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German Pages [344] Year 2019
Gaul Aktuelles Arbeitsrecht Band 2 /2018
Band 2/2018
Aktuelles Arbeitsrecht Herausgegeben von
Prof. Dr. Björn Gaul Bearbeitet von
Dietrich Boewer
Rechtsanwalt, Vorsitzender Richter am LAG Düsseldorf a.D.
Prof. Dr. Björn Gaul
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln
Zitierempfehlung: Bearbeiter in Gaul, AktuellAR 2018, S. ...
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0948-2369 ©2019 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: Stückle, Ettenheim Printed in Germany
Vorwort Im Herbst 2018 hat der Gesetzgeber nicht nur die Neuregelungen zur Brückenteilzeit, zur Arbeitszeitverlängerung und zur Arbeit auf Abruf verabschiedet. Im Zusammenhang mit dem Qualifizierungschancengesetz wurden in einem verkürzten Gesetzgebungsverfahren auch Änderungen in Bezug auf § 4 a TVG (Tarifeinheit), § 117 BetrVG (Geltung des BetrVG im Flugbetrieb) und § 622 BGB (Altersdiskriminierung bei der Berechnung von Kündigungsfristen) beschlossen. Alle Änderungen treten zum 1.1.2019 in Kraft. Bei verschiedenen Tarifverträgen unterschiedlicher Gewerkschaften in einem Betrieb gilt damit weiterhin die gesetzliche Kollisionsregel. Das ist zu begrüßen. Die Fachgerichte müssen allerdings eine Reihe von Auslegungsvorgaben beachten, die den Vorrang des Tarifvertrags der Mehrheitsgewerkschaft begrenzen. Auf Europäischer Ebene wird sich die Praxis auf die neue Entsenderichtlinie einstellen müssen. Sie ergänzt die sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben zur A1-Bescheinigung und bringt zusätzliche Komplexität in die Auslandsentsendung. Wichtig ist auch der Entwurf der Whistleblower-Richtlinie. Sie sollte neben dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen bei der Ausgestaltung betrieblicher Regelungen schon beachtet werden. Ob ergänzende Überlegungen zu grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen oder Spaltungen zu einer Neufassung der maßgeblichen Richtlinie führen, bleibt abzuwarten. Insbesondere im Bereich der Unternehmensmitbestimmung besteht noch Anpassungsbedarf. Wichtiger ist, möglichst bald eine Klarstellung der Rechtsprechung zu der Frage zu erhalten, ob bei der Umwandlung einer AG in die SE auf den Ist- oder den Soll-Zustand der Unternehmensmitbestimmung abgestellt werden muss. Die 3-Jahres-Frist des BAG zur Kennzeichnung der Zuvor-Beschäftigung bei einer sachgrundlosen Befristung hat das BVerfG aufgehoben. Die Praxis muss jetzt nach einzelfallbezogenen Lösungen suchen. Hilfreich wäre hier eine Klarstellung des Gesetzgebers. Das gleiche gilt für die Kettenbefristung im Rahmen von § 14 Abs. 1 TzBfG und die Dauer einer ununterbrochenen Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers. Auch insoweit bleibt es erst einmal bei richterrechtlich entwickelten Grundsätzen. Im Bereich der Vergütung ist auf die Bezahlung von Reisezeiten sowie Stichtagsregelungen in Bezug auf Sonderleistungen, Abfindungsregelungen und Klageverzichtsprämien hinzuweisen. Erhebliche Bedeutung haben darüber hinaus ergänzende Feststellungen des EuGH und des BAG zum Erholungsurlaub. Dabei geht es z. B. um eine Teilzeitquote, den Verfall des UrlaubsV
Vorwort
anspruchs bei fehlender Inanspruchnahme und die Kürzung bei Elternzeit. Da das deutsche Recht und das Unionsrecht durch unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen für den Erholungsurlaub geprägt werden, wäre es wichtig, dass das BUrlG den (vorrangigen) unionsrechtlichen Vorgaben angepasst würde. Bedeutsam für die Praxis sind Klarstellungen des BAG zur Anhörung vor einer Verdachtskündigung, zur außerordentlichen Kündigung wegen Krankheit und zum Auflösungsantrag bei wahrheitswidrigem Prozessvortrag. Im Tarifrecht hat sich die Rechtsprechung einmal mehr mit der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, der Streikbruchprämie und der Mitbestimmung des Betriebsrats während des Arbeitskampfes befasst. Die Schnittstelle zur Betriebsverfassung bilden dann verschiedene Entscheidungen zur Sperrwirkung des Tarifvertrags für Betriebsvereinbarungen im Bereich von Urlaub, Gehalt und Gehaltserhöhungen. Erhebliche Bedeutung haben Klarstellungen des BAG zum Konzernbetriebsrat bei einer Konzernobergesellschaft im Ausland, die zu einer Auffangzuständigkeit der übrigen Arbeitnehmervertreter führen sollen. Wichtig sind auch neue Leitlinien zur Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern bei Gehaltserhöhungen sowie beim Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen und ergänzende Feststellungen zur Mitbestimmung im Bereich des Arbeitsschutzes (hier: Shared Desk) sowie des Vorgesetztenwechsels in der Matrix-Organisation. Soweit das BAG im Bereich von Betriebsführungsverträgen neue Anforderungen an die Anwendbarkeit von § 613 a BGB stellt, überzeugt dies zwar nicht. Man wird sich darauf aber gleichwohl einstellen müssen. Das gilt auch für die 7-Jahres-Frist bei der Verwirkung des Rechts zum Widerspruch. Sie bewirkt eine sehr späte Begrenzung des Risikos einer fehlerhaften Unterrichtung beim Betriebsübergang. Wenn der Übertragungsvorgang nach Insolvenzeröffnung erfolgt, muss bei einer Unterrichtung deshalb weiterhin sehr sorgfältig auch der Meinungsstand zur Haftung von Veräußerer und Erwerber darstellt werden. Es dürfte noch einige Zeit dauern, bis der EuGH das entsprechende Vorabentscheidungsersuchen beantwortet haben wird. Ganz herzlich danke ich Herrn Dietrich Boewer (Boe) für die erneut außerordentlich kompetente, praxisnahe und engagierte Kommentierung der aktuellen Rechtsentwicklung. Ebenso sei Frau Linda Kriebel Volk (Kr), Frau Anna Maria Miklaszewska (Mi), Herrn Dr. Björn Otto (Ot), Frau Christin Rögels (Rö), Frau Elisa von der Thüsen und Frau Doris Hensch gedankt, die die Grundlage dafür gesetzt haben, erneut eine umfassende Darstellung der Rechtsentwicklung im zweiten Halbjahr 2018 zu erstellen. Köln, im Dezember 2018 VI
Björn Gaul (Ga)
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort .......................................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XV
A.
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland ............................ 241
1.
Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts und zur Einführung einer Brückenteilzeit ..................................................... 241 a) Anspruch auf Erörterung von Arbeitszeitänderungen............... 241 b) Befristete Teilzeitbeschäftigung................................................ 242 c) Erleichterungen in Bezug auf den Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit..................................................... 244 d) Klarstellungen in Bezug auf die Arbeit auf Abruf .................... 245 e) Fazit........................................................................................... 246
2.
Neuregelung zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen zur Tarifeinheit ........................................ 247 a) b) c) d)
Ausgangssituation ..................................................................... 247 Gesetzliche Neuregelung .......................................................... 248 Fortbestand der Auslegungsvorgaben des BVerfG ................... 249 Verbleibende Regelungsnotwendigkeit des Gesetzgebers ........ 256
3.
Streichung von § 622 Abs. 2 S. 2 BGB............................................ 256
4.
Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ............................. 257
5.
Gesetz zur Stärkung der Qualifizierung und mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung ........................................................... 260 a) Weiterbildungsförderung für beschäftigte Arbeitnehmer ......... 261 b) Sonstige Änderungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung.......................................................... 263 c) Fazit........................................................................................... 263 VII
Inhaltsverzeichnis
6.
Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns ....................................... 264
7.
Erweiterung des BetrVG auf den Flugbetrieb.................................. 264
8.
Gesetzliche Änderungen zur personenstandsrechtlichen Registrierung des Geschlechts ......................................................... 267
9.
Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU.................... 268
10.
Aktuelle Entwicklungen zum Normalarbeitsverhältnis und zur befristeten Beschäftigung........................................................... 269
11.
Aktuelle Entwicklungen in der Leiharbeit ....................................... 272
12.
Gesetzentwurf zur Dynamisierung der Verdienstgrenzen bei geringfügiger Beschäftigung............................................................ 272
B.
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht .......... 275
1.
Neufassung der Entsenderichtlinie................................................... 275
2.
Vorschlag einer Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union ............................. 277
3.
Aktueller Stand zum Richtlinienvorschlag zur Work-LifeBalance ............................................................................................. 278
4.
Bericht über die Durchführung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats.................................... 279
5.
Vorschlag einer Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2017/1132/EU in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen........................ 280 a) b) c) d) e)
6.
Anwendungsbereich der Neuregelung ...................................... 281 Bericht für die Gesellschafter ................................................... 282 Bericht für die Arbeitnehmer .................................................... 282 Auswirkungen auf die Unternehmensmitbestimmung.............. 283 Fazit........................................................................................... 286
Vorschlag für eine Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (WhistleblowerRichtlinie)......................................................................................... 286 a) Anwendungsbereich der Richtlinie ........................................... 287 b) Interne Meldungen und Folgemaßnahmen ............................... 288 c) Externe Meldungen und Folgemaßnahmen .............................. 289
VIII
Inhaltsverzeichnis
d) Schutz von Whistleblowern und betroffenen Personen ............ 290 e) Umsetzung der Richtlinie.......................................................... 293 7.
Erweiterung der Gleichbehandlungsrichtlinie ................................. 293
C.
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag ............................. 295
1.
Neues zu befristeten Arbeitsverträgen ............................................. 295 a) Keine sachgrundlose Befristung bei „ZuvorBeschäftigung“ .......................................................................... 295 b) Tarifliche Sonderregelungen zu befristeten Arbeitsverträgen ........................................................................ 298
2.
Schriftformerfordernis bei der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung.................................................................... 301
3.
Aktuelle Rechtsfragen zur Arbeitnehmerüberlassung ..................... 302 a) Berechnung der entgeltrelevanten Einsatzdauer bei Leiharbeitnehmern .................................................................... 302 b) Verwirkung des Rechts, sich auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu berufen ................................................ 309
4.
Schadensersatz oder Arbeitsverweigerung bei Nichterfüllung arbeitsschutzrechtlicher Pflichten .................................................... 311 a) Schadensersatz wegen Missachtung mutterschutzrechtlicher Vorgaben............................................. 311 b) Arbeitsverweigerung bei Nichtbeachtung arbeitsschutzrechtlicher Vorgaben............................................. 315
5.
Klarstellungen der Rechtsprechung zu Ausschlussfristen ............... 320 a) Hemmung einer Ausschlussfrist durch Vergleichsverhandlungen .......................................................... 321 b) (Teil-)Unwirksamkeit einer Ausschlussfrist bei fehlender Ausgrenzung von Mindestlohnansprüchen ............................... 323
6.
Einwilligung des Arbeitnehmers zur Verarbeitung personenbezogener Daten ................................................................ 327
7.
Vorzeitige Beendigung der Elternzeit wegen der Geburt eines weiteren Kindes................................................................................ 330
IX
Inhaltsverzeichnis
D.
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub .......................................... 333
1.
Zulässigkeit und Grenzen der Vereinbarung einer befristeten Arbeitszeiterhöhung ......................................................................... 333
2.
Schadensersatzanspruch bei Nichterfüllung eines Anspruchs auf Erhöhung der Arbeitszeit ........................................................... 336
3.
Tarifvertragliche Rückzahlungspflicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.3. des Folgejahres......................... 340
4.
Wirksamkeit von Stichtagsregelungen zur Differenzierung bei arbeitgeberseitigen Leistungen ........................................................ 344
5.
AT-Angestellte: Arbeitsvertraglicher Anspruch auf Einhaltung des tarifvertraglichen Mindestabstands ......................... 346
6.
Vergütungspflicht bei Fahrten zur auswärtigen Arbeitsstätte .......... 351
7.
Vergütung von Reisezeit bei Auslandsentsendung........................... 353
8.
Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer Schadenspauschale bei verspäteter Entgeltzahlung des Arbeitgebers ..................................................................................... 359
9.
Kein bedingungsloser Untergang des Anspruchs auf Erholungsurlaub bei unterbliebener Inanspruchnahme ................... 361
10.
Vererblichkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung ....................... 365
11.
Urlaubsentgelt nach Verringerung der Teilzeitquote........................ 367
12.
Urlaubsentgelt nach Kurzarbeit ....................................................... 370
13.
Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit ............................ 372
14.
Keine Geltung von Ausschlussfristen für den Ersatzurlaub ............ 376
E.
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags ............................................ 379
1.
Klagefrist bei Zugang einer Kündigung während der Abwesenheit des Arbeitnehmers ...................................................... 379
2.
Neue Rechtsprechung zur Massenentlassung .................................. 382 a) Einbeziehung von Leiharbeitnehmern bei der Kennzeichnung einer Massenentlassung .................................. 382 b) Handlungspflichten bei einer Entscheidungsvorbereitung zu Massenentlassungen im Konzern ......................................... 383
X
Inhaltsverzeichnis
3.
Sozialauswahl nach der Bildung eines Betriebsrats im gemeinsamen Betrieb ....................................................................... 385
4.
Speicherfristen bei personenbezogenen Daten als Schranke ihrer prozessualen Verwertung im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses............................................................. 387
5.
Arbeitgeberseitiger Gestaltungsspielraum nach Verurteilung zur (Weiter-)Beschäftigung eines Arbeitnehmers ............................ 391
6.
Außerordentliche Kündigung wegen Krankheit .............................. 395 a) Außerordentliche und fristlose Eigenkündigung des Arbeitnehmers ........................................................................... 395 b) Außerordentliche Kündigung eines tarifvertraglich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers wegen Krankheit ....... 397
7.
Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds durch besondere Leistungen beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags ................... 401
8.
Auflösungsantrag nach wahrheitswidrigem Prozessvortrag des Arbeitnehmers ............................................................................ 403
9.
Anforderungen an die Anhörung eines Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung.............................................. 407
10.
Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178 SGB IX vor einer Kündigung .......................................................... 410
F.
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags ........................................................................ 415
1.
Möglichkeiten des Widerrufs einer Versorgungszusage .................. 415
2.
Bedeutung der Tariföffnungsklausel für Alt-Tarifverträge zur Entgeltumwandlung ......................................................................... 420
G.
Tarifrecht........................................................................................ 425
1.
Streikbruchprämie als zulässiges Arbeitskampfmittel ..................... 425
2.
Arbeitskampfbedingte Einschränkung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats .......................................... 427
3.
Regelungssperre eines Tarifvertrags für Betriebsvereinbarungen.................................................................... 430
XI
Inhaltsverzeichnis
4.
Auslegung einer Bezugnahmeklausel bei Wechsel von Verbands- in Firmentarifvertrag....................................................... 433
H.
Betriebsverfassung und Mitbestimmung ................................ 437
1.
Unternehmensmitbestimmung bei Umwandlung in eine SE ........... 437
2.
Konzernbetriebsrat bei einer Konzernspitze im Ausland................. 441
3.
Freistellung eines Konzernbetriebsratsmitglieds ............................. 446
4.
Anpassung des Gehalts eines Ersatzmitglieds des Betriebsrats an die betriebsübliche Entwicklung ................................................. 449
5.
Voraussetzungen der „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ arbeitsvertraglicher Regelungen ...................................................... 453
6.
Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs des Betriebsrats nach § 80 BetrVG............................................................................. 461
7.
Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung über innerbetriebliche Gehaltsgruppen und Gehaltshöhe ....................... 465
8.
Mitbestimmung des Betriebsrats wegen Ein- oder Umgruppierung bei übertariflichen Leistungen des Arbeitgebers ..................................................................................... 471
9.
Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bei einem Vorgesetztenwechsel in der Matrix-Organisation ............................ 475
10.
Mitbestimmung des Betriebsrats beim „Desk-Sharing“ .................. 477
11.
Anhörung des Betriebsrats bei der Kündigung während eines Auslandseinsatzes ............................................................................ 482
I.
Betriebsänderung und Betriebsübergang ............................... 487
1.
Stichtagsregelung in Sozialplan und Betriebsvereinbarung zu Prämien bei Klageverzicht ............................................................... 487
2.
Betriebsinhaberwechsel als Merkmal eines Betriebsübergangs ...... 490 a) Bisherige Begriffsbestimmung der Rechtsprechung................. 490 b) Besonderheiten beim Abschluss von Betriebsführungsverträgen.................................................................................... 493
3.
XII
Neues zur Unterrichtungspflicht und zum Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang..................................................................... 497
Inhaltsverzeichnis
a) Wechselwirkung zwischen Unterrichtungspflicht und Widerspruchsrecht..................................................................... 497 b) Unterrichtung über den Wegfall des allgemeinen Kündigungsschutzes.................................................................. 498 c) Verwirkung des Widerspruchsrechts durch bloße Weiterbeschäftigung.................................................................. 500 d) Verzicht auf das Widerspruchsrecht .......................................... 502 4.
Änderung einer betrieblichen Vergütungsordnung nach Betriebsübergang.............................................................................. 506
5.
Überleitungsvereinbarung zur dynamischen Tarifbindung nach Betriebsübergang ..................................................................... 510
6.
Auslegung einer Bezugnahmeklausel nach Betriebsübergang ........ 512
7.
Haftung des Betriebserwerbers in der Insolvenz ............................. 514
J.
Aktuelles aus Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ............................................................ 519
1.
Notwendigkeit von A1-Bescheinigungen bei vorübergehenden Auslandstätigkeiten ............................................. 519
2.
Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2019.................................................................................................. 522
Stichwortverzeichnis .................................................................................. 525
XIII
Abkürzungsverzeichnis 2. DSAnpUG-EU a. A. a. F. AA abl. ABl. EG ABl. EU Abs. ABV abw. AcP AE AEntG
AEUV AFG AFKG AG AGB AGBG AGG AGH AiB AktG AktuellAR allg. Alt. AltEinkG
Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU anderer Auffassung alte(r) Fassung Auswärtiges Amt ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen abweichend Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Arbeitsrechtliche Entscheidungen (Zeitschrift) Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (ArbeitnehmerEntsendegesetz) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Arbeitsförderungsgesetz Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz) Amtsgericht bzw. Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Anwaltsgerichtshof Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift) Aktiengesetz B. Gaul bzw. Bearbeiter, Aktuelles Arbeitsrecht allgemein Alternative Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeauf-
XV
Abkürzungsverzeichnis
AltvVerbG AltZertG AMP AMS amtl. ÄndG Anl. Anm. AO AP APS ArbG ArbGG AR-Blattei ArBMedVV ArbNErfG ArbPlSchG ArbR ArbRB ArbR-HB ArbSchG
ArbStättV ArbZG ARdGgw.
XVI
wendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz) Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge (Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz) Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz) Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister Arbeitsschutzmanagementsystem amtlich(e) Änderungsgesetz Anlage Anmerkung(en) Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrechts-Blattei, Handbuch für die Praxis Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (Arbeitnehmererfindergesetz) Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) Arbeitsrecht Aktuell (Zeitschrift) Arbeits-Rechtsberater (Zeitschrift) Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) Arbeitszeitgesetz Arbeitsrecht der Gegenwart
Abkürzungsverzeichnis
ArGV ARST Art. ASAV
ASiG AsylG AsylVfG AT AtG ATV AuA AU-Bescheinigung AufenthG AufenthG/EWG Aufl. AÜG AuR ausf. AVmG
AVR
Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer (Arbeitsgenehmigungsverordnung) Arbeitsrecht in Stichworten Artikel Verordnung über Ausnahmeregelungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis an neueinreisende ausländische Arbeitnehmer (Anwerbestoppausnahmeverordnung) Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) Asylgesetz Gesetz über das Asylverfahren (Asylverfahrensgesetz) außertariflich Altersteilzeitgesetz Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung) Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Auflage Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) Arbeit und Recht (Zeitschrift) ausführlich Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz) Arbeitsvertragsrichtlinien in den Einrichtungen des Deutschen Caritas Verbandes
XVII
Abkürzungsverzeichnis
AVR-DD AWbG AWStG
Az. BA BA BaFin BAG BAP BAT BAT-O BAV BAVAZ BB BBG BBiG Bd. BDA BDSG BEEG Beil. bEM BerASichG BErzGG BeschCG BeschFG BeschSchG
XVIII
Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen der Diakonie Deutschland Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz) Aktenzeichen Blutalkohol (Zeitschrift) Bundesanstalt für Arbeit Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e. V. Bundesangestelltentarifvertrag Bundesangestelltentarifvertrag Ost Betriebliche Altersversorgung Bedarfsabhängige variable Arbeitszeit Betriebs-Berater (Zeitschrift) Beitragsbemessungsgrenze Berufsbildungsgesetz Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesdatenschutzgesetz Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) Beilage berufliches Eingliederungsmanagement Berufsausbildungssicherungsgesetz Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz) Gesetz für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt (Beschäftigungschancengesetz) Beschäftigungsförderungsgesetz Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (Beschäftigtenschutzgesetz)
Abkürzungsverzeichnis
BeschV BetrAV BetrAVG BetrSichV BetrVG BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BildschArbV BilMoG BImSchG
BKK BMAS BMBF BMEL BMF BMFSFJ BMG BMI BMJV
Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Beschäftigungsverordnung) Betriebliche Altersversorgung (Zeitschrift) Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung) Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (Bildschirmarbeitsverordnung) Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnlichen Vorgängen (Bundesimmissionsschutzgesetz) Betriebskrankenkasse Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bundesministerium für Bildung und Forschung Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Bundesministerium für Finanzen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bundesministerium für Gesundheit Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
XIX
Abkürzungsverzeichnis
BMT-G BMU BMVg BMVI BMWi BMZ BNichtrSchG
BPersVG br BRAO BR-Drucks. BRSG BRTV-Bau BSeuchG BSG BSGE BSHG BSSichG
BStBl. BT-Drucks. BTHG BUrlG BuW XX
Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Bundesministerium der Verteidigung Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gesetz zur Einführung eines Rauchverbotes in Einrichtungen des Bundes und in öffentlichen Verkehrsmitteln (Bundesnichtraucherschutzgesetz) Bundespersonalvertretungsgesetz Behindertenrecht (Zeitschrift) Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesratsdrucksache Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz) Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (Bundesseuchengesetz) Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) Bundessozialhilfegesetz Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Breitragssatzsicherungsgesetz) Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz) Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
BV BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE bzgl. bzw. ca. CGM CGZP ChemG ChGlFöG d. h. DA DAG DB DBGrG DCGK DDZ ders. DGB DGUV dies. diff. DKKW DrittelbG DRV DSAG
Betriebsvereinbarung; bzw. besloten vennootschap, niederländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Amtliche Sammlung) bezüglich beziehungsweise circa Christliche Gewerkschaft Metall Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen das heißt Durchführungsanweisung Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Der Betrieb (Zeitschrift) Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (Deutsche Bahn Gründungsgesetz) Deutscher Corporate Governance Kodex Däubler/Deinert/Zwanziger, KSchR derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung dieselbe differenzierend Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz) Deutsche Rentenversicherung Datenschutzauditgesetz
XXI
Abkürzungsverzeichnis
DSAnpUG-EU DSGVO DStR DStRE DuD DVKA e. V. EAS EBRG EBR-Richtlinie EFG EFTA EFZG EG EGBGB EGMR EGV ELENAVG EMRK EntgTranspG ErfK ESC EstB EStG etc. EU EuGH EUV
XXII
Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU Datenschutz-Grundverordnung Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Datenschutz und Datensicherheit (Zeitschrift) Deutsche Verbindungsstelle für Krankenversicherungen – Ausland eingetragener Verein Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (Loseblattsammlung) Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische-Betriebsräte-Gesetz) Europäische Betriebsräte Richtlinie Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) European Free Trade Agreement Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Gesetz über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises (ELENA-Verfahrensgesetz) Europäische Menschenrechtskonvention Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (Entgelttransparenzgesetz) Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Europäische Sozialcharta Ertrag-Steuerberater (Zeitschrift) Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Vertrag über die Europäische Union
Abkürzungsverzeichnis
EUZBLG EuZW evtl. EVÜ EWG EWiR EzA f. ff. FG Fitting FMStG Fn. FördElRV FPflZG FR FS GA-AÜG GefStoffV gem. GenDG GenTSV
GeschGehG GewO GG
Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eventuell Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Europäisches Schuldvertragsübereinkommen) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht der/die/das Folgende die Folgenden Finanzgericht Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz) Fußnote Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten Gesetz über die Familienpflegezeit (Familienpflegezeitgesetz) Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Festschrift Geschäftsanweisung zum AÜG Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung) gemäß Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (Gendiagnostikgesetz) Verordnung über die Sicherheitsstufen und Sicherheitsmaßnahmen bei gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen (GentechnikSicherheitsverordnung) Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland XXIII
Abkürzungsverzeichnis
ggf. GK-BetrVG GKV GLF GmbH GmbHR GMBl. GmS-OBG GNBZ GRC GRUR GS GSG GWB h. L. h. M. HAG Halbs. Hess u. a. HGB HinGebSchG HK-KSchR HWK HZvNG
i. d. F. i. E. i. H. a. i. S. XXIV
gegebenenfalls Wiese/Kreutz/Oetker u. a., Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz Verbund Gesetzlicher Krankenkassen Gaul/Ludwig/Forst, Europäisches Mitbestimmungsrecht Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Gemeinsames Ministerialblatt Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gewerkschaft der neuen Brief- und Zustelldienste Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Großer Senat Gerätesicherheitsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz) herrschende Lehre herrschende Meinung Heimarbeitsgesetz Halbsatz Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke, BetrVG Handelsgesetzbuch Hinweisgeberschutzgesetz Gallner/Mestwerdt/Nägele, Handkommentar zum Kündigungsschutzrecht Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar Gesetz zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze (Hüttenknappschaftliches ZusatzversicherungsNeuregelungs-Gesetz) in der Fassung im Ergebnis im Hinblick auf im Sinne
Abkürzungsverzeichnis
i. V. iGZ InKDG InsO InstitutsVergV IntG IntGVO InvG IPR IT IT-ArGV IT-AV ITRB JArbSchG JuMoG JURA jurisPR-ArbR K&R Kap. KAPOVAZ KassKomm KG KO KR krit. KSchG LadSchlG
in Verbindung Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. Informations- und Kommunikationsdienstegesetz Insolvenzordnung Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten (Institutsvergütungsverordnung) Integrationsgesetz Verordnung zum Integrationsgesetz (Integrationsgesetzverordnung) Investmentgesetz Internationales Privatrecht Informationstechnik/-technologie Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie Verordnung über Aufenthaltserlaubnisse für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie IT-Rechtsberater (Zeitschrift) Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) Gesetz zur Modernisierung der Justiz (Justizmodernisierungsgesetz) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) juris Praxis-Report Arbeitsrecht Kommunikation und Recht (Zeitschrift) Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht (Loseblattsammlung) Kammergericht bzw. Kommanditgesellschaft Konkursordnung Bader/Fischermeier/Gallner u. a., Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz kritisch Kündigungsschutzgesetz Gesetz über den Ladenschluss (Ladenschlussgesetz) XXV
Abkürzungsverzeichnis
LAG LAGE LasthandhabV
LFZG LG LHT Lit. lit. LK LPartG LPartÜAG Ls. LSG LSSW LStDV LStR LuftVG m. E. m. w. N. MDR ME-Richtlinie MgVG MiLoG MiLoV MiLoV2 MindArbBedG Mio. XXVI
Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manuellen Handhabung von Lasten bei der Arbeit (Lastenhandhabungsverordnung) Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) Landgericht Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Kommentar Literatur littera (Buchstabe) Löwisch/Kaiser, BetrVG Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Leitsatz Landessozialgericht Löwisch/Spinner/Schlünder/Wertheimer, KSchG Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Lohnsteuer-Richtlinien Luftverkehrsgesetz meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht Massenentlassungsrichtlinie Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz) Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns (Mindestlohnanpassungsverordnung) Zweite Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns (Zweite Mindestlohnanpassungsverordnung) Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (Mindestarbeitsbedingungengesetz) Million(en)
Abkürzungsverzeichnis
MitbestErgG MitbestG MontanMitbestErgG
MontanMitbestG
MTV MüKo MüKoAktG MünchArbR MünchGesR MuSchArbV MuSchG n. F. n. v. NachwG NJW NJW-RR Nr. Nrn. NZA NZA-RR NZG NZS o. g.
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montan-MitbestimmungsErgänzungsgesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (MontanMitbestimmungsgesetz) Manteltarifvertrag Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (Mutterschutzarbeitsverordnung) Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium (Mutterschutzgesetz) neue(r) Fassung (noch) nicht veröffentlicht Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) Neue Juristische Wochenzeitschrift NJW Rechtsprechungs-Report Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht oben genannt(e) XXVII
Abkürzungsverzeichnis
öAT OLG OT OVG OWiG P&R PatG PC PersVG PflegeArbbV PflegeVG PflegeZG PfWG PreisKlG PSABV
PStG PSV PublG RabattG RAG RAGE RdA RDV RisikoBegrG
XXVIII
Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht Oberlandesgericht ohne Tarifbindung Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (Ordnungswidrigkeitengesetz) Park & Ride Patentgesetz Personal Computer Personalvertretungsgesetz Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverordnung) Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (PflegeVersicherungsgesetz) Gesetz über die Pflegezeit (Pflegezeitgesetz) Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (PflegeWeiterentwicklungsgesetz) Gesetz über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden (Preisklauselgesetz) Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen bei der Arbeit (PSABenutzungsverordnung) Personenstandsgesetz Pensionssicherungsverein Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz) Gesetz über Preisnachlässe (Rabattgesetz) Reichsarbeitsgericht Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts Recht der Arbeit (Zeitschrift) Recht der Datenverarbeitung (Zeitschrift) Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz)
Abkürzungsverzeichnis
RIW RL Rs. RsprEinhG RTV-Bau RVLeistVerbG RVO Rz. RzK s. o. S. s. SA SAE SchwarzArbG SchwbG SE SEAG SEBG SeemG SE-VO SG SGB I SGB II
Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Richtlinie(n) Rechtssache Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Rechtsprechungseinheitsgesetz) Rahmentarifvertrag für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVLeistungsverbesserungsgesetz) Reichsversicherungsordnung Randzahl/Randziffer Rechtsprechung zum Kündigungsrecht (Loseblattsammlung) siehe oben Seite bzw. Satz siehe Société Anonyme, schweizerische Aktiengesellschaft Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz) Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz) Societas Europaea, Europäische Gesellschaft Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-Ausführungsgesetz) Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SEBeteiligungsgesetz) Seemannsgesetz Verordnung 2157/2001/EG über das Statut der Europäischen Gesellschaft Sozialgericht Sozialgesetzbuch, I. Buch – Allgemeiner Teil Sozialgesetzbuch, II. Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende XXIX
Abkürzungsverzeichnis
SGB III SGB IV SGB V SGB VI SGB VII SGB VIII SGB IX SGB X SGB XI SGB XII SGb SigG sog. SozplKonkG SozR SPE SPI SprAuG SpTrUG st. Rspr. Std. StGB TAStG TKG TransPuG
XXX
Sozialgesetzbuch, III. Buch – Arbeitsförderung Sozialgesetzbuch, IV. Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung Sozialgesetzbuch, V. Buch – Gesetzliche Krankenversicherung Sozialgesetzbuch, VI. Buch – Gesetzliche Rentenversicherung Sozialgesetzbuch, VII. Buch – Gesetzliche Unfallversicherung Sozialgesetzbuch, VII. Buch – Kinder- und Jugendhilfe Sozialgesetzbuch, IX. Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen Sozialgesetzbuch, X. Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz Sozialgesetzbuch, XI. Buch – Soziale Pflegeversicherung Sozialgesetzbuch, XII. Buch – Sozialhilfe Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (Signaturgesetz) sogenannte(r) Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren Sozialrecht (Entscheidungssammlung) Societas Privata Europaea, Europäische Privatgesellschaft Sozialpolitische Informationen (Zeitschrift) Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen ständige Rechtsprechung Stunde(n) Strafgesetzbuch Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) Telekommunikationsgesetz Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz)
Abkürzungsverzeichnis
TV T-Zug TV TVG TV-L TVöD TVöD-VKA TzBfG u. ä. u. a. Uabs. UmwG UrhG UStG usw. ÜT UVV v. VAG Var. VBL VermbG VermG VersAusglG VG VGH vgl. VglO vHH/L VO Vorbem.
Tarifvertrag zum tariflichen Zusatzgeld Tarifvertrag Tarifvertragsgesetz Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz) und ähnlich und andere Unterabsatz Umwandlungsgesetz Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Umsatzsteuergesetz und so weiter übertariflich Unfallverhütungsvorschriften vom Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Variante Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (Vermögensbildungsgesetz) Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) Gesetz über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz) Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vergleichsordnung v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG Verordnung(en) Vorbemerkung(en)
XXXI
Abkürzungsverzeichnis
VorstAG VorstOG VTFF VVG VwGO VwVfG WHSS WiB WissZeitVG WKS WM WO WpHG WPK WPrax WpÜG z. B. z. T. ZD ZDG ZESAR ZEuP ZfA ZGR ZHR Ziff. XXXII
Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (VorstandsvergütungsOffenlegungsgesetz) Verband Technischer Betriebe für Film und Fernsehen e. V. Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen Wirtschaftliche Beratung (Zeitschrift) Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz) Wißmann/Kleinsorge/Schubert, Mitbestimmungsrecht Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung) Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz) Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG Wirtschaftsrecht und Praxis (Zeitschrift) Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für Datenschutz Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer
Abkürzungsverzeichnis
ZIP ZPO ZSEG ZTR zust. ZustRG
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (Zeugen- und Sachverständigenentschädigungsgesetz) Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz)
XXXIII
A. Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland 1.
Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts und zur Einführung einer Brückenteilzeit
Auf der Grundlage der Feststellungen im Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung schon im Frühjahr einen Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts und zur Einführung einer Brückenteilzeit vorgelegt1. Das Gesetz ist auf der Grundlage einer entsprechenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales2 ohne wesentliche Veränderung im Bundestag verabschiedet worden und wird zum 1.1.2019 in Kraft treten. Der Bundesrat hat darauf verzichtet, einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG zu stellen3. Damit wird sich die Praxis auch auf weitergehende Erleichterungen in Bezug auf die Geltendmachung des Anspruchs auf Anhebung der Arbeitszeit gemäß § 9 TzBfG und Klarstellungen im Zusammenhang mit der Arbeit auf Abruf gemäß § 12 TzBfG einzustellen haben4. Wir hatten darüber bereits im Frühjahr berichtet5. Änderungsanträge, die in die Beratungen durch die Fraktion DIE LINKE6 sowie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN7 eingebracht worden sind, haben keine Mehrheit gefunden. Allerdings lassen sich ergänzende Überlegungen der Bundesregierung zur Teilzeitbeschäftigung einer Antwort auf eine entsprechende Anfrage einzelner Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE entnehmen8.
a)
Anspruch auf Erörterung von Arbeitszeitänderungen
Gemäß § 7 Abs. 2 TzBfG ist der Arbeitgeber zukünftig verpflichtet, mit dem Arbeitnehmer dessen Wunsch nach Veränderung von Dauer oder Lage oder von Dauer und Lage seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zu erörtern. Dies gilt unabhängig vom Umfang der Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer kann
1 2 3 4 5 6 7 8
BT-Drucks. 19/3452; BR-Drucks. 281/18. BT-Drucks. 19/5097. BR-Drucks. 521/18. Eingehend dazu Bayreuther, NZA 2018, 566; Boecken/Hackenbroich, DB 2018, 956; Klein, DB 2018, 1018; Kleinebrink, DB 2018, 1147; Thüsing, BB 2018, 1076. B. Gaul, AktuellAR 2018, 10 ff. BT-Drucks. 19/4525. BT-Drucks. 19/2511, 19/5104, 19/5105 und 19/5106. BT-Drucks. 19/3593; BR-Drucks. 281/18.
241
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
ein Mitglied der Arbeitnehmervertretung, also insbesondere Betriebs- oder Personalrat, zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuziehen.
b)
Befristete Teilzeitbeschäftigung
Anwendungsbereich: Der Anspruch auf befristete Teilzeitbeschäftigung, der durch § 9 a TzBfG eingeführt wird, erfasst Unternehmen mit mehr als 45 Arbeitnehmern. Dabei werden die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht erfasst (§ 9 a Abs. 7 TzBfG). Ob und inwieweit bei der Schwellenwertberechnung auch Leiharbeitnehmer einzubeziehen sein werden, ist unklar. Die Sonderregelungen zur Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung, die in § 14 AÜG enthalten sind, finden hier an sich keine Anwendung. Da die Leiharbeitnehmer selbst keinen Arbeitsvertrag mit dem Entleiher haben und deshalb auch keine Mehr- oder Minderbelastung auslösen können, spricht viel dafür, sie bei der Berechnung der Schwellenwerte nicht zu berücksichtigen. Voraussetzung für die Geltendmachung eines entsprechenden Anspruchs auf befristete Teilzeitbeschäftigung ist, dass das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zu diesem Zeitpunkt bereits länger als sechs Monate bestanden hat. Eine weitergehende Begründung für das Teilzeitbegehren ist nicht erforderlich. Das unterscheidet den Anspruch von vergleichbaren Regelungen im PflegeZG bzw. FPflZG. Anspruchsinhalt: Gemäß § 9 a Abs. 1 TzBfG soll der Arbeitnehmer verlangen können, dass eine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit für einen im Voraus zu bestimmenden Zeitraum verringert wird. Der begehrte Zeitraum muss mindestens ein Jahr und darf höchstens fünf Jahre betragen. Ein abweichender Rahmen kann auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers durch Tarifvertrag festgelegt werden. Neben der Absenkung kann der Arbeitnehmer auch eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit geltend machen. Dies folgt aus § 9 a Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 i. V. mit § 8 Abs. 2 bis 5 TzBfG. Wichtig ist allerdings, dass der Anspruch auf Brückenteilzeit in Textform geltend gemacht werden muss. Dieses Formerfordernis hat der Gesetzgeber jetzt auch in §§ 8 Abs. 2, 9 TzBfG eingefügt. Zu beachten ist, dass der Arbeitnehmer während der Dauer der zeitlich begrenzten Verringerung seiner Arbeitszeit keine weitere Verringerung und keine Verlängerung seiner Arbeitszeit nach diesem Gesetz verlangen kann; insoweit findet auch der allgemeine Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 9 TzBfG keine Anwendung (§ 9 a Abs. 4 TzBfG). Dies schließt 242
Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts
allerdings nicht aus, dass der Arbeitnehmer auf einer anderweitigen gesetzlichen Grundlage (z. B. § 15 BEEG) oder auf der Grundlage kollektivvertraglicher Regelungen bereits während seiner Brückenteilzeit nach § 9 a TzBfG eine erneute Verringerung der Arbeitszeit oder eine Verlängerung dieser Teilzeitbeschäftigung geltend machen kann. Damit besteht nur eingeschränkte Planungssicherheit. Erörterung und Ablehnung: Gemäß § 7 Abs. 2 TzBfG muss der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer dessen Wunsch nach Veränderung von Dauer oder Lage oder von Dauer und Lage seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erörtern. Dies gilt unabhängig vom Umfang der Arbeitszeit. Aktualisiert wird diese Erörterungspflicht, wenn ein Anspruch auf Brückenteilzeit geltend gemacht wird9. Insoweit finden die allgemeinen Handlungspflichten im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung gemäß § 8 Abs. 2, 3 TzBfG Anwendung (§ 9 a Abs. 3 TzBfG). Die Erörterung bewirkt nicht, dass Einwendungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen der Erörterung hätte mitteilen können, im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung präkludiert sind10. Unter Berücksichtigung der Form- und Fristerfordernisse in § 8 Abs. 5 TzBfG kann der Arbeitgeber das Verlangen des Arbeitnehmers nach Verringerung der Arbeitszeit und einer bestimmten Form ihrer Verteilung ablehnen, soweit betriebliche Gründe entgegenstehen. Hinsichtlich der Kennzeichnung der betrieblichen Gründe findet § 8 Abs. 4 TzBfG entsprechende Anwendung (§ 9 a Abs. 2 TzBfG). Losgelöst von dem Vorliegen eines betrieblichen Grundes kann ein Arbeitgeber, der in der Regel mehr als 45, aber nicht mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigt, das Verlangen eines Arbeitnehmers auch ablehnen, wenn zum Zeitpunkt des Beginns der Verringerung bei einer Arbeitnehmerzahl von in der Regel mehr als 45 bis 60 bereits mindestens 4, mehr als 60 bis 75 bereits mindestens 5, mehr als 75 bis 90 bereits mindestens 6, mehr als 90 bis 105 bereits mindestens 7, mehr als 105 bis 120 bereits mindestens 8, mehr als 120 bis 135 bereits mindestens 9, mehr als 135 bis 150 bereits mindestens 10, 9 Vgl. Oberthür, ArbRB 2018, 239, 240 f. 10 Bayreuther, NZA 2018, 566.
243
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
mehr als 150 bis 165 bereits mindestens 11, mehr als 165 bis 180 bereits mindestens 12, mehr als 180 bis 195 bereits mindestens 13, mehr als 195 bis 200 bereits mindestens 14 andere Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit nach § 9 a Abs. 1 TzBfG verringert haben.
In der betrieblichen Praxis dürfte diese Regelung zum Überlastungsschutz kaum Bedeutung entfalten. Denn sie setzt voraus, dass die vorstehend genannte Zahl von Arbeitnehmern bereits einen Anspruch auf Brückenteilzeit geltend gemacht hat. Andere Formen der Teilzeitbeschäftigung, selbst wenn sie – wie nach § 15 BEEG – vorübergehender Natur sind, finden keine Berücksichtigung. Das gilt auch für tarifliche Ansprüche auf Absenkung der Arbeitszeit (z. B. TV T-Zug). Erneuter Antrag auf Teilzeitbeschäftigung: Gemäß § 9 a Abs. 5 TzBfG kann ein Arbeitnehmer, der nach einer zeitlich begrenzten Verringerung der Arbeitszeit nach § 9 a Abs. 1 TzBfG zu seiner ursprünglichen vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zurückgekehrt ist, eine erneute Verringerung der Arbeitszeit nach diesem Gesetz frühestens ein Jahr nach der Rückkehr zur ursprünglichen Arbeitszeit verlangen. Die Sperrwirkung erfasst also auch den unbefristeten Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung gemäß § 8 TzBfG. Für einen erneuten Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit nach berechtigter Ablehnung aufgrund entgegenstehender betrieblicher Gründe nach § 9 a Abs. 2 S. 1 TzBfG gilt § 8 Abs. 6 TzBfG entsprechend. Nach berechtigter Ablehnung aufgrund der Zumutbarkeitsregelung in § 9 a Abs. 2 S. 2 TzBfG kann der Arbeitnehmer frühestens nach Ablauf von einem Jahr erneut eine Verringerung der Arbeitszeit verlangen. Abweichende Regelung durch Tarifvertrag: Gemäß §§ 9 a Abs. 6, 22 TzBfG kann durch Tarifvertrag der Rahmen für den begehrten Zeitraum der Arbeitszeitverringerung abweichend von § 9 a Abs. 1 S. 2 TzBfG auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers festgelegt werden.
c)
Erleichterungen in Bezug auf den Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit
Bereits heute sieht § 9 TzBfG vor, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit geltend machen kann. Das Erfordernis der Textform soll Rechtssicherheit und -klarheit bewirken. 244
Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts
Nach der aktuellen Ausgestaltung des Anspruchs auf eine Verlängerung der Arbeitszeit muss der Arbeitgeber zwar darlegen und ggf. auch beweisen, dass betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entgegenstehen. Im Rahmen der Neuregelung des § 9 TzBfG soll dem Arbeitgeber auch die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes sowie für die unzureichende Eignung der oder des Teilzeitbeschäftigten mit Wunsch nach verlängerter Arbeitszeit übertragen werden. Wegen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast dürften damit aber keine wesentlichen Veränderungen verbunden sein. Im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung genügt es aus Sicht des Arbeitnehmers, wenn dieser das Bestehen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses und die Geltendmachung des Verlängerungswunsches in Textform darlegen und ggf. beweisen kann.
d)
Klarstellungen in Bezug auf die Arbeit auf Abruf
Gemäß § 12 TzBfG können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf)11. Bei dieser Sonderform der Teilzeitbeschäftigung besteht ein Dauerarbeitsverhältnis. Dies unterscheidet die Arbeit auf Abruf von Beschäftigungsformen, bei denen auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung jeweils befristete Einzelarbeitsverträge abgeschlossen werden. Der Vorteil der Arbeit auf Abruf liegt darin, dass der Einsatz im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts gemäß § 106 S. 1 GewO angeordnet werden kann. Bei einem Rahmenvertrag, der zu befristeten Einzelarbeitsverträgen führen soll, kann der Abschluss eines solchen Einzelarbeitsvertrags und damit auch der konkrete Arbeitseinsatz durch den Arbeitnehmer abgelehnt werden. Eine Vereinbarung zur Arbeit auf Abruf muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Fehlt eine Vereinbarung zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit, soll künftig eine Arbeitszeit von 20 Stunden (bislang zehn Stunden) als vereinbart gelten. Unabhängig davon wird eine Einschränkung hinsichtlich der Ausgestaltung der Arbeit auf Abruf durch § 12 Abs. 2 TzBfG eingefügt. Danach darf der Arbeitgeber, wenn für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Mindestarbeitszeit vereinbart wurde, nur bis zu 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Falls für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit ei11 Eingehend zur gesundheitlichen Auswirkung der Arbeit auf Abruf vgl. BT-Drucks. 18/10356; Nielebock, AiB/4 2018, 22, 24; Pfrogner, BB 2018, 500, 501 f.
245
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
ne Höchstarbeitszeit vereinbart wurde, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 % der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen. Das BAG hatte diese Schranke bereits als Konsequenz der AGB-Kontrolle aus § 307 Abs. 1 BGB abgeleitet12. Da die Arbeit auf Abruf zu einer unregelmäßigen Arbeitszeitverteilung und einer wechselnden Dauer der Arbeitszeit führen kann, sieht die gesetzliche Neuregelung Klarstellungen in Bezug auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder an Feiertagen vor. Danach ist die maßgebende regelmäßige Arbeitszeit i. S. des § 4 Abs. 1 EFZG die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (Referenzzeitraum). Falls das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit noch keine drei Monate bestanden hat, soll bei der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs die durchschnittliche Arbeitszeit dieses kürzeren Zeitraumes zugrunde gelegt werden. Die Zeiten von Kurzarbeit, unverschuldeten Arbeitsversäumnissen, Arbeitsausfällen und Urlaub im Referenzzeitraum bleiben dabei außer Betracht. Diese Neuregelung erscheint sinnvoll. Allerdings sollte sie auf andere Formen der Entgeltfortzahlung (z. B. Urlaub) ausgedehnt werden. Dies gilt umso mehr, als die Tarifvertragsparteien durch §§ 12 Abs. 6, 22 TzBfG alternative Gestaltungen treffen können.
e)
Fazit
Es bleibt abzuwarten, ob die gesetzliche Neuregelung in der betrieblichen Praxis die Bereitschaft erhöht, Vereinbarungen über eine Reduzierung der Arbeitszeit zu treffen. Die Bundesregierung hatte für das erste Jahr 143.000 Anträge geschätzt und darauf verwiesen, dass der Anteil der Teilzeitbeschäftigung in Deutschland (2017: 26,9 %) im Vergleich zu anderen Ländern in Europa durchaus gering ist (z. B. Niederlande 2017: 49,8 %)13. Hintergrund der Zurückhaltung bei entsprechenden Anträgen auf Absenkung der Arbeitszeit war außerhalb der Elternzeit zum Teil die Gefahr, eine spätere Anhebung der Arbeitszeit bzw. eine Rückkehr zu einer Vollzeitbeschäftigung nicht mehr durchsetzen zu können („Teilzeitfalle“14). Hier könnte mit dem Gesetz eine Hemmschwelle beseitigt werden, auch wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Arbeitgeber auf der Grundlage der bislang noch 12 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423. 13 BT-Drucks. 19/3593 S. 6. 14 Vgl. insoweit auch die Antworten der Bundesregierung zur geplanten Brückenteilzeit und zu Änderungen im Teilzeit- und Befristungsrecht in BT-Drucks. 19/4422.
246
Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen zur Tarifeinheit
geltenden Fassung von § 9 TzBfG eine solche Rückkehr bewusst blockiert haben und schon deshalb Erleichterungen geschaffen werden mussten. Im Gegenteil: Viele Unternehmen haben bereits heute unter Einbindung der Betriebsräte deutlich flexiblere Regelungen zur Förderung einer befristeten Teilzeit geschaffen. Bedauerlicherweise eröffnet das Gesetz diesen Gestaltungsspielraum für abweichende Vereinbarungen nur für die Tarifvertragsparteien. (Ga)
2.
Neuregelung zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen zur Tarifeinheit
a)
Ausgangssituation
Mit seinem Urteil vom 11.7.201715, über das wir berichtet haben16, hatte das BVerfG festgestellt, dass die gesetzlichen Regelungen zur Tarifeinheit in § 4 a TVG einen erheblichen Eingriff in die Koalitionsfreiheit darstellen, die nicht nur Einschränkungen bei der weiteren Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte erforderlich machten. Vielmehr sei es erforderlich, eine Anpassung der gesetzlichen Regelungen vorzunehmen, die bis zum 31.12.2018 erfolgen müsse. Entgegen der auch diesseits bestehender Erwartungen ist es der Bundesregierung gelungen, im Zusammenhang mit dem Qualifizierungschancengesetz, das an anderer Stelle behandelt wird17, eine solche Neuregelung vorzunehmen. Auf der Grundlage der entsprechenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 28.11.201818 ist sie durch den Bundestag verabschiedet worden und dürfte zum 1.1.2019 in Kraft treten. Damit sollte zwar der Regelungsauftrag des BVerfG erledigt sein. Wie nachfolgend aufzuzeigen sein wird, bleiben allerdings die Auslegungsvorgaben, die das BVerfG gesetzt hat, unverändert bestehen. Das hat zur Folge, dass die gesetzlichen Regelungen zur Tarifeinheit weiterhin nur in einer erheblich eingeschränkten Form zur Anwendung kommen können.
15 16 17 18
BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915. B. Gaul, AktuellAR 2017, 517 ff. B. Gaul, AktuellAR 2018, 260 ff. BT-Drucks. 19/6146.
247
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
b)
Gesetzliche Neuregelung
Durch die Neuregelung wird § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG zunächst einmal um den Begriff des Mehrheitstarifvertrags ergänzt. Es ist der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrags im Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder hat. Ergänzend hierzu wird festgelegt: Wurden beim Zustandekommen des Mehrheitstarifvertrags die Interessen von Arbeitnehmergruppen, die auch von dem nach § 4 a Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 TVG nicht anzuwendenden Tarifvertrag erfasst werden, nicht ernsthaft und wirksam berücksichtigt, sind auch die Rechtsnormen dieses Tarifvertrags nicht anwendbar. In diesem Fall kommt also die normale Rechtsfolge aus § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG nicht zur Anwendung. Danach sind, soweit sich die Geltungsbereiche nicht inhaltsgleicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften überschneiden (kollidierende Tarifverträge), im Betrieb nur die Rechtsnormen des Mehrheitstarifvertrags anwendbar. Mit dieser Änderung wird der Kritik des BVerfG Rechnung getragen, nach der in der bisherigen Fassung von § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG nicht gewährleistet gewesen sei, dass ein Tarifvertrag von einem kollidierenden Tarifvertrag nur verdrängt werden könne, wenn plausibel dargelegt werde, dass die Mehrheitsgewerkschaft die Interessen der Berufsgruppen, deren Tarifvertrag verdrängt werde, ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifvertrag berücksichtigt habe. Der Gesetzgeber war deshalb aufgefordert worden, in § 4 a TVG Schutzvorkehrungen gegen eine einseitige Vernachlässigung der Angehörigen einzelner Berufsgruppen oder Branchen durch die jeweilige Mehrheitsgewerkschaft vorzusehen19. Diese Änderungen müssten bis zum 31.12.2018 in Kraft gesetzt werden. Mit der Neuregelung stellt der Gesetzgeber für die ernsthafte und wirksame Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmergruppe auf das Zustandekommen des Mehrheitstarifvertrags ab. Damit wurde ein prozeduraler Ansatz gewählt. Es gibt keine (objektive) gerichtliche Kontrolle der Angemessenheit, die von den Fachgerichten auch kaum zu leisten gewesen wäre. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, für die Berücksichtigung der Interessen einer vom Minderheitstarifvertrag erfassten Arbeitnehmergruppe auf ein bestimmtes Verfahren abzustellen. Es soll möglich sein, dass die Interessen der verschiedenen Arbeitnehmergruppen in der Tarifpraxis nicht nur durch ein Beteiligungsverfahren, das im Vorfeld von Tarifvertragsverhandlungen durchgeführt wird, berücksichtigt werden. Auch kann 19 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 200 ff.
248
Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen zur Tarifeinheit
die Interessenberücksichtigung z. B. dadurch erfolgen, dass die betreffende Arbeitnehmergruppe in für das Zustandekommen von Tarifverträgen zuständigen Gremien angemessen berücksichtigt wird. Maßgeblich ist, so der Gesetzgeber, im Ergebnis, dass die Interessen der betreffenden Arbeitnehmergruppe im Rahmen der Willensbildungsprozesse für das Zustandekommen des Tarifvertrags angemessen berücksichtigt werden20.
c)
Fortbestand der Auslegungsvorgaben des BVerfG
Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber die Gelegenheit nicht genutzt, den Wortlaut von § 4 a TVG auch den übrigen Bedenken des BVerfG anzupassen. Anlass hierfür hätte insbesondere mit Blick auf den Umstand bestanden, dass das jetzt verbleibende Gesetz nur dann noch als verhältnismäßiger Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit qualifiziert werden kann, wenn im Rahmen einer teleologischen Auslegung und Anwendung weitergehende Einschränkungen vorgenommen werden. Darauf hat auch der Gesetzgeber in der Begründung der aktuellen Änderung noch einmal hingewiesen21. Ausgangspunkt ist dabei die überzeugende Auffassung des BVerfG, dass der Mehrheitstarifvertrag den Tarifvertrag der Minderheitsgewerkschaft gemäß § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG kraft Gesetzes bereits dann verdrängt, wenn es zur Tarifkollision kommt. Nicht erforderlich ist, dass diese Verdrängung im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens nach § 99 BetrVG festgestellt wird22. In diesem Zusammenhang hat das BVerfG unter anderem auf die Problematik verwiesen, dass § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG im Fall einer Tarifkollision nicht nur zur Verdrängung der Rechtsnormen eines abgeschlossenen Tarifvertrags führe. Damit werde der betroffenen Gewerkschaft das von ihr Erreichte genommen und ihr Mitglied hinsichtlich dieses Tarifvertrags tariflos gestellt. Dennoch aber sei die Gewerkschaft weiter an die Friedenspflicht und die Abreden zur Laufzeit ihres eigenen Tarifvertrags gebunden. Die damit verbundenen Verluste könnten auch durch Betriebsvereinbarungen nicht kompensiert werden, da die Sperrwirkung der §§ 77 Abs. 3, 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG greife. Diese Form der Verdrängung bewirke – so das BVerfG – eine Entwertung erreichter Tarifabschlüsse und beeinträchtige den verfassungsrechtlich ge20 BT-Drucks. 19/6146 S. 31 f. 21 BT-Drucks. 19/6146 S. 32. 22 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 175 f.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
währleisteten Tarifvertragsschutz. Darüber hinaus begründeten diese Wirkungen die Gefahr, dass die hiervon betroffene Gewerkschaft vom sozialen Gegenspieler von vornherein nicht mehr als Tarifpartner ernst genommen werde, weil klar oder jedenfalls wahrscheinlich sei, dass die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge nicht zur Anwendung kommen. Eine weitere Beeinträchtigung der koalitionsspezifischen Betätigungsfreiheit liegt aus Sicht des BVerfG schließlich darin, dass mit dem Beschlussverfahren zum Kollisionsfall nach §§ 2 a Abs. 1 Nr. 6, 99 ArbGG das Risiko einhergehe, offenbaren zu müssen, wie hoch die Zahl der Mitglieder sei, was zur Folge habe, dass die Kampfstärke in dem Betrieb offengelegt werden müsse23. Diese Beeinträchtigung der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit ist – so das BVerfG – für die betroffenen Gewerkschaften nur zumutbar, wenn den Belastungen durch eine restriktive Auslegung der Verdrängungsregelung und ihrer verfahrensrechtlichen Einbindung Schärfen genommen werden24. Darauf muss auch nach dem Wirksamwerden der Ergänzung in § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG geachtet werden. aa)
Keine Einschränkung des Arbeitskampfrechts
Zu diesen Schranken der Regelungsmacht von § 4 a TVG gehört zunächst einmal die Erkenntnis, dass durch § 4 a TVG weder das Streikrecht eingeschränkt noch das mit dem Streik verbundene Haftungsrisiko erhöht wird. Denn die Kollisionsregel des § 4 a TVG wirke sich – so das BVerfG – nicht auf die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen aus. Das Streikrecht einer Gewerkschaft, die in allen Betrieben nur die kleinere Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern organisieren kann, bleibt deshalb durch die gesetzlichen Vorgaben zur Tarifeinheit unangetastet. Dies gilt nach den Feststellungen des BVerfG selbst dann, wenn die Mehrheitsverhältnisse bereits bekannt sind. Das ergebe sich schon daraus, dass die Kollisionsregel des § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG ebenso wie der Anspruch auf Nachzeichnung in § 4 a Abs. 4 TVG den Abschluss eines weiteren Tarifvertrags voraussetze; dieser müsse also erkämpft werden können. Jedenfalls sei ein Arbeitskampf, der sich auf einen Tarifvertrag richte, der sich mit einem anderen Tarifvertrag überschneiden werde, nicht schon deshalb rechtswidrig und insbesondere unverhältnismäßig. Als Konsequenz dieser Sichtweise stellt das BVerfG klar, dass die vom Gesetzgeber bewusst erzeugte Unsicherheit über das Risiko einer Verdrängung im Vorfeld eines Tarifabschlusses weder bei klaren noch bei unsicheren 23 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 168 ff. 24 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 172.
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Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen zur Tarifeinheit
Mehrheitsverhältnissen für sich genommen ein Haftungsrisiko einer Gewerkschaft für Arbeitskampfmaßnahmen begründen könne. Dies hätten die Arbeitsgerichte ggf. in verfassungskonformer Anwendung der Haftungsregelungen sicherzustellen25. bb)
Zulässigkeit vom Gesetz abweichender Vereinbarungen
Unter Berücksichtigung der im Bereich der Deutschen Bahn getroffenen Vereinbarungen geht das BVerfG zwar davon aus, dass die gesetzlichen Regelungen zur Verdrängung eines Tarifvertrags in § 4 a Abs. 2 TVG durch die hiervon betroffenen Tarifvertragsparteien abbedungen werden können26. § 4 a TVG sei dispositiv. Allerdings müssten alle von der Kollisionsnorm positiv oder negativ betroffenen Tarifvertragsparteien vereinbaren, die Regelungen des § 4 a TVG auszuschließen. Erforderlich ist damit, dass alle in einem Betrieb kollidierend tarifierenden Gewerkschaften und der Arbeitgeber übereinkommen. Es genügt nicht, eine entsprechende Vereinbarung nur mit der Minderheitsgewerkschaft zu treffen. cc)
Pflicht zur Bekanntgabe und Anhörung
Nach § 4 a Abs. 5 S. 1 TVG, der nicht verändert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Aufnahme von Tarifverhandlungen rechtzeitig und in geeigneter Weise im Betrieb bekannt zu machen. Eine andere Gewerkschaft, die nicht selbst verhandelt, aber nach ihrer Satzung auch tarifzuständig wäre, ist nach § 4 a Abs. 5 S. 2 TVG berechtigt, dem Arbeitgeber oder der Vereinigung von Arbeitgebern ihre Vorstellungen und Forderungen mündlich vorzutragen. Diese Befugnis ist selbständig einklagbar. Aus Sicht des BVerfG dienen die Bekanntgabepflicht und das Vortragsrecht einer Beteiligung der anderen Gewerkschaft und sichern so verfahrensrechtlich ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG, die durch eine mögliche Verdrängung nach § 4 Abs. 2 TVG bedroht sind. Diese Verfahrenspositionen dürften – so das BVerfG – nicht lediglich als bloße Formalitäten oder schlichte Obliegenheiten behandelt werden. Vielmehr seien sie als echte Rechtspflichten zu verstehen. Weil diese Verfahren zum Schutz der Grundrechte beitrügen und weil die vom Gesetzgeber angestrebte Koordination und Kollisionsvermeidung durch die Gewerkschaften nur sinnvoll erfolgen könne, wenn andere tarifzuständige Gewerkschaften tatsächlich im Vorfeld beteiligt würden, dürfe eine Verletzung der Verfahrensrechte, die in diesem Zusammenhang ver-
25 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 138 ff. 26 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 173, 177 ff.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
fassungsrechtliche Bedeutung erlangten, nicht sanktionslos bleiben. Nur so lasse sich ihre hier verfassungsrechtlich gebotene Wirksamkeit sichern. Von diesem Grundsatz ausgehend verlangt das BVerfG eine Auslegung und Anwendung von § 4 a Abs. 5 TVG, wonach der Tatbestand einer nach § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG verdrängenden Tarifkollision nur erfüllt sei, wenn die Pflichten zur Bekanntgabe von Tarifverhandlungen und zur Anhörung nicht verletzt worden seien. Dass der Gesetzgeber die Anwendung des Grundsatzes der Tarifeinheit abweichend hierfür ausdrücklich nicht unter den Vorbehalt einer Anhörung gemäß § 4 a Abs. 5 S. 2 TVG gestellt hatte, steht dieser verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung und Anwendung aus Sicht des BVerfG indes nicht entgegen27. dd)
Einschränkungen einer Verdrängung gemäß § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG
Auch unter Berücksichtigung der Neuregelung wird man auch in Zukunft bei der Auslegung und Anwendung von § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG davon ausgehen müssen, dass eine Tarifkollision nur in Betracht kommt, wenn zwei Tarifverträge gleichermaßen kraft Gesetzes Geltung beanspruchen. Eine Tarifkollision i. S. des § 4 a Abs. 2 TVG liegt nicht vor, wenn auf einen Tarifvertrag nur kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung Bezug genommen werde. Unabhängig davon hält es das BVerfG für geboten, auch bei einer Überschneidung des Geltungsbereichs von kollidierenden Tarifverträgen entgegen dem Wortlaut von § 4 a Abs. 2 TVG keine Verdrängung anzunehmen, wenn und soweit es dem Willen der Parteien des mit der Mehrheitsgewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrags entspreche, eine entsprechende Ergänzung ihrer Regelungen durch Tarifverträge konkurrierender Gewerkschaften zuzulassen. Trotz des gesetzlichen Schriftformerfordernisses, das bei einer Auslegung eines Tarifvertrags Bedeutung gewinnt, hält es das BVerfG für möglich, dass dieser Wille ausdrücklich dokumentiert ist oder implizit zum Ausdruck kommt. Bestehe insoweit Grund zu der Annahme, dass Regelungen kollidierender Tarifverträge nebeneinander bestehen sollten oder bei objektivierender Sicht nicht in den Gesamtkompromiss der ausgehandelten Leistungen eingestellt worden seien, finde die Verdrängung dort aus verfassungsrechtlichen Gründen zum Schutz eines geschlossenen Tarifvertrags nicht statt. Eine Verdrängung finde also dort ihre Grenze, wo subjektiv aus Sicht der Mehrheitsgewerkschaft oder aus einer objektivierten Perspektive heraus neben dem anwendbaren Tarifvertrag weitere inhaltliche Regelungen anwendbar bleiben sollten. Das sei der Fall, wenn Tarifleistungen nicht er27 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 195 f.
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Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen zur Tarifeinheit
kennbar untereinander verknüpft seien, weil sie zu ganz verschiedenen Regelungskomplexen gehörten28. Weitergehend hält es das BVerfG mit Blick auf den durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Bestandsschutz für tarifvertraglich garantierte Leistungen für unvereinbar, wenn § 4 a TVG als Folge einer Verdrängung des Tarifvertrags der Minderheitengewerkschaft zu einem Wegfall langfristig angelegter, die Lebensplanung der Beschäftigten berührender Ansprüche aus dem Minderheitstarifvertrag führe, ohne die Möglichkeit vergleichbarer Leistungen im nachzeichnungsfähigen Mehrheitstarifvertrag zu erhalten. Das betreffe langfristig bedeutsame Leistungen, deren ersatzloser Verlust oder substantielle Entwertung als unverhältnismäßiger Eingriff in die grundrechtlich geschützte Teilhabe am Tarifergebnis zu qualifizieren sei. Beispielhaft nennt das BVerfG in diesem Zusammenhang langfristig angelegte Leistungen zur Alterssicherung, zur Arbeitsplatzgarantie oder zur Lebensarbeitszeit, soweit sie bereits erworben wurden. Ebenso sei es unzumutbar, wenn als Konsequenz einer Kollision nach § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG Beschäftigte gezwungen wären, eine unmittelbar bevorstehende oder bereits begonnene berufliche Bildungsmaßnahme nicht wahrnehmen zu können oder abbrechen zu müssen29. Auch daran ist über den 31.12.2018 hinaus festzuhalten. ee)
Wiederaufleben des verdrängten Tarifvertrags
Nach den Feststellungen des BVerfG ist der Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG durch § 4 a Abs. 2 TVG auch insoweit einzuschränken, als eine Verdrängung des Tarifvertrags der Minderheitengewerkschaft nur solange andauere, wie der verdrängende Tarifvertrag laufe und kein weiterer Tarifvertrag ebenfalls eine Verdrängung bewirke. Der verdrängte Tarifvertrag lebe folglich für die Zukunft wieder auf, wenn die Laufzeit des verdrängenden Tarifvertrags ende. Ob und inwieweit ein Wiederaufleben zur Vermeidung eines absehbar kurzfristigen Springens zwischen verschiedenen Tarifverträgen für eine begrenzte Zeit auch im Rahmen einer Nachwirkung des Mehrheitstarifvertrags auszuschließen sei, obliege einer Beurteilung der Fachgerichte. Ebenso wäre es natürlich möglich, diese Frage unmittelbar im Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft festzuschreiben. ff)
Weites Verständnis des gesetzlichen Nachzeichnungsrechts
Nach § 4 a Abs. 4 TVG kann eine Gewerkschaft vom Arbeitgeber oder Arbeitgeberverband die Nachzeichnung der Rechtsnormen eines mit ihrem Ta28 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 184 ff. 29 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 187.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
rifvertrag kollidierenden Tarifvertrags verlangen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes beinhaltet dieser Anspruch auf Nachzeichnung allerdings nur den Abschluss eines die Rechtsnormen des kollidierenden Tarifvertrags enthaltenen Tarifvertrags, soweit sich die Geltungsbereiche in Rechtsnormen der Tarifverträge überschneiden. Nach Auffassung des BVerfG ist ein weites Verständnis dieser Regelungen zur Nachzeichnung notwendig, um die Zumutbarkeit der Verdrängungswirkung zu sichern30. Auch daran wird man in der Zukunft festhalten müssen. Insofern hänge die Anerkennung eines Nachzeichnungsanspruchs nicht davon ab, dass der Tarifvertrag der nachzeichnenden Gewerkschaft tatsächlich verdrängt werde, sie also im Betrieb tatsächlich eine Minderheit der Beschäftigten organisiere. Es genüge aus Gründen der Praktikabilität, dass eine Gewerkschaft potentiell einen Nachteil erleiden könnte, ohne dass im Zeitpunkt der Nachzeichnung die Mehrheitsverhältnisse im Betrieb bereits abschließend geklärt sein müssten. Ergänzend hierzu stellt das BVerfG klar, dass § 4 Abs. 4 S. 2 TVG nicht dahin verstanden werden dürfe, dass eine Nachzeichnung sich nur auf solche Gegenstände erstrecken könne, für die in dem verdrängten Tarifvertrag ausdrücklich Regelungen getroffen worden seien. Denn eine Einengung des Nachzeichnungsrechts auf den tatsächlichen Überschneidungsbereich hätte zur Folge, dass die von der Verdrängung bedrohte oder betroffene Gewerkschaft und ihre Mitglieder jenseits des Überschneidungsbereichs ersatzlos verlören, was sie selbst in ihrem Tarifvertrag erreicht hätten, die andere Gewerkschaft jedoch – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – nicht in ihren Tarifvertrag einbezogen habe. Denn es bestünde kein Anspruch auf Leistungen, die im Gesamtpaket der tariflichen Vereinbarungen der anderen Gewerkschaft enthalten, im Vertrag der nachzeichnenden Gewerkschaft aber nicht geregelt seien. Unter Berücksichtigung der Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG sei § 4 a Abs. 4 S. 2 TVG deshalb dahin auszulegen, dass die Gewerkschaft, deren Tarifvertrag im Betrieb aufgrund einer Kollision nicht anwendbar ist oder sein wird, einen Anspruch auf Nachzeichnung des verdrängenden Tarifvertrags in seiner Gesamtheit habe. Auf diese Weise korrespondiere das Nachzeichnungsrecht zumindest mit der Reichweite der Verdrängung, könne aber auch über die Inhalte des eigenen Tarifvertrags hinausgehen. Der Verlust des selbst ausgehandelten Gesamtpakets wird – so das BVerfG – gerade durch die Op-
30 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 190 ff.
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tion in Grenzen gehalten, sich in der Sache dem gesamten anderen Tarifvertrag anzuschließen. gg)
Keine namentliche Offenlegung von Mitgliedern
Soweit ein Beschlussverfahren zur gerichtlichen Feststellung der Mehrheitsverhältnisse gemäß §§ 2 a Abs. 1 Nr. 6, 99 ArbGG eingeleitet wird, besteht aus Sicht des BVerfG die Gefahr, dass die Mitgliederstärke der Gewerkschaften im Betrieb gegenüber dem Arbeitgeber offengelegt werde. Dies sei mit Rücksicht auf die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Parität zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern nach Möglichkeit zu vermeiden. Denn die Ungewissheit über die für die tatsächliche Durchsetzungskraft der Gewerkschaft wesentliche Mitgliederstärke in einer konkreten Verhandlungssituation sei von besonderer Bedeutung dafür, die Verhandlungsbereitschaft zu fördern und einen angemessenen Interessenausgleich zu erreichen. Die Fachgerichte müssen diesen Überlegungen auch in der Zukunft Rechnung tragen, indem sie unter Nutzung prozessrechtlicher Möglichkeiten eine Offenlegung der Mitgliederzahlen soweit wie möglich vermeiden. Dabei hält es das BVerfG unter Berücksichtigung von § 58 Abs. 3 ArbGG für möglich, notariell auch zu bescheinigen, wer die Mehrheit im Betrieb organisiert, um so die Offenlegung der konkreten Kampfstärke einer Gewerkschaft zu verhindern. Wie ein Notar allerdings erkennen soll, dass eine bestimmte Gewerkschaft innerhalb eines Betriebs die Mehrheit der Mitglieder hat, bleibt auch im Rahmen der Entscheidung des BVerfG unklar. Denn der Notar müsste nicht nur Feststellungen zur Kennzeichnung des für § 4 a TVG maßgeblichen Betriebs treffen. Schon dies ist eine Frage, die bislang hochumstritten und angesichts der vielfältigen Betriebsbegriffe im Individualund Kollektivarbeitsrecht offen ist. Im Zweifel dürfte der durch den Tarifvertrag selbst bestimmte Betriebsbegriff und/oder der allgemeine Betriebsbegriff maßgeblich sein, der losgelöst von räumlicher Entfernung allein die Steuerung in Bezug auf die wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten berücksichtigt. Hinzu kommt, dass der Notar bei seiner Feststellung zu den Mehrheitsverhältnissen nicht nur die Mitgliederzahl einer Gewerkschaft, sondern auch die Mitgliederzahlen der potentiell konkurrierenden Gewerkschaften kennen muss. Angesichts der Möglichkeit, arbeitnehmerseitig Mitglied in mehreren Gewerkschaften zu sein, reicht die Feststellung, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer eines Betriebs Mitglied einer bestimmten Gewerkschaft ist, nicht für die Annahme, dass jede andere Gewerkschaft weniger Mitglieder im Betrieb hat31. 31 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 198 f.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
hh)
Korrektur der Darlegungs- und Beweislast im Urteilsverfahren
Soweit im Rahmen der Verfassungsbeschwerden auch geltend gemacht worden war, dass eine Klärung der Mehrheitsverhältnisse im Individualverfahren nicht realistisch sei, hat das BVerfG keine Notwendigkeit gesehen, § 4 a TVG einzuschränken. Der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen die Möglichkeit entschieden, das Individualverfahren zur Einleitung eines Beschlussverfahrens nach §§ 2 a Abs. 1 Nr. 6, 99 ArbGG auszusetzen. Das hindere die Betroffenen aber nicht, sich auf die Wirkung des § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG zu berufen, die ihnen bekannten, für die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags relevanten Umstände zu substantiieren und entsprechende Beweisanträge zu stellen. Dass das Ergebnis einer gerichtlichen Auseinandersetzung im Übrigen von den fachgerichtlich näher auszutarierenden Darlegungs- und Beweislasten abhänge, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden32.
d)
Verbleibende Regelungsnotwendigkeit des Gesetzgebers
Zunächst einmal ist zu begrüßen, dass jedenfalls der Regelungsauftrag des BVerfG durch den Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2019 umgesetzt worden ist. Damit kann in der Zukunft von einer verfassungsgemäßen Auflösung der Tarifpluralität durch § 4 a TVG ausgegangen werden. Leider besteht angesichts der Vielzahl ergänzender Auslegungsvorgaben, die das BVerfG entwickelt hat, ein deutlich kleinerer Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelung, als Wortlaut und ursprüngliche Zielsetzung des Gesetzgebers als Eindruck entstehen lassen. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn diese Einschränkungen nicht nur klarstellend in das Gesetz aufgenommen worden wären. Es wäre darüber hinaus hilfreich gewesen, wenn der Gesetzgeber weitergehende Regelungen in Bezug auf den Bereich des Arbeitskampfrechts getroffen hätte. Denn die Gefahr, dass durch einen Streik von Berufsgruppen weiterhin Partikularinteressen auf Kosten der Mehrheit eines Betriebs verfolgt und durchgesetzt werden, bleibt auch über den 31.12.2018 hinaus bestehen. (Ga)
3.
Streichung von § 622 Abs. 2 S. 2 BGB
Im Zusammenhang mit dem Qualifizierungschancengesetz wird auch § 622 Abs. 2 S. 2 BGB mit Ablauf des 31.12.2018 gestrichen. Danach sollten bei der Berechnung der für die Dauer einer Frist für die Kündigung durch den 32 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 210 ff., 214.
256
Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Arbeitgeber relevanten Beschäftigungsdauer Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt werden. Bereits mit Urteil vom 19.1.201033 hatte der EuGH deutlich gemacht, dass darin eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters zu sehen sei. Konsequenz war, dass die nationalen Gerichte gehalten waren, auf eine weitere Anwendung von § 622 Abs. 2 S. 2 BGB zu verzichten. Diese Rechtsfolge der Entscheidung des EuGH hat der Gesetzgeber durch die Aufhebung der Regelung nachvollzogen. (Ga)
4.
Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Auf der Grundlage der unionsrechtlichen Vorgaben durch die Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung hat die Bundesregierung jetzt den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) vorgelegt34. Das Gesetz hat auch für die arbeitsrechtliche Praxis Bedeutung35. Zunächst einmal definiert § 2 Abs. 1 GeschGehG das Geschäftsgeheimnis als Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich und daher von wirtschaftlichem Wert ist. Es dürfte nicht nur hilfreich sein, diese Begriffsbestimmung bei arbeitsvertraglichen Regelungen zur Verschwiegenheit in Bezug auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu nutzen, ohne dass diese Unterscheidung zwischen technischem und kaufmännischem Wissen geboten ist. Das gilt für den Musterarbeitsvertrag (z. B. Verschwiegenheitsklauseln, Hinweise auf gesetzliches Wettbewerbsverbot während des bestehenden Anstellungsvertrags, Datenschutzklauseln) und den Aufhebungsvertrag ebenso wie für gesonderte Verschwiegenheitsvereinbarungen, die aus bestimmten Anlässen vereinbart werden sollen. Der Begriff des wirtschaftlichen Werts ist allerdings in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben als „kommerzieller“ Wert zu verstehen, der auch durch einen Marktwert oder die Marktrelevanz einer Information begründet wird36. 33 EuGH v. 19.1.2010 – C-555/07, NZA 2010, 85 Ls. 1 – Kücükdeveci. 34 BT-Drucks. 19/4724; BR-Drucks. 382/18. 35 Eingehend vgl. Brammsen, BB 2018, 2446; Dumont, BB 2018, 2441; Karthaus, NZA 2018, 1180. 36 Vgl. Karthaus, NZA 2018, 1180, 1182.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Wichtig ist, dass Geschäftsgeheimnisse durch das GeschGehG nur noch geschützt werden, wenn der Arbeitgeber als rechtmäßiger Inhaber den Umständen nach angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen hat. Maßgeblich ist der Einzelfall; entscheidend für die Angemessenheit ist dabei ein objektiver Maßstab37. Hierzu dürften z. B. entsprechende Klauseln in Musterarbeitsverträgen, der Abschluss ergänzender Verschwiegenheitsklauseln, technische Maßnahmen zur Datensicherung (z. B. Kontrollen, Codes, Zugriffschranken), die Aufnahme entsprechender Regelungen in einem Code of Conduct oder entsprechende Vorgaben gegenüber dem Betriebsrat nach § 79 BetrVG gehören. Ausgehend davon, dass diese Vorgabe einseitig erteilt werden kann, besteht kein Anspruch des Arbeitgebers, dass der Betriebsrat vor der Weitergabe von Informationen eine entsprechende Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnet. Der Arbeitgeber muss auch ohne diese Vereinbarung seine gesetzlichen Unterrichtungspflichten erfüllen. In §§ 3, 4 GeschGehG werden erlaubte Handlungen sowie Handlungsverbote in Bezug auf Geschäftsgeheimnisse dargestellt. Wichtig ist, dass ein Ausüben von Informations- und Anhörungsrechten der Arbeitnehmer (z. B. EntgTranspG) oder Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmervertretung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 GeschGehG als eine Form des rechtmäßigen Erwerbs eines Geschäftsgeheimnisses bezeichnet werden. Die Rechtsprechung wird sich damit z. B. bei der Auslegung und Anwendung von §§ 106 Abs. 2 S. 1, 109 BetrVG zu befassen haben. Im Zweifel bestätigt dies die bisherige Rechtsprechung, nach der dem Wirtschaftsausschuss Informationen nur dann vorenthalten werden können, wenn die durch tatsächliche Anhaltspunkte begründete Gefahr einer Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses außerhalb des Betriebsrats und damit auch ein Verstoß gegen § 79 BetrVG besteht. Bedeutung auch für das Arbeitsverhältnis dürften die Rechtfertigungsgründe haben, die in § 5 GeschGehG genannt werden. Dieser lautet wie folgt: Die Erlangung, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses ist gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz eines berechtigten Interesses erforderlich ist, insbesondere 1. zur Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit nach der GRC (…), einschließlich der Achtung der Freiheit und der Pluralität der Medien; 2. zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens, wenn die das Geschäftsge37 Dumont, BB 2018, 2441, 2443.
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Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
heimnis erlangende, nutzende oder offenlegende Person in der Absicht handelt, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen; 3. im Rahmen der Offenlegung durch Arbeitnehmer gegenüber der Arbeitnehmervertretung, wenn dies erforderlich ist, damit die Arbeitnehmervertretung ihre Aufgaben erfüllen kann.
Die vorstehenden Regelungen dürften erhebliche Bedeutung für die Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen haben. Denn sie erlauben Whistleblowern, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unter den dort genannten Voraussetzungen unternehmensintern oder -extern zu offenbaren. Dies entspricht den Regelungen in Art. 5 Richtlinie 2016/943/EG, wie wir bereits bei früherer Gelegenheit berichteten38. Bemerkenswert daran ist, dass nicht nur die Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung das Beschaffen, Nutzen oder Offenlegen eines Geschäftsgeheimnisses rechtfertigen kann. Es soll genügen, dass ein „anderes Fehlverhalten“ in Rede steht. Mit diesem Begriff sollen über das rechtswidrige Verhalten hinaus nicht nur Verstöße gegen berufsständische Normen erfasst werden. Auch wird die Erlangung, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses gerechtfertigt, um ein „sonstiges Fehlverhalten“ aufzudecken. Hiervon können Aktivitäten erfasst werden, die ein unethisches Verhalten darstellen, aber nicht notwendigerweise gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Die Begründung des Gesetzesentwurfs nennt – insoweit orientiert an den Feststellungen zur Begründung der Richtlinie – Auslandsaktivitäten eines Unternehmens, die in den betreffenden Ländern nicht rechtswidrig sind, aber dennoch von der Allgemeinheit als Fehlverhalten gesehen werden könnten (z. B. Kinderarbeit oder gesundheits- bzw. umweltschädliche Produktionsbedingungen). Auch die systematische und unredliche Umgehung von Steuertatbeständen werde, so der Gesetzgeber, in der öffentlichen Diskussion häufig als unethisches Verhalten angesehen und soll deshalb erfasst sein. Damit wird die Beschaffung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen auch dann erlaubt, wenn steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten mit den rechtlichen Rahmenregelungen eines Landes vereinbar sind. Dies erscheint mehr als fraglich, zumal es genügt, dass der Whistleblower in der Absicht handelt, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Diese Zielsetzung muss nicht einmal das ausschließliche Motiv sein. Vielmehr genügt es, wenn diese Zielsetzung das Handeln dominiert. Dabei soll es ausreichend sein, wenn das Motiv im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens einer Plausibilitätskontrolle unterzogen werden kann39. 38 B. Gaul, AktuellAR 2017, 359 ff. 39 Referentenentwurf v. 19.4.2018 S. 27.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Eine Vielzahl der in der betrieblichen Praxis geschaffenen Hinweisgebersysteme dürfte eine solche Form des Whistleblowings nicht erfassen. Hier wird man nach dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens Anpassungen vorzunehmen haben. Dabei wird man im Auge behalten müssen, dass die Richtlinie zum Schutz von Personen, die über Verstöße gegen das Unionsrecht berichten (Whistleblower-Richtlinie), ebenfalls Handlungsvorgaben enthält, die bei der Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen zu berücksichtigen sind. Wir berichten darüber an anderer Stelle40. In den §§ 6 ff. GeschGehG werden umfangreiche Regelungen zu Ansprüchen des Inhabers eines Geschäftsgeheimnisses für den Fall einer Rechtsverletzung getroffen. Darin geht es vor allem um einen Anspruch auf Unterlassung oder Schadensersatz. Ist der Rechtsverletzer Beschäftigter oder Beauftragter eines Unternehmens, so bestehen diese Ansprüche auch gegen den Inhaber des Unternehmens (§ 12 GeschGehG). Damit kann also auch das Konkurrenzunternehmen, das das Geschäftsgeheimnis nutzt, direkt in Anspruch genommen werden. Soweit in § 15 GeschGehG eine ausschließliche Zuständigkeit der Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert für Klagen, durch die Ansprüche nach dem GeschGehG geltend gemacht werden (Geschäftsgeheimnisstreitsachen), vorgesehen ist, schließt dies nicht aus, dass wegen einer Abmahnung oder Kündigung bei der Missachtung rechtlicher Pflichten im Zusammenhang mit dem Umgang mit Geschäftsgeheimnissen Klage beim Arbeitsgericht erhoben wird. Die Regelung erfasst nur solche Klagen, für die die ordentliche Gerichtsbarkeit ohnehin zuständig ist. (Ga)
5.
Gesetz zur Stärkung der Qualifizierung und mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung
Im Oktober hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifizierungschancengesetz) vorgelegt41. Auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 28.11.201842 ist es durch den Bundestag verabschiedet worden und soll zum 1.1.2019 in Kraft treten.
40 B. Gaul, AktuellAR 2018, 24 ff., 286 ff. 41 BT-Drucks. 19/4948. 42 BT-Drucks. 19/6146.
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Stärkung der Qualifizierung und mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung
Grund für die mit dem Gesetz beabsichtigten Veränderungen ist der digitale und demografische Strukturwandel, mit dem sich auch Deutschland befassen muss. Einerseits lassen sich – so die Bundesregierung – der höchste Beschäftigungsstand seit der Wiedervereinigung und eine anhaltend hohe Nachfrage insbesondere nach qualifizierten Arbeitskräften feststellen. Dabei entwickelt sich der Arbeitsmarkt von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit einem qualifizierten Berufsabschluss in Richtung Vollbeschäftigung. Andererseits kann diese Entwicklung nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Arbeitsmarkt stark wandelt. In vielen Berufen und Regionen besteht ein Fachkräfteengpass. Dabei wird der demografische und technologische Wandel die wirtschaftliche und strukturelle Veränderung des Arbeitsmarkts weiter beschleunigen und eine verstärkte Anpassung der Qualifikation von Arbeitnehmern erforderlich machen. Denn die Qualifikation wird in immer stärkerem Maße über Arbeitsmarkt- und Beschäftigungschancen entscheiden. Das Qualifizierungschancengesetz will dieser Notwendigkeit auf verschiedenen Wegen begegnen.
a)
Weiterbildungsförderung für beschäftigte Arbeitnehmer
Zunächst einmal soll die Förderung beschäftigter Arbeitnehmer in § 82 SGB III neu gefasst werden. Vorgesehen ist, eine staatliche Förderung für Weiterbildungsmaßnahmen einschließlich der Arbeitsentgeltkosten, die in weiterbildungsrelevanten Zeiten anfallen, einzuführen. Hierzu gehört, dass Arbeitnehmer abweichend von § 81 SGB III bei beruflicher Weiterbildung im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses durch volle oder teilweise Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn 1. Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die über ausschließlich arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinaus gehen, 2. der Erwerb des Berufsabschlusses, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist, in der Regel mindestens vier Jahre zurückliegt, 3. die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer in den letzten vier Jahren vor Antragstellung nicht an einer nach dieser Vorschrift geförderten Weiterbildung teilgenommen hat,
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
4. die Maßnahme außerhalb des Betriebs oder von einem zugelassenen Träger im Betrieb, dem sie angehören, durchgeführt wird und mehr als 160 Stunden dauert und 5. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.
Problematisch dürften vor allem die beiden letztgenannten Voraussetzungen sein. Denn sie haben zur Folge, dass nur externe und zertifizierte Fortbildungsträger eine förderungsfähige Weiterbildung durchführen können. Unternehmens- oder konzerninterne Organisationsstrukturen können hiervon ausgehend ebenso wenig berücksichtigt werden wie branchenbezogene Institutionen, denen eine entsprechende Zulassung fehlt. Die Förderung dieser Maßnahmen soll darauf gerichtet sein, Arbeitnehmern, die berufliche Tätigkeiten ausüben, die durch Technologien ersetzt werden können oder in sonstiger Weise vom Strukturwandel betroffen sind, eine Anpassung und Fortentwicklung ihrer beruflichen Kompetenzen zu ermöglichen, um den genannten Herausforderungen besser begegnen zu können. Gleiches gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine Weiterbildung in einem Engpassberuf anstreben. Diese Anforderungen sollen nur dort verzichtbar sein, wo Arbeitnehmer einem Betrieb mit weniger als 250 Beschäftigten angehören und soweit sie nach dem 31.12.2020 mit der Teilnahme beginnen, das 45. Lebensjahr vollendet haben oder schwerbehindert i. S. des SGB IX sind. Voraussetzung einer entsprechenden Förderung der Weiterbildungskosten ist nach den Vorstellungen der Bundesregierung eine angemessene Beteiligung des Arbeitgebers. Während bei Betrieben mit in der Regel weniger als zehn Beschäftigten von einer solchen Kostenbeteiligung zwar abgesehen werden kann, soll der Arbeitgeber in Unternehmen mit mindestens zehn und weniger als 250 Beschäftigten mindestens 50 %, bei 250 Beschäftigten, aber weniger als 2.500 Beschäftigten mindestens 75 % und bei 2.500 Beschäftigten oder mehr grundsätzlich mindestens 85 %, bei Vorliegen einer Betriebsvereinbarung über die berufliche Weiterbildung oder eines Tarifvertrags, der betriebsbezogene berufliche Weiterbildung vorsieht, mindestens 80 % der Lehrgangskosten selbst tragen. Ausnahmen von diesem Grundsatz sollen lediglich für Betriebe mit weniger als 250 Beschäftigten gelten, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn der Teilnahme das 45. Lebensjahr vollendet hat oder schwerbehindert i. S. des SGB IX ist. Auf diese Weise soll eine Fokussierung der Förderung auf besonders schutzwürdige Arbeitnehmer erreicht werden.
262
Stärkung der Qualifizierung und mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung
Ergänzend hierzu können Arbeitgeber für die berufliche Weiterbildung von Arbeitnehmern durch Zuschüsse zum Arbeitsentgelt (einschließlich Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag) gefördert werden. Die Höchstsumme ist dabei auf den Betrag begrenzt, der als anteiliges Arbeitsentgelt für weiterbildungsbedingte Zeiten ohne Arbeitsleistung gezahlt wird. Auch hier soll allerdings eine Einschränkung erfolgen, die die Betriebsgröße berücksichtigt. So sollen in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten bis zu 75 %, in Betrieben mit zwischen zehn und 250 Beschäftigten bis zu 50 % und in Betrieben mit 250 Beschäftigten und mehr bis zu 25 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts gezahlt werden. Bei allen Schwellenwerten sollen Teilzeitbeschäftigte entsprechend den Regelungen in § 23 Abs. 1 KSchG nur anteilig berücksichtigt werden. Soweit Ermessensentscheidungen zu treffen sind, soll die Agentur für Arbeit die unterschiedlichen Betriebsgrößen angemessen berücksichtigen (§ 82 Abs. 5 SGB III).
b)
Sonstige Änderungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung
Ergänzend zu den vorstehenden Regelungen zur Weiterbildungsförderung beschäftigter Arbeitnehmer soll eine Stärkung der Weiterbildungs- und Qualifizierungsberatung durch die Agenturen für Arbeit erfolgen. Dabei werden auch Hartz-IV-Bezieher berücksichtigt. Um den Schutz der Arbeitslosenversicherung zukünftig unter erleichterten Voraussetzungen in Anspruch nehmen zu können, soll die Rahmenfrist, innerhalb derer die Mindestversicherungszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zurückzulegen ist, auf 30 Monate erweitert werden (§§ 28 a, 143, 147 SGB III). Die Kosten der Arbeitslosenversicherung sollen gesenkt werden. So soll der Beitragssatz zur Arbeitsförderung statt 3 % nur noch 2,6 % betragen (§ 341 SGB III). In Saisonbetrieben soll die kurzfristige (sozialversicherungsfreie) Beschäftigung dauerhaft für maximal drei Monate oder 70 Arbeitstage zugelassen werden.
c)
Fazit
Das Gesetz trägt dem unbestreitbaren Bedürfnis nach einer kontinuierlichen Fort- und Weiterbildung Rechnung. Es unterstützt Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dabei ist zu begrüßen, dass mit den letzten Änderungen klargestellt wurde, dass Fördermaßnahmen auch unternehmensintern durchgeführt wer263
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
den können. Unabhängig davon bleibt abzuwarten, welche praktischen Auswirkungen das Gesetz haben wird. (Ga)
6.
Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns
Mit der zweiten Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns (MiLoV2) wird der Mindestlohn ab dem 1.1.2019 auf 9,19 € brutto je Zeitstunde und ab dem 1.1.2020 auf 9,35 € brutto je Zeitstunde angehoben. Die Verordnung tritt am 1.1.2019 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Mindestlohnanpassungsverordnung vom 15.11.2016 außer Kraft43. (Ga)
7.
Erweiterung des BetrVG auf den Flugbetrieb
Im Zusammenhang mit dem Qualifizierungschancengesetz, das wir an anderer Stelle behandeln44, hat der Gesetzgeber auch § 117 BetrVG geändert. Nach der Neuregelung, die zum 1.5.2019 in Kraft treten soll, findet das BetrVG (auch) auf im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen Anwendung, wenn keine Vertretung durch Tarifvertrag nach § 117 Abs. 2 BetrVG errichtet ist. Diese Frage war in Literatur und Rechtsprechung streitig. Der weitergehende Vorschlag, § 117 BetrVG in Gänze zu streichen45, hat damit keine Mehrheit gefunden. Darüber hinaus wird in § 117 Abs. 2 BetrVG feststellt, dass auf einen Tarifvertrag nach § 117 Abs. 2 S. 1, 2 BetrVG die gesetzliche Regelung zur Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG anwendbar ist. Damit kommt die Beseitigung einer durch Tarifvertrag geschaffenen Bordvertretung nur noch in Betracht, wenn dies durch die Tarifvertragsparteien selbst so festgelegt wird. Fehlt eine Vereinbarung über die nachwirkungslose Aufhebung entsprechender Regelungen und wird keine abweichende Abmachung getroffen, gilt der Tarifvertrag auch nach seiner Beendigung fort und erlaubt die Bildung und Tätigkeit entsprechender Vertretungen. Im Zweifel schließt dies die Anwendbarkeit des BetrVG auf Dauer aus. Hintergrund der gesetzlichen Neuregelung ist vor allem die Überlegung, die Bildung einer Arbeitnehmervertretung auch ohne den Abschluss eines Tarifvertrags zu ermöglichen. Konsequenz der Neuregelung ist allerdings auch, dass damit kein Streit mehr über die Frage bestehen dürfte, dass das BetrVG 43 BGBl. I 2018, 1876. 44 B. Gaul, AktuellAR 2018, 260 ff. 45 BT-Drucks. 19/5055.
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Erweiterung des BetrVG auf den Flugbetrieb
in seiner Gesamtheit auch auf den Bereich des Flugbetriebs zur Anwendung kommt, wenn es keine vom Gesetz abweichende Regelung durch einen Tarifvertrag über die Vertretung der dort beschäftigten Arbeitnehmer gibt. Das betrifft vor allem den Begriff des Betriebs, der damit auch in einem Luftfahrtunternehmen gemäß § 1 BetrVG zu bestimmen ist. Dieser Einordnung bzw. Bestimmung des Betriebs über die einzelnen Bereiche Boden, Cockpit und Kabine hinweg steht § 117 Abs. 1 BetrVG auch in seiner Neufassung nicht entgegen, wonach das BetrVG grundsätzlich nicht auf im „Flugbetriebe“ beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen Anwendung findet. Die Formulierung „Landbetriebe“ bzw. „Flugbetrieb“ in § 117 BetrVG enthält schon vom Wortlaut her keine weitergehenden Feststellungen in Bezug auf die zugrunde liegende Organisationsstruktur. Andernfalls hätte es nahegelegen, dabei an die strukturellen Voraussetzungen, wie sie in § 1 BetrVG erkennbar werden, anzuknüpfen. Richtigerweise wird man § 117 BetrVG deshalb als eine tätigkeitsbezogene Differenzierung qualifizieren müssen. Danach sollen Arbeitnehmer, die im Flugbetrieb eingesetzt werden, in Bezug auf ihre Arbeitnehmervertretung auf der Grundlage eines Tarifvertrags anders als Arbeitnehmer im Bodenbetrieb behandelt werden können. Ihre räumliche oder organisatorische Zuordnung spielt keine Rolle. Fehlt ein Tarifvertrag, bleibt es aber bei der grundsätzlichen Anwendbarkeit des BetrVG. Hiervon ausgehend bestimmt § 117 BetrVG nicht, dass die Bereiche Boden bzw. Cockpit und Kabine jeweils eigenständige Betriebe darstellen. Dann hätte es nahegelegen, vergleichbar mit § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG eine entsprechende Fiktion vorzunehmen. Vielmehr bestimmt § 117 BetrVG nur, dass für die entsprechend ihrer Tätigkeit abgrenzbaren Arbeitnehmer getrennte Personalvertretungen bestehen bzw. geschaffen werden können. Flug- und Bodenbetrieb stellen insoweit nur eine tätigkeitsbezogene Abgrenzung dar, die Rechtstermini nutzbar macht, die für die Tätigkeiten eines Luftfahrtunternehmens nach § 20 Abs. 1 S. 1 LuftVG maßgeblich sind. Luftfahrtunternehmen sind dabei Unternehmen, die Personen und/oder Güter durch Luftfahrzeuge gewerbsmäßig befördern. Der „Flugbetrieb“ ist der Teil eines Luftfahrtunternehmens, dessen arbeitstechnischer Zweck unmittelbar darauf gerichtet ist, die Beförderung von Personen und/oder Gütern durch Luftfahrzeuge tatsächlich auszuführen46. Folgerichtig sind im „Flugbetrieb“ beschäftigte Arbeitnehmer solche Personen, die unmittelbar diese 46 BAG v. 14.10.1986 – 1 ABR 13/85 n. v. (Rz. 17).
265
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Beförderungstätigkeit ausführen, sei es, dass sie das Flugzeug führen oder dabei mitwirken, sei es, dass sie Personen während der Beförderung betreuen und die mit der Beförderung verbundenen Dienstleistungen erbringen (d. h. die Bereiche Cockpit und Kabine und die damit verbundenen nicht ortsgebundenen Tätigkeiten an Bord von Flugzeugen). Demgegenüber ist der Begriff „Landbetriebe“ nicht organisatorisch zu verstehen, sondern meint tätigkeitsbezogen die Bereiche bzw. darin beschäftigte Arbeitnehmer eines Luftfahrtunternehmens, die mittelbar dem Flugbetrieb dienen, indem sie ihn „technisch, organisatorisch und kaufmännisch möglich machen und alle Aktivitäten verwalten“47. Sie bieten die ortsgebundene Infrastruktur und Dienstleistungen für den Flugbetrieb an, d. h. Hangars, die Verwaltung, Vertriebsniederlassungen, Werften oder Rechenzentren. Für dieses tätigkeits- und nicht organisationsbezogene Verständnis der Regelung bzw. Formulierung in § 117 BetrVG spricht auch die amtliche Begründung zum Regierungsentwurf des BetrVG48, denn dort heißt es: Während die Landbetriebe von Luftfahrtunternehmen entsprechend dem geltenden Recht voll dem BetrVG unterliegen (Abs. 1), ist das sog. „fliegende Personal“, d. h. in der Hauptsache die Besatzungsmitglieder von Flugzeugen, wegen der besonderen, nicht ortsgebundenen Art der Tätigkeit wie bisher aus dem Geltungsbereich ausgenommen.
Demnach hat auch der Gesetzgeber bei dem Entwurf der Regelung auf die unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche am Boden und in der Luft abgestellt und die Begriffe „Landbetriebe“ und „Flugbetrieb“ lediglich zur Abgrenzung der damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten benutzt. Eine Organisationsentscheidung wurde damit weder getroffen noch unterstellt. Es bleibt abzuwarten, ob und ggf. inwieweit in den Luftfahrtunternehmen von dieser Gestaltungsmöglichkeit in Bezug auf die Bildung von Betriebsräten Gebrauch gemacht wird. Bedeutung hätte dies nicht nur für die Frage, ob ein Betriebsrat oder ob mehrere Betriebsräte für den Flugbetrieb oder ob ein einheitlicher Betriebsrat für die im Flugbetrieb und am Boden beschäftigten Arbeitnehmer gebildet werden kann. Von einem einheitlichen Betrieb und damit auch einem einheitlichen Betriebsrat für Boden und Luft ist auszugehen, wenn die wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten für diesen Personenkreis von einer Stelle aus entschieden und in der Umsetzung gesteuert werden. Alternativ könnte eine Betriebsstruktur durch einen Tarifvertrag nach § 3 BetrVG geschaffen werden. 47 BAG 14.10.1986 – 1 ABR 13/85 n. v. (Rz. 17). 48 BT-Drucks. VI/1786 S. 58.
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Änderungen zur personenstandsrechtlichen Registrierung des Geschlechts
Bedeutung hat die Kennzeichnung des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebs nicht nur im BetrVG selbst, sondern auch für die Anwendbarkeit weiterer Vorschriften, für die der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff maßgeblich ist (z. B. §§ 17 KSchG, 4 a TVG). Gerade für den Bereich der Tarifpluralität kann die Bildung eines übergreifenden Betriebs aus Landund Flugbetrieb zu einer veränderten Festlegung der Mehrheitsgewerkschaft und damit auch des Mehrheitstarifvertrags führen. Denn die Mehrheiten der im Betrieb beschäftigten Mitglieder verschiedener Gewerkschaften erfahren eine grundlegende Änderung, wenn Boden und Luft einen übergreifenden (betriebsverfassungsrechtlichen) Betrieb bilden. Dieser Betriebsbegriff liegt § 4 a TVG zugrunde49. (Ga)
8.
Gesetzliche Änderungen zur personenstandsrechtlichen Registrierung des Geschlechts
Im Frühjahr hatten wir über die Entscheidung des BVerfG vom 10.10.201750 berichtet51. Danach hat es das BVerfG für verfassungswidrig gehalten, dass Menschen durch die gegenwärtigen Regelungen im Personenstandsrecht gezwungen werden, eine Eintragung mit der Bezeichnung „männlich“ oder „weiblich“ vorzunehmen, um ihr Geschlecht zu kennzeichnen, obwohl sie biologisch keinem dieser Geschlechte zugeordnet werden können. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben liegt jetzt ein Vorschlag zur Anpassung der entsprechenden Regelungen in § 22 PStG vor. Die Neuregelung sieht vor, dass ein Kind auch ohne die Angabe „männlich“ oder „weiblich“ oder mit der Angabe „divers“ in das Geburtenregister eingetragen werden kann. Dies würde ermöglichen, auf die fehlende Zuordnung zu dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zu reagieren. Ergänzend hierfür soll durch § 45 b PStG klargestellt werden, dass auch eine Korrektur bestehender Einträge möglich ist. Danach können Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung gegenüber dem Standesamt erklären, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem deutschen Personenstandseintrag durch eine andere in § 22 Abs. 3 PStG vorgesehene Bezeichnung ersetzt oder gestrichen werden soll. Liegt kein deutscher Personenstandseintrag vor, können sie gegenüber dem Standesamt erklären, welche der in § 22
49 Vgl. BT-Drucks. 18/4062 S. 13. 50 BVerfG v. 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16, NJW 2017, 3643. 51 B. Gaul, AktuellAR 2018, 27 ff.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Abs. 3 PStG vorgesehenen Bezeichnungen für sie maßgeblich ist oder auf die Angabe einer Geschlechterbezeichnung verzichten, wenn sie zu einer der im Gesetz genannten Personengruppe gehören. Dies sind • Personen, die als Staatenlose oder heimatlose Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, • Personen, die als Asylberechtigte oder ausländische Flüchtlinge ihren Wohnsitz im Inland haben oder • Personen, die als Ausländer, deren Heimatrecht keine vergleichbare Regelung kennt, ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzen, eine verlängerte Aufenthaltserlaubnis besitzen und sich dauerhaft rechtmäßig im Inland aufhalten oder eine Blaue Karte/EU besitzen.
Mit der Erklärung können auch neue Vornamen bestimmt werden. Für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist, kann nur sein gesetzlicher Vertreter die Erklärung abgeben. Es ist davon auszugehen, dass das Gesetz kurzfristig in Kraft gesetzt wird. Umstritten ist allerdings noch, ob und ggf. in welcher Weise etwaige Einträge im Personenstandsregister unter Vorlage eines ärztlichen Nachweises begründet werden müssen. Derzeit sieht der Entwurf noch vor, dass durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nachzuweisen sei, dass eine Variante der Geschlechtsentwicklung gegeben ist. Ungeachtet dieser noch offenen Frage kann die betriebliche Praxis bei künftigen Stellenausschreibungen weitere Geschlechter übergreifend mit der Abkürzung „d“ oder der Bezeichnung „divers“ erfassen. Dies vermeidet eine geschlechtsbezogene Diskriminierung im Bewerbungsverfahren. Darüber hinaus sollte im Wortlaut etwaiger Kollektivvereinbarungen klargestellt werden, dass der Begriff des „Arbeitnehmers“ allein aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung anstelle von „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern“ verwendet wird und Personen jeden Geschlechts erfasst. Dies zeigt auch insoweit die notwendige Sensibilität und bewirkt, dass bereits im Ansatz der Vorwurf einer Diskriminierung wegen des Geschlechts vermieden wird. (Ga)
9.
Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU
Im Oktober hat die Bundesregierung den Entwurf eines 2. Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Datenschutzgrundverordnung und die Richtlinie 2016/680/EU zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zweck 268
Aktuelle Entwicklungen zum Normalarbeitsverhältnis und zur befristeten Beschäftigung
der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung (2. DSAnpUG-EU) vorgelegt. Obwohl damit auch arbeitsschutzrechtlich relevante Gesetze Anpassungen erfahren (z. B. HAG, ArbSchG, AEntG), sind damit für die tägliche Arbeit im Unternehmen keine veränderten Leitlinien verbunden. Die Klarstellungen betreffen den behördeninternen Datentransfer und Klarstellungen bei der Zweckbindung der Verarbeitung personenbezogener Daten52. (Ga)
10. Aktuelle Entwicklungen zum Normalarbeitsverhältnis und zur befristeten Beschäftigung Im Koalitionsvertrag vom 7.2.2018 hatten CDU, CSU und SPD eine Vielzahl von Veränderungen beschrieben, die auch mit Blick auf das Arbeitsund Sozialversicherungsrecht im Rahmen der laufenden Legislaturperiode zur Umsetzung kommen sollen53. Nachdem die gesetzlichen Regelungen zur Brückenteilzeit kurzfristig umgesetzt wurden54, ist Bewegung in Bezug auf eine Neuregelung des Befristungsrechts derzeit nicht erkennbar. Offenkundig ist die Koalition erst einmal mit der politischen Reorganisation befasst, deren Notwendigkeit (spätestens) nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen erkennbar geworden ist. Im Bereich der befristeten Beschäftigung hatte der Koalitionsvertrag eine Reihe von Änderungen vorgesehen55. So sollen bei Unternehmen mit mehr als 75 Beschäftigten nur noch 2,5 % der Belegschaft sachgrundlos befristet werden. Teilzeitbeschäftigte sollen dabei wohl nach Köpfen berücksichtigt werden. Bei einem Überschreiten dieser Quote gilt jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet zustande gekommen. Bezugspunkt soll dabei jeweils der Zeitpunkt der letzten Einstellung ohne Sachgrund sein. Bereits diese Idee der Bundesregierung dürfte in der betrieblichen Praxis erhebliche Probleme bereiten. Zum einen übersieht der Gesetzgeber, dass es keine halben Arbeitnehmer gibt. Das betrifft vor allem die kleinen Unternehmen. So könnten in einem Unternehmen mit 100 Beschäftigten nur zwei Arbeitnehmer einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag erhalten. Zum 52 BR-Drucks. 430/1/18; Referentenentwurf des BMI v. 21.6.2018. 53 Eingehend auch Bonanni, ArbRB 2018, 122; Nielebock, AiB 2018/4, 22; Pfeffer/Schulze, AiB 2018/4, 25; Pfrogner, BB 2018, 500. 54 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2018, 241 ff. 55 Koalitionsvertrag Rz. 2341 ff.; BT-Drucks. 19/1841; Arnold/Romero, NZA 2018, 329, 330 f.; Pfeffer/Schulze, AiB 2018/4, 25.
269
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
anderen soll die Zahl der sachgrundlosen Befristungen nicht betriebs-, sondern unternehmensbezogen erfasst werden. Der Arbeitgeber muss also eine Stelle einrichten, in der die diesbezüglichen Informationen auf überbetrieblicher Ebene gesammelt werden. Mit dieser Sammlung sachgrundloser Befristungen dürfte es in der betrieblichen Praxis indes nicht getan sein. Zwar dürfte es bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Wirksamkeit weiterer (sachgrundloser) Befristungen zunächst einmal genügen, wenn arbeitgeberseitig die entsprechende Zahl der Arbeitsverhältnisse genannt wird, die ohne Sachgrund befristet worden sind. Ob insoweit auch Befristungen zu berücksichtigen sind, die vor Inkrafttreten einer entsprechenden Änderung in § 14 Abs. 2 TzBfG abgeschlossen wurden, hängt davon ab, ob eine Übergangsregelung geschaffen wird. Ein besonderes Risiko dürfte für den Arbeitgeber allerdings darin liegen, dass Streit über die Frage entstehen kann, ob nicht weitere Arbeitsverhältnisse, bei denen der Arbeitgeber bis dahin von einer sachlichen Befristung ausgegangen ist, zu berücksichtigen sind, weil – entgegen der Annahme des Arbeitgebers – ein Sachgrund für die Befristung (doch) nicht gegeben ist. Gerade deshalb dürfte es wichtig sein, bei der gesetzlichen Neuregelung auch die spätere Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Auge zu behalten, wenn entsprechende Auseinandersetzungen geführt werden. Unabhängig davon soll die sachgrundlose Befristung nach den Feststellungen im Koalitionsvertrag nur noch bis zu einer Höchstdauer von 18 Monaten (bislang: 24 Monate) zulässig sein. In dieser Zeit soll nur noch eine einmalige (bislang: dreimalige) Verlängerung möglich sein. Um die Möglichkeiten zum Abschluss von Kettenarbeitsverhältnissen einzuschränken, soll die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf das Vorliegen eines Sachgrunds nicht (mehr) zulässig sein, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder ein oder mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestanden haben. Ausnahmen sollen nur dann möglich sein, wenn dies wegen der Eigenart des Arbeitsverhältnisses (z. B. Künstler, Fußballer) geboten ist. Wichtig ist, dass auf die Höchstdauer von fünf Jahren auch eine Beschäftigung als Leiharbeitnehmer zur Anrechnung kommen soll. Nur wenn das Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber für drei oder mehr Jahre unterbrochen war, soll die Fünf-Jahres-Frist neu beginnen. Es wäre hilfreich, wenn diese dreijährige Karenzzeit auch in § 14 Abs. 2 TzBfG eingefügt würde. Denn nach den Feststellungen des BVerfG in der Entscheidung vom
270
Aktuelle Entwicklungen zum Normalarbeitsverhältnis und zur befristeten Beschäftigung
6.6.201856, das die teleologische Einschränkung des Anwendungsbereichs der Zuvor-Beschäftigung als unzulässige richterliche Rechtsfortbildung qualifiziert und darin einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG gesehen hat, obliegt es dem Gesetzgeber, die notwendige Klarstellung in das Gesetz aufzunehmen. Wir haben darüber an anderer Stelle berichtet57. Unabhängig davon ist bei einer Umsetzung dieses Gesetzesvorhabens klarzustellen, ob die Sperrwirkung von fünf Jahren auch bei einer Verlängerung von Arbeitsverhältnissen über die gesetzliche Altersgrenze hinaus relevant wird. Versteht man die insoweit maßgebliche Regelung in § 41 S. 3 SGB VI richtigerweise als Sonderfall der sachgrundlosen Befristung, wäre das nicht der Fall. Da allerdings auch diese Frage umstritten ist, sollte dieser Sachverhalt durch den Gesetzgeber klargestellt werden58. Derzeit liegt noch kein Referentenentwurf zu einer entsprechenden Neuregelung der befristeten Arbeitsverhältnisse vor. Insofern bleibt abzuwarten, ob und ggf. in welcher Weise bei der gesetzlichen Neuregelung Erkenntnisse berücksichtigt werden, die sich in den Antworten der Bundesregierung zu den aktuellen Daten eines Normalarbeitsverhältnisses59 und der befristeten Beschäftigung in Deutschland60 befinden. Wichtig dürfte dabei sein, Abweichungen von einer Vollzeitbeschäftigung nicht generell als „prekäre“ oder „atypische“ Beschäftigungsformen zu qualifizieren und damit per se mit einer negativen Form des Arbeitsverhältnisses zu verbinden. Denn die Zunahme von Teilzeitbeschäftigungen trägt auch dem Interesse von Frauen und Männern Rechnung, Arbeits- und Familienleben flexibel miteinander zu verbinden. Gerade weil diese Beschäftigungsform erleichtert und zum Teil sogar gefördert wird, gelingt es, vor allem Arbeitnehmerinnen nach der Geburt eines Kindes wieder zeitnah in den Arbeitsprozess zu integrieren und damit auch die weitere berufliche Entwicklung zu sichern. Gleichzeitig ist es möglich, überwiegend älteren Arbeitnehmern auf flexible Weise einen gleitenden Übergang in die Altersrente zu ermöglichen, was Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen gleichermaßen im Auge behält. Unabhängig davon trägt die Zunahme von Befristung und Leiharbeit, wie sie in den Statistiken der Bundesregierung erkennbar wird, dem Umstand Rechnung, dass es dem Gesetzgeber noch immer nicht gelungen ist, den gesetzlichen Kündigungsschutz der Lebenswirklichkeit anzupassen, in der wahrscheinlich mehr als 56 57 58 59 60
BVerfG v. 6.6.2018 – 1 BvL 7/14 und 1375/14, NZA 2018, 774. Boewer, AktuellAR 2018, 295 ff. Vgl. Kleinebrink, DB 2018, 1147, 1149. BT-Drucks. 19/4280. BT-Drucks. 19/4137.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
80 % der Trennungssachverhalte durch einen wirtschaftlichen Ausgleich gelöst werden. Unabhängig davon wird häufig übersehen, dass die befristete Beschäftigung ebenso wie der Einsatz als Leiharbeitnehmer ein außerordentlich wirksames und in der Relevanz steigendes Mittel ist, um eine spätere Übernahme in eine unbefristete Beschäftigung vorzubereiten. Auch das lassen die Statistiken erkennen. (Ga)
11.
Aktuelle Entwicklungen in der Leiharbeit
Die letzten (großen) Veränderungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung sind zum 1.4.2017 in Kraft getreten. Damit verbunden ist der durch § 20 AÜG festgehaltene Auftrag, die Anwendung des Gesetzes im Jahre 2020 zu evaluieren. Einen aktuellen Anpassungsbedarf sieht die Bundesregierung deshalb im Moment nicht. Ungeachtet dessen haben einzelne Abgeordnete und die Fraktion DIE LINKE eine Anfrage an die Bundesregierung zur aktuellen Entwicklung der Leiharbeit gestellt. Die jetzt vorliegende Antwort der Bundesregierung enthält eine Vielzahl interessanter Statistiken zur branchen- und länderübergreifenden Verbreitung von Leiharbeit. Dabei werden auch qualifikations- und geschlechtsbezogene Unterschiede berücksichtigt61. Ein weitergehender Handlungsbedarf auf Unternehmensebene ist damit indes nicht verbunden. (Ga)
12. Gesetzesentwurf zur Dynamisierung der Verdienstgrenzen bei geringfügiger Beschäftigung In ihrem Gesetzesentwurf zur Dynamisierung der Verdienstgrenzen der geringfügigen Beschäftigung machen die beteiligten Abgeordneten und die Fraktion der FDP darauf aufmerksam, dass die durchschnittlichen Löhne und Gehälter in Deutschland in den letzten fünf Jahren kontinuierlich gestiegen seien. So habe der Anstieg des Nominallohnindex in der Zeit von 2013 bis 2017 etwa 10,65 % betragen. Der Mindestlohn, der 2015 mit 8,50 €/Std eingeführt worden sei, steige zum 1.1.2019 auf ein Niveau von 9,19 €/Std und zum 1.1.2020 auf 9,35 €/Std. Die Höchstgrenzen für geringfügig entlohnte Beschäftigung (sog. MiniJobs) und für eine Beschäftigung in der Gleitzone (sog. Midi-Jobs) wurden durch den Gesetzgeber hingegen seit der letzten Anpassung im Jahre 2013 61 BT-Drucks. 19/4148.
272
Dynamisierung der Verdienstgrenzen bei geringfügiger Beschäftigung
nicht mehr verändert. Für die hiervon betroffenen Arbeitnehmer hat dies zwar nicht automatisch ein Absinken der monatlichen Verdienstmöglichkeiten zur Folge. Um ein Überschreiten dieser Höchstgrenzen zu verhindern, ist es allerdings erforderlich, kontinuierlich den zeitbezogenen Umfang der individuellen Arbeitszeit anzupassen. Denn die Anhebung der stundenbezogenen Vergütung bewirkt, dass die maßgeblichen Höchstgrenzen mit weniger (zeitbezogenem) Aufwand erreicht werden. In den im Oktober 2018 vorgelegten Gesetzesentwurf62 schlägt die FDP jetzt vor, die betragsbezogenen Höchstgrenzen durch eine Dynamik zu ersetzen, die an das MiLoG geknüpft ist. So soll die Verdienstgrenze bei geringfügiger Beschäftigung zum 1.1.2019 auf das 60-fache des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns festgelegt werden. Die Verdienstgrenze für eine Beschäftigung in der Gleitzone soll auf das 145-fache dieses Mindestlohns festgelegt werden. Hiervon ausgehend wären weitere (zukünftige) Anpassungen nicht mehr erforderlich. Vielmehr könnten Arbeitnehmer, die auf der Grundlage des Mindestlohns vergütet würden, im Rahmen eines Mini-Jobs bis zu 60 Stunden im Monat und bei einer Beschäftigung im Rahmen der Gleitzone bis zu 145 Stunden im Monat tätig sein. Es steht nicht zu erwarten, dass dieser Gesetzentwurf zur Umsetzung kommt. Dies folgt einerseits aus den aktuellen Mehrheitsverhältnissen und dem Umstand, dass die FDP eine Regierungsbeteiligung abgelehnt hatte. Der Bundesrat hat deshalb auch die Einbringung des Gesetzesentwurfs in den Bundestag abgelehnt63. Hinzukommt, dass die vorgeschlagene Dynamisierung mit einer deutlichen Anhebung der Verdienstgrenzen verbunden wäre. So könnte auf der Grundlage der vorgeschlagenen Schwellenwerte im Rahmen eines Mini-Jobs ab dem 1.1.2019 ein Gesamtverdienst in Höhe von 551,40 €/Monat und im Rahmen einer Beschäftigung in der Gleitzone ein Gesamtverdienst in Höhe von 1.332,55 €/Monat erzielt werden. Diese Anhebung dürfte in SPD und CDU keine Mehrheit finden. (Ga)
62 BT-Drucks. 19/4764; BR-Drucks. 467/18; Referentenentwurf des BMAS v. 30.8.2018. 63 BR-Drucks. 419/18.
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B.
1.
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
Neufassung der Entsenderichtlinie
Nach langen Verhandlungen ist die Richtlinie 2018/957/EU zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsenderichtlinie) verabschiedet und im Amtsblatt veröffentlicht worden1. Wir hatten über die Entstehung berichtet2. Die neuen Regelungen3, die bis zum 30.7.2020 umzusetzen sind, sollen vor allem gleiche Lohnbedingungen für entsandte wie einheimische Arbeitnehmer gewährleisten. Bedeutung besitzt dabei vor allem die Verpflichtung, nach einer Entsendedauer von 18 Monaten das Recht des Einsatzstaates zur Anwendung zu bringen. Dies dürfte über die sozialversicherungsrechtlichen Dokumentationspflichten hinaus, die an anderer Stelle behandelt werden4, zusätzliche Komplexität in Entsendetatbestände bringen und eine nicht unerhebliche Mehrbelastung der betroffenen Unternehmen auslösen5. Hier hilft der Umstand, dass die Entsenderichtlinie in ihrer bisherigen Fassung bis zum 30.7.2020 weiterhin anwendbar ist. Grundsätzlich bestimmt sich das Arbeitsstatut bei vorübergehender Entsendung nach dem Recht des Herkunftslandes. Das folgt aus den Grundsätzen des IPR, wie sie auch in der Verordnung 593/2008/EG über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht (Rom I) zum Ausdruck gebracht worden sind. Dies modifiziert die Entsenderichtlinie in mehrfacher Hinsicht. Bereits vom ersten Tag an gelten Mindestarbeitsbedingungen, wie sie in Art. 1 Abs. 1 Entsenderichtlinie bestimmt werden. Mit der Neufassung ist eine Ausweitung der insoweit verbindlichen Mindestarbeitsbedingungen verbunden. Voraussetzung ist allerdings, dass sie in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen oder Tarifverträgen zur Anwendung kommen, die nach Art. 1 Abs. 8 Entsenderichtlinie n. F. maßgeblich sind. Dauert die Entsendung länger als 12 Monate 1 2 3 4 5
ABl. EU 2018, L 173, 16. B. Gaul, AktuellAR 2018, 19 f. Ausf. dazu Sura, BB 2018, 2743. Vgl. B. Gaul/Kriebel Volk, AktuellAR 2018, 519 ff. Vgl. zu den Auswirkungen auch die Antworten der Bundesregierung auf Fragen der FDP-Fraktion in BT-Drucks. 19/2806, Boysen Gran/Brehm/Hentschel/Warnecke Riesenhuber, NZA 2018, 1433.
275
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
(bei einem Antrag auf Verlängerung ab 18 Monaten), gelten auch solche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die nicht im Katalog des Art. 1 Abs. 1 Entsenderichtlinie n. F. genannt werden, wenn sie durch Rechts- oder Verwaltungsvorschrift oder allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag geregelt sind (Art. 1 Abs. 1 a Entsenderichtlinie n. F.). Ausgenommen hiervon sind lediglich Regelungen über den Abschluss und die Beendigung des Arbeitsvertrags einschließlich Wettbewerbsverboten sowie auch in diesem Zusammenhang die betriebliche Altersversorgung. Dass das Arbeitsstatut wegen des vorübergehenden Charakters der Entsendung an sich weiterhin zur Anwendbarkeit des Rechts des Herkunftslandes führen würde, muss dahinter zurückstehen. Entgegen der bisherigen Fassung der Entsenderichtlinie gehören zu den Mindestarbeitsbedingungen, die vom ersten Tag an verbindlich sind, alle Entlohnungsbestandteile (z. B. Lohn, Gehalt, Jahressonderzahlungen, Zuschläge); lediglich die betriebliche Altersversorgung bleibt ausgegrenzt. Entsendezulagen werden als Bestandteil der Entlohnung erfasst, wenn sie nicht der Erstattung von Kosten für Reise, Unterbringung oder Verpflegung dienen. Bestehen Zweifel, ist davon auszugehen, dass solche Zulagen nur der Kostenerstattung dienen (Art. 1 Abs. 7 Entsenderichtlinie n. F.) und damit nicht auf Entgeltansprüche angerechnet werden können. Darüber hinaus werden Bedingungen für die Unterkünfte von Arbeitnehmern erfasst, wenn sie vom Arbeitgeber für Arbeitnehmer, die von ihrem regelmäßigen Arbeitsplatz entfernt sind, zur Verfügung gestellt werden. Außerdem werden Zulagen und Kostenerstattungen zur Deckung von Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten für Arbeitnehmer einbezogen, die aus beruflichen Gründen nicht zu Hause wohnen. Voraussetzung ist, dass solche Kosten Arbeitnehmern entstehen, wenn sie zu und von ihrem regelmäßigen Arbeitsplatz in einen anderen Mitgliedstaat reisen müssen oder von ihrem Arbeitgeber vorübergehend von diesem regelmäßigen Arbeitsplatz an einen anderen Arbeitsplatz gesandt werden. Damit sich die hiervon betroffenen Unternehmen Klarheit über diese Mindestarbeitsbedingungen verschaffen können, veröffentlichen die Mitgliedstaaten die Informationen über solche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen nach einer Umsetzung der Neufassung der Entsenderichtlinie unverzüglich und in transparenter Weise auf einer einzigen offiziellen Website. Hierzu gehört auch eine genaue Aufschlüsselung der insoweit maßgeblichen Entlohnungsbestandteile. Eine Höchstdauer für Entsendungen bestimmt die Entsenderichtlinie damit auch in ihrer Neufassung nicht. Allerdings bewirkt die Bindung an alle Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die nach 12 bzw. 18 Monaten ein276
Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen
tritt, dass ein erheblicher Aufwand für die Abwicklung solcher Beschäftigungsverhältnisse betrieben werden muss. Hinzu kommt, dass die Entsendungsdauer eines anderen Arbeitnehmers, der durch das Unternehmen im Rahmen einer Entsendung mit der gleichen Tätigkeit am gleichen Ort eingesetzt wird, nach Art. 1 Abs. 1 a Entsenderichtlinie n. F. auf die Entsendung des nachfolgend entsandten Arbeitnehmers angerechnet wird. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des EuGH vom 6.9.20186 setzt dies aber voraus, dass es dasselbe Unternehmen ist. War die vorangehende Entsendung mit der gleichen Tätigkeit am gleichen Ort durch ein anderes Unternehmen erfolgt, findet keine Addition der Gesamtdauer statt. Das gilt selbst dann, wenn die Unternehmen in einer Konzernbindung stehen. Nach den Ergänzungen in Art. 1 Abs. 3 Entsenderichtlinie n. F. gelten die vorstehenden Grundsätze auch für die grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung. Leiharbeitnehmer, die einem Verleiher in einem anderen Mitgliedstaat überlassen werden, gelten insoweit als entsandte Arbeitnehmer. Die Verpflichtung hinsichtlich der Einhaltung von Mindestarbeitsbedingungen trifft dabei zwar grundsätzlich den Verleiher. Der Entleiher ist allerdings einzubinden, sofern die Verwirklichung im Rahmen des Einsatzbetriebs vollzogen werden muss (z. B. Sicherheit, Gesundheitsschutz, Hygiene am Arbeitsplatz sowie Schutzmaßnahmen für Schwangere und Wöchnerinnen). Ausdrücklich ausgenommen aus dem Geltungsbereich der Entsenderichtlinie wird der Straßenverkehr. Hier sind eigenständige Gesetzgebungsakte vorgesehen (Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2018/957/EU). (Ga)
2.
Vorschlag einer Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union
Bereits im Frühjahr hatten wir über den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union7 berichtet8. Mit der Richtlinie soll eine Modernisierung der Richtlinie 91/533/EWG über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (Nachweisrichtlinie)
6 7 8
EuGH v. 6.9.2018 – C-527/16, NZA 2018, 1253 – Salzburger Gebietskrankenkasse. COM(2017) 797 final. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2018, 20 ff.
277
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
bewirkt werden9. Inzwischen liegen ergänzende Stellungnahmen des Europäischen Parlaments vom 29.5.201810 sowie des Rats der Europäischen Union vom 21.6.201811 vor. Ob und inwieweit sich die nach wie vor unterschiedlichen Vorstellungen auf einen Nenner bringen lassen, ist offen. Wir werden darüber berichten. Bemerkenswert an dieser Stelle ist, dass der Vorschlag des Rats der Europäischen Union die Dokumentation der wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses auch auf elektronischem Wege zulassen will, sofern die Dokumente für den Arbeitnehmer auf diese Weise leicht zugänglich sind und gespeichert und ausgedruckt werden können (Art. 2 a des Vorschlags). Das Europäische Parlament schlägt unter anderem vor, dass der Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen auch einen Hinweis auf die formalen Anforderungen für ein Kündigungsschreiben und die Frist für die Einreichung einer Kündigungsklage enthält. (Ga)
3.
Aktueller Stand zum Richtlinienvorschlag zur WorkLife-Balance
Im EU-Parlament hatte bereits am 21.2.2018 eine Anhörung stattgefunden, die sich mit dem Richtlinienvorschlag zur Work-Life-Balance befasste. Wir hatten über das Verfahren schon mehrfach berichtet12. Auf dieser Grundlage sieht der Bericht des Europäischen Parlaments vom 6.3.201813 Änderungen in Bezug auf den Entwurf vor. Die Richtlinie soll für Arbeitnehmer gelten, die nach Maßgabe der nationalen Rechtsvorschriften, Kollektivverträge und/oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat in einem Arbeitsverhältnis stehen. Dieser Personenkreis soll einen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub, Elternurlaub oder Pflegeurlaub geltend machen können. Der Vaterschaftsurlaub soll bis zu zehn Arbeitstage dauern und nur in der Zeit rund um die Geburt des Kindes genommen werden können. In dieser Zeit soll der Vater einen Anspruch auf eine Bezahlung haben, die dem Krankengeld entspricht. Der Elternurlaub soll für die Dauer von vier Monaten bestehen und geltend gemacht werden können, bis das Kind das zwölfte Lebensjahr erreicht hat. 9 10 11 12 13
Eingehend Maul-Sartori, ZESAR 2018, 369. 2017/0355(COD). 2017/0355(COD). B. Gaul, AktuellAR 20 COM(2017) 112 final.
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Durchführung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats
Anspruchsinhaber sind beide Eltern, wobei ein Monat auf das jeweils andere Elternteil übertragen werden kann. Soweit die Mitgliedstaaten den Anspruch auf Elternurlaub von einer bestimmten Beschäftigungs- oder Betriebszugehörigkeitsdauer abhängig machen wollen, darf diese ein Jahr nicht übersteigen. Während des Elternurlaubs ist eine Vergütung in Höhe von mindestens 75 % des Bruttolohns weiter zu zahlen. Dies dürfte über das Elterngeld hinausgehen, weil dort Schranken durch die Beitragsbemessungsgrenzen gesetzt werden. Der Urlaub für pflegende Angehörige soll nur fünf Arbeitstage pro Jahr und Arbeitnehmer betragen. Diese Regelung geht weit hinter die in Deutschland bereits vorgesehenen Ansprüche auf Arbeitsfreistellung für den Fall einer Pflege von Angehörigen zurück. Auch für diese Zeit sieht der Entwurf in seiner aktuellen Diskussion indes eine Entgeltfortzahlung in Höhe von 75 % des Bruttolohns vor. Der Rat der Europäischen Union sieht viele Punkte anders, wie seine Stellungnahme vom 15.6.201814 deutlich macht. Die Entgelthöhe bei Elternurlaub und Vaterschaftsurlaub soll durch die Richtlinie nicht vorgegeben werden. Damit die finanzielle Belastung der Sozialversicherungssysteme gesteuert werden kann, sollen die Mitgliedstaaten die Höhe selbst festlegen können. Es soll keine Höchstaltersgrenze des Kindes geben, bis zu der Elternurlaub genommen werden kann. Zuletzt standen hier zwölf Jahre in Rede. Die Mitgliedstaaten sollen das Höchstalter selbst bestimmen können. Vaterschaftsurlaub soll vor und nach der Geburt möglich sein. Angesichts der deutlichen Unterschiede dürfte das Verfahren noch eine Weile dauern. Wir werden darüber berichten. (Ga)
4.
Bericht über die Durchführung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats
Am 14.5.2018 hat die Europäische Kommission ihren Bericht über die Durchführung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats vorgelegt15. In dem Bericht fasst die Kommission noch einmal die aus ihrer Sicht bestehenden Vorteile eines Europäischen Betriebsrats zusammen. Mit der Neufassung der Richtlinie 94/45/EG, die mit der Richtlinie 14 2017/0085(COD). 15 COM(2018) 292 final.
279
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
2009/38/EG bewirkt worden sei, habe die Europäische Union hierfür einen deutlich klareren Rechtsrahmen erhalten. Die große Mehrheit der Mitgliedstaaten hat nach dem Bericht der Europäischen Kommission die EU-Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt. Auf der Grundlage dieser Regelungen werden weiterhin neue Europäische Betriebsräte gegründet. Die Europäische Kommission spricht insoweit von etwa 20 Europäischen Betriebsräten im Jahr. Weltweit betrachtet seien Frankreich, Deutschland und Großbritannien die Länder mit den meisten Europäischen Betriebsräten, was auf die Größe der Unternehmen zurückzuführen sei. Nach dem Wirksamwerden des Brexit dürfte sich diese Zahl allerdings in Bezug auf Großbritannien verändern. Dabei spielen – so der Bericht – die Europäischen Betriebsräte in einigen multinationalen Unternehmen auch eine Rolle bei der Aushandlung länderübergreifender Kollektivvereinbarungen, auch wenn insoweit kein Verhandlungsmandat besteht. Handlungsbedarf ergibt sich aus dem Bericht nicht. Er stellt lediglich eine Übersicht dar, die für diejenigen interessant ist, die sich mit länderübergreifenden Arbeitnehmervertretungen und ihrer Arbeit befassen. (Ga)
5.
Vorschlag einer Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2017/1132/EU in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen
Seit dem 14.6.2017 regelt die Richtlinie 2017/1132/EU auch die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften. Mit dem Vorschlag einer Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2017/1132/EU in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, den die Europäische Kommission am 15.5.2018 vorgelegt hat16, sollen die darin getroffenen Regelungen modifiziert und um Maßnahmen zur grenzüberschreitenden Spaltung und zum grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel (Umwandlung) ergänzt werden. Hintergrund der gesetzlichen Neuregelung ist die Erkenntnis, dass es nur in einigen Mitgliedstaaten Regelungen zu solchen Restrukturierungen gibt. Die Rechtslage ist also zersplittert, zum Teil widersprüchlich und weist viele Lücken auf, was zu Rechtsunsicherheit führt und vor allem kleinere Unternehmen daran hindern könnte, grenzüberschreitende Umwandlungen, Spaltungen oder Verschmelzungen vorzunehmen. Damit aber würde das Recht auf Niederlassungsfreiheit, wie es der EuGH in der Entscheidung vom 16 COM(2018) 241 final.
280
Vorschlag einer Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2017/1132/EU
25.10.201717 zuletzt noch einmal beschrieben hat, nicht zur Anwendung gebracht. Gleichzeitig sollen angemessene Regelungen zum Schutz der am stärksten betroffenen Interessenträger getroffen werden, die die Kommission mit Arbeitnehmern, Gläubigern und Gesellschaftern identifiziert hat. Zu begrüßen ist jedenfalls, dass zukünftig verstärkt auch digitale Unterrichtungswege nutzbar sein sollen, soweit Informationspflichten in Rede stehen. Veränderungen der Richtlinie zu den Europäischen Betriebsräten (Richtlinie 2009/38/EG), der Massenentlassungsrichtlinie (Richtlinie 98/59/EG), der Betriebsübergangsrichtlinie (Richtlinie 2001/23/EG) und der Richtlinie zur Unterrichtung und Anhörung (Richtlinie 2002/14/EG) sind damit nicht verbunden. Ob die mit der Richtlinie verbundene Ausweitung der Beteiligungsverfahren in Bezug auf die Unternehmensmitbestimmung und eine Konkretisierung von Regelungen zur Vermeidung von Rechtsmissbrauch in dieser Form umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Nachfolgend sollen gleichwohl wesentliche Konsequenzen der beabsichtigten Neuregelung für das Arbeitsund Unternehmensmitbestimmungsrecht aufgezeigt werden.
a)
Anwendungsbereich der Neuregelung
Die Neuregelung soll bei Kapitalgesellschaften zur Anwendung kommen, die in eine grenzüberschreitende Umwandlung, eine Spaltung oder eine Verschmelzung eingebunden werden. Grenzüberschreitende Umwandlung wird dabei als Vorgang verstanden, durch den eine Gesellschaft ohne Auflösung, Abwicklung oder Liquidation die Rechtsform, in der sie im Wegzugsmitgliedstaat eingetragen ist, in die Rechtsform einer Gesellschaft des Zuzugsmitgliedstaats umgewandelt und mindestens ihren satzungsmäßigen Sitz unter Beibehaltung der Rechtspersönlichkeit in den Zuzugsmitgliedstaat verlegt. Die umgewandelte Gesellschaft stellt dabei die im Zuzugsmitgliedstaat neu gegründete Gesellschaft ab dem Tag dar, an dem die grenzüberschreitende Umwandlung wirksam wird. Vorbehaltlich etwaiger Abweichungen gemäß Art. 160 c bezeichnet der Begriff der Spaltung nach Art. 160 b einen Vorgang, • durch den eine Gesellschaft im Wege der Auflösung ohne Abwicklung ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen auf zwei oder mehr neu gegründete Gesellschaften (begünstigte Gesellschaften) überträgt, und zwar gegen Gewährung von Wertpapieren oder Anteilen der begüns17 EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16, NJW 2017, 3639 – Polbud.
281
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
tigten Gesellschaften an die Gesellschafter der Gesellschaft, die die Spaltung vornimmt, und ggf. einer baren Zuzahlung, die 10 % des Nennwerts dieser Wertpapiere oder Anteile nicht übersteigt, oder, wenn ein Nennwert nicht vorhanden ist, einer baren Zuzahlung, die 10 % des rechnerischen Werts dieser Wertpapiere oder Anteile nicht übersteigt (Aufspaltung), oder • durch den eine Gesellschaft einen Teil ihres Aktiv- und Passivvermögens auf eine oder mehrere neu gegründete Gesellschaften (begünstigte Gesellschaften) überträgt, und zwar gegen Gewährung von Wertpapieren oder Anteilen der begünstigten Gesellschaften) und/oder gegen Gewährung eigener Wertpapiere oder Anteile an die eigenen Gesellschafter, und ggf. einer baren Zuzahlung, die 10 % des Nennwerts dieser Wertpapiere oder Anteile nicht übersteigt, oder, wenn ein Nennwert nicht vorhanden ist, einer baren Zuzahlung, die 10 % des rechnerischen Werts dieser Wertpapiere oder Anteile nicht übersteigt (Abspaltung).
Eine grenzüberschreitende Verschmelzung wird bereits in Art. 119 der aktuellen Fassung von Richtlinie 2017/1132/EG definiert. Dabei wird, vergleichbar mit den Regelungen des UmwG, die Übertragung auf bereits bestehende (übernehmende) Gesellschaften ebenso wie auf Gesellschaften erfasst, die erst durch die Umwandlung neu gegründet wird (neue Gesellschaften).
b)
Bericht für die Gesellschafter
Bei allen Formen der grenzüberschreitenden Restrukturierung sollen grundsätzlich Berichte für die Gesellschafter erstellt werden (Umwandlung: Art. 86 e, Spaltung: Art. 160 g, Verschmelzung: Art. 124). Soweit darauf nicht verzichtet wird, was unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, sollen die Arbeitnehmervertreter der betroffenen Gesellschaft(en) und – wenn es solche Vertreter nicht gibt – den Arbeitnehmern selbst zugänglich gemacht werden.
c)
Bericht für die Arbeitnehmer
Wichtiger aus arbeitsrechtlicher Sicht ist allerdings der Bericht, der die Auswirkungen der grenzüberschreitenden Umwandlung (Art. 86 f), der Spaltung (Art. 160 h) und der Verschmelzung (Art. 124) auf die Arbeitnehmer erläutern soll. In dem Bericht sind – mit Blick auf die betroffene Gesellschaft und ihre Tochtergesellschaften – insbesondere zu erläutern 282
Vorschlag einer Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2017/1132/EU
• die Auswirkungen auf die künftige Geschäftstätigkeit der Gesellschaft und ihre Geschäftsstrategie; bei der Spaltung kann es sich dabei um die übertragenden ebenso wie begünstigten Gesellschaften handeln, • die Auswirkungen auf die Sicherung der Arbeitsverhältnisse, • wesentliche Änderungen der Beschäftigungsbedingungen bei den Standorten der Niederlassungen der Gesellschaft bzw. Gesellschaften.
Der Bericht kann auch in elektronischer Form zugänglich gemacht werden. Wichtig ist, dass Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren, die auf der Grundlage anderer Richtlinien und/oder nationaler Regelungen bestehen, durch diesen Bericht nicht berührt werden.
d)
Auswirkungen auf die Unternehmensmitbestimmung
Im Mittelpunkt der weiteren Entwicklung dürften die Folgen für die Unternehmensmitbestimmung stehen. Sie ist Gegenstand eingehender Regelungen bei Umwandlung, Spaltung und Verschmelzung gleichermaßen. Grundsätzlich soll nach einer grenzüberschreitenden Umwandlung in der hervorgehenden Gesellschaft die Regelung zur Arbeitnehmermitbestimmung Anwendung finden, die im Zuzugsmitgliedstaat gilt (Art. 86 l Abs. 1). Es wird also an den Sitz der Gesellschaft angeknüpft. Dieser Grundsatz soll jedoch nach Art. 86 l Abs. 2 keine Anwendung finden, wenn die Gesellschaft, die die Umwandlung vornimmt, in den sechs Monaten vor Veröffentlichung des in Art. 86 d genannten Plans für die grenzüberschreitende Umwandlung eine durchschnittliche Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt, die in den letzten sechs Monaten vor Veröffentlichung des Umwandlungsplans oder -vertrags vier Fünftel des im Recht des Wegzugsmitgliedstaats festgelegten Schwellenwerts entspricht, der für die Unternehmensmitbestimmung maßgeblich ist, oder nicht mindestens den gleichen Umfang an Arbeitnehmermitbestimmung vorsieht, wie er in der Gesellschaft vor der Umwandlung bestanden hat, oder für Arbeitnehmer in Betrieben der aus der Umwandlung hervorgehenden Gesellschaft, die sich in anderen Mitgliedstaaten befinden, nicht den gleichen Anspruch auf Ausübung von Mitbestimmungsrechten vorsieht, wie sie Arbeitnehmern im Zuzugsmitgliedstaat gewährt werden. Konsequenz dieser Ausnahme ist, dass nach näherer Maßgabe der Richtlinie (vgl. nur Art. 86 l, 133 i. V. mit den Regelungen der Richtlinie 2001/86/EG) Verhandlungen über eine Vereinbarung über die Ausgestaltung der Unternehmensmitbestimmung geführt werden müssen, die das Niveau der Unternehmensmitbestimmung, die vor der Umwandlung gilt, grundsätzlich nicht verschlechtern darf. Das Ergebnis ist den Arbeit283
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
nehmern ohne angemessene Verzögerung mitzuteilen (vgl. Art. 86 l Abs. 8, 160 n Abs. 8). Allerdings erlaubt der Vorschlag, den Arbeitnehmeranteil durch Vereinbarung abzusenken. Lediglich dann, wenn im Verwaltungsoder Aufsichtsorgan der Gesellschaft vor der Umwandlung bereits eine Arbeitnehmerbeteiligung von mindestens einem Drittel bestand, darf diese Beteiligung durch die Vereinbarung nicht unter ein Drittel abgesenkt werden (Art. 86 l Abs. 4 lit. b, 160 n Abs. 4 lit. b). Scheitern die Verhandlungen, gilt die Auffangregelung, wie sie in Teil 3 lit. a des Anhangs zur Richtlinie 2001/86/EG für die Gründung einer SE vorgesehen ist. Auch damit wäre eine Aufrechterhaltung der Unternehmensmitbestimmung verbunden. Grundsätzlich entspricht diese Ausnahme den Regelungen, wie sie für die grenzüberschreitende Verschmelzung bereits heute zur Anwendung kommen. Das gilt schlussendlich auch für den Verzicht auf die Führung von Verhandlungen, der zu einer Anwendung der Auffangregelungen führt (vgl. für die Verschmelzung Art. 133 Abs. 8). Klarstellend sieht die Richtlinie sogar vor, dass Arbeitnehmer, die in anderen Mitgliedstaaten beschäftigt werden, bei der Berechnung von Schwellenwerten nach Maßgabe der nationalen Bestimmungen selbst dann nicht berücksichtigt werden müssen, wenn sie nach der Umwandlung auf der Grundlage einer Beteiligungsvereinbarung bei der Umsetzung der Mitbestimmung berücksichtigt werden (vgl. Art. 86 l Abs. 5, 160 n Abs. 5). Diese Regelungsmöglichkeit hatte der EuGH in seinem Urteil vom 18.7.201718, über das wir berichtet haben19, bestätigt. Es gibt aber drei bemerkenswerte Ausnahmen: Zum einen soll der Grundsatz nach den vorstehenden Regelungen bereits dann nicht (mehr) zur Anwendung kommen und Verhandlungen über eine Mitbestimmung in der hervorgehenden Gesellschaft erforderlich machen, wenn in der Gesellschaft vor der Umwandlung zwar keine Unternehmensmitbestimmung galt, aber die dafür bestehenden Schwellenwerte in den letzten sechs Monaten vor der Erstellung der maßgeblichen Verträge um nicht mehr als ein Fünftel unterschritten wurden. Bei der paritätischen Mitbestimmung wären das 1.600 Arbeitnehmer, bei der Drittelbeteiligung 400 Arbeitnehmer. Abweichend von der in Deutschland maßgeblichen Betrachtungsweise, die über den Begriff der „in der Regel“ Beschäftigten auch eine zukunftsbezogene Entwicklung berücksichtigt, wären dabei nur die letzten sechs Monate maßgeblich. Das bewirkt, dass vorübergehende Beschäftigungszahlen die Unternehmensmitbestimmung ausmachen. Warum die Kommission auf diese Weise eine Pflicht zu Verhandlungen mit der Arbeit18 EuGH v. 18.7.2017 – C-566/15, NZA 2017, 1000 – Erzberger. 19 B. Gaul, AktuellAR 2017, 539 ff.
284
Vorschlag einer Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2017/1132/EU
nehmerseite aufmachen will, ohne dass damit schlussendlich eine Pflicht zur Einführung einer Unternehmensmitbestimmung besteht, ist nicht erkennbar. Denn auch bei einem Scheitern der Verhandlungen ist nur ein Zustand zu erhalten, der ohne die Umwandlung gelten würde. Sinnvoll wäre deshalb, diese Erweiterung zu streichen und den Grundsatz einer Anknüpfung an das im Zuzugsmitgliedstaat geltende Recht nur für den Fall vorzusehen, dass die Schwellenwerte erreicht sind und die Regelungen zur Unternehmensmitbestimmung auch tatsächlich Geltung beanspruchen. Dann wäre – vergleichbar mit der aktuellen Diskussion zu dem zutreffenden Anknüpfungspunkt bei der Umwandlung einer SE20 – wohl richtigerweise an dem Soll-Zustand, nicht dem Ist-Zustand anzuknüpfen, falls der Ist-Zustand nicht dem rechtlich Gebotenen Rechnung trägt. Zum anderen soll für den Fall eines Rechtsformwechsels durch Umwandlung die Verpflichtung bestehen, eine Rechtsform zu wählen, die eine solche Unternehmensmitbestimmung erlaubt (vgl. Art. 86 l Abs. 6, 160 n Abs. 6). Damit schränkt die Richtlinie die Rechtsformfreiheit nicht unerheblich ein, schließt aber weiterhin eine Umwandlung deutscher Gesellschaften in eine Rechtsform nicht aus, die ohne einen grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel durchgeführt wird und zur Folge hat, dass die gesetzlichen Regelungen zur Unternehmensmitbestimmung nicht (mehr) zur Anwendung kommen. Beispielhaft sei nur die Umwandlung einer GmbH oder AG in eine KG genannt, bei der der Komplementär durch eine ausländische Kapitalgesellschaft gebildet wird (z. B. SA & Co. KG, GmbH (Österreich) & Co. KG, AG (Luxemburg) & Co. KG). Denn die Umwandlung hat in diesem Fällen keinen grenzüberschreitenden Charakter. Die ausländische Kapitalgesellschaft tritt als Komplementär ein. Sie ist von der Umwandlung selbst nicht betroffen. Ergänzend hierzu soll die umgewandelte Gesellschaft, wenn für sie ein System der Unternehmensmitbestimmung maßgeblich ist, durch Art. 86 l Abs. 7 (Umwandlung), Art. 133 Abs. 7 (Verschmelzung) und Art. 160 n Abs. 7 (Spaltung) verpflichtet werden, Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer bei einer nachfolgenden grenzüberschreitenden oder innerstaatlichen Verschmelzung, Spaltung oder Umwandlung, die innerhalb von drei Jahren nach dem Wirksamwerden der Umwandlung durchgeführt werden, geschützt ist. Damit wird eine Aufrechterhaltung der Mitbestimmung geschaffen, wie sie für die Spaltung nach § 123 UmwG bereits in § 325 UmwG vorgesehen ist. Problematisch an der jetzt vorgesehenen Regelung ist aber, dass die Richtlinie keine weitergehen20 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2018, 437 ff.
285
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
den Voraussetzungen nennt, also rechtsformunabhängig ist und ohne Rücksicht auf das Erreichen etwaiger Schwellenwerte zu einer Fortführung der Unternehmensmitbestimmung verpflichtet. Das überzeugt nicht und erscheint auch unverhältnismäßig, geht also über das Ziel hinaus, (nur) einen angemessenen Schutz der Arbeitnehmer bei solchen Veränderungsprozessen zu gewährleisten.
e)
Fazit
Das Ziel, durch eine Überarbeitung und Ergänzung der Richtlinie 2017/1132/EU einen einheitlichen Rahmen für grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen zu schaffen, ist zu begrüßen. Der Rechtsrahmen auf europäischer Ebene ist lückenhaft und bewirkt Rechtsunsicherheit, die derzeit nur der EuGH auflösen kann. Der Weg, wie er mit dem Entwurf beschritten werden soll, bedarf allerdings insbesondere mit Blick auf die Regelungen zur Unternehmensmitbestimmung noch einer weiteren Überarbeitung, um wirklich (nur) eine angemessene Fortschreibung bestehender Systeme der Unternehmensmitbestimmung zu bewirken. Geschieht dies nicht, dürfte der Abschluss des Rechtssetzungsverfahrens im Zweifel bereits am Widerstand solcher Mitgliedstaaten scheitern, in denen eine Unternehmensmitbestimmung nicht oder nur eingeschränkt besteht. Alternativ bleibt den betroffenen Unternehmen weiterhin die Möglichkeit, Verpflichtungen zu einer Fortschreibung der Unternehmensmitbestimmung insbesondere im Zusammenhang mit einer Akquisition insbesondere dadurch zu vermeiden, dass nur die Geschäftsanteile erworben werden und auf grenzüberschreitende Umwandlungen verzichtet wird. (Ga)
6.
Vorschlag für eine Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (Whistleblower-Richtlinie)
Am 23.4.2018 hatte die Europäische Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, vorgelegt. Mit der Richtlinie soll ein einheitlicher Rahmen zum Schutz von Whistleblowern (Hinweisgebern) geschaffen werden. Gleichzeitig sollen Unternehmen und Behörden verpflichtet werden, einen verbindlichen Rahmen für die Schaffung der Voraussetzungen für interne und externe Meldungen zu setzen. Zu erwarten ist, dass eine Umsetzung der Richtlinie auf der Ebene der Mitgliedstaaten allerdings nicht nur Bedeutung für Whistleblower besitzt, die Verstöße gegen das EU-Recht melden. Da der Ursprung 286
Whistleblower-Richtlinie
einer Rechtsvorschrift, deren Missachtung Gegenstand entsprechender Meldungen ist, für den Whistleblower kaum erkennbar ist, steht zu erwarten, dass nationale Regelungen zur Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben auch für Verstöße zur Anwendung kommen, die nationale Rechtsvorschriften ohne unionsrechtlichen Bezug zum Gegenstand haben. Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Vorschlag im Rahmen des europäischen Rechtsetzungsverfahrens noch Änderungen erfahren wird, sollen nachfolgend die aus arbeitsrechtlicher Sicht wesentlichen Aspekte zusammengefasst werden.
a)
Anwendungsbereich der Richtlinie
In Art. 1 werden zunächst einmal die Rechtsakte genannt, deren Missachtung als Verstoß zur Anwendbarkeit der Richtlinie führen soll. Dabei werden – soweit vorliegend von Bedeutung – der Umweltschutz, die öffentliche Gesundheit und der Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie die Sicherheit von Netz- und Informationssystemen genannt. Obwohl der Arbeitsschutz insgesamt ganz wesentlich durch unionsrechtliche Vorgaben geprägt wird, findet er sich nur zum Teil unter dem Begriff der öffentlichen Gesundheit. Es bleibt abzuwarten, welche Veränderungen in Bezug auf diesen Katalog noch vorgenommen werden. Problematisch ist allerdings, dass der Schutz der Whistleblower im Zusammenhang mit Meldungen nicht nur dann greifen soll, wenn rechtswidrige Handlungen in Rede stehen. Auch die Meldung von Rechtsmissbrauch soll geschützt werden, obwohl die Kennzeichnung von Rechtsmissbrauch an objektive und subjektive Kriterien geknüpft ist, die nur in seltenen Fällen zweifelsfrei festgestellt werden können. Es dürfte in der betrieblichen Praxis sehr schwierig werden, Whistleblower zu schützen, wenn deren Meldung ein an sich rechtmäßiges Verhalten eines Unternehmens betrifft, aber – durch den Kontext oder die damit verbundene Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen – den Ruf des Unternehmens oder einer einzelnen Person beschädigt. Auf persönlicher Ebene werden als Whistleblower Arbeitnehmer, Selbständige sowie Anteilseigener und Personen, die dem Leitungsorgan eines Unternehmens angehören, sowie Personen, die unter der Aufsicht und Leitung von Auftragnehmern, Unterauftragnehmern und Lieferantenarbeitern tätig sind, erfasst. Darüber hinaus werden im persönlichen Anwendungsbereich des Art. 2 auch freiwillige und unbezahlte Praktikanten genannt. Der Schutz solcher Personen setzt nicht voraus, dass entsprechende Vertragsverhältnisse bereits zum Abschluss gelangt sind. Whistleblower sollen auch dann in den 287
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
Anwendungsbereich der Richtlinie einbezogen werden, wenn ihr Beschäftigungsverhältnis noch nicht begonnen hat und während des Einstellungsverfahrens oder anderer vorvertraglicher Verhandlungen Informationen über einen Verstoß erlangt werden. Grundlage für die weitere Anwendung der Richtlinie sind die in Art. 3 getroffenen Begriffsbestimmungen, die bereits heute bei der Arbeit an Whistleblower-Richtlinien oder Betriebsvereinbarungen zum Umgang mit Hinweisgebern genutzt werden können. Sie betreffen den Begriff des Verstoßes, der rechtswidrigen Handlungen, des Rechtsmissbrauchs, der Information über Verstöße, der internen oder externen Meldung, der Offenlegung des Whistleblowers, des beruflichen Kontextes der betroffenen Personen, der Repressalien, der Folgemaßnahmen und der zuständigen Behörde. Nicht erfasst werden unter dem Begriff des Whistleblowers solche Personen, die den Whistleblower bei seinem Handeln unterstützen. Es wird diskutiert, den Schutzbereich auch auf diese Personen auszudehnen.
b)
Interne Meldungen und Folgemaßnahmen
Art. 4 und 5 der Richtlinie sollen die Mitgliedstaaten verpflichten sicherzustellen, dass juristische Personen im privaten und öffentlichen Sektor geeignete interne Meldekanäle und Verfahren für die Entgegennahme und Weiterverfolgung der Meldungen einrichten. Die Kanäle und Verfahren müssen den Beschäftigten einer juristischen Person die Übermittlung etwaiger Meldungen ermöglichen. Als juristische Person werden dabei juristische Personen des Privatrechts mit 50 oder mehr Beschäftigten oder mit einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von mehr als 10 Mio. € erfasst. Problematisch ist nicht nur, dass der Kreis dieser Unternehmen im Anwendungsbereich der Richtlinie – was die Schwellenwerte betrifft – als zu weit gefasst erscheint. Es erscheint unverhältnismäßig, ein Kleinunternehmen mit den Handlungsvorgaben der Whistleblower-Richtlinie zu belasten. Gleichzeitig aber übersieht der Richtlinienentwurf, dass entsprechende Handlungsvorgaben zum Schutz der Whistleblower selbstverständlich auch bei Personengesellschaften und sonstigen Formen einer unternehmerischen Tätigkeit geboten sind. Hier muss eine Ausweitung vorgenommen werden. Darüber hinaus sollte überlegt werden, wie man in der Richtlinie den Besonderheiten einer Konzernbindung Rechnung trägt. Auch hierzu findet sich derzeit im Entwurf keine Regelung. Soweit Selbständige, Organmitglieder und Fremdpersonal nur auf freiwilliger Ebene in interne Meldekanäle eingebunden werden sollen, erscheint dies nicht überzeugend. Die Schaffung und Nutzung eines internen Meldekanals 288
Whistleblower-Richtlinie
sollen nicht nur einen einfachen, direkten und schnellen Weg zur Aufdeckung von Verstößen eröffnen. Als Konsequenz des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit soll damit den betroffenen Unternehmen auch die Möglichkeit gegeben werden, unter Vermeidung einer externen Meldung Folgemaßnahmen zur Beseitigung des Rechtsverstoßes einzuleiten. Externe Meldungen als ultima ratio sollten daher auch den Grundsatz bilden, wenn Selbständige, Organmitglieder und Fremdpersonal als Whistleblower tätig werden. Art. 5 enthält detaillierte Vorgaben für die Ausgestaltung des Verfahrens für interne Meldungen und Folgemaßnahmen. Hierzu gehört insbesondere die Festlegung von Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit der Identität des Whistleblowers. Ergänzend hierzu bestimmt die Richtlinie, dass die Person oder Dienststelle, die für Folgemaßnahmen zu den Meldungen zuständig ist, benannt werden muss. Ausgehend von einer sorgfältigen Weiterverfolgung wird darüber hinaus festgelegt, dass innerhalb eines Zeitrahmens von maximal drei Monaten nach Eingang der Rückmeldung an den Whistleblower über die Folgemaßnahmen stattfinden soll. Diese Verpflichtung wird man überarbeiten müssen. Zum einen ist es denkbar, dass Ermittlungen eine längere Zeit in Anspruch nehmen. Dies konzediert der Vorschlag auch bei externen Meldeverfahren, die eine Frist von sechs Monaten für die Rückmeldung setzen. Sinnvoller dürfte sein, insoweit von einem „angemessenen“ Zeitrahmen zu sprechen. Losgelöst davon fehlen Regelungen, wie die Verpflichtung zu erfüllen ist, wenn anonyme Hinweise vorgenommen werden. Unberücksichtigt bleibt auch, dass es nicht in allen Fällen opportun erscheint, dem Whistleblower Details etwaiger Folgemaßnahmen mitzuteilen. Auch in Zukunft soll es möglich sein, interne Meldeverfahren unter Einbeziehung externen Personals abzuwickeln. In allen Fällen setzt ein ordnungsgemäßes Meldeverfahren voraus, dass den potentiellen Whistleblowern darüber in einer klaren und leicht zugänglichen Weise Informationen übermittelt werden. Die Meldung selbst soll nicht an ein bestimmtes Formerfordernis gebunden sein.
c)
Externe Meldungen und Folgemaßnahmen
In den Art. 6 ff. der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten verpflichtet sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden über externe Meldekanäle und -verfahren für die Entgegennahme und Weiterverfolgung der Meldungen verfügen. Dabei werden Mindeststandards für diese Kanäle und Verfahren festgelegt. Auch hier ist zu gewährleisten, dass die Meldekanäle einerseits sicher sind und andererseits die Vertraulichkeit, die Weiterverfolgung der 289
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
Meldungen und die Rückmeldung an den Hinweisgeber innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens sicherstellen. Wichtig ist darüber hinaus, dass geeignete Mitarbeiter bei der Bearbeitung entsprechender Meldungen eingesetzt werden.
d)
Schutz von Whistleblowern und betroffenen Personen
Ganz wesentliche Bedeutung haben die in Art. 13 ff. getroffenen Regelungen zum Schutz der Whistleblower und der von den Meldungen betroffenen Personen. Art. 13 benennt die Voraussetzungen, unter denen ein Whistleblower einen Anspruch auf Schutz im Rahmen dieser Richtlinie haben soll. Dabei wird verlangt, dass er bei einer Meldung hinreichend Grund zu der Annahme hat, dass die vom ihm gemeldeten Informationen zum Zeitpunkt ihrer Übermittlung der Wahrheit entsprachen und in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen. Außerordentlich problematisch erscheint, dass insoweit keine subjektive Komponente vorausgesetzt wird. Nicht erforderlich ist also, dass der Whistleblower beispielsweise im öffentlichen Interesse handelt. Das bewirkt bereits einen Widerspruch zum Schutz solcher Personen, die im Rahmen einer Meldung Geschäftsgeheimnisse offenlegen. Denn dieser Personenkreis wird nach Art. 5 b der Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen nur dann geschützt, wenn die Verbreitung eines Geschäftsgeheimnisses zum Schutz eines berechtigten Interesses erfolgt. Es erscheint dringend geboten, eine solche Zielsetzung auch in die Whistleblower-Richtlinie einzubinden. Über diese allgemeine Voraussetzung hinausgehend müssen nach Art. 13 weitere Bedingungen für einen Schutz des Whistleblowers erfüllt sein: Er hat ursprünglich intern Meldung erstattet, aber zu seiner Meldung wurden binnen des in Art. 5 genannten angemessenen Zeitrahmens keine geeigneten Maßnahmen ergriffen. Ihm standen keine internen Meldekanäle zur Verfügung oder von ihm konnte nach vernünftigem Ermessen nicht erwartet werden, dass ihm diese Kanäle bekannt waren. Er war gemäß Art. 4 Abs. 2 nicht verpflichtet, auf interne Meldekanäle zurückzugreifen. Ein Rückgriff auf interne Meldekanäle konnte von ihm wegen des Inhalts seiner Meldung nach vernünftigem Ermessen nicht erwartet werden.
290
Whistleblower-Richtlinie
Er hatte hinreichenden Grund zu der Annahme, dass im Falle eines Rückgriffs auf interne Meldekanäle die Wirksamkeit etwaiger Ermittlungen der zuständigen Behörden beeinträchtigt werden könnte. Er war nach dem Unionsrecht berechtigt, seine Meldung auf direktem Weg durch externe Kanäle an eine zuständige Behörde zu übermitteln.
Es steht zu erwarten, dass auch an diesen Voraussetzungen noch weiter gearbeitet wird. Problematisch ist beispielsweise, dass das „vernünftige Ermessen“ oder der „hinreichende Grund“ überaus unbestimmt sind, was sowohl den Schutz des Hinweisgebers als auch den Schutz der betroffenen Person an unklare Voraussetzungen knüpft. Whistleblower, die Verstöße öffentlich machen, werden nur unter besonderen Voraussetzungen geschützt. So bestimmt Art. 13 Abs. 4, dass der Whistleblower ursprünglich intern und/oder extern Meldung nach Maßgabe der in den vorangehenden Kapiteln genannten Vorgaben erstattet haben muss, aber zu seiner Meldung innerhalb des dort jeweils genannten Zeitrahmens keine geeigneten Maßnahmen ergriffen wurden oder von ihm wegen einer unmittelbaren oder offenkundigen Gefährdung des öffentlichen Interesses, aufgrund der besonderen Umstände des Falls oder wegen der Gefahr eines irreparablen Schadens nach vernünftigem Ermessen kein Rückgriff auf interne und/oder externe Meldekanäle erwartet werden konnte. Art. 14 benennt unterschiedliche Formen von Repressalien direkter oder indirekter Art gegen einen Whistleblower, die durch geeignete Maßnahmen der Mitgliedstaaten untersagt werden sollen. Dabei geht es insbesondere um Suspendierungen, Entlassungen oder vergleichbare Maßnahmen, die Herabstufung oder Versagung einer Beförderung, Versetzungen oder andere Formen einer Änderung von Arbeitsbedingungen, die Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen, negative Leistungsbeurteilungen einschließlich schlechter Arbeitszeugnisse, disziplinarische Verweise, Rügen oder sonstige Sanktionen, Nötigung, Einschüchterung, Mobbing, Diskriminierung oder Benachteiligung, die fehlende Umwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags in eine unbefristete Beschäftigung, die Erfassung des Whistleblowers auf einer schwarzen Liste, die vorzeitige Beendigung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen sowie den Entzug einer Lizenz oder Genehmigung. Obwohl dieser Katalog ohnehin keinen abschließenden Charakter haben soll, steht zu erwarten, dass hier im weiteren Rechtsetzungsverfahren noch Veränderungen erfolgen.
291
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
Grundsätzlich können die Mitgliedstaaten frei darüber entscheiden, welche Maßnahmen geeignet sind, um den notwendigen Schutz vor solchen Repressalien zu bewirken. In allen Fällen müssen damit Informations- und Beratungsmöglichkeiten sowie eine Unterstützung der Whistleblower durch zuständige Behörden erfolgen. Ergänzend hierzu soll festgeschrieben werden, dass Hinweisgeber, die nach dieser Richtlinie externe Meldungen an die zuständigen Behörden erstatten oder Informationen publik machen, nicht als Personen gelten, die eine vertraglich oder durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelte Offenlegungsbeschränkung verletzt haben und für diese Offenlegung haftbar gemacht werden können. Problematisch ist allerdings, dass die in dieser Richtlinie getroffenen Regelungen nicht abgestimmt sind mit den abweichenden Vorgaben der Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Wir hatten über die Konsequenzen dieser Richtlinie im Zusammenhang mit dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen an anderer Stelle berichtet21. Weiterhin verpflichtet Art. 15 die Mitgliedstaaten dazu, Whistleblower auch im Rahmen von Gerichtsverfahren zu unterstützen. Hierzu gehört auch eine Beweiserleichterung, wenn eine Benachteiligung oder Vergeltung durch den Whistleblower geltend gemacht wird. Dabei wird an die Vermutungsregelungen angeknüpft, wie sie im Diskriminierungsrecht üblich sind. Art. 16 beschreibt die Maßnahmen zum Schutz betroffener Personen. Hier dürfte dennoch Nachbesserungsbedarf bestehen, auch wenn die Richtlinie bereits jetzt das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Gerichtsverfahren sowie die Wahrung der Unschuldsvermutung benennt. Außerdem wird festgeschrieben, dass bei betroffenen Personen, deren Identität der Öffentlichkeit nicht bekannt ist, durch die zuständigen Behörden sicherzustellen ist, dass ihre Identität während der Dauer der Untersuchung geschützt bleibt. Es fehlen allerdings jedwede Maßnahmen, die bei einer unberechtigten Anzeige eines Whistleblowers im Anschluss an den Abschluss des Verfahrens sowohl zum Schutz und zur Rehabilitation einer betroffenen Person als auch zur Sanktion des Whistleblowers zu ergreifen sind. Man erkennt, dass die Richtlinie vor allem den Whistleblower im Auge hat, aber übersieht, dass entsprechende Hinweise auch auf der irrtümlichen Erfassung eines Sachverhalts gründen können oder bewusst mit dem Ziel einer Schädigung der durch die Anzeige betroffenen Person erfolgen. Dass die Mitgliedstaaten durch Art. 17. Abs. 2 verpflichtet werden sollen, wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für Personen festzulegen, die in böswilliger und rechtsmissbräuchlicher Absicht Informationen melden oder 21 B. Gaul, AktuellAR, 2018, 257 ff.
292
Erweiterung der Gleichbehandlungsrichtlinie
offenlegen, darunter Maßnahmen zur Entschädigung von Personen, die durch böswillige oder missbräuchliche Meldungen oder Offenlegungen geschädigt werden, erscheint deutlich zu eng. Denn der Nachweis einer „böswilligen“ oder „missbräuchlichen“ Absicht dürfte für die betroffene Person außerordentlich schwierig werden. Richtig erscheint, dass Art. 17 Abs. 1 abschließend bestimmt, dass die Mitgliedstaaten wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für natürliche oder juristische Personen bestimmen, die Meldungen behindern oder zu behindern versuchen, Repressalien gegen Hinweisgeber ergreifen, mutwillige Gerichtsverfahren gegen Hinweisgeber anstrengen und gegen die Pflicht verstoßen, die Vertraulichkeit der Identität von Hinweisgebern zu wahren.
e)
Umsetzung der Richtlinie
Nach dem derzeitigen Entwurf soll die Richtlinie spätestens am 15.5.2021 umgesetzt werden. Der betrieblichen Praxis sei empfohlen, die in dieser Richtlinie niedergelegten Grundsätze bereits heute bei der Ausgestaltung unternehmensinterner Regelungen zu beachten. Ergänzend hierzu könnten Formulierungsbeispiele nutzbar gemacht werden, die sich im Gesetzesentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu einer gesetzlichen Regelung zum Schutz der Hinweisgeber finden lassen22. Dieser Entwurf ist deutlich angemessener und praxisnäher als Vorschläge der SPD, die zur gleichen Zeit in den Bundestag eingebracht wurden23. Wir hatten darüber bei früherer Gelegenheit berichtet24. (Ga)
7.
Erweiterung der Gleichbehandlungsrichtlinie
Dem Sachstandsbericht des Rats der Europäischen Union vom 8.6.201825 ist zu entnehmen, dass es auch nach zehn Jahren nicht gelungen ist, das erforderliche Einvernehmen in Bezug auf eine Erweiterung der Richtlinie zum Schutz vor Diskriminierung aus Gründen der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung über den Bereich der Beschäftigung hinaus auf die Bereiche Sozialschutz, Sozialversicherung, Gesundheitsvorsorge, Bildung sowie Zugang zu Gütern und Dienstleistungen einschließlich Wohnraum zu erzielen. Es ist nicht zu erwarten, dass sich daran etwas ändern wird. (Ga) 22 23 24 25
BT-Drucks. 17/9782 S. 9 ff. BT-Drucks. 17/8567 S. 7 ff. B. Gaul, AktuellAR 2017, 359 ff. COM(2008) 426 final.
293
C. Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag 1.
Neues zu befristeten Arbeitsverträgen
a)
Keine sachgrundlose Befristung bei „Zuvor-Beschäftigung“
Nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. In § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG schränkt der Gesetzgeber diese Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung ein, falls bereits mit demselben Arbeitgeber zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Arbeitgeber in diesem Sinne ist nur der Vertragsarbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag abgeschlossen hat1. Angesichts dessen fehlt es bereits an einer Vorbeschäftigung, wenn keine Personenidentität auf Arbeitgeberseite vorhanden ist2. Das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist nicht mit dem Beschäftigungsbetrieb oder dem Arbeitsplatz verknüpft. § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG begegnet nach Ansicht des BAG3 weder verfassungs- noch unionsrechtlichen Bedenken. Die Zulässigkeit und die Voraussetzungen der Befristung von Arbeitsverträgen sind in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere im TzBfG geregelt, das der Umsetzung des § 5 Nr. 1 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG vom 28.6.1999 (Rahmenvereinbarung) dient. Nach § 5 der Rahmenvereinbarung ergreifen die Mitgliedstaaten, um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden, eine oder mehrere der in § 5 Nr. 1 lit. a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen. Entschließt sich ein Mitgliedstaat zu einer dieser Maßnahmen oder zu mehreren, hat er das unionsrechtlich vorgegebene Ziel der Verhinderung des Missbrauchs von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen zu gewährleisten4.
1 2 3 4
BAG v. 9.3.2011 – 7 AZR 657/09, NZA 2011, 1147 Rz. 18. BAG v. 4.12.2013 – 7 AZR 290/12, NZA 2014, 426 Rz. 18. BAG v. 19.3.2014 – 7 AZR 828/12, NZA-RR 2014, 462 Rz. –7 AZR 243/12, NZA 2014, 483 Rz. – 7 AZR 698/11, NZA 2013, 515 Rz. 18. EuGH v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 Rz. 26 – Kücük.
295
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Einen derartigen Missbrauch hat das BAG5 angenommen, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Arbeitnehmer aufeinanderfolgende sachgrundlos befristete Arbeitsverträge lediglich deshalb schließen, um auf diese Weise über die nach § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können. Für die zeitliche Reichweite des Vorbeschäftigungsverbots war die Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 6.4.20116 von besonderer Bedeutung, weil das BAG die Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ohne Sachgrund bis zu zwei Jahren zu befristen, ungeachtet eines früheren Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zuließ, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliegt. Dabei ließ sich das BAG von der Erwägung leiten, dass eine die Wertordnung des Grundgesetzes berücksichtigende „verfassungsorientierte Auslegung“ ein zeitlich eingeschränktes Verständnis des Verbots der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG gebiete, weil ein uneingeschränktes Anschlussverbot strukturell die Gefahr in sich trage, als arbeitsrechtliches Einstellungshindernis die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig zu begrenzen. Die Resonanz auf diese Grundsatzentscheidung des BAG zur Frage der zeitlichen Begrenzung der Vorbeschäftigung fiel sehr unterschiedlich in der Rechtsprechung der Instanzgerichte7 und in der Literatur8 aus und bewegte sich zwischen uneingeschränkt begrüßenswert und verfassungswidriger und damit unzulässiger richterlicher Rechtsfortbildung. Das BVerfG9 hat dem Streit über die Reichweite der Zuvor-Beschäftigung ein Ende gesetzt und dazu entschieden, dass die gesetzliche Beschränkung befristeter Beschäftigungsformen und die Sicherung der unbefristeten Dau5 6
7 8 9
BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214 Rz. 17. BAG v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905 Rz. 13. Bestätigt und in der Begründung ergänzt durch BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255 Rz. 23. Zuvor hatte der 2. Senat des BAG v. 6.11.2003 – 2 AZR 690/02, NZA 2005, 218 Rz. 25 jedwede Vorbeschäftigung als Anschlussverbot angesehen. Vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 17.10.2017 – 5 Sa 256/16 n. v. (Rz. Rheinland Pfalz v. 9.8.2012 – 2 Sa 239/12 n. v. (Rz. 38). Zu den Literaturstimmen: ErfK/Müller-Glöge, TzBfG § 14 Rz. 99 f. Zu methodischen Fragen: Höpfner Lakies Preis, FS Wank S. Wedel, AuR 2011, 413. BVerfG v. 6.6.2018 – 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14, NZA 2018, 774 Ls. 1, 3.
296
Neues zu befristeten Arbeitsverträgen
erbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Pflicht des Staates zum Schutz der strukturell unterlegenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und dem Sozialstaatsprinzip der Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG Rechnung trägt und die richterliche Rechtsfortbildung den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen darf. Neben dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes stellt das BVerfG vor allem auf die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes ab. So heißt es dazu in der BT-Drucks. 14/4374 S. 13 wie folgt: Die erleichterte Befristung eines Arbeitsvertrags ist künftig nur bei einer Neueinstellung zulässig, d. h. bei der erstmaligen Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber. Durch diese Einschränkung wird im Unterschied zum bisherigen Recht die theoretisch unbegrenzte Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge (Kettenverträge) ausgeschlossen. Solche Befristungsketten sind bisher möglich, weil ein Arbeitsvertrag ohne Sachgrund auch nach einer Befristung mit Sachgrund zulässig ist und nach einer mindestens viermonatigen Unterbrechung wiederholt abgeschlossen werden kann. Ebenso kann sich ein Vertrag mit Sachgrund unmittelbar an einen Vertrag ohne Sachgrund anschließen. Bei der nach neuem Recht nur einmaligen Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund wird der Arbeitgeber veranlasst, den Arbeitnehmer entweder unbefristet weiter zu beschäftigen oder bei weiter bestehendem nur vorübergehendem Arbeitskräftebedarf einen anderen Arbeitnehmer befristet einzustellen.
Daraus schlussfolgert das BVerfG, dass zur Verhinderung von Kettenbefristungen den Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung grundsätzlich nur einmal eröffnet werden sollte, womit die Annahme, § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG erfasse nur Vorbeschäftigungen, die nicht länger als drei Jahre zurückliegen, nicht vereinbar sei. Damit hat sich grundsätzlich das vom 7. Senat des BAG – ebenfalls aus verfassungsrechtlichen Erwägungen – zeitlich begrenzte Vorbeschäftigungsverbot für die betriebliche Praxis erledigt, sodass der Arbeitgeber vor der Einstellung eines Arbeitnehmers Nachfrage halten muss, ob bereits jemals zuvor arbeitsvertragliche Beziehungen bestanden haben. Der Bewerber ist gehalten, hierauf wahrheitsgemäß zu antworten, weil sich ansonsten der Arbeitgeber unter dem Gesichtspunkt der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) aus dem Arbeitsverhältnis lösen kann. Allerdings will das BVerfG die Beschränkung der Möglichkeit sachgrundloser Befristung von Arbeitsverhältnissen verfassungskonform dahingehend 297
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
auslegen, dass eine Anwendung der Norm in Fällen ausgeschlossen ist, in denen dies den Beteiligten unzumutbar wäre. Dies kann nach Ansicht des BVerfG dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist, wie dies etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden oder bei einer Unterbrechung der Erwerbsbiografie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht, der Fall ist. Insoweit müssen die Arbeitsgerichte in derartigen Fällen durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG einschränken. Solange derartige Konkretisierungen durch die Rechtsprechung des BAG noch nicht vorliegen, wird sich die betriebliche Praxis darauf einstellen müssen, dass eine irgendwie geartete Vorbeschäftigung, auch wenn sie viele Jahre zurückliegt, die rechtliche Möglichkeit einer wirksamen sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG ausschließt.
b)
Tarifliche Sonderregelungen zu befristeten Arbeitsverträgen
Der Gesetzgeber hat in § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit eingeräumt, die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG durch Tarifvertrag festlegen zu dürfen. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags können dabei nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Das BAG10 hat zunächst den Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG dahingehend korrigiert, dass durch Tarifvertrag nicht nur entweder die Höchstdauer der Befristung oder die Anzahl der Verlängerungen sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge, sondern kumulativ beide Vorgaben abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG geregelt werden können. Des Weiteren hat das BAG11 wegen der unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten gebotenen Missbrauchskontrolle entschieden, dass die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags bis zur Dauer von sechs Jahren und bis zu dieser Gesamtdauer die bis zu neunmalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zulässig ist. Innerhalb dieses Gestaltungsrahmens können die Tarifvertragsparteien die Höchstdauer und die Anzahl der Vertragsverlängerungen abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG festlegen, ohne dass es inso10 BAG v. 14.6.2017 – 7 AZR 627/15 n. v. (Rz. BAG v. 15.8.2012 – 7 AZR 184/11, NZA 2013, 45 Rz. 15. 11 BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 140/15, NZA 2017, 463 Rz. 17.
298
Neues zu befristeten Arbeitsverträgen
weit einer besonderen Prüfung der branchentypischen Besonderheiten bedarf. In der Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 21.3.201812 ging es nunmehr darum, ob die Tarifvertragsparteien die erweiterte Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu Gunsten der Arbeitnehmer auch von zusätzlichen Voraussetzungen, etwa der Zustimmung des Betriebsrats, abhängig machen können und ob es für eine wirksame vertragliche Übernahme einer tarifvertraglichen Regelung über die sachgrundlose Befristung genügt, dass nur dieser Komplex des Tarifvertrags zum Gegenstand des Arbeitsvertrags gemacht werden kann, ohne dass auf den gesamten Tarifvertrag Bezug genommen werden muss. Die Beklagte des Verfahrens war ein nichttarifgebundenes Unternehmen der Wohnungswirtschaft, die den Kläger in einem betriebsratslosen Betrieb beschäftigt hat. Die Parteien hatten auf der Grundlage ihres Arbeitsvertrags auf die einschlägige Regelung im Geltungsbereich eines Beschäftigungssicherungstarifvertrags, der eine sachgrundlose Befristung bis zu 48 Monaten und einer Anzahl von bis zu sechs befristeten Verträgen mit Zustimmung des Betriebsrats gestattete, verwiesen. Nach mehreren Befristungen hat der Kläger die letzte Befristung mit einer Entfristungsklage angegriffen, vor allem deswegen, weil es an der Voraussetzung der Zustimmung des nicht vorhandenen Betriebsrats fehlte. Die Entfristungsklage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen ging auch das BAG davon aus, dass die Befristung zwar nicht auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG zu rechtfertigen war, jedoch durch die vertragliche Übernahme der durch den einschlägigen Tarifvertrag geregelten erweiterten Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung gedeckt war. In diesem Zusammenhang stellt das BAG fest, dass für die wirksame Übernahme der tarifvertraglichen Regelung in den Arbeitsvertrag i. S. von § 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG ausreicht, wenn die Arbeitsvertragsparteien die tarifvertraglichen Bestimmungen zur abweichenden Festlegung der Anzahl der Verlängerungen und der Höchstdauer der Befristung durch entsprechende Bezugnahme im Arbeitsvertrag übernehmen. Es ist daher nicht erforderlich, den gesamten Tarifvertrag in Bezug nehmen zu müssen. Diese Bewertung erschließt sich nach Ansicht des BAG daraus, dass der Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG auf die Anzahl der Verlängerungen und die Höchstdauer der Befristung verweist und in § 14
12 BAG v. 21.3.2018 – 7
Pfeufer, DB 2018, 2181.
299
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Abs. 2 S. 4 TzBfG die Übernahme gerade dieser tarifvertraglichen Regelungen für nichttarifgebundene Arbeitsvertragsparteien gestattet. Soweit es um die im Tarifvertrag geregelte zulässige Dauer sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge ging und diese auf 48 Monate begrenzt war und die zulässige Anzahl der Verlängerungen auf sechs beschränkt wurde, waren die Schwellenwerte für eine Missbrauchskontrolle noch nicht erreicht, geschweige denn überschritten. Neu an der Fallkonstellation war jedoch, dass die Tarifvertragsparteien zum Schutz der betroffenen Arbeitnehmer die erweiterte sachgrundlose Befristungsmöglichkeit von einer zustimmenden Entscheidung des Betriebsrats abhängig gemacht haben. Das BAG hat ungeachtet der Regelung des § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG, wonach die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nur die Anzahl der Verlängerungen und/oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG gestattet, keine Bedenken, die erweiterte Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung zu Gunsten der Arbeitnehmer von weiteren zusätzlichen Voraussetzungen – hier der Zustimmung des Betriebsrats – abhängig machen zu dürfen. Diese Normsetzungskompetenz der Tarifvertragsparteien entnimmt das BAG der Tarifautonomie. Da die tarifvertragliche Regelung nicht zu beanstanden war und die Bezugnahmeklausel im Hinblick auf das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und das Überraschungsverbot aus § 305 c Abs. 1 BGB keinen rechtlichen Bedenken unterlag, kam es nur noch darauf an, ob die beklagte Arbeitgeberin die in den Arbeitsvertrag übernommene tarifvertragliche Klausel mangels Vorhandenseins eines Betriebsrats, der bezüglich der Vertragsverlängerungen hätte zustimmen müssen, nicht anwenden konnte. Durch entsprechende Auslegung des hier maßgebenden Tarifvertrags gelangt das BAG zu dem Ergebnis, dass das Zustimmungserfordernis in betriebsratslosen Betrieben nicht zum Tragen kommen sollte, weil die mit der tarifvertraglichen Regelung angesprochenen branchenspezifischen Erfordernisse nicht nur in Betrieben, in denen ein Betriebsrat besteht, sondern gleichermaßen in betriebsratslosen Betrieben relevant seien. Insoweit knüpft das BAG an die Gesetzesbegründung an, wonach die tarifliche Öffnungsklausel darauf abzielt, branchenspezifische Lösungen zu erleichtern13. Ob diese Begründung des BAG zwingend ist und Allgemeingültigkeit besitzt, kann durchaus zweifelhaft sein, weil die Tarifvertragsparteien durchaus die Bezugnahmemöglichkeit auf ihre vom Gesetz abweichenden Regelungen von einem zustimmenden Votum des Betriebsrats abhängig machen
13 BT-Drucks. 14/4374 S. 14.
300
Schriftformerfordernis bei der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung
können und damit Arbeitgeber ohne Betriebsrat an einer derartigen Regelung nicht partizipieren lassen wollen. Schließlich bestätigt das BAG in dieser Entscheidung erneut14, dass das Tatbestandsmerkmal der Verlängerung in § 14 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 TzBfG voraussetzt, dass die Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts noch vor Abschluss der Laufzeit des bisherigen Vertrags in schriftlicher Form vereinbart wird, wobei der Vertragsinhalt ansonsten unverändert zu bleiben hat. (Boe)
2.
Schriftformerfordernis bei der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung
Bereits mit Urteil vom 14.12.201615 hatte das BAG deutlich gemacht, dass die Vereinbarung einer Altersgrenze im Arbeitsvertrag gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG an die gesetzliche Schriftform geknüpft ist. Denn jedenfalls dann, wenn das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze für den Bezug der Regelaltersrente enden soll, liegt nach Auffassung des BAG eine Befristung vor. Wir hatten bereits bei früherer Gelegenheit darauf verwiesen16. Obwohl die Annahme einer Befristung des Arbeitsverhältnisses durch die Vereinbarung einer solchen Altersgrenze bei Einstellungen von Arbeitnehmern, die bis zum Erreichen der Altersgrenze noch eine Beschäftigungszeit von 30 oder 40 Jahren absolvieren müssen, befremdlich erscheint, muss auf die Einhaltung dieses Formerfordernisses geachtet werden. Denn das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG findet nach § 21 TzBfG auch dann Anwendung, wenn man – was überzeugender erscheint – darin die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung sehen will. Wichtig ist allerdings, dass § 14 Abs. 4 TzBfG keine Anwendung findet, wenn sich die Befristung bzw. auflösende Bedingung unmittelbar aus einem kraft Gesetzes für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifvertrag ergeben sollte. Entsprechendes gilt dann, wenn der Tarifvertrag, der seinerseits die Befristung oder auflösende Bedingung enthält, nur kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme zur Anwendung kommt. In diesem Fall setzt die Wahrung des Schriftformerfordernisses nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom
14 Vgl. nur BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 535/14 n. v. (Rz. 18). 15 BAG v. 14.12.2016 – 7 AZR 797/14, NZA 2017, 638. 16 B. Gaul, AktuellAR 2017, 108 ff.
301
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
20.6.201817 voraus, dass der Arbeitsvertrag auf diesen Tarifvertrag in seiner Gesamtheit verweist. Eine nur teilweise Bezugnahme auf den Tarifvertrag wäre zwar grundsätzlich wirksam, würde aber das Schriftformerfordernis aus § 14 Abs. 4 TzBfG nur wahren, wenn die entsprechende Klausel des Tarifvertrags in einer Urkunde fest mit dem Arbeitsvertrag verknüpft wäre. Dies aber ist schon wegen der fehlenden Anwendbarkeit von § 305 Abs. 2 BGB bei Abschluss eines Arbeitsvertrags in der Regel nicht der Fall. Wenn der Tarifvertrag gleichwohl nicht in seiner Gesamtheit gelten soll, was gerade bei AT-Angestellten häufiger der Fall ist, ist es deshalb erforderlich, die auflösende Bedingung oder Befristung unmittelbar in den Arbeitsvertrag aufzunehmen und an dieser Stelle auf die Bezugnahme zu verzichten. (Ga)
3.
Aktuelle Rechtsfragen zur Arbeitnehmerüberlassung
a)
Berechnung der entgeltrelevanten Einsatzdauer bei Leiharbeitnehmern
Eine Vielzahl der für die Vergütung von Leiharbeitnehmern maßgeblichen Tarifverträge sieht branchenbezogene Zuschläge vor. Hintergrund dafür ist nicht zuletzt der Equal-Pay-Grundsatz, wie er durch § 8 Abs. 1, 4 AÜG auf der Grundlage unionsrechtlicher Vorgaben bestimmt wird. Danach ist es zwar grundsätzlich möglich, durch einen Tarifvertrag i. S. des § 8 Abs. 2 AÜG hinsichtlich des Arbeitsentgelts von dem durch § 8 Abs. 1 AÜG vorgegebenen Gleichstellungsgrundsatz für die ersten neun Monate einer Überlassung an einen Entleiher abzuweichen (§ 8 Abs. 4 S. 1 AÜG). Eine längere Abweichung durch Tarifvertrag ist nach § 8 Abs. 4 S. 2 AÜG nur zulässig, wenn • nach spätestens 15 Monaten einer Überlassung an einen Entleiher mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht wird, dass in dem Tarifvertrag als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt ist, und • nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen eine stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt erfolgt.
Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags können nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren (§ 8 Abs. 4 S. 3 AÜG). Der Zeitraum vorheriger Überlassungen 17 BAG v. 20.6.2018 – 7 AZR 689/16 n. v. (Rz. NZA 2014, 1341 Rz. 27.
302
– 7 AZR 771/12,
Aktuelle Rechtsfragen zur Arbeitnehmerüberlassung
durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist dabei vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen (§ 8 Abs. 4 S. 4 AÜG). Problematisch kann die Berechnung der Branchenzuschläge werden, wenn der Leiharbeitnehmer nicht an aufeinanderfolgenden Arbeitstagen bei demselben Entleiher tätig ist. Hintergrund kann nicht nur sein, dass der Leiharbeitnehmer nur als Teilzeitbeschäftigter tätig ist. Die Unterbrechung eines Einsatzes kann auch durch Krankheit, Urlaub, Mutterschutz oder – wie das Urteil des BAG vom 21.3.201818 deutlich macht – durch die Tätigkeit als Mitglied des Betriebsrats beim Verleiher ausgelöst werden. § 8 Abs. 4 AÜG enthält keine Regelungen, wie solche Unterbrechungen des tatsächlichen Einsatzes bei der Berechnung der an die Einsatzzeit geknüpften Branchenzuschläge zu berücksichtigen sind. Maßgeblich sind daher vor allem die Regelungen des Tarifvertrags, der die Anspruchsgrundlage und zugleich die Rechtfertigung für die Abweichung vom Equal-Pay-Grundsatz darstellen soll. Das hat auch das BAG in der vorstehend genannten Entscheidung deutlich gemacht. In dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall fand kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e. V. (BAP) und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. (iGZ) einerseits und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) andererseits geschlossene Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Überlassungen von gewerblichen Arbeitnehmern in der Druckindustrie Anwendung. In der insoweit maßgeblichen Fassung bestimmte der Tarifvertrag unter anderem wie folgt: § 2 Branchenzuschlag (1) Arbeitnehmer erhalten bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Dauer ihres jeweiligen Einsatzes im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung in einen Kundenbetrieb der Druckindustrie einen Branchenzuschlag. (2) Der Branchenzuschlag wird für den ununterbrochenen Einsatz im jeweiligen Kundenbetrieb gezahlt. Unterbrechungszeiten einschließlich Feiertage, Urlaubs- und Arbeitsunfähigkeitstage, die die Dauer von drei Monaten unterschreiten, sind keine Unterbrechungen im vorgenannten Sinne.
18 BAG v. 21.3.2018 – 5 AZR 862/16 n. v.
303
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
(3) Der Branchenzuschlag beträgt nach der Einsatzdauer in einem Kundenbetrieb folgende Prozentwerte: Für die Entgeltgruppen 1-5 nach der vierten vollendeten Woche 8% nach dem dritten vollendeten Monat 15 % nach dem fünften vollendeten Monat 20 % nach dem siebten vollendeten Monat 35 % nach dem neunten vollendeten Monat 45 % (…)
In einer Protokollnotiz zu § 2 Abs. 2 S. 2 des Tarifvertrags war wie folgt vereinbart worden: Unterbrechungszeiten von weniger als drei Monaten führen nicht zu einer Erhöhung der Einsatzdauer. Dagegen erhöht sich die Einsatzdauer für die Zeit eines laufenden Einsatzes, wenn der Einsatz im jeweiligen Kundenbetrieb wegen Feier- und Urlaubstagen sowie Krankheitstagen innerhalb der gesetzlichen Entgeltfortzahlung unterbrochen wird. Die Vergütung von Feier-, Urlaubs- und Krankheitstagen richtet sich nach den tariflichen und gesetzlichen Bestimmungen.
Die Klägerin war vom 16.9.2014 bis zum 31.5.2015 durch die Beklagte – bis auf einen Einsatz bei der B-GmbH am 22.2.2015 – ausschließlich der D überlassen worden, die sie in ihrem Druckzentrum einsetzte. Die Beklagte zahlte der Klägerin für die in den Monaten März bis Mai 2015 im Betrieb der Entleiherin geleisteten Arbeitsstunden einen Branchenzuschlag in Höhe von 8 %. Sie ging davon aus, dass die für einen höheren Branchenzuschlag erforderliche Einsatzdauer nicht erreicht worden sei. Die Entleiherin habe jeweils entsprechend ihrem Arbeitskräftebedarf kurzfristig eine bestimmte Zahl von Leiharbeitnehmern angefordert, die sie (die Beklagte) abhängig von der individuellen Verfügbarkeit der Mitarbeiter gestellt habe. Dementsprechend sei jeder Einsatz orientiert am Einsatzbedarf des Kunden und den durch Krankheit, Urlaub oder Betriebsratstätigkeit bedingten Abwesenheitszeiten der Klägerin geplant worden. Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass der Branchenzuschlag ein Erfahrungszuschlag sei, dessen Voraussetzungen die Klägerin auch bei einer Zusammenrechnung der einzelnen Einsatztage zu Einsatzwochen nicht erfüllt habe. Das BAG ist dieser arbeitgeberseitigen Sichtweise nicht gefolgt. Nach seiner Auffassung war auf der Grundlage der Regelungen des Tarifvertrags von einer deutlich längeren Einsatzdauer der Klägerin auszugehen, sodass diese berechtigterweise höhere Branchenzuschläge geltend machte.
304
Aktuelle Rechtsfragen zur Arbeitnehmerüberlassung
Bei dieser Bewertung ist das BAG davon ausgegangen, dass als Einsatz i. S. des § 2 Abs. 2 S. 1 TV die Zeitspanne zu verstehen sei, in der der Leiharbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 1 AÜG an den Kundenbetrieb überlassen werde und – entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht – nicht die Summe der Tage, an denen er dem Kundenbetrieb die Arbeitsleistung erbringe. Die Einsatzdauer werde also durch die laufende Einsatzzeit, anrechenbare vorangegangene Einsatzzeiten sowie berücksichtigungsfähige Unterbrechungszeiten bestimmt. Maßgeblich sei dabei eine aus der Rückschau vorzunehmende Gesamtbetrachtung der Überlassung. Allein auf der Grundlage des Überlassungsvertrags zwischen Verleiher und Entleiher lasse sich die Einsatzdauer des einzelnen Arbeitnehmers nicht sicher ermitteln, weil in diesem Vertrag die zum Einsatz kommenden Arbeitnehmer in der Regel nicht namentlich genannt würden. Aus dem Überlassungsvertrag könnten sich allerdings Hinweise auf die Dauer des geplanten Einsatzes von Leiharbeitnehmern ergeben. Unabhängig davon sei bei der Feststellung von Einsatz- und Unterbrechungszeiten auch die praktische Durchführung der Überlassung maßgeblich19. § 2 Abs. 2 S. 1 TV definiert den Begriff „Einsatz“ nicht. Die dort vorhandene Verbindung mit dem Adjektiv „ununterbrochen“ spricht nach Auffassung des BAG allerdings eher dafür, dass der Tarifvertrag unter „Einsatz“ nicht einzelne Tage, sondern die Zeitspanne der Überlassung verstehe. Dieses Verständnis werde durch § 2 Abs. 3 TV bestätigt. Der Branchenzuschlag werde danach in Abhängigkeit von Wochen und Monaten und nicht von Tagen des Einsatzes des Leiharbeitnehmers berechnet. Der Tarifvertrag stelle damit auf Zeitspannen ab, die angesichts der bei jedem Leiharbeitnehmer bestehenden zeitlichen Begrenzung der Arbeitspflicht und zwingender – auch von den Tarifvertragsparteien zu beachtender – arbeitszeit-, urlaubs-, entgeltfortzahlungs- und betriebsverfassungsrechtlicher Normen nicht nur Arbeitstage, sondern notwendigerweise auch arbeitsfreie Tage und Zeiten einschlössen, zu denen der Leiharbeitnehmer die Arbeitsleistung im Kundenbetrieb nicht erbringen könne bzw. müsse. In diesem Zusammenhang bestimmt § 2 Abs. 2 TV nicht ausdrücklich, wann von einem „unterbrochenen“ Einsatz auszugehen ist. Der Systematik des Tarifvertrags kann nach Auffassung des BAG allerdings entnommen werden, dass bei einem zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer fortbestehenden Arbeitsverhältnis von einer Unterbrechung des Einsatzes nur ausgegangen werden könne, wenn eine Überlassung beendet sei, auf die eine weitere Überlassung folge, und zwischen den Überlassungen ein Zeitraum liege, in 19 BAG v. 21.3.2018 – 5 AZR 862/16 n. v. (Rz. 18 ff., 34).
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
dem der Leiharbeitnehmer dem Kundenbetrieb nach Maßgabe seiner Arbeitspflicht hätte überlassen werden können, aber nicht überlassen wurde. Eine „Unterbrechung“ setzt nach diesem Verständnis zunächst die Beendigung des laufenden Einsatzes voraus. Dies kann nicht nur durch eine zeitliche Befristung des Einsatzes bewirkt werden. Auslöser hierfür kann auch ein Abbruch des Einsatzes durch den Verleiher oder den Leiharbeitnehmer sein. Fehle es an einem derartigen Beendigungstatbestand, dauere die laufende Überlassung fort. Könne der Leiharbeitnehmer während einer laufenden Überlassung wegen einer Krankheit, wegen Feiertags, Urlaubs oder der Ausschöpfung seines im Arbeitsvertrag mit dem Verleiher vereinbarten Arbeitszeitvolumens oder allgemein arbeitsfreier Tage nicht oder nicht an allen Tagen der Woche bzw. des Monats eingesetzt werden, führe dies – für sich genommen, ohne Hinzutreten eines Beendigungstatbestandes – deshalb auch nicht zu einer Beendigung des Einsatzes i. S. des § 2 Abs. 2 S. 1 TV20. Mit überzeugender Begründung geht das BAG davon aus, dass diese Grundsätze auch auf die Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben durch den Leiharbeitnehmer im Betrieb des Verleihers zu übertragen sind. Auch diese führen nicht zu einer Unterbrechung des Einsatzes. Sie sei sowohl vom Verleiher als auch vom Entleiher als Folge von § 37 Abs. 2, 6 BetrVG hinzunehmen21. Unabhängig davon war bei der Auslegung und Anwendung des Tarifvertrags im vorliegenden Fall allerdings die Regelung der Protokollnotiz zu beachten. Danach führen Unterbrechungszeiten von weniger als drei Monaten nicht zu einer Erhöhung der Einsatzdauer. Auch wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 TV im Hinblick auf den Anspruch auf Zahlung eines Branchenzuschlags als fortbestehend fingiert wird, weil etwaige Unterbrechungszeiten die Dauer von drei Monaten unterschreiten, bewirken sie grundsätzlich keine Erhöhung der Einsatzdauer. Der Leiharbeitnehmer kann damit für die Dauer dieser Unterbrechungszeiten länger an denselben Entleiher überlassen werden. Etwas anderes gilt nur in den in der Protokollnotiz selbst geregelten Ausnahmefällen. Wenn der Einsatz im jeweiligen Kundenbetrieb durch den Verleiher „wegen“ Feier- und Urlaubstagen sowie Krankheitstagen des Leiharbeitnehmers beendet wird und erst im Anschluss daran ein neuer Einsatz im Kundenbetrieb bewirkt wird, ist die Dauer der Unterbrechung des laufenden Einsatzes auf die Höchstüberlassungszeit der Einsatzdauer anzurechnen, wenn und soweit während dieser Unterbrechung ein Entgeltfortzahlungsanspruch bestand. Diese Zeiten wer20 BAG v. 21.3.2018 – 5 AZR 862/16 n. v. (Rz. 22). 21 BAG v. 21.3.2018 – 5 AZR 862/16 n. v. (Rz. 23).
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Aktuelle Rechtsfragen zur Arbeitnehmerüberlassung
den also im Hinblick auf den Branchenzuschlag und die Höchstüberlassungsdauer gleichbehandelt und als Einsatzzeit berücksichtigt, obgleich wegen der (berechtigten) Fehlzeiten keine tatsächliche Tätigkeit beim Entleiher erbracht wird. Der Entscheidung des BAG ist zuzustimmen. Dies gilt auch insoweit, als das BAG eine Gleichsetzung des Branchenzuschlags mit einem Erfahrungszuschlag abgelehnt hat. Dagegen sprechen bereits die im Tarifvertrag selbst vorgenommenen Ausnahmen, kraft derer auch Zeiten einer vorübergehenden Unterbrechung wie Zeiten des tatsächlichen Einsatzes behandelt werden. Darüber hinaus war zu vermeiden, dass durch eine Gleichsetzung des „ununterbrochenen“ Einsatzes mit der Summe der Arbeitstage im Kundenbetrieb eine unzulässige Benachteiligung der Leiharbeitnehmer bewirkt würde, deren Arbeitszeit – gleich, ob sie in Vollzeit oder in Teilzeit beschäftigt sind – auf wenige Tage der Woche oder des Monats verteilt ist, im Vergleich zu den Arbeitnehmern, die aufgrund der Verteilung ihrer Arbeitszeit an einer höheren Zahl von Arbeitstagen der Woche oder des Monats im Kundenbetrieb tätig sind. Denn trotz gleicher Dauer des Arbeitseinsatzes im Betrieb des Entleihers und damit auch eines gleichen Gewinns an Erfahrung würde die Gruppe der Leiharbeitnehmer, deren Arbeitszeit auf weniger Wochentage verteilt ist, entgegen Art. 3 Abs. 1 GG erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Genuss höherer Branchenzuschläge kommen22. Wichtig ist, dass diese Grundsätze zur Berechnung der Einsatzdauer durch Vereinbarungen zwischen Verleiher und Entleiher über die Einsatzdauer nicht modifiziert werden können. Sollten diese darauf gerichtet sein, eine Unterbrechung der Überlassungsdauer für die Zeit einer Betriebsratstätigkeit zu bewirken, läge darin nämlich ein Verstoß gegen das in § 78 BetrVG geregelte Benachteiligungsverbot. Richtigerweise nimmt das BAG eine Anrechnung dieser Fehlzeiten auch dann vor, wenn der Tarifvertrag selbst keine entsprechende Regelung für solche Unterbrechungszeiten enthält. Schließlich ist die in § 78 S. 2 BetrVG enthaltene Vorgabe auch durch die Tarifvertragsparteien einzuhalten23. Auch wenn die vorstehenden Überlegungen des BAG nur die entgeltbezogene Einsatzdauer von Leiharbeitnehmern im Zusammenhang mit tarifvertraglichen Abweichungen vom Equal-Pay-Grundsatz betreffen, wird man überlegen müssen, ob und inwieweit nicht diese Grundsätze auch auf die Berechnung der Höchstüberlassungsdauer gemäß § 1 Abs. 1 b AÜG zu übertragen sind. Danach darf der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht 22 BAG v. 21.3.2018 – 5 AZR 862/16 n. v. (Rz. 28 ff., 33). 23 BAG v. 21.3.2018 – 5 AZR 862/16 n. v. (Rz. 42).
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
länger als 18 aufeinanderfolgende Monate demselben Entleiher überlassen. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen. Zum einen könnte die Berechnung dieser Einsatzdauer durch einen Tarifvertrag der Einsatzbranche modifiziert und konkretisiert werden. Das lässt § 1 Abs. 1 b S. 3 AÜG ausdrücklich zu. Fehlt eine Regelung durch Tarifvertrag, dürfte es aber auch unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 1 GG und dem Zweck der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer sinnvoll sein, von einer für § 1 Abs. 1 b AÜG relevanten Unterbrechung der Überlassung entsprechend den Feststellungen des BAG erst dann auszugehen, wenn der Einsatz im Betrieb des Entleihers beendet wurde, zu einem späteren Zeitpunkt ein weiterer Einsatz erfolgt und zwischen den beiden Überlassungen ein Zeitraum liegt, in dem dieser Leiharbeitnehmer dem Kundenbetrieb nach Maßgabe seiner Arbeitspflicht hätte überlassen werden können, aber nicht überlassen wurde. Fehlt es an einer solchen Beendigung und/oder war ein Einsatz des Leiharbeitnehmers im Betrieb des Kunden bereits als Folge einer Krankheit, gesetzlicher Feiertage, einer urlaubsbedingten Abwesenheit, der Ausschöpfung des im Arbeitsvertrag mit dem Verleiher vereinbarten Arbeitsvolumens, wegen arbeitsfreier Tage im Rahmen einer Arbeitszeitflexibilisierung und/oder betriebsverfassungsrechtlich relevanter Fehlzeiten ausgeschlossen, ist auch keine Unterbrechung i. S. des § 1 Abs. 1 b AÜG anzunehmen. Solche Zeiten sind also bei der Höchstüberlassungsdauer zu berücksichtigen und können es mit Blick auf §§ 9, 10 AÜG erforderlich machen, die Überlassung an denselben Entleiher zu beenden, selbst wenn der tatsächliche Einsatz im Einsatzbetrieb nicht an allen Arbeitstagen der Gesamtüberlassungsdauer erfolgt ist. Für den Entleiher, der in besonderer Weise von der gesetzlichen Begründung eines Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 9, 10 AÜG betroffen ist, bedeutet dies, dass nicht nur klare Regelungen über die Überlassungsdauer zwischen Verleiher und Entleiher vereinbart werden müssen. Vielmehr ist es darüber hinaus erforderlich, auch die Gründe zu hinterfragen, die zur Folge haben, dass der Leiharbeitnehmer vorübergehend nicht im Einsatzbetrieb tätig wird. Wird dem Erreichen der Höchstüberlassungsdauer allein dadurch Rechnung getragen, dass der Leiharbeitnehmereinsatz beim gleichen Entleiher für die Dauer von drei Monaten und einem Tag ausgesetzt wird, besteht die Gefahr, dass diese Zeit nicht vollständig als Unterbrechung anerkannt wird, sodass der erneute Einsatz des Leiharbeitnehmers sofort ein Überschreiten der Höchstüberlassungsdauer mit den Folgen der §§ 9, 10 AÜG bewirkt.
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Aktuelle Rechtsfragen zur Arbeitnehmerüberlassung
b)
Verwirkung des Rechts, sich auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu berufen
§ 9 Abs. 1 AÜG bestimmt, wann Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie die zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer bestehenden Arbeitsverträge unwirksam sind. Dazu gehören vor allem Fallgestaltungen, in denen der Verleiher nicht die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat, in denen die Arbeitnehmerüberlassung nicht in der durch § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG vorgeschriebenen Weise bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers konkretisiert wurde oder die nach § 1 Abs. 1 b AÜG zulässige Höchstüberlassungsdauer überschritten wurde. Konsequenz der Unwirksamkeit des zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer bestehenden Vertrags ist, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen gilt; tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, so gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen (§ 10 Abs. 1 S. 1 AÜG). In seinem Urteil vom 20.3.201824 musste sich das BAG mit der Frage befassen, ob das daraus folgende Recht auf den (Fort-)Bestand eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher verwirken kann. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger durch die K-GmbH vom 1.1.2008 bis zum 31.3.2014 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilindustrie, in S eingesetzt worden. Im Anschluss daran arbeitete der Kläger auf Anweisung der K-GmbH wieder in deren Betriebsräumen. Eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besaß die K-GmbH erst seit dem 5.9.2014. Erst mit einer am 30.12.2015 beim ArbG eingegangenen und der Beklagten am 11.1.2016 zugestellten Klage hat der Kläger aber die Auffassung vertreten, zwischen ihm und der Beklagten bestehe nach §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 S. 1 AÜG seit dem 1.1.2008 ein Arbeitsverhältnis, weil die Arbeitnehmerüberlassung seit diesem Zeitpunkt ohne die dafür nach dem Gesetz erforderliche Erlaubnis durchgeführt worden sei. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass der Kläger das Recht, sich auf die gesetzliche Begründung eines Arbeitsverhältnisses berufen zu können, durch die verspätete Klageerhebung verwirkt habe. Sie habe nach knapp einem Jahr und neun Monaten nach Beendigung seiner Tätigkeit in ihrem Betrieb nicht mehr damit rechnen müssen, noch als Arbeitgeberin in Anspruch genommen zu werden.
24 BAG v. 20.3.2018 – 9 AZR 508/17, NZA 2018, 931.
309
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Das BAG hat eine solche Verwirkung abgelehnt und das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien angenommen. Entgegen der Auffassung des LAG Baden-Württemberg bestand dieses Arbeitsverhältnis auch über den 31.3.2014 hinaus. Dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien als Folge der fehlenden Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung erfüllt waren, war unbestritten. Streitig war zwischen den Parteien nur, ob das Recht, sich auf diese gesetzliche Folge zu berufen, verwirkt war. In den Gründen seiner Entscheidung hat das BAG deutlich gemacht, dass die Annahme einer Verwirkung nicht nur daran geknüpft sei, dass ein bestimmter Anspruch über einen längeren Zeitraum hinweg nicht geltend gemacht worden sei (Zeitmoment). Vielmehr müsse durch das Handeln des Anspruchsinhabers auch ein Vertrauenstatbestand beim Anspruchsgegner geschaffen worden sein, der zur Folge habe, dass ihm die Einlassung auf die nicht innerhalb einer angemessenen Frist erhobenen Klage nicht mehr zumutbar sei (Umstandsmoment). Unabhängig davon, ob das Recht, sich auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 9, 10 AÜG zu berufen, überhaupt verwirkt werden könne, seien diese Voraussetzungen des Umstandsmoments im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Denn der Kläger hätte hierfür unter solchen Umständen untätig geblieben sein müssen, was bei der Beklagten den Eindruck erweckt haben müsste, dass er sein Recht nicht mehr wahrnehmen wolle, sodass sich die Beklagte darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Vorliegend hatte der Kläger allerdings nach der Beendigung seiner Tätigkeit bei der Beklagten nur widerspruchslos seine Arbeit bei der KGmbH aufgenommen. Das damit verbundene Nichtergreifen von Maßnahmen genüge für sich genommen noch nicht, um den Verwirkungseinwand auszulösen. Dies galt umso mehr, als die Beklagte keine Umstände geltend gemacht hatte, aus denen heraus erkennbar geworden wäre, dass sie in dieser Zeit in Erwägung gezogen hatte, es könne ein Teil der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen haben und deshalb ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem Kläger fingiert worden sein. Wer – so das BAG – überhaupt keine Kenntnis von einer möglichen Rechtsposition eines Dritten habe, könne auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemein, nicht aber konkret hinsichtlich einer bestimmten Rechtsposition vertrauen. Folgerichtig konnte die Beklagte auch nicht davon ausgehen, durch den Kläger (nicht) mehr gemäß §§ 9, 10 AÜG in Anspruch genommen zu werden.
310
Nichterfüllung arbeitsschutzrechtlicher Pflichten
Dass der Kläger, als sein Arbeitsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt durch die K-GmbH gekündigt wurde, Kündigungsschutzklage erhob, konnte das Umstandsmoment ebenfalls nicht erfüllen. Unabhängig von der durch das BAG vorgenommenen Begründung folgte dies schon aus dem Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt die Geltendmachung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten bereits erfolgt war. Für die betriebliche Praxis zeigt diese Entscheidung, dass eine Missachtung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine zulässige Arbeitnehmerüberlassung auch nach Beendigung entsprechender Überlassungstatbestände noch die in §§ 9, 10 AÜG bestimmten Rechtsfolgen für den Entleiher auslösen kann. Umso wichtiger ist es, das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, die ordnungsgemäße Kennzeichnung der Arbeitnehmerüberlassung und die Einhaltung der Höchstüberlassungsdauer sicherzustellen. Fehler der Vergangenheit, selbst wenn sie zunächst einmal unentdeckt blieben, können auch zu einem späteren Zeitpunkt noch geltend gemacht werden. Selbst wenn man eine Verwirkung, was naheliegend erscheint, grundsätzlich für möglich hält, dürften die daran geknüpften Voraussetzungen nur selten erfüllt sein. Ausgehend davon, dass die Kennzeichnungspflicht auch für Sachverhalte gilt, die vor dem 1.4.2017 begonnen wurden25, gilt dies auch für Scheinwerk- oder -dienstverträge, die erst nach dem 31.3.2018 aufgedeckt wurden. (Ga)
4.
Schadensersatz oder Arbeitsverweigerung bei Nichterfüllung arbeitsschutzrechtlicher Pflichten
a)
Schadensersatz wegen Missachtung mutterschutzrechtlicher Vorgaben
Bereits 2017 haben wir eingehend über die gesetzlichen Änderungen zur Neuregelung des Mutterschutzrechts berichtet26. Soweit dies hier von Interesse ist, sind sie am 1.1.2018 in Kraft getreten27. Dabei hat insbesondere der betriebliche Gesundheitsschutz eine umfassende Neugestaltung gefunden. Hierzu gehört nicht nur eine Konkretisierung der arbeitsschutzrechtlichen Handlungspflichten des Arbeitgebers in Bezug auf schwangere oder stillende Arbeitnehmerinnen in § 9 MuSchG. Danach hat der Arbeitgeber bei 25 A. A. ArbG Mainz v. 28.6.2018 – 3 Ca 111/18 n. v. 26 B. Gaul, AktuellAR 2017, 14 ff., 327 f. 27 BGBl. I 2017, 1228.
311
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
der Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer schwangeren oder stillenden Frau alle aufgrund der Gefährdungsbeurteilung nach § 10 MuSchG erforderlichen Maßnahmen für den Schutz ihrer physischen und psychischen Gesundheit sowie der ihres Kindes zu treffen. Arbeitsbedingungen sind so zu gestalten, dass Gefährdungen einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen ist. Ggf. sind Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wie sie noch einmal in § 13 MuSchG genannt werden. Grundlage dabei ist vor allem eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen, die über die allgemeinen Regelungen in § 5 ArbSchG hinaus durch § 10 MuSchG konkretisiert wird. Hierzu gehört auch ein Gespräch mit der schwangeren Frau, aufgrund dessen die Notwendigkeit weitergehender Anpassungen der Schutzmaßnahmen bzw. der am Arbeitsplatz geltenden Arbeitsbedingungen geprüft und ggf. veranlasst wird. Schließlich darf der Arbeitgeber eine schwangere oder stillende Frau nur diejenigen Tätigkeiten ausüben lassen, für die er die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen hat. Wenn die Missachtung mutterschutzrechtlicher Vorgaben als Bestandteil arbeitsschutzrechtlicher Handlungspflichten nicht nur unwesentlichen Charakter hat, kann daraus ein Recht der betroffenen Arbeitnehmerin auf Arbeitsverweigerung folgen28. Auf die Voraussetzungen und Grenzen eines solchen Rechts zur Arbeitsverweigerung wird gesondert eingegangen29. Wie die Entscheidung des EuGH vom 19.10.201730 deutlich macht, kann die fehlende Durchführung der mutterschutzrechtlich gebotenen Gefährdungsbeurteilung und die daran anknüpfende Anpassung von Arbeitsbedingungen auch Schadenersatz- oder Entschädigungsansprüche wegen Diskriminierung zur Folge haben. In dem der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Fall teilte die Klägerin, Frau Otero Ramos, ihrem Arbeitgeber am 19.3.2012 mit, dass sie ihr Kind, das am 22.4.2011 geboren worden war, auf natürliche Weise stille. Da sie als Krankenschwester in der Notaufnahme im Schichtdienst tätig war und am Arbeitsplatz ionisierender Strahlungen, krankenhausaufenthaltsbedingter Infektionen und Stress ausgesetzt war und sich diese Faktoren nach Ihrer Einschätzung negativ auf das Stillen auswirken und sie Risiken für ihre Gesundheit und Sicherheit aussetzen könnten, beantragte sie eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen und das Ergreifen vorbeugender Maßnahmen. Der Arbeitgeber, eine Universitätsklinik, sah diese Risiken nicht. Insofern 28 Vgl. BAG v. 28.6.2018 – 2 AZR 436/17, NZA 2018, 1259. 29 B. Gaul, AktuellAR 2018, 315 ff. 30 EuGH v. 19.10.2017 – C-531/15, NZA 2017, 1448 – Otero Ramos.
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Nichterfüllung arbeitsschutzrechtlicher Pflichten
versandte die Leitung der Universitätsklinik am 10.4.2012 einen Bericht, in dem unter anderem darauf verwiesen wurde, dass der Arbeitsplatz von Frau Otero Ramos keinerlei Risiko für das Stillen ihres Kindes beinhalte und der Antrag deshalb zurückzuweisen sei. Frau Otero Ramos beantragte daraufhin bei der zuständigen Behörde im Hinblick auf die Gewährung finanzieller Leistungen wegen des Risikos während der Zeit des Stillens eine Bescheinigung über das Bestehen solcher Risiken. Auf der Grundlage verschiedener Erklärungen der Personalabteilung, der Arbeitnehmervertreter und eines Arztes für Präventionsmedizin und Arbeitsschutz sah die zuständige Behörde das Risiko für das Stillen des Kindes nicht als nachgewiesen und wies den Antrag von Frau Otero Ramos zurück. Sie erhob daraufhin Klage, die in erster Instanz ebenfalls mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass sie nicht nachgewiesen habe, dass ihr Arbeitsplatz das behauptete Risiko beinhalte. Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde sodann aber der EuGH mit der Bitte um Vorabentscheidung unter anderem über folgende Fragen angerufen: 2. Sind Risiken für das natürliche Stillen bei der Ausübung einer Tätigkeit als Krankenschwester in der Notaufnahme eines Krankenhauses, die durch einen mit Gründen versehenen Bericht eines Arztes bestätigt werden, der zugleich Leiter der Notaufnahme des Krankenhauses ist, in dem die Arbeitnehmerin beschäftigt ist, als Tatsachen anzusehen, die i. S. von Art. 19 Richtlinie 2006/54/EG das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen? 3. Für den Fall der Bejahung der zweiten Frage: Kann der Umstand, dass die von der Arbeitnehmerin bekleidete Stelle in einer von den Unternehmen in Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern erstellten Stellenliste als risikofrei eingestuft ist, und dass der präventionsmedizinische Dienst/Arbeitsschutz des fraglichen Krankenhauses eine Erklärung über die Eignung der Arbeitnehmerin erteilt hat, ohne dass in diesen Unterlagen nähere Angaben dazu enthalten sind, wie man zu diesem Ergebnis gekommen ist, in jedem Fall und unwiderlegbar als Nachweis dafür angesehen werden, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes i. S. von Art. 19 Richtlinie 2006/54/EG vorliegt? 4. Für den Fall, dass die zweite Frage bejaht und die dritte Frage verneint wird: Welche Partei – die klagende Arbeitnehmerin oder die beklagte Arbeitgeberin – trägt, wenn feststeht, dass sich aus der Arbeit Risiken für Mutter oder das gestillte Kind ergeben können, gemäß Art. 19 Richtlinie 2006/54/EG die Beweislast dafür, dass die Umgestaltung der
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Arbeitsbedingungen oder -zeiten nicht möglich ist oder dass trotz einer solchen Umgestaltung die Arbeitsbedingungen der Stelle, die Gesundheit der schwangeren oder stillenden Arbeitnehmerin beeinträchtigen könnten (…) und der Arbeitsplatzwechsel technisch oder sachlich nicht möglich oder aus nachgewiesenen Gründen nicht zumutbar ist (…)?
In den Gründen seiner Entscheidung hat der EuGH zunächst einmal deutlich gemacht, dass der Umstand, dass das Risiko, das der Arbeitsplatz einer stillenden Arbeitnehmerin beinhalte, nicht nach Maßgabe der unionsrechtlichen Vorgaben beurteilt wurde, als eine ungünstigere Behandlung einer Frau im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft oder Mutterschutzurlaub anzusehen sei, mit der Folge, dass darin eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liege. Das folge aus dem Umstand, dass die unionsrechtlichen Vorschriften zum Schutz schwangerer und stillender Frauen erkennen ließen, dass es im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter nicht nur gerechtfertigt sei, die körperliche Verfassung der Frau während und nach der Schwangerschaft und ihre besondere Beziehung zum Kind während der Zeit nach der Entbindung zu schützen. Vielmehr setzten die Handlungspflichten aus Richtlinie 2006/54/EG voraus, dass eine schwangere oder stillende Arbeitnehmerin nicht in derselben Weise behandelt werde, wie jeder andere Arbeitnehmer, da ihre spezifische Situation zwingend eine besondere Behandlung durch den Arbeitgeber erfordere. Wenn die Risiken, die der Arbeitsplatz einer solchen Arbeitnehmerin beinhalte, nicht nach Maßgabe der Anforderungen aus Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 92/85/EG beurteilt würden, werde der Frau auch der Schutz vorenthalten, den sie nach dieser Richtlinie erhalten müsse, da sie potentiellen Risiken ausgesetzt sein könnte, deren Vorliegen ohne ordnungsgemäße Risikobeurteilung des Arbeitsplatzes nicht festgestellt werden könne. Aus dieser Kennzeichnung einer Diskriminierung der schwangeren oder stillenden Frau als Folge einer Missachtung mutterschutzrechtlicher Vorgaben folgt nicht nur, dass Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden können. In Deutschland wäre insoweit § 15 AGG einschlägig. Entscheidend ist vielmehr, dass bei der Geltendmachung solcher Ansprüche auch die Erleichterungen in Bezug auf die Darlegungs- und Beweislast, wie sie auf der Grundlage von Art. 19 Richtlinie 2006/54/EG durch § 22 AGG vorgegeben sind, zur Anwendung kommen. Auch darauf weist der EuGH in seinem Urteil vom 19.10.201731 hin. Dies gilt jedenfalls dann,
31 EuGH v. 19.10.2017 – C-531/15, NZA 2017, 1448 Rz. 68 – Otero Ramos.
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Nichterfüllung arbeitsschutzrechtlicher Pflichten
wenn solche Ansprüche im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung geltend gemacht werden. Konsequenz dieser Beweiserleichterung ist, dass die schwangere oder stillende Frau bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle nur Tatsachen glaubhaft und die diesbezüglichen Beweise vortragen muss, die einen Verstoß gegen mutterschutzrechtliche Vorschriften und die daraus folgende Diskriminierung vermuten lassen. Resultiert aus diesem Vortrag und einem etwaigen Nachweis der zugrunde liegenden Indizien eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass als Konsequenz einer Missachtung mutterschutzrechtlicher Vorschriften eine Diskriminierung wegen des Geschlechts gegeben ist, kehrt sich die Darlegungs- und Beweislast um. Es obliegt dann dem Arbeitgeber, darzulegen und ggf. nachzuweisen, dass die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften zum Schutz der schwangeren oder stillenden Arbeitnehmerin und ihres Kindes erfüllt sind und deshalb kein solcher Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gegeben ist. Dieser Nachweis aber muss zur vollen Überzeugung des Gerichts bewirkt werden. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass der EuGH eine Erklärung des Arbeitgebers, wonach ein Arbeitsplatz als „risikofrei“ eingestuft wurde, in Verbindung mit einer Erklärung, wonach die betroffene Arbeitnehmerin für die Arbeit „geeignet“ sei, ohne Erläuterungen, die diese Schlussfolgerungen untermauern könnten, für sich genommen nicht als Umstand qualifiziert, der eine unwiderlegliche Vermutung begründen könnte, dass diese These auch zutreffend ist. Vielmehr obliegt es dem Arbeitgeber, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die mutterschutzrechtlichen Anforderungen des Arbeitsschutzes aus §§ 9 ff. MuSchG (einschließlich der besonderen Gefährdungsbeurteilung) ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Ggf. sind hierfür die Modalitäten der Gefährdungsbeurteilung, ihr Ergebnis und die Veranlassung entsprechender Schutzmaßnahmen darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen.
b)
Arbeitsverweigerung bei Nichtbeachtung arbeitsschutzrechtlicher Vorgaben
In dem der Entscheidung des BAG vom 28.6.201832 zugrunde liegenden Fall ging es um die Frage, ob eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin als Folge einer beharrlichen Arbeitsverweigerung wirksam war. Die Klägerin hatte sich bei der 32 BAG v. 28.6.2018 – 2 AZR 436/17, NZA 2018, 1259.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Verweigerung ihrer Arbeit unter anderem auf eine Nichtbeachtung arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften durch die Beklagte berufen. Im Vorfeld der streitgegenständlichen Kündigung war es über viele Jahre hinweg zu einer Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und weiteren Mitarbeitern gekommen. Eine Mediation blieb erfolglos. Eine Abordnung in eine andere Abteilung lehnte die Klägerin ab. Nachdem durch Schreiben vom 10.2.2014 fünf Mitarbeiter des Sachgebiets um „eine räumliche Versetzung“ der Klägerin gebeten hatten, wies die Beklagte dieser ein Büro in einer anderen Straße zu. Dort sollte sie ein Bauwerksbuch erstellen und die Gebäudesubstanz bewerten. Kein anderer der dort befindlichen Räume wurde dauerhaft als Büro genutzt. In dem für die Klägerin vorgesehenen Zimmer befanden sich unter anderem ein Schreibtisch und ein einfacher Holzstuhl. Die Beklagte forderte die Klägerin deshalb auf, dass diese zunächst einmal ihr Büro mit Arbeitsmitteln, IT- und Kommunikationseinrichtungen sowie ggf. zusätzlich erforderlichen Möbeln ausstatten solle. Da die Klägerin der Auffassung war, dass ihr eine nicht vertragsgerechte Tätigkeit zugewiesen und das Büro unzureichend ausgestattet war, verweigerte sie die Aufnahme der Arbeit. Das Gewerbeaufsichtsamt beging am 17.6.2014 das Objekt und eröffnete der Beklagten mit Schreiben vom 25.6.2014, es seien mehrere Maßnahmen erforderlich, um den Komplex weiter als Bürogebäude zu nutzen. Mit Schreiben vom 10.7.2014 teilte die Beklagte der Klägerin sodann allerdings mit, dass alle vom Gewerbeaufsichtsamt genannten Maßnahmen – soweit erforderlich – zwischenzeitlich umgesetzt worden seien. Gleichzeitig forderte sie die Klägerin noch einmal auf, ihren Arbeitsauftrag auszuführen. Als dies nicht geschah, mahnte die Beklagte die Klägerin mehrfach wegen Arbeitsverweigerung ab. Als diese Abmahnungen nichts änderten, kündigte die Beklagte mit Zustimmung des Personalrats das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2014. Im Rahmen ihrer Kündigungsschutzklage machte die Klägerin geltend, sie habe eine schikanöse Sonderbehandlung erfahren. Außerdem sei der Arbeitsplatz in der ehemaligen Kanalbetriebsstation weder angemessen noch funktionstüchtig eingerichtet noch gesundheitlich unbedenklich gewesen. Das BAG hat die klagestattgebende Entscheidung des LAG München aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Nach seiner Auffassung durfte das LAG München mit der gegebenen Begründung nicht annehmen, dass es an einem die Kündigungen vom 8.8.2014 rechtfertigenden Grund fehle. Grundsätzlich sei – so das BAG – die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, „an sich“ geeignet, 316
Nichterfüllung arbeitsschutzrechtlicher Pflichten
selbst eine außerordentliche (fristlose) Kündigung zu rechtfertigen. Dies gelte auch dann, wenn Nebenpflichten nicht erfüllt würden. Ein Arbeitnehmer weigere sich dabei beharrlich, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, wenn er diese Haupt- oder Nebenpflichten bewusst oder nachhaltig nicht erfüllen wolle. Welche Pflichten ihn träfen, bestimme sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigere der Arbeitnehmer die Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Pflicht in der Annahme, er handele rechtmäßig, habe er deshalb grundsätzlich selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als falsch erweise33. In Übereinstimmung mit der neuen Rechtsprechung weist das BAG zwar darauf hin, dass nach §§ 106 S. 1 GewO, 315 BGB grundsätzlich keine Bindung des Arbeitnehmers an eine „lediglich“ unbillige Weisung des Arbeitgebers bestehe34. Nach Auffassung des 2. Senat des BAG konnte allerdings auf der Grundlage der durch das LAG München festgestellten Tatsachen noch nicht davon ausgegangen werden, dass der der Klägerin in dem anderen Bürogebäude zugewiesene Arbeitsplatz und die dort zu verrichtenden Aufgaben nicht billigem Ermessen entsprochen haben. Einerseits habe das LAG München die Interessen der Beklagten an einer Umsetzung der Klägerin in die ehemalige Kanalbetriebsstation nicht ausreichend gewürdigt. Andererseits habe es ohne tragfähige tatsächliche Grundlage angenommen, dass die Klägerin ein beachtliches Interesse daran gehabt habe, nicht in dem ihr zugewiesenen Büro arbeiten zu müssen. Beispielhaft verweist das BAG in den weiteren Ausführungen darauf, dass nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, dass durch die örtliche Verlegung des Arbeitsplatzes Wegezeiten vermieden und eine effizientere Aufgabenerledigung möglich gewesen wäre. Denn das Bauwerksbuch und die Überprüfung der Gebäudesubstanz betrafen gerade die Kanalbetriebsstation, innerhalb derer das Büro der Klägerin eingerichtet werden sollte. Weitergehend hatte das LAG München nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und den Kollegen über viele Jahre hinweg erheblichen Störungen ausgesetzt war. Insofern hätte geprüft werden müssen, ob die Beklagte nicht zur Auflösung dieser Spannungen berechtigt oder gar verpflichtet war, die Klägerin umzusetzen. Eine solche Verpflichtung könne sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben, wenn nur so
33 BAG v. 28.6.2018 – 2 AZR 436/17, NZA 2018, 1259 Rz. 16 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417 Rz. 22. 34 BAG v. 28.6.2018 – 2 AZR 436/17, NZA 2018, 1259 Rz. 18 – 10 AZR 330/16, NZA 2017, 1452 Rz. 63.
22.10.2015 18.10.2017
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
die Gesundheit und das Persönlichkeitsrecht anderer Beschäftigter ausreichend geschützt werden können35. Soweit das LAG München bei seiner Annahme einer unbilligen Weisung des Arbeitgebers darauf abgestellt hatte, dass der Arbeitsplatz – anfangs – nicht funktionsfähig eingerichtet gewesen und nicht den Vorgaben der ArbStättV und der damals noch geltenden BildschArbV entsprochen habe, sei auch diese Würdigung in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Zum einen habe das LAG München diese Entscheidung allein auf der Grundlage von Fotos vorgenommen, ohne sich dabei auf eine eigene arbeitsschutzrechtliche Sachkunde zu berufen, geschweige denn zu begründen, woraus diese Sachkunde folge. Hinzu komme, dass auch die Schreiben der Gewerbeaufsicht, die keine Anordnungen zur Unterlassung einer Nutzung der Büroräume beinhalteten, Hinweise darauf enthielten, dass eine – auch nur vorübergehende – Nutzung des Büros aus Gründen der Arbeitssicherheit oder des Gesundheitsschutzes nicht „zumutbar“ gewesen sei. Darüber hinaus wäre aus rechtlicher Sicht zu beachten gewesen, dass selbst dann, wenn die Beklagte ihren Pflichten gemäß § 618 Abs. 1 BGB i. V. mit den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen nicht genügt haben sollte, die Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes nicht bereits deshalb unbillig gewesen wäre, wenn es sich bei dieser Nichtbeachtung arbeitsschutzrechtlicher Vorgaben nur um geringfügige oder kurzzeitige Verstöße gehandelt haben sollte, die – wovon das LAG München selbst ausgegangen sei („keine unmittelbare und akute Gefahr für Leib und Leben der Klägerin“) – keinen nachhaltigen Schaden hätten bewirken können36. Dieser Hinweis des BAG hat ganz erhebliche Bedeutung für die betriebliche Praxis. Denn es dürfte kaum vermeidbar sein, dass bei der Ausgestaltung der Arbeitsplätze in einem Betrieb immer mal wieder – also vorübergehend und/oder geringfügig – Vorgaben des Arbeitsschutzes nicht beachtet werden. Dies folgt bereits aus der kontinuierlichen Veränderung von Arbeitsprozessen, dem Wechsel von Arbeitsmitteln, der wechselnden Einbindung internen und externen Personals, veränderten Erkenntnissen in Bezug auf mögliche Gefahren und denkbare Schutzmaßnahmen sowie aktualisierte Erkenntnisse aus einer Gefährdungsbeurteilung, die nachträgliche Anpassungen in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten erforderlich machen. In allen Fällen bewirkt die Nichtbeachtung der arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben nicht automatisch die Unbilligkeit einer arbeitgeberseitigen Weisung 35 BAG v. 28.6.2018 – 2 AZR 436/17, NZA 2018, 1259 Rz. 21 – 8 AZR 351/15 n. v. (Rz. 31). 36 BAG v. 28.6.2018 – 2 AZR 436/17, NZA 2018, 1259 Rz. 23.
318
15.9.2016
Nichterfüllung arbeitsschutzrechtlicher Pflichten
und rechtfertigt damit ebenfalls nicht automatisch, dass die Erfüllung der übertragenen Aufgaben verweigert wird. Ergänzend zu den arbeitsschutzrechtlichen Hinweisen hat das BAG im Urteil vom 28.6.201837 deutlich gemacht, dass auch die „Unterwertigkeit“ einer Teilaufgabe nicht bereits die Arbeitsverweigerung eines Arbeitnehmers rechtfertigen kann. Soweit die Klägerin im Rahmen der Kündigungsschutzklage geltend gemacht hatte, dass ihr Arbeitsplatz anfangs nicht ausreichend ausgestattet gewesen sei, wird das LAG München im Rahmen der Zurückweisung zu prüfen haben, ob die Klägerin durch die Beklagte wirksam angewiesen worden ist, ihr neues Büro funktionsgerecht einzurichten. Dabei dürfte es sich – so das BAG – um eine einmalige Nebenarbeit gehandelt haben, die gemessen an der „Hauptaufgabe“ der Klägerin in zeitlicher Hinsicht von untergeordneter Bedeutung war und deren Übertragung daher im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen gelegen habe. Die Klägerin war die einzige ausgebildete Architektin der Dienststelle. Insofern habe die Einschätzung nahe gelegen, sie könne am besten beurteilen, welche Hilfsmittel zur Erfüllung der neuen Arbeitsaufgabe erforderlich seien. Gleichzeitig habe auf diese Weise etwaigen Einwänden der Klägerin in Bezug auf eine sachgerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes „vorgebeugt“ werden können. Arbeitnehmer können durch den Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts verpflichtet werden, eine zur Erfüllung der übertragenen Hauptaufgabe erforderliche Nebenarbeit zu verrichten. Dies gilt auch dann, wenn sie – isoliert betrachtet – eine geringere Wertigkeit als die arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht haben. Voraussetzung ist nach den Feststellungen des BAG aber, dass sie typischerweise in den vereinbarten Tätigkeitsbereich anfallen oder in zeitlicher Hinsicht nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Dies sei z. B. bei der Pflege und Säuberung von Arbeitsmitteln sowie bei dienstlichen Besorgungen der Fall. Dass die Klägerin „völlig isoliert“ gewesen sei, kann aus Sicht des BAG ebenfalls noch nicht aus den festgestellten Tatsachen geschlossen werden. Zunächst einmal bleibe sie trotz der räumlichen Versetzung in die betriebliche Organisationseinheit eingegliedert. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass sie weiterhin in einem „vernetzten“ Arbeitsplatz tätig gewesen sei, der im Rahmen der Arbeitsabläufe – auch vor Ort – die Einbindung weiterer Mitarbeiter bedingt habe.
37 BAG v. 28.6.2018 – 2 AZR 436/17, NZA 2018, 1259 Rz. 24 ff.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Im Rahmen der Zurückweisung wird sich das LAG München nicht nur mit einer Reihe zusätzlicher Tatsachen zu befassen haben, die im Rahmen der einzelfallbezogenen Abwägung der wechselseitigen Interessen zu berücksichtigen sind. Es wird auch zu prüfen haben, ob die Beklagte ihre Pflichten aus den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften tatsächlich zum Zeitpunkt der Arbeitsverweigerung verletzt hatte und ob es sich ggf. um mehr als bloß geringfügige und/oder kurzzeitige Verstöße ohne nennenswertes Schadenspotential gehandelt hat. Ausgehend davon, dass die Klägerin ihre Arbeit in beharrlicher Weise verweigert hatte, dürfte die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB gewahrt worden sein. Denn die Beklagte hatte zur Rechtfertigung der Kündigung einen Dauertatbestand geltend gemacht, der sich bis zum Kündigungszeitpunkt fortlaufend neu verwirklichte. Ob im Vorfeld der Versetzung ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 167 Abs. 2 SGB IV durchgeführt wurde, spielt keine Rolle. Ein solches Verfahren ist – so das BAG – keine formelle oder unmittelbare materielle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Umsetzung oder einer anderen Weisung des Arbeitgebers38. (Ga)
5.
Klarstellungen der Rechtsprechung zu Ausschlussfristen
Ausschlussfristen dienen ähnlich wie die Verjährung dem Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit39. Sie gehören zum Standard von Tarifverträgen und werden ausdrücklich durch § 4 Abs. 4 S. 3 TVG40 als Inhaltsnormen legitimiert41. Sie sind darauf angelegt, innerhalb eines festgelegten Zeitraums abschließende Klarheit über den Bestand einer Forderung oder von Rechten herbeizuführen mit der Maßgabe, dass diese anders als bei der Verjährung vollständig erlöschen. Dabei ist regelmäßig zwischen einstufigen Ausschlussfristen, bei denen nur die Geltendmachung gegenüber dem Vertragspartner erforderlich ist, und zweistufigen Ausschlussfristen zu differenzieren, bei denen in der 1. Stufe der Vertragspartner in Anspruch genommen werden muss und im Falle einer Ablehnung des Anspruchs oder nach dem erfolglosen Ablauf einer Frist innerhalb einer weiteren Frist in ei38 BAG v. 28.6.2018 – 2 AZR 436/17, NZA 2018, 1259 Rz. 33, 35. 39 BAG v. 20.6.2018 – 5 AZR 262/17, NZA 2018, 1402 Rz. 22 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 Rz. 25. 40 Gleiches gilt für Rechte aus einer Betriebsvereinbarung: § 77 Abs. 4 S. 3 BetrVG. 41 ArbR-HB/Treber, § 209 Rz. 7 m. w. N.
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Klarstellungen der Rechtsprechung zu Ausschlussfristen
ner 2. Stufe die gerichtliche Geltendmachung zu erfolgen hat, um den Verlust des Anspruchs oder der Forderung zu vermeiden. Da Ausschlussfristen den Anspruch vernichten, sind sie im Gegensatz zur Verjährung, die nur die Durchsetzung des Anspruchs hindert und als Leistungsverweigerungsrecht Gegenstand einer Einrede sein muss (§ 214 Abs. 1 BGB), im Prozess von Amts wegen zu berücksichtigen42. In jüngster Zeit musste sich das BAG in mehreren Entscheidungen43 mit der Wirksamkeit, aber auch der Reichweite von vertraglichen und tariflichen Ausschlussfristen befassen.
a)
Hemmung einer Ausschlussfrist durch Vergleichsverhandlungen
In dem Urteil vom 20.6.2018 hatte der 5. Senat des BAG44 darüber zu befinden, ob die 2. Stufe einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung, wonach ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis zur Vermeidung seines Verfalls innerhalb einer bestimmten Frist klageweise geltend gemacht werden muss, in entsprechender Anwendung von § 203 S. 1 BGB während der Dauer vorgerichtlicher Vergleichsverhandlungen gehemmt wurde, sodass dieser Zeitraum entsprechend § 209 BGB in die Ausschlussfrist nicht einzurechnen war. Die Regelung des § 203 S. 1 BGB, wonach die Verjährung bei Vergleichsverhandlungen so lange gehemmt ist, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert, will der einvernehmlichen Lösung der Parteien Vorrang vor einer prozessualen Auseinandersetzung einräumen und diesen Effekt nicht dadurch konterkarieren, dass die Verständigungsmöglichkeiten durch die Notwendigkeit einer Klageerhebung belastet oder gar zunichte gemacht werden. Dieser für die Verjährung vorgesehene Regelungsgedanke hat auch für die 2. Stufe einer vertraglichen oder tariflichen Ausschlussfrist eine ebenso relevante Bedeutung, zumal die Laufzeit der 2. Stufe einer Ausschlussfrist – von Ausnahmen abgesehen (§ 61 Abs. 2 HGB) – deutlich kürzer ausfällt als die Laufzeit einer Verjährungsfrist.
42 BAG v. 27.6.2012 – 5 AZR 51/11, ZTR 2012, 714 Rz. BAG v. 17.8.2011 – 5 AZR 490/10, NZA 2012, 563 Rz. BAG v. 22.1.2008 – 9 AZR 416/07, NZA-RR 2008, 525 Rz. 23. 43 BAG v. 18.9.2018 – 9 AZR 162/18 n. BAG v. 20.6.2018 – 5 AZR 262/17, NZA 2018, 1402 – 5 AZR 377/17, NZA 2018, 1494. 44 BAG v. 20.6.2018 – 5 AZR 262/17, NZA 2018, 1402.
321
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Die Frage der Übertragung der Hemmung der Ausschlussfrist aus Gründen von Vergleichsverhandlungen war in der vom BAG zu entscheidenden Fallkonstellation deshalb von Bedeutung, weil der Kläger zwar die 1. Stufe der Ausschlussfrist eingehalten hatte, dann aber nahezu zwei Monate Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien stattfanden, die dann gescheitert sind. Ohne die Herausrechnung der Dauer der Vergleichsverhandlungen war die anschließend vom Kläger gegen den Arbeitgeber erhobene Zahlungsklage im Hinblick auf die 2. Stufe der Ausschlussfrist verspätet und damit der Anspruch unwiederbringlich untergegangen. Während noch das LAG45 die Klage wegen Versäumung der Ausschlussfrist abgewiesen hat, ist das BAG in entsprechender Anwendung von § 203 S. 1 BGB i. V. mit § 209 BGB zu dem überzeugenden Ergebnis gelangt, dass der Zeitraum, während dessen die Parteien noch Vergleichsverhandlungen geführt haben, in die 2. Stufe der Ausschlussfrist nicht eingerechnet wird. Das für den Beginn der Hemmung der 2. Stufe der Ausschlussfrist maßgebliche Verhandeln ist dabei großzügig zu interpretieren. So hat der BGH46 bereits im Hinblick auf das Verjährungsrecht dafür jeden Meinungsaustausch zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten genügen lassen, wobei von Vergleichsverhandlungen bereits dann auszugehen sei, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Anspruchsteller die Annahme erlauben, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung der geltend gemachten Forderung ein. Es ist nicht einmal erforderlich, dass dabei eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird. Die Vergleichsverhandlungen finden ihr Ende, wenn die eine oder andere Partei ihr Scheitern erklärt oder eine Fortsetzung der Vergleichsgespräche ablehnt. Nach § 203 S. 1 BGB endet die Hemmung auch durch das Einschlafen der Verhandlungen. Das ist der Zeitpunkt, in dem spätestens eine Erklärung der anderen Seite zu erwarten gewesen wäre47. Die Übertragung der Hemmung einer Verjährung auf die 2. Stufe einer vertraglichen oder tariflichen Ausschlussfrist durch Vergleichsverhandlungen ist im Interesse der betrieblichen Praxis zu begrüßen, weil damit aus Vergleichsgesprächen der Zeitdruck herausgenommen wird, der durch eine rechtzeitige Klageerhebung während der 2. Stufe veranlasst wird. Allerdings 45 LAG Nürnberg v. 9.5.2017 – 7 Sa 560/16, ZTR 2018, 95. 46 BGH v. 7.11.2014 – V ZR 309/12, NJW 2015, 1007 Rz. 20 BGH v. 17.2.2004 – VI ZR 429/02, NJW 2004, 1654 Rz. 14. vgl. BAG v. 20.6.2018 – 5 AZR 262/17, NZA 2018, 1402 Rz. 32. 47 BGH v. 5.6.2014 – VII ZR 285/12, NJW-RR 2014, 981 Rz. 16.
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Klarstellungen der Rechtsprechung zu Ausschlussfristen
sollten zur Vermeidung unklarer Zeiträume der Dauer der Hemmung der Ausschlussfrist klare und unmissverständliche Formulierungen dem Meinungsaustausch ein Ende setzen.
b)
(Teil-)Unwirksamkeit einer Ausschlussfrist bei fehlender Ausgrenzung von Mindestlohnansprüchen
Mit der Entscheidung vom 18.9.2018 hat der 9. Senat des BAG48 zumindest für arbeitsvertragliche Ausschlussfristen, die nach dem 31.12.2014 vereinbart worden sind, geklärt, ob sie angesichts des Wortlauts von § 3 S. 1 MiLoG einer geltungserhaltenden Reduktion zugänglich sind, soweit sie sich auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch beziehen und im Übrigen wirksam bleiben. Nach § 3 S. 1 MiLoG sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, nur insoweit unwirksam (§ 134 BGB). Wegen dieser einschränkenden Formulierung haben sowohl ein Teil der Rechtsprechung49, als auch des Schrifttums50 die Schlussfolgerung gezogen, dass Ausschlussfristen nur insoweit gemäß § 134 BGB rechtsunwirksam sind, als sie gesetzliche Mindestlohnansprüche51 nicht besonders ausschließen, sodass sie im Übrigen ihre Wirkung für andere Ansprüche behalten. Allerdings ist zusätzlich zu beachten, dass vertragliche Ausschlussfristen – soweit sie nicht den Charakter einer individuellen Vertragsabrede aufweisen (§ 305 b BGB) – der AGB-Kontrolle unterliegen, weshalb bei fehlender Ausgrenzung des Mindestlohns regelmäßig das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verletzt wird und demzufolge die gesamte Ausschlussfrist ihre Wirkung verliert52. Dieser Bewertung ist das BAG in der Entscheidung vom 18.9.201853 gefolgt und hat damit der Auffassung eine Absage erteilt, wonach § 3 S. 1 MiLoG als lex specialis die §§ 305 ff. BGB verdrängt und damit zugleich eine Transparenzkontrolle ausschließt54. Die vom BAG zu 48 BAG v. 18.9.2018 – 9 AZR 162/18 n. v. 49 LAG Hamm v. 25.10.2017 – 2 Sa 1215/16 n. v. (Rz. – 7 Sa 560/16, ZTR 2018, 95 Rz. 61. 50 Vgl. etwa ErfK/Franzen, Bayreuther, NZA 2014, 865. 51 Gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt: BAG v. 21.12.2016 – 5 AZR 374/16, NZA 2017, 378 Rz. 16. 52 Vgl. dazu Hamann, jurisPR-ArbR 22/2018 Anm. 2 m. w. N. 53 BAG v. 18.9.2018 – 9 AZR 162/18 n. v. 54 So etwa Sagan, RdA 2017, 264, 269.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
beurteilende Ausschlussklausel sah vor, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind. Der Kläger hatte erst nach Ablauf der Ausschlussfrist einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung gegenüber der Beklagten geltend gemacht, weshalb auch das LAG Hamburg55 die Klage abgewiesen hat. Das BAG weist darauf hin, dass die vom Arbeitgeber angewandte Ausschlussklausel den ab dem 1.1.2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnimmt und deshalb nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Nach Auffassung des BAG schränkt § 3 S. 1 MiLoG weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn und Zweck nach die Anwendung der §§ 306, 307 Abs. 1 S. 2 BGB ein. Für die betriebliche Praxis steht damit fest, dass alle vertraglichen Ausschlussfristen insgesamt wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB rechtsunwirksam sind, wenn sie nach dem 31.12.2014 vereinbart wurden und ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfassen. Wie die auf den Stichtag 31.12.2014 bezogene rechtliche Bewertung des BAG belegt, wollte der 9. Senat keine abschließende Aussage zur möglichen Unwirksamkeit überschießend formulierter Ausschlussfristen machen, die bis zum 31.12.2014 abgeschlossen wurden und keinen Ausschluss des Mindestlohns enthalten, weil grundsätzlich für die AGB-Kontrolle der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgebend ist56. Das LAG Hamburg57 verneint bei Altverträgen mit vertraglicher Verfallklausel, die vor Inkrafttreten des MiLoG abgeschlossen worden sind, einen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und befürwortet in diesen Fällen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine einschränkende, das MiLoG nicht umfassende Auslegung. Dabei stützt sich das LAG auf eine Entscheidung des 8. Senats des BAG vom 20.6.201358. Danach ist eine zwischen den Parteien eines Arbeitsvertrags vereinbarte Ausschlussfrist dahingehend auszulegen, dass sie nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle erfassen soll, ohne ihre Anwendung auch auf die Fälle, die durch zwingende gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt sind, ausdehnen zu wollen. Deshalb hat
55 LAG Hamburg v. 31.1.2018 – 33 Sa 17/17 n. v. 56 BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89 Rz. 22: § 307 BGB läuft auf eine Rechtsgeschäftskontrolle hinaus, welche die formularmäßige Strafabrede zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung prüft. 57 LAG Hamburg v. 31.1.2018 – 33 Sa 17/17 n. v. 58 BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265.
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Klarstellungen der Rechtsprechung zu Ausschlussfristen
das BAG das Fehlen der Verbotsnorm (§ 134 BGB) aus § 202 Abs. 1 BGB, wonach die Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden kann, aus einer vertraglichen Ausschlussfrist durch Auslegung herausgefiltert und auf diese Weise die Ausschlussfrist „gerettet“. Wer als Arbeitgeber bei einem Altvertrag die darin enthaltene Ausschlussfrist absichern will, sollte im Wege einvernehmlicher Vertragsänderung den Versuch unternehmen, die Ausschlussfrist der geltenden Rechtslage anzupassen. Für Arbeitsverträge, die nach dem 31.12.2014 abgeschlossen worden sind oder künftig abgeschlossen werden, sollte zur Vermeidung einer vollständigen Unwirksamkeit der vertraglichen Ausschlussfrist erwogen werden, alle Ansprüche, die ihr nicht unterfallen können, ausdrücklich zu benennen. Ein Vorschlag für eine derartige Ausschlussfrist könnte folgende Formulierung sein: (1) Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung mit Ausnahme der in Abs. 3 genannten Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten gegenüber der anderen Partei in Textform (z. B. E-Mail, Telefax) geltend gemacht werden. Die Versäumung der Ausschlussfrist führt zum Verlust des Anspruchs. Die Ausschlussfrist beginnt, wenn der Anspruch fällig ist und der Anspruchsteller von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. (2) Lehnt die Gegenpartei den Anspruch in Textform ab oder er klärt sich nicht innerhalb von einem Monat nach Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder nach Ablauf der Monatsfrist gerichtlich geltend gemacht wird. (3) Abs. 1 und 2 gelten nicht bei Ansprüchen, bei denen eine Verkürzung der gesetzlichen Verjährung wegen zwingender Regelung in Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung durch arbeitsvertragliche Vereinbarung nicht zulässig ist, insbesondere bei Ansprüchen aus der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit und aus vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen sowie bei Ansprüchen auf Mindestlohn oder Leistungen aus allgemeinverbindlichen Tarifverträgen. Bei diesen Ansprüchen bleibt es bei den allgemeinen Regelungen zur Verjährung und den in Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelten Ausschlussfristen.
Der Unterschied der rechtlichen Beurteilung von vertraglichen Ausschlussfristen in Relation zu einer tariflichen Ausschlussfrist im Hinblick auf § 3 325
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
S. 1 MiLoG wird durch die Entscheidung des 5. Senats des BAG59 vom 20.6.2018 verdeutlicht, bei der es um die Reichweite einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist ging, die von ihrem Wortlaut her auf der 1. Stufe alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, erfasste, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben wurden. Der Fall betraf einen Arbeitnehmer, für den die tarifvertragliche Ausschlussfrist kraft Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags zur Anwendung gelangte und der Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall längere Zeit nach Ablauf der zweimonatigen Ausschlussfrist gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht hatte. Der Arbeitnehmer berief sich im Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung auf die totale Unwirksamkeit der tariflichen Ausschlussfrist, weil sie den Mindestlohnanspruch von ihrem Anwendungsbereich nicht ausnehme. Das BAG konstatiert zunächst in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum60, dass auch tarifvertragliche Ausschlussfristen als Vereinbarungen i. S. von § 3 S. 1 MiLoG zu qualifizieren sind, wonach Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam sind. Dabei beruft sich das BAG auf den Zweck der Norm, der nach der Gesetzesbegründung61 darauf abzielt, den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn umfassend zu sichern, sodass er nur der Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB unterworfen ist. Anknüpfend an diese Feststellung geht das BAG des Weiteren davon aus, dass bereits dem Wortlaut des § 3 S. 1 MiLoG zu entnehmen ist, dass der Verstoß gegen diese Vorschrift nur zur Teilunwirksamkeit der tarifvertraglichen Klausel führt, weil die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeitsfolge allein den gesetzlichen Mindestlohn betrifft. Bei dieser Teilunwirksamkeit verbleibt es im Gegensatz zu einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel, die wegen fehlender Transparenz gesamtunwirksam ist (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB)62, weil Tarifverträge gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGB keiner AGBKontrolle unterliegen. Demzufolge ist eine tarifvertragliche Ausschlussfrist,
59 BAG v. 20.6.2018 – 5 AZR 377/17, NZA 2018, 1494. 60 Vgl. nur ErfK/Franzen, MiLoG § 3 Preis/Ulber, Ausschlussfristen und Mindestlohngesetz S. 46. 61 BT-Drucks. 18/1558 S. 35. 62 BAG v. 18.9.2018 – 9 AZR 162/18 n. v.
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Einwilligung des Arbeitnehmers zur Verarbeitung personenbezogener Daten
die den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn umfasst, insoweit nur teilunwirksam, behält im Übrigen jedoch ihren Bestand. Soweit der Entgeltfortzahlungsanspruch aus § 3 Abs. 1 S. 1 i. V. mit § 4 Abs. 1 EFZG in Rede steht, entnimmt das BAG dem hierfür maßgebenden Entgeltausfallprinzip, dass der Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG als Geldfaktor in die Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs einzustellen ist. Danach hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit das Entgelt zu gewähren, das er ohne den Arbeitsausfall bei Erbringung seiner Arbeitsleistung erhalten hätte. Wenn jedoch der Arbeitnehmer während der Dauer seiner Erkrankung so zu stellen ist, als hätte er gearbeitet, prägt nach Ansicht des BAG der gesetzliche Mindestlohn damit mittelbar auch den Entgeltfortzahlungsanspruch63. In diesem Umfang kann daher die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aufgrund einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist nicht verfallen. Da jedoch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ungeachtet seiner Unabdingbarkeit (§ 12 EFZG) tariflichen Ausschlussfristen unterworfen werden kann, weil damit nicht die Entstehung des Entgeltfortzahlungsanspruchs, sondern nur dessen zeitlicher Bestand betroffen ist64, verfällt der den Mindestlohn übersteigende Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn er nicht fristgerecht geltend gemacht worden ist. In Anbetracht dessen hat das BAG in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen dem Kläger die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. (Boe)
6.
Einwilligung des Arbeitnehmers zur Verarbeitung personenbezogener Daten
In Übereinstimmung mit den Erwägungsgründen 32, 42 f. bestätigt Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten auch dann rechtmäßig ist, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben hat65. Als Einwilligung kennzeichnet dabei Art. 4 Nr. 11 DSGVO jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in 63 Ebenso die h. L.: vgl. nur ErfK/Franzen, MiLoG § 1 Rz. 20 m. w. N. 64 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 Rz. BAG v. 16.1.2002 – 5 AZR 430/00, NZA 2002, 746 Rz. 20. 65 Ausf. zu den Anforderungen und der Problematik einer Einwilligung vgl. Kleinebrink, Grimm/Kühne, ArbRB 2018, 218.
327
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist. Weitergehende Bedingungen und Wirksamkeitsvoraussetzungen hierzu werden über Art. 7 DSGVO hinaus in § 26 Abs. 2, 3 BDSG genannt. Grundlage für die entsprechende Konkretisierung der Anforderungen an eine datenschutzrechtliche Einwilligung ist Art. 88 DSGVO, wobei durchaus umstritten ist, ob entsprechende Rechtsvorschriften zum Schutz personenbezogener Daten auf nationaler Ebene einen strengeren Rechtsrahmen setzen dürfen. Für die betriebliche Praxis stellt sich auch im Anschluss an das Wirksamwerden der DSGVO weiterhin die Frage, ob und ggf. in welchen Fällen die Einwilligung noch ein hilfreiches oder gar notwendiges Mittel ist, um personenbezogene Daten eines Arbeitnehmers im Unternehmen oder Konzern zu verarbeiten. Ausgehend von der Systematik des Art. 6 DSGVO ist dies immer dann der Fall, wenn es keine andere Rechtfertigung gibt. Ist der Arbeitgeber oder ein anderes Konzernunternehmen also bereits kraft Gesetzes, insbesondere § 26 BDSG, oder auf der Grundlage einer Kollektivvereinbarung (z. B. Konzernbetriebsvereinbarung) berechtigt, die personenbezogenen Daten zu verarbeiten, ist die individuelle Einwilligung eines Arbeitnehmers nicht erforderlich. In der Praxis bedeutet dies, dass die Einwilligung im Zweifel nur bei unternehmensübergreifenden Verarbeitungssachverhalten und solchen Fallgestaltungen zur Anwendung kommt, in denen es nicht unmittelbar um die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geht. Beispielsweise sei hier nur die Gewährung von Aktienoptionen der Konzernobergesellschaft oder Regelungen zur Privatnutzung von E-Mail oder Internet genannt. Im Zweifel kann die damit verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten nämlich nicht bereits über § 26 Abs. 1 BDSG gerechtfertigt werden. Wichtig bei der Vorbereitung entsprechender Einwilligungen ist zunächst einmal, dass die formalen Anforderungen beachtet werden. Hierzu gehören unter anderem die Erfordernisse aus Art. 7 DSGVO (Bedingungen für die Einwilligung), Art. 9 Abs. 2 DSGVO (Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten), Art. 13 Abs. 1, 2 lit. e DSGVO (Informationspflicht bei Erhebung von personenbezogenen Daten bei der betroffenen Person), § 26 Abs. 2 BDSG (Aufklärungspflicht und regelmäßige Schriftform) sowie §§ 305 ff. BGB (AGB-Kontrolle). Dabei muss gewährleistet werden, dass die Einwilligung vor dem Beginn der Verarbeitung vorliegt. Eine Rechtfertigung kann die Einwilligung erst bewirken, wenn sie gegenüber dem verarbeitenden Rechtsträger als verantwortlicher Stelle erklärt wurde. 328
Einwilligung des Arbeitnehmers zur Verarbeitung personenbezogener Daten
Die Abgabe muss insoweit auch durch die verantwortliche Stelle nachgewiesen werden (Art. 7 Abs. 1 DSGVO). Erwägungsgrund 155 DSGVO erlaubt ausdrücklich eine Einwilligung auch im Arbeitsverhältnis („Beschäftigungskontext“). Im Mittelpunkt der Diskussion über die Wirksamkeit einer Einwilligung dürfte im Arbeitsverhältnis aber stets die Frage stehen, ob sie tatsächlich freiwillig erteilt wurde. Gemäß § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG sind für die Beurteilung der Freiwilligkeit der Einwilligung insbesondere die im Beschäftigungsverhältnis bestehende Abhängigkeit der beschäftigten Personen sowie die Umstände, unter denen die Einwilligung erteilt worden ist, zu berücksichtigen. Freiwilligkeit kann nach § 26 Abs. 2 S. 2 BDSG insbesondere vorliegen, wenn für die beschäftigte Person ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil erreicht wird oder Arbeitgeber und beschäftigte Person gleichgelagerte Interessen verfolgen. Durch die abstrakt-generelle Anknüpfung an rechtliche oder wirtschaftliche Vorteile wird man auch eine konzernbezogene Verarbeitung als Vorteil einbeziehen können. Dies entspricht Erwägungsgrund 48. Danach können Verantwortliche, die Teil einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Einrichtungen sind, die einer zentralen Stelle zugeordnet sind, ein berechtigtes Interesse haben, personenbezogene Daten innerhalb der Unternehmensgruppe für interne Verwaltungszwecke, einschließlich der Verarbeitung personenbezogener Daten von Kunden und Beschäftigten, zu übermitteln. Wichtig ist, bei der Vorbereitung einer Einwilligung nicht nur die personenbezogenen Daten zu kennzeichnen, in deren Verarbeitung eingewilligt werden soll. Erforderlich ist insbesondere auch, dass die Zwecke, zu denen die Verarbeitung im Interesse des Adressaten der Einwilligung erfolgen soll, in der Einwilligung selbst erkennbar gemacht werden. Das folgt auch aus Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO. Soll die Einwilligung unterschiedliche verantwortliche Stellen berechtigen, die personenbezogenen Daten zu verarbeiten, muss ggf. in Bezug auf die Daten und/oder den Zweck der Verarbeitung nach dem jeweils betroffenen Rechtsträger als verantwortliche Stelle differenziert werden. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber eine Einwilligung vorbereitet, die auch die Verarbeitung durch andere Konzernunternehmen legitimieren soll. Eine solche Verknüpfung ist bei Wahrung der erforderlichen Transparenz zwar möglich. Der Vertretene und das Vertretungsverhältnis müssen angesichts des Schriftformerfordernisses einer Einwilligung aber unmittelbar aus der Urkunde selbst heraus erkennbar sein. Hinsichtlich der Detaillierung entsprechender Feststellungen kann insoweit an die Information nach Art. 12 ff. DSGVO angeknüpft werden. Bei der Erstellung einer Einwilligung ist auch darauf zu achten, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über das Widerrufsrecht nach Art. 7 Abs. 3 329
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
DSGVO in Textform aufzuklären hat (§ 26 Abs. 2, 4 BDSG). Dies muss vor Abgabe der Einwilligung erfolgen. Dabei ist sicherzustellen, dass der Widerruf der Einwilligung so einfach wie die Erteilung der Einwilligung ist (Art. 7 Abs. 3 DSGVO). Wenn in der Einwilligung allerdings auch solche personenbezogenen Daten und/oder Verwendungszwecke genannt werden, bei denen die Verarbeitung durch den Arbeitgeber bzw. den/die weiteren Adressaten der Einwilligung an sich bereits kraft Gesetzes oder Kollektivvereinbarung zulässig ist, muss im Hinweis auf das Recht zum Widerruf und seine Rechtsfolgen deutlich erkennbar werden, dass unabhängig von der Einwilligung bestehende Befugnisse zur Verarbeitung dieser Daten durch den Widerruf nicht verändert werden. Insoweit ist zu vermeiden, dass beim Arbeitnehmer der Eindruck entsteht, dass die Verarbeitung der in der Einwilligung genannten Daten zu den in der Einwilligung genannten Zwecken in Gänze gestoppt wird, sobald der Widerruf gegenüber der verantwortlichen Stelle erklärt wird. (Ga)
7.
Vorzeitige Beendigung der Elternzeit wegen der Geburt eines weiteren Kindes
Elternzeit kann grundsätzlich auch vorzeitig beendet werden. Hierzu bedarf es keiner Zustimmung des Arbeitgebers, wenn die Arbeitnehmerin im Hinblick auf die Geburt eines weiteren Kindes die Schutzfristen des § 3 MuSchG in Anspruch nehmen will; in diesen Fällen soll die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber die Beendigung der Elternzeit rechtzeitig mitteilen (§ 16 Abs. 3 S. 3 BEEG). Im Übrigen bedarf die vorzeitige Beendigung der Elternzeit aber einer Zustimmung des Arbeitgebers (§ 16 Abs. 3 S. 1 BEEG). Diese Zustimmung kann der Arbeitgeber allerdings aus dringenden betrieblichen Gründen innerhalb einer Frist von vier Wochen schriftlich ablehnen, wenn die vorzeitige Beendigung der Elternzeit wegen der Geburt eines weiteren Kindes oder in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei Eintritt einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung, Tod eines Elternteils oder eines Kindes der berechtigten Person oder bei erheblich gefährdender wirtschaftlicher Existenz der Eltern, nach Inanspruchnahme der Elternzeit erfolgen soll (§ 16 Abs. 3 S. 2 BEEG). Mit seinem Urteil vom 8.5.201866 hat das BAG klargestellt, dass die Geburt eines weiteren Kindes keine automatische Beendigung der Elternzeit zur Folge hat. Sie muss nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 BEEG beendet werden, auch um in der Lage zu sein, Elternzeit wegen des weiteren Kindes in An66 BAG v. 8.5.2018 – 9 AZR 8/18, NZA 2018, 1195 Rz. 18 ff., 24.
330
Vorzeitige Beendigung der Elternzeit wegen der Geburt eines weiteren Kindes
spruch zu nehmen. Das Recht auf eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit „wegen der Geburt eines weiteren Kindes“ setzt tatbestandlich voraus, dass das weitere Kind bereits entbunden ist. Die bloße Schwangerschaft rechtfertigt eine Beendigung der Elternzeit nur zur Inanspruchnahme der Mutterschutzfristen des § 3 MuSchG. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Klägerin Elternzeit vom 11.10.2015 bis zum 10.10.2017 beansprucht. Für den Zeitraum vom 12.10.2016 bis zum 10.10.2017 hatten die Parteien eine Teilzeittätigkeit während der Elternzeit in einem Umfang von 24 Wochenstunden vereinbart. Mit Schreiben vom 5.10.2016 beantragte die Klägerin die vorzeitige Beendigung der Elternzeit zum 12.10.2016 aufgrund der bevorstehenden Geburt ihres zweiten Kindes. Die Beklagte lehnte die vorzeitige Beendigung der Elternzeit mit Schreiben vom 4.11.2016 aus betrieblichen Gründen ab. Die Klägerin hielt dies für unzulässig und berief sich auf die vorzeitige Beendigung der Elternzeit, bot ihre Arbeitskraft für eine Vollzeitbeschäftigung an und machte die entsprechende Vergütung geltend. Im Februar 2017 zeigte sie der Beklagten sodann die vorzeitige Beendigung der Elternzeit zum 31.3.2017 mit der Begründung an, dass sie sich ab dem 1.4.2017 in Mutterschutz befinde. Die Geburt des Kindes war für den 12.5.2017 errechnet worden. Das BAG hat die vorzeitige Beendigung vor Eintritt der Mutterschutzfristen mit überzeugender Begründung abgelehnt. Bereits der Wortlaut von § 16 Abs. 3 S. 2 BEEG („wegen der Geburt“) lasse erkennen, dass zunächst einmal die Geburt erfolgen müsse, die im Anschluss daran als Grund für die Beendigung der Elternzeit herangezogen werden könne. Für dieses Verständnis spricht auch die Systematik des Gesetzes. Denn mit der Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung wegen der Geburt des weiteren Kindes soll die Arbeitnehmerin in die Lage versetzt werden, die Elternzeit für beide Kinder nach Möglichkeit ohne Überschneidung zu nehmen. Diese Problematik wird aber erst nach der Geburt des weiteren Kindes relevant. Erst dann gewährleistet die vorzeitige Beendigung der Elternzeit, dass die Arbeitnehmerin die verbleibende Restelternzeit auf die Zeit zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes verschieben kann, zugleich aber nach Ablauf der Mutterschutzfristen Elternzeit für das weitere Kind in Anspruch nehmen kann. Dies bewirkt eine ununterbrochene Freistellung der Arbeitnehmerin, ohne dass dafür gleichzeitig Elternzeit für zwei Kinder verbraucht wird. Für die betriebliche Praxis ist diese Klarstellung des BAG außerordentlich hilfreich. Denn es kommt immer wieder vor, dass Arbeitnehmerinnen wäh331
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
rend der Elternzeit erneut schwanger werden und die Möglichkeit einer Inanspruchnahme von Mutterschutzfristen, Elternzeit und Erholungsurlaub geklärt werden muss67. (Ga)
67 Zur Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit vgl. B. Gaul, AktuellAR 2018, 372 ff.
332
D. Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub 1.
Zulässigkeit und Grenzen der Vereinbarung einer befristeten Arbeitszeiterhöhung
Das BAG hat bereits mit Urteil vom 23.3.20161 entschieden, dass die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen nicht der Befristungskontrolle nach den Vorschriften des TzBfG, sondern der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterliegt. Derartige Befristungsabreden sind nicht Gegenstand einer Befristungskontrolle nach § 14 TzBfG, weil es nicht um die Befristung des gesamten Vertrags geht, sondern nur Elemente daraus befristet umgestaltet werden. Gegenstand der Inhaltskontrolle bei der befristeten Änderung von Arbeitsbedingungen ist regelmäßig nicht die Veränderung des Vertragsinhalts als solche, weil sie die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung als Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis betrifft, sondern nur die zeitliche Einschränkung durch die Befristung2. Da derartige befristete Änderungen einzelner Arbeitsbedingungen nicht ausgehandelt werden, vielmehr vom Arbeitgeber vorformuliert sind, findet nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB der Verbraucherschutz des § 307 BGB auch dann Anwendung, wenn diese Vertragsregelungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte3. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist dabei jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Prüfung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus, die Gegenstand einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist. Für die Beurteilung der Unangemessenheit ist dabei ein vom Einzelfall losgelöster, generel1 2 3
BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 Rz. 41 f. Vgl. nur BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 23; BAG v. 18.1.2006 – 7 AZR 191/05 n. v. (Rz. 28). BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 17; BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229 Rz. 11.
333
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
ler, typisierender Maßstab anzulegen. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sind im Hinblick auf die Beurteilung der Unangemessenheit bei der Inhaltskontrolle eines Verbrauchervertrags auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen4. Wenn auch bei der Befristung einzelner Vertragsbestimmungen für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB weder unmittelbar noch analog die für die Befristung von Arbeitsverträgen geltenden Bestimmungen in §§ 14 ff. TzBfG heranzuziehen sind, weil es nicht um die Befristung des gesamten Arbeitsvertrags geht, sind bei der Angemessenheitskontrolle im Rahmen des § 307 Abs. 1 BGB bei der Interessenabwägung nach Ansicht des BAG5 Umstände, die die Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen können, nicht bedeutungslos. So überwiegt in aller Regel das Interesse des Arbeitgebers an der nur befristeten Erhöhung der Arbeitszeit das Interesse des Arbeitnehmers an ihrer unbefristeten Vereinbarung, wenn insoweit für einen eigenständig befristeten Arbeitsvertrag ein Sachgrund i. S. von § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG vorläge6. Einen Rückgriff auf die Sachgründe des § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG befürwortet das BAG7 allerdings dann, wenn es sich etwa um eine befristete Arbeitszeiterhöhung von erheblichem Umfang handelt, weil sich bei derartiger Sachlage der Änderungsvertrag kaum noch vom Abschluss eines zusätzlichen befristeten Arbeitsvertrags unterscheide, der unmittelbar nach dem TzBfG der Befristungskontrolle unterliegt8. Ausgangspunkt dieser Bewertung bildet dabei die EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG vom 28.6.1999 und die dem TzBfG zugrunde liegende Wertung, dass der unbefristete Vertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme ist9. Von einer Arbeitszeiterhöhung in erheblichem Umfang ist regelmäßig auszugehen, wenn sich das Erhöhungsvolumen auf mindestens 25 % eines entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnisses beläuft10. In diesem Zusammenhang ist außerdem zu bedenken, dass nach einer Entscheidung des 1. Senats 4
BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 21; BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 Rz. 28. 5 Vgl. nur BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 22. 6 BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 22; BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 Rz. 29. 7 BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 23; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40 Rz. 55. 8 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 Rz. 52. 9 BT-Drucks. 14/4374 S. 1, 12. 10 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 Rz. 55.
334
Zulässigkeit und Grenzen der Vereinbarung einer befristeten Arbeitszeiterhöhung
des BAG11 die Erhöhung der Arbeitszeit um mindestens zehn Stunden pro Woche als eine nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung anzusehen ist, wenn sie die Dauer eines Monats überschreitet. Diese Rechtsprechung zur Befristung einer erheblichen Arbeitszeiterhöhung wird vom 7. Senat des BAG in der Entscheidung vom 25.4.201812 erneut bestätigt. Soweit es um die Erheblichkeit der Arbeitszeiterhöhung geht, kommt es allerdings nicht auf die prozentuale Veränderung der individuellen Arbeitszeit an, vielmehr muss das Aufstockungsvolumen von 25 % in Relation zur Vollzeitbeschäftigung erreicht werden. Der vom BAG zu entscheidende Fall betraf eine Verwaltungsangestellte, auf deren Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der MTV Westdeutscher Rundfunk Köln anwendbar war, der eine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden (Vollzeit) vorsah. Der Tarifvertrag gestattete eine zeitlich befristete Teilzeit, die alternativ 40 %, 50 % oder 74,67 % der tarifvertraglichen Arbeitszeit ausmachen konnte. Die Quote von 74,67 % belief sich dabei auf 24,67 % einer entsprechenden Vollzeitbeschäftigung. Die Parteien hatten für die Zeit vom 1.3.2013 bis zum 31.12.2014 ein Arbeitszeitvolumen von 74,67 % der tariflichen Arbeitszeit vereinbart, dessen Verlängerung die Beklagte ablehnte, während die Klägerin an dieser Dauer der Arbeitszeit auch zukünftig festhalten wollte. Gegen die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage auf Fortbestand der erhöhten Arbeitszeit verteidigte sich die Beklagte damit, die Erhöhung ginge auf einen Wunsch der Klägerin zurück und außerdem würde ein Teil der von der Klägerin verrichteten Arbeiten zum 31.12.2014 entfallen. Das LAG Köln13 hat der Klage entsprochen. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos. Zunächst weist das BAG darauf hin, dass die Befristungsabrede der Erhöhung der Arbeitszeit einer Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterliegt, wobei ein genereller, vom Einzelfall losgelöster Maßstab bei der Abwägung der Interessen des Arbeitgebers mit den Interessen eines typischerweise beteiligten Arbeitnehmers vorzunehmen ist. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung geht das BAG im Hinblick auf das Aufstockungsvolumen von nahezu 25 % der Vollzeit von 38,5 Wochenstunden davon aus, dass die von den Parteien vereinbarte Befristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt sein muss. Die Erheblichkeit setzt das BAG bei 25 % der betrieblichen (nicht persönlichen) Normalarbeitszeit an und bezieht sich insoweit auf § 12 TzBfG, wonach bei fehlender Vereinbarung des 11 BAG v. 9.12.2008 – 1 ABR 74/07, NZA-RR 2009, 260 Rz. 19. 12 BAG v. 25.4.2018 – 7 AZR 520/16, NZA 2018, 106 Rz. 39. 13 LAG Köln v. 3.3.2016 – 8 Sa 1060/15 n. v.
335
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Volumens der Abrufarbeit zurzeit noch wöchentlich zehn Stunden (25 % von 40 Stunden) gesetzlich vorgegeben werden. Die im Streitfall aus Praktikabilitätsgründen geringfügige Unterschreitung der 25 % ist dabei nach Ansicht des BAG für die Erheblichkeitsschwelle ohne Bedeutung, weil die Klägerin in Relation zur Vollarbeitszeit des Tarifvertrags 75 % davon arbeitet. Die von der Beklagten vorgetragenen Sachgründe für die zeitliche Befristung der Arbeitszeiterhöhung haben das BAG nicht überzeugen können. Soweit sich die Beklagte auf den Wunsch der Klägerin i. S. von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG berufen hat, wäre dieser Vortrag nur unter der Prämisse gerechtfertigt gewesen, dass der Klägerin alternativ eine unbefristete Erhöhung der Arbeitszeit auf 75 % der Vollarbeitszeit angeboten worden wäre. Der von der Beklagten des Weiteren ins Feld geführte vorübergehende betriebliche Bedarf als Sachgrund nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG war von ihr nicht ausreichend konkretisiert worden. Die Beklagte hätte nämlich die tatsächlichen Grundlagen für die Prognose, dass mit hinreichender Sicherheit nach dem vorgesehenen Ablauf der befristeten Erhöhung der Arbeitszeit im Umfang dieses Volumens kein dauerhafter betrieblicher Beschäftigungsbedarf bestand, im Einzelnen darlegen müssen14, was nicht geschehen war. Da zahlreiche Tarifverträge den Arbeitnehmern im Interesse der Arbeitszeitflexibilisierung nach ihren persönlichen Wünschen die rechtliche Möglichkeit einräumen, zeitlich befristet ihre persönliche Arbeitszeit zu reduzieren oder zu erhöhen, stehen diese Tarifverträge als eigenständige Rechtsgrundlage neben dem am 18.10.2018 vom Bundestag in 2. und 3. Lesung15 verabschiedeten Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts und Einführung einer Brückenteilzeit16, sodass es in der betrieblichen Praxis stets der Prüfung bedarf, auf welche Rechtsgrundlage die vom Arbeitnehmer gewünschte Arbeitszeitveränderung gestützt wird. (Boe)
2.
Schadensersatzanspruch bei Nichterfüllung eines Anspruchs auf Erhöhung der Arbeitszeit
Nach § 9 TzBfG i. d. F. vom 21.12.2000 hat der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt 14 BAG v. 21.3.2017 – 7 AZR 222/15, NZA 2017, 631 Rz. 28; BAG v. 27.7.2016 – 7 AZR 545/14, NZA 2016, 1531 Rz. 17. 15 BR-Drucks. 521/18. 16 BT-Drucks. 19/3452.
336
Schadensersatzanspruch bei Nichterfüllung eines Anspruchs auf Erhöhung der Arbeitszeit
zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen. Ein „entsprechender“ Arbeitsplatz im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn auf dem zu besetzenden freien Arbeitsplatz die gleiche oder eine zumindest vergleichbare Tätigkeit auszuüben ist, wie sie der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer schuldet, der den Wunsch nach der Verlängerung der Arbeitszeit angezeigt hat17. Hinsichtlich Eignung und Qualifikation muss der Teilzeitbeschäftigte den objektiven Anforderungen dieses Arbeitsplatzes genügen. Liegen die Voraussetzungen von § 9 TzBfG zu Gunsten des Arbeitnehmers vor, steht diesem ein einklagbarer Rechtsanspruch auf Erhöhung seiner persönlichen Arbeitszeit durch Vertragsänderung zu, der auf die Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung des Arbeitgebers i. S. von § 894 S. 1 ZPO gerichtet ist, dieses Vertragsänderungsangebot anzunehmen18. §§ 8, 9 TzBfG bezwecken die Flexibilisierung der individuellen Arbeitszeit innerhalb des im Übrigen unverändert bestehenden Arbeitsverhältnisses. Dieser Zweck wird nur erreicht, wenn der Arbeitnehmer einen durchsetzbaren Anspruch gegen den Arbeitgeber auf vertragliche Verlängerung seiner Arbeitszeit hat19. Lässt der Arbeitgeber den berechtigten Wunsch des Arbeitnehmers nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit unberücksichtigt, indem er trotz dessen Eignung den freien Arbeitsplatz endgültig mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt, geht der Anspruch des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers auf Erhöhung seiner Arbeitszeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB unter, da dem Arbeitgeber die Erfüllung der Arbeitszeiterhöhung aus § 9 TzBfG unmöglich wird20. Hat der Arbeitgeber dabei den Untergang des Anspruchs des Arbeitnehmers zu vertreten, steht diesem gemäß § 275 Abs. 4 BGB i. V. mit §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 2, 283 S. 1 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz zu21. Nach Ansicht des BAG22 führt die damit verbundene Naturalrestitution aus § 249 Abs. 1 BGB, wonach der Zustand herzustellen ist, der ohne den zum Einsatz verpflichtenden Umstand bestünde, nicht dazu, dass der Arbeitgeber genötigt wird, mit dem Arbeitnehmer die Verlängerung der Arbeitszeit zu vereinbaren. Vielmehr entnimmt das BAG23 der Wer17 18 19 20 21
BAG v. 8.5.2007 – 9 AZR 874/06, NZA 2007, 1349 Rz. 20. BAG v. 18.7.2017 – 9 AZR 259/16, NZA 2017, 1401 Rz. 15. So bereits BAG v. 8.5.2007 – 9 AZR 874/06, NZA 2007, 1349 Rz. 18. BAG v. 18.7.2017 – 9 AZR 259/16, NZA 2017, 1401 Rz. 17. BAG v. 27.2.2018 – 9 AZR 167/17, NZA 2018, 1075 Rz. 23; BAG v. 18.7.2017 – 9 AZR 259/16, NZA 2017, 1401 Rz. 41. 22 BAG v. 18.7.2017 – 9 AZR 259/16, NZA 2017, 1401 Rz. 41. 23 BAG v. 18.7.2017 – 9 AZR 259/16, NZA 2017, 1401 Rz. 41.
337
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
tung des Gesetzgebers in § 15 Abs. 6 AGG, wonach der Arbeitnehmer bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG grundsätzlich keinen Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg hat, dass der Arbeitgeber weder einen neuen Arbeitsplatz schaffen muss, um das Aufstockungsverlangen erfüllen zu können, noch gehalten ist, zur Schaffung eines freien Arbeitsplatzes Überstunden abbauen zu müssen. Das BAG entnimmt dem § 15 Abs. 6 AGG einen allgemeinen Rechtsgedanken, der den Grundsatz der Naturalrestitution über den Bereich des Diskriminierungsschutzes hinaus einschränkt und den Arbeitnehmer auf einen Schadensersatzanspruch in Geld verweist. Der danach zu leistende Schadensersatz ist auf den finanziellen Ausgleich der Nachteile gerichtet, die der Arbeitnehmer infolge der Stellenbesetzung in kausal-adäquater Weise erleidet24, sodass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach §§ 251 Abs. 1, 252 BGB Ersatz des durch die Nichterhöhung der Arbeitszeit entgangenen Entgelts schuldet. Solange der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine entsprechende Erhöhung seiner Arbeitszeit anbietet, hat der Arbeitgeber die Differenzvergütung zu zahlen. Der Arbeitgeber kann nur durch ein entsprechendes Angebot der Arbeitszeiterhöhung an den Arbeitnehmer seine Schadensersatzpflicht beenden (§ 254 Abs. 1 BGB). Die Frage eines Schadensersatzes wegen angeblicher Nichterfüllung eines Anspruchs auf Erhöhung der Arbeitszeit war auch Gegenstand einer Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 27.2.201825. Der Fall betraf einen Lehrer, der zuletzt in Teilzeit mit 14 Pflichtstunden in der Woche vom beklagten Land beschäftigt wurde. Ein in Vollzeit beschäftigter Lehrer unterrichtete 29 Pflichtstunden in der Woche. Der Kläger zeigte am 21.5.2015 dem Arbeitgeber seinen Wunsch an, in Vollzeit zu arbeiten. Ungeachtet dessen schloss das beklagte Land mit sechs anderen Lehrkräften zeitlich befristete Vollzeitarbeitsverträge zur Vertretung anderer Lehrkräfte ab, ohne den Kläger über diese Stellen zu informieren. Der Kläger hielt das beklagte Land für verpflichtet, ihm wegen eines Verstoßes gegen § 9 TzBfG und die ihm nach § 7 Abs. 2 TzBfG obliegende Informationspflicht, den entgangenen Verdienst in Höhe von 21.322,85 € brutto als Schadensersatz erstatten zu müssen. Das BAG hat die den Zahlungsanspruch abweisende Entschei-
24 BAG v. 18.7.2017 – 9 AZR 259/16, NZA 2017, 1401 Rz. 41; BAG v. 16.9.2008 – 9 AZR 781/07, NZA 2008, 1285 Rz. 49. 25 BAG v. 27.2.2018 – 9 AZR 167/17, NZA 2018, 1075.
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Schadensersatzanspruch bei Nichterfüllung eines Anspruchs auf Erhöhung der Arbeitszeit
dung des LAG Hessen26 bestätigt und die Revision des Klägers zurückgewiesen. Soweit der Kläger seinen Schadensersatzanspruch aus § 9 TzBfG herleiten wollte, weil das beklagte Land durch die Besetzung der Vollzeitstellen seinen Anspruch auf Vertragsänderung vereitelt habe, geht das BAG davon aus, dass dem Kläger zu keinem Zeitpunkt ein entsprechender Anspruch auf Vertragsänderung zugestanden hat. Weder der an das beklagte Land gerichtete Wunsch auf Erhöhung der vertraglichen Arbeitszeit stellt nach Ansicht des BAG ein nach § 9 TzBfG erforderliches und annahmefähiges Vertragsänderungsangebot i. S. von § 145 BGB dar, noch wird der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer seinerseits einen Antrag auf Abschluss eines Arbeitsvertrags mit erhöhter Arbeitszeit zu unterbreiten. Die Pflicht des Arbeitgebers aus § 7 Abs. 2 TzBfG, den Arbeitnehmer über die zu besetzenden Arbeitsplätze zu informieren, kann (muss aber nicht) Veranlassung für den Arbeitnehmer sein, seinerseits ein den Voraussetzungen des § 145 BGB genügendes Vertragsänderungsangebot auf Erhöhung der Arbeitszeit an den Arbeitgeber zu richten. Dabei lassen sich nach Ansicht des BAG aus dem Unterlassen einer an sich gebotenen Information keine anderen Rechtsfolgen herleiten, weil es auch in diesem Fall Sache des Arbeitnehmers sei, dem Arbeitgeber ein Vertragsangebot zu unterbreiten und – soweit keine Einigung zustande käme – den Anspruch auf Erhöhung der Arbeitszeit gerichtlich zu verfolgen. Ein derartiges – auch für einen Schadensersatzanspruch – erforderliches Vertragsangebot hatte der Kläger unterlassen, sodass es auf das zur Unmöglichkeit nach § 9 TzBfG führende Verhalten des beklagten Landes nicht ankam. Überdies weist das BAG im Hinblick auf die noch geltende Rechtslage darauf hin, dass der Kläger seinen bestehenden unbefristeten Arbeitsvertrag durch eine entsprechende Erhöhung seiner wöchentlichen Arbeitszeit ändern wollte, während die vom beklagten Land besetzten Stellen nur befristet zu besetzen waren und damit nur eine vorübergehende Erhöhung der Arbeitszeit des Klägers hätten begründen können, die außerhalb des Regelungsbereichs des § 9 TzBfG liegt. Diese Entscheidung des BAG ist gleichermaßen für die ab dem 1.1.2019 geltende Neufassung des § 9 TzBfG durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts und Einführung einer Brückenteilzeit27 von Bedeutung. Denn die Neuregelung des § 9 TzBfG verändert nicht den für die bisherige Regelung entwickelten Anspruch auf Erhöhung der Arbeitszeit, sondern ver26 LAG Hessen v. 31.1.2017 – 13 Sa 573/16, NZA-RR 2017, 561. 27 BT-Drucks. 19/3452.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
langt nur, dass das Vertragsänderungsangebot des Arbeitnehmers in Textform zu erfolgen hat und der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass kein entsprechender freier Arbeitsplatz vorliegt, der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nicht mindestens gleich geeignet ist wie ein anderer vom Arbeitgeber bevorzugter Bewerber und Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer oder dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. Dabei stellt der Gesetzgeber ergänzend (§ 9 S. 2 TzBfG n. F.) klar, dass ein freier zu besetzender Arbeitsplatz nur dann vorliegt, wenn der Arbeitgeber die Organisationsentscheidung getroffen hat, diesen zu schaffen oder einen unbesetzten Arbeitsplatz neu zu besetzen. (Boe)
3.
Tarifvertragliche Rückzahlungspflicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.3. des Folgejahres
In mehreren Entscheidungen musste sich das BAG28 unter dem Blickwinkel der AGB-Kontrolle mit der Frage beschäftigen, ob ein Arbeitgeber eine Sonderzahlung mit einer Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers verbinden kann, wenn dieser aufgrund einer Eigenkündigung vor einem bestimmten Stichtag aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dabei hat das BAG unterschieden, ob es sich bei der Zahlung des Arbeitgebers um eine reine Gratifikation handelt, die nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft29, oder zugleich eine Vergütung für bereits geleistete Arbeiten vorliegt (Mischcharakter)30. Soweit es um eine Sonderzahlung geht, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung ist, kann diese in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine derartige Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen i. S. des § 307 Abs. 1 BGB, weil sie dem Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB zuwider dem Arbeitnehmer bereits erarbeitetes Entgelt entzieht. Sie verkürzt außerdem nach Ansicht des BAG wegen einer unzulässigen Kündigungserschwerung in nicht zu rechtfertigender Weise die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers. Dies gilt auch dann, wenn der Stichtag noch innerhalb des Bezugsjah28 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 36; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561. 29 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620. 30 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368.
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Tarifvertragliche Rückzahlungspflicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
res liegt und die Sonderzahlung dem Bestand des Arbeitsverhältnisses dient, aber zugleich die Arbeitsleistung abgelten soll, die in dem Zeitraum vor dem Stichtag erbracht wurde. In diesem Fall ist die Sonderzahlung ebenfalls zum Teil Gegenleistung für erbrachte Arbeit31. Davon sind allerdings Sonderzahlungen ausgenommen, die mit einem zu einem bestimmten Stichtag eintretenden Unternehmenserfolg verbunden sind32. Die Rückzahlungsverpflichtung ist jedoch rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer eine Gratifikation zahlt, die ausschließlich an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft33 und nicht (auch) der Vergütung der geleisteten Arbeit dient. In der Entscheidung des 10. Senats des BAG vom 27.6.201834 ging es um die Wirksamkeit einer tarifvertraglichen Rückzahlungsklausel, die vorsah, dass eine vom Arbeitgeber zu gewährende Sonderzahlung vom Arbeitnehmer zurückzuzahlen ist, wenn er in der Zeit bis zum 31.3. des folgenden Jahres aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheidet. Der beklagte Arbeitnehmer war seit mehreren Jahren bei der Klägerin, einem Verkehrsunternehmen, als Busfahrer beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis fand aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme der einschlägige Tarifvertrag Anwendung, der einen Anspruch auf eine bis zum 1.12. zu zahlende Sonderzuwendung vorsah, die auch der Vergütung der geleisteten Arbeit diente. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis im Oktober 2015 zum Ende des Monats Januar 2016. Mit der Vergütung für November 2015 hatte der Beklagte die Sonderzahlung erhalten, die von der Klägerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückverlangt wurde. ArbG und LAG haben der Rückzahlungsklage entsprochen. Das BAG hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Da der beklagte Arbeitnehmer aufgrund einer Eigenkündigung vor dem 31.3. des folgenden Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war, lagen grundsätzlich die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für einen Rückzahlungsanspruch der Klägerin vor. Es ging nun um die Frage, ob die Rückzahlungspflicht an der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf den Tarifvertrag aufgrund einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB scheiterte, weil es sich um eine Sonderzahlung mit Mischcharakter handelte.
31 32 33 34
BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368 Rz. 13. BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368 Rz. 32. BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620 Rz. 8. BAG v. 27.6.2018 – 10 AZR 290/17, NZA 2018, 1344.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Da die Parteien den gesamten Tarifvertrag zum Gegenstand der vertraglichen Bezugnahme gemacht hatten, hat das BAG in Anwendung von § 310 Abs. 4 BGB von einer Inhaltskontrolle Abstand genommen, weil nach dieser Vorschrift Tarifverträge von vornherein der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB entzogen sind. Diese Bewertung des BAG ist überzeugend, weil ansonsten ein Wertungswiderspruch entstünde, wenn die vertraglich in Bezug genommene Rückzahlungsklausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht standhielte. Dann müssten nämlich die tarifgebundenen Arbeitnehmer die Rückzahlung im Falle einer Eigenkündigung auf sich nehmen, während der nur vertraglich gebundene Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel reklamieren könnte und bessergestellt wäre. Angesichts dessen kommt es für die Anwendung von § 310 Abs. 4 S. 3 BGB i. V. mit § 307 Abs. 3 BGB nicht darauf an, aufgrund welcher Regelungstechnik der gesamte Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis maßgebend ist. Vorausgesetzt wird dabei nach Ansicht des BAG allerdings, dass der Tarifvertrag das Arbeitsverhältnis in seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich erfasst. Diese Voraussetzung war im Streitfall gegeben, wobei die These des BAG vor allem dann einleuchtet, wenn es um die Vermeidung von Wertungswidersprüchen geht. Denn die gesetzliche Bereichsausnahme der AGB-Kontrolle gilt für jeden Tarifvertrag. Ob die Tarifvertragsparteien die Rückzahlung einer Jahressonderzahlung vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag im Folgejahr abhängig machen dürfen, unterzieht das BAG einer Prüfung auf der Grundlage der Schutzpflichtfunktion der Art. 3 und 12 GG. Dabei betont das BAG zunächst, dass die Tarifvertragsparteien als Normgeber nicht unmittelbar grundrechtsgebunden sind35, jedoch den Staat die Schutzpflicht trifft, einer Grundrechtsverletzung durch andere Grundrechtsträger entgegenzuwirken. Deshalb muss die Rechtsprechung solchen Tarifregelungen die Durchsetzung verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen oder eine unangemessene Beschränkung eines grundrechtlichen Freiheitsrechts – hier Art. 12 GG – zur Folge haben. Dabei steht jedoch den Tarifvertragsparteien aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG statuierten Tarifautonomie ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung tarifvertraglicher Regelungen zu. Unter dieser Prämisse verneint das BAG einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weil die Differenzierung zwischen Beschäftigten, die bis zum einschließlich 31.3. des Folgejahres ausscheiden, und Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis erst später oder gar nicht endet, noch im Rahmen des Gestaltungsspielraums der 35 Vgl. nur BAG v. 26.4.2017 – 10 AZR 856/15, NZA-RR 2017, 47 Rz. 28.
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Tarifvertragliche Rückzahlungspflicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Tarifvertragsparteien liegt, um eine zukunftsorientierte Bindung der Arbeitnehmer zu erzeugen. Ungeachtet dessen, dass die Rückzahlungsklausel des Tarifvertrags in die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers eingreift, weil der Arbeitnehmer für den Fall einer Kündigung zum Monatsende ohne Verlust der Sonderzahlung erst zum Ablauf des 30.4. des Folgejahres ausscheiden kann und damit einer Bindungswirkung von vier Monaten nach dem Bezugszeitraum unterliegt, hält das BAG den damit verbundenen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG noch für sachlich gerechtfertigt. Dabei lässt sich das BAG unter anderem von der Erwägung leiten, dass es den Tarifvertragsparteien überlassen bleibt, Vorteile in einer Hinsicht mit Zugeständnissen in anderer Hinsicht zu kompensieren. Dies muss vor allem nach Ansicht des BAG für Sonderzuwendungen gelten, bei denen ein Zugeständnis – hier eine Bindungswirkung mit Rückzahlungsvorbehalt – durch einen Vorteil im Entgeltsystem kompensiert wird. Die auf den Bezugszeitraum des Kalenderjahres bezogene Sonderzuwendung wird dabei nicht entwertet, sondern um ein Drittel gestreckt, wobei die Rückzahlungspflicht – so das BAG – allein aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammt. Soweit es um den Rückzahlungsanspruch als solchen geht, betont das BAG zu Recht, dass der tarifvertragliche Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers (hier der Klägerin) erst mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis entstanden ist. Auf den Streitfall bezogen wäre allerdings zu erwägen gewesen, ob die Klägerin nach Ausspruch der Kündigung des Beklagten nach § 242 BGB mit dem dolo-agit-Gegenrecht bereits die Auszahlung der Sonderzuwendung im November des Vorjahres hätte verweigern dürfen, unabhängig davon, dass keine Leistung in Kenntnis einer Nichtschuld i. S. von § 814 BGB vorlag. Im Hinblick auf einen Rückzahlungsanspruch auf der Grundlage einer tarifvertraglichen bzw. vertraglichen Regelung kann sich der Arbeitnehmer nicht mit Erfolg auf eine Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen, weil ein derartiger vertraglicher Anspruch stets Vorrang vor einem solchen aus ungerechtfertigter Bereicherung hat36. (Boe)
36 BAG v. 27.6.2018 – 10 AZR 290/17, NZA 2018, 1344 Rz. 61; BGH v. 17.6.2003 – XI ZR 195/02, NJW 2003, 2451 Rz. 37.
343
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
4.
Wirksamkeit von Stichtagsregelungen zur Differenzierung bei arbeitgeberseitigen Leistungen
In der betrieblichen Praxis wird häufig auf Stichtage zurückgegriffen, um eine Differenzierung zwischen Arbeitnehmergruppen zu rechtfertigen. Anlass sind häufig Einsparnotwendigkeiten, die durch eine Reduzierung des Leistungsvolumens ab einem bestimmten Zeitpunkt oder in Bezug auf Arbeitnehmer, die nach einem Stichtag eingestellt wurden, zur Anwendung kommen sollen. Denkbar ist auch, dass die zu einem Stichtag wirksam werdenden Veränderungen einer veränderten Rechtsprechung oder Gesetzgebung Rechnung tragen sollen. Wie wir an anderer Stelle behandeln, kann der Stichtag auch zum Ziel haben, Arbeitnehmer, die vor Abschluss von Vereinbarungen über das Ob, Was, Wann und Wie einer Betriebsänderung und die damit einhergehenden Regelungen eines Sozialplans durch den Arbeitgeber gekündigt werden, eine Eigenkündigung erklären oder einen Aufhebungsvertrag abschließen37. Mit seinem Urteil vom 24.5.201838 hat der 6. Senat des BAG klargestellt, dass es dem Arbeitgeber – ebenso wie den Betriebsparteien – durch Art. 3 Abs. 1 GG bzw. den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz grundsätzlich nicht verwehrt sei, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl das unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringe. Stichtagsregelungen seien „Typisierungen in der Zeit“. Sie seien aus Gründen der Praktikabilität zur Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich zulässig, wenn sich die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiere und demnach sachlich vertretbar sei39. Dem ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Allerdings ist in der betrieblichen Praxis zu berücksichtigen, dass die Rechtfertigung des Stichtags unter Einbeziehung der sachlichen Gegebenheiten immer auf der Grundlage des Zwecks erfolgen muss, den der Arbeitgeber mit seiner Leistung verfolgt. Von diesem Grundsatz ausgehend hat es das BAG zunächst einmal für zulässig gehalten, Arbeitnehmer von Beihilfen im Krankheitsfall auszuschließen, wenn sie erst nach einem bestimmten Stichtag eingestellt worden seien. Ebenso sei es statthaft, einen noch früheren Stichtag festzulegen, wenn es darum gehe, solche Beihilfen auch im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an Betriebsrentner zu zahlen. 37 B. Gaul, AktuellAR 2018, 487 ff. 38 BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 215/17, NZA 2018, 1432 Rz. 38. 39 So bereits BVerfG v. 27.2.2007 – 1 BvL 10/00, NJW 2007, 1577; BAG v. 13.11.2014 – 6 AZR 1102/12, NZA-RR 2015, 608 Rz. 42.
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Stichtagsregelungen zur Differenzierung bei arbeitgeberseitigen Leistungen
Ungeachtet dieser Zulässigkeit des Stichtags hat es das BAG indes abgelehnt, die einem Betriebsrentner gewährten Beihilfen im Krankheitsfall mit der Begründung zu kürzen, dass vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur noch eine (Alters-)Teilzeit ausgeübt wurde. Eine solche Differenzierung in Bezug auf die Höhe der Beihilfe zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten sei zwar mit Blick auf Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis zulässig. Eine entsprechende Differenzierung im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verstoße aber gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn sie allein damit gerechtfertigt würde, dass zum Zeitpunkt der Beendigung nur noch eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt worden sei. Denn damit werde auf einen Zeitpunkt abgestellt, der nicht repräsentativ für die Frage sei, in welchem Umfang der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber während des Arbeitsverhältnisses seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt habe und deshalb wie ein vergleichbarer aktiver Arbeitnehmer weiterhin Beihilfe erhalten solle. Insofern könne eine Differenzierung wegen einer Teilzeitbeschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis nur dann eine entsprechende Minderung auch nach seiner Beendigung rechtfertigen, wenn diese Teilzeitbeschäftigung die Zeit des aktiven Erwerbslebens geprägt habe. Hiervon ausgehend hat das BAG der Klage, mit der eine ungekürzte Beihilfe entsprechend der Leistung an Vollzeitbeschäftigte geltend gemacht wurde, stattgegeben. Dies war bereits insoweit berechtigt, als nicht erkennbar war, welcher Zeitraum anstelle des letzten Monats durch den Arbeitgeber hätte zum maßgeblichen Bezugszeitraum gemacht werden sollen. Für die betriebliche Praxis folgt daraus, dass eine solche Minderung im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen einer Teilzeitbeschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis an die Voraussetzung geknüpft ist, dass ein repräsentativer Bezugszeitraum und daraus folgend eine Beschäftigungsquote festgelegt wird. Die hier in Rede stehenden Grundsätze des BAG können ohne Weiteres auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung übertragen werden. Auch dort dürfte die Notwendigkeit bestehen, eine Minderung wegen der Teilzeitbeschäftigung nicht bereits dann vorzunehmen, wenn diese erst zum Ende des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden war. Erforderlich ist, einen repräsentativen Bezugszeitraum festzulegen. In vergleichbarer Weise dürfte es geboten sein, bei Sozialplanleistungen, die durch eine Anknüpfung an Gehalt oder eine allgemeine Minderung entsprechend der individuellen Arbeitszeit nur gekürzt an Teilzeitbeschäftigte gewährt werden, Bezugszeiträume festzulegen, die gewährleisten, dass die Teilzeit in angemessener Weise den Lebensstandard geprägt hat, den der Arbeitnehmer als Folge der 345
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Vertragsbeendigung verliert. Dass dabei auf das gesamte Arbeitsverhältnis abgestellt wird, dürfte nicht erforderlich sein. Empfehlenswert erscheint allerdings, Bezugszeiträume zu verwenden, die mindestens fünf Jahre betragen. Teilzeitbeschäftigungen, die als Folge einer Elternzeit wahrgenommen werden, müssen wegen der Gefahr einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts ohnehin durch eine Berücksichtigung der vorangehenden Dauer einer Beschäftigung ausgegrenzt werden. (Ga)
5.
AT-Angestellte: Arbeitsvertraglicher Anspruch auf Einhaltung des tarifvertraglichen Mindestabstands
In vielen Unternehmen, deren Arbeitsbedingungen grundsätzlich durch Regelungen eines Tarifvertrags bestimmt werden, besteht das Bedürfnis, mit einzelnen Arbeitnehmern vom Tarifvertrag abweichende Regelungen zu treffen. Aus Sicht der Beteiligten ist damit eine Begünstigung verbunden. Als sog. AT-Angestellten soll diese Personengruppe insbesondere hinsichtlich des Arbeitsentgelts Leistungen erhalten, die oberhalb der im Tarifvertrag bestimmten Leistungen liegen. In der Regel geht es dabei um ein höheres Monatsgehalt. Der Preis, der arbeitnehmerseitig für diese Besserstellung zu zahlen ist, liegt in der Regel in einer verlängerten Arbeitszeit oder der Abrede, dass etwaige Überstunden bzw. Mehrarbeit mit diesem Gehalt abgegolten sind. Unabhängig von der Frage einer Wirksamkeit entsprechender Klauseln wird dies als Folge der höheren Vergütung im Regelfall hingenommen. Bei der Kennzeichnung von AT-Angestellten muss allerdings zwischen den sog. „geborenen AT-Angestellten“ und den „gekorenen AT-Angestellten“ unterschieden werden: Die geborenen AT-Angestellten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht vom persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags erfasst werden. Wann dies der Fall ist, bestimmt der Tarifvertrag selbst. Vielfach werden Arbeitnehmer, die als leitende Angestellte i. S. des § 5 Abs. 3 BetrVG qualifiziert werden können, ausgegrenzt. Eine Reihe von Tarifverträgen geht allerdings (auch) davon aus, dass Arbeitnehmer, die eine bestimmte (höherwertigere) Tätigkeit verrichten oder auf der Grundlage des Arbeitsvertrags eine bestimmte Vergütungshöhe erreichen, nicht in den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags einbezogen werden. Bei den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie erfolgt dies häufig dadurch, dass ein Mindestabstand zwischen der individuellen, arbeitsvertraglichen Vergütung und der Vergütung, die nach Maßgabe des Tarifvertrags in der höchsten Entgeltgruppe gezahlt werden muss, als Voraussetzung für die Ausgrenzung aus dem persönlichen Geltungsbereich verlangt wird. Werden diese Vorausset346
Arbeitsvertraglicher Anspruch auf Einhaltung des tarifvertraglichen Mindestabstands
zungen erfüllt, kann der hiervon betroffene Arbeitnehmer auch durch eine Mitgliedschaft in der tarifvertragschließenden Gewerkschaft keine gesetzliche Tarifbindung bewirken. Denn das setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis auch in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt. Um einen gekorenen AT-Angestellten handelt es sich hingegen dann, wenn der Arbeitnehmer nach Maßgabe seiner Tätigkeit an sich in den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt, Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber vereinbaren, dass einzelne Arbeitsbedingungen zu Gunsten des Arbeitnehmers abweichend von den tarifvertraglichen Regelungen behandelt werden sollen. In der Regel hat dies – wie vorstehend bereits ausgeführt – ein höheres Gehalt und abweichende Regelungen der Arbeitszeit zur Folge. In den Urteilen des LAG Köln vom 28.4.201640 und des BAG vom 25.4.201841 ging es jetzt allerdings um die Frage, ob durch den Abschluss sog. „AT-Verträge“ die hiervon betroffenen Arbeitnehmer einen Anspruch haben, dauerhaft eine Vergütung zu erhalten, durch die der im Tarifvertrag vorgesehene Mindestabstand für solche Arbeitnehmer, die nicht vom Geltungsbereich des Tarifvertrags erfasst werden, erfüllt wird. Betroffen hiervon waren jeweils Arbeitgeber, die selbst kraft Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband an die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie gebunden waren. In der ersten Entscheidung des BAG hatten die Parteien nach sechs Jahren der Tätigkeit im Jahre 2009 einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen, nach dem der Kläger als „Business-Analyst“ beschäftigt werden sollte. Ausdrücklich vereinbarten die Parteien, dass der Kläger in der Vertragsgruppe A des „Außertariflichen Kreises“ geführt werden sollte. Tarifvertragliche Regelungen, so wurde ergänzend festgelegt, sollten für das Arbeitsverhältnis nicht gelten. Allerdings sollten Leistungen, die arbeitsvertraglich vereinbart wurden, auf etwaige tarifvertragliche Ansprüche zur Anrechnung kommen. Das Einkommen war durch ein Jahreszieleinkommen bestimmt42. In der zweiten Entscheidung des BAG vom 25.4.201843 war der Kläger im Jahre 1993 nach etwa acht Jahren der Betriebszugehörigkeit zum „Mitarbeiter des Führungskreises“ ernannt worden. Nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen sollte an die Stelle der bisher für den Kläger gültigen tarifvertraglichen Regelungen der neue Arbeitsvertrag mit den beigefügten un40 LAG Köln v. 28.4.2016 – 8 Sa 1193/15 n. v. 41 BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 84/17, NZA-RR 2018, 556; BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 85/17 n. v. 42 BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 84/17, NZA-RR 2018, 556 Rz. 2. 43 BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 85/17 n. v. (Rz. 3 ff.).
347
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
ternehmenseinheitlichen „Allgemeinen Vertragsbestandteilen für den Führungskreis“ treten. Im Rahmen einer ergänzenden Betriebsvereinbarung war festgehalten worden, dass im „Außertariflichen Bereich“ die beiden Vertragsgruppen A und B gebildet würden, die als „Mittlerer Führungskreis“ bezeichnet wurden. Im Jahre 1996 wurde der „Führungskreis“ in „ÜTKreis“ umbenannt. Ergänzend hierzu wurde der Kläger in einem Schreiben der Beklagten darauf hingewiesen, dass sich im ÜT-Kreis die für ihn maßgeblichen Änderungen im Wesentlichen aus der Betriebsvereinbarung zum AT-Bereich ergeben würden. Grundlage der Entscheidung des LAG Köln wiederum war ein Arbeitsvertrag, der mit der Überschrift „Anstellungsvertrag (AT)“ versehen war. Im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der arbeitsvertraglichen Tätigkeit hatten die Parteien festgehalten, dass der Kläger zum Kreis der außertariflichen Angestellten gehören sollte. Ein Anspruch auf Leistungen aus Tarifverträgen (Schichtzulagen, Erstattung Kontoführungskosten etc.) sollte nach den Regelungen im Arbeitsvertrag nicht bestehen. Stattdessen hatten die Parteien ein festes Jahresgrundentgelt vereinbart44. In allen Fällen bestanden Tarifverträge, in denen Arbeitnehmer aus dem persönlichen Geltungsbereich ausgegrenzt worden waren, denen auf arbeitsvertraglicher Ebene eine Vergütung zugesagt worden war, die einen bestimmten Prozentsatz aufwies (BAG) oder in einer Gesamtschau regelmäßig (LAG Köln) oberhalb der höchsten tariflichen Entgeltgruppe lag. Die Kläger machten deshalb geltend, dass die arbeitsvertraglichen Regelungen zu ihrer Kennzeichnung als AT-Angestellte einen Anspruch auf eine Vergütung begründeten, mit der jeweils (zeitdynamisch) der tarifliche Mindestabstand gewahrt würde. Das LAG Köln hat der Klage stattgegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte dem Kläger mit Abschluss des Arbeitsvertrags AT nicht nur die darin genannten Aufgaben übertragen, sondern zugleich auch den Status eines außertariflichen Angestellten übertragen habe. Dies beinhalte zugleich die arbeitsvertragliche Zusicherung, diesen Status durch Zahlung einer der Tarifentwicklung und ggf. einer tarifvertraglichen Abstandsklausel entsprechenden außertariflichen Vergütung zu erhalten. Soweit der Tarifvertrag davon spreche, dass Arbeitnehmer aus dem persönlichen Geltungsbereich fielen, die „in einer Gesamtschau“ „regelmäßig“ „geldwerte materielle Arbeitsbedingungen“ erhielten, die oberhalb der höchsten tarif-
44 LAG Köln v. 28.4.2016 – 8 Sa 1193/15 n. v. (Rz. 3).
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Arbeitsvertraglicher Anspruch auf Einhaltung des tarifvertraglichen Mindestabstands
lichen Entgeltgruppe lägen, folge daraus ein Anspruch auf Wahrung eines Mindestabstands in Höhe von 16 %. Auch das BAG hält in seinen Urteilen einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einhaltung des im Tarifvertrag vorgesehenen Mindestabstands für möglich, hat aber in beiden Fällen die Sache zu weiteren Feststellungen an das LAG zurückverwiesen. Auch das BAG geht davon aus, dass in den vorstehend beschriebenen Regelungen in den Arbeitsverträgen der Kläger die Zusage liege, diesen in den „Status eines AT-Angestellten“ zu versetzen. Nach allgemeinem Begriffsverständnis zeichneten sich – so das BAG – außertarifliche Angestellte dadurch aus, dass sie kraft ihrer Tätigkeitsmerkmale oder ihrer Vergütungshöhe nicht mehr unter den persönlichen Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrags fielen. Dabei spiele keine Rolle, ob eine beiderseitige Tarifbindung bestehe. Es genüge, dass das Arbeitsverhältnis an sich vom Geltungsbereich des Tarifvertrags erfasst werde. Außertarifliche Mitarbeiter seien damit regelmäßig Arbeitnehmer, deren Vergütung gerade nicht durch Tarifvertrag geregelt werde, weil ihre Tätigkeit höher zu bewerten sei als die Tätigkeit in der obersten Tarifgruppe. Sie bezögen also eine über die höchste tarifliche Vergütungsgruppe hinausgehende Vergütung. Sinn und Zweck eines AT-Vertrags bestehe deshalb gerade darin, das Arbeitsverhältnis auf eine vom Tarifvertrag losgelöste Grundlage zu stellen. Ausgehend von diesem Begriffsverständnis seien außertarifliche Angestellten solche, die nicht mehr unter den Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrags fielen45. Eine solche Kennzeichnung des AT-Angestellten ist zwar vom Grundsatz her richtig. Sie gibt aber nur wieder, was die Tarifvertragsparteien zur Grundlage ihrer Kennzeichnung des persönlichen Geltungsbereichs gemacht haben. Ob auch die Arbeitsvertragsparteien beabsichtigten, mit der Kennzeichnung eines Arbeitnehmers als AT-Angestellten zugleich die Zusage zu verbinden, ihn wie einen geborenen AT-Angestellten zu behandeln, lässt sich daraus – entgegen den Feststellungen des BAG – nicht erkennen. Denn es könnte ebenso Zweck der vertraglichen Vereinbarung sein, den Arbeitnehmer nur als gekorenen AT-Angestellten in Bezug auf einzelne Arbeitsbedingungen abweichend vom Tarifvertrag zu behandeln, ohne darin auch in Zukunft zwingend eine bestimmte Besserstellung gegenüber dem Tarifvertrag zu garantieren. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass entsprechende Vereinbarungen in der betrieblichen Praxis nicht nur dort getroffen werden, wo es entgeltbezogene tarifvertragliche Mindestabstandsklauseln gibt. Sie werden mit dem gleichen Inhalt und der gleichen Zwecksetzung auch in sol45 BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 84/17, NZA-RR 2018, 556 Rz. 23 f.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
chen Unternehmen getroffen, in denen im Tarifvertrag eine hiervon abweichende Kennzeichnung des persönlichen Geltungsbereichs erfolgt und nur Arbeitnehmer ausgegrenzt werden, die eine bestimmte Tätigkeit verrichten oder als leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG qualifiziert werden. Natürlich beinhaltet die Kennzeichnung eines AT-Vertrags unter diesen Bedingungen nicht auch die Zusage, einen Arbeitnehmer dauerhaft mit einer Tätigkeit bzw. Befugnissen auszustatten, die ihn außerhalb des persönlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrags belassen und eine Qualifikation als leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 BetrVG erlauben. Richtigerweise hat das BAG in beiden Fällen eine Zurückweisung vorgenommen. Es bleibt zu hoffen, dass die Landesarbeitsgerichte bei ihrer Auslegung der arbeitsvertraglichen Regelungen die denkbaren Zielsetzungen der Arbeitsvertragsparteien etwas stärker berücksichtigen. Dass in solchen Fällen deshalb nicht zwingend der Klage stattgegeben werden muss, macht auch das BAG deutlich. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Parteien – so das BAG – mit ihrer Zusage eigentlich nur eine übertarifliche Leistung vereinbaren wollten und deshalb ein vom Tarifvertrag abweichendes Monatsoder Jahresgehalt vereinbart haben. Darin liege dann auch nicht die Zusage, den Arbeitnehmer so zu stellen, dass er nicht in den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt46. Nach der hier vertretenen Auffassung sollte bei der tatrichterlichen Würdigung darüber hinausgehend stärker berücksichtigt werden, dass die Parteien in den hier in Rede stehenden Arbeitsverträgen ausdrücklich vereinbart haben, dass die Tarifverträge nicht zur Anwendung kommen. In einer solchen Vereinbarung liegt nicht nur die Feststellung, dass die dort getroffenen Arbeitsbedingungen für das Arbeitsverhältnis keine Bedeutung haben sollen. Vielmehr liegt darin auch die Vereinbarung, dass Regelungen über die Kennzeichnung des persönlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrags im Rahmen der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses bedeutungslos sind. Dass dies nicht ausschließt, dass der Arbeitnehmer, der vom persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags erfasst wird, für den Fall einer gesetzlichen Tarifbindung auf der Grundlage des in § 4 Abs. 3 TVG geregelten Günstigkeitsprinzips tarifvertragliche Ansprüche geltend macht, bleibt davon unberührt. Denn entsprechende Regelungen zur fehlenden Anwendbarkeit eines Tarifvertrags haben gerade das Ziel, auch die Gehaltszusage unabhängig von einer Entwicklung der Tarifentgelte zu machen. Es erscheint widersinnig, diese Unabhängigkeit vom Tarifvertrag durch einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einhaltung eines Mindestabstands zu konterkarieren. 46 Vgl. BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 85/17 n. v. (Rz. 31 ff.).
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Vergütungspflicht bei Fahrten zur auswärtigen Arbeitsstätte
Unabhängig von dieser Bewertung der abstrakt-generellen Grundsätze in den vorstehend genannten Entscheidungen bleibt der betrieblichen Praxis empfohlen, in den Arbeitsverträgen mit AT-Angestellten noch etwas deutlicher zum Ausdruck zu bringen, dass die vorstehend beschriebene Unabhängigkeit von einer Entwicklung der Tarifentgelte beiderseits gewollt ist. Denkbar ist, dies durch den Hinweis zum Ausdruck zu bringen, dass das vereinbarte Gehalt regelmäßig überprüft und – losgelöst von einer Entwicklung der Tarifentgelte – über eine etwaige Erhöhung entschieden wird. Wenn auch dies nicht ausreichend klar erscheint, könnte ergänzend dazu festgehalten werden, dass kein Anspruch auf eine Anpassung entsprechend der Entwicklung der Tarifentgelte besteht. Ebenso könnte – ggf. in einer Präambel – das Einvernehmen darüber zum Ausdruck gebracht werden, dass der Arbeitnehmer zwar vom Geltungsbereich des Tarifvertrags erfasst wird, aber hiervon abweichende und völlig eigenständige Regelungen zur Arbeitszeit und zum Arbeitsentgelt gelten sollen. Da der Begriff einer über- und außertariflichen Vergütung in der betrieblichen Praxis häufig nicht konsistent in der vom BAG beschriebenen Weise verwendet wird, erscheint die Möglichkeit, den Arbeitsvertrag insgesamt als „ÜT-Vertrag“ zu kennzeichnen, nicht ausreichend klar. (Ga)
6.
Vergütungspflicht bei Fahrten zur auswärtigen Arbeitsstätte
In seinem Urteil vom 6.9.201547 hatte sich der EuGH mit der Frage befasst, ob Fahrten, mit denen der Arbeitnehmer vom Wohnort aus den ersten Kunden erreicht, ebenso wie entsprechende Rückfahrten als Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne zu qualifizieren sind. Grundlage war dabei der Begriff der Arbeitszeit, wie er durch Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2003/88/EG bestimmt wird. Wir hatten darüber berichtet48. In dem Urteil vom 25.4.201849 ging es nun um die Frage, ob und inwieweit solche Fahrten auch vergütungsrechtlich als Arbeitszeit zu behandeln waren. Der Kläger des der Entscheidung zugrunde liegenden Falls war als Aufzugsmonteur im Außendienst eingesetzt. Der Arbeitgeber hatte ihm einen Dienstwagen, in dem auch das Werkzeug und Ersatzteile transportiert wurden, mit dem Recht zur Privatnutzung überlassen. Obwohl arbeitgeberseitig
47 EuGH v. 10.9.2015 – C-266/14, NZA 2015, 992 Rz. 48 – Federación de Servicios Privados. 48 B. Gaul, AktuellAR 2016, 409 ff. 49 BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17, NZA 2018, 1211.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
keine bestimmten Vorgaben für die Fahrtrouten gemacht wurden, war es üblich, dass der Kläger den ersten Kunden bereits von seiner Wohnung aus anfuhr und auch direkt zur Wohnung zurückkehrte, nachdem die Arbeit beim letzten Kunden beendet war. Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, dass – abweichend von der arbeitgeberseitigen Handhabe – auch diese Fahrten zur ersten Arbeitsstätte und die Rückfahrten von der letzten Arbeitsstätte wie Arbeitszeit zu vergüten seien. Für die Zeit vom Dezember 2015 bis November 2016 ergäben sich daher insgesamt 278 Überstunden, die auf der Grundlage einer Stundenvergütung in Höhe von 35,20 € zu bezahlen seien. Dass der Arbeitgeber zwar auf der Grundlage des Tarifvertrags eine Nahauslösung gezahlt habe, könne zwar angerechnet werden. Der durch § 611 BGB gewährleistete Anspruch auf Bezahlung der Arbeitszeit werde damit aber nicht erfüllt. Das BAG hat zwar die klageabweisende Entscheidung mit einer überzeugenden Begründung bestätigt. Es hat allerdings deutlich gemacht, dass zu den „versprochenen Diensten“ i. S. des § 611 BGB nicht nur die eigentliche (arbeitsvertraglich geschuldete) Tätigkeit gehöre, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhänge. Der Arbeitgeber verspreche die Vergütung für alle Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlange. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste i. S. des § 611 Abs. 1 BGB sei deshalb jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses diene50. Zwar erbringe der Arbeitnehmer mit der – eigennützigen – Zurücklegung des Wegs von der Wohnung zur Arbeitsstelle und zurück grundsätzlich keine Arbeit für den Arbeitgeber. Sie muss deshalb auch nicht bezahlt werden. Anders sei es jedoch, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb des Betriebs zu erbringen habe. In diesem Fall gehöre das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten, weil das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit darauf gerichtet sei, verschiedene Kunden aufzusuchen sei es, um dort – wie im Streitfall – Dienstleistungen zu erbringen, um Geschäfte für den Arbeitgeber zu vermitteln oder abzuschließen. Dazu gehöre zwingend die jeweilige Anreise. Nicht nur die Fahrten zwischen den Kunden, auch die zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück bildeten deshalb mit der übrigen Tätigkeit eine Einheit und seien insgesamt die Dienstleistung i. S. der §§ 611, 612 BGB. Das sei – so 50 BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17, NZA 2018, 1211 Rz. 17; BAG v. 6.9.2017 – 5 AZR 382/16, NZA 2018, 180 Rz. 12.
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das BAG – unabhängig davon, ob Fahrtantritt und -ende vom Betrieb des Arbeitgebers oder von der Wohnung des Arbeitnehmers aus erfolgten. Dies gelte erst recht, wenn der Arbeitnehmer bei An- und Abreise ein Fahrzeug mit den für die auswärtige Tätigkeit erforderlichen Werkzeugen, Ersatzteilen und Ähnlichem führen müsse51. Diese Kennzeichnung entsprechender Fahrtzeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit entspricht der arbeitsschutzrechtlichen Kennzeichnung. Wichtig für die betriebliche Praxis ist allerdings, dass es – anders als im Arbeitsschutzrecht – möglich ist, in Bezug auf die Vergütungspflicht eine von diesem Grundsatz abweichende Vereinbarung zu treffen. Grundlage hierfür sind in der Regel der Arbeitsvertrag oder ein Tarifvertrag. Auch Betriebsvereinbarungen können an sich entsprechende Regelungen treffen, müssen aber § 77 Abs. 3 BetrVG beachten. Zu Recht verweist das BAG insoweit auch auf seine Rechtsprechung zu den Umkleidezeiten und den umkleidebedingten Wegezeiten52. Eine entsprechende Vereinbarung ist auch mit dem Unionsrecht vereinbar. Denn die zur Arbeitszeit in Richtlinie 2003/88/EG getroffenen Feststellungen haben für die Vergütung des Arbeitnehmers keine Bedeutung53. Es genügt, dass die auf nationaler Ebene bestehenden Schranken für etwaige Vereinbarungen zur Vergütung im Arbeitsverhältnis beachtet werden. Dazu gehört vor allem das MiLoG. Vorliegend hatten die Parteien mit dem Tarifvertrag über die Nahauslösung eine solche abweichende Vereinbarung getroffen, die auch für das Arbeitsverhältnis verbindlich war. Danach war der Arbeitgeber zwar verpflichtet, für die streitgegenständlichen Fahrten von der Wohnung zum ersten Kunden des Arbeitstags und vom letzten Kunden zurück eine Nahauslösung zu zahlen. Weitergehende Vergütungsansprüche wurden damit aber ausgeschlossen. (Ga)
7.
Vergütung von Reisezeit bei Auslandsentsendung
Als Dienstreise werden typischerweise solche Reisetätigkeiten bezeichnet, die ein Arbeitnehmer „aus beruflichen Gründen“ außerhalb seiner normalen Arbeitsstätte vorübergehend tätigt, wie z. B. Fahrten zu Ausstellungen, Mes-
51 BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17, NZA 2018, 1211 Rz. 18; BAG v. 22.4.2009 – 5 AZR 292/08, NZA-RR 2010, 231 Rz. 13 ff. 52 BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17, NZA 2018, 1211 Rz. 19; BAG v. 6.9.2017 – 5 AZR 382/16, NZA 2018, 180 Rz. 23. 53 EuGH v. 10.9.2015 – C-266/14, NZA 2015, 992 Rz. 48 – Federación de Servicios Privados.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
sen, Tagungsorten, Lehrgängen oder Meetings54. Dazu können Reisen ins Inland ebenso wie Auslandsreisen gehören. Auf die Dauer dieser vorübergehenden Tätigkeit außerhalb der Betriebsstätte kommt es grundsätzlich nicht an. Lässt man die Frage der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung entsprechender Reisezeiten ins Ausland, die wir an anderer Stelle behandelt haben55, hier einmal unberücksichtigt, steht die Praxis immer wieder vor der Frage, ob und ggf. in welchem Umfang solche Reisezeiten zu vergüten sind. In seiner bisherigen Rechtsprechung knüpft das BAG die Frage der Vergütungspflicht an die Leistung der nach § 611 Abs. 1 BGB versprochenen Dienste, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt (vgl. § 106 GewO)56. Jede Tätigkeit, die auf Weisung oder im Interesse des Arbeitgebers ausgeführt werde und der Befriedigung des unternehmerischen Bedürfnisses diene, sei vergütungspflichtige Arbeitszeit57. Ausgehend davon, dass es dem Arbeitnehmer zunächst einmal obliegt, den Arbeitsplatz von der Wohnung aus zu erreichen, ist die tägliche Anfahrt von der Wohnung zur Arbeitsstelle und zurück noch keine im Synallagma zur sonstigen Tätigkeit stehende Arbeitszeit und löst deshalb auch keine Vergütungspflicht aus58. Etwas anderes kann dann gelten, wie wir mit Blick auf das Urteil des BAG vom 25.4.201859 an anderer Stelle aufgezeigt haben60, wenn der Arbeitnehmer von der Wohnung aus direkt Kunden besucht oder von dort aus wieder zurück zur Wohnung fährt. In Abhängigkeit von der arbeitsvertraglichen Tätigkeit kann das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle nämlich zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten gehören61. Das gilt nach den Feststellungen des BAG unabhängig davon, ob Fahrtantritt und -ende vom Betrieb oder von der Woh-
54 55 56 57 58 59 60 61
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St. Rspr. seit BAG v. 22.2.1978 – 4 AZR 579/76, DB 1978, 1284 Rz. 9 f.; vgl. auch BAG v. 11.7.2006 – 9 AZR 519/05, NZA 2007, 155 Rz. 13 f.; BAG v. 23.7.1996 – 1 ABR 17/96, NZA 1997, 216 Rz. 29. B. Gaul/Kriebel Volk, AktuellAR 2018, 519 ff. BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17, NZA 2018, 1211 Rz. 16; BAG v. 26.10.2016 – 5 AZR 226/16 n. v. (Rz. 22). Vgl. BAG v. 6.9.2017 – 5 AZR 382/16, NZA 2018, 180 Rz. 12; BAG v. 26.10.2016 – 5 AZR 168/18, NZA 2017, 323 Rz. 10; BAG v. 8.12.1960 – 5 AZR 304/58, DB 1961, 242. BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 678/11, NZA-RR 2013, 63 Rz. 23; HWK/Thüsing, BGB § 611 a Rz. 483. BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17, NZA 2018, 1211. B. Gaul, AktuellAR 2018, 351 ff. Vgl. BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17, NZA 2018, 1211 Rz. 18.
Vergütung von Reisezeit bei Auslandsentsendung
nung des Arbeitnehmers aus erfolgen62 und in jedem Fall dann, wenn der Arbeitnehmer zur Leistung der auswärtigen Tätigkeit ein Fahrzeug mit den zur Montage erforderlichen Werkzeugen führen muss63. Für Montagemitarbeiter wie auch für Außendienstler gehöre es zu ihren vergütungspflichtigen Hauptleistungen, ohne festen Arbeitsort an verschiedenen Orten tätig zu sein64. Außerhalb solcher Fallgestaltungen wurde bislang nur die Reisezeit vergütet, innerhalb derer Arbeit erledigt wurde oder in der der Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers mit dem Auto angereist ist und dieses gefahren hat65. Reisezeit sei nur dann als Arbeitszeit einzuordnen, wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeit im Interesse des Arbeitgebers tätig wurde66. Das bloße Reisen, während dessen der Arbeitnehmer keine dienstlichen Aufgaben habe und auch das Verkehrsmittel nicht selbst steuern müsse, stelle keine vergütungspflichtige Arbeitszeit dar. Das gelte auch dann, wenn der Arbeitgeber zwar die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel anordne, aber während der Fahrt keine Aufgaben erledigt würden67. In seinem Urteil vom 17.10.201868 hat das BAG nun entschieden, dass Reisen zu einer im Ausland gelegenen Arbeitsstätte, zu der der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entsende, hiervon abweichend auf dem Hin- und Rückweg grundsätzlich wie Arbeitszeit vergütet werden müssten, wenn keine abweichende Vereinbarung getroffen wird. Konkret ging es um einen technischen Mitarbeiter, der arbeitsvertraglich verpflichtet war, auf Baustellen im In- und Ausland tätig zu werden. Grundlage war ein gesonderter Entsendevertrag, der neben dem eigentlichen (in dieser Zeit ruhenden) Arbeitsvertrag für die Dauer der Auslandstätigkeit abgeschlossen wurde. Vom 10.8.2015 bis zum 30.10.2015 war er durch den Arbeitgeber auf eine Baustelle nach China entsandt worden. Diese Reise hatte er aber nicht, wie vom Arbeitgeber ursprünglich geplant, in einem Direktflug von Frankfurt nach Shanghai durchgeführt. Vielmehr war er in der Business-Class über Dubai geflogen, hatte dort eine Nacht verbracht und war deshalb auf dem Hin- und Rückweg jeweils deutlich länger unterwegs. 62 63 64 65 66 67 68
BAG v. 22.4.2009 – 5 AZR 292/08, NZA-RR 2010, 231 Rz. 15. Vgl. BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17, NZA 2018, 1211 Rz. 18. BAG v. 22.4.2009 – 5 AZR 292/08, NZA-RR 2010, 231. Vgl. BAG v. 26.10.2016 – 5 AZR 226/16 n. v. (Rz. 22); BAG v. 23.7.1996 – 1 ABR 17/96, NZA 1997, 216 Rz. 29 f. BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17, NZA 2018, 1211 Rz. 18. HWK/Thüsing, BGB § 611 a Rz. 484; Hunold, NZA 2006, 38. BAG v. 17.10.2018 – 5 AZR 553/17 n. v.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Da es aber dem Kläger – so die Beklagte – deutlich wichtiger gewesen sei, in der Business-Class zu reisen, anstatt einen erheblich geringeren Zeitaufwand im Rahmen des Direktflugs zu veranlassen, sei es ihr bei erkennbarer Kostenneutralität der Reise über Dubai gleichgültig gewesen, welche Buchungsklasse und welchen Zeitraum dies in Anspruch nehme. Sie habe deshalb der veränderten Buchung zugestimmt und diese veranlasst. Von diesem Sachverhalt ausgehend vergütete der Arbeitgeber die vier Reisetage jeweils nur mit der vertraglich vereinbarten Vergütung für acht Stunden à 35,92 €, insgesamt 1.149,44 €. Der Kläger meinte, dass diese Vergütung nicht ausreichend sei. Er verlangte eine Vergütung für weitere 37 Stunden als zuschlagspflichtige Überstunden mit der Begründung, dass die gesamte Reisezeit von seiner Wohnung bis zur Arbeitsstelle und zurück wie Arbeit zu vergüten sei. Gearbeitet hatte er während der Reise zu keinem Zeitpunkt. Dieser Sichtweise ist das BAG nicht gefolgt. Abweichend von der klagestattgebenden Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz ist der 5. Senat des BAG davon ausgegangen, dass dem Kläger zwar die Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück wie Arbeitszeit vergütet werden müssten. Denn er sei insoweit ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers tätig gewesen. Erforderlich sei aber grundsätzlich nur die Reisezeit, die bei einem Flug in der Economy-Class anfalle. Eine abschließende Entscheidung hat das BAG hierzu indes nicht getroffen, sondern die Sache wegen notwendiger Feststellungen zur Erforderlichkeit der Reisezeiten zurückverwiesen. Wichtig für den hier zur Entscheidung stehenden Fall ist zunächst einmal, dass die Regelungen zur Dauer der Arbeitszeit in Richtlinie 2003/88/EG für die Vergütung keine Bedeutung haben. Sie betreffen den Arbeitsschutz und damit die Frage, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer berechtigterweise veranlassen darf, in einer bestimmten Weise für eine bestimmte Dauer tätig zu werden. Wie der EuGH in seinem Urteil vom 10.9.201569 in Bezug auf einen Montagemitarbeiter in Spanien deutlich gemacht hat, ist das Unionsrecht für die Vergütung innerhalb des Arbeitsverhältnisses ohne Bedeutung. Insoweit kommt auch ein Rückgriff auf die Rechtsprechung des EuGH und seine Überlegungen zur Kennzeichnung der Arbeitszeit i. S. der Richtlinie 2003/88/EG nicht in Betracht. Die Regelungen in Art. 2 Richtlinie 2003/88/EG bestimmen, ob die Reisezeiten als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne zu qualifizieren und deshalb bei Überschreiten der Höchstarbeitszeit in § 3 ArbZG eingestellt werden müssen, falls nicht auf
69
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EuGH v. 10.9.2015 – C-266/14, NZA 2015, 992 Rz. 47 f. – Federación de Servicios Privados.
Vergütung von Reisezeit bei Auslandsentsendung
der Grundlage von §§ 7, 15 ArbZG hiervon abweichende Regelungen durch Kollektivvereinbarung oder behördliche Erlaubnis getroffen wurden. Maßgeblich war damit, welche Regelungen zur Vergütung im konkreten Fall getroffen worden waren. Dabei war wesentlich, dass im Entsendevertrag keine ausdrückliche Vereinbarung zur Vergütung von Reisezeiten enthalten war. Vielmehr waren die allgemeinen Regelungen maßgeblich, wie sie durch den Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem Rahmentarifvertrag für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes (RTV-Bau), der kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit Geltung beanspruchte, bestimmt wurden. In § 7 RTV-Bau war auszugsweise geregelt worden: 4.3 An- und Abreise Der Arbeitgeber hat den Angestellten kostenlos zur Arbeitsstelle zu befördern oder ihm die Fahrtkosten in Höhe von 0,20 € je gefahrenem Kilometer ohne Begrenzung zu erstatten. Das gilt auch für den unmittelbaren Wechsel zu einer anderen Arbeitsstelle und für die Rückfahrt zu seiner Wohnung nach Beendigung der Tätigkeit auf der Arbeitsstelle. Im Übrigen gilt Nr. 3.1. In diesen Fällen hat der Angestellte für die erforderliche Zeit Anspruch auf Fortzahlung seines Gehalts ohne jeden Zuschlag.
Auch wenn die Tarifvertragsparteien möglicherweise keine Auslandsentsendung im Auge hatten, als sie in § 7 RTV-Bau bestimmten, dass der Arbeitnehmer sowohl im Büro als auch auf allen Bau- oder sonstigen Arbeitsstellen des Betriebes eingesetzt werden kann, auch wenn er diese von seiner Wohnung aus nicht an jedem Arbeitstag erreichen kann, wird man darin ohne weitergehende Einschränkung der Tarifvertragsparteien auch eine Regelung sehen müssen, die den Auslandseinsatz erfasst. Dies gilt ebenfalls für eine An- und Abreise mit dem Flugzeug, das schon durch das LAG Rheinland-Pfalz als öffentliches Verkehrsmittel qualifiziert worden ist. Die weitergehenden Voraussetzungen, nach denen der Einsatzort mindestens 50 km vom Betrieb entfernt sein und der Zeitaufwand für eine An- und Abreise von der Wohnung des Arbeitnehmers mehr als 1 ¼ Stunden betragen musste, waren erfüllt. Hiervon ausgehend erscheint es berechtigt, wenn ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Vergütung, allerdings ohne etwaige Zuschläge, anerkannt wird, soweit die Reisezeit auch erforderlich war. Im Zweifel ist dies die kürzeste Reisezeit, unabhängig davon, ob die Reise mit dem Auto, der Bahn oder dem Flugzeug durchgeführt wird. Richtigerweise berücksichtigt das BAG dabei auch solche Reisen, die in der Economy-Class durchgeführt werden.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Richtigerweise ist das BAG damit der Auffassung des LAG Rheinland-Pfalz nicht gefolgt, nach der vorliegend auch der zeitliche Mehraufwand der Reise über Dubai hätte bezahlt werden sollen. Zwar diene das Kriterium der Erforderlichkeit einer Ausgrenzung von Reisezeiten, die durch nicht nachvollziehbare Umwege, überflüssige Unterbrechungen oder Ähnliches ausgelöst würden. Davon sei allerdings – so noch das LAG Rheinland-Pfalz – vorliegend nicht auszugehen, nachdem die Beklagte selbst die Reise gebucht habe. Denn damit habe sie selbst, wenn auch auf Anregung des Klägers, den Reiseverlauf bestimmt. Daher komme es nur noch auf die Zeitspanne an, die der Kläger tatsächlich gebraucht habe. Diese Sichtweise des LAG Rheinland-Pfalz konnte nicht überzeugen, wenn man sich vor Augen führt, dass der Arbeitgeber dieser Verlängerung der Reisezeit nur auf besonderen Wunsch des Klägers zugestimmt hatte, damit dieser in der Business-Class reisen konnte. Es bleibt abzuwarten, ob die vollständige Entscheidung, die derzeit erst als Pressemitteilung verfügbar ist, weitergehende Feststellungen des BAG hierzu enthält. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass die Frage der Vergütung solcher Reisezeiten einer vertraglichen Vereinbarung zugänglich ist. Darauf hatte auch das LAG Rheinland-Pfalz hingewiesen, eine solche Vereinbarung aber nur in Bezug auf den Ausschluss der Überstundenzuschläge angenommen. Denn durch Arbeits- und Tarifvertrag können besondere Vergütungsregelungen für andere als die primär geschuldete Tätigkeit und damit auch für Fahrten der vorliegenden Art getroffen werden70. Diese gelten auch bei Entsendungen ins Ausland71. Voraussetzung ist allerdings, dass allgemeine Schranken aus §§ 1 f. MiLoG und – soweit arbeitsvertragliche Regelungen in Rede stehen – aus zwingenden Vorgaben eines kraft Gesetzes oder Allgemeinverbindlichkeit maßgeblichen Tarifvertrags beachtet werden. Fehlen abweichende Regelungen, riskiert der Arbeitgeber nach dieser Entscheidung des BAG vom 17.10.201872, dass Reisezeiten auch ohne tatsächliche Arbeit – also auch solche, in denen der Arbeitnehmer schläft – wie Arbeit zu vergüten sind. (Ga/Kr)
70 71 72
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BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17, NZA 2018, 1211 Rz. 18; BAG v. 26.10.2016 – 5 AZR 226/16 n. v. (Rz. 23); zu Umkleide- und umkleidebedingten innerbetrieblichen Wegezeiten vgl. BAG v. 6.9.2017 – 5 AZR 382/16, NZA 2018, 180 Rz. 23. LAG Rheinland-Pfalz v. 13.7.2017 – 2 Sa 468/16, AE 2018, 23 Rz. 27 ff. Vgl. BAG v. 17.10.2018 – 5 AZR 553/17 n. v.
Schadenspauschale bei verspäteter Entgeltzahlung des Arbeitgebers
8.
Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer Schadenspauschale bei verspäteter Entgeltzahlung des Arbeitgebers
Nach § 288 Abs. 5 S. 1 BGB hat der Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale von 40 €. Nach S. 3 dieser Vorschrift ist diese Pauschale auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist. Diese durch das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr vom 22.7.201473 ab dem 29.7.2014 eingeführte Regelung verdankt ihre Entstehung der Richtlinie 2011/7/EU (Zahlungsverzugsrichtlinie) vom 16.2.201174. Im Gegensatz zu Art. 1 Richtlinie 2011/7/EU, deren Gegenstand und Anwendungsbereich der Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr, d. h. zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, zu dienen bestimmt ist und in Art. 6 eine Entschädigung für Beitreibungskosten von mindestens 40 € vorsieht, hat der deutsche Gesetzgeber über die Richtlinie hinausgehend75 auch dem Verbraucher gegenüber einem Unternehmen (Nichtverbraucher) die Verzugspauschale von 40 € unabhängig davon zugestanden, ob tatsächlich ein entsprechender Schaden entstanden ist. Bislang war umstritten76 und höchstrichterlich nicht entschieden, ob Arbeitnehmern ein Anspruch auf die Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 S. 1 BGB zusteht, was bei isolierter Betrachtung dieser Vorschrift durchaus angenommen werden kann. Allerdings sieht § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges ausdrücklich vor, dass kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands besteht. Das BAG77 hat bereits 1960 zur Vorläuferbestimmung in § 61 Abs. 1 S. 2 ArbGG 1953 entschieden, dass diese Vorschrift auch materiell-rechtliche Wirkung entfaltet und nicht nur den pro-
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BGBl. I 2014, 1218. ABl. EU 2011, L 48, 1. BT-Drucks. 18/1309 S. 19 zu lit c. Nur ErfK/Koch, ArbGG § 12 a Rz. 1; Diller, NZA 2015, 1095; Lembke, NZA 2016, 1501; Ulrici, jurisPR-ArbR 16/2017 Anm. 5; Weigert, NZA-RR 2017, 337; Witschen/Röleke, NJW 2017, 1702, 1705. 77 BAG v. 30.4.1992 – 8 AZR 288/91, NZA 1992, 1101 Rz. 15; BAG v. 23.9.1960 – 5 AZR 258/59, DB 1960, 1508 Ls. 3.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
zessualen Kostenerstattungsanspruch einschränkt. Maßgebend dafür war die Erwägung, dass abhängige Arbeitnehmer – eben wegen ihrer oft gegebenen wirtschaftlichen Schwäche – auch dann, wenn sie im Arbeitsgerichtsprozess unterliegen, nicht mit den in § 61 Abs. 1 S. 2 ArbGG genannten Kosten überzogen werden können. Damit wird vermieden, dass sie in künftigen Fällen, bei denen berechtigte und lebensnotwendige Ansprüche auf dem Spiel stehen, den Prozess scheuen. Aus Gründen der durch das Wesen einer jeden Gerichtsbarkeit gebotenen Gleichbehandlung gilt diese Vorschrift auch für den Arbeitgeber oder eine sonstige Partei, die vor den Arbeitsgerichten unterliegt. Letzten Endes ist das dann aber nichts anderes als eine durch soziale Gesichtspunkte und durch soziale Rücksichtnahme gebotene Pflicht, die, wie die erörterte aus §§ 242, 254 Abs. 2 S. 1 BGB, nicht nur für den prozessualen Erstattungsanspruch kraft richterlichen Kostenspruchs, sondern auch für den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch deshalb gelten muss, weil sozialwidriges Verhalten mit § 242 BGB unvereinbar ist.
Diesen Begründungsansatz hat das BAG 199278 wiederholt und ausgeführt: § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG schließt jeden „Anspruch der obsiegenden Partei“ „auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten“ aus. Damit ist bereits dem Wortlaut nach jeder Kostenerstattungsanspruch unabhängig von seiner Anspruchsgrundlage und folglich auch ein materiell-rechtlich begründeter Kostenerstattungsanspruch entsprechend gemindert. Der Normzweck der „Verbilligung“ des erstinstanzlichen Verfahrens vor Gerichten für Arbeitssachen erfordert den Ausschluss prozess- und materiell-rechtlicher Kostenerstattungsansprüche. Andernfalls würden die auszugleichenden Kosten nicht wirksam gesenkt.
Das Verhältnis von § 288 Abs. 5 S. 1, 3 BGB zu § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG ist dem deutschen Gesetzgeber offenbar nicht bewusst geworden, weil er es in der Regierungsbegründung mit keinem Wort erwähnt. Im Gegensatz zu einigen Arbeitsgerichten79 haben sich die Landesarbeitsgerichte80 78 BAG v. 30.4.1992 – 8 AZR 288/91, NZA 1992, 1101. 79 ArbG Düsseldorf v. 13.1.2017 – 14 Ca 3558/16 n. v.; ArbG Nürnberg v. 11.11.2016 – 12 Ca 6016/15, NZA-RR 2017, 185; ArbG Düsseldorf v. 12.5.2016 – 2 Ca 5416/15 n. v. 80 Vgl. nur LAG Niedersachsen v. 20.4.2017 – 5 Sa 1263/16, AE 2017, 105; LAG BerlinBrandenburg v. 22.3.2017 – 15 Sa 1992/16 n. v.; LAG Köln v. 22.11.2016 – 12 Sa 524/16, ZTR 2017, 105; a. A. allerdings LAG Köln v. 4.10.2017 – 5 Sa 229/17 n. v.
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Kein bedingungsloser Untergang des Anspruchs auf Erholungsurlaub
überwiegend für eine Anwendung von § 288 Abs. 5 S. 1 BGB auf Entgeltansprüche von Arbeitnehmern ausgesprochen. Nunmehr hat der 8. Senat des BAG in einem Urteil vom 25.9.201881 dem Streit ein Ende gesetzt und unter Aufhebung der Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 10.10.201782 entschieden, dass § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Beitreibungskosten ausschließt, sondern auch einen entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch und damit auch den Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB. Der Fall betraf einen Kläger, der seinen Arbeitgeber auf Zahlung rückständiger Besitzstandszulagen für die Monate Mai bis September 2016 in Anspruch nahm und wegen Verzugs mit der Zahlung der Besitzstandszulage für die Monate Juli bis September 2016 die Zahlung von drei Pauschalen à 40 € nach § 288 Abs. 5 BGB verlangt hatte. Die Vorinstanzen haben der Klage im Gegensatz zum BAG stattgegeben. Die betriebliche Praxis kann sich nunmehr darauf einstellen, dass die Verzugspauschale von 40 € bei verspäteter Zahlung des Arbeitsentgelts künftig wohl keine Rolle mehr spielen wird. (Boe)
9.
Kein bedingungsloser Untergang des Anspruchs auf Erholungsurlaub bei unterbliebener Inanspruchnahme
Gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Lässt man die Besonderheiten bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit an dieser Stelle einmal unberücksichtigt, muss der Urlaub für den Fall der Übertragung in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Geschieht dies nicht, geht § 7 Abs. 3 BUrlG von dem Untergang des Anspruchs auf den Erholungsurlaub aus. In zwei Urteilen vom 6.11.201883 hat der EuGH deutlich gemacht, dass diese gesetzliche Vorgabe nur unter bestimmten Voraussetzungen zur Anwen-
81 BAG v. 25.9.2018 – 8 AZR 26/18 n. v. 82 LAG Düsseldorf v. 10.12.2017 – 8 Sa 284/17 n. v. 83 EuGH v. 6.11.2018 – C-619/16, BB 2018, 2803 – Kreuziger und C-684/16, NZA 2018, 1474 – Max-Planck-Gesellschaft.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
dung kommen kann. Ein Arbeitnehmer dürfe seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verlieren, weil er keinen Urlaub beantragt habe. In dem ersten Fall ging es um einen Rechtsreferendar, der beim Land Berlin seinen juristischen Vorbereitungsdienst absolvierte. Wegen offenkundig fehlender Auslastung, die ihm auch ohne Urlaub eine Examensvorbereitung ermöglichte, sah er keinen Anlass, in den letzten Monaten vor dem Ende des Vorbereitungsdienstes bezahlten Jahresurlaub in Anspruch zu nehmen. Vielmehr beantragte er nach Beendigung des Vorbereitungsdienstes eine finanzielle Vergütung für die nicht genommenen Urlaubstage, die durch das Land Berlin abgelehnt wurde. Im zweiten Fall ging es um einen Mitarbeiter der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, der durch die Gesellschaft etwa zwei Monate vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses gebeten wurde, seinen Resturlaub zu nehmen. Auf eine Verpflichtung, den Urlaub in dieser Zeit in Anspruch zu nehmen, hatte der Arbeitgeber verzichtet. Der Arbeitnehmer nahm dies zum Anlass, von den verbleibenden 53 Urlaubstagen nur zwei Urlaubstage zu nehmen und beantragte nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebenfalls die Zahlung einer Vergütung für die nicht genommenen Urlaubstage. Auch die Max-Planck-Gesellschaft lehnte eine solche Urlaubsabgeltung ab. Nach Auffassung des EuGH ist die bedingungslose Anwendbarkeit von § 7 Abs. 3 BUrlG mit der Folge, dass bei der fehlenden Geltendmachung des Anspruchs auf Erholungsurlaub automatisch von einem Untergang des Anspruchs auf Erholungsurlaub und damit auch eines etwaigen Anspruchs auf Urlaubsabgeltung auszugehen ist, nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Vielmehr gehe das Unionsrecht davon aus, das ein Untergang dieser Ansprüche nur erfolgen könne, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber (z. B. durch angemessene Aufklärung) tatsächlich in die Lage versetzt worden sei, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen, was der Arbeitgeber zu beweisen habe. Auch wenn die Mitgliedstaaten berechtigt seien, die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubs an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen, deren Nichtbeachtung auch zu einem Untergang führen könne, müssten dem Arbeitnehmer diese Voraussetzungen und die Rechtsfolgen der Nichtbeachtung in angemessener Weise aufgezeigt werden. Nach den Feststellungen des EuGH in der Begründung seiner beiden Entscheidungen müsse davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses anzusehen sei. Er könnte daher davon abgeschreckt werden, seine Rechte ausdrücklich gegenüber seinem Arbeitgeber geltend zu machen. Denn gerade durch die Einforderung
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Kein bedingungsloser Untergang des Anspruchs auf Erholungsurlaub
dieser Rechte könnte er sich Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken könnten. Diesen Überlegungen des EuGH mag zwar abstrakt-generell zuzustimmen sein. Allerdings stellt sich die Frage, wie der EuGH zu solchen Ausführungen kommt, wenn in den zugrunde liegenden Sachverhalten keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die Geltendmachung des Anspruchs auf Erholungsurlaub durch den Arbeitnehmer jeweils negative Konsequenzen gehabt hätte. Im Gegenteil: Die Max-Planck-Gesellschaft hatte von sich aus Herrn Shimitsu aufgefordert, den Urlaub bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Dass das Land Berlin gegen einen Rechtsreferendar nachteilhafte Maßnahmen einleiten würde, wenn dieser seinen Erholungsurlaub in Anspruch nimmt, ist ebenso ausgeschlossen. Für die betriebliche Praxis dürfte es gleichwohl wichtig sein, zukünftig den Beweis dafür führen zu können, dass der Arbeitnehmer über die Bedeutung der Geltendmachung des Anspruchs auf Erholungsurlaub und die Konsequenzen einer fehlenden Inanspruchnahme in angemessener Weise aufgeklärt wurde. Eine bloße Wiederholung von § 7 Abs. 3 BUrlG in einem Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung dürfte hierfür nicht genügen. Bei der Betriebsvereinbarung dürfte bereits die individuelle Kenntnisnahme kaum nachweisbar sein. Losgelöst davon dürfte bei Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung der Vorwurf erhoben werden, dass der Hinweis jedenfalls nach mehreren Jahren in Vergessenheit gerät. Es müsste also eine Wiederholung erfolgen. Zu empfehlen ist deshalb, ausdrückliche Hinweise – beispielsweise durch eine entsprechende E-Mail oder ergänzende Erläuterungen in der Entgeltabrechnung – bereits zu Jahresbeginn vorzunehmen. Dabei sollte nicht nur auf die Notwendigkeit der Geltendmachung und das Erfordernis einer Koordination der Urlaubsansprüche aller Mitarbeiter verwiesen werden. Vielmehr ist es erforderlich, ausdrücklich und klar erkennbar aufzuzeigen, dass die fehlende Geltendmachung des Urlaubs innerhalb des Kalenderjahres nach § 7 Abs. 3 BUrlG den Untergang des Anspruchs zur Folge hat. Ein entsprechender Hinweis könnte zur Verstärkung im Intranet eingestellt werden. Empfehlenswert ist darüber hinaus, bei Arbeitnehmern, bei denen eine Inanspruchnahme noch nicht vollständig erfolgt ist und auch keine diesbezüglichen Planungen mit dem Arbeitgeber abgestimmt wurden, im September eine Erinnerung vorzunehmen, die noch einmal ausdrücklich auf die Konsequenzen einer fehlenden Inanspruchnahme bis zum Jahresende verweist. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist auch nach diesen Urteilen des EuGH von einem Untergang des Anspruchs auf den Erholungsurlaub ge363
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
mäß § 7 Abs. 1 BUrlG auszugehen. Denn der EuGH hat in den Gründen der Entscheidungen ausdrücklich klargestellt, dass das Unionsrecht dem Verlust des Anspruchs auf Erholungsurlaub und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – dem entsprechenden Wegfall der finanziellen Vergütung für den nicht genommenen (bezahlten) Jahresurlaub nicht entgegenstehe, wenn der Arbeitgeber in der Lage sei, den ihm insoweit obliegenden Beweis zu erbringen, dass der Arbeitnehmer „aus freien Stücken“ und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet habe, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt worden sei, den Urlaub auch tatsächlich wahrzunehmen. Jede Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG bzw. des Art. 31 Abs. 2 GRC, die den Arbeitnehmer dazu veranlassen könnte, „aus freien Stücken“ in den betreffenden Bezugs- oder zulässigen Übertragungszeiträumen keinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, um seine Vergütung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erhöhen, wäre – so der EuGH – mit den durch die Schaffung des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub verfolgten Zielen nicht vereinbar. Diese beständen unter anderem darin, zu gewährleisten, dass der Arbeitnehmer zum wirksamen Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit über eine tatsächliche Ruhezeit verfüge. Aus den vorstehend genannten Urteilen des EuGH folgt auch, dass der Arbeitnehmer keine Verpflichtung hat, den Erholungsurlaub auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Er kann auf die Wahrnehmung verzichten, ohne dass daraus auf eine Missachtung arbeitsschutzrechtlicher Verpflichtungen durch den Arbeitgeber geschlossen werden kann. Daraus folgt auch, dass § 3 ArbSchG den Arbeitgeber nicht verpflichtet, die tatsächliche Inanspruchnahme des Erholungsurlaubs durch den Arbeitnehmer sicherzustellen. Eine zwanghafte „Beurlaubung“ ist nicht erforderlich. Der Arbeitgeber muss lediglich die jetzt vom EuGH deutlich gemachte Aufklärung vornehmen und gewährleisten, dass der Erholungsurlaub auch tatsächlich genommen werden kann. Zu beachten ist, dass die vorstehenden Ausführungen an sich nur für den unionsrechtlichen Urlaub zur Anwendung kommen. Bei dem vertraglichen Zusatzurlaub könnte ein Untergang auch ohne eine entsprechende Aufklärung über das Erfordernis einer Inanspruchnahme angenommen werden. Allerdings gilt dies nur dann, wenn sich aus der Grundlage für den Urlaub ergibt, dass zwischen gesetzlichem und übergesetzlichem Urlaub unterschieden werden soll. In der Regel wird eine solche Differenzierung weder auf arbeitsvertraglicher noch auf tarifvertraglicher Ebene vorgenommen. Wenn auf der Grundlage der vorstehenden Grundsätze mangels angemessener Aufklärung von einer Übertragung des Urlaubsanspruchs auszugehen ist, betrifft dies allerdings nicht nur den aktuellen Urlaubsanspruch. Vielmehr 364
Vererblichkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung
müssen die gesetzlichen Regelungen schon mit Blick auf die vergangenen Jahre so ausgelegt werden, wie dies durch die Arbeitszeitrichtlinie sowie Art. 33 Abs. 2 GRC vorgegeben worden ist. Das kann Anlass sein, entsprechende Rückstellungen zu bilden, wenn das Arbeitsverhältnis heute noch besteht. Denn unter Berücksichtigung der Feststellungen des EuGH in der King-Entscheidung vom 29.11.201784, über die wir schon im Frühjahr berichtet haben85, wird man wohl davon ausgehen müssen, dass der Urlaubsanspruch auch über mehrere Jahre hinweg fortzuschreiben ist, wenn keine angemessene Aufklärung erfolgt ist. Diese Grundsätze dürften wegen der unionsrechtlichen Vorgabe und des Vorrangs der urlaubsrechtlichen Ausschlussfristen auch einer Anwendung der gesetzlichen Verjährung (§ 195 BGB) entgegenstehen. Lediglich dann, wenn das Arbeitsverhältnis in der Zwischenzeit beendet wurde, kann es sein, dass der Geltendmachung eine Ausschlussfrist entgegensteht. Denn der Urlaubsabgeltungsanspruch wird, anders als der Urlaubsanspruch selbst, von den allgemeinen Ausschlussfristen und Verjährungsregelungen erfasst. Dass diese Grundsätze im Widerspruch zu der Annahme stehen, dass der Urlaubsanspruch bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nur für 15 Monate übertragen wird, behandelt der EuGH in seinen Urteilen nicht. Hier dürfte ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen notwendig sein. Denkbar ist, dass diese Grenze auch auf den unaufgeklärten Arbeitnehmer mit der Folge übertragen wird, dass die Möglichkeit einer Inanspruchnahme auch bei fehlender Aufklärung auf die Dauer von 15 Monaten begrenzt ist. Naheliegender erscheint aber, dass der EuGH von einem automatischen Untergang nach Ablauf von 15 Monaten auch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nur ausgeht, wenn zuvor eine angemessene Aufklärung erfolgt ist. Das dürfte in der Praxis zu einer ganz erheblichen Mehrbelastung führen, obwohl dies unionsrechtlich nicht geboten erscheint. (Ga)
10. Vererblichkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung In einem weiteren Urteil vom 6.11.201886 hat der EuGH erwartungsgemäß bestätigt, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nach dem Unionsrecht nicht mit seinem Tod untergehe. Vielmehr könnten die Erben des verstorbenen Arbeitnehmers eine finanzielle Vergütung für
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EuGH v. 29.11.2017 – C-214/16, NZA 2017, 1591 – King. Boewer, AktuellAR 2018, 81 ff. EuGH v. 6.11.2018 – C-569/16 und C-570/16, NZA 2018, 1467 – Bauer.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
den von ihm nicht genommenen (bezahlten) Jahresurlaub verlangen. Das entspricht seinen Feststellungen im Urteil vom 12.6.201487. In den zugrunde liegenden Fallgestaltungen waren die Ehemänner der beiden Klägerinnen bei der Stadt Wuppertal bzw. beim Herrn Willmeroth beschäftigt. Da die Verstorbenen vor ihrem Tod nicht alle Urlaubstage genommen hatten, forderten die Klägerinnen als deren alleinige Rechtsnachfolgerinnen von den ehemaligen Arbeitgebern ihrer Ehemänner eine Urlaubsabgeltung. In beiden Fällen wurde ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung abgelehnt. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass der Urlaubsanspruch mit dem Tod untergehe und daher nicht Teil der Erbmasse werde. Das sei auch zweckgerecht. Denn der mit dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub verfolgte Zweck, dem Arbeitnehmer Erholung zu ermöglichen und einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zur Verfügung zu stellen, könne nach dem Tod des Arbeitnehmers nicht mehr verwirklicht werden. Der EuGH ist dieser Sichtweise nicht gefolgt. Er erkennt zwar (zwangsläufig) an, dass die Entspannungs- und Erholungszeiten nach dem Tod der Arbeitnehmer nicht mehr bewirkt werden können. Dies sei aber nur einer der beiden Komponenten des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub. Insoweit müsse ergänzend hierzu berücksichtigt werden, dass der Anspruch auf Urlaub auch einen Anspruch auf Bezahlung im Urlaub und – als eng mit diesem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub verbundenen Anspruch – den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaubs beinhalte. Diese finanzielle Komponente sei rein vermögensrechtlicher Natur und daher dazu bestimmt, in das Vermögen des Arbeitnehmers überzugehen. Der tatsächliche Zugriff auf diese vermögensrechtlichen Bestandteile des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub könne weder dem Arbeitnehmer noch dem Erben rückwirkend entzogen werden. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass dieser Anspruch ohne Rücksicht auf die im nationalen Recht enthaltenen Regelungen durch die Erben durchgesetzt werden kann. Denn der EuGH geht nicht nur davon aus, dass gegenteilige Regelungen unangewendet bleiben müssen, wenn sie nicht im Sinne der vorstehenden Grundsätze ausgelegt werden können. Vielmehr müssten die nationalen Gerichte – ggf. durch eine unmittelbare Anwendbarkeit des Unionsrechts auch gegenüber einem privaten Arbeitgeber – Sorge tragen, dass der Rechtsnachfolger des verstorbenen Arbeitnehmers von dem ehemaligen Arbeitgeber eine Vergütung für den von dem Arbeitgeber gemäß dem
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EuGH v. 12.6.2014 – C-118/13, NZA 2014, 651 – Bollacke.
Urlaubsentgelt nach Verringerung der Teilzeitquote
Unionsrecht erworbenen und vor seinem Tod nicht mehr genommenen Jahresurlaub erhält. Zur Begründung verweist der EuGH auch insoweit auf Art. 31 Abs. 2 GRC. Obwohl dort nur von einem Anspruch auf „bezahlten Urlaub“ die Rede sei, könnten daraus auch die Überlegungen zur Vererblichkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs abgeleitet werden. Damit bestehe auch innerhalb einer Privatrechtsbeziehung ein Anspruch des Arbeitnehmers bzw. seiner Erben auf eine entsprechende Zahlung, ohne dass eine weitergehende Umsetzung durch die Mitgliedstaaten erfolgen müsse. (Ga)
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Urlaubsentgelt nach Verringerung der Teilzeitquote
Nach § 4 Abs. 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist deshalb Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung – wie Urlaubsentgelt – mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Dabei steht das in § 4 Abs. 1 TzBfG geregelte Diskriminierungsverbot nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien (§ 22 Abs. 1 TzBfG)88. In Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und § 4 Nr. 2 der EGB-UNICE-CEEPRahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG hat der EuGH89 im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung des BAG90 entschieden, dass die Zahl der Tage bezahlten Jahresurlaubs, die ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im Bezugszeitraum nicht in Anspruch nehmen konnte, wegen des Übergangs dieses Arbeitnehmers zu einer Teilzeitbeschäftigung nicht entsprechend dem Verhältnis gekürzt werden darf, in dem die von ihm vor diesem Übergang geleistete Zahl der wöchentlichen Arbeitstage zu der danach geleisteten Zahl steht. Beim Übergang von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung will der EuGH den in § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit genannten pro-rata-temporisGrundsatz in Ermangelung eines sachlichen Grundes nicht nachträglich auf einen Anspruch auf Jahresurlaub übertragen, der in einer Zeit der Vollzeitbe-
88 BAG v. 10.2.2015 – 9 AZR 53/14 (F), NZA 2015, 1005 Rz. 16. 89 EuGH v. 13.6.2013 – C-415/12, NZA 2013, 775 Ls. 2 – Brandes. 90 BAG v. 28.4.1998 – 9 AZR 314/97, NZA 1999, 156 Rz. 39. Nunmehr wie der EuGH vgl. BAG v. 10.2.2015 – 9 AZR 53/14 (F), NZA 2015, 1005 Rz. 19.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
schäftigung erworben wurde. Bereits zuvor war der EuGH91 davon ausgegangen, dass ein in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworbener Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, dessen Ausübung dem Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht möglich war, im Falle einer anschließenden Teilzeitbeschäftigung nicht reduziert werden darf oder der Arbeitnehmer diesen Urlaub nunmehr mit einem geringeren Urlaubsentgelt verbrauchen müsste. Diese Bewertung des EuGH resultiert aus der Erwägung, dass der in § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit festgelegte pro-ratatemporis-Grundsatz zwar auf die Gewährung des Jahresurlaubs für eine Zeit der Teilzeitbeschäftigung anzuwenden ist, weil hierfür sachliche Gründe bestehen, dieser Grundsatz jedoch nicht nachträglich auf einen Anspruch auf Jahresurlaub angewandt werden darf, der in einer Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworben wurde. Eine derartige Problematik war Gegenstand der Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 20.3.201892. Die Klägerin des Rechtsstreits arbeitete bis zum 31.7.2015 in Teilzeit mit einer Teilzeitquote von 35/40 der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft. Seit dem 1.8.2015 betrug die Teilzeitquote nur noch 20/40, wobei sie weiterhin an fünf Tagen in der Woche tätig war. Auf der Grundlage des einschlägigen Tarifvertrags (§ 21 TV-L) wurde dem Arbeitnehmer Urlaub unter Fortzahlung des Entgelts nach dem Lohnausfallprinzip gewährt. Auf der Grundlage des Tarifvertrags zahlte das beklagte Land der Klägerin für insgesamt 47 Arbeitstage Urlaub, der noch aus der Zeit vor der Reduzierung ihrer Arbeitszeit stammte, ein Urlaubsentgelt in Höhe von 20/40 einer Vollzeitarbeitskraft. Die Klägerin beanspruchte hingegen ein Urlaubsentgelt im Umfang von 35/40 der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft und machte den Differenzbetrag klageweise geltend. Das BAG hat wie bereits die Vorinstanz auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH93 der Zahlungsklage entsprochen und in der abweichenden Regelung des einschlägigen Tarifvertrags einen Verstoß gegen die zwingende Regelung des § 4 Abs. 1 TzBfG gesehen. Die Entgeltfortzahlungsregelung nach dem Lohnausfallprinzip des Tarifvertrags erwies sich damit als rechtsunwirksam, sodass das Urlaubsentgelt der Klägerin unter Zugrundelegung einer Teilzeitquote von 35/40 berechnet werden musste. Da die tarifvertragliche Regelung vom Lohnausfallprinzip ausging, war zu Gunsten der 91 EuGH v. 22.4.2010 – C-486/08, NZA 2010, 557 Ls. 1 – Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols. 92 BAG v. 20.3.2018 – 9 AZR 486/17, NZA 2018, 851. 93 EuGH v. 22.4.2010 – C-486/08, NZA 2010, 557 – Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols.
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Urlaubsentgelt nach Verringerung der Teilzeitquote
Klägerin das Urlaubsentgelt unter Einschluss etwaiger Tariflohnerhöhungen zu gewähren, weil insoweit das Lohnausfallprinzip des Tarifvertrags rechtlich nicht zu beanstanden war. Das BAG hat das Vorliegen einer Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob es mit Art. 288 Abs. 3 AEUV bzw. Art. 4 Abs. 3 EUV vereinbar ist, bei der Anwendung des § 4 Abs. 1 TzBfG eine rückwirkende Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH aus Vertrauensschutzgesichtspunkten auszuschließen. Für eine Vorlage an den EuGH sah das BAG keine Veranlassung, weil die Parteien die Verringerung der Arbeitszeit nach Bekanntgabe der Entscheidung des EuGH vom 22.4.201094 vereinbart hatten. Für die betriebliche Praxis verdeutlicht auch diese Entscheidung des BAG, dass die vom EuGH zu Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG entwickelten Grundsätze zum Urlaubsrecht mit Grundsätzen des deutschen Urlaubsrechts nicht kompatibel sind, was sich bereits in der Aufgabe der Surrogationstheorie95 angedeutet hat. Während der EuGH96 den Zweck des Erholungsurlaubs – abgesehen von der Ausnahme der Krankheit und des Mutterschaftsurlaubs – darin sieht, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hat, weil das Ziel der Erholung voraussetzt, dass dieser Arbeitnehmer eine Tätigkeit ausgeübt hat, die es zu dem in der Richtlinie 2003/88/EG vorgesehenen Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit rechtfertigt, dass er über einen Zeitraum der Erholung, der Entspannung und der Freizeit verfügt, fehlt auf der Grundlage des BUrlG jedweder Bezug zur Arbeitsleistung. Auch die neuesten Entscheidungen des EuGH97, wonach die Initiativlast zur Urlaubserteilung entgegen § 7 Abs. 3 BUrlG nicht mehr beim Arbeitnehmer liegt, sondern vielmehr den Arbeitgeber die Pflicht trifft, den Arbeitnehmer durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage zu versetzen, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, belegen die unterschiedliche rechtliche Behandlung des Urlaubsanspruchs. Da der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang offenbar keinen Handlungsbedarf sieht, entsteht für das BAG die missliche und zugleich schwierige Aufgabe, das vom Unionsrecht abweichende deutsche Urlaubsrecht unionskonform zu interpretieren, andernfalls muss eine nicht im Einklang mit Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG
94 EuGH v. 22.4.2010 – C-486/08, NZA 2010, 557 – Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols. 95 BAG v. 19.6.2012 – 9 AZR 652/10, NZA 2012, 1087 Rz. 15. 96 Zuletzt EuGH v. 4.10.2018 – C 12/17, NZA 2018, 1323 – Dicu. 97 EuGH v. 6.11.2018 – C-619/16, BB 2018, 2803 – Kreuziger und C-684/16, NZA 2018, 1474 – Max-Planck-Gesellschaft.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
und Art. 31 Abs. 2 GRC auslegbare Vorschrift des BUrlG auch in einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem privaten Arbeitgeber unangewendet bleiben. (Boe)
12. Urlaubsentgelt nach Kurzarbeit Nach § 11 Abs. 1 BUrlG, der lediglich den Geldfaktor für den aus §§ 1, 3 BUrlG folgenden gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch regelt98, bemisst sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsentgelts (Referenzprinzip). Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraums oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen (§ 11 Abs. 1 S. 2 BUrlG). Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht (§ 11 Abs. 1 S. 3 BUrlG). Rechtstechnisch ist zur Bestimmung des Geldfaktors erforderlich, das berücksichtigungsfähige Arbeitsentgelt im Referenzzeitraum durch die gesamte Anzahl der Arbeitsstunden zu teilen, in denen dieses Arbeitsentgelt erzielt worden ist99. Diese für den gesetzlichen Mindesturlaub geltende Methode zur Ermittlung des Geldfaktors ist auf den übergesetzlichen Urlaub zu übertragen, wenn die Parteien insoweit keine von den Bestimmungen des BUrlG abweichenden Vereinbarungen getroffen haben100. Da die Tarifvertragsparteien nach § 13 Abs. 1 BUrlG nicht zu Lasten der Arbeitnehmer von § 1 BUrlG abweichen dürfen, wonach jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub hat, folgt bereits aus dieser Vorschrift die Verpflichtung, die Vergütung während des Urlaubs weiterzuzahlen101. Demgemäß dürfen auch die Tarifvertragsparteien die Entgeltfortzahlungspflicht aus § 1 BUrlG nicht durch eine von § 11 Abs. 1 BUrlG abweichende Berechnungsmethode ändern, die zu einer Minderung der weiterzuzahlenden Vergütung führt. Wählen die Tarifvertragsparteien einen anderweitigen methodischen Ansatz für die Ermittlung des Urlaubsentgelts, ist durch einen abstrakten Günstigkeitsvergleich zu ermitteln, ob sich die Regelung noch im Rahmen des Gesetzes bewegt. 98 BAG v. 27.2.2018 – 9 AZR 238/17 n. v. (Rz. 13). 99 BAG v. 27.2.2018 – 9 AZR 238/17 n. v. 100 BAG v. 6.12.2017 – 5 AZR 699/16, NZA 2018, 582 Rz. 20; BAG v. 20.9.2011 – 9 AZR 416/10, NZA 2012, 326 Rz. 43. 101 BAG v. 15.1.2013 – 9 AZR 465/11, NZA-RR 2013, 585 Rz. 20.
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Urlaubsentgelt nach Kurzarbeit
Auf der Grundlage von § 1 BUrlG i. V. mit § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG besteht die unabdingbare Pflicht, während der Dauer des gesetzlichen Urlaubs (Zeitfaktor) die gewöhnlich zu erwartende Vergütung fortzahlen zu müssen102. § 1 BUrlG erhält nämlich für die Dauer des gesetzlichen Mindesturlaubs den Anspruch auf Vergütung der infolge des Urlaubs ausfallenden Arbeitszeit aufrecht (Zeitfaktor), der auf jeden Fall als Geldfaktor den gesetzlichen Mindestlohn umfasst103. Im Hinblick auf eine tarifvertragliche Urlaubsregelung in § 8 Nr. 4 BRTVBau, wonach bei der Berechnung der Urlaubsvergütung die ersten 90 Ausfallstunden mit Bezug auf Saison-Kurzarbeitergeld während des Referenzzeitraums unberücksichtigt bleiben, hat sich das ArbG Verden104 veranlasst gesehen, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH mit der Frage zu richten, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung in einem Tarifvertrag entgegensteht, die vorsieht, dass Verdienstkürzungen infolge von Arbeitszeiten bei der Berechnung der Höhe des Vergütungsanspruchs während des Erholungsurlaubs berücksichtigt werden dürfen. Aus den bereits vorliegenden Schlussanträgen des Generalanwalts105 vom 5.9.2018 geht hervor, dass seiner Ansicht nach Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG einer nationalen gesetzlichen Regelung nicht entgegensteht, wenn diese vorsieht, dass Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit eintreten, auf die Berechnung des Urlaubsentgelts Einfluss haben, mit der Folge, dass der Arbeitnehmer für die Dauer des jährlichen Mindesturlaubs von vier Wochen eine geringere Urlaubsvergütung – bzw. nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine geringere Urlaubsabgeltung – erhält, als er erhielte, wenn der Berechnung der Urlaubsvergütung der durchschnittliche Arbeitsverdienst zugrunde gelegt wird, den der Arbeitnehmer im Berechnungszeitraum ohne solche Verdienstkürzungen erhalten hätte. Dabei geht der Generalanwalt davon aus, dass das Unionsrecht keine präzisen Regeln für die Berechnung der Urlaubsvergütung vorsieht. Es stellt sich jedoch im Streitfall die Frage, ob bereits auf der Grundlage von § 11 Abs. 1 S. 3 BUrlG die hier in Rede stehende tarifvertragliche Regelung mangels Abweichungsbefugnis der Tarifvertragsparteien gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BUrlG der Wirksamkeit entbehrt. Denn die Berücksichtigung von Verdienstkürzungen während der Referenzzeit hat nichts mit einer Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs zu tun und § 13 Abs. 1 102 103 104 105
BAG v. 6.12.2017 – 5 AZR 699/16, NZA 2018, 582 Rz. 20. BAG v. 6.12.2017 – 5 AZR 699/16, NZA 2018, 582 Rz. 20. ArbG Verden v. 19.6.2017 – 1 Ca 142/16 n. v. Schlussanträge des Generalanwalts v. 5.9.2018 – C-385/17 n. v. – Hein.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
S. 1 BUrlG verbietet von vornherein den Tarifvertragsparteien eine Abweichung von §§ 1, 11 Abs. 1 S. 3 BUrlG, es sei denn, dass die gesamte Urlaubsregelung den Arbeitnehmer in Relation zum Gesetz günstiger stellt. Jedenfalls darf sich die betriebliche Praxis von der kommenden Entscheidung des EuGH genauere Aussagen darüber versprechen, welche finanzielle Mindestvergütung gemäß Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG während der Urlaubsdauer zu gewähren ist und damit den Maßstab für die Urlaubsabgeltung abgibt. Sollte der EuGH, wofür die Entscheidung Greenfield vom 11.11.2015106 spricht, das Lohnausfallprinzip favorisieren, wonach für die Dauer des Urlaubs das gewöhnliche Arbeitsentgelt weiterzuzahlen ist, würde dies auch den Abschied von der Referenzmethode des § 11 BUrlG bedeuten. (Boe)
13. Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit Bereits seit einigen Jahren wird diskutiert, ob die in § 17 BEEG vorgesehene Kürzung des Erholungsurlaubs für die Dauer der Elternzeit mit unionsrechtlichen Vorgaben in Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) und der Richtlinie 2010/18/EU, mit der die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub zur Umsetzung kommt, vereinbar ist. Nach § 17 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Monat Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Ausgeschlossen ist eine Kürzung nur dann und insoweit, als der Arbeitnehmer während der Elternzeit bei seinem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leistet. Ausgangspunkt dieser gesetzlichen Regelung ist die im deutschen Urlaubsrecht derzeit noch erkennbare Annahme, dass ein Anspruch auf Erholungsurlaub auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung entstehen könne. Von der Entstehung eines Urlaubsanspruchs ist deshalb auch dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer ohne eine Teilzeitbeschäftigung Elternzeit in Anspruch nimmt. Dennoch aber geht das Gesetz nicht von einer automatischen Kürzung des Urlaubsanspruchs aus. Vielmehr bedarf es einer fristgerechten Erklärung des Arbeitgebers, um die Anzahl der Urlaubstage entsprechend zu reduzieren. Die Entscheidung des EuGH vom 4.10.2018107 macht deutlich, dass dieses gesetzliche Grundverständnis im deutschen Urlaubsrecht nicht durch unionsrechtliche Vorgaben bestimmt wird. Vielmehr geht der EuGH davon aus, dass ohne Arbeitsleistung grundsätzlich auch kein Urlaubsanspruch entste106 EuGH v. 11.11.2015 – C-219/14, NZA 2015, 1501 – Greenfield. 107 EuGH v. 4.10.2018 – C-12/17, NZA 2018, 1323 – Dicu.
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Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit
hen kann. Folgerichtig liegt auch kein Widerspruch zu den Richtlinien 2003/88/EG und 2010/18/EU vor, wenn ein (vermeintlicher) Anspruch auf Erholungsurlaub durch den Arbeitgeber für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit ruht, gekürzt wird. In dem zugrunde liegenden Fall, der aus Rumänien vorgelegt wurde, hatte die Klägerin für etwas mehr als sieben Monate Elternurlaub in Anspruch genommen. Der Arbeitgeber lehnte daher einen Antrag auf Erteilung von Urlaub mit der Begründung ab, dass als Folge dieses Elternurlaubs nicht ausreichend Urlaubstage (mehr) vorhanden waren. Die Klägerin machte geltend, dass darin ein Verstoß gegen unionsrechtliche Vorgaben zu sehen sei. Der EuGH hat einen solchen Verstoß abgelehnt. Zwar dürften die Mitgliedstaaten nicht bereits die Entstehung des sich unmittelbar aus der Richtlinie 2003/88/EG ergebenden Anspruchs auf einen bezahlten Jahresurlaub von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen. Davon unabhängig sei jedoch die Frage zu stellen, ob bei der Berechnung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub ein Zeitraum des Elternurlaubs einem Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung gleichgestellt werden müsse. Maßgeblich für die Antwort sei insoweit der Zweck des unionsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf Erholungsurlaub. Dieser bestehe nämlich – so der EuGH – darin, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen108. Aus dieser Zweckbestimmung des unionsrechtlich gewährleisteten Erholungsurlaubs schließt der EuGH auf die Notwendigkeit, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet haben muss, damit ein Urlaubsanspruch entstehen könne. Denn erst dann bestehe ein Erholungsbedürfnis. Die Ansprüche auf den bezahlten Jahresurlaub seien daher grundsätzlich anhand der auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich während des Kalenderjahres geleisteten Arbeitszeiträume zu berechnen109. Von diesem Grundsatz müssten – so der EuGH – nur zwei Ausnahmen gemacht werden. Dabei müssten sowohl die Krankheit als auch ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot vor und im Anschluss an die Geburt wie eine Zeit mit tatsächlicher Arbeitsleistung behandelt werden. Für den Elternurlaub – in Deutschland: Elternzeit – sei diese Ausnahme nicht zu machen. 108 EuGH v. 4.10.2018 – C-12/17, NZA 2018, 1323 Rz. 26 f. – Dicu. 109 Ebenso bereits EuGH v. 11.11.2015 – C-219/14, NZA 2015, 1501 Rz. 29 – Greenfield.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Im Ergebnis ist diesem Verständnis des unionsrechtlichen Erholungsurlaubs zuzustimmen. Es entspricht gesundem Menschenverstand, dass Urlaub, durch den unstreitig eine Erholung gewährleistet werden soll, an Erholungsbedürfnis und daraus folgend auch eine tatsächliche Arbeitsleistung während des Bezugszeitraums geknüpft ist. Die weitergehende Begründung des EuGH dürfte allerdings zur Diskussion führen. Denn zum einen begründet er die fehlende Vergleichbarkeit des Elternurlaubs mit Mutterschutz bzw. Krankheit zu Recht damit, dass bei den letztgenannten Fehlzeiten keine Vorhersehbarkeit gegeben sei. Zum anderen geht der EuGH allerdings davon aus, dass nur die Krankheit und der Mutterschutz als Folge der körperlichen Inanspruchnahme ein mit der Arbeit vergleichbares Erholungsbedürfnis begründeten. Diese „Doppelbelastung“ sei während des Elternurlaubs nicht gegeben. Dass der Elternurlaub aber gerade das Ziel hat, die durchaus anspruchsvolle und auch anstrengende Erziehung der Kinder zu übernehmen, bleibt dabei völlig unberücksichtigt. Hier hätte der EuGH deutlich machen müssen, dass es nicht Aufgabe des Arbeitgebers sein kann, Erholungsurlaub für eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers in seiner Privatsphäre zu erteilen, wenn diese Inanspruchnahme nicht als Folge einer Krankheit oder – insoweit bestehen auch diskriminierungsrechtliche Vorgaben – wegen Mutterschutzes ausgelöst wird. Von diesen Grundsätzen ausgehend ist auch die in § 17 BEEG getroffene Regelung, die zu einer Kürzungsberechtigung des Arbeitgebers führt, mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Der Gesetzgeber wäre sogar berechtigt gewesen, ohne eine weitere Erklärung des Arbeitgebers (automatisch) eine solche Kürzung für die Dauer der Elternzeit festzulegen. Dies entspräche nicht nur den unionsrechtlichen Regelungen zum Jahresurlaub in der Arbeitszeitrichtlinie. Ausgehend davon, dass der Erholungsurlaub nach den Feststellungen des EuGH zeitratierlich während des Kalenderjahres als Konsequenz der geleisteten Arbeit entsteht, liegt darin auch kein Verstoß gegen § 5 Nr. 1 der Richtlinie zum Elternurlaub. Dieser bestimmt, dass Rechte, die der Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben. Denn als Konsequenz der zeitratierlichen Entstehung konnte bis zur Elternzeit auf der Grundlage unionsrechtlichen Verständnisses auch nur ein zeitratierlicher Anspruch für die Dauer des Arbeitsverhältnisses entstehen, in der tatsächlich gearbeitet wurde. Dieses unionsrechtliche Verständnis steht aber im Widerspruch zur Konzeption des deutschen Urlaubsrechts. Denn §§ 1, 4 BUrlG gehen davon aus, dass der volle Urlaubsanspruch entsteht, sobald die sechsmonatige Wartezeit abgelaufen ist. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis bereits über diese 374
Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit
Wartezeit hinaus besteht, erhalten deshalb den vollen Jahresurlaub bereits zum 1.1. des Kalenderjahres. Dass er für den Fall einer Beendigung bis zum 30.6. des gleichen Kalenderjahres gekürzt werden kann (§ 5 Abs. 1 lit. c BUrlG), bestätigt diese Entstehung lediglich. Sollte der Arbeitnehmer im Anschluss an den 1.1. des Kalenderjahres Elternzeit in Anspruch nehmen, käme diese Kürzungsregelung allerdings nicht zum Tragen. Vielmehr würde dem Arbeitnehmer durch die Kürzung nach § 17 BEEG ein Anspruch auf Erholungsurlaub genommen, der nach deutschem Recht zu Beginn der Elternzeit bereits erworben war. Konsequenz dieser Konzeption des deutschen Rechts ist, dass – abweichend von dem Ergebnis des EuGH – deshalb weiterhin über einen Verstoß gegen das EU-Recht nachgedacht werden muss. Dabei geht es allerdings nur um den Erholungsurlaub des Kalenderjahres, in dem die Elternzeit beginnt. Da sich der EuGH mit einem rumänischen Fall auseinanderzusetzen hatte, dem ein abweichendes Grundverständnis zugrunde lag, enthält sein Urteil vom 4.10.2018110 diesbezüglich keine weitergehenden Feststellungen. Soweit das BAG in der Vergangenheit auch für den Fall des Sabbaticals oder des Sonderurlaubs einen entsprechenden Urlaubsanspruch anerkannt hat, wird man jedenfalls eine unionsrechtliche Verpflichtung zu einem solchen Ergebnis nach den Feststellungen des EuGH ablehnen müssen. Mit der gleichen Begründung dürfte es richtig sein, in der sog. Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht (mehr) von der Entstehung eines Anspruchs auf Erholungsurlaub auszugehen. Problematisch an dieser Übertragung des unionsrechtlichen Grundverständnisses ist aber, dass das BAG in seiner Interpretation der aktuellen Regelungen in §§ 1 ff. BUrlG davon ausgeht, dass generell auch ohne Arbeitsleistung ein ungekürzter Anspruch auf Erholungsurlaub entstehe. Es wäre wichtig, dass das BAG diese Rechtsprechung noch einmal überprüft und im Lichte des Unionsrechts die gebotene Anpassung vornimmt. Hilfreich dafür dürfte allerdings sein, dass auch der Gesetzgeber entsprechende Korrekturen veranlasst. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die unterschiedliche Interpretation der deutschen und unionsrechtlichen Regelungen einseitig den Arbeitnehmer begünstigt und Leistungspflichten des Arbeitgebers begründet, die in ihrer Gesamtheit weder durch den deutschen noch den europäischen Gesetzgeber gewollt waren. (Ga)
110 EuGH v. 4.10.2018 – C-12/17, NZA 2018, 1323 Rz. 23 ff. – Dicu.
375
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
14. Keine Geltung von Ausschlussfristen für den Ersatzurlaub Hat der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, so verfällt er gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG mit Ablauf des Urlaubsjahres, soweit die Übertragungsvoraussetzungen i. S. von § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG nicht vorliegen. Soweit es um den gesetzlichen Mindesturlaub geht, wird dieser nach bisheriger Rechtsprechung des BAG111 durch § 7 Abs. 3 BUrlG einem eigenständigen Fristenregime unterstellt, sodass § 13 Abs. 1 BUrlG eine Abweichung durch eine tarifvertragliche oder eine vertragliche Ausschlussfrist zu Ungunsten der Arbeitnehmer nicht zulässt. Dies gilt nicht für Urlaubsansprüche, die den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch übersteigen. Diesen übergesetzlichen Urlaubsanspruch können die Arbeitsvertragsparteien oder Tarifvertragsparteien frei regeln und damit auch Ausschlussfristen unterstellen112. Verweigert der Arbeitgeber die Erteilung des vom Arbeitnehmer rechtzeitig beanspruchten Urlaubs, verfällt der Urlaubsanspruch, soweit die Voraussetzungen für eine Übertragung bis zum 31.3. des folgenden Kalenderjahres nach § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG nicht vorliegen, mit dem Ablauf des Urlaubsjahres113. Zugleich gerät der Arbeitgeber mit der Erteilung des Urlaubs in Verzug, sodass sich die Ansprüche des Arbeitnehmers gemäß §§ 275 Abs. 1, 4, 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1, 286 Abs. 2 Nr. 3 i. V. mit Abs. 1 S. 1, 287 S. 2, 249 Abs. 1 BGB in einen Ersatzurlaub als Schadensersatz für den verfallenden Urlaub wandeln114. In der Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 19.6.2018115 ging es um die Frage, ob der als Schadensersatz an die Stelle des erloschenen Urlaubsanspruchs tretende Ersatzurlaub wie der Urlaub selbst keinen vertraglichen oder tariflichen Ausschlussfristen unterliegt. Die Parteien stritten über die Abgeltung von 18 Ersatzurlaubstagen. Im Arbeitsvertrag war geregelt, dass der Urlaubsanspruch, wenn er nicht bis zum 31.3. des Folgejahres – aus welchen Gründen auch immer – genommen worden ist, verfällt. Außerdem 111 BAG v. 19.6.2018 – 9 AZR 615/17, NZA 2018, 1480 Rz. 38 (tarifliche Ausschlussfristen); BAG v. 23.11.2017 – 6 AZR 43/16, NZA-RR 2018, 217 Rz. 38; BAG v. 12.11.2013 – 9 AZR 727/12 n. v.; BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 95/03, NZA 2004, 651 Rz. 20 (vertragliche Ausschlussfristen). 112 BAG v. 16.12.2014 – 9 AZR 295/13, NZA 2015, 827 Rz. 15. 113 BAG v. 19.6.2018 – 9 AZR 615/17, NZA 2018, 1480 Rz. 38. 114 Vgl. nur BAG v. 19.6.2018 – 9 AZR 615/17, NZA 2018, 1480 Rz. 43; BAG v. 16.5.2017 – 9 AZR 572/16, NZA 2017, 1056 Rz. 12. 115 BAG v. 19.6.2018 – 9 AZR 615/17, NZA 2018, 1480.
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Keine Geltung von Ausschlussfristen für den Ersatzurlaub
bestand eine besondere vertragliche Ausschlussfrist, wonach sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen waren. Nach Ausspruch einer Beendigungskündigung zum 31.10.2015 und einer rechtskräftig zu Gunsten des Klägers entschiedenen Kündigungsschutzklage beendete dieser das Arbeitsverhältnis gemäß § 12 KSchG und verlangte anschließend eine Urlaubsabgeltung von der Beklagten. Der Kläger hatte rechtzeitig vor Ablauf des Kalenderjahres 2015 den ihm zustehenden Urlaub von 18 Tagen gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Das BAG geht zunächst davon aus, dass der Naturalurlaubsanspruch des Klägers mit dem 31.12.2015 gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG untergegangen ist und sich gemäß §§ 275 Abs. 1, 4, 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1, 286 Abs. 2 Nr. 3 i. V. mit Abs. 1 S. 1, 287 S. 2, 249 Abs. 1 BGB in einen Ersatzurlaubsanspruch als Schadensersatz gewandelt hat. Wegen der rechtzeitigen Geltendmachung durch den Arbeitnehmer war das BAG der Frage enthoben, ob unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten überhaupt vom Arbeitnehmer eine Geltendmachung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs verlangt werden kann116. Im Hinblick auf die im Arbeitsvertrag der Parteien vereinbarte Ausschlussfrist bestätigt das BAG zunächst seine bisherige Rechtsprechung, wonach § 13 BUrlG Ausschlussfristen, die den Arbeitnehmer zwängen, die Erfüllung gesetzlicher Urlaubsansprüche zur Vermeidung ihres Erlöschens zu einem früheren Zeitpunkt geltend zu machen als nach § 7 Abs. 3 BUrlG verlangt, nicht zulässt. Anschließend geht das BAG117 davon aus, dass auch abweichend von seiner früheren Rechtsprechung118 der Ersatzurlaubsanspruch keiner Ausschlussfrist unterfällt. Diese Schlussfolgerung bezieht das BAG aus § 249 Abs. 1 BGB und dem darin verankerten Grundsatz der Naturalrestitution, wonach der Zustand herzustellen ist, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Danach unterliegt – mit Ausnahme des Fristenregimes119 – der Ersatzurlaubsanspruch hinsichtlich seiner Inanspruchnahme und Abgeltung den Modalitäten des verfallenen Urlaubsanspruchs, sodass er von tariflichen oder vertraglichen Ausschlussfristen nicht erfasst wird. Den dabei auftretenden Widerspruch 116 Vgl. dazu EuGH v. 6.11.2018 – C-684/16, NZA 2018, 1474 – Max-PlanckGesellschaft. 117 BAG v. 19.6.2018 – 9 AZR 615/17, NZA 2018, 1480 Rz. 44. 118 Vgl. dazu BAG v. 12.4.2016 – 9 AZR 659/14, NZA-RR 2016, 438 Rz. 33; BAG v. 15.11.2005 – 9 AZR 633/04 n. v. (Rz. 46); BAG v. 24.10.1995 – 9 AZR 547/94, NZA 1996, 254 Rz. 27. 119 BAG v. 19.6.2018 – 9 AZR 615/17, NZA 2018, 1480 Rz. 44.
377
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
zur gesetzlichen Ausschlussfrist des § 7 Abs. 3 BUrlG, die für den Ersatzurlaubsanspruch keine Geltung beanspruchen soll, löst das BAG mit dem Hinweis, dass der Arbeitnehmer die Anforderungen, die das für den Urlaubsanspruch geltende Fristenregime an ihn stellt, bereits durch die ursprüngliche rechtzeitige Geltendmachung des Primäranspruchs erfüllt hat. Mit der rechtlichen Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen wandelt sich der Ersatzurlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch, der nach geänderter Rechtsprechung des BAG120 nicht aus § 251 Abs. 1 BGB, sondern aus § 7 Abs. 4 BUrlG hergeleitet wird121, weil der Ersatzurlaubsanspruch den Modalitäten des verfallenen Urlaubsanspruchs unterliegt und dies sowohl für die Inanspruchnahme als auch für die Abgeltung des Ersatzurlaubs gilt. Zu beachten ist jedoch, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch einer tariflichen oder arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist unterliegt122 und unter diesem Aspekt rechtzeitig und formgerecht gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden muss. Im Streitfall erwies sich die Ausschlussfrist jedoch als intransparent und damit rechtsunwirksam, sodass es auf ihre Einhaltung nicht ankam. Auch in diesem Zusammenhang stellt sich im Lichte der Rechtsprechung des EuGH123 die Frage, ob die vom BAG gewählte Konstruktion über den Ersatzurlaubsanspruch als Schadensersatz jedenfalls für den gesetzlichen Urlaubsanspruch deshalb ihre Bedeutung verliert, weil Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG einem Arbeitnehmer Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, die in mehreren aufeinanderfolgenden Bezugszeiträumen wegen der Weigerung des Arbeitgebers nicht wahrgenommen werden konnten, bis zum Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aufrechterhält. (Boe)
120 BAG v. 16.5.2017 – 9 AZR 572/16, NZA 2017, 1056 Rz. 11. 121 Anders noch BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 956/11, NZA 2014, 545 Rz. 20. 122 Vgl. BAG v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17, NZA 2018, 57 Rz. 11; BAG v. 16.12.2014 – 9 AZR 295/13, NZA 2015, 827 Rz. 28; BAG v. 9.8.2011 – 9 AZR 365/10, NZA 2011, 1421 Rz. 14. 123 EuGH v. 6.11.2018 – C-684/16, NZA 2018, 1474 – Max-Planck-Gesellschaft; EuGH v. 29.11.2017 – C-214/16, NZA 2017, 1591 – King.
378
E.
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
1.
Klagefrist bei Zugang einer Kündigung während der Abwesenheit des Arbeitnehmers
Der Zugang einer verkörperten Kündigungserklärung (§ 623 BGB) und die damit verbundene rechtzeitige Klageerhebung nach § 4 S. 1 KSchG hat die Rechtsprechung des BAG1 immer wieder beschäftigt. Dabei ist danach zu differenzieren, ob die verkörperte Willenserklärung der Kündigung unter Anwesenden oder unter Abwesenden zugeht. Eine verkörperte Willenserklärung geht unter Anwesenden zu und wird entsprechend § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam, wenn sie durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt. Es genügt dabei die Aushändigung und Übergabe der Kündigung, sodass der Kündigungsadressat in den Stand gesetzt wird, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des BAG2 ist der Zugang unter Anwesenden in diesem Sinne auch dann bewirkt, wenn die Kündigung dem Empfänger mit der für ihn erkennbaren Absicht, sie ihm zu übergeben, angereicht und, falls er die Entgegennahme ablehnt, so in seiner unmittelbaren Nähe abgelegt wird, dass er sie ohne Weiteres an sich nehmen und von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann. Eine verkörperte Willenserklärung geht unter Abwesenden i. S. von § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören dabei von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie ein Briefkasten3. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht, ist nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs zu beurteilen, wobei im Interesse der Rechtssicherheit eine generalisierende Betrachtung geboten ist und damit nicht auf die
1 2 3
Vgl. nur BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 493/17, NZA 2018, 1157; BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183; BAG v. 22.3.2012 – 2 AZR 224/11 n. v. BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 20. BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 493/17, NZA 2018, 1157 Rz. 15.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
individuellen Verhältnisse des Empfängers abgestellt wird4. Wird daher die Empfangseinrichtung eines Briefkastens genutzt, erfolgt der Zugang der Kündigung, sobald nach der Verkehrsanschauung und den üblichen Postzustellzeiten mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist5. Wenn danach für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob und wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. Ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben kann diesem deshalb selbst dann zugehen, wenn der Arbeitgeber von einer urlaubsbedingten Ortsabwesenheit weiß6. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer etwa telefonisch oder per E-Mail davon in Kenntnis gesetzt hat, dass ein Kündigungsschreiben in seinen Briefkasten eingeworfen worden ist, muss der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass es in seine tatsächliche Verfügungsgewalt gelangt ist7. In der Entscheidung vom 25.4.2018 war der 2. Senat des BAG8 im Zusammenhang mit einer nachträglichen Zulassung einer Kündigungsschutzklage nach § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG mit der Problematik befasst, welche Vorkehrungen ein Kündigungsadressat zu treffen hat, wenn er länger als sechs Wochen abwesend ist, damit der Zugang von Willenserklärungen gesichert ist. Der Kläger war Chefarzt eines Krankenhauses und befand sich vier Monate in Katar. In dieser Zeit behielt er in Deutschland seinen Wohnsitz bei und vermietete sein Haus an einen Dritten. Mit Schreiben vom 31.5.2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2017. Das Schreiben wurde durch Boten am 7.6.2016 in den mit dem Namen des Klägers versehenen Briefkasten eingeworfen. Der Kläger erlangte davon erst am 1.7.2016 Kenntnis und erhob am 5.7.2016 Kündigungsschutzklage mit dem gleichzeitigen Antrag, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, worüber zunächst nach § 5 KSchG durch Zwischenurteil entschieden worden ist. Das ArbG hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage durch Zwischenurteil abgewiesen. Das LAG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Seine Revision blieb ohne Erfolg.
4 5 6 7 8
BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 493/17, NZA 2018, 1157 Rz. 15; BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 37. BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 37. BAG v. 22.3.2012 – 2 AZR 224/11 n. v. (Rz. 22). BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 38. BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 493/17, NZA 2018, 1157.
380
Klagefrist bei Zugang einer Kündigung während der Abwesenheit des Arbeitnehmers
In Anwendung der vom BAG bereits entwickelten Grundsätze des Zugangs verkörperter Willenserklärungen unter Abwesenden nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB ist der 2. Senat des BAG zunächst davon ausgegangen, dass dem Kläger das Kündigungsschreiben der Beklagten spätestens am 8.6.2016 zugegangen ist, nachdem es am 7.6.2016 in seinen Briefkasten eingelegt worden war. Etwas anderes hätte allenfalls dann gelten können, wenn der Kläger mit der Beklagten ausdrücklich vereinbart hätte, dass ihn betreffende Postsendungen während seiner Abwesenheit in Katar seinem Anwalt hätten zugänglich gemacht werden müssen. Da der Zugang der Kündigungserklärung spätestens am 8.6.2016 feststand, kam es nur noch darauf an, ob der Kläger gemäß § 5 Abs. 1 KSchG nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, um auf diese Weise eine nachträgliche Klagezulassung zu erreichen. In diesem Zusammenhang beschäftigt sich das BAG zunächst damit, welcher Sorgfaltsmaßstab im Hinblick auf die nach Lage der Umstände zuzumutende Sorgfalt angelegt werden muss, wobei der 2. Senat des BAG einen objektivabstrakten Sorgfaltsmaßstab wie beim Begriff der Fahrlässigkeit i. S. von § 276 Abs. 2 BGB favorisiert9, ohne im Einzelfall auch in der Person des Arbeitnehmers liegende Besonderheiten zu berücksichtigen. Dabei greift das BAG auf die Prinzipien des § 233 ZPO zurück, obwohl es sich bei der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG nicht um eine rein prozessuale Frist handelt. Im Ergebnis lässt das BAG die Frage unentschieden, weil sowohl nach einem objektiven, als auch einem subjektiven Maßstab die dem Kläger nach Lage der Umstände zuzumutende Sorgfalt nicht beachtet worden ist. Dabei berücksichtigt das BAG vor allem, dass der Kläger nicht nur vorübergehend – wie im Fall einer urlaubsbedingten Abwesenheit von bis zu sechs Wochen – abwesend gewesen ist, sondern seine Abwesenheitszeit mehr als vier Monate betragen hat. In einem solchen Fall ist es dem Arbeitnehmer nach Ansicht des BAG zumutbar, eine Person seines Vertrauens damit zu beauftragen, regelmäßig die für ihn bestimmte Post nicht nur dem Briefkasten zu entnehmen, sondern auch öffnen zu dürfen und den Arbeitnehmer selbst oder einen zur Wahrnehmung seiner Rechte beauftragten Dritten zeitnah über ihren Inhalt zu informieren oder sie an einen zu ihrer Öffnung und Wahrung seiner Rechte bevollmächtigten Dritten weiterzuleiten. Gleichzeitig stellt das BAG klar, dass der Arbeitgeber grundsätzlich nicht aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) gehalten ist, den Arbeit9
So bereits BAG v. 24.11.2011 – 2 AZR 614/10, NZA 2012, 413 Rz. 16.
381
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
nehmer selbst fernmündlich oder zumindest seinen Prozessbevollmächtigten über den Zugang einer Kündigung zu informieren, weil grundsätzlich jede Partei innerhalb vertraglicher Beziehungen für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen hat. Da der Kläger lediglich den Mieter seines Hauses beauftragt hatte, die an ihn adressierte Post nur einmal im Monat gesammelt nach Katar zu schicken und keine verbindliche Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen worden war, wie bei der längeren Abwesenheit des Klägers der Zugang der an ihn gerichteten Post zu bewirken war, hatte er nicht die ihm zumutbaren Voraussetzungen dafür geschaffen, um eine zeitnahe Kenntnis der in seinen Briefkasten eingeworfenen Schriftstücke zu erhalten. Für die betriebliche Praxis erweist sich als probate Alternative, die Zustellung einer Kündigung an den abwesenden Arbeitnehmer gemäß § 132 Abs. 1 BGB durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zu bewirken, der die Zustellung nach den Vorschriften der ZPO durchführt. (Boe)
2.
Neue Rechtsprechung zur Massenentlassung
a)
Einbeziehung von Leiharbeitnehmern bei der Kennzeichnung einer Massenentlassung
Es besteht Unsicherheit über die Frage, ob und inwieweit Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Schwellenwerte für die Kennzeichnung einer Massenentlassung i. S. des § 17 Abs. 1 KSchG zu berücksichtigen sind. Dabei geht es nicht nur darum, Leiharbeitnehmer bei der Kennzeichnung der in der Regel in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Ihre Einbindung kann hier nicht nur zur Folge haben, dass die Schwellenwerte einer Anwendbarkeit von § 20 KSchG überhaupt erst erreicht werden. Ihre Einbindung kann auch dazu führen, dass der Betrieb als Folge seiner Größe in eine andere Gruppe fällt und deshalb mehr Entlassungen erfolgen müssen, um von einer Massenentlassung auszugehen. Unabhängig davon ist umstritten, ob Leiharbeitnehmer bei der Zahlung der Entlassungen zu berücksichtigen sind. Dagegen spricht, dass sie durch den Arbeitgeber im Einsatzbetrieb nicht entlassen werden. Vielmehr wird lediglich ihr Einsatz in diesem Betrieb des Entleihers beendet. Ob und inwieweit dies auch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher zur Folge hat, hängt davon ab, welche weiteren (alternativen) Beschäftigungsmöglichkeiten durch den Verleiher bestehen.
382
Neue Rechtsprechung zur Massenentlassung
Das BAG hatte den EuGH auf der Grundlage eines Vorlagebeschlusses vom 16.11.201710 um Vorabentscheidung gebeten. Nachdem das Verfahren beim BAG jetzt allerdings durch Rücknahme der Revision beendet wurde, wird sich der EuGH mit dieser Frage nicht mehr befassen. Auch beim EuGH ist deshalb das Verfahren beendet worden. Die betriebliche Praxis wird daher zunächst einmal ohne eine unionsrechtliche Klarstellung arbeiten müssen. Zu empfehlen ist, Leiharbeitnehmer aus Gründen der äußersten Vorsorge bei allen Schwellenwerten alternativ einzubinden. Immer dann, wenn mit oder ohne ihre Einbindung die Schwelle einer Massenentlassung erreicht wird, sollte eine Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 17 Abs. 2 KSchG erfolgen und eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 3 KSchG eingereicht werden. Wir hatten darauf zuletzt im Zusammenhang mit dem Vorlagebeschluss des BAG hingewiesen11.
b)
Handlungspflichten bei einer Entscheidungsvorbereitung zu Massenentlassungen im Konzern
Vielfach werden Restrukturierungen, die auch zu einer Massenentlassung führen können, gar nicht unmittelbar von der hiervon betroffenen Gesellschaft vorbereitet. Wenn sich die Gesellschaft in einer Konzernbindung befindet, sind es oft die Anteilsinhaber, die auf übergeordneten Ebenen über solche Veränderungsprozesse nachdenken und entsprechende Entscheidungen vorbereiten. Auch wenn die späteren Entlassungen an die Voraussetzungen geknüpft sind, dass die betroffene Gesellschaft selbst – insoweit vertreten durch Vorstand oder Geschäftsführung – die entsprechende unternehmerische Entscheidung trifft und erst im Anschluss daran die Umsetzung vornimmt, stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Inhalt diese Gesellschaft als Arbeitgeber ihre Verpflichtungen aus § 17 Abs. 2, 3 KSchG zu erfüllen hat. Maßgeblich ist dabei § 17 Abs. 3 a KSchG. Entsprechend der unionsrechtlichen Verpflichtung aus Richtlinie 98/59/EG wird dort bestimmt, dass die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach § 17 Abs. 1 bis 3 KSchG auch dann gelten, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.
10 BAG v. 16.11.2017 – 2 AZR 90/17 (A), NZA 2018, 245. 11 B. Gaul, AktuellAR 2018, 94 ff.
383
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Aus dieser Regelung folgt zwar keine Vorverlagerung der Handlungspflichten aus § 17 Abs. 1 bis 3 KSchG. Erst dann, wenn Entlassungen durch den Arbeitgeber selbst geplant werden, müssen die Konsultations- und Anzeigepflichten erfüllt werden. Solange nur ein verbundenes Unternehmen mit solchen Vorbereitungen befasst ist, löst dies noch keine Pflichten des hiervon betroffenen Unternehmens aus. Sobald innerhalb des von der Massenentlassung betroffenen Unternehmens allerdings nicht nur Kenntnis von entsprechenden Überlegungen erlangt wird, sondern auch eine Entscheidung zur Übernahme dieser Planungen durch das verantwortliche Organ (Vorstand/Geschäftsführung) getroffen wird, sind Konsultations- und Anzeigepflichten gegeben. Im Rahmen dieser Verpflichtungen kann sich der Arbeitgeber dann nicht darauf berufen, dass ihm die für eine Information des Betriebsrats oder Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit erforderlichen Informationen nicht vorliegen. Vielmehr ist er gehalten, sich diese Informationen im Konzern zu besorgen. Geschieht dies nicht, sind Konsultation bzw. Anzeige fehlerhaft und die Entlassungen unwirksam. In seinen Urteilen vom 7.8.201812 hat der EuGH klargestellt, dass gemeinsame Vermögensinteressen unterschiedlicher Unternehmen nicht genügen, um von einer Konzernverbindung i. S. des § 17 Abs. 3 a KSchG auszugehen. Bei derartigen Kriterien werde dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht ausreichend Rechnung getragen. Denn ein nationales Gericht wäre zu umfangreichen Recherchen mit ungewissem Ergebnis, etwa zur Beurteilung von Art und Stärke der verschiedenen gemeinsamen Interessen der Unternehmen, gezwungen. Eine bloße Vertragsbeziehung, die dem Unternehmen nicht ermöglicht, einen bestimmenden Einfluss auf die durch ein anderes Unternehmen getroffene Entlassungsentscheidung auszuüben, sei deshalb nicht ausreichend. Erforderlich für die Anerkennung als ein konzernverbundenes Unternehmen ist somit, entsprechend der aktienrechtlichen Vorgaben in Deutschland, dass durch Beteiligungen an dessen Gesellschaftskapital oder eine andere rechtliche Verbindung die Möglichkeit geschaffen wird, einen bestimmenden Einfluss in den Entscheidungsorganen des anderen Unternehmens auszuüben und es zu zwingen, Massenentlassungen in Betracht zu ziehen oder vorzuziehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung und/oder anderweitigen Entscheidungsorganen des Arbeitgebers gegeben ist. Ausreichend kann allerdings auch sein, dass das andere Unternehmen – ohne die Stimmenmehrheit zu erreichen – etwa wegen einer breiten Streuung des Gesellschaftskapitals des Arbeitgebers, des relativ geringen Beteiligungsgrads der 12 EuGH v. 7.8.2018 – C-61/17, C-52/17 und C-72/17, NZA 2018, 1051 – Bichat u. a.
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Sozialauswahl nach der Bildung eines Betriebsrats im gemeinsamen Betrieb
Gesellschafter an den Versammlungen oder der Existenz von Verträgen zwischen Gesellschaftern des Arbeitgebers gleichwohl in der Lage ist, die Abstimmungsergebnisse zu bestimmen. Wichtig ist, dass die daraus folgende Notwendigkeit einer Information des Arbeitgebers insbesondere über die Gründe etwaiger Entlassungen im Rahmen des Konsultations- und Anzeigeverfahrens nach § 17 Abs. 2, 3 KSchG beachtet wird. Gerade dann, wenn der Arbeitgeber selbst mit seiner Entscheidung unternehmensübergreifende Konzerninteressen verfolgt, müssen diese als Bestandteil der Gründe für die geplanten Entlassungen genannt werden. (Ga)
3.
Sozialauswahl nach der Bildung eines Betriebsrats im gemeinsamen Betrieb
Grundsätzlich werden der kündigungsschutzrechtliche und der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff zunächst einmal an den gleichen Kriterien festgemacht. Maßgeblich für die Frage, ob Bereiche einen Betrieb bilden, ist damit, dass von einer Stelle aus übergreifend alle wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten entschieden und in ihrer Umsetzung gesteuert werden. Dennoch können sich in der weiteren Umsetzung Unterschiede zwischen BetrVG und KSchG ergeben. So spielt die räumliche Entfernung – entgegen § 4 Abs. 1 BetrVG – im Kündigungsschutzrecht keine Rolle13. Auch räumlich weit entfernte Einheiten können also einen kündigungsschutzrechtlichen Betrieb bilden, während betriebsverfassungsrechtlich die Bildung mehrerer Betriebsräte geboten sein kann. Losgelöst davon kann die Verkennung des Betriebsbegriffs im BetrVG zur Folge haben, dass für Bereiche, die eigentlich mehrere betriebsverfassungsrechtliche Betriebe bilden, nur ein Betriebsrat gewählt wird. Erfolgt keine (rechtzeitige) Anfechtung der Betriebsratswahl, gilt die Wahl als wirksam14. Die Bereiche, für die dieser Betriebsrat gewählt wurde, werden für die Dauer der regulären Amtszeit wie ein betriebsverfassungsrechtlicher Betrieb behandelt. Das gleiche gilt dann, wenn für mehrere Einheiten, die eigentlich einen einzigen Betrieb bilden, unter Verkennung des Betriebsbegriffs mehrere Betriebsräte gewählt werden15. Für das Kündigungsschutzrecht hat diese
13 Vgl. HWK/B. Gaul, BetrVG § 4 Rz. 8. 14 Vgl. BAG v. 19.11.2003 – 7 ABR 25/03 n. v. (Rz. 18); GK-BetrVG/Kreutz, BetrVG § 19 Rz. 85. 15 BAG v. 21.9.2011 – 7 ABR 54/10, NZA-RR 2012, 186 Rz. 26 f.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
betriebsverfassungsrechtliche Fiktion keine Bedeutung. Dort wird weiterhin an die tatsächlichen Steuerungsstrukturen angeknüpft. Auf der Grundlage entsprechender Feststellungen des BAG im Urteil vom 18.10.200016 hat das LAG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 15.8.201717 deutlich gemacht, dass der Arbeitgeber allerdings auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen für einen kündigungsschutzrechtlichen Betrieb durch Treu und Glauben gezwungen sein kann, mehrere Bereiche als einen solchen (kündigungsschutzrechtlichen) Betrieb zu behandeln, wenn er über einen längeren Zeitraum hinweg gegenüber Arbeitnehmern und Arbeitnehmervertretern diese Bereiche jedenfalls auf der betriebsverfassungsrechtlichen Ebene als Betrieb behandelt hat. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber zunächst einen Betriebsteil gemäß § 613 a BGB auf einen anderen Rechtsträger übertragen. Im Anschluss daran bestand der bisherige Betriebsrat fort, der – wie in der Vergangenheit – die Arbeitnehmer der übertragenen Einheit ebenso wie die Arbeitnehmer im Restbereich vertrat. Mit diesem Betriebsrat wurden auch übergreifende Betriebsvereinbarungen abgeschlossen. In einer dieser Betriebsvereinbarungen erklärte die Geschäftsführung beider Unternehmen, dass sie einen gemeinsamen Betrieb führten und der Betriebsrat für die Mitarbeiter zuständig sei. Darauf hatten die Unternehmen bereits im Rahmen des Unterrichtungsschreibens gemäß § 613 a Abs. 5 BGB hingewiesen. Im Zusammenhang mit einem Kündigungsschutzverfahren stellte sich nunmehr die Frage, ob der kündigende Arbeitgeber verpflichtet war, zur Vermeidung einer betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch freie Arbeitsplätze, die in Bereichen des anderen Unternehmens vorhanden waren, gemäß § 1 Abs. 2 KSchG zu berücksichtigen. Darüber hinaus war zu klären, ob eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl erfolgen musste. Das LAG Berlin-Brandenburg hat eine solche übergreifende Betrachtungsweise, die der rechtlichen Situation in einem kündigungsschutzrechtlichen gemeinsamen Betrieb entspricht, für geboten gehalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob tatsächlich ein gemeinsamer Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzrechts gegeben sei. Vielmehr müsse sich der Arbeitgeber als Konsequenz seines entsprechenden Verhaltens gegenüber Arbeitnehmern und Arbeitnehmervertretern so behandeln lassen, als sei ein solcher Betrieb gebildet worden. Insofern komme es nicht darauf an, ob tatsächlich eine übergrei-
16 BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 494/99, NZA 2001, 321. 17 LAG Berlin-Brandenburg v. 15.8.2017 – 11 Sa 603/17, AE 2018, 54.
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Speicherfristen bei personenbezogenen Daten
fende Steuerung in Bezug auf die wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten gegeben sei. Dieser Sichtweise ist zuzustimmen. Sie geht allerdings weiter als die Vermutung in § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG, die widerlegt werden kann. Grundlage hierfür ist § 242 BGB i. V. mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens. In der betrieblichen Praxis müssen solche Konsequenzen einer betriebsverfassungsrechtlichen Gestaltungsweise auch für das Kündigungsschutzrecht im Auge behalten werden. Wenn der Fortbestand eines Betriebs als gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen im Anschluss an einen Betriebsteilübergang genutzt werden soll, um eine Betriebsänderung zu vermeiden und die bisherigen Organisationsstrukturen in der Zusammenarbeit mit dem bisherigen Betriebsrat weiter in Anspruch nehmen zu können, hat dies eben – bis gegenteilige Maßnahmen ergriffen werden – auch kündigungsschutzrechtlich den Fortbestand des bisherigen Betriebs zur Folge. (Ga)
4.
Speicherfristen bei personenbezogenen Daten als Schranke ihrer prozessualen Verwertung im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses
Dem Arbeitgeber obliegt es, im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses die Gründe darzulegen und ggf. zu beweisen, aufgrund derer eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen soll. Steht eine verhaltensbedingte Kündigung in Rede, muss also vor allem die schuldhafte Pflichtverletzung dargelegt und ggf. bewiesen werden, aufgrund derer arbeitgeberseitig die Gefahr einer erneuten (schweren) Störung des Vertragsverhältnisses in der Zukunft prognostiziert wird. Soweit diese Pflichtverletzung bereits einige Zeit vor Ausspruch der Kündigung erfolgt ist, kann sich dabei die Frage stellen, ob und inwieweit der Arbeitgeber berechtigt ist, die ihm zu dieser Pflichtverletzung vorliegenden Daten noch zum Gegenstand seines Prozessvortrags und/oder einer Beweisaufnahme zu machen. Problematisch könnte daran sein, dass personenbezogene Daten selbst dann, wenn sie auf zulässige Weise erhoben wurden, nicht zeitlich unbegrenzt gespeichert und verwertet werden können. Das folgt aus den datenschutzrechtlichen Vorgaben zur Löschung personenbezogener Daten. In seinem Urteil vom 23.8.201818 hat sich das BAG noch einmal eingehend mit dieser Frage auseinandergesetzt. Als Ergebnis wird man dabei festhalten können, dass die Speicherung personenbezogener Daten mit dem Ziel einer 18 BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, NZA 2018, 1329.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
späteren Verwertung im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses auch unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Schranken solange zulässig ist, bis ihr Zweck – Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung – entweder erreicht oder aufgegeben oder nicht mehr erreichbar ist. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber im dritten Quartal 2016 bemerkt, dass in seinem Geschäft, in dem unter anderem Tabakwaren und Lottoscheine vertrieben wurden, Waren verschwanden, ohne dass von ihrem Verkauf ausgegangen werden konnte. Er nahm dies zum Anlass, am 1./2.8.2016 die Videoaufnahmen durchzusehen, die durch eine deutlich gekennzeichnete Videokamera im öffentlichen Verkaufsraum seit Beginn des Kalenderjahres gemacht worden waren. Bei dieser Durchsicht war zu erkennen, dass die Klägerin Einnahmen, die ihr als Kassiererin im Zusammenhang mit dem Verkauf von Tabakwaren überlassen wurden, in die falsche Kasse (Lottokasse) getan oder in keine Kasse gelegt hatte. Soweit sie in der Lottokasse abgelegt worden waren, hatte sie den Raum mit der Lottokasse kurzzeitig verlassen und einen Raum aufgesucht, in dem keine Videoüberwachung installiert worden war. Mehr- oder Mindereinnahmen waren in der Lottokasse nicht erkennbar. Nachdem die Klägerin zu diesen Verdachtsmomenten einer Unterschlagung angehört worden war und jede Pflichtverletzung verneint hatte, sprach der Arbeitgeber eine außerordentliche (fristlose) Kündigung aus. Soweit der Arbeitgeber sich im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses auf das vorstehend beschriebene Geschehen berief, machte sie geltend, dass die Speicherung der Videoaufnahme und die anschließende Verwertung im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses nicht (mehr) zulässig sei. Darin liege ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht, der ein Darlegungs- und Beweisverwertungsverbot zur Folge habe. Der 2. Senat des BAG ist dieser Auffassung im Urteil vom 23.8.201819 nicht gefolgt. In Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung hat es dabei zunächst einmal deutlich gemacht, dass weder die ZPO noch das ArbGG Bestimmungen enthielten, die die Verwertbarkeit von Erkenntnissen oder Beweismitteln einschränkten, die eine Arbeitsvertragspartei rechtswidrig erlangt habe. Ein „verfassungsrechtliches Verwertungsverbot“ komme nur in Betracht, wenn dies wegen einer grundrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten sei. Das gebiete der Anspruch auf rechtliches Gehör, der durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährt werde. Voraussetzung für die Anerkennung eines entsprechenden Verwertungsverbots sei in
19 BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, NZA 2018, 1329 Rz. 13 ff.
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Speicherfristen bei personenbezogenen Daten
der Regel, dass bereits durch die Informations- oder Beweisbeschaffung das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Partei verletzt worden sei, ohne dass dies durch die überwiegenden Belange der anderen Partei gerechtfertigt gewesen wäre. Darüber hinaus müssten die betroffenen Schutzzwecke des bei der Gewinnung verletzten Grundrechts der Verwertung der Erkenntnis oder des Beweismittels im Rechtsstreit entgegenstehen. Insofern müsse die prozessuale Verwertung selbst einen Grundrechtsverstoß darstellen20. Auf dieser Grundlage muss an sich eine Abwägung der wechselseitigen Interessen im Einzelfall vorgenommen werden. Diese ist aber entbehrlich, wenn man berücksichtigt, dass die Bestimmungen des BDSG – ebenso wie die Vorgaben der DSGVO – nach den Feststellungen des BAG eine Konkretisierung des Schutzes des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung enthalten. Wenn eine betreffende Maßnahme nach den Vorgaben des Datenschutzrechts zulässig sei, liege deshalb auch keine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Rechts am eigenen Bild vor. Ein Verwertungsverbot sei also von vornherein ausgeschlossen21. Hiervon ausgehend war im Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung erst einmal zu prüfen, ob der Arbeitgeber aus datenschutzrechtlicher Sicht berechtigt war, die Videoaufnahme zu speichern und die daraus gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen einer Vernehmung von Zeugen oder in einer Inaugenscheinnahme des Videos prozessual zu verwerten. Diese Überprüfung hat das BAG mit dem Ergebnis beendet, dass sowohl die Erhebung als auch die Verwertung durch den Arbeitgeber in zulässiger Weise erfolgt war. Bei der entsprechenden Prüfung hat das BAG schlussendlich offen gelassen, ob die Erhebung der Daten nach § 6 a BDSG a. F. (heute: § 4 BDSG) zulässig gewesen sei. Ebenso konnte offen bleiben, ob auf dieser Grundlage eine Speicherung und spätere Nutzung gerechtfertigt werden konnte. Denn diese Speicherung und anschließende Auswertung der personenbezogenen Daten sei bereits auf der Grundlage von § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a. F. (heute: § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG) erlaubt. Schließlich sei der Arbeitgeber durch § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a. F. berechtigt, diese auch zu speichern und zu verwenden, um damit die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Rechtsstreit um die Wirksamkeit einer Kündigung und/oder das Bestehen von Schadensersatzansprüchen zu erfüllen22. § 32 BDSG a. F. 20 BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, NZA 2018, 1329 Rz. 14. 21 BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, NZA 2018, 1329 Rz. 15. 22 BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, NZA 2018, 1329 Rz. 22, 45 ff.; BAG v. 27.7.2017 – 2 AZR 681/16, NZA 2017, 1327 Rz. 28.
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(heute: § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG) stelle dabei eine eigenständige Rechtfertigungsgrundlage neben § 6 b BDSG a. F. (heute: § 4 BDSG) dar. Dem ist ohne Einschränkung auch unter Berücksichtigung der übergeordneten Vorgaben der DSGVO zuzustimmen. Gemäß § 32 BDSG a. F. bzw. § 26 BDSG ist Voraussetzung für eine wirksame Datenerhebung und -verarbeitung ihre Erforderlichkeit. Dies setzt allerdings – entgegen dem eigentlichen Wortlaut – ihre „volle“ Verhältnismäßigkeit voraus. Die Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten muss also geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung des damit verbundenen Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch angemessen sein, um den in Rede stehenden Zweck zu erreichen. Hiervon ist das BAG bereits auf der Grundlage der Richtlinie 95/46/EG und unter Berücksichtigung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK ausgegangen. Die DSGVO und die darin für das Arbeitsverhältnis getroffene Öffnungsklausel (Art. 88 DSGVO) hat dies nicht verändert. Im vorliegenden Fall war die Speicherung und Verarbeitung der Aufnahmen der Klägerin nicht nur geeignet, um im Prozess tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer schweren Pflichtverletzung darzulegen und ggf. zu beweisen. Diese Speicherung und spätere Verarbeitung war unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin auch erforderlich und angemessen. Zunächst einmal hätte der Arbeitgeber in deutlich stärkerer Weise in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen, wenn er anlasslos in regelmäßigen Zeitabständen die Videoaufnahmen mit dem Ziel angesehen hätte, etwaige Pflichtverletzungen der Klägerin zu erkennen. Dieser Eingriff wird minimiert, wenn nur aus einem konkreten Anlass heraus eine solche Verwertung durchgeführt wird. Etwas anderes würde allenfalls dann gelten, wenn die Videoaufnahme der Klägerin nicht bekannt und daher unverhältnismäßig gewesen wäre. Nach den Feststellungen des BAG folgt dies bereits aus dem Umstand, dass der rechtmäßig gefilmte Vorsatztäter in Bezug auf die Aufdeckung und Verfolgung seiner materiell-rechtlich nachverfolgbaren Tat nicht schutzwürdig ist. Dies werde er auch nicht durch den bloßen Zeitablauf. Denn das Allgemeine Persönlichkeitsrecht könne nicht zu dem alleinigen Zweck in Anspruch genommen werden, sich vor dem Eintritt von Verfall, Verjährung oder Verwirkung der Verantwortung für vorsätzlich rechtswidriges Handeln zu entziehen23. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass der 2. Senat des BAG in seinem Urteil vom 23.8.201824 ausdrücklich darauf verweist, dass eine datenschutz23 BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, NZA 2018, 1329 Rz. 24 ff., 29 ff. 24 BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, NZA 2018, 1329 Rz. 45 ff.
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Gestaltungsspielraum nach Verurteilung zur (Weiter-)Beschäftigung eines Arbeitnehmers
rechtliche Bewertung auf der Grundlage der früheren Rechtslage durch die Veränderungen, die mit Inkrafttreten der DSGVO erfolgt sind, unverändert Bestand hat. Auch § 88 DSGVO i. V. mit § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG erlaube dem Arbeitgeber, die relevanten Sequenzen der Videoaufnahme weiterhin zur Durchführung des Verfahrens „aufzubewahren“. Er müsse die Passagen nicht löschen. In jedem Fall stellten sowohl die „Aufrechterhaltung“ des diesbezüglichen Sachvortrags, als auch der Beweisantritt des Arbeitgebers, mit dem eine Verwertung der Videoaufnahmen bewirkt werden sollte, eine verhältnismäßige und damit rechtmäßige Datenverarbeitung dar. Auch dieser Auffassung ist zuzustimmen. Es zeigt sich allerdings, wie wichtig es ist, bei der Vorbereitung einer Kündigung nicht nur die materiellrechtlichen Vorgaben des Kündigungsschutzrechts, die Anforderungen einer Betriebsratsanhörung und die formalen Anforderungen an ein Kündigungsschreiben und seinen Zugang im Auge zu behalten. Ganz wesentlich ist es, schon bei der Zusammenstellung der Gründe einer Kündigung die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Verwertung personenbezogener Daten zu beachten. Wenn dabei erkennbar wird, dass die Erhebung, Speicherung oder Nutzung nicht allen datenschutzrechtlichen Regelungen Rechnung trägt, bewirkt dies nicht zwingend einen Ausschluss ihrer prozessualen Verwertung. Vielmehr ist einzelfallbezogen auch bei einem Verstoß gegen das Datenschutzrecht eine Interessenabwägung durchzuführen, die neben dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf Arbeitnehmerseite die materiell-rechtlichen Interessen des Arbeitgebers und das übergeordnete Interesse an einer Wahrung der Rechtsordnung und ihrer Durchsetzung durch die Gerichtsbarkeit berücksichtigt. (Ga)
5.
Arbeitgeberseitiger Gestaltungsspielraum nach Verurteilung zur (Weiter-)Beschäftigung eines Arbeitnehmers
Der aus §§ 611, 613 i. V. mit § 242 BGB, Art. 1, 2 GG vom Großen Senat des BAG25 hergeleitete vertragliche Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers, der regelmäßig nur eine rahmenmäßige Umschreibung im Arbeitsvertrag erfährt, wird durch den Arbeitgeber auf der Grundlage der Ausübung seines Weisungsrechts gemäß §§ 611 Abs. 1, 315 Abs. 1 BGB i. V. mit § 106 GewO festgelegt26. Der Arbeitgeber konkretisiert mit seinem Weisungsrecht die arbeitsvertraglich bestimmte Arbeitspflicht hinsichtlich Zeit, Ort und Art 25 BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 Rz. 38. 26 Näher dazu BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, NZA 2017, 1452 Rz. 74.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
der zu erbringenden Arbeitsleistung und schafft damit regelmäßig erst die Voraussetzung dafür, dass der Arbeitnehmer diese erbringen und das Arbeitsverhältnis praktisch durchgeführt werden kann. Insofern ist die Ausübung des Weisungsrechts notwendige Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers, wobei der erforderliche Weisungsumfang von den Umständen des Einzelfalls abhängt27. Die vom Arbeitgeber durch Ausübung seines Weisungsrechts vorgenommene Konkretisierung der Arbeitsleistungspflicht des Arbeitnehmers hat für diesen grundsätzlich, wenn sie nach § 315 Abs. 3 S. 1 BGB der Billigkeit entspricht, so lange Bestand, bis sie durch eine andere wirksame Arbeitgeberweisung ersetzt wird28. Nur diese Leistung kann der Arbeitnehmer in Annahmeverzug begründender Weise anbieten. Der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch kann im Klageweg geltend gemacht werden. Ebenso ist ein Anspruch des gekündigten Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses grundsätzlich möglich29, der klageweise verfolgt werden kann. Bei der Titulierung eines dem Arbeitnehmer während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zustehenden Beschäftigungsanspruchs oder eines ihm während des Laufs eines Kündigungsschutzprozesses zustehenden Weiterbeschäftigungsanspruchs muss der Vollstreckungstitel verdeutlichen, um welche Art von Beschäftigung es geht, um dem Bestimmtheitserfordernis aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen. Für den Schuldner muss aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat. Es muss zumindest die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich sein, wobei es ausreichen kann, wenn sich aus dem Titel das Berufsbild, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, ergibt oder worin die zuzuweisende Tätigkeit bestehen soll. Für die Art und Weise der vorzunehmenden Beschäftigung reicht weder die Formulierung „gemäß Arbeitsvertrag“ noch regelmäßig die Formulierung „zu unveränderten Arbeitsbedingungen“ aus, wenn die konkrete Beschäftigung nicht mit hinreichender Bestimmtheit aus dem Titel zu entnehmen ist30.
27 Ausführlich BAG v. 21.3.2018 – 10 AZR 560/16, NZA 2018, 1071 Rz. 35; BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, NZA 2017, 1452 Rz. 60. 28 BAG v. 21.3.2018 – 10 AZR 560/16, NZA 2018, 1071 Rz. 36; BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, NZA 2017, 1452 Rz. 71. 29 BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 Rz. 51. 30 BAG v. 27.5.2015 – 5 AZR 88/14, NZA 2015, 1053 Rz. 46; BAG v. 15.4.2009 – 3 AZB 93/08, NZA 2009, 917 Rz. 20.
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Gestaltungsspielraum nach Verurteilung zur (Weiter-)Beschäftigung eines Arbeitnehmers
In der Entscheidung vom 21.3.2018 musste sich der 10. Senat des BAG31 mit einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO befassen, bei der es um die Frage ging, ob die Erfüllung eines rechtskräftig zuerkannten Beschäftigungsanspruchs auf einen konkreten Arbeitsplatz wegen dessen Wegfalls unmöglich geworden war. Der beklagte Arbeitnehmer hatte gegen die klagende Arbeitgeberin ein rechtskräftiges arbeitsgerichtliches Urteil erstritten, wonach er als Director Delivery Communication und Media Solutions General Western Europe von dieser zu beschäftigen war. Die Klägerin verweigerte die Beschäftigung, weil diese Tätigkeit des Arbeitnehmers zwischenzeitlich im Zuge einer Umstrukturierungsmaßnahme einem anderen Konzernunternehmen zugeordnet worden war. Um die vom Arbeitnehmer eingeleitete Zwangsvollstreckung abzuwenden, hat die Arbeitgeberin im Wege der Vollstreckungsgegenklage die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Beschäftigungsurteil des ArbG betrieben. Während das LAG Düsseldorf32 unter Hinweis darauf der Klage entsprochen hat, dass ein Arbeitnehmer die Beschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht verlangen kann, wenn dem Arbeitgeber die Beschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz unmöglich oder unzumutbar ist, was auch dann zu bejahen werden müsste, wenn der Wegfall der Stelle auf der unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers beruhte, ist die Vollstreckungsgegenklage vom BAG33 abgewiesen worden. Das BAG ist zunächst der Argumentation des LAG Düsseldorf gefolgt, dass bezogen auf die ausgeurteilte Beschäftigungspflicht von einer Unmöglichkeit der Arbeitgeberin i. S. von § 275 Abs. 1 BGB auszugehen ist, wenn der Arbeitsplatz im Betrieb – hier durch eine Umstrukturierungsmaßnahme – weggefallen war34. Insofern ist das BAG von einer subjektiven Unmöglichkeit i. S. von § 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB ausgegangen, die vorliegt, wenn zwar ein anderer die Leistung erbringen könnte, dem Schuldner selbst jedoch diese Fähigkeit fehlt oder verloren gegangen ist, weil er das Leistungshindernis, das auch in der notwendigen Mitwirkung eines Anderen bestehen kann, nicht überwinden kann. Dies steht im Gegensatz zur objektiven Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB), bei der nach den Naturgesetzen oder nach
31 32 33 34
BAG v. 21.3.2018 – 10 AZR 560/16, NZA 2018, 1071. LAG Düsseldorf v. 10.6.2016 – 10 Sa 614/15 n. v. BAG v. 21.3.2018 – 10 AZR 560/16, NZA 2018, 1071. So bereits für witterungsbedingte Schließung BAG v. 9.3.1983 – 4 AZR 301/80, DB 1983, 1496; Schließung einer Abteilung BAG v. 4.9.1985 – 5 AZR 90/84 n. v.; Umorganisation BAG v. 13.6.1990 – 5 AZR 350/89 n. v.; Betriebsstilllegung BAG v. 18.3.1999 – 8 AZR 344/98, ZTR 1999, 516.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik35 die Leistung schlechthin nicht erbracht werden kann. Ungeachtet dessen, dass der Klägerin die Beschäftigung des Beklagten mit dem titulierten Inhalt unmöglich geworden ist, geht das BAG von einer unzulässigen Rechtsausübung im Sinne dolo agit qui petit quod statim redditurus est (§ 242 BGB) aus, weil der Beklagte der Einwendung der Unmöglichkeit entgegenhalten kann, dass ihm die klagende Arbeitgeberin auf der Grundlage eines Schadensersatzanspruchs sogleich eine anderweitige vertragsgemäße Beschäftigung zuweisen müsste. Diese Schadensersatzpflicht leitet das BAG aus § 275 Abs. 4 BGB i. V. mit §§ 280, 283, 326 BGB her. Da die Klägerin nicht dargelegt habe, dass der Eintritt des Leistungshindernisses nicht von ihr zu vertreten sei (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB), könne der beklagte Arbeitnehmer von ihr verlangen, ihm eine andere vertragsgemäße Beschäftigung zuzuweisen. Das BAG weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die klagende Arbeitgeberin nicht durch den Titel daran gehindert wurde, dem Arbeitnehmer eine andere vertragsgemäße Beschäftigung übertragen zu können, weil der Titel nur ausdrückt, welche konkrete Tätigkeit dem Arbeitnehmer zuletzt wirksam zugewiesen worden ist. Mit der Titulierung habe sich jedoch der Beschäftigungsanspruch des Arbeitgebers nicht in der Weise verengt, dass er ausschließlich durch die Zuweisung eines Arbeitsplatzes mit dem im Urteilstenor beschriebenen Inhalt erfüllt werden könnte. Tituliert sei nur ein Ausschnitt des durch Weisung der Arbeitgeberin zu konkretisierenden vertraglichen Beschäftigungsanspruchs. Dadurch werde jedoch keine spätere Ersetzung durch Zuweisung eines anderen vertragsgerechten Arbeitsinhalts verhindert. Da die klagende Arbeitgeberin im Streitfall nicht dargelegt hatte, über keinen Arbeitsplatz zu verfügen, der eine vertragsgemäße weitere Beschäftigung des beklagten Arbeitnehmers zuließ, konnte sie nicht mit Erfolg einwenden, ihr sei die Erfüllung des rechtskräftig zuerkannten Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers gänzlich unmöglich geworden. Aufgrund dieser Rechtsprechung des BAG wird sich die betriebliche Praxis darauf einstellen müssen, dass sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Wegfall einer Beschäftigungspflicht des Arbeitnehmers berufen kann, wenn er den arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch durch Zuweisung einer anderen vertragsgemäßen Tätigkeit erfüllen könnte. Dies gilt auch dann, 35 BAG v. 21.3.2018 – 10 AZR 560/16, NZA 2018, 1071 Rz. 18; BGH v. 8.5.2014 – VII ZR 203/11, NJW 2014, 3365 Rz. 23.
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Außerordentliche Kündigung wegen Krankheit
wenn der Arbeitnehmer einen Beschäftigungstitel erstritten hat, der den Arbeitgeber zu einer darin ausgeurteilten konkreten Beschäftigung verpflichtet. Dies hat aber andererseits zur Konsequenz, dass auch der Arbeitgeber trotz einer entsprechenden Verurteilung nicht das Recht einbüßt, dem Arbeitnehmer im Rahmen der vertraglich umschriebenen Stellung kraft Direktionsrechts nach billigem Ermessen eine anderweitige Beschäftigung übertragen zu können. (Boe)
6.
Außerordentliche Kündigung wegen Krankheit
In seinen beiden Urteilen vom 22.3.201836 und vom 25.4.201837 hat sich das BAG noch einmal eingehend mit zwei außerordentlichen Kündigungen wegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des jeweils betroffenen Arbeitnehmers befasst. Während die erste Entscheidung eine außerordentliche fristlose Eigenkündigung der Arbeitnehmerin behandelte, stand bei der zweiten Entscheidung eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber mit einer Frist, die der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses entsprochen hätte, in Rede.
a)
Außerordentliche und fristlose Eigenkündigung des Arbeitnehmers
Im Ausgangspunkt seines Urteils vom 22.3.201838 hat das BAG zunächst einmal deutlich gemacht, dass ein Arbeitsverhältnis gemäß § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden könne, wenn Tatsachen vorlägen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne. Ob ein wichtiger Grund i. S. des § 626 Abs. 1 BGB vorliege, beurteile sich aber für arbeitgeberseitig und arbeitnehmerseitig ausgesprochene Kündigungen nach denselben Maßstäben. Hiervon ausgehend kann der Umstand, dass ein Arbeitnehmer in Folge einer Erkrankung für unabsehbare Zeit nicht in der Lage ist, die vertraglich geschuldete Arbeit zu verrichten, an sich geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kön36 BAG v. 22.3.2018 – 8 AZR 190/17, NZA 2018, 1191. 37 BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 6/18, NZA 2018, 1056. 38 BAG v. 22.3.2018 – 8 AZR 190/17, NZA 2018, 1191 Rz. 23 ff.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
ne unter solchen Umständen sowohl für die eine wie auch für die andere Seite unzumutbar sein. Allerdings müssten beide Seiten dafür Sorge tragen, dass ihr Arbeitsverhältnis nach Möglichkeit bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist in einer für beide Seiten zumutbaren Art und Weise aufrechterhalten werde könne. Hiervon ausgehend waren aus Sicht des 8. Senats des BAG im streitgegenständlichen Fall die Voraussetzungen einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Klägerin erfüllt. Sie war als Helferin in einem Seniorenzentrum beschäftigt und hatte zwei Abmahnungen erhalten. Darin warf ihr der Arbeitgeber einen Arbeitszeitbetrug vor. Die Klägerin hatte diesen Vorwurf für unberechtigt gehalten und darum gebeten, zum Zwecke der Klarstellung mit einem Betriebsleiter zu sprechen. Ihr Versuch blieb erfolglos. Ebenso erfolglos war ihr Versuch, den Arbeitgeber zu einer Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu bewegen. Offenkundig belastete sie die daraus folgende Auseinandersetzung so sehr, dass sie im Anschluss an einen Urlaub wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig wurde. Als sie – um eine weitere Belastung zu vermeiden – den Arbeitgeber um den Abschluss eines Aufhebungsvertrags bat, wurde auch dies abgelehnt. Ein Aufhebungsvertrag sollte nach Auffassung des Arbeitgebers nur unter Verwendung bestimmter Abgeltungsklauseln geschlossen werden. Die Klägerin entschloss sich daraufhin, eine außerordentliche und fristlose Eigenkündigung auszusprechen. Gegenstand einer prozessualen Auseinandersetzung wurde diese Kündigung deshalb, weil der Arbeitgeber eine Vertragsstrafe geltend machte, die gezahlt werden sollte, wenn die Klägerin das Arbeitsverhältnis vertragswidrig, insbesondere ohne Einhaltung der Fristen, beendete. Ausgehend von einer Unwirksamkeit der außerordentlichen und fristlosen Kündigung hielt der Arbeitgeber diese Voraussetzungen für gegeben. Das BAG ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Nach seiner Einschätzung durfte das LAG auf der Grundlage einer Beweisaufnahme zur Erkrankung der Klägerin annehmen, dass eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu einer erheblichen gesundheitlichen Belastung der Klägerin führen würde, bei der – so die vernommene Ärztin – ein „Abrutschen“ der Klägerin in die Psychiatrie zu befürchten war. Hiervon ausgehend war eine negative Zukunftsprognose und auch eine daraus folgende Belastung der Klägerin anzunehmen. Da mildere Mittel zu einer Lösung der Konfliktsituation, die die psychische Belastung zur Folge hatte, durch den Arbeitgeber abgelehnt worden waren, kam zur Vermeidung weiterer Belastungen nur noch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Weil der Klägerin ange-
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Außerordentliche Kündigung wegen Krankheit
sichts der Belastungen eine Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar war, konnte sie auch eine fristlose Kündigung aussprechen. Zutreffend war das LAG in diesem Fall auch von einer Wahrung der Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB ausgegangen. Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginne, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen habe, die ihm die Entscheidung darüber ermöglichten, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen wolle oder nicht. Uneingeschränkt gelte dies bei in der Vergangenheit liegenden, vollständig abgeschlossenen Kündigungssachverhalten, mögen diese auch – etwa als Vertrauensverlust – noch fortwirken. Bei Dauertatbeständen, die dadurch gekennzeichnet seien, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend neu verwirklichten, lasse sich der Fristbeginn nach § 626 Abs. 2 BGB demgegenüber nicht eindeutig fixieren. Liege ein solcher Tatbestand vor, reiche es deshalb zur Fristwahrung aus, dass die Umstände, auf die sich der Kündigende stütze, auch noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung gegeben gewesen seien39. Hiervon ausgehend war die Frist vorliegend tatsächlich kein Problem. Denn es stand ein Dauertatbestand in Rede. Die Klägerin war noch zum Zeitpunkt der Kündigung arbeitsunfähig erkrankt. Unter Berücksichtigung der Ursache dieser Erkrankung war zu diesem Zeitpunkt deshalb auch die Prognose gerechtfertigt, dass jede weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar war.
b)
Außerordentliche Kündigung eines tarifvertraglich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers wegen Krankheit
Gegenstand des Urteils des BAG vom 25.4.201840 war eine außerordentliche Kündigung wegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, die durch den Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer erklärt wurde, dessen Arbeitsverhältnis nach den Regelungen des insoweit verbindlichen Tarifvertrags nicht mehr ordentlich gekündigt werden konnte. In dem zugrunde liegenden Fall fehlte der Kläger über viele Jahre hinweg in nicht unerheblichem Umfang als Folge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Zuletzt war seine Fehlzeit auch durch eine Entziehungskur begründet, die er wegen einer Suchterkrankung in Anspruch genommen hatte. 39 BAG v. 22.3.2018 – 8 AZR 190/17, NZA 2018, 1191 Rz. 48; BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 582/13, NZA 2014, 962 Rz. 14. 40 BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 6/18, NZA 2018, 1056.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Als die krankheitsbedingten Fehlzeiten auch im Anschluss an diese Entziehungskur immer wieder – wenn auch kurzzeitig – eintraten, nahm dies der Arbeitgeber zum Anlass, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Frist auszusprechen, die bei einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur Anwendung gekommen wäre (notwendige Auslauffrist). In den Gründen seiner Entscheidung hat das BAG deutlich gemacht, dass eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist eines ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein könne, wenn aufgrund der zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Wann dies der Fall sei, hänge von den Voraussetzungen und der Ausgestaltung des dem Arbeitnehmer eingeräumten tariflichen Sonderkündigungsschutzes ab. In allen Fällen sei aber zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen, die bei einer solchen Kündigung wegen einer Krankheit im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB erfüllt werden müssten, auf allen drei Stufen strengeren Kriterien unterlägen, als dies noch bei einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Fall wäre. Der Prüfungsmaßstab sei also „erheblich strenger“. Die prognostizierten Fehlzeiten (1. Stufe) und die sich aus ihnen ergebenden Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen (2. Stufe) müssten deshalb deutlich über das Maß hinausgehen, welches eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen vermöchte. Insofern müsste der Leistungsaustausch zwar nicht komplett entfallen, aber schwer gestört sein. Hierfür bedürfe es eines gravierenden Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Ggf. sei deshalb auch im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung (3. Stufe) zu prüfen, ob die gravierende Äquivalenzstörung dem Arbeitgeber auf Dauer zuzumuten sei41. Von diesen Grundsätzen ausgehend verlangt das BAG, dass bei einer Kündigung, die auf häufige Kurzerkrankungen gestützt wird, zur Erstellung der Gesundheitsprognose – vorbehaltlich des Vorliegens besonderer Umstände des Einzelfalls – regelmäßig auf einen Referenzzeitraum von drei Jahren vor Zugang der Kündigung bzw. vor Einleitung des Verfahrens zur Beteiligung einer bestehenden Arbeitnehmervertretung abgestellt wird. Nur bei einer solchen Dauer des „Regelreferenzzeitraums“ sei auch die für § 626 Abs. 1 BGB erforderliche Prognose einer negativen Gesundheitsentwicklung in der Zukunft gerechtfertigt.
41 BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 6/18, NZA 2018, 1056 Rz. 20; BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 582/13, NZA 2014, 962 Rz. 28.
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Außerordentliche Kündigung wegen Krankheit
Auf der 2. Stufe muss eine erhebliche Beeinträchtigung des Arbeitgebers als Folge der prognostizierten Ausfallzeiten dargelegt werden. Soweit dabei auf die Kosten der Entgeltfortzahlung abgestellt werden solle, hält das BAG allerdings nur eine Berücksichtigung der gesetzlichen Entgeltfortzahlungskosten für zulässig. Weitergehende Zahlungspflichten, die beispielsweise aus einem (tarif-)vertraglich geregelten Zuschuss zum Krankengeld entstehen können, müssen – so das BAG – bei dieser Bewertung unberücksichtigt bleiben42. Gerade weil der Tarifvertrag durch den Sonderkündigungsschutz Arbeitnehmer in besonderer Weise vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses schützen will, bedürfe es einer erheblichen Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses. Diese „Schmerzgrenze“ werde zwar nicht erst dann überschritten, wenn – so noch das LAG – der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nur noch zu etwa 50 % der Arbeitstage zur Verfügung stehe. Voraussetzung für die Anerkennung eines wichtigen Grundes sei aber, dass auf der Grundlage der negativen Gesundheitsprognose angenommen werden könne, dass der Arbeitgeber voraussichtlich im Durchschnitt mehr als ein Drittel der jährlichen Arbeitstage mit Entgeltfortzahlung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit belastet sein werde. Diese tatbestandliche Voraussetzung einer außerordentlichen Kündigung wegen Krankheit trage einerseits dem Umstand Rechnung, dass das Maß der Entgeltfortzahlungskosten deutlich über dasjenige hinausgehen müsse, welches ggf. eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen vermöchte. Ein Drittel der jährlichen Arbeitstage entspreche nahezu dem Dreifachen des Werts von sechs Wochen, jenseits dessen nach der gesetzlichen Wertung in § 3 Abs. 1 EFZG eine ordentliche Kündigung begründet sein könne. Andererseits werde dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu beenden, wenn der Leistungsaustausch in seinem Kernbereich dauerhaft gestört sei. Hiervon könne unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG zum Umfang eines wirksamen Widerrufsvorbehalts43 ausgegangen werden, wenn mehr als 25 bis 30 % der Hauptleistungspflicht durch die jeweils andere Partei nicht erbracht würden. Erst wenn der Arbeitgeber an mehr als einem Drittel der jährlichen Arbeitstage mit einer Entgeltfortzahlung belastet werde, könne von einer Beeinträchtigung der objektiv berechtigten Gleichwertigkeitserwartung ausgegangen werden. Wenn man sich diese Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers wegen einer prognostizierten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vor Augen führt, dürfte eine solche Beendi42 BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 6/18, NZA 2018, 1056 Rz. 31. 43 Vgl. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 Rz. 23.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
gung nur noch in seltenen Fällen erfolgen können. Denn es ist nicht häufig der Fall, dass der Arbeitnehmer als Folge unterschiedlicher Erkrankungen selbst bei einem hohen Fehlzeitenaufkommen diese Schwelle einer Entgeltfortzahlung erreicht. Dass er in diesem Umfang krankheitsbedingt fehlt, genügt – wenn nicht zugleich gesetzliche Entgeltfortzahlungsansprüche bestehen – nach diesen Vorgaben des BAG nicht. Damit kommt es in der betrieblichen Praxis im Zweifel nicht mehr auf das Ergebnis einer Interessenausgleichabwägung (3. Stufe) an. Wichtig allerdings ist, dass der 2. Senat des BAG in seinem Urteil vom 25.4.201844 zu Recht deutlich macht, das bei einer Anwendung der vorstehenden Grundsätze für die Kennzeichnung eines wichtigen Grundes auch dem Erfordernis Rechnung getragen wird, dass bei einer Kündigung wegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, die zugleich als Behinderung qualifiziert werden kann, die besonderen Anforderungen aus §§ 3, 8 AGG zu berücksichtigen sind. Schließlich verfolgt der Arbeitgeber nicht nur einen legitimen Zweck, wenn eine solche personenbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt wird. Die durch das BAG entwickelten Voraussetzungen tragen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung, die bei einer Kündigung wegen Behinderung als ultima ratio wegen §§ 3, 8 AGG, 167 Abs. 2 SGB IX erfüllt werden müssen. Zu empfehlen ist, diese Anforderungen bei der Darlegung der Kündigungsgründe im Rahmen einer Betriebsratsanhörung unter Einbeziehung der gesetzlichen Voraussetzungen der vorstehend genannten Vorschriften auszuführen. Dass der Arbeitgeber damit die Kündigung auch unter dem Gesichtspunkt einer Kündigung wegen Behinderung rechtfertigen will, braucht nicht ausdrücklich klargestellt zu werden. Der Gesichtspunkt der Behinderung kommt mit Blick auf die notwendige Zustimmung des Integrationsamts und die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nur dann zum Tragen, wenn eine Schwerbehinderung vorliegt, die dem Arbeitgeber rechtzeitig bekannt gegeben wird. (Ga)
44 BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 6/18, NZA 2018, 1056 Rz. 41.
400
Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds
7.
Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds durch besondere Leistungen beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags
Bereits im Frühjahr45 hatten wir über die Entscheidung des LAG Saarland vom 22.6.201646 berichtet, das durch besondere Verfahrensvorgaben sich mit der Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds durch Vereinbarungen in einem Aufhebungsvertrag befassen musste. Dieser Aufhebungsvertrag war mit dem Betriebsrats-, Gesamtbetriebsrats- und stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden abgeschlossen worden, nachdem der Arbeitgeber erkannte, dass die beim Arbeitsgericht eingeleiteten Verfahren nach § 103 BetrVG (Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung) und § 23 Abs. 1 BetrVG (Ausschluss aus dem Betriebsrat) voraussichtlich eine lange Zeit dauern würden und hinsichtlich ihres Ausgangs nicht sicher vorhersehbar waren. Hintergrund dieser Verfahren und paralleler Ermittlungen der Staatsanwaltschaft war der Vorwurf einer sexuellen Belästigung der für den Betriebsrat tätigen Assistentin durch den Betriebsratsvorsitzenden. Zur Vermeidung einer weiteren Auseinandersetzung vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien deshalb eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Beendigung wurde nicht nur mit einer mehr als zweieinhalbjährigen Freistellung des Klägers von der Pflicht zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung verbunden. Vielmehr zahlte der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der mehr als dreißigjährigen Betriebszugehörigkeit und eines monatlichen Entgeltanspruchs von etwa 5.000 € eine Abfindung in Höhe von 189.000 € brutto. Nachdem der Kläger die Abfindung erhalten und offenbar auch verbraucht hatte, machte er noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses geltend, dass der Arbeitgeber ihn mit diesem Aufhebungsvertrag in unzulässiger Weise wegen seiner Funktion als Mitglied des Betriebsrats begünstigt habe. Wegen des darin liegenden Verstoßes gegen § 78 S. 2 BetrVG sei der Aufhebungsvertrag unwirksam (§ 134 BGB) und könne keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirken. In Übereinstimmung mit dem Urteil des LAG Saarland hat auch das BAG mit Urteil vom 21.3.201847 diese Auffassung nicht geteilt und die Zurückweisung der Klage bestätigt. Auch das BAG geht davon aus, dass der gesetzliche Kündigungsschutz eines Betriebsratsmitglieds einen sachlichen Grund 45 B. Gaul, AktuellAR 2018, 115 ff. 46 LAG Saarland v. 22.6.2016 – 1 Sa 63/15 n. v. 47 BAG v. 21.3.2018 – 7 AZR 590/16, NZA 2018, 1019.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
dafür biete, besondere Leistungen im Rahmen eines Aufhebungsvertrags zu vereinbaren. Darin liege auch keine Benachteiligung i. S. des § 78 S. 2 BetrVG. Vielmehr gehe der gesetzlich in §§ 15 KSchG, 103 BetrVG geregelte Sonderkündigungsschutz der allgemeinen Regelung in § 78 S. 2 BetrVG als spezielleren Regelung vor und verbessere im Hinblick auf seinen Schutzzweck (Unabhängigkeit der Amtsausübung, Kontinuität der Amtsführung, Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen ohne Furcht vor Entlassung) die kündigungsrechtliche Rechtsstellung der Träger besonderer Funktionen gegenüber der Rechtstellung der übrigen Arbeitnehmer ohne vergleichbaren Sonderkündigungsschutz. Der darin zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertentscheidung entspreche es, dass sich die besondere und ihrerseits bereits begünstigende kündigungsrechtliche Rechtstellung als Verhandlungsposition auf den Abschluss und den Inhalt eines Aufhebungsvertrags auswirken könne48. Hiervon war auch das LAG Saarland ausgegangen. Es hatte die Zulässigkeit der im streitgegenständlichen Fall getroffenen Vereinbarungen allerdings sehr konkret mit der prognostizierten Verfahrensdauer und den individuellen Risiken einer etwaigen Kündigung durch den Arbeitgeber gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang hatte es sich sowohl mit der Dauer der Freistellung als auch der Höhe der Abfindung befasst. Das BAG hält eine solche Vorgehensweise nicht für erforderlich. Nach seiner Auffassung kommt es nicht darauf an, ob die im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbarten Leistungen des Arbeitgebers unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen seien. Vielmehr unterlägen die Bedingungen der Aufhebungsvereinbarung der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien, die durch das Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG insoweit grundsätzlich nicht eingeschränkt werde. Beabsichtige der Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis mit einem Betriebsratsmitglied außerordentlich zu kündigen, könne regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die dem Betriebsratsmitglied in einer Aufhebungsvereinbarung als Kompensation für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährten Leistungen aufgrund einer kündigungsrechtlichen Risikobetrachtung – unter Berücksichtigung des Sonderkündigungsschutzes, der Prozessrisiken und der Dauer der ggf. anzustrengenden oder bereits eingeleiteten gerichtlichen Verfahren – für angemessen gehalten werden durften. Sinn und Zweck des Begünstigungsverbots erforderten es nicht, die Vertragsfreiheit der Parteien durch eine Überprüfung der Angemessenheit der Bedingungen des Aufhebungsvertrags einzuschränken. Das Begünstigungs48 BAG v. 21.3.2018 – 7 AZR 590/16, NZA 2018, 1019 Rz. 19.
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Auflösungsantrag nach wahrheitswidrigem Prozessvortrag des Arbeitnehmers
verbot solle die Unabhängigkeit der Amtsführung schützen. Werde aufgrund der Vereinbarung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Mandat aufgegeben, sei die Unabhängigkeit der künftigen Amtsführung nicht gefährdet49. Im Ergebnis ist dieser Sichtweise zuzustimmen. Gleichwohl erscheint es problematisch, aus dieser Entscheidung zu folgern, dass es keinerlei Grenzen für etwaige Leistungen an Betriebsräte gibt, wenn sie zum Inhalt eines Aufhebungsvertrags gemacht werden. Denn es bleibt das Risiko, dass in solchen Leistungen nicht nur die Schwierigkeiten einer Vertragsbeendigung abgegolten werden. Vielmehr bleibt es weiterhin möglich, dass die Parteien damit etwaigen Handlungen des Arbeitnehmers in seiner Funktion als Betriebsrat während der vorangehenden Amtszeit Rechnung tragen. Dies wäre eine unzulässige Begünstigung und hätte die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags zur Folge. Insofern wird man trotz der abstrakt-generellen Feststellungen des BAG im Einzelfall zu überprüfen haben, ob nicht doch solche versteckten Honorierungen der betriebsrätlichen Arbeit in Rede stehen. Unabhängig davon zeigt die Entscheidung des BAG, dass besondere Leistungen, die im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung den hiervon betroffenen Betriebsratsmitgliedern gewährt werden, nicht generell unzulässig sind. Denn auch im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung kann der besondere Kündigungsschutz aus §§ 15 KSchG, 103 BetrVG zum Tragen kommen. Insofern kann es auch in diesem Zusammenhang sachlich gerechtfertigt sein, Betriebsratsmitgliedern, die sich zu einer einvernehmlichen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bereit erklären, über den Sozialplan hinausgehende Leistungen zuzusagen. Dass dies personalpolitisch zweifelhaft erscheint und die Integrität eines Betriebsratsmitglieds auch im Rahmen der Verhandlungen in Frage stellen kann, bleibt dabei unbestritten. (Ga)
8.
Auflösungsantrag nach wahrheitswidrigem Prozessvortrag des Arbeitnehmers
Nach der Grundkonzeption des KSchG führt eine Sozialwidrigkeit der Kündigung zu ihrer Rechtsunwirksamkeit und zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Das KSchG ist vorrangig ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz50. Dieser Grundsatz wird durch § 9 KSchG unter der Vorausset49 BAG v. 21.3.2018 – 7 AZR 590/16, NZA 2018, 1019 Rz. 20. 50 Nur BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 419/12, NZA 2014, 660 Rz. 18.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
zung durchbrochen, dass entweder dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann oder, bezogen auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers, eine Vertrauensgrundlage für eine sinnvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verloren gegangen ist. Da hiernach eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur ausnahmsweise in Betracht kommt, sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen und zudem der Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses vorliegen, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Der Auflösungsantrag ist trotz seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt in die Zukunft gerichtet51. Soweit der Auflösungsantrag des Arbeitgebers in Rede steht, setzt dieser in seiner materiellen Berechtigung gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG voraus, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Außerdem kann der Arbeitgeber die Vergünstigung des § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG nur im Zusammenhang mit einer ordentlichen Kündigung für sich in Anspruch nehmen, die zudem ausschließlich nach § 1 Abs. 2 und 3 KSchG sozialwidrig sein muss52. Ist die Kündigung auch aus anderen Gründen i. S. von § 13 Abs. 3 KSchG rechtsunwirksam – etwa wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats –, ist ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers bereits unstatthaft. Ob sich ein Arbeitgeber zur Begründung eines Auflösungsantrags nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG auf Gründe berufen kann, die er zuvor erfolglos zur Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung herangezogen hat und ob bewusst wahrheitswidrige Erklärungen des Arbeitnehmers in einem Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber einen Rechtfertigungsgrund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses abgeben können, war Gegenstand einer Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 24.5.201853. Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer außerordentlich fristlos und zugleich ordentlich gekündigt, weil dieser während mehrerer Nachtschichten, in denen er eine Überwachungsaufgabe an einem PC wahrnehmen musste, geschlafen und trotz eines 51 BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 700/15, NZA 2017, 304 Rz. 34; BAG v. 24.11.2011 – 2 AZR 429/10, NZA 2012, 610 Rz. 19; BAG v. 8.10.2009 – 2 AZR 682/08, ZTR 2010, 163 Rz. 14. 52 BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 73/18, NZA 2018, 1131 Rz. 37. 53 BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 73/18, NZA 2018, 1131.
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Auflösungsantrag nach wahrheitswidrigem Prozessvortrag des Arbeitnehmers
wegen erheblicher Brand- und Explosionsgefahr bestehenden Rauchverbots geraucht haben soll. Das LAG hat den dagegen gerichteten Kündigungsschutzanträgen rechtskräftig entsprochen, weil insgesamt eine Abmahnung nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit ausreichend gewesen wäre. Den Auflösungsantrag des Arbeitgebers, den dieser neben der vom Kläger ausgehenden Gefahr für das Betriebsgebäude und die Menschen auch damit begründet hat, der Kläger habe durch bewusst falschen Tatsachenvortrag den Ausgang des Rechtsstreits zu seinen Gunsten beeinflussen wollen, hat das LAG abgewiesen. Der Auflösungsantrag der Beklagten sei unbegründet, weil die dem Kläger vorgehaltenen Pflichtverletzungen nicht zur Kündigung ausgereicht hätten und wären auch kein Anlass für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Soweit es um wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen des Klägers ginge, habe es sich um Entlastungsvorbringen bezüglich des Kündigungsvorwurfs gehandelt. Dieser Bewertung ist das BAG nicht gefolgt und hat unter Aufhebung der Entscheidung des LAG den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen. Zunächst behandelt das BAG die Frage, welche Gründe den Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen können und sieht diese vor allem in Umständen, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, Leistung oder Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Diese Gründe setzen kein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers voraus. Entscheidend soll vielmehr sein, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit sei gefährdet54. Beispielhaft nennt das BAG als Auflösungsgründe Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Aber auch bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen können danach als Auflösungsgrund in Betracht kommen, weil sich der Arbeitnehmer insoweit nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) berufen kann55. Schließlich kann auch das Verhalten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, wenn etwa der Arbeitnehmer leichtfertig Tatsachen-
54 So bereits BAG v. 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540 Rz. 60. 55 BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 419/12, NZA 2014, 660 Rz. 35.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
behauptungen aufstellt, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt56. In diesem Zusammenhang betont des BAG, dass im Gegensatz zur Auffassung des LAG der Geeignetheit als Auflösungsgrund nicht von vornherein entgegensteht, dass das Verhalten des Arbeitnehmers keinen ausreichenden Rechtfertigungsgrund für eine ordentliche Kündigung im Sinne des KSchG abgibt. Das BAG erkennt vielmehr an, dass sich der Arbeitgeber zur Begründung eines Auflösungsantrags durchaus auf Gründe stützen kann, die dem ArbG für eine Kündigungsberechtigung nicht ausgereicht haben, wenn der Arbeitgeber hinreichend begründet, weshalb die unzureichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen57. Entsprechende Anhaltspunkte dafür können sich etwa aus dem Prozessverhalten des Arbeitnehmers ergeben. Dies gilt jedenfalls, solange sich das Gericht nicht in Widerspruch zu seiner Beurteilung des Kündigungsgrundes als unzureichend setzen müsste. So hat bereits das BVerfG58 entschieden, dass der Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG nicht auf den Verdacht einer Pflichtverletzung gestützt werden kann, wenn auch schon die Kündigung mit diesem Verdacht begründet und von den Gerichten als sozialwidrig beurteilt wurde. Das BAG sieht dann keinen Widerspruch zur Beurteilung des Kündigungsgrundes, wenn nach Lage der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz eine durch objektive Tatsachen begründete Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer möglicherweise trotz der für die Kündigung erforderlichen Abmahnung sein pflichtwidriges Verhalten wiederholen und erneut seine Überwachungspflichten verletzen und gegen das Rauchverbot verstoßen werde. Von mitentscheidender Bedeutung für den Auflösungsantrag des Arbeitgebers war jedoch für das BAG der Umstand, dass der Kläger im Rechtsstreit bewusst unwahr zu den ihm zur Last gelegten Pflichtverletzungen vorgetragen hatte. Dabei ist nach Ansicht des BAG ein bewusst falscher Tatsachenvortrag in Bezug auf die vom Arbeitgeber angeführten Kündigungsgründe durchaus geeignet, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen, wenn sich der Arbeitnehmer davon verspricht, die Entscheidung des Gerichts zu seinen Gunsten beeinflussen zu können. Ob der wahrheitswidrige Vortrag für das Gericht entscheidungserheblich ist, spielt nach Auffassung 56 BAG v. 24.3.2011 – 2 AZR 674/09, NZA-RR 2012, 243 Rz. 22; BAG v. 23.2.2010 – 2 AZR 554/08, NZA 2010, 1123 Rz. 32. 57 BAG v. 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540 Rz. 60. 58 BVerfG v. 15.12.2008 – 1 BvR 347/08 n. v. (Rz. 14).
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Anhörung eines Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung
des BAG dabei keine Rolle. Selbst der untaugliche Versuch eines Prozessbetrugs kann das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers irreparabel zerstören. Da das LAG diese Grundsätze missachtet hat, ist der Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das LAG zurückverwiesen worden. Dabei hat das BAG im Falle einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses für die Bemessung der nach den Vorgaben von § 10 KSchG festzusetzenden Abfindung darauf hingewiesen, dass den Kläger bei Feststellung eines bewusst wahrheitswidrigen Sachvortrags ein erhebliches „Auflösungsverschulden“ träfe, das sich abfindungsmindernd auswirken müsse. Für die betriebliche Praxis verdeutlicht diese Entscheidung des BAG, dass es für den Arbeitgeber nicht aussichtslos erscheint, bei einer sozialwidrigen ordentlichen Kündigung die dafür nicht ausreichenden Gründe zum Gegenstand eines Auflösungsantrags nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG zu machen, wenn sich daraus die zukunftsorientierte Bewertung herleiten lässt, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit mit diesem Arbeitnehmer ausgeschlossen erscheint. Von Bedeutung ist des Weiteren, dass jedenfalls auch ein bewusst wahrheitswidriger Sachvortrag im Rechtsstreit als Rechtfertigungsgrund für einen Auflösungsantrag in Betracht kommt. (Boe)
9.
Anforderungen an die Anhörung eines Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung
Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers voraus. Das folgt – so das BAG – aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Annahme, dass das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unabdingbare Vertrauen bereits aufgrund des Verdachts eines erheblichen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers zerstört sei, sei zumindest solange nicht gerechtfertigt, wie der Arbeitgeber die zumutbaren Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts nicht ergriffen habe. Zu diesen Mitteln gehöre es insbesondere, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Verdachtsmomenten zu geben, um dessen Einlassungen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können. Versäume der Arbeitgeber diese, könne er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung sei unwirksam59.
59 BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, NZA 2018, 1405 Rz. 31; BAG v. 16.7.2015 – 2 AZR 85/15, NZA 2016, 161 Rz. 38, 71; BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 1037/12, NZA 2014, 1015 Rz. 23.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
In seinem Urteil vom 23.8.201860, das wir an anderer Stelle behandelt haben61, hatte das BAG bereits deutlich gemacht, dass der Arbeitgeber eine solche Anhörung auch dann durchführen muss, wenn er an sich entschlossen sei, auf der Grundlage der ihm bekannten Verdachtsmomente eine außerordentliche Verdachtskündigung auszusprechen. Voraussetzung für die wirksame Anhörung sei aber, dass dies dem Arbeitnehmer gegenüber nicht erkennbar gemacht wird. Denn wenn dieser den – zutreffenden oder unzutreffenden – Eindruck gewinnen müsse, er könne die Kündigung durch eine etwaige Erklärung ohnehin nicht mehr abwenden, sei der Zweck einer Anhörung nicht mehr zu erreichen. Schließlich soll die Anhörung dem Arbeitnehmer die Gelegenheit geben, Tatsachen zu seiner Entlastung vorzutragen, die eine entsprechende Kündigung entbehrlich machen. Ergänzend hierzu hat das BAG im Urteil vom 25.4.201862 weitergehende Feststellungen zur Vorbereitung einer solchen Anhörung vor einer Verdachtskündigung getroffen. Es ist wichtig, diese Anforderungen bei der betriebspraktischen Umsetzung im Vorfeld einer entsprechenden Kündigung ohne Einschränkung zu berücksichtigen. Nach diesen Feststellungen des BAG muss die Anhörung des Arbeitnehmers im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts vorgenommen werden. Der erforderliche Umfang und damit auch ihre Ausgestaltung richteten sich indes nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sei ein objektiver Maßstab aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers zugrunde zu legen. Einerseits müsse die Anhörung nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt würden. Andererseits reiche es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiere. Vielmehr müsse der Arbeitnehmer erkennen können, zur Aufklärung welchen Sachverhalts ihm Gelegenheit gegeben werden solle. Auf dieser Grundlage müsse ihm die Möglichkeit verschafft werden, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen63. Voraussetzung einer Anhörung ist nach Auffassung des BAG nicht, dass der Arbeitgeber hinsichtlich eines für aufklärungsbedürftig gehaltenen Sachverhalts bereits einen (dringenden) Verdacht gegen den Arbeitnehmer hege und 60 61 62 63
BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, NZA 2018, 1329 Rz. 48. B. Gaul, AktuellAR 2018, 387 ff. BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, NZA 2018, 1405 Rz. 32 ff. Ebenso bereits BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 1037/12, NZA 2014, 1015 Rz. 24.
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Anhörung eines Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung
dies im Rahmen der Anhörung ausdrücklich erkläre. Erforderlich sei allein, dass der Arbeitnehmer erkennen könne, welchen Sachverhalt der Arbeitgeber für aufklärungsbedürftig halte, dass er jedenfalls auch seine, des Arbeitnehmers, Verantwortung dafür in Betracht ziehe und dass ihm, dem Arbeitnehmer, Gelegenheit gegeben werden solle, zu den aufklärungsbedürftigen Geschehnissen und Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen. Dieser Zweck der Anhörung kann sich ausdrücklich oder auch aus den Umständen der Anhörung ergeben. In dem zugrunde liegenden Fall war die Klägerin im Vorfeld einer Verdachtskündigung angehört worden, um aufzuklären, ob sie als Kassiererin einer Bank einen durch die Bundesbank angelieferten Behälter mit 115.000 € ohne die Begleitung eines weiteren Kollegen geöffnet hatte und das darin erwartete Geld gegen Babynahrung und Waschmittel ausgetauscht hatte. Die Klägerin hatte bereits im Vorfeld dieser Anhörung im Rahmen einer Vernehmung durch die Kriminalpolizei, einer Befragung durch den Arbeitgeber und der internen Revision eben dieses Geschehen bestätigt. Vor diesem Hintergrund hat das BAG deutlich gemacht, dass eine weitergehende Aufklärung der Klägerin über den Inhalt der Befragung nicht erforderlich sei. Es war – so das BAG – für die Klägerin zweifelsohne erkennbar, dass der Arbeitgeber hier den Verdacht hatte, dass sie Mitverantwortung am Verschwinden des Geldes trug und durch die Anhörung Gelegenheit haben sollte, zu diesen der Aufklärung bedürftigen Geschehnissen und Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen. Eine entsprechende Anhörung kann nicht nur mündlich erfolgen. Sie kann auch schriftlich durchgeführt werden. Auch davon ist das BAG im Urteil vom 25.4.201864 ausgegangen. Allerdings empfiehlt es sich, Arbeitnehmern, die aufgefordert werden, zu dem Verdachtsmoment schriftlich Stellung zu beziehen, zugleich auch die Möglichkeit einzuräumen, diese Stellungnahme auch mündlich abzugeben. Auch wenn sich das BAG mit dieser Frage in dem vorstehend genannten Urteil nicht befasst, wird man aus seinen abstrakt-generellen Feststellungen ableiten müssen, dass eine Anhörung des Arbeitnehmers möglicherweise nicht nur in einem einzigen Gespräch durchgeführt werden kann. Denn wenn sich nach einer Offenbarung der Verdachtsmomente für den Arbeitnehmer die Notwendigkeit ergibt, sich noch einmal eingehend mit dem Sachverhalt und etwaigen Tatsachen zu befassen, die den erkennbar gewordenen Verdacht entkräften können, kann dies eigene Nachforschungen des Arbeitnehmers
64 BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, NZA 2018, 1405 Rz. 37.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
(z. B. die Durchsicht eines Kalenders, die Befragung eines Kollegen oder die Auswertung der ihm überlassenen Dokumente) erforderlich machen. In diesem Fall ist der Arbeitgeber als Bestandteil seiner Aufklärungsmaßnahmen gehalten, dem Arbeitnehmer hierzu eine angemessene Frist einzuräumen. Innerhalb dieser Frist wird der Beginn der Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB gehemmt. Verzichtet der Arbeitgeber auf diese Ausweitung der Anhörung, besteht die Gefahr, dass das Arbeitsgericht zu der Auffassung kommt, dass der Arbeitgeber nicht die zumutbaren Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts ergriffen hat. Dann aber ist eine Kündigung allein wegen des Verdachts einer schweren Pflichtverletzung ausgeschlossen. (Ga)
10. Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178 SGB IX vor einer Kündigung Gemäß § 178 Abs. 2 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne diese Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, ist unwirksam (§ 178 Abs. 2 S. 1, 3 SGB IX). Entsprechendes gilt, wenn die Beteiligung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde65. In seinem Beschluss vom 20.6.201866 hat sich das BAG zwar vor allem mit der Frage befasst, ob die bei einem Job-Center gebildete Schwerbehindertenvertretung auch dann gemäß § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX beteiligt werden muss, wenn eine Angelegenheit in Rede steht, hinsichtlich derer über das Ob und den Inhalt der Maßnahme auf einer dienststellenübergreifenden Ebene entschieden wird. Es hat insoweit zu Recht deutlich gemacht, dass diese überbetriebliche Zuordnung der Entscheidungskompetenz zur Folge hat, dass keine Unterrichtungs- und Anhörungsverpflichtungen gegenüber der im Job-Center gebildeten Schwerbehindertenvertretung bestehen. Allerdings ist in solchen Fällen die Gesamtschwerbehindertenvertretung oder – wenn eine unternehmensübergreifende Angelegenheit in Rede steht – die Konzernschwerbehindertenvertretung gemäß § 178 SGB IX zu beteiligen. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass eine Beteiligung der Schwerbehindertenver65 LAG Sachsen v. 8.6.2018 – 5 Sa 458/17 n. v. 66 BAG v. 20.6.2018 – 7 ABR 39/16 n. v.
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Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178 SGB IX
tretung – vergleichbar mit der Beteiligung des Betriebsrats – auf der Ebene erfolgen soll, die schlussendlich dafür zuständig ist, die Entscheidung zu treffen, inhaltlich auszugestalten und ihre Umsetzung zu steuern. Wichtig in Bezug auf die Notwendigkeit einer Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung im Vorfeld etwaiger Kündigungen ist, dass sich das BAG in der vorstehend genannten Entscheidung auch mit weiteren Einzelheiten der in § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX vorgesehenen Unterrichtung und Anhörung befasst hat. Dabei hat es deutlich gemacht, dass ein Anhörungsrecht gemäß § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX nur in Angelegenheiten besteht, in denen der Inhaber des Betriebs eine auf Angelegenheiten innerhalb dieses Betriebs bezogene Entscheidung treffen will. Dies ist bei Kündigungen, die gegenüber einem im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer erklärt werden sollen, zweifelsohne der Fall. Wichtig bei der praktischen Umsetzung von § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX ist allerdings, dass hier drei Schritte vollzogen werden müssen. In einem ersten Schritt ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten. Bei einer Kündigung bedeutet dies, dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung ohne schuldhaftes Verzögern informieren muss, wenn er den Kündigungswillen gebildet hat. Dies gilt aber auch in anderen Angelegenheiten. Denn die Unterrichtungspflicht umfasst nicht nur um einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers, sondern alle Angelegenheiten, die Auswirkungen auf schwerbehinderte Menschen besitzen. In einem zweiten Schritt ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung in Bezug auf diese Angelegenheit anzuhören. Eine solche Anhörungspflicht besteht aber nur dann, wenn die Angelegenheit mit einer Entscheidung des Arbeitgebers verbunden ist. Entscheidungen – so das BAG – sind dabei einseitige Willensakte des Arbeitgebers. Das folge bereits aus dem Wortsinn des Begriffs und werde dadurch bestätigt, dass § 178 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 SGB IX von der „getroffenen“ Entscheidung spreche. Auch Sinn und Zweck des Anhörungsrechts zielten darauf ab, der Schwerbehindertenvertretung die Möglichkeit zu geben, an der Willensbildung des Arbeitgebers mitzuwirken. Treffe der Arbeitgeber keine Entscheidung, habe er die Schwerbehindertenvertretung deshalb auch nicht anzuhören67. Voraussetzung einer wirksamen Anhörung ist, dass sich die Schwerbehindertenvertretung auf der Grundlage der Unterrichtung eine Meinung zu der 67 BAG v. 20.6.2018 – 7 ABR 39/16 n. v. (Rz. 33).
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
durch den Arbeitgeber beabsichtigten Entscheidung gebildet hat und Gelegenheit erhält, dem Arbeitgeber ihre Überlegungen hierzu mitzuteilen. Denn die Anhörung soll zu einem Zeitpunkt und in einer Weise erfolgen, die dem Arbeitgeber noch die Möglichkeit eröffnet, diese Überlegungen der Schwerbehindertenvertretung bei dem Ob und dem Inhalt seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund kann es erforderlich sein, der Schwerbehindertenvertretung im Anschluss an die Unterrichtung erst einmal die Gelegenheit einzuräumen, sich eine Meinung zu bilden, die zu einem späteren Zeitpunkt gegenüber dem Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung mitgeteilt wird68. Erst im Anschluss an diese Anhörung ist der Arbeitgeber berechtigt, seine Entscheidung zu treffen. Darüber ist die Schwerbehindertenvertretung in einem dritten Schritt unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Zu diesem Zeitpunkt ist eine weitere Anhörung nicht mehr geboten. Aus dieser gesetzlich vorgegebenen Abfolge einer Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung folgt bereits, dass die erstmalige Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung nicht automatisch mit der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG gleichgeschaltet werden kann. Während der Betriebsrat nach § 102 BetrVG erst anzuhören ist, wenn die Entscheidung bereits getroffen wurde, muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX bereits einbinden, wenn ernsthafte Vorüberlegungen zu Maßnahmen getätigt werden, die einen Schwerbehinderten oder eine Gruppe von Schwerbehinderten betreffen. Die Schwerbehindertenvertretung soll auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss nehmen können69. Das kann zur Folge haben, dass die Schwerbehindertenvertretung deutlich früher in Kenntnis zu setzen ist. Bei kurzfristigen Entscheidungsprozessen kann auch eine parallele Einbindung von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung zulässig sein70. Zu spät wäre es sicher, wenn die Schwerbehindertenvertretung erst nach dem Betriebsrat oder dem Integrationsamt unterrichtet würde. Dass aus dieser abgestuften Beteiligung insbesondere dann Probleme entstehen können, wenn die Schwerbehindertenvertretung das Verfahren verzögert, hatten wir bereits im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten von § 178 Abs. 2 SGB IX bzw. der Vorgängerregelung aufgezeigt71. Dass das Fehlen 68 Vgl. ErfK/Rolfs, SGB IX § 178 Rz. 9; Richardi/Richardi, BetrVG Vor. § 74 Rz. 25. 69 LAG Sachsen v. 8.6.2018 – 5 Sa 458/17 n. v. 70 Vgl. LAG Sachsen v. 8.6.2018 – 5 Sa 458/17 n. v., das den Zeitpunkt fallbezogen bestimmt. 71 B. Gaul, AktuellAR 2017, 182 ff.
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Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178 SGB IX
etwaiger Fristen durch eine Analogie zu § 102 BetrVG aufgelöst werden kann, erscheint zweifelhaft. Denn es wäre ohne Weiteres für den Gesetzgeber möglich gewesen, die Fristen der Betriebsratsbeteiligung im Zusammenhang mit einer Kündigung auch im Rahmen der Einbindung der Schwerbehindertenvertretung zu übernehmen. Dies aber ist nicht erfolgt, was nahelegt, dass hier einzelfallbezogen unterschiedliche Fristen maßgeblich sein sollen. Ungeachtet dessen dürfte der Arbeitgeber aber berechtigt sein, der Schwerbehindertenvertretung Fristen für die Kundgabe einer eigenen Bewertung im Rahmen der Anhörung vorzugeben. Sofern sich diese Fristen an den Fristen für eine Erklärung des Betriebsrats im Rahmen von § 102 BetrVG orientieren, dürften entsprechende Vorgaben zulässig und angemessen sein. Gerade bei der außerordentlichen Kündigung muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 SGB IX vorsorglich noch innerhalb der ZweiWochen-Frist erfolgen sollte, also – wie bei § 102 BetrVG – nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beginn der Kündigungserklärungsfrist durch die Notwendigkeit einer Einbindung der Schwerbehindertenvertretung gehemmt wird. (Ga)
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F.
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
1.
Möglichkeiten des Widerrufs einer Versorgungszusage
Die Möglichkeit des Widerrufs einer unverfallbar gewordenen Versorgungszusage hat die Rechtsprechung des BAG1 und des BGH2 seit vielen Jahren immer wieder beschäftigt. Dabei hat sich in ständiger Rechtsprechung herauskristallisiert, dass aufgrund des Entgeltcharakters der betrieblichen Altersversorgung und des besonderen Schutzbedürfnisses der Versprechensempfänger eine Versagung von Versorgungsleistungen wegen Pflichtverletzungen nur in Betracht kommt, wenn die Berufung des Versorgungsberechtigten auf die Versorgungszusage dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt ist3. Der Arbeitgeber kann sich trotz eines Widerrufsvorbehalts von der erteilten Versorgungszusage wegen grober Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers nur dann „lösen“ und die Leistung verweigern, wenn das Versorgungsverlangen des Arbeitnehmers nach den allgemeinen Grundsätzen rechtsmissbräuchlich ist4. Auch die Betriebsparteien sind nicht befugt, bei schädigendem Verhalten des Arbeitnehmers ein von den allgemeinen Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchseinwands (§ 242 BGB) abweichendes Widerrufsrecht des Versorgungsschuldners zu regeln, weil sie sich damit in einen Widerspruch zu den Grundsätzen von Recht und Billigkeit i. S. von § 75 Abs. 1 BetrVG setzen würden. Die Versorgungszusage kann danach zum einen dem Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein, wenn der Arbeitnehmer die Unver-
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Vgl. bereits BAG v. 8.2.1983 – 3 AZR 463/80, DB 1983, 1770; BAG v. 11.5.1982 – 3 AZR 1239/79, DB 1982, 2411. BGH v. 7.1.1971 – II ZR 23/70, DB 1971, 823. BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 412/13, DB 2014, 2534 Rz. 39; BAG v. 12.11.2013 – 3 AZR 274/12, NZA 2014, 780 Rz. 26; BAG v. 13.11.2012 – 3 AZR 444/10, NZA 2013, 1279 Rz. 30; BGH v. 18.6.2007 – II ZR 89/06, NJW-RR 2007, 1563 Rz. 18. BAG v. 20.9.2016 – 3 AZR 77/15, NZA 2017, 644 Rz. 29; BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 412/13, DB 2014, 2534 Rz. 42.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
fallbarkeit seiner Versorgungsanwartschaft nur durch Vertuschung schwerer Verfehlungen erschlichen hat5. Des Weiteren kann der Rechtsmissbrauchseinwand auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber durch grobes Fehlverhalten einen nicht behebbaren, insbesondere durch Ersatzleistungen nicht wiedergutzumachenden schweren Schaden zugefügt hat, der für den Arbeitgeber eine existenzgefährdende Qualität aufweist6. Hat der Arbeitnehmer die wirtschaftliche Grundlage des Arbeitgebers gefährdet, dann hat er durch sein eigenes Verhalten die Gefahr heraufbeschworen, dass seine Betriebsrente nicht gezahlt werden kann. Deshalb kann er nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht verlangen, dass der Arbeitgeber dennoch seine Betriebsrentenansprüche erfüllt. Führen die vom Arbeitnehmer verursachten Vermögensschäden hingegen nicht zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen des Arbeitgebers, sind dessen Interessen mit der Möglichkeit, den Arbeitnehmer auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, hinreichend gewahrt7. Dies wird von der Rechtsprechung auch mit dem Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung begründet, die sich der Arbeitnehmer als Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebszugehörigkeit verdient hat8. Der Widerruf einer Versorgungszusage dient nicht dazu, auf einfachem und schnellem Wege einen Schadensersatzanspruch zu befriedigen9. Vielmehr ist der Arbeitgeber insoweit auf die gesetzlichen Möglichkeiten verwiesen, wobei insbesondere mitwirkendes Verschulden, beschränkte Arbeitnehmerhaftung und der Pfändungsschutz zu berücksichtigen sind10. An diesen Grundsätzen hat der 3. Senat des BAG in der Entscheidung vom 26.4.201811 festgehalten und sie bestätigt. Der langjährig bei der Beklagten beschäftigte Kläger bezog seit dem 1.3.2016 eine gesetzliche Rente. Bei der Beklagten bestand eine Versorgungsordnung auf der Grundlage einer Gesamtbetriebsvereinbarung, die der Beklagten unter anderem eine Widerrufsklausel einräumte, wenn die Beklagte durch rechtswidrige Handlungen, de-
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BAG v. 13.11.2012 – 3 AZR 444/10, NZA 2013, 1279 Rz. 47. BAG v. 26.4.2018 – 3 AZR 738/16, NZA 2018, 1066 Rz. 43; BAG v. 13.11.2012 – 3 AZR 444/10, NZA 2013, 1279 Rz. 35. 7 BAG v. 26.4.2018 – 3 AZR 738/16, NZA 2018, 1066 Rz. 44; BAG v. 13.11.2012 – 3 AZR 444/10, NZA 2013, 1279 Rz. 30. 8 Vgl. auch BVerfG v. 16.7.2012 – 1 BvR 2983/10, NZA 2013, 193 Rz. 33. 9 BAG v. 13.11.2012 – 3 AZR 444/10, NZA 2013, 1279 Rz. 33. 10 BAG v. 13.11.2012 – 3 AZR 444/10, NZA 2013, 1279 Rz. 33. 11 BAG v. 26.4.2018 – 3 AZR 738/16, NZA 2018, 1066.
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Möglichkeiten des Widerrufs einer Versorgungszusage
retwegen eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt war, erheblich geschädigt wurde oder der Begünstigte die Anspruchsvoraussetzungen in einer als Missbrauch zu wertenden Weise herbeigeführt hatte. Dabei sollte die Entscheidung über den Widerruf durch einen Beirat erfolgen. Aufgrund buchungstechnischer Manipulationen hatte der Kläger die Beklagte um rund 40.000 € geschädigt. Nach fristloser Kündigung wurde er durch rechtskräftigen Strafbefehl wegen gewerbsmäßigen Diebstahls und gewerbsmäßiger Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beirat der Unterstützungskasse beschloss die Betriebsrentenanwartschaft des Klägers zu widerrufen, was ihm mit Schreiben vom 11.2.2015 mitgeteilt wurde. Mit der am 9.7.2015 beim ArbG eingegangenen Klage hat der Kläger um Feststellung nachgesucht, dass die Beklagte zur Zahlung der betrieblichen Altersversorgung verpflichtet sei. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat die Klage wegen Prozessverwirkung als unzulässig abgewiesen. Das BAG hat die Klage für begründet gehalten. Dabei tritt das BAG zunächst der Auffassung des LAG entgegen, dass der Kläger sein Klagerecht verwirkt habe. Eine derartige Prozessverwirkung könne nur beim Vorliegen besonderer Voraussetzungen eintreten, wenn der Anspruchsteller die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhebt und zusätzlich ein Vertrauenstatbestand beim Anspruchsgegner geschaffen worden ist, er werde gerichtlich nicht mehr in Anspruch genommen12. In diesem Zusammenhang hat das BAG offen gelassen, ob eine Verwirkung an § 77 Abs. 4 S. 3 BetrVG scheitert, der die Verwirkung von Rechten ausschließt. Jedenfalls kann nach überzeugender Ansicht des BAG eine materiell-rechtliche Verwirkung frühestens mit der Entstehung bzw. Fälligkeit des Betriebsrentenanspruchs ausgelöst werden, weil bereits das Zeitmoment nicht vor Fälligkeit der sich aus dem Rentenstammrecht ergebenden Leistungen einsetzen kann13. Da im Streitfall der Versorgungsfall beim Kläger frühestens mit dem Bezug seiner gesetzlichen Rente am 1.3.2016 eingetreten war, fehlte es damit bereits am Zeitmoment für eine eingetretene Prozessverwirkung. Soweit es um die materiell-rechtliche Frage des Widerrufs der Versorgungszusage ging, hat das BAG zunächst festgestellt, dass die Regelungen in §§ 317, 319 BGB auf die Widerrufsentscheidung des Beirats keine Anwendung finden können, weil es nicht um die Bestimmung einer Leistung, son12 BAG v. 21.9.2017 – 2 AZR 57/17, NZA 2017, 1524 Rz. 29; BAG v. 20.4.2011 – 4 AZR 368/09, NZA-RR 2011, 609 Rz. 23. 13 BAG v. 10.3.2015 – 3 AZR 56/14, NZA-RR 2015, 371 Rz. 71.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
dern darum ging, ob dem zukünftigen Anspruch des Klägers auf betriebliche Altersversorgung der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegengehalten werden kann. Auch den Betriebsparteien fehlte – wie das BAG betont – wegen § 75 Abs. 1 BetrVG die Befugnis, ein von den allgemeinen Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchseinwands (§ 242 BGB) zu Ungunsten des Arbeitnehmers abweichendes Widerrufsrecht regeln zu dürfen. In der Sache selbst gelangt das BAG unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung zu dem Ergebnis, dass die Berufung des Klägers auf das Versorgungsversprechen nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Dabei verneint das BAG zunächst den Tatbestand der Erschleichung einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft, weil die Beklagte hierzu keinen entsprechenden Vortrag geleistet hatte. Aber auch die Zufügung eines existenzgefährdenden Schadens durch grobe Pflichtverletzung war dem Kläger nach Ansicht des BAG nicht vorzuhalten, selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten von einem Schaden in Höhe von 740.000 € ausging, weil zweifelsfrei nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten damit keine Existenzgefährdung verbunden war. Das BAG verweist die Beklagte zur Realisierung ihres Schadensersatzanspruchs auf die Möglichkeit, den Kläger klageweise auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen und diesen ab Eintritt des Versorgungsfalls durch Aufrechnung gegenüber dem Betriebsrentenanspruch zu verwirklichen. Eine materiell-rechtliche Verwirkung der Versorgungsansprüche des Klägers scheiterte bereits an § 77 Abs. 4 S. 3 BetrVG, wonach die Verwirkung der Rechte aus einer Betriebsvereinbarung ausgeschlossen ist. Der Widerruf einer Versorgungszusage bei einem ehemaligen Geschäftsführer einer GmbH nach seinem Ausscheiden war Gegenstand einer Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 23.1.201814. Dabei berief sich die Beklagte auf eine Klausel in ihren Versorgungsrichtlinien, wonach sich die Firma vorbehielt, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Erteilung der Versorgungszusage maßgebenden Verhältnisse sich so wesentlich geändert haben, dass der Firma die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Betrachtung der Belange der versorgungsberechtigten Person nicht mehr zugemutet werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn (…) d) die versorgungsberechtigte Person Handlungen begeht, die in grober Weise gegen Treu und Glauben verstoßen oder zu einer fristlosen Entlassung berechtigen würden. 14 OLG Karlsruhe v. 23.1.2018 – 13 U 46/17, AE 2018, 88.
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Möglichkeiten des Widerrufs einer Versorgungszusage
Anlass für diesen Widerruf bildeten eine ohne rechtlichen Grund vom Kläger vorgenommene Provisionsumbuchung in Höhe von mehr als 40.000 €, eine Strafanzeige gegen den jetzigen Geschäftsführer zur Durchsetzung eigener Rechte sowie unberechtigte massive Vorwürfe gegenüber der Geschäftsführung der Beklagten, wobei die Vorwürfe – von der Provisionsumbuchung abgesehen – nicht die Zeit der Betriebszugehörigkeit des Klägers zur beklagten Firma bis zu seinem Ausscheiden betrafen, sondern in einen Zeitraum fielen, der vier Jahre und mehr nach dem Ausscheiden des Klägers aus der beklagten Firma lag. Das OLG Karlsruhe hat wie die Vorinstanz zunächst die Widerrufsklausel der Versorgungsordnung für rechtsunwirksam angesehen, weil sich die Beklagte als Versorgungsverpflichtete nicht mittels des vorgesehenen Widerrufvorbehalts unter erleichterten Voraussetzungen von der erteilten Versorgungszusage befreien konnte, die ausschließlich unter der Voraussetzung des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) widerrufbar war. Soweit es um die materiell-rechtliche Berechtigung des Widerrufs in der Versorgungszusage des Klägers ging, wendet das OLG Karlsruhe die vom BAG15 und BGH16 entwickelten und übereinstimmenden Grundsätze an, was jedenfalls dann gelten müsse, wenn der Versorgungsfall bereits eingetreten und der Versorgungsberechtigte nicht mehr Gesellschafter ist. Denn in einem solchen Fall seien die Versorgungsinteressen des ehemaligen Geschäftsführers ebenso zu bewerten wie die eines abhängig Beschäftigten. Auch ein ehemaliger Gesellschafts-Geschäftsführer sei insoweit in gleicher Weise wie ein Arbeitnehmer für die aufgrund seiner Tätigkeit für die Gesellschaft erworbenen Versorgungsansprüche schutzbedürftig17. Insoweit wird die Gesellschaft für den Fall eines vom ehemaligen Geschäftsführer verursachten Vermögensschadens ebenso wie bei einem Arbeitnehmer auf die Möglichkeit verwiesen, den Pensionsberechtigten auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen und diesen ggf. durch Aufrechnung gegenüber der Altersversorgung zu kompensieren. (Boe)
15 BAG v. 26.4.2018 – 3 AZR 738/16, NZA 2018, 1066; BAG v. 13.11.2012 – 3 AZR 444/10, NZA 2013, 1279. 16 Nur BGH v. 11.3.2002 – II ZR 5/00, DB 2002, 1207. 17 Vgl. dazu auch BGH v. 8.12.2016 – IX ZR 257/15, DB 2017, 120 Rz. 47.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
2.
Bedeutung der Tariföffnungsklausel für AltTarifverträge zur Entgeltumwandlung
Mit dem Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz, BRSG) vom 17.8.201718, das am 1.1.2018 in Kraft getreten ist (Art. 17 BRSG), schafft der Gesetzgeber unter anderem die Möglichkeit für die Sozialpartner, über den Weg des Tarifvertrags reine Beitragszusagen des Arbeitgebers zu vereinbaren sowie eine automatische Entgeltumwandlung mit einem Optionssystem in den Unternehmen und Betrieben einzuführen. Daneben wird unter anderem ein spezifisches Fördermodell für Geringverdiener vorgesehen. Bei einer Entgeltumwandlung wird der Arbeitgeber künftig verpflichtet, die ersparten Sozialversicherungsbeiträge in pauschalierter Form (15 %) an die Beschäftigten bzw. die Versorgungseinrichtungen weiterzuleiten. Ein Impuls für die Neuregelungen des BetrAVG war dem Umstand geschuldet, dass nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG der Arbeitgeber für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auf betriebliche Altersversorgung auch dann einzustehen hat, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt. Nach der Neuregelung des § 1 Abs. 2 a BetrAVG liegt betriebliche Altersversorgung auch dann vor, wenn der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 BetrAVG (reine Beitragszusage) zu zahlen. Bei dieser neuen Form der reinen Beitragszusage besteht keine Einstandspflicht des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG und § 1 a Abs. 4 S. 2 BetrAVG. Die Regeln über die Unverfallbarkeit, Abfindung, Übertragung, Auskunftspflichten, vorzeitige Altersleistung sowie die Anpassungsprüfungspflicht aus § 16 BetrAVG sind ebenso unanwendbar wie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem 4. Abschnitt des Gesetzes (§§ 7 bis 15 BetrAVG). Allerdings soll in den entsprechenden Tarifverträgen ein Sicherungsbeitrag vereinbart werden, der dazu genutzt werden kann, die neue Betriebsrente zusätzlich abzusichern (§ 23 Abs. 1 BetrAVG). Im Ergebnis erfüllt der Arbeitgeber allein mit der Leistung von Beiträgen, die dem Aufbau eines Versorgungskapitals zugeführt werden, die von ihm übernommene Altersversorgungszusage mit der Maßgabe, dass das Anlagerisiko vom Arbeitnehmer zu tragen ist, der Versorgungsansprüche aus-
18 BGBl. I 2017, 3214.
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Bedeutung der Tariföffnungsklausel für Alt-Tarifverträge zur Entgeltumwandlung
schließlich gegen die Versorgungseinrichtung, aber nicht mehr gegen den Arbeitgeber verfolgen kann. Im neu in das BetrAVG eingefügten 7. Abschnitt (betriebliche Altersversorgung und Tarifvertrag) hat der Gesetzgeber in den §§ 19 bis 24 BetrAVG die Vorschriften, die sich mit betrieblicher Altersversorgung auf tariflicher Grundlage befassen, zusammengefasst. Dazu gehören die in § 19 BetrAVG – zuvor in § 17 Abs. 3 BetrAVG – geregelte allgemeine Tariföffnungsklausel sowie der in § 20 Abs. 1 BetrAVG und zuvor in § 17 Abs. 5 BetrAVG vorgesehene Vorrang tariflicher Entgeltumwandlung und die Schaffung von tariflichen Optionssystemen im Falle einer automatischen Entgeltumwandlung. Die §§ 21 bis 24 BetrAVG betreffen die reine Beitragszusage auf tarifvertraglicher Grundlage nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 a BetrAVG. Dabei können gemäß § 24 BetrAVG nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelung vereinbaren. Im Zuge der reinen Beitragszusage durch eine entsprechende tarifvertragliche Regelung hat der Gesetzgeber in § 23 Abs. 2 BetrAVG vorgesehen, dass bei einer reinen Beitragszusage im Fall der Entgeltumwandlung im Tarifvertrag zu regeln ist, dass der Arbeitgeber 15 % des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an die Versorgungseinrichtung weiterleiten muss, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart. Durch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)19 ist in § 1 a BetrAVG folgender Abs. 1 a eingefügt worden (1 a) Der Arbeitgeber muss 15 % des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.
In der Begründung heißt es dazu wie folgt20: Der neue Abs. 1 a verpflichtet den Arbeitgeber, bei einer Entgeltumwandlung den von ihm ersparten Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen in pauschalierter Form zu Gunsten seines Beschäftigten an die durchführende Versorgungseinrichtung weiterzuleiten (siehe Übergangsregelung in § 26 a n. F.). Die Verpflichtung besteht nicht, wenn die Entgeltumwandlung im Rahmen von Direkt- und Un-
19 BT-Drucks. 18/12612 S. 6, 28. 20 BT-Drucks. 18/12612 S. 28.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
terstützungskassenzusagen erfolgt. Mögliche Verwaltungskosten des Arbeitgebers, die mit der Durchführung der Entgeltumwandlung verbunden sind, werden mit der Pauschalierung angemessen berücksichtigt. Anders als der gesetzlich verpflichtende Arbeitgeberzuschuss bei einer reinen Beitragszusage nach § 23 Abs. 2 ist der Zuschuss nach § 1 a Abs. 1 a tarifdispositiv (siehe § 19 Abs. 1). Auch Regelungen in vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossenen Tarifverträgen, die gegenüber dem neuen gesetzlich verpflichtenden Arbeitgeberzuschuss für Beschäftigte ungünstiger sind, bleiben gültig. Für den Arbeitgeberzuschuss gelten die gleichen steuerlichen Regelungen wie für die mittels Entgeltumwandlung finanzierten Beiträge des Arbeitgebers (z. B. bei der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 EStG, der Förderung nach § 10 a und dem 11. Abschnitt des EStG sowie dem Betriebsausgabenabzug beim Arbeitgeber).
Damit entfällt die Zuschusspflicht bei Entgeltumwandlung in Direktzusagen oder Unterstützungskassenversorgungen. Da nach § 19 Abs. 1 BetrAVG von § 1 a BetrAVG insgesamt durch Tarifvertrag abgewichen werden darf, ist der Zuschuss nach § 1 a Abs. 1 a BetrAVG nach dem Willen des Gesetzgebers tarifdispositiv. Überdies erlaubt § 19 Abs. 2 BetrAVG eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen für nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die vorgenannte Regelung des § 1 a Abs. 1 a BetrAVG wird vom Gesetzgeber durch die Übergangsvorschrift des § 26 a BetrAVG flankiert, die lautet21: § 1 a Abs. 1 a gilt für individual- und kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1.1.2019 geschlossen worden sind, erst ab dem 1.1.2022.
In der Ausschussbegründung heißt es hierzu wie folgt: Der neue § 1 a Abs. 1 a gilt mit seinem Inkrafttreten am 1.1.2019 zunächst nur für ab diesem Zeitpunkt neu abgeschlossene Entgeltumwandlungsvereinbarungen. Für zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Entgeltumwandlungsvereinbarungen ist der Arbeitgeberzuschuss erst nach einer Übergangsfrist von vier Jahren ab Beginn 2022 verpflichtend. Damit haben die Beteiligten ausreichend Zeit, sich auf die Neuregelung einzustellen. In Tarifverträgen kann nach § 19 Abs. 1 ohnehin von § 1 a abgewichen werden. 21 Vgl. dazu BT-Drucks. 18/12612 S. 9.
422
Bedeutung der Tariföffnungsklausel für Alt-Tarifverträge zur Entgeltumwandlung
Die §§ 1 a Abs. 1 a, 26 a BetrAVG treten gemäß Art. 17 Abs. 5 BRSG erst am 1.1.2019 in Kraft. Aus der Übergangsregelung des § 26 a BetrAVG i. V. mit § 1 a Abs. 1 a BetrAVG ist zunächst zu entnehmen, dass arbeitsvertragliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die ab dem 1.1.2019 geschlossen werden (Neuverträge), soweit sie zu Ungunsten des Arbeitnehmers von § 1 a BetrAVG abweichen, die Zuschusspflicht des Arbeitgebers aus § 1 a Abs. 1 a BetrAVG nicht verdrängen können. Individual- und kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die indes vor dem 1.1.2019 geschlossen worden sind, unterfallen erst ab dem 1.1.2022 der den Arbeitgeber treffenden Zuschusspflicht gemäß § 1 a Abs. 1 a BetrAVG. Problematisch kann jedoch sein, ob vor dem 1.1.2019 bereits abgeschlossene tarifvertragliche Regelungen zur Entgeltumwandlung, die nur zum Teil zusätzliche Arbeitgeberleistungen enthalten, die jedoch häufig geringer ausfallen als die in § 1 Abs. 1 a BetrAVG vorgesehenen 15 %22, über den 1.1.2019 hinaus bestandskräftig bleiben (Alttarifverträge), weil ohnehin in Tarifverträgen gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG von § 1 a BetrAVG auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden darf. Für diese rechtliche Bewertung lässt sich die Ausschussbegründung zu § 26 a BetrAVG anführen, die mit dem Hinweis auf die Tarifdispositivität des § 1 a BetrAVG verdeutlicht, dass die bestehenden tarifvertraglichen Regelungen zur Entgeltumwandlung im Hinblick auf diese Vorschrift keine Änderung erfahren sollen23. Andererseits lässt sich durchaus argumentieren, dass Tarifverträge mit Entgeltumwandlungsinhalten, die zumindest vor Inkrafttreten des BRSG abgeschlossen worden sind, mangels entsprechender Willensrichtung der Tarifvertragsparteien keine Abweichung von § 26 a BetrAVG aufweisen können. Eine derartige Sichtweise hätte zur Konsequenz, dass die Tarifvertragsparteien nach dem 1.1.2019 erneut durch eine entsprechende tarifvertragliche Regelung die Zuschusspflicht des Arbeitgebers regeln müssten, ansonsten der Arbeitnehmer berechtigt wäre, auf der Grundlage von § 1 a Abs. 1 a BetrAVG die Weiterleitung des Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung klageweise durchsetzen zu können. So gelangt auch Bepler24 zu dem Ergebnis, dass entgegen der in der BT-Drucks. 18/12612 zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung nach § 19 Abs. 1 BetrAVG von der gesetzlichen Neuregelung über den Arbeitgeberzuschuss zu einer betrieblichen Altersversorgung durch Entgeltumwandlung (§ 1 a
22 Siehe dazu die Angaben von Bepler, BA 2018, 432 bei Fn. 17. 23 So wohl Thüsing/Beden, BetrAV 2018, 5, 7. 24 Bepler, BA 2018, 432, 441.
423
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
Abs. 1 a BetrAVG) zu Ungunsten des Arbeitnehmers nur durch Neutarifverträge nach dem 1.1.2018 abgewichen werden kann. In diesem Zusammenhang dürfte es jedoch keinem begründeten Zweifel unterliegen, dass Tarifverträge, die nach der Veröffentlichung des BRSG am 23.8.2017 und damit auch vor dem eigentlichen Datum seines Inkrafttretens am 1.1.2018 zur Entgeltumwandlung abgeschlossen worden sind und keine oder eine geringere Zuschusspflicht als von § 1 a Abs. 1 a BetrAVG vorgesehen enthalten, durch die Regelung des § 19 Abs. 1 BetrAVG gedeckt sind25. Ebenso problemlos wird man die Weitergeltung von Tarifverträgen nach dem 1.1.2019 ansehen können, soweit diese zu Gunsten der Arbeitnehmer über das BRSG hinausgehende Arbeitgeberzuschüsse vorsehen. Soweit Alttarifverträge überhaupt keinen Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung vorsehen, bedarf es der Auslegung, ob der Tarifvertrag lückenhaft ist oder die Tarifvertragsparteien von einer derartigen Zuschusszahlung absehen wollten. Da sich die Wirkung der Tariföffnungsklausel des § 19 BetrAVG in Relation zu § 1 a Abs. 1 a BetrAVG vor Inkrafttreten des BRSG nicht eindeutig klären lässt, kann es durchaus ratsam sein, die entsprechenden Alttarifverträge im Hinblick auf die Zuschusspflicht des Arbeitgebers bei Entgeltumwandlung zu ergänzen. (Boe)
25 A. A. Bepler, BA 2018, 437: Abschluss ab dem 1.1.2018.
424
G. Tarifrecht 1.
Streikbruchprämie als zulässiges Arbeitskampfmittel
Angesichts der sinkenden Mitgliederzahlen verfolgen die Gewerkschaften seit einigen Jahren das Ziel, beim Abschluss von Tarifverträgen sicher zu stellen, dass ihre Mitglieder gegenüber den nichtorganisierten Arbeitnehmern bessergestellt werden. In der Regel geht es dabei um Sonderzahlungen (z. B. Erholungsbeihilfe, Zuschuss für Leistungen der Krankenkasse). Im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung standen allerdings Differenzierungsklauseln, durch die im Zusammenhang mit Restrukturierungen höhere Abfindungen oder bessere Leistungen einer Transfergesellschaft gegenüber Gewerkschaftsmitgliedern versprochen wurden. Wir haben darüber mehrfach berichtet1. Das BAG hat solche Differenzierungsklauseln trotz früherer Bedenken in den meisten Fällen erlaubt, wenn darin nach seiner Einschätzung keine unangemessene – sozial inadäquate – Benachteiligung der nichtorganisierten Arbeitnehmer zu sehen war. Denn die einfache Differenzierungsklausel erlaube es dem Arbeitgeber jederzeit, entsprechende Begünstigungen auch den nichtorganisierten Arbeitnehmern zu gewähren. Als unzulässig hat das BAG nur solche Vereinbarungen qualifiziert, durch die der Arbeitgeber bei einer entsprechenden Begünstigung der nichtorganisierten Arbeitnehmer verpflichtet werden sollte, den Gewerkschaftsmitgliedern gegenüber durch erneute Gewährung eines entsprechenden Vorteils dauerhaft die Besserstellung zu gewähren (sog. Spannensicherungsklauseln). Erst bei einer solchen Verpflichtung läge eine unangemessene Beeinträchtigung der negativen Koalitionsfreiheit vor, die mit Art. 9 Abs. 3 GG nicht vereinbar sei. Mit seinem Urteil vom 14.8.20182 hat das BAG diese Grundsätze einer Besserstellung der Gewerkschaftsmitglieder auf den (umgekehrten) Fall übertragen, in dem eine Besserstellung solchen Arbeitnehmern gewährt wurde, die sich – mit oder ohne gewerkschaftliche Organisation – nicht an einem durch die Gewerkschaft initiierten Streik beteiligen. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger bei dem beklagten Einzelhandelsunternehmen als Verkäufer vollzeitbeschäftigt. In den Jahren 2015 und 2016 wurde der Betrieb, in dem er eingesetzt war, an mehreren Tagen 1 2
B. Gaul, AktuellAR 2014, 457 ff.; 2015, 635 ff.; 2016, 557 ff. BAG v. 14.8.2018 – 1 AZR 287/17 n. v.
425
Tarifrecht
bestreikt. Dazu hatte die Gewerkschaft ver.di mit dem Ziel aufgerufen, einen Tarifvertrag zur Anerkennung regionaler Einzelhandelstarifverträge abzuschließen. Zur Vermeidung der mit einem solchen Arbeitskampf verbundenen Folgen versprach der Arbeitgeber vor Streikbeginn in einem betrieblichen Aushang allen Arbeitnehmern, die sich nicht am Streik beteiligten und ihrer regulären Tätigkeit nachgehen würden, die Zahlung einer Streikbruchprämie. Diese war zunächst pro Streiktag in Höhe von 200 € brutto und in einem zweiten betrieblichen Aushang in Höhe von 100 € brutto zugesagt. Bei einer Teilzeitbeschäftigung sollte eine anteilige Minderung vorgenommen werden. Der Kläger, der ein Bruttomonatseinkommen von 1.480 € bezog, folgte dem gewerkschaftlichen Streikaufruf und legte an mehreren Tagen die Arbeit nieder. Mit seiner Klage machte er jetzt die Zahlung von Prämien – insgesamt 1.200 € brutto – geltend und stützte sich dabei vor allem auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat auch der 1. Senat des BAG die Klage abgewiesen. Zwar habe der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung, die Prämie nur an solche Arbeitnehmer zu zahlen, die sich am Streik nicht beteiligten, eine Ungleichbehandlung zwischen den streikenden und den nicht streikenden Arbeitnehmern vorgenommen. Diese sei aber – so das BAG – aus arbeitskampfrechtlichen Gründen gerechtfertigt. Mit der freiwilligen Sonderleistung habe der Arbeitgeber betrieblichen Ablaufstörungen begegnen und damit den Streikdruck mindern wollen. Angesichts der für beide soziale Gegenspieler geltenden Kampfmittelfreiheit handele es sich hierbei um eine grundsätzlich zulässige Maßnahme des Arbeitgebers. Zwar müsse sie angesichts ihrer Konsequenzen in Bezug auf die negative Koalitionsfreiheit und die damit verbundene Beeinträchtigung des durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Grundrechts am Verhältnismäßigkeitsprinzip gemessen werden. Auch unter Berücksichtigung dieser Vorgabe sei die ausgelobte Streikbruchprämie aber nicht unangemessen, obwohl sie den Tagesverdienst der Streikenden um ein Mehrfaches überstiegen hatte. Natürlich kann man mit guten Gründen über die Frage streiten, welcher Betrag – bezogen auf das durchschnittliche Einkommen der hiervon betroffenen Arbeitnehmer – noch als angemessene (sozialadäquate) Beeinträchtigung angesehen werden kann, die noch nicht als eine unzulässige Einschränkung der Koalitionsfreiheit qualifiziert werden kann. Da das BAG in seinen Entscheidungen zur Begünstigung der Gewerkschaftsmitglieder aber Anhebungen der Abfindung um bis zu 10.000 € sowie erheblich Mehrleistungen im Rahmen der Transfergesellschaft für zulässig gehalten hatte, ohne 426
Arbeitskampfbedingte Einschränkung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
dass darin eine unangemessene Benachteiligung der nicht organisierten Arbeitnehmer gesehen wurde3, war es nur konsequent, auch in der hier in Rede stehenden Höhe einer Streikbruchprämie keine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmer zu sehen, die sich an einem Streik beteiligten. Dies galt umso mehr, als es auch den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern möglich war, durch eine Fortsetzung ihrer Tätigkeit in den Genuss dieser Prämie zu kommen. Eine Beendigung ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft war also nicht erforderlich. Allerdings minderte eine solche Entscheidung der Gewerkschaftsmitglieder das Gewicht des Streiks, die die Gewerkschaft zur Durchsetzung ihrer Arbeitskampfziele initiiert hatte. Das aber ist zur Gewährleistung einer wechselseitigen Freiheit der am Arbeitskampf Beteiligten notwendig. (Ga)
2.
Arbeitskampfbedingte Einschränkung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht, bei vorübergehender Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit mitzubestimmen. Von einer entsprechenden Veränderung ist auszugehen, wenn es sich um eine Abweichung von dem allgemein geltenden Zeitvolumen mit anschließender Rückkehr zur betriebsüblichen Arbeitszeit handelt; die Verlängerung darf aber nur für einen überschaubaren Zeitraum und nicht auf Dauer erfolgen4. Das Beteiligungsrecht dient dem Ausgleich der sich aus dem aufkommenden Arbeitsmangel oder dem zusätzlichen Arbeitsbedarf ergebenden Belastungen und Vorteile sowie der damit zusammenhängenden Interessen des Arbeitgebers auf der einen Seite und der Arbeitnehmer auf der anderen Seite5. Ausgehend davon, dass die Anordnung von Mehrarbeit hiervon ausgehend entsprechend § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG an eine Zustimmung des Betriebsrats geknüpft ist, stellt sich die Frage, ob dieses Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch während eines Arbeitskampfs berücksichtigt werden muss.
3 4 5
Vgl. BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 769/13, NZA 2015, 1388 Rz. 33 ff.; BAG v. 15.1.2014 – 10 AZR 297/13 n. v. (Rz. 16); BAG v. 29.11.1967 – GS 1/67, DB 1968, 1539 Rz. 178 ff. BAG v. 9.7.2013 – 1 ABR 19/12, NZA 2014, 99 Rz. 18; vgl. auch BAG v. 24.4.2007 – 1 ABR 47/06, NZA 2007, 818 Rz. 17; BAG v. 1.7.2003 – 1 ABR 22/02, NZA 2003, 1209 Rz. 31. Vgl. Fitting, BetrVG § 87 Rz. 131; Hess u. a./Worzalla, BetrVG § 87 Rz. 233 f.
427
Tarifrecht
Mit dieser Problematik hat sich das BAG in seiner Entscheidung vom 20.3.20186 befasst. Nach den Feststellungen des BAG bedarf der Arbeitgeber keiner Zustimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, wenn er während einer streikbedingten Arbeitsniederlegung in seinem Betrieb die betriebsübliche Arbeitszeit für solche Arbeitnehmer verlängern will, die freiwillig dem gewerkschaftlichen Kampfaufruf keine Folge leisten wollen7. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ordnete die Arbeitgeberin, ein bundesweit tätiges Post- und Logistikunternehmen, angesichts eines durch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) angekündigten Warnstreiks, fünf Stunden Mehrarbeit für den folgenden Arbeitstag an, um die Streikfolgen aufzuarbeiten. Der Betriebsrat sah sich durch die Anordnung der Arbeitgeberin in seinem Mitbestimmungsrecht verletzt und reichte daraufhin einen Unterlassungsantrag ein. Entgegen der Entscheidung der beiden Vorinstanzen hat das BAG8 einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats anerkannt. Nach seiner Auffassung war das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht aus arbeitskampfrechtlichen Gründen suspendiert worden. Denn Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats würden während eines Arbeitskampfes nur eingeschränkt, wenn bei deren vollständiger Aufrechterhaltung die ernsthafte Gefahr bestehe, dass der Betriebsrat eine dem Arbeitgeber sonst mögliche Arbeitskampfmaßnahme verhindere und dadurch zwangsläufig zu dessen Nachteil in das Kampfgeschehen eingreife. Das verlange die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie und der daraus abzuleitende Grundsatz der Chancengleichheit (Kampfparität)9. Aus diesen Grundsätzen folgt, dass eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts nur in Betracht kommt, wenn sie während einer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Arbeitskampfmaßnahme erfolgt10. Hierzu gehören nicht nur Maßnahmen zur Abwehr bereits eingetretener Folgen einer noch
6 7
BAG v. 20.3.2018 – 1 ABR 70/16, NZA 2018, 1081. So schon BAG v. 24.4.1979 – 1 ABR 43/77, DB 1979, 1655 Rz. 28 ff.; zust. Fitting, BetrVG § 87 Rz. 166; GK-BetrVG/Wiese/Gutzeit, BetrVG § 87 Rz. 430; HWK/Clemenz, BetrVG § 87 Rz. 89; a. A. DKKW/Klebe, BetrVG § 87 Rz. 116. 8 BAG v. 20.3.2018 – 1 ABR 70/16, NZA 2018, 1081. 9 Vgl. auch BAG v. 13.12.2011 – 1 ABR 2/10, NZA 2012, 571 Rz. 27; Fitting, BetrVG § 87 Rz. 164; a. A. DKKW/Klebe, BetrVG § 87 Rz. 116; Hess u. a./Worzalla, BetrVG § 87 Rz. 89. 10 Vgl. BAG v. 20.3.2018 – 1 ABR 70/16, NZA 2018, 108 Rz. 38
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Arbeitskampfbedingte Einschränkung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
andauernden Arbeitsniederlegung11. Nach Auffassung des BAG12 werden auch Maßnahmen privilegiert, die den Auswirkungen streikbedingter Arbeitsniederlegungen vorbeugen und einen Bezug zu einer laufenden oder einer unmittelbar bevorstehenden Arbeitsniederlegung aufweisen. Voraussetzung sei aber, dass von einer entsprechenden Anordnung nicht solche Arbeitnehmer betroffen seien, die dem konkreten gewerkschaftlichen Kampfaufruf Folge leisteten. Das wiederum verlange vom Arbeitgeber, nur auf arbeitswillige Arbeitnehmer zurückzugreifen, die sich für solche – ihre arbeitstägliche Arbeitszeit überschreitenden – Arbeitseinsätze ausdrücklich zur Verfügung stellten13. Dabei müssten sie erkennen können, dass es sich um eine arbeitgeberseitige Maßnahme während des Arbeitskampfs handele, an der sie durch die Erbringung einer zusätzlichen Arbeitsleistung mitwirkten. Das setze eine darauf gerichtete Erklärung des Arbeitgebers voraus. Andernfalls liege darin eine stillschweigende Einflussnahme des Arbeitgebers auf den Arbeitskampf durch eine Reduzierung des wirtschaftlichen Drucks, der an sich durch die streikbedingte Arbeitsniederlegung erzielt werden solle. Eine solche Maßnahme unterfalle nicht dem Schutz von Art. 9 Abs. 3 GG. Unerheblich sei, ob es sich um einen Warnstreik oder den anschließenden Arbeitskampf handele14. Dem von einem Arbeitskampf betroffenen Arbeitgeber sei daher empfohlen, etwaige Maßnahmen zur Milderung der Folgen des Streiks möglichst zeitnah festzulegen. Das gilt nicht nur für etwaige Veränderungen der regelmäßigen Arbeitszeit, sondern auch Einstellungen oder Versetzungen, die Personalengpässe beseitigen. Wichtig ist allerdings, dass die Maßnahme noch während des Arbeitskampfs angeordnet und durchgeführt wird. Andernfalls entfällt der Vorrang der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gegenüber der Koalitionsfreiheit. Da die Grenzen jedoch aufgrund feiner Unterscheidungen in der Rechtsprechung des BAG fließend sind, wird es immer schwieriger zu beurteilen, ob die Maßnahme mitbestimmungsfrei oder pflichtig ist. In allen Fällen sollte der Arbeitgeber den Betriebsrat wenigstens anhören und deutlich machen, dass nur arbeitswillige Arbeitnehmer betroffen sind und nicht solche, die dem gewerkschaftlichen Streikaufruf Folge leisten (wollen). (Ga/Mi)
11 Vgl. auch BAG v. 30.8.1994 – 1 ABR 10/94, NZA 1995, 183 Rz 21; BAG v. 10.2.1988 – 1 ABR 39/86, NZA 1988, 549 Rz. 36. 12 BAG v. 20.3.2018 – 1 ABR 70/16, NZA 2018, 1081; vgl. auch BAG v. 10.2.1988 – 1 ABR 39/86, NZA 1988, 549 Rz. 36. 13 Vgl. schon BAG v. 24.4.1979 – 1 ABR 43/77, DB 1979, 1655 Rz. 30. 14 Vgl. BAG v. 20.3.2018 – 1 ABR 70/16, NZA 2018, 1081 Rz. 44.
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Tarifrecht
3.
Regelungssperre eines Tarifvertrags für Betriebsvereinbarungen
Bereits im Zusammenhang mit Betriebsvereinbarungen über innerbetriebliche Gehaltsgruppen15 und den Möglichkeiten zur Änderung einer betrieblichen Vergütungsordnung nach Betriebsübergang16 hatten wir über die Wirkungsweise der Tarifsperre aus § 77 Abs. 3 BetrVG berichtet. Danach können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt (§ 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG) oder die Angelegenheit Gegenstand eines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 BetrVG ist. Denn in diesem Fall löst der Tarifvertrag gemäß § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG nur dann und insoweit eine Sperrwirkung aus, als er eine ausdrückliche Regelung trifft und der Arbeitgeber kraft Gesetzes daran gebunden ist. In dem Beschluss vom 15.5.201817 hat sich der 1. Senat des BAG mit der Frage befasst, welche Konsequenzen die Sperrwirkung aus § 77 Abs. 3 BetrVG hat, wenn der maßgebliche Tarifvertrag beendet wird und auch eine Tarifüblichkeit nicht mehr gegeben ist. In dem zugrunde liegenden Fall hatten Arbeitgeber und Beklagte 2006 eine „Betriebsvereinbarung Urlaub und Freistellung von der Arbeit“ abgeschlossen. Darin waren unter anderem die Anspruchsvoraussetzungen für einen Urlaubsanspruch, dessen Umfang, die Wartezeit, das Urlaubsentgelt und eine jährliche Urlaubsdauer von mindestens 30 Arbeitstagen geregelt. Ergänzend hierzu war festgelegt worden, unter welchen Voraussetzungen und mit welcher Dauer eine Freistellung von der Arbeit aus persönlichen Gründen beansprucht werden kann. Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Betriebsvereinbarung gab es allerdings bereits einen Manteltarifvertrag zwischen dem Verband Technischer Betriebe für Film und Fernsehen e. V. (VTFF) und der Gewerkschaft ver.di, der in §§ 29 f. Regelungen zum Erholungsurlaub und in § 22 die Freistellung von der Arbeit aus persönlichen Gründen regelte. Der Manteltarifvertrag wurde von beiden Tarifvertragsparteien zum 31.12.2011 gekündigt. Zum 1.1.2013 änderte der VTFF seine Satzung dahingehend, dass er „derzeit nicht tariffähig“ ist. Der Arbeitgeber nahm dies zum Anlass, seit dem 15 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2018, 465 ff. 16 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2018, 506 ff. 17 BAG v. 15.5.2018 – 1 ABR 75/16, NZA 2018, 1150.
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Regelungssperre eines Tarifvertrags für Betriebsvereinbarungen
1.3.2013 mit neu eingestellten Arbeitnehmern Arbeitsverträge abzuschließen, die eine Urlaubsdauer von nur noch 28 Tagen vorsahen. Im Übrigen wandte er die Regelungen der Betriebsvereinbarung nur noch auf neun, namentlich benannte Arbeitnehmer an, deren Arbeitsverhältnisse anlässlich eines Betriebsübergangs auf ihn übergegangen waren. Der Betriebsrat war der Auffassung, dass die Betriebsvereinbarung weiterhin für alle Arbeitnehmer des Betriebs verbindlich war. Er begehrte deshalb eine entsprechende Feststellung, hilfsweise die Feststellung, dass die Betriebsvereinbarung für Neueinstellungen seit dem 1.1.2013 verbindlich war. Äußerst hilfsweise sollte festgestellt werden, dass die in der Betriebsvereinbarung enthaltenen Regelungen als Gesamtzusage Geltung beanspruchten. Mit überzeugender Begründung hat das BAG diese Anträge abgewiesen. Dabei hat es zunächst einmal deutlich gemacht, dass Arbeitgeber und Betriebsrat mit Abschluss der Betriebsvereinbarung die Sperrwirkung des Tarifvertrags aus § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG missachtet hatten. Denn mit dem Manteltarifvertrag gab es eine tarifliche Regelung zum gleichen Regelungsgegenstand, in deren Geltungsbereich der Betrieb fiel. Unabhängig davon, ob der Arbeitgeber selbst an den Manteltarifvertrag kraft Gesetzes gebunden war, schloss dies den Abschluss einer Betriebsvereinbarung aus. Schließlich gehört insbesondere die Dauer des Urlaubs und das Recht auf Arbeitsfreistellung aus persönlichen Gründen nicht zu den Angelegenheiten, hinsichtlich derer ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 BetrVG gegeben ist. Eine Öffnungsklausel, die ausnahmsweise eine Regelung durch Betriebsvereinbarung zugelassen hätte, gab es nicht. Eine solche Klausel war nur im Entgelttarifvertrag vorgesehen und ließ diesbezüglich günstigere Regelungen durch Betriebsvereinbarung zu. Konsequenz einer Missachtung der Tarifsperre war die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung. Richtigerweise ist das BAG insoweit davon ausgegangen, dass die Betriebsvereinbarung in ihrer Gesamtheit betroffen ist. Denn als Konsequenz der Unwirksamkeit der materiell-rechtlichen Regelungen zum Urlaub und zur Arbeitsfreistellung aus persönlichen Gründen konnten auch die Präambel, der persönliche Geltungsbereich und die Schlussbestimmungen keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung mehr bilden. Wichtig ist, dass der Eintritt der Nachwirkung des Manteltarifvertrags am 1.1.2012 wie auch die fehlende Tarifwilligkeit des VTFF ab dem 1.1.2013 nicht zu einer Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung führen konnten. Die Betriebsvereinbarung blieb unwirksam. Nur die Tarifvertragsparteien kön-
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Tarifrecht
nen – ggf. auch rückwirkend – den Abschluss einer Betriebsvereinbarung durch eine Öffnungsklausel genehmigen18. Etwas anderes wäre nach den Feststellungen des BAG dann möglich, wenn die Betriebsvereinbarung als andere Abmachung i. S. des § 4 Abs. 5 TVG abgeschlossen worden wäre. Denn nach § 4 Abs. 5 TVG können die Regelungen eines Tarifvertrags nach dessen Ablauf durch eine andere Abmachung ersetzt werden, soweit sie denselben Regelungsbereich erfassen. Zwar ist es nicht erforderlich, dass eine solche Abmachung erst nach Eintritt der Nachwirkung geschlossen wird. Insofern hätte die hier in Rede stehende Betriebsvereinbarung auch noch während der Geltungsdauer des Manteltarifvertrags abgeschlossen werden können. Voraussetzung für eine Qualifikation als andere Abmachung i. S. des § 4 Abs. 5 TVG ist aber, dass die Abrede vom Regelungswillen der Parteien gedeckt und darauf gerichtet ist, bestimmte bestehende Tarifregelungen in Anbetracht ihrer absehbar bevorstehenden Beendigung und des darauffolgenden Eintritts der Nachwirkung abzuändern19. Diese Voraussetzungen waren vorliegend indes nicht erfüllt. Denn es entsprach dem Willen der Betriebsparteien, dass die Betriebsvereinbarung bereits mit Wirkung vom 1.1.2006 – also nicht erst mit Eintritt der Nachwirkung des Manteltarifvertrags – Rechte und Pflichten zu Gunsten der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer begründen sollte. Damit konnten aus ihr selbst keine Ansprüche der Arbeitnehmer abgeleitet werden. Soweit der Betriebsrat darüber hinaus das Vorliegen einer Gesamtzusage festgestellt wissen wollte, hat dies das BAG zwar aus prozessualen Gründen abgelehnt. In der Sache selbst hätte auch dieser Antrag indes keinen Erfolg gehabt. Denn dafür hätte der Betriebsrat Umstände darlegen und ggf. beweisen müssen, aus denen außerhalb der Betriebsvereinbarung auf den Willen des Arbeitgebers hätte geschlossen werden können, sich, losgelöst von der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung auf individualvertraglicher Ebene gegenüber jedem einzelnen Arbeitnehmer, mit der Konsequenz binden zu wollen, dass diese Zusage auch nur individualvertraglich hätte geändert werden können20. Anhaltspunkte dafür lagen indes nicht vor. (Ga)
18 BAG v. 15.5.2018 – 1 ABR 75/16, NZA 2018, 1150 Rz. 25; BAG v. 20.4.1999 – 1 AZR 631/98, NZA 1999, 1059 Rz. 87 f. 19 BAG v. 15.5.2018 – 1 ABR 75/16, NZA 2018, 1150 Rz. 26 f.; BAG v. 7.6.2017 – 1 ABR 32/15, NZA 2017, 1410 Rz. 35. 20 Vgl. BAG v. 23.1.2018 – 1 AZR 65/17, NZA 2018, 871 Rz. 27.
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Bezugnahmeklausel bei Wechsel von Verbands- in Firmentarifvertrag
4.
Auslegung einer Bezugnahmeklausel bei Wechsel von Verbands- in Firmentarifvertrag
Viele Arbeitsverträge enthalten weiterhin Klauseln, nach denen die jeweils gültigen Verbandstarifverträge einer bestimmten Branche und Region zur Anwendung kommen sollen. Entsprechende Vereinbarungen führen natürlich dann zu Problemen, wenn der Arbeitgeber nach den allgemeinen Grundsätzen des Tarifrechts nicht mehr an diese Verbandstarifverträge, sondern kraft Gesetzes an einen Firmentarifvertrag (Haustarifvertrag) gebunden ist. Hintergrund kann der Abschluss eines Sanierungstarifvertrags mit der gleichen Gewerkschaft sein, der Modifikationen zu den grundsätzlich weiter geltenden Regelungen des Verbandstarifvertrags festlegt. Denkbar ist auch, dass das Arbeitsverhältnis im Anschluss an einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang nicht mehr vom Geltungsbereich des bisherigen Verbandstarifvertrags erfasst wird, sondern in den Geltungsbereich eines Firmentarifvertrags fällt, an den der übernehmende Rechtsträger gebunden ist. Schon vor dem Wirksamwerden der Schuldrechtsmodernisierung am 1.1.2002 war umstritten, ob entsprechende Arbeitsverträge entgegen ihrem Wortlaut als Bezugnahme auf die Regelungen des Firmentarifvertrags verstanden werden können oder ob der Arbeitgeber auch im Anschluss an den Tarifwechsel auf der arbeitsvertraglichen Grundlage weiterhin (zeitdynamisch) an die bisherigen Verbandstarifverträge gebunden bleibt21. Dieser Streit hat sich auch mit dem Wirksamwerden der Schuldrechtsmodernisierung in Bezug auf Arbeitsverträge, die im Anschluss daran vereinbart wurden, nicht aufgelöst. Denn auch heute wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass solche Arbeitsverträge auch unter Berücksichtigung von §§ 305 c Abs. 2, 307 Abs. 1 S. 2 BGB dynamisch als Bezugnahme auf die für den Arbeitgeber jeweils kraft Gesetzes gültigen Firmen- oder Verbandstarifvertrag verstanden werden können22. Diese Auffassung hat sich bislang aber nicht durchgesetzt. Vielmehr wird wohl überwiegend die Meinung vertreten, dass die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB und das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB jedenfalls für Arbeitsverträge, die seit dem Wirksamwerden der Schuldrechtsmodernisierung abgeschlossen worden sind (Neuverträge), zur Folge hätten, dass der Arbeitgeber arbeitsvertraglich
21 Vgl. zum Meinungsstand HWK/Henssler, TVG § 3 Rz. 17 ff.; B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 24 Rz. 106 ff. 22 So BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 Rz. 29 ff., 34, 36; BAG v. 22.10.2008 – 4 AZR 793/07, NZA 2009, 323 Rz. 123, 34; Bepler, RdA 2009, 65.
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Tarifrecht
weiterhin an die in der Bezugnahmeklausel ausdrücklich genannten Tarifverträge – ggf. zeitdynamisch – gebunden bleibe23. In seinen Urteilen vom 16.5.201824 und vom 11.7.201825 hat sich der 4. Senat des BAG der letztgenannten Auffassung angeschlossen. Nach seiner Auffassung handelt es sich in der Regel um eine zeitdynamische Bezugnahme auf die entsprechenden Verbandstarifverträge (Flächentarifverträge), die Firmentarifverträge (Haustarifverträge) eines einzelnen Arbeitgebers nicht erfasse, wenn in einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf die jeweils geltenden Tarifverträge einer bestimmten Branche verwiesen werde. Wichtig ist, dass dieser Grundsatz nach Auffassung des BAG für Altverträge und Neuverträge gleichermaßen gelten soll. Offen gelassen hat das BAG lediglich, ob von der Bezugnahmeklausel ein firmenbezogener Verbandstarifvertrag erfasst wäre26. Zur Begründung hat das BAG vor allem auf den Wortlaut entsprechender Klauseln verwiesen. Dieser lasse, wenn auf Tarifverträge einer bestimmten Branche verwiesen werde, nicht erkennen, dass auch Firmen- bzw. Haustarifverträge eines einzelnen Arbeitgebers erfasst werden sollen. Dies gelte selbst dann, wenn die Firmen- bzw. Haustarifverträge mit der gleichen Gewerkschaft abgeschlossen worden seien. Denn die Parteien hätten im Arbeitsvertrag durch die von ihnen vereinbarte Bezugnahmeklausel zum Ausdruck gebracht, dass sich ihre Arbeitsbedingungen an den zwischen bestimmten Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifnormen orientieren sollten. Um solche handele es sich gerade nicht, wenn nur eine der Tarifvertragsparteien an dem betreffenden Tarifvertrag mitgewirkt habe27. Konsequenz dieser Betrachtungsweise ist, dass die Regelungen eines Haustarifvertrags ohne Rücksicht auf eine etwaige Günstigkeit jedenfalls nicht auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel zum Vertragsinhalt werden. Eine Bindung an den Haustarifvertrag tritt nur dann ein, wenn der Arbeitnehmer Mitglied der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft ist oder zu einem späteren Zeitpunkt wird. Diese gesetzliche Bindung an den Haustarifvertrag lässt allerdings die weiterhin im Arbeitsvertrag bestehende Zusage unverändert. Damit kann der 23 So BAG v. 22.10.2008 – 4 AZR 793/07, NZA 2009, 323 Rz. 22; BAG v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965 Rz. 21, 35; HWK/Henssler, TVG § 3 Rz. 30 f. 24 BAG v. 16.5.2018 – 4 AZR 209/15, NZA 2018, 1489 Rz. 19 ff. 25 BAG v. 11.7.2018 – 4 AZR 533/17, NZA 2018, 1486 Rz. 23. 26 BAG v. 11.7.2018 – 4 AZR 533/17, NZA 2018, 1486 Rz. 23; BAG v. 11.10.2006 – 4 AZR 486/05, NZA 2007, 634 Rz. 16 ff. 27 BAG v. 16.5.2018 – 4 AZR 209/15, NZA 2018, 1489 Rz. 23.
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Bezugnahmeklausel bei Wechsel von Verbands- in Firmentarifvertrag
Arbeitnehmer selbst dann, wenn er als Folge seiner Gewerkschaftsmitgliedschaft kraft Gesetzes (auch) an den Firmen- bzw. Haustarifvertrag gebunden ist, auf arbeitsvertraglicher Grundlage weiterhin etwaige Leistungen des – ggf. jeweils gültigen – Verbandstarifvertrags geltend machen. Wie das BAG im Urteil vom 11.7.201828 deutlich gemacht hat, ist insoweit das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG maßgeblich. Nach diesem Günstigkeitsprinzip treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob – so das BAG – ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthalte, ergebe sich aus einem Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung. Zu vergleichen seien dabei die durch Auslegung zu ermittelnden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen, die in einem inneren Zusammenhang stünden (sog. Sachgruppenvergleich). Für die Durchführung eines solchen Günstigkeitsvergleichs seien die abstrakten Regelungen maßgeblich, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Hänge es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger sei oder nicht (sog. ambivalente Regelung), sei keine Günstigkeit i. S. des § 4 Abs. 3 TVG gegeben. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer, wenn er gleichzeitig auch kraft Gesetzes an den Tarifvertrag gebunden ist, nur dessen Regelungen, nicht aber die Regelungen des durch Bezugnahme vereinbarten Tarifvertrags geltend machen29. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass das BAG bei dem insoweit notwendigen Günstigkeitsvergleich eine übergreifende Betrachtung der zur Arbeitszeit und zum Arbeitsentgelt getroffenen Regelungen für erforderlich hält, da die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und das ihm dafür zustehende Arbeitsentgelt als Teile der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten in einem engen, inneren sachlichen Zusammenhang stünden. Hier müsse geprüft werden, ob die Regelungen des durch den Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Verbandstarifvertrags (immer) günstiger seien als die Regelungen, die im Haustarifvertrag des Arbeitgebers getroffen worden waren. In dem zugrunde liegenden Fall war das Ergebnis eindeutig. Denn mit dem Haustarifvertrag hatte der Arbeitgeber zwar grundsätzlich eine Geltung der Regelungen des Verbandstarifvertrags vereinbart. Dies galt auch für die Dauer der Arbeitszeit. Gleichzeitig aber hatte er vereinbart, dass über mehrere Jahre hinweg keine Tariflohnerhöhung erfolgen sollte. Außerdem wur28 BAG v. 11.7.2018 – 4 AZR 533/17, NZA 2018, 1486 Rz. 29 f. 29 Vgl. BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13, NZA 2015, 1274 Rz. 27 f., 29.
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Tarifrecht
den das Weihnachts- und Urlaubsgeld auf 40 % der im Verbandstarifvertrag festgelegten Höhe gekürzt. Es bestand daher kein Zweifel, dass die unveränderten Regelungen des Verbandstarifvertrags durch die Bezugnahme im Arbeitsvertrag eine für den Arbeitnehmer (immer) günstigere Regelung begründeten. Dass im Arbeitsvertrag zugleich auch auf die Geltung von Betriebsvereinbarungen oder Gesamtbetriebsvereinbarungen verwiesen wird, rechtfertigt nach den Feststellungen des BAG nicht die Annahme, dass auch durch den Haustarifvertrag in sonstige Zusagen des Arbeitsvertrags – hier die Bezugnahme auf den Verbandstarifvertrag – eingegriffen werden könne. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass eine entsprechende Bezugnahme auf Betriebsvereinbarungen wegen der ohnehin unmittelbaren und zwingenden Wirkung von Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG regelmäßig nur deklaratorische Bedeutung besitze30. Hinzu komme, dass im Zweifel auch keine allgemeine „Kollektivvereinbarungsoffenheit“ des Arbeitsvertrags gewollt sei. Denn Tarifnormen kämen, anders als Tarifverträge, automatisch zur Anwendung. Da dieser Automatismus bei Tarifverträgen nicht gegeben sei, müsse insoweit der Wortlaut und der darin zum Ausdruck kommende Wille der Vertragsparteien in Bezug auf die Anwendung von Tarifverträgen besonderes Gewicht haben. Das BAG schließt daher einen „Erst-Recht-Schluss“ von einer sog. Betriebsvereinbarungsoffenheit auf eine „Tarifvertragsoffenheit“ aus31. Für die betriebliche Praxis folgt aus diesen Entscheidungen des BAG einmal mehr, dass kleine dynamische Bezugnahmeklauseln, in denen auf Tarifverträge einer bestimmten Branche oder Region verwiesen wird, zu vermeiden sind. Sie bewirken eine Bindung, die auch für den Fall eines gesetzlichen Tarifwechsels nicht mehr beseitigt werden kann. Zu empfehlen ist daher, dass stattdessen große dynamische Klauseln verwendet werden, die auf die für den Arbeitgeber jeweils kraft Gesetzes gültigen Firmen- oder Verbandstarifverträge verweisen. Wir hatten darauf bereits bei früherer Gelegenheit hingewiesen32. Dies gilt auch und insbesondere dann, wenn die Möglichkeiten eines Tarifwechsels im Zusammenhang mit einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang bestehen sollen. Darauf wird an anderer Stelle noch einmal hingewiesen33. (Ga) 30 BAG v. 11.7.2018 – 4 AZR 533/17, NZA 2018, 1486 Rz. 27. 31 BAG v. 16.5.2018 – 4 AZR 209/15, NZA 2018, 1489 Rz. 30. 32 B. Gaul, AktuellAR 2015, 566 ff.; 2016, 220 ff., 561 ff.; 2017, 231 ff., 530 ff.; 2018, 143 ff. 33 B. Gaul, AktuellAR 2018, 512 ff.
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H. Betriebsverfassung und Mitbestimmung 1.
Unternehmensmitbestimmung bei Umwandlung in eine SE
In Deutschland ist die Societas Europaea (SE) weiter im Vormarsch. Dabei geht es nicht nur um das Ziel, eine international anerkannte und kapitalmarktfähige Gesellschaftsform zu verwenden. Ein Vorteil der SE besteht vor allem in einem erheblichen Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung der Leitungs- und Kontrollstrukturen sowie der Corporate Governance. Des Weiteren finden die nationalen Rechtsvorschriften und Regelungen in Bezug auf die Arbeitnehmerbeteiligung in den Unternehmensorganen keine Anwendung (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 SEBG). Folgerichtig wird die SE auch nicht in §§ 1 MitbestG, 1 DrittelbG als Unternehmen genannt, auf das die Regelungen dieser Gesetze Anwendung finden können. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer und/oder Arbeitnehmervertreter auf der Ebene der Aufsichtsund Verwaltungsorgane einer SE hängt vielmehr davon ab, welche Regelungen hierzu in der bei Gründung abzuschließenden Beteiligungsvereinbarung getroffen werden oder als Folge der gesetzlichen Auffangregelung zur Anwendung kommen. Insbesondere bei der Gründung einer SE durch Umwandlung einer AG ist umstritten, ob bei der Anwendbarkeit der Auffangregelung gemäß §§ 34 Abs. 1 Nr. 1, 35 SEBG auf den rechtlich gebotenen Soll-Zustand oder auf den tatsächlich praktizierten Ist-Zustand in Bezug auf die Unternehmensmitbestimmung zum Zeitpunkt der Umwandlung der Gesellschaft von einer AG in eine SE abgestellt werden muss. Das machen jetzt noch einmal die divergierenden Entscheidungen des LG Frankfurt vom 23.11.20171 und des LG München I vom 26.6.20182 auf der einen Seite und des OLG Frankfurt vom 27.8.20183 auf der anderen Seite deutlich. Während die Landgerichte auf den Ist-Zustand abstellen wollen, hält das OLG Frankfurt den SollZustand für maßgeblich. Gemäß Art. 2 Abs. 4 Verordnung 2157/2001/EG (SE-VO) kann eine AG, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden ist und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung in der Gemeinschaft hat, in eine SE umgewandelt werden, wenn sie seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Tochtergesellschaft hat. Auch in diesem 1 2 3
LG Frankfurt v. 23.11.2017 – 3-05 O 63/17, ZIP 2018, 932. LG München I v. 26.6.2018 – 38 O 15760/17, ZIP 2018, 1546. OLG Frankfurt v. 27.8.2018 – 21 W 29/18, DB 2018, 2488.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Zusammenhang müssen allerdings Verhandlungen mit dem besonderen Verhandlungsgremium über den Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung geführt werden, die sich insbesondere mit der Mitbestimmung der Arbeitnehmer und/oder Arbeitnehmervertreter auf der Ebene der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane der SE befassen. Entgegen dem bei anderen Gründungsformen bestehenden Gestaltungsspielraum muss mit dieser Beteiligungsvereinbarung bei einer durch Umwandlung gegründeten SE in Bezug auf alle Komponenten der Arbeitnehmerbeteiligung zumindest das gleiche Ausmaß gewährleistet werden, das in der Gesellschaft besteht, die in eine SE umgewandelt werden soll. Dies gilt auch bei einem Wechsel der Gesellschaft von einer dualistischen zu einer monistischen Organisationsstruktur und umgekehrt (§ 21 Abs. 6 SEBG). Entsprechendes gilt für den Fall, dass die gesetzlichen Auffangregelungen zur Anwendung kommen. Dies ist der Fall, wenn die Parteien ihre Anwendung vereinbaren oder bis zum Ende des in § 20 SEBG angegebenen Zeitraums keine Beteiligungsvereinbarung zustande gekommen ist und das besondere Verhandlungsgremium keinen Beschluss über die Nichtaufnahme oder den Abbruch der Verhandlungen getroffen hat (§ 22 SEBG). Denn auch in diesem Fall bleiben bei einer durch Umwandlung gegründeten SE, wenn in der Gesellschaft vor der Umwandlung Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan galten, diese erhalten (§§ 34 Abs. 1 Nr. 1, 35 SEBG). Entsprechend der im Teil 3 Richtlinie 2001/86/EG getroffenen Vorgaben gilt dies für alle Komponenten der Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Gegenstand der vorstehend genannten Entscheidungen waren zwei Umwandlungsvorgänge, durch die ein Formwechsel von der AG in die SE bewirkt wurde. Während in dem der Entscheidung des OLG Frankfurt zugrunde liegenden Fall keine Beteiligungsvereinbarung abgeschlossen wurde, enthielt die dem LG München I vorgelegte Beteiligungsvereinbarung, die im Zusammenhang mit der Umwandlung der ProSiebenSat1 Media SE abgeschlossen worden ist, folgende Regelung: § 24 Mitbestimmung Eine Mitbestimmung in Aufsichts- oder Verwaltungsorganen der Gesellschaft findet nicht statt.
In beiden Fällen wurde durch einen Aktionär der Gesellschaft ein Statusverfahren gemäß §§ 98, 99 AktG eingeleitet. Ergänzend hierzu trat in dem beim OLG Frankfurt anhängigen Verfahren noch eine im Unternehmen vertretene Gewerkschaft als Beschwerdeführerin ein. Gegen die Einleitung eines entsprechenden Statusverfahrens bei einer SE bestehen keine ernstzunehmenden Bedenken. Die Zulässigkeit dieses Ver438
Unternehmensmitbestimmung bei Umwandlung in eine SE
fahrens folgt bereits aus §§ 17 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 SEAG, 98, 99 AktG i. V. mit Art. 9 Abs. 1 lit. c (ii) SE-VO. Daraus folgt auch die Zuständigkeit der Landgerichte. Entgegen der durch das LG Frankfurt und das LG München I vertretenen Auffassung, die sowohl für den Fall des Abschlusses einer Vereinbarung (LG München I), als auch für den Fall einer Anwendbarkeit der gesetzlichen Auffangregelung (LG Frankfurt) die tatsächlich gehandhabte Praxis in Bezug auf die Unternehmensmitbestimmung vor dem Wirksamwerden der Umwandlung für maßgeblich halten4, hat sich das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung vom 27.8.20185 der Auffassung angeschlossen, dass es auch unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben jedenfalls im Anwendungsbereich der gesetzlichen Auffangregelung nach §§ 34 Abs. 1 Nr. 1, 35 Abs. 1 SEBG bei dem für die SE maßgeblichen Mitbestimmungsstatut auf den rechtlichen Soll-Zustand im Vorfeld der Umwandlung ankommt6. In den Gründen seiner Entscheidung hat das OLG Frankfurt zunächst einmal auf den Wortlaut der §§ 34 Abs. 1 Nr. 1, 35 Abs. 1 SEBG verwiesen. Danach komme es bei der Festlegung des Mitbestimmungsstatuts in der SE auf die „Regelung zur Mitbestimmung“ an, die in der Gesellschaft vor der Umwandlung „bestanden“ habe. Die Verwendung des Wortes „Regelung“ in § 35 Abs. 1 SEBG deute darauf hin, dass nicht der von der Gesetzeslage unabhängige, allein tatsächlich bestehende Zustand fortgeschrieben werden solle, sondern die auf die Gesellschaft vor ihrer Umwandlung anzuwendenden Regeln weiterhin Gültigkeit beanspruchen sollten. Dies entspreche auch § 34 Abs. 1 Nr. 1 SEBG. Danach fänden die §§ 35 ff. SEBG bei einer durch Umwandlung gegründeten SE Anwendung, wenn in der Gesellschaft vor der Umwandlung „Bestimmungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan galten“. Wieder stünden die „Bestimmungen“ bzw. Normen vom Wortlaut her im Vordergrund, wohingegen das Wort „bestanden“ keine Verwendung finde, sondern an dieser Stelle – insoweit eindeutig – von „gelten“ die Rede sei. Soweit das LG Frankfurt und das LG München I zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung auf das aus § 96 Abs. 4 AktG folgende Kontinuitätsprinzip verwiesen hatten, lehnt es das OLG Frankfurt ab, darauf auf die Maßgeblichkeit des Ist-Zustands zu schließen. Zutreffend sei zwar, dass der 4 5 6
Ebenso HWK/Hohenstatt/Dzida, SEBG § 34 Rz. 48; LHT/Oetker, SEBG § 34 Rz. 15; MüKoAktG/Jacobs, SEBG § 34 Rz. 5. OLG Frankfurt v. 27.8.2018 – 21 W 29/18, DB 2018, 2488. Ebenso GLF/Forst, § 2 Rz. 464; Grambow, BB 2012, 902; Grobys, NZA 2005, 84, 90; Kienast, DB 2018, 2487; Ziegler/Gey, BB 2009, 1750, 1756.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Aufsichtsrat gemäß § 96 Abs. 4 AktG nach anderen als den zuletzt angewandten Vorschriften nur nach Abschluss des in § 97 AktG geregelten außergerichtlichen oder des in §§ 98 f. AktG normierten Statusverfahrens besetzt werden könne. Gerade dies werde aber durch ein entsprechendes Statusverfahren gewährleistet, das gemäß § 17 Abs. 3, 4 SEAG auch innerhalb der SE zulässig sei. Entsprechend führe die Anwendung von § 96 Abs. 4 AktG auf die SE – wie bei anderen Gesellschaftsformen auch – zur Perpetuierung des Zustands bis zum Abschluss des Statusverfahrens, gebe aber nicht dessen Ergebnis vor und könne auch keine Zementierung des rechtswidrigen Zustands, wie er vor der Umwandlung bestanden habe, über die Dauer des Statusverfahrens hinaus und losgelöst davon begründen. In Übereinstimmung mit entsprechenden Ausführungen von Kienast7 verweist das OLG Frankfurt8 bei seiner zweckgebundenen Interpretation von § 35 Abs. 1 SEBG auch auf § 1 Abs. 1 S. 2 SEBG und den Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2001/86/EG. Danach ist die Sicherung der „erworbenen“ Rechte der Arbeitnehmer über ihre Beteiligung an Unternehmensentscheidungen fundamentaler Grundsatz und erklärtes Ziel dieser Richtlinie. Die vor der Gründung einer SE bestehenden Rechte der Arbeitnehmer sollten deshalb Ausgangspunkt auch für die Gestaltung ihrer Beteiligungsrechte in der SE sein (Vorher-Nachher-Prinzip). Während das LG Frankfurt und das LG München I aus dem Begriff der „erworbenen“ Rechte auf den tatsächlichen Status schließen wollen, hält das OLG Frankfurt den rechtlich an sich maßgeblichen Zustand der Unternehmensmitbestimmung für maßgeblich. Denn es handele sich auch dann um von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erworbene Rechte, wenn diese bewusst nicht wahrgenommen oder als solche nicht erkannt und deswegen nicht praktiziert würden. Das überzeugt. Es entspricht der Unterscheidung zwischen der Entstehung eines Anspruchs und seiner Geltendmachung. Ergänzend hierzu weist das OLG Frankfurt darauf hin, dass es auch zu den vor der Umwandlung erworbenen und nach Maßgabe des Erwägungsgrundes 18 zu sichernden Rechten der Arbeitnehmer gehöre, den vorübergehend rechtswidrigen Zustand in der AG durch ein Statusverfahren nach §§ 98 f. AktG dem rechtmäßigen Zustand anzugleichen. Abschließend verweist das OLG Frankfurt auch auf das Gebot der Willkürfreiheit, das nahelege, auf die zutreffende Rechtslage abzustellen. Denn ein Abstellen auf die davon abweichende (praktizierte) Mitbestimmung zum Zeitpunkt der Umwandlung hätte zur Folge, dass die Gesellschaft etwa 7 8
Kienast, DB 2018, 2487, 2488. OLG Frankfurt v. 27.8.2018 – 21 W 29/18, DB 2018, 2488 Rz. 23.
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Konzernbetriebsrat bei einer Konzernspitze im Ausland
durch die Einlegung eines unbegründeten Rechtsmittels einen rechtswidrigen Zustand kurzfristig perpetuieren und hierdurch in die SE hineintragen könnte. Ebenso wäre der Umfang der Mitbestimmung in der SE von der Dauer eines Eintragungsverfahrens auf der einen Seite und der Dauer des Statusverfahrens auf der anderen Seite abhängig, ohne dass die Beteiligten auf einen der maßgeblichen Faktoren Einfluss nehmen könnten. Für die betriebliche Praxis wäre es wünschenswert, wenn die notwendige Klarheit über die Bedeutung der unionsrechtlichen Vorgaben durch den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens geklärt würde. Denn schlussendlich handelt es sich um die Auslegung und Anwendung der Vorgaben in Art. 4 Abs. 4, Art. 7 Abs. 1, 2 Richtlinie 2001/86/EG. Die dort getroffenen Regelungen müssen im Lichte der Erwägungsgründe interpretiert und daraus Leitlinien für die deutschen Gerichte entwickelt werden. Ungeachtet dessen macht die überzeugendere Entscheidung des OLG Frankfurt deutlich, dass die Umwandlung einer Gesellschaft in die SE nicht allein dadurch als Mittel zur Flucht aus der Unternehmensmitbestimmung genutzt werden kann, wenn bis dahin – entgegen der gesetzlichen Vorgaben aus dem MitbestG oder dem DrittelbG – keine Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat realisiert worden ist. Vielmehr besteht die Gefahr, dass auch nach Eintragung der Umwandlung im Rahmen eines Statusverfahrens nach Art. 97 f. AktG die Notwendigkeit einer solchen Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat (dualistische SE) oder im Verwaltungsrat (monistische SE) durchgesetzt wird. (Ga)
2.
Konzernbetriebsrat bei einer Konzernspitze im Ausland
Gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 BetrVG kann für einen Konzern (§ 18 AktG) durch Beschlüsse der einzelnen Gesamtbetriebsräte ein Konzernbetriebsrat errichtet werden. Besteht in einem Konzernunternehmen nur ein Betriebsrat, so nimmt dieser die entsprechende Aufgabe wahr (§ 54 Abs. 2 BetrVG). Dabei gilt kein eigenständiger betriebsverfassungsrechtlicher Konzernbegriff. Vielmehr sind – wie das BAG bereits in seinem Urteil vom 27.10.20109 klargestellt hat – die Regelungen des AktG maßgeblich. Insofern kann ein Konzernbetriebsrat grundsätzlich nur in einem Unterordnungskonzern errichtet werden. Lässt man das paritätische Gemeinschaftsunternehmen und
9
BAG v. 27.10.2010 – 7 ABR 85/09, NZA 2011, 524 Rz. 26.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
den mehrstufigen Konzern an dieser Stelle einmal unberücksichtigt10, bilden damit ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen den für § 54 BetrVG maßgeblichen Unterordnungskonzern, wenn sie unter der einheitlichen Leitung des (einen) herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind. Gemäß § 18 Abs. 1 S. 3 AktG wird insoweit vermutet, dass ein abhängiges Unternehmen mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet. Nach § 17 Abs. 1 AktG sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss hat. Gemäß § 17 Abs. 2 AktG wird von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Gehört die Mehrheit der Anteile eines rechtlich selbständigen Unternehmens einem anderen Unternehmen, ist das Unternehmen nach § 16 Abs. 1 AktG ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen. Für die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen in §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 AktG ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, in welcher Rechtsform das herrschende und die abhängigen Unternehmen geführt werden. Der Unternehmensbegriff wird in § 15 ff. AktG rechtsformneutral verwendet. Wie das LAG Hamm in seinem Beschluss vom 4.5.201811 ausgeführt hat, kann damit auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts einen Konzern bilden, wenn sie lediglich ein in privater Rechtsform organisiertes Unternehmen beherrscht12. § 130 BetrVG steht der Errichtung eines Konzernbetriebsrats dabei nicht entgegen. Die Zuständigkeit des beim herrschenden Unternehmen gebildeten Konzernbetriebsrats ist aber auf die Unternehmen beschränkt, die in privater Rechtsform geführt werden13. Voraussetzung für die Bildung eines Konzernbetriebsrats ist allerdings, dass das herrschende Unternehmen seinen Sitz im Inland hat oder – wenn man richtigerweise die Rechtsfigur des Konzerns im Konzern anerkennt – wenn eine Teilkonzernspitze im Inland besteht. Das wiederum setzt voraus, dass der Tochtergesellschaft im Inland wesentliche Leitungsaufgaben zur eigenständigen Ausübung gegenüber dem ihr nachgeordneten Unternehmen verbleiben und sie über einen wesentlichen Entscheidungsspielraum in mitbe10 Vgl. hierzu BAG v. 13.10.2004 – 7 ABR 56/03, NZA 2005, 647; Trebeck, NZA 2018, 836. 11 LAG v. 4.5.2018 – 13 TaBV 76/16, NZA-RR 2018, 434 Rz. 92 ff. 12 Ebenso bereits BAG v. 27.10.2010 – 7 ABR 85/09, NZA 2011, 524 Rz. 26; BGH v. 17.3.1997 – II ZB 3/96, NJW 1997, 1855 Rz. 22. 13 BAG v. 27.10.2010 – 7 ABR 85/09, NZA 2011, 524 Rz. 29; ErfK/Koch, BetrVG § 54 Rz. 2; Fitting, BetrVG § 54 Rz. 12.
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Konzernbetriebsrat bei einer Konzernspitze im Ausland
stimmungspflichtigen Angelegenheiten in Bezug auf die ihr nachgeordneten Unternehmen verfügt. Darauf hat das BAG im Beschluss vom 23.5.201814 hingewiesen. Die an dem Beschlussverfahren beteiligten Unternehmen gehörten einer weltweit tätigen Unternehmensgruppe an, deren Konzernobergesellschaft ihren Sitz in der Schweiz hatte. Deren Tochtergesellschaft war die in Deutschland ansässige Beteiligte zu 1), eine Holding ohne eigene Geschäftstätigkeit. Die Beteiligten zu 2) bis 5) waren „operative“ Tochtergesellschaften der Beteiligten zu 1) in Deutschland. Leitungsfunktionen gegenüber den operativen Gesellschaften wurden durch die deutsche Zwischenholding nicht ausgeübt. Nachdem die in den Betrieben der Beteiligten zu 2) bis 4) bestehenden Betriebsräte jeweils beschlossen hatten, einen Konzernbetriebsrat zu errichten, trat dieser zu einer konstituierenden Sitzung zusammen und bestimmte einen Vorsitzenden sowie einen stellvertretenden Vorsitzenden. Die Beteiligten zu 1) bis 5) hielten die Errichtung eines solchen Konzernbetriebsrats für unzulässig und beantragten festzustellen, dass der Konzernbetriebsrat für die Beteiligten zu 1) bis 5) nicht bestehe. Zur Begründung verwiesen sie unter anderem darauf, dass Beherrschungsverträge unmittelbar zwischen der in der Schweiz gelegenen Konzernobergesellschaft und den operativen Gesellschaften in Deutschland unterhalb der Zwischenholding bestanden. Die Zwischenholding selbst sei lediglich eine Finanz-Holding, die weder eine eigene operative Geschäftstätigkeit entfalte noch Arbeitnehmer beschäftige. Insofern läge auch kein Konzern im Konzern mit der Zwischenholding als herrschendes Unternehmen vor. Dieser Sichtweise ist das BAG gefolgt und hat festgestellt, dass der Konzernbetriebsrat nicht besteht. Die deutsche Zwischenholding habe zwar sämtliche Anteile bzw. die Mehrheit der Anteile der operativen Gesellschaften, sodass nach § 17 Abs. 2 AktG vermutet werde, dass diese von der Zwischenholding abhängig seien. Die Zwischenholding sei jedoch kein herrschendes Unternehmen, weil es keine Leitungsmacht gegenüber den operativen Gesellschaften ausübe. Damit war die Konzernvermutung bereits widerlegt. Dies galt im Übrigen auch, weil die in der Schweiz ansässige Konzernobergesellschaft eigene Beherrschungsverträge unmittelbar mit den operativen Gesellschaften in Deutschland geschlossen hatte. Mit überzeugender Begründung hat das BAG auch das Vorliegen eines Konzerns im Konzern abgelehnt15. Abweichend von gewichtigen Stimmen der im Aktienrecht vertretenen Auffassung sei zwar auf der betriebsverfassungs14 BAG v. 23.5.2018 – 7 ABR 60/16, DB 2018, 2510 Rz. 21. 15 BAG v. 23.5.2018 – 7 ABR 60/16, DB 2018, 2510 Rz. 20 ff.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
rechtlichen Ebene ein „Konzern im Konzern“ denkbar, wenn das herrschende Unternehmen („Mutter“) von seiner Leitungsmacht nur teilweise (etwa als Richtlinienkompetenz) Gebrauch mache und einem abhängigen Unternehmen („Tochter“) wesentliche Leitungsaufgaben zur eigenständigen Ausübung gegenüber den diesem nachgeordneten Unternehmen („Enkel“) verblieben. Verfüge die Tochtergesellschaft auf diese Weise über einen wesentlichen Entscheidungsspielraum in mitbestimmungspflichtigen (personellen, sozialen und wirtschaftlichen) Angelegenheiten in Bezug auf die ihr nachgeordneten Unternehmen, entspreche die Bildung eines Konzernbetriebsrats dem Sinn und Zweck der §§ 54 ff. BetrVG, die die Beteiligung der Arbeitnehmer des Konzerns an den Entscheidungen der Konzernleitung sicherstellten. Mitbestimmung solle dort wahrgenommen werden, wo unternehmerische Leitungsmacht in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten konkret entfaltet und ausgeübt werde16. Da die deutsche Zwischenholding nach den Feststellungen des LAG gegenüber den operativen Gesellschaften im vorliegenden Fall aber keine Leitungsmacht ausübte, konnte auch hier kein Konzern im Konzern angenommen werden. Zu Recht hat das BAG auch eine analoge Anwendung von § 5 Abs. 3 MitbestG abgelehnt. Danach kann eine Gesellschaft, wenn sie ihrer Rechtsform nach von § 1 Abs. 1 MitbestG erfasst wird, im Hinblick auf die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat kraft gesetzlicher Fiktion als herrschendes Unternehmen behandelt werden, wenn in einem Konzern die diesem nachgeordneten Unternehmen zwar an sich unter der einheitlichen Leitung eines anderen – hier im Ausland belegenen – Unternehmens stehen, die darin liegende Konzernleitung aber über das in Deutschland belegene Unternehmen, das der Konzernleitung am nächsten steht, die nachgeordneten Unternehmen beherrscht. Für eine analoge Anwendung von § 5 Abs. 3 MitbestG fehle es an der unbewussten Regelungslücke im Gesetz sowie an der Vergleichbarkeit der in § 54 Abs. 1 S. 1 BetrVG einerseits und in § 5 Abs. 3 MitbestG andererseits geregelten Sachverhalte17. Mangels einer Regelungslücke im BetrVG komme auch eine analoge Anwendung von § 2 Abs. 2 EBRG nicht in Betracht. Diese Sichtweise hat nach Auffassung des BAG allerdings nicht zur Folge, dass Angelegenheiten, die nach § 58 Abs. 1 BetrVG an sich in die originäre 16 Ebenso BAG v. 27.10.2010 – 7 ABR 85/09, NZA 2011, 524 Rz. 35; BAG v. 14.2.2007 – 7 ABR 26/06, NZA 2007, 999 Rz. 63. 17 BAG v. 23.5.2018 – 7 ABR 60/16, DB 2018, 2510 Rz. 29; BAG v. 14.2.2007 – 7 ABR 26/06, NZA 2007, 999 Rz. 54 ff.
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Konzernbetriebsrat bei einer Konzernspitze im Ausland
Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen würden, nunmehr ohne eine Beteiligung von Arbeitnehmervertretern abgewickelt werden können. Vielmehr setze das zwingende Prinzip der Zuständigkeitstrennung von Konzernbetriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Betriebsrat – so das BAG – voraus, dass die Errichtung eines Konzernbetriebsrats überhaupt rechtlich möglich sei. Könne ein Konzernbetriebsrat nicht errichtet werden, weil die Konzernobergesellschaft ihren Sitz im Ausland habe, gingen die an sich dem Konzernbetriebsrat zustehenden Beteiligungsrechte nach dem BetrVG nicht ersatzlos unter, sondern würden von den Gesamtbetriebsräten und Betriebsräten der konzernangehörigen Unternehmen wahrgenommen18. Diese Sichtweise überzeugt nicht. Denn mit einer solchen Zuständigkeit unterschiedlicher Arbeitnehmervertreter kann nicht mehr gewährleistet werden, dass Angelegenheiten, die ihrer Natur nach nur unternehmensübergreifend einheitlich umgesetzt werden können, in den hiervon betroffenen Unternehmen eines Konzerns tatsächlich nach einheitlichen Maßstäben abgewickelt werden können. Denn der Arbeitgeber ist nicht in der Lage, die Arbeitnehmervertreter in den verschiedenen Unternehmen – ggf. durch ein einheitliches Einigungsstellenverfahren – zum Abschluss einer inhaltlich übereinstimmenden Regelung zu zwingen. Konsequenz der Anerkennung einer dezentralen Zuständigkeit von Betriebsräten und Gesamtbetriebsräten ist, dass die Mitbestimmung den Arbeitgeber schlussendlich dazu zwingen kann, auf eine einheitliche Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen verzichten zu müssen. Unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anerkennung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit in Art. 12, 14 GG erscheint dies nicht nur in solchen Fällen unangemessen, in denen ein Konzernbetriebsrat trotz bestehender (rechtlicher) Möglichkeit aufgrund fehlender Entscheidung der Betrieb- und Gesamtbetriebsräte nicht gebildet wurde. Der Eingriff in die Freiheit der unternehmerischen Entscheidung durch dezentrale und divergierende Entscheidungen von Arbeitnehmervertretern erscheint auch dort unangemessen, wo aus Rechtsgründen ein Konzernbetriebsrat nicht gebildet werden kann19. Insofern ist es überzeugender, wenn abweichend von der Sichtweise des BAG durch einen Teil der Literatur die Ersatzzuständigkeit der dezentralen Betriebs- und Gesamtbetriebsräte abgelehnt wird20. Das folgt notwendigerweise aus dem Umstand, dass die dezentralen Arbeitneh18 BAG v. 23.5.2018 – 7 ABR 60/16, DB 2018, 2510 Rz. 26; BAG v. 14.2.2007 – 7 ABR 26/06, NZA 2007, 999 Rz. 62. 19 Ähnlich Trebeck, NZA 2018, 836, 840 für den mehrstufigen Konzern. 20 Vgl. Richardi/Annuß, BetrVG § 58 Rz. 21; Kort, NZA 2009, 464, 465 f.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
mervertreter gar nicht in der Lage wären, die Angelegenheit mit Wirkung für alle betroffenen Arbeitnehmer sachgerecht festzulegen. Ihre Zuständigkeit ist kraft Gesetzes auf den Betrieb und das Unternehmen begrenzt. Das damit eine Mitbestimmungslücke entsteht, ist hinzunehmen. Der Gesetzgeber könnte es durch eine Regelung entsprechend § 5 Abs. 3 MitbestG jedenfalls für Sachverhalte mit einer deutschen Zwischenholding schließen. (Ga)
3.
Freistellung eines Konzernbetriebsratsmitglieds
Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass § 38 BetrVG, auf dessen Grundlage eine von der Belegschaftsstärke abhängige Mindestzahl von Betriebsratsmitgliedern für die jeweils laufende Amtsperiode ohne Darlegung der Erforderlichkeit von der Arbeit freizustellen ist, auf einen Gesamt- oder Konzernbetriebsrat nicht anwendbar ist. Das wird bereits aus der fehlenden Bezugnahme auf § 38 BetrVG in den Regelungen für die Geschäftsführung von Gesamt- und Konzernbetriebsrat (§§ 51, 59 BetrVG) deutlich21. In seinem Beschluss vom 23.5.201822 hat das BAG indes klargestellt, dass der Gesamtbetriebsrat einen eigenen Anspruch auf eine generelle (Teil-) Freistellung eines oder mehrerer seiner Mitglieder auf §§ 37 Abs. 2, 59 Abs. 1 BetrVG stützen könne, sofern die Freistellung für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgaben des Konzernbetriebsrats erforderlich sei23. Entsprechendes gilt für den Gesamtbetriebsrat24. Hintergrund ist, dass § 37 Abs. 2 BetrVG ohne Einschränkung auch auf die Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben als Mitglied des Konzernbetriebsrats zur Anwendung kommt. Dabei gewährt § 37 Abs. 2 BetrVG nicht nur einen anlassbezogenen Anspruch auf Freistellung im Einzelfall. Nach dem Verständnis des BAG erlaubt § 37 Abs. 2 BetrVG auch, dass ohne Rücksicht auf die in § 38 BetrVG genannten Voraussetzungen die dauerhafte Freistellung von Betriebsratsmitgliedern von der Pflicht zur Arbeitsleistung durchgesetzt wird, sofern dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der dem Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat obliegenden Aufgaben erforderlich ist. § 38 BetrVG hat insoweit also keinen abschließenden Charakter.
21 Vgl. BAG v. 23.5.2018 – 7 ABR 14/17, NZA 2018, 1281 Rz. 25; BAG v. 11.11.2009 – 7 ABR 26/08, NZA 2010, 353 Rz. 25; Fitting, BetrVG § 51 Rz. 44, § 59 Rz. 23. 22 BAG v. 23.5.2017 – 7 ABR 14/17, NZA 2018, 1281 Rz. 26 ff. 23 Ebenso DKKW/Trittin, BetrVG § 59 Rz. 3; WPK/Roloff, BetrVG § 59 Rz. 20. 24 Vgl. Richardi/Annuß, BetrVG § 51 Rz. 51.
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Freistellung eines Konzernbetriebsratsmitglieds
Der entsprechende Anspruch auf Freistellung kann, wenn es um die Wahrnehmung der Aufgaben im Konzernbetriebsrat geht, nicht durch den örtlichen Betriebsrat geltend gemacht werden. Vielmehr obliegt es dem Konzernbetriebsrat selbst, seine Einschätzung hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Arbeitsbefreiung darzulegen. Dabei sind konkrete Angaben zur Erforderlichkeit und damit zur Organisation und Aufgabenzuweisung im Betrieb notwendig, damit sich der Arbeitgeber auch hierzu einlassen kann. Der örtliche Betriebsrat dürfte regelmäßig gar nicht über hinreichende Kenntnisse der Arbeitsorganisation des Konzernbetriebsrats und den auf dessen Geschäftsführung entfallenden Aufwand verfügen und könnte die zu erwartende Belastung seiner Mitglieder durch Konzernbetriebsratstätigkeiten deshalb auch nicht hinreichend verlässlich beurteilen und im Verhältnis zum Arbeitgeber darstellen. Dies gilt umso mehr, als es nach den Feststellungen des BAG erforderlich ist, die Arbeitsbelastung des gesamten Gremiums zu beschreiben, die eine (ggf. zusätzliche) ständige (Teil-)Freistellung erforderlich macht, und in diesem Zusammenhang darzulegen, dass die Arbeitszeit der bereits generell freigestellten Konzernbetriebsratsmitglieder nicht ausreicht, um die erforderlichen Konzernbetriebsratsaufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können. Hierzu gehört auch, dass erkennbar werden muss, dass die Möglichkeit einer anlassbezogenen Arbeitsbefreiung der Konzernbetriebsratsmitglieder gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgaben des Konzernbetriebsrats nicht genügt. Dafür muss der Konzernbetriebsrat – so das BAG – die besonderen Umstände so detailliert beschreiben, dass die sich daraus voraussichtlich ergebenden zeitlichen Belastungen zumindest bestimmbar werden. Wenigstens eine Schätzung des Mindestumfangs der zeitlichen Belastung des gesamten Konzernbetriebsrats müsse also möglich sein, damit dem Arbeitgeber eine sachliche Erwiderung möglich sei25. Ergänzend hierzu hat das BAG darauf hingewiesen, dass der Konzernbetriebsrat seine Entscheidung über die generelle (Teil-)Freistellung einzelner Mitglieder nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten dürfe. Vielmehr sei erforderlich, dass er auch die Interessen des jeweiligen Vertragsarbeitgebers der einzelnen Mitglieder des Konzernbetriebsrats und die Interessen der Betriebsräte berücksichtige, aus denen heraus die Entsendung in den Konzernbetriebsrat erfolgt sei. Denn als Folge der Einbindung in die Arbeit des Konzernbetriebsrats ist das betroffene Betriebsratsmitglied gehindert, arbeitsvertraglichen Aufgaben und/oder seinen betriebsverfassungs-
25 BAG v. 23.5.2018 – 7 ABR 14/17, NZA 2018, 1281 Rz. 31, 40.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
rechtlichen Pflichten auf der Ebene des örtlichen Betriebsrats nachzukommen. Wenn der Betriebsrat auf der Grundlage von § 37 Abs. 2 BetrVG eine dauerhafte Freistellung einzelner Betriebsratsmitglieder geltend macht, bedarf dies darüber hinaus einer Einbindung des Arbeitgebers. Der bloße Beschluss des Konzernbetriebsrats genügt also nicht. Anders als bei der anlassbezogenen Freistellung erfolgt die Befreiung von der Pflicht zur Arbeit nicht bereits dann, wenn erforderliche Betriebsratstätigkeiten verrichtet werden. Vielmehr muss der Arbeitgeber die Freistellung vornehmen. Darauf weist das BAG ausdrücklich hin26. Allerdings ist der Arbeitgeber zu einer solchen Freistellung verpflichtet, wenn ein betriebsverfassungsrechtliches Gremium außerhalb des Anwendungsbereichs von § 38 BetrVG eine ständige Freistellung für erforderlich halten darf. Bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamt- oder Konzernbetriebsrat über die nach § 37 Abs. 2 BetrVG zu beanspruchenden (ständigen) Freistellungen, so müssen die Gerichte für Arbeitssachen zunächst über die Erforderlichkeit der begehrten pauschalen Freistellungen nach § 37 Abs. 2 BetrVG entscheiden27. In der Sache selbst hat das BAG im hier zur Entscheidung stehenden Fall keine abschließende Beurteilung vorgenommen. Es fehlten die tatrichterlichen Feststellungen, aus denen heraus auf die Erforderlichkeit der begehrten Freistellung des Konzernbetriebsratsvorsitzenden geschlossen werden konnte. Hinzu kam, dass durch das LAG geprüft werden muss, ob in dem hier in Rede stehenden Verfahren überhaupt noch ein schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung besteht. Dies setzt nämlich voraus, dass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch eine entsprechende Mitgliedschaft im Gesamt- oder Konzernbetriebsrat besteht. Dies war in dem hiesigen Fall zweifelhaft. Denn die Mitgliedschaft des Konzernbetriebsratsvorsitzenden im Konzernbetriebsrat endete mit Ablauf des 23.5.2018, also mit dem Tag, an dem der 7. Senat des BAG seine Entscheidung getroffen und die Sache an das LAG zurückverwiesen hatte. Auch wenn damit in dieser Angelegenheit möglicherweise keine abschließende Entscheidung mehr getroffen wird, sind die jetzt vorliegenden Ausführungen des BAG doch hilfreich, um vergleichbare Fragestellungen in der betrieblichen Praxis zu lösen. (Ga)
26 BAG v. 23.5.2018 – 7 ABR 14/17, NZA 2018, 1281 Rz. 34; BAG v. 15.12.2011 – 7 ABR 65/10, NZA 2012, 519 Rz. 15. 27 BAG v. 23.5.2018 – 7 ABR 14/17, NZA 2018, 1281 Rz. 34; BAG v. 16.1.1979 – 6 AZR 683/76, DB 1979, 1516 Rz. 21.
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Anpassung des Gehalts eines Ersatzmitglieds des Betriebsrats
4.
Anpassung des Gehalts eines Ersatzmitglieds des Betriebsrats an die betriebsübliche Entwicklung
Seit einer Reihe von Jahren haben wir uns mit der Festlegung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern befasst28. Im Mittelpunkt standen dabei Betriebsratsmitglieder, die als Folge ihrer Freistellung über mehrere Jahre hinweg ohne einen konkreten Bezug zu ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben erfüllt haben. Hier stellt sich die Frage, ob und ggf. in welcher Weise der Arbeitgeber aus §§ 37 Abs. 4, 78 S. 2 BetrVG heraus verpflichtet ist, eine Anpassung der Vergütung vorzunehmen. Im Mittelpunkt der Diskussion steht dabei in der Regel § 37 Abs. 4 BetrVG. Danach darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden, als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden. Eine der Höhe nach absolut gleiche Vergütung wird damit allerdings nicht garantiert. Vielmehr wird gewährleistet, dass die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der Dauer seiner Amtszeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer nicht zurückgeblieben ist29. Vergleichbar sind in diesem Zusammenhang Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleichqualifizierte Tätigkeiten ausgeübt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren. Üblich ist – so das BAG – eine Entwicklung, die vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben30. Mit seinem Urteil vom 21.2.201831 hat das BAG die für die betriebliche Praxis wichtige Frage behandelt, in welcher Weise das durch § 37 Abs. 4 BetrVG konkretisierte Verbot einer Benachteiligung von Betriebsratsmitglie-
28 B. Gaul, AktuellAR 2015, 59 ff.; 2016, 239 ff., 576 ff.; 2017, 554 ff.; 2018, 155 ff. 29 ΒAG v. 21.2.2018 – 7 AZR 496/16, NZA 2018, 1012 Rz. 16; BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 205/15, NZA 2017, 935 Rz. 15, 25. 30 BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 205/15, NZA 2017, 935 Rz. 16; BAG v. 19.1.2005 – 7 AZR 208/04 n. v. (Rz. 16). 31 BAG v. 21.2.2018 – 7 AZR 496/16, NZA 2018, 1012 Rz. 18 ff.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
dern (§ 78 S. 2 BetrVG) bei Ersatzmitgliedern des Betriebsrats zur Anwendung kommt. Der Kläger in dem zugrunde liegenden Sachverhalt gehörte dem Betriebsrat seit 2002 als ordentliches Mitglied an. Zuvor hatte er erstmals am 4.7.2000 und sodann in regelmäßiger Folge als Ersatzmitglied für verhinderte Betriebsratsmitglieder an Sitzungen des Betriebsrats teilgenommen. Bis 2014 wurde das Gehalt von Betriebsratsmitgliedern durch die Beklagte im Hinblick auf § 37 Abs. 4 BetrVG jährlich an den Durchschnittswert der Gehaltssteigerungen von drei einvernehmlich bestimmten Vergleichspersonen angepasst. Dieses Verfahren änderte die Beklagte im Jahre 2014. Danach erfolgte eine Anpassung des Gehalts der Betriebsratsmitglieder nur, wenn die Mehrzahl der Vergleichspersonen eine Gehaltssteigerung erhielt. Wenn die Mehrheit der Vergleichspersonen eine unterschiedliche Gehaltssteigerung erhielt, erfolgte eine Anpassung in Höhe des Durchschnittswerts der begünstigten Vergleichspersonen. Für den Kläger waren drei Personen als Vergleichspersonen festgelegt worden. Arbeitgeber und Betriebsrat gingen insoweit übereinstimmend davon aus, dass diese Arbeitnehmer bei objektiv vergleichbarer Tätigkeit mit einer vergleichbaren fachlichen und persönlichen Qualifikation in beruflicher Hinsicht eine betriebsübliche Entwicklung genommen hatten. Der Kläger verlangte daher, dass die durchschnittliche Gehaltssteigerung, die bei den drei Vergleichspersonen in der Zeit vom Juli 2000 bis zum Januar 2014 anlässlich allgemeiner Gehaltssteigerungen und außerhalb solcher Tarifrunden bewirkt wurde, im Durchschnitt auch in Bezug auf sein Gehalt vorgenommen würde. Daraus ergab sich eine monatliche Gehaltserhöhung in Höhe von 353,69 € brutto. Die Beklagte lehnte dies ab. Sie war der Auffassung, dass Gehaltserhöhungen nur dann weiterzugeben seien, wenn die Mehrheit der (drei) Vergleichspersonen in einem Jahr eine Erhöhung erhalten hatte. Auch wenn das BAG mangels notwendiger Feststellungen zum Sachverhalt keine abschließende Entscheidung getroffen hat, hat der 7. Senat des BAG im Urteil vom 21.2.201832 doch wichtige Klarstellungen vorgenommen. Danach hat das Betriebsratsmitglied während der Dauer seiner Amtszeit Anspruch auf Gehaltserhöhungen in dem Umfang, in dem die Gehälter vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung erhöht werden. Werden die Vergütungen innerhalb der Vergleichsgruppe um einen bestimmten Prozentsatz angehoben, folgt daraus ein Anspruch auf dieselbe prozentuale Erhöhung des Gehalts. Fallen die Gehaltserhöhungen in-
32 BAG v. 21.2.2018 – 7 AZR 496/16, NZA 2018, 1012 Rz. 18 ff.
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Anpassung des Gehalts eines Ersatzmitglieds des Betriebsrats
nerhalb der Vergleichsgruppe unterschiedlich aus, komme es grundsätzlich darauf an, in welchem Umfang die Gehälter der Mehrzahl der der Vergleichsgruppe angehörenden Arbeitnehmer angehoben würden. Handele es sich um eine sehr kleine Vergleichsgruppe und lasse sich deshalb nicht feststellen, dass die Gehälter der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer im gleichen Umfang erhöht wurden, könne für den Gehaltsanpassungsanspruch des Betriebsratsmitglieds aber ausnahmsweise der Durchschnitt für die den Angehörigen der Vergleichsgruppe gewährten Gehaltserhöhung maßgebend sein, wenn nur auf diese Weise eine nach § 78 S. 2 BetrVG unzulässige Begünstigung oder Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds vermieden werden könne. Wichtig sei allerdings, dass Vergütungserhöhungen, auf die das Betriebsratsmitglied vor seiner Amtsübernahme keinen Anspruch hatte oder, wenn es arbeitete, nicht hätte, bei der Bemessung des Arbeitsentgelts außer Betracht bleiben33. Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den hier in Rede stehenden Fall hat das BAG zunächst einmal unterstellt, dass die drei Vergleichspersonen – entsprechend dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien – bei objektiv vergleichbarer Tätigkeit mit vergleichbarer fachlicher und persönlicher Qualifikation bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht eine betriebsübliche Entwicklung genommen hatten. Bemerkenswert ist, dass es damit nicht geprüft hat, ob diese Vergleichbarkeit und/oder die Betriebsüblichkeit der Entwicklung der Vergleichspersonen tatsächlich gegeben war. Ergänzend hierzu hat der 7. Senat des BAG deutlich gemacht, dass bei der Festsetzung der Vergütung im Rahmen von § 37 Abs. 4 BetrVG auf die gesamte Dauer der Ausübung des Betriebsratsamts abgestellt werden muss. Für Ersatzmitglieder sei deshalb grundsätzlich der Zeitraum ab dem erstmaligen Nachrücken in den Betriebsrat maßgeblich. Soweit das Ersatzmitglied nicht endgültig für ein dauerhaft verhindertes Betriebsratsmitglied nachrücke, sondern zeitweise verhinderte Betriebsratsmitglieder vertrete, sei jedenfalls dann auf die durchgehende Gehaltsentwicklung der Vergleichspersonen im gesamten Zeitraum ab dem erstmaligen Nachrücken des Ersatzmitglieds abzustellen, wenn nach Beendigung des jeweiligen Verhinderungsfalls unter Einbeziehung des einjährigen Schutzes durch § 15 KSchG ein durchgehender Schutzzeitraum bestanden habe34.
33 BAG v. 21.2.2018 – 7 AZR 496/16, NZA 2018, 1012 Rz. 18; BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 205/15, NZA 2017, 935 Rz. 25. 34 BAG v. 21.2.2018 – 7 AZR 496/16, NZA 2018, 1012 Rz. 22 f.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Soweit der Kläger geltend machte, dass sein Gehalt entsprechend dem Durchschnitt der Gehaltserhöhungen der Vergleichspersonen hätte angepasst werden müssen, musste allerdings im Rahmen von § 37 Abs. 4 BetrVG auf die unterschiedlichen Gründe dieser Gehaltserhöhungen abgestellt werden. Soweit es darum ging, innerhalb dieser Vergleichsgruppe die Gehaltssteigerungen anlässlich regelmäßiger Tariferhöhungen abzubilden, waren individuelle Unterschiede in Bezug auf die Vergütungsabreden zu berücksichtigen. Denn die Beklagte hatte das Gehalt von Arbeitnehmern, die im Tarifbereich tätig waren, nach Maßgabe der Steigerungen des Tarifvertrags angehoben. Soweit Arbeitnehmer im AT-Bereich tätig waren, fand jedenfalls für einen Teil des Bezugszeitraums nur noch eine abgesenkte Anhebung der Vergütung anlässlich der Tarifsteigerungen statt. Um eine Begünstigung oder Benachteiligung des Klägers zu vermeiden, hätte die Beklagte deshalb berücksichtigen müssen, ob der Kläger während des Bezugszeitraums als Tarifangestellter oder als AT-Angestellter beschäftigt war. Eine Anknüpfung an den Durchschnitt einer Vergleichsgruppe, in der Tarifangestellte und ATAngestellte gleichermaßen vertreten waren, stellte jedenfalls nicht das insoweit maßgebliche Vergleichsentgelt und dessen Entwicklung dar. Da der Kläger aber im Zweifel durch die übergreifende Betrachtungsweise bessergestellt wurde, konnte die Frage offen bleiben. Soweit es um die Weitergabe der tarifgehaltsunabhängig gewährten Gehaltserhöhungen ging, war es allerdings richtig, auf den Durchschnitt der Gehaltssteigerungen in der Vergleichsgruppe abzustellen. Zwar sei grundsätzlich maßgeblich, ob die Gehälter der Mehrzahl der in einer Vergleichsgruppe angehörenden Arbeitnehmer eine Gehaltserhöhung erfahren hätten. Ausgangspunkt sei dabei aber die Annahme, dass diese Gehaltserhöhung gleichförmig durchgeführt würde. Wenn Gehaltserhöhungen innerhalb einer Vergleichsgruppe ohne ein bestimmtes Muster in unterschiedlicher Weise erfolgten, sei es allerdings nicht erforderlich, dass die Mehrheit der Vergleichspersonen eine solche Gehaltserhöhung erhalten hätte. Andernfalls wäre es dem Arbeitgeber möglich, durch innerhalb der Vergleichsgruppe zeitlich verschobene Gehaltsanhebungen eine Anpassungspflicht nach § 37 Abs. 4 BetrVG zu umgehen. Ebenso wie bei einer kleinen Vergleichsgruppe, in der Gehaltserhöhungen unterschiedlich durchgeführt werden, könne deshalb auf den Durchschnitt aller Mitglieder der Vergleichsgruppe abgestellt werden. Auch wenn der Aufwand für eine entsprechende Umsetzung dieser Vorgaben aus § 37 Abs. 4 BetrVG in der betrieblichen Praxis nicht unerheblich ist, empfiehlt es sich, eine entsprechende Anpassung möglichst genau nach diesen Vorgaben vorzunehmen. Andernfalls besteht nicht nur die Gefahr, dass 452
Voraussetzungen der „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ arbeitsvertraglicher Regelungen
eine Begünstigung oder Benachteiligung der hiervon betroffenen Betriebsratsmitglieder vorliegt. Falls Betriebsratsmitglieder begünstigt werden, kann dies darüber hinaus strafrechtliche, steuerrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und arbeitsrechtliche Folgen auslösen. (Ga)
5.
Voraussetzungen der „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ arbeitsvertraglicher Regelungen
Bereits in seinem Urteil vom 5.3.201335 hatte der 1. Senat des BAG ausgeführt, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten könnten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Eine solche Vereinbarung könne ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und sei nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich, sondern könne auch einzelvertragliche Abreden einbeziehen. So sei eine konkludente Vereinbarung regelmäßig anzunehmen, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sei und einen kollektiven Bezug habe. Denn mit der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen mache der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollten. Dem stünde eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen entgegen. Denn hier wäre die Änderung und Umgestaltung von betriebseinheitlich gewährten Leistungen nur durch den Ausspruch von Änderungskündigungen möglich. Zudem würde der Abschluss betriebsvereinbarungsfester Abreden den Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien für zukünftige Anpassungen von Arbeitsbedingungen mit kollektivem Bezug einschränken. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet seien, könne aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handele, die einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich seien. Etwas anderes gelte nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbarten, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen.
35 BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 Rz. 95 f.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Diese Feststellungen des BAG haben zwar in der Literatur insbesondere mit Blick auf die allgemeinen Grundsätze der AGB-Kontrolle Kritik erfahren36. Das BAG hat daran aber unter Einbindung unterschiedlicher Regelungsgegenstände senatsübergreifend in den Folgejahren festgehalten37. Dazu gehört auch der 3. Senat des BAG, der diese Grundsätze uneingeschränkt auf den Bereich der betrieblichen Altersversorgung übertragen hat38. Wir haben darüber berichtet39. Das jetzt vorliegende Urteil des 4. Senat des BAG vom 11.4.201840 macht allerdings deutlich, dass die Anerkennung einer Betriebsvereinbarungsoffenheit von arbeitsvertraglichen Regelungen jedenfalls dann im Zweifel abgelehnt werden muss, wenn durch die arbeitsvertraglichen Regelungen die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags vereinbart wurde. Bereits dies macht die Entscheidung bedeutsam. Bemerkenswert ist allerdings, dass sich der 4. Senat des BAG zur Rechtfertigung seiner Ablehnung der Betriebsvereinbarungsoffenheit der streitgegenständlichen Vereinbarungen intensiv mit den allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsvertragsrechts und der AGB-Kontrolle befasst. Würde man seine dortigen Feststellungen verallgemeinernd auch auf andere Regelungsbereiche übertragen, müsste man auch dort zu einer Ablehnung der konkludenten Betriebsvereinbarungsoffenheit arbeitsvertraglicher Regelungen kommen. Insofern stellt sich die Frage, ob mit dem hier in Rede stehenden Urteil tatsächlich nur der Bereich der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Tarifverträge betroffen ist oder ob damit insgesamt eine Abkehr der Rechtsprechung des BAG von der weitreichenden Anerkennung einer Betriebsvereinbarungsoffenheit individualvertraglicher Regelungen eingeleitet wird. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger bereits 1991 eingestellt worden. Arbeitsvertraglich war eine feste Vergütung ohne Bezug auf einen Tarifvertrag vereinbart worden. Ergänzend hierzu hatten die Parteien festgelegt, dass „alle betrieblichen Regelungen [gelten], sofern in diesem Arbeitsvertrag keine andere Vereinbarung getroffen ist, (…)“.
36 Vgl. Creutzfeldt, NZA 2018, 1111; Neufeld/Flockenhaus, BB 2016, 2357; Säcker, BB 2013, 2677; Waltermann, SAE 2013, 94; ders., RdA 2016, 296. 37 Vgl. nur BAG v. 24.10.2017 – 1 AZR 846/15, ZTR 2018, 221; BAG v. 25.5.2016 – 5 AZR 135/16, NZA 2016, 1327; BAG v. 17.2.2015 – 1 AZR 599/13 n. v. 38 Vgl. BAG v. 10.3.2015 – 3 AZR 56/14, NZA-RR 2015, 371; BAG v. 30.9.2014 – 3 AZR 998/12, NZA 2015, 750. 39 B. Gaul, AktuellAR 2018, 146 ff., 163 ff. 40 BAG v. 11.4.2018 – 4 AZR 119/17, NZA 2018, 1273.
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Voraussetzungen der „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ arbeitsvertraglicher Regelungen
1992 schlossen die Parteien eine Zusatzvereinbarung (ZV 1992), mit der auszugsweise festgelegt wurde: Die Vergütung für die vereinbarte Tätigkeit beträgt monatlich in der Gruppe BAT Vc/3 = 2.527,80 DM brutto.
1993 wurde sodann eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, in dessen Geltungsbereich auch das Arbeitsverhältnis des Klägers fiel. Im Rahmen der Betriebsvereinbarung war unter anderem festgelegt worden: § 2 Lohn- und Vergütungsrichtlinien 1. Für die Angestellten nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages – BAT – vom 11.1.1961 (…). § 5 Schlussbestimmungen Die Bestimmungen dieser Betriebsvereinbarung werden automatisch Bestandteil von Arbeitsverträgen, die vor dem Abschlussdatum dieser Vereinbarung geschlossen worden sind. (…).
Im März 1993 erhielt der Kläger dann durch den Arbeitgeber ein Schreiben, das er als Nachtrag zum Arbeitsvertrag unterzeichnete. Dort hieß es unter anderem: Betr.: Betriebsvereinbarung vom Februar 1993 Nachtrag zum Arbeitsvertrag Die Bestimmungen der o. g. Betriebsvereinbarung wurden mit deren Inkrafttreten automatisch Bestandteil Ihres Arbeitsvertrages. Alle in der Betriebsvereinbarung getroffenen Bestimmungen setzen die entsprechenden Regelungen des Arbeitsvertrages außer Kraft. Alle Vertragsbestimmungen, die durch diese Betriebsvereinbarung nicht geregelt sind, werden durch diesen Nachtrag nicht berührt und behalten ihre Gültigkeit. Die Betriebsvereinbarung hängt zur Zeit noch am Schwarzen Brett aus und kann später in der Personalabteilung eingesehen werden. Zum Zeichen der Kenntnisnahme und Ihres Einverständnisses bitten wir Sie, die beigefügte Kopie unterschrieben an uns zurückzugeben.
In einer weiteren Zusatzvereinbarung trafen die Parteien im Jahre 1995 unter anderem folgende Absprache:
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Die Vergütung für die vereinbarte Tätigkeit beträgt monatlich in der Gruppe BAT Vc 2.150,27 DM brutto.
Die Betriebsvereinbarung 1993 wurde zum 31.12.2001 gekündigt. Gehaltserhöhungen stellte die Beklagte im Juni 2006 ein. Erst mit Schreiben vom 25.11.2015 machte der Kläger aber gegenüber der Beklagten eine Vergütung nach Maßgabe der zu diesem Zeitpunkt gültigen Tarifverträge geltend. Im Rahmen seiner Klage konkretisierte er dies auf eine Vergütung der Entgeltgruppe IX Stufe IV TVöD-VKA, hilfsweise der Entgeltgruppe IX Stufe IV TV-L. In der Begründung verwies er darauf, dass die Zusatzvereinbarungen 1992 und 1995 eine dynamische Bezugnahme auf den BAT und nach dessen Ablösung auf den TVöD-VKA enthalten würden. Diese dynamische Anwendung der Tarifverträge sei weder durch die Betriebsvereinbarung 1993 noch durch den unterschriebenen Nachtrag zum Arbeitsvertrag im März 1993 beendet worden. Die Betriebsvereinbarung sei unwirksam; der Nachtrag habe keine konstitutive vertragliche Wirkung. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat das BAG der Zahlungsklage stattgegeben. Ausschlussfristen fanden mangels Vereinbarung keine Anwendung. Die Verjährung war für den geltend gemachten Zeitraum noch nicht eingetreten. In den Gründen seiner Entscheidung hat es der 4. Senat des BAG abgelehnt, die in den Zusatzvereinbarungen 1992 und 1995 enthaltene Vergütungsabrede als betriebsvereinbarungsoffen zu qualifizieren. Damit war sie einer Abänderung durch die Betriebsvereinbarung 1993 nicht zugänglich. Da der Nachtrag zum Arbeitsvertrag, der zu einer Anwendbarkeit der Betriebsvereinbarung führen sollte, nur als Mitteilung – nicht als Vertragsänderung – bewertet wurde, konnte auch dadurch keine Änderung der Zusatzvereinbarung bewirkt werden. Zunächst einmal hat der 4. Senat des BAG Bedenken, im Zusammenhang mit dem Abschluss der Zusatzvereinbarungen Willenserklärungen zu erkennen, die konkludent eine Betriebsvereinbarungsoffenheit vorsehen. Er verweist in diesem Zusammenhang auf seine Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede, deren Änderung ganz wesentlich mit Zweifeln in Bezug auf den übereinstimmenden Willen der beiden Vertragsparteien hinsichtlich künftiger Änderungen gerechtfertigt worden war, die im Wortlaut der entsprechenden Klausel selbst nicht erkennbar waren41. Daran anknüpfend führt der 4. Senat des BAG aus, dass für die Annahme, ein („redlicher und verständiger“) Arbeitnehmer müsse auch ohne irgendeinen Hinweis in einem 41 Vgl. BAG v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965 Rz. 31.
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Voraussetzungen der „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ arbeitsvertraglicher Regelungen
ihm vorgelegten Arbeitsvertragsentwurf davon ausgehen, das Vertragsangebot des Arbeitgebers stünde in jeder Hinsicht unter dem Vorbehalt einer Abänderbarkeit – insbesondere auch hinsichtlich einer Verschlechterungsmöglichkeit – durch eine Betriebsvereinbarung, weil er nicht damit rechnen könne, dass ihm andere Arbeitsbedingungen zugestanden würden, als sie im Betrieb „gelten“, gäbe es keine Anhaltspunkte. Ein Arbeitnehmer, der einen vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag als Antrag i. S. des § 145 BGB vorgelegt bekomme, könne zwar ggf. noch erkennen, dass es sich um einen Formularvertrag handele. Allein hieraus auf eine Vereinheitlichungsabsicht des Arbeitgebers schließen zu müssen, sei nicht einmal naheliegend, erst recht weder zwingend noch durch die Gesamtumstände geboten, zumal schon völlig unklar sei, ob und warum ein Arbeitgeber überhaupt eine eventuelle Vereinheitlichungsabsicht habe und diese allein durch die Verwendung von von ihm vorformulierten Arbeitsbedingungen zum „erkennbaren“ Ausdruck bringen wolle, obwohl ihm als Verwender jede andere Möglichkeit offen gestanden hätte. Dass ein Arbeitnehmer einen solchen Vorbehalt – ggf. sogar hinsichtlich der Höhe der ihm versprochenen Vergütung und des Inhalts der von ihm zugesicherten Arbeitspflicht – allein durch die Entgegennahme und Unterzeichnung des vorformulierten Arbeitsvertrags und ohne jede Erwähnung bei den Vertragsverhandlungen oder schriftliche Aufnahme in den Arbeitsvertrag akzeptieren wolle, erscheine nicht nachvollziehbar42. Ergänzend zu diesen allgemeinen Bedenken verweist der 4. Senat des BAG darauf, dass die Anerkennung einer Betriebsvereinbarungsoffenheit mit der Begründung, wie sie durch den 1. Senat des BAG im Urteil vom 5.3.201343 entwickelt wurde, schlussendlich zur Folge habe, dass praktisch jeder Arbeitsvertrag die Voraussetzungen der „soziotypischen Situation“ der Annahme einer „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ erfülle, weil er im Zweifel als Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. der §§ 305 ff. BGB qualifiziert werden müsse. Führe man sich ergänzend vor Augen, dass außerhalb von § 77 Abs. 3 BetrVG Arbeitsbedingungen aller Art, auch solche, die die Hauptleistungspflicht unmittelbar bestimmten, durch Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG festgelegt werden könnten, könnte die grundsätzliche Annahme einer „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ in diesem Rahmen zu dem Ergebnis führen, dass sämtliche im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbarten Abreden der Parteien durch die Betriebsparteien abgeändert werden könnten. Dies wiederum würde bedeuten, dass aus kollektiven Mindestarbeitsbedingungen im Ergebnis Höchstarbeitsbedingungen würden, die, soweit sie 42 BAG v. 11.4.2018 – 4 AZR 119/17, NZA 2018, 1273 Rz. 51. 43 BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 Rz. 95.
457
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Hauptleistungspflichten betreffen, noch nicht einmal der Inhaltskontrolle unterworfen wären. Eine solche Annahme im Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB müsste sich nicht nur einer Überprüfung nach Maßgabe des § 305 c Abs. 2 BGB (Unklarheitenregel) und des § 305 c Abs. 1 BGB (Verbot überraschender Klauseln) unterwerfen. Ob sie dieser Überprüfung standhielte, ließ der 4. Senat des BAG ausdrücklich offen. Jedenfalls würden sich im Hinblick auf die Anwendung der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ganz erhebliche Bedenken ergeben. Denn nach den allgemeinen Grundsätzen müsse eine Vertragsklausel so bestimmt oder zumindest bestimmbar sein, dass der Vertragspartner des Verwenders bereits bei Vertragsschluss erkennen könne, was auf ihn zukomme. Dies dürfte bei einem ungeschriebenen und lediglich aus den äußeren Umständen gefolgerten Verzicht auf das Günstigkeitsprinzip als tragendem Rechtsgrundsatz kaum gegeben sein. Der Vorbehalt einer ablösenden „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ könne vielmehr nur dann in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber als Verwender der AGB einen solchen Vorbehalt hinreichend klar und verständlich zum Ausdruck gebracht habe. Die Annahme, ein verständiger Arbeitnehmer müsse auch ohne einen entsprechenden ausdrücklichen Vorbehalt des Arbeitgebers von einer „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ ausgehen, dürfte demnach seiner Auffassung nicht genügen44. Schon diese ausführliche Auseinandersetzung mit der nachvollziehbaren Kritik an den weitreichenden Feststellungen der bisherigen Rechtsprechung zur Betriebsvereinbarungsoffenheit arbeitsvertraglicher Regelungen lässt erkennen, dass die Bedenken des 4. Senats des BAG an einer Fortsetzung dieser Rechtsprechung gewichtig sind. Auch wenn eine abschließende Bewertung ausdrücklich nicht erfolgt, sollte sich die betriebliche Praxis darauf einstellen, dass der 4. Senat des BAG mit dieser Entscheidung eine Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung auch durch die übrigen Senate bewirken wird. Ausgehend davon, dass die Kritik insbesondere mit Blick auf die allgemeinen Grundsätze der AGB-Kontrolle und die damit verbundenen Transparenzerfordernisse nicht völlig unberechtigt erscheint, ist nicht auszuschließen, dass jedenfalls in Teilbereichen und/oder unter bestimmten Voraussetzungen in der Zukunft weitere Einschränkungen erfolgen. In der hier in Rede stehenden Entscheidung hat der 4. Senat des BAG die Betriebsvereinbarungsoffenheit jedenfalls in solchen Sachverhalten abgelehnt, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbarten, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollten. Dies sei – so das BAG – 44 BAG v. 11.4.2018 – 4 AZR 119/17, NZA 2018, 1273 Rz. 52 ff.
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Voraussetzungen der „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ arbeitsvertraglicher Regelungen
bei einer im Wortlaut zum Ausdruck kommenden einzelvertraglich vereinbarten dynamischen Verweisung auf einen Tarifvertrag stets der Fall. Denn die dynamische Verweisung auf einen Tarifvertrag in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag habe zwar immer einen kollektiven Bezug. Dass damit aber auch Betriebsvereinbarungsoffenheit gewollt ist, sei nicht erkennbar. Denn die Arbeitsvertragsparteien hätten sich ja gerade ausdrücklich (und nicht nur konkludent) den tariflichen Vereinbarungen konkreter Tarifvertragsparteien anvertraut. Mit dem Zweck einer dynamischen Bezugnahme auf Vergütungsregelungen eines Tarifvertrags, nach dem bei der Vergütung eine Gleichstellung mit den in diesem Bereich beschäftigten Arbeitnehmern erreicht werden soll, wäre eine Anwendung der allein für den Bereich der Beklagten maßgeblichen betrieblichen Regelungen nicht vereinbar. Daraus folgt, dass die Regelungen einer Betriebsvereinbarung nur dann zur Anwendung kommen sollen, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger sind45. Ergänzend hierzu weist der 4. Senat des BAG darauf hin, dass eine der konkludenten Vereinbarung einer Betriebsvereinbarungsoffenheit widersprechende und sie damit ausschließende (ausdrückliche) Vertragsregelung auch darin bestehen könne, dass betriebliche Regelungen nach dem Wortlaut des Vertrags zwar grundsätzlich Anwendung finden sollen, aber nur nachrangig, also „im Übrigen“ oder nur „soweit keine anderen Vereinbarungen getroffen worden sind“. Die letztgenannte Formulierung war im Arbeitsvertrag der Parteien enthalten. In diesem Fall – so das BAG – hätten die Arbeitsvertragsparteien ihren Willen zum Ausdruck gebracht, dass arbeitsvertragliche Regelungen Vorrang haben sollen, sofern die Betriebsvereinbarung hinsichtlich günstigerer Arbeitsbedingungen nicht ohnehin normativ gelte. Kollektivvereinbarungen sollen also nur dann gelten, wenn ihre Anwendbarkeit unmittelbar und zwingend bereits durch das Gesetz bestimmt ist. Im Übrigen aber soll der Arbeitsvertrag – insoweit auch nicht betriebsvereinbarungsoffen – gelten. Von diesen Grundsätzen ausgehend war eine Betriebsvereinbarungsoffenheit der Zusatzvereinbarungen 1992 und 1995 abzulehnen. Unabhängig davon, dass die Betriebsvereinbarung als Konsequenz ihrer Beendigung zum 31.12.2001 und der fehlenden Nachwirkung im streitgegenständlichen Zeitraum gar keine Wirkung mehr entfalten konnte, hatte sie den Inhalt der Zusatzvereinbarungen unberührt gelassen.
45 BAG v. 11.4.2018 – 4 AZR 119/17, NZA 2018, 1273 Rz. 57 f.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Auch der Nachtrag, den die Parteien im März 1993 unterzeichnet hatten, konnte nach Auffassung des BAG keine Änderung der Zusatzvereinbarung bewirken. Laut dem BAG handelte es sich bei diesem Nachtrag nur um eine Information des Arbeitgebers über die seiner Meinung nach durch die Betriebsvereinbarung 1993 eingetretene Änderung der objektiven Rechtslage. Das ergab sich nach Ansicht des BAG bereits aus der Eingangsformulierung, nach der die Bestimmungen der Betriebsvereinbarung mit deren Inkrafttreten bereits „automatisch Bestandteil Ihres Arbeitsvertrags“ geworden waren. Folgerichtig sei das Schreiben deshalb auch nur als Nachtrag, nicht aber – wie sonst – als Zusatzvereinbarung oder als Änderung zum Arbeitsvertrag bezeichnet worden. Dass der Kläger sein Einverständnis erklärt habe, beziehe sich allenfalls auf die mitgeteilte Rechtsauffassung des Arbeitgebers, ohne dass darin eine eigene Willenserklärung zur Abänderung des Arbeitsvertrags zu sehen sei46. Entgegen der Meinung des Klägers ergaben sich allerdings aus den Zusatzvereinbarungen 1992 und 1995 keine Vergütungsansprüche nach Maßgabe des TVöD. Zwar seien die Zusatzvereinbarungen über ihren Wortlaut hinaus als eine dynamische Bezugnahme auf die jeweils gültigen Regelungen des BAT zu verstehen gewesen. Diese Dynamik habe aber nur dem BAT gegolten. Die Zusatzvereinbarungen seien nicht inhaltsdynamisch ausgestaltet. Mit der Ablösung des BAT durch den TVöD sei deshalb eine Regelungslücke entstanden, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen sei. Unter Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens führe dies zu einer dynamischen Bindung an die Regelungen des TVöD-VKA, in dem für den hier in Rede stehenden Bereich nach der Ablösung des BAT die Arbeitsbedingungen für den öffentlichen Dienst geregelt worden seien. Ausgehend davon, dass der Arbeitgeber als kommunales Unternehmen mit dem Arbeitnehmer diese Arbeitsbedingungen vereinbart hätte, wenn der BAT zum Zeitpunkt dieser Vereinbarung bereits abgelöst worden wäre, sind – so das BAG – die jeweils gültigen Vergütungsvorgaben des TVöD-VKA für das Arbeitsverhältnis maßgeblich. Damit aber war der Zahlungsanspruch des Klägers begründet. Natürlich weist der Fall eine Fülle von Besonderheiten auf, die vor allem die arbeitsvertragliche Gestaltung im Einzelfall betreffen. Ungeachtet dessen ist der Betriebspraxis zu empfehlen, die Kritik, die der 4. Senat des BAG in Bezug auf die Rechtsprechung zur Betriebsvereinbarungsoffenheit zum Ausdruck bringt, ernst zu nehmen. Sie führt zu der Empfehlung, den Wunsch nach der Möglichkeit einer Ablösung arbeitsvertraglicher Regelungen durch 46 BAG v. 11.4.2018 – 4 AZR 119/17, NZA 2018, 1273 Rz. 63 ff.
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Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs des Betriebsrats nach § 80 BetrVG
eine Betriebsvereinbarung in arbeitsvertraglichen Regelungen in einer Weise erkennbar zu machen, die insbesondere den Grundsätzen der Klarheit, der Transparenz und der Angemessenheit aus §§ 305 c, 307 Abs. 1 BGB Rechnung trägt. Dann dürfte einer späteren Änderung durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat grundsätzlich nichts im Wege stehen. Denn der Arbeitnehmer kann bereits mit Abschluss des Arbeitsvertrags erkennen, welche Arbeitsbedingungen einer kollektivrechtlichen Änderung zugänglich sind. Bestehen seinerseits Bedenken, muss er auf eine entsprechende Einschränkung dieser Vereinbarungen zur Betriebsvereinbarungsoffenheit drängen. (Ga)
6.
Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs des Betriebsrats nach § 80 BetrVG
Die Frage der Reichweite und Grenzen von Auskunfts- und Informationsansprüchen des Betriebsrats nach § 80 BetrVG war Gegenstand von mehreren Entscheidungen des 1. Senats des BAG vom 20.3.201847 und 24.4.201848. Der Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats wird in § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG geregelt49. Danach ist der Betriebsrat vom Arbeitgeber zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz rechtzeitig und umfassend zu unterrichten, wobei dem Betriebsrat zusätzlich gemäß § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG auf sein Verlangen hin jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind. Voraussetzung eines derartigen Unterrichtungsanspruchs ist zum einen, dass sich überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats stellt und zum anderen, dass im Einzelfall die begehrte Information zur Wahrnehmung der Aufgabe erforderlich ist50. Dies hat der Betriebsrat darzulegen. Erst anhand dieser Angaben können der Arbeitgeber und im Streitfall das Arbeitsgericht prüfen, ob die Voraussetzungen einer Auskunftspflicht oder ggf. ein Einsichtsrecht vorliegen51. Hieraus folgt eine zweistufige Prüfung daraufhin, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben und ob im Einzelfall die begehrte Information zu ihrer Wahrnehmung erforderlich ist52. 47 BAG v. 20.3.2018 – 1 ABR 15/17, NZA 2018, 1017 und 1 ABR 11/17, NZA 2018, 1420. 48 BAG v. 24.4.2018 – 1 ABR 6/16 n. v. 49 Ausf. dazu Lelley/Bruck/Yildiz, BB 2018, 2164. 50 BAG v. 20.3.2018 – 1 ABR 15/17, NZA 2018, 1017 Rz. 17 f.; BAG v. 15.3.2011 – 1 ABR 112/09, NZA-RR 2011, 462 Rz. 23. 51 So BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10, NZA 2012, 744 Rz. 14 f. 52 Vgl. BAG v. 30.9.2008 – 1 ABR 54/07, NZA 2009, 502 Rz. 24.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Andererseits besteht ein Auskunftsanspruch des Betriebsrats nicht erst und nur dann, wenn sich aktuell ein Beteiligungsanspruch stellt, vielmehr soll dem Betriebsrat durch die Auskunft auch ermöglicht werden, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben im Sinne des BetrVG ergeben und ob er zur Wahrnehmung dieser Aufgaben tätig werden muss53. Da der Gesetzgeber keine bestimmte Form für die Auskunftserteilung vorschreibt, bleibt es grundsätzlich dem Arbeitgeber vorbehalten, in welcher Weise er die Auskunft erteilt. Davon macht das BAG54 bei umfangreichen und komplexen Angaben unter Hinweis auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG eine Ausnahme und verpflichtet den Arbeitgeber, die Auskunft schriftlich erteilen zu müssen. In dem Verfahren vom 20.3.201855 verlangte der Betriebsrat die Erteilung von Auskünften bei der Zuteilung von Aktienoptionen und Nachzugsaktien, die von dem in den USA ansässigen herrschenden Unternehmen nach einem von diesem selbst aufgestellten Programm innerhalb des Konzerns Arbeitnehmern der Führungsebene gewährt wurden. Die beklagte Arbeitgeberin hatte auf den Bezugsrahmen und die Verteilungsparameter der Konzernmutter keinerlei Einfluss, wenn sie auch unverbindliche Vorschläge machen oder weitere Arbeitnehmer vorschlagen konnte. Der Betriebsrat wollte im Klagewege von der Arbeitgeberin wissen, welchen Mitarbeiterinnen in welchem Umfang ab dem Jahr 2016 Aktienoptionen und Nachzugsaktien gewährt wurden. Dabei berief sich der Betriebsrat auf ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sowie auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG. Während das LAG dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben hat, ist er auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hin vom BAG als unbegründet zurückgewiesen worden. Unter Anwendung der zweistufigen Prüfung, ob sich überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats stellt und die begehrte Information zur Wahrnehmung dieser Aufgabe erforderlich ist, gelangt der 1. Senat des BAG zu dem Ergebnis, dass der Auskunftsanspruch des Betriebsrats schon an der 1. Stufe scheitert, weil er nicht dargetan hatte, zur Durchführung welcher Aufgabe i. S. des § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG die von ihm begehrte Auskunft erforderlich war. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kam von vornherein nicht in Betracht, weil die Arbeitgeberin keine entsprechenden Zusagen der Zuteilung von Aktienoptio53 BAG v. 15.12.1998 – 1 ABR 9/98, NZA 1999, 722 Rz. 30. 54 BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10, NZA 2012, 744 Rz. 14; BAG v. 30.9.2008 – 1 ABR 54/07, NZA 2009, 502 Rz. 29. 55 BAG v. 20.3.2018 – 1 ABR 15/17, NZA 2018, 1017.
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Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs des Betriebsrats nach § 80 BetrVG
nen und Nachzugsaktien gemacht hatte. Ebenso wenig ließ sich nach Ansicht des BAG eine Überwachungspflicht des Betriebsrats aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der in § 75 BetrVG festgelegten Grundsätze herleiten, weil ein Arbeitgeber ohne besondere Anhaltspunkte nicht dazu verpflichtet ist, den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei der Durchführung anderer Vertragsverhältnisse, die bei ihm beschäftigte Arbeitnehmer mit Dritten geschlossen haben, zu überwachen. Das BAG lehnt es in diesem Zusammenhang auch ab, aus § 12 Abs. 4 AGG eine generelle Drittbezogenheit von Überwachungspflichten des Arbeitgebers im Rahmen von § 75 Abs. 1 BetrVG herzuleiten, zumal diese Vorschrift vorsehe, dass eine diskriminierende Handlung Dritter bei der Ausübung ihrer Tätigkeit für den Arbeitgeber erfolgt, wovon bei der Durchführung eines Aktienoptionsvertrags durch eine Konzernobergesellschaft nicht die Rede sein kann. In der Entscheidung des BAG vom 20.3.201856 ging es dem Betriebsrat um die Vorlage einer Kopie der an die Bundesagentur für Arbeit anzuzeigenden Daten und der Verzeichnisse nach § 163 Abs. 2 S. 3 SGB IX. Im Hinblick auf das Zusammenwirken der Arbeitgeber mit der Bundesagentur für Arbeit und den Integrationsämtern haben die Arbeitgeber gemäß § 163 Abs. 2 S. 1 SGB IX der für ihren Sitz zuständigen Agentur für Arbeit einmal jährlich bis spätestens zum 31.3. für das vorangegangene Kalenderjahr, aufgegliedert nach Monaten, die Daten anzuzeigen, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung ihrer Erfüllung und der Ausgleichsabgabe notwendig sind. Nach S. 2 des § 163 Abs. 2 SGB IX sind der Anzeige gesondert für jeden Betrieb ein Verzeichnis der beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen sowie eine Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses zur Weiterleitung an das für ihren Sitz zuständige Integrationsamt beizufügen. § 163 Abs. 2 S. 3 SGB IX schreibt außerdem vor, dass unter anderem dem Betriebsrat und dem Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers je eine Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses zu übermitteln sind. Die Arbeitgeberin, die ein Einzelhandelsunternehmen mit mehreren Betrieben unterhielt, beschäftigte schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte behinderte Menschen. Bei ihr war ein Gesamtbetriebsrat gebildet. Der antragstellende Betriebsrat eines Betriebs beanspruchte von der Arbeitgeberin, ihm Auskunft zu sämtlichen im Betrieb und im Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten behinderten Menschen zu erteilen und ihm jährlich eine Kopie der Anzeige der Daten für jeden Betrieb zu übermitteln. 56 BAG v. 20.3.2018 – 1 ABR 11/17, NZA 2018, 1420.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Während die Vorinstanzen den Anträgen des Betriebsrats entsprochen haben, hat das BAG auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hin die Anträge abgewiesen. Dabei hat das BAG unter Berücksichtigung der zweistufigen Prüfung des Auskunftsanspruchs des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG seine Darlegung vermisst, für welche konkrete Aufgabe er die Auskunft, insbesondere der in den anderen Betrieben beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen, bedurfte. Hierfür genügte dem BAG nicht der allgemeine Hinweis des Betriebsrats auf eine enge Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Gesamtbetriebsrat. Das BAG hat auch eine Aufgabe i. S. von § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG – im Gegensatz zum LAG – verneint, weil es sich bei der Pflicht des Arbeitgebers zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach § 154 SGB IX um keine zu Gunsten der Arbeitnehmer geltende Bestimmung handelte, vielmehr eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitgebers vorlag. Dabei fällt nach Auffassung des BAG nicht ins Gewicht, dass eine Verletzung des Prüf- und Konsultationsverfahrens nach § 164 Abs. 1 S. 1 SGB IX den Betriebsrat bei einer beabsichtigten Einstellung zur Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 4 Nr. 1 BetrVG berechtigen kann57, weil damit kein subjektiver Anspruch zu Gunsten betroffener schwerbehinderter Menschen verbunden wird. Das BAG hat auch den Antrag des Betriebsrats, ihm eine Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vorlegen zu müssen, abschlägig beschieden. Die Unbegründetheit dieses Antrags folgt nach Ansicht des BAG bereits daraus, dass die spezialgesetzlich geregelte Vorlagepflicht des § 163 Abs. 2 S. 3 SGB IX unternehmensbezogen besteht und damit die Übermittlung einer Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses in die funktionelle Zuständigkeit des bei der Arbeitgeberin bestehenden Gesamtbetriebsrats und nicht des Einzelbetriebsrats fällt. Überdies ließ sich nach Ansicht des BAG auch kein betriebsverfassungsrechtlicher Vorlageanspruch des Betriebsrats aus § 80 Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 i. V. mit § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG herleiten, weil der Betriebsrat insoweit keine Überwachungsaufgabe bezeichnet hatte. In dem Beschluss des 1. Senats des BAG vom 24.4.201858 war zu klären, ob dem antragstellenden Betriebsrat für die Kalenderjahre 2014, 2015 und 2016 durch schriftliche Mitteilung der Namen der einzelnen Arbeitnehmer die mit diesen auf der Grundlage einer Gesamtbetriebsvereinbarung ausgemachten oder festgelegten Zielplanungen und Leistungsbewertungen unter Aufglie57 BAG v. 23.6.2010 – 7 ABR 3/09, NZA 2010, 1361 Rz. 29. 58 BAG v. 24.4.2018 – 1 ABR 6/16 n. v.
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Betriebsvereinbarung über innerbetriebliche Gehaltsgruppen und Gehaltshöhe
derung bestimmter Einzelheiten vorzulegen und mitzuteilen waren. Dabei berief sich der Betriebsrat darauf, die im Jahre 2014 abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung, die im Jahre 2017 durch eine neue Gesamtbetriebsvereinbarung ersetzt worden war, überwachen und die Einhaltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie des Benachteiligungsverbots nach § 7 Abs. 1 AGG kontrollieren und außerdem prüfen zu wollen, ob ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bestand. Das BAG hat die Anträge des Betriebsrats für unbegründet angesehen und dies zunächst damit legitimiert, dass die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vorrangig gegenwarts- und zukunftsbezogen ist, um den Arbeitgeber ggf. zu künftiger Rechtsbefolgung anzuhalten. Nur wenn sich aus Auskünften über bestimmte Verhaltensweisen des Arbeitgebers in der Vergangenheit Rückschlüsse für sein derzeitiges und künftiges Verhalten ziehen ließen, sei der vergangenheitsgerichtete Anspruch begründet. Die rückwärtige zeitliche Grenze liege aber dort, wo der Betriebsrat aus den gewünschten Informationen für sein Handeln keine sachgerechten Folgerungen mehr ziehen könne59. Dazu hatte der Betriebsrat nichts vorgetragen. Die geltend gemachten Auskunftsansprüche ließen sich nach Ansicht des BAG auch nicht auf die vom Betriebsrat angeführten Aufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BetrVG (Beschäftigungsförderung und Arbeitsschutz) stützen, weil insoweit keine Angaben des Betriebsrats vorlagen, dass sich in dieser Hinsicht irgendwelche Aufgaben für ihn stellen konnten. Schließlich hat das BAG auch den Hinweis des Betriebsrats auf ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i. V. mit § 3 Abs. 1 ArbSchG für nicht maßgebend erachtet, weil hierfür die Darlegung festgestellter Gesundheitsgefährdungen fehlte, die eine Handlungspflicht des Arbeitgebers und damit eine Mitbestimmung des Betriebsrats hätten auslösen können. (Boe)
7.
Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung über innerbetriebliche Gehaltsgruppen und Gehaltshöhe
In vielen Unternehmen besteht ein übereinstimmendes Interesse von Arbeitgeber und Betriebsrat, verbindliche Regelungen zur einheitlichen Festlegung der monatlichen Vergütung sowie etwaiger Jahressonderzahlungen zu erhalten. Damit soll Transparenz, Gleichbehandlung und innerbetriebliche Lohngerechtigkeit hergestellt werden. Dies gilt vor allem dann, wenn im Betrieb 59 So bereits BAG v. 21.10.2003 – 1 ABR 39/02, NZA 2004, 936 Rz. 68.
465
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
kein Tarifvertrag gilt oder die tariflichen Regelungen zur Vergütung nur für einen begrenzten Personenkreis zur Anwendung kommen sollen. Als Problem im Hinblick auf dieses Regelungsinteresse erweist sich typischerweise § 77 Abs. 3 BetrVG. Danach können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Diese Sperre durch einen Tarifvertrag oder eine tarifübliche Regelung besteht nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen liegt dabei vor, wenn sie in einem Tarifvertrag enthalten sind und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt. Tarifüblich ist eine Regelung, wenn der Regelungsgegenstand in der Vergangenheit in einem einschlägigen Tarifvertrag enthalten war und die Tarifvertragsparteien über ihn Verhandlungen führen60. Bereits die Einbeziehung der Tarifüblichkeit in § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG zeigt, dass die Sperrwirkung nicht von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers abhängig ist. Sie dient – so das BAG – der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie sowie der Erhaltung und Stärkung der Funktionsfähigkeit der Koalitionen. Sie soll verhindern, dass Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien angenommen haben, konkurrierend – und sei es inhaltsgleich – in Betriebsvereinbarungen geregelt würden. Folgerichtig ist eine Betriebsvereinbarung ohne entsprechende Öffnungsklausel auch dann ausgeschlossen, wenn sie für die Arbeitnehmer günstigere Regelungen enthält61. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG kommt die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG auch ohne eine entsprechende Öffnungsklausel allerdings dann und insoweit nicht zur Anwendung, als Angelegenheiten in Rede stehen, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Darauf hatte schon der Große Senat in seinem Beschluss vom 3.12.199162 hingewiesen. Relevant wird dies insbesondere bei Regelungen zur Verteilung der Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG und Vereinbarungen zur betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere
60 BAG v. 23.1.2018 – 1 AZR 65/17, NZA 2018, 871 Rz. 16; BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 Rz. 19. 61 BAG v. 23.1.2018 – 1 AZR 65/17, NZA 2018, 871 Rz. 17; BAG v. 30.5.2006 – 1 AZR 111/05, NZA 2006, 1170 Rz. 27. 62 BAG v. 3.12.1991 – GS 2/90, NZA 1992, 749 Rz. 63.
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Betriebsvereinbarung über innerbetriebliche Gehaltsgruppen und Gehaltshöhe
die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung neuer Entlohnungsmethoden, gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. In seinem Urteil vom 23.1.201863 hat das BAG auf dieser Grundlage deutlich gemacht, dass eine dem Geltungsbereich eines einschlägigen Mantelund Gehaltstarifvertrags unterfallender Arbeitgeber und der in seinem Betrieb gebildete Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung keine Gehaltsgruppen definieren und absolute Entgelthöhen festlegen können. Dies gelte auch dann, wenn die Regelungen für die Arbeitnehmer günstiger als diejenigen der Tarifvertragsparteien sind. Da die Entgelthöhe nicht unter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG fällt, wird diese Sperrwirkung des Tarifvertrags auch nicht durch den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG aufgehoben. Vielmehr ist die Betriebsvereinbarung als Folge des Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG unwirksam64. Der von dem vorstehenden Urteil betroffene Arbeitgeber war als Einzelhandelsunternehmer tarifgebundenes Mitglied im Landesverband des Hamburger Einzelhandels, der mit ver.di Manteltarifverträge sowie Tarifverträge über die Vergütung von Arbeitnehmern und Auszubildenden abgeschlossen hatte. Unabhängig davon schloss der Arbeitgeber aber mit dem im Betrieb gebildeten Betriebsrat im Jahre 1997 eine Betriebsvereinbarung (BV 97) ab, in der unter anderem Regelungen zu einem Gehalts- und Arbeitszeitsystem enthalten waren. Auszugsweise lauteten die dort getroffenen Regelungen wie folgt: Präambel Ziel der Konzeption einer Betriebsvereinbarung war die Schaffung eines Gehalts- und Arbeitszeitsystems, das für jeden Mitarbeiter nachvollziehbar, einsehbar und leistungsgerecht ist. (…) Als Grundlage wurden größtenteils bestehende Vereinbarungen genommen. Der Tarif berücksichtigt die Mindestforderungen des Einzelhandelstarifes in Hamburg soweit nicht andere Vereinbarungen getroffen werden und diese einen individuellen Leistungsausgleich berücksichtigen (Arbeitsvertrag). Eine Überarbeitung findet mindestens zum Zeitpunkt gültiger Tarifverhandlungen des Einzelhandels statt. (…)
63 BAG v. 23.1.2018 – 1 AZR 65/17, NZA 2018, 871 Rz. 21 f. 64 Vgl. HWK/B. Gaul, BetrVG § 77 Rz. 48.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
§ 9 Urlaubs- und Weihnachtsgeld G zahlt für jedes Beschäftigungsjahr ein Urlaubsgeld in Höhe von 62,5 % des Gehaltes. Zahlungstermin ist (…) G zahlt in jedem Beschäftigungsjahr ein Weihnachtsgeld in Höhe von 62,5 % des Gehaltes. Zahlungstermin ist (…) § 17 Gehaltstarif Die G-Gehälter garantieren eine Mindesthöhe über den jeweiligen Hamburger Tarifen. In den Tarifen G0, G1, G2 sind das
200,00 DM
In dem Tarif G3 sind das
300,00 DM
In den Tarifen G4a, G4b sind das
500,00 DM
(…) Gehaltserhöhungen: Zukünftige Tariferhöhungen führen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehaltes. In den Tarifen G0, G1, G2 sind das
200,00 DM
In dem Tarif G3 sind das
300,00 DM
In den Tarifen G4a, G4b sind das
500,00 DM
(…) Gehaltsgruppen: Die Tätigkeitsbereiche der G werden verschiedenen Gehaltsgruppen zugeordnet. Für die Eingruppierung des G kommt es auf die gemäß Arbeitsvertrag vereinbarte und zu verrichtende Tätigkeit an. Bei vorübergehender, aber nicht länger als zehn Wochen andauernden Beschäftigung in einer höheren Gruppe besteht kein Anspruch auf ein der höheren Gruppen entsprechendes Entgelt. (…)
Die Beklagte kündigte die BV 97 zum 31.12.2014. Tariflohnerhöhungen, die zum 1.8.2015 wirksam wurden, gab sie nicht mehr an die Arbeitnehmer weiter. Außerdem stellte sie die Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes ein. Hierüber informierte sie auch die Belegschaft und unterbreitete – von etwa 70 % der Arbeitnehmer angenommene Angebote – für von ihr so bezeichnete Ablösevereinbarungen. Nach diesen erfolgte für das Jahr 2015 eine Einmalzahlung in Höhe von 30 % des Gehalts. Ab 2016 wurde zusätzlich zum Monatsgehalt ein näher definierter Betrag gezahlt. 468
Betriebsvereinbarung über innerbetriebliche Gehaltsgruppen und Gehaltshöhe
Der Kläger, der den Abschluss einer solchen Vereinbarung abgelehnt hatte, machte geltend, dass die Beklagte weiterhin zu allen Zahlungen nach Maßgabe der BV 97 verpflichtet sei. Nach seiner Auffassung liege in der BV 97 eine Gesamtzusage, jedenfalls sei sie in eine solche umzudeuten. Außerdem habe die Beklagte mit den Ablösevereinbarungen die betrieblichen Entlohnungsgrundsätze ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats geändert. Mit überzeugender Begründung hat das BAG die klageabweisende Entscheidung des ArbG bestätigt. Nach seiner Auffassung fällt die BV 97 in den Anwendungsbereich von § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG, weil die Beklagte zum Zeitpunkt ihres Abschlusses im Bereich der hier in Rede stehenden Vergütung an entsprechende Tarifverträge des Einzelhandels gebunden war. Da die BV 97 keine übertariflichen Leistungen geregelt habe, sondern – als Alternative zum Tarifvertrag – eigenständig einschlägige Tarifgehälter und -löhne definiert und in einer absoluten Höhe festgelegt habe, handele es sich um eine Vereinbarung über Arbeitsbedingungen, für die bereits ein Tarifvertrag bestanden habe. Da die absolute Entgelthöhe nicht von der Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfasst sei, werde § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG auch nicht durch den Tarifvorbehalt in § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG verdrängt. Ohne Rücksicht auf die etwaige Günstigkeit der BV 97 sei sie deshalb unwirksam. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass diese Unwirksamkeit nach Auffassung des BAG ohne Rücksicht auf einen späteren Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers anzunehmen ist. Wenn eine Betriebsvereinbarung die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG verletze, bleibt sie auch dann unwirksam, wenn zu einem späteren Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Regelungssperre entfallen. Allenfalls die zuständigen Tarifvertragsparteien seien berechtigt, eine solche Betriebsvereinbarung mit Rückwirkung zu genehmigen65. Damit bildete die BV 97 keine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf ein höheres Gehalt und die ergänzende Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Ausgangspunkt war dabei die Annahme des BAG, dass die Regelungen der BV 97 in Bezug auf die Jahressonderzahlungen als Konsequenz einer Unwirksamkeit der zu den monatlichen Gehältern getroffenen Regelungen ebenfalls unwirksam waren. Denn auch unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 139 BGB wäre eine Aufrechterhaltung der diesbezüglichen Regelungen nur dann möglich gewesen, wenn 65 BAG v. 23.1.2018 – 1 AZR 65/17, NZA 2018, 871 Rz. 40; BAG v. 20.4.1999 – 1 AZR 631/98, NZA 1999, 1059 Rz. 89.
469
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
dieser Teil der BV 97 eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthalten hätte. Dies aber war nach Auffassung des BAG nicht der Fall. Denn das Urlaubs- und Weihnachtsgeld war mit einem auf das Gehalt bezogenen prozentualen Anteil definiert. Da das diesbezügliche Gehalt durch die BV 97 selbst bestimmt werden sollte, aber nicht wirksam bestimmt werden konnte, fehlte der für die Höhe des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes erforderliche Bezugspunkt, was damit auch die Unwirksamkeit der diesbezüglichen Regelungen zur Folge hatte. Überzeugend hat das BAG auch die Umdeutung der unwirksamen Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage abgelehnt. Eine solche Umdeutung ist zwar entsprechend § 140 BGB grundsätzlich möglich. Allerdings unterliege insoweit nicht die Betriebsvereinbarung selbst als kollektivrechtliches Gestaltungsmittel der Umdeutung. Vielmehr beziehe sich die Umdeutung auf besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigten, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitgeber von einer Betriebsvereinbarung durch Kündigung jederzeit lösen könne, während eine Änderung der Arbeitsverträge, zu deren Inhalt eine Gesamtzusage werde, nur einvernehmlich oder durch gerichtlich überprüfbare Änderungskündigung möglich sei. Ein hypothetischer Wille des Arbeitgebers, sich unabhängig von der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung auf Dauer einzelvertraglich zu binden, könne daher nur in Ausnahmefällen angenommen werden. Vor allem könne ein solcher Rechtsbindungswille nicht aus den in der Betriebsvereinbarung selbst getroffenen Regelungen geschlossen werden. Vielmehr müssten außerhalb der Betriebsvereinbarung liegende Umstände erkennbar sein und auf einen Verpflichtungswillen des Arbeitgebers losgelöst von der Betriebsvereinbarung und gegenüber allen oder einer Gruppe von Arbeitnehmern schließen lassen66. Diese Voraussetzungen hat das BAG vorliegend abgelehnt. Die Betriebsvereinbarung selbst konnte nur die Vermutung rechtfertigen, dass Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam durch Abschluss einer Kollektivvereinbarung einen kollektivrechtlichen Anspruch begründen wollten. Selbst wenn die Beklagte bereits zum damaligen Zeitpunkt gewusst haben sollte, dass die Betriebsvereinbarung wegen Missachtung von § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam war, waren keine außerhalb der Betriebsvereinbarung liegenden Umstände erkennbar, aus denen hätte geschlossen werden können, dass sie sich mit der Folge einer individualvertraglichen Bindung und entsprechend ein66 BAG v. 23.1.2018 – 1 AZR 65/17, NZA 2018, 871 Rz. 26 ff.
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Ein- oder Umgruppierung bei übertariflichen Leistungen des Arbeitgebers
geschränkten Abänderungsmöglichkeiten gegenüber jedem einzelnen Arbeitnehmer verpflichten wollte. Dies galt – so das BAG – umso mehr, als die Beklagte nach den Feststellungen des LAG bei inhaltsgleichen oder -ähnlichen Regelungen bereits in der Vergangenheit die Rechtsform einer Betriebsvereinbarung gewählt hatte. Für die betriebliche Praxis haben diese Feststellungen des BAG erhebliche Bedeutung, denn es ist keineswegs unüblich, dass jedenfalls für die sog. „AT-Angestellten“ auf betrieblicher Ebene eigenständige Regelungen über ein Vergütungssystem geschaffen werden. Ausgehend davon, dass ATAngestellte in der Regel in den Geltungsbereich eines Tarifvertrags fallen, verstoßen entsprechende Betriebsvereinbarungen gegen § 77 Abs. 3 BetrVG. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn mit der Betriebsvereinbarung ganz bewusst Regelungen für Arbeitnehmer außerhalb des persönlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrags geschaffen werden sollten, also eine Kennzeichnung der hiervon betroffenen Arbeitnehmer als geborene ATAngestellte bewirkt werden soll. Wie bereits im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung von Arbeitsverträgen mit AT-Angestellten ausgeführt wurde, ist dies aber typischerweise kein Regelungszweck, der auf betrieblicher Ebene erreicht werden soll67. Vielmehr geht es darum, ohne Rücksicht auf die in einem Tarifvertrag enthaltenen Bestimmungen zur Vergütung ein eigenständiges Gehaltssystem festzulegen. Auch wenn die Betriebsparteien in diesem Zusammenhang typischerweise annehmen, dass damit eine Begünstigung der betroffenen Arbeitnehmer bewirkt wird, ist es in der Regel nicht das Ziel, durch dauerhafte Wahrung eines tarifvertraglichen Mindestabstands dauerhaft eine außertarifliche Vergütung zu sichern. Im Zweifel wird vielmehr hingenommen, dass Überschneidungen zu tariflichen Vergütungsregelungen bestehen, die sich auch am Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG messen lassen müssen. (Ga)
8.
Mitbestimmung des Betriebsrats wegen Ein- oder Umgruppierung bei übertariflichen Leistungen des Arbeitgebers
Gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG ist der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern verpflichtet, den Betriebsrat um Zustimmung zu jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu bitten. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung aus den in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend genannten Gründen verweigern. 67 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2018, 346 ff.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Hierzu gehört auch der Umstand, dass die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift, eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung, eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde. Nach den Feststellungen des BAG im Beschluss vom 21.3.201868 ist dies bei einer beabsichtigten Ein- oder Umgruppierung der Fall, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in ein anderes Entgeltschema eingruppieren will als dasjenige, welches im Betrieb zur Anwendung kommen muss. Denn die Änderung des Vergütungssystems bedarf nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats. Solange diese nicht gegeben ist oder durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt wird, ist das bisher praktizierte Entlohnungssystem im Betrieb weiter anzuwenden. Voraussetzung für die Notwendigkeit, eine entsprechende Zustimmungsverweigerung dem Arbeitgeber innerhalb einer Woche in Schrift- oder Textform zuzuleiten ist, dass dieser den Betriebsrat zuvor ordnungsgemäß unterrichtet hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist dabei eine Unterrichtung, die es – so das BAG – dem Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben ist69. Wichtig für die Praxis ist allerdings, dass der Arbeitgeber in Fällen, in denen der Betriebsrat auf eine unvollständige Unterrichtung hin seine Zustimmung verweigert hat, die fehlenden Informationen auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG nachholen kann, sofern für den Betriebsrat erkennbar ist, dass der Arbeitgeber die Informationen auch deswegen vervollständigt, weil er seiner ggf. noch nicht vollständig erfüllten Unterrichtungspflicht aus § 99 Abs. 1 S. 1, 2 BetrVG nachkommen will70. Im Hinblick auf eine mögliche Zustimmungsverweigerung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG hat das BAG im Beschluss vom 21.3.201871 deutlich gemacht, dass die beabsichtigte Ein- oder Umgruppierung eines Arbeitnehmers gegen ein Gesetz verstoße, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in ein anderes Entgeltschema eingruppieren wolle als dasjenige, das im Betrieb an sich zur Anwendung kommen müsse. Das wiederum sei der Fall, wenn der Arbeitgeber ein Vergütungsschema anwenden wolle, das nicht den im
68 BAG v. 21.3.2018 – 7 ABR 38/16, NZA 2018, 1090. 69 BAG v. 21.3.2018 – 7 ABR 38/16, NZA 2018, 1090 Rz. 17; BAG v. 9.10.2013 – 7 ABR 1/12, NZA 2014, 156. Rz. 33. 70 BAG v. 21.3.2018 – 7 ABR 38/16, NZA 2018, 1090 Rz. 19, BAG v. 12.1.2011 – 7 ABR 25/09, NZA 2011, 1304 Rz. 45. 71 BAG v. 21.3.2018 – 7 ABR 38/16, NZA 2018, 1090 Rz. 30.
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Ein- oder Umgruppierung bei übertariflichen Leistungen des Arbeitgebers
Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätzen entspreche. Denn die darin liegende Änderung der betrieblichen Entlohnungsgrundsätze sei nicht einseitig möglich. Sie bedürfe nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG einer Zustimmung des Betriebsrats. Solange diese nicht – ggf. durch Spruch der Einigungsstelle – erteilt worden sei, müsse der Arbeitgeber die bisher praktizierten Entlohnungsgrundsätze weiter im Betrieb anwenden. Die beabsichtigte Eingruppierung in ein anderes als das anzuwendende Vergütungsschema verstoße gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG72. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Arbeitgeber als Mitglied im Verband Spedition und Logistik NRW an einen Lohn- und Gehaltstarifvertrag gebunden, der auch im Betrieb zur Anwendung gebracht wurde. Darüber hinaus zahlte er den Arbeitnehmern eine monatliche Zulage, die zwischen 120 € und 800 € betrug. Als der Arbeitgeber im Rahmen eines Verfahrens nach § 99 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Eingruppierung mehrerer Arbeitnehmer in die tarifvertraglichen Lohngruppen beantragt hatte, widersprach dieser der Eingruppierung mit der Begründung, dass neben der Eingruppierung in die tarifliche Lohn- bzw. Gehaltsgruppe zusätzlich eine übertarifliche Gehaltsstruktur zugrunde gelegt werde, die ohne Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG festgelegt worden sei. Dabei war unstreitig zwischen den Parteien, dass die Lohn- bzw. Gehaltsgruppe, in der die einzelnen Mitarbeiter eingruppiert werden sollten, an sich zutreffend ausgewählt worden waren. An diesen Sachverhalt anknüpfend hat der 7. Senat des BAG die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Eingruppierung mit überzeugender Begründung ersetzt. Nach seiner Auffassung bildete der Lohnbzw. Gehaltstarifvertrag die für den Betrieb maßgebliche Entgeltordnung, in die eine entsprechende Eingruppierung erfolgen sollte. Unabhängig davon, dass der Arbeitgeber an die insoweit von der Eingruppierung betroffenen Arbeitnehmer auch übertarifliche Zulagen gewähren wollte, war gerade keine Einordnung in ein anderes als das durch die Tarifverträge vorgegebene Vergütungsschema gewollt. Nach den weiterführenden Feststellungen des BAG stellt im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers die im einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütungsordnung zugleich das im Betrieb geltende System für die Bemessung des Entgelts der Arbeitnehmer dar. Auch wenn es sich dabei nicht um Betriebsnormen i. S. des § 3 Abs. 2 TVG handele, die unabhängig von der Tarifbindung der Arbeitnehmer für alle Betriebe des tarifgebundenen Ar72 BAG v. 21.3.2018 – 7 ABR 38/16, NZA 2018, 1090 Rz. 30; BAG v. 28.4.2009 – 1 ABR 97/07, NZA 2009, 1102 Rz. 26.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
beitgebers gelten würden, sondern um Inhaltsnormen, die nur unmittelbar und zwingend, im Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem tarifgebundenen Arbeitnehmer Anwendung fänden, sei der tarifgebundene Arbeitgeber betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, die tarifliche Vergütungsordnung ungeachtet der individuellen Tarifbindung einzelner Arbeitnehmer im Betrieb anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterlägen. Das folge aus der Funktion des Tarifvorbehalts in § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG und dem Normzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG73. Hiervon ausgehend war das Entgeltschema des Lohn- bzw. Gehaltstarifvertrags die im Betrieb anzuwendende Vergütungsordnung. Die Maßgeblichkeit dieses tariflichen Entgeltsystems war durch die Gewährung von über- oder außertariflichen Zulagen durch den Arbeitgeber nicht entfallen. Dabei konnte – so das BAG – zu Gunsten des Betriebsrats unterstellt werden, dass dieser Gewährung solcher Zulagen ein kollektives Eingruppierungssystem zugrunde lag, bei dessen Einführung und Ausgestaltung der Betriebsrat unter Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht beteiligt worden war. Denn gerade dann blieb das tarifvertragliche Entgeltschema weiterhin die für den Betrieb maßgebliche (kollektive) Vergütungsordnung. Sollte der Arbeitgeber außerhalb des tariflichen Vergütungssystems kollektiv über- oder außertarifliche Zulagen gewähren, begründet dies folglich noch keine Eingruppierungsverpflichtung. Selbst wenn die Gewährung derartiger Leistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterläge, bleibt das tarifliche Entgeltsystem als solches unberührt und ist weiter anzuwenden. Die richtige Eingruppierung der Arbeitnehmer innerhalb dieses Entgeltschemas wird durch eine mitbestimmungswidrige Veränderung von Lohnbestandteilen außerhalb dieses Schemas nicht beeinflusst74. Es bleibt dem Betriebsrat unberührt, in Bezug auf solche Zahlungen außerhalb des Tarifvertrags eigenständig sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG geltend zu machen, ggf. im Zusammenhang mit einem allgemeinen Unterlassungsanspruch oder einem Antrag nach § 23 Abs. 3 BetrVG. Wichtig ist, diese Differenzierung zwischen dem Beteiligungsrecht des Betriebsrats aus § 99 BetrVG und seinem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in der betrieblichen Praxis zu beachten. Eine Miss73 BAG v. 21.3.2018 – 7 ABR 38/16, NZA 2018, 1090 Rz. 32; BAG v. 23.8.2016 – 1 ABR 15/14, NZA 2017, 74 Rz. 18. 74 BAG v. 21.3.2018 – 7 ABR 38/16, NZA 2018, 1090 Rz. 35; BAG v. 28.4.2009 – 1 ABR 97/07, NZA 2009, 1102 Rz. 32.
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§ 99 BetrVG bei einem Vorgesetztenwechsel in der Matrix-Organisation
achtung der Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kann daher nur dann einen Zustimmungsverweigerungsgrund gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zur Folge haben, wenn der Arbeitgeber eine Eingruppierung in ein neues Vergütungssystem beabsichtigt, hinsichtlich dessen noch keine Zustimmung des Betriebsrats erfolgt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist. (Ga)
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Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bei einem Vorgesetztenwechsel in der MatrixOrganisation
In der Vergangenheit haben wir uns mehrfach – zuletzt im Frühjahr – mit der Frage befasst, ob die Bestimmung einer Person als Vorgesetzter einer bestimmten Einheit bzw. der Wechsel einer solchen Person auch dann als mitbestimmungspflichtige Einstellung i. S. des § 99 BetrVG in dem Betrieb, in dem sich diese Einheit befindet, zu behandeln ist, wenn der Vorgesetzte an sich in einem anderen Betrieb – ggf. auch eines anderen Unternehmens – beschäftigt ist75. Abweichend von den grundlegenden Feststellungen des BAG im Beschluss vom 13.12.200576 hatte das LAG Baden-Württemberg im Beschluss vom 28.5.201477, das LAG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 17.6.201578 und das LAG Düsseldorf in den Beschlüssen vom 10.2.201679 und vom 20.12.201780 die These vertreten, dass ein solcher Wechsel des Vorgesetzten oder seine erstmalige Festlegung als eine Einstellung i. S. des § 99 BetrVG mit der Folge zu qualifizieren sei, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat in dem Betrieb um Zustimmung bitten müsse, in dem die Führungsfunktion als Folge der Matrix-Struktur gegenüber nachgeordneten Arbeitnehmern ausgeübt werden solle. Wir hatten bereits darüber berichtet, dass das BAG die erstgenannte Entscheidung des LAG Düsseldorf durch Beschluss vom 25.4.201881 aufgehoben hat82. Da die Entscheidungsgründe zum damaligen Zeitpunkt nicht vor75 76 77 78 79 80 81 82
Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2017, 259 ff.; 2018, 186 ff. BAG v. 13.12.2005 – 1 ABR 51/04, NZA 2006, 1369. LAG Baden-Württemberg v. 28.5.2005 – 4 TaBV 7/13, BB 2014, 2298. LAG Berlin-Brandenburg v. 17.6.2015 – 17 TaBV 277/15, NZA-RR 2015, 529. LAG Düsseldorf v. 10.2.2016 – 7 TaBV 63/15 n. v. LAG Düsseldorf v. 20.12.2017 – 12 TaBV 66/17, NZA-RR 2018, 298. BAG v. 25.4.2018 – 7 ABR 30/16, NZA 2018, 1094. B. Gaul, AktuellAR 2018, 186 ff.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
lagen, war zweifelhaft, ob mit dieser Aufhebung auch eine Aussage in Bezug auf die betriebsverfassungsrechtliche Kennzeichnung einer solchen Einstellung im Rahmen der Matrix-Struktur verbunden war. Inzwischen liegt der Beschluss des BAG in vollständiger Ausfertigung vor. Bedauerlicherweise ist damit keine Klarstellung der Diskussion verbunden. Denn das BAG hat den Antrag des Betriebsrats, dem Arbeitgeber gemäß § 101 BetrVG aufzugeben, die personelle Maßnahme durch eine Beendigung der Führungsverantwortung der in anderen Betrieben beschäftigten Vorgesetzten in Bezug auf Mitarbeiter des in Essen gelegenen Betriebs aufzuheben, bereits mit der Begründung abgelehnt, dass diese Führungsverantwortung der durch den Betriebsrat benannten Personen zum Zeitpunkt der Entscheidung des BAG bereits beendet war. Die Beendigung dieser Maßnahmen schließt eine Verurteilung des Arbeitgebers zu ihrer Aufhebung aus. Dass der Betriebsrat geltend machte, im Rahmen der fortgeführten MatrixStruktur sei damit zu rechnen, dass der Arbeitgeber auch in Zukunft Personen aus anderen Betrieben eine Vorgesetztenrolle übertragen würde, rechtfertigte kein anderes Ergebnis. Denn mit einem Aufhebungsantrag nach § 101 BetrVG kann nur auf konkrete personelle Einzelmaßnahmen des Arbeitgebers reagiert werden. Abstrakt-generelle Unterlassungsansprüche in Bezug auf personelle Einzelmaßnahmen können nur unter den in § 23 Abs. 3 BetrVG genannten Voraussetzungen geltend gemacht werden. Damit muss die betriebliche Praxis im Rahmen von Matrix-Strukturen weiterhin mit der bestehenden Rechtsunsicherheit leben. Es scheint gleichwohl überzeugender, dabei auch in Zukunft eine Mitbestimmungspflicht aus § 99 BetrVG auf der Grundlage der Feststellungen des BAG im Beschluss vom 13.12.200583 abzulehnen. Denn nach den dort durch das BAG getroffenen Feststellungen ist es nicht ausreichend, dass die Arbeiten, die ein Vorgesetzter in einem anderen Betrieb verrichtet, ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeiten darstellen und im Zusammenwirken mit den in diesem Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmern der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks dieses Betriebs dienen. Erforderlich ist, dass der Vorgesetzte bei seiner Tätigkeit in diesem Betrieb auch konkreten Weisungen in Bezug auf Art, Ort und Zeit seiner Tätigkeit durch den Arbeitgeber unterworfen ist, dem dieser Betrieb betriebsverfassungsrechtlich als Inhaber zugeordnet werden kann. Dass der Vorgesetzte seinerseits Weisungen an deren Mitarbeiter erteilt, genügt nicht, um auf seine eigene Eingliederung schließen zu können. (Ga)
83
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BAG v. 13.12.2005 – 1 ABR 51/04, NZA 2006, 1369 Rz. 12 ff.
Mitbestimmung des Betriebsrats beim „Desk-Sharing“
10. Mitbestimmung des Betriebsrats beim „DeskSharing“ Unter „Desk-Sharing“ wird eine Organisationsform verstanden, bei der innerhalb einer Organisationseinheit (Unternehmen, Betrieb, Abteilung) weniger Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden als Mitarbeiter für diesen Bereich vorhanden sind84. Damit ist regelmäßig eine flexible sowie wechselnde Nutzung von Arbeitsplätzen durch mehrere Mitarbeiter verbunden mit der Maßgabe, dass sich der jeweilige Mitarbeiter zu Beginn der Arbeitszeit innerhalb der ihm zugewiesenen Teamzone seinen Arbeitsplatz selbst sucht, ihn aufbaut und bei Arbeitsende aufgeräumt hinterlässt. Anlass für dieses Arbeitsplatzkonzept sind Gründe der Einsparung, weil nicht selten nur 70-80 % der eingerichteten Arbeitsplätze besetzt sind. In arbeitsrechtlicher Hinsicht können sich mit der Einführung dieser Organisationsform individualrechtliche, aber auch kollektivrechtliche Fragen stellen. Grundsätzlich gehört die Organisation der Arbeit und die Einrichtung von Arbeitsplätzen in den Bereich der verfassungsrechtlich geschützten unternehmerischen Entscheidungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, 14 GG) des Arbeitgebers. Dabei gehört die dem Arbeitnehmer gegenüber vorgenommene Zuweisung des jeweiligen Arbeitsplatzes zum Weisungsrecht des Arbeitgebers (§§ 106 GewO, 315 Abs. 3 BGB), das zwar einer Ausübungskontrolle zugänglich ist85, jedoch nicht daran scheitert, dass der Arbeitnehmer jahrelang an einem bestimmten Arbeitsplatz eingesetzt worden ist86. Zweifelhaft kann jedoch sein, ob und unter welchen rechtlichen Aspekten die Einführung eines Desk-Sharing Beteiligungs- oder Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auslösen kann, die sich möglicherweise aus §§ 87 Abs. 1 Nr. 1, 7, 90, 111 BetrVG herleiten lassen. Gegenstand dieser betriebsverfassungsrechtlichen Problematik war ein einstweiliges Verfügungsverfahren eines Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Unterlassung der Anordnung, die Arbeitnehmer im Desk-Sharing einzusetzen, worüber das LAG Düsseldorf mit Beschluss vom 9.1.201887 zu entscheiden hatte. Nach der konkreten Fallkonstellation standen für 40 Be84 Günther/Böglmüller, NZA 2017, 546, 551; Kothe, NZA-RR 2018, 374, 375; Oltmanns/Fuhlrott, NZA 2018, 1225; Steffan, NZA 2015, 1409, 1415; Stück, ArbR 2018, 409, 411. 85 BAG v. 30.11.2016 – 10 AZR 11/16, NZA 2017, 1394 Rz. 19. 86 BAG v. 30.11.2016 – 10 AZR 11/16, NZA 2017, 1394 Rz. 24; BAG v. 13.6.2012 – 10 AZR 296/11, NZA 2012, 1154 Rz. 26. 87 LAG Düsseldorf v. 9.1.2018 – 3 TaBVGa 6/17, NZA-RR 2018, 368.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
schäftigte nur 33 Schreibtische zur Verfügung, die mit einem Computer, zwei Monitoren, einer Tastatur und einer Computermaus ausgestattet waren. Zu Beginn der jeweiligen Arbeitszeit oblag es den Mitarbeitern, sich einen noch unbesetzten, freien Arbeitsplatz innerhalb der ihnen zugewiesenen Büroräume selbst zu suchen. Fand der Mitarbeiter keinen unbesetzten Arbeitsplatz, hatte er sich an seinen Vorgesetzten zu wenden. Nach Beendigung der Arbeitszeit war der Arbeitsplatz vollständig aufzuräumen. Die Arbeitsmittel und persönlichen Gegenstände wurden in einen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Pilotkoffer verstaut. Der Betriebsrat verfolgte mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren die Unterlassung der Anordnung des Desk-Sharing unter Hinweis darauf, seine Einführung unterliege als Frage der Ordnung des Betriebs (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) sowie unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats, sodass der Arbeitgeber die Mitarbeiter ohne Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung oder deren Ersetzung durch die Einigungsstelle in dieser Organisationsform nicht einsetzen dürfe. Darüber hinaus hat der Betriebsrat die Änderung der Organisationsform auch als eine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung bewertet. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Da der Wortlaut dieser Vorschrift jedes Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb erfasst, wozu auch die Art und Weise der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gehört, hat das BAG88 im Wege einer teleologischen Reduktion das Arbeitsverhalten dem mitbestimmungsrechtlichen Zugriff des Betriebsrats entzogen. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist vielmehr nur das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses kann der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren (§ 106 S. 2 GewO). Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, die Arbeitnehmer hieran zu beteiligen. Sie sollen an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens gleichberechtigt teilnehmen. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG allerdings nur mitzubestimmen bei Maßnahmen, die das sog. Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats soll immer dann ausgeübt werden können, wenn der Arbeitgeber das mit ihrer Tätigkeit verbundene Verhalten der Arbeitnehmer regelt. Dagegen sind Maßnahmen, die das sog. Arbeitsverhalten regeln sollen, nicht
88 BAG v. 11.6.2002 – 1 ABR 46/01, NZA 2002, 1299 Rz. 12.
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Mitbestimmung des Betriebsrats beim „Desk-Sharing“
mitbestimmungspflichtig. Dies sind solche Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und abgefordert wird89. Ob in Anbetracht dieser allgemeinen Grundsätze eine Anordnung des Arbeitgebers das nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten oder das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betrifft, beurteilt sich nicht nach seinen subjektiven Vorstellungen, vielmehr entscheidet der objektive Regelungszweck darüber, welcher Kategorie die Maßnahme zuzuordnen ist90. In Übereinstimmung mit dieser von der Rechtsprechung des BAG für die Anwendung der Mitbestimmung vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Ordnungsverhalten und dem Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb hat das LAG Düsseldorf insoweit für einen Verfügungsanspruch des Betriebsrats betreffend eine Unterlassung der Anordnung des Desk-Sharing keine Rechtsgrundlage ausmachen können, weil es sich hierbei zunächst nur um ein Bürokonzept handele, mit dem ungenutzte Arbeitsplatzkapazitäten vermieden werden sollen. Dabei stünde die nicht mehr individuelle Zuordnung der Arbeitsplätze und die Anordnung, sich einen freien Arbeitsplatz zu suchen oder bei vollständiger Belegung durch den Vorgesetzten zuweisen zu lassen, in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung und nicht mit dem Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer, sodass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht in Betracht käme. Offen gelassen hat das LAG Düsseldorf, inwieweit die Behandlung der überlassenen Arbeitsmittel und das Aufräumen des Arbeitsplatzes dem Ordnungsverhalten oder Arbeitsverhalten zuzuordnen ist91. Diese höchstrichterlich bislang nicht geklärte und in der Literatur umstrittene Frage konnte nach Auffassung des LAG Düsseldorf nicht das Durchführungsinteresse des Arbeitgebers an dem Desk-Sharing durch eine vorläufige Unterlassungsverfügung blockieren. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterliegen Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften der Mitbestimmung des Betriebsrats. Da das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nur im Rahmen der geltenden Arbeits- und Gesundheitsschutzvorschriften besteht, setzt das Mitbestimmungsrecht voraus, dass 89 BAG v. 25.9.2012 – 1 ABR 50/11, NZA 2013, 467 Rz. 14; BAG v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07, NZA 2008, 1248 Rz. 57 f. 90 BAG v. 11.6.2002 – 1 ABR 46/01, NZA 2002, 1299 Rz. 13. 91 Vgl. dazu Fitting, BetrVG § 87 Rz. 71 m. w. N. zu den unterschiedlichen Auffassungen in der Literatur.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
die dem Arbeitgeber obliegenden Handlungspflichten Spielräume ihrer Erfüllung belassen. Anders formuliert muss für den Arbeitgeber auf der Grundlage der entsprechenden Schutzvorschriften ein Ermessensspielraum bestehen, auf welche Art und Weise er seinen Verpflichtungen genüge. Durch die Mitbestimmung des Betriebsrats soll im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb erreicht werden92. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen93. Ob die Rahmenvorschrift dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dient, ist dabei unerheblich94. Gleichgültig ist auch, welchen Weg oder welche Mittel die dem Gesundheitsschutz dienende Rahmenvorschrift vorsieht und ob eine subjektive Regelungsbereitschaft des Arbeitgebers besteht95. Soweit der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht auf der Grundlage von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG reklamiert, muss erkennbar sein, welche konkreten betrieblichen Regelungen zur Umsetzung dieser Handlungspflicht mitbestimmt werden sollen96. Auf den Streitfall bezogen hat das LAG Düsseldorf die Voraussetzungen für ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i. V. mit § 3 a Abs. 1 S. 1 ArbStättV97 und § 3 Abs. 1 S. 1 i. V. mit § 5 ArbSchG98 und damit einen Verfügungsanspruch des Betriebsrats allein deswegen verneint, weil eine vorliegende oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festgestellte konkrete Gefährdung der Mitarbeiter im Rahmen ihres Einsatzes beim Desk-Sharing vom Betriebsrat wieder dargelegt noch glaubhaft gemacht worden war. Die pauschale Behauptung des Betriebsrats, dass trotz einer erfolgenden Arbeitsplatzreinigung durch einen externen Dienstleister und der zusätzlichen Zurverfügungstellung von Reinigungstüchern von der gemeinsamen Nutzung der Computertastaturen und der Computermäuse ei92 BAG v. 8.6.2004 – 1 ABR 4/03, NZA 2005, 227 Rz. 19; BAG v. 15.1.2002 – 1 ABR 13/01, NZA 2002, 995 Rz. 57 f. 93 BAG v. 15.1.2002 – 1 ABR 13/01, NZA 2002, 995 Rz. 57; Richardi/ Richardi/Maschmann, BetrVG § 87 Rz. 549. 94 BAG v. 18.7.2017 – 1 ABR 59/15, NZA 2017, 1615 Rz. 13; BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 25/15, NZA 2017, 1132 Rz. 18. 95 BAG v. 8.6.2004 – 1 ABR 4/03, NZA 2005, 227 Rz. 19; BAG v. 15.1.2002 – 1 ABR 13/01, NZA 2002, 995 Rz. 57. 96 BAG v. 8.6.2004 – 1 ABR 4/03, NZA 2005, 227 Rz. 19 BAG v. 15.1.2002 – 1 ABR 13/01, NZA 2002, 995 Rz. 57 f. 97 BGBl. I 2016, 2681. 98 BGBl. I 2013, 3836.
480
Mitbestimmung des Betriebsrats beim „Desk-Sharing“
ne konkrete gesundheitliche Gefährdung der Mitarbeiter ausginge, hat dem LAG zu Recht nicht genügt. Diese Bewertung stimmt mit der Linie der Rechtsprechung des BAG99 überein. Die in § 3 a Abs. 1 S. 1 ArbStättV festgelegte Verpflichtung des Arbeitgebers, beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten dafür Sorge zu tragen, dass Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden und verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden, knüpft nach Ansicht des BAG an vorliegende oder festgestellte konkrete Gefährdungen i. S. von § 3 ArbStättV i. V. mit § 5 ArbSchG an. Diese Aussage entspricht der Gefährdungsbeurteilung nach § 3 Abs. 1 S. 1 ArbStättV, wonach der Arbeitgeber bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG zunächst festzustellen hat, ob die Beschäftigten Gefährdungen beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können. Ebenso wenig hat das LAG Düsseldorf ein aus § 4 Abs. 2 ArbStättV i. V. mit § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG möglicherweise herleitbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bejaht. Nach § 4 Abs. 2 ArbStättV hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten den hygienischen Erfordernissen entsprechend gereinigt werden und Verunreinigungen sowie Ablagerungen, die zu Gefährdungen führen können, unverzüglich zu beseitigen sind. Aus dem Vorbringen des Betriebsrats ließ sich nicht entnehmen, dass trotz der vom Arbeitgeber durchgeführten Reinigungsarbeiten noch konkrete Gefährdungen der Gesundheit der Beschäftigten im Hinblick auf die gemeinsam zu nutzenden Tastaturen der Computer oder Computermäuse anzunehmen waren. Die nicht ausreichende Konkretisierung des Vorbringens des Betriebsrats war auch Anlass für das LAG Düsseldorf, mit der Einführung des DeskSharing eine Betriebsänderung i. S. von § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG zu verneinen, wonach grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus §§ 111, 112 Abs. 2, 3 und 4 BetrVG auslösen können, wobei im Streitfall der vom Betriebsrat geltend gemachte Unterlassungsanspruch in Relation zu einem etwaigen Beratungsanspruch denkbar gewesen wäre100. Die in Frage kommenden Tatbestände aus § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG führen zunächst nach der schon zu § 72 BetrVG 1952 entwickelten Rechtsprechung
99
BAG v. 18.7.2017 – 1 ABR 59/15, NZA 2017, 1615; BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 25/15, NZA 2017, 1132. 100 Vgl. LAG Hamm v. 17.2.2015 – 7 TaBVGa 1/15, NZA-RR 2015, 247 Rz. 30 f.
481
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
des BAG101 dazu, dass sie wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben könnten, was vom Gesetzgeber fingiert wird. Daneben verdeutlicht der Gesetzgeber mit der Eingangsnormierung in § 111 S. 1 BetrVG, dass das soziale Element für die Regelung des § 111 BetrVG eine ganz entscheidende Rolle spiele, weshalb der Relativsatz bei der Auslegung der in S. 3 enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe (wesentlich, grundlegend) auch in quantitativer Hinsicht mit Blick auf die betroffenen Arbeitnehmer als Erheblichkeitsschwelle zu berücksichtigen sei102. Ob danach ein erheblicher Teil der Belegschaft betroffen ist, richtet sich nach ständiger Spruchpraxis des BAG nach der Anzahl der von der Maßnahme des Arbeitgebers betroffenen Arbeitnehmer, die sich an den Zahlenangaben des § 17 Abs. 1 KSchG orientiert103. Da der Betriebsrat zu diesen Voraussetzungen keinerlei Vortrag geleistet hatte, war eine Anwendung des § 111 BetrVG nicht berücksichtigungsfähig. (Boe)
11.
Anhörung des Betriebsrats bei der Kündigung während eines Auslandseinsatzes
Die zunehmende Globalisierung der Arbeitsprozesse bewirkt, dass Arbeitnehmer vermehrt grenzüberschreitend zum Einsatz kommen. Wenn während der damit verbundenen Auslandstätigkeit eines Arbeitnehmers die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen soll, stellt sich die Frage, ob zuvor eine Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG erfolgen muss. Hilfreich ist, dass sich das BAG im Urteil vom 24.5.2018104 eingehend mit dieser Frage befasst hat. Der Kläger in dem zugrunde liegenden Fall war bei der im Inland ansässigen Beklagten, die Teil eines international tätigen Konzerns der Öl- und Erdgasindustrie mit Hauptsitz in Schottland war, seit Juni 2007 tätig und durchgehend im Ausland eingesetzt, zuletzt in Algerien. Nach den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag konnte die Beklagte die Standorte für die Ausführung der Arbeiten jederzeit ändern und den Kläger einem anderen Bohr- o-
101 BAG v. 17.8.1982 – 1 ABR 40/80, DB 1983, 344 Rz. 17; BAG v. 22.5.1979 – 1 AZR 848/76, DB 1979, 1897 Rz. 13. 102 BAG v. 7.8.1990 – 1 AZR 445/89, NZA 1991, 113 Rz. 17; BAG v. 17.8.1982 – 1 ABR 40/80, DB 1983, 344 Rz. 21 ff.; ErfK/Kania, BetrVG § 111 Rz. 9. 103 BAG v. 28.3.2006 – 1 ABR 5/05, NZA 2006, 932 Rz. 18; BAG v. 6.12.1988 – 1 ABR 47/87, NZA 1989, 399 Rz. 23. 104 BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, NZA 2018, 1396 Rz. 12 ff.
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Anhörung des Betriebsrats bei der Kündigung während eines Auslandseinsatzes
der Arbeitsort, einer anderen Position oder einem verbundenen Unternehmen zuweisen. Ergänzend war im Arbeitsvertrag vereinbart worden, dass der Vertrag „nach den Gesetzen von Deutschland ausgelegt und vollzogen“ werden sollte. Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Schreiben vom 15.2.2016 zum 31.5.2016 gekündigt hatte, erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Er machte geltend, dass die Beklagte zuvor den in ihrem Betrieb in Deutschland errichteten Betriebsrat hätte gemäß § 102 BetrVG beteiligen müssen, was nicht erfolgt war. Auch wenn der 2. Senat des BAG keine abschließende Entscheidung treffen konnte, weil tatrichterliche Feststellungen zur Steuerung des Arbeitseinsatzes des Klägers nicht im ausreichenden Umfang getroffen worden waren, enthalten seine Ausführungen wichtige Klarstellungen in Bezug auf die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der im Inland gebildete Betriebsrat auch für Arbeitnehmer während der Dauer einer Auslandstätigkeit zuständig ist105. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des BAG ist davon auszugehen, dass der Geltungsbereich des BetrVG nach Maßgabe des Territorialitätsprinzips auf Deutschland begrenzt ist. Aus diesem Grundsatz heraus lässt sich allerdings noch nicht die Frage beantworten, ob der Betriebsrat auf der Grundlage betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen gleichwohl für einen im Ausland tätigen Arbeitnehmer zuständig ist. Denn die Antwort auf diese Frage hängt vom persönlichen Geltungsbereich ab. Einbezogen werden trotz einer Tätigkeit im Ausland solche Arbeitnehmer, bei denen ungeachtet einer räumlichen Trennung die Zugehörigkeit zu einem in Deutschland gelegenen Betrieb gegeben ist106. Voraussetzung für eine solche Ausstrahlung ist, dass neben der vertraglichen Bindung durch Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auch eine fortbestehende Eingliederung in die inländische Betriebsorganisation gegeben ist. Dabei kann an § 611 a Abs. 1 BGB angeknüpft werden. Wie die Feststellungen des BAG im Urteil vom 24.5.2018107 deutlich machen, ist dabei vor allem kennzeichnend, dass der Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Inhalt der übernommenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht von Personen unterliegt, die in der im Inland gelegenen Betriebsstätte tätig sind108. Weitere Indizien sind vor allem ein ständiges Rückrufrecht, Berichtspflichten gegenüber dem Arbeitgeber in Deutschland, die 105 106 107 108
Eingehend bereits B. Gaul, BB 1990, 697. BAG v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98, NZA 2000, 1119 Rz. 28. BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, NZA 2018, 3403 Rz. 13 ff. Ebenso Herfs/Röttgen, NZA 2018, 150, 151.
483
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Fortschreibung des Laufbahnprofils, die Teilnahme an inländischen Beurteilungssystemen oder inländischen Informations- oder Fortbildungsmaßnahmen und die Einbeziehung in ein betriebsbezogenes Organigramm. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde109, müssen letztlich zwei Voraussetzungen für den Inlandsbezug und die daraus folgende Zuständigkeit des im Inland gebildeten Betriebsrats erfüllt sein: Zunächst einmal muss trotz der Tätigkeit im Ausland eine Förderung des inländischen Betriebszwecks gegeben sein. Dabei geht es allerdings nicht um den wirtschaftlichen Zweck oder übergeordnete Konzernzwecke, sondern um den arbeitstechnischen Zweck, wie er in dem in Inland bestehenden Betrieb verfolgt wird. Eine solche Förderung kann auch durch den Erwerb von Know-how für spätere Tätigkeiten im Inland, die Übernahme von Beratungsaufgaben oder die Abwicklung eines Auftrags oder die Reparatur einer Anlage im Ausland erfolgen. Darüber hinaus muss der inländische Arbeitgeber auf der Grundlage des Arbeitsvertrags in der Lage sein, aus dem in Deutschland gelegenen Betrieb heraus durch Weisungen die Leitungsmacht in Bezug auf die wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten für den Arbeitnehmer im Ausland auszuüben. Die bloße Personalverwaltung (z. B. Abrechnung, Abwicklung Altersversorgung) oder die Steuerung der im Ausland angestellten Arbeitnehmer im Rahmen einer Matrix-Organisation genügen nicht. Umgekehrt kann die insoweit erforderliche Steuerung durch den inländischen Arbeitgeber im Rahmen einer Matrix-Organisation auch dadurch bewirkt werden, dass Arbeitnehmer anderer Konzerngesellschaften im Namen des Vertragsarbeitgebers entsprechende Weisungsrechte ausüben. Besteht auf diese Weise trotz des Auslandseinsatzes eine hinreichend konkrete Beziehung zum Inlandsbetrieb, gilt das BetrVG auch für diesen Arbeitnehmer110. Auch wenn bei einer dauerhaften Auslandstätigkeit regelmäßig kein Bezug (mehr) zum Inland besteht, kann eine entsprechende Zugehörigkeit auf der Grundlage der vorstehenden Voraussetzungen auch dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer nur für eine Tätigkeit im Ausland eingestellt wird oder nach einer früheren Tätigkeit im Inland jetzt dauerhaft nur noch im Ausland eingesetzt werden soll111. Insoweit sind die gleichen Grundsätze wie bei einem im Inland tätigen Außendienstmitarbeiter anzuwenden, der ebenfalls ohne die räumliche Einbindung in den Betrieb als Konsequenz seiner Betriebszugehörigkeit in die Zuständigkeit des Betriebsrats fallen kann (§ 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Entgegen der Auffassung des BAG, wie sie 109 HWK/B. Gaul, BetrVG Vorbem. Rz. 6. 110 Vgl. BAG v. 7.12.1989 – 2 AZR 228/89, NZA 1990, 658. 111 A. A. LAG München v. 8.7.2009 – 11 TaBV 114/08 n. v.
484
Anhörung des Betriebsrats bei der Kündigung während eines Auslandseinsatzes
im Urteil vom 24.5.2018112 zum Ausdruck kommt, ist eine Zugehörigkeit zum inländischen Betrieb analog § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG nur dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer in eine Einheit im Ausland integriert wird, die räumlich weit entfernt liegt, sofern dort mindestens fünf Arbeitnehmer beschäftigt werden, von denen drei wählbar sind. Andernfalls würde ein Widerspruch zu den betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen eintreten, die bei unterschiedlichen Betriebsstätten in Deutschland zur Ablehnung der Betriebszugehörigkeit und damit auch zur fehlenden Zuständigkeit eines Betriebsrats führen. Berechtigterweise geht das BAG im Urteil vom 24.5.2018113 davon aus, dass sich Besonderheiten bei einer Auslandstätigkeit allerdings dann ergeben können, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb eines anderen Unternehmens im Rahmen einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung tätig ist. Denn hier wird man vorrangig an die zu § 14 Abs. 1 AÜG entwickelten Kriterien für den Einsatz von Leiharbeitnehmern anknüpfen können. Danach bleiben Leiharbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebs des Verleihers. Auf diese Weise stellt § 14 Abs. 1 AÜG für Inlandsarbeitsverhältnisse klar, dass Leiharbeitnehmer betriebsverfassungsrechtlich grundsätzlich Teil der Belegschaft des Verleiherbetriebs sind und – so das BAG – auch während der Dauer ihrer Überlassung in die dortige Betriebsorganisation eingegliedert bleiben. Diese Grundsätze sind auch bei einem drittbezogenen Personaleinsatz im Ausland anzuwenden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Einsatzunternehmen in einer Konzernbindung zum Vertragsarbeitgeber steht. Insoweit darf – so das BAG – der durch das BetrVG bewirkte kollektivrechtliche Schutz dem Arbeitnehmer auch bei einer Tätigkeit im Ausland nicht entzogen werden114. Ob die für die Anerkennung einer Zugehörigkeit zum inländischen Betrieb erforderliche Eingliederung in die hier bestehende Betriebsorganisation auch während der Auslandstätigkeit des Klägers gegeben war, konnte das BAG auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen zwar nicht beurteilen. Es hat allerdings zu Recht deutlich gemacht, dass die Anforderungen an die Einbeziehung des im Ausland tätigen Arbeitnehmers in einem inländischen Betrieb auch unter Berücksichtigung der internationalen Verflechtungen, der Globalisierung unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung sowie der zunehmenden Konzern- und Matrix-Strukturen nicht herabgesetzt werden dürfen. 112 BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, NZA 2018, 1396 Rz. 13. 113 BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, NZA 2018, 1396 Rz. 14 ff. 114 BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, NZA 2018, 1396 Rz. 16; BAG v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98, NZA 2000, 1119 Rz. 28 ff.
485
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Entgegen der Auffassung des LAG Niedersachsen sind deshalb nur „rudimentäre Weisungsbefugnisse“ des inländischen Arbeitgebers nicht ausreichend, um eine entsprechende Eingliederung anzunehmen. Vielmehr muss tatrichterlich festgestellt werden, ob und inwieweit tatsächlich durch Personen aus dem inländischen Betrieb heraus eine Steuerung der Art, des Ortes, der Zeit oder des Inhalts der Tätigkeit bewirkt wurde, die auch unter Berücksichtigung der zu § 611 a BGB entwickelten Kriterien nicht unerheblich ist. Wenn daran anknüpfend eine Eingliederung in den inländischen Betrieb angenommen werden muss, besteht die Betriebszugehörigkeit trotz der Auslandstätigkeit fort. Dann aber ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, vor einer Kündigung den Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören. Darüber hinaus kommen weitergehende Beteiligungsrechte des Betriebsrats und die Einbeziehung in den Geltungsbereich von Betriebsvereinbarungen in Betracht. Außerdem wird man ein aktives und passives Wahlrecht in Bezug auf den im Inland errichteten Betriebsrat, zu dessen Betrieb die Zugehörigkeit gegeben ist, zu beachten haben. (Ga)
486
I. 1.
Betriebsänderung und Betriebsübergang
Stichtagsregelung in Sozialplan und Betriebsvereinbarung zu Prämien bei Klageverzicht
Wenn es im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung zu Entlassungen kommt, wird vielfach nicht nur ein Sozialplan vereinbart, in dem Abfindungen für solche Arbeitnehmer geregelt werden, deren Arbeitsverhältnis als Folge der Betriebsänderung beendet wird. Damit wird der aus § 112 Abs. 1 BetrVG folgenden Verpflichtung Rechnung getragen, wirtschaftliche Nachteile einer Betriebsänderung durch den Sozialplan auszugleichen oder zu mildern. Vielfach kommt es ergänzend hierzu in der betrieblichen Praxis auch zum Abschluss einer (freiwilligen) Betriebsvereinbarung, in der weitere Zahlungen an Arbeitnehmer geregelt werden, deren Arbeitsverhältnis ohne eine gerichtliche Auseinandersetzung beendet wird. Hierzu gehören Arbeitnehmer, mit denen ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen wird. Ebenso gehören dazu Arbeitnehmer, die nach Zugang einer betriebsbedingten Kündigung auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten. Gerade wenn sich Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan über einen längeren Zeitraum hinziehen, kann auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite gleichermaßen das Interesse bestehen, bereits vor dem Zustandekommen dieser Vereinbarungen Aufhebungsverträge abzuschließen. Denn mit jedem Aufhebungsvertrag wird die einvernehmliche Umsetzung einer Betriebsänderung gefördert. Der Aufhebungsvertrag vermeidet eine Kündigungsschutzklage und verschafft dem Arbeitgeber und den verbleibenden Arbeitnehmern und Arbeitnehmervertretern Klarheit darüber, dass in entsprechender Zahl keine weiteren betriebsbedingten Kündigungen erfolgen müssen. Problematisch ist allerdings, dass Verhandlungen über solche Aufhebungsverträge zu einem Zeitpunkt geführt werden, in dem die Höhe etwaiger Ansprüche aus einem Sozialplan und die daran geknüpften Voraussetzungen noch nicht bekannt sind. Insoweit ist es denkbar, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Konditionen verständigen, die günstiger oder ungünstiger als die Regelungen sind, die nach Maßgabe des Sozialplans zur Anwendung kämen. Darüber hinaus besteht zu diesem Zeitpunkt oft noch keine Klarheit über die Frage, ob es neben dem Sozialplan eine Betriebsvereinbarung gibt,
487
Betriebsänderung und Betriebsübergang
die ergänzende Leistungen an Arbeitnehmer vorsieht, deren Arbeitsverhältnis ohne eine prozessuale Auseinandersetzung beendet wird. Eine solche Situation lag auch der Entscheidung des LAG Nürnberg vom 16.1.2018 1 zugrunde. Denn der Kläger hatte sich mit der Beklagten im Rahmen eines Aufhebungsvertrags vom 25.9.2015 auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.4.2016 verständigt. Zum Ausgleich des damit verbundenen Verlusts des Arbeitsplatzes verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 80.000 € brutto zu zahlen. Eine etwaige Sozialplanabfindung, die sich aus dem mit dem Betriebsrat im Rahmen der parallel laufenden Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen noch abzuschließenden Sozialplan ergeben würde, sollte nach den ausdrücklich getroffenen Regelungen zur Anrechnung kommen. Bereits am 13./14.10.2015 einigte sich die Beklagte mit dem Betriebsrat auf einen Sozialplan, in dem Abfindungen wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen waren. Darüber hinaus schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine weitere (freiwillige) Betriebsvereinbarung, welche eine zusätzliche Abfindung bei Klageverzicht im Zusammenhang mit den Maßnahmen aus dem Interessenausgleich vom 13./14.10.2015 beinhaltete. Würde der Kläger in den Geltungsbereich dieser Vereinbarungen fallen, hätte dies einen Anspruch auf eine Bruttoabfindung in Höhe von 75.000 € (Sozialplan) und eine weitere Zahlung für den im Aufhebungsvertrag liegenden Klageverzicht in Höhe von 75.000 € brutto zur Folge. Die Beklagte verweigerte dem Kläger allerdings eine entsprechende Differenzzahlung in Höhe von 70.000 € zu der im Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung mit der Begründung, dass Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans und der Betriebsvereinbarung bereits eine Kündigung erhalten hatten oder mit denen ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen worden war, nach den ausdrücklichen Regelungen in beiden Kollektivvereinbarungen nicht vom Geltungsbereich erfasst waren. Das LAG Nürnberg hat diese Sichtweise des Arbeitgebers bestätigt und deutlich gemacht, dass diese ausdrückliche Regelung der Betriebsparteien einem kollektivrechtlichen Anspruch entgegenstand. Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichte die Beklagte nicht, den Kläger so zu behandeln, wie er bei einer Einbindung in den Geltungsbereich
1
LAG Nürnberg v. 16.1.2018 – 6 Sa 359/17 n. v.
488
Stichtagsregelung in Sozialplan und Betriebsvereinbarung
von Sozialplan und Betriebsvereinbarung gestanden hätte. Es beruft sich dabei zu Recht auf die bisherige Rechtsprechung des BAG 2. Nach der insoweit überzeugenden Begründung des LAG Nürnberg ist es mit dem Zweck des Sozialplans zu vereinbaren, dass der Kläger, der vor seinem Abschluss bereits einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet hatte, nicht einbezogen worden ist. Denn der Kläger habe durch den frühzeitigen Abschluss des Aufhebungsvertrags Einfluss auf die Modalitäten seines Ausscheidens (Abfindungshöhe, Beendigungszeitpunkt, Resturlaub, Abgeltungsklausel) genommen. Damit habe er schon zum Zeitpunkt des Beginns der Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans sein Ausscheiden aus dem Betrieb der Beklagten gegen Zahlung einer Abfindung akzeptiert. Die Betriebspartner durften – so das LAG Nürnberg – eine Regelung treffen, die dazu führte, dass der Kläger, der sich mit dem Ausscheiden aufgrund einer Abfindung einverstanden erklärt hatte, das Risiko tragen musste, dass seine Abfindung, die er als Gegenleistung für die Hinnahme einer betriebsbedingten Entlassung akzeptiert hatte, möglicherweise geringer ist, als die Abfindung, die ihm nach den Grundsätzen des Sozialplans zugestanden hätte. Es wäre nämlich ebenso denkbar gewesen, dass er durch den Aufhebungsvertrag gegenüber dem Sozialplan begünstigt worden wäre. Auch die Ausgrenzung des Klägers aus den Regelungen der freiwilligen Betriebsvereinbarung war nach den Feststellungen des LAG Nürnberg zulässig. Zunächst einmal trägt eine solche Betriebsvereinbarung dem auch durch § 1 a KSchG anerkannten Interesse des Arbeitgebers Rechnung, durch eine freiwillige Zahlung das Risiko etwaiger Kündigungsschutzverfahren abzuwenden. Dies bringt Planungssicherheit und bewirkt, dass Entlassungen im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung weitgehend störungsfrei umgesetzt werden können. Da diese Planungsunsicherheit in Bezug auf Arbeitnehmer, die bereits vor Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet haben, nicht mehr gegeben ist, besteht – so auch das LAG Nürnberg – ein sachlicher Grund, sie von entsprechenden Leistungen auszunehmen. Hiervon ist auch das BAG in seinem Urteil vom 9.12.2015 3 ausgegangen. Bei einer entsprechenden Vorgehensweise wird man allerdings zu berücksichtigen haben, dass das Wissen um die Gefahr einer fehlenden Einbindung in einen anschließenden Sozialplan und eine entsprechende Betriebsverein2 3
Vgl. BAG v. 8.12.2015 – 1 AZR 595/14, NZA 2016, 767 Rz. 38; BAG v. 13.11.1996 – 10 AZR 340/96, NZA 1997, 390 Rz. 60, 68. BAG v. 8.12.2015 – 1 AZR 595/14, NZA 2016, 767 Rz. 38.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
barung Arbeitnehmer veranlassen kann, frühzeitige Aufhebungsverträge abzulehnen. Das bewirkt nicht nur eine spätere Beendigung von Arbeitsverhältnissen und eine damit verbundene Steigerung der Personalkosten. Es erhöht auch die Zahl der nach Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan noch durchzuführenden Entlassungen, was die Ungewissheit für den Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter erhöht. Vor diesem Hintergrund ist es häufig empfehlenswert, auf die Aufnahme einer entsprechenden Stichtagsregelung in den hier streitgegenständlichen Vereinbarungen zu verzichten. Alternativ kann – ggf. erst auf Rückfrage – den Arbeitnehmern beim Abschluss eines frühzeitigen Aufhebungsvertrags zugesagt werden, dass sie, sollte in nachfolgenden Vereinbarungen eine günstigere Regelung getroffen werden, eine entsprechende Nachzahlung erhalten („Besserungsschein“). Dies erhöht die Akzeptanz entsprechender Vereinbarungen schon vor der Unterzeichnung von Interessenausgleich und Sozialplan und vermeidet, dass spätestens bei der nächsten Betriebsänderung solche frühzeitigen Aufhebungsverträge nicht mehr abgeschlossen werden. (Ga)
2.
Betriebsinhaberwechsel als Merkmal eines Betriebsübergangs
§ 613 a Abs. 1 S. 1 BGB stellt lediglich fest, dass der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis eintritt, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht. Wann die Voraussetzungen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs vorliegen, wird im Gesetz nicht genannt. Dies entspricht den Vorgaben der Richtlinie 2001/23/EG. Auch dort wird nur von einem Übergang der Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis auf den Erwerber gesprochen (Art. 3). Begriffsbestimmungen werden lediglich in Bezug auf den Veräußerer, den Erwerber, den Vertreter der Arbeitnehmer oder den Arbeitnehmer selbst vorgenommen (Art. 2). Insofern obliegt es der Rechtsprechung insbesondere des EuGH, unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben den Anwendungsbereich von § 613 a BGB festzulegen.
a)
Bisherige Begriffsbestimmung der Rechtsprechung
Nach der bisherigen Rechtsprechung liegt ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang i. S. des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB – wie auch i. S. der Richtlinie 490
Betriebsinhaberwechsel als Merkmal eines Betriebsübergangs
2001/23/EG – vor, wenn die für den Betrieb verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber dem Beschäftigten eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt und die in Rede stehende Einheit nach der Übernahme durch den neuen Inhaber ihre Identität bewahrt 4. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, sind sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Tätigkeiten. Welches Gewicht diese Kriterien haben, hängt dabei insbesondere von der Art des betroffenen Unternehmens oder Betriebs, der ausgeübten Tätigkeit und den Produktions- oder Betriebsmethoden ab. Bedeutsam ist dabei vor allem die Unterscheidung zwischen betriebsmittelintensiven und betriebsmittelarmen Tätigkeiten 5. Wenn diese Gesamtabwägung in eine für die Betriebspraxis handhabbares Schema gebracht werden soll, wird man allerdings an vier Kriterien anknüpfen können, die – wenn § 613 a BGB zur Anwendung kommen soll – kumulativ erfüllt werden müssen. Dabei geht es nicht nur um das Vorliegen einer organisatorischen Einheit, die bereits im Vorfeld des in Rede stehenden Übertragungsvorgangs beim bisherigen Betriebsinhaber gegeben sein muss 6. Erforderlich für die Anerkennung eines Übertragungsvorgangs im Anwendungsbereich von § 613 a BGB ist unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben zunächst einmal, dass die wesentlichen Ressourcen dieser organisatorischen Einheit durch den potentiellen Erwerber auf der Grundlage eines Rechtsgeschäfts übernommen werden. Soweit eine betriebsmittelintensive Tätigkeit in Rede steht, ist dabei vor allem auf die Übernahme wesentlicher Betriebsmittel abzustellen; wenn in der organisatorischen Einheit eine betriebsmittelarme Tä4
5 6
Vgl. EuGH v. 26.11.2015 – C-509/14, NZA 2016, 31 Rz. 28 – ADIF/Aira Pascual; EuGH v. 9.9.2015 – C-160/14 n. v. (Rz. 24) – João Filipe Ferreira da Silva e Brito; EuGH v. 6.3.2014 – C-458/12, NZA 2014, 423 Rz. 29 – Amatori; BAG v. 23.3.2017 – 8 AZR 91/15, NZA 2017, 981 Rz. 22. Vgl. EuGH v. 15.7.2005 – C-232/04, NZA 2006, 29 Rz. 32 ff. – Güney Görres; EuGH v. 11.3.1997 – C-13/95, NZA 1997, 433 Rz. 13 ff. – Ayse Süzen. Vgl. EuGH v. 6.3.2014 – C-458/12, NZA 2014, 423 Rz. 31 – Amatori; BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 1023/12, NZA 2014, 672 Rz. 14 ff.
491
Betriebsänderung und Betriebsübergang
tigkeit verrichtet wurde, ist vor allem eine Übernahme des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Personals maßgeblich. Arbeitnehmer und Betriebsmittel sind dann gleichermaßen zu berücksichtigen, wenn eine Abgrenzung zwischen betriebsmittelarm und betriebsmittelintensiv schwierig ist 7. Voraussetzung ist sodann, dass der potentielle Erwerber die gleiche oder gleichartige Tätigkeit ohne wesentliche Unterbrechung in eigener Steuerung fortführt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die gleiche Organisationsstruktur erhalten bleibt. Von einem Fortbestand der organisatorischen Einheit unter Wahrung ihrer Identität ist auch dann auszugehen, wenn der Funktionszusammenhang der übernommenen Arbeitnehmer und/oder Betriebsmittel im Anschluss an den Übertragungsvorgang durch den potentiellen Erwerber zur Fortführung des gleichen oder gleichartigen Betriebszwecks genutzt wird 8. Ausgehend davon, dass die vorstehend genannten Kriterien eines rechtsgeschäftlichen Betriebs- oder Betriebsteilübergangs kumulativ erfüllt sein müssen, kann eine Anwendbarkeit von § 613 a BGB auch dadurch vermieden werden, dass einzelne Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt werden. So bewirkt die Fortsetzung der gleichen oder gleichartigen Tätigkeit durch einen anderen Rechtsträger noch keine Anwendbarkeit von § 613 a BGB, wenn dies nicht mit der rechtsgeschäftlichen Übernahme wesentlicher Ressourcen (Arbeitnehmer und/oder Betriebsmittel) verbunden wird. Die Anerkennung eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs ist auch dann ausgeschlossen, wenn Arbeitnehmer und/oder Betriebsmittel, die kraft Rechtsgeschäfts übernommen werden, zwar in einer eigenständigen organisatorischen Einheit zusammengefasst und zu einem bestimmten Betriebszweck genutzt werden, bis zu diesem Übertragungsvorgang beim bisherigen Betriebsinhaber aber noch keine organisatorisch abgrenzbare wirtschaftliche Einheit gebildet haben. Nur eine Einheit, die bei einer natürlichen oder juristischen Person bereits als Betrieb oder Betriebsteil bestanden hat, kann Gegenstand einer Übertragung i. S. des § 613 a BGB sein. Nur dann kommt auch eine identitätswahrende Fortführung nach § 613 a BGB in Betracht.
7
8
BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06, NZA 2007, 793 Rz. 26 ff.; BAG v. 13.6.2006 – 8 AZR 271/05, NZA 2006, 1101 Rz. 20 ff.; BAG v. 6.4.2006 – 8 AZR 222/04, NZA 2006, 723 Rz. 20 ff.; BAG v. 16.2.2006 – 8 AZR 211/05, NZA 2006, 592 Rz. 24 ff.; BAG v. 22.7.2004 – 8 AZR 350/03, NZA 2004, 1383 Rz. 20 ff. Vgl. EuGH v. 12.2.2009 – C-466/07, NZA 2009, 251 Rz. 48 ff. – Klarenberg; BAG v. 19.10.2017 – 8 AZR 63/16, NZA 2018, 370 Rz. 34.
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Betriebsinhaberwechsel als Merkmal eines Betriebsübergangs
b)
Besonderheiten beim Abschluss von Betriebsführungsverträgen
In seinem Urteil vom 25.1.2018 9, über das wir auf der Grundlage einer Pressemitteilung bereits im Frühjahr berichtet hatten 10, hat das BAG diese Grundsätze zunächst einmal bestätigt. Es hat dabei nicht nur deutlich gemacht, dass die Annahme eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs voraussetzte, dass die für den Betrieb einer wirtschaftlichen Einheit verantwortliche natürliche oder juristische Person, die in dieser Eigenschaft die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingehe, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechsele. Ein Übergang i. S. der Richtlinie 2001/23/EG erfordere insoweit eine Übernahme durch einen „neuen“ Arbeitgeber. Dabei genügt es nach Auffassung des BAG aber nicht, dass der potentielle Erwerber lediglich im Innenverhältnis zur Belegschaft als Inhaber auftritt. Voraussetzung für die Anerkennung der für den Betrieb einer wirtschaftlichen Einheit verantwortlichen Person sei, dass diese die Einheit im eigenen Namen führe und nach außen als deren Inhaber auftrete 11. In dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall war der Kläger seit 2001 als Schlosser im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte stellte dort im Rahmen einer Produktion Industrieprodukte her, veredelte diese und erbrachte damit verbundene Werk- und Dienstleistungen. Im Sommer 2010 wurde beschlossen, eine neue Gesellschaft zur Fortführung der Produktion im Rahmen einer Lohnfertigung zu gründen. Dabei war beabsichtigt, dass die Arbeitsverhältnisse der bislang durch die Beklagte beschäftigten Arbeitnehmer gemäß § 613 a BGB auf die neue Gesellschaft übergehen sollten. Dies wurde auch im Rahmen eines Interessenausgleichs festgehalten. Grundlage für die Übernahme der entsprechenden Produktion war eine „Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung“, die zwischen der Beklagten und der neuen Gesellschaft abgeschlossen wurde. Darin war unter anderem festgelegt, dass die neue Gesellschaft die Produkte in Lohnfertigung herstellen und die drei Betriebe der Beklagten in Deutschland führen sollte. Hierfür sollte sie eine Vergütung erhalten, die 3 % oberhalb der Lohn- und Gehaltssumme lag. In diesem Zusammenhang vereinbarten die Unternehmen, dass die neue Gesellschaft die Betriebsführung des gesamten Geschäftsbetriebs an allen drei inländischen 9 BAG v. 25.1.2018 – 8 AZR 309/16, NZA 2018, 933 Rz. 48 ff. 10 B. Gaul, AktuellAR 2018, 212 ff. 11 BAG v. 25.1.2018 – 8 AZR 309/16, NZA 2018, 933 Rz. 55 ff.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
Standorten übernehmen sollte. Geschäftsbesorgung und Betriebsführung sollten insoweit durch eigene, auf die Gesellschaft gemäß § 613 a BGB übergegangene, Arbeitnehmer erfolgen. Darüber hinaus vereinbarten die Parteien wie folgt: §7 Handeln für Rechnung und im Namen von W / Bevollmächtigung Die I W handeln bei ihrer Tätigkeit gemäß § 6, sofern dies im sammenhang mit der Lohnfertigung und der Herstellung der Produkte ausgeführt wird, für welche W die Patentrechte und Know-how besitzt, ausschließlich für Rechnung und im Namen W.
ZuWdas von
Insofern erteilt W der I W Generalhandlungsvollmacht zur Vertretung von W bei allen Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen, bei denen das Gesetz eine Stellvertretung gestattet und die der Betrieb des Gewerbes von W mit sich bringt. Die I W dürfen von dieser Vollmacht nur für die Zwecke der Betriebsführung und im Rahmen dieses Auftrags Gebrauch machen.
Kaum ein Arbeitnehmer – so auch der Kläger – widersprach dem von der Beklagten und der neuen Gesellschaft angenommenen Übergang der Arbeitsverhältnisse. Sie erbrachten über den 31.3.2011 hinaus ihre Arbeitsleistung an den bisherigen Arbeitsplätzen in unveränderter Art und Weise und stellten weiterhin ausschließlich die bisherigen Produkte her. Die neue Gesellschaft trat gegenüber den Arbeitnehmern sowie gegenüber verschiedenen Behörden (z. B. Agentur für Arbeit, Finanzamt) in eigenem Namen auf. Wirtschaftlich war die Lohnfertigung offenbar nicht von Erfolg getragen. Jedenfalls entschloss sich die neue Gesellschaft 2013, eine Massenentlassung durchzuführen. Soweit nicht Arbeitnehmer auf andere Firmen übergingen, kündigte sie alle Arbeitsverhältnisse. Der Kläger erhielt eine betriebsbedingte Kündigung durch Schreiben vom 28.10.2014 zum 31.3.2015. Nachdem er gegen diese Kündigung zunächst einmal Kündigungsschutzklage erhoben hatte, machte er im Nachgang geltend, dass zwischen der Beklagten und ihm über den 31.3.2011 hinaus ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehe. Er verwies darauf, dass die Übernahme der Lohnfertigung durch die neue Gesellschaft keinen rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang darstelle. Dass die beteiligten Unternehmen gegenüber den Mitarbeitern entsprechend aufgetreten seien und diese über einen Betriebsübergang in Kenntnis gesetzt hätten, könne die Anwendbarkeit von § 613 a BGB nicht
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Betriebsinhaberwechsel als Merkmal eines Betriebsübergangs
auslösen. Obwohl er den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten erst 2015 geltend gemacht habe, sei eine Verwirkung abzulehnen. Das BAG hat der beantragten Feststellung auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten stattgegeben. Dass die neue Gesellschaft im Rahmen der Kündigungsschutzklage ein Anerkenntnis erklärt hatte, spielte dabei keine Rolle. Denn dieses Anerkenntnis konnte – zumal die Beklagte nicht Partei dieses Rechtsstreits war – keine Bindungswirkung für das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten haben. Entscheidend war, dass der hier in Rede stehende Betriebsführungsvertrag nach Auffassung des BAG keinen Übergang des Betriebs bewirkt hatte, in dem der Kläger bis zum 31.3.2011 beschäftigt war. Zwar könne unterstellt werden, dass sein Standort als wirtschaftliche Einheit qualifiziert werden konnte, die als hinreichend strukturierte und selbständige Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit Gegenstand eines Übertragungsvorgangs i. S. des § 613 a BGB sein konnte. Ob diese Einheit als Unternehmen, Betrieb, Unternehmens- oder Betriebsteil zu qualifizieren war, spielte dabei keine Rolle. Auf der Grundlage der „Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung“ war die neue Gesellschaft auch in die Lage versetzt worden, die zur Herstellung und Bearbeitung der WProdukte erforderlichen Betriebsmittel zu nutzen. Darin dürfte – so das BAG – im Zweifel auch die Übernahme wesentlicher Betriebsmittel liegen, zumal die neue Gesellschaft in die Lage versetzt wurde, weiterhin in der bisherigen Weise die gleichen Produkte herzustellen und zu bearbeiten. Entscheidend für den 8. Senat des BAG war aber, dass die neue Gesellschaft nach seiner Auffassung nicht die Verantwortlichkeit für den Betrieb der in Rede stehenden wirtschaftlichen Einheit übernommen hatte. Verantwortlich für den Betrieb einer wirtschaftlichen Einheit sei – so das BAG – die Person, die die wirtschaftliche Einheit im eigenen Namen führe und nach Außen als deren Inhaber auftrete. Der bisherige Inhaber müsse seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betriebs- oder Betriebsteil also einstellen. Hierfür reiche es nicht, dass der potentielle Erwerber lediglich im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber auftrete. Vielmehr sei erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit auch nach außen genutzt werde. Folgerichtig verlange der EuGH, dass die Inhaberschaft, mit der die Verantwortung für den Betrieb der übertragenen Einheit verbunden sei, vom Veräußerer auf den Erwerber
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
übergehe und dieser den Betrieb fortführe 12. Da die neue Gesellschaft gegenüber Dritten stets auf der Grundlage der erteilten Generalhandlungsvollmacht ausschließlich im Namen der Beklagten tätig geworden sei, liege dieser Wechsel nicht vor. Im Kern habe die neue Gesellschaft in diesem Zusammenhang nämlich nur wie ein leitender Angestellter bzw. Generalbevollmächtigter gehandelt und deshalb eben nicht die Verantwortung für den Betrieb der in Rede stehenden wirtschaftlichen Einheit übernommen. Berechtigt und verpflichtet aus solchen Rechtsgeschäften hätte deshalb auch nur die Beklagte werden sollen. Insbesondere Kunden und Lieferanten seien im Namen der Beklagten angesprochen worden. Der Marktauftritt sei weiterhin über die Internetseite der Beklagten erfolgt. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist dieser Kennzeichnung der Betriebsinhaberschaft zuzustimmen. Es erscheint aber gleichwohl bedenklich, dem Umstand, dass die neue Gesellschaft gegenüber allen Arbeitnehmern stets in eigenem Namen aufgetreten war, nicht das für § 613 a BGB erforderliche Gewicht zuzumessen. Wie auch § 1 Abs. 1 AÜG in Übereinstimmung mit § 611 a Abs. 1 BGB zum Ausdruck bringt, stellt die Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts ein wesentliches Kennzeichen des Arbeitsverhältnisses und der damit verbundenen Eingliederung eines Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers dar. Es spielt keine Rolle, wer den wirtschaftlichen Nutzen aus einem solchen Betrieb zieht. Der Betrieb, der auf diese Weise durch einen Arbeitgeber geführt wird, kann auch gemeinnützig organisiert sein, ohne dass dies die Betriebsinhaberschaft in Frage stellt. Denkbar ist auch, dass die in einem Betrieb durch den Arbeitgeber auf der Grundlage des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts (§ 106 GewO) gesteuerten Arbeitnehmer ein Produkt herstellen oder eine Dienstleistung anbieten, die gegenüber Kunden im Namen eines Dritten verkauft werden. So kann eine gesamte Vertriebsorganisation in einer eigenen Gesellschaft organisiert sein, obgleich das Produkt bzw. die Dienstleistung, die verkauft wird, wirtschaftlich einem Dritten zugutekommt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Verkauf der Produkte in eigenem oder in fremdem Namen erfolgt. Dass die Geschäftsführung einer solchen Vertriebs-GmbH, die für den Einsatz der Mitarbeiter verantwortlich ist und diese auch in allen Belangen steuert, nicht auch Betriebsinhaber sein soll, überzeugt nicht. Losgelöst von dieser Kritik wird sich die betriebliche Praxis beim Betriebsführungsvertrag auf eine besondere Strenge des BAG in Bezug auf die Kennzeichnung des für § 613 a BGB erforderlichen Betriebsinhaberwech12 Vgl. EuGH v. 26.5.2005 – C-478/03, NZA 2005, 681 Rz. 44 – Zeltec; BAG v. 25.1.2018 – 8 AZR 309/16, NZA 2018, 933, Rz. 55 ff.
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Neues zur Unterrichtungspflicht und zum Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang
sels einstellen müssen. Anders als bei der Kennzeichnung der Betriebsinhaberschaft, wie sie im BetrVG, KSchG oder im Zusammenhang mit §§ 611 a BGB, 1 Abs. 1 AÜG zum Ausdruck gekommen ist, scheint der 8. Senat des BAG bei § 613 a BGB auch die Zuordnung des wirtschaftlichen Ergebnisses bei der Kennzeichnung eines Wechsels in Bezug auf die Betriebsinhaberschaft für maßgeblich zu halten. Wenn ein solcher Wechsel durch eine Betriebsführung gewollt ist, muss deshalb auch insoweit auf eine Zuordnung wirtschaftlicher Risiken ebenso wie auf etwaige Vorteile beim potentiellen Erwerber geachtet werden. Nur dann scheint das BAG von einem Wechsel der Verantwortlichkeit und damit auch von einem „echten“ Betriebsführungsvertrag ausgehen zu wollen. Fehlt die Zuordnung des wirtschaftlichen Ergebnisses, wäre bei einer solchen Sichtweise auch bei einem Auftreten gegenüber den Arbeitnehmern in eigenem Namen von einer fortbestehenden Inhaberschaft des bisherigen Arbeitgebers auszugehen. Ungeachtet der vorstehenden Überlegungen zur Kennzeichnung eines Betriebsübergangs ist es allerdings überzeugend, dass das BAG eine Anwendbarkeit der Monatsfrist aus § 613 a Abs. 6 BGB im Zusammenhang mit der Geltendmachung des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zum bisherigen Betriebsinhaber abgelehnt hat. Insbesondere fehlt es insoweit auch an den Voraussetzungen für eine Analogie, die an das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke und eine Vergleichbarkeit des regelungsbedürftigen Sachverhalts geknüpft ist 13. (Ga)
3.
Neues zur Unterrichtungspflicht und zum Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang
a)
Wechselwirkung zwischen Unterrichtungspflicht und Widerspruchsrecht
Gemäß § 613 a Abs. 5 BGB muss der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform unterrichten über (1) den neuen Inhaber, (2) den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, (3) den Grund für den Übergang, (4) die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und (5) die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
13 BAG v. 25.1.2018 – 8 AZR 309/16, NZA 2018, 933 Rz. 61 ff., 65.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
Gemäß § 613 a Abs. 6 BGB kann der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden. Die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5 BGB folgt insbesondere daraus, dass die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB nur dann in Lauf gesetzt wird, wenn die Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB ordnungsgemäß erfolgt ist. Fehlt die Unterrichtung oder ist sie fehlerhaft, kann der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses in den Grenzen der Verwirkung auch nach Ablauf der Monatsfrist widersprechen. Ein Kausalzusammenhang zwischen der fehlerhaften Information und der Nichtausübung des Widerspruchrechts ist dabei nicht erforderlich 14. Notwendig dürfte allerdings sein, dass der im Unterrichtungsschreiben enthaltene Fehler auch das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers betrifft. Bezieht er sich auf rechtliche Folgen, die nur andere Arbeitnehmer betreffen (z. B. schwerbehinderte Menschen, Betriebsratsmitglieder) und ist die Unterrichtung im Übrigen zutreffend, bleibt es bei der Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB.
b)
Unterrichtung über den Wegfall des allgemeinen Kündigungsschutzes
Bereits mit seinem Urteil vom 15.2.2007 15 hat das BAG deutlich gemacht, dass zu den rechtlichen Folgen des Übergangs, über die nach § 613 a Abs. 5 Nr. 3 BGB zu informieren ist, auch die kündigungsschutzrechtlichen Konsequenzen eines Übergangs des Arbeitsverhältnisses gehören. Insofern ist es nur folgerichtig, dass die Unterrichtung auch eine etwaige Verschlechterung des kündigungsschutzrechtlichen Status bzw. das Nichtbestehen von Kündigungsschutz beim Erwerber beschreiben muss, wenn dort die erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern nach § 23 Abs. 1 KSchG nicht erreicht wird. Denn darin liegt eine ganz wesentliche Konsequenz, die der Arbeitnehmer bei den Überlegungen in Bezug auf die Ausübung des Widerspruchsrechts zu berücksichtigen hat 16.
14 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 265/16, NZA 2018, 168 Rz. 13. 15 BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 397/06, NZA 2007, 739 Rz. 29. 16 Vgl. auch HWK/Willemsen/Müller-Bonanni, BGB § 613 a Rz. 329.
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Neues zur Unterrichtungspflicht und zum Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang
Dieser Auffassung hat sich jetzt auch das LAG Düsseldorf in seinem Urteil vom 9.1.2018 17 angeschlossen. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger von einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf eine Gesellschaft betroffen, bei der wegen der geringen Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach § 23 Abs. 1 KSchG die Voraussetzungen für eine Anwendbarkeit von §§ 1 ff. KSchG nicht (mehr) gegeben waren. Da er über diese Folge des Übergangs im Rahmen der Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB nicht in Kenntnis gesetzt worden war, war der Widerspruch, der erst beinahe zwei Jahre nach dem Wirksamwerden des Betriebsteilübergangs erklärt wurde, noch zulässig. Eine Verwirkung hat das LAG Düsseldorf wegen des Fehlens der insoweit erforderlichen Umstände, aus denen auf ein besonderes Vertrauen der beteiligten Rechtsträger hätte geschlossen werden können, abgelehnt. Mit überzeugender Begründung hat das LAG Düsseldorf in seinem Urteil vom 9.1.2018 18 darauf hingewiesen, dass über den Verlust des Kündigungsschutzes als rechtliche Folge des Übergangs des Arbeitsverhältnisses unabhängig davon zu unterrichten ist, ob beim Erwerber tatsächlich Kündigungen geplant oder auch nur absehbar sind. Bereits der Wegfall einer Anwendbarkeit von §§ 1 ff. KSchG stellt eine so gewichtige Konsequenz für die Absicherung des Arbeitnehmers im fortbestehenden Arbeitsverhältnis dar, dass es ein wesentlicher Beweggrund für die Ausübung des Widerspruchrechts sein kann. Wenn darüber hinaus auch Kündigungen in Aussicht genommen worden wären, hätte darüber ohnehin bereits, wie in § 613 a Abs. 3 Nr. 4 BGB gefordert, unterrichtet werden müssen. Darauf hatte auch das BAG in seinem Urteil vom 15.2.2007 19 hingewiesen. Wichtig ist, dass bei der Unterrichtung über die kündigungsschutzrechtlichen Folgen nicht nur die allgemeinen Konsequenzen aus §§ 613 a Abs. 4 BGB, 23 Abs. 1 KSchG berücksichtigt werden. Notwendig ist es auch, die sich aus einem etwaigen Tarifwechsel oder aus § 323 UmwG resultierenden Konsequenzen im Unterrichtungsschreiben aufzuzeigen.
17 LAG Düsseldorf v. 9.1.2018 – 3 Sa 251/17, AE 2018, 83 Rz. 58 ff. 18 LAG Düsseldorf v. 9.1.2018 – 3 Sa 251/17, AE 2018, 83 Rz. 60. 19 BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 397/06, NZA 2007, 739.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
c)
Verwirkung des Widerspruchsrechts durch bloße Weiterbeschäftigung
Bereits im Frühjahr hatten wir auf das Urteil des BAG vom 24.8.2017 20 hingewiesen 21. Darin hatte das BAG zwar einmal mehr bestätigt, dass eine fehlerhafte Unterrichtung über den Betriebsübergang gemäß § 613 a Abs. 5 BGB zur Folge habe, dass der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses in den Grenzen der Verwirkung widersprechen könne. Wenn der Arbeitnehmer allerdings im Rahmen einer Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB von dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber über (1) den mit dem Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses unter (2) Mitteilung des Zeitpunkts oder des geplanten Zeitpunkts sowie (3) des Gegenstands des Betriebsübergangs und (4) des Betriebsübernehmers (grundlegende Informationen) in Textform in Kenntnis gesetzt und über (5) sein Widerspruchsrecht nach § 613 a Abs. 6 BGB belehrt worden sei, stelle die widerspruchslose Weiterarbeit beim neuen Inhaber ein Umstandsmoment dar, dass zur Verwirkung des Widerspruchsrechts führen könne. Denn in einem solchen Fall führe eine widerspruchslose Weiterarbeit bei dem neuen Inhaber über einen Zeitraum von sieben Jahren regelmäßig zur Verwirkung des Widerspruchsrechts. Diesen Grundsatz hat der 8. Senat des BAG in seinem Urteil vom 21.12.2017 22 noch einmal bestätigt. Nach seiner Auffassung liegen in einem solchen Fall besondere Umstände vor, die es rechtfertigen könnten, die späte Geltendmachung des Widerspruchsrechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Wenn der Arbeitnehmer über den Übergang seines Arbeitsverhältnisses unter Einbeziehung der grundlegenden Informationen einschließlich seines Widerspruchrechts nach § 613 a Abs. 6 BGB unterrichtet worden sei, gehe seine widerspruchslose Weiterarbeit für den neuen Inhaber über ein bloßes Unterlassen hinaus, das ein Umstandsmoment nicht zu begründen vermöge. Insofern habe seine widerspruchslose Weiterarbeit in Kenntnis dieser Umstände eine andere Qualität als die eines schlichten Untätigbleibens. Sie stelle dann ein Umstandsmoment dar, dass zur Verwirkung führen könne 23. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger von einem Betriebsteilübergang zum 1.1.2006 betroffen. Die in diesem Zusammenhang
20 21 22 23
BAG v. 24.8.2017– 8 AZR 265/16, NZA 2018, 168. B. Gaul, AktuellAR 2018, 219 ff. BAG v. 21.12.2017 – 8 AZR 700/16, NZA 2018, 854 Rz. 20. BAG v. 21.12.2017 – 8 AZR 700/16, NZA 2018, 854 Rz. 23 f.
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Neues zur Unterrichtungspflicht und zum Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang
übermittelte Unterrichtung war nicht nur insoweit fehlerhaft, als sie keine Angaben zum Sitz des Erwerbers, seiner Anschrift, zum zuständigen Registergericht und zur Registernummer enthielt. Soweit über das Widerspruchsrecht informiert wurde, fehlte der Hinweis, dass der Widerspruch auch gegenüber dem neuen Inhaber erklärt werden konnte. Auch unter Berücksichtigung dieser Fehler des Unterrichtungsschreibens hat das BAG angenommen, dass dem Kläger damit die grundlegenden Informationen zum bevorstehenden Übergang seines Arbeitsverhältnisses einschließlich wesentlicher Hinweise über das Widerspruchsrecht übermittelt wurden. Dass die für eine ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB erforderlichen Details zum Erwerber nicht übermittelt wurden und auch die Information zum Widerspruchsrecht nicht vollständig war, stehe dieser Annahme nicht entgegen. Denn der Kläger habe, weil es hier um die Frage der Verwirkung gehe, mehrere Jahre Zeit gehabt, sich zu diesen Aspekten ergänzende Informationen und auch eine Beratung einzuholen. Dies rechtfertige es, nach einem Ablauf von sieben Jahren nicht nur das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment anzuerkennen. Vielmehr könne davon ausgegangen werden, dass nach dieser Zeit auch das für die Annahme des Umstandsmoments erforderliche Vertrauen in die fehlende Ausübung des Widerspruchrechts auf Seiten der beteiligten Unternehmen entstanden sei. Dabei spiele es – so das BAG – keine Rolle, ob der bisherige Arbeitgeber Kenntnis von der langjährigen widerspruchslosen Weiterarbeit des Arbeitnehmers für den neuen Inhaber gehabt habe 24. Natürlich wäre es aus Sicht der von solchen Übertragungsvorgängen betroffenen Arbeitgeber wünschenswert gewesen, wenn das BAG die Annahme einer Verwirkung durch widerspruchslose Weiterarbeit nicht erst nach Ablauf von sieben Jahren anerkannt hätte. Mit den gesetzlichen Verjährungsfristen hätte es durchaus Anknüpfungspunkte gegeben, diesen Zeitraum bereits nach drei Jahren als erreicht anzusehen. In Übereinstimmung mit seinen Feststellungen im Urteil vom 24.8.2017 25 hat das BAG indes auch im Urteil vom 21.12.2017 26 nicht nur eine Anknüpfung an die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren abgelehnt. Es hat auch eine Übernahme der in § 121 Abs. 2 BGB für die Anfechtung vorgesehenen Frist von zehn Jahren abgelehnt. Damit wird sich die betriebliche Praxis auf die siebenjährige Frist 24 BAG v. 21.12.2017 – 8 AZR 700/16, NZA 2018, 854 Rz. 30; BAG v. 23.7.2009 – 8 AZR 357/08, NZA 2010, 393 Rz. 48 f.; BAG v. 2.4.2009 – 8 AZR 220/07 n. v. (Rz. 33 ff.). 25 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 265/16, NZA 2018, 168 Rz. 28 ff. 26 BAG v. 21.12.2017 – 8 AZR 700/16, NZA 2018, 854 Rz. 26 ff.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
einzustellen haben, was noch einmal deutlich macht, dass mit großer Sorgfalt an einer ordnungsgemäßen Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5 BGB gearbeitet werden muss.
d)
Verzicht auf das Widerspruchsrecht
Da es sich beim Widerspruchsrecht um eine individualrechtliche Rechtsposition handelt 27, kann darauf durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder sonstige Kollektivrechtsabrede nicht verzichtet werden 28. Unerheblich ist auch, ob die beteiligten Rechtsträger untereinander abweichende Regelungen treffen. Nur der Arbeitnehmer selbst kann über das Recht verfügen. Anerkannt ist insoweit, dass das Recht zum Widerspruch durch eine einseitige Verzichtserklärung des Arbeitnehmers gegenüber einem der beteiligten Rechtsträger 29 oder durch Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer und einem der beteiligten Rechtsträger ausgeschlossen werden kann 30. § 613 a BGB ist insoweit dispositives Recht. Darauf hat das LAG Niedersachsen im Urteil vom 5.2.2018 31 jetzt zu Recht hingewiesen. Zunächst einmal ist es wichtig zu sehen, dass eine Vereinbarung zwar möglich, aber nicht notwendig ist. Entsprechend der einseitigen Ausübung des Widerspruchrechts kann auch der Verzicht als actus contrarius und als Erklärung über die Akzeptanz einer bereits im Gesetz vorgegebenen Rechtsfolge einseitig erklärt werden. Damit genügt es, dass die Verzichtserklärung dem Veräußerer oder Erwerber zugeht. Eine Annahme – ausdrücklich oder konkludent – ist ebenso wenig erforderlich wie ihr Zugang, zumal insoweit jedenfalls an § 151 BGB angeknüpft werden könnte. Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit eines Verzichts ist allerdings, dass er im Hinblick auf einen konkreten Übertragungsvorgang erfolgt 32 und die Schriftform entsprechend § 613 a Abs. 6 BGB gewahrt wird 33. Eine abs-
27 BAG v. 19.11.2015 – 8 AZR 773/14, NZA 2016, 647 Rz. 19; BAG v. 30.9.2004 – 8 AZR 462/03, NZA 2005, 43 Rz. 38 f. 28 BAG v. 2.10.1974 – 5 AZR 504/73, DB 1975, 601 Rz. 51; D. Gaul, ZfA, 1990, 87, 92. 29 BAG v. 21.2.2013 – 8 AZR 877/11, DB 2013, 1178 Rz. 43; BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06, NZA 2007, 793 Rz. 45; LAG Düsseldorf v. 27.5.2009 – 7 Sa 726/08 n. v. (Rz. 54). 30 BAG v. 30.10.2003 – 8 AZR 491/02, NZA 2004, 481 Rz. 28; BAG v. 19.3.1998 – 8 AZR 139/97, NZA 1998, 750 Rz. 22. 31 LAG Niedersachsen v. 5.2.2018 – 8 Sa 831/17, NZA-RR 2018, 411. 32 LAG Saarland v. 12.8.2009 – 2 Sa 52/09 n. v. (Rz. 163); ArbG Arnsberg v. 13.5.2013 – 1 Ca 53/13 n. v. (Rz. 82). 33 LAG Düsseldorf v. 27.5.2009 – 7 Sa 726/08 n. v. (Rz. 54).
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Neues zur Unterrichtungspflicht und zum Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang
trakt-generelle Verzichtsregelung – beispielsweise im Arbeitsvertrag – lässt das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG) unberücksichtigt und ist wegen des grundsätzlich höchstpersönlichen Charakters der Arbeitsleistung mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die der Annahme des Widerspruchsrechts zugrunde liegen, nicht vereinbar und deshalb unwirksam 34. Im Zweifel folgt dies schon aus §§ 307 Abs. 1, 2 Nr. 1, 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Abweichend von der Rechtsprechung zum Klageverzicht erscheint es nicht geboten, dass eine etwaige Vereinbarung über einen Verzicht auf das Widerspruchsrecht mit einer Gegenleistung der Arbeitgeberseite (Veräußerer oder Erwerber) versehen wird. § 613 a BGB gewährleistet die Angemessenheit der Folgen des Übergangs des Arbeitsverhältnisses. Das schließt einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB aus. Umstritten ist, ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitnehmer im Vorfeld des Verzichts über den Betriebs- oder Betriebsteilübergang informiert werden muss. Während ein Teil der Rechtsprechung einen Verzicht nach fehlerhafter Unterrichtung über einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang in Gänze ausschließen will 35, nimmt ein anderer Teil die Möglichkeit eines solchen Verzichts auch dann an, wenn die Unterrichtung fehlerhaft gewesen sei 36. Überzeugender erscheint eine vermittelnde Auffassung. Danach muss der verzichtende Arbeitnehmer von dem Veräußerer oder Erwerber zumindest in groben Zügen über den geplanten Betriebs(teil-)übergang informiert worden sein 37. Andernfalls bleibt unberücksichtigt, dass der Verzicht dem Arbeitnehmer die Möglichkeit nimmt, dass zum Schutz seines Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG entwickelte Widerspruchsrecht wahrzunehmen. In welcher Detailierungstiefe eine derartige kursorische Unterrichtung zu erfolgen hat, ist in Rechtsprechung 38 und Literatur 39 bislang aber ebenso wenig geklärt wie die Frage, ob auch eine in sonstiger Form erlangte, d. h. 34 35 36 37
Ebenso Moll, NJW 1993, 2016, 2017; a. A. Pröpper, DB 2000, 2322, 2323. m. w. N. So LAG Saarland v. 12.8.2009 – 2 Sa 52/09 n. v. So LAG Niedersachsen v. 5.2.2018 – 8 Sa 831/17, NZA-RR 2018, 411. Vgl. BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06, NZA 2007, 793 Rz. 45 (Ein Verzicht auf das Widerspruchsrecht „setzt allerdings das Bewusstsein voraus, ein solches Recht zu haben“.). 38 Vgl. BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06, NZA 2007, 793 Rz. 45; LAG Saarland v. 12.8.2009 – 2 Sa 52/09 n. v. (Rz. 163); LAG Düsseldorf v. 27.5.2009 – 7 Sa 726/08 n. v. (Rz. 54). 39 Vgl. ErfK/Preis, BGB § 613 a Rz. 102; HWK/Willemsen/Müller-Bonanni, BGB § 613 a Rz. 362; Staudinger/Annuß, BGB § 613 a Rz. 326.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
nicht durch die beteiligten Rechtsträger vermittelte, allgemeine Kenntnis von dem Betriebs(teil-)übergang und dem Widerspruchsrecht als Entscheidungsgrundlage für einen wirksamen Verzicht auf das Widerspruchsrecht ausreicht. Naheliegend ist, sich hier an dem Inhalt der von der Rechtsprechung als Voraussetzung für das Erlöschen des in Bezug auf einen früheren Betriebs(teil-)übergang bestehenden Widerspruchrechts geforderten sog. „grundlegenden Informationen“ 40 zu orientieren. Notwendige, aber auch ausreichende Informationsbasis für einen wirksamen Verzicht ist die durch den bisherigen Betriebsinhaber oder den potentiellen Erwerber bewirkte Angabe des (geplanten) Zeitpunkts und des Gegenstands des Betriebs (teil-)übergangs sowie des (potentiellen) Erwerbers und der Hinweis, dass dem Arbeitnehmer an sich ein Widerspruchsrecht zusteht 41. Eine vollumfängliche Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB ist demgegenüber nicht erforderlich 42. Schließlich geht es bei dem Verzicht auf das Widerspruchsrecht nur um das Einverständnis, in ein Arbeitsverhältnis zum Erwerber zu treten, dessen Inhalt weitgehend durch § 613 a BGB bestimmt ist. Auch sonst ist der Abschluss eines Arbeitsvertrags nicht an eine bestimmte Aufklärung geknüpft. Eine fehlerhafte Unterrichtung kann aber zur Anfechtung der Erklärung über den Verzicht führen (§§ 119, 123 BGB). Inhaltlich muss in der Erklärung bzw. Vereinbarung der Wille zum Ausdruck kommen, auf das Widerspruchsrecht verzichten bzw. es nicht mehr ausüben zu wollen (§§ 133, 157 BGB). Hat der Arbeitgeber die Verzichtsvereinbarung vorbereitet, muss sie insoweit auch den Grundsätzen der AGBKontrolle Rechnung tragen (§§ 305 ff. BGB). Sie muss also insbesondere hinreichend transparent sein (§§ 305 c Abs. 1, 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und kann keine Bestätigung des Arbeitnehmers über den Erhalt einer ordnungsgemäßen Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB enthalten (§ 309 Nr. 12 lit. b BGB). Dass die Erklärung ausdrücklich als „Verzicht“ bezeichnet wird, ist nicht erforderlich. So beinhalten beispielsweise die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber und dessen anschließende Fortsetzung mit dem neuen Inhaber durch dreiseitigen Vertrag regelmäßig zugleich einen konkludenten Verzicht auf das Widerspruchsrecht. Ebenfalls zulässig
40 BAG v. 19.11.2015 – 8 AZR 773/14, NZA 2016, 647 Rz. 15. 41 BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06, NZA 2007, 793 Rz. 45; LAG München v. 9.10.2007 – 4 Sa 411/08 n. v. (Rz. 48). 42 LAG Düsseldorf v. 27.5.2009 – 7 Sa 726/08 n. v. (Rz. 54); a. A. LAG Saarland v. 12.8.2009 – 2 Sa 52/09 n. v. (Rz. 163); ArbG Arnsberg v. 13.5.2013 – 1 Ca 53/13 n. v. (Rz. 82).
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Neues zur Unterrichtungspflicht und zum Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang
ist es, wenn der Arbeitnehmer in getrennten Verträgen mit dem bisherigen Arbeitgeber oder mit dem neuen Arbeitgeber den Übergang des Arbeitsverhältnisses vereinbart 43 bzw. seine Zustimmung zum Übergang erklärt 44. In einer solchen Erklärung liegt – anders als bei einer zweiseitig vereinbarten Verlängerung der Widerspruchsfrist nach § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB – kein Vertrag zu Lasten des übernehmenden Rechtsträgers 45. Schließlich kommt es auf den Willen des übernehmenden Rechtsträgers im Rahmen von § 613 a BGB nicht an. Wenn der Arbeitnehmer keinen Widerspruch ausübt, ist ipso iure von einem Übergang des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Wenn der Arbeitnehmer nun kraft Vereinbarung mit dem übertragenden Rechtsträger auf die Ausübung seines Rechtsfolgenverweigerungsrechts verzichtet, ändert sich an diesem gesetzlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses nichts. Dies gilt selbst dann, wenn – was bei Vorliegen der „grundlegenden Informationen“ zulässig ist – der Verzicht vor der (vollständigen) Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB erklärt wird. Ein Verzicht auf das Widerspruchsrecht durch konkludentes Handeln ist ausgeschlossen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit beim übernehmenden Rechtsträger in Kenntnis des Vorliegens eines Betriebs(teil-)übergangs bzw. einer Umwandlung aufnimmt oder gegenüber dem übernehmenden Rechtsträger im Klagewege Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (z. B. Beschäftigung oder Gehalt) geltend macht 46. Auch der bloße Vollzug einer dem Betriebs(teil-)übergang vorausgegangenen Abwicklungsvereinbarung kann nicht als Widerspruchsverzicht angesehen werden 47. Andernfalls liefe das Schriftformerfordernis des § 613 a Abs. 6 BGB leer, durch das sichergestellt werden soll, dass der Arbeitnehmer nicht durch voreilige Handlungen das Recht verliert, den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu verhindern. Innerhalb der Monatsfrist steht deshalb auch die Weiterarbeit für den Erwerber, mit der letztendlich nur der Rechtsfolge aus § 613 a Abs. 1 BGB Rechnung getragen wird, einem Widerspruch nicht entgegen. Dass der Erwerber damit einer ganz erheblichen Gefährdung seiner Geschäftsgeheimnisse ausgesetzt wird, nimmt der Gesetzgeber hin.
43 BAG v. 19.3.1998 – 8 AZR 139/97, NZA 1998, 750 Rz. 22; BAG v. 15.2.1984 – 5 AZR 123/82, NZA 1984, 32 Rz. 23. 44 D. Gaul, ZfA 1990, 87, 92. 45 A. A. Herschel, Anm. zu BAG v. 15.2.1984 – 5 AZR 123/82, AP Nr. 37 zu § 613 a BGB. 46 Vgl. zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 613 a BGB: LAG Hamm v. 28.8.1997 – 4 Sa 2245/96 n. v. (Rz. 80 f.). 47 BAG v. 24.2.2011 – 8 AZR 469/09, NZA 2011, 973 Rz. 36.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
Angesichts der voranstehenden Gestaltungsmöglichkeiten dürfte es für den übernehmenden Rechtsträger sinnvoll sein, die Übernahme eines Betriebs oder Betriebsteils unter die aufschiebende Bedingung zu stellen, dass mit namentlich genannten Arbeitnehmern, an deren Weiterbeschäftigung ein betriebliches Interesse besteht, neue Arbeitsverträge abgeschlossen bzw. ihm entsprechende Erklärungen über den Verzicht auf das Widerspruchsrecht vorgelegt werden 48. Alternativ ist zu prüfen, ob mit dem Abschluss des Kaufvertrags solange gewartet werden kann, bis von Seiten der potentiell von einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses betroffenen Arbeitnehmer, deren Übernahme gewünscht wird, eine Zustimmung mit dem Wechsel des Arbeitgebers erklärt wird. Diese Erklärung kann ihrerseits unter den Vorbehalt einer Veräußerung des Betriebs oder Betriebsteils gestellt werden. Spricht der Arbeitnehmer trotz eines Verzichts auf das Widerspruchsrecht bzw. des gegenüber einem der beteiligten Rechtsträger erklärten Einverständnisses mit dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses einen Widerspruch aus, ist dieser unwirksam 49. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Arbeitnehmer durch bewusst fehlerhafte Unterrichtung zum Verzicht veranlasst wurde. Hier sind die entsprechenden Erklärungen des Arbeitnehmers anfechtbar gemäß § 123 BGB. Bei einer nur fahrlässig fehlerhaften Unterrichtung (unvollständig oder falsch), kann der Arbeitnehmer sein Einverständnis mit dem Übergang bzw. den Verzicht auf das Widerspruchsrecht nicht mehr beseitigen, aber ggf. einen Schadensersatzanspruch geltend machen. (Ga/Ot)
4.
Änderung einer betrieblichen Vergütungsordnung nach Betriebsübergang
Ein Betriebserwerber, der durch Rechtsgeschäft einen Betrieb unter Wahrung dessen Identität erwirbt, tritt betriebsverfassungsrechtlich an die Stelle des früheren Betriebsinhabers. Er ist daher grundsätzlich zur Fortführung der im Betrieb bestehenden Vergütungsordnung verpflichtet. Änderungen dieser Vergütungsordnung sind nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nur mit einer Zustimmung des Betriebsrats oder einem diese Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle möglich 50. 48 D. Gaul, ZfA 1990, 87, 93. 49 BAG v. 19.3.1998 – 8 AZR 139/97, NZA 1998, 750 Rz. 22; LAG Niedersachsen v. 5.2.2018 – 8 Sa 831/17, NZA-RR 2018, 411 Rz. 36 ff. 50 BAG v. 20.2.2018 – 1 ABR 53/16, NZA 2018, 954 Rz. 22; BAG v. 8.12.2009 – 1 ABR 66/08, NZA 2010, 404 Rz. 23.
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Änderung einer betrieblichen Vergütungsordnung nach Betriebsübergang
Wir hatten auf diese Bindungswirkung einer Vergütungsordnung im Anschluss an einen rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang bereits bei früherer Gelegenheit hingewiesen 51. Sie hat erhebliche betriebspraktische Bedeutung, weil abweichende Vereinbarungen mit einzelnen Arbeitnehmern, die unter Missachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG getroffen werden, im Zweifel unwirksam sind (Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung). Hinzu kommt, dass der Betriebsrat dem Arbeitgeber aufgeben kann, die Anwendung solcher Vereinbarungen ohne seine Zustimmung oder einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle zu unterlassen (allgemeiner Unterlassungsanspruch). Das muss auch und insbesondere bei Neueinstellungen beachtet werden, die erst im Anschluss an den Betriebsübergang vorgenommen werden. Wie das BAG auch in seinem Urteil vom 21.3.2018 52 mit Blick auf Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit Ein- oder Umgruppierungen noch einmal deutlich gemacht hat, kann sich die in einem Betrieb maßgebliche Vergütungsordnung auch aus einem Tarifvertrag ergeben. Darauf weist das BAG auch in seinem Beschluss vom 20.2.2018 53 hin. Insoweit stelle im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers die im einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütungsordnung zugleich das im Betrieb geltende System für die Bemessung des Entgelts der Arbeitnehmer dar. Der Arbeitgeber sei betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, die tarifliche Vergütungsordnung ungeachtet der Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer im Betrieb anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterlägen. Diese Vergütungsordnung bleibt grundsätzlich auch im Anschluss an einen Betriebsübergang maßgeblich, selbst wenn der Erwerber an diesen Tarifvertrag nicht gebunden ist. Wie das BAG schon in seinem Urteil vom 8.12.2009 54 deutlich gemacht hat, bewirkt dies, dass der bei dem bisherigen Arbeitgeber verbindliche Tarifvertrag im Anschluss an einen Betriebsübergang auch für einen tarifungebundenen Erwerber als Folge der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG Bindungswirkung jedenfalls für die Systematik der Entgeltfindung auslösen kann, wenn der Betriebsrat nicht seine Zustimmung zu einer Änderung erteilt oder diese Zustimmung durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt wird. Zulässig sind lediglich Veränderungen der Dotierung, wenn die Systematik, also die Zusammensetzung der Entgeltbestandteile und ihre innere Ordnung bzw. der jeweilige Abstand, gewahrt bleiben. 51 52 53 54
B. Gaul, AktuellAR 2014, 238 ff. BAG v. 21.3.2018 – 7 ABR 38/16, NZA 2018, 1090 Rz. 32. BAG v. 20.2.2018 – 1 ABR 53/16, NZA 2018, 954 Rz. 20. BAG v. 8.12.2009 – 1 ABR 66/08, NZA 2010, 404 Rz. 21.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
Die Bindungswirkung der bis zum Betriebsübergang geltenden Vergütungsordnung eines beim bisherigen Arbeitgeber geltenden Tarifvertrags endet aber nach den überzeugenden Feststellungen des BAG im Beschluss vom 20.2.2018 55, wenn beim Erwerber eine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht, die ihrerseits eine Vergütungsordnung enthält und damit die nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG an sich mitbestimmungspflichtige Angelegenheit zwingend und abschließend regelt. In diesem Fall werden Mitbestimmungsrechte durch § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG ausgeschlossen. Dabei genügt es, dass der Erwerber kraft Gesetzes an diesen Tarifvertrag gebunden ist; auf die individuelle Tarifbindung der betriebszugehörigen Arbeitnehmer kommt es nicht an, wenn die Sperrwirkung des Tarifvertrags aus § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG in Rede steht. In dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall galt in dem von einer Übertragung nach § 613 a BGB betroffenen Betrieb vor dem Wirksamwerden des Übertragungsvorgangs ein Tarifvertrag aus dem Jahre 2007, auf dessen Grundlage auch die Vergütung der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer bestimmt wurde. Der Betrieb, ein Allgemeinkrankenhaus, wurde zum 1.11.2013 durch den Arbeitgeber übernommen und fortgeführt. Der Arbeitgeber, der zu diesem Zeitpunkt bereits ein Fachkrankenhaus betrieb, war zu dieser Zeit an einen Haustarifvertrag gebunden, der seinerseits durch eine Bezugnahme auf Verbandstarifverträge Regelungen für die Festlegung der Entgelte enthielt. Der Arbeitgeber hielt diesen Haustarifvertrag, der seinem Geltungsbereich nach auch das Allgemeinkrankenhaus erfasste, für maßgeblich. Der Betriebsrat, der nach dem Betriebsübergang übergreifend für beide Krankenhäuser gebildet worden war, hielt diese Sichtweise für falsch. Er machte geltend, dass eine Anwendung des Haustarifvertrags für die im Allgemeinkrankenhaus beschäftigten Arbeitnehmer nur mit seiner Zustimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG oder einen diese Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle zulässig sei. Zu Recht hat das BAG diese Sichtweise und das damit einhergehende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG abgelehnt. Der Arbeitgeber war zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Betriebsübergangs an den Haustarifvertrag gebunden. Dieser erfasste auch die Arbeitnehmer des Allgemeinkrankenhauses, obgleich er dem Wortlaut nach nur für die „im Bereich“ Klinikum „beschäftigten Mitarbeiter“ gelten sollte. Nach Auffassung des BAG folgte dies aus dem Grundsatz, dass Haustarifverträge, soweit nichts anderes bestimmt werde, in der Regel für alle Arbeitsverhältnisse des tarifvertragsschließenden Unternehmens vereinbart 55 BAG v. 20.2.2018 – 1 ABR 53/16, NZA 2018, 954 Rz. 20 ff.
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Änderung einer betrieblichen Vergütungsordnung nach Betriebsübergang
würden. Soweit sich der Geltungsbereich ausdrücklich und ohne Einschränkung auf die Arbeitnehmer dieses Arbeitgebers erstrecke, erfasse er nicht nur die aktuellen – tarifgebundenen – Arbeitsverhältnisse, sondern – neben danach begründeten Arbeitsverhältnissen – auch die Arbeitnehmer später hinzukommender Betriebe des Arbeitgebers. Dies gelte selbst bei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unvorhersehbaren Entwicklungen 56. Dieser Tarifvertrag ist ausreichend, um eine Sperrwirkung gemäß § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG anzuerkennen. Denn immer dann, wenn Fragen der betrieblichen Lohngestaltung bereits durch einen Tarifvertrag geregelt sind, an den der Arbeitgeber kraft Gesetzes gebunden ist, schließt dies ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Bezug auf die Entlohnungsgrundsätze aus. Ob und inwieweit eine Tarifbindung auch auf einzelvertraglicher Ebene besteht, spielt keine Rolle. Es ist wichtig, dieses Zusammenwirken zwischen Tarifvertrag und betrieblicher Mitbestimmung auch im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang zu beachten. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Betriebsübergang genutzt werden soll, um die im Betrieb geltende Vergütungsordnung abzuändern. Denn eine solche Änderung ist auch mit Blick auf Neueinstellungen ohne Zustimmung des im Betrieb gebildeten Betriebsrats oder einen diese Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle nur wirksam, wenn sie durch eine veränderte Tarifbindung des übernehmenden Rechtsträgers bewirkt wird. In diesem Fall begründet der neue Tarifvertrag die für den Betrieb maßgebliche Vergütungsordnung. Sie schließt Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG jedenfalls in Bezug auf die daraus folgende Systematik aus. Ein- oder Umgruppierungen gemäß § 99 BetrVG müssen unter Berücksichtigung dieses Tarifvertrags vorgenommen werden. Allerdings besteht ein Anspruch auf die aus dem Tarifvertrag resultierende Dotierung für den einzelnen Arbeitnehmer nur dann, wenn der Tarifvertrag auch kraft Gesetzes oder Vereinbarung im individuellen Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt. Obwohl der neue Tarifvertrag damit betriebsverfassungsrechtlich die maßgebliche Vergütungsordnung darstellt, setzen individuelle Ansprüche auf eine daraus folgende Bezahlung eine individuelle Tarifbindung voraus. (Ga)
56 BAG v. 20.2.2018 – 1 ABR 53/16, NZA 2018, 954 Rz. 24; BAG v. 15.6.2016 – 4 AZR 805/14, NZA 2017, 326 Rz. 40.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
5.
Überleitungsvereinbarung zur dynamischen Tarifbindung nach Betriebsübergang
Mit Blick auf die denkbaren Ungewissheiten eines Arbeitgeberwechsels verfolgen Arbeitnehmervertreter im Vorfeld eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs nach § 613 a BGB vielfach das Ziel, zu Gunsten der hiervon betroffenen Arbeitnehmer die Fortgeltung bestimmter Arbeitsbedingungen oder bestimmter Rechte und Pflichten im Anschluss an den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen anderen Rechtsträger sicherzustellen. Dies soll verhindern, dass Arbeitsbedingungen zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden, was auch unter Berücksichtigung von § 613 a Abs. 1 bis 4 BGB möglich ist. Bereits in seinem Urteil vom 25.4.2017 57, über das wir an anderer Stelle berichtet haben 58, hatte das BAG deutlich gemacht, dass die Systematik des Betriebsverfassungsrechts grundsätzlich keine Betriebsvereinbarung kennt, die zwischen dem Betriebsrat eines Betriebs und einem künftigen Erwerber abgeschlossen wird. Der Betriebsrat kann nach § 77 BetrVG mit unmittelbarer und zwingender Wirkung nur Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber abschließen, der Inhaber des Betriebs ist. Eine unternehmensübergreifende Zuständigkeit kann sich allenfalls im Rahmen eines Übergangsmandats nach § 21 a BetrVG ergeben, wenn ein Betriebsteil, für den der Betriebsrat bis zum Wirksamwerden des Übertragungsvorgangs zuständig war, im Anschluss daran durch einen anderen Rechtsträger als eigener Betrieb fortgeführt wird. Im Zweifel kann eine solche Vereinbarung damit aber auch erst nach dem Wirksamwerden der Betriebsspaltung und dem Beginn des Übergangmandats getroffen werden. Außerhalb dieses Anwendungsbereichs sind kollektivrechtliche Regelungen im Zweifel unwirksam. Das hat jetzt auch noch einmal das BAG mit seinem Urteil vom 13.12.2017 59 deutlich gemacht. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten der Landkreis und der für ein Kreiskrankenhaus zuständige Personalrat im Vorfeld der im Rahmen einer Privatisierung beabsichtigten Übertragung des Kreiskrankenhauses auf eine GmbH einen Personalüberleitungsvertrag abgeschlossen, der auch durch die Gewerkschaft ver.di unterzeichnet worden war. In diesem Personalüberleitungsvertrag war unter anderem festgelegt worden:
57 BAG v. 25.4.2017 – 1 AZR 714/15, NZA 2017, 1467 Rz. 22. 58 B. Gaul, AktuellAR 2017, 595 ff. 59 BAG v. 13.12.2017 – 4 AZR 202/15, NZA 2018, 993.
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Überleitungsvereinbarung zur dynamischen Tarifbindung nach Betriebsübergang
§ 3 Besitzstandswahrung, Überleitung (1) Auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die E Kliniken MR GmbH & Co. KG vom Landkreis N übernommen hat, findet auch zukünftig der BAT-O bzw. BMT-G nebst den diese ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in ihrer jeweils gültigen Fassung unbefristet Anwendung. (…) (3) Werden im Rahmen der Mitgliedschaft beim kommunalen Arbeitgeberverband des Öffentlichen Dienstes neue Tarifverträge mit Geltung für die E Kliniken MR GmbH & Co. KG geschlossen, treten diese an die Stelle der entsprechenden Tarifvorschriften nach Abs. 1. (…) § 5 Mitgliedschaften (1) Der Landkreis M versichert, dass die E Kliniken MR GmbH & Co. KG die Mitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband anstrebt. (…)
Im Anschluss an die Übernahme des Kreiskrankenhauses wendete die Beklagte zwar grundsätzlich den BAT-O bzw. BMT-G an, allerdings in einer Modifikation, wie sie sich aus einem „Notlagentarifvertrag für die Beschäftigten der E Kliniken MR GmbH & Co. KG“ nebst weiterer Ergänzungstarifverträge ergeben hatte. Eine weitere Anpassung der sich daraus ergebenden Arbeitsbedingungen stellte die Beklagte mit Wirkung zum 1.1.2008 ein, nachdem sie mit Wirkung zum 31.12.2007 aus dem kommunalen Arbeitgeberverband ausgeschieden war. Zu diesem Zeitpunkt endeten auch der Notlagentarifvertrag und die hierzu getroffenen Ergänzungstarifverträge. Die Klägerin machte daraufhin geltend, dass die Beklagte auch über den 31.12.2007 hinaus als Konsequenz der Regelungen im Personalüberleitungsvertrag zu einer dynamischen Anwendung der Regelungen des BAT-O bzw. der diesen ergänzenden Regelungen des TVöD verpflichtet sei. Das BAG hat eine solche Verpflichtung zu Recht abgelehnt. Die Ablehnung dieses Anspruchs folge bereits daraus, dass die Beklagte am Abschluss des Personalüberleitungsvertrags nicht beteiligt war. Zu ihren Lasten könnten deshalb durch den Personalüberleitungsvertrag auch keine Rechte zu Gunsten der übergeleiteten Arbeitnehmer begründet werden. Dem ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Unabhängig davon weist das BAG darauf hin, dass der hier tätige Personalrat nach den insoweit maßgeblichen Regelungen in § 84 Abs. 1 S. 1 SächsPersVG Dienstvereinbarungen wirksam nur dort abschließen könne, wo dies kraft Gesetzes ausdrücklich vorgesehen sei. Da der Abschluss von Personal511
Betriebsänderung und Betriebsübergang
überleitungsvereinbarungen im Sächsischen Personalvertretungsrecht nicht als entsprechender Gegenstand solcher Vereinbarungen genannt werde, fehle ihm die erforderliche Regelungskompetenz. Dies gelte umso mehr, als damit auch Verpflichtungen für die Zeit nach dem Betriebsübergang ausgelöst werden sollten 60. Auch dieser Sichtweise ist zuzustimmen. Sie entspricht dem Grundsatz, dass der Personalrat als Arbeitnehmervertretung des Personalvertretungsrechts im Bereich der Betriebsverfassung überhaupt keine Zuständigkeit hat. Dies gilt unabhängig vom Regelungsgegenstand. Im Bereich der Betriebsverfassung würde eine dynamische Bindung an einen Tarifvertrag durch Betriebsvereinbarung ohnehin im Zweifel an § 77 Abs. 3 BetrVG bzw. dem darin liegenden Verzicht auf künftige Mitbestimmungsrechte scheitern. Wenn arbeitnehmerseitig eine Absicherung von Arbeitsbedingungen im Anschluss an einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang bewirkt werden soll, kann dies schlussendlich nur durch einen Tarifvertrag, an dessen Abschluss auch der Erwerber beteiligt ist, oder eine individualrechtliche (Gesamt-)Zusage erfolgen, die durch den Erwerber gegenüber den vom Übergang ihres Arbeitsverhältnisses betroffenen Arbeitnehmern erteilt wird. Soweit entsprechende Zusagen auf individualvertraglicher Ebene mit Änderungen der im Betrieb geltenden Arbeitsbedingungen verbunden sind, muss dabei allerdings ein etwaiges Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, insbesondere aus §§ 21 a, 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, beachtet werden. Wir hatten darauf im Zusammenhang mit einer etwaigen Änderung der im Betrieb geltenden Vergütungsordnung im Anschluss an einen Betriebsübergang hingewiesen 61. (Ga)
6.
Auslegung einer Bezugnahmeklausel nach Betriebsübergang
Bereits an anderer Stelle hatten wir uns eingehend mit den Grundsätzen befasst, die für den 4. Senat des BAG bei der Auslegung einer Bezugnahmeklausel maßgeblich sind, die auf die jeweils gültigen Verbandstarifverträge einer bestimmten Branche verweisen 62. Danach lehnt es das BAG ab, solche Klauseln als eine Bezugnahme auf den für den Arbeitgeber kraft Gesetzes verbindlichen Haustarifvertrag anzusehen, wenn dieser ganz oder teilweise 60 BAG v. 13.12.2017 – 4 AZR 202/15, NZA 2018, 993 Rz. 33; BAG v. 25.4.2017 – 1 AZR 714/15, NZA 2017, 1467 Rz. 22. 61 B. Gaul, AktuellAR 2018, 506 ff. 62 B. Gaul, AktuellAR 2018, 433 ff.
512
Auslegung einer Bezugnahmeklausel nach Betriebsübergang
an die Stelle der Verbandstarifverträge tritt. Nach Auffassung des BAG soll es dabei keine Rolle spielen, ob der Arbeitsvertrag vor oder nach dem Wirksamwerden der Schuldrechtsmodernisierung abgeschlossen worden ist. Unerheblich ist ebenfalls, ob die gleiche oder eine andere Gewerkschaft Partei des Haustarifvertrags ist. In seinem Urteil vom 16.5.2018 63 hat das BAG die Anwendbarkeit dieser Grundsätze auch im Zusammenhang mit einem Betriebs- und Betriebsteilübergang bestätigt. Dabei hat es noch einmal auf seine Argumentationslinie zurückgegriffen, die es im Zusammenhang mit der Asklepios-Entscheidung des EuGH vom 27.4.2017 64 entwickelt hatte 65. Hiervon ausgehend sei die damit bewirkte Bindung des Erwerbers an die in der Bezugnahmeklausel genannten Tarifverträge als Folge seines Eintritts in den Arbeitsvertrag gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auch unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben zulässig. Wenn der Erwerber eine Änderung herbeiführen wolle, müsse er zum Mittel der Änderungsvereinbarung oder Änderungskündigung greifen 66. Ergänzend hierzu hat das BAG noch einmal deutlich gemacht, dass ein Rückgriff auf § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB analog zur Anerkennung einer Ablösung der durch Bezugnahme vereinbarten Regelungen des Verbandstarifvertrags ausgeschlossen sei. § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB setze voraus, dass bis zum Übergang des Arbeitsverhältnisses eine gesetzliche Tarifbindung bestehe. Diese müsse gemäß § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses fortgelten. Denn für diese Rechtsfolge eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs sei die Rückausnahme in § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB getroffen worden. Angesichts der für den Arbeitsvertrag und die darin enthaltenen Regelungen durch § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB festgelegten Rechtsfolge bestehe keine Gesetzeslücke, die durch eine analoge Anwendung von § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB zu schließen sei 67. Auch wenn den Feststellungen des BAG in Bezug auf die fehlende Analogiefähigkeit von § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB zu folgen ist, bleibt das Ergebnis nicht überzeugend. Denn die Ausgangsannahme, dass eine Fortgeltung ar63 BAG v. 16.5.2018 – 4 AZR 209/15, NZA 2018, 1489 Rz. 33 ff., 42 ff. 64 EuGH v. 27.4.2017 – C-680/15, NZA 2017, 571 Rz. 27 – Asklepios. 65 Vgl. BAG v. 23.11.2017 – 6 AZR 739/15, NZA 2018, 301 Rz. 34 ff.; BAG v. 30.8.2017 – 4 AZR 61/14 n. v. (Rz. 44 ff.); BAG v. 30.8.2017 – 4 AZR 95/14, NZA 2018, 255 Rz. 44 ff. 66 Krit. B. Gaul, AktuellAR 2017, 231 ff.; 2018, 143 ff. m. w. N. 67 BAG v. 16.5.2018 – 4 AZR 209/15, NZA 2018, 1489 Rz. 43; BAG v. 29.8.2007 – 4 AZR 767/06, NZA 2008, 364 Rz. 19.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
beitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln auch durch eine Änderungskündigung im Anwendungsbereich von §§ 1, 2 KSchG beseitigt werden könne, ist unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Rechtsprechung des BAG in der Praxis jedenfalls im Vergütungsbereich nicht durchsetzbar. Denn die Betriebsbedingtheit der Beseitigung der Dynamik eines ganzen Tarifvertrags ist in Bezug auf seine einzelnen Bestandteile nicht darstellbar. Scheitert sie aber nur für einen einzigen Punkt des Tarifvertrags, ist die Änderungskündigung auch in Bezug auf solche Bestandteile des Tarifvertrags unwirksam, hinsichtlich derer dringende betriebliche Erfordernisse für eine nur noch statische Geltung an sich dargelegt werden können. Auch dieses Ergebnis bewirkt schlussendlich, dass von der Vereinbarung kleiner dynamischer Bezugnahmeklauseln in der betrieblichen Praxis Abstand genommen werden muss. Sie sind, um solche Ergebnisse zu vermeiden, durch große dynamische Bezugnahmeklauseln zu ersetzen. (Ga)
7.
Haftung des Betriebserwerbers in der Insolvenz
In Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung zur KO findet bei der Übernahme eines Betriebs, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchgeführt wird, eine Einschränkung der Haftung des Erwerbers für die zu diesem Zeitpunkt bereits entstandenen Ansprüche und Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung statt. Danach wird der Erwerber von einem Eintritt in individual- und kollektivrechtliche Verpflichtungen befreit, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Für diese Ansprüche steht nur die Insolvenzmasse zur Verfügung. Bei Ansprüchen auf betriebliche Altersversorgung tritt der PSV an die Stelle des Insolvenzschuldners. Soweit Ansprüche und Anwartschaften erst im Anschluss an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, bleibt es hingegen bei einer Übernahme der daraus folgenden Verbindlichkeiten gemäß § 613 a Abs. 1 BGB. Damit soll die Gefahr einer Ungleichbehandlung der Gläubiger vermieden werden. Denn die uneingeschränkte Haftung des Erwerbers für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis hätte im Zweifel eine entsprechende Reduzierung des Kaufpreises zur Folge, um damit die Arbeitnehmer als einen Teil der Gläubiger ohne Einschränkung auszuzahlen. Die damit bewirkte Minderung der möglichen Steigerung der Insolvenzmasse durch den Kaufpreis hat zur Fol-
514
Haftung des Betriebserwerbers in der Insolvenz
ge, dass Forderungen anderer Gläubiger nicht mit einer höheren Quote erfüllt werden können 68. Der 3. Senat des BAG hat Zweifel, ob diese Einschränkung der Anwendbarkeit von § 613 a BGB mit den Vorgaben der Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (2008/94/EG) und der Betriebsübergangsrichtlinie (2001/23/EG) vereinbar ist. Er hat dies zum Anlass genommen, den EuGH durch zwei Beschlüsse vom 16.10.2018 69 um Vorabentscheidung zu ersuchen. In den beiden zugrunde liegenden Verfahren sind den Klägern jeweils Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt worden. Nach der zugrunde liegenden Versorgungsordnung berechnete sich ihre Betriebsrente nach der Anzahl der Dienstjahre und dem – zu einem bestimmten Stichtag vor dem Ausscheiden – erzielten Gehalt (dynamische Versorgungszusage). Über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin wurde am 1.3.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im April 2009 ging der Betrieb aufgrund eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über. In dem ersten Verfahren erhielt der Kläger seit August 2015 von der Beklagten eine Betriebsrente in Höhe von etwa 145 € und vom PSV eine Altersrente in Höhe von etwa 817 €. Ausgangspunkt dieser Aufteilung war die vorstehend wiedergegebene Annahme, dass der Erwerber eines Betriebs oder Betriebsteils gemäß § 613 a BGB nur für Ansprüche und Anwartschaften einstehen muss, die nach der Insolvenzeröffnung entstanden sind. Hinzu kam, dass der PSV nach Maßgabe von § 7 BetrAVG nur das zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens maßgebliche Gehalt des Klägers zugrunde gelegt hatte. Er wurde also so behandelt, als sei das Arbeitsverhältnis mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet worden, sodass keine weitere Dynamisierung der für die Höhe der Versorgungsbezüge maßgeblichen Gehaltsansprüche mehr durchgeführt wurde. Dies hielt der Kläger für unzulässig. Nach seiner Auffassung war die Beklagte verpflichtet, ihm eine höhere Betriebsrente zu gewähren. Diese müsse sich nach den Bestimmungen der Versorgungsordnung auf der Basis des zum Stichtag vor dem Versorgungsfall bezogenen Gehalts unter Abzug des Betrags errechnen, den er vom PSV erhalte.
68 BAG v. 30.8.2008 – 8 AZR 54/09, NZA 2009, 432 Rz. 18, 20; eingehend HWK/Willemsen/Müller-Bonanni, BGB § 613 a Rz. 295, 365; B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 36 Rz. 12 ff. 69 BAG v. 16.10.2018 – 3 AZR 139/17 (A), ZIP 2018, 2179 und 3 AZR 878/16 (A) n. v.
515
Betriebsänderung und Betriebsübergang
Der zweite Kläger verfügte bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht über eine gesetzlich unverfallbare Anwartschaft. Da der Eintritt des PSV und die daraus folgende Insolvenzsicherung aber nach den Regelungen des Betriebsrentenrechts an die Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft geknüpft ist, erhielt er keine Leistungen des PSV. Nach seiner Auffassung war die Beklagte aber verpflichtet, ihm künftig eine Betriebsrente zu gewähren, bei der die Betriebszugehörigkeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens berücksichtigt wird. Beide Klagen wären auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zur teleologischen Einschränkung der Haftung des Erwerbers eines Betriebs oder Betriebsteils im Rahmen von § 613 a BGB abzuweisen. Mit seinem Vorlagebeschluss möchte das BAG aber klargestellt wissen, ob er daran festgehalten werden kann. Der EuGH soll daher die Frage beantworten, ob in dieser Einschränkung der Erwerberhaftung in der Insolvenz eine Verletzung der in Art. 3 Abs. 4, Art. 5 Abs. 2 lit. a Richtlinie 2001/23/EG sieht. Ebenso soll geklärt werden, ob Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG in diesen Fällen unmittelbare Geltung beansprucht, was zur Folge hätte, dass sich der Arbeitnehmer auch gegenüber dem PSV darauf berufen könnte. Nach Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG vergewissern sich die Mitgliedstaaten, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaften auf Leistung bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelnen staatlichen gesetzlichen Systeme der Sozialsicherheit getroffen werden. Bislang war man davon ausgegangen, dass diese Vorgabe durch die gesetzlichen Regelungen zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung durch den PSV umgesetzt worden sind. Entsprechendes galt für die aus Art. 3 Abs. 4 Richtlinie 2001/23/EG folgende Verpflichtung, notwendige Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer an Leistungen bei Alter, Invalidität oder für Hinterbliebene aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen im Zusammenhang mit Betriebsoder Betriebsteilübergängen zu treffen. Dies galt umso mehr, als Art. 5 Abs. 2 lit. a Richtlinie 2001/23/EG ausdrücklich zulasse, Ansprüche der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit solchen Übertragungsvorgängen im Rahmen der Insolvenz einzuschränken. Wir werden über den weiteren Fortgang berichten, denn das Verfahren hat erhebliche Bedeutung für die übertragende Sanierung im Insolvenzverfahren. Wäre die Rechtsprechung gehalten, ihre Grundsätze zur Erwerberhaf516
Haftung des Betriebserwerbers in der Insolvenz
tung in der Insolvenz aufzugeben, hätte dies nicht nur stärkere Verpflichtungen der Erwerber zur Folge. Dabei würden auch Ansprüche außerhalb der betrieblichen Altersversorgung erfasst, die derzeit in entsprechender Weise aufgeteilt werden. Zu erwarten wäre, dass die Stärkung der Insolvenzmasse, die als Konsequenz der fehlenden Minderung des Kaufpreises zu Gunsten der übrigen Gläubiger bewirkt wird, nicht oder nur noch eingeschränkt erreicht wird. Wichtig ist, dass die Möglichkeit einer Änderung dieser Erwerberhaftung bis zu einer abschließenden Entscheidung des EuGH jedenfalls bei der Ausgestaltung von Unterrichtungsschreiben nach § 613 a Abs. 5 BGB berücksichtigt wird. (Ga)
517
J. Aktuelles aus Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht 1.
Notwendigkeit von A1-Bescheinigungen bei vorübergehenden Auslandstätigkeiten
Wird ein Auftrag im EU-Ausland, in Island, Liechtenstein, Norwegen oder der Schweiz abgewickelt, findet zur Vermeidung einer Doppelverbeitragung der Sozialabgaben unter den in den Verordnungen 883/2004/EG und 987/2009/EG genannten Voraussetzungen weiterhin das Sozialversicherungsrecht und eine damit verbundene Beitragszahlung im Herkunftsland statt. Das gilt auch, wenn der Einsatz in mehreren Mitgliedstaaten erfolgt. Zum Schutz der Interessen der Sozialversicherungsträger im Einsatzstaat, die in diesem Fall keine Beiträge erhalten, haben Arbeitnehmer und auch Selbständige die fortbestehende Versicherungspflicht in Deutschland gegenüber den Behörden im Einsatzstaat durch eine A1-Bescheinigung nachzuweisen. Die A1-Bescheinigung stellt klar, welcher Sozialversicherungsstatus besteht und in welchem Land die Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind. Einzelheiten hierzu hat die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der Empfehlung Nr. A1 am 18.10.2017 festgelegt1. Das elektronische Antrags- und Bescheinigungsverfahren der A1Bescheinigung nach § 106 SGB IV n. F. wird ab dem 1.1.2019 verpflichtend sein2. Dafür ist eine bestimmte Software erforderlich. Die Verwendung von Antragsvordrucken ist ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich nicht mehr zulässig. Ausnahmen werden durch die Sozialversicherungsträger auf Papier bis zum 30.6.2019 zugelassen3. Für das Antrags- und Bescheinigungsverfahren A1 ist eine systemgeprüfte Lohnsoftware, die das Zusatzmodul „E23“ anbietet, erforderlich. Die zuständige Stelle (DRV, KV oder ABV) stellt dann auf einem Kommunikationsserver der Rentenversicherung oder der GKV (eXtra-Server) die A1-Bewilligung oder -Ablehnung bereit4. Arbeitgeber sind angehalten, die Daten dort einmal wöchentlich abzurufen. Softwareer-
1 2 3 4
ABl. EU 2018, C 183, 5 f. BGBl. I 2016, 2500, 2506. Vgl. Gemeinsame Grundsätze für das elektronische Antrags- und Bescheinigungsverfahren A1 vom 28.6.2018. Details unter www.extra-standard.de.
519
Aktuelles aus Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
steller müssen das elektronische Antragsverfahren nicht vor dem 31.12.2018 unterstützen. Aufgrund der schwierigen Umsetzung des Verfahrens haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung in der Besprechung zum gemeinsamen Meldeverfahren am 28.6.2018 den Kompromiss geschaffen, Arbeitgeber bis zum 30.6.2019 im begründeten Einzelfall weiterhin Papieranträge verwenden zu lassen5. Kritisiert wird vor allem, dass das Verfahren in der Entgeltabrechnung verortet ist, die – wenn überhaupt – erst nach der Entsendung durchgeführt wird. Insofern sind Arbeitgeber und Softwareersteller angehalten, Schnittstellenlösungen zu konzipieren sowie Betriebsstrukturen und Kommunikationswege anzupassen6. Die neue Regelung sieht keine zeitliche Toleranzgrenze vor, weshalb auch bei kurzfristigen und kurzzeitigen Dienstreisen eine A1-Bescheinigung erforderlich ist. Darunter fallen auch Vorträge und Lehrgänge sowie Meetings; selbst zum Tanken im EU-Ausland ist eine solche Bescheinigung mitzuführen. Auch Auslandsreisen, die nur wenige Tage oder Stunden dauern, werden erfasst. Für die betriebliche Praxis ist dies mit erheblichem Aufwand und Risiken verbunden. Schon jetzt berichten Arbeitgeber von verstärkten Kontrollen, bei denen Prüfer an Flughäfen und in Hotels gezielt Dienst- und Geschäftsreisende kontrollieren. In Österreich und Frankreich wird bislang von einer Geldstrafe abgesehen, sofern etwa in Form einer Eingangsbestätigung des Antrags nachweisbar ist, dass die A1-Bescheinigung vor Antritt der Dienstreise beantragt wurde. Empfohlen wird daher, auch bei kurzfristigen Dienstreisen die nach Beantragung der Bescheinigung übersandte Eingangsbestätigung vom Arbeitnehmer mitzuführen7. Solange diese nicht vorliegt, sollte zumindest eine Kopie des Fragebogens als Nachweis dienen. Softwareersteller von Entgeltabrechnungsprogrammen sind bemüht, weitere Lösungen zu schaffen, damit Arbeitgeber trotz maschinellen Antrags eine Druckdatei erhalten8. Eine nachträgliche Beantragung genügt nicht.
5 6 7 8
GKV-Spitzenverband, DRV Bund, DGUV, ABV, Gemeinsame elektronische Antrags- und Bescheinigungsverfahren A1 nach 28.6.2018, S. 4. GKV-Spitzenverband, DRV Bund, DGUV, ABV, Gemeinsame elektronische Antrags- und Bescheinigungsverfahren A1 nach 28.6.2018, S. 5. Vgl. Kuhn/Scrupa, DB 2018, 2054. GKV-Spitzenverband, DRV Bund, DGUV, ABV, Gemeinsame elektronische Antrags- und Bescheinigungsverfahren A1 nach 28.6.2018, S. 3.
520
Grundsätze für das § 106 SGB IV v. Grundsätze für das § 106 SGB IV v. Grundsätze für das § 106 SGB IV v.
Notwendigkeit von A1-Bescheinigungen bei vorübergehenden Auslandstätigkeiten
Um festzustellen, bei welchem Versorgungsträger die A1-Bescheinigung zu beantragen ist, ist eine Abgrenzung von Entsendung und gewöhnlicher Erwerbstätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten erforderlich. Eine Entsendung stellt eine gelegentliche Auslandstätigkeit dar, die auch mehrere Einsätze im selben oder in unterschiedlichen Ländern umfasst, ohne dass dies im Voraus festzustehen hat (Art. 12 Verordnung 883/2004/EG). Dabei ist die jeweilige gesetzliche Krankenkasse oder – bei Privatversicherten – die Deutsche Rentenversicherung zuständig. Im Falle einer zusätzlichen berufsständischen Versorgung ist der Antrag an die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen zu richten. Eine gewöhnliche Erwerbstätigkeit in mehreren europäischen Mitgliedstaaten liegt vor, wenn davon auszugehen ist, dass der Mitarbeiter von seinem Arbeitgeber in den nächsten zwölf Monaten regelmäßig in einem bestimmten anderen europäischen Mitgliedstaat eingesetzt wird. Hiervon ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer mindestens an einem Tag im Monat oder fünf Tage im Quartal wiederkehrend in einem oder mehreren anderen Mitgliedsstaaten beschäftigt ist bzw. nach der Planung des Arbeitgebers sein soll. Bei der insoweit notwendigen Prognose können Erfahrungswerte der Vergangenheit genutzt werden. Dazu müssen die Auslandseinsätze nicht exakt im Voraus feststehen. Es genügt, dass eine entsprechende Einsatzform geplant ist. Der Antrag ist dann bei der Deutschen Verbindungsstelle der Krankenversicherungen – Ausland (DVKA) in Bonn zu beantragen. Um nicht stets eine neue Bescheinigung beantragen zu müssen, können sich gewöhnlich in mehreren Mitgliedstaaten Erwerbstätige dabei auch eine Art „A1-Dauerbescheinigung“ ausstellen lassen. Gleiches gilt für im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer, die einen wesentlichen Teil ihrer Beschäftigung, d. h. mindestens 25 % der Arbeitszeit, im Wohnsitzstaat erbringen und/oder 25 % des Arbeitsentgelts dort beziehen9. Auch Selbständige, die auch bei einer Beschäftigung im Inland allein für die Einhaltung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten verantwortlich sind, müssen sich an den zuständigen Sozialversicherungsträger des Entsendestaats wenden, um eine A1-Bescheinigung zu beantragen10. Die DVKA unterscheidet zwischen einer selbständigen Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten und einer Beschäftigung bei gleichzeitiger selbständiger Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten. Die Einstufung als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit erfolgt nach den Bestimmungen des Staates, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird. Auch wenn der Selbständige bei fehlender A19 Kuhn/Scrupa, DB 2018, 2054, 2055. 10 Kuhn/Scrupa, DB 2018, 2054, 2055.
521
Aktuelles aus Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
Bescheinigung verpflichtet ist, Bußgelder zu zahlen, und der Auftraggeber nicht in das Beantragungsverfahren im Entsendestaat einbezogen wird, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Auftraggeber dem Vorwurf der Schwarzarbeit ausgesetzt wird. Es empfiehlt sich daher, in Verträge mit Selbständigen explizite Regelungen aufzunehmen. Auch wenn damit die öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit sowie die Gefahr eines Bußgeldes nicht beseitigt werden, erhöht eine entsprechende Regelung doch die Wahrscheinlichkeit, dass von Seiten des Selbständigen die Pflichten im Zusammenhang mit der A1-Bescheinigung erfüllt werden. (Ga/Kr)
2.
Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2019 2018 West
2019 Ost
West
Ost
Monat
Jahr
Monat
Jahr
Monat
Jahr
Monat
Jahr
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Rentenversicherung) *
6.500
78.000
5.800
69.600
6.700
80.400
6.150
73.800
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Knappschaft) *
8.000
96.000
7.150
85.800
8.200
98.400
7.600
91.200
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Arbeitslosenversicherung) *
6.500
78.000
5.800
69.600
6.700
80.400
6.150
73.800
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Kranken- und Pflegeversi-
4.425
53.100
4.425
53.100
4.537,50
54.450
4.537,50
54.450
Versicherungspflichtgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Kranken- und Pflegeversi-
4.950
59.400
4.950
59.400
5.062,50
60.750
5.062,50
60.750
Bezugsgröße in der Sozial-
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
versicherung ***
3.045
36.540
2.695
32.340
3.115
37.380
2.870
37.380
Geringfügigkeitsgröße
EUR
EUR
EUR
EUR
450
450
450
450
cherung) *
cherung) **
522
Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2019 *
Hierbei handelt es sich um den Maximalbetrag, bis zu dem in der jeweiligen Sozialversicherung Beiträge erhoben werden dürfen. Der Einkommensanteil, der über diesem Grenzbetrag liegt, ist beitragsfrei.
**
Eine private Krankenversicherung darf gewählt werden, wenn im vergangenen Jahr die Versicherungspflichtgrenze überschritten wurde und auch im aktuellen Kalenderjahr noch überschritten wird.
***
In der gesetzlichen Krankenversicherung ist diese Bezugsgröße beispielsweise Grundlage für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder und das Mindestarbeitsentgelt. In der gesetzlichen Rentenversicherung stellt die Bezugsgröße die Grundlage für die Beitragsberechnung versicherungspflichtiger Selbständiger dar. In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gilt der Wert für den Westen bundeseinheitlich. (Rö)
523
Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen. A1-Bescheinigung 519 ff. - Antragsstellung 520 - Dauerbescheinigung 521 - DVKA 521 - Geldstrafe 520 - Software 519 Abberufung, Geschäftsführer 123 f. Abfindung - Altersgrenze 202 ff. - Betriebsratsmitglied 401 ff., 403 - Betriebszugehörigkeit 200 ff. - Bezugseinkommen 200 ff. - Diskriminierung Behinderung 202 f. - Gleichbehandlung 345 - Sozialplan 200 ff. - Stichtagsregelung 487 ff. AGB-Kontrolle - Arbeitszeiterhöhung 333 ff. - Ausschlussfrist 56 ff., 323 ff. - Betriebsvereinbarungsoffenheit 165, 457 f. - Bezugnahmeklausel 139 ff., 433 ff. - Einwilligung 328 - Gleichstellungsabrede 139 ff. - Hauptleistungspflicht 148 - Kündigungsfrist 87 ff. - Sonderleistung 75 ff. - Tarifvertrag 342 Aktienoption, Auskunftsanspruch 462 Altersdiskriminierung - befristeter Arbeitsvertrag 37 ff. - Betriebsrente 125 ff. Altersdiskriminierung
- Kündigungsfristen 256 f. Altersgrenze - Altersrente 122 f. - Apotheker 123 - Arzt 123 - befristeter Arbeitsvertrag 37 ff. - Diskriminierung Behinderung 202 ff. - Steuerberater 123 - Syndikusrechtsanwalt 123 Altersrente → Gesetzliche Altersrente Altersteilzeit, Gleichbehandlung 345 Altvertrag, Ausschlussfrist 325 Änderungskündigung - Betriebsübergang 144 ff. - Bezugnahmeklausel 144 ff., 513 Änderungsvereinbarung, Bezugnahmeklausel 513 Anerkenntnistarifvertrag, Nachwirkung 142 f. Angemessenheit, Kündigungsfrist 89 ff. Anhörung, Verdachtskündigung 407 ff. Anwesenheitspflicht, Betriebsratsmitglied 160 Arbeit 4.0, Koalitionsvertrag 2 Arbeit auf Abruf 14 f., 245 f. - Entgeltfortzahlung 15 - Höchstgrenzen 14 - Mindestarbeitszeit 14 - Planbarkeit 22 f. Arbeitnehmer 525
Stichwortverzeichnis
- generisches Maskulinum 29 f. - Kündigungsfrist 87 ff. Arbeitnehmerdatenschutz → Datenschutz Arbeitnehmerüberlassung - Arbeitgeberwechsel 308 ff. - Betriebsratsmitglied 307 - Branchenzuschlag 302 ff. - Einsatzdauer 302 ff. - Entsenderichtlinie 277 - Equal-Pay-Grundsatz 302 ff. - Erlaubnispflicht 308 ff. - Evaluation 272 - Höchstdauer 302 ff., 308 - Kennzeichnungspflicht 310 f. - Massenentlassung 382 f. - Scheinselbständigkeit 310 f. - Statistik 272 - Unterbrechung 302 ff., 304 ff. - Verwirkung 308 ff. Arbeitsgericht, Geschäftsführer 123 f. Arbeitskampf - Mitbestimmung Betriebsrat 427 ff. - Streikbruchprämie 425 ff. - Tarifpluralität 250 ff. Arbeitslosenversicherung - Beitrag 263 - Beitragssatz 7 - Koalitionsvertrag 7 Arbeitsschutz - Anpassungsverantwortung 54 - Arbeitsverweigerung 315 ff. - Auswahlverantwortung 54 - Berichtspflicht 5 f. - Delegation 55 f. - Direktionsrecht 315 ff. - Erholungsurlaub 364 - Geschäftsführung 54 Arbeitsschutz 526
- ISO 45001 55 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 171 ff., 478 - Mutterschutz 54 - Organisation 54 ff. - Überwachungsverantwortung 54 - Unternehmerpflicht 55 - Vorstand 54 Arbeitsstatut, Entsenderichtlinie 20 Arbeitsvertrag - AGB-Kontrolle 148 - Arbeitnehmerbegriff 29 f. - AT-Angestellte 346 ff. - auflösende Bedingung 301 f. - Ausschlussfrist 325 - befristeter → befristeter Arbeitsvertrag - Betriebsvereinbarungsoffenheit 146 ff., 163 ff., 436, 453 ff. - Bezugnahmeklausel 139 ff., 146 ff., 453 ff. - Datenschutz 48 - Einwilligung 327 ff. - generisches Maskulinum 29 f. - Gleichstellungsabrede 139 ff. - Harmonisierung 166 - Hauptleistungspflicht 148 - Kollektivvereinbarungsoffenheit 436 - Kündigungsfrist 87 ff. - Schadenspauschale 359 ff. - schriftlicher Nachweis 20 ff. - Tarifvertragsoffenheit 436 - Verschwiegenheitspflicht 257 f. Arbeitsverweigerung, Arbeitsschutz 315 ff. Arbeitszeit - Auslandsentsendung 353 ff. - auswärtige Arbeitsstätte 351 ff. Arbeitszeit
Stichwortverzeichnis
-
Bereitschaftsdienst 61 Betriebsratsmitglied 160 Betriebsvereinbarung 3 f., 353 Erörterungspflicht 241 f. EU-Richtlinie 356 Flexibilisierung 66 Koalitionsvertrag 3 f. Krankenhaus 61 Leitende Angestellte 3 Mindestruhezeit 64 ff. Mitbestimmung Betriebsrat 174 ff. - Null-Stunden-Vertrag 21 - Rufbereitschaft 61 ff. - Ruhetag 64 ff. - Sonntagsarbeit 66 f. - Tariföffnungsklausel 3 - Tarifvertrag 357 f. - Vergütungspflicht 352 ff. - Verkürzung 11 ff. - Verlängerung 13 f., 244 f. Arbeitszeiterhöhung - AGB-Kontrolle 333 ff. - Angemessenheit 335 f. - befristete 333 ff. - Schadensersatz 336 ff. Arbeitszeitverlängerung → Arbeitszeiterhöhung AT-Angestellte 346 ff. - Arbeitsvertrag 346 ff. - geborene 346 f. - gekorene 347 - Vergütungsanspruch 346 ff. Aufhebungsvertrag - Betriebsratsmitglied 115 f., 401 ff. - Nichterfüllung 116 ff. - Rücktritt 116 ff. - Verschwiegenheitspflicht 257 f.
Auflösende Bedingung, Schriftform 301 f. Auflösungsantrag - Kündigungsschutzprozess 403 ff. - wahrheitswidriger Prozessvortrag 403 ff. - Wirkungsweise 404 Aufsichtsrat, Frauenquote 1 f. Aufspaltung - Betriebsübergang 215 - Interessenausgleich 216 f. - Wahlrecht Arbeitnehmer 217 f. - Zuordnung Arbeitnehmer 212 ff., 216 ff. Auftragsnachfolge, Betriebsübergang 211 f. AÜG, Koalitionsvertrag 5 Ausbildungsvergütung, Koalitionsvertrag 2 Ausgleichszeitraum, Mitbestimmung Betriebsrat 175 ff. Auskunftsanspruch - Aktienoption 462 - Ausgleichsabgabe 463 - Betriebsrat 461 ff. - Entgelttransparenz 70 ff. Ausland, Konzernbetriebsrat 441 ff. Auslandseinsatz - Kündigung 482 ff. - Matrix 484 - Mitbestimmung Betriebsrat 482 ff. Auslandsentsendung - A1-Bescheinigungen 519 ff. - Arbeitszeit 353 ff. Ausschlussfrist - AGB-Kontrolle 56 ff., 323 ff. - Altvertrag 325 527
Stichwortverzeichnis
Ausschlussfrist - Arbeitsvertrag 325 - Begriff 320 f. - Formulierung 58 f. - Formulierungsvorschlag 325 - Geltendmachung 59 - Hemmung 321 ff. - Kündigungsschutzklage 59 - MiLoG 57 - Mindestlohn 323 ff. - Pflichtverletzung 57 - Tarifvertrag 320 ff. - Transparenz 56 ff. - Transparenzgebot 323 ff. - Urlaub 85 - Urlaubsabgeltung 85 - Verbot 56 f. - Vergleichsverhandlung 321 ff. Ausschreibung → Stellenausschreibung Außerordentliche Kündigung 99 ff., 395 ff. - Abmahnung 102 - Betriebsbeeinträchtigung 399 - Betriebsratsanhörung 400 - Betriebsratsmitglied 113 f. - Entgeltfortzahlungskosten 399 ff. - Geschäftsgeheimnis 99 ff., 102 - Interessenabwägung 99 ff. - Krankheit 395 ff. - Kündigungserklärungsfrist 100, 410 - negative Gesundheitsprognose 398 - privater E-Mail-Account 99 ff. - Regelreferenzzeitraum 309 - Schwerbehinderte 400, 410 ff., 412 f. - Ultima Ratio 396 f., 400 - Verdachtskündigung 407 ff. 528
Außerordentliche Kündigung - Wahlbewerber 109 ff. - Zustimmungsersetzungsverfahren 111, 114 - Zwei-Wochen-Frist 100, 110 Ausübungskontrolle, billiges Ermessen 79 f. Auswärtige Arbeitsstätte, Arbeitszeit 351 ff. BDSG → Datenschutz Bedingung, auflösende 301 f. Befristeter Arbeitsvertrag 269 ff. - 5-Jahres-Frist 6 f., 271 - Altersdiskriminierung 37 ff. - Altersgrenze 37 ff. - Brückenteilzeit 6 f. - Diskriminierung 37 ff. - EU-Richtlinie 38 ff., 295, 334 - Hinausschieben 39 - Höchstdauer 6 - Höchstgrenze 6 - Kettenarbeitsverhältnis 6 - Kettenbefristung 270 - Koalitionsvertrag 5 ff., 270 f. - Personalplanung 40 f. - Quote 6 - Rechtsfortbildung 296 f. - sachgrundlos 6, 270, 295 ff. - Schriftform 34 ff., 301 f. - Tarifvertrag 298 ff. - Verlängerung 6, 37 ff. - Zuvor-Beschäftigung 295 ff. Begünstigung, Betriebsratsmitglied 115 f., 401 ff. Behinderung - Abfindung 202 f. - Diskriminierung 31 ff., 202 ff. - Kündigung 410 ff. - Vorruhestand 202 ff.
Stichwortverzeichnis
Beitragsbemessungsgrenzen, Sozialversicherung 522 bEM → Betriebliches Eingliederungsmanagement Bereitschaftsdienst - Arbeitszeit 61 - Kennzeichnung 61 f. Beschäftigtendatenschutz → Datenschutz Beschäftigungsanspruch 391 ff. Betriebliche Altersversorgung - Abstandsklausel 125 ff. - Altersdiskriminierung 125 ff. - bAV-Förderbetrag 226 - BMF-Schreiben 223 ff. - BRSG 420 - Entgeltumwandlung 225, 420 ff. - Entsenderichtlinie 19 - Insolvenz 130 ff. - Pensionskasse 130 ff. - Pflichtverletzung 415 f. - PSV 130 ff. - Rechtsmissbrauch 415 ff. - Spätehenklausel 125 ff. - Steuerfreiheit 224 ff. - Stichtagsklausel 137 - Straftat 418 f. - Tariföffnungsklausel 420 ff. - Verwirkung 417 ff. - Vordienstzeit 135 ff. - Widerruf 415 ff. Betriebliches Eingliederungsmanagement - Datenschutz 103 ff. - Direktionsrecht 53, 108 - Einladung 108 f. - Einwilligung 106 f. - Gesundheitsdaten 103 ff. - Kündigung 103 ff. - Obliegenheit 108 - Versetzung 50 ff., 320
Betriebliches Eingliederungsmanagement - Zweck 50 ff., 107 f. Betriebsänderung - Desk-Sharing 481 - Einigungsstelle 197 f. - geplante 195 ff. - Kennzeichnung 195 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 195 ff. - Stichtagsregelung 487 ff. - Umsetzung 198 - zuständiger Betriebsrat 199 f. Betriebsbedingte Kündigung - Leiharbeitnehmer 94 ff. - Mutterschutz 92 f. - schwangere Arbeitnehmerin 92 f. - Sozialauswahl 96 ff. Betriebsbegriff, Flugbetrieb 265 ff. Betriebsführungsvertrag, Betriebsübergang 209, 493 ff. Betriebsgeheimnisse, Schutz 15 ff. Betriebsinhaberwechsel, Kennzeichnung 490 ff. Betriebsrat - Auffangzuständigkeit 445 - Auskunftsanspruch 461 ff. - Einheitlichkeit der Mitbestimmung 171 ff. - gemeinsamer Betrieb 385 ff. - Geschäftsgeheimnis 258 - Kosten 190 - Minderheitengeschlecht 28 - Rechtsanwalt 192 f. - Übergangsmandat 205 ff. Betriebsratsmitglied - Anwesenheitspflicht 160 - Arbeitnehmerüberlassung 307 - Arbeitszeit 160 f. - AT-Bereich 452 529
Stichwortverzeichnis
Betriebsratsmitglied - Aufhebungsvertrag 401 ff. - außerordentliche Kündigung 113 f. - Begünstigung 115 f., 155 ff., 401 ff., 449 ff. - Benachteiligung 155 ff., 307, 449 ff. - Bereicherung 157 - betriebsübliche Entwicklung 449 - Entgeltfortzahlung 157 - Freistellung 155 ff., 161 ff. - Gehaltserhöhung 449 ff. - Gleichbehandlung 155 ff. - Kündigungsschutz 402 - Leiharbeit 307 - Mehrarbeit 159 - Schichtzulage 159 f. - Sozialplan 403 - Urlaubsentgelt 157 - Vergleichsgruppe 115 f., 452 f. - Zulagen 156 ff. Betriebsratswahl - Anfechtbarkeit 154 - Beeinflussung 153 ff. - Begünstigung 153 ff. - Benachteiligung 153 ff. - Koalitionsvertrag 5 - Neutralitätsgebot 153 - vereinfachtes Wahlverfahren 5 - Wahlbewerber 109 ff. Betriebsrente → Betriebliche Altersversorgung Betriebsrentner - Datenschutz 41 - Gleichbehandlung 344 ff. Betriebsteilübergang → Umwandlung Betriebsübergang - Bezugnahmeklausel 143 ff. - Änderungskündigung 144 ff. 530
Betriebsübergang - Asklepios 143 ff. - Aufspaltung 212 ff. - Auftragsnachfolge 211 f. - Betriebsführungsvertrag 209 ff., 493 ff. - Betriebsinhaberwechsel 209 ff., 490 ff., 496 - Bezugnahmeklausel 512 ff. - Caritas 144 - Diakonie 144 - dreiseitige Vereinbarung 502 ff. - Erwerberhaftung 514 ff. - EU-Richtlinie 280 ff., 490 - gemeinsamer Betrieb 386 - Geschäftsgeheimnis 505 - grenzüberschreitender 280 ff. - grundlegende Information 220 - Insolvenz 514 ff. - Interessenausgleich 216 f. - Kriterien 490 ff. - Kündigungsschutz 498 f. - PSV 514 ff. - Rotes Kreuz 144 - Spaltung 280 ff. - Sperrwirkung Tarifvertrag 507, 509 - Tarifbindung 143 ff., 510 ff. - Tarifvertrag 143 ff. - Tarifwechsel 512 ff. - Übergangsmandat 205 ff. - Unternehmensmitbestimmung 283 ff. - Überleitungsvereinbarung 510 ff. - Unterrichtungspflicht 497 ff. - Vergütungsordnung 506 ff. - Verwirkung 210 f., 219 ff., 500 ff. - Verzicht Widerspruchsrecht 502 ff.
Stichwortverzeichnis
Betriebsübergang - Wahlrecht Arbeitnehmer 217 f. - Widerspruchsfrist 219 - Widerspruchsrecht → Widerspruch Betriebsübergang - Zuordnung Arbeitnehmer 212 ff. Betriebsvereinbarung - ablösende 163 ff. - Arbeitnehmerbegriff 29 f. - Arbeitszeit 3 f., 353 - AT-Angestellte 465 ff. - Bezugnahme Tarifvertrag 146 ff. - Bezugnahmeklausel 146 ff., 453 ff. - Datenschutz 43, 48, 166 ff., 328 - Erholungsurlaub 430 ff. - Gehaltsgruppen 465 ff. - Gehaltshöhe 465 ff. - generisches Maskulinum 29 f. - Gesamtzusage 470 - Günstigkeitsprinzip 432 - Harmonisierung 163 ff., 166 - Leistungskontrolle 169 f. - Rechenschaftspflicht 168 - Schriftformerfordernis 168 - Sperrwirkung Tarifvertrag 430 ff. - Stichtagsregelung 487 ff. - Tarifsperre 465 ff. - Teilunwirksamkeit 469 f. - Umdeutung 470 - Umkleidezeit 69 f. - Unwirksamkeit 469 - Urlaubsentgelt 430 ff. - Verarbeitungsverbot 169 f. - Verhaltenskontrolle 169 f. - Verhältnismäßigkeit 167 Betriebsvereinbarungsoffenheit - AGB-Kontrolle 457 f. - Arbeitsvertrag 146 ff., 453 ff. Betriebsvereinbarungsoffenheit
- Bezugnahmeklausel 146 ff., 453 ff. - Gesamtzusage 163 ff. - Transparenz 457 f. Betriebszugehörigkeit, Auslandseinsatz 482 ff. BetrVG - Betriebsbegriff 265 ff. - Flugbetrieb 264 ff. Beweisverwertung, Datenschutz 387 ff. Bewerber - Datenschutz 41 - Diskriminierung 30 ff. Bezugnahmeklausel - AGB-Kontrolle 433 ff. - Altvertrag 434 - Änderungskündigung 144 ff., 513 - Änderungsvereinbarung 513 - Betriebsübergang 143, 512 ff. - Betriebsvereinbarung 146 ff., 453 ff. - Betriebsvereinbarungsoffenheit 146 ff., 453 ff., 457 f. - Firmentarifvertrag 433 ff. - Günstigkeitsprinzip 434 f. - Neuvertrag 434 - Tarifvertrag 300 - Tarifwechsel 433 ff. - Verbandstarifvertrag 433 ff. Bezugsgröße, Sozialversicherung 522 Billiges Ermessen - Ausübungskontrolle 79 f. - Direktionsrecht 53 BMF-Schreiben - Betriebsrente 223 ff. - BRSG 223 ff. - Dienstwagen 226 ff.
531
Stichwortverzeichnis
Branchenzuschlag, Arbeitnehmerüberlassung 302 ff. BRSG - BMF-Schreiben 223 ff. - Entgeltumwandlung 420 ff. - Tariföffnungsklausel 420 ff., 424 - Übergangsvorschrift 420 ff. Brückenteilzeit 10 ff., 241 ff. - Ablehnung 243 - Anspruch 11 ff. - Anspruchsinhalt 242 f. - Anwendungsbereich 11, 242 - Dauerarbeitszeit 242 f. - Erörterungspflicht 241 ff. - Lage Arbeitszeit 242 - Schadensersatz 336 ff. - Tarifvertrag 13, 244 - Überlassungsschutz 12 f. - Voraussetzungen 11 Bundesregierung, Koalitionsvertrag 1 ff. Compliance - Geschäftsgeheimnis 259 - Unternehmensstrafrecht - Verarbeitungsverbot 169 f. Datenschutz - Arbeitsvertrag 48, 327 ff. - Aufklärungspflicht 328 - Aufsichtsbehörde 49 - Ausnahmen 45 f. - BDSG 43, 166 ff. - betriebliches Eingliederungsmanagement 103 ff. - Betriebsrentner 41 - Betriebsvereinbarung 43, 48, 166 ff., 328 - Beweislast 44 - Bewerber 41 - Bußgeld 41 532
Datenschutz - Datenerhebung 42 ff. - Datenminimierung 168 - Dienstvereinbarung 43 - Dokumentation 44 - DSGVO 41 ff. - Einwilligung 106 f., 327 ff. - Informationspflicht 41 ff., 168 f. - Integrität 168 - Koalitionsvertrag 4 - Kündigung 387 ff. - Kündigungsschutzprozess 103 ff., 387 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 181 - Neuregelung 269 - Rechenschaftspflicht 168 - Rechtmäßigkeit 168 - Richtigkeit 168 - Schriftform 328 - Speicherfristen 168, 387 ff., 390 f. - Sprache 49 f. - Tarifvertrag 43 - Transparenz 168 - Übersetzungserfordernis 49 f. - Unterrichtungspflicht 41 f., 168 f. - Verarbeitungsverbot 169 f. - Verhältnismäßigkeit 167 - Vertraulichkeit 168 - Widerrufsrecht 329 - Zweckänderung 43 - Zweckbindung 43, 168 Deckungslücke, Pensionskasse 130 ff. Desk-Sharing - Betriebsänderung 481 - Gefährdungsbeurteilung 481 - Mitbestimmung Betriebsrat 477 ff.
Stichwortverzeichnis
Dienstkleidung - Mitbestimmung Betriebsrat 171 ff. - Umkleidezeit 67 ff. Dienstvereinbarung, Datenschutz 43 Dienstwagen - Anschaffungskosten 228 - Besteuerung 226 ff. - BMF-Schreiben 226 ff. - Entgeltumwandlung 227 - Nutzungsentgelt 227 f. - pauschaler Nutzungswert 227 Direktionsrecht - Arbeitsschutz 315 ff. - bEM 53, 108, 320 - Beschäftigungsanspruch 391 ff. - betriebliches Eingliederungsmanagement 53, 108, 320 - billiges Ermessen 53, 317 ff. - Gesundheitsdaten 108 - Nebenpflicht 316 ff., 319 - Verbindlichkeit 53 - Weiterbeschäftigungsanspruch 391 ff. - Zwangsvollstreckung 391 ff. Diskriminierung - Alter 125 ff., 256 f. - Altersabstandsklausel 125 ff. - Behinderung 31 ff., 202 ff. - Bewerbungsverfahren 30 ff. - Darlegungs- und Beweislast 31 ff. - deutsch 30 f. - Entschädigung 33 f. - ethnische Herkunft 30 f. - EU-Richtlinie 293 - Förderpflichten 31 ff. - Geschlechtsbezeichnung 27 ff., 267 f.
Diskriminierung - Indiz 31 - Kirche 121 - Kündigungsfristen 256 f. - Mutterschutz 311 ff. - Muttersprache 30 f. - Religion 121 - Schadensersatz 33 f. - Schwangerschaft 311 ff. - Spätehenklausel 125 ff. - Sprachkenntnisse 31 - Staatsangehörigkeit 149 - Streikbruchprämie 425 ff. - Unternehmensmitbestimmung 149 - Verfahrenspflichten 31 ff. - Vorruhestand 202 ff. - Weltanschauung 121 Divers, Geschlechtsbezeichnung 27 ff., 267 f. DrittelbG, Arbeitnehmer Ausland 149 DSGVO 166 ff. Eigenkündigung, Krankheit 395 ff. Eingruppierung, Mitbestimmung Betriebsrat 471 ff. Einheitsregelung, Betriebsvereinbarungsoffenheit 163 ff. Einigungsstelle - betriebsangehöriger Beisitzer 189 - betriebsfremder Beisitzer 189 ff. - Freistellung Betriebsratsmitglied 161 ff. - Honorar 189 ff. - Interessenausgleich 197 f. - Kosten 189 ff. - Sozialplan 197 f. - Vergütung 189 ff. 533
Stichwortverzeichnis
Einstellung - Matrix-Struktur 186 ff., 475 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 186 ff. - Unterlassungsanspruch 476 Einwilligung - AGB-Kontrolle 328 - Datenschutz 327 ff. - Konzern 328 f. - Widerrufsrecht 329 Elternurlaub 23 Elternzeit - Beendigung 330 ff. - Erholungsurlaub 372 ff. - EU-Richtlinie 278 ff. - Geburt weiteres Kind 330 ff. - Mutterschutzfrist 331 f. Entgeltfortzahlung - Arbeit auf Abruf 15 - Betriebsratsmitglied 157 Entgelttransparenz, - ABAKABA 73 - Anwendungsbereich 71 - Ausbildung 73 - Auskunftsanspruch 70 ff. - Beratungsanspruch 2 - Berichtspflicht 74 f. - Betriebsbezug 71 - EFA-Liste 73 - EG-Check 73 - gleichwertige Tätigkeit 72 ff. - ILO 73 - Koalitionsvertrag 2 - Konzern 74 - Lagebericht 74 - Logib-D 72 - Lohn- und Gehaltsliste 173 f. - Monitor-Entgelttransparenz 72 - Vergleichstätigkeit 71 f. Entgeltumwandlung - Dienstwagen 227 534
Entgeltumwandlung - Sozialversicherung 225 - Tariföffnungsklausel 420 ff. - Tarifvertrag 420 ff. - Zuschlagspflicht 225 Entschädigung - Diskriminierung 33 f. - Fristen 33 f. - Geltendmachung §§ F: Entsenderichtlinie 19 f., 275 ff. - Anwendungsbereich 19 - Arbeitnehmerüberlassung 277 - Arbeitsstatut 20 - Betriebsrente 19 - Entlohnung 19 - Entsendedauer 276 f. - Internationales Privatrecht 20 - Konzern 277 - Leiharbeit 277 - Mindestarbeitsbedingungen 276 - Neufassung 275 - Straßenverkehr 277 Equal-Pay-Grundsatz 302 ff. Erholungsurlaub - Arbeitsleistung 373 - Arbeitsschutz 364 - Aufklärungspflicht 362 - Ausschlussfrist 85, 376 ff. - Betriebsvereinbarung 430 ff. - Elternzeit 372 ff. - Entstehung 373 ff. - Erben 366 f. - Ersatzurlaub 376 ff. - GRC 365 - Inanspruchnahme 361 ff. - krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit 365, 374 - Kündigung 381 f. - Kurzarbeit 370 ff. - Kürzung 372 ff. - Mutterschutz 374
Stichwortverzeichnis
Erholungsurlaub - Sabbatical 375 - Schadensersatz 84 f., 376 ff. - Scheinselbständigkeit 81 ff. - Sonderurlaub 375 - Teilzeit 367 ff. - Urlaubsabgeltung 361 ff. - Urlaubsentgelt 367 ff. - Vererblichkeit 365 - Verfall 361 ff. - Verjährung 85 - vermögensrechtlicher Anspruch 366 - Verzicht 364 - Wartezeit 374 f. - Zweck 373 ff. Ermessensgratifikation 75 ff. Ersatzmitglied → Betriebsratsmitglied Ersatzurlaub, Ausschlussfrist 376 ff. Erwerberhaftung, Insolvenz 514 ff. Ethnische Herkunft, Diskriminierung 30 f. EU-Richtlinie - Arbeitszeit 61 ff., 81 ff., 356 - befristeter Arbeitsvertrag 38, 295, 334 - Betriebsübergang 143 ff., 490 - Diskriminierung 293 - Elternurlaub 23, 278 f. - Entsenderichtlinie 19 f., 275 ff. - Europäischer Betriebsrat 279 f. - Gleichbehandlung 293 - Hinweisgeber 24 ff. - Massenentlassung 383 - Mutterschutz 92 f. - Nachweisrichtlinie 20 f. - Pflegeurlaub 23 f., 278 f. - Rechtsformwechsel 280 ff. - Spaltungen 280 ff.
EU-Richtlinie - transparente Arbeitsbedingungen 20 ff., 277 f. - Umwandlungen 280 ff. - Unternehmensmitbestimmung 283 ff. - Urlaub 81 ff. - Vaterschaftsurlaub 23, 278 f. - Verschmelzungen 280 ff. - Whistleblower 24 ff., 286 ff. - Work-Life-Balance 23 f., 278 f. - Zahlungsverzug 359 Europäischer Betriebsrat - Bericht 279 f. - EU-Richtlinie 279 f. Fahrtzeit, Vergütung 351 ff., 353 ff. Fehlverhalten, Whistleblower 258 ff. Firmentarifvertrag, Bezugnahmeklausel 433 ff. Flugbetrieb - Betriebsbegriff 265 ff. - BetrVG 264 ff. - Kennzeichnung 265 - Tarifvertrag 264 ff., 276 Fortbildungsförderung 261 ff. Frauenquote - Aufsichtsrat 1 f. - Geschäftsführung 1 f. - Meldepflicht 1 - Vorstand 1 f. Freistellung - Beratungspflicht 161 ff. - Betriebsratsmitglied 161 ff. - Einigungsstelle 161 ff. - Gesamtbetriebsrat 446 - Konzernbetriebsrat 446 Freiwilligkeitsvorbehalt, Sonderleistung 75 535
Stichwortverzeichnis
Gefährdungsbeurteilung - Mitbestimmung Betriebsrat 171 f., 181 f., 481 - Mutterschutz 311 f. Geltendmachung, Ausschlussfrist 59 Gemeinsamer Betrieb - Betriebsrat 385 ff. - Betriebsübergang 386 - Sozialauswahl 385 ff. - Treu und Glauben 387 Geplante Betriebsänderung 196 f. Gerichtsvollzieher, Kündigung 382 Geringfügige Beschäftigung - Mindestlohn 273 - Verdienstgrenze 272 f. Geringfügigkeitsgröße 522 Gesamtbetriebsrat - Auffangzuständigkeit 445 - Betriebsänderung 199 - Einheitlichkeit der Mitbestimmung 171 ff. - Entgelttransparenz 173 f. - Freistellung 446 - Lohn- und Gehaltsliste 173 f. - Zuständigkeit 170 ff. Gesamtzusage, Betriebsvereinbarungsoffenheit 163 ff. Geschäftsführer - Abberufung 123 f. - Arbeitsgericht 123 f. - Kündigungsschutz 123 f. Geschäftsführung - Arbeitsschutz 54 - Frauenquote 1 f. Geschäftsgeheimnis - Arbeitsgericht 17 - Begriff 15 f., 257 f. - Betriebsrat 258 - Betriebsübergang 505 536
Geschäftsgeheimnis - Compliance 259 - Fehlverhalten 259 - Gerichtsstand 17, 260 - Meinungsäußerung 258 - Offenlegung 257 - Schadensersatz 17 - Schutz 258 - Unterlassungsanspruch 17 - Verschwiegenheitspflicht 257 f. - Whistleblower 16 f., 258 ff., 290 - Schutz 15 ff. Geschlechtsbezeichnung 27 ff., 267 f. Gesellschaftsrecht, EURichtlinie 280 ff. Gesetzliche Altersrente 8 - Altersgrenze 122 f. - Selbständiger 8 f. - Zugangsalter 8 Gesundheitsschutz, Mitbestimmung Betriebsrat 171 ff. Gewerkschaft, Mitglieder 255 Gewerkschaftsmitgliedschaft, Nachwirkung Tarifvertrag 141 ff. Gleichbehandlung - Betriebsratsmitglied 155 ff., 401 ff. - Betriebsrentner 344 ff. - EU-Richtlinie 293 - Stichtag 344 - Streikbruchprämie 425 ff. - Teilzeit 345 Gleichheitssatz, Geschlechtsbezeichnung 27 ff. Gleichstellung → Behinderung Gleitzone, Verdienstgrenze 273 Gratifikation → Sonderleistung Günstigkeitsprinzip - Bezugnahmeklausel 434 f.
Stichwortverzeichnis
Günstigkeitsprinzip - Tarifvertrag 432 Hemmung, Ausschlussfrist 321 ff. Hinweisgeber → Whistleblower Höchstarbeitszeit, Koalitionsvertrag 3 Home-Office, Koalitionsvertrag 4 Insolvenz - Betriebsrente 130 ff. - Betriebsübergang 514 ff. - Erwerberhaftung 514 ff. - Pensionskasse 130 ff. - PSV 514 ff. Inter/Divers 27 ff., 267 ff. Interessenausgleich - Aufspaltung 216 f. - Betriebsübergang 216 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 196 ff. - Spaltung 216 f. - Zuordnung Arbeitnehmer 216 f. Internationales Privatrecht, Entsenderichtlinie 20, 275 ff. Jubiläumsgeld → Sonderleistung Katholische Kirche, Kündigung 119 ff. Kettenbefristung 270 Kirche, Diskriminierung 121 Klagefrist, Kündigung 379 ff. Klageverzicht, Stichtagsregelung 487 ff. Know-How, Schutz 15 ff., 425 ff. Koalitionsfreiheit, Streikbruchprämie 425 ff. Koalitionsvertrag 1 ff. - Altersrente 8 - Arbeit 4.0 2
Koalitionsvertrag - Arbeitslosenversicherung 7 - Arbeitszeit 3 f. - AÜG 5 - Ausbildungsvergütung 2 - BDSG 4 - befristeter Arbeitsvertrag 5 ff., 270 f. - Beschäftigtendatenschutz 4 f. - Betriebsratswahl 5 - Compliance 9 - Digitalisierung 2 - Entgelttransparenz 2 - Frauenquote 1 f. - Gleichberechtigung 1 f. - Höchstarbeitszeit 3 - Home-Office 4 - Kommunikationsmittel 4 - Mitbestimmung Betriebsrat 2 - Mitbestimmung 9 f. - mobile Arbeit 4 - OWiG 9 - Ruhezeit 3 - Selbständige 5 - Sozialversicherung 5 - Statusverfahren 5 - Tarifeinheit 7, 244 ff. - TKG 4 - Unternehmensmitbestimmung 9 f. - Unternehmensstrafrecht 9 Konzern im Konzern, Konzernbetriebsrat 444 Konzern - Datenschutz 328 f. - Entgelttransparenz 74 - Entsenderichtlinie 277 - Konzernbetriebsrat 441 ff. - Massenentlassung 383 ff. - Teilkonzern 442 f. 537
Stichwortverzeichnis
Konzern - Unternehmensmitbestimmung 150 ff. Konzernbetriebsrat - Auffangzuständigkeit 445 - Ausland 441 ff. - Betriebsänderung 199 - Freistellung 446 ff. - Konzern im Konzern 444 - Konzernbegriff 441 ff. - Körperschaft öffentlichen Rechts 442 - Teilkonzernspitze 442 f. - Zuständigkeit 445 Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - Ausschlussfrist 327 - Erholungsurlaub 365, 374 - Eigenkündigung 395 ff. - Kündigung 395 ff. Kündigung - Auslandseinsatz 482 ff. - außerordentliche → außerordentliche Kündigung - betriebliches Eingliederungsmanagement 103 ff. - Behinderung 410 ff. - Betriebsratsanhörung 99 - Beweisverwertung 387 ff. - Briefkasten 379 f. - Datenschutz 387 ff. - Diskriminierung Religion 121 - Diskriminierung Weltanschauung 121 - Erholungsurlaub 381 f. - Gerichtsvollzieher 382 - katholische Kirche 119 ff. - kirchliches Privileg 119 ff. - Klagefrist 379 ff. - Massenentlassung 92 ff. - Mutterschutz 92 f. 538
Kündigung - Organist 119 ff. - personenbezogene Daten 387 ff. - schwangere Arbeitnehmerin 92 f. - Schwerbehindertenvertretung 410 ff. - Sonderleistung 340 ff. - Wahlbewerber 109 ff. - Weiterbeschäftigung 391 ff. - Zugang 379 ff. Kündigungsfrist - AGB-Kontrolle 87 ff. - Angemessenheit 89 ff. - Arbeitsvertrag 87 ff. - Betriebszugehörigkeit 256 f. - Neuregelung 256 f. - Verlängerung 87 ff. Kündigungsschutz - Betriebsübergang 498 f. - Geschäftsführer 123 f. - Umwandlung 499 Kündigungsschutzklage - Ausschlussfrist 59 - nachträgliche Zulassung 380 Kündigungsschutzprozess - Auflösungsantrag 403 ff. - Beweisverwertung 387 ff. - Datenschutz 103 ff., 387 ff. - Gesundheitsdaten 103 ff. - Meinungsfreiheit 405 - Prozesslüge 403 ff. - Verwertungsverbot 388 - Weiterbeschäftigung 391 ff. Kurzarbeit, Urlaubsentgelt 370 ff. Lagebericht, Entgelttransparenz 74 Leiharbeit → Arbeitnehmerüberlassung Leiharbeitnehmer - Massenentlassung 94 ff.
Stichwortverzeichnis
Leiharbeitnehmer - Schwellenwerte 94 f. Leistungskontrolle, Datenschutz 169 f. Leitende Angestellte, Arbeitszeit 3 Lohn- und Gehaltsliste, Gesamtbetriebsrat 173 f. Maskulinum, generisches 29 f. Massenentlassung - Konzern 383 ff. - Leiharbeitnehmer 94 ff., 382 f. - Mutterschutz 92 f. Matrix-Struktur - Auslandseinsatz 484 - Einstellung 186 ff., 476 - Mitbestimmung Betriebsrat 475 f. - Unternehmensmitbestimmung 151 - Vorgesetztenwechsel 475 f. Mehrarbeit - Betriebsratsmitglied 159 - Mitbestimmung Betriebsrat 427 ff. Mehrheitsgewerkschaft, Mitglieder 255 Mehrheitstarifvertrag 248 Meinungsäußerung, Geschäftsgeheimnis 258 Mindestlohn - Anhebung 264 - Ausschlussfrist 57, 323 ff. - geringfügige Beschäftigung 273 Mindestruhezeit 65 Mitarbeiterbefragung, Mitbestimmung Betriebsrat 179 ff. MitbestG, Arbeitnehmer Ausland 149
Mitbestimmung Betriebsrat - Anhörung 99 - Arbeitskampf 427 ff. - Arbeitsschutz 171 ff., 181 f., 478 - Arbeitsunfälle 479 - Arbeitsverhalten 185 - Arbeitszeit 174 ff. - Auffangzuständigkeit 445 - Ausgleichszeitraum 175 ff. - Auskunftsanspruch 461 ff. - Auslandseinsatz 182 ff. - außerordentliche Kündigung 400 - Berufskrankheiten 479 - Betriebsänderung 195 ff., 199 f. - Datenschutz 181 - Desk-Sharing 477 ff. - Dienstkleidung 171 ff. - Eingruppierung 471 ff. - Einheitlichkeit 171 ff. - Einigungsstelle 197 f. - Einstellung 186 ff. - Entgelttransparenz 173 f. - Entlohnungsgrundsatz 80 f. - Ermessensgratifikation 80 f. - Freizeit 184 ff. - Gefährdungsbeurteilung 171 f., 181 f., 481 - Geschäftsgeheimnis 258 - Gesundheitsschutz 171 ff., 479 f. - Interessenausgleich 196 ff. - Kündigung 99 - Lohn- und Gehaltsliste 173 f. - Lohngerechtigkeit 174 - Matrix-Struktur 186 ff., 475 ff. - Mehrarbeit 427 f. - Mitarbeiterbefragung 179 ff. - mobile Arbeitsmittel 183 ff. - Moderator 2 - Ordnung im Betrieb 478 - Personalfragebogen 182 - Persönlichkeitsrecht 181 539
Stichwortverzeichnis
Mitbestimmung Betriebsrat - Schichtplan 175, 177 ff. - Schwankungsbreite 175 ff. - Sonderleistung 80 f., 471 ff. - Sozialauswahl 99 - Sperrwirkung Tarifvertrag 431, 507 - Streik 427 ff. - subjektive Determination 99 - Tarifsperre 466 f. - Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung 80 - übertarifliche Leistungen 471 ff. - Umgruppierung 471 ff. - Unterlassungsanspruch 178, 476 - Vergütungsordnung 474, 506 ff. - Vorgesetztenwechsel 186 ff. - Weiterbildung 2 - Work-Life-Balance 183 ff. Mutterschutz - Arbeitsschutz 54, 311 ff. - Beweislast 311 ff. - Darlegungslast 311 ff. - Diskriminierung 311 ff. - Entschädigung 312 - Erholungsurlaub 374 - Gefährdungsbeurteilung 311 f. - Kündigung 92 f. - Massenentlassung 92 f. - Schadensersatz 311 ff. Muttersprache, Diskriminierung 30 f. Nachweisrichtlinie, Überarbeitung 20 ff. Nachwirkung - Anerkenntnistarifvertrag 142 f. - Gewerkschaftsmitgliedschaft 141 ff. - Tarifvertrag 141 ff.
540
Nebenpflicht, Direktionsrecht 316 ff., 319 Neutralitätsgebot, Betriebsratswahl 153 Normalarbeitsverhältnis 269 ff. Null-Stunden-Vertrag 21 Ordnung im Betrieb, Mitbestimmung Betriebsrat 478 Organist, Kündigung 119 ff. Pensionskasse - Betriebsrente 130 ff. - Deckungslücke 130 ff. - Insolvenz 130 ff. - PSV 130 ff. Personalfragebogen, Mitbestimmung Betriebsrat 182 Personalplanung, befristeter Arbeitsvertrag 40 f. Personalrat, Überleitungsvereinbarung 510 ff. Persönlichkeitsrecht - Geschlechtsbezeichnung 27 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 181 Pflegeurlaub, EU-Richtlinie 23 f., 278 f. Probezeit, Höchstdauer 22 PSV - Betriebsübergang 514 ff. - Pensionskasse 130 ff. Qualifizierungschancengesetz 260 ff. Rechtsformwechsel - EU-Richtlinie 280 ff. - Unternehmensmitbestimmung 283 ff., 437 ff. Reisezeit, Vergütung 351 ff., 353 ff.
Stichwortverzeichnis
Religion, Diskriminierung 121 Rücktritt - AGB-Kontrolle 118 - Aufhebungsvertrag 116 ff. - Ausschluss 118 - gegenseitiger Vertrag 117 - Vergleich 116 ff. Rückzahlungsklausel, Tarifvertrag 340 ff. Rufbereitschaft - Arbeitszeit 61 ff. - Kennzeichnung 61 f. Ruhetag, Arbeitszeit 64 ff. Ruhezeit, Koalitionsvertrag 3 Sabbatical, Erholungsurlaub 375 Sachgrundbefristung → Befristeter Arbeitsvertrag Saisonbetrieb, Sozialversicherung 263 Schadensersatz - Arbeitszeiterhöhung 336 ff. - Diskriminierung 33 f. - Ersatzurlaub 376 ff. - Fristen 33 f. - Geltendmachung 33 f. - Mutterschutz 311 ff. - Urlaub 84 f. Schadenspauschale - Arbeitsverhältnis 359 ff. - Verzug 359 ff. Scheinselbständigkeit - Arbeitnehmerüberlassung 310 f. - Risiko 81 ff., 310 f. - Urlaub 81 ff. Schichtplan, Mitbestimmung Betriebsrat 177 ff. Schichtzulage, Betriebsratsmitglied 159 Schriftform - auflösende Bedingung 301 f.
Schriftform - befristeter Arbeitsvertrag 34, 301 f. - Datenschutz 328 - Verzicht Widerspruchsrecht 505 Schulung, Förderung 261 ff. Schwangere Arbeitnehmerin → Mutterschutz Schwellenwert, Unternehmensmitbestimmung 149 Schwerbehinderte - Ausgleichsabgabe 463 - außerordentliche Kündigung 400 - Krankheit 400 Schwerbehindertenvertretung - Anhörung 411 f. - Betriebsrat 412 - Kündigung 410 ff. - Übergangsmandat 205 ff. - Unterrichtung 411 - Zuständigkeit 410 ff. Schwerbehinderung → Behinderung SE - Umwandlung 437 ff. - Unternehmensmitbestimmung 437 ff. Selbständige, Altersrente 8 f. Share-deal, Unternehmensmitbestimmung 286 Sonderleistung - AGB-Kontrolle 75 ff. - Ausübungskontrolle 79 f. - Begünstigungsverbot 157 - Bereicherung 157 - Betriebsratsmitglied 156 ff. - Ermessensvorbehalt 75 f. - Freiwilligkeitsvorbehalt 74 - Kündigung 340 ff. - Mischcharakter 340 - Rückzahlungsklausel 340 ff. - Stichtag 342, 344 ff. 541
Stichwortverzeichnis
Sonderleistung - Tarifvertrag 340 ff. Sonderurlaub, Erholungsurlaub 375 Sonntagsarbeit, Arbeitszeit 66 f. Sozialauswahl - Betriebsratsanhörung 99 - betriebsübergreifende 97 - fiktive 98 - freie Arbeitsplätze 96 ff. - gemeinsamer Betrieb 385 ff. - Weiterbeschäftigung 96 ff. Sozialplan - Abfindung 200 ff. - Auslegung 201 f. - Betriebsratsmitglied 403 - Betriebszugehörigkeit 200 ff. - Bezugseinkommen 200 ff. - Elternzeit 202 - Gleichbehandlung 345 - Stichtagsregelung 487 ff. - Teilzeitbeschäftigung 201 f., 345 - Überbrückungsleistung 201 - Zweck 200 f. Sozialversicherung - A1-Bescheinigung 519 - Beitragsbemessungsgrenzen 522 - Bezugsgröße 522 - Entgeltumwandlung 225 - geringfügige Beschäftigung 272 f. - Geringfügigkeitsgröße 522 - Gleitzone 273 - Saisonbetrieb 263 - Verdienstgrenzen 272 f. - Versicherungspflichtgrenzen 522 Spaltung → Betriebsübergang Speicherfrist, Datenschutz 390 f. Stellenausschreibung, Geschlechtsbezeichnung 27 ff., 267 f. 542
Stichtagsregelung - Abfindung 487 ff. - Betriebsänderung 487 ff. - Betriebsrat 137 - Betriebsvereinbarung 487 ff. - Gleichbehandlung 344 - Klageverzicht 487 ff. - Sonderleistung 342, 344 ff. - Sozialplan 487 ff. Streik - Mitbestimmung Betriebsrat 427 ff. - Streikbruchprämie 425 ff. Tantieme → Sonderleistung Tarif für Pluralität, Arbeitskampf 250 f. Tarifeinheit 7 f., 244 ff. - Auslegungsvorgaben 249 ff. - Mehrheitsgewerkschaft 255 - Nachzeichnungsrecht 253 ff. - Neuregelung 244 ff. - Vereinbarung 251 - Verhältnismäßigkeit 252 f. Tarifpluralität - Arbeitskampf 250 f. - Neuregelung 244 ff. - Tarifeinheit 247 ff. - Vereinbarung 251 - Wiederaufleben 253 Tarifsperre, Betriebsvereinbarung 465 ff. Tarifvertrag 346 ff. - AGB-Kontrolle 342 - Arbeitnehmerbegriff 29 f. - Arbeitnehmerüberlassung 302 ff. - Arbeitszeit 3 f., 357 f. - AT-Angestellte 346 ff. - Ausschlussfrist 320 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 298 ff. - Betriebsübergang 143 ff., 510 ff.
Stichwortverzeichnis
Tarifvertrag - Bezugnahmeklausel 139 ff., 300 - Brückenteilzeit 13, 244 - Datenschutz 43 - Entsenderichtlinie 275 f. - Equal-Pay-Grundsatz 302 ff. - Flugbetrieb 264 ff., 267 - generisches Maskulinum 29 f. - Gleichstellungsabrede 139 ff. - Günstigkeitsprinzip 432 - kollidierender 248 - Mehrheitstarifvertrag 248 - Mindestarbeitsbedingungen 275 ff. - Nachwirkung 141 ff. - Rückzahlungsklausel 340 ff. - Sperrwirkung 430 ff., 507 - Tarifeinheit 247 ff. - Tarifpluralität 247 ff. - Überleitungsvereinbarung 510 ff. - Umkleidezeit 67 ff. - Vergütungsordnung 507 - Zustandekommen 248 f. Tarifwechsel - Betriebsübergang 512 ff. - Bezugnahmeklausel 433 ff. Technische Kommunikationsmittel, Selbstverpflichtung 183 Teilzeit, befristete 241 ff. Teilzeitbeschäftigung - Antrag 242 ff. - Arbeit auf Abruf 14 f., 245 f. - befristete 1 ff. - Brückenteilzeit 241 ff. - Erörterungspflicht 241 ff. - Gleichbehandlung 345 - Sozialplan 201 f., 345 - Urlaubsentgelt 367 ff. - Verlängerung 13 f.
Teilzeitquote, Urlaubsentgelt 367 ff. Transparenzgebot, Ausschlussfrist 56 ff., 323 ff. Transparenzrichtlinie 20 ff., 277 f. Treu und Glauben, gemeinsamer Betrieb 387 TzBfG, Schriftform 301 f. Übergangsmandat - Betriebsrat 205 ff. - Betriebsübergang 205 ff. - Betriebsvereinbarung 205 - Dauer 205 - personelle Besetzung 205 ff. - Schwerbehindertenvertretung 205 ff. - Tarifvertrag 205 Überleitungsvereinbarung - Betriebsübergang 510 ff. - Personalrat 510 ff. Übertarifliche Leistungen, Mitbestimmung Betriebsrat 471 ff. Umgruppierung, Mitbestimmung Betriebsrat 471 ff. Umkleidezeit - Betriebsvereinbarung 69 f. - Dienstkleidung 67 ff. - Vergütung 67 ff. Umwandlung → Betriebsübergang Unternehmensmitbestimmung 37 ff., 283 ff, - Arbeitnehmer Ausland 149 - Auffangregelung 437 ff. - ausländische Kapitalgesellschaft 150 - Beherrschungsvertrag 150 - Beteiligungsvereinbarung 437 ff. - Enthaftung 152 f. - EU-Richtlinie 283 ff. 543
Stichwortverzeichnis
Unternehmensmitbestimmung - Ist-Zustand 437 - Koalitionsvertrag 9 f. - Konzern im Konzern 152 f. - Konzern 150 ff. - Matrix 151 - Rechtsformwechsel 283 ff., 437 ff. - Schwellenwert 149, 284 ff. - SE 150, 437 ff. Share-deal 286 - Societas Europaea 150, 437 ff. - Soll-Zustand 437 - Zwischenholding 150 ff. Unternehmensstrafrecht 9 Urlaub → Erholungsurlaub Urlaubsabgeltung - Scheinselbständigkeit 81 ff. - Verfall 361 ff. - Verjährung 85 Urlaubsentgelt - Betriebsratsmitglied 157 - Betriebsvereinbarung 430 ff. - Kurzarbeit 370 ff. - Teilzeitquote 367 ff. Vaterschaftsurlaub 23, 278 f. Verarbeitungsverbot, Datenschutz 169 f. Verbandstarifvertrag, Bezugnahmeklausel 433 ff. Verdachtskündigung - Anhörung 407 ff. - Aufklärung 408 f. - außerordentliche 407 ff. - Kündigungserklärungsfrist 410 Vererblichkeit, Urlaub 365 ff. Vergleich - Betriebsratsmitglied 115 f. - Nichterfüllung 116 ff. - Rücktritt 116 ff. 544
Vergleichstätigkeit, Entgelttransparenz 71 ff. Vergleichsverhandlung, Ausschlussfrist 321 ff. Vergütung, Umkleidezeit 67 ff. Vergütungsordnung - Betriebsübergang 506 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 474 - Tarifvertrag 507 Vergütungspflicht - Fahrtzeiten 351 ff., 353 ff. - Reisezeit 351 ff., 353 ff. Verhaltenskontrolle, Datenschutz 169 f. Verjährung, Urlaubsabgeltung 85 Verschmelzung → Betriebsübergang Verschwiegenheitspflicht, Geschäftsgeheimnis 257 f. Versetzung, betriebliches Eingliederungsmanagement 50 ff., 320 Versicherungspflichtgrenze, Sozialversicherung 522 Versorgungswerk - Altersgrenze 122 f. - Altersrente 122 f. Versorgungszusage, Erteilung 223 f. Verwertungsverbot, Kündigungsschutzprozess 388 Verwirkung - Arbeitnehmerüberlassung 308 ff. - Betriebsrente 417 ff. - Betriebsübergang 210 f. - Widerspruch Betriebsübergang 219 ff., 500 ff. Verzicht - Schriftform 505 - Widerspruchsrecht 502 ff. Verzug, Schadenspauschale 359 ff. Vordienstzeit, Betriebsrente 135 ff.
Stichwortverzeichnis
Vorruhestand - Altersgrenze 202 ff. - Behinderung 202 ff. - Diskriminierung 202 ff. Vorstand - Arbeitsschutz 54 - Frauenquote 1 f. Wahlbewerber - Betriebsratswahl 109 ff. - Kündigung 109 ff. Wahrheitswidriger Prozessvortrag, Auflösungsantrag 403 ff. Wegezeiten, umkleidebedingte 67 ff. Weihnachtsgratifikation → Sonderleistung Weisungsrecht → Direktionsrecht Weiterbeschäftigung, Kündigung 391 ff. Weiterbeschäftigungsanspruch 391 ff. Weiterbildung, Mitbestimmung Betriebsrat 2 Weiterbildungsförderung 261 ff. Weltanschauung, Diskriminierung 121 Whistleblower - Arbeitnehmer 287 - Auftragnehmer 287 - EU-Richtlinie 24 ff., 286 ff. - externe Meldung 289 - Gerichtsverfahren 292 - Geschäftsgeheimnis 16 f., 258 ff., 290 - Haftung 26 - interne Meldung 288 ff. - Kennzeichnung 287
Whistleblower - Lieferant 287 - Meldeverfahren 25 f., 288 f. - Repressalien 291 - Sanktion 292 f. - Schutz 16 f., 25 f., 289 ff. - Selbständige 287 - Unschuldsvermutung 292 - Unterstützer 287 f. Whistleblower-Richtlinie 286 ff. Whistleblowersystem 17, 286 ff. Widerruf, Betriebsrente 415 ff. Widerspruch Betriebsübergang - Fehlerhaftigkeit 219, 497 ff. - Frist 219 ff., 497 ff. - grundlegende Information 220 - Sieben-Jahres-Frist 220 f., 497 ff. - Treu und Glauben 219 ff. - Verwirkung 219 ff., 497 ff., 500 ff. - Verzicht 502 ff. Work-Life-Balance - EU-Richtlinie 23 f., 278 f. - mobile Arbeitsmittel 183 ff. Zahlungsverzug, EURichtlinie 359 Zugang, Kündigung 379 ff. Zulage → Sonderleistung Zuordnung Arbeitnehmer, Spaltung 212 ff. Zuschlag → Sonderleistung Zuständigkeit, Betriebsrat 170 ff. Zwangsvollstreckung - Direktionsrecht 391 ff. - Weiterbeschäftigung 391 ff.
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