets menschliche Arbeit, die in die Produktionskombination eingeht. d) ökonomisches Ziel der Produktion ist Einsatz bewerteter („kostender") Leistungen (Aufwendungen) so, daß ein den Werteinsatz übersteigender Wertertrag (Produktpreis) realisiert werden kann. Mit dem Ausdruck „U m w e g s p r o d u k t i o n " ( B ö h m - B a w e r k ) wird im besonderen der U m s t a n d bezeichnet, d a ß der E i n s a t z der Produktionsmittel durchweg nicht direkt auf die z u m Verbrauch bestimmten G ü t e r zielt, sondern p r i m ä r auf eine A p p a r a t u r , die die E r s t e l lung der G ü t e r erleichtert und fördert. J e d e Anlage, M a schine etc. ist so gesehen ein „ U m w e g " , d a alle diese „ K a -
Wirtschaftsordnungen
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pitalgüter" letzten Endes auf Verbrauchsgüter b z w . Leistungen v o n zu verbrauchenden Diensten abgestellt sind. (Vgl. Bd. III, Kap. I V , § 1.) Zwischen die „ursprünglichen" Produktionsmittel Arbeit und Naturleistungen („Boden") und den Verbrauch als letztem Zweck alles Wirtschaftens werden so in steigendem Ausmaß die „produzierten Produktionsmittel" („Zwischenprodukte") eingeschoben, ..Kapitalgüter" genannt. Die modernen Produktionsmethoden sind daher gekennzeichnet durch 1. umfangreiche Ausstattung mit Anlagen, Maschinen, Werkzeugen, Beständen an Rohstoffen etc., 2. Inanspruchnahme mechanischer Antriebskraft, 3. Produktionstechnik auf wissenschaftlicher Grundlage, 4. Massenfertigung.
Kap. II. Ordnungsformen der Gesellschaftswirtschaft § 1. Wirtschaftsordnungen 1. H i s t o r i s c h e Typen D i e historisch gerichtete Wirtschaftsforschung h a t die Aufstellung v o n „Wirtschaftsstufen" als regelmäßige E n t wicklungsfolge in der Wirtschaft aller V ö l k e r versucht. Im Prinzip zeigen die Stufen die Stadien einer ständig weiter und intensiver werdenden gesellschaftlichen Ar^ beitsteilung. a) Bekannte Stufentheorien sind die von Friedrich List (Das nationale System der Politischen Ökonomie, 1841): wilder Zustand, Hirtenstand, Agrikulturstand, Agrikultur-Manufakturstand, Agrikultur-Manufaktur-Handelsstand; von Bruno Hildebrand (Die Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft, 1848): Naturalwirtschaft, Geld Wirtschaft, Kreditwirtschaft; von Karl Bücher (Die Entstehung der Volkswirtschaft. 1893): geschlossene Hauswirtschaft (tauschlose Wirtschaft, Eigenproduktion Hausgewerbe), Stadtwirtschaft (direkter Tausch, Kundenproduktion, Handwerk), Volkswirtschaft (Marktverkehr, Warenproduktion, Fabriksystem). b) Die Geschichtswissenschaft hat der Aufstellung solcher Stufen überwiegend widersprochen: weder läßt sich f ü r alle 3
P a u l s e n , Allg. V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e I
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O r d n u n g s f o r m e n d e r Gesellschaftswirtschaft
Gesellschaften die gemeinte F o l g e nachweisen, noch ist g a r v o n einem G e s e t z einer solchen F o l g e zu sprechen. c) D e r amerikanische Wirtschaftshistoriker W W R o s t o w ( T h e Process o f E c o n o m i c G r o w t h . 2 n d ed O x f o r d 1 9 6 0 ; S t a d i e n w i r t schaftlichen Wachstums, G ö t t i n g e n 1 9 6 0 ) u n t e r n a h m eine E i n teilung der bestehenden Gesellschaften in f ü n f K a t e g o r i e n , die einen geschichtlichen S t e l l e n w e r t haben, insofern sie zugleich S t a d i e n der E n t w i c k l u n g bezeichnen E s sind: t r a d i t i o n e l l e G e sellschaften, v e r h a r r e n d in überwiegend landwirtschaftlicher P r o duktion selbstversorgender E i n z e l w i r t s c h a f t e n , — Übergangsgesellschaften mit S t ä r k u n g der S t a a t s t ä t i g k e i t und B i l d u n g sozialen K a p i t a l s , dazu stärkere Erwerbsgesinnung und Z u w e n d u n g zu technischen Verbesserungen, — Startgesellschaften, in denen durch v e r s t ä r k t e K a p i t a l b i l d u n g und industrielle Erschließung die Basis f ü r durch eigene Impulse fortgesetzt wachsende W i r t schaftstätigkeiten gelegt w i r d , — reife Gesellschaften m i t u m fassender Industrialisierung und fortgesetzter K a p i t a l b i l d u n g , — Massenkonsumgesellschaften m i t Ausbreitung der wirtschaftlichen Ergiebigkeit a u f breite Bevölkerungsschichten und entsprechender Ä n d e r u n g der wirtschaftlich-sozialen I n s t i t u t i o n e n .
U n t e r Verzicht auf die Behauptung einer chronologischen Abfolge gleicher Stufen können historische W i r t schaftsverhältnisse durch Bildung von „Idealtypen" an einem rein herausgearbeiteten Gedankenbild bemessen und verglichen werden. D e r I d e a l t y p u s „ w i r d g e w o n n e n durch einseitige S t e i g e r u n g eines o d e r einiger G e s i c h t s p u n k t e und durch Z u s a m m e n s c h l u ß einer F ü l l e v o n diffus und d i s k r e t , hier m e h r , d o r t w e n i g e r , stellenweise g a r nicht, v o r h a n d e n e n E i n z e l e r s c h e i n u n g e n , die sich jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten f ü g e n , zu einem in sich einheitlichen G e d a n k e n b i l d e . I n seiner b e g r i f f lichen R e i n h e i t ist dieses G e d a n k e n b i l d nirgends in d e r W i r k lichkeit empirisch v o r f i n d b a r . . . . und f ü r die historische A r b e i t erwächst die A u f g a b e , in j e d e m einzelnen F a l l e festzustellen, wie n a h e o d e r w i e fern die W i r k l i c h k e i t jenem I d e a l b i l d e steht . . . " ( M a x W e b e r , D i e „ O b j e k t i v i t ä t " sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer E r k e n n t n i s . 1 9 0 4 . A b g e d r . i n : W e b e r , G e s a m m e l t e A u f s ä t z e z u r Wissenschaftslehre. T ü b i n g e n 1 9 2 2 , S. 1 9 1 . ) D i e M e t h o d e der B i l d u n g von I d e a l t y p e n ist selbstverständlich nicht a u f geschichtliche Erscheinungen b e s c h r ä n k t , sondern ist überall a n w e n d b a r , w o die als typisch angesehenen
Wirtschaftsordnungen
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Grundzüge individuell unterschiedliche"" Erscheinungen in ihrer Reinheit herausgestellt werden sollen. V o n „Wirtschaftsstilen" spricht man, u m die Bedeutung des Wirtschaftsgeistes und der Wirtschaftsgesinnung zu erfassen, die sich in der Organisation w i e in der Art des Wirtschaftens ausprägen; dabei soll namentlich auch das Entsprechensverhältnis der wirtschaftlichen Gestaltungen zu den gleichzeitigen sonstigen Bildungen der Kultur und des gesellschaftlichen Daseins aufgewiesen, die innere und formgestaltende Einheitlichkeit der menschlichen Schöpfungen auf allen gleichzeitigen Gebieten des Daseins gezeigt werden. 2. W i r t s c h â f t s n o r m e n D i e „Ordnung" einer Gesellschaftswirtschaft ist bestimmt durch die in ihr geltenden N o r m e n als Regulative des wirtschaftlichen H a n d e l n s . a) Die naturgegebene Notwendigkeit zum Wirtschaften führt nicht zu einem „natürlichen" System der Gesellschaftswirtschaft. Im besonderen gibt es keine natürliche Harmonie zwischen Eigennutz und Gemeinwohl; beide sind vereinbar, wenn durch Normen und Institutionen die Auswirkungen des Eigennutzes nur in Richtungen zugelassen werden, die dem Gesamtinteresse nicht zuwiderlaufen. b) Im besonderen regeln die Normen, welche Mittel der Güterbeschaffung als zulässig gelten. (Ausschluß von Gewalt, Betrug, arglistiger Täuschung; Zulassung von Nutzung des Privateigentums durch Gebrauch und Tausch, freier Verwendung eigener Arbeitsfähigkeit etc.) c) Die geltenden Normen und daher die Ordnungen der Gesellschaftswirtschaften sind stark unterschiedlich. Z. B. galt früher Seeraub als zulässiges, Zinsnahme als unzulässiges Mittel der Güterbeschaffung. Die Zulässigkeit der Bildung und Ausnutzung ökonomischer Machtstellungen zur Durchsetzung eigener Interessen (Monopole) war und ist umstritten. Geltung der N o r m e n setzt ihre Erzwingbarkeit voraus, die in modernen Gesellschaften nur für v o m Staat gesetzte rechtliche N o r m e n gesichert ist. a) Die unmittelbare Setzung von wirtschaftlichen Normen durch die Kirche ist beseitigt (Zinsverbot, kirchliches Verbot
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Ordnungsformen der Gesellschafts Wirtschaft
der Sonntagsarbeit). — Normen, die sich in den beteiligten Wirtschaftskreisen bilden und allgemein Anerkennung finden, können durch den Staat anerkannt werden („Konventionalregeln", Handelsbräuche). b) Rechtlich gesetzte Normen sind erzwingbar, inhaltlich bestimmt (d. h., die rechtlichen Voraussetzungen und Folgen wirtschaftlicher Entscheidungen sind gewiß und daher kalkulierbar) und gelten durchweg allgemein (Beseitigung wirtschaftlicher Sonderrechte für bestimmte Stände wie der feudalen Rechte des adligen Grundbesitzes). N o r m e n können sein: 1. formal, sofern sie nur Vorschriften für die Geltung wirtschaftlicher Vereinbarungen aufstellen (z. B. Wechselrecht, Recht der Kaufverträge etc.), 2. materiell, sofern sie wirtschaftliche Vorgänge inhaltlich regeln (z. B. Beschränkung der Arbeitszeit, Lieferpflicht). 3. G r u n d t y p e n d e r W i r t s c h a f t s ordnungen Z u „reinen" O r d n u n g s f o r m e n der Gesellsdiaftswirtschaft als gedanklichen Modellen ( „ I d e a l t y p e n " ) k o m m t man, wenn m a n sich gewisse, miteinander k o n f o r m e N o r men voll verwirklicht vorstellt. D a die N o r m e n stets die Eingliederung der einzelnen in den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang regeln, ist für die Ordnungsform k o n stituierend die Entscheidung zwischen Individual- und Sozialprinzip und damit zwischen dem U m f a n g , in dem E l e mente der Freiheit und E l e m e n t e der Herrschaft in dieser O r d n u n g verwirklicht werden. Z u regeln ist die Zuweisung der wirtschaftlichen Entscheidungen an die einzelnen einerseits, an den S t a a t u n d seine O r g a n e als V e r t r e t e r des gesellschaftlichen Ganzen andererseits. Einheiten, die Dispositionen zur Erreichung selbstgesteckter ökonomischer Ziele treffen (einen „Wirtschaftsplan" aufstellen) können, heißen „Wirtschaftssubjekte". „Wirtschaftsobjekte" sind Personen, soweit sie ohne eigene wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit in den Wirtschaftsplan eines anderen eingegliedert sind. Der Grad der Verwirklichung des Individualprinzips ist daher bestimmt durch die Festlegung, wieweit die Glieder der Gesellschaft als Wirtschaftssubjekte anerkannt sind.
Wirtschaftsordnungen
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Im einzelnen lassen sich die Prinzipien aufgliedern in Regulierungen 1. der privaten Eigentumsrechte, 2. der ökonomischen Beziehungen zwischen den einzelnen, einschließlich der Gestaltung der Einzelwirtschaften, die durch Vereinigung von Menschen zu gemeinsamem Werk soziale Gebilde sind, 3. der ökonomischen Beziehungen zwischen den einzelnen und dem Staat. Der (gedankliche) Grenzfall weitestgehender Anerkennung des Individualprinzips heißt „freie Verkehrswirtschaft", der entgegengesetzte der weitestgehenden Verwirklichung des Sozialprinzips „total zentralgeleitete Wirtschaft" („totale Zwangswirtschaft"). Im ersten Fall werden die wirtschaftlichen Entscheidungen völlig in die Sphäre der Individuen verlagert; der Staat nimmt auf das wirtschaftliche Geschehen, inhaltlich keinen Einfluß, sondern beschränkt sich auf die Setzung formaler Normen als Ordnungsprinzipien („Spielregeln"). — Im zweiten Fall zieht der Staat alle wirtschaftlichen Entscheidungen an sich, die einzelnen sind nur Glieder des Wirtschaftsplanes des Staates, der einziges „Wirtschaftssubjekt" ist; die Normen des Staates bestimmen das wirtschaftliche Geschehen inhaltlich („totaler Dirigismus"). Daraus ergibt sich f ü r die genannten regulativen Prinzipien: 1. In der freien Verkehrswirtschaft ist privates Eigentum in weitestem Umfang anerkannt, namentlich auch für sachliche Produktionsmittel (Grund und Boden, Kapital). — In der totalen Zwangswirtschaft gibt es kein privates Eigentum und zwar, im extremen Falle auch nicht an Verbrauchsgütern und sogar an der eigenen Person, mindestens doch nicht an sachlichen Produktionsmitteln. 2. Die ökonomischen Beziehungen zwischen den einzelnen sind in der freien Verkehrswirtschaft freies Zusammentreten von Wirtschaftssubjekten, soweit sie das als im Interesse ihrer ökonomischen Ziele liegend anerkennen; die Beziehungen haben die Form frei abgeschlossener Verträge. — In der totalen
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Ordnungsformen der Gesellschaftswirtschaft
Zwangswirtschaft erfolgt die Verbindung durdi Befehle w i e Einweisung in bestimmte Arbeitsplätze, Leistungszwang, Zuteilung v o n Verbrauchsgütern etc. D i e einzelnen sind Teile eines technischen Produktions- und Verbrauchsplanes. 3. In der freien Verkehrswirtschaft beansprucht z w a r der Staat für sich das Recht der Weisung und des Zwangs, n a mentlich zur Beschaffung der Mittel zur Durchführung seiner staatlichen A u f g a b e n , d. h.: die Leistungen des Staates werden nicht auf Märkten angeboten und gekauft. Aber dieses Verhältnis ist rechtlich geregelt, Staatswillkür („Ermessensmiß-^ brauch") ist ausgeschlossen. — In der totalen Zwangswirschaft ist das ökonomische Subordinationsverhältnis der Glieder der Gesellschaft unter den Staat völlig durchgeführt ( „ E x e k u t i v staat").
In der totalen Zwangswirtschaft fehlen alle Bildungen des eigentlich „gesellschaftlichen" Wirtschaftens wie Markt, Preis, Geld, Handel etc., da diese stets frei sich entscheidende Wirtschaftseinheiten als „Kontrahenten" voraussetzen. Objektive Bildungen der Gesellschaftswirtschaft entstehen nur, wenn •„ Wirtschaftssubjekte" in ökonomische Beziehungen zueinander treten. 4. R e a l e
Wirtschaftsordnungen
Es kann versucht werden, zwischen diesen beiden „Grenzfällen" der Wirtschaftsordnungen eine Reihe von Typen zu entwickeln, die jeweils I'ndividual- und Sozialprinzip in bestimmten Verbindungsformen darstellen. Die konkreten Wirtschaftsordnungen weisen aber eine solche Vielgestaltigkeit der Verhältnisse auf, daß eine geordnete Folge von Typen kaum aufzustellen ist. Das gilt aus mehreren Gründen. Zunächst. ist in der Realität sehr selten eine einzige Ordnungsform konsequent verwirklicht, vielmehr sind durchweg Teilbereiche der Gesamtwirtschaft unterschiedlichen Prinzipien unterworfen. In einer, im allgemeinen verkehrswirtschaftlichen Regelung sind etwa die Landwirtschaft, der Außenhandel, der W o h nungsbau „planwirtschaftlich" reguliert, umgekehrt in einer plan- bzw. zwangswirtschaftlichen Ordnung der
Wirtschaftsordnungen Sektor, des Verbrauchs freien Entscheidungen braucher vorbehalten.
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Ver-
Aus der fehlenden „Systembezogenheit" von Teilordnungen ergeben sich regelmäßig gewisse typische Erscheinungen als Folgen des Umstandes, daß eine völlige Isolierung von Teilbereichen, d. h. ihr Herausheben aus dem gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang, nicht möglich ist. Der Erfolg der auf Teilbereichen durchgeführten Planung hängt z. B. von den Verhältnissen der benachbarten Bereiche ab, so daß tendenziell ein Ausdehnen der Planung auf diese erstrebt wird: Devisenbewirtschaftung tendiert zur Regulierung des gesamten Außenhandels, der Erfolg der Bauplanung hängt ab von den Verhältnissen auf dem K a pitalmarkt, das Freilassen des Verbrauchs bei geplanter Produktion muß durch Kartensystem, Kaufkraftabschöpfung und ähnliches mit den Plangrößen der Produktion abgestimmt werden. Daher schwillt die spezielle Wirtschaftsgesetzgebung an, schon um das Ausweichen der Wirtschaftstätigkeit auf „unregulierte" Bereiche zu verhindern. Langfristige wirtschaftliche Entscheidungen sind dadurch einem erheblichen Risiko sich ändernder Gesetzgebung ausgesetzt. Bei mangelnder Systemeinheitlichkeit der staatlichen Wirtschaftsnormen w i r d das Eigeninteresse v o n T e i l gruppen der Wirtschaft auf das Mittel der Beeinflussung der Gesetzgebung verwiesen, um vorteilhafte n o r m a t i v e Regelungen des eigenen Bereichs z u erwirken (Auftreten v o n „pressure groups"). Im besonderen wird durch Ausnutzung der verkehrswirtschaftlichen Vertragsfreiheit vielfach eine private „Marktordnung" im Sinne von Bindungen des Marktverhaltens und f ü r diese staatliche Sanktionierung und Rechtsgeltung erstrebt. („Geordneter Wettbewerb"). — Im theoretischen Ausdruck: unter dem Einfluß sowohl veränderter institutioneller Bedingungen (z. B. zu Großbetrieben führender Technik) wie veränderter wirtschaftlicher H a l t u n g wird der „freie" Wettbewerb durch den „monopolistischen" Wettbewerb verdrängt. (Vgl. Bd. II, Kap. VII.) Außer durch Setzung v o n N o r m e n n i m m t der Staat auf das Wirtschaftsgeschehen Einfluß durch eigene w i r t schaftliche Betätigung und durch seine fiskalische und seine monetäre Politik. Er k a n n damit seine Ordnungsprinzipien
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Ordnungsformen der Gesellschaftswirtschaft
bestätigen und ihnen Nachdruck verleihen, kann ihnen aber auch zuwiderhandeln. „Kalte Sozialisierung" ist die Ausdehnung der eigenen w i r t schaftlichen Tätigkeit des Staates auf Bereiche, die nach der geltenden Ordnung privater Betätigung vorbehalten sein sollen. Durch steuerliche oder kreditäre Diskriminierung und Vergünstigung kann Einfluß auf die Wettbewerbslage genommen werden etc.
Alle konkreten Wirtschaftsordnungen unterliegen aus solchen Gründen einem raschen Wandel, ohne daß erkennbar wäre, daß die Entwicklung sich konsequent zum Individual- oder zum Sozialprinzip hin vollzieht. Im ganzen scheint aber eine Ausdehnung der mehr oder weniger „geplanten" oder doch „dirigierten" Bereiche der Wirtschaftstätigkeit vorzuliegen. Statt nach den gedanklich rein herausgearbeiteten Prinzipien der „Systemrichtigkeit" sind daher die tatsächlichen Wirtschaftsordnungen nach einer Fülle unterschiedlichster, rasch sich ändernder rechtlicher, institutioneller und von der Wirtschaft selbst ausgehender Einflüsse gestaltet.
§ 2. Die verkehrswirtschaftlidie Ordnung 1. D i e N o r m e n d e r V e r k e h r s w i r t s c h a f t Verkehrswirtschaftlich (marktwirtschaftlich) geordnet sind Gesellschaftswirtschaften, soweit das wirtschaftliche Geschehen nicht durch autoritative Lenkung oder Weisung auf inhaltlich bestimmte Ziele ausgerichtet ist, sondern den einzelnen Wirtschaftssubjekten die Aufstellung und Verfolgung ihrer Ökonom ¡sehen Ziele überlassen bleibt (System dezentralisierter Wirtschaftsentscheidungen). Die Abstimmung dieser privaten Wirtschaftspläne aufeinander, damit die Bildung der gesamtwirtschaftlichen (makroökonomischen) Größen geschieht durch das Preissystem, in welchem das Verhältnis der von den Wirtschaftssubjekten angebotenen und nachgefragten Mengen an Gütern und Leistungen zum Ausdruck kommt, und das f ü r die Wirtschaftssubjekte das objektive Bezugs-
D i e verkehrswirtsdiaftlidie Ordnung
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system für ihre wirtschaftlichen Entscheidungen darstellt (Preisorientierung des wirtschaftlichen Verhaltens). Wegen der zentralen Bedeutung des Tausches und der Preisbildungen für das Wirtschaftsgeschehen wurde v o n dem englischen N a t i o n a l ö k o n o m e n Richard W h a t e l y (1831) der N a m e „Katallaktik" oder Wissenschaft v o m Tausch als geeignetster N a m e für die Wirtschaftswissenschaft vorgeschlagen; er wird gelegentlich noch für die Lehre v o n der Preisbildung verwendet.
Damit ist f ü r die Verkehrswirtschaft die Frage nadi dem Was, Wie und W o f ü r der wirtschaftlichen Tätigkeit grundsätzlich entschieden: nicht durch obrigkeitliche Setzung, sondern nach dem freien Ermessen aller einzelnen, die aber ihre eigenen Wirtschaftsziele über • den Markt, d. h. unter Berücksichtigung des Bedarfs anderer, verwirklichen. D i e besondere A u f g a b e der Wirtschaftswissenschaft ist a u f z u weisen, w i e es durch das ökonomische Verhalten zahlreicher Einzelner zur Bildung der Preise kommt, und wie durch die Orientierung des Verhaltens an Preisen das wirtschaftliche Geschehen bestimmt wird.
Die staatliche Bestimmung des Wirtschaftens geschieht demgemäß im Prinzip nur durch die Setzung formaler Normen: der Staat gestaltet die Ordnungsform, bestimmt aber nicht inhaltlich das wirtschaftliche Geschehen. 2 . B. bestimmt er, was „Geld" ist (Geld als „Geschöpf der Rechtsordnung", Knapp), aber die Bildung des Geldwertes, d. h. der „ K a u f k r a f t " des Geldes im Ausdruck der einzelnen Güterpreise, überläßt er dem Marktgeschehen. Die die ökonomische Freiheit der einzelnen setzenden und begrenzenden Normen sind namentlich die Anerkennung des Privateigentums und die Bestimmung seiner Grenzen sowie die Vertragsform f ü r die Bildung interpersonaler ökonomischer Beziehungen. „Es w a r das Hauptbestreben der großen individualistischen Schriftsteller, Institutionen z u finden, durch die die Menschen d a z u geführt werden konnten, durch eigene Wahl und aus den Beweggründen, die ihr gewöhnliches Verhalten bestimmen, s o v i e l w i e möglich zur Bedürfnisbefriedigung aller anderen beizutragen, und sie entdeckten, daß das System des Privateigentums
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Ordnungsformen der Gesellschaftswirtschaft
die Menschen in weit höherem Maß in diesem Sinn führte, als bisher erfaßt worden war. Sie behaupteten jedoch nicht, daß dieses System nicht der Verbesserung fähig war, und noch weniger, wie eine andere o f t zu hörende Verzerrung ihrer Argumentation es haben will, daß es eine .natürliche Harmonie der Interessen' gäbe, losgelöst von den positiven Institutionen. Sie waren sich des Widerstreites der individuellen Interessen sehr wohl bewußt und betonten die Notwendigkeit .wohlgebauter Institutionen', in denen .Regeln und Grundsätze der widerstreitenden Interessen und der abgewogenen Vorteile' (Edmund Burke) die gegeneinander stehenden Interessen versöhnen würde, ohne irgend einer Gruppe die Macht zu geben, die eigenen Ansichten und Interessen stets über die der anderen vorherrschen zu lassen." (F. A. Hayek, Individualismus und wirtschaftliche Ordnung. Deutsch, Erlenbach-Zürich 1952, S. 23/24.) 2. E i g e n t u m
und
Vertrag
M i t der Anerkennung des Privateigentums als andere Personen ausschließende V e r f ü g u n g über Sachen ist z u gleich anerkannt, daß das Überlassen v o n Eigentum zu Gebrauch und N u t z u n g durch andere dem freien Ermessen des Eigentümers vorbehalten ist. N e b e n die V e r w e n d u n g v o n Eigentum z u eigenem Gebrauch und V e r brauch tritt daher als wichtige ökonomische V e r w e n d u n g sein vertragliches Verfügbarmachen für andere gegen Entgelt, d. h. zum Erzielen v o n Einkommen. Hauptformen der wirtschaftlichen Verträge sind der Tauschvertrag (einschl. Kaufvertrag, Arbeitsvertrag etc.), der Gesellschaftsvertrag und der Versicherungsvertrag. Z u m Eigentum im ökonomischen Sinne ist namentlich das an der eigenen Person zu rechnen; es ist Basis der Erzielung v o n Arbeitseinkommen durch Leistungen für andere. Am Unterschied zwischen Arbeits-(Leistungs-)einkommen und Besitzeinkommen haben sich stets soziale Gegensätze entzündet. Neben den Grund und Boden als früher hauptsädilicher Quelle des ökonomisch bedeutsamen Besitzeinkommens und Grundlage des Feudalsystems trat mit der Entwicklung der modernen („ka-
Die verkehrswirtsdiaftliche Ordnung
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pitalistischen") Wirtschaft das Eigentum an Produktionskapital, in dem der Sozialismus den Angelpunkt der sozialen Gegensätze sieht.
Das Arbeitseinkommen gilt als gegenüber dem Besitzeinkommen schütz- und förderungsbedürftig, zumal wenn es die einzige Basis zur Einkommenserzielung f ü r den größten Teil der Bevölkerung darstellt. Daneben knüpfen sich an das Besitzeinkommen die besonderen ökonomischen Probleme der Bildung wirtschaftlicher Machtstellungen, d. h. die Ungleichheit der Chancen der Vertragspartner und dadurch die Beeinflussung der Ergebnisse ihres Zusammentreffens auf Märkten. (Vgl. Bd. III, Kap. I, § 4.) In dieser Beziehung fand und findet das Instrument der Eigentumsvererbung stärkste ökonomische Beachtung als Möglichkeit der Verfestigung ökonomischer Madit durch die Generationen hindurch, daher des Erstarrens der Klassenschichtung und der Vererbung wirtschaftlicher Führungsstellungen.
3. W e t t b e w e r b Die Funktionsfähigkeit der marktwirtschaftlich geordneten Gesellschaftswirtsdiaft ist abhängig von dem V o r liegen von Wettbewerbsverhältnissen auf den Märkten: das Geltendmadien des ökonomischen Eigeninteresses muß unter der Kontrolle gleichgerichteter Interessen vieler anderer stehen, wenn die Bildung ökonomischer Machtpositionen und ihr Mißbrauch f ü r individuelle Zwecke verhindert werden soll. Grundlage der gesamtwirtschaftlich vorteilhaften Ausnutzung des Strebens aller Einzelnen nach höchstmöglichem Wirtschaftserfolg ist, daß nur durch beste und billigste Leistung der private Wirtschaftserfolg zu sichern sei, nicht durch Leistungsverweigerung bzw. Leistungsminderung. Die letztgenannte Möglichkeit liegt bei Monopolen vor: bei monopolistischem Angebot kann die Angebotsmenge k n a p p gehalten werden, um den Preis f ü r die Einheit höher zu halten, bei vollem Wettbewerb dagegen kann kein einzelner durch Leistungsverminderung den M a r k t -
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Ordnungsformen der Gesellschaftswirtschaft
preis der Leistung fühlbar beeinflussen und dadurch seinen Wirtschaftserfolg verbessern. „Der Wettbewerb ist in erster Linie ein Entmachtungsinstrument. In einer Wettbewerbswirtschaft ist jeder von allen, aber keiner von einem bestimmten anderen abhängig. D a ß jeder von allen abhängig ist, ist eine Folge der Arbeitsteilung und des Tausches. D a ß sich aber diese Abhängigkeit eines jeden von den Wirtschaftsplänen und Wirtschaftsreaktionen aller nicht verschärft zu einer Abhängigkeit eines jeden oder wenigstens eines großen Teiles der Individuen von der Willkür und dem Gutdünken bestimmter einzelner Individuen, das ist eine Folge des Wettbewerbs. Der Wettbewerb kann uns nicht frei machen von der Furcht vor Schicksalsschlägen, vor Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger, aber er macht uns, indem er uns die Möglichkeit gibt, von einem bestimmten Lieferanten, Kunden, Arbeitgeber, Kreditgeber usw. auf viele andere auszuweichen, zwischen ihnen auszuwählen, frei von der Furcht vor der Madit der Menschen." (Franz Böhm, Das Kartellproblem. I n : Schweiz. Zeitschrift für Volksw. und Statistik 1951, S. 199.) N a c h der Wettbewerbstheorie ist der V o r t e i l der einzelnen mit dem des G a n z e n vereinbart, w e i l 1. jeder nur tauscht, w e n n er dabei seinen V o r t e i l besser gewahrt sieht als bei Nichttausch, 2. jeder z u den besterreichbaren Bedingungen tauscht, 3. dabei jeder dem gleichgerichteten Streben anderer gegenübersteht u n d daher nur durch G ü t e und Billigkeit seiner Leistung z u m Zuge k o m m t , 4. Fortschritte, die der einzelne macht u n d die ihm einen besonderen Vorteil erbringen, v o n allen anderen aufgeholt w e r d e n können. D e r W e t t b e w e r b ist um so reiner, je unpersönlicher die Beziehungen wirtschaftlicher Art zwischen den Menschen sind, so d a ß Kontrahent des einzelnen nicht ein benennbarer anderer ist, sondern der „Markt", d. h. ein objektiver Regulator der Tausch- und K a u f b e d i n g u n g e n . Als soziologische Kategorie ist Wettbewerb ein Verfahren der Auslese von Bewerbern um „knappe" Güter, Stellungen, Positionen etc., das anderen Verfahren wie obrigkeitlicher Zutei-
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lung, Vererbung, Bedarfs- oder Eignungsprüfung, Tradition etc. gegenübersteht. Der Wettbewerb ist erst seit dem 18. J a h r h u n dert zu seiner heutigen Bedeutung als soziologisches und speziell als ökonomisches Prinzip gelangt.
§ 3. Gelenkte Marktwirtschaft und Zwangswirtschaft 1. P l a n u n g u n d Zwang Setzung formaler N o r m e n innerhalb des verkehrswirtsdiaftlidien Systems bedeutet, daß der Staat die „Spielregeln" bestimmt und ihr Einhalten überwacht, aber keinen Einfluß auf den Ausgang des Spieles, d. h. auf das Ergebnis des wirtschaftlichen Geschehens, nimmt. Eine solche „Neutralität" des Staates ist heute nicht mehr denkbar; auch in den verkehrswirtschaftlich geordneten Systemen nimmt er mehr oder weniger Einfluß auf das Geschehen. a) Die im älteren Liberalismus vertretene Auffassung möglichster Einschränkung der staatlichen Tätigkeit auf das unabwendbar Notwendige („Nachtwächterstaat") steht in Widerspruch zu der historischen Tatsache, daß sich die dem Staat zugewiesenen Aufgaben und Verantwortungen ständig ausgeweitet haben („Gesetz der wadisenden Staatsaufgaben"). Der Anteil der öffentlichen Haushalte einschl. Sozialversicherungen am Bruttosozialprodukt stieg in der Bundesrepublik Deutschland von 1950 bis 1961 von 31 auf 38 Prozent. b) Diese staatlichen Aufgaben beziehen sich zu einem erheblichen Teil direkt oder indirekt auf das wirtschaftliche und soziale Geschehen. Soweit sie es nicht tun, bedingen sie doch Verfügung des Staates über Geldmittel in einem solchen U m fang, daß allein das Gewicht der „fiskalischen" Maßnahmen des Staates unvermeidbar das wirtschaftliche Geschehen beeinflußt. c) Die Ergebnisse der freien Marktpreisbildung sind gegen materielle Postulate indifferent, denn die Preisbildung bemißt nicht die Bedürfnisse nach ihrer sachlichen oder sozialen Dringlichkeit, sondern sie bemißt die Größe der „kaufkräftigen" Nachfrage, also nur das formale Moment, mit welcher Stärke sich die verschiedenen Ansprüche — in Geldgrößen gemessen — auf den Märkten begegnen. Vom Staat wird erwartet und gefordert, daß er diese Ergebnisse teils beeinflußt (z. B. Schutz
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Ordnungsformen der Gesellschaftswirtschaft
des Mittelstandes gegen überlegene Konkurrenz, der Landwirtschaft, der Arbeiter), teils nachträglich korrigiert (z. B. soziale Unterstützung, progressive Einkommensteuer etc.). Den Idealen der Selbstverantwortung, des Eröffnens freier Chancen mit der notwendigen Ergänzung des privaten Risikos werden die der sozialen Gerechtigkeit, der sozialen Sicherheit und andere entgegengestellt („Wohlfahrtsstaat"). d) Auch in dem Umfang, in dem den freien K r ä f t e n des Marktes Spielraum gelassen wird, bestehen Zweifel, ob diese in der Tat zu einem Ausgleich und Optimum führen; namentlich wird auf die wiederkehrende Erscheinung der Krisen und der Arbeitslosigkeit hingewiesen. Die Selbststeuerungsfähigkeit der freien Wirtschaft wird um so mehr bezweifelt, als die Lenkungskräfte der Preisbildung in steigendem Maße durch Preisbindungen und -Starrheiten ausgeschaltet worden sind. e) Der Wirtschaftsliberalismus reiner Form bestreitet eine der Marktwirtschaft innewohnende Tendenz, sich durch Monopolbildungen und Regulative aller Art selbst aufzuheben. „Das gro.ße Monopolproblem, dem die Menschheit heute gegenübersteht, ist nicht eine Auswirkung der Marktwirtschaft. Es ist das Ergebnis vorsätzlicher Handlungen der Regierungen." (L. v. Mises, H u m a n Action. N e w H ä v e n 1949, S. 363.) D e r staatlichen Wirtschaftsbeeinflussung k a n n hiernach zum Ziel gesetzt werden: Sicherung des systemgerediten Ablaufs der freien Verkehrswirtschaft (z. B. durch M o nopolverhinderung oder -kontrolle), Beeinflussung der Ergebnisse der freien Verkehrswirtschaft, Korrektur der Ergebnisse, Beseitigung verkehrswirtschaftlicher Ordnungsformen. D e r Vielgestaltigkeit der Ziele entspricht die der Mittel. Eine allgemeine Übersicht läßt sich nur in Umrissen andeuten. D a z u k a n n unterschieden werden zwischen: 1. Lenkungsmaßnahmen, durch die die verkehrswinschaftlidie Ordnung nicht grundsätzlich beseitigt wird („marktkonforme Wirtschaftspolitik"), 2. Zwangsmaßnahmen, bei denen sich der Staat seiner Weisungs- und Befehlsgewalt bedient, um das wirtschaftliche Verhalten seiner Bürger direkt zu bestimmen („Dirigismus", „ Zwangswirtschaft").
Gelenkte Marktwirtschaft und Zwangswirtschaft
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V o n der Wirtschaftspolitik wird unterschieden die „Sozialpolitik", deren „Ziel die Oberwindung der Gefährdung der Ausgeglichenheit und Funktionsfähigkeit der Gesamtgesellschaft durch die unvermeidliche Gruppendifferenzierung der Wirtschaftsgesellschaft ist." (Gerhard Albrecht).
2. G e l e n k t e
Marktwirtschaft
Staatliche Lenkung der Marktwirtschaft steht nicht im Widerspruch zu der Feststellung, daß die Wirtschaft „eigenen" Gesetzen folgt, diese sind vielmehr Voraussetzung f ü r die Möglichkeit, in Anwendung dieser Gesetze die Wirtschaftsergebnisse zu beeinflussen. D a s Verhältnis ist nicht anders als das der Technik zu den Naturgesetzen: weil es Gesetze des Naturgeschehens gibt, kann in Kenntnis dieser Gesetze eine Ursache herbeigeführt werden, um die gewünschte Wirkung zu erreichen.
D a in der Verkehrswirtschaft das wirtschaftliche Geschehen durch die Entscheidungen der wirtschaftenden Menschen bestimmt wird, kann der Staat die Ergebnisse beeinflussen, indem er die „Daten" verändert, an denen sich die wirtschaftlichen Entscheidungen der Menschen orientieren. D e r Staat kann sich selbst am Markt beteiligen ( A u f k a u f v o n „Überschüssen" und bei Angebotsmangel Lieferung aus eigenen Beständen), er kann die Angebots- und N a d i f r a g e mengen der Privaten beeinflussen (z. B. Verteuerung ausländischer Waren durch Zölle), er kann den Zutritt Privater zum Markt regeln (Konzessionszwang) etc.
Beeinflussung des Marktes erfolgt außerdem durch die staatliche Geldpolitik, deren „Neutralität", gemeint als fehlender Einfluß auf das „reale" Wirtschaftsgeschehen, nicht in vollem U m f a n g gewahrt werden kann. Die als „soziale Marktwirtschaft" bezeichnete W i r t schaftsordnung der Bundesrepublik bezeichnet ein wirtschaftspolitisches System, das auf Grundlage einer W e t t bewerbswirtschaft die freie Initiative mit sozialem Fortschritt verbinden will. Wirtschaftsfreiheit und Privateigentum sind durch das Grundgesetz gesichert, unter-
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Ordnungsformen der Gesellschaftswirtschaft
liegen aber sozialen Bindungen. Der Staat setzt die Bedingungen, unter denen sich die Marktvorgänge abspielen sollen. Er soll lenkend eingreifen, wenn in einzelnen Bereichen dem Wettbewerb nicht freies Spiel gelassen werden k a n n oder die Ergebnisse sozial nicht tragbar sind. Auch bei diesem Eingreifen soll er sich möglichst „marktkonformer" Mittel bedienen. Im Prinzip nicht „ m a r k t k o n f o r m " sind punktuale Eingriffe in die Tätigkeit einzelner Unternehmungen, wie Kontingentierung und Bewirtschaftung von Rohstoffen durch Zuteilungen auf Grund von Bedarfsprüfungen, von Devisen und Importen durch besondere Genehmigungen, Investitionslenkung durch Bewilligung der einzelnen Vorhaben etc. Dagegen wird bei globaler Lenkung durch behördliche Maßnahmen einheitlich f ü r alle beteiligten U n ternehmungen eine Veränderung der Marktdaten herbeigeführt, an denen sie sich nach freiem Ermessen orientieren. Beispiele sind Importzölle, Beiträge zur sozialen Versicherung, Diskontpolitik etc. 3. Z w a n g s w i r t s c h a f t Von zwangswirtschaftlichen Regulierungen kann gesprochen werden, wenn die freie Betätigung der W i r t schaftssubjekte, namentlich der freie Abschluß von Tausch-, Arbeits-, Leih- und anderen Verträgen aufgehoben ist, damit im ganzen oder f ü r die betroffenen Sektoren das Steuerungsinstrument der Preise außer K r a f t gesetzt worden ist. a) Schroffste Form der Zwangswirtschaft ist das direkte Gebot zu einem bestimmten wirtschaftlichen Tun, z. B. die Dienstverpflichtung von Menschen zu bestimmten Tätigkeiten nach festgesetztem Entgelt (z. B. allgemeine Wehrpflicht), der A n bau- und Lieferungszwang für bestimmte agrarische Erzeugnisse. In diesen Bereichen wird den B e t r o f f e n e n die Eigenschaft, „Wirtschaftssubjekt" zu sein, entzogen. b) Eine lockere Form der Zwangswirtschaft liegt vor, w e n n für eine festgelegte ökonomische Situation ein bestimmtes Ver-
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h a l t e n vorgeschrieben w i r d . Z. B. A b l i e f e r u n g s z w a n g f ü r D e v i s e n z u e i n e m festen Kurs, H a f t p f l i c h t v e r s i c h e r u n g f ü r K r a f t f a h r z e u g h a l t e r etc. Entscheidend ist hierbei, d a ß der e i n z e l n e sich nicht frei entscheiden d a r f , o b er dieses V e r h a l t e n als in seinem ö k o n o m i s c h e n Vorteil liegend betrachtet.
Auch hier sind die einzelnen Formen so mannigfach, daß eine Typisierung schwer denkbar ist. Man wird die Erwägung zugrunde legen können, wieweit die freie wirtschaftliche Entscheidung aufgehoben ist. Von der Grundlage der abendländischen Kultur und ihren Werten aus gesehen ist es zwischen Liberalisten und freiheitlichen Sozialisten nicht strittig, daß „die Vermutung f ü r Dispositionsfreiheit der Teilnehmer der Wirtschaftsgesellschaft spricht und der Politiker, der Eingriffe für geboten hält, beweispflichtig f ü r Art und Maß der f ü r erforderlich gehaltenen Eingriffe ist. Die Beweiskraft trägt nicht der Befürworter der Freiheit, sondern der Befürworter des Zwanges." (G. Weisser, Die Uberwindung des Ökonomismus in der Wirtschaftswissenschaft. In: Grundsatzfragen der Wirtschaftsordnung. Berlin 1954, S. 38).
Kap. III. Sozialprodukt und Volkseinkommen § 1. Begriffe 1. S o z i a l p r o d u k t Das Gesamtergebnis der volkswirtschaftlichen Tätigkeit einer Periode (eines Jahres), das in Geldgrößen bewertet werden kann, wird als „Brutto-Sozialprodukt" bezeichnet. Im einzelnen u m f a ß t es den Wert 1. d e r G ü t e r u n d L e i s t u n g e n , d i e d e n Verbraucherhaushalten und d e m S t a a t zugeflossen sind ( p r i v a t e r u n d staatlicher V e r brauch), s o w e i t nicht ein Teil der S t a a t s k ä u f e als I n v e s t i t i o n e n b e h a n d e l t u n d z u 2. gerechnet w i r d , 2. der G ü t e r , d i e d e n B e s t ä n d e n in U n t e r n e h m u n g e n z u g e f ü h r t w o r d e n sind ( W e r t der Z u g ä n g e z u A n l a g e n , G e b ä u d e n , 4 Paulsen, Allg Volkswirtschaftslehre I
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Sozialprodukt und Volkseinkommen
Maschinen, sowie Änderung der Lagerbestände), Brutto-Investierung, 3. des Zuwachses an Forderungen gegen das Ausland bei Überschuß des Exports über den Import (umgekehrt: Minderung). D a s Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland (ohne Berlin) 1962 1 ) war: Privater Verbrauch 192,2 Mrd. D M Staatsverbrauch 49,9 Mrd. D M Investitionen: Anlagen 85,5 Mrd. D M Vorratsveränderungen + 5,3 Mrd. D M Außenbeitrag + 3,9 Mrd. D M Bruttosozialprodukt 336,8 Mrd. D M ') Erste voläufige Ergebnisse. Ouelle: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1963, S. 546. Erfaßt werden sollen alle „ökonomischen" Leistungen in ihrem „Endwert", d. h. unter V e r m e i d u n g v o n D o p p e l zählungen. a) Nicht erfaßt werden Leistungen, denen kein Marktwert beigelegt wird. Namentlich werden alle Leistungen innerhalb der Verbraucherhaushalte nur gezählt, soweit sie durch bezahlte Angestellte getätigt werden, dagegen nicht die der Hausfrauen. b) Da der Produktionswert der Güter erfaßt wird, können die Leistungen der an der Güterproduktion mitwirkenden Faktoren nicht noch einmal gezählt werden. Ebenso können nicht die Umsätze der Unternehmungen untereinander gezählt werden, da nur die „Wertschöpfungen" („value added") in den einzelnen Produktionsstufen zu erfassen sind, die sich zum Endwert der Produkte summieren. c) Wert der Güter bzw. Dienste ist ihr Preis. Zum Vergleich realer Größen müssen bloße Preisveränderungen ausgeschaltet werden; man bezieht dazu die Menge in den verschiedenen Jahren auf die Preise eines Basisjahres (Bezugsjahr; ein „normales Jahr"). d) Alle Gewinne oder Verluste von Personen oder Gruppen, die nicht mit der Erzeugung von Gütern oder der Leistung von
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Diensten in der betrachteten Periode zusammenhängen, bleiben unberücksichtigt, wie z. B. Preisänderungen v o n G ü t e r n auf Lager, Kursänderungen v o n W e r t p a p i e r e n etc. e) Die G e s a m t z i f f e r kann in vielfacher Weise mit anderen G r ö ß e n in Verbindung gebracht werden. Z. B. ergibt sich bei Beziehung auf die Bevölkerungszahl die Versorgung pro K o p f , auf die Zahl der Beschäftigten die Ergiebigkeit dfer A r b e i t je Beschäftigten (bzw. Beschäftigungsstunde) etc.
2. N e t t o - S o z i a l p r o d u k t u n d V o l k s einkommen, Im Brutto-Sozialprodukt einer Periode ist der Wert der Leistungen eingeschlossen, die die Abnutzungen und den Verbrauch von Anlagegütern und Beständen in der Periode ausgleichen. Wird dieser der „Vermögenscrhaltung" dienende Teil im Wert der normalen Abschreibungen ausgeschaltet, so bleibt das Netto-Sozialprodukt. Die Brutto-Investition als gesamte Zuführungen an die Bestände setzt sich zusammen aus Ersatz-Investition und N e t t o investition. N u r letztere gehört zum N e t t o - S o z i a l p r o d u k t . Sie kann negativ sein, wenn die Ersatz-Investition die A b n u t z u n g nicht ausgleicht. Die Ersatzinvestierung braucht die abgenutzten K a p i t a l g ü t e r nicht in physisch gleichartiger Form zu ersetzen.
Das „Netto-Sozialprodukt zu Marktpreisen" enthält neben den Werten der „produktiven Leistungen" (Faktorkosten) auch den Wert der im Zuge der Produktion entstandenen Steuern (Kostensteuern), die zum Teil ausgeglichen werden durch „Subventionen" des Staates. DieSteuern heben den Marktpreis der Güter über das bei ihrer Produktion entstandene Einkommen, die Subventionen lassen umgekehrt mehr Einkommen entstehen, als das auf der Grundlage gezahlter Marktpreise ermittelte Einkommen ausmacht. Nach Abzug des Saldos dieser Werte gelangt man zum „Netto-Sozialprodukt zu Faktorkosten", auch als „Volkseinkommen" bezeichnet; dieser Wert bemißt die Höhe der durch die Produktion entstandenen Einkommen. 4»
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Sozialprodukt und Volkseinkommen
Das Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland 1962 1 ) ergab in folgender Weise das Nettosozialprodukt zu Faktorkosten (Volkseinkommen): Bruttosozialprodukt — Abschreibungen Nettosozialprodukt zu Marktpreisen -*- indirekte Steuern abzüglich Subventionen Nettosozialprodukt zu Faktorkosten
336,8 Mrd. D M 30,2 Mrd. D M 306,6 Mrd. D M 46,4 Mrd. D M 260,2 Mrd. D M
Erste vorläufige Ergebnisse. Quelle: Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik land, 1963, S. 538.
Deutsch-
D a s Volkseinkommen ist nur insoweit „Personales Eink o m m e n " , als es nicht in F o r m unausgeschütteter G e w i n n e in Körperschaftsunternehmungen verbleibt oder für Körperschaftssteuern u n d Unternehmerbeiträge zur Sozialversicherung in den staatlichen Sektor fließt. Ein Teil der Staatseinnahmen wird dagegen durch N e u v e r t e i l u n g zu persönlichem Einkommen. Diese indirekten Übertragungen v o n Einkommen sind die staatlichen Transferzahlungen; dazu rechnen besonders die aus Steuern und Zwangsbeiträgen finanzierten Zahlungen v o n Zinsen auf Staatsanleihen sowie soziale Renten aller Art. Weder mit den staatlichen Transferzahlungen noch mit direkten Übertragungen von Einkommen in Form von Geschenken, Erbschaften, Lotteriegewinnen u. ä. sind produktive Leistungen verbunden, die das Gesamteinkommen erhöhen. Diese „Umverteilungen" berühren jedoch die Höhe des individuellen Einkommens. Einkommensteuern und Beiträge zur Sozialversicherung aus persönlichem Einkommen reduzieren dieses z u m »disponiblen Einkommen" („verfügbares Einkommen"). Das disponible persönliche Einkommen ist wertgleich dem Wert der Käufe von Gütern und Diensten durch Haushalte
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(„Verbrauch") plus dem Zuwachs an Vermögen („Sparen" der Haushalte. Zusammenfassend ergibt .sich folgende Systematik der Einkommensbegriffe: Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen — normale Abschreibungen = Nettosozialprodukt zu Marktpreisen — indirekte Steuern (soweit von Unternehmungen unmittelbar an den Staat gezahlt und bei der Gewinnermittlung als Kosten abzugsfähig) + Subventionen = Nettosozialprodukt zu Faktorkosten (Volkseinkommen) — unverteilte Gewinne der Körperschaften — Körperschaftssteuern — Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung + Transferzahlungen = Personales Einkommen — persönliche direkte Steuern — Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung = Verfügbares (disponibles 1 ! Einkommen. Sozialproduktkonto f ü r die Bundesrepublik Deutschland (ohne Berlin) 1961, in Mrd. D M 176,3 Privater Verbrauch Einkommen aus u n selbständiger Arbeit 150,1 Staatsverbrauch 32.3 zivile Zwecke Andere Einkommen 90,7 Verteidigung 11.4 Nettosozialprodukt Investitionen zu Faktorkosten 240,8 BruttoanlageIndirekte Steuern 77,6 investitionen (abz. Subventionen) 42,7 6,0 Vorratszuwachs Nettosozialprodukt zu Marktpreisen Abschreibungen
283,5 26,9
Gesamte nationale Ausgaben Exportüberschuß
303,6 6,8
Bruttosozialprodukt Bruttosozialprodukt 310,4 310,4 zu Marktpreisen zu Marktpreisen Qelle: Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland, 1963, S. 546. — G. Bombach, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen. I n : H a m b u r g e r Jahrbuch f ü r Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Jg. 6, Tübingen 1961, S. 58.
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Sozialprodukt und Volkseinkommen
§ 2. Entwicklung des Sozialprodukts 1. S o z i a l p r o d u k t
und
V o l k s w o h l s t a n d
D i e W o h l f a h r t eines V o l k e s h ä n g t n u r z u e i n e m T e i l v o n seiner ö k o n o m i s c h e n W o h l f a h r t a b . Es w ä r e ein V e r k e n n e n d e r W i r t s c h a f t als B e s c h a f f u n g v o n M i t t e l n z u a u ß e r h a l b der W i r t s c h a f t gesetzten Zwecken zu meinen, aus d e r L o g i k d e r M i t t e l b e s c h a f f u n g k ö n n t e h ö c h s t m ö g liche G ü t e r p r o d u k t i o n als n o t w e n d i g e r Z w e c k a b g e l e i t e t werden („Ökonomismus"). „Die .Wertschöpfung' einer Epoche der Wirtschaftsgeschichte, die einen gewaltig gesteigerten Ausstoß an Gütern und Diensten aufweist, kann sehr gering sein, wenn dieser Ausstoß . . . mit der Zerstörung wesentlicher Persönlichkeitswerte verbunden ist; beispielsweise mit einem radikalen Schwund der Werte des Selbstverantwortlichhandelns in der Wirtschaft oder mit kultureller Verflachung der Gesellschaft infolge eines Übermaßes an psychischer Beanspruchung durch den wirtschaftlichen Kampf ums Dasein oder mit einer erschreckenden Atomisierung der Gesellschaft als Wirkung einer O r d n u n g des sozialen Lebens, die z w a r zu hohen Ausstoßzahlen f ü h r t , aber den Sinn f ü r Gemeinschaft zerstört." (Gerhard Weisser, a. a. O., S. 23.) Auch die „ökonomische W o h l f a h r t " u n d ihre V e r ä n d e r u n g k a n n nicht a l l e i n a n d e n Z i f f e r n des S o z i a l p r o d u k t s g e m e s s e n w e r d e n ; doch ist E r h ö h u n g des S o z i a l p r o d u k t s wichtigste V o r a u s s e t z u n g f ü r die H e b u n g der sozialen Wohlfahrt. a) Der Preisausdruck besagt nichts über den Wert der Güter im Wohlfahrtssinne, da der Marktpreis nicht die Dringlichkeit des Bedarfs mißt, sondern das Ausmaß der k a u f k r ä f t i g e n und kaufwilligen Nachfrage im Verhältnis zu den Kosten der P r o duktion. b) Ein gleicher Gesamtwert des Sozialprodukts kann daher bei verschiedener Zusammensetzung nach Güterarten durchaus unterschiedliche Bedeutung f ü r die ökonomische W o h l f a h r t haben („Kanonen statt Butter"). c) Geänderte Einkommensverteilung gibt einem unveränderten Sozialprodukt eine geänderte Wohlfahrtsbedeutung. d) Mit wachsender Einbeziehung aller Wirtschaften in die marktwirtschaftlichen Vorgänge werden bisher in Haushalten
Entwicklung des Sozialprodukts
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„unentgeltlich" vollzogene Leistungen zu auf dem Markt verkauften und beschafften, damit in die Einkommensstatistik einbezogen, obwohl die reale Leistungsmenge unverändert ist. e) Die Voraussetzung, daß der einzelne seine wahren Bedürfnisse ausreichend kennt und berücksichtigt, somit seine Wohlfahrt bestmöglich wahrt, ist zweifelhaft. f) Erhebliche Schwankungen in der Höhe des Sozialprodukts bedeuten wegen der damit verbundenen Unsicherheit und U n stabilität eine Wohlfahrtsminderung gegenüber einer gleichmäßigeren Entwicklung. Die erreichte H ö h e des Sozialprodukts sichert f ü r den größten Teil der Menschheit noch keinen ausreichenden physischen Versorgungsgrad und bleibt weit unter dem sozial und kulturell erwünschten Stand. D i e „ W o h l f a h r t s ö k o n o m i e " ( „ w e l f a r e e c o n o m i c s " ) als ein neuerer — umstrittener — Z w e i g der Wirtschaftswissenschaft bemüht sich u m die theoretische H e r a u s a r b e i tung objektiver Kriterien für Vergleiche zwischen ö k o n o mischen Z u s t ä n d e n als „besser" o d e r „schlechter" im H i n blick auf ein soziales O p t i m u m . „Ein soziales Optimum ist definiert als eine Situation, in der niemand zu einer von ihm bevorzugten Position gelangen kann, ohne daß ein anderer in eine Position gerät, die er weniger bevorzugt. Negativ ausgedrückt: das System befindet sich nicht in einem sozialen Optimum, wenn möglich ist, eine Reorganisation oder ein anderes Arrangement von Gütern durch Tausch oder Produktion durchzuführen, welche mindestens eine Person in eine günstigere Lage bringt (gemeint als eine von ihr bevorzugte Position), ohne daß andere in eine schlechtere Lage gebracht werden (gemeint als ihr Verbringen in eine Lage, die sie der ursprünglichen Lage nicht vorziehen). Eine Situation, in der A auf Kosten von B in eine verbesserte Lage gebracht wird, kann nach diesem Kriterium nicht beurteilt werden, da das interpersonale Vergleiche bedingen würde." (K. E. Boulding, in: Bernard F Haley (Ed.), A Survey of Contemporary Economics. Vol I I . Homewood 1952, S. 12.) Das so bestimmte Optimum wird als „Pareto-Optimum" bezeichnet. — Das „Kaldor-Kriterium" unterstallt eine Verbesserung des gesamten sozialen Optimums dann, wenn die durch eine Veränderung Begünstigten
Sozialprodukt und Volkseinkommen
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in der Lage sind, den Benachteiligten einen Ausgleich für den Nachteil zu zahlen, trotzdem aber noch besser gestellt sind als vorher. 2. G e s c h i c h t l i c h e
Entwicklung
G r u n d z u g der E n t w i c k l u n g (in den „kapitalistischen" Volkswirtschaften) ist erhebliches Wachstum des S o z i a l produkts als Gesamtgröße w i e auch bezogen auf die Bev ö l k e r u n g s z a h l u n d Zahl der Beschäftigten. Ausdruck h i e r f ü r w a r die E r h ö h u n g des „ P r o d u k t i o n s p o t e n t i a l s " durch technische Fortschritte, Erhöhung der Ausstattung mit „Anlagekapital" (Maschinen etc.) u n d organisatorische Verbesserungen. Die in der wirtschaftlichen Entwicklung führenden Länder erzielten im letzten Jahrhundert eine Erhöhung des Sozialprodukts pro Kopf auf das Dreifache bis Sechsfache.
Jahr
Sozialprodukt und Volkseinkommen im heutigen Bundesgebiet Deutschland in Mrd. D M (in jeweiligen Preisen) BruttoNettoBruttosozialprodukt Sozialprodukt sozialinsges.
1925 1932 1950 1955 1957 1959 1961 1962 . 2
41,6 33,6 97,2 178,3 213,6 247,9 310,4 336,8
Einwohn. Markt(in DM) preisen 1 167 903 2 072 3 624 4 235 4 801 5 746 6 150
38,3 30,2 87,1 163,5 195,3 226,7 283,5 306,6
Faktor- in Preisen kosten von 1954 34,0 25,3 74,5 137,5 165,8 191,7 240,8 260,2
113,1 174,4 196,5 216,5 252,5 262,9
Vorläufiges Ergebnis. ) Erstes vorläufiges Ergebnis. Quelle: Statistisches Jahrbuch f ü r die Bundesrepublik Deutschland, 1963, S. 538.
Einkommensarten und Einkommensverteilung
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Die (im langfristigen Durchschnitt erzielte) W a c h t u m s r a t e v o n ca. 3 °/o im J a h r ist keine k o n s t a n t e G r ö ß e , v i e l m e h r ist die tatsächliche E n t w i c k l u n g gekennzeichnet durch sehr starke S c h w a n k u n g s g r a d e , in denen sich die Einflüsse n i c h t ö k o n o m i s c h e r F a k t o r e n (Krieg, politische U m w ä l z u n g e n etc.), aber auch des Wechsels v o n E x p a n sion u n d K o n t r a k t i o n ( K o n j u n k t u r s c h w a n k u n g e n ) abzeichnen. Das technische „ P r o d u k t i o n s p o t e n t i a l " w u r d e n u r in den „ H o c h k o n j u n k t u r e n " v o l l ausgenutzt. a ) Die konjunkturellen Schwankungen sind vorzugsweise bew i r k t durch die n i d u gleichmäßig, sondern stoßweise erfolgende Ausweitung der K a p i t a l a n l a g e n („Investitionen"). In langfristiger Betraditung erweist sich die Entwicklung im K a p i t a lismus als ein immer wiederholter Vorgang „schöpferischer Zerstörung" (Schumpeter): auf neuer Technik aufgebaute neue Industrien setzen sich durch (Dampfmaschinen, Eisenbahnbau, Elektrifizierung, Motorisierung, Atomenergie . . .). b) Das Phänomen chronischer Unterbeschäftigung, d. h. der Nichtausnutzung aller vorhandenen Arbeitskräfte (Arbeitsangebot) und Anlagen, hat in der Theorie zur Kritik an der Ausgleichstendenz der automatischen Preissteuerung des Systems geführt und zu einer bedeutsamen Abwendung von der sog. „klassischen" Wirtschaftstheorie den Anstoß gegeben ( J . M. K e y nes, General Theory of Employment, Interest, and Money. 1936. — „Keynes'sche Revolution").
§ 3. Einkommensarten und Einkommensverteilung 1. E i n k o m m e n s a r t e n Das Gesamteinkommen der einzelnen Personen b z w . Haushalte (personales Einkommen) k a n n neben dem T r a n s f e r e i n k o m m e n aus verschiedenen funktionellen Einkommensarten zusammengesetzt sein. Üblich ist die U n t e r scheidung folgender ökonomischer Funktionen und der zu ihnen gehörigen Einkommen. A r b e i t : L o h n ; — K a p i t a l : Zins; — Boden: R e n t e ; — Unternehmerleistung: G e w i n n . ( V g l . Bd. III.) a ) Das personale Einkommen z. B. eines Bauern w i r d in der Regel aus Einkommen aus allen genannten Funktionen zusammengesetzt sein.
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Sozialprodukt und Volkseinkommen
b) D a s funktionelle Einkommen ist der W e r t der „ p r o d u k tiven Leistung" des an der P r o d u k t i o n mitwirkenden Faktors und ist nicht abhängig von den Eigentumsverhältnissen der Faktoren, sondern der Ausdruck ihrer ökonomischen K n a p p heit. Z. B. kann der Kapitalzins nicht aufgehoben werden, indem privates Eigentum am Kapital abgeschafft wird, denn solange Kapital k n a p p ist, muß ihm auch ein Wertanteil am P r o d u k t zugerechnet werden, unabhängig d a v o n , wer diesen Anteil als Einkommen erhält. Die „Distributionstheorie" als Lehre der funktionellen Einkommensverteilung behandelt daher die Preisbildung der Produktionsfaktoren. (Vgl. Bd. I I I , K a p . I.) Die statistisch festgestellten Proportionen f ü r die westlichen Länder liegen in der Größenordnung: 70 °/o Arbeitseinkommen, 20—25 °/o Kapitaleinkommen, 5—10 °/o Einkommen aus Bodenbesitz. c) Nicht alle Zuwächse zum Vermögen werden zum „Einkommen" geredinet, z. B. nicht Erbschaften, Lotteriegewinne. Durchweg wird die in der Einkommensbesteuerung verwendete Begriffsfassung übernommen. d) Die N u t z u n g e n langfristiger Gebraudisgüter durch H a u s halte werden nidit zum Einkommen gezählt; eine Ausnahme ist der Mietwert selbstbewohnter Eigenheime.
Bei der Betrachtung der funktionellen Einkommen sind folgende Unterscheidungen von Bedeutung: 1. K o n t r a k t und Residualeinkommen. Erstere sind in ihrer H ö h e (in Geld) fest bedungene Einkommen wie Lohn, Gehalt, Zins, Mieten etc. Werden sie in Unternehmungen erzielt, so sind sie Produktionskosten. Residualeinkommen sind die Einkommen der Unternehmer als Differenz zwischen M a r k t - und Kostenwert der Produktion. 2. A r b e i t s - U n d B e s i t z e i n k o m m e n . U n t e r den Kontrakteinkommen werden die aus Arbeitsleistungen von denen aus sachlichen Leistungen stammenden unterschieden. Lehrgesdiichtlich und wirtschaftspolitisch ist vielfach auf diese Unterscheidung aufgebaut worden; die „Ausbeutungstheorie" z. B. erklärte die Arbeit f ü r allein „ p r o d u k t i v " , daher die Besitzeinkommen als allein durch rechtliche Anerkennung des Eigentums an Produktionsmitteln ermöglichte Ausbeutung der A r beiter. — In der Bundesrepublik Deutschland betrug 1961 bei einem Volkseinkommen von 240,8 Mrd. D M das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit (einschl. Arbeitgeber-
Einkommensarten und Einkommensverteilung
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beitrage zu öffentlichen Einrichtungen der sozialen Sicherung) 150,0 Mrd. D M = 62,3 v.H. des Volkseinkommens. Etwa 1 5 % der westdeutschen Bevölkerung gehört zur Gruppe der „Selbständigen" (1882 dagegen etwa 25 °/o). (Wirtschaft und Statistik, 1962, S. 5). 2.
Einkommensverteilung
D e r Gesamtwert des V o l k s e i n k o m m e n s dividiert durch die Zahl der Einkommensempfänger ( b z w . der Haushalte) ergibt das Durchschnittseinkommen je Einkommensempfänger ( b z w . je Haushalt). D i e Einkommensverteilung ist u m so gleichmäßiger, je geringer der Grad der A b w e i chung der einzelnen E i n k o m m e n v o m Durchschnittseink o m m e n ist. — Eine Darstellungsform der E i n k o m m e n s verteilung ist die sog. L o r e n z k u r v e . (M. O. Lorenz, Methods ot Measuring the Concentration of Wealth. — Publications of the American Statistical Association. V o l . IX. N e w Series, B o s t o n 1905.) Vgl. Abb. 2. Durch solche „Konzentrationskurven" („Lorenzkurven") können selbstverständlich nicht nur die Einkommensverteilungen, sondern alle möglichen „Häufigkeitsverteilungen" dargestellt werden; z.B. prozentualer Anteil der Verkäufe verschiedener VerkaufsGruppen am Gesamtumsatz. In der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Wirtschaft und Statistik. 1954. H f t 6 u. 10) ergab sich auf der Grundlage der Steuerstatistik f ü r 1950 als Anteil der Erwerbspersonen in der leweiligen Einkommensklasse an der Gesamtzahl der Erwerbspersonen: monatl. Einkommen bis 200 D M : 50 %, 200 bis 400 D M : 35 %, über 400 D M : 15 %. — Bei Zusammenfassung zu Familieneinkommen ergeben sich für die gleichen Einkommensgruppen 10 %, 45 % und 45 %. (Nach Berechnungen des Instituts f ü r Wirtschaftsforschung, Berlin.) In den USA bezogen 1947 die untersten 20 % der Einkommensempfänger 4 °/o des Gesamteinkommens, die obersten 20 °/o bezogen 48 % des Gesamteinkommens. D i e U n g l e i c h h e i t der H ö h e der personalen E i n k o m m e n ist z u r ü c k z u f ü h r e n auf: 1. die unterschiedliche A u s s t a t t u n g m i t V e r m ö g e n , daher des B e s i t z e i n k o m m e n s ;
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Sozialprodukt und Volkseinkommen „ L O R E N Z K U R V E N " 1936 UNO 1950
vH aller Einkommen
100 Erläuterung: Ein beliebiger Punkt auf einer, lorenzkurve " bedeutet: Die „ ä r m s t e n ' x v h aller E m p f ä n g e r bezogen y vH aller Einkommen (Beispiel siehe Abb. . 90 vH aller Empfänger bezogen 1?3A=61 vH und 1950 - 6 6 vH aller Einkommen) bzw.: Die .niedrigsten y vH aller E i n k o m m e n wurden von x v H aller Empfänger bezogen.
90
1 0 0 vH aller Empfänger ( x )
"Bruttolohn (bei lohmteuerpflichtigen) bm Gessmfbelrjg der Einkünfte (bei Einkomminsteuwpfl ¡ekligen) ZHÜglith Vergünstigungen njeh 5§7a-e ESt 6 Abgrenzungen weh ESt C . JUT. IIMOCMMT 54 -«SSAbb. 2
Quelle: Wirtschaft und Statistik, 1954, S. 462. 2. die u n t e r s c h i e d l i c h e n E n t g e l t e f ü r d i e v e r s c h i e d e n e n Leistungseinheiten, namentlich Arbeitsleistungen. Ein davon unterschiedenes Problem ist die ungleiche Verteilung des Welteinkommens. Nach einer Angabe des Sekretariats der Vereinten Nationen für 70 Länder, berechnet als P r o - K o p f Einkommen bezogen auf Dollar, ergab sich f ü r 1949: Welteinkommen Bevölkerung Einkommen pro Kopf 915 Dollar Länder mit hohem Eink. 67 % 18 % 310 „ „ mittl. „ 18 % 15 % 54 „ „ tiefem „ 15 % 67 %•
Einkommensarten und Einkommensverteilung
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Es beziehen also 18 % der Weltbevölkerung 67 % des Welteinkommens, aber die Länder mit niederem Einkommen umfassen 2 /s der Weltbevölkerung und beziehen 15 % des Welteinkommens. Das ist die Ausgangslage für die gegenwärtig mit im Vordergrund stehende Weltpolitik der internationalen Förderung der sog. Entwicklungsländer („unterentwickelte Gebiete"). 3.
Einkommensausgleich
D i e Streuung der E i n k o m m e n kann nicht als wirtschaftlich notwendig und sozial gerecht angesehen werden, wenn sie größer ist als durch Leistungsunterschiede gerechtfertigt und im Sinne von Leistungsanreizen n o t wendig. Indessen ist bedeutsam, d a ß 1. die Einkommensverteilung sich in auffällig starkem Ausmaß als relativ konstant erweist; 2. die E i n k o m m e n der unteren Schichten durch H e b u n g des Gesamteinkommens mit relativ gleichbleibender Streuung wirksamer gehoben w o r d e n sind als durch jede m ö g liche Neuverteilung eines Gesamteinkommens v o n gegebener H ö h e . Grundlegende Erfahrung ist, daß bei Maßnahmen zur Neuverteilung eines gegebenen Einkommens regelmäßig auch die Höhe des Einkommens verändert wird. Das gilt entsprechend auch für alle Gesamtgrößen der Volkswirtschaft, und die irrtümliche Auffassung, man könne deren Zusammensetzung verändern, ohne dabei die Gesamtgröße zu beeinflussen, Ist eine Fehlerquelle für theoretische Erwägungen wie für wirtschaftspolitische Maßnahmen. Die T h e o r i e , daß jede K o r r e k t u r der E i n k o m m e n s v e r teilung aus politischen o d e r sozialen G r ü n d e n m i t einer E i n b u ß e an „ ö k o n o m i s c h e r " L e i s t u n g s k r a f t der W i r t schaft e r k a u f t w e r d e n müsse, ist aufgegeben; v e r ä n d e r t e E i n k o m m e n s v e r t e i l u n g k a n n die N e u b i l d u n g des G e s a m t e i n k o m m e n s je nach der Ausgangslage positiv o d e r n e g a t i v beeinflussen. a) Widerlegt ist namentlich die Auffassung eines Teiles der älteren Klassik, daß jede Neuverteilung des Einkommens, verbunden mit einer relativen Senkung der höheren Einkommen,
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Sozialprodukt und Volkseinkommen
die Höhe des Gesamtsparens in der Volkswirtschaft unvermeidlich vermindere, damit aber den Grad der Neubildung von Kapital mindere und daher auf längere Sicht auch den Interessen der Arbeiter abträglich sei. b) Das Argument tritt auch in der Form auf, daß Unternehmergewinne durch Überschüsse der Produktpreise über die Produktionskosten das Ausweiten der Kapitalausstattung durch „Selbstfinanzierung" ermöglichen und daher in entsprechender Höhe volkswirtschaftlich notwendig oder erwünscht seien. Die Möglidikeit des Sparens und der Vermögensbildung durch Haushalte wird aber dadurch entsprechend verringert, die Vermögensbildung wird konzentriert. c) Die Bedeutung der Einkommensverteilung f ü r die H ö h e der Reproduktion des Gesamteinkommens, seine H ö h e und seine Stabilität, wird in der modernen Theorie namentlich über die „Verbrauchsfunktion" und „Sparfunktion" behandelt. (Vgl. Bd. II, Kap. II, sowie Bd. IV.) D e r Einkommensausgleich k a n n betrieben w e r d e n : 1. durch nachträgliche Korrektur, namentlich mit H i l f e der Besteuerung (z. B. Progressivität der E i n k o m m e n steuer). Langfristig am nachhaltigsten wirksam ist dabei die H ö h e der Erbschaftssteuer mit ihrem Einfluß auf die Besitzeinkommen, wobei öfters betont w i . d , die „Produktivität" des Kapitals, d. h. seine M i t w i r k u n g in der Produktion, sei (im Unterschied zur „Arbeit") nicht „Produktivität" des Kapitaleigentümers; 2. durch Einflußnahme auf die H ö h e der Leistungsentgelte, d. h. auf die Bildung der E i n k o m m e n . Zu beachten ist, daß ein nicht unerheblicher Teil der höheren Einkommen Rentencharakter, hat, d . h . , eine Senkung der Entgelte führt nicht zu einer Zurückziehung von Leistungsmengen. (Vgl. Bd. I I I , Kap. I.)
§ 4. Volksvermögen 1. B e g r i f f D i e begriffliche und statistische Erfassung des V o l k s v e r mögens ist bisher weniger entwickelt als die des Einkommens; sie hat noch größere Schwierigkeiten und ist nur begrenzt für praktische Zwecke verwendbar. Zum „Vermögen" im ökonomischen Sinne ist nur zu redinen,
Volksvermögen
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was auf die Einkommensbildung Einfluß hat, nicht also das „Gebraudisvermögen". Aber von den Faktoren für die Einkommensbildung gehen sehr wesentliche nicht in den Vermögensbegriff ein, so: 1. Zahl, Ausbildung, Leistungsfähigkeit und -Willigkeit der arbeitenden Menschen, 2. die natürlichen Umweltsbedingungen wie K l i m a , natürliche Verkehrswege etc., 3. institutionelle Gegebenheiten wie politische Ordnung und soziale Befriedung, Rechtssicherheit, fiskalische Politik, weltwirtschaftliche Beziehungen etc., 4. Stand und Fortschritte des technisch verwertbaren Wissens. Bei d e r B e s c h r ä n k u n g a u f d a s „ E r w e r b s v e r m ö g e n " besteht d i e S c h w i e r i g k e i t d e r E r f a s s u n g des „ k o l l e k t i v e n V e r m ö g e n s " in G e s t a l t v o n S t r a ß e n , K a n ä l e n , H ä f e n etc., d e r e n „ p r o d u k t i v e L e i s t u n g e n " nicht als A n t e i l e a n d e n Produktionskosten auftreten. a) H i n z u kommt kollektives Vermögen in Gestalt von Schulen, Museen, Verwaltungsgebäuden etc., die durch „kostende Leistungen" erstellt und erhalten werden und zweifellos direkt oder indirekt zu den produktiven Leistungen beitragen, ohne daß sich ein genauer ökonomischer Wert feststellen ließe. b) D i e öffentlichen Schulden sind keinesfalls auf die H ö h e des kollektiven Vermögens zu beziehen; dies trotz der Vorschriften über die Zulässigkeit von Staatsanleihen nur für „werbende Zwecke". Der Begriff „Oberschuldung" ist auf die Bilanz des öffentlichen Vermögens unanwendbar. D a hiernach a l l e Z i f f e r n n u r als R e l a t i o n s - u n d V e r g l e i c h s g r ö ß e n b e d e u t s a m s i n d , k a n n ein e n t s p r e c h e n d g e faßter Teilausschnitt ausreichenden E r k l ä r u n g s w e r t haben. a) D i e Summe des Realvermögens der Wirtschaftseinheiten entspricht dem sog. Realkapital der Volkswirtschaft. „Sie entspricht ihm, aber sie ist nicht identisch mit ihm, da es sich beim Realkapital um eine natural-ökonomische Größe handelt, beim Vermögen aber um eine sozial-ökonomische: einen Inbegriff von Wertdingen, die in der Verfügungsgewalt einer Person stehen und ihr, wenn möglich, eine Rente bringen sollen. D e r Begriff des Vermögens hat also nur einzelwirtschaftlich einen Sinn — die Volkswirtschaft ist kein Wirtschaftssubjekt, das Wertdinge besitzt und eine Rente erstrebt. Deshalb ist der Begriff
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Sozialprodukt und Volkseinkommen
des Volksvermögens, streng genommen, nicht erlaubt, es sei denn, man fasse es lediglich als Summe der Einzelvermögen." (E. Preiser, Der Kapitalbegriff und die neuere Theorie. I n : Bildung und Verteilung des Volkseinkommens. 2. Aufl., Göttingen 1961, S. 111). b) Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung war das Anlagevermögen in der Bundesrepublik (Wirtschaft, Wohnungswirtschaft und öffentliche Verwaltung) im Jahre 1956 (zu Preisen von 1950) im Neuwert (Baukosten bzw. Anschaffungswerte) 544,0 Mrd. DM (davon 383,0 Mrd. D M Bauten), im Zeitwert (Neuwerte abzügl. laufende Wertminderungen) 306,0 Mrd. DM (davon 214,5 Mrd. DM Bauten). (F. Grünig, Versuch einer Volksvermögensrechnung der Deutschen Bundesrepublik. Deutsches Institut f ü r Wirtschaftsforsthung. Sonderhefte Neue Folge N r . 41. Berlin 1958.) 2. R e a l e s V e r m ö g e n und Forderungsrechte Bei der Beschränkung auf privates Erwerbsvermögen (also bei A b z u g des Gebrauchsvermögens der Haushalte wie Wohnungseinrichtungen etc.) gehören Forderungen an Inländer nicht zum V o l k s v e r m ö g e n , da ihnen entsprechende Verpflichtungen v o n Inländern ausgleichend gegenüberstehen. D a s Erwerbsvermögen ist daher dargestellt durch die realen Bestände an A n l a g e n , Maschinen, Lägern etc. in Unternehmungen, denen Eigentumsrechte der H a u s h a l t e (einschl. Unternehmerhaushalte) entsprechen. a) Aktien etc. gehören zu der Gruppe der Eigentumsrechte und können nicht neben dem realen Einkommen (den Beständen der Aktiengesellschaften) noch einmal gezählt werden. b) Obligationen und allen sonstigen Forderungen stehen ausgleichende Verpflichtungen gegenüber (von Veränderungen durch Kursbildung kann abgesehen werden). N u r Forderungen an Ausländer sind dem Volksvermögen zuzuredinen, Forderungen von Ausländern abzurechnen. c) Geldbestände gehören zum Volksvermögen nur soweit sie „Warengeld" (Goldgeld etc.) sind, nicht dagegen das Zeichengeld („Kreditgeld"), da ihm wertgleiche Verpflichtungen gegenüberstehen. Ausländisches Geld gehört zum Volksvermögen.
Der Wirtschaftskreislauf
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d) Staatsanleihen werden ebenfalls nicht zum Volksvermögen gerechnet, daher die oben erwähnte Behandlung der Zinseinkommen aus Staatsanleihen als „Transferzahlungen".
Die Beziehung wird klar durch die Fiktion, daß alle bestehenden Verpflichtungen erfüllt würden, damit auch alle Forderungen erlösdien. Es verbleibt dann offenbar das „reale" Vermögen als „unbelastetes" Eigentum. Zuwädise zum Volksvermögen können daher nur durch reale Produktion herbeigeführt werden, die nicht verbraucht wird, d. h. entweder den Beständen der Unternehmungen zugeführt wird oder durch Export zusätzliche Forderungen an das Ausland schafft. D a im Wert der Produktion Einkommen gebildet wird, muß den „unverbrauchten" Beständen nicht für „Verbrauch" der Haushalte verausgabtes Einkommen entsprechen, d. h. der Netto-Investierung ein Netto-Sparen. (Vgl. Kap. IV. § 3.)
Kap. IV. Wirtschaftskreislauf und Volkseinkommen § 1. Der Wirtschaftskreislauf 1. E i n f a c h e s K r e i s 1 a u f s c h e m a Die ständige Wiederholung von Produktion und Verbrauch läßt sich als Kreislauf darstellen. Da die Menschen als Produzenten (meistens) Glieder einer wirtschaftlichen Einheit „Unternehmung" sind, als Verbraucher einer Einheit „Haushalt", ergeben sich zwei einander entgegenlaufende Ströme: Die Mitglieder der Haushalte leisten produktive Dienste in Unternehmungen und beziehen Güter von Unternehmungen: „realer" Strom; die Mitglieder der Haushalte empfangen Geldeinkommen von Unternehmungen und verausgaben Geld an Unternehmungen: „monetärer" Strom. a) „Haushalte" sind wirtschaftliche Einheiten, die nicht „produzieren", sondern nur „verbrauchen", während „Unternehmungen" nur „produzieren" und ihre Produkte absetzen. 5
Paulsen, Allg. Volkswirtschaftslehre I
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Wirtsdiaftskreislauf
und
Volkseinkommen
b) E i n e n eigentlichen K r e i s l a u f f ü h r t n u r d a s G e l d aus, d a es nicht im physischen S i n n e v e r z e h r t w i r d . D i e p r o d u z i e r t e n G ü t e r d a g e g e n b e e n d e n i h r e n U m l a u f in d e n H a u s h a l t e n . A n d e r e n V e r b r a u c h schließt sich a b e r d a s w i e d e r h o l t e E r b r i n g e n v o n L e i s t u n g e n durch G l i e d e r des H a u s h a l t s a n . c) In jeder P e r i o d e ist die S t ä r k e des K r e i s l a u f s gleichbed e u t e n d d e r H ö h e des S o z i a l p r o d u k t s , a b g e s e h e n v o n d i r e k t e n D i e n s t l e i s t u n g e n an H a u s h a l t e , sowie in d e r B e g r e n z u n g auf eine geschlossene W i r t s c h a f t o h n e staatliche A k t i v i t ä t . D i e Stellung d e r I n v e s t i e r u n g e n u n d des S p a r e n s w i r d e b e n f a l l s in diesem Schema noch nicht a u s g e d r ü c k t (vgl. § 2). 2. D i e G e s c h l o s s e n h e i t des K r e i s l a u f s D i e E r f a s s u n g der v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n Zusammenh ä n g e als K r e i s l a u f z e i g t , w i e A u s g a b e n v o n W i r t s c h a f t s subjekten zu E i n n a h m e n anderer Wirtschaftssubjekte werden u n d diese dadurch z u neuen A u s g a b e n befähigen.
Der
Wirtschaftskreislauf
67
Alle Wirtschaftseinheiten bieten spezialisierte Leistungen und G ü t e r auf den M ä r k t e n a n ; ihr Wirtschaftserfolg hängt so von der Bereitwilligkeit und Fähigkeit anderer W i r t s c h a f t s e i n h e i t e n ab, diese G ü t e r u n d L e i s t u n g e n z u erwerben. Geldeinkommen können nur durch Geldausgaben gebildet werden. D i e einzelnen W i r t s c h a f t s s u b j e k t e n offenstehende M ö g l i c h k e i t , durch E r h ö h u n g der E i n n a h m e n und V e r r i n g e r u n g der A u s gaben reicher zu w e r d e n , gilt demnach f ü r die V o l k s w i r t s c h a f t als G a n z e s nicht: allgemeine V e r r i n g e r u n g d e r Ausgaben m u ß zur S c h r u m p f u n g d e r E i n k o m m e n f ü h r e n . D e r W i r t s c h a f t s k r e i s l a u f ist g e s c h l o s s e n in d e m S i n n e , d a ß sich k e i n e S t e l l e b e s t i m m e n l ä ß t , a n d e r e r s e i n e n A n f a n g n i m m t b z w . d i e S t ä r k e des K r e i s l a u f s t r o m e s e n t schieden w i r d . D e n n A u s g a b e n der einen b e w i r k e n z w a r E i n n a h m e n der anderen, aber Ausgaben werden erst durch vorhergehende E i n n a h m e n ermöglicht. Einseitig ist die A n n a h m e , d a ß die N a c h f r a g e d e r H a u s h a l t e die P r o d u k t i o n „ b e s t i m m t " . D e n n die H ö h e der N a c h f r a g e der H a u s h a l t e hängt von d e r H ö h e ihrer E i n k o m m e n a b , diese a b e r w i e d e r von der H ö h e der P r o d u k t i o n . „ S o sind die E n t schlüsse d e r . U n t e r n e h m e r ' a b h ä n g i g v o m V e r h a l t e n der . V e r braucher', und das V e r h a l t e n der . V e r b r a u c h e r ' ist a b h ä n g i g v o n den Entschlüssen d e r . U n t e r n e h m e r ' . D e r Leistungsstrom, der von den Verbrauchern zu den U n t e r n e h m e r n und wieder zurück zu den V e r b r a u c h e r n fließt, k a n n jede beliebige B r e i t e a n n e h m e n , er k a n n wachsen und schrumpfen — es scheint, als k ö n n t e er in jeder L a g e , bei jeder B r e i t e b e h a r r e n . " ( C . F ö h l , G e l d schöpfung und Wirtschaftskreislauf. 2 Aufl., Berlin 1 9 5 5 , S. 3 2 . ) A n welcher Stelle auch eine E r h ö h u n g o d e r S c h r u m p f u n g der N a c h f r a g e einsetzt: der Impuls w i r d im Kreislauf w e i t e r g e t r a g e n , w o b e i e r sich v e r s t ä r k e n , a b e r a u c h a b schwächen kann. W e n n auch solche A n s t ö ß e an j e d e r S t e l l e des K r e i s l a u f s erfolgen k ö n n e n , erweist doch die E r f a h r u n g , d a ß namentlich zwei Stellen b e d e u t s a m sind: N a c h f r a g e der U n t e r n e h m u n g e n speziell nach I n v e s t i t i o n s g ü t e r n und H ö h e der S t a a t s a u s g a b e n , die beide im Schema noch nicht berücksichtigt sind. D a g e g e n h ä n g t die N a c h f r a g e d e r H a u s h a l t e nach Verbrauchsgütern
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Wirtschaftskreislauf und
Volkseinkommen
wesentlich von den Einkommen der Verbraucher ab, ist demnach durch die H ö h e der Produktion bestimmt. E i n e V e r ä n d e r u n g der Stärke des G e l d s t r o m e s w i r d durchweg zwei miteinander verbundene Wirkungen h a b e n : die reale G r ö ß e der p r o d u z i e r t e n u n d ausgetauschten M e n g e n der Güter u n d D i e n s t e k a n n variieren, u n d der Preisausdruck ( „ G e l d w e r t " als H ö h e der K a u f k r a f t der G e l d e i n h e i t ) k a n n sich v e r ä n d e r n . a) Für die Preistheorie ergibt sich hieraus die Unterscheidung zwischen den Preisrelationen („Preisstruktur"), d. h. den relativen Preisen der Güter und dem Preisniveau, d. h. der absoluten H ö h e der Preise. Letzteres bemißt die „allgemeine K a u f k r a f t " des Geldes, erstere bemessen dagegen die „Tauschraten" von Mengen der einzelnen Güter, die durch deren relative Preise nur angezeigt werden. b) J e stärker sich Vermehrung der umlaufenden Geldmenge nur in einer Erhöhung des Preisniveaus (d. h. sinkender K a u f k r a f t der Geldeinheit) ausdrückt, um so mehr ist der Zustand der „Inflation" erreicht. — D e r umgekehrte Fall der „Deflation" zeigt durchweg eine Verbindung verminderter Menge des umlaufenden Geldes mit verminderten realen Umsätzen. c) N e b e n ' d e r Bestimmung der Kreislaufgröße sind besondere Probleme: der allgemeine Zug („Trend") zur Z u n a h m e der G r ö ß e und das Auftreten zyklischer Schwankungen ( „ K o n junkturschwankungen") als Wachsen und Schrumpfen (bzw. verminderte Wachstumsraten) der Stromgrößen. (Vgl. Bd. IV.) d) Die Erfassung des gesamten Wirtschaftsgeschehens als Kreislauf, damit zugleich die erste Formung der Wirtschaftstheorie zu einem System geschah durch die französische Schule der Physiokraten Mitte des 18. J a h r h u n d e r t s mit François Quesnay als H a u p t v e r t f e t e r . Sie erhob zugleich den Anspruch, mit diesem Kreislauf die „natürliche O r d n u n g " der Wirtschaft entdeckt zu haben, die auch f ü r die Wirtschaftspolitik verbindlich sei. („Laissez faire, laissez passer, le monde v a de luimême!") 3. P r o d u k t i v e L e i s t u n g e n E i n k o m m e n s b i l d u n g
und
E i n k o m m e n w i r d durch Erbringen v o n „ p r o d u k t i v e n Leistungen" in H ö h e ihres M a r k t w e r t e s erzielt. Es s i n d
Der Wirtschaf tskrcislauf
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„Arbeit" als Leistungen v o n Menschen u n d „ N u t z u n g e n " v o n B o d e n und Sachgütern („Kapital"). a) Die ältere Theorie lehnte sich an den technischen Vorgang des Gewinnens und Umformens der Materie an und schloß daher Ortsveränderung, Lagerung und allgemeine Bewirtschaftung der Materie vom Begriff „Produktion" aus. — Jetzt gilt als „produktiv" jede Leistung, die auf dem Markt begehrt und knapp ist, so daß sie ein Entgelt erzielen kann. — Über den „Wert" der Leistungen nach Maßstäben der materiellen, kulturellen, sozialen Bedeutung ist damit nichts ausgesagt. b) Werden Ausstoßmengen zu Einsatzmengen von Faktorleistungen in Beziehung gebracht, so ergeben sich Meßziffern f ü r die „technische Ergiebigkeit" des Produktionsverfahrens. Die Beziehung zwischen den Einsatz- und Ausstoßwerten ergeben Meßziffern der wirtschaftlichen Ergiebigkeit der Produktionsprozesse und ermöglidien Produktivitätsvergleiche. Die Höhe des Sozialprodukts ist abhängig sowohl von der Menge der erbrachten Leistungen wie von der Art ihrer technischen und organisatorischen Verwendung. D a die Leistungen in ihrem Marktwert E i n k o m m e n bilden und mit diesem W e r t in das Sozialprodukt eingehen, ist in der Verkehrswirtschaft die Bildung und die V e r teilung des Sozialprodukts grundsätzlich ein einziger V o r gang: die „Kosten" der P r o d u k t i o n sind (mit einigen A b zügen) „Einkommen" der Produzenten. W e n n e t w a festgestellt werden kann, daß 65 °/o der Gesamtkosten der Produktion Arbeitskosten sind, so sind die Erbringer der Arbeitsleistungen mit 65 °/o a m Gesamteinkommen (ohne G e w i n n e und Verluste) beteiligt. a) „Der Grundprozeß des Wirtschaftslebens ist offenbar ein kontinuierlicher Kreislauf von produktiven Aufwendungen und konsumtiven Verwendungen innerhalb jeder Wirtschaftsperiode: ,Kreislauf' insofern, als jede konsumtive Verwendung eines Genußgutes direkt oder indirekt Aufwendungen von P r o d u k tivgütern, in letzter Linie von Arbeit und ,Naturleistungen', zu dessen Produktion voraussetzt und ihrerseits wieder das Motiv zu neuer Produktion ist . . . Was daran spezifisch ökonomisch ist, tritt bei verkehrswirtschaftlicher Organisation der Volkswirtschaft in der Form zahlreicher einzelner Tauschakte auf, durdi die die produktiven Leistungen in die H ä n d e der
70
Wirtschaftskreislauf und Volkseinkommen
Unternehmer und die produzierten Güter aus diesen in die Hände der Konsumenten gelangen — rein ökonomisch betrachtet erscheint der ganze Prozeß als ein stetes Austauschen von produktiven Leistungen sachlicher und persönlicher Natur gegen Genußgüter, wodurch sich sowohl Produktion wie Verteilung — uno actu — realisieren." (Schumpeter, Das Sozialprodukt und die Rechenpfennige. Abgedr. in: Schumpeter, Aufsätze zur ökonomischen Theorie. Tübingen 1952, S. 33.) b) Vom „Kostenwert" der Produkte ist ihr „Marktwert" zu unterscheiden; letzterer bestimmt das Gesamteinkommen aller an der Produktion Beteiligten einschl. der Unternehmer, deren Gewinn oder Verlust den einkommensmäßigen Ausgleich zwischen Kosten- und Marktwert darstellen.
4. D i e V e r w e n d u n g d e r Leistungen
produktiven
Leistungen werden zu einem Teil direkt in Haushalten „verbraucht", zum größeren Teil aber in „Unternehmungen" zur Produktion von Gütern verwendet. Die Güter fließen entweder den Haushalten zu (Verbrauchsgüter) oder sie werden den Beständen der Unternehmungen zugeführt (Investitionen). (Vgl. Abb. 4.) Das Entgelt f ü r unmittelbar, also nicht durch „Unternehmungen" an Haushalte erbrachte und somit verbrauchte Leistungen (z. B. ärztliche Dienste, Hauspersonal) stellt Einkommen der Leistungserbringer dar und erhöht in diesem Betrage das Volkseinkommen. Das Volksvermögen dagegen wird nicht verändert. Leistungen, die in Unternehmungen zur Produktion von Gütern verwendet werden, sind physisch zwar verzehrt, aber nicht ökonomisch „verbraucht", da ihr Wert dem Produkt zugerechnet wird. Dem Einkommen der Leistungserbringer steht so der Produktwert gegenüber; solange die Einkommensempfänger nicht Güter zum Verbrauch bezogen haben, ist das Volksvermögen im Werte der Produkte gestiegen („Investierung"). Durchläuft ein Produkt im Zuge seiner Fertigung mehrere selbständige Unternehmungen, so ändert das an der
Der Wirtschaftskreislauf
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72
Wirtschaftskreislauf und
Volkseinkommen
G r u n d b e z i e h u n g n i c h t s : n u r d i e in j e d e r S t u f e d e m ü b e r n o m m e n e n P r o d u k t hinzugefügten p r o d u k t i v e n Leistungen („Wertschöpfung", „value a d d e d " ) sind einkommenbild e n d . ( V g l . A b b . 5.) Einkommen: Faktoren
15
Unternehmer
5
10 3
20
0
>60
I Abb. 5.
II
III
IV
Durchlauf der Produkte und Einkommensbildunq
a) Dem Sdiema liegt die A n n a h m e zugrunde, d a ß das Produkt von der Rohstoffgewinnung bis zum Absatz an den Verbrauch vier Produktionsstufen I bis I V durchläuft, wobei in der Stufe I keine Bezüge von Vorlieferanten erfolgen. Von der Tatsache, d a ß P r o d u k t e späterer Stufen sehr häufig an vorhergehende zurückgeleitet werden (z. B. Maschinen an die Produzenten von Rohstoffen) wird zur Vereinfachung abgesehen. In Stufe I soll ein K o s t e n a u f w a n d von 15 gleich dem Einkommen der Faktoren erfolgt sein; das P r o d u k t wird zum Wert von 20 an die Stufe II v e r k a u f t , so d a ß die Differenz von 5 das Einkommen des Unternehmers der Stufe I darstellt. „Wertschöpfung" und Bildung von F a k t o r - und Unternehmereinkommen in den folgenden Stufen ergeben sich aus den Annahmen des Schemas. D e r E n d w e r t des P r o d u k t s entspricht der Summe der in der Produktion entstandenen Einkommen. — Steuern und Abschreibungen sind nicht berücksichtigt.
Erweiterung des Kreislaufsdiemas
73
b) Der Gesamtwert der Umsätze ist wesentlich höher als der Endwert des Produkts und der Einkommen, da in ersterem die Umsätze zwischen den einzelnen Stufen miterfaßt sind. c) D i e in den ersten Stufen der Produktion Beschäftigten braudien bei der Verwendung ihrer Einkommen zum Kauf von Produkten nicht auf die Fertigstellung des Produkts zu „warten". Nimmt man an, daß in jeder Periode das Erzeugnis um eine Stufe weitergegeben wird, so beginnt in jeder Periode eine neue Produktion in der Stufe I und wird in der Stufe IV ein Produkt verbrauchsreif, welches dem Wert des Gesamteinkommens, das in dieser Periode in allen Stufen gebildet wird, entspricht. Das gilt in voller Reinheit nur bei vollständiger Synchronisierung der Produktion im „stationären Kreislauf", also unveränderter Größe der Produktion.
§ 2. Erweiterung des Kreislaufschemas 1. I n v e s t i e r e n u n d S p a r e n Wirtschaftskreislauf
im
Im Schema des einfachen Kreislaufs wurde, anders als in Abb. 4, fingiert, daß das Gesamteinkommen der Haushalte die gesamte P r o d u k t i o n der U n t e r n e h m u n g e n k a u f t . Die erste Erweiterung geschieht durch Berücksichtigen des Sparens als nicht zur Nachfrage nach Verbraudisgütern verwendeter Teil des Einkommens der Haushalte und des Investierens als nicht den Haushalten zugeleiteter Teil der P r o d u k t i o n der U n t e r n e h m u n g e n . D a definitionsgemäß „Haushalte" ihr Vermögen nicht in realer Form halten (denn von Haushalten gekaufte Güter gelten mit Ausnahme von Eigenheimen als „Verbrauchsgüter"), hat das zusätzliche Vermögen der Haushalte die Form von zusätzlichen „Forderungsrechten" (wie Bankguthaben, Wertpapiere, Hypotheken, auch „Bargeld"). Im Grundschema der Kreislaufbetrachtung kann daher in H ö h e des Sparens der Haushalte von einer Nachfrage (statt nach Gütern) nach Forderungsrechten gesprochen werden, die von den Unternehmungen neu geschaffen werden, durchweg vermittelt durch Banken.
74
Wirtschaftskreislauf und
Volkseinkommen
a) Zusätzlichen Forderungsrechten entsprechen notwendig gleichwertige zusätzliche Verpflichtungen (Gläubiger-Schuldner). Eine Erhöhung des volkswirtschaftlichen Gesamtvermögens würde demnach nicht vorliegen, wenn den zusätzlichen Verpflichtungen der Unternehmungen (Passivseite der Bilanz1) nicht Zugänge an realen Beständen (Aktivseite der Bilanz) ausgleichend gegenüberstünden; dann wäre vielmehr das „Sparen" (Vermögenszuwachs) der Haushalte der Faktoren volkswirtschaftlich ausgeglichen durch „Entsparen" (Vermögensminderung) der Haushalte der Unternehmer als Eigentümer der U n ternehmungen. b) Erwerben die Haushalte für ihr erspartes Einkommen zusätzliche Forderungen gegen Banken (z. B. Sparguthaben), so entspricht dem notwendig eine zusätzliche Verpflichtung der Banken. Reale Zuwächse zum Volksvermögen durch Güterproduktion können die Banken nicht durchführen; in diesem (stark vereinfachenden) Sinne kann davon gesprochen werden, daß die Banken die Beziehungen zwischen Haushalten und U n ternehmungen nur „vermitteln". c) Zu den zusätzlichen „Forderungsrechten" sind auch die Eigentümerrechte der Unternehmerhaushalte an den Unternehmungen zu rechnen. I m Kreislaufschema wird also der „reale" Kreislauf erg ä n z t durch die im W e r t e der Investitionen den H a u s h a l t e n zugeführten neuen Forderungs- b z w . Eigentumsrechte, der „monetäre" durch den Rückfluß des Geldes an U n t e r n e h mungen (vermittelt durch Banken) im W e r t der verk a u f t e n Forderungsrechte. Zu den M ä r k t e n der V e r brauchsgüter und der Faktorleistungen k o m m t s o der Markt des „Kapitalverkehrs" hinzu. 2. S t a a t l i c h e
Aktivität
D i e Leistungen des Staates (immer einschl. Länder, G e meinden etc.) auf d e n Gebieten der V e r w a l t u n g , des Rechtsschutzes, Unterrichts etc. lassen sich nicht in „realen" Größen in der Kreislaufbetrachtung berücksichtigen, da sie nicht auf Märkten v o n den Verbrauchern bezogen w e r den. D e r Beitrag des Staates zum Sozialprodukt w i r d daher gleichgesetzt den Ausgaben, die der Staat zur Er-
Erweiterung des Kreislaufschemas . bringung dieser Leistungen tätigt, und z w a r für Löhne Gehälter der Staatsbediensteten und für K ä u f e v o n tern bei Unternehmungen. Ausnahmen sind: 1. Die Leistungen öffentlicher Unternehmungen, die ihre zeugnisse verkaufen (Kraftwerke, Eisenbahn etc.), werden Sektor der privaten Unternehmungen zugeredinet.
75 und Gü-
Erdem
2. Transferzahlungen des Staates wie Kriegsopferrenten, soziale Fürsorge etc. stellen f ü r die Empfänger Personaleinkommen dar, aber da diese keine Leistungen erbringen, sind solche Zahlungen nicht dem Sozialprodukt zuzuredinen. 3. Zinsen für Staatsschulden werden als Transferzahlungen behandelt,, weil nicht angenommen wird, daß die Staatsschulden „werbendes Kapital" darstellen, welches zum Sozialprodukt beiträgt. (Kriegsanleihen!) D i e zur Erbringung seiner Leistungen benötigten Güter und Dienste beschafft sich der Staat w e i t überwiegend durch Erwerb b z w . K a u f . D i e Mittel hierzu erhält er (nicht durch Verkauf seiner Leistungen, sondern) durch Steuern, d. h. Zwangsabgaben, dazu durch A n l e i h e n und evtl. durch Ausnutzung seiner Währungshoheit. D i e einzelnen tragen demnach nicht in der H ö h e zu der A u f b r i n gung der Kosten für die Staatsleistungen bei, w i e sie in den G e n u ß der Staatsleistungen gelangen. (Ausnahme: „Gebühren".) Im Unterschied zu den „individuellen" befriedigen die Staatsleistungen „kollektive" Bedürfnisse (Gemeinbedürfnisse), d. h. solche, über deren Dringlichkeit nicht die einzelnen Wirtschaftssubjekte im Rahmen ihres privaten Wirtschaftsplanes befinden. Die durch Einkommenbesteuerung erhobenen und durch den Staat verausgabten Beträge rechnen daher zum „persönlichen" Einkommen, aber nicht zum „verfügbaren", da der Staat die Verwendung dieses Teiles bestimmt. In der Schematik der Kreislaufbetrachtung w i r d nach dieser Betrachtungsweise durch Erheben der Steuern ein Teil des Geldstromes v o n den Unternehmungen und H a u s halten an den Staat geleitet, und durch Staatsausgaben für Güter und Dienste fließt Geld in den Kreislauf zurück.
76
Wirtschaftskreislauf und Volkseinkommen
Bei einer Differenz zwischen der Höhe der Staatseinnahmen und -ausgaben verbreitert bzw. schmälert sich entsprechend die Stärke des monetären Stromes.
Wie das die „realen" Stromgrößen ändert, hängt u. a. davon ab, ob ungenutzte Produktionsmittel vorhanden sind oder nicht. Sind solche vorhanden, so bedarf es — prinzipiell gesprochen — insoweit keiner Erhebung der Mittel für staatliche Ausgaben durch Steuern, d. h. Verringerung der Ausgaben der Unternehmungen und Haushalte. Der „monetäre" Vorgang der Schmälerung privater Ausgaben durch Besteuerung soll die „reale" Wirkung haben Produktionsmittel für staatliche Verwendung verfügbar zu machen; sind aber ungenutzte Produktionsmittel (Arbeitslose) vorhanden, so kann der Staat sie ohne Einschränkung der privaten N a d i f r a g e in Anspruch nehmen.
3. A u ß e n h a n d e l u n d S o z i a l p r o d u k t Im Außenhandel erfolgen Lieferungen von Gütern und Diensten an das Ausland und Bezüge vom Ausland. Soweit sich Exporte und Importe ausgleichen, verändert sich zwar die Zusammensetzung des Stromes der Güter und Dienste, nicht aber ihr Gesamtwert. Ein Überschuß im Export bedeutet, daß ein Teil der Leistungen an das Ausland (noch) nicht durch reale Gegenleistungen des Auslandes ausgeglichen worden ist, so daß Forderungen an das Ausland erlangt wurden. Dieser Zuwachs an Forderungen gegen das Ausland bedeutet Zuwachs zum Inlandsvermögen. Umgekehrt bei Importüberschuß. Der Saldo der Handelsbilanz kommt demnach in seinem (positiven oder negativen) Wert zum Sozialprodukt hinzu. D a Gold als internationales Zahlungsmittel gilt, bedeutet Goldeinfuhr eine Erhöhung der Forderungsrechte an das Ausland, wird also nicht wie Warenimport behandelt, sondern einem Zuwachs an Devisen gleichgestellt.
§ 3. Gleidiungen der Einkommensbildung und -Verwendung 1. G r u n d g l e i c h u n g e n Der Kreislauf jeder Periode kann durch Gleichungen dargestellt werden, welche die Ergebnisse des Wirtschaft-
Gleichungen der Einkommensbildung und -Verwendung liehen Ablaufs in Gesamtgrößen menfassen.
(„Aggregaten")
77
zusam-
Für eine geschlossene Wirtschaft ohne staatliche A k t i vität ergeben sich zunächst drei Gleichungen für die Entstehung und V e r w e n d u n g des Gesamteinkommens in einer Periode:
Y = C+ I Y = C+ S I = S
(1) (2) (3)
Bedeutung der Symbole: Y = Volkseinkommen, C = Wert der den Haushalten zugeführten Verbrauchsgüter, I = Wert der Bestandsänderungen in Unternehmungen (Investitionen), S = Sparen der Haushalte als nicht verbrauchter Teil des Einkommens (bzw. als Differenz zwischen Verbrauchsausgaben und Einkommen der Periode). a) Die Gleichung (1) bringt zum Ausdruck, daß das Gesamteinkommen als Gesamtwert der in der Periode erfolgten Produktion durch Lieferungen an Haushalte und durch Lieferungen an Unternehmungen erzielt worden ist, denn die nicht den Haushalten zugeführte Produktion muß notwendig den Beständen der Unternehmungen zugeflossen sein. — Nach der Gleichung (2) ist das gesamte Geldeinkommen gleich dem Wert der Ausgaben für Verbrauchsgüter und dem Sparen bzw. Entsparen als der (positiven oder negativen) Vermögensveränderung der Periode. — Da in beiden Gleichungen Einkommen (Y) und Wert des Absatzes bzw. Kaufs von Gütern für Verbrauch (C) gleich sind, ergibt sich die in Gleichung (3) ausgedrückte Wertgleichheit von Investieren und Sparen. — Die Gleichungen sind „tautologisdi" ,d. h. sie gelten zwangsläufig auf Grund der Definition der Begriffe. b) Die Gleichungen gelten zunächst für Nettowerte. Sie können aber auch auf Bruttowerte bezogen werden, indem Ersatzinvestitionen den Investitionen, Abschreibungsbeträge dem Sparen (als „Sparen" von Unternehmungen) zugeschlagen werden. c) Die Gleichungen gelten f ü r Perioden jeder beliebigen Länge, also auch f ü r jeden Augenblick.
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Wirtsdiaftskreislauf und
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Gleichungen der Einkommensbildung u. -Verwendung
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81
von J und S
Die Gleichung I = S besagt, daß makroökonomisch Vermögen nur in realer Form, d. h. durch Produktion von Gütern, die nicht dem Verbrauch zugeführt werden, gebildet werden kann. Wenn der Nettowert der gesamten Produktion der Periode gleich dem Geldeinkommen der Periode ist und wenn der Wert der Verbrauchsgüterproduktion bestimmt wird als Summe der Ausgaben f ü r Verbrauchsgüter, so muß auch der Wert der Investitionsgüter gfeich dem nicht-verbrauchten Teil des Einkommens sein. Der Zuwachs der Haushalte an Forderungsrechten (Sparen) muß wertgleich sein dem Zuwachs der Unternehmungen an realen Beständen (Investitionen). Die (vielfach mißverstandenen) Beziehungen seien durch schematische Darstellungen mit willkürlich angenommenen Ziffern als Wertgrößen erläutert (Abb. 6a—6c). 3. S t a a t l i c h e h a n d e l in d e n
Aktivität und AußenEinkommensg1eichungen
Nach der früher erläuterten Behandlung der Staatsausgaben und -einnahmen sind Regierungsausgaben für Käufe von Gütern und Dienstleistungen einkommenbildend, dagegen ist die Erhebung von Staatseinnahmen durch Steuern einkommenbeanspruchend. Die Gleichungen (1) und (2) erweitern sich zu Y = C + I + G — Tind + Z (la) Y = C + S + Tdir - T r (2a) Dabei bedeuten die Symbole: G : einkommenschaffende Staatsausgaben, T : erhobene Steuern, gegliedert in Tind : indirekte Steuern (Kostensteuern), Tdir : direkte (persönliche) Steuern, T r : Transferzahlungen, Z : staatliche Zuschüsse (Subventionen). Das Nettosozialprodukt zu Marktpreisen setzt sich zusammen aus C + I + G ; in H ö h e der darin enthaltenen 6
Paulsen, Allg. V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e I
82
Wirtschaftskreislauf und Volkseinkommen
indirekten Steuern entstehen S t a a t s e i n n a h m e n , aber kein V o l k s e i n k o m m e n . U m g e k e h r t übersteigt das in der P r o d u k t i o n e n t s t a n d e n e V o l k s e i n k o m m e n den durch Subventionen gesenkten M a r k t p r e i s der P r o d u k t e um den Betrag der Subventionen. Die Gleichung (3) erhält die Form: I + G + Z + Tr = S + T
(3a)
Aus der Gleichung (3a) folgt, daß ein Saldo v o n Regierungseinnahmen und Regierungsausgaben den Saldo v o n privatem Investieren und Sparen ausgleicht. D a s bedeutet z. B., d a ß privates Sparen höher sein kann als privates Investieren, w e n n der Staat den Sparern die zusätzlichen Forderungsrechte, die deren Vermögenszuwachs darstellen, durch zusätzliche Staatsverschuldung zur Verfügung stellt.
Bei Berücksichtigung des A u ß e n h a n d e l s bezeichnen w i r die E x p o r t e ( W e r t der V e r k ä u f e an ausländische W i r t schaftseinheiten) mit X , die I m p o r t e ( W e r t der K ä u f e v o n ausländischen Wirtschaftseinheiten) mit M. Die Gleichung erweitert sich d a n n (unter Vernachlässigung der Staatsausgaben u n d - e i n n a h m e n ) z u : Y = C + I + (X — M ) , (lb) w ä h r e n d die Gleichung (2) u n v e r ä n d e r t Y = C + S (2b) lautet. Entsprechend ergibt sich: I + ( X — M) = S (3b) oder I + X = S + M. (3b) D e r S a l d o des A u ß e n h a n d e l s X — M = B w i r k t ä h n lich wie ein Saldo der Regierungsausgaben G + Z + T r — T = D . Bei Berücksichtigung des U m s t a n d e s , d a ß B u n d D positive u n d negative W e r t e h a b e n k ö n n e n , gilt: I + D + B — S = 0. Z u s a m m e n f a s s e n d l ä ß t sich sagen, d a ß das Volkseink o m m e n definitionsgemäß gleich ist der S u m m e v o n Löhnen, Zinsen, Mieten, G e w i n n e n usw., welche in U n t e r n e h m u n g e n oder durch Leistungen f ü r H a u s h a l t e oder
Nationale Buchführung
83
den Staat verdient worden sind; es wird erfaßt durch den Wert der Ausgaben für Verbrauchsgüter; den Wert der Nettoinvestierungen, den Wert der vom Staat gekauften Güter und Dienste und den Wert der Differenz zwischen Verkäufen an und Käufen von ausländischen Wirtschaftseinheiten, bereinigt um den Anteil der indirekten Steuern bzw. der Subventionen: Y = C + I + G + B — Tind + 2. Z u m d i s p o n i b l e n E i n k o m m e n g e l a n g t m a n durch Berücksichtigen d e r T r a n s f e r z a h l u n g e n einerseits, d e r persönlichen Steuern (einschl. d e r A r b e i t n e h m e r b e i t r ä g e zur Sozialversicherung) u n d d e r nicht ausgeschütteten G e w i n n e v o n K ö r p e r s c h a f t s u n t e r n e h m u n g e n (einschl. d e r K ö r p e r s c h a f t s s t e u e r n u n d der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung) andererseits. Bezeichnet m a n d a s d i s p o n i b l e E i n k o m m e n m i t Yd, die T r a n s f e r z a h l u n g e n m i t T r u n d die u n v e r t e i l t e n G e w i n n e m i t U , so ergibt sich f ü r d a s d i s p o n i b l e E i n k o m m e n : Y d = Y — Tdir + T r — U .
§ 4. Nationale Buchführung 1. B e g r i f f u n d B e d e u t u n g In der nationalen Buchführung werden die Wirtschaftsvorgä.nge einer Periode ziffernmäßig festgehalten, über die Statistik hinausgehend aber in einem Kontensystem so verbucht, daß die Kreislauf- und Ausgleichsbeziehungen zum Ausdruck kommen. Dadurch wird das wichtigste Tatsachenmaterial für die Wirtschaftsbeobachtung und -politik geordnet erfaßt. a) „ V o l k s w i r t s c h a f t l i c h e G e s a m t r e c h n u n g " („social a c c o u n t ing") ist die k o n s t a t i e r e n d e R e c h n u n g s l e g u n g f ü r eine a b g e l a u f e n e P e r i o d e , „ N a t i o n a l b u d g e t " die V o r w e g n a h m e d e r Z i f f e r n f ü r eine k o m m e n d e P e r i o d e . b) V e r ö f f e n t l i c h u n g e n solcher Z a h l e n w e r k e e r f o l g e n seit d e n vierziger J a h r e n des J a h r h u n d e r t s alljährlich z. B. durch Regierungsstellen der U S A , der s k a n d i n a v i s c h e n L ä n d e r , v o n G r o ß b r i t a n n i e n , K a n a d a , A u s t r a l i e n , S ü d a f r i k a , H o l l a n d . In Deutschland p f l e g e n Stellen wie die Deutsche B u n d e s b a n k u n d K o n j u n k t u r f o r s c h u n g s i n s t i t u t e (z. B. „Deutsches I n s t i t u t f ü r 6*
84
Wirtschaftskreislauf und
Volkseinkommen
Wirtschaftsforschung", Berlin) diesen Z w e i g der Forschung und Statistik.
Die Wirtschaftsabläufe vollziehen sich als Transaktionen zwischen zahllosen Wirtschaftseinheiten. Diese Transaktionen werden erfaßt als Finanzvorgänge, wobei unterstellt wird, daß die den Finanzströmen entgegenlaufenden Leistungsströme durch diese gemessen werden können, z. B. die geleistete Arbeitsmenge durch die ausgezahlten Löhne, während reine Transferzahlungen an den Staat oder von ihm (z. B. Steuern, Subventionen) nur die Geldströme betreffen. D a Ausgänge (Auszahlungen) bei einer Einheit Eingänge (Einzahlungen) bei anderen sind, müssen sich bei der Zusammenfassung aller einzelnen Konten die Ein- und Ausgänge ausgleichen. Eine Einzelerfassung der Millionen von Haushalten, Unternehmungen etc. ist nicht möglich; daher werden die Einheiten zu Gruppen (Sektoren) zusammengefaßt und nur die Vorgänge zwischen diesen Gruppen aufgezeichnet. Die Bildung solcher Gruppen sowie die Gliederung der Konten geschieht nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und kann vielfach variiert werden. Mindestmaß der Kontenbildung ist: Privater Verbrauch, öffentlicher Verbrauch, öffentliche Investitionen, Anlageinvestitionen der Wirtschaft, Lagerbildung, Saldo der Handelsbilanz. Die Kreislaufgrößen können im Prinzip an drei Stellen des Kreislaufs erfaßt werden: 1. Entstehungsrechnung als Erfassung des Wertes des Gesamtprodukts einer Periode, 2. Verteilungsrechnung als Einkommensbildung der an der Produktion Beteiligten, 3. Verwendungsrechnung als Nachweis der Verwendung des Sozialprodukts. Der Zusammenhang wird in der Ubersicht S. 85 dargestellt. Die nationale Buchführung ermöglicht folgende Analysen:
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S ßt, d. h., daß auch der Mengenausdruck positiv ist, wenn die P a r a m e t e r die entwickelten Bedingungen erfüllen. Beispiel: D = 15 — 0,2 P S = —3 + 1 P Gleidigewichtspreis P = 15. Die nadigefragte und die angebotene Menge sind bei diesem Preis D = S = 12. Die folgende Abbildung 8 stellt diese Gleichungen in geometrischer Form dar. 6. B e s t i m m t h e i t d e s P r e i s e s D a ß — wie in der obigen Darstellung — angebotene und nadigefragte Mengen nur bei einem bestimmten Preis gleich sind, setzt voraus, d a ß das gehandelte G u t u n b e g r e n z t teilbar ist o d e r daß — bei m a k r o ö k o n o m i scher Analyse — die Zahl der N a c h f r a g e r nach einem nicht in kleinste Mengen teilbaren G u t sehr groß ist. a) Selbst bei materiell teilbaren Gütern (z. B. Zucker) reagiert der einzelne Nachfrager nicht durch Mengenveränderung seiner Nachfrage in Gramm auf Preisveränderungen in Bruchteilen eines Pfennigs, — viel weniger bei in Einzelstüdcen gehandelten Gütern, wie Kleidung, Hausrat etc. Die individuelle Nachfragekurve (ähnlich die individuelle Angebotskurve) wird daher Sprünge aufweisen und stufenförmig verlaufen. b) Ist aber die Zahl der Marktteilnehmer ausreichend groß, so werden die makroökonomischen Kurven sich einem glatten Verlauf nähern. Denn auch bei unteilbaren Stücken wird es
Das Gleichgewicht des Kreislaufs
117
Preis
einzelne Käufer geben, die sidi z. B. bei einer sehr geringen Preissenkung zum Kauf eines Stückes entschließen. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so w i r d die Preisbildung innerhalb eines gewissep Bereichs „unbestimmt" sein; die Festlegung des Preises geschieht durch „Feilschen". Je größer der Markt ist, um so bestimmter wird (bei freier Preisbildung) der Gleichgewichtspreis. Die Abbildung 9 zeigt, wie durch Hinzutritt weiterer Marktteilnehmer der Bereich der Unbestimmtheit der Preisbildung eingeschränkt wird. Bei A wird angenommen, daß ein Stück eines Gutes von einem Verkäufer angeboten, der zum Verkauf zu jedem Preis über 10 bereit ist (Kurve SS), und von einem Käufer nachgefragt wird, der jeden Preis unter 20 gewähren will (Kurve DD). Die Preisbildung ist im Bereich zwischen 10 und 20 unbestimmt, — zu anderen Preisen kann überhaupt kein
118
Kreislauf
und
Preisbildung
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Verkauf z u s t a n d e k o m m e n . — Bei B w i r d gezeigt, wie durch H i n z u t r i t t eines Anbieters eines weiteren Stücks, der zu einem Mindestpreis von 15 verkaufsbereit ist, der Bereich der Preisbildung auf 10—15 eingeschränkt w i r d ; der Preis k a n n nicht über 15 liegen, weil d a n n der N a c h f r a g e von einem Stück das Angebot von zwei Stucken gegenübersteht. — C zeigt das H i n z u t r e t e n eines zweiten Nachfragers, der einen Höchstpreis von 18 zu zahlen bereit ist. Beide angebotenen und n a c h g e f r a g ten Stucke können zu einem Preis zwischen 15 und 18 umgesetzt werden. — W u r d e n weitere Anbieter und N a c h f r a g e r mit W e r t schatzungen zwischen 15 und 18 f ü r das Stück h i n z u t r e t e n , so w u r d e sich der Bereich der Preisbildung weiter einschränken, schließlich die Preisbildung vollständig bestimmt sein.
§ 4. Das Gleichgewicht des Kreislaufs 1.
P r e i s r e 1a t i o n e n
und
P r e i s n i v e a u
Bei der E r w e i t e r u n g der G l e i c h g e w i c h t s b e t r a c h t u n g a u f d e n g e s a m t e n K r e i s l a u f k o m m e n z u der e n t w i c k e l t e n B i l d u n g des G l e i c h g e w i c h t s p r e i s e s auf e i n e m E i n z e l m a r k t hinzu die Beziehungen 1. z w i s c h e n d e n P r e i s e n der E i n z e l m ä r k t e als B i l d u n g der P r e i s r e l a t i o n e n o d e r d e r P r e i s s t r u k t u r ,
Das Gleichgewicht des Kreislaufs
119
2. zwischen der S t ä r k e des m o n e t ä r e n u n d realen Kreislaufstromes insgesamt als Bildung des Preisniveaus. W e n n 1 Einheit eines Gutes A, 2 Einheiten eines Gutes B, 4 eines Gutes C u n d 10 eines Gutes D je 1 D M kosten, so sind diese Mengen auf dem M a r k t gleichwertig und k ö n n e n real gegeneinander ausgetauscht w e r d e n . Diese Tauschrelation der Mengen k o m m t demnach z u m Ausdruck in der Preisrelation, nach der eine Einheit der G ü t e r A, B, C und D je 1 D M , 0,50 D M , 0,25 D M u n d 0,10 D M kostet. D i e erste F r a g e ist, wie sich diese R e l a tion der Preise bildet u n d welche R e l a t i o n Gleichgewicht darstellt. D i e den Preisrelationen z u g r u n d e liegenden Tauschrelationen w ü r d e n u n v e r ä n d e r t bleiben, wenn sich ihr Geldausdruck, d. h. ihre Preise, in gleicher P r o p o r t i o n v e r ändert, also z. B. die genannten Mengen nicht 1 D M kosten, sondern 10 D M . Diese V e r ä n d e r u n g b e t r ä f e vielmehr n u r das Preisniveau, nämlich die K a u f k r a f t der G e l d e i n h e i t o d e r d e n „ G e l d w e r t " . Das Preisniveau ist also der r e z i p r o k e W e r t d e r K a u f k r a f t des Geldes. Ist P das Preisniveau, B die K a u f k r a f t des Geldes, so gilt P =
1
B
An diese Unterscheidung k n ü p f t eine H y p o t h e s e an, die f ü r die Preistheorie grundlegend ist: Bei V e r ä n d e r u n gen der Preisrelationen ohne eine solche des Preisniveaus spricht eine V e r m u t u n g d a f ü r , d a ß sie durch Verschiebungen in den relativen Angebots- u n d N a c h f r a g e v e r h ä l t nissen der einzelnen G ü t e r verursacht sind. — V e r ä n d e r t sich dagegen das Preisniveau, so ist eine V e r ä n d e r u n g zwischen der G e s a m t g r ö ß e des realen Kreislaufstromes (Umsatzmenge) u n d der des m o n e t ä r e n Kreislaufstromes ( G e l d u m l a u f ) zu v e r m u t e n .
120
Kreislauf und Preisbildung
2. D a s
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der
Preis-
Grundsätzlich ist eine Interdependenz aller Preise anzunehmen, auch wenn ein bemerkbarer Einfluß der Änderung eines Preises nur für die Preise irgendwie „benachbarter" Güter direkt festzustellen ist. Bei der Untersuchung dieser gegenseitigen Einflußnahme werden drei Arten oder Richtungen der Preisrelationen zu unterscheiden sein: 1. „Horizontale" Preisrelationen sind solche zwischen Gütern und Diensten gleicher „Stufe" (oder „Ordnung"), etwa zwischen Verbrauchsgütern wie Butter, Margarine, Schmalz etc., oder zwischen Rohstoffen wie Eisen, Stahl, Kupfer, Aluminium etc. 2. „Vertikale" Preisrelationen sind solche zwischen Produktionsmitteln und mit ihrer Verwendung hergestellten Produkten. 3. „Intertemporal" (im Unterschied zu „intratemporal") sind Preisrelationen, wenn sich die in Beziehung gebrachten Preise auf verschiedene Zeitpunkte oder -perioden beziehen. Bei der Lagerbildung wird z. B. der „heutige" Preis des Gutes im Verhältnis zum „künftigen" („erwarteten") eine Rolle spielen. Bei allen zeitbeanspruchenden Produktionsvorgängen ist das Verhältnis zwischen den „heute" aufzuwendenden Produktionskosten und dem „künftigen" Preis des Produkts entscheidend. Eine besonders wichtige intertemporale Preisrelation wird durch den Zins dargestellt. In seiner Geldform (Kreditzins) drückt er eine Größenbeziehung zwischen einer gegenwärtigen und einer künftigen Geldsumme aus; er tritt aber grundsätzlich bei allen intertemporalen Wirtschaftsvorgängen in Erscheinung.
Diesen Unterscheidungen entsprechen die zwischen horizontalem, vertikalem und intertemporalem Gleichgewicht der Preisrelationen. Das totale Systemgleichgewicht bedingt, daß in allen Richtungen die Preisrelationen im Gleichgewicht sind.
Das Gleichgewicht des Kreislaufs
121
Z. B. kann ein Marktpreis auf dem „vollkommenen* Markt nur Gleidigewichtspreis sein, wenn (in vertikaler Richtung der Preisinterdependenz) er in später zu zeigender Weise den „Grenzkosten" der Produktion des betreffenden Gutes gleich ist.
Zur Bestimmung des Gleichgewichtszustandes wurde bereits auf das Verhalten der Marktteilnehmer zurückgegriffen: sie orientieren ihre Entscheidungen an den Preisen als „objektivem Bezugssystem" und verändern ihr Marktverhalten, solange sie dadurch ihre Wirtschaftszwedce besser und vollständiger erreichen können. Mit diesen Ausführungen ist der Ansatz für die Behandlung des ersten der genannten Problemzusammenhänge des Kreislaufgeschehens gefunden: die Zusammensetzung des Kreislaufstromes nach den einzelnen Arten und Mengen der tausendfachen Güter und Dienste wird gesteuert durch die Bildung der Preise auf den einzelnen Märkten und der Preisrelationen zwischen den Märkten. Noch bleiben die Fragen offen, wie sich die Stärke des gesamten Kreislaufstromes bildet und welche Zusammenhänge zwischen Geldkreislauf und realem Kreislauf bestehen. 3. S t ä r k e d e s K r e i s l a u f s t r o m e s Die Erfahrung zeigt Schwankungen in der Stärke des Kreislaufs und einen höheren oder geringeren Grad der Ausnutzung der vorhandenen Produktionsmittel (Arbeitslosigkeit). Frage ist, ob auch diese Erscheinung durch die Preisbildung erklärt und ob eine Tendenz zur Vollausnutzung aller Angebote an Produktionsmitteln angenommen werden kann. Die ältere und ein großer Teil der neueren Theorie verneinen die Möglichkeit eines Systemgleichgewichts mit Unter- oder Uberbeschäftigung. Denn da kein Gleichgewicht auf einem Einzelmarkt möglich ist, sofern Uberschüsse vorliegen, muß dasselbe für alle Märkte in ihrer Zusammenfassung gelten. Bei freier Preisbildung wird daher das Sozialprodukt bzw. der Kreislauf stets nach der
122
Kreislauf
und
Preisbildung
G r ö ß e hin tendieren, die der gegebenen A u s s t a t t u n g der Volkswirtschaft mit Produktionsmitteln, der angewendeten Technik usw. entspricht. a) Bei der tatsächlich festzustellenden Arbeitslosigkeit h a n delt es sich hiernach um „ R e i b u n g s e r s c h e i n u n g e n " , die aus ungenügender Beweglichkeit der Preise und L ö h n e , V e r z ö g e r u n gen in der U m s e t z u n g der A r b e i t s k r ä f t e , saisonalen S c h w a n kungen in der Beschäftigung und ähnlichem e r k l ä r t werden k ö n nen, die aber nicht auf eigentliches Versagen der automatischen Selbststeuerung des S y s t e m s hinweisen. b ) D i e allgemeine I n t e r d e p e n d e n z d e r P r e i s e ist hierbei e n t scheidend. V e r l a g e r t sich e t w a die N a c h f r a g e von G u t A nach G u t B , so wird selten eine d i r e k t e U m s e t z u n g der P r o d u k tionsmittel von A nach B möglich sein. A b e r w o i m m e r im Ausgleichsvorgang Überschüsse und D e f i z i t e a u f t r e t e n , w e r d e n dadurch die Preise als Steuerungssignale sich ä n d e r n und die AusgJeichstendenzen w i r k s a m w e r d e n . D i e s e T h e s e w i r d in d e r T h e o r i e b e z e i c h n e t als d a s Say'sche T h e o r e m ( J e a n Baptiste Say, 1 7 6 7 — 1 8 3 2 ) . Es k a n n in z w e i g l e i c h s i n n i g e n A u s d r u c k s w e i s e n d e m I n h a l t nach b e s t i m m t w e r d e n : 1. J e d e s M a r k t a n g e b o t b e d e u t e t chende wertgleiche N a c h f r a g e , weil A n b i e t e r a u c h N a c h f r a g e r ist.
eine i h m entspreja n o t w e n d i g j e d e r
2 B . R i c a r d o ( P r i n c i p l e s o f P o l i t i c a l E c o n o m y . 3. A u f l a g e 1 8 2 1 ) : „ N i e m a n d p r o d u z i e r t o h n e die Absicht ein anderes G u t zu e r w e r b e n , d a i ihm von N u t z e n ist o d e r z u r k ü n f t i g e n P r o d u k t i o n b e i t r ä g t . S o w i r d er durch die P r o d u k t i o n e n t w e d e r d e r V e r b r a u c h e r seiner eigenen Erzeugnisse o d e r K ä u f e r und Verbraucher der G ü t e r irgendeiner anderen Person . . . Prod u k t e werden stets durch P r o d u k t e o d e r durch D i e n s t e g e k a u f t ; G e l d ist nur das M e d i u m , durch das der Tausch b e w e r k s t e l l i g t wird." Hieraus wäre abzuleiten, daß z w a r einzelne G ü t e r im Überschuß angeboten werden können, a b e r nicht das G e s a m t a n g e b o t bei f r e i e r P r e i s b i l d u n g h ö h e r sein k ö n n e als d i e G e s a m t n a c h f r a g e . E b e n s o w ä r e e i n e a b s o l u t e U b e r n a c h f r a g e unmöglich, weil m a n nur durch A n g e b o t a n d e r e r G ü t e r N a c h f r a g e ausüben kann.
Das Gleichgewicht des Kreislaufs
123
2. In der Kreislaufbetrachtung läßt sich dasselbe dahin ausdrücken, daß der Produktion jeder Größe notwendig ein wertgleiches Einkommen entspricht, daß demnach mit jeder Produktion auch die ausreichende „ K a u f k r a f t " entsteht, um die gesamte Produktion nachzufragen. Zwar wird nicht jedes Gut zu seinem Kostenwert nachgefragt, aber ein Defizit in der Nachfrage nach einem Gut muß sich notwendig als Überschuß in der Nachfrage nach anderen Gütern äußern, da ja insgesamt der Nachfragewert dem Produktionswert entsprechen muß („Kompensationstheorie"). Dieses Theorem — f ü r die Selbststeuerung der Verkehrswirtschaft von zentraler Bedeutung — ist (abgesehen von einzelnen Kritikern) erst in neuerer Zeit ausdrücklich bestritten worden, namentlich durch J. M. Keynes (The General Theory of Employment, Interest and Money. 1936). (Vgl. Bd. IV.) 4. D i e
Glgichgewichtsbedingungen
Gleichgewicht auf den einzelnen Märkten besteht, wenn sich in der Einkommensverwendung die Nachfrage im gleichen Verhältnis auf die einzelnen Produkte verteilt, in dem diese an der Einkommensentstehung beteiligt sind, denn dann werden die Produkte zu ihren Kostenpreisen (einschl. normaler Unternehmerentsdiädigung) abgesetzt. — Gewinne und Verluste beim Absatz der einzelnen Verbrauchsgüter werden sich im Saldo ausgleichen, wenn die Gesamtnachfrage nach Verbrauchsgütern gleich dem gesamten Kostenwert der Verbrauchsgüter ist. Das wird der Fall sein, wenn die Einkomrnensempfänger den gleichen Anteil des Gesamteinkommens nicht für Verbrauchsgüter verausgaben, d. h. sparen, wie Produkte nicht zum Verbrauchsabsatz angeboten, d. h. investiert werden. Die folgende Abbildung verdeutlicht diese Beziehung. Im Kostenwert der Gesamtproduktion von 100 sind den Haushalten der Faktoren 100 Einkommen ausgezahlt worden.
124
Kreislauf und Preisbildung
Die von den Unternehmungen auf den Verbrauchsgütermärkten insgesamt angebotenen Güter haben einen Kostenwert von 75. Haben die Haushalte sich entschlossen, 25 ihres empfangenen Einkommens zu sparen, so ist deren Gesamtnachfrage nach Verbrauchsgütern 75. D i e Verbrauchsgüter werden also insgesamt zu ihrem Kostenwert abgesetzt, auch wenn bei dem Absatz der einzelnen Verbraudisgüter Gewinne und Verluste entstehen. — Hätten sich aber die Haushalte entschlossen, 30 zu sparen, so wäre entweder bei den Unternehmungen bei dem Absatz der Verbrauchsgüter ein Verlust von 5 entstanden, oder sie hätten für den Verkauf beabsichtigte Verbrauchsgüter in diesem Wert auf Lager nehmen, d. h. zusätzlich investieren, müssen; — Hätten umgekehrt die Haushalte nur 20 gespart, so wären entweder entsprechende Gewinne entstanden, oder aber die I n vestierungen würden um 5 vermindert werden. A n diese E r w ä g u n g e n über die R e l a t i o n e n zwischen Einkommensbildung durdi Verbrauchs- und Investitionsg ü t e r p r o d u k t i o n u n d E i n k o m m e n s v e r w e n d ü n g durch V e r b r a u c h s g ü t e r n a c h f r a g e u n d S p a r e n der H a u s h a l t e k n ü p f t die K r i t i k a m klassischen Ausgleichstheorem an. D i e
Abb 10.
Entwickeltes Kreislaufschema
Das Gleichgewicht des Kreislaufs
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F r a g e nach der Bestimmung der S t ä r k e des Kreislaufstromes w i r d auf das Verhältnis zwischen den von den Unternehmungen geplanten Investitionen und der v o n den H a u s h a l t e n geplanten H ö h e des Sparens konzentriert. Eine Ausweitung der P r o d u k t i o n insgesamt wird s t a t t finden, wenn die gewinnbringende P r o d u k t i o n größer ist als die verlustbringende. Das wird der Fall sein, wenn die N a c h f r a g e nach Verbrauchsgütern seitens der N i d i t u n t e r n e h m e r - H a u s h a l t e größer ist als der Anteil der V e r brauchsgüterproduktion an der Einkommensbildung der Nichtunternehmer-Haushalte. I m entgegengesetzten Fall wird eine Einschränkung der P r o d u k t i o n zu e r w a r t e n sein. Zwar sind realisiertes Investieren und realisiertes Sparen nach der früher durchgeführten Ableitung immer gleich. Aber diese Gleichheit wird durch das Auftreten von Gewinnen oder Verlusten bzw. durch ungeplantes Investieren und Sparen herbeigeführt. Ist dagegen das geplante Investieren größer als das geplante Sparen, so werden sich nach dem jetzt entwickelten Schema Gewinne im Absatz der Verbrauchsgüter ergeben, die eine Ausdehnung der Produktion verursachen. Im umgekehrten Fall ./ird die Tendenz zur Produktionseinschränkung gehen. Die Entwicklung der hier vorliegenden, schwierigen und umstrittenen T h e o r e m e , namentlich auch im Hinblick auf die Bedeutung der Zinsbildung, die nach der klassischen T h e o r i e z u m Ausgleich v o n Investieren und Sparen führen soll, k a n n erst an späteren Stellen dieser Darstellung unternommen werden. (Vgl. Bd. I V . ) Auf den Unterschied in der Erklärungsrichtung sei aber schon jetzt aufmerksam gemacht: Nach dem klassischen Ausgleichstheorem wird die Höhe der Gesamtproduktion, damit die Stärke des Kreislaufs, durch veränderte Größen des Anteils des Investierens und Sparens an der Einkommensbildung und -Verwendung nicht beeinflußt; die durch Nachfrage nach Verbraudisgütern nicht beanspruchten Produktionsmittel werden durch die Zinsbildung der Nachfrage für Investitionsgüterproduktion zugeführt. — Die neuere Kritik an diesem Ausgleichstheorem dagegen nimmt an, daß diese Umsteuerung bei gleichbleibender Gesamthöhe der Produktion nidit gewährleistet
126
Kreislauf und Preisbildung
ist, sondern d a ß sich in der angedeuteten Weise Veränderungen in der Gesamthöhe der Produktion b z w . der Stärke des Kreislaufstromes vollziehen.
5. D a s
Gleichgewicht zwischen realem und monetärem Kreislauf Der letztgenannte Problemkreis bezieht sich auf das Verhältnis zwischen dem monetären und realen Kreislauf. Wäre bei unveränderter Stärke des Geldstromes der gesamte reale Strom stärker oder schwächer geworden, so müßte der „Geldwert" steigen bzw. fallen (das Preisniveau sinken bzw. steigen). Ebenso, wenn bei unveränderter Stärke des realen Stromes die umlaufende Geldmenge steigt (Erhöhung des Preisniveaus, sinkender Geldwert) oder fällt (Sinken des Preisniveaus, steigender Geldwert). Solche Vorgänge stellen Ungleichgewicht dar; die Gleichgewichtstendenz besteht demnach, wenn sich entweder Geldmenge und realer Strom aneinander angleichen, oder Geldwert und realer Strom. Auf solche Vorgänge beziehen sich die Begriffe „Inflation" und „Deflation". Inflation tritt ein, wenn ein vergrößerter Geldumlauf, daher eine gestiegene monetäre Nachfrage nicht zu einer Erhöhung des realen Angebots führt, sondern zu einer Erhöhung des Preisniveaus. Deflation liegt vor, wenn umgekehrt ein allgemeiner Preisfall, regelmäßig verbunden mit einer Verminderung des realen Güterumlaufs, auftritt. Die hieran anknüpfenden Theoreme beziehen sich auf die Frage, unter welchen Bedingungen sich der Geldumlauf „automatisch" dem „Bedarf" anpaßt (bzw. welche Geldverfassung und Geldpolitik dazu erforderlich ist), wieweit umgekehrt vom Geld selbständige Einflüsse auf das Wirtschaftsgeschehen ausgehen, die dann unter U m ständen auch von der Geldpolitik zum Erreichen gewisser Ziele ausgenutzt werden können, — Auch diese umfassenden Probleme werden hier nur genannt und späterer Behandlung vorbehalten. (Vgl. Bd. IV.)
Bedürfnisse und Güter
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Kap. VI. Bedürfnisse, Güter, Nutzen § 1. Bedürfnisse und Güter 1. B e d ü r f n i s s e Bedürfnisse der Menschen, v e r s t a n d e n als E r s t r e b e n bes t i m m t e r Z u s t ä n d e , sind die „ l e t z t e n den Wirtschaftssubj e k t e n noch b e w u ß t e n B e s t i m m u n g s g r ü n d e des w i r t s c h a f t lichen H a n d e l n s " ( H . M a y e r ) . Sie setzen die „Zwecke", welche durch Beschaffung u n d V e r w e n d u n g geeigneter „ M i t t e l " erreicht w e r d e n sollen. Solche M i t t e l g e w ä h r e n „ N u t z e n " ; sind sie „ k n a p p " , so w e r d e n sie bewirtschaftet und bewertet. Alles "Wirtschaften zielt auf Befriedigung von Bedürfnissen. D i e meisten Bedürfnisse sind w i e d e r k e h r e n d , u n d der B e d ü r f n i s s t a n d ist praktisch u n b e g r e n z t e r q u a n t i t a t i v e r u n d q u a l i t a t i v e r E r w e i t e r u n g f ä h i g . D a h e r ist auch die zum W i r t s c h a f t e n z w i n g e n d e S p a n n u n g zwischen k n a p p e n Mitteln u n d unbegrenzten Bedürfnissen nicht a u f h e b b a r . D e r erreichbare S t a n d der Befriedigung gegebener Bedürfnisse h ä n g t einerseits von der Menge der Mittel ab, andererseits v o n der „Wirtschaftlichkeit" ihrer Beschaff u n g u n d V e r w e n d u n g . Diese Wirtschaftlichkeit setzt eine „ R a n g o r d n u n g der Bedürfnisse" voraus, denn sie bedingt, d a ß nicht f ü r weniger dringliche Bedürfnisse Mittel v e r w e n d e t werden, die dadurch f ü r die Deckung dringlicherer fehlen. W i r t s c h a f t e n ist daher die Zuweisung k n a p p e r Mittel an Zwecke gemäß einer R a n g o r d n u n g dieser Zwecke m i t d e m Z i e r o p t i m a l e r E r r e i c h u n g der Zwecke. Diese O r d n u n g ist s u b j e k t i v : jeder Mensch h a t seine eigene S k a l a d e r B e d ü r f n i s s e . Diese ist nicht u n m i t t e l b a r e r Beobacht u n g zugänglich, s o n d e r n festgestellt w e r d e n k a n n n u r die A r t d e r M i t t e l v e r w e n d u n g . Es w i r d u n t e r s t e l l t , d a ß sich in dieser die R a n g o r d n u n g d e r B e d ü r f n i s s e a u s d r ü c k t . — A r t u n d D r i n g lidikeit d e r B e d ü r f n i s s e des einzelnen sind aber s t a r k durch seine soziale U m w e l t d e t e r m i n i e r t , n a m e n t l i c h durch den „ S t a n d a r d " d e r L e b e n s h a l t u n g u n d V e r b r a u c h s g e w o h n h e i t e n jener sozialen G r u p p e , zu d e r sich der einzelne rechnet b z w . in die er strebt. D i e B e d ü r f n i s s t r u k t u r gilt so als M e r k m a l des sozialen „Status".
128
Bedürfnisse, Güter, Nutzen
Das Wirtschaften wird nicht erst durch aktuelle Bedürfnisse ausgelöst, sondern geschieht „vorsorgend". Die einzelnen Wirtschaftssubjekte können durch Sicherung von Geldeinkommen und -vermögen Zukunftsfürsorge betreiben, d. h. durch Bereitstellen „allgemeiner K a u f k r a f t " . Die Gesamtheit dagegen kann das (abgesehen vom Erwerb von Ansprüchen gegen das Ausland, d. h. von Gold und Devisen) nur durch Bereitstellung von Gütern, namentlich Aufstocken des Bestandes an Produktionsmitteln („Kapital"). „Kollektive" Bedürfnisse im Unterschied zu „individuellen" sind solche, die nicht durch einen individuellen Verbrauchsakt befriedigt werden, sondern deren Befriedigung durch kollektive Instanzen (Staat, Gemeinden, Verbände etc.) betrieben wird. Durchweg erfolgt die Bereitstellung der Mittel durch „generelles Entgelt* (Steuern, Zwangsabgaben), d. h. nicht am Maßstab eines Vorteils gemessen, den der einzelne von den Einrichtungen hat („spezielles Entgelt"). Die Bestimmung der Dringlichkeit dieser Bedürfnisse ist so den privaten Wirtschaftssubjekten entzogen (z. B. Zwangsversicherung, Schulpflicht etc.). — Ferner werden unterschieden „Gemeinschaftsbedürfnisse" als solche, die sich aus der Existenz des Gemeinwesens ergeben (z. B. Rechtspflege) von „Gemeinbedürfnissen", die zweckmäßig durdi Gemeinwirtschaft befriedigt werden, obwohl sie ihrer Natur nach einzelne Personen betreffen (z. B. öffentliche Verkehrsmittel). 2.
Güter
Ein Gut im ökonomischen Sinne ist, was indirekt ode direkt in der Bedürfnisbefriedigung „ N u t z e n " stiftet, daher einer Nachfrage begegnet, und „ k n a p p " ist, daher einen Preis erzielen kann („Wirtschaftsmittel von W e r t " ) . Zu den Gütern rechnen: 1. „Dienste", das sind Leistungen rechtlich freier Menschen, durch deren Erbringen ein Einkommen erzielt werden kann („Lohn", „Gehalt", „ H o n o r a r " etc.). 2. „Sachgüter", das sind materielle Dinge, die im Geoder Verbrauch Nutzleistungen abgeben und daher als „Bündel von Nutzleistungen" bewirtschaftet werden.
Bedürfnisse und Güter
129
3. Rechte und Verhältnisse, soweit sie gegen Entgelt übertragbar sind (z. B. Forderungen, Patente etc.). 4. Geld, soweit es nicht unter die Forderungen zu rechnen ist. a) Dienste können als solche nicht aufbewahrt oder gespeichert werden; nicht-erbrachte Dienste sind f ü r die Versorgung endgültig verloren (Arbeitslosigkeit). Sie werden bei Erbringen an Haushalte unmittelbar, in Unternehmungen „produktiv" verbraucht (zu Produkten transformiert'), d. h. in ihrem Wert dem eines erstellten Produkts angerechnet. b) „Verbrauch" (im physischen Sinn) ist der Verzehr der „Nutzleistungen" der Güter, entweder in einem einmaligen oder in fortlaufenden Akten. Unabhängig von seiner physischen Beschaffenheit ist ein Gut verbraucht, wenn es keine bewerteten Nutzleistungen mehr abzugeben vermag (z. B. K a lender vom Vorjahr, technisch überholte Maschinen). Der Wert eines Gutes entspricht also dem der in ihm enthaltenen N u t z leistungen. c) ,öffentliche Güter' können solche heißen, deren Nutzung durch ein Individuum nicht ,auf Kosten' der Nutzung durch andere Individuen geschieht, sich somit die verfügbare Nutzenmenge nicht durch Addition der einzelnen Nutzungen ergibt (Beispiel Straßenbeleuchtung). 3. E i n t e i l u n g e n d e r G ü t e r V o n den nach unterschiedlichen Gesichtspunkten m ö g lichen Einteilungen der Güter sind zu nennen: 1. nach dem Grad der Knappheit bzw. der Vermehrbarkeit 'urch Produktion (absolut unvermehrbare, mit steigenden, gleichen oder fallenden Kosten vermehrbare); 2. nach ihrer Verwendung zum Erwerb oder Verbrauch; 3. nach dem Grad der „Dauerhaftigkeit". V o n besonderer Bedeutung sind die Beziehungen der Güter zueinander. D e r „Interdependenz" der Preise müssen Relationen der Güter entsprechen insofern, als bei w i r t schaftlichen Entscheidungen Gruppen v o n Gütern gleichzeitig beachtet werden. Entsprechend den „vertikalen" und „horizontalen" Preisrelationen lassen sich diese Beziehungen der Güter zueinander gliedern: 9
P a u l s e n , Allg. V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e I
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Bedürfnisse, Güter, Nutzen
1. In vertikaler Beziehung nach Güterordnungen (Carl Menger), gemessen an dem Grad ihrer Entfernung v o n verbrauchsreifen Produkten. D i e in die V e r f ü g u n g der Verbraucherhaushalte übergehenden Güter heißen Güter erster Ordnung, die diesen im A b l a u f der Produktion unmittelbar vorgelagerten Güter z w e i t e r Ordnung, die diesen vorgelagerten Güter dritter O r d n u n g etc. Bei diesem Zurückgehen vermindert sich die Zahl der zu jeder O r d n u n g gehörigen Güter; schließlich gelangt man zu den „ursprünglichen Produktionsmitteln" Arbeit und N a t u r leistungen („Boden") als den Gütern höchster Ordnung, die nicht mehr auf andere Produktionsmittel zurückführbar sind (abgesehen v o n A u f w e n d u n g e n zur B o d e n v e r besserung, zur Ausbildung und Schulung der Arbeitskräfte u. dergl.). Diese Betrachtung erhellt a) die Anpassung der Produktion und Nachfrage aneinander: verändert sich die Nachfrage nach Gütern einer tieferen Ordnung, so wirkt das zurück auf den produktiven Einsatz der ihnen vorgelagerten Güter der höheren Ordnungen; b) die Wertbildung der Güter: nach d y Nutzwerttheorie (vgl. § 3) setzt die Wertbildung bei den Gütern erster O r d nung ein, die Güter höherer Ordnungen erhalten ihren „abgeleiteten" Wert durdi den jener Güter, zu deren Erzeugung sie dienen; c) die Preisinterdependenz: „Wenn zwei Güter auch nur ein einziges Produktionsmittel gemein haben, und andere Produktionsmittel nicht, so stehen ihre Werte doch in einem Zusammenhang; denn die Verteilung dieses einen Produktionsmittels stellt die Beziehung her. Von der Mitwirkung dieses einen Produktionsmittels hängt die Menge der beiden Güter mit ab, . . (Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 5. Auflage. Berlin 1952, S. 49 f.) 2. In horizontaler Beziehung (zwischen Gütern gleicher Ordnung) durch die Stärke der V e r b i n d u n g im A n g e b o t und in der Nachfrage. „Komplementär" heißen Güter, die a) in der Nachfrage verbunden sind, weil sie zum Erreichen eines bestimmten Zweckes zusammenwirken (z. B. Treibstoff und Schmieröl, Messer und Gabel);
Wirtschaftliches Verhalten
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b) im Angebot verbunden sind, weil sie in einem einheitlichen Produktionsprozeß anfallen (z. B. Baumwolle und Baumwollsaat, Koks und Gas). „Substitutiv" („konkurrierend") heißen Güter, die zueinander im Verhältnis gegenseitiger Ersetzbarkeit stehen, daher a) in der Nachfrage sich gegenseitig verdrängen können (z. B. Bauholz und Eisenträger, Streichhölzer und Feuerzeug, Strom und Gas), b) im Angebot (Produktion) sich in der Verwendung von Produktionsmitteln gegenseitig ausschließen (alle „knappen" Produktionsmittel mit wahlweiser Verwendung). „Unverbunden" sind Güter, für die weder im A n g e b o t noch in der N a c h f r a g e eine dieser Verbundenheiten besteht. (Z. B. Dynamomaschinen und Herrenhüte). Zwar besteht grundsätzlich die durchgreifende Tnterdependenz dadurch, daß alle Güter um die „ursprünglichen" Produktionsmittel („Güter höchster Ordnung") Arbeit und Boden miteinander konkurrieren, indessen ist diese Beziehung bei unverbundenen Gütern so entfernt, daß sie praktisch nicht spürbar ist. Diese Beziehungsformen werden in der Preis- und Kostenanalyse, sowie in der Theorie der N a c h f r a g e und der M a r k t f o r m e n zur A n w e n d u n g gebracht.
§ 2. Wirtschaftliches Verhalten 1. D i e
w i r t s c h a f t l i c h e n einheiten
Entscheidungs-
D a s Wirtschaften als V e r f ü g u n g über k n a p p e Mittel z u m Erreichen geordneter Zwecke geschieht durch „ W i r t schaftssubjekte"; Ausdruck für die einheitliche zweckbestimmte Ausrichtung ihres Verhaltens ist ihr i n d i v i d u eller „Wirtschaftsplan". (Vgl. Bd. II, K a p . I und I V . ) Wirtschaftssubjekte sind 1. die Haushalte, deren den Wirtsdhaftsplan bestimmende Zielgebung als Maximierung des Verbraudiernutzens (Versorgungsstandes) angesprochen wird;
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Bedürfnisse, Güter,
Nutzen
2. die Unternehmungen, deren Wirtschaftsplan auf M a x i mierung des Reinertrages (evtl. auch auf andere Ziele) abgestellt ist; 3. der Staat b z w . die einzelnen Instanzen staatlich bestimmter Tätigkeit mit je besonderen Zwecksetzungen.
Wer keine selbständigen wirtschaftlichen Entscheidungen treffen kann, ist nicht „Wirtschaftssubjekt", sondern unselbständiges Glied im Wirtschaftsplan einer anderen Einheit (unmündige Familienmitglieder, Sklaven, alle Personen innerhalb einer totalen Zwangswirtschaft). Beziehungen zwischen Wirtschaftssubjekten müssen notwendig solche des freien Vertrages sein, d. h. ökonomisch des Tausches (Kauf und Verkauf). Der Tausch beruht auf freier Entscheidung beider Kontrahenten, die also gleichrangig sind, während eine Zwangsleistung das Verhältnis der Über- und Unterordnung bedingt. Aus der Kreislaufbetrachtung ergaben sich als wichtigste Beziehungen zwischen Wirtschaftssubjekten: 1. der Verkauf von Leistungen der H a u s h a l t e in ihrer Eigenschaft als „Faktoren" an Unternehmungen, 2. der Verkauf von Verbrauchsgütern durch Unternehmungen an H a u s h a l t e als Verbraucher, 3. K ä u f e und Verkäufe von Leistungen der H a u s h a l t e aneinander, 4. K ä u f e und Verkäufe zwischen Unternehmungen, 5. Beziehungen von Haushalten und Unternehmungen zum Staat.
2.
Wirtschaftspläne
Der Wirtschaftsplan eines Wirtschaftssubjektes u m f a ß t alle Wirtschaftshandlungen, die die Verwendung vorhandener oder beschaffbarer Mittel zur Erreichung der gesetzten Zwecke betreffen. Das Zweckerreichen ist abhängig von den Bedingungen, unter denen die Mittel beschafft und verwendet werden können, d. h., d a die Mittel in einem „Preis" objektiv bewertet sind, müssen die Zwedce an den „Kosten" („Aufwendungen") der Mittelverwendung orientiert werden.
Wirtschaftliches Verhalten
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D e r E r f o l g der Unternehmungen, nämlich der Höchstertrag, kann an den Kostenpreisen und Erlösen q u a n t i t a t i v gemessen werden, w ä h r e n d die H a u s h a l t e subjektive Befriedigungswerte mit den Preisen der G ü t e r zu vergleichen haben.
Stehen die Zwecke und die Kosten der Mittel fest, so ist eine „ o p t i m a l e " Mittelverwendung eine solche, die durch anderweitige Verteilung der Mittel nicht verbessert werden kann. Auf diese ist der Wirtschaftsplan abgestellt; bleiben demnach die Bedingungen unverändert, so wird auch der Wirtschaftsplan nicht geändert werden. Verändern sich die Zwecke oder die verfügbaren Mittel bzw. deren Wert, so wird zur Maximierung des Wirtschaftserfolges eine Änderung des Wirtsdiaftsplans erfolgen. D a alle Wirtschaftspläne in die Z u k u n f t gerichtet sind, müssen ihnen notwendig neben „heutigen" auch „erwartete" Daten zugrunde gelegt werden. Es wird daher zu einer Änderung der Wirtschaftspläne kommen, wenn die „realisierten" Daten nicht mit den „erwarteten" übereinstimmen. Solche „Planrevisionen" sind Anstöße f ü r Änderungen des Wirtschaftsgeschehens überhaupt. E s handelt sich um die bereits behandelte Gleichgewiditsbetrachtung: stimmen realisierte und erwartete Größen überein, so fehlen I m p u l s e f ü r Ä n d e r u n g e n des wirtschaftlichen Verhaltens, daher besteht Gleichgewicht.
Die Revision der Wirtschaftspläne wird nicht fortwährend erfolgen; dem steht schon der starke Einfluß des routinemäßigen Verhaltens gegenüber. Jeder Wirtschaftsplan bezieht sich auf eine bestimmte „Periode", deren L ä n g e durch den „ökonomischen H o r i z o n t " des Wirtschaftssubjektes bestimmt ist. In der theoretischen Analyse werden die Entscheidungen über Planrevisionen auf den (gedachten) Zeitpunkt zwischen zwei Perioden lokalisiert. 3. R a t i o n a l i t ä t
und wirtschaftliches Prinzip D e r Begriff der Rationalität („Zweckrationalität") bezieht sich auf die Zuteilung der knappen Mittel z u m optimalen Erreichen der gesetzten Zwecke und u m f a ß t :
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Bedürfnisse, Güter, Nutzen
1. die bewußte Klassifizierung der Zwecke und das systematische Bevorzugen der als erstrebenswerter angesehenen (Skala der Präferenzen); 2. das bewußte Abwägen der möglichen Mittelverwendungen im Hinblick auf ihren wirkungsvollsten Einsatz; 3. die Konsistenz als Widerspruchslosigkeit der einzelnen Maßnahmen im Gesamtzusammenhang. Diese Rationalität wird ausgedrückt durch das „wirtschaftliche Prinzip": mit gegebenen Mitteln ist der höchstmögliche Erfolg, ein gegebener Zweck ist mit dem geringstmöglichen Mitteleinsatz zu erstreben. D a aber eine Isolierung eines einzelnen Projektes in der Regel nicht möglich ist, geht die Weiterführung des Prinzips in die Richtung, Kosten und Erfolge unterschiedlicher Projekte miteinander zu vergleichen. Die inhaltliche Bestimmung der Zwecke ist nicht gemäß einer „Rationalität" durchzuführen; es ist keine Forderung der Rationalität, etwa für sich selbst statt f ü r andere zu sorgen oder einer „objektiven" Rangordnung der zu erstrebenden Zwecke zu folgen. Rationalität betrifft nur die Art, in der Zwecke bewußt gemacht und durch Mittelverwendung erreicht werden. a) D e r „homo oeconomicus" ist ein der Klassik (mit z w e i f e l naftem Recht) unterlegter „Idealtyp" eines „reinen Wirtschaftsmenschen", dessen Verhalten sich aus nüchtern-kalkulatorischem Erstreben rein „egoistischer" Zwecke ergeben soll. D i e K o n struktion eines solchen T y p s des „Wirtschaftsmenschen" steht im Zusammenhang mit der Lehre des Utilitarismus (Jeremy Bentham, 1748—1832), welche das Verhalten der Menschen als durch Vermeiden v o n Unlust und Erstreben v o n Lust bestimmt annahm und aus der konsequenten Verwirklichung dieses Prinzips das „größte Glück der größten Zahl" zur M a x i m e aHer gesellschaftlichen Einrichtungen erhob. b) D i e Unterstellung eines bestimmten „rationalen" Verhaltens als „natürlich" w i r d v o n einigen Wissenschaftlern auch heute noch vorgenommen. Zum Beispiel Ludwig v o n Mises (Theory and H i s t o r y . A n Interpretation of Social and Economic Evolution. N e w H ä v e n 1957. S. 45): „ D a ist zunächst die Idee, daß
Wirtschaftliches Verhalten
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eine naturgegebene O r d n u n g der Dinge besteht, der der Mensch seine Handlungen anpassen muß, wenn er Erfolg haben will. Zweitens: D a s einzige Mittel zur Erkenntnis dieser O r d n u n g ist das Denken und die Vernunft, und keine bestehende soziale Einrichtung ist von dieser P r ü f u n g und Bewertung durch diskursives Urteilen ausgenommen. Drittens: kein anderer Standard der Beurteilung irgendwelcher Handlungen von einzelnen oder G r u p pen von Einzelnen ist verfügbar außer nach den Wirkungen, welche diese Handlungen hervorgerufen haben. Bis zur letzten logischen Konsequenz vorangetrieben f ü h r t e die Idee des n a t ü r lichen Gesetzes schließlich zum Rationalismus und Utilitarismus." c) „Für sie (die Psychologie, Anmerkung v. Verf.) ist die K o n zeption des rationalen Verhaltens nur in einer Bedeutung sinnvoll, nämlich in der Beschreibung des rationalen Verhaltens als eines Abwägens verschiedener alternativer Handlungsabläufe und der sich daran anschließenden, von bestimmten Prinzipien geleiteten freien Auswahl zwischen ihnen. . . . Dieses Verhalten kann dann dem mechanischen, sich wiederholenden, dem R o u tineverhalten also, gegenübergestellt werden." (G. K a t o n a , Das Verhalten der Verbraucher und Unternehmer. Tübingen 1960, S. 58.) d) D a auch das Planen und Abwägen unter das wirtschaftliche Verhalten gehört, muß auch dieses „rational" sein: es wäre „unrational", belanglose H a n d l u n g e n durch übermäßigen A u f w a n d an geistiger Anspannung erschöpfend durchzukalkulieren. e) In der Methodik der theoretischen Durchdringung der Wirtsdiaftsvorgänge erscheint die Rationalität als die „Logik", die sich aus der Mittel-Zweck-Beziehung ergibt, d. h. als Ableitung eines Verhaltens, das sich bei gegebener Zweckordnung, gegebenen Mittelbeständen, gegebener Verwendbarkeit der Mittel und quantitativer Vergleichbarkeit von eingesetzten Mitteln und erreichten Zwecken rein rechnerisch ergeben würde. Dies grundlegende theoretische P r i n z i p der Ökonomie w i r d so als Maximum-Problem gefaßt. (Erst in jüngster Zeit eröffnet sich durch die „Spieltheorie" von J . v. N e u m a n n und O. Morgenstern eine Ausweitung auf die Lösung von „Minimum-Maximum"Problemen („Sattelpunkte"), also Verbindung von „geringstmöglichem" Mitteleinsatz mit „höchstmöglichem" Erfolg). Diese Betrachtungsweise ermöglicht die Aufstellung von „Gesetzen" des wirtschaftlichen Geschehens, gemeint als „Aussagen bezüglich Tendenzen menschlichen Verhaltens unter bestimmten Bedingun-
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Bedürfnisse, Güter, Nutzen
gen" (A. Marshall). Von diesen „logischen" Gesetzen sind zu unterscheiden die „empirischen", welche auf der Beobachtung des wirtschaftlichen Geschehens aufgebaut sind und daher stets nur statistischen Wahrscheinlichkeitscharakter haben. Das sog. „Engel'sche Gesetz" z. B., nach welchem die für Nahrungsmittel ausgegebene Quote des Einkommens mit steigendem Einkommen fällt, ist ein empirisches Gesetz, welches jederzeit durch neue Feststellungen widerlegt werden kann; die Aussage, daß (bei bestimmten Annahmen) der Höchstertrag eines Unternehmens bei einer Absatzmenge erzielt wird, bei der Grenzkosten und Grenzertrag gleich sind, ist ein „logisches" Gesetz, welches gültig bleibt, auch wenn empirisch ein anderes Verhalten nachgewiesen wird. f) Sollen bestimmte wirtschaftliche Zusammenhänge in einem theoretischen .Modell' dargestellt werden, so müssen ,Verhaltensfunktionen' einbezogen werden als Aussagen darüber, an welchen ökonomischen Größen die Menschen sich in ihrem wirtschaftlichen Verhalten orientieren (z. B. Nachfrage nach einem Gut orientiert am Preis des Gutes) und wie sie auf eine Veränderung dieser Größen reagieren (z. B. bei Erhöhung des Preises um x°/o fällt die Nachfragemenge um y°/o). Damit wird also das Verhalten berechenbar und der unbestimmbaren Willkür entzogen. Diese für die Modellanalytik notwendige Setzung kann als .rationales Verhalten' gemeint sein, besagt aber nichts mehr als eben die Annahme, die betreffende wirtschaftliche Handlung sei durch die angegebenen wirtschaftlichen Größen ,bestimmt'. D e r Nachweis eines bestimmten Verhaltens als „ r a t i o n a l " ermöglicht das „ V e r s t e h e n " dieses Verhaltens und befriedigt insoweit die wissenschaftliche E r k l ä r u n g . I r r tümer in der rational gemeinten Verhaltensweise zerstören nicht die R a t i o n a l i t ä t . a) „Die unmittelbar verständlichste Art der sinnhaften Struktur eines Handelns ist ja das subjektiv streng rational orientierte Handeln nach Mitteln, welche (subjektiv) für eindeutig adäquat zur Erreichung von (subjektiv) eindeutig und klar erfaßten Zwecken gehalten werden . . . . J e eindeutiger ein Handeln dem Typus der Richtigkeitsrationalität entsprechend orientiert ist, desto weniger wird sein Ablauf durch irgendwelche psychologischen Erwägungen überhaupt sinnhaft verständlicher. Umgekehrt bedarf jede Erklärung von irrationalen
Wirtschaftliches Verhalten
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Vorgängen, d. h. solchen, bei welchen entweder die objektiv richtigen Bedingungen des zweckrationalen Handelns unbeachtet oder (was zweierlei ist) auch subjektiv die zweckrationalen Erwägungen des Handelnden weitgehend ausgeschaltet waren, . . . . vor allen Dingen der Feststellung: wie denn im rational idealtypischen Grenzfall absoluter Zweck- und Richtigkeitsrationalität gehandelt worden wäre." (Max Weber, Uber einige Kategorien der verstehenden Soziologie. I n : Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Tübingen 1922. S. 403 ff.) b) Als „Verstehen" ist gemeint der „ . . . . sehr komplexe theoretische Akt, in dem wir mit dem Anspruch auf Objektivität den inneren sinnvollen Zusammenhang im Sein und Tun, im Erleben und Verhalten eines Menschen (einer Menschengruppe) oder den Sinn einer Leistungsobjektivation auffassen". (Eduard Spranger, Lebensformen. Geisteswissenschaftliche Psychologie und Ethik der Persönlichkeit. 7. Aufl., Halle 1930. S. 410.) Als „ i r r a t i o n a l " haben H a n d l u n g e n zu gelten, deren Motive 1. auf subjektiv als zwingend und letztgültig angenommenen Leitsätzen beruhen, welche einer rationalen Handlungsweise übergeordnet sind, wie etwa religiöse Überzeugungen, intuitive Anwendung ethischer Grundüberzeugungen etc., („wertrationales" Handeln, dem, unabhängig vom Erfolg, unbedingter Eigenwert beigelegt wird), 2. a u f ungeprüfter und unbeweglicher Gewohnheit beruhen („Routine", Trägheit des Denkens etc.), 3. ungeprüfte Anpassung an Vorbilder sind, 4. affektuale bzw. emotionale Reaktionen sind. Gemeint ist stets, daß in der K e t t e : Anreiz zur Entscheidung, vernünftige Überlegung, Handlung, das mittlere Glied fehlt oder unvollständig ist, so daß statt der „Reflektion" ein „Reflex" vorliegt. „Für die Masse der Durchschnittsmenschen lautet das wirtschaftliche Prinzip, dem sie folgen, einfach dahin, ,sei so wirtschaftlich als deine Genossen es sind', d. h. erfülle das Gebot der geringsten Kosten und des höchsten Nutzens, soweit als man es in dem Kreise tut, dem du angehörst und in dem du dich behaupten willst." (v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft Grundriß der Sozialökonomik, I. Abtlg. Tübingen 1914. S. 240.)
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Bedürfnisse, G ü t e r ,
Nutzen
4. D i e
wirtschaftlichen Wahlhandlungen D i e Annahme rationalen Verhaltens ermöglicht die Erklärung der Wirtschaftsvorgänge als Beziehungen zwischen Dingen, indem man den wirtschaftenden Menschen als entscheidendes Objekt eliminiert: sein Verhalten wird als „ r a t i o n a l " durch die Sachumstände bestimmt und daher berechenbar angenommen. Diesem berechenbar auf die gegebenen Daten reagierenden, ihre Gebote nur vollziehenden Menschen wird in der neueren Theorie der entscheidende und dadurch das Wirtschaftsgeschehen bestimmende Mensch gegenübergestellt, und es wird gezeigt, daß die Annahme eines nach L a g e der gegebenen Daten berechenbar „richtigen" Verhaltens sehr begrenzt ist. Weder sind die Daten für alle Wirtschaftssubiekte identisch, noch reagieren alle Wirtschaftssubjekte auf identische Daten in gleicher Weise. a ) D a s wirtschaftliche Verhalten ist nicht nur durch gegebene und daher f ü r alle gleiche D a t e n bestimmt, sondern durch k ü n f tige, d. h. erwartete, die nicht bestimmt sind, sondern ausgelegt werden müssen. b ) Selbst wenn die k ü n f t i g e n D a t e n o b j e k t i v feststünden, w ü r d e n sie nicht zum gleichen Verhalten führen, da u. a. der G r a d der R i s i k o f r e u d i g k e i t etc. d a s individuelle Verhalten mit bestimmt.
Die wirtschaftliche „ U m w e l t " des einzelnen Wirtschaftssubjektes sind nicht nur materielle Dinge und deren quantitative Größen, sondern andere Wirtschaftssubjekte, die selbst Entscheidungen fällen, von denen der erstrebte Erfolg mit abhängt. Der Bereich der möglichen rechnerischen „ K a l k u l a t i o n " in der Bestimmung des Verhaltens ist nicht umfassend genug, als daß er die Notwendigkeit einer „ S t r a t e g i e " des wirtschaftlichen Verhaltens ausschließen könnte. Immer aber ist Wirtschaften ein wählendes Entscheiden zwischen verschiedenen Möglichkeiten, die sich gegenseitig ausschließen. Aus dem Ergebnis dieser Entscheidüngen bilden sich die makroökonomischen Sachverhalte. D i e
Wert
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Notwendigkeit der Entscheidung ergibt sich aus der Knappheit, die Möglichkeit aus der mehrfachen Verwendbarkeit der Mittel. Jeder gewählte Mitteleinsatz bedingt daher Verzicht auf andere und den in dieser Verwendung erreichbaren Erfolg, so daß die Kosten entgangener Nutzen sind. § 3. Wert 1. W e r t b e g r i f f „Der Wert ist die Rechenform des Nutzens" (v. Wieser). Wert im allgemeinen Sinne besteht in der Beilegung einer Bedeutung, welche Dinge oder Sachverhalte in bezug auf menschliche Strebungen haben. Für das Wirtschaften ist diese den „Gütern" beigelegte Bedeutung deren „Nutzen" zur Befriedigung von Bedürfnissen. Dem „objektiven" Nutzen einer Tauglichkeit zum Erreichen bestimmter Zwecke steht ein „subjektiver" gegenüber, der sich aus der individuell empfundenen Dringlichkeit der Zwecke ergibt, deren Erreichen von der Verfügung über das betreffende Gut abhängig ist. Das wird ausgedrückt durch den objektiven bzw. subjektiven „Gebraudiswert".
Die Wertproblematik der Wirtschaft bezieht sich namentlich auf das Verhältnis zwischen „Gebrauchswert" und „Tauschwert", d. h. auf die Bildung des „Preises", den die Güter im wirtschaftlichen Verkehr erzielen. Der „ökonomische Wert" oder „Tauschwert" ist also eine Beziehung zwischen einem Objekt und einem „Standard", nämlich dem Geld, ausgedrückt in Einheiten dieses Standards, nämlich dem Preis. Unverkennbar ist, daß diese Größe nicht unmittelbar der Bedeutung entspricht, den die Güter nach ihrem „objektiven" Gebrauchswert haben, vielmehr hängt er weiterhin von der Knappheit ab: „Knappheit, Nutzen und Wert sind komplementäre Begriffe" (v. Zwiedineck-Südenhorst, Allg. Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl. 1948, S. 38). Der Grad der Knappheit hängt wiederum einerseits von der Möglichkeit ab, die begehrten Güter durch Produktion zu beschaffen, d. h. den Kosten der Produktion, andererseits von der Dringlichkeit, mit der die Güter begehrt werden, also von
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Bedürfnisse, Güter, Nutzen
ihrem Nutzen. Daher kreist die Problematik der wirtschaftlichen Wertbildung um den Einfluß der Kosten einerseits, der Begehrtheit der Güter andererseits auf die Bestimmung des objektiven Tauschwertes (Preises). Auf die Erklärung einer „Wertsubstanz" („absoluter Wert" etc.) wird verzichtet, seitdem erkannt ist, daß der Wert eine Beziehung zwischen Menschen und Dingen ist, nicht aber ein den Dingen — unabhängig von einer ihnen von den Menschen beigelegten Bedeutung — Innewohnendes.
2. O b j e k t i v i s t i s c h e u n d subjektivistische (Nutzwert-) Theorie Die ältere „klassische" Werttheorie hielt die Erklärung der Wertbildung aus dem Nutzen der Güter für unmöglich, da offensichtlich Güter höchsten Nutzens (z. B. Wasser) einen sehr geringen, umgekehrt Güter geringen Nutzens (z. B. Diamanten) einen sehr hohen Tauschwert haben können („Wertparadox"; Proudhon: „Contradiction économique"). Zwar sei Nutzen Bedingung für die Wertbildung, sofern aber die Güter durch Produktion vermehrbar sind, könne ihr Tauschwert nicht abweichen von den „Kosten", zu denen sie beschaffbar sind. Bei nicht beliebig vermehrbaren (MonopoI-)Gütern (einmalige Kunstwerke, Weine bestimmten Jahrgangs und Wachstums etc.) wird sich nach der Klassik der Tauschwert aus dem Verhältnis ihrer Seltenheit zu der Dringlichkeit des Begehrens bilden.
Die „Kosten" der Produktion sind in ihrem Geldausdruck selbst „Preise"; deren Erklärung erfolgt durch Zurückgreifen auf Aufwendungen, die in ihrer quantitativen Größe direkt, also nicht nur im Preisausdruck, bemeßbar, sind. Die weitaus vorwiegende Erklärung der Kostenwerttheorien geschah durch Rückgriff auf die an der Arbeitszeit bemessenen Aufwendungen an produktiver Arbeit: das den Tauschwertrelationen der einzelnen Güter zueinander zugrundeliegende objektive Verhältnisse der relativen Produktionskosten wird am Verhältnis der Arbeitsaufwendungen in der Produktion der Güter gefunden. Die „natür-
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liehen" Preise, um welche die Marktpreise schwanken, sind hiernach durch die objektiven Beziehungen determiniert. S o S m i t h : wenn sich (in primitiven Wirtschaftsverhältnissen) zwei H i r s d i e gegen einen Biber austauschen lassen, so deshalb, weil zur E r l a n g u n g eines Bibers durchschnittlich die d o p p e l t e Zeit gleicher (homogener) Arbeit nötig ist wie zur E r l a n g u n g eines Hirsches. — W a r u m es aber zum Tausch kommen sollte, wenn keinem der Partner der Tausch eine günstigere Beschaffungsmöglichkeit g e w ä h r t als die direkte Beschaffung, bleibt insoweit unerklärt.
D i e „Arbeitswerttheorie" wurde nach den Ansätzen bei S m i t h und R i c a r d o und v o r h e r der Eigentumstheorie v o n J o h n Locke namentlich durch M a r x zur G r u n d l a g e seines theoretischen Systems gemacht („Ausbeutungstheorie"). Bei diesen Erklärungen wurde in unterschiedlicher Weise der Nachweis versucht, daß die an der Produktion mitwirkenden Faktoren Boden und K a p i t a l nicht an der Wertbildung beteiligt seien: das K a p i t a l wurde in Arbeitsund Bodenleistung aufgelöst („produzierte Produktionsmittel"), durch die Rententheorie gezeigt, daß die Bodenrente nicht den Preis mitbestimmt, sondern durch ihn bestimmt werde. Regelmäßig wurde also die „Arbeit" als Wertmaß gleichgesetzt der „Arbeit" als Ursache des Wertes. Nach der subjektivistischen oder Nutzwert-Theorie dagegen besitzen die Güter nicht Wert, weil sie Kostenaufwand für ihre Beschaffung fordern, sondern Kosten können in dem Maße aufgewendet werden, wie die Güter wegen ihres N u t z e n s bewertet werden. Es wird dabei nicht der Wert aus dem N u t z e n erklärt, sondern der Bewertungsvorgang, die gesellschaftlich-objektivierten „ W e r t e " (Preise) werden aus der psychologischen Erfahrung des Individuums abgeleitet. D a s Beispiel von Smith müßte demnach gedeutet w e r d e n : wenn ein Biber so hoch geschätzt w i r d wie zwei Hirsche, k a n n zur Beschaffung eines Bibers der d o p p e l t e A u f w a n d durchgeführt werden wie zur B e s c h a f f u n g eines Hirsches. Nach der
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Bedürfnisse, Güter, Nutzen
Kostenwert-Theorie wären Güter als gleichwertig zu betrachten, wenn sie wahlweise mit dem Einsatz gleicher Mengen von Produktionsfaktoren produziert werden können, nach der N ü t z wert-Theorie, wenn sie sidi wechselseitig zur Erlangung eines gleichgroßen Nutzens substituieren können. D a z u mußte das „Wertparadox" aufgelöst werden. Das geschah durch die Erkenntnis, daß wirtschaftlich nicht nach dem absoluten und objektiven Gebrauchswert eines Gutes schlechthin gefragt wird, sondern nach der Veränderung im N u t z e n , die durch kleine Änderungen in der verfügbaren Menge des betreffenden Gutes bewirkt wird („Grenznutzen"). Diese Erkenntnisse wurden nach wenig beachteten früheren Ansätzen (J. Bentham: „Der Verlust eines Teils des Reichtums wird f ü r den einzelnen einen Verlust an Glück bedeuten, der mehr oder weniger groß ist, entsprechend der Proportion zwischen dem Teil, den er verliert und dem, der ihm bleibt.") fast gleichzeitig durch Jevons, Walras und Menger (1871, 1874) eingeführt und sind, abgesehen von der marxistischen Lehre, fast allgemein angenommen worden. „Der W e r t eines Gutes für einen Wirtschaftler ist danach eine Funktion der Menge des Vorrats und des geringsten N u t z e n s , der entsprechend der Bedürfnisskala und der Menge des Gutes bei rationeller V e r w e n d u n g des ganzen Vorrats noch erreichbar ist." (v. Zwiedineck-Südenhorst, Allg. Volkswirtschaftslehre, S. 41.) Setzt somit der Wertbildungsprozeß bei der direkten Schätzung des Güternutzens im menschlichen Verbrauch ein, s o strahlt dieser W e r t zurück auf die Produktionsmittel, s o w e i t die betreffenden Güter durch solche vermehrbar sind. D i e Werterklärung für Verbrauchs- und Produktionsgüter, für beliebig vermehrbare und für M o nopolgüter erfolgt so durch ein einheitliches Prinzip. Die Einheit eines vielseitig verwendbaren Produktionsmittels wird geschätzt „nach der letzten unter jenen verschiedenartigen Verwendungen, zu der man sie mit Rücksicht auf den verfügbaren Gesamtvorrat noch heranziehen, das ist in diesem Falle, nach dem Wert des geringwertigsten Produktes, das man aus
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einer Produktivmitteleinheit noch herstellen darf." (v. BöhmBawerk, Artikel: Wert. Handwörterbuch d. Staatswissenschaften. 4. Aufl. S. 1003.)
§ 4. Nutzen 1. N u t z e n
und wirtschaftliches Prinzip
„Nutzen" im ökonomischen Sinne ist die Eigenschaft eines Gutes, u m derentwillen es begehrt wird. Es wird unterstellt, daß die Intensität, mit der ein G u t begehrt wird, dem (erwarteten) subjektiven N u t z e n durch den Verbrauch oder Gebrauch des Gutes entspricht. Der N u t zen wird verwirklicht durch die Abgabe von „ N ü t z leistungen" im Verbrauch des Gutes. D e r Begriff „ N u t z e n " ist nicht inhaltlich eingeschränkt auf „objektiven" N u t z e n : es genügt das Begehrtwerden, so daß auch G i f t für den Selbstmörder, Werkzeuge für den Einbrecher „ N u t z e n " haben. ,Nutzen' erklärt also, nicht, warum Güter ,Wert' haben und begehrt b z w . nachgefragt werden, sondern konstatiert lediglich den beobachteten Sachverhalt, daß sie nachgefragt werden.
Maximierung des Nutzens wird als Ziel des wirtschaftlichen Verhaltens angenommen und zwar so, daß 1. der Mensch seine Bedürfnisse als von unterschiedlicher Dringlichkeit erlebt, seine Bedürfnisstruktur also geordnet ist; 2. die meisten Bedürfnisse teilbar sind, ihre Befriedigung daher in einem Prozeß der „Sättigung" durch Verzehr einzelner Nutzleistungen erfolgen kann; 3. aus der grundsätzlichen Knappheit der Mittel die Notwendigkeit folgt, auf den unterschiedlichen Grad der Bedürfnisdringlichkeit nach Art und Teilbedürfnis innerhalb der Bedürfnisart Bedacht zu nehmen. Gelten diese Voraussetzungen, so läßt sich deduktiv ableiten, wie der maximale Stand der Bedürfnisbefriedigung bzw. des erreichten Nutzens zu verwirklichen ist.
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Bedürfnisse, Güter,
Nutzen
2. E r s t e s G o s s e n ' s c h e s Gesetz (Sättigungsgesetz) Sättigung ist das Erlöschen des aktuellen Begehrens nach weiteren Einheiten eines Befriedigungsmittels. Die psychologische Erfahrung beweist, daß in vielen Fällen das Bedürfnis in „Teilbedürfnissen" empfunden wird, die Sättigung sich demnach als fortschreitender A k t des Verzehrs von einzelnen Einheiten vollzieht u n d daß dabei der durch die letzte Einheit zusätzlich gewonnene Befriedigungsnutzen ständig geringer wird. „Die Größe eines und desselben Genusses nimmt, w e n n w i r mit Bereitung des Genusses ununterbrochen fortfahren, f o r t während ab, bis zuletzt Sättigung eintritt." (Gossen, Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches H a n d e l n . Braunschweig 1854; 3. A u f l . , Berlin 1927, S. 4 f.)
Aus diesem psychologischen Sachverhalt wird abgeleitet, daß auch das Begehren nach den Einheiten des Befriedigungsmittels mit der fortschreitenden Sättigung abnimmt. „Bei jedem teilbaren Bedürfnis wird innerhalb jedes Bedürfnisabschnittes der mit der ersten Verwendungseinheit vorzunehmende Befriedigungsakt mit der höchsten Intensität begehrt, jede V e r w e n d u n g weiterer Einheiten derselben Art w i r d mit abnehmender Intensität begehrt, bis der Sättigungspunkt erreicht ist, darüber hinaus schlägt das Bedürfnis in Widerwillen um." (v. Wieser, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft, Grundriß der S o z i a l ö k o n o m i k , I. Abtig., Tübingen 1914, S. 148.)
Dem im Befriedigungsakt abnehmenden Nutzen der Teileinheiten entspricht demnach eine abnehmende Dringlichkeit der Nachfrage nach weiteren Teileinheiten des betreffenden Gutes, daher auch eine abnehmende Bereitwilligkeit zur Erbringung eines „Beschaffungsopfers" zum Erlangen weiterer Einheiten; namentlich eines Preises von bestimmter Höhe. — Das „Sättigungsgesetz" („Erstes Gossen'sches Gesetz") wird so zur Grundlegung der Theorie der Nachfrage nach Verbrauchsgütern, namentlich zur Erklärung der „Nachfragefunktion", nach der
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bei höherem Preis für die Einheit eines Gutes die nachgefragte Menge kleiner ist als bei tieferem Preis. (Vgl. Behandlung der T h e o r i e der N a c h f r a g e in Bd. II, Kap. III.) 3. D a s
T h e o r e m des abnehmenden Grenznutzens
D e r Grenznutzen ist die Veränderung des Gesamtnutzens bezogen auf die Veränderung der Stückmenge um eine sehr geringe (nach N u l l tendierende) Einheit. Der Ausdruck wurde geprägt durch v. Wieser. (Über den Ursprung und die Hauptgesetze des wirtschaftlichen Wertes. Wien 1884.) Zu beachten ist, daß der Grenznutzen (engl, „marginal Utility") wie alle sonstigen Grenzgrößen sich nicht auf aas zeitlidi „zuletzt" hinzugekommene Stück bezieht. Die einzelnen Stücke des Bestandes werden als völlig homogen angesehen, so daß jedes Stück denselben Nutzen erbringt und „Grenzeinheit" ist, — bei Verlust irgendeines der Stücke geht der „Grenznutzen" verloren. D e r Grenznutzen ist als Hauptbegriff der reinen T h e o r i e bezeichnet w o r d e n (Rosenstein-Rodan). Er ist die Grundlage für 1. die Erklärung der Wertbildung aus dem Sättigungsgesetz, 2. das Prinzip des gleichen Wertes für alle (homogenen) Einheiten eines Vorrats, 3. das Prinzip des Grenznutzenausgleichs als Bestimmung des „rationalen" Verhaltens (vgl. S. 142 ff.: „Zweites Gossen'sches Gesetz"). D a s „Grenznutzengesetz" lautet (in der Fassung v o n B ö h m - B a w e r k ) : „ D i e Größe des Wertes eines Gutes bem i ß t sich nach der Wichtigkeit desjenigen konkreten Bedürfnisses, welches unter den durch den verfügbaren G e samtvorrat v o n Gütern solcher A r t bedeckten Bedürfnissen das mindest wichtige ist." — Kürzer: „ D e r W e r t eines Gutes bestimmt sich nach dem Grenznutzen." Analytisch muß der Grenznutzen eines Gutes entsprechend der an vielen Stellen der Analytik verwendeten Beziehung zwischen 10 Paulsen, Allg. Volkswirtschaftslehre I
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G e s a m t - , Durchschnitts- u n d G r e n z g r ö ß e n ( m a r g i n a l e n G r ö ß e n ) b e s t i m m t w e r d e n . E r ist nicht schlechthin d e r N u t z e n der l e t z t e n E i n h e i t , die einem Bestand h i n z u g e f ü g t w i r d . D a die E i n h e i t e n h o m o g e n , d . h. völlig a u s t a u s c h b a r u n d d a h e r nutzengleich sind, w ä r e d a n n d e r G e s a m t n u t z e n gleich Stückzahl mal G r e n z n u t z e n , d a h e r der G r e n z n u t z e n gleich d e m D u r c h s c h n i t t s n u t z e n . I m R e g e l f a l l ist a b e r d e r G r e n z n u t z e n kleiner als d e r Durchschnittsn u t z e n . E r ist nämlich die V e r ä n d e r u n g des G e s a m t n u t z e n s bei V e r ä n d e r u n g d e r Stückzahl u m eine ( m a r g i n a l e ) E i n h e i t , u n d diese V e r ä n d e r u n g des G e s a m t n u t z e n s ist die S u m m e aus N u t z e n d e r m a r g i n a l e n E i n h e i t u n d N u t z e n v e r ä n d e r u n g aller a n d e r e n E i n h e i t e n bei dieser V e r ä n d e r u n g d e r M e n g e d e r E i n h e i t e n . Bei a b n e h m e n d e m G r e n z n u t z e n w i r d also der D u r c h s c h n i t t s n u t z e n d e r h o m o g e n e n E i n h e i t e n geringer. D a s T h e o r e m des a b n e h m e n d e n G r e n z n u t z e n s w i r d a b geleitet aus E r f a h r u n g u n d aus D e d u k t i o n : 1. K e i n spezielles B e d ü r f n i s ist unersättlich. D a h e r gibt es stets eine M e n g e an B e f r i e d i g u n g s m i t t e l n , die so g r o ß ist, d a ß eine w e i t e r e M e n g e n z u n a h m e nicht m e h r als N u t z e n z u wadis empfunden würde. 2. Selbst w e n n ein G u t in jeder beliebigen M e n g e k o s t e n l o s beschafft w e r d e n k ö n n t e , k a n n es nicht alle a n d e r e n b e g e h r t e n G ü t e r ersetzen. D a h e r k a n n auch d e r V e r b r a u d i e r n u t z e n insgesamt nicht p r o p o r t i o n a l z u r Z u n a h m e d e r M e n g e eines o d e r einiger G ü t e r e r h ö h t w e r d e n . Im algebraischen Ausdruck: w e n n d U der N u t z e n z u wachs bei V e r m e h r u n g des G u t e s x u m die nach null t e n d i e r e n d e M e n g e d x ist, s o i s t b i s z u r E r r e i c h u n g d e r Sättigungsgrenze
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O , d. h . d e r G r e n z n u t z e n ist p o s i -
tiv. Bei f o r t g e s e t z t e r V e r m e h r u n g v o n x n i m m t aber der G r e n z n u t z e n ab:
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