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German Pages 371 [372] Year 2022
Tiefe
Gaul Aktuelles Arbeitsrecht Band 2/2021
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Tiefe
Band 2/2021
Aktuelles Arbeitsrecht Herausgegeben von
Prof. Dr. Björn Gaul Bearbeitet von
Dietrich Boewer Rechtsanwalt, Vorsitzender Richter am LAG Düsseldorf a.D.
Prof. Dr. Björn Gaul Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln
Tiefe
Zitierempfehlung: Bearbeiter in Gaul, AktuellAR 2021, S. ...
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-42707-8 ©2021 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: Stückle, Ettenheim Printed in Germany
Vorwort Kaum hatte man einen relativ optimistischen Spätsommer hinter sich, wurde erkennbar, dass COVID-19 zwar als „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ für den Bundestag als beendet gilt, die Lage sich aber weiter verschlechtert und strengere Maßnahmen in Deutschland erforderlich sind, um Leben und Gesundheit vor der fehlenden Solidarität eines leider weiterhin beachtlichen Teils der Bevölkerung zu schützen. Mit 3 G am Arbeitsplatz und in den öffentlichen Verkehrsmitteln sowie zusätzlichen Einschränkungen, die mit 2 G oder 2 G Plus vor allem Gastronomie und Handel treffen, hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang wichtige Neuregelungen im IfSG und der Corona-ArbeitsschutzVO in Kraft gesetzt. Endlich ist in diesem Zusammenhang aber auch klargestellt worden, dass der Arbeitgeber das Recht hat, den Impf-, Sero- oder Teststatus des Arbeitnehmers zu erfragen und im Rahmen seines Hygienekonzepts nutzbar zu machen. Unabhängig von den pandemiebezogenen Maßnahmen hat die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag angekündigt, unerledigte Themen der vergangenen Legislaturperiode wieder aufzugreifen (z. B. Homeoffice, Hinweisgeberschutzgesetz, Gender-Pay-Gap, Umgang mit KI, Begrenzung befristeter Arbeitsverhältnisse). Hier wird sich die Praxis auf weitere Veränderungen einstellen müssen. Umso wichtiger ist es, vor allem die neuen Handlungsvorgaben zur Kurzarbeit, zur Frauenquote, zur Ausgestaltung der Lieferkette oder zu EU-Standarddatenschutzklauseln zeitnah umzusetzen. Diversität, Inklusion und die Vermeidung von Diskriminierung vor allem wegen des Geschlechts, des Alters, der sexuellen Identität, der Religion sind Themen, deren Bedeutung für eine soziale und nachhaltige Unternehmensführung immer mehr erkannt wird. Hier haben wir uns mit verschiedenen Fragen befasst. Daneben wird die Diskussion auf der betrieblichen Ebene in vielen Unternehmen durch die Frage nach der Ausgestaltung von mobiler Arbeit und Homeoffice geprägt. Hier war es wichtig, denkbare Gestaltungselemente, die Arbeit im Ausland und neue Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu behandeln, zumal diese Themen auch nach COVID-19 relevant bleiben. Auch die Arbeitnehmerüberlassung und der Datenschutz spielen nach wie vor eine besondere Rolle. Gerade weil der Betriebsrat Bestandteil der verantwortlichen Stelle ist, muss der Arbeitgeber darauf hinwirken, personenbezogene Daten auch im Bereich der Arbeitnehmervertretung zu schützen. Sonst drohen Schadensersatzansprüche und Bußgelder. Im Bereich der Arbeitszeit ist die Umsetzung der EuGH-Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung nach wie vor offen. Die Unternehmen werden sich allerV
Vorwort
dings darauf einstellen müssen, dass der Betriebsrat jedenfalls die Einsetzung einer Einigungsstelle durchsetzen kann, wenn Verhandlungen darüber verweigert werden oder scheitern. Daneben haben wir uns z. B. mit der denkbaren Unwirksamkeit tarifvertraglicher Regelungen über Nachtschichtzulagen, der Differenzierung zwischen Vollzeit und Teilzeit bei Zuschlägen für Mehrarbeit oder Überstunden, der Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Entgeltfortzahlung im Lockdown befasst. Neue Rechtsprechung zur Massenentlassung, zur Kündigung durch Personalleiter*innen, zur Abmahnung bei unerlaubter Nebentätigkeit, zur Kündigung wegen Selbstbeurlaubung und zum Gebot fairen Verhandelns beim Abschluss von Aufhebungsverträgen müssen im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen beachtet werden. Parallel dazu wird die Arbeitsvertragsgestaltung durch neue Entscheidungen zur Ausschlussfrist, zur Bezugnahme auf einen Tarifvertrag oder zur nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht verändert. Im Betriebsverfassungsrecht haben wir Veränderungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz, etwaige Interessenkonflikte eines Betriebsratsmitglieds, das zugleich die Rolle eines Datenschutzbeauftragten innehat, die Rechtsprechung zur Zuordnung von Führungskräften in der Matrix-Organisation und das Mitbestimmungsrecht bei Sonderleistungen der Konzernobergesellschaft behandelt. Bei Restrukturierungsmaßnahmen, die zu einem Betriebsübergang führen, kann das Annahmeverzugsrisiko einer fehlenden Beschäftigung nach Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses durch einen vorübergehenden Einsatz im Wege der Arbeitnehmerüberlassung gemindert werden. Das hat das BAG bestätigt. Abzuwarten bleibt aber, ob der 2. Senat nach der Übernahme der Zuständigkeiten in diesen Angelegenheiten die Anforderungen an die Unterrichtungsschreiben nach § 613 a BGB modifizieren wird. Ich danke zunächst einmal Dietrich Boewer (Boe) für seine tatkräftige Unterstützung in diesem Herbst. Der gleiche Dank gilt Saskia Pitzer (Pi), Mirko Ahrends (Ah), Cathrin Dohmen (Do), Clara Steinke (St), Lukas Diepenthal, Nora Kirchhoff, Linda Kriebel Volk, Anna Maria Miklaszewska, Christin Rögels, Nicola Runge und Amelie Spanehl, Frau Silvia Gwozdz und Frau Elisa von der Thüsen für ihre Unterstützung. Obwohl das Wirken des Gesetzgebers zum Ende der letzten Legislaturperiode, die Ampelkoalition mit ersten Maßnahmen und viele Gerichtsentscheidungen zahlreiche Veränderungen mit sich gebracht haben, ist es gelungen, zu sortieren, zu gewichten und für die Praxis alle wesentlichen Rechtsentwicklung im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht zusammenzufassen. Köln, im Dezember 2021
VI
Björn Gaul (Ga)
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort............................................................................. ............................. V Abkürzungsverzeichnis ............................................................................XVII
A.
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland ............................ 333
1.
Arbeitsrechtliche Ankündigungen im Koalitionsvertrag ................. 333
2.
3 G am Arbeitsplatz, Homeoffice-Pflicht und andere Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung .......................................... 339 a) Ausgangssituation ..................................................................... 339 b) Ermächtigungsgrundlagen für staatliche Schutzmaßnahmen .................................................................... 340 c) Einführung von 3 G am Arbeitsplatz ........................................ 342 d) Besonderheiten in besonderen Einrichtungen ........................... 347 e) Überwachungspflicht und Fragerecht des Arbeitgebers ........... 347 f) Unterrichtungspflicht des Arbeitnehmers über positives Testergebnis ............................................................................... 351 g) Pflicht zum Angebot einer Arbeit im Homeoffice .................... 352 h) Verfolgung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit bzw. Straftat ....................................................................................... 353 i) Geltungsdauer und ergänzende Vorgaben zu § 28 b IfSG ........ 354
3.
Erneute Anpassung der Corona-Arbeitsschutzverordnung .............. 354
4.
Verlängerung der Erleichterungen beim Kinderkrankengeld .......... 356
5.
Anpassungen bei den Entschädigungen nach § 56 IfSG ................. 357
6.
Verlängerung von Ausnahmeregelungen zur Kurzarbeit ................. 358
7.
Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Kraft .................................... 360
8.
Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes .................... 360
VII
Inhaltsverzeichnis
9.
Neue Quoten für Organe und Führungskräfte in der Privatwirtschaft ................................................................................ 360 a) Börsennotierte und mitbestimmte AG/SE................................. 361 b) Börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen ..................... 361 c) Fazit ........................................................................................... 362
10.
Mutterschutz und familienbedingte Auszeiten für Vorstandsmitglieder .......................................................................... 362
11.
Weiterführende Überlegungen zu gescheiterten Gesetzgebungsverfahren .................................................................. 364 a) Befristete Arbeitsverhältnisse ................................................... 364 b) Verbandsanktionengesetz und Whistleblowerrichtlinie ........... 365 c) Homeoffice: Gesetzesentwurf zur Förderung der mobilen Arbeit......................................................................................... 367 d) Gesetzliche Regelungen zur Dokumentation der Arbeitszeit ................................................................................. 368
12.
Arbeitsrechtliche Aspekte des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes ............................................. 369 a) b) c) d) e)
Anwendungsbereich .................................................................. 369 Ausgestaltung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht ............ 369 Kennzeichnung der Lieferkette ................................................. 372 Zivilrechtliche Durchsetzung etwaiger Ansprüche ................... 373 Neue Befugnisse des Wirtschaftsausschusses / Beteiligungsrechte des Betriebsrats .......................................... 374 f) Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und Bußgelder ............ 374 g) Inkrafttreten ............................................................................... 375 13.
Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts .......... 375
14.
Erleichterungen bei der Durchführung sozialversicherungsrechtlicher Statusfeststellungsverfahren ........... 377
15.
Gesetzliches Abtretungsverbot für Formulararbeitsverträge ........... 380
16.
Arbeitsrechtliche Folgen des TelekommunikationsTelemedien-Datenschutzgesetzes ..................................................... 381
VIII
Inhaltsverzeichnis
B.
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht .......... 383
1.
Anwendung von KI und Haftung für KI - Vorschläge der EUKommission und des EU-Parlaments .............................................. 383 a) b) c) d)
2.
Begriff der künstlichen Intelligenz ........................................... 383 Adressaten der Vorschläge ........................................................ 385 Klassifizierung von KI-Systemen ............................................. 386 Fazit ........................................................................................... 388
Neufassung der EU-Standarddatenschutzklauseln........................... 389 a) Rahmenbedingungen der DSGVO ............................................ 389 b) Unwirksamkeit des EU-US-Datenschutzschildes ..................... 390 c) Vorübergehende Verwendung der bisherigen Standarddatenschutzklauseln .................................................... 391 d) Neue Standarddatenschutzklauseln ........................................... 392
3.
Regelungsvorschlag der EU-Kommission zu den auf OnlinePlattformen beschäftigten Arbeitnehmern ....................................... 394
C.
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag ............................. 397
1.
Diversität – Bedeutung und Gestaltungsmöglichkeiten auf dem Weg zu Veränderungen ............................................................. 397
2.
Aktuelle Fragen zum Homeoffice .................................................... 399 a) b) c) d)
3.
Anspruch auf Arbeit im Homeoffice ........................................ 399 Anordnung einer Rückkehr aus dem Homeoffice..................... 400 Kein Anspruch auf mobile Arbeit im Ausland ......................... 402 Regelungsbedarf bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit......................................................................................... 402
Mobile Arbeit im Ausland (EU, EWR und Schweiz) – Rahmenbedingungen und Risiken ................................................... 404 a) b) c) d) e)
Individualarbeitsrechtliche Aspekte .......................................... 404 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ................................... 404 Datenschutz ............................................................................... 405 Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen .......................... 405 Steuerrechtliche Auswirkungen ................................................ 407
IX
Inhaltsverzeichnis
4.
Arbeitgeberseitige Pflicht zur Gestellung wesentlicher Betriebsmittel ................................................................................... 410
5.
Änderung von Arbeitsbedingungen bei der Verlängerung befristeter Arbeitsverträge ................................................................ 412
6.
Wirksamkeit einer Individualvereinbarung trotz vereinbarten Schriftformerfordernisses ................................................................. 417
7.
Diskriminierung durch Vorgaben in Bezug auf das Tragen religiöser, weltanschaulicher oder politischer Symbole am Arbeitsplatz ...................................................................................... 421
8.
Die Pflicht des Arbeitgebers zu angemessenen Vorkehrungen für eine Beschäftigung behinderter Menschen................................. 426
9.
Gendersternchen: Keine Benachteiligung wegen des Geschlechts ...................................................................................... 428
10.
Neue Vorgaben zur Arbeitnehmerüberlassung aus Luxemburg ....... 430 a) Vorgaben der Richtlinie 2008/104/EG ..................................... 431 b) Gesetzliche und/oder tarifvertragliche Festlegung einer Höchstüberlassungsdauer .......................................................... 432 c) Vorübergehender Einsatz trotz Beschäftigung auf Dauerarbeitsplatz....................................................................... 434 d) Unzulässigkeit des gesetzlichen Stichtags zur Berechnung der Höchstüberlassungsdauer ............................... 435 e) Unionsrechtliche Schranken für eine tarifvertragliche Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung ................ 435 f) Unionsrechtliche Zulässigkeit einer Privilegierung der Personalgestellung..................................................................... 436
11.
Aktuelle Entwicklungen im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes ............................................................. 439 a) Schadensersatzansprüche nach Art 82 DSGVO ....................... 439 b) Anspruch auf Auskunft und Erteilung einer Datenkopie gemäß Art. 15 DSGVO ............................................................. 445
12.
Teilnahme einer Vertrauensperson der Beschäftigten nach § 167 Abs. 2 S. 2 SGB IX ................................................................ 450
13.
Unwirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen bei unzulässiger Verkürzung der gesetzlichen Verjährung .................... 454
X
Inhaltsverzeichnis
14.
Keine Anwendung des EU-Arbeitszeitrechts auf selbständig Beschäftigte ...................................................................................... 457
D.
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub .......................................... 459
1.
Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei unterlassener Information über die Möglichkeit einer Arbeitszeitverlängerung ................................................................... 459
2.
Bindung des Arbeitnehmers an ein Teilzeitverlangen ...................... 464
3.
Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit ........................................................................................ 467
4.
Arbeitsrechtliche Relevanz einer Pause mit Präsenz- und Reaktionspflicht ............................................................................... 471
5.
Unionsrechtlicher Anspruch auf höhere Nachtschichtzulagen? ...... 475
6.
Auskunft zur Entgelttransparenz als Indiz einer Diskriminierung wegen des Geschlechts ......................................... 478
7.
Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Zuschlägen für Mehrarbeit und Überstunden? .......................................................... 481
8.
Kein Entgeltfortzahlungsanspruch bei staatlich angeordnetem Lockdown ..................................................................... 484
9.
Reichweite des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ........................................................ 485
10.
Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Zielvereinbarung ..................................................................................... 489
11.
Berücksichtigung der variablen Vergütung beim Urlaubsentgelt .................................................................................. 492
12.
COVID-19-Quarantäne: Anrechnung auf den Urlaub? ................... 495
E.
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags ............................................ 499
1.
Neue Rechtsprechung zur Massenentlassung .................................. 499 a) Notwendigkeit einer Einbeziehung krankheitsbedingter Kündigungen bei § 17 KSchG .................................................. 499
XI
Inhaltsverzeichnis
b) Bedeutung der Soll-Angaben nach § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG für die Wirksamkeit einer Massenentlassungsanzeige ........................................................ 500 2.
Wegfall des Beschäftigungsanspruchs infolge Umorganisation – Missbrauchskontrolle ......................................... 503
3.
Homeoffice als milderes Mittel gegenüber der Änderungskündigung mit Ortsveränderung? ................................... 505
4.
Unwirksamkeit einer Kündigung wegen Missachtung des Maßregelungsverbots aus § 612 a BGB ........................................... 508
5.
Personalleiter – Zurückweisung einer Kündigung mangels Vorlage einer Vollmacht ................................................................... 512 a) Ausgangssituation ..................................................................... 512 b) Zurückweisung der Kündigung nach § 174 S. 1 BGB.............. 512 c) Verzicht auf das Erfordernis einer Abmahnung ....................... 515
6.
Neues zur Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach Freistellung ....................................................................................... 517 a) Anrechnung anderweitigen Verdienstes trotz unwiderruflicher Freistellung? .................................................. 519 b) Böswillig unterlassener Zwischenverdienst auch bei anderweitiger Tätigkeit beim gleichen Arbeitgeber.................. 521
7.
Abmahnung wegen unerlaubter Nebentätigkeit ............................... 524
8.
Kündigung wegen Selbstbeurlaubung bei vorläufiger Weiterbeschäftigung im Kündigungsschutzprozess ......................... 526
9.
Erschütterung des Beweiswerts einer AU-Bescheinigung bei Erkrankung während der Kündigungsfrist ....................................... 530
10.
Das „Gebot fairen Verhandelns“ beim Abschluss von Aufhebungsverträgen ....................................................................... 533
F.
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags ........................................................................ 539
1.
Arbeitsverhältnis: Zulässige Vorbereitungshandlung oder unzulässige Wettbewerbstätigkeit .................................................... 539
2.
Zeugnis als Fließtext oder (auch) in Tabellenform? ........................ 542
XII
Inhaltsverzeichnis
3.
Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung der nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht? ......................................... 544
G.
Tarifrecht........................................................................................ 549
1.
Arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel bei Tarifpluralität............. 549 a) Anknüpfung an die gesetzliche Tarifbindung ........................... 549 b) Kein Verstoß gegen allgemeine Grundsätze der AGBKontrolle ................................................................................... 550 c) Differenzierung zwischen Haus- und Verbandstarifvertrag ................................................................. 551 d) Kollisionsregelung bei Tarifpluralität ....................................... 552 e) AGB-Kontrolle als Arbeitnehmerschutz ................................... 555 f) Fazit ........................................................................................... 555
2.
Tarifautomatik oder konstitutive Bezugnahme auf bestimmte Entgeltgruppe ................................................................................... 556
3.
Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung ................................. 559
4.
Anspruch der Gewerkschaft auf Durchführung eines Haustarifvertrags .............................................................................. 562
H.
Betriebsverfassung und Mitbestimmung ................................ 565
1.
Einzelfragen zur praktischen Umsetzung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes .............................................. 565 a) b) c) d) e)
Veränderungen durch die neue Wahlordnung .......................... 565 Digitalisierung durch elektronische Signatur ............................ 567 Digitales Zugangsrecht der Gewerkschaft ................................ 567 Virtuelle Betriebsratssitzungen ................................................. 569 Rechte des Betriebsrats beim Einsatz künstlicher Intelligenz .................................................................................. 571 f) Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers auch in Bezug auf die Betriebsratstätigkeit ......... 573 g) Mitbestimmung bei mobiler Arbeit ........................................... 577 h) Fazit ........................................................................................... 579 2.
Das diverse Geschlecht bei den Betriebsratswahlen ....................... 579 a) Einleitung .................................................................................. 579 XIII
Inhaltsverzeichnis
b) Aktuelle Rechtslage .................................................................. 580 c) Ausblick .................................................................................... 584 3.
Anforderungen an die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ............... 584
4.
Interessenkonflikt bei einer Betriebsratsmitgliedschaft des Datenschutzbeauftragten .................................................................. 587
5.
Das Beweismaß bei der Geltendmachung von Vergütungsansprüchen aus § 78 S. 2 BetrVG .................................. 590 a) Einleitung .................................................................................. 590 b) Grad der Wahrscheinlichkeit – Darlegungs- und Beweislast ................................................................................. 590
6.
Kein Beseitigungsanspruch des Betriebsrats bei Missachtung von Mitbestimmungsrechten ............................................................ 593
7.
Betriebliche Eingliederung von Führungskräften in einer Matrix-Organisation ......................................................................... 597
8.
Mitbestimmung des Betriebsrats bei einem Verzicht auf die Nutzung mobiler Arbeitsmittel in der Freizeit ................................. 600
9.
Betriebsvereinbarung zur einseitigen Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber ...................................................................... 602 a) Ausübung der Mitbestimmung durch Betriebsvereinbarung ................................................................ 602 b) Ausschluss der Mitbestimmung durch Tarifvertrag.................. 604 c) Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen ........................ 605
10.
Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung einer technischen Arbeitszeiterfassung ..................................................... 606
11.
Errichtung einer Einigungsstelle bei Sonderleistungen der Konzernobergesellschaft .................................................................. 612
I.
Betriebsänderung und Betriebsübergang ............................... 617
1.
Arbeitnehmerüberlassung an den Erwerber nach Widerspruch bei Betriebsübergang ........................................................................ 617
2.
Rechtssprechungsänderung bei Kündigungen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang? ................................ 621 a) Ausgangssituation ..................................................................... 621
XIV
Inhaltsverzeichnis
b) Betriebsteilübergang im Zusammenhang mit einer Stilllegung des Restbetriebs ...................................................... 622 c) Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ............................. 623 d) Fazit ........................................................................................... 624 3.
Betriebsübergang: Unbeachtlichkeit irrelevanter Fehler im Unterrichtungsschreiben für den Ablauf der Widerrufsfrist ............ 624
J.
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ............................................................ 627
1.
Steuerliche Behandlung von „Turboprämien“ bei vorzeitiger Vertragsbeendigung .......................................................................... 627
2.
Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2022 .................................................................................................. 628
Stichwortverzeichnis .................................................................................. 631
XV
.
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. a. F. a. G. AA AAB ABl. EG ABl. EU abl. Abs. ABV abw. abzgl. AcP AE AEntG
AEUV AFBG
AFG AFKG AG AGB AGBG AGG
anderer Auffassung am Ende alte(r) Fassung auf Gegenseitigkeit Auswärtiges Amt Allgemeine Arbeitsbedingungen für die ver.diBeschäftigten Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union ablehnend Absatz/Absätze Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen abweichend abzüglich Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Arbeitsrechtliche Entscheidungen (Zeitschrift) Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz) Arbeitsförderungsgesetz Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz) Amtsgericht bzw. Aktiengesellschaft bzw. Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz XVII
Abkürzungsverzeichnis
AGH AiB AktG AktuellAR allg. Alt. AltEinkG
AltvVerbG
AltZertG
AMP AMS amtl. ANBA ÄndG AnKSchG
Anl. Anm. AO AP APS ArbG ArbGG AR-Blattei ArbMedVV ArbNErfG
XVIII
Anwaltsgerichtshof Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift) Aktiengesetz B. Gaul bzw. Bearbeiter, Aktuelles Arbeitsrecht allgemein Alternative(n) Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz) Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge (Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz) Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz) Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister Arbeitsschutzmanagementsystem amtlich(e) Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit Änderungsgesetz Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten (Angestelltenkündigungsschutzgesetz) Anlage(n) Anmerkung(en) Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrechts-Blattei, Handbuch für die Praxis Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (Arbeitnehmererfindungsgesetz)
Abkürzungsverzeichnis
ArbPlSchG
ArbR ArbRB ArbR-HB ArbSchG
ArbStättV ArbZG ARdGgw. ArGV
ARP ARST Art. ARUG ASAV
ASiG
ASRG 1995 AsylG AsylVfG AT ATG
Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) Arbeitsrecht Aktuell (Zeitschrift) Arbeits-Rechtsberater (Zeitschrift) Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) Arbeitszeitgesetz Arbeitsrecht der Gegenwart Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer (Arbeitsgenehmigungsverordnung) Arbeitsschutz in Recht und Praxis (Zeitschrift) Arbeitsrecht in Stichworten Artikel Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Verordnung über Ausnahmeregelungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis an neueinreisende ausländische Arbeitnehmer (Anwerbestoppausnahmeverordnung) Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) Gesetz zur Reform der agrarsozialen Sicherung (Agrarsozialreformgesetz 1995) Asylgesetz Gesetz über das Asylverfahren (Asylverfahrensgesetz) außertariflich(e) Altersteilzeitgesetz
XIX
Abkürzungsverzeichnis
ATV
AuA AU-Bescheinigung AufenthG
AufenthG/EWG
AufenthV Aufl. AÜG
AuR ausf. AVE AVmG
AVR AVR-DD AWbG
AWStG
Az. BA
XX
Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung) Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Aufenthaltsverordnung Auflage Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) Arbeit und Recht (Zeitschrift) ausführlich Allgemeinverbindlicherklärung Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz) Arbeitsvertragsrichtlinien in den Einrichtungen des Deutschen Caritas Verbandes Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen der Diakonie Deutschland Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung (Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz) Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz) Aktenzeichen Bundesagentur für Arbeit bzw. Blutalkohol (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
BaFin BAG BAnz AT BÄO BAP BAT BAT-O BAT-VKA
BAV BAVAZ BayObLG BayVGH BB BBG BBiG Bd. BDA BDSG BeckOK BEEG BEG
Beil. bEM BerASichG BErzGG BeschCG BeschFG
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Amtlicher Teil Bundesärzteordnung Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e. V. Bundesangestelltentarifvertrag Bundesangestelltentarifvertrag Ost Bundesangestelltentarifvertrag für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Betriebliche Altersversorgung Bedarfsabhängige variable Arbeitszeit Bayerisches Oberstes Landgericht Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Betriebs-Berater (Zeitschrift) Beitragsbemessungsgrenze Berufsbildungsgesetz Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesdatenschutzgesetz Beck‘scher Online-Kommentar Arbeitsrecht Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Bürokratieentlastungsgesetz) Beilage berufliches Eingliederungsmanagement Berufsausbildungssicherungsgesetz Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz) Gesetz für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt (Beschäftigungschancengesetz) Beschäftigungsförderungsgesetz
XXI
Abkürzungsverzeichnis
BeschSchG
BeschSiG
BeschV
BetrAV BetrAVG BetrSichV
BetrVG BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BIBB BildschArbV
BilMoG BilRUG BImSchG
BKK BMAS BMBF XXII
Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (Beschäftigtenschutzgesetz) Gesetz zur Beschäftigungssicherung infolge der COVID-19-Pandemie (Beschäftigungssicherungsgesetz) Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Beschäftigungsverordnung) Betriebliche Altersversorgung (Zeitschrift) Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung) Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Bundesinstitut für Berufsbildung Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (Bildschirmarbeitsverordnung) Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnlichen Vorgängen (Bundesimmissionsschutzgesetz) Betriebskrankenkasse Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bundesministerium für Bildung und Forschung
Abkürzungsverzeichnis
BMEL BMF BMFSFJ BMG BMI BMJV BMT-G BMU BMVg BMVI BMWi BMZ BNichtrSchG
BPersVG BPflV BPM BQFG
BQG br BRAO BR-Drucks. Brexit-StBG
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Bundesministerium für Finanzen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bundesministerium für Gesundheit Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Bundesministerium der Verteidigung Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gesetz zur Einführung eines Rauchverbots in Einrichtungen des Bundes und in öffentlichen Verkehrsmitteln (Bundesnichtraucherschutzgesetz) Bundespersonalvertretungsgesetz Bundespflegegeldverordnung Bundesverband der Personalmanager Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz) Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Behindertenrecht (Zeitschrift) Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesratsdrucksache Gesetz über steuerliche Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit-Steuerbegleitgesetz) XXIII
Abkürzungsverzeichnis
BrexitÜG
BRG BRKG BRSG
BRTV-Bau BSeuchG
BSG BSGE BSHG BSSichG
BStBl. BT-Drucks. BTHG
BUrlG BuW BV
BVD BvE BVerfG BVerfGE BVerwG XXIV
Gesetz für den Übergangszeitraum nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit-Übergangsgesetz) Betriebsrätegesetz Bundesreisekostengesetz Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz) Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (Bundesseuchengesetz) Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) Bundessozialhilfegesetz Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz) Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz) Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift) Betriebsvereinbarung bzw. besloten vennootschap, niederländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung Bodenverkehrsdienste Beamter vom Einsatzdienst Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesverwaltungsgericht
Abkürzungsverzeichnis
BVerwGE BVV BZgA bzgl. bzw. ca. C-ASR C-ASS C-ASV CEO CGM CGZP ChemG ChGlFöG
CoronaVMeldeV COVID-19 COVID-19-ArbZV
COVInsAG
CR CSR d. h. DA DAG DAS DAV DB
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Amtliche Sammlung) Versicherungsverein des Bankgewerbes a. G. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bezüglich beziehungsweise circa SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) Chief Executive Officer Christliche Gewerkschaft Metall Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen Coronavirus-Meldepflichtverordnung Coronavirus disease 2019 Verordnung zu Abweichungen vom ArbZG infolge der COVID-19-Epidemie (COVID-19Arbeitszeitverordnung) Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19Insolvenzaussetzungsgesetz) Computer und Recht (Zeitschrift) Corporate Social Responsibility das heißt Durchführungsanweisung Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Deutscher AnwaltSpiegel (Online-Magazin) Deutscher Anwaltverein Der Betrieb (Zeitschrift) XXV
Abkürzungsverzeichnis
DBGrG
DCGK DD DDZ ders. DGB DGUV dies. diff. DKW DQR DrittelbG
DRV DSAG DSAnpUG-EU DSGVO DStR DStRE DTAG DTTS DuD DVKA DWWS e. V. EAO EAS EBRG
XXVI
Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (Deutsche Bahn Gründungsgesetz) Deutscher Corporate Governance Kodex Due Diligence Däubler/Deinert/Zwanziger, Kündigungsschutzrecht derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung dieselbe(n) differenzierend Däubler/Klebe/Wedde, BetrVG Deutscher Qualifikationsrahmen Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz) Deutsche Rentenversicherung Datenschutzauditgesetz Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU Datenschutz-Grundverordnung Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Telekom AG Deutsche Telekom Technischer Service Datenschutz und Datensicherheit (Zeitschrift) Deutsche Verbindungsstelle für Krankenversicherungen – Ausland Däubler/Wedde/Weichert/Sommer, EU-DSGVO und BDSG eingetragener Verein Erreichbarkeitsanordnung Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (Loseblattsammlung) Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische-Betriebsräte-Gesetz)
Abkürzungsverzeichnis
EBR-Richtlinie EDSA EFG EFTA EFZG
EG EGAktG EGBGB EGGmbHG
EGMR EGV ELENAVG EMRK EntgTranspG
ErfK ESC EStB EStG etc. ETS-TV EU EuArbRK EuGH EUV EuZA EUZBLG
Europäische Betriebsräte Richtlinie Europäischer Datenschutzausschuss Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) European Free Trade Agreement Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Einführungsgesetz zum GmbH-Gesetz) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Gesetz über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises (ELENA-Verfahrensgesetz) Europäische Menschenrechtskonvention Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz) Erfurter Kommentar Arbeitsrecht Europäische Sozialcharta Ertrag-Steuerberater (Zeitschrift) Einkommensteuergesetz et cetera Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag Europäische Union Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar Europäisches Arbeitsrecht Europäischer Gerichtshof Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union XXVII
Abkürzungsverzeichnis
EuZW evtl. EVÜ
EWG EWiR EWR EzA f. FA FEG ff. FG Fitting FKS FMStG
Fn. FördElRV FPflZG FR FreizügG/EU FS FüPoG II
GA-AÜG GbR XXVIII
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eventuell(e) Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Europäisches Schuldvertragsübereinkommen) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäischer Wirtschaftsraum Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht der/die/das Folgende Fachanwalt Arbeitsrecht (Zeitschrift) Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Folgenden Finanzgericht Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG Finanzkontrolle Schwarzarbeit Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz) Fußnote(n) Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten Gesetz über die Familienpflegezeit (Familienpflegezeitgesetz) Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz EU) Festschrift Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Zweites Führungspositionen-Gesetz) Geschäftsanweisung zum Arbeinehmerüberlassungsgesetz Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Abkürzungsverzeichnis
GBV GefStoffV gem. GenDG GenTSV
GeschGehG GewO GG ggf. GK-BetrVG GKG GKV GLF GmbH GmbHG GmbHR GMBl. GMG
GmS-OBG GNBZ GRC GrO
Gesamtbetriebsvereinbarung bzw. Betriebsvereinbarung über die Versorgungsordnung Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung) gemäß Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (Gendiagnostikgesetz) Verordnung über die Sicherheitsstufen und Sicherheitsmaßnahmen bei gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen (GentechnikSicherheitsverordnung) Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Wiese/Kreutz/Oetker u. a., Gemeinschaftskommentar BetrVG Gerichtskostengesetz Verbund Gesetzlicher Krankenkassen Gaul/Ludwig/Forst, Europäisches Mitbestimmungsrecht Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz) GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Gemeinsames Ministerialblatt Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz) Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gewerkschaft der neuen Brief- und Zustelldienste Charta der Grundrechte der Europäischen Union Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse
XXIX
Abkürzungsverzeichnis
GRUR GS GSA Fleisch GSG GVBl. GWB h. L. h. M. HAG Halbs. HBfDI Hess u. a. HGB HinSchG HK-KSchR HK-MuSchG/BEEG HMB HR HSE HTV HWK HwO HZvNG
i. d. F. i. E. XXX
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Großer Senat Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft Gerätesicherheitsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz) herrschende Lehre herrschende Meinung Heimarbeitsgesetz Halbsatz/Halbsätze Hessischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke, BetrVG Handelsgesetzbuch Gesetz zum Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz) Gallner/Mestwerdt/Nägele, Handkommentar Kündigungsschutzrecht Rancke, Handkommentar MuSchG und BEEG Henssler/Moll/Bepler, Der Tarifvertrag Human Resources Health, Safety, Environment Haustarifvertrag Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) Gesetz zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze (Hüttenknappschaftliches Zusatzversicherungs-Neuregelungs-Gesetz) in der Fassung im Ergebnis
Abkürzungsverzeichnis
i. H. a. i. H. v. i. S. d. i. S. v. i. V. m. IfSG
iGZ IHK ILO InKDG InsO InstitutsVergV
IntG IntGVO InvG IPR IT IT-ArbR IT-ArGV
IT-AV
ITRB JArbSchG JStG JuMoG JURA
im Hinblick auf in Höhe von im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz) Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. Industrie- und Handelskammer International Labour Organization Informations- und Kommunikationsdienstegesetz Insolvenzordnung Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten (Institutsvergütungsverordnung) Integrationsgesetz Verordnung zum Integrationsgesetz (Integrationsgesetzverordnung) Investmentgesetz Internationales Privatrecht Informationstechnik/-technologie Kramer, IT-Arbeitsrecht Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie Verordnung über Aufenthaltserlaubnisse für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie IT-Rechtsberater (Zeitschrift) Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) Jahressteuergesetz Gesetz zur Modernisierung der Justiz (Justizmodernisierungsgesetz) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) XXXI
Abkürzungsverzeichnis
jurisPK-IntR jurisPR-ArbR JVGG K&R Kap. KAPOVAZ KassKomm KAVO KBV KDVO KG KGaA KHZG KI KO KR krit. KSchG KugBeV
KugV KündFG
KWG LadSchlG LAG LAGE
XXXII
Heckmann, juris Praxis-Kommentar Internetrecht juris Praxis-Report Arbeitsrecht Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz Kommunikation und Recht (Zeitschrift) Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht (Loseblattsammlung) Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung Konzernbetriebsvereinbarung bzw. Kassenärztliche Bundesvereinigung Kirchliche Dienstvertragsordnung Kammergericht bzw. Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Gesetz für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser (Krankenhauszukunftsgesetz) Künstliche Intelligenz Konkursordnung Bader/Fischermeier/Gallner u. a., Gemeinschaftskommentar KSchG kritisch Kündigungsschutzgesetz Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld (Kurzarbeitergeldbezugsdauerverordnung) Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit (Kurzarbeitergeldverordnung) Gesetz zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (Kündigungsfristengesetz) Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz) Gesetz über den Ladenschluss (Ladenschlussgesetz) Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte
Abkürzungsverzeichnis
LasthandhabV
LFZG LG LHT Lit. lit. LK LKB LPartG LPartÜAG LPK-SGB IX Ls. LSG LSSW LStDV LStR LuftVG m. E. m. w. N. m. W. v. MAG MBO-Ä MDR MERL
Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manuellen Handhabung von Lasten bei der Arbeit (Lastenhandhabungsverordnung) Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) Landgericht Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Kommentar Literatur littera (Buchstabe) Löwisch/Kaiser, BetrVG Linck/Krause/Bayreuther, KSchG Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Dau/Düwell/Joussen, SGB IX Lehr- und Praxiskommentar Leitsatz/Leitsätze Landessozialgericht Löwisch/Spinner/Schlünder/Wertheimer, KSchG Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Lohnsteuer-Richtlinien Luftverkehrsgesetz meines Erachtens mit weiteren Nachweisen mit Wirkung vom Gesetz zur mobilen Arbeit (Mobile-ArbeitGesetz) (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte Monatsschrift für Deutsches Recht Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (Massenentlassungsrichtlinie)
XXXIII
Abkürzungsverzeichnis
MgVG
MiLoG MiLoV MindArbBedG
Mio. MitbEG
MitbG MMR MNB MontanMitbestErgG
MontanMitbestG
MTV MüKo MüKoAktG MünchArbR MünchGesR MuSchArbV
XXXIV
Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz) Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns (Mindestlohnanpassungsverordnung) Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (Mindestarbeitsbedingungengesetz) Million(en) Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) Zeitschrift für IT-Recht und Recht der Digitalisierung Mund-Nase-Bedeckung Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montan-Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montan-Mitbestimmungsgesetz) Manteltarifvertrag Münchener Kommentar BGB Münchener Kommentar AktG Münchener Handbuch Arbeitsrecht Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (Mutterschutzarbeitsverordnung)
Abkürzungsverzeichnis
MuSchG
n. F. n. v. NachwG
NGG NJW NJW-RR NK-GA Nr. Nrn. NStZ NZA NZA-RR NZG NZS o. g. öAT OECD OGH OLG OT OVG OWiG P&R p. a. PatG PBefG PC PersVG
Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium (Mutterschutzgesetz) neue(r) Fassung (noch) nicht veröffentlicht Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Neue Juristische Wochenzeitschrift NJW Rechtsprechungs-Report Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht Nomos Kommentar Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht oben genannt(e) Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht Organisation for Economic Co-operation and Development Oberster Gerichtshof Oberlandesgericht ohne Tarifbindung Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (Ordnungswidrigkeitengesetz) Park & Ride pro anno Patentgesetz Personenbeförderungsgesetz Personal Computer Personalvertretungsgesetz
XXXV
Abkürzungsverzeichnis
PflBG PflegeArbbV
PflegeVG
PflegeZG PfWG
PreisKlG
PSA PSABV
PStG PSV PublG
RÄ RabattG RAG RAGE RdA RdE RDV RGO RisikoBegrG
RIW
XXXVI
Gesetz über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz) Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverordnung) Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz) Gesetz über die Pflegezeit (Pflegezeitgesetz) Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) Gesetz über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden (Preisklauselgesetz) Persönliche Schutzausrüstung Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen bei der Arbeit (PSA-Benutzungsverordnung) Personenstandsgesetz Pensionssicherungsverein Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz) Rheinisches Ärzteblatt (Zeitschrift) Gesetz über Preisnachlässe (Rabattgesetz) Reichsarbeitsgericht Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts Recht der Arbeit (Zeitschrift) Recht der Energiewirtschaft (Zeitschrift) Recht der Datenverarbeitung (Zeitschrift) Ruhegeldordnung Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
RL Rs. RsprEinhG
RTV-Bau RVG
RVLeistVerbG
RVO Rz. RzK s. o. S. SA SAE SanInsFoG
SARS-CoV-2 SBV SCE SCEBG
SchulG SchwarzArbG
Richtlinie(n) Rechtssache(n) Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Rechtsprechungseinheitsgesetz) Rahmentarifvertrag für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) Reichsversicherungsordnung Randzahl(en)/Randziffer(n) Rechtsprechung zum Kündigungsrecht (Loseblattsammlung) siehe oben Seite bzw. Satz/Sätze Société Anonyme, schweizerische Aktiengesellschaft Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz) Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 Schwerbehindertenvertretung Societas Cooperativa Europaea, Europäische Genossenschaft Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in einer Europäischen Genossenschaft (SCE-Beteiligungsgesetz) Schulgesetz Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz)
XXXVII
Abkürzungsverzeichnis
SchwbG
SE SEAG
SEBG
SeemG SEVO SG SGB I SGB II SGB III SGB IV SGB V SGB VI SGB VII SGB VIII SGB IX SGB X SGB XI SGB XII SGb SigG
XXXVIII
Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz) Societas Europaea, Europäische Gesellschaft Gesetz zur Ausführung der Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-Ausführungsgesetz) Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz) Seemannsgesetz Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft Sozialgericht Sozialgesetzbuch, I. Buch – Allgemeiner Teil Sozialgesetzbuch, II. Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende Sozialgesetzbuch, III. Buch – Arbeitsförderung Sozialgesetzbuch, IV. Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung Sozialgesetzbuch, V. Buch – Gesetzliche Krankenversicherung Sozialgesetzbuch, VI. Buch – Gesetzliche Rentenversicherung Sozialgesetzbuch, VII. Buch – Gesetzliche Unfallversicherung Sozialgesetzbuch, VIII. Buch – Kinder- und Jugendhilfe Sozialgesetzbuch, IX. Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen Sozialgesetzbuch, X. Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz Sozialgesetzbuch, XI. Buch – Soziale Pflegeversicherung Sozialgesetzbuch, XII. Buch – Sozialhilfe Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (Signaturgesetz)
Abkürzungsverzeichnis
SMG sog. SozplKonkG SozR SPA SPE SPfG SPI SprAuG SpTrUG SPV SR st. Rspr. StaRUG
Std. StGB StPO StVO SvEV
TAStG TGV TKG TOP
Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) sogenannte(r) Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren Sozialrecht (Entscheidungssammlung) Schnellinformation für Personalmanagement und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Societas Privata Europaea, Europäische Privatgesellschaft Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Sorgfaltspflichtengesetz) Sozialpolitische Informationen (Zeitschrift) Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis Soziales Recht (Zeitschrift) ständige Rechtsprechung Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz) Stunde(n) Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Straßenverkehrsordnung Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsentgeltverordnung) Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) Trennungsgeldverordnung Telekommunikationsgesetz Technisch – Organisatorisch – Persönlich XXXIX
Abkürzungsverzeichnis
TransPuG
TSG
TS-TV TV T-Zug TV TV-EUmw/VKA
TVG TV-L TVöD TVöD-F TVöD-K TVöD-VKA
TzBfG u. ä. u. a. Uabs. UmwG UN-BRK
UNO UrhG UStG usw. ÜT XL
Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) Gesetz über die Änderung von Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz) Transfer- und Sozialtarifvertrag Tarifvertrag zum tariflichen Zusatzgeld Tarifvertrag Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im kommunalen öffentlichen Dienst Tarifvertragsgesetz Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich Flughäfen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich Krankenhäuser Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz) und ähnliche und andere Unterabsatz/Unterabsätze Umwandlungsgesetz Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) United Nations Organization Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Umsatzsteuergesetz und so weiter übertariflich(e)
Abkürzungsverzeichnis
UVV v. VAG
Var. VBL VermbG VermG VerSanG VersAusglG VG VGH vgl. VglO VKA VO Vorbem. VorstAG VorstOG
VSSR VTFF VTV VVG VwGO VwVfG
Unfallverhütungsvorschriften vom Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Variante(n) Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (Vermögensbildungsgesetz) Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten (Verbandssanktionengesetz) Gesetz über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz) Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vergleichsordnung Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Verordnung(en) bzw. Versorgungsordnung Vorbemerkung(en) Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz) Vierteljahresschrift für Sozialrecht Verband Technischer Betriebe für Film und Fernsehen e. V. Vergütungstarifvertrag Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz
XLI
Abkürzungsverzeichnis
WHSS
WiB WissZeitVG WKS WM WMVO WO WpHG WPK WPrax WpÜG WRV z. B. z. T. ZAR ZD ZDG ZESAR ZEuP ZFA ZGR ZHR Ziff. ZIP ZMGR ZPO ZRP XLII
Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen Wirtschaftliche Beratung (Zeitschrift) Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz) Wißmann/Kleinsorge/Schubert, Mitbestimmungsrecht Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Werkstätten-Mitwirkungsverordnung Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung) Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz) Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG Wirtschaftsrecht und Praxis (Zeitschrift) Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Weimarer Reichsverfassung zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik Zeitschrift für Datenschutz Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer(n) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Medizinrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik
Abkürzungsverzeichnis
ZSEG
ZTR zust. ZustRG
ZVertriebsR zzgl.
Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (Zeugen- und Sachverständigenentschädigungsgesetz) Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz) Zeitschrift für Vertriebsrecht zuzüglich
XLIII
.
A. Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland 1.
Arbeitsrechtliche Ankündigungen im Koalitionsvertrag
Am 24.11.2021 haben SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP den Koalitionsvertrag 2021 bis 2025 mit der Überschrift „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ vorgelegt. Auf 177 Seiten beschreiben die Parteien der Ampelkoalition, welche Maßnahmen sie in ihrer Verantwortung als Bundesregierung einleiten und dabei auch neue Schwerpunkte setzen wollen. In der Reihenfolge ihrer Behandlung im Rahmen des Koalitionsvertrags sei dabei auf folgende Aspekte hingewiesen, die zu Veränderungen in der Praxis führen und neue Gestaltungsmöglichkeiten und -schranken setzen werden. Die für den Bereich der Compliance bzw. des Whistleblowings relevanten Feststellungen werden gesondert behandelt1. Beschäftigtendatenschutz: Im Zusammenhang mit den Veränderungen im Datenschutzrecht werden Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz angekündigt, um Rechtsklarheit für Arbeitgeber sowie Beschäftigte zu erreichen und die Persönlichkeitsrechte effektiv zu schützen. (Rz. 450 ff.) Grenzüberschreitender Arbeitnehmereinsatz: Unnötige Erfordernisse bei A1-Bescheinigungen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Dienstleistungen sollen rasch abgeschafft werden, indem ein europäisches elektronisches Echtheitsregister eingeführt wird. (Rz. 976 ff., 1009 ff.) Ergänzend hierzu sollen das Einwanderungsrecht weiterentwickelt und bewährte Ansätze des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes wie die West-BalkanRegelung entfristet werden. Darüber hinaus soll neben dem bestehenden Einwanderungsrecht mit der Einführung einer Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems eine zweite Säule etabliert werden, um Arbeitskräften zur Jobsuche den gesteuerten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Die Blue Card soll im nationalen Recht auf nicht-akademische Berufe ausgeweitet werden; Voraussetzung soll dabei ein konkretes Jobangebot zu marktüblichen Konditionen sein. Ergänzend hierzu sollen die Hürden bei der Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen aus dem Ausland abgesenkt, Bürokratie abgebaut und Verfahren beschleunigt werden.
1
Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 365 ff.
333
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Arbeitszeit: Um auf die Veränderungen in der Arbeitswelt zu reagieren und die Wünsche von Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und Unternehmen nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung aufzugreifen, sollen Gewerkschaften und Arbeitgeber dabei unterstützt werden, flexible Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen. Dabei soll am Grundsatz des Acht-Stunden-Tages im Arbeitszeitgesetz festgehalten werden. Im Rahmen einer 2022 zu treffenden, befristeten Regelung mit Evaluationsklausel soll es ermöglicht werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rahmen von Tarifverträgen unter bestimmten Voraussetzungen und in einzuhaltenden Fristen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können. Außerdem soll eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit geschaffen werden, wenn dies in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen auf der Grundlage von Tarifverträgen vorgesehen wird (Experimentierräume). Leider wird damit keine Lösung für Betriebe ohne Tarifbindung oder Arbeitnehmer geschaffen, die außerhalb des Geltungsbereichs von Tarifverträgen im Einsatz sind. Offen bleibt auch die Situation leitender Angestellter, die durch den Betriebsrat nicht vertreten werden. Es dürfte wichtig sein, dies in den bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren erkennbar zu machen. Schließlich sieht der Koalitionsvertrag vor, dass im Dialog mit den Sozialpartnern geprüft werden soll, welcher Anpassungsbedarf angesichts der Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitszeitrecht besteht. Dabei sollen flexible Arbeitszeitmodelle (z. B. Vertrauensarbeitszeit) weiterhin möglich sein. Das aber dürfte nur dann mit dem Unionsrecht vereinbar sein, wenn der Geltungsbereich für Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit (tatsächlich) frei bestimmen können, insgesamt bzw. in Bezug auf einzelne Regelungen eingeschränkt wird. Dazu sollte auch und insbesondere die Ruhezeit gehören, deren Einhaltung angesichts des übergreifenden Bestrebens, Beruf und Familie in Einklang zu bringen, nur schwer eingehalten werden kann. (Rz. 228 ff.) Homeoffice: Das Homeoffice soll als eine Möglichkeit der mobilen Arbeit rechtlich von der Telearbeit und dem Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung abgegrenzt werden. Arbeitsschutz, gute Arbeitsbedingungen und das Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes seien bei mobiler Arbeit indes wichtige Voraussetzungen. Das erfordere Information und Beratung der Beschäftigten sowie deren angemessene Unterstützung durch ihre Arbeitgeber. Zur gesunden Gestaltung des Homeoffices sollen daher im Dialog mit allen Beteiligten sachgerechte und flexible Lösungen erarbeitet werden. Dabei sollen Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice erhalten. Arbeitgeber sollen dem Wunsch der Beschäftigten nur dann widersprechen können, wenn betriebliche Belange entgegenstehen. Die weitergehende Erläuterung, dass dies heiße,
334
Arbeitsrechtliche Ankündigungen im Koalitionsvertrag
dass eine Ablehnung nicht sachfremd oder willkürlich sein dürfe, lässt jedenfalls vermuten, dass damit an die Regelungen im Entwurf eines Gesetzes über mobile Arbeit (MAG) angeknüpft werden soll, auf das wir bereits im Frühjahr verwiesen hatten2. Auch hier soll Raum für abweichende tarifvertragliche und betriebliche Regelungen bleiben. Darüber hinaus soll mobile Arbeit EU-weit unproblematisch möglich sein, was allerdings voraussetzt, dass in Abstimmung mit den anderen EU-Staaten insbesondere steuerliche Probleme gelöst werden. Wir hatten an anderer Stelle darauf verwiesen3. Ergänzend hierzu soll die steuerliche Regelung des Homeoffices für Arbeitnehmer bis zum 31.12.2022 verlängert und evaluiert werden. Über den Inhalt dieser Regelung hatten wir zuletzt im Frühjahr berichtet4. (Rz. 2243 ff.) Selbständige: Für Selbständige soll ein erleichterter Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung geschaffen werden, damit für den Fall einer Beschäftigungslosigkeit auch Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht. Darüber hinaus sollen Selbständige dadurch entlastet werden, dass Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung oberhalb der Minijobgrenze nur noch strikt einkommensteuerbezogen erhoben werden. Darüber hinaus soll für alle neuen Selbständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen, eine Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit eingeführt werden. Selbständige sind in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, sofern sie nicht im Rahmen eines einfachen und unbürokratischen Opt-Outs ein privates Vorsorgeprodukt wählen. (Rz. 2256 ff., 2461 ff.) Mindestlohn: Der gesetzliche Mindestlohn soll einmalig auf 12,00 € pro Stunde erhöht werden. Im Anschluss daran soll die weitere Anhebung wieder durch die unabhängige Mindestlohnkommission gesteuert werden. Darüber hinaus soll der Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie über angemessene armutsfeste Mindestlöhne zur Stärkung des Tarifsystems unterstützt werden. Wir hatten auf diesen Entwurf im Frühjahr verwiesen5. (Rz. 2277 ff.) Mini- und Midi-Jobs: Bei den Mini- und Midi-Jobs sollen Hürden, die eine Aufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung erschweren, abgebaut werden. Dabei soll die Midi-Job-Grenze auf 1.600,00 € angehoben werden. Die Mini-Job-Grenze soll sich zukünftig (dynamisch) an einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zu Mindestlohnbedingungen ausrichten. Mit Einführung des erhöhten Mindestlohns soll dementsprechend eine Anhebung der
2 3 4 5
B. Gaul, AktuellAR 2021, 36 ff. Bonanni/Rindone, AktuellAR 2021, 404 ff. B. Gaul, AktuellAR 2021, 303 ff. B. Gaul, AktuellAR 2021, 57 ff.
335
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Grenze für eine geringfügige Beschäftigung auf 520,00 € erfolgen. Um sicherzustellen, dass Mini-Jobs nicht als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle, insbesondere für Frauen werden, soll die Einhaltung des geltenden Arbeitsrechts bei Mini-Jobs stärker kontrolliert werden. (Rz. 2287 ff.) Befristungen: Die Möglichkeit der Haushaltsbefristung, die allerdings bereits durch die Rechtsprechung weitestgehend für unzulässig erklärt worden war6, soll abgeschafft werden. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass die sachgrundlose Befristung jedenfalls beim Bund als Arbeitgeber Schritt für Schritt reduziert wird. Im Übrigen sieht der Koalitionsvertrag allerdings keine Änderung von § 14 Abs. 2 TzBfG vor. Damit scheint zwar die Verkürzung der Höchstdauer einer sachgrundlosen Befristung nicht mehr verfolgt zu werden. Gleichzeitig aber fehlt auch eine Ankündigung, Klarstellungen in Bezug auf schädliche Vorbeschäftigungen vorzunehmen. Angekündigt wird lediglich, dass Kettenbefristungen aus sachlichem Grund durch eine Höchstdauer von sechs Jahren begrenzt werden. Nur in eng begrenzten Ausnahmen soll ein Überschreiten dieser Höchstdauer möglich sein. (Rz. 2306 ff) Arbeitnehmerüberlassung und Arbeitskräftemobilität: Der Koalitionsvertrag erkennt an, dass Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung notwendige Instrumente sind. Gleichzeitig wird indes angekündigt, dass strukturelle und systematische Verstöße gegen Arbeitsrecht und Arbeitsschutz durch effektivere Rechtsdurchsetzung verhindert werden sollen. Dazu soll auch mehr Sicherheit bei Arbeit auf Abruf gehören. Außerdem sollen die Krisenregelungen beim Kurzarbeitergeld, die während der Corona-Pandemie geschaffen wurden, insbesondere mit Blick auf Menschen mit geringem Einkommen evaluiert werden. Möglicherweise soll auf diese Weise der Entscheidung des BAG vom 13.10.20217, auf die wir an anderer Stelle verwiesen hatten8, Rechnung getragen werden. In dieser Entscheidung hatte das BAG klargestellt, dass Arbeitnehmer, die als Folge eines staatlich angeordneten Lockdowns nicht beschäftigt werden können, keinen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung aus § 615 S. 1, 3 BGB haben. Denn die fehlende Möglichkeit ihrer Beschäftigung sei kein Fall des Betriebsrisikos. Das hat gerade bei geringfügig Beschäftigten erhebliche Nachteile, weil diese nach geltender Rechtslage keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. (Rz. 2313 ff)
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7 8
Vgl. BAG v. 23.5.2018 – 7 AZR 16/17, NZA 2018, 1549; BAG v. 9.3.2011 − 7 AZR 728/09, NZA 2011, 91 Rz. 8, 32; BAG v. 17.3.2010 – 7 AZR 640/08, NZA 2010, 633; BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 419/05, NZA 2007, 332. BAG v. 13.10.2021 – 5 AZR 211/21, FD-ArbR 2021, 442723. B. Gaul, AktuellAR 2021, 484 f.
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Arbeitsrechtliche Ankündigungen im Koalitionsvertrag
Tarifautonomie: Die Tarifautonomie in Deutschland soll gefördert werden, wodurch mittelbar auch die Lohnangleichung zwischen Ost und West befördert werden soll. Zur Stärkung der Tarifbindung soll die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrags der jeweiligen Branche gebunden werden, wobei die Vergabe auf einer einfachen, unbürokratischen Erklärung beruht. Erhebliche Bedeutung für künftige Restrukturierungsvorhaben hat die Ankündigung, dass bei Betriebsausgliederungen, die mit einer Identität des bisherigen Eigentümers verbunden sind, eine Tarifflucht durch Regelungen zur Fortgeltung des geltenden Tarifvertrags verhindert werden sollen. Soweit im Anschluss daran die Feststellung getroffen wird, dass § 613 a BGB (Rechte und Pflichten beim Betriebsübergang) unangetastet bleiben soll, lässt sich dies allerdings mit der vorangehenden Ankündigung nicht verbinden. Denn § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB erlaubt einen Tarifwechsel selbst dann, wenn Veräußerer und Erwerber in einer Konzernbindung bestehen. (Rz. 2328 ff) Betriebsverfassung: Die Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene soll weiterentwickelt werden. In diesem Zusammenhang sollen Betriebsräte selbstbestimmt darüber entscheiden, ob sie analog oder digital arbeiten. Ob dies auch ein Recht auf die Arbeit im Homeoffice für ein Betriebsratsmitglied zur Folge hat, wird dabei nicht erkennbar. In jedem Fall soll offenbar festgelegt werden, dass Betriebsräte einen Anspruch auf eine technische Ausstattung haben, die ihnen ein digitales Arbeiten möglich macht. (Rz. 2340 ff.) Im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Maßstäbe sollen Online-Betriebsratswahlen in einem Pilotprojekt erprobt werden. Dass dies bei den Betriebsratswahlen im Jahre 2022 nicht mehr flächendeckend gelingen kann und deshalb auch nicht übergreifend eingeführt werden kann, erscheint zum aktuellen Zeitpunkt zwingend. Für die Gewerkschaften soll es ein zeitgemäßes Recht auf einen digitalen Zugang in die Betriebe geben, dass ihren analogen Rechten entspricht. Es bleibt abzuwarten, ob damit nur eine Verlinkung gemeint ist, wie sie im Bundespersonalvertretungsrecht vorgesehen ist, oder ob damit auch ein Anspruch auf Nutzung der arbeitgeberseitigen Technik (z. B. Intranet, Server, E-Mail-Accounts) verbunden ist. Im Zusammenhang mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz war ein solches Zugangsrecht nicht geschaffen worden9. (Rz. 2340 ff) Unternehmensmitbestimmung: Im Bereich der Unternehmensmitbestimmung sollen die bestehenden Regelungen nicht nur bewahrt, sondern zugleich missbräuchliche Umgehungen geltenden Mitbestimmungsrechts verhindert
9
Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 10, 565 ff., 567 f.
337
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
werden. Darüber hinaus will sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Unternehmensmitbestimmung weiterentwickelt wird. Dazu gehört nach den Feststellungen im Koalitionsvertrag auch die Absicht, Regelungen zu schaffen, die einer vollständigen Mitbestimmungsvermeidung beim Zuwachs von SE-Gesellschaften entgegenstehen (Einfriereffekt). Ergänzend hierzu soll die Konzernzurechnung aus dem MitbG auf das DrittelBG übertragen werden, sofern faktisch eine echte Beherrschung vorliegt. (Rz. 2352 ff.) Digitale Plattformen: Digitale Plattformen werden im Koalitionsvertrag als eine Bereicherung für die Arbeitswelt anerkannt. Gleichwohl soll für faire und gute Arbeitsbedingungen gesorgt werden. Dazu gehört auch, dass die Initiative der EU-Kommission zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf Plattformen konstruktiv begleitet werden soll. Bei der Gestaltung von KI in der Arbeitswelt setzt die Koalition auf einen menschenzentrierten Ansatz, soziale und wirtschaftliche Innovation ebenso wie auf Gemeinwohlorientierung. Dabei soll der risikobasierte EU-Ansatz unterstützt werden, den wir bereits an anderer Stelle behandelt haben10. (Rz. 2360 ff.) Arbeits- und Gesundheitsschutz: Der Arbeits- und Gesundheitsschutz soll den neuen Herausforderungen der sich wandelnden Arbeitswelt angepasst werden. Dazu wird man sich der psychischen Gesundheit intensiv widmen und einen Mobbing-Report erarbeiten. Außerdem soll das betriebliche Eingliederungsmanagement gestärkt werden. Als Bestandteil der Inklusion sollen dabei einheitliche Qualitätsstandards eingeführt und das „Hamburger Modell zur Wiedereingliederung nach langandauernder Erkrankung“ flächendeckend verbindlich gemacht werden. (Rz. 2369 ff., 2574 ff.) Gesetzliche Altersrente: Die Flexi-Rente soll durch eine bessere Beratung in ihrer Bekanntheit verbreitert werden. Darüber hinaus soll die Regelung zum Hinzuverdienst bei vorzeitigem Rentenbezug entfristet werden. Weiterhin sollen Wünsche nach einem längeren Verbleib im Arbeitsleben einfacher verwirklicht werden können. In diesem Zusammenhang sollen insbesondere Überlegungen zu einem flexiblen Renteneintritt nach skandinavischem Vorbild und die Situation besonders belasteter Berufsgruppen in die Diskussion einbezogen werden. (Rz. 2453 ff.) Gleichstellung von Männern und Frauen: Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen soll durch weitere Maßnahmen geschlossen werden. Dazu gehört eine Weiterentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes. In diesem Zusammenhang soll die Durchsetzung des Anspruchs auf Lohngleichheit gestärkt werden, indem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglicht 10 B. Gaul, AktuellAR 2021, 383 ff.
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3 G am Arbeitsplatz, Homeoffice-Pflicht und andere Maßnahmen
wird, ihre individuellen Rechte durch Verbände im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen. Im Zweifel bedeutet dies, dass Gewerkschaften Ansprüche im Klagewege geltend machen können, die mit einer Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts begründet werden. Unabhängig davon soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestärkt werden. Damit die Brückenteilzeit künftig von mehr Beschäftigten in Anspruch genommen werden kann, soll die „Überforderungsklausel“ überarbeitet und gleichzeitig für die Unternehmen übersichtlicher gestaltet werden. Auf europäischer Ebene soll die Verabschiedung einer EU-Richtlinie für Lohntransparenz, auf deren Entwurf wir bereits im Frühjahr verwiesen hatten11, unterstützt werden. Sie soll die Situation möglichst vieler Frauen erfassen, bürokratiearm und mittelstandskonform umgesetzt werden und ein nach Betriebsgröße und Leistung gestaffeltes Berichtsystems vorsehen. (Rz. 3855 ff., 4505 ff) (Ga)
2.
3 G am Arbeitsplatz, Homeoffice-Pflicht und andere Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung
a)
Ausgangssituation
Nach langen Diskussionen über die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen zur Einschränkung der COVID-19-Pandemie sind mit dem Gesetz zur Änderung des IfSG und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite wesentliche Änderungen am 24.11.2021 in Kraft getreten12. Ergänzend wurden noch am 2.12.2021 durch die MPK weitergehende Maßnahmen festgelegt. Nur schwer nachvollziehbar ist dabei, dass einerseits weitergehende Handlungspflichten für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Unternehmen begründet werden, um die 4. Welle der Pandemie zu verhindern und einer 5. Welle entgegenzuwirken, gleichzeitig aber an der – im Wahlkampf versprochenen – Beendigung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite festgehalten wird. Sie folgt aus dem Umstand, dass der entsprechende Beschluss des Deutschen Bundestags vom 25.8.2021 nicht bestätigt wurde, so dass die daraus folgende Annahme einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite mit Ablauf von drei Monaten ausgelaufen ist. Das führte im November allerdings zu der Notwendigkeit, für gesetzliche Regelungen oder Regelungen durch Rechtsverordnung, bei denen die bisherigen
11 B. Gaul, AktuellAR 2021, 64 ff. 12 BGBl. I 2021, 4906.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Handlungsvorgaben eigentlich (nur) weitergelten sollten, jetzt bei gleicher und zum Teil sogar stärkerer Eingriffsstärke etwaiger Schutzmaßnahmen ausreichen zu lassen, dass die epidemische Lage von nationaler Tragweise abgelaufen ist und (nur noch) eine Übergangszeit besteht. Alternativ genügt es jetzt, dass Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der CoronavirusKrankheit-2019 (COVID-19) erforderlich sind oder „die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) besteht“. Es wäre sachgerechter und ehrlicher gewesen, den Fortbestand der Pandemie über den 25.11.2021 hinaus anzuerkennen und dann die Neufassung des Gesetzes weiterhin an die epidemische Lage von nationaler Tragweite zu knüpfen. Wahlkampf war vorbei. Fehleinschätzungen sind – gerade in pandemischen Zeiten – menschlich und (leider) inzwischen normal. Ungeachtet dessen soll nachfolgend der Versuch gemacht werden, die zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Manuskripts geltenden Regelungen zusammenzufassen, auch wenn zu erwarten ist, dass sich diese schon bald wieder ändern und durch landesgesetzliche Regelungen bzw. Vorgaben in der SARSCoV-2-Arbeitsschutzverordnung ergänzt werden. Wichtig ist, dass dabei weiterhin nicht nur das IfSG und die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (CASV), sondern auch die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (C-ASR) beachtet wird, die am 24.11.2021 ebenfalls neu gefasst wurde13. Das gleiche gilt für Arbeitsschutzstandards, die ergänzend für verschiedene Branchen und Tätigkeiten entwickelt wurden (z. B. Apotheken).
b)
Ermächtigungsgrundlagen für staatliche Schutzmaßnahmen
In § 28 a IfSG werden weiterhin die Grundlagen für notwendige Schutzmaßnahmen zur Verhinderung von COVID-19 gelegt, wobei dabei an die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite geknüpft (Abs. 1 bis 6) oder – unabhängig von einer solchen Situation – als ausreichend bestimmt wird, dass Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich sind (Abs. 7) oder Maßnahmen bestimmt werden, soweit und solange die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung von COVID-19 besteht (Abs. 8). Die Festlegung etwaiger Maßnahmen ist insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten; dabei sind absehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen. Weitergehende Schutzmaßnahmen sollen unter Berücksich-
13 GMBl 2021, 1331.
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3 G am Arbeitsplatz, Homeoffice-Pflicht und andere Maßnahmen
tigung des jeweiligen regionalen und überregionalen Infektionsgeschehens mit dem Ziel getroffen werden, eine drohende Überlastung der regionalen und überregionalen stationären Versorgung zu vermeiden. Wesentlicher Maßstab für die weitergehenden Schutzmaßnahmen ist dabei insbesondere der Index der Hospitalisierung. Darüber hinaus sind soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vereinbar ist. Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, können von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nicht zwingend erforderlich ist. Auf dieser Grundlage waren in der MPK vom 18.11.2021 parallel zu der gesetzlichen Änderung folgende Schwellenwerte festgelegt worden: • Hospitalisierungsrate ≥ 3: Beschränkung des Zugangs zu Freizeitund Kulturveranstaltungen, Sportveranstaltungen und gastronomischen Einrichtungen sowie sonstigen Veranstaltungen in Innenräumen sowie körpernahen Dienstleistungen und Beherbergungen auf immunisierte Personen (2 G). Betriebliche Veranstaltungen, die intern auf dem Betriebsgelände durchgeführt werden, dürften hiervon aber nicht erfasst werden. • Hospitalisierungsrate ≥ 6: Beschränkung des Zugangs zu den vorgenannten Veranstaltungen auf immunisierte Personen mit einem negativen Testergebnis (2 G Plus) jedenfalls dort, wo erhöhte Infektionsrisiken bestehen. Wenn der Schwellenwert an fünf Tagen in Folge unterschritten wird, kann von den Einschränkungen abgesehen werden. • Hospitalisierungsrate ≥ 9: Festlegung weitergehender Einschränkungen durch die Landesparlamente.
In der MPK vom 2.12.2021 ist die kurzfristige Einführung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht und eine offene Diskussion einer allgemeinen Impfpflicht, die im Februar kommen könnte, angekündigt worden. Unabhängig von einer festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite können nach § 28 a Abs. 7 IfSG Abstandsgebote, Kontaktbeschränkungen, eine Pflicht zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz), die Pflicht zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen sowie an die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs in
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
bestimmten Betrieben, Gewerben, Einrichtungen, Angeboten, Veranstaltungen und Reisen, die Notwendigkeit von Hygienekonzepten oder Beschränkungen in Bezug auf die Anzahl von Personen in Betrieben, Gewerben, Einrichtungen, bei Angeboten, Veranstaltungen und Reisen sowie Pflichten zur Kontaktverfolgung festgelegt werden. Darüber hinaus kann nach § 28 a Abs. 8 IfSG auf Landesebene auch nach dem Ende einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite die in § 28 a Abs. 1 bis 6 IfSG vorgesehenen Schutzmaßnahmen auch angewendet werden, soweit und solange die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung von COVID19 in einem Land besteht und das Parlament in dem betroffenen Land die Anwendbarkeit dieser Absätze für das Land feststellt. Dabei werden allerdings bestimmte Maßnahmen ausgeschlossen, zu denen beispielsweise Ausgangsbeschränkungen, eine Untersagung der Sportausübung oder Einschränkungen der Gastronomie gehören. Diese Maßnahmen bleiben dem Bundesgesetzgeber vorbehalten. Nach § 28 c IfSG hat die Bundesregierung die Befugnis durch Rechtsverordnung für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen COVID-19 auszugehen ist oder die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Virus vorlegen können, Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verboten nach dem fünften Abschnitt des IfSG oder von aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Geboten und Verboten zu regeln (3 G). Dabei kann in der Rechtsverordnung vorgesehen werden, dass Erleichterungen und Ausnahmen für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen COVID-19 auszugehen ist, nur bestehen, wenn sie ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Virus vorlegen können (2 G Plus).
c)
Einführung von 3 G am Arbeitsplatz
Die wichtigste Veränderung für die betriebliche Praxis dürfte in der Entscheidung liegen, durch § 28 b Abs. 1 IfSG in allen Betrieben 3 G einzuführen. So bestimmt § 28 b Abs. 1 IfSG, dass Arbeitgeber und Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten und dass Arbeitgeber Transporte von mehreren Beschäftigten zur Arbeitsstätte oder von der Arbeitsstätte nur durchführen dürfen, wenn sie geimpfte Personen, genesene Personen oder getestete Personen sind und einen Impf-, einen Genesenen- oder einen Testnachweis mit sich führen, zur Kontrolle verfügbar halten oder bei dem Arbeitgeber hinterlegt haben. Physische Kontakte sollen dabei schon dann gegeben sein, wenn in der Arbeitsstätte ein Zusammentreffen mit anderen Personen nicht ausgeschlossen 342
3 G am Arbeitsplatz, Homeoffice-Pflicht und andere Maßnahmen
werden kann, auch wenn es zu keinem direkten Körperkontakt kommt. Ausweislich der Begründung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens soll dabei nicht erheblich sein, ob die Beschäftigten tatsächlich auf andere Personen treffen. Nicht erforderlich dürfte mit Blick auf die Begründung auch sein, dass der Kontakt so lange und so intensiv ist, dass er als Erstkontakt der CoronaNachverfolgung zählen würde. Dafür wäre erforderlich, dass bei einem Betreten des Betriebs für einen Zeitraum von mehr als zehn Minuten ein Kontakt mit einem Abstand von weniger als 1,5 Metern zu erwarten wäre, ohne dass beiderseits Masken getragen werden, oder dass ein schlecht oder nicht belüfteter Raum über eine längere Zeit geteilt werden müsste (vgl. § 15 Abs. 5 CoronaTestQuarantäneVO NRW). Für § 28 b Abs. 1 IfSG reicht vielmehr aus, dass eine (kurze) Begegnung erfolgt oder erfolgen könnte. Gemäß § 2 Nrn. 6, 7 SchAusnahmV setzt die Anerkennung des auf einen Arbeitnehmer lautenden Testnachweises voraus, dass er in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache verkörpert oder in digitaler Form vorgelegt werden kann und die zugrundeliegende Testung durch Invitro-Diagnostika erfolgt ist, die für den direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 bestimmt ist und die auf Grund ihrer CEKennzeichnung oder auf Grund einer gemäß § 11 Abs. 1 MPG erteilten Sonderzulassung verkehrsfähig ist, die zugrunde liegende Testung maximal 24 Stunden zurückliegt und • vor Ort unter Aufsicht desjenigen stattfindet, der der jeweiligen Schutzmaßnahme unterworfen ist, • im Rahmen einer betrieblichen Testung im Sinne des Arbeitsschutzes durch Personal, das die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung besitzt, erfolgt oder • von einem Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Coronavirus-Testverordnung vorgenommen oder überwacht wurde („Bürgertest“).
Tests, die durch einen Arzt auf der Grundlage eines Online-Fragenkatalogs oder einer Videosprechstunde erstellt werden, erfüllen die vorstehenden Anforderungen nicht. Zwar gehören die in solche Angebote eingebundenen Arztpraxen grundsätzlich zu den nach § 6 Abs. 1 TestV zugelassenen Leistungserbringern. Die Online-Abwicklung per Frageboten schließt aber bereits in der Form der Abwicklung aus, dass der Test durch den Arzt selbst vorgenommen oder seine Durchführung tatsächlich überwacht wird. Darüber hinaus wird man davon ausgehen müssen, dass auch der in eine Videosprechstunde eingebundene Arzt nicht in der Lage ist, die ordnungsgemäße Durchführung des Tests zu überwachen. Denn weder die Entnahme der Probe noch die Sekretverarbeitung kann lückenlos eingesehen werden; damit fehlt die vollstän343
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
dige Überwachung, die nach dem Gesetz unterstellt wird. Das zeigt bereits der Vergleich mit den ersten beiden Alternativen, die jeweils durch gleichzeitige Anwesenheit des Arbeitnehmers und der kontrollierenden oder testenden Person gekennzeichnet sind. Dass die Online- oder Videotests diesen Anspruch einer seriösen Überwachung auch gar nicht verfolgen, sondern eher wirtschaftliche Interessen der beteiligten Institute bzw. Ärzte verfolgen, wird deutlich, wenn die Anbieter solcher Testverfahren erklären, dass die Abwicklung einer Anfrage auf einen Online-Test für den beteiligten Arzt nur drei Sekunden dauere und deshalb „gut skalierbar“ sei. Der Arbeitgeber ist nach aktuellem Stand nicht verpflichtet, die Überwachung von Tests oder die eigene Durchführung von Tests anzubieten. Das folgt im Umkehrschluss zu der umgekehrten Regelung für besondere Einrichtungen in § 28 b Abs. 2 S. 7 IfSG. Falls der Arbeitgeber solche Tests gleichwohl anbieten würde, wären bei der Dokumentation auch die Anforderungen aus § 22 Abs. 4 c und 4 d IfSG zu beachten. Falls der Arbeitgeber solche Testmöglichkeiten nicht anbietet und nach spezialgesetzlichen Regelungen nicht anbieten muss, ist der nicht geimpfte oder nicht genesene Arbeitnehmer gehalten, sich selbst einen Bürgertest zu besorgen. Unabhängig von der Testform ist die damit verbundene Zeit keine Arbeitszeit und muss nicht bezahlt werden. Ohne den erforderlichen Nachweis eines der 3 G darf der Arbeitnehmer nicht zu seinem Arbeitsplatz gelassen werden. Er kann im Betrieb also nicht beschäftigt werden. Gibt es auch unter Berücksichtigung von § 28 b Abs. 4 IfSG keine Möglichkeit, den Arbeitnehmer im Homeoffice einzusetzen, verliert er seinen Anspruch auf Entgelt. § 616 BGB kommt in diesen Fällen nicht zur Anwendung, weil die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit nicht unverschuldet eingetreten ist. Unabhängig davon ist § 616 BGB in vielen Fällen durch Tarifvertrag, der seinerseits die hier in Rede stehende Situation nicht erfasst, ausgeschlossen. Annahmeverzug oder ein Fall des Betriebsrisikos (§ 615 S. 1, 3 BGB) sind ebenfalls nicht gegeben. Es genügt, wenn der Nachweis beim Betreten der Arbeitsstätte gültig ist und mit sich geführt und zur Kontrolle verfügbar gehalten wird oder beim Arbeitgeber hinterlegt wird. Nicht erforderlich ist, dass die Gültigkeit während der gesamten Verweildauer gegeben ist. Daher kann ein Test auch an zwei Tagen verwendet werden, wenn der Arbeitnehmer an dem folgenden Tag zu einem früheren Zeitpunkt mit der Arbeit beginnt. Abweichend hiervon kann ein PCR-Test sogar bis zu 48 Stunden verwendet werden. Ein Verzicht auf den 3 G-Nachweis kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar vor Arbeitsaufnahme ein Impfangebot im Betrieb oder ein Testangebot im Betrieb wahrnehmen will, mit dessen Ergebnis der erforderliche Nachweis geführt wird. Es muss also darum gehen, dass ein Test in Überwachung durch 344
3 G am Arbeitsplatz, Homeoffice-Pflicht und andere Maßnahmen
den Arbeitgeber selbst oder durch Personen vorgenommen wird, die der Arbeitgeber zu diesem Zweck eingesetzt hat. Das Betreten ohne 3 G-Nachweis mit dem Ziel, einen unüberwachten Selbsttest vorzunehmen, ist unzulässig. Wichtig ist, dass Arbeitgeber und Beschäftigte gleichermaßen erfasst werden. Zu den Beschäftigten gehören Arbeitnehmer, Auszubildende und Leiharbeitnehmer. Außerdem wird man ausgeschiedene Arbeitnehmer, Bewerber sowie arbeitnehmerähnliche Personen einbeziehen können. Das entspricht § 3 Nr. 11 BDSG, der hier allerdings keine Bindungswirkung besitzt. Außendienstmitarbeiter werden nur dann erfasst, wenn sie im Betrieb tätig werden. Das folgt aus dem Erfordernis, dass es um das Betreten einer Arbeitsstätte geht. Dabei wird man an § 2 Abs. 1 Nrn. 1, 2 ArbStättV anknüpfen können. Dort wird bestimmt: (1) Arbeitsstätten sind: 1. Arbeitsräume oder andere Orte in Gebäuden auf dem Gelände eines Betriebes, 2. Orte im Freien auf dem Gelände eines Betriebes, 3. Orte auf Baustellen, sofern sie zur Nutzung für Arbeitsplätze vorgesehen sind. (2) Zur Arbeitsstätte gehören insbesondere auch: 1. Orte auf dem Gelände eines Betriebes oder einer Baustelle, zu denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit Zugang haben, 2. Verkehrswege, Fluchtwege, Notausgänge, Lager-, Maschinen- und Nebenräume, Sanitärräume, Kantinen, Pausen- und Bereitschaftsräume, Erste-Hilfe-Räume, Unterkünfte sowie 3. Einrichtungen, die dem Betreiben der Arbeitsstätte dienen, insbesondere Sicherheitsbeleuchtungen, Feuerlöscheinrichtungen, Versorgungseinrichtungen, Beleuchtungsanlagen, raumlufttechnische Anlagen, Signalanlagen, Energieverteilungsanlagen, Türen und Tore, Fahrsteige, Fahrtreppen, Laderampen und Steigleitern.
Fremdpersonal oder selbständig tätige Personen (z. B. Handelsvertreter, Außendienstmitarbeiter), die auf dem Betriebsgelände tätig werden, wird man hingegen nicht zu den Beschäftigten i. S. d. § 28 b Abs. 1 IfSG rechnen können. Das gleiche gilt für Personen, die durch einen anderen Arbeitgeber zur Erfüllung eines Dienst- oder Werkvertrags auf dem Betriebsgelände eingesetzt werden, oder Personen, die das Betriebsgelände betreten, um selbst oder durch Dritte Vereinbarungen abzuschließen (z. B. Vertriebsmitarbeiter eines 345
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
potenziellen Lieferanten). Für ihre Einbeziehung spricht zwar der Schutzzweck. Dagegen spricht aber nicht nur die Bezeichnung „Beschäftigter“, der in anderen Gesetzen (vgl. BDSG, ArbStättV, MuSchG) nur mit unselbständig Beschäftigten und ggf. arbeitnehmerähnlichen Personen gleichgesetzt wird. Auch zeigt § 28 b Abs. 2 IfSG, dass dem Gesetzgeber bewusst war, dass auch Besucher oder Dritte in den Betrieb bzw. die Einrichtung kommen können. Außerhalb der Einrichtungen nach § 28 b Abs. 2 IfSG kann ein 2 G oder 3 GStatus aber auf der Grundlage des Hausrechts festgelegt werden. Dieses berechtigt den Betriebsinhaber, den Einsatz von Fremdpersonal und/oder die Tätigkeit von Außendienstmitarbeitern eines anderen Unternehmens auf dem Betriebsgelände abzulehnen, das diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Abfrage des Status kann – vergleichbar mit der Gastronomie – durch den Betriebsinhaber oder durch den Dienst- oder Werknehmer erfolgen. Grundlage ist in diesem Fall aber nicht § 28 b Abs. 3 IfSG, weil der Einsatz dieser Arbeitnehmer nicht auf einer Arbeitsstätte erfolgt, die durch den eigenen Arbeitgeber errichtet wurde, sondern §§ 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, 26 Abs. 1, 3 BDSG, Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO, der es erlaubt, in Erfüllung der arbeitsrechtlichen Pflichten zum Schutz der Gesundheit der eigenen Arbeitnehmer auch Gefahren einzuschränken, die durch ansteckende Krankheiten Dritter (hier: Fremdpersonal, Außendienstmitarbeiter) ausgelöst werden. Eine entsprechende Berechtigung folgt auch aus dem Umstand, dass diese Maßnahme – wie vom Gesetzgeber selbst mit Blick auf die Kontrolle der eigenen Arbeitnehmer angenommen – aus Gründen des öffentlichen Interesses im Interesse der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist, um die Weiterverbreitung von COVID-19 an diesem Ort zu beschränken14. Das korrespondiert mit § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. c, Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO. Auch unter Berücksichtigung des damit verbundenen Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist dies angemessen. Kann der hiervon betroffene Arbeitnehmer durch seinen eigenen Arbeitgeber deshalb nicht mehr beschäftigt werden, liegt an sich Unvermögen vor. Daran anknüpfend ist einzelfallbezogen zu prüfen, ob dies den Wegfall des Vergütungsanspruchs und unter den allgemeinen Voraussetzungen auch eine personenbedingte Kündigung zur Folge haben kann15. Soweit in § 28 b IfSG auch Transporte erfasst werden, gehört dazu nicht der Weg von zu Hause zur Arbeit. Hier kommen allenfalls die allgemeinen Regelungen über 3 G in den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Tragen. Erfasst 14 Begründung des Änderungsantrags der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hauptausschuss zu § 28 b IfSG. 15 Vgl. BAG 28.9.2016 – 5 AZR 224/16, NZA 2017, 124 Rz. 17 ff. zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einem Hausverbot durch einen Kunden Ansprüche auf Entgeltfortzahlung aus § 615 S. 3 BGB bestehen können.
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werden allerdings Fahrten, die auf Veranlassung des Arbeitgebers in Dienstwagen, Privat- oder Fremdfahrzeugen durchgeführt werden, wenn mehr als zwei Arbeitnehmer betroffen sind. Dabei werden auch Fahrten erfasst, die von den Arbeitnehmern selbst organisiert oder durchgeführt werden. Ein Indiz für die arbeitgeberseitige Veranlassung ist die Übernahme von Kosten und/oder die Vergütung dieser Reisezeiten. Verhaltensbedingte Kündigungen bei einer Nichtbeachtung des Zutrittsverbots aus § 28 b Abs. 1 IfSG kommen grundsätzlich nur nach einer Abmahnung in Betracht. Personenbedingte Kündigungen bei einer Nichterfüllung der Nachweispflicht, die zu einer fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit führt, dürften regelmäßig an der Interessenabwägung scheitern, weil die 3 G-Pflicht der Beschäftigung wohl nur vorübergehend entgegensteht. Unabhängig davon wird man darüber nachdenken müssen, dem Arbeitnehmer noch einmal vor Augen zu führen, dass er bei einer fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit als Folge des fehlenden Nachweises einer Impfung, des Genesenenstatus oder des Teststatus den Bestand des Arbeitsverhältnisses „auf’s Spiel“ setzt. Diese besondere Form der Abmahnung analog § 314 BGB hat das BAG im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Kündigungen für erforderlich gehalten, falls diese erklärt werden, nachdem sich der Arbeitnehmer weigert, mildere Maßnahmen, die im Rahmen des bEM ausgearbeitet wurden, durchzuführen.
d)
Besonderheiten in besonderen Einrichtungen
Arbeitgeber, Beschäftigte und Besucher in Einrichtungen und Unternehmen nach §§ 23 Abs. 3 S. 1, 36 Abs. 1 Nr. 2, 7 IfSG dürfen diese nur betreten, wenn sie getestete Personen im Sinne des § 2 Nr. 6 SchAusnahmV sind und einen Testnachweis mit sich führen, § 28 b Abs. 2 IfSG. Die in diesen Einrichtungen und Unternehmen behandelten, betreuten, gepflegten oder untergebrachten Personen gelten nicht als Besucher. Für Arbeitgeber und Beschäftigte, die geimpfte oder genesene Personen sind, kann die Testung auch durch Antigen-Tests zur Eigenanwendung ohne Überwachung (Selbsttest) erfolgen. Darüber hinaus genügt es bei diesem Personenkreis, dass die Testung höchstens zweimal pro Kalenderwoche wiederholt wird. Ergänzend hierzu müssen die Einrichtungen und Unternehmen ein einrichtungs- oder unternehmensbezogenes Testkonzept erstellen. Außerdem müssen Testungen auf eine Infektion für alle Beschäftigten und Besucher angeboten werden.
e)
Überwachungspflicht und Fragerecht des Arbeitgebers
Hoch umstritten war bis zum Inkrafttreten von § 28 b IfSG, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, auch außerhalb der Sonderregelungen in §§ 23, 23 a, 36 Abs. 3 IfSG nach dem Impf- oder Serostatus zu fragen. Vielfach wurde ein 347
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
solches Fragerecht durch Datenschutzrechtler mit der Begründung abgelehnt, dass eine ausdrückliche Regelung, die konkret die Verarbeitung dieser besonderen personenbezogenen Daten regele, außerhalb der spezialgesetzlichen Regelungen nicht bestehe. Ohne eine ausdrückliche Regelung, wie sie in §§ 23 a, 36 Abs. 3 IfSG getroffen worden sei, fehle es aber an einer gesetzlichen Grundlage, die für diese Verarbeitung erforderlich sei. Nur mit Blick auf die Durchführung von § 56 Abs. 1 IfSG, im Rahmen dessen Entschädigungsansprüche wegen Quarantäne bei fehlender Impfung des Betroffenen ausgeschlossen sind, hatte man – insoweit im Widerspruch zur eigenen Auffassung und ihrer Begründung – ein Fragerecht des Arbeitgebers anerkannt16. Auch eine Einwilligung sollte im Zweifel ausgeschlossen sein17. Diese Sichtweise war schon in der Vergangenheit nicht überzeugend. Sie war nicht nur interessenwidrig und stand im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Schutzmaßnahmen zur Infektionsbekämpfung. Sie war geradezu paradox: Der Arbeitgeber sollte mit verhältnismäßigen Mitteln den innerbetrieblichen Infektionsschutz sicherstellen, auch um seinen gesetzlichen Pflichten aus §§ 618 BGB, 3 ff. ArbSchG i. V. m. C-ASV Rechnung zu tragen, gleichzeitig sollte er aber nicht berechtigt sein, den Impf-, Sero- oder Teststatus zu kennen. Damit aber war er außerstande, Schutzmaßnahmen anzupassen und zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, wenn konkrete Krankheiten im Kreis der Mitarbeiter erkennbar werden. Er konnte auch nicht rechtfertigen, diese Schutzmaßnahmen einzuschränken, weil nur Immunisierte Personen zugegen waren. Dies aber erlaubte z. B. § 3 Abs. 2 Nr. 4 CoronaSchV NRW. Danach war das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung nicht erforderlich, wenn in einem Raum oder Fahrzeug ausschließlich Geimpfte oder Genesene tätig waren. Richtigerweise war deshalb schon außerhalb der jetzt vorgenommen Neuregelung auf der Grundlage von §§ 618 BGB, 3 ff. ArbSchG i. V. m. §§ 241 Abs. 2 BGB, 22, 26 Abs. 3 BDSG, Erwägungsgrund 46 DSGVO eine Berechtigung des Arbeitgebers anzuerkennen, den Impf-, Sero- oder Teststatus eines Arbeitnehmers zu erfragen und die Gesundheitsdaten unter Berücksichtigung der allgemeinen Grenzen des Datenschutzrechts zu verarbeiten, wenn dies für die Umsetzung des Hygienekonzepts geeignet, erforderlich und angemessen
16 Vgl. Beschluss der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder vom 19.10.2021; Stellungnahme des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg v. 30.9.2021; Stellungnahme des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit v. 31.8.2021 (PM 14/2021). 17 Vgl. Stellungnahme des Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom August 2021; Gräf, NZA 2021, 1361, 1363.
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3 G am Arbeitsplatz, Homeoffice-Pflicht und andere Maßnahmen
war18. Denn mit den vorstehend genannten Regelungen besteht eine gesetzliche Grundlage, die neben der Möglichkeit einer Einwilligung nach Art. 7 DSGVO, § 26 Abs. 2 BDSG oder einer Betriebsvereinbarung die Verarbeitung auch gesundheitsbezogener Daten erlaubt. Mit §§ 23, 23 a, 36 Abs. 3 IfSG ist schlussendlich nur eine Klarstellung in Bezug auf einzelne Sachverhalte erfolgt, in denen die Verhältnismäßigkeit der entsprechenden Verarbeitung generell als gegeben unterstellt werden kann; die Anwendung der allgemeinen Regelungen des Datenschutzrechts wird damit nicht ausgeschlossen19. Ein Zitiergebot, das die verwendeten Daten und den konkreten Verwendungszweck als Bestandteil der Ermächtigungsgrundlage umfassen muss, besteht nur bei der Einwilligung. Eine gesetzliche Rechtfertigung ist auch dann ausreichend, wenn der Impf- oder Serostatus und der Zweck seiner Verarbeitung nicht ausdrücklich genannt werden, wenn die gesetzliche Grundlage im Übrigen die Verarbeitung besonderer personenbezogener Daten erlaubt, ihre Voraussetzungen für eine Verarbeitung im Arbeitsverhältnis gegeben sind und die Maßnahme einer Erfüllung gesetzlicher Pflichten im Arbeitsschutz dient. Schlussendlich kann der Streit über das Frage- und Verarbeitungsrecht des Arbeitgebers indes offenbleiben, weil dem Arbeitgeber jetzt jedenfalls während der Geltungsdauer von § 28 b IfSG diese Befugnisse ausdrücklich zuerkannt worden sind. Denn nach § 28 b Abs. 3 IfSG sind alle Arbeitgeber sowie die Leitungen der in § 28 Abs. 2 S. 1 IfSG genannten Einrichtungen und Unternehmen verpflichtet, die Einhaltung der Verpflichtungen zu 3 G (Abs. 1) bzw. 3 G Plus (Abs. 2) durch Nachweiskontrollen täglich zu überwachen und regelmäßig zu dokumentieren. Alle Arbeitgeber und jeder Beschäftigte sowie Besucher der besonderen Einrichtungen und Unternehmen sind verpflichtet, einen entsprechenden Nachweis auf Verlangen vorzulegen. Soweit es zur Erfüllung dieser Pflichten erforderlich ist, dürfen der Arbeitgeber sowie die Leitung der besonderen Einrichtungen und Unternehmen zu diesem Zweck personenbezogene Daten einschließlich Daten zum Impf-, Sero- und Teststatus in Bezug auf COVID-19 analog oder digital verarbeiten. Die Daten dürfen auch zur Anpassung des betrieblichen Hygienekonzepts auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung gemäß den §§ 5 f. ArbSchG verwendet werden, soweit dies erforderlich ist20. Dabei müssen allerdings ergänzende Regelungen der landesrechtlichen Corona-Schutzverordnungen sowie ergänzende Verfü18 Ebenso Horstmeier, BB 2021, 2612 ff.; Fuhlrott/Fischer, NJW 2021, 657, 661; ähnlich in Ausnahmefällen Gräf, NZA 2021, 1361 ff. 19 Vgl. BT-Drucks. 19/32275 S. 29; Horstmeier, BB 2021, 2612 ff. 20 Vgl. hierzu auch die Stellungnahme des Koordinierungskreises für Biologische Arbeitsstoffe (KOBAS) der DGUV mit Hinweisen zum Umgang mit Geimpften und Genesenen im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie vom 30.8.2021.
349
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
gungen beachtet werden (vgl. § 2 Abs. 5 CoronaSchV NRW), auch wenn das wegen der vielfältigen Unterschiede und der häufigen Anpassungen kaum noch zu bewältigen ist. Beispielhaft könnte in Kenntnis des Status bei der Berufsausübung in Innenräumen, Fahrzeugen und ähnlichem, wenn ausschließlich immunisierte Beschäftigte zusammentreffen oder an festen Arbeitsplätzen oder in festen Teams ausschließlich immunisierte oder getestete Beschäftigte zusammentreffen, nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 CoronaSchV NRW auf das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen verzichtet werden, auch wenn der Sicherheitsabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden kann. Ausnahmen gelten nur für Tätigkeiten mit hohem Aerosolausstoß. Wichtig allerdings ist, dass in diesem Fall auch § 22 Abs. 2 BDSG zur Anwendung kommt. Danach sind angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Personen vorzusehen, zu denen insbesondere die dort im Einzelnen genannten Maßnahmen gehören. Dabei kann es geboten sein, nicht nur die Personen, die die Impf-, Sero- oder Testdaten erheben und verarbeiten, zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Vielmehr kann es nach den Feststellungen des BAG im Beschluss vom 26.8.202121 erforderlich sein, auch durch technische und organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass keine anderen Personen Zugang zu den Gesundheitsdaten haben, soweit diese Kenntnis nicht zur Umsetzung des betrieblichen Hygienekonzepts auch im Anschluss an die Eingangskontrolle erforderlich ist. In allen Fällen sind die nach § 28 b Abs. 3 IfSG erhobenen Daten spätestens am Ende des sechsten Monats nach ihrer Erhebung zu löschen; die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts bleiben unberührt. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber die Beschäftigten über die 3 G-Pflicht unterrichten und die Einhaltung sicherstellen muss. Das verlangt insbesondere bei Betrieben mit mehreren Eintrittsmöglichkeiten umfassende Regularien. Falls dabei unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten bestehen und/oder technische Einrichtungen (z. B. CovPass-App) zum Tragen kommen, ist der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 6, 7 BetrVG zu beteiligen. Im Zweifel gilt dies auch dann, wenn bestehende Zugangskontrolleinrichtungen genutzt werden sollen, ein etwaiger Nachweis bei Immunisierten automatisch den Zugang für einen längeren Zeitraum erlaubt und diese Zweckbestimmung in bestehenden Vereinbarungen über die technische Einrichtung bislang nicht erfasst wurde. Falls die Eingangskontrollen nicht durchgängig gewährleistet werden können, sind Stichproben durchzuführen. Die Einhaltung des
21 BAG v. 26.8.2021 – 8 AZR 253/20 (A) n. v. (Rz. 25 ff.).
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3 G am Arbeitsplatz, Homeoffice-Pflicht und andere Maßnahmen
Datenschutzes kann der Betriebsrat über § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BetrVG kontrollieren.
f)
Unterrichtungspflicht des Arbeitnehmers über positives Testergebnis
Folgt man den landesrechtlichen Regelungen, sind positiv getestete Personen nur gehalten, unverzüglich alle Personen zu unterrichten, zu denen in den letzten vier Tagen vor der Durchführung des Tests oder seit Durchführung des Tests ein enger persönlicher Kontakt bestand. Dies sind diejenigen Personen, mit denen für einen Zeitraum von mehr als 10 Minuten und mit einem Abstand von weniger als 1,5 Metern ein Kontakt ohne das beiderseitige Tragen einer Maske bestand oder Personen, mit denen ein schlechter oder nicht belüfteter Raum über eine längere Zeit geteilt wurde. Das Gesundheitsamt entscheidet dann über das weitere Vorgehen (vgl. § 15 Abs. 5 CoronaTestQuarantäneVO NRW). Eine Verpflichtung zur Information des Arbeitgebers ist in den landesrechtlichen Regelungen ebenso wenig vorgesehen wie in C-ASV oder C-ASR. Im Gegenteil: Auch in der Neufassung vom 24.11.2021 geht Nr. 4.2.11 C-ASR zwar davon aus, dass Personen mit Symptomen einer Atemwegserkrankung mit Verdacht auf COVID-19 der Arbeitsstätte fernzubleiben haben. Besteht der Verdacht auf eine solche Infektion, der sich insbesondere durch Fieber, Husten und Atemnot ergeben kann, sind die betroffenen Personen durch den Arbeitgeber aufzufordern, die Arbeitsstätte unverzüglich zu verlassen und sich gegebenenfalls in ärztliche Behandlung zu begeben. Gleichzeitig aber geht Nr. 5.5 C-ASR davon aus, dass Beschäftigte gegenüber dem Arbeitgeber im Falle einer Erkrankung keine Diagnosen oder Krankheitssymptome offenbaren müssen. Gegebenenfalls erforderliche Informationen des Arbeitgebers soll das Gesundheitsamt im Rahmen der Quarantäneveranlassung übernehmen. Erhält der Arbeitgeber Kenntnis über die Ansteckung einer/eines Beschäftigten, gilt es, deren/dessen Identität soweit es geht zu schützen, um einer Stigmatisierung von Betroffenen vorzubeugen. Diese Vorgaben sind absurd, datenschutzrechtlich nicht geboten und stellen eine Schwächung des innerbetrieblichen Hygienekonzepts dar. Denn sie bedeuten auch, dass der Arbeitnehmer, der mit oder ohne Aufsicht des Arbeitgebers im Betrieb einen Selbsttest durchführt und/oder durch vom Arbeitgeber beauftragte Personen getestet wird, nicht verpflichtet ist, sich gegenüber dem Arbeitgeber zu offenbaren. Auch wenn diese Personen schon aus den landesrechtlichen Regelungen zum Coronaschutz verpflichtet sind, sich unverzüglich nach Erhalt dieses Testergebnisses auf direktem Weg in Quarantäne zu begeben (vgl. § 15 Abs. 1, 2 CoronaTestQuarantäneVO NRW), wäre 351
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
der Arbeitgeber nicht in der Lage, eigene Maßnahmen zur Eindämmung einer Verbreitung einzuleiten. Dazu würde zunächst einmal gehören, auch von seiner Seite aus sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer den Betrieb nicht betritt bzw. unverzüglich verlässt. Dazu gehört aber auch, schon vor entsprechenden Benachrichtigungen des Gesundheitsamts Kontaktketten festzustellen und die Betroffenen über die Gefahr einer Erkrankung zu informieren, wenn die relevante Nähe gegeben war. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des LAG Düsseldorf im Urteil vom 30.3.201222 zu Mitteilungspflichten bei ansteckenden Krankheiten wird man dem Arbeitgeber daher aus § 241 Abs. 2 BGB heraus das Recht zu erkennen müssen, den Arbeitnehmer zu fragen, ob ein positiver Coronatest vorliegt. Der Arbeitnehmer ist auch gehalten, diese Frage wahrheitsgemäß zu beantworten. Der Arbeitgeber wiederum darf dieses Datum auch verarbeiten und zum Anlass nehmen, die hierzu im Hygienekonzept vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen. Das gebieten seine Pflichten im Bereich des Arbeitsschutzes (§§ 618 BGB, 3 ff. ArbSchG) sowie das öffentliche Interesse an einem Schutz der öffentlichen Gesundheit durch Eindämmung einer Verbreitung von COVID-19. Beides rechtfertigt nach §§ 22 Abs. 1 lit. b, c, 26 Abs. 3 BDSG, Erwägungsgrund 46, Art. 9 Abs. 2 lit. b, i DSGVO auch die Verarbeitung des diesbezüglichen Serostatus, ohne dass damit ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Arbeitnehmers verbunden ist. Die hiervon abweichende Betrachtungsweise, wie sie auch in der C-ASR zum Ausdruck kommt, berücksichtigt völlig unzureichend das Interesse der verbleibenden Belegschaft an einem wirksamen Schutz vor einer Ansteckung und die damit einhergehende Pflicht zur Gesundheitsvorsorge durch den Arbeitgeber, die in den zahlreichen Pflichten aus IfSG, C-ASV und C-ASR bereits auf Bundesebene zum Ausdruck kommt. Sie ist abzulehnen.
g)
Pflicht zum Angebot einer Arbeit im Homeoffice
Nach § 28 b Abs. 4 IfSG hat der Arbeitgeber den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Allen Beteiligten ist zu empfehlen, die Gründe zu dokumentieren, aus denen der Arbeitgeber keine Möglichkeit sieht, eine Arbeit im Homeoffice anzubieten. In der Begründung von § 28 b Abs. 4 IfSG haben die Parteien der
22 LAG Düsseldorf v. 30.3.2012 – 6 Sa 1358/11 n. v. (Rz. 39).
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3 G am Arbeitsplatz, Homeoffice-Pflicht und andere Maßnahmen
Ampelkoalition solche Gründe für gegeben gehalten, wenn die Betriebsabläufe sonst erheblich eingeschränkt würden oder gar nicht aufrechterhalten werden könnten. Beispiele dafür seien mit einer Bürotätigkeit verbundene Nebentätigkeiten wie die Bearbeitung und Verteilung von Post, die Bearbeitung des Wareneingangs und -ausgangs, Schalterdienste mit Mitarbeiter- und Kundenkontakt, Materialausgabe, Reparatur- und Wartungsaufgaben (z. B. IT-Service), Hausmeisterdienste, Notdienste zur Aufrechterhaltung des Betriebs oder die Sicherstellung von Erster Hilfe. Auch könnten besonderen Anforderungen des Betriebsdatenschutzes und des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen gegen die Ausführung von Tätigkeiten im Homeoffice sprechen. Technische oder organisatorische Gründe, wie zum Beispiel die Nichtverfügbarkeit benötigter IT-Ausstattung, notwendige Veränderungen der Arbeitsorganisation oder unzureichende Qualifizierung der betroffenen Beschäftigten könnten hingegen in der Regel nur vorübergehend bis zur Beseitigung des Verhinderungsgrundes gegen ein Angebot sprechen, die Arbeit im Homeoffice zu verrichten23. Zu dokumentieren sind auch das Angebot und seine Ablehnung, wenn die Arbeit gleichwohl im Betrieb erbracht werden soll, obwohl es dafür keine zwingenden betrieblichen Gründe gibt, aber der Arbeitnehmer das Angebot abgelehnt hat. Die zuständige Behörde kann einen entsprechenden Nachweis verlangen. Die Ablehnung der Arbeit im Homeoffice kann dabei allerdings erklärt werden. Auch müssen die Gründe für die Ablehnung nicht dokumentiert werden, zumal es keinen besonderen Rechtfertigungsbedarf gibt. Der Gesetzgeber nennt lediglich beispielhaft räumliche Enge, Störungen durch Dritte oder das Fehlen der technischen Ausstattung.
h)
Verfolgung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit bzw. Straftat
Im Gegensatz zu früheren Regelungen einschließlich solcher Pflichten, die sich aus der C-ASV ergaben, können Verstöße gegen die Handlungspflichten aus § 28 b IfSG als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 EUR bestraft werden. Das betrifft allerdings nicht nur den Arbeitgeber, sondern auch den Arbeitnehmer, falls dieser die Arbeitsstätte betritt, ohne dass ein Nachweis der Erfüllung der Verpflichtung zu 3 G mitgeführt wird. Das ist durch Ergänzungen in § 73 IfSG ausdrücklich klargestellt worden. Dabei werden auch die Überwachungspflichten des Arbeitgebers erfasst. Bei Vorsatz kommt sogar eine Strafbarkeit nach § 74 IfSG in Betracht. Darüber hinaus 23 Vgl. Begründung des Änderungsantrags der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hauptausschuss zu § 28 b IfSG.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
macht sich nach §§ 75 a ff., 275, 277 StGB strafbar, wer Impfungen oder Testungen vortäuscht, Impf- oder Testnachweise fälscht oder gefälschte Nachweise gebraucht.
i)
Geltungsdauer und ergänzende Vorgaben zu § 28 b IfSG
Das BMAS kann im Einvernehmen mit dem BMG durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats für einen befristeten Zeitraum festschreiben, welche Maßnahmen Arbeitgeber zur Umsetzung der Pflichten aus § 28 b IfSG zu treffen haben und wie sich die Beschäftigten zu verhalten haben, um ihre daraus resultierenden Pflichten zu erfüllen. Damit kann also eine weitere Konkretisierung erfolgen. Nach § 28 b Abs. 7 IfSG gelten § 28 b IfSG und eine etwaige Rechtsverordnung nach § 28 b Abs. 6 IfSG nur bis zum Ablauf des 19.3.2022. Der Bundestag kann die Geltungsdauer aber einmal um bis zu drei Monaten verlängern. Das schließt natürlich eine weitergehende Änderung, indem der 19.3.2022 durch ein späteres Datum ausgetauscht wird, nicht aus. (Ga)
3.
Erneute Anpassung der Corona-Arbeitsschutzverordnung
Durch das Gesetz zur Änderung des IfSG und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite24 ist zunächst einmal § 18 Abs. 3 ArbSchG ergänzt worden. Danach kann das BMAS ohne Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung für einen befristeten Zeitraum, der spätestens sechs Monate nach Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite endet, bestimmen, dass spezielle Rechtsverordnungen, die eigentlich für die Dauer einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite bestimmt waren, auch nach ihrer Beendigung fortgelten, diese ändern oder neue Rechtsverordnungen nach § 18 Abs. 1 ArbSchG erlassen. Dies soll, weil die epidemische Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 IfSG am 25.11.2021 ausgelaufen ist, die gleichen Regelungs- und Eingriffsbefugnisse sichern. Damit wird die Grundlage für eine Fortgeltung und Anpassung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-Arbeitsschutzverordnung – C-ASV) geschaffen. Die C-ASV selbst ist zum 24.11.2021 nur geringfügig angepasst und bis zum 19.3.2022 verlängert worden. Zunächst einmal wird in § 1 Abs. 3 C-ASV klargestellt, dass zur weiteren Orientierung über geeignete Maßnahmen 24 BGBl. I 2021, 4906.
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Erneute Anpassung der Corona-Arbeitsschutzverordnung
insbesondere Handlungsempfehlungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sowie die branchenbezogenen Handlungshilfen der Unfallversicherungsträger herangezogen werden können. Sie gelten neben der C-ASR, die weiterhin zu berücksichtigen ist. Dies wird jetzt auch in einem neuen § 6 C-ASV auf eine Rechtsgrundlage gestellt, die § 24 a ArbSchG ergänzt. Nach der Neuregelung kann das BMAS die beratenden Arbeitsschutzausschüsse nach §§ 18, 24 a ArbSchG beauftragen, Regeln und Erkenntnisse zu ermitteln, wie die in der C-ASV gestellten Anforderungen erfüllt werden können. Empfehlungen dazu können aufgestellt werden. Das BMAS kann diese Regeln, Erkenntnisse und Empfehlungen sodann im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt machen. Darüber hinaus ist mit § 3 C-ASV eine neue Regelung zur Kontaktreduktion im Betrieb eingeführt worden, die Handlungsempfehlungen, wie sie bereits in der C-ASR enthalten waren, in die Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung versetzt. Danach hat der Arbeitgeber zu prüfen, welche geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen getroffen werden können, um betriebsbedingte Personenkontakte zu reduzieren. Die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen ist auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren, sofern nicht durch andere Maßnahmen ein gleichwertiger Schutz sichergestellt werden kann. Die bisherigen Regelungen über die Pflicht, Mund-Nase-Bedeckungen zu tragen, wurden nicht verändert. Damit bleibt die Befugnis des Arbeitgebers bestehen, diese Schutzmaßnahmen anzuordnen25. Eine Nichtbeachtung kann nach Abmahnung auch die ordentliche oder außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben26. Ausnahmen dürften analog § 28 b Abs. 5 S. 2 IfSG nur bei Arbeitnehmern gerechtfertigt sein, die ärztlich bescheinigt auf Grund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, einer ärztlich bescheinigten chronischen Erkrankung oder einer Behinderung keine Atemschutzmaske oder medizinische Gesichtsmaske tragen können, oder wenn gehörlose und schwerhörige Menschen und Personen, die mit ihnen kommunizieren, sowie etwaige Begleitpersonen betroffen sind. Etwaige Atteste, auf deren Grundlage das Tragen einer Maske abgelehnt wird, haben nur Bedeutung, wenn sie die Gründe hierfür erkennen lassen27.
25 Vgl. ArbG Siegburg v. 18.8.2021 – 4 Ca 2301/20 n. v. 26 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 7.10.2021 – 10 Sa 867/21 n. v.; ArbG Köln v. 17.6.2021 – 12 Ca 450/21 n. v.; ArbG Cottbus v. 17.6.2021 – 11 Ca 10390/20, NZA 2021, 475. 27 Vgl. VG Düsseldorf v. 25.8.2020 – 18 L 1608/20 n. v. (Rz. 37 ff.).
355
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Ergänzend hierzu wurden die Angaben zu den Tests, die der Arbeitgeber in den Betrieben nach § 4 C-ASV anbieten muss, konkretisiert und die Pflichten zur Aufbewahrung der Nachweise zur Beschaffung von Tests und etwaige Vereinbarungen mit Dritten zur Testung an die neue Geltungsdauer (19.3.2022) angepasst. Die Pflichten des Arbeitgebers zur Unterstützung von Schutzimpfungen in § 5 C-ASV sind unverändert geblieben. (Ga)
4.
Verlängerung der Erleichterungen beim Kinderkrankengeld
Durch das Gesetz zur Änderung des IfSG und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite28, über das wir vorstehend bereits berichtet haben29, sind auch für 2022 Erleichterungen für den Bezug von Kinderkrankengeld in § 45 SGB V in Kraft gesetzt worden. Die entsprechende Regelung lautet wie folgt: (2a) Abweichend von Abs. 2 S. 1 besteht der Anspruch auf Krankengeld nach Abs. 1 für das Jahr 2022 für jedes Kind längstens für 30 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 60 Arbeitstage. Der Anspruch nach S. 1 besteht für Versicherte für nicht mehr als 65 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 130 Arbeitstage. Der Anspruch nach Abs. 1 besteht bis zum Ablauf des 19.3.2022 auch dann, wenn Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderung zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund des Infektionsschutzgesetzes vorübergehend geschlossen werden oder deren Betreten, auch auf Grund einer Absonderung, untersagt wird, oder wenn von der zuständigen Behörde aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert werden oder die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben wird oder der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wird, oder das Kind aufgrund einer behördlichen Empfehlung die Einrichtung nicht besucht. Die Schließung der Schule, der Einrichtung zur Betreuung von Kindern oder der Einrichtung für Menschen mit Behinderung, das Betretungsverbot, die Verlängerung der Schul- oder Betriebsferien, die Aussetzung der Präsenzpflicht in einer Schule, die Einschränkung des Zugangs zum Kinderbetreuungsangebot oder das Vorliegen einer behördlichen Empfehlung, vom Besuch der Einrichtung
28 BGBl. I 2021, 4906. 29 B. Gaul, AktuellAR 2021, 339 ff.
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Anpassungen bei den Entschädigungen nach § 56 IfSG
abzusehen, ist der Krankenkasse auf geeignete Weise nachzuweisen; die Krankenkasse kann die Vorlage einer Bescheinigung der Einrichtung oder der Schule verlangen. (2b) Für die Zeit des Bezugs von Krankengeld nach Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 a S. 3 ruht für beide Elternteile der Anspruch nach § 56 Abs. 1 a IfSG.
In entsprechender Weise sind die Sonderregelungen für die Fortzahlung von Arbeitslosengeld in § 421 d Abs. 3 SGB III für das Kalenderjahr 2022 fortgeschrieben worden. (Ga)
5.
Anpassungen bei den Entschädigungen nach § 56 IfSG
Auch die Regelungen in § 56 IfSG zur Entschädigung bei einer Absonderung oder Verboten einer Erwerbstätigkeit, die auf der Grundlage von §§ 30, 31 S. 2, 32 IfSG verfügt werden, sind im Herbst noch einmal angepasst worden30. Im Vordergrund stand dabei die Entscheidung, keine Entschädigung wegen Verdienstausfalls mehr zu bezahlen, wenn durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, oder durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet ein Verbot in der Ausübung der bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermieden werden können. Eine Reise ist dabei vermeidbar, wenn zum Zeitpunkt der Abreise keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für die Reise vorlagen. Dabei ist zu beachten, dass eine Absonderung bzw. Quarantäne nicht nur durch Verfügung der Behörden ausgelöst werden kann. Sie kann auch ohne positives Testergebnis geboten sein, wenn sich Personen wegen Erkältungssymptomen oder einem positiven Coronaschnelltest oder Coronaselbsttest einem PCR-Test unterzogen haben, bis das negative Testergebnis vorliegt (so § 14 CoronaTestQuarantäneVO NRW). Hiervon ausgehend müssen Personen, die weder geimpft noch genesen sind, einen Wegfall des Entschädigungsanspruchs hinnehmen, wenn eine Quarantäne erforderlich wird, die bei einer Impfung oder einer Genesung nicht hätte angeordnet werden dürfen. Dies gilt nach Maßgabe des Beschlusses der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) vom 22.9.2021 mit kleineren Abweichungen spätestens ab dem 1.11.2021 in allen Bundesländern. Das erscheint
30 Zu den Veränderungen im Frühjahr vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 6 ff.
357
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
dringend geboten. Impfungen sind in allen Bundesländern empfohlen; Impfstoff ist ausreichend vorhanden. Allerdings bleibt auf Arbeitgeberseite zu prüfen, ob nicht auf individual- oder kollektivrechtlicher Ebene Entgeltfortzahlungsansprüche bestehen. Dabei kommt auch § 616 BGB in Betracht, wenn man nicht – was geboten erscheint – die Quarantäne in diesen Fällen als ein durch den Arbeitnehmer verschuldetes Ereignis qualifiziert, dass auch bei einer Anwendbarkeit von § 616 BGB einer Entgeltfortzahlung entgegenstünde. Erst bei Eintritt einer eigenen Erkrankung besteht ein Entschädigungsanspruch, jedenfalls insoweit, als die Quarantäne vor der Erkrankung bewirkt wurde (§ 56 Abs. 7 EFZG). Andernfalls wäre der Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus §§ 3, 4 EFZG vorrangig31. Soweit nach § 56 Abs. 1 a Nr. 1 IfSG ein Entschädigungsanspruch gegeben sein kann, wenn Arbeitnehmer wegen einer Betreuung von Kindern ihrer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen können, finden die Regelungen nach Maßgabe der Neufassung des Gesetzes unabhängig von einer durch den Deutschen Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite Anwendung, wenn die Betreuung einer Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 im Zeitraum bis zum Ablauf des 19.3.2022 dient. Auch hier muss allerdings geprüft werden, ob nicht vorrangige Entgeltfortzahlungsansprüche des Arbeitnehmers bestehen. Eine etwaige Erstattung umfasst auch Sozialversicherungsbeiträge, die der Arbeitgeber für die Dauer einer entschädigungsfähigen Zeit entrichtet hat. Das ist mit Wirkung zum 24.11.2021 in § 57 Abs. 1 IfSG klargestellt worden. (Ga)
6.
Verlängerung von Ausnahmeregelungen zur Kurzarbeit
Am 24.11.2021 haben die Parteien der Ampelkoalitionen beschlossen, wesentliche Regelungen im Hinblick auf den Bezug von Kurzarbeitergeld bis zum 31.3.2022 zu verlängern. Damit soll nicht nur dem dramatischen Anstieg der Infektionen im Rahmen der COVID-19-Pandemie Rechnung getragen werden, die absehbar zu weiteren Einschränkungen der betrieblichen Tätigkeiten führen werden. Dass die Parteien der Ampelkoalition mit dem Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite32 erste Maßnahmen auf den Weg gebracht haben, über die wir an 31 Vgl. ArbG Aachen v. 11.3.2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 Rz. 30 ff., 46 f. 32 BGBl. I 2021, 2906.
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Verlängerung von Ausnahmeregelungen zur Kurzarbeit
anderer Stelle berichtet haben33, war zu begrüßen, dürfte aber nicht genügen. Hinzu kommt, dass Lieferschwierigkeiten bei wichtigen Vorprodukten, insbesondere bei Halbleitern, die Produktionen verarbeitenden Gewerbe belasten und die konjunkturelle Erholung bremsen. Mit der Kurzarbeitergeldverlängerungsverordnung (KugverlV), die am 1.1.2022 in Kraft treten soll, wird zunächst einmal festgelegt, dass die erleichterten Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld bis zum 31.3.2022 zur Anwendung kommen. Damit genügt es weiterhin, dass die Zahl der Beschäftigten, die im Betrieb vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen, nur 10 % der Beschäftigten beträgt. Außerdem wird weiterhin auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden verzichtet. Die vorstehenden Sonderregelungen sollen auch für Leiharbeitnehmer bis zum 31.3.2022 gelten. Außerdem wird mit der KugverlV festgelegt, dass die durch den Arbeitgeber während der Kurzarbeit zu tragenden Sozialversicherungsbeiträgen auf Antrag in Höhe von 50 % erstattet werden. Eine darüber hinausgehende Erstattung von weiteren 50 % der Sozialversicherungsbeiträge kommt nur in Betracht, wenn die Beschäftigten in eine berufliche Weiterbildung nach § 106 a SGB III gebracht werden. Gerade zu Beginn des Jahres 2022 muss auf der betrieblichen Ebene beachtet werden, dass Urlaubsansprüche zur Vermeidung von Kurzarbeitergeld eingebracht werden müssen. Die Erleichterungen, die im Rahmen der COVID-19Pandemie bewirkt worden waren, sind bereits am 31.12.2020 ausgelaufen. Voraussetzung für die Berücksichtigung etwaiger Urlaubsansprüche im Zusammenhang mit der Gewährung von Kurzarbeitergeld ist allerdings, dass der Arbeitgeber die Inanspruchnahme des Urlaubsanspruchs während des Kurzarbeitergeldzeitraums auch durchsetzen kann. Dies kann nicht nur durch § 7 Abs. 1 BUrlG ausgeschlossen sein. Zu berücksichtigen ist auch, dass entsprechende Regelungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Kurzarbeitergeld kollektiven Charakter haben, so dass ihre Wirksamkeit von einer Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG oder einem diese Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle (§ 87 Abs. 2 BetrVG) abhängig ist. Mit der Neuregelung wird auch gewährleistet, dass die Unternehmen bis zu 24 Monate Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen können, selbst wenn diese Zeitspanne am 31.12.2021 noch nicht abgelaufen ist. Insbesondere die Betriebe, in denen Kurzarbeit erst im März bzw. April 2020 eingeführt wurde, können deshalb über den 31.12.2021 hinaus Kurzarbeitergeld beantragen. Die 33 B. Gaul, AktuellAR 2021, 339 ff.
359
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Möglichkeit der verlängerten Bezugnahme endet allerdings am 31.3.2022. Von diesem Zeitpunkt an ist die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld auf zwölf Monate begrenzt. Voraussetzung für eine solche Inanspruchnahme ist allerdings, dass zuvor mindestens drei Monate kein Kurzarbeitergeld bezogen wurde. Falls gleichwohl Unterauslastung besteht, muss dieser Situation durch Vereinbarungen mit den Betriebsräten zu einer Arbeitszeitverkürzung Rechnung getragen werden, die insbesondere tarifvertraglichen Gestaltungsoptionen (z. B. Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung) Rechnung trägt. (Ga)
7.
Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Kraft
Das Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz) ist am 18.6.2021 in Kraft getreten. Wegen der weiteren Einzelheiten sei auf die Ausführungen an anderer Stelle verwiesen34. (Ga)
8.
Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes
Die Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes, auf die wir im Frühjahr hingewiesen hatten35, ist am 15.6.2021 in Kraft getreten. Wegen der weiteren Einzelheiten sei auf die Zusammenfassung im Frühjahr verwiesen. Änderungen gegenüber den dort angesprochenen Punkten hat es nicht mehr gegeben. (Ga)
9.
Neue Quoten für Organe und Führungskräfte in der Privatwirtschaft
Das Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Zweites Führungspositionen-Gesetz – FüPoG II), über das wir schon im Frühjahr berichtet hatten, ist am 12.8.2021 in Kraft getreten36. Neben einer Förderung der Beschäftigung von Frauen in Vorstand und Geschäftsführung mitbestimmter Unternehmen sowie ergänzenden Vorgaben für die Frauenquote auf den ersten beiden Führungsebenen unterhalb dieser Organe werden mit dem FüPoG II Veränderungen in § 84 AktG umgesetzt, die Mutterschutz, Elternzeit und andere Auszeiten für das Vorstands34 B. Gaul, AktuellAR 2021 10 ff., Reinartz, NZA-RR 2021, 457 ff.; Grambow, NJW 2021, 2074 ff.; Eicke, ArbR, 2021, 313 ff. 35 B. Gaul, AktuellAR 2021, 40 ff. 36 BGBl. I 2021, 3311.
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Neue Quoten für Organe und Führungskräfte in der Privatwirtschaft
mitglied der Aktiengesellschaft möglich machen. Auf die letztgenannte Regelung wird allerdings gesondert eingegangen37.
a)
Börsennotierte und mitbestimmte AG/SE
Für börsennotierte und mitbestimmte AG/SE ist ein Mindestbeteiligungsgebot eingeführt wird. Danach gilt: Besteht der Vorstand aus mehr als drei Mitgliedern, müssen mindestens eine Frau und ein Mann Mitglied des Vorstands sein. Wenn diese Vorgabe nicht beachtet wird, sind etwaige Neubestellungen nichtig. Zu berücksichtigen ist dies bei jeder weiteren Neubestellung, mit der die genannte Anzahl der Vorstandsmitglieder überschritten wird. Wenn der Vorstand nur aus drei oder weniger Mitgliedern besteht, genügt es, dass eine Zielgröße des Frauenanteils durch den Aufsichtsrat bestimmt wird. Falls dabei eine Zielgröße Null festgesetzt wird, muss dies begründet werden. Verstöße gegen die Berichtspflicht sind – auch dies ist eine Veränderung – sanktionierbar. Allerdings hält der Gesetzgeber selbst eine Begründung für ausreichend, die aus 100 bis 150 Worten besteht. Auch in Bezug auf die nachgeordneten Führungsebenen gilt eine flexible Zielgröße. Sie betrifft – wie in der Vergangenheit – den Frauenanteil in den beiden dem Vorstand nachgeordneten Führungsebenen sowie – neu – die Gesamtzahl der geplanten weiblichen Führungskräfte, wobei auch insoweit bei der Festlegung einer Zielgröße Null eine Berichtspflicht über die Gründe gilt. Auch in diesem Zusammenhang sind Berichtspflichten zukünftig sanktionierbar. Maßgeblich ist dies für alle Lageberichte, die Geschäftsjahre nach dem 31.12.2020 betreffen (Art. 87 EGHGB). Hinsichtlich der Geschlechterquote im Aufsichtsrat ist keine Veränderung erfolgt. Damit muss sich der Aufsichtsrat weiterhin aus jeweils mindestens 30 % Frauen und Männern zusammensetzen. Eine Nichtbeachtung dieser Quote hat die Nichtigkeit entsprechender Bestellungen zur Folge. Wichtig ist dies insbesondere dann, wenn Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter nicht getrennt bewertet werden, was im Anwendungsbereich dieser gesetzlichen Regelung beschlossen werden sollte.
b)
Börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen
Für Unternehmen, die börsennotiert sind, ohne zugleich einer Mitbestimmung nach dem DrittelbG bzw. dem MitbG, MontanMitbG oder MitbEG zu unterliegen, oder Unternehmen einer sonstigen Rechtsform, die einer der vor-
37 B. Gaul, AktuellAR 2021, 362 ff.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
stehend genannten Formen der Unternehmensmitbestimmung unterliegen, ist es bei der bisherigen Vorgabe geblieben, eine Zielgröße des Frauenanteils durch den Aufsichtsrat festzulegen. In Übereinstimmung mit den Regelungen für börsennotierte und zugleich mitbestimmte AG/SE muss allerdings auch hier die Festlegung einer Zielgröße Null begründet werden. Die gleiche Vorgabe gilt für den Aufsichtsrat. Bei den nachgeordneten Führungsebenen gilt – wie bei der börsennotierten und mitbestimmten AG/SE – die Notwendigkeit, eine Zielgröße des Frauenanteils sowie die Gesamtzahl der geplanten weiblichen Führungskräfte durch den Vorstand bzw. die Geschäftsführung festzulegen und bei einer Zielgröße Null zu begründen. Auch hier ist als Folge der gesetzlichen Neuregelung eine Missachtung der Berichts- und Begründungspflicht sanktionierbar.
c)
Fazit
Entgegen der ursprünglichen Erwartung ist es der vergangenen Bundesregierung noch gelungen, das FüPoG II innerhalb der Legislaturperiode zu verabschieden. Dies ist zwar nur ein kleiner Schritt, aber ein wichtiger Schritt, um die Entwicklung von Frauen in Führungspositionen zu stärken. Leider hatten die Selbstverpflichtungen, mit denen bislang diese Ziele verfolgt wurden, nicht den gewünschten Erfolg. Dass Deutschland weitergehende Maßnahmen des Gesetzgebers braucht, folgt bereits aus Art. 3 Abs. 2 GG. Denn dort wird nicht nur bestimmt, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Der Staat wird durch Art. 3 Abs. 2 GG sogar ausdrücklich verpflichtet, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Hinzukommt, dass erhebliche Potenziale an Führungsfähigkeiten in den Unternehmen nicht genutzt werden, obwohl sich immer wieder zeigt, dass Diversität ein ganz wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Entwicklung von Unternehmen ist und damit nachhaltig auch den Erfolg beeinflusst. (Ga)
10. Mutterschutz und familienbedingte Auszeiten für Vorstandsmitglieder Auf der Grundlage von Überlegungen, die die FDP-Fraktion38 bereits zuvor in den Bundestag eingebracht hatte, ist § 84 AktG im Zusammenhang mit dem FüPoG II, das vorstehend bereits behandelt wurde39, ergänzt worden. Damit erleichtert der Gesetzgeber, das Mandat als Vorstandsmitglied einer Aktien38 BT-Drucks. 19/20780, 19/26879 S. 2. 39 B. Gaul, AktuellAR 2021, 360 ff.
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Mutterschutz und familienbedingte Auszeiten für Vorstandsmitglieder
gesellschaft insbesondere im Zusammenhang mit Mutterschaft, der Betreuung und Erziehung von Kindern oder der Pflege eines nahen Angehörigen zum Ruhen zu bringen. Entsprechende Vorschläge hatten der Bundesrat40 und die außerparlamentarische Initiative #stayonboard gemacht41. Auf der Grundlage der Neuregelung hat ein Mitglied eines Vorstands, der aus mehreren Personen besteht, das Recht, den Aufsichtsrat um den Widerruf seiner Bestellung zu ersuchen, wenn es wegen Mutterschutz, Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder Krankheit seinen mit der Bestellung verbundenen Pflichten vorübergehend nicht nachkommen kann. Macht ein Vorstandsmitglied von diesem Recht Gebrauch, muss der Aufsichtsrat die Bestellung dieses Vorstandsmitglieds im Fall des Mutterschutzes widerrufen und dabei die Wiederbestellung nach Ablauf des Zeitraums der in § 3 Abs. 1, 2 MuSchG genannten Schutzfristen zusichern. In den Fällen der Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder der Krankheit muss der Aufsichtsrat zwar auch widerrufen und dabei die Wiederbestellung nach einem Zeitraum von bis zu drei Monaten entsprechend dem Verlangen des Vorstandsmitglieds zusichern. In diesem Fall kann der Aufsichtsrat aber von dem Widerruf der Bestellung absehen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Beabsichtigt das Vorstandsmitglied, über die Dauer von drei Monaten hinausgehend bis zu zwölf Monate wegen Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder der Krankheit sein Amt nicht auszuüben, kann der Aufsichtsrat die Bestellung des Vorstandsmitglieds auf dessen Verlangen mit einer Zusicherung der Wiederbestellung nach einem Zeitraum von bis zu zwölf Monaten widerrufen. Das vorgesehene Ende der vorherigen Amtszeit bleibt allerdings auch als Ende der Amtszeit nach der Wiederbestellung bestehen. Klargestellt wird in § 84 Abs. 3 AktG, dass die Regelungen in § 84 Abs. 1 AktG durch diese Regelungen zur Abberufung und Wiederbestellung unberührt bleiben. Auch unter Berücksichtigung entsprechender Unterbrechungen kann der Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied damit auf höchstens fünf Jahre bestellen. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. Sie bedarf aber eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden kann. Nur bei einer Bestellung auf weniger als fünf Jahre kann eine Verlängerung der Amtszeit ohne neuen Aufsichtsratsbeschluss vorgesehen werden, sofern dadurch die gesamte Amtszeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt. Dies gilt sinngemäß für den Anstellungsvertrag; er kann 40 BR-Drucks. 49/21(B) S. 5. 41 Vgl. auch Jacobi/Hangarter, ArbRB 2021, 311 ff.
363
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
jedoch vorsehen, dass er für den Fall einer Verlängerung der Amtszeit bis zu deren Ablauf weitergilt. Wichtig ist, dass die Vorgabe des § 76 Abs. 2 S. 2 AktG, wonach der Vorstand aus mindestens zwei Personen zu bestehen hat, während des Zeitraums einer Abberufung nach § 84 Abs. 3 S. 2, 3 AktG auch dann als erfüllt gilt, wenn diese Vorgabe ohne den Widerruf eingehalten wäre. Auch ein Unterschreiten der in der Satzung festgelegten Mindestzahl an Vorstandsmitgliedern ist während dieser Zeit unbeachtlich. §§ 76 Abs. 3 a, 393 a Abs. 2 Nr. 1 AktG finden auf Bestellungen während dieser Zeit ebenfalls keine Anwendung, wenn das Beteiligungsgebot ohne den Widerruf eingehalten wäre. § 88 AktG ist in dieser Zeit entsprechend anzuwenden. Insgesamt ist die Regelung vernünftig, auch wenn die Praxis in den meisten Fällen in der Lage war, angemessene Regelungen auch ohne eine gesetzliche Vorgabe umzusetzen. Problematisch erscheint allerdings, warum die jetzt getroffene Privilegierung der Vorstandsmitglieder nicht auch auf die Organmitglieder von anderen Gesellschaften – insbesondere die Geschäftsführer der GmbH – ausgedehnt wurde. Dort findet bislang nur das MuSchG Anwendung, das nach § 1 Abs. 2 S. 1 MuSchG für Frauen in einer Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV gilt. Eltern- oder Pflegezeit ist auf diese Weise indes nicht durchsetzbar. Denkbar wäre allenfalls, die entsprechenden Vorschriften im BEEG, PflegeZG oder FPfZG auf der Grundlage einer unionsrechtskonformen Auslegung anzuwenden. Problematisch daran aber ist, dass diese Regelungen nur zum Teil der Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben dienen; teilweise werden auch weitergehende Ansprüche geschaffen, die nicht allein durch eine unionsrechtskonforme Auslegung ausgeweitet werden dürfen. (Ga)
11.
Weiterführende Überlegungen zu gescheiterten Gesetzgebungsverfahren
a)
Befristete Arbeitsverhältnisse
Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung des allgemeinen Befristungsrechts, der im April durch das BMAS ausgearbeitet worden war, ist in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt worden. Wir hatten darüber berichtet42. Führt man sich vor Augen, dass die neue Bundesregierung nach den Feststellungen im Koalitionsvertrag beabsichtigt, sich erneut mit
42 B. Gaul, AktuellAR 2021, 21 ff.
364
Weiterführende Überlegungen zu gescheiterten Gesetzgebungsverfahren
diesem Thema zu befassen43, steht zu erwarten, dass wesentliche Teile dieses Entwurfs erneut vorgelegt und in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden. Konkret dürfte es dabei vor allem um die Beseitigung der Haushaltsbefristung und die Beschränkung der Kettenbefristung aus sachlichem Grund auf eine Dauer von sechs Jahren gehen. Wegen der Einzelheiten zu diesen Vorschlägen sei auf den Referentenentwurf verwiesen44. Die Kürzung der sachgrundlosen Befristung ist jedenfalls im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen; lediglich der Bund will in seinem Verantwortungsbereich den Rückgriff auf diese Form der Befristung Schritt für Schritt reduzieren. Das dürfte dann allerdings auch für den Vorschlag gelten, den möglichen Verzicht auf die sachgrundlose Befristung mit einer Verlängerung der gesetzlichen Wartezeit in § 1 Abs. 1 KSchG auf die Dauer von zwölf Monaten zu kompensieren. Dieser Vorschlag von Preis45 war sehr überlegenswert, hätte er doch zu einer Vereinfachung geführt und den Unternehmen gleichzeitig die Chance gegeben, sich innerhalb der ersten zwölf Monaten vereinfacht von einem Arbeitnehmer zu trennen. Für die Privatwirtschaft dürfte sich damit aber auch der Vorschlag erledigt haben, den Anteil der sachgrundlosen Befristungen in Unternehmen mit mehr als 75 Arbeitnehmern prozentual zu begrenzen. Sinnvoll dürfte es gleichwohl bleiben, das Vorbeschäftigungsverbot, wie es in § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehen ist, zu konkretisieren und mit Blick auf die verfassungsrechtlich gebotene Einschränkung festzulegen, nach welcher Zeitspanne vorangehende Beschäftigungen einer sachgrundlosen Befristung nicht mehr entgegenstehen.
b)
Verbandsanktionengesetz und Whistleblowerrichtlinie
Obwohl die alte Bundesregierung im Sommer 2020 angekündigt hatte, noch in dieser Legislaturperiode die Richtlinie 2019/1937/EU vom 23.10.2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden46, in nationales Recht umzusetzen47, ist der im BVJV vorbereitete Referentenentwurf eines Gesetzes zum Schutz hinweisgebender Personen (HinSchG) nicht mehr in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden. Wir hatten über
43 44 45 46 47
B. Gaul, AktuellAR 2021, 333 ff., 336. B. Gaul, AktuellAR 2021, 21 ff. NZA 10/2021 Editorial. ABl. EU 2019, L 305, 17. BT-Drucks. 19/21941 S. 2; eingehend dazu Gerdemann, SR 2021, 1 ff., 89 ff.; Brinkmann/Blank, BB 2021, 2475 ff.; Stuke/Fehr, DB 2021, 2740 ff.; Buchwald, ZESAR 2021, 69 ff.
365
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
den Referentenentwurf im Frühjahr berichtet48. Damit wird es Deutschland nicht schaffen, die Umsetzungsfrist (17.12.2021) einzuhalten. Ob es deshalb bereits möglich ist, einzelne Regelungen innerhalb der Unternehmen über eine unionsrechtskonforme Auslegung und Anwendung der Generalklauseln anzuwenden (z. B. §§ 241 Abs. 2, 612 a BGB), erscheint allerdings fraglich, auch wenn hier dringend Klarstellungen geboten sind. Das macht auch die Entscheidung des EGMR vom 16.2.202149 deutlich, über die wir berichteten50. Wichtiger ist daher der Umstand, dass die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag nicht nur angekündigt hat, ehrliche Unternehmen vor rechtsuntreuen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern zu schützen. Dafür sollen die Vorschriften der Unternehmenssanktionen einschließlich der Sanktionshöhe überarbeitet werden, um die Rechtssicherheit von Unternehmen im Hinblick auf Compliance-Pflichten zu verbessern und für interne Untersuchungen einen präzisen Rechtsrahmen zu schaffen. Dies betrifft der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft51, dass die vorangehende Bundesregierung bereits im August 2020 als Entwurf in den Bundesrat eingebracht hatte52. Im Mittelpunkt stand dabei das Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten (VerSanG)53. Das Gesetz war im Gesetzgebungsverfahren gescheitert; wir hatten darüber berichtet54. Vielmehr will die Bundesregierung auch die Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel umsetzen. In Übereinstimmung mit dem Referentenentwurf aus dem Frühjahr 2021 sollen Whistleblower dabei nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vor rechtlichen Nachteilen geschützt sein, sondern auch von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Außerdem sollen die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien gegen den Schädiger verbessert und dafür Beratungs- und finanzielle Unterstützungsangebote geprüft werden55. Die vorstehenden Punkte einer gesetzlichen Regelung zur Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie erscheinen vernünftig. Wichtig ist aber, dass die
48 49 50 51 52 53 54 55
Hierzu vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 32 ff. EGMR v. 16.2.2021 – 23922/19, AuR 2021, 419 – Gawlik. B. Gaul, AktuellAR 2021, 32 ff., 35. B. Gaul, AktuellAR 2020, 57 ff. BR-Drucks. 440/20. Eingehend dazu Tödtmann/von Erdmann, NZA 2020, 1577. B. Gaul, AktuellAR 2020, 385 ff., 2021, 36. Koalitionsvertrag Rz. 3722 ff.
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Weiterführende Überlegungen zu gescheiterten Gesetzgebungsverfahren
Bundesregierung auch die problematischen Fragestellungen behandelt und dazu ausgewogene Regelungen schafft. Dazu gehört nicht nur eine gesetzliche Regelung, die bereits selbst einen Anreiz dafür setzt, dass vorrangig interne Meldewege genutzt werden. Bislang geht der Referentenentwurf davon aus, dass diese Anreize auf Unternehmensebene gesetzt werden. Gleichzeitig erscheint es geboten, bei der Umsetzung klarzustellen, dass Meldesysteme innerhalb eines Konzerns unternehmensübergreifend errichtet werden können. Trotz gegenteiliger Stellungnahmen der EU-Kommission56 wird diese Gestaltungsmöglichkeit durch die Richtlinie nicht ausgeschlossen. Sie ist auch geboten, um innerhalb einer unternehmensübergreifenden Arbeits- und Steuerungsstruktur angemessene Wege für die Meldung, die Überprüfung und die Sanktion bei (möglichen) Rechtsverletzungen zu schaffen. Das gilt auch bei grenzübergreifenden Prozessen, die Konsequenz der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sind. Diese Freiheiten können durch eine Richtlinie nicht eingeschränkt werden, was aber bei der Annahme einer Verpflichtung zu unternehmensbezogenen Systemen der Fall wäre. Unabhängig davon könnten unternehmensbezogene Systeme die gebotene Wirksamkeit eines Hinweisgeberprozesses in unternehmensübergreifenden Arbeits- und Steuerungsprozessen gar nicht bewirken.
c)
Homeoffice: Gesetzesentwurf zur Förderung der mobilen Arbeit
Auch der im BMAS ausgearbeitete Referentenentwurf eines Gesetzes zur mobilen Arbeit57 (MAG), der bereits im Frühjahr 2020 in die Ressortabstimmung eingebracht worden war, ist in der vergangenen Legislaturperiode gescheitert. Wir hatten darüber berichtet58. Führt man sich vor Augen, wie das Recht des Arbeitnehmers auf Erörterung seines Wunsches auf eine Arbeit im Homeoffice im Koalitionsvertrag beschrieben wird59, steht zu erwarten, dass das BMAS im nächsten Frühjahr mit genau diesem Entwurf in das Gesetzgebungsverfahren starten wird. Das betrifft jedenfalls die entsprechende Regelung in einem neuen § 111 GewO. Wichtig wäre, im Zusammenhang mit der gesetzlichen Neuregelung auch den Arbeitsschutz bei mobiler Arbeit einer klarstellenden Regelung zuzuführen. Derzeit bestehen nur die generellen Vorgaben in §§ 618 BGB, 3 ff. ArbSchG, die in der ArbStättV durch besondere Regelungen zum Telearbeitsplatz
56 57 58 59
Vgl. JUST/C2/MM/rp/(2021) 5129001. Vgl. eingehend Löwisch/Kurz, BB 2020, 2804; Schiefer, DB 2021, 114. B. Gaul, AktuellAR 2020, 365 ff., 2021, 36 ff. B. Gaul, AktuellAR 2021, 333, 334 f.
367
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
ergänzt werden. Damit werden die unionsrechtlichen Vorgaben aber nur unvollkommen umgesetzt. Denn §§ 241 Abs. 2, 618 BGB, 3 ff. ArbSchG i. V. m. Richtlinie 89/391/EWG verpflichten den Arbeitgeber, auch bei den Formen einer mobilen Tätigkeit außerhalb des Telearbeitsplatzes eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und daran anknüpfend die erforderlichen und angemessenen Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheitsschutz zu ergreifen. Die Gefährdungsbeurteilung darf sich allerdings an der Besonderheit ausrichten, dass der Arbeitsplatz wechselt, durch den Arbeitnehmer bestimmt wird und in seiner Privatwohnung liegt. Auch darauf hatten wir bereits im vergangenen Jahr hingewiesen60.
d)
Gesetzliche Regelungen zur Dokumentation der Arbeitszeit
Zwar hatte das BMAS in seinem Entwurf eines Gesetzes zur mobilen Arbeit in einem neuen § 112 GewO auch eine Arbeitszeiterfassung für alle Arbeitnehmer vorgesehen, die regelmäßig im Rahmen mobiler Arbeit eingesetzt werden. Dies hätte aber nur eine Dokumentationspflicht für einen Teil der Arbeitnehmer geschaffen, obwohl auf der Grundlage der Feststellungen des EuGH im Urteil vom 14.5.201961 eine umfassende Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht62, wenn und soweit – was zulässig und sinnvoll wäre – nicht einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen aus dem Geltungsbereich des ArbZG herausgenommen werden63. Mit Ausnahme der Regelungen zur Erweiterung der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Arbeit im Homeoffice64, die im Rahmen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes verabschiedet wurden65, war indes auch dieser Gesetzentwurf nicht umgesetzt worden. Ob dieser Teil des MAG mit Blick auf eine gesetzliche Regelung der Arbeitszeiterfassung jetzt erneut als Entwurf eines § 112 GewO eingebracht wird, erscheint allerdings fraglich. Denn in dem Gesetzentwurf des BMAS waren Überlegungen, wie sie jetzt jedenfalls andeutungsweise im Koalitionsvertrag in Bezug auf eine Notwendigkeit der Arbeitszeitflexibilisierung einschließlich etwaiger Sonderregelungen zur Vertrauensarbeitszeit genannt werden66, noch nicht vorgesehen. Hier müssen also ergänzende Regelungen getroffen werden. Außerdem sollten Unklarheiten im bisherigen Entwurf beseitigt B. Gaul, AktuellAR 2020, 411 ff. EuGH v. 14.5.2019 – C-55/18, NZA 2019, 683 Rz. 63 ff. – CCOO. Eingehend zur Umsetzung in EU-Mitgliedstaaten Hahn, ZESAR 2021, 119 ff. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 139 ff., 2020, 377 f. Zur Arbeit im Homeoffice vgl. BT-Drucks. 19/24313; 19/25798; 19/26298; Köhler/Schürgers, BB 2020, 2613. 65 B. Gaul, AktuellAR 2021, 56. 66 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 333, 334. 60 61 62 63 64
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Arbeitsrechtliche Aspekte des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
werden. Ziel sollte dabei sein, die Frage der Arbeitszeiterfassung durch eine Änderung von § 16 ArbZG umzusetzen, statt eine Sonderregelung zur Arbeitszeiterfassung in die GewO aufzunehmen. (Ga)
12. Arbeitsrechtliche Aspekte des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes Das Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG) ist auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales67 verabschiedet worden. Es tritt am 1.1.2023 in Kraft68. Auf der Grundlage des ersten Entwurfs69 können die wesentlichen Aspekte wie folgt zusammengefasst werden70.
a)
Anwendungsbereich
Das Gesetz soll – unabhängig von der jeweiligen Rechtsform – Unternehmen mit mehr als 3.000 Arbeitnehmern (ab 1.1.2024: 1.000 Arbeitnehmer) verpflichten, ihrer menschenrechtlichen und umweltbezogenen Verantwortung in der Wertschöpfungskette nachzukommen. Leiharbeitnehmer sind dabei zu berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt. Darüber hinaus sind Arbeitnehmer konzernangehöriger Unternehmen bei der Konzernobergesellschaft sowie ins Ausland entsandte Arbeitnehmer zu beachten. Anknüpfungspunkt für die Kennzeichnung des Anwendungsbereichs ist die Hauptverwaltung, die Hauptniederlassung, der Verwaltungssitz oder der satzungsgemäße Sitz. Zusätzlich werden Unternehmen mit Sitz oder Hauptniederlassung im Ausland erfasst, die eine Zweigniederlassung im Inland haben und mindestens 3000 Arbeitnehmer (ab dem 1.1.2024: 1.000 Arbeitnehmer) im Inland beschäftigen. Internetversandhändler mit Sitz im Ausland werden jedoch nicht erfasst.
b)
Ausgestaltung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht
Unternehmen im Anwendungsbereich des Gesetzes sollen verpflichtet werden zu prüfen, ob sich ihre Aktivitäten nachteilig auf Menschenrechte oder 67 68 69 70
BT-Drs. 19/30505. BGBl. I 2021, 2959. Hierzu vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 46 ff. Eingehend Wagner/Ruttloff, NJW 2021, 2145 ff.; Leuering, NZG 2021, 753 ff. Leuering/Rubne, NJW-Spezial 2021, 399, 400; Häfeli, ARP 2021, 299 ff.; Nkilas/Lex, ArbRB 2021, 212 ff.; Frank/ Edel/Heine/Heine, BB 2021, 2165 ff.; Arens, ARP 2021, 330 ff.
369
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Umweltbelange auswirken, und angemessene Maßnahmen zur Prävention und Abhilfe ergreifen, also auf die Erfüllung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten achten. Durch Einhalten der Sorgfaltspflicht sollen solche Rechtsgüter geschützt werden, wie sie sich aus den in der Anlage zum Gesetz aufgelisteten Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte (und des Umweltschutzes) ergeben. Dazu gehören z. B. verschiedene Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte und das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe sowie das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung. Das Verletzungsrisiko der Rechtspositionen wird durch Verbote konkretisiert71. In der entsprechenden Aufstellung der Verbote in § 2 Abs. 2 und Abs. 3 LkSG werden nicht nur das Verbot einer Beschäftigung von Kindern, von Personen in Zwangsarbeit oder aller Formen der Sklaverei genannt. Erfasst werden auch unter anderem • das Verbot der Missachtung der nach dem anwendbaren nationalen Recht geltenden Pflichten des Arbeitsschutzes, wenn hierdurch die Gefahr von Unfällen bei der Arbeit oder arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren entstehen, • das Verbot einer Missachtung der Koalitionsfreiheit, • das Verbot der Ungleichbehandlung in Beschäftigung, etwa aufgrund von nationaler unethischer Abstammung, sozialer Herkunft, Gesundheitsstatus, Behinderung, sexueller Orientierung, Alter, Geschlecht, politischer Meinung, Religion oder Weltanschauung, sofern diese nicht in den Erfordernissen der Beschäftigung begründet ist, • das Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns, • das Verbot der Herbeiführung einer schädlichen Bodenveränderung, Gewässerverunreinigung, Luftverunreinigung, schädlichen Lärmemission oder eines übermäßigen Wasserverbrauchs, die geeignet ist, die natürlichen Grundlagen zum Erhalt und der Produktion von Nahrung erheblich zu beeinträchtigen, einer Person den Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser zu verwehren, einer Person den Zugang zu Sanitäranlagen zu erschweren oder zu zerstören oder die Gesundheit einer Person zu schädigen,
71
370
Ehmann/Berg, GWR 2021, 287; Stöbener de Mora/Noll, NZG 2021, 1237, 1240.
Arbeitsrechtliche Aspekte des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
• das Verbot der widerrechtlichen Zwangsräumung und das Verbot des widerrechtlichen Entzugs von Land, Wäldern und Gewässern bei dem Erwerb, der Bebauung oder anderweitigen Nutzung von Land, Wäldern und Gewässern, deren Nutzung die Lebensgrundlage einer Person sichert • das Verbot eines von den vorgenannten Verboten nicht erfassten Handelns, das geeignet ist, in besonders schwerwiegender Weise Menschenrechte zu verletzen (Auffangtatbestand für menschenrechtliche Pflichten), • das Verbot der Herstellung mit Quecksilber versetzen Produkte oder • das Verbot der Ausfuhr gefährlicher Abfälle.
Einzelheiten der unternehmerischen Sorgfaltspflicht werden durch §§ 3 ff. LkSG gekennzeichnet. Sie verpflichten Unternehmen dazu, in ihren Lieferketten die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten, wie sie im Gesetz definiert werden, in angemessener Weise zu beachten mit dem Ziel, menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken vorzubeugen oder sie zu minimieren oder die Verletzung menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten zu beenden. Ein menschenrechtliches Risiko im Sinne des Gesetzes ist ein Zustand, bei dem es sich auf Grund tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit um einen Verstoß gegen eines der Verbote handelt, die in § 2 Abs. 2 LkSG genannt werden. Ein umweltbezogenes Risiko im Sinne des Gesetzes ist ein Zustand, bei dem es sich auf Grund tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit um einen Verstoß gegen eines der Verbote handelt, die in § 2 Abs. 3 LkSG genannt werden Die Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder umweltbezogenen Pflicht ist hierbei der Verstoß gegen eines der genannten Verbote. Zu den im Gesetz wohl abschließend aufgeführten Pflichten72 gehört beispielsweise die Einrichtung eines Risikomanagements, die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen, die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, jeweils verbunden mit einer Dokumentation und Berichterstattung. Die angemessene Weise eines Handelns, das den Sorgfaltspflichten genügt, bestimmt sich unter anderem nach der Art und dem Umfang der Geschäftstätigkeit des Unternehmens und nach der Art des Verursachungsbeitrags sowie den Einflussmöglichkeiten des Unternehmens. Ist es z. B. rechtlich oder tatsächlich
72 Wagner/Ruttloff, NJW 2021, 2145, 2147.
371
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
nicht möglich, Abhilfemaßnahmen vorzunehmen, können die Sorgfaltspflichten trotzdem erfüllt sein73. Ausgangspunkt ist dabei eine Bemühungspflicht, keine Erfolgs- oder Garantiehaftung. Eine Verletzung menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten führt deshalb nicht zu einem Verstoß gegen die Bemühenspflicht, solange in angemessenem Umfang Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt einer Verletzung zu verhindern. Ein Verstoß gegen eine Bemühenspflicht kann spiegelbildlich allerdings auch dann vorliegen, wenn die Verletzung geschützter Rechtsgüter ausbleibt, die Bemühenspflicht aber nicht hinreichend gewahrt wurde74. Im Fokus stehen dabei vor allem Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei unmittelbaren Zulieferern. Hier sind eine Grundsatzerklärung, Präventions- und Abhilfemaßnahmen erforderlich. Gegenüber mittelbaren Zulieferern muss das Unternehmen grundsätzlich erst tätig werden, wenn sich im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eine substantiierte Kenntnis über eine mögliche Verletzung einer menschenrechtsbezogener oder einer umweltbezogenen Pflicht bei mittelbaren Zulieferern ergibt, also tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht möglich erscheinen lassen. In diesem Fall sind unverzügliche Maßnahmen einzuleiten (§ 8 f. LkSG).
c)
Kennzeichnung der Lieferkette
Als Lieferkette definiert § 2 Abs. 5 LkSG alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens. Sie umfasst alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Lieferung an den Endkunden. Die Lieferkette erfasst das Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich (§ 2 Abs. 6 LkSG) sowie das Handeln eines unmittelbaren oder mittelbaren Zulieferers. Unmittelbarer Zulieferer im Sinne des Gesetzes ist ein Vertragspartner, dessen Zulieferungen (Dienst- oder Sachleistungen) für die Herstellung des Produkts des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind. Mittelbarer Zulieferer im Sinne dieses Gesetzes ist jedes Unternehmen, das kein unmittelbarer Zulieferer ist und dessen Zulieferungen für die Herstellung des Produkts des Unternehmens oder
73 BT-Drs. 19/30505, 38; Leuering/Rubner; NJW-Spezial 2021, 399. 74 Wagner/Ruttloff, NJW 2021, 2145.
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Arbeitsrechtliche Aspekte des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind (§ 2 Abs. 7, 8 LkSG).
d)
Zivilrechtliche Durchsetzung etwaiger Ansprüche
Das Gesetz sieht nur behördliche Durchsetzungsmechanismen vor. Eine zivilrechtliche Haftung wird bei Verletzungen der Pflichten aus dem Gesetz gemäß § 3 Abs 3 LkSG ausdrücklich nicht begründet. Insbesondere stellen die Regelungen des LkSG kein deliktisches Verbotsgesetz dar. Dies betrifft nicht nur die zivilrechtliche Haftung des Unternehmens, sondern schließt wohl auch die persönliche Organhaftung der Geschäftsleiter für Schäden des Unternehmens aus, die auf einem Verstoß gegen die Vorschriften des LkSG beruht75. Eine unabhängig von diesem Gesetz begründete, zivilrechtliche Haftung bleibt indes unberührt; auch wird eine andere (bereits) bestehende vertragliche oder deliktische Haftung nicht beseitigt. Durch diese Klarstellung des Gesetzgebers soll verhindert werden, dass unter Heranziehung des neuen LkSG die bestehende Rechtslage verändert wird76. Wer geltend macht, in einer überragend wichtigen Rechtsposition aus § 2 Abs. 1 LkSG verletzt zu sein, kann zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Rechte einer inländischen Gewerkschaft oder Nichtregierungsorganisation die Ermächtigung zur Prozessführung erteilen. Voraussetzung ist, dass die Gewerkschaft oder Nichtregierungsorganisation eine auf Dauer angelegte eigene Präsenz unterhält und sich nach ihrer Satzung nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend dafür einsetzt, Menschenrechte oder entsprechende Rechte im nationalen Recht eines Staats zu realisieren (§ 11 LkSG). Durch die Verwendung des Begriffs „überragend“ soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass nur ein Teil der in § 2 Abs. 1 LkSG in Bezug genommenen Menschenrechte im Wege einer Prozessstandschaft geltend gemacht werden kann; der Begriff impliziert jedoch keinen Bewertungsunterschied hinsichtlich einzelner Menschenrechte77. Die behördliche Kontrolle und Durchsetzung der gesetzlichen Regelungen über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten ist in §§ 12 ff. LkSG geregelt. Dazu gehört eine Überprüfung und Durchsetzung der jährlichen Berichterstattung, das Anordnen konkreter Maßnahmen zur Erfüllung der in § 3 ff. LkSG geregelten Pflichten oder die Geltendmachung von
75 Leuering/Rubner; NJW-Spezial 2021, 399, 400; Strohn, ZHR 185 (2021), 629, 630; a. A: Gehling/Ott/Lüneborg, CCZ 2021, 230, 239. 76 Stöbener de Mora/Noll, NZG 2021, 1285, 1286. 77 BR-Drs. 239/21 S. 56.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Betretungsrechten bzw. Auskunfts- und Herausgabepflichten. Zuständig für die Prüfung der Einhaltung des Gesetzes ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.
e)
Neue Befugnisse des Wirtschaftsausschusses / Beteiligungsrechte des Betriebsrats
Mit dem Gesetz wurde auch ein neuer § 106 Abs. 1 Nr. 5 b BetrVG eingeführt, durch den dem Wirtschaftsausschuss Informations- und Beratungsrechte in Bezug auf Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zuerkannt werden. Auch diese Regelung tritt allerdings erst am 1.1.2023 in Kraft. Die Unternehmen müssen sich dann allerdings darauf einstellen, dass das Thema Lieferkette regelmäßiger Bestandteil der Unterrichtung und Beratung mit dem Arbeitnehmervertreter sein wird, also auch auf diesem Wege Transparenz in Bezug auf die zur Umsetzung eingeleiteten Maßnahmen gewährt wird. Dabei dürfte es schon mit Blick auf die Einrichtung von Verhaltenspflichten der Arbeitnehmer und/oder die Errichtung eines Beschwerdesystems wichtig sein, losgelöst von § 106 BetrVG auch den Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 6 BetrVG zu beteiligen. Dabei ist es denkbar, jedenfalls die Frage der Verhaltenspflichten in bestehende Vorgaben eines „Code of Conduct“ einzubinden. Das befreit die Unternehmen natürlich nicht von der Notwendigkeit, die arbeitsvertraglichen Handlungspflichten insbesondere der in den Bereichen Einkauf, Compliance und Personal beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf diese neuen Vorgaben auszurichten. Das kann auch die Anpassung von Zielvereinbarungen betreffen, wenn damit die Umsetzung gefördert wird. Außerdem wird man ein Netzwerk aufbauen müssen, das gewährleistet, die Einhaltung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Pflichten innerhalb der Lieferkette auch im Ausland zu überprüfen und ggf. durchzusetzen.
f)
Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und Bußgelder
Nach § 22 LkSG sollen Unternehmen bis zur nachgewiesenen Selbstreinigung gemäß § 125 GWB von der Teilnahme an einem Verfahren über die Vergabe eines Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsauftrags ausgeschlossen werden, wenn sie wegen eines rechtskräftig festgellten Verstoßes nach § 24 Abs. 1 LkSG mit einer Geldbuße nach Maßgabe von § 22 Abs. 2 LkSG belegt wurden. Der Ausschluss darf allerdings nur innerhalb eines angemessenen Zeitraums von bis zu drei Jahren erfolgen.
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Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts
Die Bußgelder, die bei einer Missachtung der Handlungspflichten aus dem LkSG in Rede stehen, können bis zu 800.000 €, bei juristischen Personen mit einem Umsatz von mehr als 400 Mio. € bis zu 2 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes betragen. Sobald eine Geldbuße i. H. v. 175.000 € festgesetzt wird, kann dies bereits den Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge zur Folge haben. Entscheidend ist insoweit, gegen welche der in § 24 LkSG genannten Bußgeldvorschriften verstoßen wird.
g)
Inkrafttreten
Mit Ausnahme der gesetzlichen Regelungen über vorbereitende Organisationsmaßnahmen bzw. das Inkraftsetzen von Rechtsverordnungen, die sich an die Verwaltung richten und bereits am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft getreten sind, müssen die materiell-rechtlichen Vorgaben an sich erst am 1.1.2023 in Kraft treten. Losgelöst davon ist es wichtig, schon jetzt mit den Vorbereitungsmaßnahmen zu beginnen, die interne Zuständigkeit festzulegen und die notwendigen Verfahren für eine Überwachung der Lieferketten zu implementieren. (Ga/St)
13. Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts Am 17.8.2021 ist das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) durch Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft getreten. Mit wenigen Ausnahmen, hinsichtlich derer ein Inkrafttreten bereits am 18.8.2021 bestimmt wurde, tritt das Gesetz aber erst am 1.1.2024 in Kraft78. Aus dem arbeitsrechtlichen Blickwinkel heraus sei an dieser Stelle nur auf folgende Neuregelungen hingewiesen. Zunächst einmal werden die Regelungen zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in §§ 705 ff. BGB grundlegend neu gefasst. Dabei wird jetzt auch durch den Gesetzgeber klargestellt, dass die GbR selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (rechtsfähige Gesellschaft). Die Gesellschaft kann aber weiterhin auch als Innen-GbR ausgestaltet werden und das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander bestimmen (nicht rechtsfähige Gesellschaft). Diese Erscheinungsform der GbR kommt beispielsweise dann zum Tragen, wenn mehrere Unternehmen einen
78 Eingehend zum MoPeG vgl. Bachmann, NJW 2021, 3073; Lieder, ZRP 2021, 34.
375
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
gemeinsamen Betrieb bilden79. Denn im gemeinsamen Betrieb treffen die beteiligten Unternehmen nur eine Vereinbarung darüber, dass die wesentlichen personellen und sozialen Fragen einheitlich von einer Stelle aus gegenüber den Arbeitnehmern und Arbeitnehmervertretern gesteuert werden. Soweit darin die Wahrnehmung von Befugnissen liegt, die dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht zugeordnet werden können, erfolgt die Wahrnehmung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern jeweils Namens und im Auftrag der jeweiligen Arbeitgeber. Selbst bei der Annahme einer GbR ist der Gesellschaftszweck damit nur auf die Begründung einer Gesellschaft gerichtet, deren Betätigung allein die gemeinsame Steuerung, nicht die gemeinsame Arbeitgebereigenschaft ist. Dies schließt auch einen Betriebsübergang auf einen gemeinsamen Betrieb aus80. Wenn nicht ausdrücklich zwischen den beteiligten Unternehmen etwas anderes vereinbart wird, bleiben die Arbeitnehmer im gemeinsamen Betrieb Arbeitnehmer ihres bisherigen Arbeitgebers. Ein Übergang der Arbeitsverhältnisse auf die am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen in ihrer Gesamtheit bzw. als GbR in Form einer rechtsfähigen Gesellschaft i. S. d. § 705 Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht81. § 712 a BGB regelt das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters. Danach erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation, wenn nur noch ein Gesellschafter verbleibt. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters geht insoweit das Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über. Diese für die GbR getroffene Regelung findet auch bei oHG und KG Anwendung (§§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB). Sie kodifiziert die bislang schon herrschend vertretene Auffassung und ist auch dann anwendbar, wenn der zuletzt verbleibende Gesellschafter in einer Rechtsform eines anderen Landes organisiert ist. Auf diese Weise kann ein grenzüberschreitender Übergang von Vermögen einschließlich etwaiger Arbeitsverhältnisse im Wege der Gesamtrechtsnachfolge bewirkt werden. Wie bereits an anderer Stelle aufgezeigt wurde, hat dies – wenn Betrieb oder Betriebsteile betroffen sind – auch die Anwendbarkeit von § 613 a BGB zur Folge82. Ein Widerspruchsrecht kommt dabei allerdings wie bei der Verschmelzung nicht in Betracht, weil der übertragende Rechtsträger – die GbR, oHG bzw. KG – mit dem Ausscheiden des 79 Vgl. BAG v. 17.1.2002 – 2 AZR 57/01, NZA 2002, 999. 80 BAG v. 16.2.2006 – 8 AZR 211/05, NZA 2006, 592 Rz. 20; BAG v. 24.02.2000 – 8 AZR 162/99 n. v. 81 Gaul/Gaul/Bonanni, Arbeitsrechtliche Umstrukturierung Rz. 7.3; LAG Düsseldorf v. 19.6.1998 – 11 (14) Sa 1838/97 n. v. 82 Gaul/Gaul/Bonanni, Arbeitsrechtliche Umstrukturierung Rz. 5.45 ff.; Gaul/Gaul, Arbeitsrechtliche Umstrukturierung Rz. 7.17 f.
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Durchführung sozialversicherungsrechtlicher Statusfeststellungsverfahren
vorletzten Gesellschafters erlischt. Für den ausscheidenden Gesellschafter gelten freilich die besonderen Regelungen zur Nachhaftung gem. §§ 712 a Abs. 2, 728 ff. BGB. (Ga)
14. Erleichterungen bei der Durchführung sozialversicherungsrechtlicher Statusfeststellungsverfahren Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2019/882/EU über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen und zur Änderung anderer Gesetze vom 16.7.202183 hat der Gesetzgeber das sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungsverfahren grundlegend verändert. Die Neuregelung tritt am 1.4.2022 in Kraft; sie sollen im Anschluss an eine Evaluierung mit Wirkung zum 30.6.2027 außer Kraft treten, falls keine gegenteilige Regelung getroffen wird. Mit der Neuregelung soll das geltende Anfrageverfahren in § 7 a SGB IV, das als unangemessen langsam und komplex empfunden wird, deutlich beschleunigt werden. Dies soll dadurch erreicht werden, dass vor oder nach Aufnahme einer Beschäftigung nur noch der Erwerbsstatus, nicht aber die Versicherungspflicht, festgestellt wird. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass das Bestehen oder Nichtbestehen einer Versicherungspflicht durch die Beteiligten selbst festgestellt kann und die dann maßgeblichen Vorschriften umgesetzt werden können, wenn der Erwerbsstatus geklärt ist. Gleichzeitig soll allen Beteiligten, die mit der im Streit stehenden Beschäftigung befasst sind, eine Möglichkeit zur Klärung gegeben werden, deren Ergebnis im Rahmen einer Gruppenfeststellung bzw. einer gutachterlichen Feststellung vereinfacht auch auf vergleichbare Sachverhalte übertragen werden kann. Das betrifft auch Dreiecksverhältnisse, bei denen ein Auftragnehmer, seine Erfüllungsgehilfen und ein Auftragsgeber tätig sind. Hier kann die sozialversicherungsrechtliche Klarstellung in Bezug auf den Status der Beschäftigung des Erfüllungsgehilfen auch durch den Dritten als Auftraggeber beantragt werden, obwohl gar kein Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Erfüllungsgehilfe gegeben ist, wenn der Auftrag tatsächlich im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags bzw. einer anderen Form der selbständigen Tätigkeit des Auftragnehmers abgewickelt wird84. Die gesetzliche Neuregelung in § 7 a SGB IV sieht wie folgt aus: (1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei 83 BGBl. I 2021, 2970. 84 Eingehend vgl. Kössel, DB 2021, 2216.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach S. 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28 a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. (2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten i. S. d. S. 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Abs. 1 S. 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden. (3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben. (4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. S. 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht. (4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Abs. 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche
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Durchführung sozialversicherungsrechtlicher Statusfeststellungsverfahren
Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse. (4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen. (4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Abs. 4 b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Abs. 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Abs. 5 S. 1 Nr. 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Abs. 5 S. 1 keine Anwendung. S. 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Abs. 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Abs. 5 S. 1 Nr. 2 erfüllt sind. (5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, tritt die Versicherungspflicht mit der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis , wenn der Beschäftigte zustimmt und er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt den Zeitpunkt fest, der als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis gilt. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist. (6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Abs. 2 und 4 a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Abs. 1 SGG nach Ablauf von drei Monaten zulässig. (7) Abs. 2 S. 2 und 3, Abs. 4 a bis 4 c und Abs. 6 S. 2 treten mit Ablauf des 30.6.2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31.12.2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Abs. 2 S. 2 und 3, der Abs. 4 a bis 4 c und des Abs. 6 S. 2 vor.
Die Neuregelung ist zu begrüßen. Jetzt bleibt abzuwarten, ob es gelingt, damit tatsächlich schnellere Klärungen herbeizuführen. Betroffen hiervon sind beispielsweise Interim-Manager, Solo-Selbständige oder Mitarbeiter von Fremdfirmen im Bereich der IT, Plattformmitarbeiter oder Pflegekräfte, die in Privathaushalten zum Einsatz kommen. (Ga)
15. Gesetzliches Abtretungsverbot für Formulararbeitsverträge Mit dem Gesetz für faire Verbraucherverträge, das am 10.08.2021 veröffentlich wurde85, ist unter anderem § 308 Nr. 9 BGB eingeführt worden. Danach ist eine Vertragsklausel, durch die die Abtretbarkeit ausgeschlossen wird, für einen auf Geld gerichteten Anspruch des Vertragspartners gegen den Verwender unwirksam. Dies verbietet dem Arbeitgeber, in Formulararbeitsverträge ein Abtretungsverbot in Bezug auf Vergütungsbestandteile einzubeziehen. Ein Rückgriff auf § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, wie er bislang bei der Inhaltskontrolle entsprechender Vereinbarungen erfolgt war86, ist damit obsolet. Arbeitsverträge, die vor dem 1.10.2021 abgeschlossen wurden, bleiben hiervon unberührt. Gemäß Art. 230 EGBGB ist § 308 BGB in seiner Neufassung
85 BGBl. I 2021, 3433. 86 Vgl. BGH v. 17.4.2012 – X ZR 76/11, NJW 2012, 2107.
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Folgen des Telekommunikations-Telemedien-Datenschutzgesetzes
erst auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die nach dem 30.9.2021 abgeschlossen worden sind. Abtretungsverbote in Kollektivvereinbarungen sind von der gesetzlichen Neuregelung nicht betroffen. Während solche Regelungen in Tarifverträgen wirksam sein dürften, stellt sich bei Betriebsvereinbarungen allerdings die Frage ihrer Vereinbarkeit mit § 75 BetrVG. Schließlich liegt darin im Ergebnis auch eine Lohnverwendungsabrede, die dem Arbeitnehmer die Finanzierung privater Aufwendungen erschwert87. (Ga)
16. Arbeitsrechtliche Folgen des TelekommunikationsTelemedien-Datenschutzgesetzes Am 1.12.2021 ist das Telekommunikations-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG) in Kraft getreten88. Mit der gesetzlichen Neuregelung sind die bestehenden Vorschriften aus TKG und TMG an die DSGVO und ergänzende Vorgaben des Unionrechts angepasst und in einem einzigen Gesetz zusammengefasst worden89. Bedauerlicherweise hat es der Gesetzgeber aber versäumt, im Zusammenhang mit der gesetzlichen Neuregelung die Frage zu beantworten, ob der Arbeitgeber, der Arbeitnehmern eine Privatnutzung der betrieblichen E-Mail-Systeme sowie Internetverbindungen zulässt, als Diensteanbieter zu qualifizieren und daher besonderen Vorgaben zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses unterworfen ist. Denn i. E. wurde mit § 3 TTDSG nur § 88 TKG fortgeschrieben. Die aktuelle Regelung lautet wie folgt: § 3 TTDSG Vertraulichkeit der Kommunikation – Fernmeldegeheimnis 1. Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Das Fernmeldegeheimnis erstreckt sich auch auf die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche. 2. Zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses sind verpflichtet 1. Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienste sowie natürliche und juristische Personen, die an der Erbringung solcher Dienste mitwirken,
87 Vgl. BAG v. 18.7.2006 – 1 AZR 578/05, NZA 2007, 462. 88 BGBl I 2021, 1982. 89 Eingehend vgl. Golland, NJW 2021, 2238; Kiparski, CR 2021, 482.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
2. Anbieter von ganz oder teilweise geschäftsmäßig angebotenen Telekommunikationsdiensten sowie natürliche und juristische Personen, die an der Erbringung solcher Dienste mitwirken, (…) Die Pflicht zur Geheimhaltung besteht auch nach dem Ende der Tätigkeit fort, durch die sie begründet worden ist. (…)
Folgt man der zu § 88 TKG im Datenschutzrecht wohl ganz überwiegend vertretenen Auffassung, ist der Arbeitgeber, der Arbeitnehmern eine Privatnutzung der E-Mail- bzw. Internetsysteme erlaubt oder diese nur duldet, als Diensteanbieter zu qualifizieren. Konsequenz dieser Bewertung ist, dass insbesondere bei Pflichtverletzungen, die Beispielsweise im Rahmen von Compliance-Untersuchungen relevant werden können, eine Einsichtnahme in die E-Mails oder diesbezügliche Verbindungsdaten nicht erfolgen darf. In der arbeitsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung sowie der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist diese Sichtweise allerdings ganz überwiegend abgelehnt worden90. Auch das LG Erfurt hat sich in seinem Urteil vom 28.4.202191 dieser Auffassung angeschlossen. Damit konnte aus § 88 TKG selbst dann kein Beweisverwertungsverbot abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine private Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses oder des E-Mail-Accounts erlaubt hatte. Diese Sichtweise überzeugt und ist auf § 3 TTDSG zu übertragen. Es fehlt an einer Geschäftsmäßigkeit des Angebots von Telekommunikationsdiensten im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wenn dieser ihm lediglich gestattet, die dienstlich notwendigen Einrichtungen zu privaten Zwecken zu nutzen. Denn diese Privatnutzung hat keinerlei Bezug zu einer Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers. Sie ist allenfalls Ausdruck der Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitnehmers innerhalb des Arbeitsverhältnisses, das seinerseits nicht durch das geschäftsmäßige Angebot von Telekommunikationsdiensten geprägt ist. Ungeachtet dessen, wäre es allerdings hilfreich, wenn der Gesetzgeber die Neuregelung genutzt hätte, in § 3 TTDSG eine entsprechende Klarstellung einzubinden. (Ga)
90 Vgl. nur LAG Berlin-Brandenburg vom 14.1.2016 – 5 Sa 657/15 n. v.; VGH BadenWürttemberg v. 30.7.2014 – 1 S 1352/13, NVwZ-RR 2015, 16 Rz. 78; LAG Hamm v. 10.7.2012 – 14 Sa 1711/10, ZD 2013, 135; LAG Niedersachsen v. 31.5.2010 – 12 Sa 875/09, NZA-RR 2010, 406; VGH Hessen v. 19.5.2009 – 6 A 2672/08.Z, NJW 2009, 2470. 91 LG Erfurt v. 28.4.2021 – 1 HK O 43/20 n. v. (Rz. 21).
382
B. 1.
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
Anwendung von KI und Haftung für KI - Vorschläge der EU-Kommission und des EU-Parlaments
Künstliche Intelligenz (KI) prägt bereits heute einen großen Teil der Angebote im Internet und verändert zunehmend auch die Funktionsweise von Software, die in allen Bereichen des Arbeits- und Privatlebens zur Anwendung kommt. Auch wenn nach wie vor keine klare Begriffsbestimmung gegeben ist und deshalb auch der Fokus der Diskussion wechselt, dürfte übergreifend anerkannt sein, dass die Anwendung von KI nicht ohne Leitplanken erfolgen sollte. Dabei geht es nicht allein um ethische Fragen, wie sie bereits heute auf verschiedenen Ebenen entwickelt wurden. Beispielhaft sei hier nur auf das Weißbuch der Europäischen Kommission, die KI-Strategie der Bundesregierung, die Richtlinien des Ethikbeirats HR-Tech für den verantwortungsvollen Einsatz von künstlicher Intelligenz und weiteren digitalen Technologien in der Personalarbeit oder die ethischen Leitlinien für die Entwicklung und den Einsatz von künstlicher Intelligenz von ver.di oder das DGB-Papier zur künstlichen Intelligenz hingewiesen. Auch der Datenschutz, insoweit vor allem geprägt durch die DSGVO, ist als Schranke für den Einsatz von KI zu beachten. Mit ihrem Vorschlag für eine Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz und zur Änderung bestimmter Rechtsakte der Union hat die Europäische Kommission am 21.4.20211 jetzt allerdings ebenso wie das Europäische Parlament mit seiner Entschließung zum Entwurf einer Verordnung zur Regelung der zivilrechtlichen Haftung beim Einsatz künstlicher Intelligenz vom 20.10.20202 deutlich weitergehende Regelungen vorgelegt, die auf einer rechtlichen Ebene den besonderen Risiken von KI in verschiedenen Einsatzbereichen Rechnung tragen sollen.
a)
Begriff der künstlichen Intelligenz
Bemerkenswert an den beiden Vorschlägen ist, dass sie von einem völlig unterschiedlichen Verständnis in Bezug auf den Begriff der künstlichen Intelligenz geprägt sind. So verwendet der Vorschlag des EU-Parlaments folgende Begriffsbestimmungen:
1 2
COM (2021) 206 final. Eingehend hierzu Burmeister, DB 2021, 1858 ff. P9_PA (2020) 0276. Eingehend hierzu Etzkorn, CR 2020, 764 ff.
383
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
KI-System [bezeichnet] ein softwaregestützes oder ein in HardwareGeräte eingebettetes System, das ein Intelligenz simulierendes Verhalten zeigt, indem es unter anderem Daten sammelt und verarbeitet, seine Umgebung analysiert und interpretiert und mit einem gewissen Maß an Autonomiemaßnahmen ergreift, um bestimmte Ziele zu erreichen; Autonom [bezeichnet] ein KI-System, das durch Interpretation bestimmter Eingaben und durch Verwendung einer Reihe vorab festgelegter Anweisungen funktioniert, ohne durch solche Anweisungen beschränkt zu sein, wenngleich das Verhalten des Systems durch das ihm vorgegebene Ziel und andere relevante Vorgaben seines Entwicklers eingeschränkt wird bzw. auf die Erfüllung des Ziels ausgerichtet ist; (…)
Von dieser Begriffsbestimmung ausgehend würde man KI nur dann als gegeben ansehen dürfen, wenn die Systeme nicht durch eine bloße „Wenn-DannVerknüpfung“ gekennzeichnet sind. Die Entscheidungswege dürften also nicht bereits durch eine feste Programmierung bestimmt worden sein, sondern müssten einem lernenden Prozess geöffnet sein, der es der Software ermöglicht, zusätzliche Daten zu berücksichtigen und/oder neue Entscheidungswege zu gehen und damit auch – wenn auch im Rahmen des vorgegebenen Zwecks – veränderte Ergebnisse zu erzeugen. Im Gegensatz dazu kennzeichnet der Vorschlag der EU-Kommission den Begriff der KI wie folgt: System der künstlichen Intelligenz (KI-System) [bezeichnet] eine Software, die mit einen oder mehreren der im Anhang 1 aufgeführten Techniken und Konzepte entwickelt worden ist und im Hinblick auf eine Reihe von Zielen, die von Menschen festgelegt werden, Ergebnisse wie Inhalte, Vorhersagen, Empfehlungen oder Entscheidung hervorbringen kann, die das Umfeld beeinflussen, mit dem sie interagieren.
Dieses Verständnis von KI erfasst nicht nur autonome Systeme, die – wie vom EU-Parlament vorgesehen – Intelligenz simulieren und (auch) nicht vorgegebene Entscheidungswege beschreiten. Vielmehr werden auch solche Systeme dem Begriff der KI zugeordnet, die mit festen „Wenn-Dann-Verknüpfungen“ arbeiten und damit nur die Befehlsketten verarbeiten, die im Wege der Programmierung fest vorgegeben worden sind. Von diesem Verständnis ausgehend würde auch eine Befehlskette, die in Excel programmiert wurde, dem Begriff der KI zugeordnet werden müssen. Führt man sich vor Augen, dass der Vorschlag der EU-Kommission für Anbieter und Nutzer von KI zu ganz erheblichen Handlungspflichten führt,
384
Anwendung von KI und Haftung für KI
erscheint es dringend geboten, zunächst einmal den Begriff der KI einzuschränken und dem Verständnis des EU-Parlaments anzunähern. Dabei wird nicht verkannt, dass ein Teil der Gefahren, der in den Entwürfen schlussendlich nur der KI zugeordnet wird, auch bei „einfacher“ Software gegeben sein kann. Daran anknüpfend dürfte es durchaus sinnvoll sein, Handlungsschranken in Bezug auf rechtliche und ethische Vorgaben über den Begriff der KI hinausgehend auch auf „normale“ Software auszudehnen, wie dies berechtigterweise durch den Ethikbeirat HR-Tech in seinen Richtlinien vorgeschlagen worden ist. Wichtig aber ist, den abstrakten Begriff der KI nicht mit jeder Software zu verbinden und Software damit generell Gefahren zuzuordnen, die mit einer abgeschlossenen Programmierung nicht verbunden sind.
b)
Adressaten der Vorschläge
Während sich der Vorschlag der EU-Kommission an Anbieter und Nutzer, Einführer und Händler sowie deren Bevollmächtigte richtet, wird im Vorschlag des EU-Parlaments zunächst einmal nur der Betreiber genannt. Dabei wird allerdings zwischen dem Frontend-Betreiber, also der Person, die ein gewisses Maß an Kontrolle über ein mit dem Betrieb und der Funktionsweise des KI-Systems verbundenes Risiko ausübt und für die sein Betrieb einen Nutzen darstellt, und dem Backend-Betreiber als die Person, die auf kontinuierlicher Basis die Merkmale der Technologie definiert und Daten und einen wesentlichen Backend-Support-Dienst bereitstellt und daher auch ein gewisses Maß an Kontrolle über ein mit dem Betrieb und der Funktionsweise des KI-Systems verbundenes Risiko ausübt, unterschieden. Im Gegensatz dazu definiert der Vorschlag der EU-Kommission den Anbieter als eine Person, Behörde, Einrichtung oder sonstige Stelle, die ein KI-System entwickelt oder entwickeln lässt, um es unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke – entgeltlich oder unentgeltlich – in Verkehr zu bringen oder in Betrieb zu nehmen. Der Nutzer wird demgegenüber als eine Person, Behörde, Einrichtung oder sonstige Stelle bezeichnet, die ein KI-System in eigener Verantwortung verwendet, es sei denn, das KI-System wird im Rahmen einer persönlichen und nicht beruflichen Tätigkeit eingesetzt. Ausgangspunkt für eine Anwendung der Regelungen des Vorschlags des EUParlaments ist dabei eine Begrenzung des Geltungsbereichs auf das Hoheitsgebiet der Union. Wenn durch von einem KI-System gesteuerte Aktivitäten, Geräte oder Prozesse das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit einer natürlichen Person oder das Eigentum einer natürlichen oder juristischen Person beschädigt wurde oder ein erheblicher immaterieller Schaden entstanden ist, der zu einem nachweisbaren wirtschaftlichen Verlust geführt hat, soll die Verordnung zur Geltung kommen. 385
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
Im Gegensatz dazu richtet sich der Vorschlag der EU-Kommission an • Anbieter, die KI-Systeme in der Union in Verkehr bringen oder in Betrieb nehmen unabhängig davon, ob diese Anbieter in der Union oder in einem Drittland niedergelassen sind; • Nutzer von KI-Systemen, die sich in der Union befinden; • Anbieter und Nutzer von KI-Systemen, die in einem Drittland niedergelassen oder ansässig sind, wenn das vom System hervorgebrachte Ergebnis in der Union verwendet wird.
Angesichts dieses Geltungsbereichs stellt sich die Frage, ob es realistisch ist zu glauben, mit einer Verordnung auch solche KI-Systeme, die außerhalb der EU angeboten und über das Internet in der EU zur Anwendung kommen, den Vorgaben des Unionsrechts zu unterwerfen. Wenn man sich vor Augen führt, welche Schwierigkeiten bereits bestehen, die Regelungen der DSGVO bei einem Datentransfer in Drittländer auf einem vergleichbaren Niveau zur Anwendung zu bringen3, dürfte es weitaus schwieriger sein, die Einhaltung der für KI entwickelten Grundsätze sicherzustellen. Denn gerade in diesem Bereich ist die Technik nicht nur schwer kontrollierbar, sondern – gerade dies macht KI aus – fortlaufenden (eigengesteuerten) Veränderungen ausgesetzt.
c)
Klassifizierung von KI-Systemen
Beide Entwürfe sind – mit unterschiedlicher Zielsetzung – dadurch gekennzeichnet, dass sie KI-Systeme nach dem Risiko ihrer Anwendung klassifizieren. Dabei geht der Vorschlag der EU-Kommission der Idee nach, im Wege eines Anhangs zur Verordnung eine Liste der Komponenten bzw. Zweckbestimmungen aufzustellen, bei deren Zuordnung ein KI-System als hochriskant qualifiziert wird. Bemerkenswert aus arbeitsrechtlicher Sicht ist dabei, dass im Ergebnis nahezu jede Anwendung, die im Bereich der Personalarbeit nutzbar gemacht wird, im Anhang III als Hochrisiko-KI-System qualifiziert wird. Denn eine KI ist nach den dortigen Feststellungen als Hochrisiko-KI-System zu qualifizieren, wenn sie den folgenden Bereichen zugeordnet werden kann: 3. Allgemeine und berufliche Bildung: a) KI-Systeme, die bestimmungsgemäß für Entscheidungen über den Zugang oder die Zuweisung natürlicher Personen zur Einrichtung der allgemeinen und beruflichen Bildung verwendet werden sollen; b) KI-Systeme, die bestimmungsgemäß für die Bewertung von Schülern in Einrichtungen der allgemeinen und beruflichen Bildung und
3
Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 389 ff.
386
Anwendung von KI und Haftung für KI
für die Bewertung der Teilnehmer an üblicherweise für die Zulassung zu Bildungseinrichtungen erforderlichen Tests verwendet werden sollen; 4. Beschäftigung, Personalmanagement und Zugang zur Selbständigkeit: a) KI-Systeme, die bestimmungsgemäß für die Einstellung oder Auswahl natürlicher Personen verwendet werden sollen, insbesondere für die Bekanntmachung freier Stellen, das Sichten oder Filtern von Bewerbungen und das Bewerten von Bewerbern in Vorstellungsgesprächen oder Tests; b) KI-Systeme, die bestimmungsgemäß für Entscheidungen über Beförderungen und über Kündigungen von Arbeitsvertragsverhältnissen, für die Aufgabenzuweisung sowie für die Überwachung und Bewertung der Leistung und des Verhaltens von Personen in solchen Beschäftigungsverhältnissen verwendet werden sollen; (…)
Konsequenz der Kennzeichnung als Hochrisiko-System ist, dass umfangreiche Pflichten begründet werden. Dazu gehören z. B. ein Risikomanagementsystem, Vorgaben zu geeigneten Daten-Governance- und Datenverwaltungsverfahren sowie Pflichten im Zusammenhang mit einer technischen Dokumentation und damit verbundenen Aufzeichnungspflichten. Sie betreffen u. a. Qualitätskriterien, die für Trainings-, Validierungs- und Testdatensätze bestimmt werden. Darüber hinaus sieht der Vorschlag weitreichende Transparenz- und Informationspflichten im Verhältnis zwischen Anbieter und Nutzer vor. Bei der Erstellung solcher Systeme ist sicherzustellen, dass die menschliche Aufsicht gewährleistet und zugleich Genauigkeit, Robustheit und Cybersicherheit gegeben sind. Unabhängig von diesen systembezogenen Anforderungen enthält der Vorschlag weitere Handlungspflichten, die sich sowohl an den Anbieter als auch an den Nutzer von Hochrisiko-KI-Systemen richten. Beispielhaft sei hier nur auf ein Qualitätsmanagementsystem, eine Konformitätsbewertung oder die Erstellung einer EU-Konformitätszertifizierung4 verwiesen. Auch wenn insoweit im Hinblick auf den Nutzer zunächst einmal nur nachrangige Pflichten bestehen, die sich insbesondere auf eine Kontrolle etwaiger Gefahren für die Gesundheit, die Sicherheit oder der Grundrechte der von der Nutzung betroffenen Personen richten, dürfte auch eine Umsetzung dieses Teils des Vor4
Vgl. zur Zertifizierung auch Heesen/Müller-Quade/Wrobel et al., Zertifizierung von KISystemen; Fraunhofer IAIS, Leitfaden zur Gestaltung vertrauenswürdiger künstlicher Intelligenz.
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Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
schlags der EU-Kommission auf Unternehmensseite einen kaum darstellbaren und inhaltlich nachvollziehbaren Aufwand zur Folge haben. Hinzu kommt, dass auch der Nutzer unter bestimmten Voraussetzungen zum Anbieter wird, wenn Zweckbestimmungen eines KI-Systems verändert werden. Der Vorschlag des EU-Parlaments bezeichnet ein hohes Risiko als ein signifikantes Potential eines autonom betriebenen KI-Systems, einer oder mehreren Personen einen Personen- oder Sachschaden auf eine Weise zu verursachen, die zufällig ist und darüber hinausgeht, was vernünftigerweise erwartet werden kann. Wenn diese Voraussetzung erfüllt sind, sollen Betreiber eines KI-Systems mit hohem Risiko einer verschuldensunabhängigen Haftung für alle Personen- oder Sachschäden unterworfen werden, die von einer von dem KI-System angetriebenen physischen oder virtuellen Aktivität einer Vorrichtung oder einem Prozess verursacht wurden. Dabei soll es für den Betreiber ausgeschlossen werden, sich mit der Begründung zu exkulpieren, dass mit der gebührenden Sorgfalt gehandelt wurde oder der Schaden durch autonome Aktivitäten, Geräte oder Prozesse verursacht wurde, die durch das KI-System gesteuert wurden. Zugleich soll es eine Versicherungspflicht geben. Im Gegensatz dazu ist für andere KI-Systeme eine verschuldensabhängige Haftung vorgesehen. Sie soll in Bezug auf Verjährungsfristen sowie Höhe und Ausmaß der Entschädigungen dem Recht der Mitgliedstaaten für die zivilrechtliche Haftung bei Personen- oder Sachschäden entsprechen. Bei KI-Systemen mit einem hohen Risiko sollen Entschädigungsbetrag und Verjährung durch die Verordnung bestimmt werden.
d)
Fazit
Die Komplexität von KI bringt es mit sich, dass auch Regelungen, die sich mit ihrer Anwendung oder der Haftung befassen, die Vielfalt der denkbaren Erscheinungsformen und ihre weitere Entwicklung berücksichtigen müssen. Dabei ist auch zuzugestehen, dass die Grenzen zwischen einer „einfachen“ und einer Software, bei der KI zum Einsatz kommt, fließend sind. Dennoch aber wird man insbesondere den Entwurf der EU-Kommission überaus kritisch hinterfragen müssen. Denn hier entsteht der Eindruck, dass aus theoretischen Wertvorstellungen heraus, die ohne jede Frage nachvollziehbar und sinnvoll sind, rechtliche Handlungsvorgaben für natürliche und juristische Personen begründet werden, die aber in der Realität nicht mehr erfüllt werden können. Wenn aber die Umsetzungsschwierigkeiten bereits heute erkannt werden, müssen schon bei der weiteren Arbeit an den Entwürfen Einschränkungen vorgenommen werden. Anderenfalls können die Vorschläge der EUKommission und/oder des EU-Parlaments weder mit Akzeptanz noch mit Durchsetzbarkeit rechnen. (Ga) 388
Neufassung der EU-Standarddatenschutzklauseln
2.
Neufassung der EU-Standarddatenschutzklauseln
a)
Rahmenbedingungen der DSGVO
Nach Art. 44 DSGVO ist jede Übermittlung personenbezogener Daten, die bereits verarbeitet werden oder nach ihrer Übermittlung an ein Drittland oder eine internationale Organisation verarbeitet werden sollen, nur zulässig, wenn der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter die in Kap. V DSGVO niedergelegten Bedingungen einhalten und auch die sonstigen Bestimmungen dieser Verordnung beachtet werden; dies gilt auch für die etwaige Weiterübermittlung personenbezogener Daten durch das betreffende Drittland oder die betreffende internationale Organisation an ein anderes Drittland oder eine andere internationale Organisation. Alle Bestimmungen des Kap. V DSGVO sind anzuwenden, um sicherzustellen, dass das durch die DSGVO gewährleistete Schutzniveau für natürliche Personen nicht untergraben wird. Hiervon ausgehend kommen verschiedene Mechanismen zur Rechtfertigung einer Datenübermittlung an Drittländer oder an internationale Organisationen in Betracht. Drittländer sind dabei alle Länder, die nicht Vertragspartei sind. Vertragsstaaten sind im Zusammenhang mit der DSGVO neben den EU-Mitgliedstaaten auch die übrigen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), also Island, Liechtenstein und Norwegen. Drittländer sind dabei beispielsweise die USA, China, Russland oder die Schweiz. Gemäß Art. 45 DSGVO darf eine Übermittlung personenbezogener Daten ohne besondere Genehmigung einer Behörde an ein Drittland oder an eine internationale Organisation vorgenommen werden, wenn die EU-Kommission beschlossen hat, dass das betreffende Drittland, ein Gebiet oder ein oder mehrere spezifische Sektoren in diesem Drittland oder die betreffende internationale Organisation ein angemessenes Schutzniveau bietet. Welche Gesichtspunkte die EU-Kommission bei der Prüfung der Angemessenheit des gebotenen Schutzniveaus im Vorfeld eines entsprechenden Durchführungsrechtsaktes berücksichtigen muss, bestimmt Art. 45 Abs. 2 DSGVO. Entsprechende Angemessenheitsbeschlüsse bestehen beispielsweise in Bezug auf Kanada, Israel, Japan, Neuseeland, Argentinien und die Schweiz. Fehlt ein Angemessenheitsbeschluss nach Art. 45 DSGVO, darf ein Verantwortlicher oder ein Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten an ein Drittland oder eine internationale Organisation nur übermitteln, sofern der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter geeignete Garantien vorgesehen hat und sofern den betroffenen Personen durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen (Art. 46 Abs. 1 DSGVO). Die entsprechenden Garantien können, ohne dass hierfür eine besondere Genehmigung 389
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
einer Aufsichtsbehörde erforderlich wäre, insbesondere in Standarddatenschutzklauseln bestehen, die von der EU-Kommission erlassen oder genehmigt wurden (Art. 46 Abs. 2 lit. c, d DSGVO). Vorbehaltlich einer Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde können die geeigneten Garantien auch in Vertragsklauseln liegen, die zwischen dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter und dem Verantwortlichen, dem Auftragsverarbeiter oder dem Empfänger der personenbezogenen Daten im Drittland oder der internationalen Organisation vereinbart wurden (Art. 46 Abs. 3 lit. a DSGVO). Ist auch keine Rechtfertigung nach Art. 46 DSGVO gegeben, kann eine Rechtfertigung der Übermittlung personenbezogener Daten nur durch eine Einwilligung der betroffenen Person geschaffen werden, die allerdings den besonderen Schranken aus Art. 7 DSGVO, § 26 Abs. 2 BDSG genügen muss. Problematisch daran ist nicht nur der Aufwand, der mit der individuellen Abgabe entsprechender Erklärungen beispielsweise in jedem einzelnen Arbeitsverhältnis verbunden ist. Die praktische Handhabe einer Übermittlung personenbezogener Daten auf der Grundlage einer Einwilligung ist auch mit dem Risiko verbunden, dass die betroffene Person berechtigt ist, ihre Einwilligung jederzeit zu widerrufen (Art. 7 Abs. 3 S. 1 DSGVO). Eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag sind nicht geeignet, eine grenzüberschreitende Übertragung personenbezogener Daten zu rechtfertigen. Zwar wahrt der Arbeitgeber mit dem Abschluss solcher Vereinbarungen auf der Betriebsebene Beteiligungsrechte des Betriebsrats, insbesondere aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Da die Tarifverträge und Betriebs-, Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen aber keine Bindungswirkung gegenüber dem Verantwortlichen, dem Auftragsverarbeiter oder dem Empfänger der personenbezogenen Daten im Drittland entfalten und deshalb auch keine Garantien für die Wahrung eines angemessenen Schutzniveaus setzen können, bleiben solche Kollektivvereinbarungen auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Inland beschränkt. Hier können sie jedenfalls für die kraft Gesetzes an den Tarifvertrag bzw. die Betriebsvereinbarung gebundenen Parteien eine Rechtfertigung für die unternehmensübergreifende Verarbeitung personenbezogener Daten bewirken.
b)
Unwirksamkeit des EU-US-Datenschutzschildes
Nachdem der EuGH mit Urteil vom 6.10.20155 das Safe-Harbor-Abkommen für unwirksam erklärt hatte, hat er in seinem Urteil vom 16.7.20206 die
5 6
EuGH v. 6.10.2015 – C-362/14, NZA 2015, 1373 – Schrems I. EuGH v. 16.7.2020 – C-311/18, NJW 2020, 2613 – Schrems II.
390
Neufassung der EU-Standarddatenschutzklauseln
entsprechende Feststellung in Bezug auf das dem EU-US-Datenschutzschild zugrunde liegende Abkommen getroffen und den diesbezüglichen Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission nach Art. 45 Abs. 3 DSGVO für ungültig erklärt7.Wir hatten darauf bereits an anderer Stelle hingewiesen8. In seiner Begründung hatte der EuGH insbesondere darauf verwiesen, dass amerikanische Behörden auf personenbezogene Daten ohne eine konkrete Zweckbeschränkung und ohne Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zugreifen könnten. Darüber hinaus sei – abweichend von den Annahmen der EU-Kommission – davon auszugehen, dass den von der Datenübermittlung betroffenen Personen kein vergleichbarer Zugang zu Gerichten eingeräumt werde, wie dies für US-Bürger der Fall sei. Ein Zugang zu den Daten und eine Möglichkeit, Informationen über ihre weitere Verarbeitung innerhalb der USA zu erlangen, sei nicht gewährleistet. Soweit der Ombudsmann sich darum bemühen sollte, eine Durchsetzung der Standards, wie sie im EU-US-Datenschutzschild vereinbart wurden, zu erreichen, sei dies nicht mit einem Gerichtsverfahren gleichzusetzen. Außerdem bestünden erhebliche Zweifel, dass der Ombudsmann, der im Handelsministerium eingesetzt würde, die erforderliche Unabhängigkeit besitze9. Damit war es ausgeschlossen, eine Datenübermittlung in die USA weiterhin auf den EU-US-Datenschutzschild zu stützen. Vielmehr bedurfte es einer Rechtfertigung durch alternative Garantien i. S. d. Art. 46 DSGVO oder einer Einwilligung nach Maßgabe von Art. 7 DSGVO.
c)
Vorübergehende Verwendung der bisherigen Standarddatenschutzklauseln
Das ganz überwiegend verwendete Mittel zur Rechtfertigung des transatlantischen Datentransfers seit der Schrems-II-Entscheidung des EuGH waren die Standarddatenschutzklauseln. Schließlich hatte der EuGH in seinem Urteil vom 16.7.202010 zugleich festgestellt, dass eine Datenübermittlung in die USA grundsätzlich weiterhin auf der Grundlage dieser Klauseln erfolgen könne. Gleichzeitig hat der EuGH aber darauf verwiesen, dass bei der Frage, ob damit ein vergleichbares Schutzniveau gewährleistet werde, nicht nur die vertraglichen Regelungen zu berücksichtigen seien, die zwischen dem in der Europäischen Union ansässigen Verantwortlichen bzw. seinem dort ansässiVgl. hierzu auch Lejenne, CR 2020, 522; Mitterer/Wiedemann/Thress, BB 2020, 3; Ruchhöft/Kiesche, AiB/11 2020, 26. 8 B. Gaul, AktuellAR 2020, 446 ff. 9 EuGH v. 16.7.2020 – C-311/18, NJW 2020, 2613 Rz. 163 ff. – Schrems II. 10 EuGH v. 16.7.2020 – C-311/18, NJW 2020, 2613 Rz. 90 ff., 106 ff. – Schrems II. 7
391
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
gen Auftragsverarbeiter und dem im betreffenden Drittland ansässigen Empfänger der Übermittlung vereinbart würden. Vielmehr müssten auch die maßgeblichen Elemente der Rechtsordnung dieses Landes, insbesondere die in Art. 45 Abs. 2 DSGVO genannten, berücksichtigt werden, die einen etwaigen Zugriff der Behörden dieses Drittlands auf die übermittelten personenbezogenen Daten betreffen. Damit war auch die Datenübermittlung auf der Grundlage von Standarddatenschutzklauseln keineswegs per se zulässig. Vielmehr blieben die Aufsichtsbehörden verpflichtet, eine auf die Standarddatenschutzklauseln gestützte Übermittlung personenbezogener Daten in ein Drittland auszusetzen oder zu verbieten, wenn die Aufsichtsbehörde im Lichte aller Umstände dieser Übermittlung der Auffassung war, dass die Klauseln in diesem Drittland nicht eingehalten würden oder nicht eingehalten werden könnten und das damit der nach dem Unionsrecht erforderliche Schutz der übermittelten Daten nicht mit anderen Mitteln gewährleistet werden könne, es sei denn, der in der Union ansässige Verantwortliche bzw. sein dort ansässiger Auftragsverarbeiter habe die Übermittlung selbst ausgesetzt oder beendet. Für die betriebliche Praxis bedeutete dies, dass die Standardvertragsklauseln in ihrer damaligen Fassung bereits „angezählt“ waren. Es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die Aufsichtsbehörden auch in Bezug auf diese Vereinbarungen Zweifel an der Gleichwertigkeit des Schutzniveaus geltend machen und der Übermittlung zwischen der EU und den USA auf der Grundlage dieser Klauseln ein Ende setzen.
d)
Neue Standarddatenschutzklauseln
Diese Kritik an dem Inhalt und der Durchsetzbarkeit der Standarddatenschutzklauseln hat die EU-Kommission zum Anlass einer Überarbeitung genommen und im Zusammenhang mit dem Durchführungsbeschluss vom 4.6.2021 veröffentlicht11. In dem Durchführungsbeschluss, dem die neuen Standardvertragsklauseln als Anhang beigefügt sind, hält die EU-Kommission zunächst einmal fest, dass die neuen Standardvertragsklauseln als geeignete Garantien i. S. d. Art. 46 Abs. 1, 2 lit. c DSGVO gelten. In den Standardvertragsklauseln seien die Rechte und Pflichten der Verantwortlichen und der Auftragsverarbeiter in Bezug auf die in Art. 28 Abs. 3, 4 DSGVO genannten Fragen im Hinblick auf die Übermittlung personenbezogener Daten von einem Verantwortlichen an einen Auftragsverarbeiter oder von einem Auftragsverarbeiter an einen Unterauftragsverarbeiter festgelegt.
11 ABl. EU 2021, L 199, 31.
392
Neufassung der EU-Standarddatenschutzklauseln
Wichtig ist, dass die bisherigen Standarddatenschutzklauseln nur noch für Verträge genutzt werden durften, die vor dem 27.9.2021 geschlossen wurden. Ab dem 27.9.2021 kann eine Rechtfertigung der grenzüberschreitenden Verarbeitung personenbezogener Daten nur noch auf der Grundlage der neuen Standardvertragsklauseln bewirkt werden. Soweit in Verträgen berechtigterweise die bisherigen Klauseln verwendet werden, endet die damit verbundene Privilegierung am 27.12.2022. Auch dies wird im Durchführungsbeschluss festgelegt. Die neuen Standarddatenschutzklauseln sind durch einen modularen Aufbau gekennzeichnet, der im Hinblick auf den konkreten Datentransfer modifiziert werden muss. Die Einbeziehung der Auftragsverarbeitung hat dabei zur Folge, dass bei einer Verwendung der neuen Standarddatenschutzklauseln kein Auftragsverarbeitungsvertrag nach Art. 28 DSGVO mehr erforderlich ist. Um den Erkenntnissen der Entscheidung des EuGH vom 16.7.202012 Rechnung zu tragen, muss bei einer Nutzung der neuen Standarddatenschutzklauseln eine Datentransfer-Folgenabschätzung vorgenommen werden. Darin liegt eine zusätzliche Maßnahme, mit der – wie vom EuGH gefordert – eine Absicherung des Datenschutzniveaus bewirkt werden soll. Falls erkennbar wird, dass Behörden im Drittland die Offenlegung von Daten des Verantwortlichen fordern, oder Erkenntnis darüber erlangt wird, dass eine Behörde direkten Zugang zu den personenbezogenen Daten hat, muss der Verantwortliche (Datenexporteur) und wenn möglich die betroffene Person unverzüglich benachrichtigt werden. Für die Unternehmen bedeutet dies, dass der Datentransfer zwischen der EU und den USA damit relativ kurzfristig auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt werden muss, die zusätzliche Handlungspflichten begründet. Insgesamt erscheint dies allerdings sinnvoll, um zu versuchen, den Schutz personenbezogener Daten bestmöglich auch in den USA sicherzustellen. Dass dies auf beiden Seiten des Atlantiks mit Blick auf geheimdienstliche Tätigkeiten ohnehin nicht uneingeschränkt gelingen wird, ist hinzunehmen. Sicherzustellen ist aber jedenfalls, dass personenbezogene Daten nicht auch zu wirtschaftlichen Zwecken genutzt und dabei staatliche Einrichtungen instrumentalisiert werden. Außerdem rechtfertigen auch staatliche Interessen nur im Ausnahmefall eine Verarbeitung personenbezogener Daten; da die Maßstäbe hierzu in den USA und der EU bislang verschieden sind, ist es richtig, jedenfalls auf vertraglicher Grundlage ergänzende Schranken zu setzen. (Ga)
12 EuGH v. 16.7.2020 – C 311/18, NJW 2020, 2613 Rz. 163 ff. – Schrems II.
393
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
3.
Regelungsvorschlag der EU-Kommission zu den auf Online-Plattformen beschäftigten Arbeitnehmern
Die EU-Kommission hat angekündigt, bis Ende 2021 einen Regelungsvorschlag vorzulegen, der sich mit den Arbeitsbedingungen, Rechten und der sozialen Sicherung für auf Online-Plattformen beschäftigte Arbeitnehmer befasst. Damit erfüllt die EU-Kommission eine Forderung des EU-Parlaments, wie sie in einer Entschließung vom 16.9.2021 zum Ausdruck gebracht worden ist13. Mit einem Vorschlag für eine Richtlinie zu Plattformbeschäftigten sollen die Rechte der dort Tätigen sichergestellt und die Besonderheiten für Plattformarbeit angegangen werden, um für faire und transparente Arbeitsbedingungen zu sorgen, ein gesundes und sicheres Arbeitsumfeld sicherzustellen, Zugang zu angemessenem und transparentem sozialen Schutz zu bieten sowie zu dem Vereinigungsrecht, dem Recht, unter anderem Gewerkschaften zu gründen, diesen frei beizutreten und sich durch sie vertreten zu lassen und Tarifverträge auszuhandeln, Zugang zu Ausbildung und Fähigkeiten zu bieten, Datenschutz im Einklang mit der DSGVO und eine transparente, ethische und nicht diskriminierende algorithmische Verwaltung sicherzustellen und zugleich für gleiche Wettbewerbsbedingungen in allen Mitgliedsstaaten zu sorgen. Ausgangspunkt für das EU-Parlament ist dabei die Forderung, den Status digitaler Plattformen entweder als Arbeitgeber, (Zeit-)Arbeitsvermittler oder Vermittler in Verbindung mit ihrem Tätigkeitsbereich anzuerkennen, um sicherzustellen, dass alle Verpflichtungen, die mit einem bestimmten Status verbunden sind, unter anderem in Bezug auf Sozialversicherungsbeiträge, Verantwortung für Gesundheit und Sicherheit, Haftung für Einkommensteuerzahlungen, Sorgfaltspflicht und soziale Verantwortung von Unternehmen, erfüllt werden und gleiche Wettbewerbsbedingungen mit anderen in dieser Branche tätigen Unternehmen gewahrt werden können. Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass auch auf europäischer Ebene eine Auseinandersetzung mit dieser Beschäftigungsform erfolgt. Sie beschäftigt auch die deutschen Gerichte, wie die Entscheidung des BAG vom 1.12.202114 deutlich macht15. Es erscheint aber gleichwohl wichtig, nicht automatisch von einer Anwendbarkeit der für das Arbeitsrecht entwickelten Regeln im Bereich der Plattformbeschäftigung auszugehen. Vielmehr sollte unter Aufrechterhaltung der bisherigen Grundsätze zur Kennzeichnung des Arbeitsverhältnisses 13 P9_TA (2021) 0385. 14 BAG v. 1.12.2020 – 9 AZR 102/20, NZA 2021, 552. 15 Hierzu vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 84 ff.
394
Regelungsvorschlag der EU-Kommission
eine Anwendbarkeit des Arbeitsrechts und der für eine unselbständige Beschäftigung entwickelten Regelung des Sozialversicherungsrechts nur angenommen werden, wenn die Plattformbeschäftigung tatsächlich im Rahmen einer weisungsgebundenen Tätigkeit erfolgt, bei der eine Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers festgestellt werden kann. Dabei sollten Kriterien gelten, wie sie in § 611 a Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommen. Wenn diese Voraussetzungen nicht der Fall sind, bleiben unter Aufrechterhaltung dieser Systematik ausreichende Lösungsmöglichkeiten. Zunächst einmal könnte, wie dies beispielsweise in § 3 S. 1 Nr. 9 SGB VI im Bereich der Rentenversicherung für Personen geschehen ist, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, eine Versicherungspflicht trotz Selbständigkeit festgelegt werden. Dabei kann, wenn insoweit Schutzbedürftigkeit gesehen wird, auch die Arbeitslosen, Kranken- oder Pflegeversicherung einbezogen werden. Darüber hinaus wäre es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, diejenigen Plattformbeschäftigen, die als arbeitnehmerähnlich qualifiziert werden können, in die für diesen Personenkreis entwickelte Sonderregelungen einzubeziehen. Damit würde man berücksichtigen, dass zwar keine Weisungsgebundenheit der Tätigkeit vorliegt, aber eine wirtschaftliche Abhängigkeit gegeben ist, die eine bestimmte Schutzbedürftigkeit nahelegt. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag angekündigt, die Entwicklung einer EU-Richtlinie zur Regelung der Plattformarbeit zu unterstützen16. Auch dies lässt vermuten, dass schon in Kürze ein entsprechender Vorschlag vorliegen wird. Wir werden darüber berichten. (Ga)
16 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 333, 338.
395
.
C. Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag 1.
Diversität – Bedeutung und Gestaltungsmöglichkeiten auf dem Weg zu Veränderungen
Es gibt keinen Zweifel, dass Unternehmen versuchen müssen, die Diversität ihrer Belegschaft zu erhöhen und damit Vielfalt und Inklusion zu stärken. Das folgt nicht nur aus rechtlichen Überlegungen, weil damit ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen, die sich in der Vergangenheit insbesondere durch Geschlecht, Religion, sexuelle Orientierung, Alter, kulturelle und ethnische Herkunft oder Behinderung ergeben haben, beseitigt werden. Schlussendlich können die damit verbundenen Maßnahmen auch wirtschaftlich begründet werden. Unternehmen, die divers aufgestellt sind, arbeiten erfolgreicher, weil sie aus der Vielfalt deutlich stärkere Ressourcen für die Bewältigung ihrer Aufgaben ziehen können und zugleich besser in der Lage sind, die Vielfalt eines Marktes unter Berücksichtigung des eigenen Hintergrundes schon proaktiv zu berücksichtigen und ihr damit gerecht zu werden. Unterschiedliche Ansichten und Perspektiven mögen im Einstieg der Auseinandersetzung durchaus Herausforderungen schaffen, können aber eine Bereicherung darstellen, weil sie eingetretene Pfade überprüfen, einen Perspektiv- und Zielwechsel fördern und auf diese Weise helfen, neue Ideen zu entwickeln. Hinzu kommt, dass Diversität ein Faktor ist, der auch bei dem Wettbewerb um Talente zunehmend Bedeutung gewinnt. Sie erhöht die Attraktivität eines Unternehmens und kann das entscheidende Merkmal sein, das gerade junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dazu bewegt, dieses Unternehmen auszuwählen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist dies ein sehr wichtiger Faktor für die Sicherung einer zukunftsfähigen Belegschaft. Die Wege zu einer diversen Belegschaft sind vielfältig. Sie müssen auf die unternehmensspezifischen Gegebenheiten, zu denen auch der Status quo und die bereits vorhandene Veränderungsbereitschaft gehören, angepasst und fortlaufend weiterentwickelt werden. Nachfolgend sollen deshalb nur einige Beispiele und Unternehmen genannt werden, die (auch) mit Hilfe dieser Maßnahmen versuchen, die Diversität im Unternehmen zu fördern. • Unterzeichnung von Diversitäts-Erklärungen (z. B. Charta der Vielfalt) durch z. B. Axa, Henkel, Ford, CMS Hasche Sigle, Telekom; • Einführung von Quoten für die Beschäftigung von Frauen, LGBTQ+ oder Menschen mit Behinderung, die unabhängig von gesetzlichen Vorgaben zu Zielgrößen in Bezug auf bestimmte Führungsebenen
397
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
unternehmensübergreifend auf allen Ebenen bestimmt werden durch z. B. Bayer, Telekom, Axa, Deutsche Bank; • Steigerung des Bewusstseins für die Bedeutung von Diversität und die Herausforderungen durch unbewusste Voreingenommenheit (unconscious bias) durch unternehmensinterne Kommunikation, durch übergreifende Workshops, Befragungen1, die Schulung von Führungskräften oder „Ereignistage“ und Wettbewerbe („Diversity Challenge“) durch z. B. SAP, Continental, Axa, Henkel, Deutsche Post oder Siemens; • Ergänzende Maßnahmen zur Erleichterung einer Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch zusätzliche Elternzeit sowie Elterngeld, Kinderbetreuung, besondere Programme zur Förderung von Teilzeitbeschäftigung und sonstigen Formen der Arbeit- und Arbeitszeitflexibilisierung durch z. B. Ooia, Henkel, Axa, CMS Hasche Sigle; • Aufnahme von Zielen aus dem Bereich der Diversity in Zielvereinbarungen und Mitarbeiter- bzw. Führungskräftebewertungen durch z. B. Bayer; • Diversität-Preise bzw. Auszeichnungen durch z. B. SAP, das Handelsblatt, Beyond Gender Agenda und andere Organisationen; • Öffnung von Einstellungen unter Verzicht auf vorgegebene Ausbildungen und Förderungen von Quereinsteigern, Arbeitnehmern mit Migrationshintergrund und Bewerbern aus Berufen, die mit der eigentlichen Zielfunktion bislang keine Berührung hatten, durch z. B. IBM; • Überprüfung von Stellenausschreibungen auf die stärkere Ansprache von Minderheiten zur Förderung der Diversität und • Aufbau von Mentoren- und Coaching-Programmen sowie Förderung von Netzwerken Interessierter und/oder Betroffener, die sich gemeinsam für kulturelle Vielfalt einsetzen, das Bewusstsein für Inklusion und Vielfalt schärfen und entsprechende Aufklärungsarbeit leisten durch z. B. Bayer.
Wichtig ist natürlich, dass die vorstehenden Maßnahmen kein „Lippenbekenntnis“ darstellen dürfen, sondern tatsächlich implementiert und nachhaltig verwirklicht werden müssen. Dabei ist es wichtig zu sehen, dass Diversität mehr bedeutet als die Herstellung von Gendergerechtigkeit oder Inklusion. An den Erfahrungen dieser Bereiche aufbauend muss die Vielfalt aller Fak-
1
Hierzu vgl. auch Powierski/Wittek, DB 2021, 1944.
398
Aktuelle Fragen zum Homeoffice
toren, die Unterschiede begründen können, aufgearbeitet und bei der Festlegung von Maßnahmen und Zielen berücksichtigt sein. Sinnvoll dürfte es sein, die damit verbundenen Veränderungen mit sonstigen Maßnahmen aus dem Bereich der Corporate Social Responsibility (CSR) oder dem Bereich der Environmental Social Governance (ESG) zu verbinden. (Ga)
2.
Aktuelle Fragen zum Homeoffice
Losgelöst von den Überlegungen zu einer gesetzlichen Regelung des Anspruchs auf Erörterung des arbeitnehmerseitigen Wunschs nach einer Arbeit im Homeoffice2 und der aus § 28 b Abs. 4 IfSG resultierenden Pflicht des Arbeitgebers zum Angebot einer Arbeit im Homeoffice3 hatten wir uns bereits an anderer Stelle eingehend mit verschiedenen Fragen zur Einführung und Ausgestaltung von mobiler Arbeit befasst4. Ergänzend hierzu sei auf folgende Aspekte verwiesen:
a)
Anspruch auf Arbeit im Homeoffice
Soweit dies nicht arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Betriebsvereinbarung bzw. eines Tarifvertrags festgeschrieben wird, besteht – vorbehaltlich gesetzlicher Regelungen – kein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Arbeit im Homeoffice. Lässt man die Besonderheiten während der Geltungsdauer von § 28 b Abs. 4 IfSG an dieser Stelle unberücksichtigt, kann der Arbeitgeber auf der Grundlage seines Direktionsrechts gem. § 106 S. 1 GewO festlegen, dass die Arbeit im Betrieb erbracht wird. Etwas anderes gilt nur dort, wo durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag abweichende Regelungen getroffen wurden. Dies gilt selbst dann, wenn die Arbeit im Betrieb mit der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung verbunden ist. Darauf hat das LAG Köln in seinem Urteil vom 12.4.20215 hingewiesen. Denn eine entsprechende Anordnung des Arbeitgebers diene dem Infektionsschutz und sei auch unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers angemessen. Weigert sich der Arbeitnehmer gleichwohl, die Arbeit im Betrieb aufzunehmen, entfällt nicht nur der Anspruch auf das Gehalt. Der Arbeitgeber kann auch berechtigt sein, das Arbeitsverhältnis wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung zu kündigen, wenn der Arbeitnehmer an seiner Weigerung trotz Abmahnung festhält.
2 3 4 5
Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 333, 334 f. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 339. 352 f. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 69 ff., 404 ff., 577 ff. LAG Köln v. 12.4.2021 – 2 SaGa 1/21, ZTR 2021, 411 Rz. 28 ff.
399
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
b)
Anordnung einer Rückkehr aus dem Homeoffice
So lange nicht durch § 28 b Abs. 4 IfSG eine hiervon abweichende Angebotspflicht begründet wird, folgt aus den vorstehenden Grundsätzen auch die Berechtigung, den im Homeoffice tätigen Arbeitnehmer aufzufordern, seine Arbeit wieder ganz oder teilweise im Betrieb zu verrichten. Grundlage ist auch insoweit das arbeitgeberseitige Direktionsrecht aus § 106 S. 1 GewO. Denkbar ist allerdings, dass die damit verbundene Änderung des Arbeitsorts eine Beteiligung des Betriebsrats wegen einer Versetzung nach § 99 BetrVG erforderlich macht. Verweist der Arbeitnehmer bei einer entsprechenden Aufforderung des Arbeitgebers auf den Umstand, dass sich die Parteien während der Geltungsdauer von § 28 b Abs. 4 IfSG arbeitsvertraglich darauf verständigt hätten, dass der Arbeitnehmer im Homeoffice arbeitet, kann daraus kein Anspruch für Zeiten abgeleitet werden, in denen diese Sonderregelung des Infektionsschutzes außer Kraft gesetzt wurde. Denn selbst wenn man in dem Angebot des Arbeitgebers nicht nur eine tatsächliche Erfüllung gesetzlicher Vorgaben ohne den Charakter einer Willenserklärung sehen wollte, sondern annimmt, dass darin – was naheliegender erscheint – ein Angebot zur Arbeit im Homeoffice liegt, das durch den Arbeitnehmer ausdrücklich oder konkludent angenommen wurde, handelt es sich nur um eine vorübergehende Vertragsänderung. Sie ist – ausdrücklich oder konkludent – auch für den Arbeitnehmer mit dem Vorbehalt verbunden, dass die Berechtigung zum Homeoffice nur so lange ohne weitergehende Einschränkung bestehen soll, wie der Arbeitgeber aus § 28 b Abs. 4 IfSG zur Abgabe des entsprechenden Angebots verpflichtet ist. Tritt § 28 b Abs. 4 IfSG außer Kraft, endet auch die Vereinbarung über die Arbeit im Homeoffice. In diesem Zeitpunkt lebt wieder das im Arbeitsvertrag niedergelegte Direktionsrecht auf, so dass – wenn keine Vorgaben zum Arbeitsort getroffen wurden – der Arbeitgeber berechtigt ist, den Arbeitnehmer aufzufordern, wieder an den Arbeitsplatz im Betrieb zurückzukehren. Erfolgt die Arbeit im Homeoffice auf der Grundlage einer gesonderten Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer außerhalb von § 28 b Abs. 4 IfSG, kann diese das Recht enthalten, den Arbeitnehmer aufzufordern, abweichend von den generellen Regelungen vorübergehend seine Arbeitsleistung im Betrieb zu verrichten. Voraussetzung für eine entsprechende Anordnungsbefugnis dürfte allerdings sein, dass die arbeitsvertragliche Regelung erkennbar macht, dass eine solche Anordnung nur unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers (§ 307 Abs. 1 BGB) bzw. unter Berücksichtigung billigen Ermessens (§§ 106 S. 1 GewO, 315 Abs. 1 BGB) erfolgen darf. Konkrete Gründe müssen mit einem solchen Widerrufs-
400
Aktuelle Fragen zum Homeoffice
vorbehalt bzw. einer entsprechenden Anordnungsbefugnis nicht verbunden werden, weil § 308 Nr. 4 BGB in diesen Fällen, mit denen die Direktionsbefugnis auf der Grundlage von § 106 GewO konkretisiert wird, nicht zur Anwendung kommt. Das Gleiche dürfte dann gelten, wenn der Arbeitgeber das Recht haben soll, die Arbeit im Homeoffice insgesamt zu beenden. Es ist dann eine Frage der Ausübungskontrolle, im Einzelfall festzustellen, ob die Beendigung der Arbeit im Homeoffice auch in angemessener Weise die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigt hat. Weitergehende Einschränkungen würden dem Grundsatz widersprechen, dass der Arbeitgeber auch ohne eine solche Vereinbarung gem. 106 S. 1 GewO berechtigt wäre, den Arbeitsort nach billigem Ermessen festzulegen. Davon ist auch das LAG München in seinem Urteil vom 26.8.20216 ausgegangen, als es geprüft hat, ob die Weisung des Arbeitgebers zur Rückkehr aus dem Homeoffice billiges Ermessen gewahrt hatte. Davon war das LAG München sodann auch ausgegangen, weil – so seine Feststellung – zwingende betriebliche Gründe der Ausübung der Tätigkeit in der Wohnung des Arbeitnehmers entgegenstanden. Denn die technische Ausstattung am häuslichen Arbeitsplatz habe nicht der am Bürostandort entsprochen. Außerdem hatte der Arbeitnehmer nicht dargelegt, dass die Daten gegen den Zugriff Dritter und der in Konkurrenz tätigen Ehefrau geschützt waren. Wird die Arbeit im Homeoffice durch Betriebsvereinbarung festgelegt, kann auch dort eine entsprechende Anordnungsbefugnis bzw. die Berechtigung zur Beendigung der Arbeit im Homeoffice festgelegt werden. Einigen sich die Betriebsparteien indes darauf, dass eine solche Anordnung bzw. der Widerruf nur unter bestimmten Voraussetzungen und/oder einer Ankündigungsfrist erfolgen darf, müssen diese weitergehenden Schranken durch den Arbeitgeber beachtet werden. Das folgt aus § 77 Abs. 1 BetrVG und ist durch den Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG im Zweifel auch erzwingbar. Auf diese Weise ist der Betriebsrat in der Lage, mit dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung auch eine Einschränkung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts in Bezug auf eine Beendigung der Arbeit im Homeoffice durchzusetzen. Darauf hat das LAG Nürnberg im Urteil vom 11.5.20217 zu Recht hingewiesen.
6 7
LAG München v. 26.8.2021 – 3 SaGa 13/21, COVuR 2021, 620 Rz. 28. LAG Nürnberg v. 11.5.2021 – 7 Sa 289/20 n. v. (Rz. 82).
401
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
c)
Kein Anspruch auf mobile Arbeit im Ausland
Mit überzeugender Begründung hat das ArbG München im Urteil vom 27.8.20218 klargestellt, dass ein Arbeitnehmer ohne dahingehende Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder einer entsprechenden Kollektivvereinbarung keinen Anspruch auf Genehmigung einer Auslandsarbeit gegen den Arbeitgeber besitzt. Daran anknüpfend wurde die Klage, mit der eine Genehmigung zur Arbeit aus der Schweiz für die Dauer von vier Wochen durchgesetzt werden sollte, abgewiesen. Dabei hat es das ArbG München für ausreichend gehalten, die Tätigkeit im Ausland wegen der Komplexität der damit im Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht verbundenen Fragen abzulehnen. Auch wenn die geltende Betriebsvereinbarung zur Telearbeit in Bezug auf die mobile Arbeit im Ausland ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt vorsah, sei es nicht ermessensfehlerhaft, den Antrag der Klägerin unter Verweis auf die mit der Auslandsbeschäftigung verbundenen Rechtsfragen und -risiken abzulehnen. Dies erscheint auch berechtigt, führt man sich nur die steuerlichen Folgen einer Arbeit im Homeoffice, die sowohl die Steuerpflicht des Unternehmens als auch die des Arbeitgebers beeinflussen, vor Augen9.
d)
Regelungsbedarf bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit
Bei der individual- und/oder kollektivvertraglichen Ausgestaltung von mobiler Arbeit müssen nicht nur arbeitsrechtliche Aspekte beachtet werden. Wichtig ist, dass neben dem Arbeitsschutz10 auch der Datenschutz Berücksichtigung findet. Dies gilt nicht nur in Bezug auf den Umgang mit personenbezogenen Daten, die durch den Arbeitnehmer verarbeitet werden. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Cyber-Kriminalität ist es ebenso wichtig, im Zusammenhang mit technischen, organisatorischen und personellen Maßnahmen die Geschäftsdaten und die Geschäftsgeheimnisse, auf die über die technischen Einrichtungen des Arbeitnehmers Zugriff besteht, vor einem Zugriff und einer Verwertung durch Dritte zu schützen. Im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Fragestellungen einer Arbeit im Homeoffice sollten entsprechende Regelungen sich jedenfalls mit folgenden Fragen befassen11:
8 9 10
11
ArbG München v. 27.8.2021 – 12 Ga 62/21 n. v. Eingehend hierzu Bonanni/Rindone, AktuellAR 2021, 404 ff. Vgl. hierzu Kanzenbach, ARP 2021, 336 ff.; Brück, ARB 2021, 340 ff., Kiesche, ARP 2021, 210 ff.; Winkelmüller/Gabriel, ARP 2021, 166 ff.; Poppelreuter, ARP 2021, 275 ff. Zur Videotelefonie: Heider, NZA 2021, 1149 ff. Vgl. auch Schiefer, DB 2021, 1334 ff.
402
Aktuelle Fragen zum Homeoffice
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Betroffener Personenkreis Zulässige Formen der mobilen Arbeit Antrags- bzw. Ankündigungsfristen Notwendige Eigenausstattung des Homeoffices Zulässigkeit einer Befristung/Evaluationszeitraum Zeitlicher Umfang der mobilen Arbeit Verteilung der mobilen Arbeit auf die einzelnen Wochentage Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung Erreichbarkeit und Nichterreichbarkeit des Arbeitnehmers Technische Ausstattung Art der Tätigkeit Kostenerstattung/Ausschluss einer Kostenerstattung Haftung des Arbeitnehmers bei Schäden am Arbeitgebereigentum Umgang mit Schäden am Privateigentum während der Arbeitszeit Pflichten zum Schutz personenbezogener Daten Datensicherheit und Schutz von Geschäftsgeheimnissen Zugangsrecht des Arbeitgebers aus Gründen des Arbeitsschutzes Unfallversicherung Versicherung für Eigentum des Arbeitnehmers Einwilligung zur Videotelefonie Mitwirkungspflichten im Bereich des Arbeitsschutzes Arbeitsort (Inland/Ausland) Zulässigkeit einseitiger Anordnungen des Arbeitgebers zur Rückkehr in den Betrieb • Möglichkeiten einer Beendigung der mobilen Arbeit (insgesamt) • Folgen einer Beendigung/Rückkehr in den Betrieb
In der Praxis hat sich bewährt, die generellen Regelungen durch eine Betriebsvereinbarung festzulegen. Damit wird nicht nur den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats Rechnung getragen. Die Betriebsvereinbarung erleichtert auch die praktische Handhabe, weil einheitliche Maßstäbe für alle Arbeitnehmer zur Anwendung kommen. Gleichzeitig wird vermieden, dass einzelfallbezogene Regelungen im Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle getroffen werden. Dennoch empfiehlt es sich aber, die Arbeit im Homeoffice bzw. mobile Arbeit jeweils noch einmal zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festzuhalten, wobei im Wesentlichen auf die Betriebsvereinbarung verwiesen werden kann. Solche Vereinbarungen können dann auch mit Handlungsempfehlungen verbunden werden, die helfen, in angemessener Weise der physischen und psychischen Belastung im Homeoffice Rechnung zu tragen. Darin liegt dann im Zweifel auch die Unterweisung nach § 12 ArbSchG, zu der der Arbeitgeber auch im Zusammenhang mit mobiler Arbeit verpflichtet ist. (Ga)
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
3.
Mobile Arbeit im Ausland (EU, EWR und Schweiz) – Rahmenbedingungen und Risiken
a)
Individualarbeitsrechtliche Aspekte
Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice oder auf mobiles Arbeiten. Selbst wenn sich die Parteien auf eine Form des dezentralen Arbeitens verständigen und der Arbeitgeber damit dem Arbeitnehmer freistellt, an welchem Ort er seine Arbeitsleistung erbringt, beschränkt sich diese Vereinbarung im Zweifel auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Zu berücksichtigen ist, dass eine Tätigkeit im Ausland den dortigen rechtlichen Gegebenheiten unterfallen kann, obwohl der Arbeitgeber nicht in jedem Fall in der Lage oder gewillt ist, die dortigen Vorgaben einzuhalten. Dies gilt insbesondere für eine Tätigkeit in einem „echten“ Homeoffice. Arbeitgeber dürften daher in der Regel ein Interesse daran haben, echte Homeoffice-Tätigkeiten, die die Einhaltung verschärfter arbeitsschutzrechtlicher Anforderungen auslösen, zu vermeiden. Wenn der Arbeitgeber mobile Arbeit im Ausland zulässt bzw. anbieten möchte, empfiehlt es sich, hierzu mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung zu treffen. Diese sollte insbesondere den zeitlichen Umfang der mobilen Tätigkeit, die Verteilung der Arbeit zwischen dem dezentralen Tätigwerden und dem Arbeiten in der Betriebsstätte sowie einen Ausschluss der Vergütung von Wegezeiten, die zwischen der inländischen Betriebsstätte und dem „remoten“ Arbeitsplatz im Ausland zurückgelegt werden, regeln. Zudem sollte ausdrücklich vorgesehen werden, in welchen Fällen – z. B. mangelnde Erreichbarkeit oder Schlechtleistung – der Arbeitgeber das Recht hat, die Tätigkeit im Ausland einseitig zu beenden. Wird nur unregelmäßig mobil im Ausland gearbeitet, erscheint eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber hingegen nicht zwingend erforderlich.
b)
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Nach dem neuen § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird, mitzubestimmen12. Dies schließt auch das mobile Arbeiten im Ausland ein. Von einer Versetzung mit Beteiligungsrechten nach § 99 BetrVG dürfte, wenn die (zeitweise) Verlagerung des Tätigkeitsortes ins Ausland auf Wunsch des 12 Vgl. Gaul/Kaule, ArbRB 2021, 176.
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Mobile Arbeit im Ausland (EU, EWR und Schweiz)
Arbeitnehmers erfolgt, nicht auszugehen sein. Etwas anderes dürfte allerdings dann gelten, wenn die Verlagerung auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgt, der damit ggf. Einschränkungen aufgrund des Infektionsschutzes Rechnung tragen will.
c)
Datenschutz
Bei mobiler Arbeit ist das Risiko eines Datenverlustes bzw. Datenangriffs deutlich höher als bei einer (ausschließlichen) Arbeitstätigkeit im Betrieb. Dies gilt auch und erst recht im Fall eines mobilen Tätigwerdens aus dem Ausland heraus. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber – unabhängig davon, wo die Arbeit erledigt wird – für den Datenschutz verantwortlich ist und bleibt. Die datenschutzrechtliche Verantwortung kann nicht auf die Arbeitnehmer übertragen werden. Allerdings besteht für jeden einzelnen Arbeitnehmer die Pflicht, die für den Datenschutz erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Für die Unternehmen kommt es somit entscheidend darauf an, technische und organisatorische Maßnahmen (TOM) zu entwickeln und einzusetzen sowie entsprechende IT-Security-Systeme zur Anwendung zu bringen. Dabei muss auch die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG beachtet werden.
d)
Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen
Die Verordnung 883/2004/EG13 dient der Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit und sieht insbesondere vor, dass Personen, die sich innerhalb der Gemeinschaft bewegen, dem System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaates unterworfen werden. Dieser Mechanismus soll eine Kumulierung anzuwendender nationaler Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen vermeiden14. Die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) hat im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie für Arbeitnehmer innerhalb der EU, des EWR und der Schweiz, die bisher als Grenzgänger eingestuft worden waren und die nun vorübergehend für bis zu 24 Monate im Homeoffice im Heimatland tätig werden, klargestellt, dass bis mindestens 31.12.2021 (Frankreich: bis mindestens 15.11.2021) keine Änderungen in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht entstehen. Das bedeutet, dass das jeweilige Sozialversicherungsrecht des Beschäftigungsstaates weiterhin anwendbar bleibt. 13 ABl. EU 2004, L 166, 1. 14 Vgl. Erwägungsgrund 15.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Damit ist jedoch keine Regelung für Arbeitnehmer getroffen, die ihre Tätigkeit spontan und auf eigenen Wunsch aus dem Ausland heraus ausüben möchten. Art. 11 Abs. 3 a Verordnung 883/2004/EG sieht vor, dass eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausübt, grundsätzlich den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaates unterliegt (Tätigkeitsortsprinzip). Liegt jedoch eine Entsendung (Art. 12 Verordnung 883/2004/EG) vor, bleibt der entsandte (deutsche) Arbeitnehmer weiterhin den bisherigen (deutschen) sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften unterworfen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers vorübergehend in einem fremden Staat tätig wird. Im Fall der hier in Rede stehenden mobilen Tätigkeit im Ausland liegt jedoch gerade keine Entsendung vor, denn die Auslandstätigkeit erfolgt nicht auf Weisung des Arbeitgebers, sondern auf Wunsch des Arbeitnehmers. Fraglich ist, ob dann der Ausnahmetatbestand des Art. 13 Verordnung 883/2004/EG maßgeblich ist, wonach es für die Bestimmung des maßgeblichen Sozialversicherungsrechts auf die Vorschriften des Wohnmitgliedstaates bzw. des Mitgliedstaates ankommt, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Voraussetzung hierfür ist unter anderem, dass der Arbeitnehmer gewöhnlich in mindestens zwei Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt. Dies erfordert wiederum nach der Verordnung 987/2009/EG15, die der Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung 883/2004/EG dient16, dass eine Person gleichzeitig oder abwechselnd eine oder mehrere Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten für dasselbe Unternehmen oder denselben Arbeitgeber oder für mehrere Unternehmen oder Arbeitgeber ausübt. Dies soll der Fall sein, wenn vom Beurteilungszeitpunkt aus damit zu rechnen ist, dass im Laufe der kommenden zwölf Kalendermonate Arbeitsperioden in mehreren Mitgliedstaaten mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufeinanderfolgen17. Dabei ist eine Gesamtbewertung vorzunehmen und insbesondere auf den im Arbeitsvertrag definierten Arbeitsort sowie die Beschreibung der Arbeit im Arbeitsvertrag abzustellen18. Die wechselnde Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten muss des Weiteren zumindest auch im Interesse des Arbeitgebers erfolgen. Zudem bedarf es einer gewissen Regelmäßigkeit, die schon in den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen angelegt ist. Hiervon wird 15 16 17 18
ABl. EU 2009, L 284, 1. EU-Kommission, Praktischer Leitfaden, Dezember 2013, S. 26. EU-Kommission, Praktischer Leitfaden, Dezember 2013, S. 27. Art. 14 Abs. 7 Verordnung 987/2009/EG; vgl. auch EU-Kommission, Praktischer Leitfaden, Dezember 2013, S. 27.
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Mobile Arbeit im Ausland (EU, EWR und Schweiz)
man im Fall eines „ab und an“ (also unregelmäßig, kurzfristig und ungeplant) mobil aus dem Ausland arbeitenden Arbeitnehmers nicht ausgehen können. Im Ergebnis ist daher weder Art. 12 noch Art. 13 Verordnung 883/2004/EG anwendbar, wenn der Arbeitnehmer auf seinen Wunsch hin spontan mobil aus dem Ausland arbeiten möchte. Vor dem Hintergrund, dass die Verordnung 883/2004/EG dem Ziel dient, Personen, die grenzüberschreitend tätig sind, den Regelungen nur eines Sozialversicherungssystems zu unterwerfen, sollten Arbeitgeber vor dem mobilen Tätigwerden des Arbeitnehmers im Ausland eine Ausnahmeregelung gemäß Art. 16 Verordnung 883/2004/EG vorsehen. Anlaufstelle hierfür ist in Deutschland grundsätzlich die DVKA bzw. der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der die Aufgaben der DVKA wahrnimmt (vgl. § 219 a SGB V). Der Arbeitgeber sollte eine Ausnahmeregelung aber auch dann vorsehen, wenn der Arbeitnehmer „unbedeutende“ Tätigkeiten mobil aus dem Ausland (EU, EWR bzw. Schweiz) heraus erbringt – auch wenn nach der hier vertretenen Auffassung davon auszugehen ist, dass solche geringfügigen „Auslandseinsätze“ das bislang angewandte Sozialversicherungsrecht unberührt lassen. Denn Art. 16 Verordnung 883/2004/EG soll auch in diesem Fall zu berücksichtigen sein19. Nur Tätigkeiten, die weniger als 5 % der regulären Arbeitszeit des Arbeitnehmers und/oder weniger als 5 % seiner Gesamtvergütung ausmachen, sind für die Feststellung der anwendbaren Rechtsvorschriften nach Art. 13 Verordnung 883/2004/EG nicht relevant20. Arbeitgeber sollten somit im Rahmen der Vereinbarung, mit der sie Arbeitnehmern das mobile Arbeiten – auch aus dem Ausland heraus – ermöglichen, festhalten, welche Prozesse im Vorfeld zu beachten sind und insbesondere das Erfordernis einer vorherigen Prüfung durch die DVKA bzw. den Spitzenverband Bund der Krankenkassen vorsehen.
e)
Steuerrechtliche Auswirkungen
Gemäß §§ 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 39 b Abs. 1 EStG ist grundsätzlich jeder inländische Arbeitgeber zum Lohnsteuerabzug in Deutschland verpflichtet. Maßgeblich ist insoweit, dass der Arbeitgeber im Inland einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seine Geschäftsleitung, seinen Sitz, eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter i. S. d. §§ 8 bis 13 AO hat. Auf den Wohnsitz des Arbeitnehmers kommt es somit nicht an. Die Verpflichtung zum 19 EU-Kommission, Praktischer Leitfaden, Dezember 2013, S. 30. 20 EU-Kommission, Praktischer Leitfaden, Dezember 2013, S. 30.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Lohnsteuerabzug in Deutschland knüpft vielmehr daran an, dass der Arbeitnehmer Entgelt von einem im Inland ansässigen Arbeitgeber erhält. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit auch mobil aus dem Ausland heraus erbringt, ändert an dieser Rechtsfolge zunächst einmal nichts. Allerdings ist zu beachten und im Vorfeld einer im Ausland erbrachten mobilen Tätigkeit zu prüfen, wie die Lohnsteuerpflicht im ausländischen Staat geregelt ist. Selbst wenn auch hiernach der deutsche Arbeitgeber zur Abführung der Lohnsteuern verpflichtet ist, können daneben unter Umständen weitere steuerrechtlich relevante Meldeverpflichtungen im Ausland bestehen21. Darüber hinaus können sich für Grenzgänger Sonderregelungen aus den jeweils einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen ergeben. Schließlich ist auch zu prüfen, in welcher Höhe Lohnsteuern durch den im Inland ansässigen Arbeitgeber abzuführen sind. Unterstellt, dass zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, welches sich an den Vorgaben des OECD-Musterabkommens22 orientiert, gilt grundsätzlich gemäß Art. 15 OECD-Musterabkommen als Bezugspunkt der Ansässigkeitsstaat. Wird hingegen die Arbeit, z. B. mobil, in einem anderen (ausländischen) Staat erbracht, kommt das Arbeitsortsprinzip zum Tragen, so dass der Tätigkeitsstaat ein Besteuerungsrecht besitzt. Hiervon kann allerdings eine Rückausnahme gemacht werden mit der Konsequenz, dass wieder der Ansässigkeitsstaat (in unserem Fall Deutschland) für den Lohnsteuerabzug maßgeblich ist, wenn (1) die mobile Tätigkeit im Ausland nicht länger als 183 Tage andauert, (2) die Vergütung nicht von einem oder für einen Arbeitgeber gezahlt wird, der im Tätigkeitsstaat ansässig ist, und (3) die Vergütung nicht von einer Betriebsstätte getragen wird, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat. Darüber hinaus kann eine mobile Tätigkeit im Ausland dazu führen, dass der inländische Arbeitgeber in dem anderen Mitgliedstaat eine Betriebsstätte begründet (vgl. für die Definition der Betriebsstätte Art. 5 OECDMusterabkommen). Dies hat insbesondere zur Folge, dass entsprechende Gewinne der ausländischen Betriebsstätte der dortigen Besteuerung unterliegen sowie zahlreiche Melde-, Dokumentations- bzw. Aufzeichnungspflichten entstehen23.
21 Vgl. insoweit Schrade/Denninger, NZA 2021, 102. 22 Vgl. OECD-Musterabkommen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung sowie der Steuerverkürzung und -umgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen v. November 2017. 23 Vgl. Schrade/Denninger, NZA 2021, 102, 105.
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In Bezug auf mobile Tätigkeiten lässt sich auf der Grundlage der Musterkommentierung des OECD-Musterabkommens Folgendes festhalten: Nach Auffassung der OECD wird die Frage, ob ein häusliches Arbeitszimmer einen dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Ort darstellt, in der Praxis kaum relevant sein. Dem werde in vielen Fällen entgegenstehen, dass die Ausübung von Geschäftstätigkeiten in der Wohnung einer Person (z. B. eines Arbeitnehmers) nur sporadisch oder gelegentlich erfolge. Darüber hinaus – so die OECD – werden mobil bzw. im Homeoffice allenfalls Hilfstätigkeiten ausgeübt, die gemäß Art. 5 Abs. 4 OECD-Musterabkommen nicht zur Begründung einer Betriebsstätte führen können. Wenn jedoch ein Homeoffice kontinuierlich für die Ausübung von Geschäftstätigkeiten für ein Unternehmen genutzt wird und aus den Tatsachen und Umständen klar hervorgeht, dass das Unternehmen vom Arbeitnehmer verlangt hat, diesen Standort für die Ausübung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens zu nutzen (z. B. indem es dem Arbeitnehmer kein Büro zur Verfügung stellt, obwohl die Art der Beschäftigung eindeutig ein Büro erfordert), kann das Homeoffice als dem Unternehmen zur Verfügung stehend betrachtet werden. In dem Fall dürfte vom Vorliegen einer (ausländischen) Betriebsstätte auszugehen sein. Möchte der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung hingegen kurzfristig und nicht auf Dauer angelegt mobil vom Ausland aus erbringen, dürfte das Risiko der Begründung einer Betriebsstätte überschaubar sein. Aus anwaltlicher Sicht und sofern möglich, sollten die mobilen Tätigkeiten im Ausland jedoch in zeitlicher Hinsicht (spontan und nicht auf Dauer angelegt) eingegrenzt werden. Zudem sollte vorab mit Steuerrechtsexperten im Ausland geprüft werden, ob ein Risiko der Begründung einer ausländischen Betriebsstätte besteht. Parallel hierzu bleibt abzuwarten, wie sich das BMF sowie das BMWi zu der Eingabe der Achter-Runde zu der Thematik „unbeabsichtigte Begründung einer Betriebsstätte“ äußern werden. Abschließend kann festgehalten werden, dass der oft arbeitnehmer- wie arbeitgeberseitige Wunsch, sporadisch mobil aus dem Ausland heraus tätig zu werden, durch die bestehenden rechtlichen Gegebenheiten nicht bzw. nicht zufriedenstellend geregelt ist. Insbesondere die recht starren sozialversicherungsrechtlichen Mechanismen dürften die aktuellen und sich in der Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit fortsetzenden Bestrebungen nach mehr Flexibilität behindern. Die derzeitigen Regelungen berücksichtigen die Konstellation, dass der Arbeitnehmer eine zeitweilige Tätigkeit im Ausland wünscht und der Arbeitgeber diesem Wunsch ggf. nachkommen möchte, nicht
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
hinreichend. Eine Normanpassung bzw. gesetzliche Klarstellung wird daher erforderlich sein. (Bon/Ri)
4.
Arbeitgeberseitige Pflicht zur Gestellung wesentlicher Betriebsmittel
Mit überzeugender Begründung hat das BAG in seinem Urteil vom 10.11.202124 noch einmal klargestellt, dass der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer die für die Ausübung seiner Tätigkeit essenziellen Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen25. Betroffen von der jetzt streitgegenständlichen Entscheidung war ein Fahrradlieferant (Rider), der Speisen und Getränke auslieferte und die Aufträge über eine Smartphone-App erhielt. In Übereinstimmung mit dem Klageantrag bestätigte der 5. Senat des BAG insoweit, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes internetfähiges Mobiltelefon stellen müsse. Zwar könnten von diesem Grundsatz vertragliche Abweichungen vereinbart werden. Geschehe dies in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers, seien diese aber nur dann wirksam, wenn dem Arbeitnehmer für die Nutzung des eigenen Fahrrads und Mobiltelefons eine angemessene finanzielle Kompensationsleistung zugesagt werde. Der Kläger in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war bei der Beklagten als Fahrradlieferant beschäftigt. Er benutzte für seine Lieferfahrten sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Mobiltelefon. Die Verpflichtung hierzu ergab sich aus der vertraglichen Vereinbarung der Parteien, bei denen es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelte. Als Ausgleich für die Einbringung seines Fahrrads gewährte die Beklagte dem bei ihr tätigen Fahrradlieferant eine Reparaturgutschrift von 0,25 € pro gearbeitete Stunde, die ausschließlich bei einem von ihr bestimmten Unternehmen eingelöst werden konnte. Mit seiner Klage verlangte der Kläger, dass die Beklagte ihm ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes Mobiltelefon für seine vertraglich vereinbarte Tätigkeit zur Verfügung stellen sollte. Zur Begründung verwies er auf die Verpflichtung des Arbeitgebers, die notwendigen Arbeitsmittel bereitzustellen. Der Hinweis des Arbeitgebers, jedenfalls in Bezug auf das Mobiltelefon könne der Arbeitnehmer unabhängig von den vertraglichen
24 BAG v. 10.11.2021 – 5 AZR 334/21 n. v. 25 Ebenso bereits BAG v. 12.4.2011 – 9 AZR 14/10, NZA 2012, 97 Rz. 27; BAG v. 16.10.2007 – 9 AZR 170/07, NJW 2008, 1612 Rz. 23.
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Arbeitgeberseitige Pflicht zur Gestellung wesentlicher Betriebsmittel
Vereinbarungen nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen ein Aufwendungsersatz geltend gemacht werden, stünde diesem Anspruch nicht entgegen. In Übereinstimmung mit dem LAG Hessen hat das BAG die Unwirksamkeit der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarten Nutzung des eigenen Fahrrads und Mobiltelefons bestätigt. Diese Regelung benachteilige den Kläger unangemessen (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB). Denn die Beklagte würde durch diese Regelung von entsprechenden Anschaffungsund Betriebskosten entlastet und trage nicht (mehr) das Risiko, für Verschleiß, Wertverfall, Verlust oder Beschädigung der essenziellen Arbeitsmittel einstehen zu müssen. Dieses Risiko müsse nach den vertraglichen Regelungen der Kläger übernehmen, was aber dem gesetzlichen Grundgedanken des Arbeitsverhältnisses widerspreche, wonach der Arbeitgeber die für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit wesentlichen Betriebsmittel zu stellen und für deren Funktionsfähigkeit zu sorgen habe26. Dass auch im Arbeitsverhältnis in entsprechender Anwendung des § 670 BGB ein Anspruch auf Aufwendungsersatz bestehen könne27, stelle keine angemessene Kompensation dar. Es fehle insoweit an einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung. Außerdem würde eine Klausel, die nur die ohnehin geltende Rechtslage wiederhole, keinen angemessenen Ausgleich schaffen. In der hier in Rede stehenden Konstellation gelte dies im Übrigen insbesondere deshalb, weil sich die Höhe des dem Kläger zur Verfügung gestellten Reparaturbudgets nicht von der Fahrleistung und damit der potenziellen Abnutzung, sondern an der damit unmittelbar zusammenhängenden Arbeitszeit ausrichte. Außerdem sei das Guthaben nur in dem Fahrradgeschäft nutzbar, das der Arbeitgeber bestimmt hatte. Für die Nutzung des Mobiltelefons sei überhaupt kein finanzieller Ausgleich vorgesehen. Von diesen Bewertungen ausgehend hat das BAG angenommen, dass der Kläger von der Beklagten nach § 611 a Abs. 1 BGB verlangen könne, dass diese ihm die für die vereinbarte Tätigkeit als „Rider“ notwendigen essenziellen Arbeitsmittel – ein geeignetes verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes Mobiltelefon, auf das die Lieferaufträge und Adressen mit der hierfür verwendeten App übermittelt würden – bereitstelle. Er könne nicht auf nachgelagerte Ansprüche wie Aufwendungsersatz oder Annahmeverzugslohn verwiesen werden.
26 BAG v. 10.11.2021 – 5 AZR 334/21 n. v. 27 So bereits BAG v. 5.4.2011 – 9 AZR 14/10, NZA 2012, 97 Rz. 25.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Der Entscheidung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Im Ergebnis kann sie auch auf die aktuelle Diskussion über eine mögliche Verpflichtung des Arbeitgebers übertragen werden, Arbeitsplätze im Homeoffice auszustatten. Denn auch hier gilt – wie bereits durch das BAG im Urteil vom 12.4.201128 ausgeführt – der allgemeine Grundsatz, nach dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Betriebsmittel, die für die Erbringung der Arbeitsleistung notwendig sind, zur Verfügung zu stellen hat. Voraussetzung ist allerdings, dass auf der Grundlage einer typisierten Interessenabwägung angenommen werden kann, dass es im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers liegt, dass die Arbeit im Homeoffice verrichtet wird. Hiervon kann man zwar noch nicht ausgehen, wenn mit der Arbeit im Homeoffice nur die aktuelle Verpflichtung aus § 28 b Abs. 4 IfSG umgesetzt wird. Etwas anderes dürfte allerdings dann gelten, wenn die Möglichkeit einer Arbeit im Homeoffice auch durch den Arbeitgeber veranlasst und daran anknüpfend die Anzahl der im Betrieb vorhandenen Arbeitsplätze reduziert wird. Denn damit erspart sich der Arbeitgeber Aufwendungen. Umgekehrt gilt allerdings auch: Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer freigestellt, an welchem Ort er einen wesentlichen Teil seiner Arbeitsleistung erbringt, ist dies ein wichtiges Indiz dafür, dass das Interesse des Arbeitnehmers an der Einrichtung des häuslichen Arbeitszimmers das Interesse des Arbeitgebers überwiegt. Dies spricht gegen einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Erstattung der für die Einrichtung die Homeoffices erforderlichen Aufwendungen29. (Ga)
5.
Änderung von Arbeitsbedingungen bei der Verlängerung befristeter Arbeitsverträge
Nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Dabei betrifft der Zeitrahmen von zwei Jahren die Laufzeit des Arbeitsverhältnisses, nicht jedoch die Zeit vom Vertragsschluss bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses30. Die zeitlich befristete Vertragsverlängerung muss nicht nur nach § 14 Abs. 4 TzBfG hinsichtlich der Befristungsabrede der Schriftform genügen31, um wirksam zu sein, sondern sich auch unmittelbar an die Vertragslaufzeit 28 BAG v. 12.4.2011 – 9 AZR 14/10, NZA 2012, 97 Rz. 27. 29 BAG v. 12.4.2011 – 9 AZR 14/10, NZA 2012, 97 Rz. 28, 30 ff. 30 BAG v. 24.2.2021 – 7 AZR 108/20, NZA 2021, 1187 Rz. 15; BAG v. 29.6.2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151 Rz. 13 m. w. N. 31 BAG v. 16.1.2008 – 7 AZR 603/06, NZA 2008, 701.
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Änderung von Arbeitsbedingungen bei der Verlängerung befristeter Arbeitsverträge
des vorangegangenen Vertrags ohne Unterbrechung anschließen, d. h. noch vor Abschluss der Laufzeit des bisherigen Vertrags erfolgen32. Des Weiteren erlaubt § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG nur die Verlängerung der Laufzeit des Arbeitsvertrags, so dass grundsätzlich die übrigen Bedingungen des Arbeitsvertrags im Zusammenhang der Vertragsverlängerung keine Änderung erfahren dürfen33. Verbinden die Arbeitsvertragsparteien mit der Verlängerungsvereinbarung eine darüberhinausgehende Vertragsänderung, bedarf diese nach § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG eines Sachgrundes34. Dabei ist auch gleichgültig, ob sich diese Vertragsänderung als für den Arbeitnehmer günstiger erweist35. Durch diese Beschränkung soll der Arbeitnehmer davor geschützt werden, dass der Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses von geänderten Arbeitsbedingungen abhängig macht oder dass der Arbeitnehmer durch das Angebot anderer Arbeitsbedingungen zum Abschluss eines weiteren sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags veranlasst wird36. Allerdings können die Parteien anlässlich der Verlängerung Anpassungen des Vertragstextes an die zum Zeitpunkt der Verlängerung geltende Rechtslage vornehmen oder Arbeitsbedingungen vereinbaren, auf die der befristet beschäftigte Arbeitnehmer einen Anspruch hat37. So hat das BAG im Zusammenhang mit der Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 TzBfG eine Erhöhung der Arbeitszeit nicht beanstandet, wenn der Arbeitgeber mit der Veränderung der Arbeitszeit einem Anspruch des Arbeitnehmers nach § 9 TzBfG Rechnung trägt38. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts von seinem Direktionsrecht Gebrauch macht und dem Arbeitnehmer eine andere Arbeitsaufgabe zuweist39. Ob die Arbeitsvertragsparteien nach den vorstehenden Grundsätzen verfahren sind, musste der 7. Senat des BAG in zwei Entscheidungen vom 24.2.202140
32 BAG v. 28.4.2021 – 7 AZR 212/20, NZA 2021, 163 Rz. 32. 33 BAG v. 21.3.2018 – 7 AZR 428/16, NZA 2018, 999 Rz. 37; BAG 23.8.2006 – 7 AZR 12/06, NZA 2007, 204 Rz. 32. 34 BAG v. 24.2.2021 – 7 AZR 108/20, NZA 2021, 1187 Rz. 18; BAG v. 21.3.2018 – 7 AZR 428/16, NZA 2018, 999 Rz. 37. 35 BAG v. 24.2.2021 – 7 AZR 108/20, NZA 2021, 1187 Rz. 18; BAG v. 23.8.2006 – 7 AZR 12/06, NZA 2007, 204 Rz. 22. 36 BAG v. 21.3.2018 – 7 AZR 428/16, NZA 2018, 999 Rz. 39; BAG v. 23.8.2006 – 7 AZR 12/06, NZA 2007, 204 Rz. 21. 37 BAG v. 24.2.2021 – 7 AZR 108/20, NZA 2021, 1187 Rz. 19. 38 BAG v. 16.1.2008 – 7 AZR 603/06, NZA 2008, 701 Rz. 18. 39 BAG v. 28.4.2021 – 7 AZR 212/20, NZA 2021, 163 Rz. 32. 40 BAG v. 24.2.2021 – 7 AZR 108/20, NZA 2021, 1187.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
und vom 28.4.202141 beurteilen. In dem Urteil vom 24.2.2021 ging es um einen Kläger, der vom 3.8.2015 bis zum 2.8.2017 auf der Grundlage von drei befristeten Arbeitsverträgen bei der Beklagten als IT-Fachassistent beschäftigt wurde. In dem ersten sachgrundlos bis zum 31.12.2015 befristeten Ausgangsvertrag war der Kläger zunächst als Vollzeitkraft tätig. Dieser Vertrag wurde am 16.11.2015 bis zum 31.12.2016 verlängert und am 2.12.2015 dahingehend geändert, dass der Kläger ab Januar 2016 bis zum Ende der Laufzeit mit reduzierter Arbeitszeit von 90 % eines Vollzeitbeschäftigten beschäftigt wurde. Im Zuge dieser Änderung wurde zwischen den Parteien abgesprochen, dass im Falle einer Verlängerung des Vertrags ab 1.1.2017 wieder Vollzeit für den Kläger gelten sollte. Als die Beklagte den Kläger im November 2016 auf eine Verlängerung des Vertrags ansprach, wünschte dieser für die weitere Laufzeit bis zum 2.8.2017 die Fortsetzung der bisherigen Arbeitszeitreduzierung. Auf Veranlassung der Beklagten stellte der Kläger auf der Grundlage des maßgebenden Tarifvertrags, ohne dass damit ein Anspruch verbunden war, den Antrag, ihm die gewünschte Teilzeit zu gewähren. Im Anschluss daran verlängerten die Arbeitsvertragsparteien am 29.11.2016 den Arbeitsvertrag mit einer Arbeitszeit von 90 % eines Vollzeitbeschäftigten bis zum 2.8.2017. Mit der am 21.8.2017 erhobenen Entfristungsklage hat der Kläger geltend gemacht, dass der Arbeitsvertrag aufgrund der Befristung vom 29.11.2016 nicht am 2.8.2017 beendet worden ist. Das LAG hat der Klage entsprochen. Die Revision der Beklagten war erfolglos. Das BAG hat die Wirksamkeit der sachgrundlosen Befristungsabrede in dem letzten Befristungsvertrag daran scheitern lassen, dass die Arbeitsvertragsparteien nicht nur die Laufzeit des bisherigen Vertrags verlängert, sondern mit der Verlängerungsabrede zugleich eine Vertragsänderung bezüglich der Dauer der Arbeitszeit vereinbart haben. Da die Arbeitsvertragsparteien im Rahmen der Arbeitszeitverkürzung auf 90 % einer Vollarbeitszeit im zweiten befristeten Vertrag eine Verständigung darüber erzielt hatten, im Falle einer befristeten Fortsetzung der Arbeitsbedingungen zur Vollarbeitszeit zurückzukehren, wurde dieser Bestandteil der Vereinbarung durch den letzten Verlängerungsvertrag wieder aufgehoben und die Teilzeitregelung wiederbelebt. In Relation zum sachgrundlos befristeten Eingangsvertrag hatten nämlich die Arbeitsvertragsparteien die Teilzeitregelung mit der Laufzeit des zweiten sachgrundlos geschlossenen Vertrags gekoppelt und damit befristet. Dass die Verkürzung der Arbeitszeit dem Wunsch des Klägers entsprach, spielte dabei keine Rolle. Ebenso wenig war die tarifvertragliche Regelung von Bedeutung, weil sie dem Kläger keinen Anspruch auf Teilzeit zubilligte. Eine Anwendung von § 8
41 BAG v. 28.4.2021– 7 AZR 212/20, NZA 2021, 163.
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Änderung von Arbeitsbedingungen bei der Verlängerung befristeter Arbeitsverträge
Abs. 4 TzBfG, der unter bestimmten Präliminarien dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Teilzeit einräumt, kam schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Vorschrift auf Abschluss eines Änderungsvertrags gerichtet ist und kein einseitiges Recht des Klägers gegenüber der Beklagten darstellte, der begehrten Arbeitszeitverringerung entsprechen zu müssen. Dies gölte gleichermaßen für den erst ab dem 1.1.2019 anwendbaren § 9 a TzBfG. Diese Bewertung des BAG muss auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass es den Arbeitsvertragsparteien freisteht, sämtliche Vertragsänderungen während der jeweiligen Befristungsperioden vornehmen zu dürfen, soweit sie nicht mit der Verlängerungsvereinbarung einhergehen. Die Beklagte hätte nach alledem die Befristung des letzten Vertrags allenfalls „retten“ können, wenn sie in der Lage gewesen wäre, für diesen Vertrag gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG einen Sachgrund beizubringen. Diesen von der Beklagten gestarteten Versuch auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG wegen eines nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung des Klägers hat das BAG zurückgewiesen, weil hierfür seitens der Beklagten mangels jeglicher konkretisierenden Angaben kein ausreichender Sachvortrag geleistet worden war. In der Entscheidung des 7. Senats vom 28.4.202142 ging es um die Frage, ob der Anreisetag zu einer auswärtigen Schulungsveranstaltung, der vor dem im schriftlichen Arbeitsvertrag festgelegten Vertragsbeginn lag, bereits den Beginn des Arbeitsverhältnisses markiert. Des Weiteren war zu beurteilen, ob ein Arbeitnehmer im Falle der befristeten Verlängerung eines sachgrundlos abgeschlossenen Arbeitsvertrags auf der Grundlage des Direktionsrechts des Arbeitgebers mit einer anderen Arbeitsaufgabe betraut werden kann, und damit, abgesehen vom Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts, der Vertragsinhalt ansonsten unverändert bleibt. Die Arbeitsvertragsparteien hatten sich darüber verständigt, dass der Kläger für die Zeit vom 5.9.2016 bis zum 4.3.2017 sachgrundlos befristet als Vollzeitbeschäftigter mit Entgeltgruppe E 12 TVöD eingestellt wurde. Die Beklagte sollte berechtigt sein, dem Kläger aus dienstlichen Gründen eine andere Tätigkeit im Rahmen der Entgeltgruppe zuweisen zu dürfen. Vor Beginn der tatsächlichen Arbeitsaufnahme sollte der Kläger ab dem 5.9.2016 durch eine Schulung gezielt auf die zukünftige Tätigkeit als Anhörer im Asylverfahren gegen Übernahme der Hotelkosten vorbereitet werden. Der Kläger reiste am Sonntag, dem 4.9.2016, mit dem Bus zum Schulungsort in N und übernachtete dort in dem von ihm zuvor gebuchten Hotel. Ab dem 5.9.2016 nahm er an der dreiwöchigen Schulung für die
42 BAG v. 24.8.2021 – 7 AZR 212/20, NZA 2021, 163.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Tätigkeit als Anhörer im Asylverfahren teil, welche Tätigkeit er anschließend wahrnahm. In der Zeit vom 20. bis 24.2.2017 absolvierte der Kläger eine Aufschulung zum Entscheider. Mit einem schriftlichen Vertrag vom 3./7.2.2017 verlängerten die Arbeitsvertragsparteien den befristeten Grundvertrag bis zum 4.9.2018. In diesem Verlängerungsvertrag war vorgesehen, dass der Kläger als Entscheider mit der bisherigen Entgeltgruppe E 12 TVöD von der Beklagten eingesetzt wurde. Mit seiner am 24.9.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Entfristungsklage bezüglich des Verlängerungsvertrags hat der Kläger geltend gemacht, dass mit diesem die zweijährige Höchstgrenze überschritten worden sei, weil das Arbeitsverhältnis bereits am 4.9.2016 mit der Reise nach N begonnen habe. Außerdem sei im Verlängerungsvertrag der Inhalt der Tätigkeit vom Anhörer zum Entscheider geändert worden. Das ArbG und das LAG haben der Klage auch auf Weiterbeschäftigung entsprochen, weil bereits mit dem Anreisetag am 4.9.2016 das Arbeitsverhältnis begonnen habe. Der 7. Senat des BAG hat die Klage abgewiesen. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen hat das BAG aus der Anreise zum Schulungsort am Tag vor dem im schriftlichen Arbeitsvertrag festgelegten Vertragsbeginn nicht den übereinstimmenden Willen der Parteien entnommen, den Beginn des Arbeitsverhältnisses um den Tag der Anreise vorzuverlegen. Dabei geht das BAG davon aus, dass die Reisezeit im Rahmen eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses als vergütungspflichtige Arbeitszeit qualifiziert werden kann. Dies lässt jedoch nach Ansicht des BAG nicht den Schluss darauf zu, dass zu Beginn einer dienstlich veranlassten Reise stets bereits ein Arbeitsverhältnis vorliegen muss. Die von der Beklagten für die Anreise übernommenen Fahrt- und Hotelkosten ändern – wie das BAG zu Recht ausführt – an diesem Ergebnis nichts. Es handelt sich dabei um Aufwendungen, die auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses anfallen, wenn z. B. ein Arbeitnehmer zu einem Bewerbungsgespräch anreist. Angesichts dessen hatten die Arbeitsvertragsparteien im vorliegenden Fall den Zweijahreszeitraum des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG als Höchstbefristungsdauer nicht überschritten. Da das Tatbestandsmerkmal der Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags i. S. d. § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG voraussetzt, dass die Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts noch vor Abschluss der Laufzeit des bisherigen Vertrags getroffen wird und der Vertragsinhalt ansonsten unverändert bleibt43, hat das BAG unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt die Änderung der Tätigkeit des Klägers vom Anhörer zum Entscheider geprüft. Im Streitfall weist das BAG darauf hin, dass die Ausübung 43 BAG v. 28.4.2021 – 7 AZR 212/20, NZA 2021, 163 Rz. 32; BAG v. 21.3.2018 – 7 AZR 428/16, NZA 2018, 999 Rz. 37 m. w. N.
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Individualvereinbarung trotz vereinbarten Schriftformerfordernisses
des Weisungsrechts einer Verlängerung i. S. d. § 14 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 TzBfG nicht entgegensteht, weil die Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit im Rahmen der Ausübung des Direktionsrechts keine Vertragsänderung erfordert. Der hier zu beurteilende Tätigkeitswechsel des Klägers bewegte sich innerhalb der Vergütungsgruppe EG 12 TVöD und war daher vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Auf der Grundlage dieser Entscheidungen des BAG ist der betrieblichen Praxis für die Handhabung sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge weiterhin anzuraten, Verlängerungsverträge nicht nur vor Abschluss der Laufzeit des bisherigen Vertrags abzuschließen, sondern auch die Vereinbarung auf das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts ohne sonstige Veränderung des Vertragsinhalts zu begrenzen. Für Vertragsänderungen bleiben genug Gestaltungsspielräume während der Laufzeit der sachgrundlos befristeten Verträge. (Boe)
6.
Wirksamkeit einer Individualvereinbarung trotz vereinbarten Schriftformerfordernisses
Individuelle Vertragsabreden haben Vorrang vor AGB, heißt es in § 305 b BGB. Eine Individualabrede geht damit AGB vor. Ungeachtet der fehlenden Verweisung in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf § 305 b BGB gilt dieser Vorrang auch für vorformulierte Einmalbedingungen in Verbraucherverträgen44. Der Vorrang der Individualabrede stellt eine Kollisionsregel dar, die auf der Rechtsfolgenseite die vom Verwender als AGB oder als Einmalbedingung gestellte Vertragsbedingung durch die Individualabrede verdrängt45. Über den Anwendungshorizont in § 305 Abs. 1 S. 3 BGB oder § 310 Abs. 3 Nr. 2 Halbs. 2 BGB hinaus können Individualabreden grundsätzlich alle Abreden zwischen den Vertragsparteien außerhalb der einseitig vom Verwender vorgegebenen Vertragsbedingungen sein. Sie können sowohl ausdrücklich als auch konkludent getroffen werden46. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet47, aus dem sich die wechselseitigen Verpflichtungen der Arbeitsvertragsparteien ergeben. Das Erfordernis einer vertraglichen Begründung der
44 BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 129/16, NZA 2017, 58 Rz. 35. 45 BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 129/16, NZA 2017, 58 Rz. 37; BGH v. 23.1.2013 – VIII ZR 47/12, NJW 2013, 2745 Rz. 22. 46 Vgl. BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 129/16, NZA 2017, 58 Rz. 19 m. w. N.; BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81 Rz. 39. 47 Vgl. ArbR-HB/Linck, § 29 Rz. 8.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Arbeitspflicht als Voraussetzung des Arbeitnehmerstatus (sog. Vertragstheorie) ist nach der Rechtsprechung des BAG48 grundsätzlich unverzichtbar. Der Vertrag muss eine Einigung über den notwendigen Mindestinhalt (essentialia negotii) umfassen. Nach § 611 a Abs. 1 BGB gehören hierzu die versprochenen Dienste und damit Art und Beginn der Arbeitsleistung49. Der Abschluss eines Arbeitsvertrags setzt darauf gerichtete entsprechende Willenserklärungen der Parteien voraus, indem das Angebot (Antrag) der einen Vertragspartei gemäß den §§ 145 ff. BGB von der anderen Vertragspartei angenommen wird. Eine derartige Willenserklärung kann nicht nur durch eine ausdrückliche Erklärung, sondern auch durch schlüssiges Verhalten (Realofferte und deren konkludente Annahme) abgegeben werden50. Ob eine Äußerung oder ein Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB. Willenserklärungen und Verträge sind danach so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist51. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch außerhalb der Vereinbarung liegende Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch52. Um die Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze ging es in der Entscheidung des 10. Senats des BAG vom 24.3.202153. Thema dieser Entscheidung war die Abgrenzung zwischen einer Bewerbung und einem Vertragsabschluss sowie die Frage, welche Rolle ein tarifliches und einen vertragliches Schriftformerfordernis bei einer Individualvereinbarung i. S. v. § 305 b BGB spielt.
48 BAG v. 27.5.2020 – 5 AZR 247/19, NZA 2020, 1169 Rz. 17 m. w. N. 49 BAG v. 27.5.2020 – 5 AZR 247/19, NZA 2020, 1169 Rz. 18. 50 BAG v. 28.4.2021 – 7 AZR 212/20, NZA 2021, 163 Rz. 19 m. w. N.; BAG v. 14.12.2016 – 7 AZR 756/14 n. v. (Rz. 18); BAG v. 12.7.2016 – 9 AZR 51/15 n. v. (Rz. 19). 51 BAG v. 28.4.2021 – 7 AZR 212/20, NZA 2021, 163 Rz. 19; BAG 18.5.2010 – 3 AZR 373/08, NZA 2010, 935 Rz. 36. 52 Vgl. nur BAG v. 28.4.2021 – 7 AZR 212/20, NZA 2021, 163 Rz. 19; BAG v. 18.5.2010 – 3 AZR 373/08, NZA 2010, 935 Rz. 36 m. w. N. 53 BAG v. 24.3.2021 – 10 AZR 16/20, NZA 2021, 1651.
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Individualvereinbarung trotz vereinbarten Schriftformerfordernisses
Die Parteien stritten darüber, ob der Kläger einen Anspruch darauf hatte, von der Beklagten als Einsatzleiter beschäftigt zu werden. Der seit 2003 bei der Beklagten beschäftigte Kläger wurde als Sicherheitskontrolleur bei Fluggästen eingesetzt. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare MTV sieht für Einstellungen und Vertragsänderungen die Schriftform entsprechend dem NachwG vor. Auch der Arbeitsvertrag enthält die Regelung, wonach Ergänzungen der Schriftform bedürfen. Im Mai 2017 schrieb die Beklagte für ihre Niederlassung am Flughafen Köln/Bonn die Tätigkeit eines Einsatzleiters aus, auf die sich der Kläger mit Schreiben vom 30.6.2017 bewarb. Mit Schreiben vom 26.7.2017 – nach Zustimmung des Betriebsrats zur Stellenbesetzung – teilte die Beklagte dem Kläger mit, sich für ihn entschieden zu haben und dass in Kürze eine Unterweisung erfolge. Nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens nahm die Beklagte von der Besetzung der ausgeschriebenen Stellung Abstand. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger am 4.8.2017 auf Veranlassung der Beklagten bereits als Einsatzleiter gearbeitet hat. Danach war er jedenfalls nicht in dieser Position tätig. Mit seiner Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihn als Einsatzleiter zu beschäftigen. Das ArbG hat der Klage entsprochen. Das LAG54 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das BAG hat den Rechtsstreit auf die Revision der Beklagten an das LAG zurückverwiesen. Das LAG war davon ausgegangen, dass ein Arbeitgeber, der einem bereits bei ihm beschäftigten Bewerber auf eine Stellenausschreibung in einem Schreiben mitteilt, dass er sich im Zusammenhang mit der Stellenausschreibung für ihn als Bewerber entschieden hat, vom objektiven Empfängerhorizont gesehen, die Annahme des vom beschäftigten Bewerbers abgegebenen Angebots auf Änderung des Arbeitsvertrags akzeptiert. Das BAG hat sich dieser Argumentation auf der Grundlage der oben dargestellten Vertragstheorie nicht anschließen können, weil allein die Bewerbung des Klägers nicht als ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Änderungsvertrags angesehen werden kann. Das BAG weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass Bewerbungen in aller Regel nichts anderes als Einladungen des Bewerbers an die andere Seite sind, ihm ihrerseits ein entsprechendes Vertragsangebot zu unterbreiten, das der Bewerber dann annehmen kann55. Gerade die in der betrieblichen Praxis nicht selten anzutreffende gleichzeitige Mehrfachbewerbung eines Arbeitnehmers bestätigt diese Aussage des BAG, weil damit keine rechtlich verbindliche Willenserklärung 54 LAG Köln v. 15.11.2019 – 4 Sa 771/18, NZA-RR 2020, 82. 55 BAG v. 24.3.2021 – 10 AZR 16/20, NZA 2021, 1651 Rz. 41; BAG v. 17.12.1997 – 5 AZR 332/96, NZA 1998, 555 Rz. 27.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
in Gestalt eines Angebots einhergeht. In Abweichung von der Auffassung der Vorinstanz sieht das BAG im Antwortschreiben der Beklagten und der darin enthaltenen Formulierung „wir haben uns für Sie entschieden“ keine rechtsgeschäftlich relevante Willenserklärung, die an den Kläger im Sinne eines Vertragsänderungsangebots (§ 145 BGB) gerichtet ist. Das BAG erläutert diese Bewertung damit, dass die Beklagte mit dieser Formulierung das Bewerbungsverfahren abschließen und sein Ergebnis mitteilen wollte, dass die Auswahl auf den Kläger gefallen ist, ohne dass damit eine Erklärung mit Rechtsbindungswillen verbunden wäre. Auch die zusätzliche Mitteilung, dass eine Unterweisung in Kürze erfolge, qualifiziert die Erklärungen nicht zu einem rechtsverbindlichen Vertragsänderungsangebot an den Kläger, zumal damit nur eine tatsächlich beabsichtigte Abfolge angesprochen wird. Fraglich und vom LAG noch aufklärungsbedürftig könnte jedoch sein, ob der Kläger mit Wissen der Beklagten am 4.8.2017 bereits als Einsatzleiter gearbeitet hatte und durch übereinstimmendes schlüssiges Verhalten eine Vertragsänderung zwischen den Parteien zustande gekommen war. Der Arbeitnehmer kann nämlich dem Arbeitgeber den Abschluss eines Arbeitsvertrags im Wege einer Realofferte dadurch anbieten, dass er Arbeit leistet. Nimmt der Arbeitgeber die Arbeitsleistung wissentlich und widerspruchslos entgegen, kann darin die Annahme eines Angebots des Arbeitnehmers liegen56. In diesem Zusammenhang könnte es darauf ankommen, ob ein Verstoß gegen das tarifvertragliche Schriftformerfordernis des MTV Aviation oder gegen die Schriftformklausel im schriftlichen Arbeitsvertrag die Nichtigkeit der Vertragsänderung, die auf formlosem konkludentem Verhalten basierte, nach § 125 BGB zur Folge hatte. Angesichts der tarifvertraglich geregelten ausdrücklich dem NachwG (§ 2 Abs. 1 S. 1 NachwG) nachgebildeten Schriftformklausel geht das BAG davon aus, dass diese nur deklaratorischer Natur ist und damit einem konkludent zustande gekommenen Änderungsvertrag der Parteien nicht im Wege steht. Dies gilt ebenso für die vertraglich vereinbarte Schriftformklausel, weil eine konkludent vereinbarte Vertragsänderung als Individualabrede (§ 305 b BGB) das in einer AGB geregelte arbeitsvertragliche Schriftformerfordernis verdrängt. Dabei ist gleichgültig, ob bei dem Arbeitsvertrag der Parteien AGB oder Einmalbedingungen vorliegen und ob die darin vorgesehene Schriftformklausel konstitutive Qualität aufweist. Die vom BAG vorgenommenen Klarstellungen sind für die betriebliche Praxis hilfreich, insbesondere, wenn man bedenkt, dass immerhin zwei Instanzen im 56 BAG v. 24.3.2021 – 10 AZR 16/20, NZA 2021, 1651 Rz. 60; BAG v. 9.4.2014 – 10 AZR 590/13, NZA-RR 2014, 522 Rz. 25; BAG v. 8.4.2014 – 9 AZR 856/11 n. v. (Rz. 38).
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Tragen religiöser, weltanschaulicher oder politischer Symbole am Arbeitsplatz
arbeitsgerichtlichen Verfahren den Erklärungen der Parteien eine andere Rechtsqualität beigemessen haben. (Boe)
7.
Diskriminierung durch Vorgaben in Bezug auf das Tragen religiöser, weltanschaulicher oder politischer Symbole am Arbeitsplatz
Nachdem sich das BVerfG57 in mehreren Entscheidungen mit dem KopftuchTrageverbot auf gesetzlicher Grundlage auseinandergesetzt hatte, hat der EuGH58 jetzt auf Vorlage des ArbG Hamburg59 und des 10. Senats des BAG vom 30.1.201960 unter unionsrechtlichen Aspekten für Unternehmen der Privatwirtschaft klären müssen, ob und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen in Anbetracht der Richtlinie 2000/78/EG i. V. m. Art. 10 GRC (Religionsfreiheit) und Art. 16 GRC (unternehmerische Freiheit), auch im Verhältnis zu nationalem Verfassungsrecht, das Tragen sichtbarer religiöser Symbole am Arbeitsplatz vom Arbeitgeber untersagt werden kann61. In dem vom ArbG Hamburg vorgelegten Fall geht es um einen Verein (WABE), der Kindertagesstätten betreibt und mehr als 600 Arbeitnehmer beschäftigt. Im März 2018 erließ der beklagte Verein eine Dienstanweisung, wonach die Mitarbeiter gegenüber Eltern, Kindern und Dritten am Arbeitsplatz keine sichtbaren Zeichen ihrer politischen, weltanschaulichen oder religiösen Überzeugungen tragen durften. Im Juni 2018 erschien die Klägerin mehrfach mit einem islamischen Kopftuch an ihrem Arbeitsplatz, was mehrere Abmahnungen und die Freistellung von der Arbeit zur Folge hatte. Die Klägerin beantragte beim Arbeitsgericht Hamburg die Entfernung der Abmahnungen aus ihrer Personalakte, weil die Dienstanweisung einen unzulässigen Eingriff in ihre Religionsfreiheit darstelle und weder mit Unionsrecht noch Verfassungsrecht in Übereinstimmung gebracht werden könne. Die vom 10. Senat des BAG an den EuGH gerichtete Vorlage betrifft einen Unternehmensträger, der eine Vielzahl von Drogeriemärkten betreibt und die Weisung für alle Drogeriemärkte erteilt hatte, ohne auffällige großflächige religiöse, politische und sonstige weltanschauliche Zeichen am Arbeitsplatz zu erscheinen. Die Klä57 BVerfG v. 14.1.2020 – 2 BvR 1333/17, NJW 2020, 1049 – Kopftuch III; BVerfG v. 18.10.2016 – 1 BvR 354/11, NZA 2016, 1522 – Kita; BVerfG v. 27.1.2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 – Kopftuch II. 58 EuGH v. 15.7.2021 – C-804/18 und C-341/19, NZA 2021, 1085 – IX/WABE eV und MH Müller Handels GmbH/MJ. 59 ArbG Hamburg v. 21.11.2018 – 8 Ca 123/18 n. v. 60 BAG v. 30.1.2019 – 10 AZR 299/18 (A), NZA 2019, 693. 61 Vgl. auch Walter/Tremml, NZA 2021, 1453 ff.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
gerin erschien gleichwohl als Verkaufsberaterin mit Kopftuch an ihrem Arbeitsplatz, was die Beklagte nach vergeblicher Aufforderung, das Kopftuch abzulegen, veranlasste, sie nicht weiter zu beschäftigen. Mit ihrer Klage will die Klägerin festgestellt wissen, dass die Weisung, ohne Kopftuch zu arbeiten, unwirksam ist. Ferner verlangt sie die entgangene Vergütung. Da der Begriff der „Religion“ im Sinne von Art. 1 Richtlinie 2000/78/EG keine Definition erfahren hat, stellt der EuGH62 in Übereinstimmung mit seinem Urteil vom 14.3.201763 zunächst klar, dass Religion sowohl das forum internum, d. h. die Tatsache, religiöse Überzeugungen zu haben, als auch das forum externum, d. h. die öffentliche Äußerung des religiösen Glaubens, umfasst, wobei diese Auslegung derjenigen des gleichen Begriffs in Art. 10 Abs. 1 GRC entspricht. Damit unterfiel das Tragen von Zeichen oder Kleidung zur Begründung der eigenen Religion oder Überzeugung unter die „Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit“, die durch Art. 10 GRC geschützt ist. Richtet sich die Direktive des Arbeitgebers an sämtliche Arbeitnehmer, jedes sichtbare Zeichen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen am Arbeitsplatz zu unterlassen, liegt nach Ansicht des EuGH keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder Weltanschauung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG vor, sofern diese Regel allgemein und unterschiedslos angewandt wird. Vielmehr kann sich aus einer derartigen internen Regelung i. S. v. Art. 2 Abs. 2 b Richtlinie 2000/78/EG eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion ergeben, wenn die dem Anschein nach neutraler Verpflichtung aus dieser Regel tatsächlich dazu führt, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden64. Sodann wendet sich der EuGH der Frage zu, ob eine mittelbar auf der Religion beruhende Ungleichbehandlung mit dem Willen des Arbeitgebers gerechtfertigt werden kann, eine Politik politischer, weltanschaulicher und religiöser Neutralität zu verfolgen, um den Erwartungen seiner Kunden oder Nutzern Rechnung zu tragen. Davon wäre auszugehen, wenn sich das Neutralitätsgebot als rechtmäßiges Ziel sachlich rechtfertigen ließe und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels – das Verbot jedweder religiöser Zeichen – angemessen und erforderlich sind.
62 EuGH v. 15.7.2021 – C-804/18 und C-341/19, NZA 2021, 1085 Rz. 45 – IX/WABE eV und MH Müller Handels GmbH/MJ. 63 EuGH v. 14.3.2017 – C-157/15, NZA 2017, 373 Rz. 28 – G4S Secure Solutions. 64 EuGH v. 15.7.2021 – C-804/18 und C-341/19, NZA 2021, 1085 Rz. 59 – IX/WABE eV und MH Müller Handels GmbH/MJ; EuGH v. 14.3.2017 - C-157/15, NZA 2017, 373 Rz. 34 – G4S Secure Solutions.
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Tragen religiöser, weltanschaulicher oder politischer Symbole am Arbeitsplatz
Soweit das Ziel (Zweckdetermination) in Rede steht, kann der Wille des Arbeitgebers, im Verhältnis zu seinen Kunden eine Politik der politischen, weltanschaulichen und religiösen Neutralität zum Ausdruck zu bringen, aus der Sicht des EuGH grundsätzlich als rechtmäßig angesehen werden, zumal die unternehmerische Freiheit in Art. 16 GRC anerkannt ist. Dies gilt zumindest für diejenigen Arbeitnehmer, die mit den Kunden in Kontakt treten sollen. Zugleich schränkt der EuGH diese zunächst weit gefasste Rechtfertigung insoweit ein, als dem Arbeitgeber neben seinem Neutralitätswillen der Nachweis eines wirklichen Bedürfnisses für diese Neutralität obliegt, das im Ergebnis darin seinen Ausdruck findet, berechtigten Erwartungen der Kunden oder der Nutzer mit sonst nachteiligen Konsequenzen für den Arbeitgeber genügen zu müssen. Auf die Kindertagesstätten bezogen kann das in Art. 14 GRC anerkannte Recht der Eltern, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen, weltanschaulichen und erzieherischen Überzeugungen sicherzustellen, nach Ansicht des EuGH derartige berechtigte Erwartungen ausdrücken. In diesem Zusammenhang verdeutlicht der EuGH im Hinblick auf die Drogeriemärkte, dass die Sicherstellung des Neutralitätsgebots nur gerechtfertigt werden kann, wenn jede sichtbare Ausdrucksform politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen vom Arbeitgeber untersagt wird. Ein auf das Tragen auffälliger großflächiger Zeichen beschränktes Verbot stellt hingegen eine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder Weltanschauung dar, die jedenfalls nach Art. 2 Abs. 2 b Nr. i Richtlinie 2000/78/EG nicht gerechtfertigt werden kann. Das Mittel zur Erreichung dieses Ziels, d. h. die Umsetzung der vom Arbeitgeber gewünschten Neutralitätspolitik, ist nach der Sichtweise des EuGH nur dann geeignet, wenn es konsequent und systematisch eingesetzt wird, so dass jedwede sichtbare Ausdrucksform politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen verboten sein muss. Überdies muss das Verbot, jedes sichtbare Zeichen politischer, weltanschaulicher und religiöser Überzeugungen zu tragen, nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die nachteiligen Konsequenzen, denen der Arbeitgeber durch dieses Verbot zu entgehen sucht, auf das unbedingt Erforderliche beschränkt sein. Die schließlich an den EuGH gerichtete Frage, ob nationales Recht von Verfassungsrang, insbesondere die durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, als eine günstigere Regelung i. S. v. Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG berücksichtigt werden kann, wird vom EuGH bejaht, wenn sie an die Rechtfertigung einer mittelbar auf der Religion oder
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
der Weltanschauung beruhenden Ungleichbehandlung höhere Anforderungen stellt als Art. 2 Abs. 2 b Nr. i Richtlinie 2000/78/EG65. Als Resümee für die betriebliche Praxis ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des EuGH vom 15.7.202166 eine weitgehende Übereinstimmung mit den Ausführungen des BVerfG, so dass eine unternehmerische Neutralitätspolitik vor allem im Hinblick auf die Religionsausübung zwar nicht vollständig ausgeschlossen, jedoch deutlich erschwert wird. Um politische Symbole ging es auch in der Entscheidung des LAG BerlinBrandenburg vom 11.5.202167. Das LAG hatte über die Berechtigung einer fristlosen Kündigung zu entscheiden, die deswegen ausgesprochen worden war, weil der Kläger als Lehrkraft beim beklagten Land Tätowierungen aus der rechtsextremen Szene am Oberkörper hatte, die von seiner Kleidung verdeckt wurden. Es handelte sich um folgende Tattoos, die auf einem zur Akte gereichten Foto zu sehen waren: auf der rechten Brust Thors Hammer (Mjölnir) mit einer Wolfsangel bzw. Gibor-Rune, auf der linken Brust ein Sonnenrad, eine schwarze Sonne sowie eine auf dem Kopf stehende Schmetterlingsaxt, am rechten Oberarm den Schriftzug „Legion Walhalla“ und auf dem linken Oberarm der Schriftzug „Odin statt Jesus“, jeweils in Frakturschrift. Der Bauchbereich wurde durch den Spruch „Meine Ehre heißt Treue“ in Frakturschrift über dem Hosenbund ausgefüllt. Der Kläger unterrichtete an einer Oberschule die Fächer Chemie, Physik und Mathematik. Auf der Grundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags fand auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TVL) Anwendung, der in § 3 (Allgemeine Arbeitsbedingungen) in Abs. 1 vorsieht, dass sich die Beschäftigten durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des GG bekennen müssen. Bei einem Schulsportfest im Juli 2018 zog der Kläger bei großer Hitze sein TShirt aus. Ein Lehrer machte Fotos, auf denen der Kläger mit freiem Oberkörper zu sehen war. Vom stellvertretenden Schulleiter darauf angesprochen, verfasste der Kläger eine schriftliche Stellungnahme, worin er versicherte, niemals Mitglied einer rechten Gruppierung gewesen zu sein, noch eine Nähe zum Rechtsextremismus gehabt zu haben. Anlässlich einer Schulfahrt öffnete der Kläger am 15.1.2019 einer weiblichen Lehrkraft mit unbekleidetem Oberkörper die Tür. Im November erstattete der Kläger eine Selbstanzeige, die
65 EuGH v. 15.7.2021 – C-804/18 und C-341/19, NZA 2021, 1085 Rz. 89 – IX/WABE eV und MH Müller Handels GmbH/MJ. 66 EuGH v. 15.7.2021 – C-804/18 und C-341/19, NZA 2021, 1085 – IX/WABE eV und MH Müller Handels GmbH/MJ. 67 LAG Berlin-Brandenburg v. 11.5.2021 – 8 Sa 1655/20, NZA-RR 2021, 427.
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Tragen religiöser, weltanschaulicher oder politischer Symbole am Arbeitsplatz
einen Strafbefehl zu 40 Tagessätzen zu je 50 € aufgrund des Tattoos „Meine Ehre heißt Treue“ zur Folge hatte. Aufgrund von Rechtsmitteln ist das Strafverfahren noch nicht beendet. Das Schulamt des beklagten Landes legte dem Verfassungsschutz des beklagten Landes das Foto vom Oberkörper des Klägers mit der Bitte um Bewertung vor. Der Staatsschutz äußerte gegenüber dem beklagten Land in einem Schreiben vom 7.2.2019, dass die Zurschaustellung der Symbole auf einen „harten Rechtsextremismus“ hindeute und erhebliche Zweifel an der Treuepflicht sowie an dem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Klägers bestünden. Eine vom beklagten Land zunächst mit Schreiben vom 13.2.2019 ausgesprochene erste fristlose Kündigung erwies sich wegen einer fehlerhaften Personalratsbeteiligung als rechtsunwirksam. Die weitere fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 20.11.2019 war Gegenstand des Berufungsverfahrens vor dem LAG, nachdem das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage entsprochen hatte. Das LAG hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts abgeändert, die fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 20.11.2019 für berechtigt angesehen und die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen. Dabei ist das LAG davon ausgegangen, dass die Verfassungstreue eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst, wie in § 3 TV-L ausdrücklich verlangt, einen wesentlichen Bestandteil der Eignung i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG darstelle68. Dabei sind nach Auffassung des LAG an Lehrer wegen ihrer Tätigkeit hinsichtlich ihrer Verfassungstreue die gleichen oder zumindest ähnliche Anforderungen zu stellen wie an die in vergleichbarer Stellung beschäftigten Beamten69. Diese Verfassungstreuepflicht könne auch durch das Tragen einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt verletzt werden, wenn dadurch eine Ablehnung der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes zum Ausdruck käme, indem der Körper als Kommunikationsmedium eingesetzt werde. Insoweit schließt sich das LAG der Spruchpraxis des BVerwG70 für den Fall einer Beamtenstellung an. Ebenso wie das BVerwG71 hält das LAG nicht für erforderlich, dass sich die Tätowierung in einem sichtbaren Bereich des Körpers befindet. Das LAG gelangt zu dem Ergebnis, dass die Tätowierung der unter Strafe stehenden Losung „Meine Ehre heißt Treue“ einen Verfassungstreuepflichtverstoß des Klägers darstellt, aufgrund dessen ihm die Eignung zur weiteren Ausübung der Tätigkeit einer Lehrkraft fehlt und damit ein wichtiger Grund für 68 Vgl. BAG v. 12.5.2011 – 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 Rz. 23 m. w. N. 69 BAG v. 12.5.2011 – 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 Rz. 31. 70 BVerwG v. 17.11.2017 – 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rz. 25 f: Ein Beamter, der sich mit einer Auffassung, die der Werteordnung des Grundgesetzes widerspricht, derart identifiziert, dass er sie sich in die Haut eintätowieren lässt, ist nicht tragbar. 71 BVerwG v. 17.11.2017 – 2 C 25/17, NJW 2018, 1185 Rz. 27.
425
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
die fristlose Kündigung des beklagten Landes bestanden hat. Dabei sei gleichgültig, dass die verfassungsfeindliche Gesinnung des Klägers nicht nach außen getreten sei und keinen erkennbaren Einfluss auf die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten im Übrigen gehabt habe. Das LAG geht des Weiteren davon aus, dass bei der abschließenden Interessenabwägung das Interesse des beklagten Landes an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Bestandsschutz des Klägers überwiegt, weil das beklagte Land nicht hinnehmen könne, eine ungeeignete Lehrkraft aufgrund fehlender Verfassungstreue auch nur für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist beschäftigen zu müssen. Da die mangelnde Eignung des Klägers ein Dauerzustand sei, habe das beklagte Land auch die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Bedauerlicherweise hat das LAG die Revision zum BAG nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist vom BAG verworfen worden. Unabhängig davon, ob man der Begründung des LAG und dem Ergebnis folgt, handelt es sich hier um eine Problematik, die vor allem im öffentlichen Dienst und dort vornehmlich im Beamtenverhältnis eine Rolle spielt, wo hoheitliche Befugnisse vom Staat und seinen Repräsentanten wahrgenommen werden. In der betrieblichen Praxis haben derartige Fragen – soweit ersichtlich – bislang keine richterlichen Antworten erfordert. (Boe)
8.
Die Pflicht des Arbeitgebers zu angemessenen Vorkehrungen für eine Beschäftigung behinderter Menschen
Das Verbot einer Diskriminierung wegen Behinderung findet sich nicht nur generell in Art. 21 GRC, 3 Abs. 3 S. 2 GG, 5 UN-BRK oder §§ 1, 7 AGG. Vielmehr konkretisieren insbesondere §§ 164 Abs. 4 SGB IX, Art. 27 UNBRK oder § 241 Abs. 2 BGB die Verpflichtung des Arbeitgebers, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um eine Beschäftigung von Menschen mit Behinderung sicherzustellen. Wird diese Verpflichtung nicht erfüllt, kann dies – was das BAG mit Urteil vom 14.10.202072 bereits deutlich gemacht hat – einen Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB bzw. § 15 Abs. 1 AGG begründen. Darüber hinaus wird man einen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG anerkennen müssen.
72 BAG v. 14.10.2020 – 5 AZR 649/19, NZA 2021, 406 Rz. 39.
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Vorkehrungen für eine Beschäftigung behinderter Menschen
In seinem Urteil vom 15.7.202173 hat der EuGH darauf hingewiesen, dass auch Art. 5 Richtlinie 2000/78/EG den Arbeitgeber verpflichte, die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zu Beschäftigung, die Ausübung des Berufs und den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Diese Verpflichtung wird für Schwerbehinderte bzw. diese Gleichgestellte durch § 164 Abs. 4 SGB IX aufgegriffen und weitergehend konkretisiert. § 8 AGG und Art. 2, 5, 27 UN-BRK machen dabei indes deutlich, dass eine inhaltsgleiche Verpflichtung zu angemessenen Maßnahmen auch bei Arbeitnehmern besteht, deren Grad der Behinderung nicht zu einer Anmerkung als Schwerbehinderter bzw. Gleichgestellter geführt hat. Maßnahmen, die darauf abstellten, den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen, stellen – so der EuGH – eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Diskriminierungen wegen einer Behinderung dar. Der Begriff der „angemessenen Vorkehrung“ sei dabei weit zu verstehen und umfasse die Beseitigung der verschiedenen Barrieren, die die volle und wirksame Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, behinderten. Dabei sei auf den Einzelfall abzustellen, ohne dass die im Erwägungsgrund 20 der Richtlinie 2000/87/EG genannten Vorkehrungen materieller, organisatorischer oder edukativer Art abschließend sei. Dies entspricht Art. 2 UN-BRK. Danach sind „angemessene Vorkehrungen“ und geeignete Änderungen und Anpassungen notwendig, die keine unverhältnismäßige oder unwillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen und ausüben können. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der EuGH in der vorstehend genannten Entscheidung angenommen, dass Art. 2 Abs. 2 lit. a, Art. 4 Abs. 1, 5 Richtlinie 2000/78/EG einer nationalen Regelung entgegenstünden, nach der es absolut unmöglich sei, einen Strafvollzugsbeamten weiter zu beschäftigen, dessen Hörvermögen nicht in dieser Regelung festgelegten Mindesthörschwellen erreichten, und die nicht die Prüfung gestatte, ob dieser Beamte in der Lage sei, seine Aufgaben – ggf. nachdem angemesseneren Vorkehrungen i. S. v. Art. 5 getroffen wurden – zu erfüllen. Für die betriebliche Praxis bedeutet dies, dass eine abstrakt–generelle Aussage des Arbeitgebers, nach der Arbeitnehmer, die bestimmte Fähigkeiten oder Fertigkeiten bzw. 73 EuGH v. 15.7.2021 – C-795/19, NZA 2021, 1321 Rz. 48.
427
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Eigenschaften nicht erfüllten, nicht eingestellt, nicht beschäftigt oder befördert werden können, im Zweifel als eine Benachteiligung wegen Behinderung zu qualifizieren ist, wenn es sich dabei um eine „langfristige“ Beeinträchtigung handelt (Art. 1 UN-BRK) und wegen der pauschalen Vorgabe nicht geprüft wurde, ob es angemessene organisatorisch, technische, personelle oder arbeitsausgestaltende Maßnahmen gibt, die in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit die entsprechende Personalmaßnahme doch noch möglich gemacht hätten. Dies gilt auch dann, wenn die entsprechende Einschränkung des betroffenen Arbeitnehmers dem typischen Erscheinungsbild eines Arbeitnehmers seines Alters entspricht, denn die entsprechende Ausgrenzung altersbezogener Beeinträchtigungen, wie sie in § 2 SBG IX vorgesehen ist, widerspricht Art. 1 UN-BRK und steht deshalb einer Berücksichtigung des Umstands als Behinderung nicht entgegen. (Ga)
9.
Gendersternchen: Keine Benachteiligung wegen des Geschlechts
Auch unter Berücksichtigung des übergreifenden Ziels, jede Form der Benachteiligung wegen des Geschlechts zu vermeiden, versucht die betriebliche Praxis nach Möglichkeiten, insbesondere im Rahmen der Kommunikation gegenüber der Belegschaft eine möglichst geschlechtsneutrale Ausdrucksweise zu verwenden. Soweit keine grundsätzlich geschlechtsneutralen Begriffe verwendet werden (z. B. Mitarbeitende), wird dabei in der Regel eine Ansprache gewählt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichermaßen erfasst. Ergänzend wird dabei zum Teil deutlich gemacht, dass damit Personen ohne Rücksicht auf das Geschlecht erfasst werden. Während in Stellenanzeigen in der Regel der Zusatz „m/w/d“ gewählt wird, verwenden Unternehmen immer häufiger das sog. Gendersternchen. Es erlaubt, Arbeitnehmer unterschiedlichen Geschlechts durch die Verknüpfung der denkbaren Ausdrucksformen in einem Wort anzusprechen (z. B. Arbeitnehmer*innen). In seinem Beschluss vom 22.6.202174 musste sich das LAG Schleswig-Holstein jetzt mit dem Vorwurf befassen, dass die in einer Stellenanzeige verwendete Bezeichnung der ausgeschriebenen Arbeitsplätze mit Diplom-Sozialpädagoge*innen, Diplom-Sozialarbeiter*innen und Diplom-Heilpädagoge*innen eine Benachteiligung wegen des Geschlechts beinhalte und deshalb einen Anspruch auf Entschädigung nach §§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 AGG rechtfertige. Die klagende Partei in diesem Verfahren war eine zweigeschlechtlich geborene und durch chirurgische Intervention schwerbehinderte Person, die sich 74 LAG Schleswig-Holstein v. 22.6.2021 – 3 Sa 37 öD/21, NZA-RR 2021 408 Rz. 18 ff.
428
Keine Benachteiligung wegen des Geschlechts
auf die ausgeschriebene Stelle beworben hatte. Sie verfügte über einen rechtswissenschaftlichen Hochschulabschluss (Master of Law) mit Wahlschwerpunkt Familienrecht. Im Rahmen ihrer Bewerbung legte sie die Schwerbehinderung und die Zweigeschlechtlichkeit offen. Der beklagte Kreis, der die Stelle ausgeschrieben hatte, verzichtete darauf, die klagende Partei zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen. Nachdem die klagende Partei eine Absage erhalten hatte, erhob sie Klage mit der Begründung, sie sei durch den beklagten Kreis im Rahmen des Bewerbungsverfahrens wegen ihrer Schwerbehinderung und des Geschlechts benachteiligt worden. Berechtigt war die Klage insoweit, als der beklagte Kreis die Bewerbung der klagenden Partei entgegen § 164 Abs. 1 S. 4 SGB IX nicht „unmittelbar nach Eingang“ an die Schwerbehindertenvertretung und den Personalrat weitergeleitet hatte. Vielmehr hatte der beklage Kreis zunächst alle eingehenden Bewerbungen gesammelt und im Anschluss daran an das zuständige Fachamt weitergeleitet. Erst nachdem dort eine Vorauswahl getroffen und Einladungen zu Vorstellungsgesprächen erklärt worden waren, fand eine Weiterleitung der Bewerbungsunterlagen an den Personalrat, die Gleichstellungsbeauftragte und der Schwerbehindertenvertretung statt. Soweit das ArbG den beklagen Kreis deshalb zu einer Entschädigung i. H. v. 2.000 € verurteilt hatte, ist das Urteil auch rechtskräftig geworden. Mit überzeugender Begründung hat das LAG Schleswig-Holstein allerding den Antrag auf Prozesskostenhilfe, der für ein Berufungsverfahren gestellt wurde, mit dem weitere Entschädigungsansprüche verfolgt werden sollten, abgelehnt. Die Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung durch die fehlende Einladung zum Bewerbungsgespräch hat das LAG Schleswig-Holstein bereits mit der Begründung verneint, dass die klagende Partei zweifelsfrei fachlich nicht für die ausgeschriebenen Tätigkeiten geeignet gewesen sei. Die Beklagte habe pädagogisch ausgebildete Menschen für die Ausübung pädagogischer Tätigkeiten gesucht. Die geforderte Ausbildung für das näher beschriebene Aufgabengebiet war mit dem Nachweis einschlägiger staatlicher Anerkennung oder vergleichbarer Qualifikation angegeben. Die klagende Partei, die Rechtswissenschaft studiert und nie im pädagogischen Bereich tätig gewesen war, konnte diese Qualifikation nicht einmal im Ansatz darstellen. Damit war sie offensichtlich ungeeignet, so dass eine Einladung zum Vorstellungsgespräch nicht erfolgen musste (§ 165 S. 4 SGB IX). Auch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts war nach Auffassung des LAG Schleswig-Holstein nicht erkennbar. Ausgangspunkt war dabei die 429
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Annahme, dass die Zweigeschlechtlichkeit der klagenden Partei unter Berücksichtigung der Feststellungen des BVerfG vom 10.10.201775 von dem in § 1 AGG genannten Grund des „Geschlechts“ erfasst wird. Hiervon ausgehend sei eine Ausschreibung – so das LAG Schleswig-Holstein – geschlechtsneutral formuliert, wenn sie sich in ihrer gesamten Ausdrucksweise an alle Personen unabhängig vom Geschlecht richte. Dem werde zumindest dann Rechnung getragen, wenn in der Berufsbezeichnung die geschlechtsneutrale Form verwendet werde76. Diese Voraussetzungen habe der beklage Kreis mit seiner Ausschreibung erfüllt, die ergänzend hierzu auch noch den Hinweis „m/w/d“ enthielt. Das Gendersternchen diene – so das LAG Schleswig-Holstein – einer geschlechtersensiblen und diskriminierungsfreien Sprache. Es sei auf eine Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung zurückzuführen und sei momentan eine der am weitesten verbreiteten Methoden, um gendergerecht zu schreiben und die Vielfalt der Geschlechter deutlich zu machen. Denn mit dieser Schreibweise sollten Menschen angesprochen werden, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlten. Ebenso sollten Menschen angesprochen werden, die sich nicht dauerhaft und ausschließlich dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht zuordnen ließen. Ziel des Gendersternchens sei es, niemanden zu diskriminieren und auch inter-, trans- und zweigeschlechtliche Personen nicht zu benachteiligen. Damit solle das Sternchen nicht nur Frauen und Männer in der Sprache gleich sichtbar machen, sondern alle anderen Geschlechter symbolisieren und der sprachlichen Gleichbehandlung aller Geschlechter dienen77. Dieser Bewertung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Deutlicher kann die Absicht des Arbeitgebers, tatsächlich alle denkbaren Geschlechterformen bzw. Personen, ohne die Zuordnung zu einem Geschlecht zu erfassen, nicht erkennbar gemacht werden. (Ga)
10. Neue Vorgaben zur Arbeitnehmerüberlassung aus Luxemburg Bereits im Frühjahr hatten wir uns intensiv mit den unionsrechtlichen Vorgaben zur Ausgestaltung der Arbeitnehmerüberlassung befasst. Wegen der Einzelheiten sei auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen78. Eine weitere 75 76 77 78
BVerfG v. 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16, NJW 2017, 3643. Ebenso MüKo/Thüsing, AGG § 11 Rz. 5. LAG Schleswig-Holstein v. 22.6.2021 – 3 Sa 37 öD/21, NZA-RR 2021, 408 Rz. 26 ff. B. Gaul, AktuellAR 2021, 99 ff.
430
Neue Vorgaben zur Arbeitnehmerüberlassung aus Luxemburg
Vorlage des BAG vom 16.6.202179 und Schlussanträge des Generalanwalts vom 9.9.202180 sind Anlass, sich mit den Themen noch einmal zu befassen.
a)
Vorgaben der Richtlinie 2008/104/EG
Ausgangspunkt einer Diskussion über die Zulässigkeit und Wirkungsweise gesetzlicher und/oder tarifvertraglicher Regelungen zu einer Höchstüberlassungsdauer im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung müssen die Regelungen der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit81 sein. Danach gilt diese Richtlinie für Arbeitnehmer, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind und dem entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten (Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG). Daran anknüpfend definiert Art. 3 Abs. 1 lit. b Leiharbeitsunternehmen als eine natürliche oder juristische Person, die nach einzelstaatlichem Recht mit Leiharbeitnehmern Arbeitsverträge schließt oder Beschäftigungsverhältnisse eingeht, um sie entleihenden Unternehmen zu überlassen, damit sie dort unter deren Aufsicht und Leitung vorübergehend arbeiten. Leiharbeitnehmer sind Personen, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind, um einem entleihenden Unternehmen überlassen zu werden, um dort unter dessen Aufsicht und Leitung vorübergehend zu arbeiten (Art. 3 Abs. 1 lit. c Richtlinie 2008/104/EG). Ein entleihendes Unternehmen ist danach eine natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag und unter deren Aufsicht und Leitung ein Leiharbeitnehmer vorübergehend arbeitet (Art. 3 Abs. 1 lit. d Richtlinie 2008/104/EG). Überlassung wird in Art. 3 Abs. 1 lit. e als Zeitraum gekennzeichnet, während dessen der Leiharbeitnehmer dem entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, um dort unter dessen Aufsicht und Leitung vorübergehend zu arbeiten. Nach Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG sind Verbote oder Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeitnehmern nur aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt; hierzu zählen vor allem der Schutz der Leiharbeitnehmer, die Erfordernisse von Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz oder die Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes zu gewährleisten und eventuellen Missbrauch zu verhüten. Ergänzend dazu bestimmt Art. 5 Abs. 5 nicht nur, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen gemäß ihren nationalen Rechtsvorschriften und/oder 79 BAG v. 16.6.2021 – 6 AZR 390/20 (A), NZA 2021, 1269. 80 Generalanwalt EuGH v. 9.9.2021 - C-232/20, BeckRS 2021, 25410. 81 ABl. EU 2008, L 327, 9.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Gepflogenheiten ergreifen müssen, um eine missbräuchliche Anwendung von Art. 5 Richtlinie 2008/104/EG, der den Grundsatz der Gleichbehandlung regelt, zu verhindern. Art. 5 Abs. 5 bestimmt auch, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen haben, um insbesondere aufeinanderfolgende Überlassungen, mit denen die Bestimmungen der Richtlinie umgangen werden sollen, zu verhindern. Wie der EuGH in seinem Urteil vom 14.10.202082 – insoweit in Übereinstimmung mit den vorangehenden Feststellungen der Generalanwältin – deutlich gemacht hat, verpflichtet Art. 5 Abs. 5 Richtlinie 2008/104/EG die Mitgliedstaaten damit zwar, aufeinanderfolgende Überlassungen zu verhindern, mit denen die Bestimmungen der Richtlinie insgesamt umgangen werden sollen. Der EuGH begründet sein Verständnis insbesondere damit, dass die Richtlinie an verschiedenen Stellen zum Ausdruck bringe, dass Leiharbeitnehmer nur vorübergehend bei einem anderen Unternehmen eingesetzt würden. Mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG erkennt der EuGH aber zugleich an, dass die Richtlinie nicht verlange, auf nationaler Ebene Beschränkungen für aufeinanderfolgende Überlassungen desselben Leiharbeitnehmers bei demselben Entleiher vorzusehen oder die Rechtmäßigkeit einer befristeten Überlassung von der Angabe und/oder dem Vorliegen bestimmter Gründe abhängig zu machen.
b)
Gesetzliche und/oder tarifvertragliche Festlegung einer Höchstüberlassungsdauer
Seit dem 1.4.2017 enthalten die gesetzlichen Regelungen nicht mehr nur die abstrakte Feststellung, dass Leiharbeitnehmer vorübergehend einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen werden. Vielmehr bestimmt § 1 Abs. 1 S. 4 AÜG, dass die Überlassung von Arbeitnehmern nur vorübergehend bis zur Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1 b AÜG zulässig ist. § 1 Abs. 1 b AÜG bestimmt wiederum, dass der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate demselben Entleiher überlassen darf; spiegelbildlich darf der Entleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate tätig werden lassen. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen. Abweichende Regelungen können nach Maßgabe von § 1 Abs. 1 b S. 3 AÜG durch Tarifvertrag, Betriebs-
82 EuGH v. 14.10.2020 – C-681/18, NZA 2020, 1463 Rz. 46 ff. – JH.
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Neue Vorgaben zur Arbeitnehmerüberlassung aus Luxemburg
oder Dienstvereinbarung, die Geltung für den Betrieb des Entleihers beanspruchen, vereinbart werden. Schon in seinem Urteil vom 14.10.202083 hatte der EuGH deutlich gemacht, dass Art. 5 Abs. 5 S. 1 i. V. m. Art. 1, 2 Richtlinie 2008/104/EG die Mitgliedstaaten verpflichtet, nicht nur Maßnahmen zu ergreifen, um einen Missbrauch im Zusammenhang mit der Kettenüberlassung von Leiharbeitnehmern zu verhindern. Die Mitgliedstaaten seien auch verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um den vorübergehenden Charakter von Leiharbeit zu wahren. Diese Sichtweise bestätigt jetzt auch der Schlussantrag des Generalanwalts vom 9.9.202184. Danach seien die Mitgliedsstaaten aus Art. 5 Abs. 5 Richtlinie 2008/104/EG heraus verpflichtet, die Zahl der aufeinander folgenden Überlassungen desselben Arbeitnehmers bei demselben entleihenden Unternehmen zu begrenzen oder den Einsatz von befristeter Arbeitnehmerüberlassung von der Angabe der technischen oder mit der Produktion, der Organisation oder der Ersetzung eines Arbeitnehmers zusammenhängenden Gründe abhängig zu machen. Vielmehr sei einzelfallbezogen festzustellen, ob Umstände vorlägen, nach denen die Annahme gerechtfertigt sei, dass die Beschäftigungsdauer bei einem Unternehmen länger sei, als was vernünftigerweise noch als vorübergehend betrachtet werden könne. Die Frage, ob ein missbräuchlicher Einsatz von Arbeitnehmern im Rahmen von Leiharbeit vorliege, werde dabei aber nur zum Teil durch die Dauer der Überlassung beeinflusst. Zu berücksichtigen sei auch, ob eine objektive Erklärung gegeben sei, wie es zu einer Verlängerung aufeinander folgender Leiharbeitsverträge gekommen sei. Darüber hinaus sei festzustellen, ob es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis handele, auf das aufeinander folgende Leiharbeitsverträge unter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 5 Richtlinie 2008/104/EG künstlich angewandt worden seien. Dass eine Verlängerung der Höchstüberlassungsdauer nach den in einem Mitgliedsstaat geltenden Regelungen auch durch Tarifvertragsparteien vereinbart würde, die für den Einsatzbetrieb zuständig seien, hält der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 9.9.202185 für zulässig. Auch diese Tarifverträge müssten sich allerdings an den allgemeinen Grundsätzen zur Vermeidung eines Missbrauchs der Arbeitnehmerüberlassung messen lassen. Hiervon ausgehend hat der EuGH offenbar Zweifel, ob die im Streitfall in Rede stehende Überlassung eines Leiharbeitnehmers über eine Gesamtdauer 83 EuGH v. 14.10.2020 – C-681/18, NZA 2020, 1463 Rz. 60 ff., 63 – JH. 84 Generalanwalt EuGH v. 9.9.2021 – C-232/20 n. v. (Rz. 6 ff.) – Daimler. 85 Generalanwalt EuGH v. 9.9.2021 – C-232/20 n. v. (Rz. 9, 73 f.).
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
von 24 Monaten mit insgesamt 18 Verlängerungen nicht doch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei86. Die entsprechende Abwägung müsse aber durch das zuständige Gericht in den Mitgliedsstaaten erfolgen, was vorliegend das LAG Berlin-Brandenburg ist. Wir hatten über die entsprechende Vorlage und den zugrunde liegenden Sachverhalt im Frühjahr berichtet87.
c)
Vorübergehender Einsatz trotz Beschäftigung auf Dauerarbeitsplatz
Entgegen der im Vorabentscheidungsersuche des LAG Berlin-Brandenburg vom 13.5.202088 erkennbaren Auffassung geht der Generalanwalt allerdings davon aus, dass sich das Merkmal einer vorübergehenden Überlassung nicht auch auf die zu besetzenden Arbeitsplätze beziehe. Daher sei es mit der Richtlinie 2008/104/EG vereinbar, dass Leiharbeitnehmer durch den Entleiher auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt werden89. In seiner Begründung verweist der Generalanwalt darauf, dass das englische Wort „temporarily“ (vorübergehend) in Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 200/104/EG „lasting for only a limited period of time“ (nur für eine beschränkte Dauer), „not permanent“ (nicht dauerhaft) bedeute, sich jedoch nur auf die Zeiten der Überlassung des betreffenden Leiharbeitnehmers beziehe, nicht aber auf den Arbeitsplatz, auf dem er eingesetzt werde. Hiervon ausgehend seien dauerhaft vorhandene Arbeitsplätze wie auch nicht vertretungsweise besetzte Arbeitsplätze nicht automatisch vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/104/EG ausgeschlossen. Damit bestätigt der Generalanwalt die arbeitnehmer- nicht arbeitsplatzbezogene Kennzeichnung der Höchstüberlassungsdauer. Gleichzeitig weist der Generalanwalt aber darauf hin, dass die Art der Arbeit – aber auch die Frage, ob der Arbeitsplatz dauerhaft vorhanden sei oder nicht – bei der Prüfung zu berücksichtigen sei, ob es für die aufeinanderfolgende Überlassung von Leiharbeitnehmern an dasselbe entleihende Unternehmen eine objektive Erklärung gebe, so dass es sich dabei nicht um einen gegen Art. 5 Abs. 5 Richtlinie 2008/104/EG verstoßenden missbräuchlichen Einsatz von Arbeitnehmern handele90.
86 87 88 89 90
EuGH v. 14.10.2020 – C-681/18, NZA 2020, 1463 Rz. 66 ff. – JH. B. Gaul, AktuellAR 2021, 99, 100 ff. LAG Berlin-Brandenburg v. 13.5.2020 – 15 Sa 1991/19, NZA-RR 2020, 398 Rz. 33 f. Ebenso Klengel, AuR 2020, 456, 462. Generalanwalt EuGH v. 9.9.2021 – C-232/20 n. v. (Rz. 6) – Daimler.
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Neue Vorgaben zur Arbeitnehmerüberlassung aus Luxemburg
d)
Unzulässigkeit des gesetzlichen Stichtags zur Berechnung der Höchstüberlassungsdauer
In seinen weiteren Ausführungen hält es der Generalanwalt für unvereinbar mit der Richtlinie 2008/104/EG, wenn durch gesetzliche Regelungen festgelegt wird, dass zeitnah eine Überlassung, die vor einem bestimmten Stichtag liege, bei der Frage keine Berücksichtigung finde, ob ein missbräuchlicher Einsatz von Leiharbeit vorliege. Genau eine solche Regelung hat der Gesetzgeber aber in § 19 Abs. 2 AÜG getroffen. Danach werden Überlassungszeiten vor dem 1.4.2017 bei der Berechnung der Höchstüberlassungsdauer nach § 1 Abs. 1 b AÜG und der Berechnung der Überlassungszeit nach § 8 Abs. 4 S. 1 AÜG nicht berücksichtigt. Nach Auffassung des Generalanwalts steht eine solche Regelung im Widerspruch zu Art. 5 Abs. 5 2008/104/EG. Für den Leiharbeitnehmer ergeben sich daraus allerdings keine Ansprüche gegenüber dem Entleiher. Denn in Übereinstimmung mit dem EuGH geht der Generalanwalt davon aus, dass mitgliedsstaatliche Gesetze, die einen solchen Ausschluss von Überlassungszeiträumen vorsehen, im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen zwei Privatpersonen nur dann unangewendet zu lassen sind, wenn darin keine Auslegung contra legem der gesetzlichen Regelung liegt, wobei die Entscheidung darüber Sache des vorlegenden Gerichts sei. Hiervon ist mit Blick auf § 19 Abs. 2 AÜG auszugehen. In diesem Fall bleibt dem von einer rechtsmissbräuchlichen Dauer der Arbeitnehmerüberlassung betroffenen Leiharbeitnehmer nur die Möglichkeit, Deutschland auf Staatshaftung in Anspruch zu nehmen mit der Begründung, dass die erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen worden seien, um eine missbräuchliche Anwendung der Regelung zur Arbeitnehmerüberlassung zu verhindern91.
e)
Unionsrechtliche Schranken für eine tarifvertragliche Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung
Bereits mit Beschluss vom 16.12.202092 hatte das BAG den EuGH zur Klärung von Fragen im Zusammenhang mit der Abweichung vom Grundsatz der Gleichstellung von Leiharbeitnehmern und Stammarbeitnehmern durch Tarifvertrag angerufen. In dem zugrunde liegenden Fall war die Klägerin, Mitglied der Gewerkschaft ver.di, von April 2016 bis April 2017 aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags bei der Beklagten, die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung betrieb, als Leiharbeitnehmerin beschäftigt. Sie war einem Unternehmen des Einzelhandels für dessen Auslieferungslager als 91 Generalanwalt EuGH v. 9.9.2021 – C-232/20 n. v. (Rz. 63 f.) – Daimler. 92 BAG v. 16.12.2020 – 5 AZR 143/19 (A) n. v.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Kommissioniererin überlassen. Für ihre Tätigkeit erhielt sie zuletzt einen Stundenlohn i. H. v. 9,23 € brutto. Grundlage dafür waren Mantel-, Entgeltrahmen- und Entgelttarifverträge, die zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), dessen Mitglied die Beklagte war, mit mehreren Gewerkschaften – darunter ver.di – abgeschlossen worden waren. Sie enthielten Abweichungen von dem in § 8 Abs. 1 AÜG verankerten Grundsatz der Gleichstellung, insbesondere auch eine geringere Vergütung als diejenige, die Stammarbeitnehmer im Entleiherbetrieb erhielten. Die Klägerin vertrat die Auffassung, die Tarifverträge seien mit Art. 5 Abs. 1, 3 Richtlinie 2008/104/EG nicht vereinbar. Sie hat deshalb geltend gemacht, dass sie eine Vergütung wie vergleichbare Stammarbeitnehmer bei der Entleiherin im Einzelhandel in Bayern erhalten müsse. Die entsprechende Vergütung lag bei 13,64 € brutto. Gegenstand der Klage war die Differenzvergütung für die Zeit von Januar bis April 2017. Entgegen den Vorinstanzen, die die Forderung der Klägerin nicht für begründet gehalten hatten, sah sich der 5. Senat des BAG außerstande, ohne eine Vorabentscheidung des EuGH über die vom LAG Nürnberg zugelassene Revision zu entscheiden. Zwar erlaube Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/EG, den Sozialpartnern die Möglichkeit einzuräumen, Tarifverträge zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern beim Arbeitsentgelt und den sonstigen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung abwichen. Eine Definition des „Gesamtschutzes“ enthalte die Richtlinie aber nicht; sein Inhalt und die Voraussetzungen für seine „Achtung“ seien umstritten. Daran anknüpfend ist der EuGH insbesondere aufgefordert worden, den Begriff des „Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ in Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/EG zu definieren und zugleich klarzustellen, welche Voraussetzungen und Kriterien für die Annahme erfüllt sein müssen, um in einem Tarifvertrag von dem in Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG festgelegten Grundsatz der Gleichbehandlung abweichende Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern festzulegen. Auch dabei soll sich der EuGH mit der Frage befassen, ob es zulässig war, auf der Grundlage von § 19 Abs. 2 AÜG bei der Gesamtbetrachtung Zeiten vor dem 1.4.2017 auszugrenzen.
f)
Unionsrechtliche Zulässigkeit einer Privilegierung der Personalgestellung
In seinen Urteilen vom 14.10.2020 hatte der 7. Senat des BAG zu Recht klargestellt, dass das AÜG § 1 Abs. 3 Nr. 2 b AÜG auch dann keine Anwendung auf die Überlassung von Arbeitnehmern findet, nachdem Aufgaben eines Arbeitnehmers von dem bisherigen zu dem anderen Arbeitgeber verlagert 436
Neue Vorgaben zur Arbeitnehmerüberlassung aus Luxemburg
werden und aufgrund eines Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber weiter besteht und die Arbeitsleistung zukünftig bei dem anderen Arbeitgeber erbracht wird und die betroffenen Arbeitgeber in einer Rechtsform des Privatrechts organisiert seien93. Das macht bereits ein Vergleich mit § 1 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG deutlich, der von öffentlich-rechtlichen Rechtsträgern spricht. Es genügt daher für § 1 Abs. 3 Nr. 2 b AÜG, wenn bei dem ausgliedernden Rechtsträger die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes kraft Gesetzes zur Anwendung kommen und dort die Möglichkeit einer Personalgestellung vorgesehen ist. Entgegenstehende Auffassungen in Literatur94 und Rechtsprechung95 hat das BAG in diesem Zusammenhang ausdrücklich abgelehnt. Unabhängig von den weiterführenden Überlegungen des 7. Senats des BAG zu einer Geltung des Equal-Pay-Grundsatzes96, hat der 6. Senat des BAG allerdings Zweifel, ob diese Ausgrenzung der Personalgestellung aus dem Anwendungsbereich des AÜG mit den Vorgaben des EU-Rechts vereinbar ist. Das zeigt sich in seinem Vorlagebeschluss vom 16.6.202197. Mit dem Vorabentscheidungsersuchen möchte das BAG wissen, ob Art. 1 Abs. 2 2008/104/EG auch dann Anwendung findet, wenn – wie in § 4 Abs. 3 TVöD bestimmt – Aufgaben eines Arbeitnehmers zu einem Dritten verlagert werden und dieser Arbeitnehmer bei weiterbestehendem Arbeitsverhältnis zu seinem bisherigen Arbeitgeber auf dessen Verlangen die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleitung dauerhaft bei dem Dritten erbringen muss und dabei dem fachlichen und organisatorischem Weisungsrecht des Dritten unterworfen wird. Damit verbunden möchte das BAG wissen, ob es mit dem Schutzzweck der Richtlinie 2008/104/EG vereinbar sei, wenn die Personalgestellung aus dem Anwendungsbereich der nationalen Schutzvorschriften der Arbeitnehmerüberlassung herausgenommen werde, so dass diese Schutzvorschriften auf die Fälle der Personalgestellung nicht anzuwenden seien. Die Begründung des Vorlagebeschlusses macht deutlich, dass das BAG eine solche Bereichsausnahme grundsätzlich für vereinbar mit den Vorgaben der Richtlinie hält. Die Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer bei Überlassung sollten neben der Flexibilisierung des Personaleinsatzes Rahmenbedingungen für die Leiharbeit schaffen, durch die der soziale Schutz der Leiharbeitnehmer 93 94 95 96 97
BAG v. 14.10.2020 – 7 AZR 286/18 n. v. (Rz. 63 ff.). Vgl. Schüren/Hamann/Hamann, AÜG § 1 Rz. 691. Vgl. ArbG Frankfurt v. 14.8.2019 – 17 Ca 8542/18 n. v. BAG v. 14.10.2020 – 7 AZR 286/18 n. v. (Rz. 28 ff.). BAG v. 16.6.2021 – 6 AZR 390/20 (A), NZA 2021, 1269.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
unabhängig von deren vertraglichen Vereinbarungen gewährleistet werde. Das besondere Schutzbedürfnis von Leiharbeitnehmern entspringe dabei dem oftmals schwierigen Charakter ihrer Arbeitsverhältnisse. Die wechselnden, häufig nur wenige Wochen dauernden Einsätze erforderten eine große Anpassungsfähigkeit an neue betriebliche Gegebenheiten sowie ein hohes Maß an örtlicher Mobilität. Arbeitgeberspezifische Qualifikationen könnten auf diese Weise schwerer erworben werden, was zu geringeren Karrierechancen führen könne. Darum solle jedenfalls verhindert werden, dass die Leiharbeitnehmer das Lohnrisiko sowie die Gefahr eines geringeren Bestandsschutzes ihrer Arbeitsverhältnisse selbst trügen, weil etwa durch eine Synchronisierung des Zeitarbeitsverhältnisses zu ihrem Vertragsarbeitgeber mit der Einsatzdauer beim Entleiher das Risiko eines verminderten Arbeitsanfalls nicht – wie in anderen Arbeitsverhältnissen – vom Arbeitgeber, sondern allein vom Arbeitnehmer getragen werde98. Die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD bezwecke dagegen, dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis mit seinem Vertragsarbeitgeber zu den bisherigen tariflichen Bedingungen unter gleichzeitiger Fortsetzung seiner Tätigkeit im vertrauten Aufgabengebiet zu erhalten. Daher komme sie, abgesehen von Fällen einer reinen Funktionsnachfolge gerade dann zum Tragen, wenn Arbeitnehmer – wie der Kläger im Ausgangsverfahren – mit dem Übertritt zum neuen Aufgabenträger infolge eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs, z. B. wegen befürchteter Verschlechterung der Arbeitsbedingungen oder wegen möglicher Auswirkungen auf die Sicherheit des Arbeitsverhältnisses, nicht einverstanden seien. So könne der Dritte als potentieller neuer Arbeitgeber aus Sicht des Arbeitnehmers von Insolvenz bedroht sein oder so wenige Arbeitnehmer beschäftigen, dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Die von § 4 Abs. 3 TVöD eröffnete Möglichkeit der Personalgestellung wirke in einem solchen Fall der Gefahr entgegen, dass dem Arbeitnehmer wegen Wegfalls der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei seinem vertraglichen Arbeitgeber betriebsbedingt gekündigt werde. Sie sei damit ein Instrument zur Absicherung der von Aufgabenverlagerungen betroffenen Arbeitnehmer, die nicht in ein Arbeitsverhältnis beim Übernehmer übertreten wollten oder könnten99. Die vorstehenden Überlegungen des BAG finden zwar keine unmittelbare Entsprechung im Wortlaut der Richtlinie, berücksichtigen aber sehr überzeugend den Schutzzweck der unionsrechtlichen Vorgaben. Dies gilt umso mehr, wenn man sich vor Augen führt, dass die Personalgestellung auch eine 98 BAG v. 16.6.2021 – 6 AZR 390/20 (A), NZA 2021, 1269 Rz. 42. 99 BAG v. 16.6.2021 – 6 AZR 390/20 (A), NZA 2021, 1269 Rz. 43.
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Aktuelle Entwicklungen im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes
Absicherung von Ansprüchen der betrieblichen Altersversorgung gilt, die über Zusatzversorgungskassen abgewickelt werden. Diese Form der betrieblichen Altersversorgung kann nicht mehr zur Anwendung kommen, wenn der übernehmende Rechtsträger außerhalb des Geltungsbereichs dieser Versorgungsträger beschäftigt ist. Dies aber macht nicht nur alternative – in der Zukunft möglicherweise auch schlechtere – Formen der betrieblichen Altersversorgung erforderlich. Es verpflichtet den ausgliedernden Arbeitgeber im Regelfall auch zu Gegenwertzahlungen, die eine erhebliche wirtschaftliche Belastung bedeuten und damit auch Arbeitsplätze, die beim ausgliedernden Arbeitgeber verblieben sind, gefährden. Vor diesem Hintergrund wäre es durchaus gerechtfertigt, diese Form der Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 AÜG zu bestätigen. Ob bei einer solchen Entscheidung daraus allerdings auch Anhaltspunkte für eine privilegierte Arbeitnehmerüberlassung im Konzern gewonnen werden können, bleibt abzuwarten. (Ga)
11.
Aktuelle Entwicklungen im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes
Bereits im Frühjahr hatten wir eingehend auf die aktuellen Entwicklungen im Arbeitnehmerdatenschutz hingewiesen100. Dabei ging es ganz wesentlich um die Voraussetzungen von Schadensersatzansprüchen, die durch Missachtung datenschutzrechtlicher Vorschriften insbesondere auf der Grundlage von Art. 82 DSGVO ausgelöst werden. Darüber hinaus hatten wir uns mit Einzelheiten des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO befasst. Beide Themen sind auch im weiteren Teil des Jahres Gegenstand einer Reihe von Entscheidungen gewesen, so dass es geboten erscheint, einen Teil der diesbezüglichen Fragestellungen noch einmal aufzugreifen. Die Vorlage des BAG im Zusammenhang mit der Abberufung eines Datenschutzbeauftragten, der zugleich Betriebsratsvorsitzender war, wird an anderer Stelle behandelt101.
a)
Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO
Eine Erhebung, Speicherung und Nutzung von Daten ohne Erlaubnis oder gesetzliche Grundlage kann zu Haftung und Schadensersatzansprüchen der davon betroffenen Person nach Art. 82 DSGVO führen. Dabei werden materieller und immaterieller Schaden erfasst. Anspruchsgegner: Der Anspruch richtet sich gegen „jeden an einer Verarbeitung beteiligten Verantwortlichen“, wenn und soweit der Schaden durch 100 101
B. Gaul, AktuellAR 2021, 111 ff. Boewer, AktuellAR 2021, 587 ff.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde. Bei der Auftragsdatenverarbeitung haftet das beauftragte Unternehmen allerdings nur dann, wenn es entgegen den übertragenen Pflichten oder unter Nichtbeachtung einer rechtmäßigen Weisung tätig geworden ist. In jedem Fall soll der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter von seiner Haftung aber nur befreit werden, wenn er nachweist, dass er in keiner Weise für den Schaden verantwortlich ist (Erwägungsgrund 145 DSGVO). Ansprüche sonstiger Personen, die in einen Vorgang ohne unmittelbare Verantwortlichkeit gegenüber der betroffenen Person eingebunden sind, werden von Art. 82 DSGVO nicht erfasst. So ist eine Haftung von Vorstand, Geschäftsführung oder Datenschutzbeauftragten ausgeschlossen102. Exkulpationsmöglichkeit bei Verstößen durch Arbeitnehmer und Betriebsrat: Grundsätzlich verlangt der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers kein schuldhaftes Handeln des Arbeitgebers. Nach ganz überwiegender Auffassung genügt es, dass dieser durch die von ihm ursächlich betriebene Verarbeitung personenbezogener Daten gesetzliche Schranken missachtet hat103. Problematisch ist aber, wenn im Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften eintreten, bei denen klare Handlungsvorgaben des Arbeitgebers durch einzelne Mitarbeiter missachtet werden104. Ebenso problematisch sind Verstöße des Betriebsrats gegen datenschutzrechtliche Vorgaben. Denn gerade, weil der Betriebsrat mit § 79 a BetrVG zu Recht als Teil der verantwortlichen Stelle bestimmt wird, kann dies eine Haftung des Arbeitgebers zur Folge haben. Wie bereits an anderer Stelle aufgezeigt105, kommt es in diesem Zusammenhang darauf an, dass der Arbeitgeber nachweisen kann, jedenfalls seinen Verpflichtungen zur Unterweisung, Organisation und Anweisung (gegenüber Arbeitnehmern) bzw. zur Hinwirkung und Unterstützung (gegenüber dem Betriebsrat) nachgekommen zu sein. Insofern ist zu dokumentieren, welche Regelungen der Arbeitgeber für den Schutz personenbezogener Daten im Unternehmen implementiert und welche Maßnahmen (einschließlich einer Unterweisung und Überwachung) durchgeführt wurden, um die Einhaltung dieser Vorschriften sicherzustellen.
102 Paal, MMR 2020, 14. 103 Vgl. BAG v. 26.8.2021 – 8 AZR 253/20 (A) n. v. (Rz. 39); a. A. Paal, MMR 2020, 14, 17. 104 Vgl. hierzu Ambrock, ZD 2020, 492, 496; Hanßen, DB 2020, 2730. 105 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 573 ff.
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Aktuelle Entwicklungen im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes
Denn der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird nur dann von der Haftung gemäß Art. 82 Abs. 2 DSGVO befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist (Art. 82 Abs. 3 DSGVO). Folgt man dem BAG in seinem Vorlagebeschluss vom 26.8.2021106, knüpft dies an eine fehlende Beteiligung bzw. Kausalität an. Darlegungs- und beweisbelastet dafür ist allerdings der Verantwortliche selbst. Er muss nicht nur darlegen, die durch die Verordnung begründeten Verpflichtungen erfüllt zu haben107. Es muss – so das BAG – weiterhin deutlich werden, dass der haftungsbegründende Tatbestand auf einem unzulässigen Eingriff durch einen Dritten beruht, der trotz aller gebotenen Sorgfaltsmaßnahmen keinen Erfolg hatte. Das dürfte allerdings auch bei einem Handeln von Arbeitnehmern und/oder Betriebsratsmitgliedern gegeben sein, die gegen klare Vorgaben (Arbeitnehmer) und Handlungshinweise (Betriebsrat) verstoßen. Kann diese Verantwortlichkeit nicht widerlegt werden, ist der Schadensersatzanspruch zwar dem Grunde nach anzuerkennen, nicht ausgeschlossen ist aber, dass der Grad der Verantwortlichkeit bzw. ein fehlendes oder geringes Verschulden eine Minderung oder den Ausschluss des Schadensersatzanspruchs rechtfertigt. Das hält das BAG berechtigterweise für möglich, hat aber den EuGH um Vorabentscheidung ersucht108. Kennzeichnung des immateriellen Schadens: Erwägungsgrund 146 DSGVO legt nahe, dass der Begriff des immateriellen Schadens weit zu verstehen ist. Der immaterielle Schaden eines Arbeitnehmers durch Missachtung datenschutzrechtlicher Vorschriften kann beispielsweise darin liegen, dass die Vertraulichkeit der Daten verloren geht, dass Daten für unzulässige Zwecke genutzt werden (z. B. Diskriminierung) oder dass die betroffene Person die Kontrolle über die personenbezogenen Daten verliert109. Das betrifft beispielsweise auch Bewerber, wenn ihre Daten außerhalb der eigentlichen Bewerbung oder einer weitergehenden Einwilligung genutzt werden110. Darüber hinaus können die übermittelten Daten eine Rufschädigung bei Behörden, der Öffentlichkeit oder Dritten zur Folge haben.
BAG v. 26.8.2021 – 8 AZR 253/20 (A) n. v. (Rz. 40). So LG Rostock v. 15.9.2020 – 3 O 762/19 n. v. BAG v. 26.8.2021 – 8 AZR 253/20 (A) n. v. (Rz. 38). Vgl. ArbG Dresden v. 26.8.2020 – 13 Ca 1046/20 n. v. (Rz. 15) m. Anm. Böhm/Brams, NZA-RR 2020, 671. 110 Vgl. LG Darmstadt v. 26.5.2020 – 13 O 244/19 n. v. 106 107 108 109
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
In Übereinstimmung mit den Feststellungen des BAG in seinem Vorlagebeschluss vom 26.8.2021111 genügt es für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aus Art. 82 DSGVO, wenn eine Verletzung der DSGVO und diese konkretisierenden Vorschriften des nationalen Rechts geltend gemacht wird. Es ist nicht erforderlich, dass die verletzte Person einen (weiteren) von ihr erlittenen immateriellen Schaden darlegt. Insbesondere muss sie keine Konsequenz oder Folge der Rechtsverletzung von zumindest einigem Gewicht darlegen. Höhe des Schadensersatzanspruchs: Bei der Höhe des Schadensersatzes berücksichtigen die Gerichte alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere Schwere und Dauer des Verstoßes, die Art der betroffenen Daten (vor allem bei besonderen personenbezogenen Daten), das Gewicht des eingetretenen Schadens, den Grad des Verschuldens oder Maßnahmen zur Minderung des der Person entstandenen Schadens112. Hiervon geht auch das BAG in seinem Vorlagebeschluss vom 26.8.2021113 aus. Da Art. 82 DSGVO oder vorangehende Rechtsprechung des EuGH diese Frage aber nicht beantwortet, will das BAG im Rahmen der Vorabentscheidung wissen, ob diese Berücksichtigung des Grads des Verschuldens bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden Schadens zulässig sei. Insbesondere sei dabei fraglich, ob ein nicht vorliegendes oder geringes Verschulden auf Seiten des Verantwortlichen (bzw. des Auftraggebers) zu dessen Gunsten berücksichtigt werden dürfe. Ausgangspunkt ist dabei die Annahme des 8. Senats, dass es für eine Haftung nach Art. 82 DSGVO nicht auf das Verschulden des Verantwortlichen ankomme, der Schadensersatzanspruch dem Grunde nach also verschuldensunabhängig ausgestaltet sei. Darüber hinaus wird zu berücksichtigen sein, dass die betroffenen Personen nach Erwägungsgrund 146 DSGVO einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten sollen. Daraus wird teilweise die Auffassung abgeleitet, dass der Anspruch eine abschreckende Höhe haben müsse114.
111 BAG v. 26.8.2021 – 8 AZR 253/20 (A) n. v. (Rz. 33). 112 Vgl. AG Pforzheim v. 25.3.2020 – 13 C 160/19 n. v.; Wybitul/Haß/Albrecht, NJW 2018, 113, 115. 113 BAG v. 26.8.2021 – 8 AZR 253/20 (A) n. v. (Rz. 38 ff). 114 LG Lüneburg v. 14.7.2020 – 9 O 145/19 n. v.; AG Hildesheim v. 5.10.2020 – 43 C 145/19 n. v.; ArbG Dresden v. 26.8.2020 – 13 Ca 1046/20 n. v. (Rz. 17); AG Pforzheim v. 20.3.2020 – 13 C 160/19 n. v.; ähnlich Paal, MMR 2020, 14, 15; krit. OLG Dresden v. 20.8.2020 – 4 U 784/20, NJW-RR 2020, 1370; LG Karlsruhe v. 2.8.2019 – 8 O 26/19 n. v.
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Aktuelle Entwicklungen im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes
Für ein solches Verständnis spricht zunächst einmal, dass (auch) der Schadensersatzanspruch die Durchsetzung der Regelungen der DSGVO in den einzelnen Mitgliedstaaten bewirken, also der Wirksamkeit der unionsrechtlichen Handlungsvorgabe dienen soll (effet utile). Dagegen spricht aber, dass die „abschreckende“ Wirkung lediglich in Art. 83 DSGVO, also bei der Festsetzung von Geldbußen genannt wird. Hätte der Verordnungsgeber diese Wirkungsweise auch dem Anspruch auf Schadensersatz zuerkennen wollen, hätte es nahe gelegen, dies auch in Art. 82 DSGVO zu erwähnen. Das hätte der Vorgehensweise in Art. 17 Richtlinie 2000/78/EG, Art. 15 Richtlinie 2000/43/EG oder Art. 18, 25 Richtlinie 2006/54/EG entsprochen, die die abschreckende Wirkung von Schadensersatz ausdrücklich als eine denkbare – allerdings nicht zwingende115 – Sanktion zur Durchsetzung der Wirksamkeit einer der Richtlinien zur Gleichbehandlung benennen. Nachdem das BAG dem EuGH mit seinem Beschluss vom 26.8.2021116 jetzt die Frage vorgelegt hat, ob Art. 82 DSGVO spezial- bzw. generalpräventiven Charakter habe und dies bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu Lasten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters zu berücksichtigen sei, sollte bald eine Klarstellung erfolgen. Unabhängig davon, dass bei einer entsprechenden Festlegung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sei, will das BAG allerdings weiterhin wissen, ob die Höhe des Schadensersatzanspruchs von den Grundsätzen der Effektivität und der Äquivalenz zu berücksichtigen seien. Dabei geht das BAG zwar davon aus, dass Art. 82 DSGVO keine Verweisung auf das Recht der Mitgliedstaaten der EU enthalte und daher in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erfahren müsse. Gleichwohl könnten – so das BAG – womöglich in der Praxis unterschiedlich hohe Entschädigungsbeträge in den Mitgliedstaaten in vergleichbaren Fällen bei der Höhe eines immateriellen Schadensersatzes im Widerspruch zum Grundsatz der Äquivalenz stehen. Ausgrenzung von Bagatellverstößen: Soweit in der aktuellen Rechtsprechung darauf verwiesen wird, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht für die betroffene Person „spürbar“ sein müsse, Bagatellverstöße also auszugrenzen seien117, dürfte dies mit den unionsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar
115 Vgl. EuGH v. 17.12.2015 – C-407/14, NZA 2016, 471 Rz. 34 ff. – Arjona Camacho. 116 BAG v. 26.8.2021 – 8 AZR 253/20 (A) n. v. (Rz. 35 ff). 117 So OLG Dresden v. 11.12.2019 – 4 U 1680/19, NJW-RR 2020, 426; LG Landshut v. 6.11.2020 – 51 O 513/20 n. v.; LG Köln v. 7.10.2020 – 28 O 71/20 n. v.; AG Hannover
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sein. Das gleiche gilt, wenn verlangt wird, dass „benennbare und tatsächliche Persönlichkeitsverletzungen“ dargelegt werden118 oder ein bloßes „Gefühl des Unbehagens“ nicht als ausreichend verstanden wird119. Für die letztgenannte Auffassung streitet zwar, dass der Schaden in Art. 82 DSGVO nicht per se vermutet wird. Gegen die Ausgrenzung von Bagatellschäden spricht aber bereits, dass diese Einschränkung im Wortlaut von Art. 82 DSGVO nicht angelegt ist. Richtigerweise wird man daher einzelfallbezogen ohne Rücksicht auf etwaige Schranken das Vorliegen eines Schadens prüfen müssen120. So ist von einem relevanten Schaden immer dann auszugehen, wenn ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften gegeben ist, der einen Kontrollverlust bei den betroffenen Personen zur Folge hat, so dass auch vermeintliche Bagatellverstöße zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs ausreichen 121. Damit überzeugt es auch nicht, weiterhin eine „gewisse Erheblichkeit“ zu verlangen122. Insofern reicht es, wenn – wie dargestellt – durch den Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften ein Kontrollverlust des Arbeitnehmers in Bezug auf seine personenbezogenen Daten manifestiert wird. Von dieser Sichtweise geht auch das BAG in seinem Vorlagebeschluss vom 26.8.2021123 aus, wobei das Gewicht der Rechtsverletzung in dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall gegeben war, so dass dieser Aspekt die Vorlage nicht erforderlich gemacht hatte. Ungeachtet dessen wäre eine solche Vorlage notwendig, wenn die Wesentlichkeit eines Schadens in Rede stünde, nachdem schon das BVerfG in seinem Beschluss vom 14.1.2021124 auf die Klärungsbedürftigkeit hingewiesen und deshalb einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des AG Goslar vom 27.9.2019125 stattgegeben hatte.
118 119 120 121
122 123 124 125
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v. 9.3.2020 – 531 C 10952/19 n. v.; AG Bochum v. 11.3.2019 – 65 C 485/18 n. v.; AG Diez v. 7.11.2018 – 8 C 130/18 n. v. So LG Hamburg v. 4.9.2020 – 324 S 9/19 n. v. So AG Frankfurt v. 10.7.2020 – 385 C 155/19 (70) n. v. Vgl. OLG Dresden v. 11.6.2019 – 4 U 760/19 n. v., das insoweit Fallgestaltungen mit einem bewusst rechtswidrigen Verhalten einbeziehen will. Vgl. LAG Hamm v. 11.5.2021 – 6 Sa 1260/20 n. v. (Rz. 64 f.); LG Lüneburg v. 14.7.2020 – 9 O 145/19 n. v.; unklar LG Darmstadt v. 26.5.2020 – 13 O 244/19 n. v., das von einem Überschreiten der „Bagatellgrenze“ spricht. So aber Wybitul, NJW 2019, 3265, 3268. BAG v. 26.8.2021 – 8 AZR 253/20 (A) n. v. (Rz. 33 f.). BVerfG v. 14.1.2021 – 1 BvR 2853/19, NJW 2021, 1005 Rz. 17 ff. AG Goslar v. 27.9.2019 – 28 C 7/19 n. v.
Aktuelle Entwicklungen im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes
b)
Anspruch auf Auskunft und Erteilung einer Datenkopie gemäß Art. 15 DSGVO
Erforderlichkeit einer Konkretisierung des Auskunftsverlangens: Im Mittelpunkt der aktuellen Entscheidungen zu Art. 15 DSGVO steht derzeit die Frage, welche personenbezogenen Daten von dem Anspruch auf Auskunft und Erteilung einer Kopie nach Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO erfasst sind. Ausgangspunkt ist dabei, dass der Begriff der personenbezogenen Daten alle Informationen erfasst, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen (Art. 4 Nr. 1 DSGVO)126. Angesichts der klaren Begrenzung, wie sie im unterschiedlichen Wortlaut der beiden Absätze erkennbar wird, erscheint es allerdings geboten, im Rahmen von Art. 15 Abs. 3 DSGVO nur die personenbezogenen Daten zu berücksichtigen, nicht aber die weitergehenden Informationen, wie sie in Art. 15 Abs. 1 lit. a bis h DSGVO genannt werden127. Wie das BAG bereits im Urteil vom 27.4.2021128 deutlich gemacht hat, verlangt Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO aber, dass der Arbeitnehmer sein Verlangen konkretisiert. Es müsse bereits im Klageantrag in vollstreckungsfähiger Weise erkennbar sein, welche personenbezogenen Daten Gegenstand des Klagebegehrens sein sollen. Ggf. müssen Auskunft und Überlassung einer Kopie im Wege einer Stufenklage geltend gemacht werden. Das folgt bereits aus dem Erwägungsgrund 63 DSGVO. Danach kann der Verantwortliche verlangen, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Information oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, bevor er die Auskunft erteilt. Wie das LAG Niedersachsen ausgeführt hat, obliegt es damit dem Auskunftsersuchenden, sein Auskunftsverlangen auf bestimmte Dokumente zu konkretisieren129. Kennzeichnung der einzubeziehenden Daten: Die Auskunfts- und Überlassungspflicht ist nicht auf sensible oder private Daten beschränkt. Vielmehr werden alle Daten i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO erfasst130. Wenn diese Konkretisierung erfolgt ist, werden daher folgende Daten einbezogen: • Identifikationsmerkmale (z. B. Name, Anschrift, Geburtsname)131,
126 OLG Köln v. 26.7.2019 – I-20 U 75/18, 20 U 75/18, CR 654 Rz. 303. 127 Abw. OLG Stuttgart v. 17.6.2021 – 7 U 325/20 n. v. (Rz. 80), das auch die Angaben nach lit. a) bis h) einbezieht. 128 BAG v. 27.4.2021 - 2 AZR 342/20, NZA 2021, 2379 Rz. 16 ff. 129 LAG Niedersachen v. 9.6.2020 – 9 Sa 608/19, NZA-RR 2020, 571 Rz. 45. 130 BGH v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19, DB 2021, 1803 Rz. 22. 131 OLG Köln v. 26.7.2019 – I-20 U 75/18, 20 U 75/18, CR 654 Rz. 304; LAG Hamm v. 11.5.2021 – 6 Sa 1260/20 n. v. (Rz. 64 f).
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
• äußere Merkmale (z. B. Geschlecht, Augenfarbe, Größe und Gewicht)132, • innere Zustände (z. B. Meinungen, Motive, Wünsche, Überzeugungen und Werturteile)133, • sachliche Informationen (z. B. Vermögens- und Eigentumsverhältnisse, etwaige Prämien- oder Beitragskonten134, Dauer und Ursache einer Arbeitsunfähigkeit135, Urlaubszeiten oder sonstige Fehlzeiten136, Unterhaltspflichten, Kommunikations- und Vertragsbeziehungen, eine Behinderung und alle sonstigen Beziehungen dieser Person zu Dritten und ihrer Umwelt, Daten über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers137)138, • Informationen mit einer subjektiven und/oder objektiven Einschätzung zu dieser Person, was der Fall ist, wenn sie nach Inhalt, Zweck oder Auswirkungen mit der betroffenen Person verknüpft sind (z. B. Ergebnisse eines Assessmentcenters, Stellungnahme zu Bewerbung; Einschätzungen zu der Gesundheit der betroffenen Person)139, • Gesprächsnotizen zu Äußerungen der Person140, wozu auch Kündigungen, Widersprüche, Widerrufe etc. oder Erklärungen zum eigenen Gesundheitszustand gehören141.
Ob auch personenbezogene Metadaten, die bei der Verarbeitung von Daten entstehen, erfasst werden142, ist derzeit noch offen. In seiner Vorlage an den EuGH vom 9.8.2021143 hat das BVwG Republik Österreich insoweit um eine Vorabentscheidung ersucht. Ebenfalls offen ist nach dem vorstehend genannten Urteil des BAG vom 27.4.2021, ob bei E-Mails, die jedenfalls mit dem Namen des Arbeitnehmers 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143
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OLG Köln v. 26.7.2019 – I-20 U 75/18, 20 U 75/18, CR 654 Rz. 304. OLG Köln v. 26.7.2019 – I-20 U 75/18, 20 U 75/18, CR 654 Rz. 304. BGH v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19, DB 2021, 1803 Rz. 21. LAG Hamm v. 11.5.2021 – 6 Sa 1260/20 n. v. (Rz. 64 f.). LAG Hamm v. 11.5.2021 – 6 Sa 1260/20 n. v. (Rz. 64 f.). LAG Hamm v. 11.5.2021 – 6 Sa 1260/20 n. v. (Rz. 64 f.). OLG Köln v. 26.7.2019 – I-20 U 75/18, 20 U 75/18, CR 654 Rz. 304. BGH v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19, DB 2021, 1803 Rz. 22, 27; OLG Köln v. 26.7.2019 – I-20 U 75/18, 20 U 75/18, CR 654 Rz. 304. BGH v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19, DB 2021, 1803 Rz. 21, 27; OLG Köln v. 26.7.2019 – I-20 U 75/18, 20 U 75/18, CR 654 Rz. 305. OLG Stuttgart v. 17.6.2021 – 7 U 325/20 n. v. (Rz. 56 ff., 59). So Ehmann/Selmayr/Ehmann, DSGVO Art. 15 Rz. 34. BVwG Republik Österreich v. 9.8.2021 – W211 2222613-2/12 n. v.
Aktuelle Entwicklungen im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes
als Absender oder Empfänger und dem Zeitpunkt ihres Versands personenbezogene Daten enthalten, ein Anspruch darauf besteht, eine vollständigen Kopie zu erhalten, oder ob der Arbeitgeber sich darauf beschränken darf, im Rahmen von Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO mitzuteilen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine E-Mail durch bzw. an den Arbeitnehmer verschickt wurde, wenn die E-Mail selbst keine weiteren personenbezogenen Daten enthält144. Relevant würde dies beispielsweise in einer E-Mail, mit der der Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer oder eine Führungskraft über eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers in Kenntnis gesetzt würde. Hier wäre auch das Datum der Arbeitsunfähigkeit von Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO erfasst. Etwas anderes würde allerdings dann gelten, wenn durch den Arbeitnehmer eine E-Mail an einen Lieferanten geschickt würde, mit dem nur eine Anlieferung bestätigt wird. Hier enthält die E-Mail keine weitergehenden personenbezogenen Daten, die nach Art. 15 DSGVO relevant sind. Umgekehrt schließt die Rechtsprechung allerdings folgende Daten aus der Auskunftspflicht aus: • Daten, die zwar früher verarbeitet wurden, die zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens nicht mehr verfügbar sind145 oder • interne Bewertungen oder eine rechtliche Analyse des Verantwortlichen zu Ansprüchen der betroffenen Person146.
Dass es für den Arbeitgeber angesichts des Umfangs der im Unternehmen verarbeiteten Daten einen erheblichen Aufwand bedeutet, diese Daten zu isolieren und für eine Auskunft bzw. die Herausgabe einer Kopie nach Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO aufzubereiten, steht dem Anspruch nicht entgegen. Es sei – so das OLG Köln – Sache der verantwortlichen Stelle, die sich der elektronischen Datenverarbeitung bediene, diese im Einklang mit der Rechtsordnung zu organisieren und insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass dem Datenschutz und den sich daraus ergebenden Rechten Dritter Rechnung getragen werde147. Kennzeichnung einer Kopie: In seiner Vorlage an den EuGH vom 9.8.2021148 will das BVwG Republik Österreich nicht nur wissen, ob der Begriff der Kopie i. S. d. Art. 15 Abs. 3 DSGVO dahingehend auszulegen sei,
144 Vgl. BAG v. 27.4.2021 – 2 AZR 342/20, NZA 2021, 1053 Rz. 28. 145 LG Heidelberg v. 21.2.2020 – 4 O 6/19, ZD 2020, 313 Rz. 34. 146 EuGH v. 17.7.2014 – C-141/12, ZD 2014, 515 Rz. 39 ff.; BGH v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19, DB 2021, 1803 Rz. 28. 147 OLG Köln v. 26.7.2019 – I-20 U 75/18, 20 U 75/18, CR 654 Rz. 308. 148 BVwG Republik Österreich v. 9.8.2021 – W211 2222613-2/12 n. v.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
dass damit eine Fotokopie bzw. ein Faksimile oder eine elektronische Kopie eines (elektronischen) Datums gemeint sei, oder ob darunter auch eine Abschrift oder ein Duplikat bzw. Transkript falle. Das entspricht dem Streit über die Frage, ob es genügt, das verarbeitete Datum zu übermitteln, oder ob es erforderlich ist, das Datum innerhalb des verwendeten Kontextes in Form einer konkreten Abbildung dem Anspruchssteller zur Verfügung zu stellen149. Ausgehend davon, dass diese Begriffe auch im Rechtsverkehr vielfach synonym gebraucht werden, erscheint es schwierig, eine Erscheinungsform der Vervielfältigung aus dem Anwendungsbereich von Art. 15 Abs. 3 DSGVO auszuschließen. Gleichzeitig dürfte es ausreichend sein, auch die isolierte Übermittlung des verarbeiteten Datums ausreichen zu lassen. Wichtiger ist daher die Frage, ob Art. 15 Abs. 3 DSGVO einen allgemeinen Rechtsanspruch der betroffenen Person auf Ausfolgung einer Kopie – auch – gesamter Dokumente begründe, in denen personenbezogene Daten verarbeitet werden, bzw. auf Ausfolgung einer Kopie eines Datenbankauszugs bei Verarbeitung personenbezogener Daten oder ob damit – nur – ein Rechtsanspruch für die betroffene Person auf originalgetreue Reproduktion der nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO zu beauskunftenden personenbezogenen Daten begründet werde. Letztgenannte Sichtweise würde dem Arbeitgeber erlauben, auf eine Übermittlung einer Kopie ganzer Schriftstücke, E-Mails und sonstiger Datensätze zu verzichten und sich ohne weiteren Zusammenhang auf die Übermittlung der personenbezogenen Daten der jeweils betroffenen Person zu beschränken, die sich in dem Dokument befinden. Das Bundesverwaltungsgericht will deshalb auch wissen, ob es, wenn der EuGH der letztgenannten Auffassung folgen würde, im Einzelfall dennoch erforderlich sein kann, auch Textpassagen oder ganze Dokumente der betroffenen Person zur Verfügung zu stellen. Beispielhaft wird hier auf Diagnosen, Untersuchungsergebnisse oder Befunde verwiesen, was im arbeitsrechtlichen Kontext auf Feststellungen im Rahmen des bEM-Verfahrens oder eine Beurteilung im Rahmen eines Assessment-Centers übertragen werden kann. Das LAG Niedersachen hatte in seinem Urteil vom 9.6.2020150 noch abgelehnt, dem Arbeitnehmer Dokumente, in denen personenbezogene Daten enthalten seien, in ihrer Gesamtheit auszuhändigen. Nach seiner Auffassung geht der Anspruch auf Erteilung einer Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO nicht weiter als die in Art. 15 Abs. 1 DSGVO geregelten Pflichtangaben151. Ein Anspruch auf die Überlassung des gesamten Inhalts bestehe daher nicht, da es 149 So Engeler/Quiel, NJW 2019, 2201, 2202. 150 LAG Niedersachen v. 9.6.2020 – 9 Sa 608/19, NZA-RR 2020, 571. 151 Wybitul/Brams, NZA 2019, 672, 675.
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Aktuelle Entwicklungen im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes
sich insoweit schon nicht insgesamt um personenbezogene Daten i. S. d. Art. 15 DSGVO handele. Die weitergehende Auffassung, die den Anspruch auf ganze Datensätze erstrecke152, überzeuge nicht. Der Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 DSGVO spreche lediglich von Daten, die „Gegenstand der Verarbeitung“ seien, beziehe sich also auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Es sei deshalb ein gewisser Grad an Aussagekraft der Daten über die betroffene Person zu fordern. Zu Recht verweist das LAG Niedersachsen in diesem Zusammenhang auf den Erwägungsgrund 63 DSGVO. Auch dort ist von Daten die Rede, die „in“ den Patientenakten gespeichert sind. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat es das LAG Niedersachsen abgelehnt, einen Anspruch des Klägers anzuerkennen, ihm in Kopie den gesamten E-Mail-Verkehr, den er im Rahmen des Arbeitsverhältnisses selbst geführt oder erhalten hat, verfügbar zu machen153. Erfüllung des Auskunftsanspruch: Folgt man den Feststellungen des BGH im Urteil vom 15.6.2021154, ist ein Auskunftsanspruch grundsätzlich erfüllt, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Werde – so der BGH – die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Auskunft in weitergehendem Umfang nicht begründen. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die - gegebenenfalls konkludente - Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist155. Hiervon ausgehend verlangt der BGH, dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsverlangens vollständig abdecken wolle. Daran fehle es bereits, wenn sich der Auskunftspflichtige hinsichtlich einer bestimmten Kategorie von Auskunftsgegenständen nicht vollständig erklärt habe, etwa weil er irrigerweise davon ausgeht, er sei hinsichtlich dieser Gegenstände nicht zur Auskunft verpflichtet. Dann könne der Auskunftsberechtigte eine Ergänzung der Auskunft verlangen. Dies sollte in der betrieblichen Praxis bei Antworten auf entsprechende Auskunftsverlangen berücksichtigt werden. Ausschluss oder Einschränkung der Ansprüche aus Art. 15 DSGVO: Art. 15 Abs. 4 DSGVO erlaubt eine Einschränkung des Rechts auf eine Kopie
152 153 154 155
So OLG Köln v. 26.7.2019 – 20 U 75/18 n. v. (Rz. 299 ff.). LAG Niedersachsen v. 9.6.2020 – 9 Sa 608/19, NZA-RR 2020, 571 Rz. 66. BGH v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19, DB 2021, 1803 Rz. 19. Ebenso BGH v. 3.9.2020 – III ZR 136/18, NJW 2021, 765 Rz. 43.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
nur insoweit, als damit die Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigt würden. Allerdings sind weitere Regelungen zu prüfen156. Der üblicherweise mit der Erfüllung von Ansprüchen aus Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO verbundene Aufwand ist nicht erstattungsfähig und stellt auch keinen relevanten Erfüllungseinwand dar157. Das zeigt bereits Art. 15 Abs. 3 S. 2 DSGVO, wonach der Verantwortliche nur für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen kann. Das gilt selbst dann, wenn Auskunft oder Überlassung einer Kopie in Bezug auf Daten verlangt werden, die dem Arbeitnehmer bereits vorliegen158. Nur bei offenkundig unbegründeten oder – insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung – exzessiven Anträgen einer betroffenen Person kann der Verantwortliche entweder ein angemessenes Entgelt verlangen, bei dem die Verwaltungskosten für die Unterrichtung oder die Mitteilung oder die Durchführung der beantragten Maßnahme berücksichtigt werden, oder sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden159. Der Verantwortliche hat allerdings den Nachweis für diesen rechtsmissbräuchlichen Charakter des Antrags zu erbringen (Art. 12 Abs. 5 S. 2, 3 DSGVO)160. Dass die Auskunft in der betrieblichen Praxis auch zur Vorbereitung einer Geltendmachung weitergehender Ansprüche bzw. der Verteidigung in anderen Angelegenheiten nutzbar gemacht wird, ist hinzunehmen. Beispielhaft sei auf Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit einer verhaltensbedingten Kündigung, der Ablehnung einer Bewerbung oder dem Streit über ein Zeugnis verwiesen. Darin liegt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten161, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass auf Arbeitnehmerseite der Lästigkeitsfaktor solcher Auskunftsansprüche durchaus gesehen und als Mittel zur Förderung eines Vergleichs genutzt wird. (Ga)
12. Teilnahme einer Vertrauensperson der Beschäftigten nach § 167 Abs. 2 S. 2 SGB IX Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM) verdankt seine Entstehung dem Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung
Vgl. Hartung/Degginger, DB 20221, 2744 ff. OLG Stuttgart v. 17.6.2021 – 7 U 325/20 n. v. (Rz. 4). BGH v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19, DB 2021, 1803 Rz. 25. Vgl. BGH v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19, DB 2021, 1803 Rz. 33. Hiervon scheint das LG Heidelberg v. 21.2.2020 – 4 O 6/19, ZD 2020, 313 Rz. 35 ff. ausgegangen zu sein. 161 OLG Stuttgart v. 17.6.2021 – 7 U 325/20 n. v. (Rz. 71). 156 157 158 159 160
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Teilnahme einer Vertrauensperson der Beschäftigten nach § 167 Abs. 2 S. 2 SGB IX
schwerbehinderter Menschen vom 23.4.2004162 , das den damals noch geltenden § 84 Abs. 2 SGB IX a. F neu gefasst hat, um ein betriebliches Eingliederungsmanagement bei gesundheitlichen Störungen sicherzustellen. In der Gesetzesbegründung163 heißt es dazu: Durch die gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten soll ein betriebliches Eingliederungsmanagement geschaffen werden, das durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft sichert. Viele Abgänge in die Arbeitslosigkeit erfolgen immer noch aus Krankheitsgründen. Auch werden die Integrationsämter vor Beantragung einer Zustimmung zur Kündigung noch zu wenig eingeschaltet, damit rechtzeitig präventive Maßnahmen ergriffen werden können. Die Regelung verschafft der Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz dadurch einen stärkeren Stellenwert, dass die Akteure unter Mitwirkung des Betroffenen zur Klärung der zu treffenden Maßnahmen verpflichtet werden. Die Zustimmung und Mitwirkung des Betroffenen ist auch erforderlich, wenn die Interessenvertretung nach § 93 oder die Schwerbehindertenvertretung die Klärung verlangen.
Durch das Teilhabestärkungsgesetz vom 2.6.2021164, das am 9.6.2021 in Kraft getreten ist, wurde zuletzt in § 167 Abs. 2 SGB IX nach S. 1 der Satz eingefügt, dass Beschäftigte zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen können. Damit hat die gesetzliche Regelung folgende Fassung: (2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung i. S. d. § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen. Soweit erforderlich, wird der Werksoder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom 162 BGBl. I 2004, 606. 163 BT Drucks. 15/1783 S. 16. 164 BGBl. I 2021, 1387.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Arbeitgeber die Rehabilitationsträger oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 S. 2 erbracht werden. Die zuständige Interessenvertretung i. S. d. § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.
Das BAG165 hat in zahlreichen Entscheidungen der offen gestalteten gesetzlichen Regelung Konturen verschafft und Standards entwickelt, die für die betriebliche Praxis als Leitfaden dienen. Dazu gehört, dass das bEM alle Arbeitnehmer und nicht nur behinderte oder ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer betrifft166 und eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt, ohne ein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung zu sein167. Ist ein eigentlich erforderliches bEM unterblieben, trägt der Arbeitgeber die primäre Darlegungslast für dessen Nutzlosigkeit. Er hat von sich aus alle denkbaren oder vom Arbeitnehmer ggf. außergerichtlich genannten Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz in Betracht kommt168. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Obliegenheit aus § 167 Abs. 2 SGB IX ein Verfahren durchführt, das nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen an ein bEM genügt169. Ist die Durchführung eines bEM an der mangelnden Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers gescheitert, kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber den Betroffenen zuvor über die Ziele des bEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen hatte170. Da für die Durchführung eines bEM, das initiativ vom Arbeitgeber ausgehen muss und das Einverständnis des Betroffenen zwingende Voraussetzung ist, erweist sich das Unterlassen eines bEM als kündigungsneutral, wenn der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Aufklärung des Arbeitgebers der Durchführung die
165 Vgl. nur BAG v. 24.3.2011 – 2 AZR 170/10, NZA 2011, 993 Rz. 19 ff. m. w. N; zur Mitbestimmung des Betriebsrats BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 14/14, NZA 2016, 1283. 166 BAG v. 12.7.2007 – 2 AZR 716/06, NZA 2008, 173. 167 BAG v. 24.3.2011 – 2 AZR 170/10, NZA 2011, 993 Rz. 20. 168 BAG v. 13.5.2015 – 2 AZR 565/14, NZA 2015, 1249 Rz. 32 m. w. N. 169 BAG v. 24.3.2011 – 2 AZR 170/10, NZA 2011, 993 Rz. 22; BAG v. 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, NZA 2010, 398 Rz. 20. 170 BAG v. 24.3.2011 – 2 AZR 170/10, NZA 2011, 993 Rz. 23.
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Teilnahme einer Vertrauensperson der Beschäftigten nach § 167 Abs. 2 S. 2 SGB IX
Zustimmung verweigert. Mangels Zustimmung des Betroffenen darf keine Stelle unterrichtet oder eingeschaltet werden171. Was die ordnungsgemäße Aufklärung des Betroffenen anbelangt, reicht eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 167 Abs. 2 S. 4 SGB IX nicht aus; vielmehr hat der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG172 dem Arbeitgeber zu verdeutlichen, dass das Ziel des bEM darauf ausgerichtet ist, zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneute Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Der Betroffene muss aus dem Hinweis des Arbeitgebers entnehmen können, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das er selbst Vorschläge einbringen kann. Die Information des Arbeitgebers hat sich auch darauf zu beziehen, dass die zuständige Interessenvertretung, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, sowie erforderlichenfalls der Betriebsarzt an dem Verfahren beteiligt werden. Daneben hat der Arbeitgeber einen Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung vorzunehmen, der verdeutlicht, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten i. S. v. Art. 9 Abs. 1, 4 Nr. 15 DSGVO (besondere Kategorien personenbezogener Daten), § 26 Abs. 3 BDSG erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden, um zur Vermeidung neuer Arbeitsunfähigkeiten sowie zum Erhalt des Arbeitsplatzes beizutragen. Da die Durchführung des bEM nur mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person stattfinden kann, ist der Betroffene während der gesamten Durchführung des bEM Herr des Verfahrens. So kann der Betroffene das Verfahren jederzeit abbrechen, aber auch seine Zustimmung unter den Vorbehalt stellen, dass keine Beteiligung des Betriebsrats (Personalrats) und/oder der Schwerbehindertenvertretung stattfindet173. Darauf hat der Arbeitgeber im Rahmen der vorherigen Unterrichtung ausdrücklich hinzuweisen. Ist dieser Hinweis unterlassen worden, ist eine ordnungsgemäße Durchführung des bEM mit den sich daraus für den Arbeitgeber ergebenden nachteiligen Folgen für die Darlegungs- und Beweislast zu verneinen. Ob der Arbeitnehmer zusätzlich im Rahmen seiner Zustimmung eine Einwilligung (Art. 7 DSGVO) zur Verarbeitung sensibler Daten i. S. v. Art. 9 Abs. 2 a DSGVO erteilen muss 171 BAG v. 24.3.2011 – 2 AZR 170/10, NZA 2011, 993 Rz. 23. 172 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 Rz. 32 m. w. N. 173 BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 14/14, NZA 2016, 1283 Rz. 11.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
oder die Verarbeitung derartiger Daten durch Art. 9 Abs. 2 b DSGVO i. V. m. § 26 Abs. 3 BDSG erlaubt ist, bedarf noch abschließender Beurteilung durch die Rechtsprechung des BAG und/oder EuGH. Aus dem Gesetzestext des § 167 Abs. 2 S. 4 SGB IX erschließt sich nicht mit ausreichender Sicherheit, ob die jetzt eingefügte Möglichkeit der Hinzuziehung einer Vertrauensperson eigener Wahl ebenfalls zu den Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem vom bEM betroffenen Arbeitnehmer gehört. In der Beschlussempfehlung des 11. Ausschusses zu dem Gesetzesentwurf des Teilhabestärkungsgesetzes174 heißt es hierzu wie folgt: Wichtig für ein erfolgreiches betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) ist vor allem die Schaffung einer Vertrauensbasis zwischen Arbeitgebern und betroffenen Personen. Die Teilnahme einer Vertrauensperson auf Seiten der Betroffenen kann erheblich zum Erfolg des bEMVerfahrens beitragen. Insbesondere auch in Betrieben ohne Interessenvertretung soll den Beschäftigten die Möglichkeit nach weiterer Unterstützung im bEM eingeräumt werden. Aus diesem Grund wird § 167 Abs. 2 SGB IX dahingehend ergänzt, dass auf Wunsch der Beschäftigten zusätzlich auch eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzugezogen werden kann. Den Beschäftigten steht es frei, selbst zu wählen, wer als Vertrauensperson am bEM-Verfahren teilnehmen soll. Dabei kann es sich um ein Mitglied der Interessenvertretung, eine Person aus dem Betrieb oder um eine Person außerhalb des Betriebes handeln. Die Entscheidung ob und gegebenenfalls wer hinzugezogen wird, liegt alleine bei den bEM-Berechtigten. Die Arbeitgeber informieren die Beschäftigten über die Möglichkeit, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen.
Daraus folgt für die betriebliche Praxis die Notwendigkeit, den Betroffenen über die Möglichkeit der Hinzuziehung einer Vertrauensperson seiner Wahl zu unterrichten, ansonsten das bEM-Verfahren an einem Mangel leidet und nicht ordnungsgemäß ist. (Boe)
13. Unwirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen bei unzulässiger Verkürzung der gesetzlichen Verjährung Wir hatten in der Vergangenheit bereits darauf hingewiesen, dass das BAG seine bisherige Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen geändert und bei einem Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften, 174 BT-DruckS. 19/28834 S. 57.
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Unwirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen
die einer vertraglichen Verkürzung der gesetzlichen Verjährung entgegenstehen, eine Unwirksamkeit der Ausschlussfrist angenommen hatte175. Wie die aktuellen Entscheidungen vom 25.2.2021176 und vom 9.3.2021177 noch einmal deutlich machen, hängt die praktische Bedeutung dieser Unwirksamkeit allerdings ganz wesentlich davon ab, ob (nur) ein Verstoß gegen die Grundsätze der AGB-Kontrolle oder (auch) ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) in Rede steht. Denn während einer Missachtung der AGBKontrolle nur durch den Vertragspartner des Verwenders geltend gemacht werden kann, so dass der Arbeitgeber die Ausschlussfrist gegen sich gelten lassen muss, hat ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot außerhalb der AGB-Kontrolle nach § 134 BGB zur Folge, dass die Klausel insgesamt – also mit Wirkung für jede Vertragspartei – unwirksam ist. Eine geltungserhaltende Reduktion ist ausgeschlossen. Ausgangspunkt der vorstehend genannten Entscheidungen waren jeweils arbeitsvertragliche Ausschlussfristen, nach denen „alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ bzw. „alle Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis“ innerhalb einer Frist von drei Monaten geltend gemacht werden sollten, um ihren Untergang auszuschließen. Während in dem einen Fall keine weitergehenden Einschränkungen vereinbart worden waren, sah die andere Klauseln jedenfalls einen Ausschluss der Ausschlussfrist für Ansprüche aus unerlaubter Handlung vor. In beiden Entscheidungen ging es um Zahlungsansprüche, die außerhalb der in der Ausschlussfrist genannten Zeitspanne geltend gemacht wurden. In dem einen Fall stand eine Urlaubsabgeltung in Rede. In dem anderen Fall verlangte der Arbeitgeber die Herausgabe von Schmiergeldern bzw. Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung, die auf die im Bereich des Einkaufs tätige Klägerin zurückgeführt wurde. In beiden Fallgestaltungen hat das BAG eine Unwirksamkeit der Ausschlussfrist angenommen und deutlich gemacht, dass die jeweiligen Ansprüche in den Grenzen der gesetzlichen Verjährung geltend gemacht werden können. Soweit das BAG in früheren Entscheidungen noch die Auffassung vertreten hatte, dass im Hinblick auf die klare Rechtslage gesetzlicher Regelungen, die eine Verkürzung der Verjährung verwöhnten, regelmäßig davon auszugehen sei, dass die Vertragspartner mit Ausschlussklauseln in AGB, die alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfassten, keine Fälle anders als das Gesetz und 175 Vgl. Boewer, AktuellAR 2020, 97 ff., 2019, 89, 386 ff. Eingehend auch Bayreuther, NZA 2021, 1375 ff. 176 BAG v. 25.2.2021 – 8 AZR 171/19, NZA 2021, 1469. 177 BAG v. 9.3.2021 – 9 AZR 323/20, NZA 2021, 1257.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
unter Verstoß gegen die gesetzliche Verbotsnorm i. S. d. § 134 BGB regeln wollten, hat es diese noch einmal ausdrücklich ausgenommen. Insbesondere hält es nicht mehr daran fest, dass Vertragsklauseln, die nur in außergewöhnlichen, von den Vertragspartnern bei Vertragsabschluss nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fällen das Gesetz verschließen, wirksam seien. Von einem solchen Verständnis könne auch nicht im Wege einer Auslegung ausgegangen werden178. Abweichend von der früheren Rechtsprechung hat das BAG in beiden Fällen zu Recht deutlich gemacht, dass die Wirksamkeit der Ausschlussfrist bereits an dem Umstand scheiterte, dass sie entgegen § 202 Abs. 1 BGB auch Ansprüche als Folge einer Haftung wegen Vorsatzes begrenze. Der Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB führe nach § 134 BGB auch dann zur Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Regelung, wenn im Streitfall solche Ansprüche selbst gar nicht in Rede stünden179. Denn die Verjährung bei einer Haftung wegen Vorsatzes könne nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft verkürzt werden. Dabei gelte das Verbot für alle Schadensersatzansprüche, ob sie aus Delikt oder Vertrag begründet sind, und bezwecke in Ergänzung zu § 276 Abs. 3 BGB einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlichen Schädigungen. Da es sich in § 202 Abs. 1 BGB um eine Verbotsnorm i. S. d. § 134 BGB handele, könne eine Haftung aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung oder unerlaubter Handlung nicht durch vertragliche Ausschlussfristen ausgeschlossen werden180. Da beide Ausschlussfristen jeweils „alle Ansprüche“ aus dem Arbeitsverhältnis erfassten, lag ein Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB vor. Dass in einem der Arbeitsverträge gleichzeitig „Ansprüche aus unerlaubten Handlungen“ ausgeschlossen wurden, stand der Wirksamkeit aus Sicht des BAG nicht entgegen. Denn ein durchschnittlicher Vertragspartner des Verwenders könne allein durch diesen Hinweis nicht annehmen, dass die Ausschlussfristenregelung Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzungen nicht erfasse. Die Unwirksamkeit der Ausschlussfrist hat allerding nicht die Gesamtunwirksamkeit des Arbeitsvertrages zur Folge. Auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten im Arbeitsrecht, die nach § 310 Abs. 4 BGB in Zusammenhang mit der AGB-Kontrolle Ausnahmen rechtfertigen können, sei eine geltungs178 So das BAG v. 25.2.2021 – 8 AZR 171/19, NZA 2021, 1469 Rz. 62. 179 BAG v. 9.3.2021 – 9 AZR 323/20, NZA 2021, 1257 Rz. 14 ff.; BAG v. 25.2.2021 – 8 AZR 171/19, NZA 2021, 1469 Rz. 68 ff. 180 BAG v. 9.3.2021 – 9 AZR 323/20, NZA 2021, 1257 Rz. 15; BAG v. 24.9.2019 – 9 AZR 273/18, NZA 2020, 310 Rz. 25.
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Keine Anwendung des EU-Arbeitszeitrechts auf selbständig Beschäftigte
erhaltende Einschränkung der Ausschlussfrist ausgeschlossen. Dies folge bereits aus dem Umstand, dass sich § 310 Abs. 4 BGB auf die Anwendung des AGB-Rechts beziehe. § 202 Abs. 1 BGB verbiete aber – wie § 276 Abs. 3 BGB – die Beschränkung der Haftung wegen vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung oder unerlaubter Handlung generell, ohne Rücksicht darauf, auf welche Weise und auf wessen Initiative eine entsprechende Vereinbarung getroffen werde. Das Verbot sei umfassend. Niemand solle sich der Willkür des Vertragspartners aussetzen müssen. Auch eine Wirksamkeitskontrolle nach den Regelungen über die AGB und die Anwendung von § 310 Abs. 4 BGB könne deshalb nicht dazu führen, einer nach § 202 Abs. 1 BGB unwirksamen Vereinbarung Geltung zu verschaffen181. Damit aber ist es auch dem Arbeitgeber möglich, sich auf die Unwirksamkeit der Klausel zu berufen182. Entsprechend dem in § 306 Abs. 1 BGB erkennbaren Grundsatz bleibt dabei der Arbeitsvertrag im Übrigen allerdings wirksam183. Wichtig ist es, in der betrieblichen Praxis Ausschlussfristen auf die neue Rechtsprechung umzustellen. Dabei können zwar im Ausgangspunkt alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung erfasst werden. Gleichzeitig muss aber bereits im Rahmen der Ausschlussfrist deutlich gemacht werden, dass Ansprüche, bei denen eine Verkürzung der gesetzlichen Verjährung kraft zwingender Gesetze oder zwingender Kollektivvereinbarung unzulässig ist, von der Ausschlussfrist nicht erfasst werden. Wir hatten einen entsprechenden Formulierungsvorschlag bereits bei früherer Gelegenheit vorgelegt184. (Ga)
14. Keine Anwendung des EU-Arbeitszeitrechts auf selbständig Beschäftigte In seinem Beschluss vom 22.4.2020185 hat sich der EuGH intensiv mit der Frage befasst, ob die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) auch auf Kuriere zur Anwendung kommt, die auf der Grundlage einer Dienstleistungsvereinbarung beschäftigt werden. In dem Tenor seiner Entscheidung, die bislang nicht in deutscher Sprache verfügbar ist, hat der EuGH insoweit das Folgende festgestellt:
181 BAG v. 9.3.2021 – 9 AZR 323/20, NZA 2021, 1257 Rz. 27 ff. 182 BAG v. 25.2.2021 – 8 AZR 171/19, NZA 2021, 1469 Rz. 71. 183 BAG v. 9.3.2021 – 9 AZR 323/20, NZA 2021, 1257 Rz. 14; BAG v. 25.2.2021 – 8 AZR 171/19, NZA 2021, 1469 Rz. 72. 184 Boewer, AktuellAR 2019, 93. 185 EuGH v. 22.4.2020 – C-692/19, NZA 2021, 1246 – Yodel Delivery Network.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass sie dem entgegensteht, dass eine Person, die bei ihrem mutmaßlichen Arbeitgeber auf der Grundlage einer Dienstleistungsvereinbarung beschäftigt ist, in der es konkret heißt, dass sie selbständiger Unternehmer ist, als „Arbeitnehmer“ im Sinne dieser Richtlinie eingestuft wird, wenn sie über die Möglichkeit verfügt, für die Erbringung der Dienstleistung, die zu erbringen sie sich verpflichtet hat, Subunternehmer oder Stellvertreter in Anspruch zu nehmen, die verschiedenen von ihrem mutmaßlichen Arbeitgeber angebotenen Aufgaben anzunehmen oder nicht anzunehmen oder für diese einseitig eine Höchstzahl festzulegen, ihre Dienstleistungen jedem Dritten, einschließlich direkter Wettbewerber des mutmaßlichen Arbeitgebers, gegenüber zu erbringen und ihre „Arbeitsstunden“ im Rahmen bestimmter Parameter selbst festzulegen und sich ihre Zeit entsprechend ihren persönlichen Bedürfnissen und nicht ausschließlich nach den Interessen des mutmaßlichen Arbeitgebers einzuteilen, sofern zum einen die Unabhängigkeit dieser Person nicht fiktiv erscheint und zum anderen keine Begründung eines Unterordnungsverhältnisses zwischen ihr und ihrem mutmaßlichen Arbeitgeber festgestellt werden kann. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, diese Person unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte, die sie und die von ihrer ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit betreffen, im Hinblick auf die Richtlinie 2003/88/EG einzustufen.
Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist, dass es nicht darum geht, den Begriff des Arbeitnehmers im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie soweit zu verstehen, dass auch der hier in Rede stehende Kurier erfasst wird. Vielmehr hat der EuGH den Beschluss zum Anlass genommen, deutlich zu machen, dass dann, wenn im Einzelfall konkrete Anknüpfungspunkte für eine selbständige (unternehmerische) Tätigkeit gegeben sind, die für Arbeitnehmer bestimmten Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie weder unmittelbar noch analog zur Anwendung kommen. (Ga)
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D. Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub 1.
Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei unterlassener Information über die Möglichkeit einer Arbeitszeitverlängerung
Nach § 7 Abs. 3 TzBfG hat der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Veränderung von Dauer oder Lage oder von Dauer und Lage seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, über entsprechende Arbeitsplätze zu informieren, die im Betrieb oder Unternehmen besetzt werden sollen. Dabei sieht der Gesetzgeber für das Anliegen (Wunsch) des Arbeitnehmers nach einer Veränderung seiner Arbeitszeit weder eine besondere Form vor, noch verlangt der Gesetzgeber eine Begründung1. Bislang nicht höchstrichterlich abschließend geklärt ist die Frage, wann der Informationsanspruch des Arbeitnehmers nach § 7 Abs. 3 TzBfG gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt ist (§ 362 BGB). Es geht um die im Schrifttum umstrittene Frage, ob der Informationsanspruch des Arbeitnehmers auch dann fortbesteht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über entsprechende Arbeitsplätze informiert hat, ohne dass es zu einer Umsetzung der vom Arbeitnehmer gewünschten Arbeitszeitveränderung gekommen ist, oder ob der Arbeitnehmer bei derartigem Befund seinen Wunsch nach Veränderung der Arbeitszeit erneuern muss2. Ohne eine Lösung für diesen Streit anzubieten, hat das BAG3 für den Fall, dass der Arbeitgeber seiner Informationspflicht nach § 7 Abs. 3 TzBfG nicht nachgekommen ist, oder dem Arbeitnehmer eine Negativauskunft erteilt hat, noch keine Erfüllungswirkung bejaht, sodass der Arbeitnehmer nach Erhalt einer jeden Negativauskunft seinen Wunsch nach einer Verlängerung der Arbeitszeit nicht neu beim Arbeitgeber anbringen muss. Anderes kann nach Auffassung des BAG4 gelten, wenn der Arbeitnehmer den Wunsch geäußert hat, seine arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit nur für einen bestimmten Zeitraum befristet zu verlängern und feststeht, dass bis zum Ablauf dieses Zeitraums kein entsprechender Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Verletzt der Arbeitgeber pflichtwidrig und schuldhaft die ihm obliegende Informationspflicht nach § 7 Abs. 3 TzBfG, kann er sich nach §§ 280 Abs. 1, 1 2 3 4
BAG v. 21.1.2021 – 8 AZR 195/19, NZA 2021, 1022 Rz. 37. Vgl. die Literaturnachweise bei BAG v. 21.1.2021 – 8 AZR 195/19, NZA 2021, 1022 Rz. 39. BAG v. 21.1.2021 – 8 AZR 195/19, NZA 2021, 1022 Rz. 41. BAG v. 21.1.2021 – 8 AZR 195/19, NZA 2021, 1022 Rz. 42.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
3, 281 Abs. 2, 283 S. 1, 275 Abs. 1, 4, 251 Abs. 1, 252 BGB i. V. m. § 9 TzBfG schadensersatzpflichtig machen, wenn er die bevorzugte Berücksichtigung eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers verletzt und die Stelle endgültig mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt5. Eine derartige Fallkonstellation war Gegenstand eine Entscheidung des 8. Senats des BAG vom 21.1.20216. Die 1954 geborene Klägerin, eine promovierte Slawistin, war seit Oktober 2007 bei der Beklagten als Teilzeitbeschäftigte mit 19,5 Wochenstunden im Fachbereich Förderung beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich unter anderem nach dem TVöD. Aufgrund mehrerer schriftlicher Änderungsverträge wurde die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin jeweils befristet auf eine Vollzeitbeschäftigung mit 39 Wochenstunden erhöht. Die letzte Erhöhung auf die Vollarbeitszeit war bis zum 30.6.2011 befristet. Weitere befristete Aufstockungen der Arbeitszeit auf 34,5 Wochenstunden erfolgten bis zum 13.9.2012. Unter dem 11.6.2013 und sodann unter dem 14.11.2013 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und suchte um eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitsstunden auf 39 Stunden nach. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 26.11.2013 mit, dass ihrem Antrag auf Aufstockung der wöchentlichen Arbeitszeit mangels einer entsprechenden Stelle nicht entsprochen werden könne. Seit Mai 2014 wurde die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen im Fachbereich Extremismus eingesetzt. Zum 1.11.2014 stellte die Beklagte den 1983 geborenen H und die 1989 geborene D sowie am 15.1.2015 den 1985 geborenen W mit jeweils auf zwei Jahre sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen im Fachbereich Förderung als Sachbearbeiter ein. Diese drei Arbeitnehmer wurden im Rahmen von Leistungsbewertungen deutlich besser beurteilt als die Klägerin. Auf den erneuten Antrag der Klägerin vom 13.6.2015, die vereinbarte Arbeitszeit zu erhöhen, teilte die Beklagte wiederum mit, nicht über entsprechende Stellen zu verfügen. Nach Ablauf der befristeten Arbeitsverträge wurden H und D ab 1.11.2016 und W ab 15.1.2017 unbefristet weiterbeschäftigt. Die Klägerin hat die Beklagte auf Schadensersatz i. H. v. 71.361,96 € in Anspruch genommen und auf den schriftsätzlichen Hinweis der Beklagten während der prozessualen Auseinandersetzung, die befristeten Stellen seien geschaffen worden, um junge qualifizierte Nachwuchskräfte zu gewinnen und eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, ihre Klage um eine angemessene Entschädigung, die drei Monatsgehälter nicht unterschreiten sollte, nach § 15 Abs. 2 AGG erweitert. Das ArbG hat der Klägerin entgangene Differenzvergütung für die
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BAG v. 21.1.2021 – 8 AZR 195/19, NZA 2021, 1022 Rz. 58. BAG v. 21.1.2021 – 8 AZR 195/19, NZA 2021, 1022.
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Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei unterlassener Information
Zeit von Januar 2016 bis Oktober 2017 i. H. v. 52.033,64 € sowie eine Entschädigung i. H. v. 3000 € zugesprochen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihre Schadensersatzansprüche für die Zeit von November 2017 bis Mai 2018 um 19.328,32 € erweitert, die das LAG unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten zugesprochen hat. Auf die Revision der Beklagten hat das BAG die Schadensersatzklage der Klägerin vollständig abgewiesen, jedoch die Revision zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG i. H. v. 3000 € als unbegründet zurückgewiesen. Entgegen der Annahme des LAG hat das BAG eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten i. H. v. 71.361,96 € als Differenz zwischen dem der Klägerin in der Zeit von Januar 2016 bis Mai 2018 gezahlten Entgelt und dem ihr in diesem Zeitraum bei einer Vollzeittätigkeit zustehenden Entgelt verneint, weil die pflichtwidrige Verletzung der Informationspflicht nach § 7 Abs. 3 TzBfG durch den Arbeitgeber einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach §§ 280 Abs. 1, 251 Abs. 1, 252 BGB nur dann auslösen kann, wenn der Arbeitnehmer sich bei erfolgter Information durch den Arbeitgeber auf die Stelle beworben hätte und darlegt sowie gegebenenfalls beweist, dass er die Stelle auch tatsächlich hätte erhalten müssen. Das BAG geht grundsätzlich davon aus, dass sich der Arbeitgeber nach § 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1, 275 Abs. 1, 4, 251 Abs. 1, 252 BGB i. V. m. § 9 TzBfG wegen Verletzung der Pflicht zur bevorzugten Berücksichtigung bei der Besetzung schadensersatzpflichtig machen kann, wenn er schuldhaft die Informationspflicht nach § 7 Abs. 3 TzBfG gegenüber dem Arbeitnehmer verletzt. Auf den Streitfall bezogen konnte dieser Schaden in Gestalt der Differenzzahlung zwischen der Teilzeitvergütung und der Vollzeitvergütung zum Nachteil der Klägerin nur unter der Prämisse eintreten, dass sie bei einer Wahrnehmung der Unterrichtungspflicht durch die Beklagte einen der drei Vollzeitarbeitsplätze, die von der Beklagten besetzt worden sind, auf ihre Bewerbung hätte erhalten müssen. Diese Frage war unter Berücksichtigung von § 9 TzBfG zu beantworten. Danach hat der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm (in Textform) den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes bevorzugt zu berücksichtigen. Diese Berücksichtigungspflicht entfällt unter anderem dann, wenn der Arbeitgeber nicht über einen entsprechenden freien Arbeitsplatz verfügt oder der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nicht mindestens gleich geeignet ist wie ein anderer vom Arbeitgeber bevorzugter Bewerber. Im Lichte dieser Vorgaben aus § 9 TzBfG ist das BAG davon ausgegangen, dass die Beklagte weder zum Ende des Jahres 2014 bzw. zum Beginn des Jahres 2015, noch zum Ende des 461
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Jahres 2016 bzw. zum Beginn des Jahres 2017 verpflichtet war, die Klägerin bei der Besetzung der Sachbearbeiterstellen im Fachbereich Förderung zu berücksichtigen, wenn auch die Arbeitsplätze als solche für die Klägerin in Betracht kamen. Hierbei hat das BAG für die Dauer der sachgrundlosen Befristung der auf diesen Arbeitsplätzen eingesetzten Arbeitnehmer die Geeignetheit für die Klägerin bereits deshalb verneint, weil es sich nicht um Dauerarbeitsplätze gehandelt hat, die unbefristet hätten besetzt werden müssen7. Mit der unbefristeten Weiterbeschäftigung der drei neu eingestellten Arbeitnehmer standen deren Arbeitsplätze zwar auf Dauer zur Verfügung, jedoch war die Beklagte nicht verpflichtet, die Klägerin gegenüber einem dieser Arbeitnehmer bei der Besetzung dieser Arbeitsplätze zu bevorzugen, weil ihr – unbestrittenermaßen – die gleiche Eignung wegen der schlechteren Beurteilung fehlte. Das BAG hat auch einen Anspruch auf Schadensersatz der Klägerin wegen einer Benachteiligung wegen des Alters bezüglich des entgangenen Verdienstes aus § 15 Abs. 1 AGG verneint, weil zwar der nach dieser Vorschrift zu ersetzendem Vermögensschaden auch das entgangene Arbeitsentgelt umfasst, jedoch im Sinne der haftungsausfüllenden Kausalität voraussetzt, dass die Klägerin eine der drei Stellen bei benachteiligungsfreier Auswahl hätte erhalten müssen. Erfolgreich blieb die Klage der Klägerin nur bezüglich der Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG i. H. v. 3000 €, die die Klägerin frist- und formgerecht geltend gemacht (§ 15 Abs. 4 AGG) und eingeklagt (§ 61 b Abs. 1 ArbGG) hatte. Dabei war für den Anlauf der Ausschlussfrist aus § 15 Abs. 4 S. 2 AGG für die außergerichtliche Geltendmachung in unionskonformer Auslegung8 erst der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Klägerin von der behaupteten Diskriminierung wegen des Alters durch den Schriftsatz der Beklagten Kenntnis erlangt hat9. Da die Klägerin bei der Besetzung der Sachbearbeiterstellen zum Ende des Jahres 2016 bzw. zum Beginn des Jahres 2017 trotz ihres Wunsches nach Verlängerung der Arbeitszeit auch10 wegen ihres Alters unberücksichtigt geblieben ist, wurde sie nach Ansicht des BAG unmittelbar i. S. v. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt. Das BAG konnte in diesem Zusammenhang offenlassen, ob die unmittelbare Benachteiligung der Klägerin wegen des Alters nach 7 8 9 10
Vgl. dazu BAG v. 17.10.2017 – 9 AZR 192/17, NZA 2018, 174 Rz. 28. EuGH v. 8. 7. 2010 – C-246/09, NZA 2010, 869 Rz. 41 – Bulicke. BAG v. 18.5.2017 – 8 AZR 74/16, NZA 2017, 1530 Rz. 56 m. w. N. Die Mitursächlichkeit genügt: BAG v. 23.11.2017 – 8 AZR 372/16, NZA-RR 2018, 287 Rz. 20 m. w. N.
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Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei unterlassener Information
§ 10 AGG damit gerechtfertigt werden konnte, dass die Beklagte mit der Einstellung jüngerer Arbeitnehmer eine ausgewogene Altersstruktur schaffen wollte11, weil ein entsprechender substantieller Vortrag der Beklagten nicht vorlag, aus welchen Gründen sie welche konkrete Altersstruktur schaffen oder erhalten wollte. Die Höhe der vom LAG mit 3000 € festgelegten Entschädigung hat das BAG nicht beanstandet, zumal die Klägerin diese Entscheidung der Vorinstanzen rügelos hingenommen hat und die Kappungsgrenze von drei Monatsgehältern nicht überschritten worden war12. Diese Entscheidung des BAG verdeutlicht für die betriebliche Praxis, dass ein angezeigter Wunsch des Arbeitnehmers nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit keine Verpflichtung des Arbeitgebers auslöst, dem Arbeitnehmer bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes mit entsprechender längerer Arbeitszeit ein Vertragsänderungsangebot (§ 145 BGB) auf Abschluss eines Arbeitsvertrags mit erhöhter Arbeitszeit unterbreiten zu müssen. Die Verpflichtung des Arbeitgebers besteht vielmehr zunächst darin, den Arbeitnehmer über entsprechende freie Arbeitsplätze zu informieren. Dann ist es Sache des Arbeitnehmers, aktiv zu werden und dem Arbeitgeber mit der Bewerbung ein Vertragsänderungsangebot mit einer im entsprechenden Umfang erhöhten Arbeitszeit zu unterbreiten, das im Falle der Ablehnung gerichtlich verfolgt werden kann. Dabei ist unter betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu bedenken, dass der Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG hat, wenn der Arbeitgeber anstelle des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers, der sich nach § 9 TzBfG um den Arbeitsplatz beworben hat, einen anderen Arbeitnehmer bevorzugen will. Mit der Besetzung des Arbeitsplatzes wird die Erfüllung des Anspruchs eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers aus § 9 TzBfG rechtlich unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), was ihn benachteiligt. Nach bisheriger Sichtweise des BAG13 stellt eine für die Dauer von mehr als einen Monat vorgesehene Erhöhung der Arbeitszeit eines Arbeitnehmers von mindestens zehn Stunden pro Woche unter Rückgriff auf die Vorschrift des § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG a. F. eine nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung dar, so dass unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt die Erhöhung der Arbeitszeit des teilzeitbeschäftigten Arbeit-
11 So etwa MüKo/Thüsing, AGG § 10 Rz. 49; a. A. MünchArbR/Schüren, § 50 Rz. 98; vgl. auch BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498 Rz. 49 f. zur möglichen Zulässigkeit von Altersgrenzen bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen. 12 BAG v. 23.1.2020 – 8 AZR 484/18, NZA 2020, 851 Rz. 82 ff. m. w. N. 13 BAG v. 9.12.2008 – 1 ABR 74/07, NZA-RR 2009, 260 Rz. 19.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
nehmers zustimmungsbedürftig sein kann. Diese Rechtsprechung des BAG ist allerdings nach der Neufassung des § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG14, wonach eine Arbeitszeit von 20 Stunden (zuvor 10 Stunden) als vereinbart gilt, wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, noch nicht wiederholt worden. (Boe)
2.
Bindung des Arbeitnehmers an ein Teilzeitverlangen
Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, kann nach § 8 Abs. 1 TzBfG – vorausgesetzt, der Arbeitgeber beschäftigt in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer (§ 8 Abs. 7 TzBfG) – verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird. Bei diesem Verringerungsverlangen eines Arbeitnehmers handelt es sich um eine auf Änderung des Arbeitsvertrags gerichtete empfangsbedürftige Willenserklärung15 an den Arbeitgeber, die der Arbeitgeber annehmen oder ablehnen kann. Auch die Annahme oder Ablehnung des Arbeitgebers ist eine empfangsbedürftige, an den Arbeitnehmer gerichtete Willenserklärung. Will der Arbeitgeber den Teilzeitantrag unter Berufung auf betriebliche Gründe ablehnen, hat er dies sowohl hinsichtlich der Verringerung der Arbeitszeit als auch hinsichtlich der Verteilung der reduzierten Arbeitszeit spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Teilzeit dem Arbeitnehmer gegenüber in Textform (§ 126 BGB) zu erklären (§ 8 Abs. 5 S. 1 TzBfG). Anderenfalls verringert sich die Arbeitszeit in dem von dem Arbeitnehmer gewünschten Umfang (§ 8 Abs. 5 S. 2 TzBfG) und die von ihm begehrte Verteilung der Arbeitszeit gilt als festgelegt (§ 8 Abs. 5 S. 3 TzBfG). Mit § 8 Abs. 5 S. 1 TzBfG weicht der Gesetzgeber von § 147 BGB ab, wonach der einem Anwesenden unterbreitete Antrag nur sofort (§ 147 Abs. 1 BGB) und der an einen Abwesenden gerichtete Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden kann, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (§ 147 Abs. 2 BGB). In der Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 9.3.202116 ging es um die Frage, ob das Teilzeitverlangen eines Arbeitnehmers nach § 8 Abs. 1 TzBfG bis zum Ablauf der Entscheidungsfrist für den Arbeitgeber nach § 8 Abs. 5 S. 1 TzBfG wirksam widerrufen werden kann oder der Arbeitnehmer bis zu diesem Zeitpunkt an sein Änderungsangebot nach § 145 BGB gebunden bleibt. Bislang hatte das BAG offengelassen, ob der Arbeitnehmer vor Ab14 BGBl. I 2018, 2384. 15 BAG v. 27.6.2017 – 9 AZR 368/16 n. v. (Rz. 25); BAG v. 20.1.2015 – 9 AZR 860/13, NZA 2015, 805 Rz. 19 m. w. N. 16 BAG v. 9.3.2021 – 9 AZR 312/20, NZA 2021, 1031.
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Bindung des Arbeitnehmers an ein Teilzeitverlangen
schluss des „Konsensverfahrens nach § 8 Abs. 2 bis 5 TzBfG a. F.“ gemäß § 145 BGB daran gehindert ist, seinen einmal geäußerten Änderungswunsch noch zu ändern. Der Fall betraf einen seit 1993 bei der Beklagten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden beschäftigten Kläger, der bei der Beklagten mit Schreiben vom 14.6.2018 die Verringerung seiner wöchentlichen Arbeitszeit auf 20 Stunden bei einer Verteilung auf fünf Tage in der Woche mit Wirkung zum 1.10.2018 beantragte. Gesprächstermine über das Teilzeitverlangen kamen aufgrund krankheitsbedingter Abwesenheit des Klägers nicht zustande. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27.7.2018 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, bis zum 31.8.2018 über seinen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit zu entscheiden. Mit einem der Beklagten am 29.8.2018 zugegangenen Schreiben zog der Kläger seinen Antrag auf Teilzeit „mit sofortiger Wirkung“ zurück. Mit Schreiben der Beklagten vom 30.8.2018, das dem Kläger am 31.8.2018 zuging, teilte die Beklagte mit, dem Antrag auf Teilzeitbeschäftigung ab dem 1.10.2018 stattzugeben. Gleichzeitig enthielt das Schreiben weitere Hinweise zum Vertragsinhalt. Der Kläger ging davon aus, er habe sein Teilzeitverlangen wirksam zurückgenommen. Zudem habe die Beklagte seinen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung nicht unverändert angenommen. Der Kläger hat mit seiner Klage die Feststellung begehrt, dass seine Arbeitszeit über den 30.9.2018 hinaus weiterhin 37,5 Stunden je Woche beträgt. Das LAG hat die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Das BAG ist in Übereinstimmung mit dem LAG davon ausgegangen, dass die Parteien den Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers mit Wirkung zum 1.10.2018 einvernehmlich auf der Grundlage von § 8 TzBfG a. F. auf 20 Stunden bei einer Verteilung auf fünf Wochentage herabgesetzt haben. Dieses Ergebnis begründet das BAG damit, dass der Kläger an sein auf Änderung des Arbeitsvertrags gerichtete Vertragsänderungsangebot auf Verkürzung und Verteilung seiner wöchentlichen Arbeitszeit bis zum 31.8.2018 nach § 145 BGB gebunden war. Abweichend von § 147 Abs. 2 BGB, wonach der an einen Abwesenden gerichtete Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden kann, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seine Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und deren Verteilung bis spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Arbeitszeitverringerung mitteilen. Dieses Auslegungsergebnis begründet das BAG einerseits mit der Sperrwirkung des § 8 Abs. 6 TzBfG, wonach sich der Arbeitgeber für einen Zeitraum von zwei Jahren nach einer Zustimmung oder berechtigten Ablehnung des Verringe465
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
rungsverlangens nicht mit einem weiteren Antrag auf Verringerung auseinandersetzen muss. Andererseits bestätigt nach Ansicht des BAG die Fiktionswirkung des § 8 Abs. 5 S. 2 TzBfG bezüglich der Annahme des Antrags des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber, dass diese nur mit dem vom Arbeitnehmer gewünschten Antragsinhalt eintritt. Dies setzt aber voraus, dass das Änderungsangebot des Arbeitnehmers bis zu diesem Zeitpunkt unverändert fortbesteht und bis dahin vom Arbeitnehmer gemäß § 130 Abs. 1 S. 2 BGB nicht mehr widerrufen werden kann. Das BAG hat an dieser Stelle unentschieden gelassen, ob die Bindungswirkung des Änderungsantrags des Arbeitnehmers im Widerspruch zu einer früheren Entscheidung17 steht, wonach es zulässig sein soll, dass ein Arbeitnehmer nach Durchführung der Verhandlung gerichtlich einen anderen Arbeitszeitwunsch eingeklagt, als er ursprünglich geltend gemacht hat, wenn er dabei neue Erkenntnisse berücksichtigt, die sich aus der Verhandlungsphase ergeben. Ebenso offen bleibt, ob das BAG an der Rechtsprechung festhält, dass der Arbeitnehmer den Verteilungswunsch nicht zugleich mit dem Verringerungswunsch äußern muss, sondern ihn bis zur Erörterung mit dem Arbeitgeber zurückstellen darf18. Da die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 30.8.2018 dem Teilzeitantrag des Klägers ausdrücklich innerhalb der in § 8 Abs. 5 S. 1 TzBfG genannten Frist zugestimmt hat, war die vom Kläger gewünschte Vertragsänderung zum 1.10.2018 wirksam geworden. In diesem Zusammenhang weist das BAG zu Recht darauf hin, dass dieses Ergebnis auch ohne Erklärung des Arbeitgebers kraft Zustimmungsfiktion gemäß § 8 Abs. 5 S. 2 TzBfG eingetreten wäre. Die praktische Bedeutung dieser Entscheidung des BAG liegt vor allem darin, dass nunmehr für den Arbeitgeber mit der Antragstellung nach § 8 Abs. 1, 2 TzBfG für die Personalplanung feststeht, dass der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Stellungnahmefrist ohne Einvernehmen mit dem Arbeitgeber nicht mehr von seinem Vertragsänderungsantrag abrücken kann. (Boe)
17 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 356/02, NZA 2003, 911 Rz. 26. 18 BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 644/03, NZA 2005, 769 Rz. 51 f.
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Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit
3.
Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit
Nach gefestigter Rechtsprechung des BAG19 zählt zu den versprochenen Diensten i. S. d. § 611 BGB bzw. zu der im Dienste einer anderen erbrachten Arbeitsleistung i. S. v. § 611 a Abs. 1 BGB nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung aller Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. „Arbeit“ im Sinne dieser Bestimmungen ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Zur Arbeit gehört auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss20. Die Fremdnützigkeit des Umkleidens ergibt sich schon aus der Weisung des Arbeitgebers, die auch auf einer entsprechenden Betriebsvereinbarung beruhen kann. Umkleidezeiten gehören daher nach bisheriger Rechtsprechung des BAG21 zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit keine Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann. An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es aber auch dann, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden auch einem eigenen Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet22.
19 BAG v. 31.3.2021 – 5 AZR 148/20, NZA 2021, 1192 Rz. 17; BAG v. 18.3.2020 – 5 AZR 25/19 n. v. (Rz. 17); BAG v. 17.10.2018 – 5 AZR 553/17, NZA 2019, 159 Rz. 13; BAG v. 12.12.2012 – 5 AZR 355/12, NZA 2013, 1158 Rz. 17. 20 BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 678/11, NZA-RR 2013, 63. 21 BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 678/11, NZA-RR 2013, 63; BAG v. 10.11.2009 – 1 ABR 54/08, NZA-RR 2010, 301. 22 BAG v. 31.3.2021 – 5 AZR 292/20, NZA 2021, 1197 Rz. 23 m. w. N.; BAG v. 6.9.2017 – 5 AZR 382/16, NZA 2018, 180 Rz. 13; BAG v. 12.11.2013 – 1 ABR 59/12, NZA 2014, 557.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Dagegen stellt grundsätzlich das Zurücklegen des Weges von der Wohnung zur Arbeitsstelle und zurück in der Regel keine zu vergütende Arbeitszeit dar23. Die Wegezeiten gehören zur privaten Lebensführung und werden nicht im alleinigen Interesse des Arbeitgebers erbracht24. Etwas anderes gilt dann, wenn das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit darauf gerichtet ist, verschiedene Kunden aufzusuchen – sei es, um dort Dienstleistungen zu erbringen, sei es, um Geschäfte für den Arbeitgeber zu vermitteln oder abzuschließen. Dann gehört das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten und damit zur Arbeitszeit25. Die Vergütung von Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten war Gegenstand der Entscheidung des 5. Senats des BAG vom 31.3.202126. Der Kläger ist beim beklagten Land als Wachpolizist im Zentralen Objektschutz tätig. In dieser Eigenschaft muss er den Dienst in angelegter Uniform nebst persönlicher Schutzausrüstung und streifenfertiger Dienstwaffe antreten. Auf der dunklen Oberbekleidung der Uniform ist in weißer Schrift der Schriftzug „POLIZEI“ aufgebracht. Den Wachpolizisten ist freigestellt, ob sie den Weg zum und vom Dienst in Uniform zurücklegen. An den Schutzobjekten befinden sich nur teilweise Umkleidemöglichkeiten. Es besteht die Möglichkeit, einen Spind zu beantragen. Jeder Wachpolizist verfügt über ein Waffenschließfach in der Dienststelle oder einem Polizeiabschnitt. Es ist den Wachpolizisten gestattet, die Dienstwaffe mit nach Hause zu nehmen, sofern dort eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit besteht. Ihnen ist es freigestellt, die Dienstwaffe mit oder ohne Dienstkleidung zu tragen. Der Kläger legt die Uniform nebst persönlicher Schutzausrüstung zu Hause an. Die Dienstwaffe bewahrt er in der Regel zu Hause auf und legt sie dort auch an. Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleideund Rüstzeiten mit der persönlichen Schutzausrüstung und für die von ihm aufgewandte Zeit zum Entnehmen, Laden und Anlegen der Dienstwaffe sowie für die Wegezeiten von seiner jeweiligen Wohnanschrift zu den jeweils zugewiesenen Schutzobjekten verlangt. Während das LAG eine Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der persönlichen Schutzausrüstung und Dienstwaffe bejaht, für die Wegezeiten jedoch verneint hat, ist das Urteil vom BAG bezüglich der Umkleide- und Rüstzeiten aufgehoben und
23 BAG v. 22.4.2009 – 5 AZR 292/08, NZA-RR 2010, 231 Rz. 15. 24 BAG v. 31.3.2021 – 5 AZR 148/20, NZA 2021, 1192 Rz. 18; ArbR-HB/Linck, § 45 Rz. 54; ErfK/Preis, BGB § 611 a Rz. 513. 25 Vgl. BAG v. 31.3.2021 – 5 AZR 148/20, NZA 2021, 1192 Rz. 18; BAG v. 18.3.2020 – 5 AZR 25/19 n. v. Rz. 18 m. w. N. 26 BAG v. 31.3.2021 – 5 AZR 292/20, NZA 2021, 1197.
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Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit
die Klage abgewiesen, jedoch im Hinblick auf die Vergütungspflicht für die Wegezeiten bestätigt worden. Zunächst wiederholt das BAG seine bisherige Rechtsprechung, wonach es sich bei dem An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung nicht um vergütungspflichtige Arbeit handelt, wenn es dem Kläger – wie im Streitfall – gestattet war, das Umkleiden und Umrüsten aufgrund eigener Entscheidung im privaten Bereich vornehmen zu dürfen, zumal es dem Kläger freistand, einen Spind am Einsatzort zu beantragen und in Anspruch nehmen zu können. Entscheidet sich der Kläger – aus welchen Gründen auch immer – gegen das Umkleiden und Umrüsten im Betrieb, handelt es sich nicht mehr nur um eine fremdnützige, sondern auch um eine im eigenen Interesse liegende Verfahrensweise, die eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers ausschließt. Das BAG hat auch die ausschließliche Fremdnützigkeit des Rüstens mit der Dienstwaffe im häuslichen Bereich verneint, unabhängig davon, dass das beklagte Land den Kläger angewiesen hatte, den Dienst mit streifenfertiger Dienstwaffe anzutreten, weil der Kläger von der Erlaubnis Gebrauch gemacht hat, die Dienstwaffe mit nach Hause zu nehmen, wenn eine sichere Aufbewahrungsmöglichkeit besteht. Dann handelte er nicht mehr alleine im Interesse des beklagten Landes, sondern auch im Eigeninteresse und damit nicht vergütungspflichtig. Den Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Wegezeiten zu und von den Bewachungsobjekten hat das BAG in Übereinstimmung mit dem LAG zurückgewiesen, weil der Kläger mit dem eigennützigen Zurücklegen des Weges von der Wohnung zur Arbeitsstelle und zurück regelmäßig keine Arbeit für den Arbeitgeber erbringt, so dass die Wegezeiten zur privaten Lebensführung gehören. Nur unter der Prämisse, dass das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit darauf ausgerichtet ist, verschiedene Kunden aufzusuchen – sei es, um dort Dienstleistungen zu erbringen, sei es, um Geschäfte für den Arbeitgeber zu vermitteln oder abzuschließen – gehört das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle nach Ansicht des BAG zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten, die der Vergütungspflicht unterliegen. Eine derartige Voraussetzung hat das BAG bei dem Kläger hinsichtlich der Wege zu und von den jeweiligen Bewachungsobjekten verneint und als eigennützig qualifiziert, weil er seine Arbeitsleistung am Ort der geschuldeten Leistung, d. h. an dem jeweiligen Schutzobjekt, anbieten muss. Dies würde nach Meinung des BAG gleichermaßen gelten, wenn der Kläger als Springer zur Bewachung verschiedener Schutzobjekte eingesetzt wäre, weil das wirtschaftliche Ziel der von ihm in dieser Zeit ausgeübten Gesamttätigkeit nicht darauf ge-
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
richtet sei, verschiedene Ersatzobjekte aufzusuchen, sondern diese zu bewachen. Die Berücksichtigung von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit hat den 5. Senat des BAG in einer weiteren Entscheidung vom 21.7.202127 beschäftigt. Gegenstand dieser Entscheidung war die Auslegung der Regelung des § 12.1.1 i. V. m. § 28.2. MTV zwischen der Volkswagen AG und der IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt i. d. F. vom 5.3.2018, wonach vorgesehen ist, dass geleistete Arbeit und Arbeitsbereitschaft bezahlt wird, es sei denn, dass durch Tarifverträge andere Regelungen getroffen sind (§ 12.1.1 MTV). Dies betrifft Beschäftigte, die besonders schmutzige Arbeiten verrichten und täglich eine bezahlte Waschzeit bis zu 20 Minuten, die innerhalb der täglichen Arbeitszeit liegt, erhalten (§ 28.2 MTV). Der Kläger ist aufgrund einer Betriebsvereinbarung verpflichtet, eine persönliche Schutzausrüstung, bestehend aus feuerbeständiger Hose und Jacke, Sicherheitsschuhen, Helm, Schutzbrille und Gehörschutz, vor Beginn seiner Tätigkeit anzulegen und sie während der Arbeit zu tragen. Zum An- und Ablegen dieser Schutzausrüstung legt der Kläger innerbetriebliche Wege unter anderem zu den Spinden und den Waschkauen zurück. Umkleide- und Wegezeiten werden außerhalb der schlichtplanmäßigen Arbeitszeit aufgewandt und von der Beklagten nicht vergütet. Mit seiner Klage hat der Kläger für mehrere Monate eine Vergütung für Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten von der Beklagten beansprucht. Die Beklagte hat sich damit verteidigt, dass der Tarifvertrag eine entsprechende Vergütung nicht vorsehe. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Aus den Regelungen in § 12.1.1 und § 28.2 MTV, wonach geleistete Arbeit und Arbeitsbereitschaft bezahlt wird, es sei denn, dass durch Tarifverträge andere Regelungen getroffen sind (§ 12.1.1 MTV ), und nur eine bestimmte Arbeit (Waschzeiten für einen bestimmten Personenkreis) als vergütungspflichtig eingestuft wird, hat das BAG geschlossen, dass die Tarifvertragsparteien eine Vergütungspflicht für Zusammenhangstätigkeiten wie Umkleiden und Zurücklegen von innerbetrieblichen Wegen nicht unter den Begriff der geleisteten Arbeit in § 12.1.1 MTV einordnen wollten. Das BAG hat in diesem tarifvertraglichen Vergütungsausschluss keinen Verstoß gegen § 3 Abs. 3 ArbSchG gesehen, wonach der Arbeitgeber Kosten für Maßnahmen nach dem ArbSchG nicht den Beschäftigten auferlegen darf, weil dem Kläger keinerlei Aufwendungen für Maßnahmen des Arbeitsschutzes auferlegt werden28. Die in diesem Sinne 27 BAG v. 21.7.2021 – 5 AZR 572/20, NZA 2021, 1659. 28 BT-Drucks. 13/3540 S. 16; Gaul/Hofelich, NZA 2016, 149, 151.
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Arbeitsrechtliche Relevanz einer Pause mit Präsenz- und Reaktionspflicht
verstandene Regelung des § 3 Abs. 3 ArbSchG setzt sich nach Ansicht des BAG auch nicht in Widerspruch zu Art. 6 Abs. 5 Richtlinie 89/391/EWG, wonach die Kosten für Sicherheitsmaßnahmen auf keinen Fall zulasten der Arbeitnehmer gehen dürfen, weil dieser Kostenbegriff nicht die Vergütung von Arbeitszeiten erfasst, die durch die entsprechende Mittelanwendung erforderlich sind29. Die Entscheidungen des BAG sind insoweit hilfreich, als sie der betrieblichen Praxis die notwendige Rechtssicherheit verschaffen, unter welchen Voraussetzungen Umkleidezeiten und Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeiten zu qualifizieren sind. Es liegt daher auch im vertraglichen Gestaltungsermessen des Arbeitgebers, ob diese Zeiten vergütungspflichtig sind oder nicht. (Boe)
4.
Arbeitsrechtliche Relevanz einer Pause mit Präsenzund Reaktionspflicht
Art. 2 Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG definiert die Begriffe Arbeitszeit und Ruhezeit mit der Maßgabe, dass beide Begriffe nach der Systematik der Richtlinie einander ausschließen. Überdies kennt die Arbeitszeitrichtlinie keine Kategorie zwischen einer Arbeitszeit und einer Ruhezeit. Die Arbeitszeitrichtlinie versteht unter der Arbeitszeit die Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Bei der Ruhezeit handelt es sich um jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit. Um die volle Wirksamkeit der Arbeitszeitrichtlinie und eine einheitliche Anwendung der genannten Begriffe in sämtlichen Mitgliedstaaten sicherzustellen, geht der EuGH30 von einer autonomen Auslegung der vorstehenden Begriffe aus. Daher dürfen die Mitgliedstaaten – so der EuGH31 – trotz der Bezugnahme auf die „einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten“ in Art. 2 Richtlinie 2003/88/EG den Inhalt der Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ nicht unilateral festlegen, indem sie den Anspruch auf ordnungsgemäße Berücksichtigung der Arbeitszeiten und dementsprechend der Ruhezeiten, der den Arbeitnehmern durch diese Richtlinie unmittelbar zuerkannt wird, irgendwelchen Bedingungen oder Beschränkungen unterwerfen.
29 Gaul/Hofelich, NZA 2016, 149, 152. 30 Vgl. nur EuGH v. 9.3.2021 – C-344/19, NZA 2021, 485 Rz. 29 f. m. w. N. – Radiotelevizija Slovenija. 31 EuGH v. 9.3.2021 – C-344/19, NZA 2021, 485 Rz. 31 – Radiotelevizija Slovenija.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
So hat der EuGH32 in Bezug auf Bereitschaftszeiten an Arbeitsplätzen, die sich nicht in der Wohnung des Arbeitnehmers befanden, festgestellt, dass es für das Vorliegen der charakteristischen Merkmale des Begriffs „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend sein und ihm zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können. Außerdem qualifiziert der EuGH33 eine Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft, auch wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht an seinem Arbeitsplatz bleiben muss, gleichwohl insgesamt als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG, sofern sie sich angesichts der objektiv vorhandenen und ganz erheblichen Auswirkungen der dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen auf seine Möglichkeiten, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, von einem Zeitraum unterscheidet, in dem der Arbeitnehmer lediglich für seinen Arbeitgeber erreichbar sein muss. Davon ist der EuGH34 etwa ausgegangen, wenn der betroffene Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort während der Rufbereitschaft deshalb nicht frei bestimmen kann, weil er einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten hat. Erreichen die dem Arbeitnehmer während einer bestimmten Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen keinen solchen Intensitätsgrad und erlauben sie ihm, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, behandelt der EuGH35 nur die Zeit, die auf die gegebenenfalls während eines solchen Zeitraums tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung entfällt, als Arbeitszeit. Was die dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen während des Bereitschaftsdienstes anbelangt, stellt der EuGH36 klar, dass nur Einschränkungen berücksichtigt werden können, die dem Arbeitnehmer, sei es durch Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats, durch einen Tarifvertrag oder durch seinen Arbeitgeber, insbesondere aufgrund des Arbeitsvertrags, der Arbeitsordnung oder des Bereitschaftsdienstplans, auferlegt werden. Organisatorische Schwierigkeiten, die eine Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft für den Arbeitnehmer mit sich bringen kann und die sich nicht
32 33 34 35 36
EuGH v. 9.3.2021 – C-344/19, NZA 2021, 485 Rz. 33 – Radiotelevizija Slovenija. EuGH v. 21.2.2018 – C-518/15, NZA 2018, 293 Rz. 63 ff. – Matzak. EuGH v. 21.2.2018 – C-518/15, NZA 2018, 293 Rz. 65 – Matzak. EuGH v. 9.3.2021 – C-344/19, NZA 2021, 485 Rz. 38 – Radiotelevizija Slovenija. EuGH v. 9.3.2021 – C-344/19, NZA 2021, 485 Rz. 40 ff. m. w. N. – Radiotelevizija Slovenija.
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Arbeitsrechtliche Relevanz einer Pause mit Präsenz- und Reaktionspflicht
aus solchen Einschränkungen ergeben, sondern z. B. die Folge natürlicher Gegebenheiten oder der freien Entscheidung des Arbeitnehmers sind, können dagegen keine Berücksichtigung finden. Dies betrifft etwa die große Entfernung zwischen dem vom Arbeitnehmer frei gewählten Wohnort und dem Ort, der für ihn während seiner Bereitschaftszeit innerhalb einer bestimmten Frist erreichbar sein muss oder fehlende Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten. Diese vom EuGH zu Art. 2 Richtlinie 2003/88/EG entwickelten Grundsätze zur Arbeitszeit waren Gegenstand einer Vorlageentscheidung vom 9.9.202137 in Bezug auf eine Pausenzeit, während der ein Arbeitnehmer binnen 2 Minuten einsatzbereit sein musste. Der Kläger war Feuerwehrmann bei der Beklagten. Ihm standen während der Schichtzeit zwei Essens- und Ruhepausen von jeweils 30 Minuten zu, bei denen sich der Kläger in die 200 m von seinem Arbeitsplatz entfernte Betriebskantine begeben konnte, wenn er ein Funkgerät bei sich trug, das ihn, wenn nötig, alarmierte, um von einem Einsatzfahrzeug binnen zwei Minuten vor der Betriebskantine abgeholt zu werden. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass auch die nicht unterbrochenen Ruhepausen als Arbeitszeit zu qualifizieren seien und verlangte von der Beklagten für diese Ruhepausen eine Vergütung. Das vorlegende Gericht der tschechischen Republik (Stadtbezirksgericht Prag) wollte vom Gerichtshof wissen, ob diese Pausen als Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Richtlinie 2003/88/EG anzusehen sein könnten. In Anknüpfung an die zum Bereitschaftsdienst in Form von Rufbereitschaft entwickelten Grundsätze zu den charakteristischen Merkmalen des Begriffs Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG stellt der EuGH erneut heraus, dass unter den Begriff Arbeitszeit sämtliche Bereitschaftszeiten einschließlich Rufbereitschaft fallen, während deren dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeiten, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen. Ungeachtet des Umstandes, dass der Wertungsspielraum, über den die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Richtlinie 2003/88/EG verfügen, um die Einzelheiten der Ruhepausen und insbesondere die Dauer und die Voraussetzungen für ihre Gewährung festzulegen, für die Einstufung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zeiträume als „Arbeitszeit“ oder „Ruhezeit“ im Sinne
37 EuGH v. 9.9.2021 – C-107/19, NZA 2021, 1395 – Dopravní podnik hl. m. Prahy.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
von Art. 2 der Richtlinie 2003/88 nicht relevant ist, bleibt es, wie der EuGH ausführt, auch für die Pausenzeiten bei der Bewertung, ob diese der Arbeitszeit oder der Ruhezeit zuzuordnen sind. Daher gibt der EuGH dem vorlegenden Gericht auf, zu prüfen, ob die dem Kläger auferlegten Einschränkungen während der Pausenzeiten, binnen zwei Minuten einsatzbereit zu sein, von solcher Art waren, dass sie seine Möglichkeiten, sich zu entspannen und sich Tätigkeiten seiner Wahl zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beschränkten, soweit es nicht um Beschränkungen geht, die sich ohnehin zwangsläufig aus der 30-minütigen Dauer der Pausen ergaben. Bei der Frage der Beschränkung fiel ins Gewicht, dass Einsätze während der Einsatzbereitschaft des Klägers gelegentlichen Charakter aufwiesen und unvorhersehbar eintraten. Der EuGH verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass die im Durchschnitt seltene Inanspruchnahme des Arbeitnehmers nicht dazu führen kann, die Ruhepausen als Ruhezeiten i. S. v. Art. 2 Nr. 2 Richtlinie 2003/88/EG anzusehen, wenn die dem Arbeitnehmer für die Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit auferlegte Frist seine Möglichkeit zur freien Gestaltung der Zeit objektiv gesehen ganz erheblich einschränkt. Der Gerichtshof qualifiziert in diesem Zusammenhang die Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen als eine zusätzliche beschränkende Wirkung, die Pausenzeiten frei zu gestalten, weil damit der Arbeitnehmer gleichsam in Daueralarmbereitschaft versetzt wird. Das BAG38 hat unter Rückgriff auf den natürlichen Sprachgebrauch Ruhepausen definiert als im Voraus festliegende Unterbrechungen der Arbeitszeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten braucht, sondern freie Verfügung darüber hat, wo und wie er diese Ruhezeit verbringen will. Entscheidendes Kriterium für die Pause ist damit die Freistellung des Arbeitnehmers von jeder Dienstverpflichtung und auch von jeder Verpflichtung, sich zum Dienst bereitzuhalten, sodass etwa eine Krankenschwester, die während ihrer Pause durchgehend aufmerksam auf die stets möglichen Klingelzeichen der Patienten zu achten hat und auf Anforderung sogleich ihre Vollarbeitsleistung aufnehmen muss, Arbeitsbereitschaft leistet. Das Erfordernis des im Voraus Feststehens soll sicherstellen, dass der Arbeitnehmer sich auf die Pause einrichten und sie auch tatsächlich zur Erholung nutzen kann39.
38 BAG v. 25.2.2015 – 1 AZR 642/13, NZA 2015, 442 Rz. 21; BAG v. 16.12.2009 – 5 AZR 157/09, NZA 2010, 505 Rz. 10; BAG v. 5.5.1988 – 6 AZR 658/85, NZA 1989, 138 Rz. 13 f. 39 BAG v. 25.2.2015 – 1 AZR 642/13, NZA 2015, 442 Rz. 28.
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Unionsrechtlicher Anspruch auf höhere Nachtschichtzulagen?
Für die betriebliche Praxis ergibt sich aus der Gegenüberstellung der Rechtsprechung des EuGH und des BAG, dass die an eine Pause zu stellenden Anforderungen weitgehend übereinstimmen, aber auch bedacht werden müssen. (Boe)
5.
Unionsrechtlicher Anspruch auf höhere Nachtschichtzulagen?
Der 10. Senat des BAG hat den EuGH40 mit Vorlagebeschlüssen vom 9.12.202041 um Vorabentscheidung über folgende Fragen ersucht42: 1. Wird mit einer tarifvertraglichen Regelung die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG i. S. v. Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRC durchgeführt, wenn die tarifvertragliche Regelung für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Ausgleich vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit? 2. Sofern die Frage zu 1. bejaht wird: Ist eine tarifvertragliche Regelung mit Art. 20 GRC vereinbar, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Ausgleich vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, wenn damit neben den gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Nachtarbeit auch Belastungen wegen der schlechteren Planbarkeit von unregelmäßiger Nachtarbeit ausgeglichen werden sollen?
In dem einen Verfahren ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Manteltarifvertrag der Erfrischungsgetränke-Industrie anzuwenden. Der Tarifvertrag regelt, dass der Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit 20 % und für unregelmäßige Nachtarbeit 50 % der Stundenvergütung beträgt. Die Klägerin leistete Nachtarbeit in einem Schichtmodell und erhielt dafür einen Zuschlag von 20 %. Sie ist der Ansicht, die unterschiedliche Höhe der Nachtarbeitszuschläge verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung bestehe nicht. In dem anderen Verfahren betreibt die Beklagte eine Brauerei in Hamburg. Der Kläger leistet dort Schichtarbeit. Nach dem Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Brauereien und deren Niederlassungen in Hamburg und Schleswig-Holstein ist für Arbeit in der Nacht40 EuGH, verb. Rs. C-257/21 und C-258/21 – Coca-Cola European Partners Deutschland u. a. 41 BAG v. 9.12.2020 – 10 AZR 332/20 (A), NZA 2021, 1121; BAG v. 9.12.2020 – 10 AZR 333/20 (A) n. v. 42 Eingehend hierzu auch Creutzfeld, NZA 2021, 1520 ff.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
schicht von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr ein Zuschlag von 25 % zum Stundenentgelt zu zahlen. Für Nachtarbeit, die in demselben Zeitraum außerhalb eines Schichtsystems erbracht wird, sieht der Tarifvertrag einen Zuschlag von 50 % vor. Mit seiner Klage will der Kläger festgestellt wissen, dass die Beklagte den Zuschlag von 50 % auch für die Nachtschicht zu zahlen hat. Die Beklagte hält die Tarifnorm für wirksam. Der höhere Zuschlag solle eine besondere Belastung der unvorbereitet zu Nachtarbeit herangezogenen Arbeitnehmer ausgleichen. Sie büßten die Dispositionsmöglichkeit über ihre Freizeit in der entsprechenden Nacht ein. In einer weiteren Entscheidung vom 28.7.202143 hat der 10. Senat des BAG in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO wegen der anhängigen Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH das Verfahren ausgesetzt, weil für dieses Verfahren wie in den Vorabentscheidungsersuchen vom 9.12.2020 die Auslegung von Unionsrecht entscheidungserheblich ist. Auch in diesem Verfahren geht es um einen Tarifvertrag für die Süßwarenindustrie, der bestimmt, dass für Nachtarbeit in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit, die in die Nachtzeit von 22:00 bis 6:00 Uhr fällt, ein Zuschlag von 15 % je Stunde zu zahlen ist. Für Nachtarbeit in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit, die regelmäßig länger als 14 Tage überwiegend in die Nachtzeit von 22:00 bis 6:00 Uhr fällt, ein Zuschlag von 20 % je Stunde gewährt werden muss und sonstige Nachtarbeit mit zusätzlich 60 % je Stunde zu vergüten ist. Der Kläger, der Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit verrichtet, beansprucht von der Beklagten für die von ihm in der Nachtzeit erbrachten Arbeitsstunden einen Zuschlag von 60 % je Stunde. Die Erforderlichkeit der Entscheidung des Gerichtshofs in den vorstehenden Fällen leitet das BAG aus der Erwägung ab, dass die von den Arbeitnehmern geltend gemachten streitigen Differenzansprüche für Ihre Nachtarbeitstätigkeit zugesprochen werden müssten, wenn der in den Tarifverträgen vorgesehene höhere Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit gegenüber dem Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit mit Art. 20 GRC i. V. m. den Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG unvereinbar wäre. Allerdings würde eine Anwendung von Art. 20 GRC voraussetzen, dass die nationale Tarifnorm die Nachtarbeitsvorgaben der Richtlinie 2003/88/EG i. S. v. Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRC durchführt. Sollte der EuGH diese Prämisse bejahen, so stellt sich nach Ansicht des BAG die weitere Frage, ob die unterschiedliche Behandlung der Gruppen von Arbeitnehmern, die regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit leisten, nach Art. 20 GRC durch einen anderen Tarifzweck als den finanziellen Ausgleich gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die 43 BAG v. 28.7.2021 – 10 AZR 397/20 (A), NZA 2021, 1273.
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Unionsrechtlicher Anspruch auf höhere Nachtschichtzulagen?
Nachtarbeit gerechtfertigt werden kann, der darin seinen Ausdruck findet, dass neben den gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch Belastungen wegen der schlechteren Planbarkeit von unregelmäßiger Nachtarbeit finanziell ausgeglichen werden sollen44. Von der Beantwortung der Rechtsfrage der Rechtfertigung durch den zusätzlichen Zweck der schlechteren Planbarkeit unregelmäßiger Nachtarbeit hängt nach Ansicht des BAG der Erfolg der Klage auf Zahlung der Zuschlagsdifferenzen ab45. Im Gegensatz zu der Entscheidung des BAG hat das LAG Berlin-Brandenburg in einer Entscheidung vom 9.2.202146 bei einer den Vorlagen des BAG entsprechenden tarifvertraglichen Regelung eines anderen MTV, der für Nachtarbeit ein Zuschlag von 50 %, jedoch für Wechselschichtarbeit nachts in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr nur einen Zuschlag von 25 % vorsieht, die Klage eines in Wechselschicht Nachtarbeit leistenden Arbeitnehmers auf Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags von 50 % als unbegründet abgewiesen. Dabei hatte das LAG keinerlei Bedenken, die von den Tarifvertragsparteien getroffene Differenzierung der Nachtarbeitszuschläge für im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG verfassungskonform zu erachten und einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz als ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie47 zu verneinen. Die unterschiedliche Gruppenbildung folge der gesetzlichen Regelung, weil Nachtarbeitszuschläge nach § 6 Abs. 5 ArbZG nur für Nachtarbeitnehmer vorgesehen seien, die gemäß § 2 Abs. 5 Nrn. 1, 2 ArbZG aufgrund ihrer Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben oder aber die Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leisten, nicht aber für sonstige Arbeitnehmer, die zur Nachtarbeit herangezogen werden. Im Übrigen sei es dem Gestaltungsermessen der Tarifvertragsparteien überlassen, zwischen Schichtarbeitnehmern mit planmäßiger Heranziehung zur Nachtarbeit einerseits und NichtSchichtarbeitnehmern mit außerplanmäßiger Heranziehung zur Schichtarbeit andererseits differenzieren zu dürfen. Der sachlich hinreichende Grund hierfür liege darin, dass für diejenigen Arbeitnehmer, die in Wechselschicht arbeiten, die Nachtarbeit zur „Normalleistung“ zähle, sie sich also auf diese Art der Arbeitsleistung eingestellt hätten, während für die sonstigen Arbeitnehmer die Nachtschicht eine Ausnahme bilde. Dass Nachtarbeit für beide Arbeitnehmergruppen gleichermaßen gesundheitsschädlich sei, ändere an
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BAG v. 9.12.2020 – 10 AZR 332/20 (A), NZA 2021, 1121 Rz. 77, 107. BAG v. 9.12.2020 – 10 AZR 332/20 (A), NZA 2021, 1121 Rz. 132 ff. LAG Berlin-Brandenburg v. 9.2.2021 – 7 Sa 255/20 n. v. BAG v. 19.12.2019 – 6 AZR 563/18, NZA 2020, 734 Rz. 25.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
dieser Beurteilung nichts, weil die gesundheitliche Schädlichkeit durch Zuschläge nicht ausgeglichen werden könne, und die für die Nachtschichtarbeitnehmer eintretenden und auszugleichenden Belastungen mit dem vorgesehenen Nachtzuschlag von 25 % hinreichend ausgeglichen würden. In diesem Zusammenhang verweist das LAG zusätzlich darauf, dass die Nachtarbeit mit Zusatzkosten belastet werden soll, um sie unattraktiv zu machen und damit mittelbar dem Gesundheitsschutz zu dienen. Deshalb dürften die Tarifvertragsparteien das Ziel verfolgen, Nachtarbeit außerhalb von Wechselschicht durch höhere Nachtarbeitszuschläge noch unattraktiver zu machen. Das LAG hat bei dieser Lösung keinen Widerspruch darin gesehen, dass die Tarifvertragsparteien in dem einschlägigen Tarifvertrag für Mehrarbeit einen Zuschlag von 25 % vorgesehen haben und bei einem Zusammentreffen von mehreren Zuschlägen nur der jeweils höhere zu zahlen ist, was jedoch für Wechselschichtarbeit im Zusammenhang mit Mehrarbeit nicht gelten soll. Im Hinblick auf sonstige Arbeitnehmer, die außerhalb der Wechselschicht Nachtarbeit leisten, wird nach Ansicht des LAG der Mehrarbeitszuschlag bereits in den Nachtarbeitszuschlag eingepreist. Diese Bewertung kann nicht überzeugen, weil damit von den Tarifvertragsparteien geregelte Zuschläge für unterschiedliche Belastungen, die den Arbeitnehmer treffen, mit einem Zuschlag, der ausschließlich für Nachtarbeit vorgesehen ist, kompensiert werden soll. Diese tarifvertragliche Differenzierung ist umso weniger nachzuvollziehen, als Wechselschichtnachtarbeitnehmer im Falle von Mehrarbeit in den Genuss der Mehrarbeitszuschläge kommen sollen. Bedauerlicherweise ist die vom LAG zugelassene Revision vom Kläger nicht eingelegt worden. Bis zur Entscheidung des EuGH wird sich die betriebliche Praxis an den bestehenden Tarifverträgen und den darin enthaltenen Zuschlagsregelungen für Nachtarbeit zu orientieren haben. Allerdings muss man sich gleichzeitig bewusst machen, dass auf die Unternehmen je nach Aussage des EuGH Nachzahlungen an Zuschlägen zukommen können, soweit sie innerhalb bestehender Ausschlussfristen rechtzeitig geltend gemacht worden sind. (Boe)
6.
Auskunft zur Entgelttransparenz als Indiz einer Diskriminierung wegen des Geschlechts
Bereits im vergangenen Jahr hatten wir über die Entscheidung des LAG Niedersachsen vom 1.8.201948 berichtet49. Das LAG Niedersachsen hatte darin 48 LAG Niedersachsen v. 1.8.2019 – 5 Sa 196/19, NZA-RR 2019, 629 Rz. 36 ff., 41 ff.
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Entgelttransparenz als Indiz einer Diskriminierung wegen des Geschlechts
die These vertreten, dass die bloße Auskunft des Arbeitgebers nach §§ 11 ff. EntgTranspG allein noch kein Indiz für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts darstelle, auch wenn sie erkennbar mache, dass Arbeitnehmer des anderen Geschlechts mit einer gleichen oder gleichwertigen Tätigkeit in Bezug auf den Median ein höheres Entgelt erhielten. Hiervon ausgehend bedurfte es aus Sicht des LAG Niedersachsen weitergehender Anhaltspunkte, um überhaupt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Benachteiligung wegen des Geschlechts annehmen zu können. Denn der bloße Hinweis auf die Auskunft stelle – so das LAG Niedersachsen – auch unter Berücksichtigung von § 22 AGG noch keinen ausreichenden Sachvortrag dar, um annehmen zu können, dass es dem Arbeitgeber obliege, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall war die Klägerin seit 2012 als Abteilungsleiterin einer Versicherung beschäftigt. Zuletzt erhielt sie ein Gehalt i. H. v. 5.688,90 € brutto nebst einer Zulage i. H. v. 500 € brutto. Nachdem die Klägerin vom Arbeitgeber Auskunft gemäß §§ 10 ff. EntgTranspG verlangt hatte, teilte ihr dieser mit, dass der Median der männlichen Abteilungsleiter bei 6.292 € brutto nebst einer Zulage i. H. v. 600 € brutto liege. Daraus ergab sich, dass die männlichen Abteilungsleiter durchschnittlich eine um 8 % höhere Vergütung als die weiblichen Abteilungsleiter erhielten. Beide Auskünfte, die inhaltlich zwischen den Parteien nicht im Streit standen, genügten dem LAG Niedersachen nicht, um von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Benachteiligung wegen des Geschlechts auszugehen. Soweit das LAG Niedersachsen insoweit die Ansicht vertreten hatte, dass eine Auskunft, der Zufolge das Gehalt des klagenden Mitarbeiters unter dem Median der Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts liege, für sich genommen nicht ausreichend sei, um eine Beweiserleichterung auszulösen, ist das BAG dieser Auffassung in seinem Urteil vom 21.1.202150 erwartungsgemäß nicht gefolgt. Nach seiner Ansicht liegt bereits in dem Umstand, dass das Entgelt geringer als das durch den Arbeitgeber mitgeteilte Vergleichsentgelt der Vergleichspersonen des jeweils anderen Geschlechts ist, regelmäßig die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist. Eine abschließende Entscheidung konnte der 8. Senat des BAG allerdings nicht treffen und hat die Sache zurückverwiesen. Das LAG Niedersachsen 49 B. Gaul, AktuellAR 2020, 486 ff. 50 BAG v. 21.1.2021 – 8 AZR 488/19, NZA 2021, 1011.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
wird jetzt festzustellen haben, ob die Beklagte, die insoweit die Darlegungsund Beweislast trifft, diese Vermutung den Vorgaben in § 22 AGG entsprechend in unionsrechtskonformer Weise widerlegt hat. Damit wird es im Wesentlichen darauf ankommen, ob sich die Unterschiede in Bezug auf das Entgelt tatsächlich diskriminierungsfrei durch den Umstand erklären lassen, dass der Median der männlichen Abteilungsleiter diese Position bereits seit 1999 innehatte. Außerdem hatte die Beklagte im Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung geltend gemacht, dass schlussendlich nur eine Differenz in Rede stehe, die der Entgelterhöhung entspreche, die man der Klägerin im Rahmen der letzten Gehaltsrunde wegen einer negativen Bewertung ihrer Leistung abweichend von den übrigen Abteilungsleitern nicht gewährt hatte. Die Sichtweise des BAG zu der Bedeutung der Auskunft nach §§ 11 ff. EntgTranspG überzeugt. Wenn der Auskunftsanspruch ein wesentlicher Bestandteil zur Förderung der Entgeltgleichheit sein soll, wird man ihn – und mit zunehmender Entgeltdifferenz auch mit einem stärkeren Gewicht – als Indiz für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung ansehen müssen. Relevant dürfte dies nicht nur in Sachverhalten werden, in denen die zurückhaltende Entwicklung von Frauen in Führungspositionen zur Folge hat, dass jedenfalls solche Vergütungsdifferenzen entstehen, die durch allgemeine Gehaltssteigerungen innerhalb der Führungsebene ausgelöst werden. Die Indizwirkung einer Auskunft nach §§ 11 ff. EntgTranspG dürfte auch dort relevant werden, wo besondere Zulagen und Zuschläge in Rede stehen, deren Anspruchsvoraussetzungen jedenfalls mittelbar eine Benachteiligung von Frauen zur Folge haben. Das betrifft Beschäftigungsjahressprünge ebenso wie Regelungen über etwaige Zuschläge für Überstunden und Mehrarbeit, über die wir an anderer Stelle berichtet haben51. Betroffen hiervon sind auch Erschwerniszulagen, die typischerweise (nur) in Berufen bzw. für Tätigkeiten gewährt werden, die mit physischen Belastungen verbunden sind und vor allem durch Männer ausgeübt werden. Dass der Auskunftsanspruch durch eine Frau mit einer völlig anderen Tätigkeit geltend gemacht hat, steht der Relevanz solcher Zulagen nicht entgegen. Denn das Verbot einer Diskriminierung wegen des Geschlechts erfasst nicht nur Arbeitnehmer des jeweils anderen Geschlechts, die die gleiche Tätigkeit ausüben, sondern auch solche Arbeitnehmer, die durch den gleichen Arbeitgeber mit einer anderen, aber gleichwertigen Arbeit beschäftigt werden. Daran anknüpfend sind auch Tätigkeiten einzubeziehen, die beim Arbeitgeber in völlig anderen Bereichen ausgeübt werden. Auf diesen Grundsatz, den auch § 3 Abs. 1 Entg-
51 Boewer, AktuellAR 2021, 481 ff.
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Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Zuschlägen
TranspG zum Ausdruck bringt, hat der EuGH zu Recht noch einmal im Urteil vom 3.6.202152 hingewiesen. Führt man sich diese Überlegungen vor Augen, hängt die Beseitigung des Vorwurfs einer Benachteiligung wegen des Geschlechts im Anschluss an eine Auskunft nach §§ 11 ff. EntgTranspG davon ab, ob es gelingt, Gründe für eine Differenzierung aufzuzeigen, die weder auf eine unmittelbare noch auf eine mittelbare Entgeltbenachteiligung hindeuten. Dies betrifft nicht nur arbeitsmarkt-, leistungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien. Ebenso denkbar bleibt es, Entgeltdifferenzen dadurch zu erklären, dass eine längere Betriebszugehörigkeit bzw. eine längere Zugehörigkeit zu einer bestimmten Funktion gegeben ist, falls daraus tatsächlich – ggf. typisiert - auf eine weitergehende Erfahrung und daraus folgend auch auf eine höhere Wertigkeit der Arbeit geschlossen werden kann. (Ga)
7.
Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Zuschlägen für Mehrarbeit und Überstunden?
Der 6. Senat des BAG hat sich in der Entscheidung vom 15.10.202153 zum wiederholten Mal54 mit § 7 TVöD-K55 beschäftigen müssen, der im Abs. 6 vorsieht, dass Mehrarbeit die Arbeitsstunden sind, die Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten leisten. Nach Abs. 7 sind Überstunden die auf Anordnung des Arbeitgebers geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden. Abs. 8 c bestimmt, dass abweichend von Abs. 7 nur die Arbeitsstunden Überstunden sind, die im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden einschließlich der im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden, die bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden, angeordnet worden sind.
52 EuGH v. 3.6.2021 – C-624/19, NZA 2021, 855 Rz. 37 ff. – Tesco Stores. 53 BAG v. 15.10.2021 – 6 AZR 253/19 n. v. 54 Vgl. BAG v. 23.3.2017 – 6 AZR 161/16, ZTR 2017, 125; BAG v. 25.4.2013 – 6 AZR 800/11, ZTR 2013, 437. 55 Durchgeschriebene Fassung des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 1.8.2006 i. d. F. der Änderungsvereinbarung Nr. 12 vom 30.8.2019.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Das BAG56 hat diese undurchsichtige Regelung des § 7 Abs. 8 c TVöD-K früher dahingehend interpretiert, dass abweichend von Abs. 7 nur die Arbeitsstunden Überstunden sind, die im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden hinaus angeordnet worden sind, und/oder die im Schichtplan vorgesehenen (festgesetzten) Arbeitsstunden, die – bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (i. S. v. § 6 Abs. 1 TVöD-K) – im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden. In diesem Zusammenhang ist das BAG davon ausgegangen, dass bei sog. ungeplanten Überstunden i. S. v. § 7 Abs. 8 c Alt. 1 TVöD-K, die über die tägliche Arbeitszeit hinaus abweichend vom Schichtplan angeordnet werden, den betroffenen Arbeitnehmern ein Überstundenzuschlag zusteht, und die unter vollschichtig eingesetzten Teilzeitbeschäftigten bei ungeplanten Überstunden über ihre Teilzeitquote hinaus Überstundenzuschläge des § 8 Abs. 1 S. 2 lit. a TVöD-K beanspruchen könnten. Die Entscheidung des 6. Senats des BAG vom 15.10.2021 betrifft erneut eine teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin, die für die Überschreitung ihrer Teilzeit, ohne dabei die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigten (38,5 Stunden) zu überschreiten, neben dem tariflichen Tabellenentgelt einen Überstundenzuschlag beanspruchte. Die Klägerin arbeitet mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden als Pflegekraft bei der beklagten Klinikbetreiberin. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der TVöD-K anwendbar. Die Klägerin leistete im Zeitraum Januar bis Juni 2017 sowohl über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus bereits im Dienstplan vorgesehene (geplante) Arbeitsstunden, als auch im Dienstplan nicht vorgesehene (ungeplante) Arbeitsstunden, ohne über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten zu arbeiten. Die Klägerin beanspruchte von der Beklagten die Zahlung von Überstundenzuschlägen i. H. v. 30 % (§ 8 Abs. 1 TVöD-K) auf der Grundlage von § 7 Abs. 8 c TVöD-K für die ungeplanten und geplanten Arbeitsstunden, weil sie anderenfalls als Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten diskriminiert werde. Das LAG Nürnberg57 hat der Klage für insgesamt 17,58 ungeplante Überstunden entsprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen und sich dabei die Rechtsprechung des BAG zur Auslegung des § 7 Abs. 8 c (Alt. 1) TVöDK zu eigen gemacht. Tragend war dabei die Erwägung des BAG, dass mit dem Überstundenzuschlag, unabhängig davon, ob es sich um einen teilzeit56 BAG v. 23.3.2017 – 6 AZR 161/16, ZTR 2017, 125 Rz. 16. 57 LAG Nürnberg v. 3.5.2019 – 8 Sa 340/18, ZTR 2019, 509.
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Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Zuschlägen
beschäftigten oder vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer handelte, allein der Umstand belohnt werden soll, dass der Arbeitnehmer ohne Freizeitausgleich mehr als vertraglich vereinbart gearbeitet hat und dadurch planwidrig die Möglichkeit einbüßt, über seine freie Zeit zu verfügen. Da diese Einschränkung der Dispositionsmöglichkeit über die Freizeit teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gleichermaßen träfe, käme es zu einer Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer (§ 4 Abs. 1 TzBfG), wenn man ihnen den Überstundenzuschlag vorenthielte. Anders hat das LAG Nürnberg den Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Überstundenzuschlags für geplante Überstunden im Hinblick auf die Alt. 2 des § 7 Abs. 8 c TVöD-K bewertet, weil für die Entstehung zuschlagspflichtiger Überstunden allein vorausgesetzt wird, dass innerhalb des Dienstplanturnus die regelmäßige Arbeitszeit dienstplanmäßig überschritten wird. Da die Tarifvertragsparteien mit dieser Alt. 2 beabsichtigten, Beschäftigte vor Belastungen durch Arbeitsstunden zu schützen, die über die regelmäßige Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinausgehen, sei es nach dieser Zweckbestimmung gerechtfertigt, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im Falle der Überschreitung ihrer individuellen Arbeitszeit ohne gleichzeitige Überschreitung der Vollarbeitszeit von einem Überstundenzuschlag auszunehmen. Die dagegen eingelegte Revision der Klägerin hatte vor dem 6. Senat des BAG58 keinen Erfolg. Allerdings hat sich das BAG nicht mehr mit den Erwägungen der Vorinstanz beschäftigt, sondern unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung59 zu § 7 Abs. 8 c TVöD-K die Auffassung vertreten, dass die sowohl für Voll- als auch Teilzeitbeschäftigte maßgebliche Sonderregelung in § 7 Abs. 8 c TVöD-K zur Entstehung von Überstunden bei Beschäftigten, die Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten, gegen das Gebot der Normenklarheit verstößt und deshalb unwirksam ist. Wegen der Unwirksamkeit dieser Tarifnorm sei für Teilzeitbeschäftigte allein die Regelung zur Mehrarbeit in § 7 Abs. 6 TVöD-K maßgeblich, welche Bestimmung keine Zahlung von Überstundenzuschlägen für die von der Klägerin zusätzlich geleisteten Stunden, mit der sie ihre vertragliche Arbeitszeit, aber noch nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigten überschritt, vorsehe. diese Differenzierung zwischen den Gruppen der Voll- und der Teilzeitbeschäftigten sei wirksam, weil für sie völlig unterschiedliche Rege-
58 BAG v. 15.10.2021 – 6 AZR 253/19 n. v. 59 BAG v. 23.3.2017 – 6 AZR 161/16, ZTR 2017, 125; BAG v. 25.4.2013 – 6 AZR 800/11, ZTR 2013, 437.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
lungssysteme des Tarifvertrags in Bezug auf das Entstehen und den Ausgleich von Mehrarbeit und Überstunden gölten. Für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände hat diese Entscheidung zur Folge, dass die Tarifvertragsparteien, wenn sie es nicht bei der Bewertung des BAG belassen wollen, aktiv werden müssen. (Boe)
8.
Kein Entgeltfortzahlungsanspruch bei staatlich angeordnetem Lockdown
Die arbeitnehmerseitigen Nachteile der staatlich angeordneten Schließung des Einzelhandels im Rahmen der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid19-Pandemie konnten zwar vielfach durch Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld gemildert werden. Lässt man die weitergehenden Belastungen der Unternehmen, die vielfach zur Aufgabe der Geschäftstätigkeit geführt haben, an dieser Stelle einmal unbeachtet, stellt sich aus dem Blickwinkel des Arbeitsrechts aber die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die von einer solchen Schließungsanordnung betroffenen Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet geblieben wären, falls individual- oder kollektivrechtliche Vereinbarungen zur Arbeitszeitverkürzung und eine Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld nicht zustande gekommen wären. Ursache für diese Fragestellung konnte die fehlende Bereitschaft der hiervon betroffenen Arbeitnehmer oder Arbeitnehmervertreter sein, entsprechenden Vereinbarungen zuzustimmen. Denkbar ist auch, dass entsprechende Vereinbarungen bereits deshalb keinen Sinn ergaben, weil die hiervon betroffenen Arbeitnehmer als Konsequenz ihrer geringfügigen Beschäftigung gar keine Ansprüche auf Kurzarbeitergeld geltend machen konnten. Mit der letztgenannten Situation musste sich das BAG im Urteil vom 13.10.202160 befassen. In dem zugrunde liegenden Fall betrieb die Beklagte einen Handel mit Nähmaschinen und Zubehör und unterhielt in Bremen eine Filiale. Dort war die Klägerin seit Oktober 2019 als geringfügig Beschäftigte gegen eine monatliche Vergütung von 432,00 EUR im Verkauf tätig. Im April 2020 war das Ladengeschäft aufgrund der „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus“ der Freien Hansestadt Bremen vom 23.3.2020 geschlossen. Die Klägerin konnte deshalb nicht arbeiten und erhielt auch keine Vergütung. Mit ihrer Klage hatte sie daher die Zahlung ihres Entgelts für den Monat April 2020 unter dem Gesichtspunkt 60 BAG v. 13.10.2021 – 5 AZR 211/21 n. v.
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Reichweite des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes
des Annahmeverzugs geltend gemacht. In der Begründung ihrer Klage vertrat sie die Auffassung, dass sich mit der Schließung des Ladengeschäfts das Betriebsrisiko des Arbeitgebers realisiert habe, so dass dieser gemäß § 615 S. 1, 3 BGB zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sei. Entgegen der Entscheidungen der Vorinstanzen hat das BAG einen Zahlungsanspruch der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs abgelehnt. Der Arbeitgeber trage – so das BAG – auch nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn – wie hier – zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen in Folge von Sars-Cov-2-Infektionen durch behördliche Anordnung in einem Bundesland die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen würden. In einem solchen Fall realisiere sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung sei vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Es sei Sache des Staates, ggf. für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile – wie es zum Teil mit dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld erfolgt ist – zu sorgen. Soweit ein solcher – wie bei der Klägerin als geringfügig Beschäftigte – nicht gewährleistet sei, beruhe dies auf Lücken in dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche lasse sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten. Aus arbeitsrechtlicher Sichtweise überzeugt die Entscheidung des BAG. Sie dürfte, wie die politische Diskussion über diese Entscheidung im Zusammenhang mit der Vorlage des Koalitionsvertrags bereits angedeutet hat, zur Folge haben, dass eine Änderung der gesetzlichen Regelungen zur Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld mit der Folge bewirkt wird, dass jedenfalls in solchen Fallgestaltungen auch geringfügig Beschäftigte in diese Leistungen einbezogen werden können. (Ga)
9.
Reichweite des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes
Auch außerhalb von Art. 3 GG, § 75 BetrVG können auf der Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes Ansprüche geltend gemacht werden. Diese richten sich – wie das BAG im Urteil vom 27.4.202161 noch einmal deutlich gemacht hat – nicht allein auf die Gewährung von 61 BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 662/19, NZA 2021, 1176 Rz. 17.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Sonderleistungen. Vielmehr kann sich aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz auch ein Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung ergeben62. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger bei der Beklagten im Landesbezirk Hessen als Gewerkschaftssekretär mit Rechtsschutzaufgaben beschäftigt. Im November 2017 forderte der Kläger die Beklagte zur Unterzeichnung und Rücksendung eines von ihm bereits überwiegend ausgefüllten und unterschriebenen Formulars auf, das mit „Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusrechtsanwältin/Syndikusrechtsanwalt“ überschrieben war. Mit der Abgabe der Tätigkeitbeschreibung sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass er eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung erhielt und seine Altersversorgung über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte aufbauen konnte. Die Beklagte lehnte es ab, dem Kläger die gewünschte Tätigkeit zu erteilen. Sie verwies darauf, dass er als Gewerkschaftssekretär eingestellt und als gewerkschaftlicher Interessenvertreter tendenzbezogen und nach seinem Arbeitsvertrag auch weisungsabhängig tätig sei. Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erfordere – so die Beklagte – eine Änderung des Arbeitsvertrags, zu der sie nicht bereit sei. Der Kläger erhob daraufhin Klage und beantragte, die Beklagte zu verurteilen, ihm die Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusanwalt zur Vorlage bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt, laufend auf seinen Namen, von mindestens einem zur Vertretung befugten Organmitglied unterzeichnet, herauszugeben. Zur weiteren Begründung verwies er darauf, dass die Beklagte es anderen Gewerkschaftssekretären mit Rechtschutzaufgaben oder anderen Tätigkeiten ermöglicht hätte, als Syndikusrechtsanwalt dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte beizutreten. Die Beklagte, die dies nicht in Streit stellte, machte allerdings geltend, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz lediglich betriebsbezogen, nicht aber unternehmensbezogen zur Anwendung komme. Das BAG hat die klageabweisende Entscheidung des LAG Hessen aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat es zunächst einmal die bisherigen Grundsätze zur Kennzeichnung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bestätigt. Dieser verpflichte den Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befänden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Bei freiwilligen Leistungen müsse der Ar62 Ebenso bereits BAG v. 19.9.2017 – 9 AZR 36/17, NZA 2017, 161 Rz. 24.
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Reichweite des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes
beitgeber daher die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass Arbeitnehmer nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen würden. Verstoße der Arbeitgeber bei der Gewährung freiwilliger Leistungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, habe der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Bilde der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, müsse diese Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen. Dabei komme es darauf an, ob sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergäben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigten, der einen Arbeitnehmergruppe Leistungen vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden seien. Hiervon ausgehend seien unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung gerade nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt sei63. In der vorstehend genannten Entscheidung hat das BAG allerdings nicht nur klargestellt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz – entgegen der Auffassung der beklagten Gewerkschaft – nicht auf den einzelnen Betrieb begrenzt sei. Vielmehr beziehe er sich grundsätzlich auf alle oder mehrere Betriebe des Unternehmens. Eine Unterscheidung zwischen einzelnen Betrieben sei daher nur zulässig, wenn es hierfür sachliche Gründe gebe. Dabei seien die Besonderheiten des Unternehmens und die seiner Betriebe zu berücksichtigen64. Weitergehend hat das BAG deutlich gemacht, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur dann anwendbar sei, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewähre, sondern grundsätzlich auch dann, wenn er – nicht auf besondere Einzelfälle beschränkt – nach Gutdünken oder nach nicht sachgerechten oder nicht bestimmbaren Kriterien leiste65. Beide Feststellungen haben in der betrieblichen Praxis ganz erhebliche Bedeutung. Sie verpflichten den Arbeitgeber nämlich nicht nur, bei Maßnahmen, die nur einen oder einzelne Betriebe betreffen sollen, durch eine entsprechende Kennzeichnung des Zwecks der jeweils in Rede stehenden Maßnahme sicherzustellen, dass die Ausgrenzung der in anderen Betrieben be-
63 BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 662/19, NZA 2021, 1176 Rz. 17; BAG v. 13.12.2016 – 9 AZR 606/15 n. v. (Rz. 27). 64 BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 662/19, NZA 2021, 1176 Rz. 20; BAG v. 26.9.2017 – 1 ABR 27/16, NZA 2018, 10 Rz. 15. 65 BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 662/19, NZA 2021, 1176 Rz. 17; BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 194/07, NZA 2009, 196 Rz. 24; BAG v. 20.6.2020 – 8 AZR 499/01 n. v. (Rz. 74).
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
schäftigten Arbeitnehmer sachlich gerechtfertigt ist. Kann der Zweck durch eine Leistung auch an die Arbeitnehmer der anderen Betriebe erfüllt werden, müssen auch diese Arbeitnehmer auf der Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes einbezogen werden. Dabei hilft es nicht, bei der Leistungsvergabe darauf zu setzen, dass auf jede Systematik verzichtet wird. Denn auch die Entscheidung „nach Nase“ macht den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht unanwendbar. Vielmehr besteht auch ohne generalisierende Kriterien, mit deren Hilfe eine Ausgrenzung überprüft und ggf. auch gerechtfertigt werden kann, die Gefahr, dass eine Einbeziehung der bislang (willkürlich) benachteiligten Arbeitnehmer erfolgen muss. Dies dürfte jedenfalls dann gelten, wenn auch das Fehlen eines Systems selbst nicht rechtfertigen kann, diese Arbeitnehmer auszugrenzen. Von diesen Überlegungen ausgehend hat es das BAG für erforderlich gehalten, dass tatrichterlich überprüft wird, ob die Beklagte vergleichbaren Gewerkschaftssekretären die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin/Syndikusrechtsanwalt ermöglicht hat, ohne dass dieser Entscheidung einzelfallbezogene Besonderheiten zugrunde lagen, und ob und ggf. seit wann genau eine bundeseinheitliche Regelung praktiziert wurde. Dabei sei auch zu überprüfen, ob den entsprechenden Entscheidungen eine generalisierende (verteilende) Bewertung zugrunde gelegt wurde oder ob die Beklagte nach Gutdünken eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ermöglicht oder versagt hat. Dabei sei auch zu berücksichtigen, ob entsprechende Entscheidungen zentral oder in den einzelnen Landesbezirksleitungen getroffen worden seien. Denn wenn der jeweilige Landesbezirk die entsprechende Entscheidung getroffen hätte, hätte dies auch eine Einschränkung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Folge. Schließlich wäre er einerseits nicht in der Lage, die Praxis im Kompetenzbereich eines anderen Landesbezirks zu beeinflussen. Andererseits wäre er auch nicht verpflichtet, seine eigene Praxis daran auszurichten. Dies aber würde einem Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung mit den in den anderen Landesbezirken beschäftigen Arbeitnehmern entgegenstehen. Vom Grundsatz her erscheint diese Entscheidung des BAG mit Blick auf den konkreten Sachverhalt nachvollziehbar und überzeugend. Die Feststellung, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz auch dann zur Anwendung komme, wenn der Arbeitgeber – ohne auf besondere Einzelfälle beschränkt zu sein – nach Gutdünken oder nach nicht sachgerechten oder nicht bestimmbaren Kriterien leiste, dürfte in der betrieblichen Praxis allerdings zu großen Problemen führen, wenn Sonderleistungen in Rede stehen, die zugleich auch in unterschiedlicher Höhe gewährt werden. Denn hier erlaubt der Grundsatz der Gleichbehandlung allein noch keine Entscheidung 488
Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Zielvereinbarung
über die Frage, in welcher Höhe Arbeitnehmer, die bei der willkürlichen Vergabe ausgegrenzt wurden, entsprechende Zahlungen verlangen können. Dies wäre nur dann möglich, wenn ein generalisierendes Prinzip, dessen Anwendung allein ausgedehnt werden müsste, in Rede stünde. Anknüpfungspunkt in solchen Fallgestaltungen könnte daher nur eine Durchschnittsbetrachtung oder eine Festsetzung sein, die das Arbeitsgericht nach billigem Ermessen zu treffen hätte (§ 315 Abs. 3 BGB). Abzuwarten bleibt, ob das BAG Gelegenheit hat, diese Frage in weiterführenden Entscheidungen zu beantworten. (Ga)
10. Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Zielvereinbarung Nach wie vor sind in der betrieblichen Praxis variable Vergütungsbestandteile weit verbreitet. Sie knüpfen daran an, dass innerhalb eines bestimmten Bezugszeitraums individuelle und/oder kollektive bzw. unternehmensbezogene Ziele erreicht werden. Üblicherweise wird dabei vorgesehen, dass zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber – insoweit durch eine Führungskraft vertreten – Einvernehmen über diese Ziele erzielt werden muss, die dann in einer Zielvereinbarung festgehalten werden. Dies entspricht nicht nur einem konsensualen Führungsstil. Vielmehr soll durch gemeinsame Festlegung der Ziele auch erreicht werden, dass eine höhere Akzeptanz auf Arbeitnehmerseite und daraus folgend auch eine höhere Bereitschaft erreicht wird, diese Ziele zu erfüllen. Alternativ hierzu sieht ein Teil der in der betrieblichen Praxis verwendeten Regelungen allerdings auch vor, dass die Ziele – gegebenenfalls wenn der Abschluss einer Vereinbarung scheitert – durch den Arbeitgeber nach billigem Ermessen einseitig festgelegt werden. Unabhängig von der jeweils im Einzelfall vorliegenden Regelung passiert es immer wieder, dass der Bezugszeitraum fortschreitet oder sogar bereits abgelaufen ist, ohne dass für diesen Zeitraum Ziele bestimmt bzw. vereinbart worden sind. Betroffen hiervon sind meist solche Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ohnehin endet. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer trotz fehlender Zielvereinbarung bzw. Zielvorgabe einen Anspruch auf die variable Vergütung hat oder ob ihm ein Ersatz hierfür gezahlt werden muss. Auf der Grundlage seiner Feststellungen im Urteil vom 12.12.200766 hat das BAG im Urteil vom 17.12.202067 noch einmal deutlich gemacht, dass ein 66 BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NJW 2008, 872 Rz. 46 ff. 67 BAG v. 17.12.2020 – 8 AZR 149/20, NZA 2021, 1034 Rz. 44 ff.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Anspruch auf die variable Vergütung ohne den Abschluss einer Zielvereinbarung bzw. die Festlegung der Ziele zwar nicht entstehen kann. Verstoße der Arbeitgeber allerdings schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, für einen Bezugszeitraum einseitig Ziele festzulegen oder gemeinsam mit dem Arbeitnehmer zu vereinbaren, könne dies nach Ablauf des Bezugszeitraums einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280, Abs. 1, 3 BGB i. V. m. § 283 S. 1 BGB auslösen. Eine Festlegung von Zielen für eine vergangene Zeitspanne sei ausgeschlossen. Es trete Unmöglichkeit i. S. d. § 275 Abs. 1 BGB ein. Denn eine Zielvereinbarung, die bei Zielerreichung einen Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Bonus begründe, könne entsprechend dem Leistungssteigerungs- und Motivationsgedanken ihre Anreizfunktion nur dann erfüllen, wenn der Arbeitnehmer bereits bei der Ausübung seiner Tätigkeit die von ihm zu verfolgenden Ziele kenne und wisse, auf welche Ziele der Arbeitgeber in dem jeweiligen Zeitraum besonderen Wert lege und deshalb bereit sei, bei Erreichen dieser Ziele den zugesagten Bonus zu zahlen. Hinsichtlich der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist nach den Feststellungen des BAG grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer die vereinbarten oder nach billigem Ermessen vorgegebenen Ziele auch erreicht hätte. Sollten besondere Umstände vorliegen, die gegen diese Annahme sprechen, seien sie durch den Arbeitgeber dazulegen und gegebenenfalls zu beweisen68. Wichtig allerdings ist, dass der Schadensersatzanspruch an ein Verschulden des Arbeitgebers geknüpft ist. Liegt eine Regelung vor, nach der die Ziele durch den Arbeitgeber einseitig nach billigem Ermessen festzulegen sind, kann zunächst einmal davon ausgegangen werden, dass allein der Arbeitgeber schuldhaft untätig geblieben ist. Wenn die Ziele durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestimmt werden sollen, sieht das BAG in der Festlegung der Ziele allerdings nicht allein eine Aufgabe des Arbeitgebers. Vielmehr bedürfe es auch einer Mitwirkung des Arbeitnehmers. Sein Handeln kann deshalb auch zur Folge haben, dass kein Schadensersatzanspruch entsteht. Denn der Arbeitnehmer verletze – so das BAG – seinerseits eine vertragliche Nebenpflicht und habe weder einen Anspruch auf den Bonus noch einen Schadensersatzanspruch wegen entgangener Bonuszahlung, wenn allein durch sein Verschulden keine Zielvereinbarung zustande gekommen sei. Dies sei beispielsweise dann der Fall, wenn er zu ei-
68 BAG v. 17.12.2020 – 8 AZR 149/20, NZA 2021, 1084 Rz. 53; BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NJW 2008, 872 Rz. 50.
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Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Zielvereinbarung
nem Gespräch mit dem Arbeitgeber über mögliche Ziele nicht bereit gewesen sei69. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts kann das Mitverschulden des Arbeitnehmers aber auch zu einer Verminderung des Schadensersatzanspruchs führen. Hiervon ist wiederum dann auszugehen, wenn sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer zu vertreten haben, dass eine Zielvereinbarung nicht zustande kommt. In diesen Fällen ist – sodass BAG – das Mitverschulden des Arbeitnehmers nach § 254 BGB angemessen zu berücksichtigen. Von diesen Grundsätzen ausgehend geht der 8. Senat des BAG in seinem Urteil vom 17.12.202070 davon aus, dass das Fehlen einer Zielvereinbarung nicht automatisch den Rückschluss rechtfertige, dass nur der Arbeitgeber die Initiative zu ergreifen und auf Grund seinen Direktionsrechts ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer über mögliche Ziele und deren Gewichtung anzuberaumen hat, sodass nur von einer arbeitgeberseitigen Pflichtverletzung auszugehen sei. Vielmehr müsse, wenn keine Initiativlast des Arbeitgebers vereinbart worden sei, auch der Arbeitnehmer die Verhandlungen über eine Zielvereinbarung anregen. Dabei reiche es allerdings aus, wenn er dem Arbeitgeber zu Verhandlungen über die Zielvereinbarung auffordere. Geschehe dies nicht, sei – wie auch in dem seiner Entscheidung zugrundeliegenden Fall angenommen – von einem Mitverschulden am Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung auszugehen, das mit 10 % anspruchsmindert zu berücksichtigen sei. Die Sichtweise des BAG ist folgerichtig und konsequent. Sie macht noch einmal deutlich, dass Regelungen über eine variable Vergütung nicht nur von ihrem Zweck her verlangen, rechtzeitig die maßgeblichen Ziele des jeweiligen Bezugszeitraums festzulegen. Nur dann können sie die entgeltbezogene Anreizfunktion setzen. Weitergehend muss sogar damit gerechnet werden, dass die variable Vergütung ungekürzt ausgezahlt werden muss, obwohl erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer keine Anstrengungen unternommen hat, bestimmte Ziele zu erreichen. Das ist nur folgerichtig, schließlich sind ihm diese Ziele auch nicht gesetzt worden. Damit aber werden über den Schadensersatzanspruch auch Arbeitnehmer, die nichts zu einer Zielerreichung beigetragen haben, so belohnt, als hätten sie alle Ziele erfüllt. (Ga)
69 BAG v. 17.12.2020 – 8 AZR 149/20, NZA 2021, 1084 Rz. 59. 70 BAG v. 17.12.2020 – 8 AZR 149/20, NZA 2021, 1084 Rz. 61.
491
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
11.
Berücksichtigung der variablen Vergütung beim Urlaubsentgelt
Die Frage der Berücksichtigung variabler Vergütungen des Arbeitnehmers bei der Höhe des Urlaubsentgelts stellt sich vor allem für Arbeitnehmer, die neben einem Festgehalt variable Vergütungsbestandteile in Gestalt von Provisionen, Prämien oder sonstigen mit einer bestimmten Zielerreichung (Vertriebsziele, Umsatzziele) verknüpften Zahlungen vom Arbeitgeber erhalten. Die gesetzliche Grundlage für die Berechnung des Urlaubsentgelts findet sich in § 11 BUrlG, wonach in Abs. 1 S. 1 vorgesehen ist, dass sich das Urlaubsentgelt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes, bemisst. Diese Regelung konkretisiert im Ergebnis die Vorschrift des § 1 BUrlG. Danach hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Die Erfüllung dieses Anspruchs setzt daher nicht nur voraus, dass der Arbeitnehmer in der Zeit des Urlaubs nicht zur Arbeit herangezogen werden darf. Hinzutreten muss vielmehr, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeit auch zu bezahlen ist. § 1 BUrlG entspricht insoweit der Regelung in Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie)71. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH hat der in Art. 7 Abs. 1 Arbeitszeitrichtlinie enthaltene Begriff des „bezahlten“ Jahresurlaubs zum Inhalt, dass das gewöhnliche Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne der Richtlinie weiterzugewähren ist72. Der Arbeitnehmer muss für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten. Durch die Zahlung des Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist. Hierzu gehört nach der Lock-Entscheidung des EuGH73, dass „jede Unannehmlichkeit, die untrennbar mit der Erfüllung der dem Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben verbunden ist und durch einen in die Berechnung des Gesamtentgelts des Arbeitnehmers eingehenden Geldbetrag abgegolten wird, zwingend Teil des Betrags sein muss, auf den der Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs Anspruch hat.“
71 Vgl. dazu BAG v. 20.9.2016 – 9 AZR 429/15, NZA 2017, 76 Rz. 19. 72 EuGH v. 22.5.2014 – C-539/12, NZA 2014, 593 Rz. 16 m. w. N. – Lock. 73 EuGH v. 22.5.2014 – C-539/12, NZA 2014, 593 Rz. 29 f. – Lock.
492
Berücksichtigung der variablen Vergütung beim Urlaubsentgelt
Außerdem sind all diejenigen Bestandteile des Gesamtentgelts, die an die persönliche und berufliche Stellung des Arbeitnehmers anknüpfen, während seines bezahlten Jahresurlaubs fortzuzahlen. Daher sind gegebenenfalls die Zulagen, die an seine leitende Position, die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit und an seine beruflichen Qualifikationen anknüpfen, fortzuzahlen.“ Damit sind etwa monatliche Provisionen, die ein Arbeitnehmer in Zusammenhang mit der Erfüllung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben erhält, bei der Berechnung des Gesamtentgelts zu berücksichtigen, auf das ein Arbeitnehmer hinsichtlich seines Jahresurlaubs Anspruch hat74. Ungeachtet dessen, dass die Tarifvertragsparteien nach § 13 Abs. 1 BUrlG von den Bestimmungen des BUrlG auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer abweichen können, sind die §§ 1, 2, 3 Abs. 1 BUrlG davon ausgenommen. Deshalb dürfen Tarifverträge die aus § 1 BUrlG folgende Entgeltfortzahlungspflicht, die unionskonform zu interpretieren ist, nicht durch eine von § 11 Abs. 1 BUrlG abweichende Berechnung der weiterzuzahlenden Vergütung mindern75. Soweit Tarifverträge für den gesetzlichen Mindesturlaub Bemessungsregelungen treffen, ist zumindest die Vergütung sicherzustellen, die der Arbeitnehmer ohne die Freistellung beanspruchen könnte76. Diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelten jedoch zunächst nur für den unabdingbaren gesetzlichen Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers und stehen einer anderweitigen Behandlung eines übergesetzlichen Urlaubs durch Tarifvertrag oder arbeitsvertragliche Absprache nicht im Wege. Allerdings müssen durch Tarifvertrag oder arbeitsvertragliche Abrede die übergesetzlichen Urlaubsanspruchsteile auch abweichend vom Gesetz geregelt werden, weil sie ansonsten das Schicksal der gesetzlichen Regelung teilen77. Der nach § 11 Abs. 1 BUrlG für den gesetzlichen Urlaub als Urlaubsvergütung zu zahlende Betrag ist das Produkt aus dem Geldfaktor, der nach einem modifizierten Referenzprinzip bestimmt wird, und dem Zeitfaktor, der sich 74 EuGH v. 22.5.2014 – C-539/12, NZA 2014, 593 Rz. 32 f. – Lock. 75 BAG v. 20.9.2016 – 9 AZR 429/15, NZA 2017, 76 Rz. 22; BAG v. 15.1.2013 – 9 AZR 465/11, NZA-RR 2013, 585 Rz. 20. Die Festlegung eines anderen Referenzzeitraums beim Geldfaktor ist von der Öffnungsklausel in § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG nach Ansicht des BAG gedeckt: BAG v. 17.11.2009 – 9 AZR 844/08, NZA 2010, 1020 Rz. 38; ebenso BAG v. 27.2.2018 – 9 AZR 238/17 n. v. (Rz. 17). 76 BAG v. 30.1.2019 – 10 AZR 596/17 n. v. (Rz. 36); BAG v. 27.2.2018 – 9 AZR 238/17 n. v. (Rz. 16). 77 Vgl. nur BAG 29.9.2020 – 9 AZR 364/19, NZA 2021, 429; BAG v. 22.5.2012 – 9 AZR 618/10, NZA 2012, 987 Rz. 18.
493
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
auf die Arbeitszeit bezieht, die während des Urlaubs ausfallen wird78. Der Geldfaktor richtet sich nach dem Gesamtverdienst der letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn, sodass sämtliche Arbeitsvergütungen zu berücksichtigen sind, die der Arbeitnehmer als Gegenleistung in dem maßgebenden Referenzzeitraum bezogen hat. Dazu gehören auch variable Vergütungsbestandteile, wie etwa Provisionen oder Prämien, die der Arbeitnehmer während des Referenzzeitraums erhalten hat oder zumindest in diesem Zeitraum fällig geworden sind. Dies können auch Zahlungen für Arbeitsleistungen sein, die vor den letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn erbracht worden sind. Nicht dazu gehören Aufwendungsersatzansprüche oder sogenanntes einmalig gezahltes Arbeitsentgelt79 in Gestalt von Gratifikationen, Tantiemen oder Jubiläumsgeldern, denen die Zuordnung als Vergütung zu einem bestimmten Zeitabschnitt fehlt. Um eine vom Gesetz nicht gewollte Doppelzahlung zu vermeiden, sind Zahlungen des Arbeitgebers, die unabhängig von der tatsächlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers monatlich erfolgen, in die Berechnung des Urlaubsentgelts nach § 11 Abs. 1 S. 1 BUrlG grundsätzlich nicht einzustellen80. Da der Urlaub nach Tagen bemessen wird (§ 3 Abs. 1 BUrlG), ist die Vergütung pro Urlaubstag zu ermitteln, sodass der Gesamtverdienst im Referenzzeitraum (13 Wochen) bei einer Fünftagewoche (x 5 = 65) durch 65 Tage zu teilen ist81. Zur Bestimmung des Geldfaktors i. S. v. § 11 Abs. 1 BUrlG kann auch auf das während des Referenzzeitraums erzielte Stundenentgelt zurückgegriffen werden82. Hierfür muss das berücksichtigungsfähige Entgelt im Referenzzeitraum durch die gesamte Anzahl der Arbeitsstunden geteilt werden, in denen dieses Entgelt erzielt worden ist und nicht nur durch die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit83. Bezüglich des Zeitfaktors ist stets zu berücksichtigen, dass die Urlaubsvergütung für die infolge des Urlaubs ausfallenden Arbeitsstunden zu leisten ist (Lohnausfallprinzip), sodass auch Zeiten des Arbeitsausfalls einzubeziehen sind, die während des Urlaubs des Arbeitnehmers über die Normalarbeitszeit hinaus hätten geleistet werden müssen. Daher sind beim Zeitfaktor gemäß §§ 1 BUrlG, 611 a BGB Mehrarbeitsstunden, die am jeweiligen Urlaubstag angefallen wären, beim gesetzlichen Mindesturlaub zwingend zu berück-
78 79 80 81 82 83
Vgl. nur BAG v. 21.9.2010 – 9 AZR 510/09, NZA 2011, 805 Rz. 20. BAG v. 23.4.1996 – 9 AZR 856/94, NZA 1996, 1207 Rz. 19. BAG v. 10.12.2013 – 9 AZR 279/12 n. v. (Rz. 15). BAG v. 23.4.1996 – 9 AZR 856/94, NZA 1996, 1207 Rz. 23. BAG v. 27.2.2018 – 9 AZR 238/17 n. v. (Rz. 21) m. w. N. BAG v. 27.2.2018 – 9 AZR 238/17 n. v. (Rz. 21).
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COVID-19-Quarantäne: Anrechnung auf den Urlaub?
sichtigen84. Von diesem Grundsatz dürfen auch die Tarifvertragsparteien, soweit der gesetzliche Mindesturlaub betroffen ist, nicht abweichen85. (Boe)
12. COVID-19-Quarantäne: Anrechnung auf den Urlaub? Nach § 9 BUrlG werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet, wenn ein Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt. Daran anknüpfend hatten wir uns bereits Frühjahr mit der Frage befasst, ob ein Arbeitnehmer, der nach §§ 30 ff. IfSG in Quarantäne muss, analog § 9 BUrlG geltend machen kann, dass diese Tage nicht auf den in dieser Zeit geplanten Urlaub angerechnet werden. Folgt man den Ausführungen des BGH in seinem Urteil vom 30.11.197886, auf dessen Entscheidung wir hingewiesen hatten87, ist eine solcher Anrechnung ausgeschlossen. Denn nach Auffassung des BGH ist die Dauer einer Quarantäne wie eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu behandeln. Der Arbeitnehmer sei nämlich nicht in der Lage, die Zeit in einer Weise zu verwenden, die dem Erholungszweck gerecht würde. Wenn und soweit sich der dem Arbeitnehmer gewährten Urlaub und die Dauer einer Quarantäne überschnitten, sei eine Anrechnung der Tage mit Quarantäne auf den Urlaubsanspruch ausgeschlossen. In Übereinstimmung mit Entscheidungen verschiedener Arbeitsgerichte88 vertritt das LAG Düsseldorf in seinem Urteil vom 15.10.202189 eine hiervon abweichende Auffassung und ist davon ausgegangen, dass der Anspruch auf den Erholungsurlaub auch während einer Quarantäne erfüllt werde. In dem zugrunde liegenden Fall befand sich die Klägerin, eine Maschinenbedienerin in einem Produktionsbetrieb, in der Zeit vom 10.12.2020 bis zum 31.12.2020 im Erholungsurlaub. Nach einem Kontakt mit ihrer mit COVID19 infizierten Tochter ordnete das Gesundheitsamt zunächst eine häusliche
84 BAG v. 27.2.2018 – 9 AZR 238/17 n. v. Rz. 16; BAG v. 20.9.2016 – 9 AZR 429/15, NZA 2017, 76 Rz. 14 bei einer ohne Urlaub tatsächlichen Inanspruchnahme während einer Rufbereitschaft. 85 Vgl. BAG v. 22.2.2000 – 9 AZR 107/99, NZA 2001, 268 Rz. 47 f. 86 BGH v. 30.11.1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 Rz. 12. 87 B. Gaul, AktuellAR 2020, 494 ff. 88 Vgl. ArbG Neumünster v. 3.8.2021 – 3 Ca 362 b/21, NZA-RR 2021, 545; ArbG Bonn v. 7.7.2021 – 2 Ca 504/23 n. v. 89 LAG Düsseldorf v. 15.10.2021 – 7 Sa 857/21 n. v.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Quarantäne bis zum 16.12.2020 an. Bei einer Testung am 16.12.2020 wurde auch bei der Klägerin eine Infektion mit COVID-19 festgestellt. Dafür ordnete das Gesundheitsamt für die Klägerin mit Bescheid vom 17.12.2020 häusliche Quarantäne vom 16.12.2020 bis zum 23.12.2020 an. Das Schreiben enthielt dabei den Hinweis, dass die Klägerin als Kranke i. S. d. § 2 Nr. 4 IfSG anzusehen sei. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Arzt ließ sich die Klägerin aber nicht ausstellen. Entgegen der Ansicht der Klägerin hatte der Arbeitgeber angenommen, dass der Urlaub auch während der Quarantäne gewährt und genommen wurde. Daraus folge auch ein Anspruch auf Urlaubsentgelt, das während der Quarantäne zu zahlen sei, weshalb auch der Landschaftsverband eine Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG abgelehnt hatte. Denn die Klägerin hatte als Folge des Urlaubsentgelts durch die Quarantäne keinen Verdienstausfall hinzunehmen. Mit Urteil vom 15.10.202190 hat das LAG Düsseldorf diese Sichtweise des Arbeitgebers bestätigt. In der Begründung seiner Entscheidung hat es darauf hingewiesen, dass § 9 BUrlG zwischen Erkrankung und darauf beruhender Arbeitsunfähigkeit unterscheide. Beide Begriffe seien nicht gleichzusetzen. Vielmehr verlange die Nichtanrechnung der Urlaubstage bei einem bereits bewilligten Urlaub, dass durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen worden sei, dass aufgrund der Erkrankung auch Arbeitsunfähigkeit gegeben sei. Daran aber fehle es hier. Zwar könne aus dem Bescheid des Gesundheitsamts abgeleitet werden, dass die Klägerin an COVID-19 erkrankt war. Eine Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin durch einen Arzt sei aber nicht vorgenommen worden. Damit bestünden aber nicht nur Zweifel in Bezug auf das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit. Vielmehr sei der damit verbundene Nachweis der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber, wie in § 9 BUrlG vorgesehen ist, nicht erbracht. Entgegen der Auffassung des BGH hat das LAG Düsseldorf auch eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG abgelehnt. Nach seiner Auffassung folge aus der Konzeption des BurlG, das urlaubsstörende Ereignisse als Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers fielen. Eine Analogie zu § 9 BurlG komme nur in Betracht, wenn eine COVID-19-Infektion generell und nicht nur im konkreten Einzelfall zu einer Arbeitsunfähigkeit führe. Dies aber sei nicht der Fall. Damit liege bei einer COVID-19-Infektion keine generelle Sachlage vor, die eine entsprechende Anwendung von § 9 BUrlG rechtfertige.
90 LAG Düsseldorf v. 15.10.2021 – 7 Sa 857/21 n. v.
496
COVID-19-Quarantäne: Anrechnung auf den Urlaub?
Wenn man sich die unterschiedlichen Erscheinungsformen einer COVID19-Erkrankung vor Augen führt, ist diese Sichtweise gut vertretbar. Denn gerade bei symptomlosen Erkrankungen ist nicht nur eine Arbeitsunfähigkeit im Regelfall abzulehnen. Vielmehr kann sich der Arbeitnehmer trotz dieser Erkrankung in einem Zustand befinden, der durchaus – wenn auch nicht außer Haus – eine Erholung von der vorangehenden Arbeit möglich macht. Ob auch das BAG dieser Sichtweise folgen wird, bleibt abzuwarten. Revision wurde zugelassen und eingelegt. (Ga)
497
.
E.
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
1.
Neue Rechtsprechung zur Massenentlassung
a)
Notwendigkeit einer Einbeziehung krankheitsbedingter Kündigungen bei § 17 KSchG
Gemäß § 17 Abs. 1 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei der Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige zu erstatten, bevor er • in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer, • in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 % der im Betrieb regelmäßig beschäftigte Arbeitnehmer oder mehr als 25 Arbeitnehmer, • in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Tagen entlässt. Denn Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlasst werden. In seinem Urteil vom 15.10.20211 hat das LAG Düsseldorf – in Übereinstimmung mit der ganz überwiegend vertretenen Auffassung2 – klargestellt, dass bei der Berechnung dieses Schwellenwerts auch eine krankheitsbedingte Kündigung zu berücksichtigen ist. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall war der Kläger durch die Beklagte aus krankheitsbedingten Gründen gekündigt worden. Obwohl die Beklagte in ihrem Betrieb zum damaligen Zeitpunkt insgesamt 34 Kündigungen ausgesprochen hatte, die bereits aus sich heraus zum Überschreiten des Schwellenwerts in § 17 Abs. 1 KSchG geführt hatten, erstattete sie aber keine Massenentlassungsanzeige. Nach Auffassung des LAG Düsseldorf scheiterte die Kündigung damit bereits an §§ 17 KSchG, 134 BGB. Denn nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck von § 17 KSchG bestehe die Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit auch bei krankheitsbedingten Massenentlassungen. Die ausdrückliche Anregung im Gesetzgebungsverfahren, personen1 2
LAG Düsseldorf v. 15.10.2021 – 7 Sa 405/21 n. v. Vgl. BAG v. 13.6.2019 – 6 AZR 459/18, NZA 2019, 1638 Rz. 36; HWK/Molkenbur, KSchG § 17 Rz. 14 f.; MüKo/Hergenröder, KSchG § 17 Rz. 26.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
und verhaltungsbedingte Entlassungen von der Anzeigenpflicht auszunehmen, habe der Gesetzgeber nicht aufgegriffen. In der betrieblichen Praxis dürften Fallgestaltungen, in denen bereits durch die Anzahl krankheitsbedingter Kündigungen die Stellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG überschritten werden, Seltenheitswert haben. Gleichwohl hat die hier noch einmal vorgenommene Klarstellung ganz erhebliche Bedeutung. Denn sie führt erneut vor Augen, dass krankheitsbedingte Kündigungen in die Berechnungen auch dann einzubeziehen sind, wenn aus Sicht der Betriebsparteien an sich nur betriebsbedingte Kündigungen oder Aufhebungsverträge sowie außerbetriebliche Gründe in Rede stehen. Insofern genügt es für den Arbeitgeber nicht, sicherzustellen, dass die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG durch die betriebsbedingten Entlassungen nicht überschritten werden, wenn der Aufwand einer Massenentlassung vermieden werden soll. Vielmehr ist zugleich im Auge zu behalten, dass auch unter Einbeziehung krankheitsbedingter Kündigungen oder sonstiger Entlassungen aus Gründen im Verhalten oder der Person des Arbeitnehmers die vorstehend genannten Schwellenwerte innerhalb von 30 Tagen nicht überschritten werden, um zu vermeiden, dass das Konsultations- bzw. Massenentlassungsanzeigeverfahren eingeleitet werden muss.
b)
Bedeutung der Soll-Angaben nach § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG für die Wirksamkeit einer Massenentlassungsanzeige
Gemäß § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, vor einer Massenentlassung schriftlich eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit zu erstatten, der die Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beigefügt werden muss. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, dass er dem Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Dabei muss die Anzeige Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebs enthalten, ferner die Gründe für die geplante Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer (Muss-Angaben). Gemäß § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG sollen in der Anzeige ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden (Soll-Angaben). Folgt man der bislang überwie500
Neue Rechtsprechung zur Massenentlassung
gend in Rechtsprechung3 und Literatur4 vertreten Auffassung, bleibt die Massenentlassungsanzeige wirksam, wenn sie ohne die Soll-Angaben eingereicht wird. In Übereinstimmung mit Zif. 17.34 der fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 17 KSchG wird es als ausreichend angesehen, wenn diese Angaben ganz oder teilweise nahgereicht werden. Die Massenentlassungsanzeige bleibt auch dann wirksam, wenn diese Angaben überhaupt nicht erbracht werden. In seinem Urteil vom 25.6.20215 geht das LAG Hessen allerdings hiervon abweichend davon aus, dass keine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige vorliegt, wenn nicht auch die Soll-Angaben nach § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG vor Zugang der Kündigung gegenüber der Agentur für Arbeit erbracht worden sind. Das LAG Hessen sieht in dieser Auffassung auch keinen Widerspruch zur Rechtsprechung des BAG, das im Urteil vom 13.2.20206 noch festgestellt hatte, dass die in § 17 Abs. 3 S. 4,5 KSchG enthaltene Regelung den Unionsrechtlichen Vorgaben entspreche. Zum einen habe das BAG mit dieser Feststellung nicht entschieden, dass die Soll-Angaben für eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige verzichtbar seien. Vielmehr habe das BAG darauf verwiesen, dass auch die Soll-Angaben „zweckdienlich“ i. S. d. Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 3 der Richtlinie 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL) seien. Abweichend von der überwiegend vertretenen Auffassung sei deshalb im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung von § 17 KSchG davon auszugehen, dass auch die Soll-Angaben in einer Massenentlassungsanzeige enthalten seien müssten. Hintergrund dieser Sichtweise des LAG Hessen ist der Umstand, dass die Anzeige gegenüber der zuständigen Behörde nach Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 3 MERL „alle zweckdienlichen“ Angaben über die beabsichtigte Massenentlassung und die Konsultationen der Arbeitnehmervertreter gemäß Art. 2 enthalten muss, insbesondere die Gründe der Entlassung, die Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer und den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen. Wenn man den Hinweis auf Art. 2 nur auf die Konsultationen mit den Arbeitnehmervertretern bezieht, ist es vertretbar, dass unter den Begriff 3
4 5 6
Vgl. LAG Düsseldorf v. 5.12.2019 – 13 Sa 622/18 n. v. (Rz. 248); LAG Düsseldorf v. 13.3.2019 – 12 Sa 707/18 n. v. (Rz. 241); LAG Düsseldorf v. 13.3.2019 – 12 Sa 726/18 n. v. (Rz. 242). Vgl. HWK/Molkenbur, KSchG § 17 Rz. 35; APS/Moll, KSchG § 17 Rz. 102; Gallner/Mestwerdt/Nägele, KSchG § 17 Rz. 70. LAG Hessen v. 25.6.2021 – 14 Sa 1225/20, NZA-RR 2021, 598 Rz. 32 ff. BAG v. 13.2.2020 – 6 AZR 146/19, NZA 2020, 1006 Rz. 93.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
der „zweckdienlichen Angaben“ alle denkbaren Hinweise subsumiert werden, die der zuständigen Behörde einer Arbeitsvermittlung erleichtern können. Dazu gehören dann auch die Soll-Angaben, wie sie in § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG genannt werden. Wenn man den Verweis auf Art. 2 allerdings auch auf die zweckdienlichen Angaben bezieht, verpflichtet Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 3 MERL den Arbeitgebern nur, alle zweckdienlichen Angaben, die im Rahmen der Konsultation gegenüber der Arbeitnehmervertretung gemacht wurden, auch der Arbeitsverwaltung zur Verfügung zu stellen. Dies umfasst dann nicht nur die Muss-Angaben nach § 17 Abs. 3 S. 4 KSchG, wie sie auch in Art. 2 Abs. 3 lit. b) MERL genannt werden. Vielmehr würde man dann auch weitergehende Auskünfte, wie sie in Art. 2 Abs. 3 lit. a) MERL genannt werden, übermitteln müssen, sofern diese zweckdienlich sind. Problematisch daran wäre, dass der Inhalt dieser Angaben einzelfallbezogen bestimmt werden müsste, weil eine Kennzeichnung, wie sie durch § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG auch in Bezug auf die Soll-Angaben erfolgt ist, fehlt. Unabhängig davon, dass die Sichtweise des LAG Hessen nicht zwingend erscheint, dürfte damit jedenfalls aus unionsrechtlicher Sicht ein offenes Auslegungsergebnis gegeben sein. Eine abschließende Entscheidung darüber kann nur der EuGH treffen, geht es doch um die Auslegung der MERL, hinsichtlich derer jedenfalls insoweit keine klaren Vorgaben aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH entnommen werden können. Zu erwarten ist daher, dass das BAG, bei dem der Rechtstreit nunmehr anhängig ist7, den EuGH um Vorabentscheidung ersuchen wird. Bis zu einer klarstellenden Entscheidung durch das BAG bzw. den EuGH ist der betrieblichen Praxis zu empfehlen, die Soll-Angaben bereits im Zusammenhang mit der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit einzureichen. Dass § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG dies an sich nicht verlangt, sollte ignoriert werden. Zu hoch ist das Risiko, dass sämtliche Kündigungen unwirksam sind, wenn sich die Rechtsprechung der Sichtweise des LAG Hessen anschließen und darin auch einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1, 3 KSchG sehen sollte. Dass die Bundesagentur für Arbeit eine solche Einbeziehung der SollAngaben in die Massenentlassungsanzeige nicht für erforderlich hält, kann bedauerlicherweise den erforderlichen Vertrauensschutz nicht begründen. An diesem Punkt ist der Entscheidung des LAG Hessen vom 25.6.20218 zuzustimmen. (Ga)
7 8
BAG: 2 AZR 424/21. LAG Hessen v. 25.6.2021 – 14 Sa 1225/20, NZA-RR 2021, 598 Rz. 52.
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Wegfall des Beschäftigungsanspruchs infolge Umorganisation
2.
Wegfall des Beschäftigungsanspruchs infolge Umorganisation – Missbrauchskontrolle
Seit der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27.2.19859 geht die Rechtsprechung des BAG10 davon aus, dass der Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße tatsächliche Beschäftigung hat, der seine Grundlage in §§ 611 a, 613 BGB i. V. m. der Generalklausel des § 242 BGB findet, die durch die Wertentscheidungen der Art. 1 und Art. 2 GG zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausgefüllt wird. Damit korrespondiert die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, wenn er es wünscht. Voraussetzung dafür ist zunächst eine arbeitsvertragliche Bindung der Parteien. Daneben setzt der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers voraus, dass das Interesse des Arbeitnehmers an seiner Beschäftigung das des Arbeitgebers an seiner Nichtbeschäftigung überwiegt11. Anderenfalls ist der Arbeitgeber nicht zur Beschäftigung des Arbeitnehmers verpflichtet. Dies kann der Fall sein, wenn eine Beschäftigung des Arbeitnehmers etwa wegen Auftragsmangels oder einer Umorganisation, die auf einer rechtmäßigen unternehmerischen Entscheidung beruht, nicht mehr möglich ist12. Andererseits kann ein Arbeitgeber im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO nicht erfolgreich einwenden, ihm sei die Erfüllung eines rechtskräftig zuerkannten Beschäftigungsanspruchs auf einem konkreten Arbeitsplatz wegen dessen Wegfalls unmöglich, wenn er den arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch durch Zuweisung einer anderen vertragsgemäßen Tätigkeit erfüllen könnte13. Einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten oder eine beschlossene Organisationsmaßnahme zu unterlassen, kann vom Arbeitgeber jedoch nicht zur Befriedigung des Beschäftigungsinteresses des Arbeitnehmers beansprucht werden14. Auch bei einer unternehmerischen Entscheidung, die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führt, kommt es darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an ihrer Durchsetzung dafür eine Rechtfertigung abgibt. Nicht er-
9 BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 Rz. 57, 71 ff. 10 Vgl. BAG v. 15.6.2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625 Rz. 43; BAG v. 27.5.2020 – 5 AZR 247/19, NZA 2020, 1169 Rz. 23; BAG v. 25.1.2018 – 8 AZR 524/16 n. v. (Rz. 70); BAG v. 21.2.2017 – 1 AZR 367/15, NZA 2017, 740 Rz. 19 m. w. N. 11 BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 Rz. 57, 71 ff. 12 BAG v. 15.6.2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625 Rz. 45; BAG v. 21.3.2018 – 10 AZR 560/16, NZA 2018, 1071 Rz. 19 m. w. N. 13 BAG v. 21.3.2018 – 10 AZR 560/16, NZA 2018, 1071 Rz. 16. 14 BAG v. 15.6.2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625 Rz. 46.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
forderlich ist dabei, dass sich die unternehmerische Maßnahme des Arbeitgebers als zwingend erweist oder auch wirklich zweckmäßig ist. Sie unterliegt nur insoweit einer gerichtlichen Prüfung, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist und vom Arbeitgeber auch tatsächlich umgesetzt wurde15. Ist die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers nicht mit diesen Attributen versehen, ist im Interesse des Arbeitnehmers zu prüfen, ob noch eine Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer vertragsgemäß sinnvoll zu beschäftigen16. Für den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, wobei in Fällen, bei denen der Wegfall der Beschäftigung mit der organisatorischen unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers deckungsgleich ist, im Einzelnen konkretisiert werden muss, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen in Wegfall geraten sind17. Den Arbeitnehmer trifft hingegen die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die zumindest indiziell dafürsprechen, dass die unternehmerische Maßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig und willkürlich ist, um ihre Missbräuchlichkeit feststellen zu können18. In der Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 15.6.202119 ging es darum, ob sich ein Arbeitgeber pflichtwidrig verhält, wenn er an einer rechtmäßigen unternehmerischen Entscheidung festhält, deren Umsetzung zur Unmöglichkeit einer vertragsgemäßen Beschäftigung des Arbeitnehmers führt. Die Klägerin war seit Juli 2000 im Betrieb H der Beklagten als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Nach einem Wechsel der Geschäftsführung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin wegen vollständigen Wegfalls ihrer Aufgaben ordentlich am 10.10.2016 zum 31.3.2017. Nachdem das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage entsprochen und die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung verurteilt hat, bot diese zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses im Betrieb L im Einkauf an, womit die Klägerin einverstanden war. Am 28.3.2018 nahm die Beklagte ihre Berufung gegen die arbeitsgerichtliche Entscheidung zurück. 15 BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 650/14, NZA 2016, 630 Rz. 32. 16 BAG v. 15.6.2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625 Rz. 47; BAG v. 16.5.2019 – 6 AZR 329/18, Rz. 36. 17 BAG v. 15.6.2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625 Rz. 49; BAG v. 16.5.2019 – 6 AZR 329/18, Rz. 43. 18 BAG v. 15.6.2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625 Rz. 50; BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 562/14, NZA 2016, 366 Rz. 48. 19 BAG v. 15.6.2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625.
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Homeoffice als milderes Mittel gegenüber der Änderungskündigung
Seit April 2018 ist die Klägerin Mitglied des Betriebsrats im Betrieb L. Mit Schreiben vom 9.5.2018 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, sie wieder als Assistentin der Geschäftsleitung im Betrieb H zu beschäftigen. Ihre darauf gerichtete Beschäftigungsklage war in allen Instanzen erfolglos. Unter Berücksichtigung der zuvor dargestellten allgemeinen Grundsätze zum Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers ist das BAG in Übereinstimmung mit dem LAG zu dem Ergebnis gekommen, dass der Bedarf für die Beschäftigung der Klägerin in allen Bereichen ihres Arbeitsvertrags als Assistentin der Geschäftsführung durch eine organisatorische Entscheidung der Beklagten vollständig entfallen war. Das BAG hat zugleich die Rechtsmissbräuchlichkeit der von der Beklagten beschlossenen und durchgeführten Organisationsentscheidung, die unbestritten aus wirtschaftlichen Gründen getroffen worden war, verneint und die Beklagte nicht für verpflichtet gehalten, einen auf die Klägerin zugeschnitten Arbeitsplatz zu schaffen. Damit hätte die Klägerin darlegen müssen, an welche anderweitige Möglichkeit der vertragsgemäßen Beschäftigung im Betrieb H zu denken war. Dieser Darlegungslast ist die Klägerin im Verfahren nicht nachgekommen. Ergänzend weist das BAG darauf hin, dass die Beklagte auch nicht nach § 275 Abs. 4 i. V. m. §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB aus Schadensersatzgründen (Schadensersatz statt Leistung) verpflichtet war, die Klägerin antragsgemäß zu beschäftigen, weil mit der unternehmerischen Entscheidung der Wegorganisation des Arbeitsplatzes keine Pflichtverletzung der Beklagten verbunden war. Die Entscheidung des BAG bestätigt noch einmal, dass die Arbeitsgerichte nur im Ausnahmefall unternehmerische Entscheidungen des Arbeitgebers, die Arbeitsplatzverluste zur Folge haben, einer Überprüfung unterziehen und nur daraufhin kontrollieren, ob der Wegfall einer vertragsgemäßen Beschäftigung tatsächlich unvermeidbar ist. (Boe)
3.
Homeoffice als milderes Mittel gegenüber der Änderungskündigung mit Ortsveränderung?
Auch die betriebsbedingte Änderungskündigung setzt zur ihrer Wirksamkeit nach §§ 1, 2 KSchG eine soziale Rechtfertigung voraus. Wenn sie als betriebsbedingte Kündigung erklärt wird, muss sie damit durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein, die es ausschließen, den Arbeitnehmer über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Hiervon ausgehend ist – was das BAG bereits im Urteil vom 23.6.200520 deutlich gemacht hat – eine betriebsbedingte Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, in dem mit der Kündigung verbundenen Angebot nur solche Änderungen gegenüber den bestehenden Arbeitsbedingungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer die vorgeschlagenen Änderungen hinnehmen muss und die Kündigung damit sozial gerechtfertigt ist, richtete sich – so das BAG – nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Damit darf sich keine der angebotenen Änderungen weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur Anpassung an die geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten im Anschluss an den Ablauf der Kündigungsfrist erforderlich ist. Selbstverständlich gelten diese Grundsätze auch dann, wenn ein Standort geschlossen und Arbeitsplätze an einen anderen Ort verlagert werden sollen. Auch dann dürfen sich die durch den Arbeitgeber angebotenen Arbeitsbedingungen von den bisherigen Regelungen des Arbeitsvertrags nur soweit entfernen, als dies durch die Ortsveränderung geboten ist. Auf diesen Umstand hat das ArbG Berlin in seinem Urteil vom 10.8.202021 zunächst einmal zu Recht hingewiesen. Bei der unternehmerischen Entscheidung, eine Filiale zu schließen, müsse sich der Arbeitgeber in Bezug auf die beabsichtigte Änderung von Arbeitsbedingungen bei Arbeitnehmern, die bis dahin in der betreffenden Filiale tätig waren, daher auf das Maß beschränken, das für die Durchsetzung der unternehmerischen Entscheidung unabdingbar sei. Hiervon ausgehend könne der Arbeitgeber verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer anzubieten, dass er zukünftig seine Tätigkeit im Homeoffice erbringe. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber trotz gerichtlichen Hinweises nicht dargelegt habe, warum eine physische Präsenz des Arbeitnehmers in der Zentrale des Arbeitgebers zur Erfüllung der arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben erforderlich sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer substantiiert dargelegt habe, dass seine Tätigkeit insoweit digitalisiert worden sei, dass er sie auch von Zuhause aus erbringen könnte und die hierfür notwendige technische Infrastruktur im Hause des Arbeitnehmers ganz offensichtlich vorhanden ist. Daran anknüpfend hatte das ArbG Berlin der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Völlig zu Recht hat das LAG Berlin-Brandenburg die Entscheidung in seinem Urteil vom 24.3.202122 aufgehoben und die Klage nicht nur wegen 20 BAG v. 23.6.2005 – 2 AZR 642/04, NZA 2006, 92. 21 ArbG Berlin v. 10.8.2020 – 19 Ca 13189/19, BB 2021, 575. 22 LAG Berlin-Brandenburg v. 24.3.2021 – 4 Sa 1243/20, BB 2021, 2231 Rz. 49 ff.
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Homeoffice als milderes Mittel gegenüber der Änderungskündigung
formeller Fehler bei der Antragsstellung in beiden Instanzen abgewiesen. Zu Recht hat das LAG Berlin-Brandenburg noch einmal deutlich gemacht, dass die Kündigung unter Berücksichtigung des unstreitigen Sachvortrags beider Parteien auch sozial gerechtfertigt war. Damit wurde das Urteil des ArbG Berlin aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Ausgangspunkt war dabei der Grundsatz, dass die Entscheidung der Beklagten, die Vertriebstätigkeiten in ihrer Zentrale in Wuppertal zusammenzufassen und die Niederlassung in Berlin infolgedessen zu schließen, als eine unternehmerische Entscheidung zu qualifizieren war, die den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit zur Folge haben kann. Dabei sei zwar von den Arbeitsgerichten nachzuprüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliege und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis zu den bisherigen Bedingungen für einzelne Arbeitnehmer entfallen lasse. Dagegen sei die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Vielmehr unterliege die Organisationsentscheidung im Kündigungsschutzprozess nur einer Rechts- und Missbrauchskontrolle. Sie sei lediglich dahingehend zu überprüfen, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich sei oder ob sie ursächlich für die vom Arbeitgeber geltend gemachten Änderungsbedarf werde. Ausgehend davon, dass für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung die Vermutung spreche, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt sei, Rechtsmissbrauch also die Ausnahme sei, habe im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und im Streitfall zu beweisen, aus denen sich ergeben solle, dass die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei23. Diese Voraussetzungen einer zulässigen unternehmerischen Entscheidung waren nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg in dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall gegeben und hatten auch den Wegfall des Bedarfs einer Beschäftigung der Klägerin ausgelöst. Denn die Beklagte habe eine Organisationsentscheidung getroffen, die zur Schließung der Niederlassung in Berlin geführt hatte. Da die Beklagte auch nachvollziehbare Gründe vorgetragen hatte, die sie zu der neuen Organisation ihrer Betriebsstruktur verleitet hatten, war die unternehmerische Entscheidung, die Servicearbeiten am Standort Wuppertal zu konzentrieren, auch nicht zu beanstanden. Da sich die Beklagte im Rahmen der übergreifenden Organisationsentscheidung entschlossen hatte, die administrativ ausgerichtete Ser23 So bereits BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 64/05, NZA 2006, 985 Rz. 23; BAG v. 23.6.2005 – 2 AZR 642/04, NZA 2006, 92 Rz. 17.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
viceassistenz – zur der die Klägerin gehörte – ebenso wie die Vertriebsassistenz aus allen Niederlassungen in Wuppertal zusammenzuführen, so dass nur die im Vertrieb tätigen Außendienstmitarbeiter noch außerhalb des Standorts Wuppertal tätig waren, stellte die Arbeit im Homeoffice auch kein milderes Mittel dar, das der Klägerin im Rahmen einer Änderungskündigung hätte angeboten werden müssen. Denn darin hätte ein Eingriff und auch eine Veränderung der unternehmerischen Entscheidung gelegen, die im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens nicht erzwungen werden können24. (Ga)
4.
Unwirksamkeit einer Kündigung wegen Missachtung des Maßregelungsverbots aus § 612 a BGB
Nach § 612 a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deswegen bei einer Maßnahme benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Nach der Rechtsprechung des BAG dient das in § 612 a BGB geregelte Benachteiligungsverbot als Sonderfall der Sittenwidrigkeit25 dem Schutz der Willensfreiheit des Arbeitnehmers bei der Entscheidung darüber, ob er ein Recht ausüben will oder nicht26. Diese Entscheidung soll er ohne Furcht vor wirtschaftlichen oder sonstigen Repressalien des Arbeitgebers treffen können. Eine Rechtsausübung in diesem Sinne kann nicht nur die Geltendmachung von Ansprüchen betreffen, sondern auch in der Wahrnehmung sonstiger Rechtspositionen27, wie etwa die Erhebung einer Klage und die Führung eines Rechtsstreits. Die verbotene Benachteiligung des Arbeitnehmers kann sowohl eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers sein als auch in einer vertraglichen Vereinbarung ihren Niederschlag finden und damit die Gestaltungs- und Vertragsfreiheit des Arbeitgebers einschränken28. Eine Benachteiligung des Arbeitnehmers ist anzunehmen, wenn sich seine 24 LAG Berlin-Brandenburg v. 24.3.2021 – 4 Sa 1243/20, BB 2021, 2237 Rz. 53 ff., 59 ff. 25 BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317 Rz. 31. 26 BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 560/20, NZA 2021, 1096 Rz. 26; BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 95/06, NZA 2007, 803 Rz. 21 m. w. N. 27 BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317 Rz. 33; BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 95/06, NZA 2007, 803 Rz. 21; BAG v. 15.2.2005 – 9 AZR 116/04, NZA 2005, 1117 Rz. 44, 46; BAG v. 23.2.2000 – 10 AZR 1/99, NZA 2001, 680 Rz. 80: Dazu gehören insbesondere auch das von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und die durch Art. 9 Abs. 3 S. 1, 2 GG gewährleistete Betätigungsfreiheit. 28 BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 95/06, NZA 2007, 803 Rz. 21; BAG 15.2.2005 – 9 AZR 116/04, NZA 2005, 1117 Rz. 44, 46.
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Unwirksamkeit einer Kündigung wegen Missachtung des Maßregelungsverbots
bisherige Rechtsposition verschlechtert29 oder ihm anderen Arbeitnehmern gegenüber gewährte Vorteile versagt werden30. Zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung muss ein unmittelbarer Kausalzusammenhang vorliegen. Die zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers muss der tragende Beweggrund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein und eine Reaktion des Arbeitgebers auf die Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer darstellen31. Nicht ausreichend ist jedoch, wenn die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass der Maßnahme bildet32. Das Maßregelungsverbot soll den Arbeitsvertragsparteien nicht die anerkannt zulässigen Möglichkeiten zur Gestaltung der Arbeitsund Ausscheidensbedingungen verbieten. Orientiert der Arbeitgeber sein Verhalten an der Rechtsordnung, liegt keine nach § 612 a BGB unzulässige Benachteiligung vor, auch wenn sich aus dem Verhalten des Arbeitgebers Nachteile für den Arbeitnehmer ergeben33. Ein Verstoß gegen § 612 a BGB kann i. V. m. §§ 280 Abs.1, 241 Abs.2 BGB oder i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB Sekundäransprüche auf Schadensersatz begründen34. Den Arbeitnehmer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er wegen seiner Rechtsausübung vom beklagten Arbeitgeber benachteiligt wurde. Das BAG verlangt vom Arbeitnehmer, dass er einen Sachverhalt vorträgt, der auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Maßnahme des Arbeitgebers und einer vorangegangenen zulässigen Ausübung von Rechten hindeutet. Der Arbeitgeber muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu diesem Vortrag erklären. Sind entscheidungserhebliche Behauptungen
29 BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 95/06, NZA 2007, 803 Rz. 21; BAG 15.2.2005 – 9 AZR 116/04, NZA 2005, 1117 Rz. 44, 46. 30 BAG v. 12.6.2002 – 10 AZR 340/01, NZA 2002, 1389 Rz. 50: Eine Maßregelung i. S. d. § 612 a BGB kann darin liegen, dass der Arbeitgeber den Adressatenkreis einer freiwilligen Leistung um diejenigen Mitarbeiter verringert, die zuvor in zulässiger Weise ihre vertraglichen Rechte ausgeübt haben. BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317 Rz. 34. 31 BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317 Rz. 35; BAG v. 17.3.2010 – 5 AZR 168/09, NZA 2010, 696 Rz. 28. 32 BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 560/20, NZA 2021, 1096 Rz. 26; BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 95/06, NZA 2007, 803 Rz. 22. 33 BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 560/20, NZA 2021, 1096 Rz. 26; BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317 Rz. 35. 34 BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317 Rz. 36.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
des Arbeitnehmers streitig, hat das Gericht grundsätzlich die von ihm angebotenen Beweise zu erheben35. Die Problematik der Unwirksamkeit einer Kündigung wegen Missachtung des Maßregelungsverbots aus § 612 a BGB war Gegenstand der Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 20.5.202136. Die Fallkonstellation betrifft einen Kläger, der bei der Beklagten neben drei weiteren Arbeitnehmern seit 2015 als Servicetechniker im Außendienst beschäftigt wurde. Der Geschäftsführer der Beklagten ist zugleich Geschäftsführer einer weiteren Gesellschaft mit gleichem Unternehmensgegenstand. Die Servicetechniker beider Unternehmen werden auch bei den Kunden des jeweils anderen Unternehmens tätig. In Einzelfällen kommt es zu gemeinsamen Einsätzen, wobei die Einteilung der Dienste der Servicetechniker bei der Beklagten von einer kaufmännischen Angestellten vorgenommen werden und bei der anderen Gesellschaft durch den Serviceleiter. Personalangelegenheiten beider Unternehmen erledigt der Geschäftsführer, der den Kläger mit Schreiben vom 17. und 18.1.2019 abmahnte. Vom 5.2.2019 bis zum 22.3.2019 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 5.2.2019, das dem Kläger am 7.2.2019 zuging, ordentlich zum 22.3.2019. Gegen die Wirksamkeit dieser Kündigung hat sich der Kläger unter anderem klageweise mit dem Hinweis gewandt, sie verstoße gegen § 612 a BGB. Außerdem müsse die Beklagte die erteilten Abmahnungen aus seiner Personalakte entfernen. Die Klage war in allen Instanzen erfolglos. Zunächst hat das BAG davon abgesehen, die Kündigung der Beklagten vom 5.2.2019 am Maßstab von § 1 Abs. 2 KSchG zu überprüfen, weil die Beklagte bei Kündigungszugang nicht mehr als zehn Arbeitnehmer i. S. v. § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG beschäftigte. Dabei hat das BAG im vorliegenden Fall das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen verneint, weil Voraussetzung dafür gewesen wäre, dass die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen zu einem oder mehreren arbeitstechnischen Zwecken zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird. Dabei müssen sich die beteiligten Unternehmen zumindest stillschweigend über eine gemeinsame Führung rechtlich verständigt haben, sodass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Be-
35 BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317 Rz. 37. 36 BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 560/20, NZA 2021, 1096.
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Unwirksamkeit einer Kündigung wegen Missachtung des Maßregelungsverbots
reich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird37. Der dafür darlegungs- und beweisbelastete Kläger38 konnte im Streitfall keine äußeren Umstände aufzeigen, die für eine Einigung einer gemeinsamen Betriebsführung sprachen, weil dafür eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit nicht ausreicht. Auch die Personenidentität des Geschäftsführers bei beiden Gesellschaften lässt nicht notwendig auf eine einheitliche Leitung in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten schließen. Mitentscheidend war dabei für das BAG, dass keine einen übergreifenden Personaleinsatz einheitlich steuernde Leitung für beide Betriebe vorhanden war. In Übereinstimmung mit dem LAG hat auch das BAG in der Kündigung der Beklagten, die mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ausgesprochen worden war, eine den Kläger benachteiligende Maßnahme i. S. v. § 612 a BGB gesehen. Auch eine Kündigung kann eine Maßnahme i. S. v. § 612 a BGB sein, wenn das wesentliche Motiv oder der tragende Beweggrund ihres Ausspruchs die unmittelbare Reaktion auf die zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers darstellt. Im Streitfall hätte daher eine derartige Situation vorliegen können, wenn die Beklagte mit der Kündigung gerade das zulässige Fernbleiben von der Arbeit hätte sanktionieren wollen. Will der Arbeitgeber hingegen die für die Zukunft erwarteten Folgen – etwa Betriebsablaufstörungen – durch eine Kündigung vorbeugen, liegt der tragende Beweggrund für die Kündigung nicht mehr in der Benachteiligung des Arbeitnehmers. Dabei spielt keine Rolle, dass möglicherweise die Erkrankung des Klägers den äußeren Anlass für die ordentliche Kündigung abgegeben hat, weil die Beklagte die reibungslose Versorgung ihrer Kunden mit Serviceleistungen sicherstellen wollte. Die Klage auf Entfernung der Abmahnungen hat das BAG mit dem Argument für unbegründet gehalten, dass nicht ersichtlich war, dass sich nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus den Abmahnungen noch nachteilige Folgen für den Kläger ergeben könnten. (Boe)
37 BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 560/20, NZA 2021, 1096 Rz. 13; BAG v. 27.6.2019 – 2 AZR 38/19, NZA 2019, 1427 Rz. 14 m. w. N. 38 BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 560/20, NZA 2021, 1096 Rz. 14; BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 1057/12, NZA 2014, 725 Rz. 52.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
5.
Personalleiter – Zurückweisung einer Kündigung mangels Vorlage einer Vollmacht
a)
Ausgangssituation
In seinem Urteil vom 20.5.202139 hat sich das BAG nicht nur mit der Frage auseinandergesetzt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die durch einen Personalleiter ausgesprochene Kündigung mangels Vorlage einer Vollmacht gemäß § 174 S. 1 BGB zurückgewiesen werden kann. Ergänzend hierzu enthält das Urteil wichtige Klarstellungen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Abmahnung als milderes Mittel zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit anstelle einer ordentlicheren außerordentlichen Kündigung zumutbar ist. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte sich der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Jahre bei der Beklagten beschäftigt war, im Rahmen einer Nachtschicht in der Produktion einem Leiharbeitnehmer genähert und diesem unvermittelt mit beiden Händen die Arbeits- und die Unterhose heruntergezogen. Der Leiharbeitnehmer beschwerte sich darüber bei dem Verleiher und blieb in der folgenden Nachtschicht der Arbeit fern. Die Beklagte nahm das Verhalten des Klägers zum Anlass, mehrere Personalgespräche mit dem Kläger zu führen. Obwohl sich der Kläger schlussendlich für den Vorfall entschuldigte, entschloss sie sich dann aber, das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich zu kündigen. Dass der Leiharbeitnehmer dem Kläger – wie von diesem behauptet – selbst etwa sechs Monate zuvor ebenfalls die Arbeitshose heruntergezogen haben sollte, rechtfertigte aus Sicht der Beklagten keine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Die Kündigung, die durch den Personalleiter der Beklagte mit dem Zusatz „Leiter Personal“ und einer weiteren Mitarbeiterin unterzeichnet war, wies der Kläger aber innerhalb von zwei Tagen unter Verweis auf das Fehlen einer Original-Vollmachtsurkunde der unterzeichnenden Personen zurück. Darüber hinaus machte er geltend, dass die Kündigungen schon wegen des Fehlens einer Abmahnung unwirksam gewesen seien.
b)
Zurückweisung der Kündigung nach § 174 S. 1 BGB
Gemäß § 174 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das
39 BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 596/20, NJW 2021, 3138.
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Zurückweisung einer Kündigung mangels Vorlage einer Vollmacht
Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Eine Zurückweisung ist nach § 174 S. 2 BGB indes ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Dem wird der Vergleich gesetzt, dass sich die Vollmacht bereits aus Eintragungen im Handelsregister entnehmen lässt40. Hiervon ausgehend kann eine Kündigung als einseitige (rechtsgestaltende) Willenserklärung gemäß § 174 S. 2 BGB zurückgewiesen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Zurückweisung unverzüglich erfolgt und ihrerseits – falls sie durch einen Vertreter erfolgt – mit einer Vollmachtsurkunde oder entsprechenden Eintragungen im Handelsregister verknüpft wird. Maßgeblich für die Frage, ob die Zurückweisung unverzüglich erfolgt, ist der Zugang beim Erklärungsempfänger41. Entsprechend § 121 BGB setzt dies nicht sofortiges Handeln voraus. Vielmehr muss der Klärende ohne schuldhaftes Zögern tätig werden. Damit ist ihm eine gewisse Zeit zur Überlegung und zur Einholung des Rats eines Rechtskundigen darüber einzuräumen, ob er das einseitige Rechtsgeschäft wegen fehlender Vorlage eines Vollmachtbelegs zurückweisen soll. Auch wenn insoweit die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind, geht das BAG indes davon aus, dass dafür unter normalen Umständen eine Zeitspanne von einer Woche ausreichend ist. Wird eine Kündigung erst nach Ablauf dieser Woche zurückgewiesen, kann deshalb im Regelfall nicht mehr von einer unverzüglichen Erklärung i. S. d. § 174 S. 1 BGB ausgegangen werden. Fristbeginn für die Woche ist dabei die Kenntnis des Empfängers von der Kündigung und der fehlenden Vorlegung einer Vollmachtsurkunde42. Da der Kläger die Kündigung rechtzeitig zurückgewiesen hatte, musste das BAG klären, ob diese Zurückweisung gemäß § 174 S. 2 BGB durch den Umstand ausgeschlossen war, dass das Kündigungsschreiben durch den „Leiter Personal“ handschriftlich über der Angabe seiner Funktion unterzeichnet worden war. Davon war das LAG Sachsen bei seiner Entscheidung im Rahmen der Berufungsinstanz ausgegangen. Das BAG ist dieser Sichtweise nicht gefolgt. Zwar ist auch der 2. Senat des BAG davon ausgegangen, dass ein Arbeitnehmer, der über die Person des Personalleiters hinreichend in Kenntnis gesetzt wurde, aus dessen Stellung schlussfolgern müsse, der Personalleiter habe im Verhältnis zur Belegschaft 40 BGH v. 25.10.2012 – V ZB 5/12, NJW 2013, 297 Rz. 13. 41 BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 596/20, NJW 2021, 3138 Rz. 13; BAG v. 8.12.2011 – 6 AZR 354/10, NZA 2012, 495 Rz. 33. 42 BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 596/20, NJW 2021, 3138 Rz. 14; BAG v. 8.12.2011 – 6 AZR 354/10, NZA 2012, 495 Rz. 32 f., 67.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
eine alleinige Vertretungsmacht zum Ausspruch von Kündigungen43. Wenn die Beklagte den Kläger darüber informiert habe, dass sie den Unterzeichner in die Stellung als Personalleiter berufen habe, wäre dies dann auch dahin zu verstehen, dass dieser bevollmächtigt gewesen sei, für die Arbeitgeberin die Kündigung von Arbeitsverhältnissen zu erklären. Dass das Kündigungsschreiben darüber hinaus noch von einer weiteren Mitarbeiterin unterzeichnet war, stehe dieser Befugnis zur alleinigen Vertretung der Beklagten als Personalleiter nicht entgegen. Die gegenteilige Sichtweise differenziere nicht ausreichend zwischen dem Innen- und dem Außenverhältnis der Vollmacht. Richtigerweise könne daher eine – selbst durch das Vorhandensein einer Unterschriftenliste belegte – Praxis, Kündigungsschreiben nicht nur vom Personalleiter, sondern zusätzlich von einer weiteren Person unterschreiben zu lassen, allein einer entsprechenden Beschränkung der Vollmacht im Innenverhältnis geschuldet sein, etwa zur Wahrung eines VierAugen-Prinzips44. Eine abschließende Entscheidung über das Vorliegen dieser Voraussetzung konnte das BAG mangels tatsächlicher Feststellungen durch die Berufungsinstanz indes nicht treffen. Die Sache ist insoweit zurückverwiesen worden. Das LAG Sachsen wird jetzt zu klären haben, ob die Beklagte den Kläger im Vorfeld der Kündigung darüber in Kenntnis gesetzt hatte, dass der Unterzeichner der Kündigung bei ihr als Personalleiter tätig war. Dass dieser möglicherweise bereits den Arbeitsvertrag oder Ergänzungsvereinbarungen zum Arbeitsvertag unterzeichnet hatte, dürfte nicht genügen. Denn auch darin liegt lediglich die Abgabe einer Erklärung durch den Vertreter, nicht aber die Erklärung des Vertretenen, dass der Vertreter in der Funktion als Personalleiter für ihn tätig ist. Erforderlich für das in Kenntnis setzen nach § 174 S. 2 BGB ist insoweit nämlich eine eigene Erklärung des Vertretenen (§ 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Folgerichtig ist es daher auch nicht ausreichend, wenn im Intranet des Arbeitgebers abstrakte Unterschriftenrichtlinien zur Einsichtnahme vorhanden sind. Relevanz besitzen diese Richtlinien nur dann, wenn im Rahmen der Veröffentlichung auch die Namen der Funktionsinhaber genannt werden (§ 171 BGB). Dann stellt dies zumindest eine Erklärung des Arbeitgebers dar, mit der eine namentlich identifizierbare Person mit einer bestimmten Funktion (hier: Personalleiter) verbunden wird. Erforderlich für § 174 S. 2 BGB ist allerdings darüber hinaus, dass der Arbeitgeber nachweisen kann, dass Kenntnis des von der Kündigung betroffenen Arbeit-
43 BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 596/20, NJW 2021, 3138 Rz. 18; BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 567/13, NJW 2014, 3595 Rz. 24. 44 BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 596/20, NJW 2021, 3138 Rz. 19.
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Zurückweisung einer Kündigung mangels Vorlage einer Vollmacht
nehmers über diese Verlautbarung im Intranet bestanden hat. Die bloße Möglichkeit, diese Verlautbarung zur Kenntnis nehmen zu können, ist im Rahmen von § 174 S. 2 BGB nicht genügend45. Das „Kennen Können“ wird nur dann mit dem „in Kenntnis setzen“ gleichgesetzt, wenn es sich um eine Verlautbarung über die Vertretungsbefugnis im Handelsregister handelt46. Hiervon ausgehend ist es in der betrieblichen Praxis wichtig, dass der Arbeitgeber selbst den Arbeitnehmer über die Person des Personalleiters bzw. der Leiterin in Kenntnis setzt. Ist dies wegen der Vielzahl der betroffenen Arbeitnehmer und/oder eines Wechsels in dieser Person vor Ausspruch einer Kündigung nicht (mehr) möglich, muss mit Blick auf § 174 BGB sichergestellt werden, dass die Kündigung unter Verwendung einer Originalvollmacht erklärt wird, die durch den Arbeitgeber bzw. Personen unterzeichnet wird, deren Vertretungsbefugnis sich aus dem Handelsregister ergibt. Alternativ hierzu ist dem Personalleiter bzw. der Personalleiterin einer Einzelprokura zu erteilen, deren Vorliegen durch den von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer im Handelsregister überprüft werden kann. In diesem Fall müssen keine Original-Vollmachtsurkunden mehr verwendet werden.
c)
Verzicht auf das Erfordernis einer Abmahnung
Im Zusammenhang mit seiner Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung hat das BAG ergänzend hierzu deutlich gemacht, dass der Umstand, dass der Kläger den Genitalbereich seines Kollegen entblößt und ihn den Blicken weiterer Arbeitskollegen und deren Gelächter ausgesetzt hatte, grundsätzlich geeignet war, einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Denn es handelte sich dabei um eine erhebliche Verletzung seiner Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Das Entblößen der Genitalien des Kollegen stellte darüber hinaus einen erheblichen und entwürdigenden Eingriff in seine Intimsphäre und damit eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1, 1 GG dar. Wenn sich das Handeln des Klägers – was dieser bestritten hatte – auch darauf gerichtet hatte, nicht nur die Arbeitshose, sondern auch die Unterhose herunterzuziehen, läge darin auch eine sexuelle Belästigung gemäß § 3 Abs. 4 a GG. Dabei genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen des für dieses Ergebnis aufgrund seines Verhaltens objektiv Verantwortli-
45 BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 82/06, NZA 2007, 377 Rz. 46. 46 BGH v. 25.10.2012 – V ZB 5/12, NJW 2013, 297 Rz. 13.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
chen spielen keine Rolle. Es genügt, dass die Unerwünschtheit des Verhaltens objektiv erkennbar gewesen ist47. Voraussetzung für die Anerkennung eines wichtigen Grundes ist allerding auch, dass dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar ist. Soweit eine Vertragspflichtverletzung in Rede steht, muss bei dieser Interessenabwägung insbesondere die Frage geprüft werden, ob dem Arbeitgeber eine mildere Reaktion als die fristlose Kündigung, insbesondere also eine Abmahnung oder fristgerechte Kündigung, zumutbar war. Darauf weist das BAG im Urteil vom 20.5.202148 ausdrücklich hin. In diesem Zusammenhang machte das BAG deutlich, dass eine Kündigung – ordentlich oder außerordentlich – wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig an die Bedingung geknüpft ist, dass zuvor wegen einer gleichen oder gleichartigen Fehlverhaltensweise des Arbeitnehmers eine (wirksame) Abmahnung erklärt wurde. In dieser Abmahnung bedürfe es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar sei, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten stehe oder eine so schwere Pflichtverletzung gegeben sei, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und eine Abmahnung damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen sei. Fehlt eine Abmahnung für ein gleiches oder gleichartiges Fehlverhalten in der Vergangenheit, kann die Entbehrlichkeit einer Abmahnung in der betrieblichen Praxis also nur über die zweite Fallgruppe begründet werden. Diese knüpft – so das BAG – ausschließlich an das Gewicht der in Rede stehenden Vertragspflichtverletzung an, die für sich schon die Basis für eine weitere Zusammenarbeit entfallen lässt. Auf eine Wiederholungsgefahr komme es dabei nicht an. Vielmehr müsse die Schwere der Pflichtverletzung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls bewertet werden. Dazu gehörten z. B. ihre Art und ihr Ausmaß, ihre Folgen, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers sowie die Situation bzw. das „Klima“, in der bzw. in dem sie sich ereigneten. Folgerichtig komme es deshalb auch nicht auf ein nachfolgendes Verhalten des Arbeitnehmers an, mag dies mit einer Entschuldigung oder einem wahrheitswidrigen Bestreiten verbunden sein. Beide Verhaltensweisen haben keine Auswirkungen auf das Gewicht der vorangehenden Pflichtverletzung. Solche Feststellungen können allenfalls ein 47 BAG v. 20 5.2021 – 2 AZR 596/20, NJW 2021, 3138 Rz. 26. 48 BAG v. 20 5.2021 – 2 AZR 596/20, NJW 2021, 3138 Rz. 22 ff., 24 f.
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Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach Freistellung
Indiz für die Anerkennung oder Ablehnung einer Wiederholungsgefahr sein, die aber in der zweiten Fallgruppe nicht relevant sind49. Auch in Bezug auf diesen Aspekt konnte das BAG allerdings keine abschließende Entscheidung treffen. Vielmehr hat es die Sache zurückverwiesen und dem LAG Sachsen aufgegeben, bei der Prüfung des wichtigen Grundes ergänzende Feststellungen zur Schwere der Pflichtverletzung und daraus folgend der Entbehrlichkeit einer Abmahnung zu treffen. Hierbei geht es nicht nur um das Vorliegen einer sexuellen Belästigung. Denn selbst wenn das Verhalten des Klägers nicht als sexuelle Belästigung qualifiziert werden könne, stelle es jedenfalls einen erheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Leiharbeitnehmers dar. Relevant für die Schwere der Pflichtverletzung wäre dann insbesondere der Grad des Verschuldens des Klägers an der vollständigen Entblößung des Leiharbeitnehmers. Im Übrigen von Bedeutung für die Schwere der Pflichtverletzung seien vor allem ihre unmittelbaren oder für die Zukunft zu prognostizierenden Folgen für das Opfer des Übergriffs sowie für die Arbeitsabläufe und die respektvolle Zusammenarbeit der Beschäftigten. Die Schwere der Pflichtverletzung des Klägers mindern könnten indes bislang nicht näher festgestellte vorhergegangene Übergriffe des Leiharbeitnehmers, wobei diese wiederum in ihrer Schwere im Verhältnis zum Verhalten des Klägers zu betrachten wären. In diesen Feststellungen des BAG liegt eine sehr ausgewogene Bewertung des Sachverhalts, die gleichzeitig die besondere Schwere der vorgeworfenen Pflichtverletzung deutlich macht. Arbeitgeberseitig ist diesen Leitlinien durch eine sorgfältige Aufarbeitung entsprechender Vorfälle Rechnung zu tragen, die den gesamten Geschehensablauf aus den verschiedenen Blickwinkeln einschließlich einer etwaigen Vorgeschichte dokumentiert, damit auf dieser Grundlage eine Interessenabwägung erfolgen und sodann – falls eine Kündigung erklärt werden soll – die Anhörung des Betriebsrats und die prozessuale Darlegung der Kündigungsgründe vorbereitet werden können. (Ga)
6.
Neues zur Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach Freistellung
Im Zusammenhang mit Aufhebungsverträgen, aber auch in gerichtlichen Vergleichen zur Beendigung von Bestandsschutzprozessen, stellt sich in der Praxis die Frage der Freistellung des Arbeitnehmers unter Fortzahlung der Bezüge bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Wenn der Arbeit49 BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 596/20, NJW 2021, 3138 Rz. 27 f.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
geber den Arbeitnehmer einseitig von seiner Arbeitsleistungspflicht suspendiert, bringt er damit zum Ausdruck, die Annahme der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung zumindest vorläufig abzulehnen, wodurch die Voraussetzungen für einen Annahmeverzug des Arbeitgebers nach § 293 BGB begründet werden50, ohne dass es dann noch eines Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer nach §§ 294, 295 BGB bedarf, wenn der Arbeitnehmer nicht außerstande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken (§ 297 BGB). Damit sind im Regelfall die anspruchsbegründenden Voraussetzungen von § 615 S. 1 BGB erfüllt, sodass der Arbeitgeber für die nicht infolge des Verzugs geleisteten Dienste dem Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung zu zahlen hat, ohne dass dieser zur Nachleistung der Arbeit verpflichtet ist51. Allerdings muss sich der Arbeitnehmer nach § 615 S. 2 BGB – nach einem erfolgreichen Kündigungsschutzprozess nach § 11 Nrn. 1, 2 KSchG – den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Damit wird der Erfüllungsanspruch aufrechterhalten, aber automatisch durch den anderweitigen Verdienst oder den böswillig unterlassenen Verdienst gekürzt52, wodurch bereits die Entstehung des Annahmeverzugsanspruchs eingeschränkt und keine Aufrechnungslage begründet wird53. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien in einem Aufhebungsvertrag eine unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers unter Weiterzahlung der Vergütung bis zum Beendigungszeitpunkt, kommt eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes oder böswillig unterlassenen Verdienstes des Arbeitnehmers kraft Gesetzes nach §§ 615 S. 2 BGB, 11 Nrn. 1, 2 KSchG nicht in Betracht, weil der Arbeitnehmer bei derartiger Sachlage seine Arbeitsleistung in Annahmeverzug begründender Weise dem Arbeitgeber nicht mehr anbieten kann54. Mit dem Wegfall der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers und der Aufhebung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers entfällt die mit dem Annahmeverzug unmittelbar verbundene Regelung der Anrech-
50 Nur BAG v. 23.2.2021 – 5 AZR 314/20, NZA 2021, 778 Rz. 12; BAG v. 15.5.2013 – 5 AZR 130/12, NZA 2013, 1076 Rz. 25; BAG v. 23.1.2008 – 5 AZR 393/07, NZA 2008, 595 Rz. 13. 51 BAG v. 21.10.2015 – 5 AZR 843/14, NZA 2016, 688 Rz. 37. 52 BAG 23.2.2021 – 5 AZR 213/20, NZA 2021, 938 Rz. 12; BAG v. 2.10.2018 – 5 AZR 376/17, NZA 2018, 1544 Rz. 29. 53 BAG v. 19.5.2021 – 5 AZR 420/20, NZA 2021, 1324 Rz. 14; BAG 23.2.2021 – 5 AZR 213/20, NZA 2021, 938 Rz. 12 m. w. N. 54 Vgl. nur BAG v. 23.2.2021 – 5 AZR 314/20, NZA 2021, 778 Rz. 11; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, NZA 2013, 207 Rz. 34 f.
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Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach Freistellung
nung. Wollen die Arbeitsvertragsparteien bei derartigem Befund gleichwohl eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes bewirken, bedarf es einer entsprechenden Vereinbarung.
a)
Anrechnung anderweitigen Verdienstes trotz unwiderruflicher Freistellung?
In der Entscheidung des 5. Senats des BAG vom 23.2.202155 ging es im Zusammenhang mit einem Aufhebungsvertrag darum, ob ein vom Kläger während eines vertraglich vereinbarten Freistellungszeitraums anderweitig erzielter Verdienst anzurechnen war. Der Kläger war bei der Beklagten als Personalleiter mit einem Bruttomonatsgehalt von 9.703,87 € beschäftigt. Am 12.9.2018 schlossen die Arbeitsvertragsparteien einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen durch diesen Aufhebungsvertrag zum 30.4.2019 enden sollte, der Kläger ab 21.9.2018 unter Anrechnung noch bestehender Urlaubsansprüche unter Fortzahlung des monatlichen Entgelts i. H. v. 9.676 € brutto unwiderruflich bezahlt von der Arbeit freigestellt wurde. Es heißt dann weiter im Aufhebungsvertrag: 5. Herr L erhält das Recht mit einer Ankündigungsfrist von drei Werktagen durch schriftliche Erklärung vor dem 30.4.2019 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Das Arbeitsverhältnis endet dann mit dem Zeitpunkt, den Herr L angibt. In diesem Fall erhält Herr L in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindungssumme für jeden vollen Monat der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses i. H. v. 2.690 € brutto und für jeden vorzeitigen Kalendertag i. H. v. 90 € brutto. Sofern Herr L diese Regelung in Anspruch nehmen sollte, sind die Ansprüche aus dieser Regelung bereits jetzt entstanden und vererblich und mit der letzten Entgeltabrechnung auszuzahlen (…).
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags standen dem Kläger noch für das Kalenderjahr 2018 offene Urlaubsansprüche von acht Tagen zu. Am 7.1.2019 nahm der Kläger eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber auf, worüber er die Beklagte mit Schreiben vom 19.12.2018 unterrichtet hatte. In diesem Arbeitsverhältnis erzielte er eine höhere monatliche Vergütung als bei der Beklagten. Die Beklagte zahlte daraufhin ab Januar 2019 bis zum 30.4.2019 keine Vergütung mehr an den Kläger. Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung dieser Vergütung in Anspruch genommen.
55 BAG v. 23.2.2021 – 5 AZR 314/20, NZA 2021, 778.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Das ArbG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das LAG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das BAG hat unter Aufhebung des Berufungsurteils den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen. Das BAG geht zunächst in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum auf der Grundlage des Aufhebungsvertrags einen Anspruch auf Fortzahlung seiner Vergütung gegen die Beklagte hat und eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 615 S. 2 BGB schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil sich die Beklagte während dieser Zeit wegen der unwiderruflichen Freistellung des Klägers nicht in Annahmeverzug befunden hat. Mangels vertraglich vereinbarter Beschäftigungspflicht konnte der Kläger der Beklagten seine Arbeitsleistung von vornherein nicht anbieten. Wegen fehlenden Verzugs der Beklagten kam auch keine Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 615 S. 2 BGB in Betracht. Ausdrücklich hatten die Arbeitsvertragsparteien im Aufhebungsvertrag auch keine Anrechnung anderweitigen Verdienstes vorgesehen. Damit hat es das LAG bewenden lassen und angenommen, der Kläger habe frei über seine Arbeitskraft bis zum Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses verfügen dürfen und sei auch nicht gehalten gewesen, von der im Aufhebungsvertrag vereinbarten Sprinterklausel Gebrauch zu machen, die zu einer früheren Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Wegfall der monatlichen Vergütung, wenn auch unter Zahlung einer zusätzlichen Abfindung, geführt hätte. Demgegenüber ist das BAG im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Parteien die Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes auf den Vergütungsanspruch des Klägers konkludent vereinbart haben. Diese Schlussfolgerung hat das BAG aus der sogenannten Sprinterklausel mit vorzeitigem Sonderkündigungsrecht gezogen. Vor allem stellt das BAG darauf ab, dass dem Kläger abweichend von der im Vertragsverhältnis geltenden längeren Kündigungsfrist in der Sprinterklausel eingeräumt war, mit einer kurzen Frist von nur drei Werktagen das Arbeitsverhältnis zu beenden. Aus dieser Möglichkeit schlussfolgert das BAG, dass der Kläger nach dem Willen der Parteien nur dann von der Option der kurzen Kündigungsfrist Gebrauch macht, wenn er einen anderen entsprechend gut bezahlten Arbeitsplatz vor Ablauf der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gefunden hat. Das BAG hält es für fernliegend, dass dem Kläger das Recht auf ein doppeltes Gehalt eingeräumt werden sollte. Die Parteien haben jedoch im Aufhebungsvertrag ungeregelt gelassen, welche Rechtsfolge eintritt, wenn der Kläger während der noch bestehenden Laufzeit des Vertrags mit der Beklagten ein anderweitiges Arbeitsverhältnis eingeht, jedoch von der Möglichkeit der Kündigung absieht. 520
Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach Freistellung
Die nach Ansicht des BAG dadurch auftretende planwidrige Regelungslücke sei dahingehend zu schließen, dass nach dem Regelungsplan der Sprinterklausel im Interesse eines angemessenen Ausgleichs eine Anrechnung des anderweitig erzielten Verdienstes vorgenommen werden müsse. Soweit der Resturlaubsanspruch des Klägers für das Kalenderjahr 2018 im Umfang von acht Tagen betroffen war, hat das BAG in Anbetracht der Sprinterklausel eine konkludente Festlegung der Urlaubszeit mit dem Beginn der Freistellung des Klägers angenommen. Bezüglich des dem Kläger für das Kalenderjahr 2019 noch zustehenden bezahlten Teilurlaubsanspruchs ist das BAG mit gleichen Erwägungen von einer Erfüllung zu Beginn des Kalenderjahres 2019 ausgegangen und hat für diesen Zeitraum eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes auf das Urlaubsentgelt, dass dem Kläger noch zusteht, abgelehnt. Insofern hat das LAG nach der Zurückverweisung den Umfang des Urlaubsentgeltanspruchs noch zu ermitteln und dem Kläger zuzusprechen. Die Entscheidung des BAG ist für die betriebliche Praxis deswegen von Bedeutung, weil Aufhebungsverträge und gerichtliche Prozessvergleiche, die sich über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhalten, häufig mit einer sog. Sprinterklausel versehen sind. Für beide Arbeitsvertragsparteien erweist es sich als ratsam, die in der Entscheidung des BAG diskutierten Fragen vertraglich konkret zu regeln. Dies gilt vor allem für die Problematik der Anrechnung anderweitigen Verdienstes, soweit vereinbarungsgemäß eine unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers erfolgt. Ebenso sollte im Zusammenhang mit der Sprinterklausel eine zeitliche Festlegung noch ausstehender Urlaubsansprüche erfolgen.
b)
Böswillig unterlassener Zwischenverdienst auch bei anderweitiger Tätigkeit beim gleichen Arbeitgeber
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes i. S. d. § 615 S. 2 BGB (§ 11 Nr. 2 KSchG) erfolgen kann, hat den 5. Senat des BAG in der Entscheidung vom 23.2.202156 beschäftigt. Der Fall betrifft einen Kläger, der seit dem 1.10.2001 als Betriebsleiter gegen ein monatliches Bruttogrundgehalt von 12.815,28 € beschäftigt war und nach dem Anstellungsvertrag der Parteien den Status eines leitenden Angestellten bekleidete. Seit Januar 2017 wurde der Kläger von seiner Aufgabe als Betriebsleiter wegen mangelnder sozialer Kompetenz entbunden und ihm bei unverändertem Grundgehalt zunächst
56 BAG v. 23.2.2021 – 5 AZR 213/20, NZA 2021, 938.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
die Tätigkeit eines Technical Supervisors und sodann die Aufgabe eines Senior Manager Security übertragen. Die gegen beide Versetzungen erhobenen Klagen waren erfolgreich. Am 14.5.2018 bot der Kläger seine Arbeitsleistung als Betriebsleiter vor Ort an, wurde aber abgewiesen. Mit seiner Klage hat der Kläger Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 14.5.2018 bis zum 8.9.2019 i. H. v. 205.879,81 € brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 27.697,55 € beansprucht. Er hat die Auffassung vertreten, dass ihm nicht zumutbar gewesen sei, die ihm zugewiesene geringerwertigere Tätigkeit wahrnehmen zu müssen. Die Beklagte hat sich im Wesentlichen damit verteidigt, der Kläger habe böswillig anderweitigen Verdienst unterlassen. Das LAG Hessen57 hat der Zahlungsklage des Klägers entsprochen, weil eine unter Verletzung der §§ 99, 100 BetrVG ausgesprochene Versetzung grundsätzlich nicht geeignet sei, eine Erwerbsmöglichkeit des Arbeitnehmers im Sinne des § 615 S. 2 BGB zu begründen, weil dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers rechtlich unmöglich sei. Das BAG hat die Entscheidung des LAG auf die Revision der Beklagten hinaufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen. Dabei geht das BAG in Übereinstimmung mit dem LAG davon aus, dass die Beklagte in der Zeit vom 14.5.2018 bis zum 8.9.2019 in Annahmeverzug geraten ist (§ 615 S. 1 BGB). Im Gegensatz zum LAG muss sich jedoch der Kläger nach Auffassung des BAG den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er als Senior Manager Security böswillig zu erwerben unterlassen hat. Auch die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber, der sich im Verzug befindet, kann böswillig unterlassen werden, unabhängig davon, dass die anderweitige Beschäftigung stets vertragswidrig ist, weil das Angebot einer vertragsgemäßen Arbeit den Annahmeverzug sofort beenden würde. Böswillig i. S. v. § 615 S. 2 BGB unterlässt der Arbeitnehmer anderweitigen Erwerb nach Ansicht des BAG58, wenn er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Böswilligkeit setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer in der Absicht handelt, den Arbeitgeber zu schädigen59. § 615 S. 2 BGB regelt dabei nicht Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, sondern die nach anderen Maßstäben zu
57 LAG Hessen v. 20.12.2019 – 14 Sa 329/19 n. v. (Rz. 128). 58 St. Rspr., vgl. nur BAG v. 23.2.2021 – 5 AZR 213/20, NZA 2021, 938 Rz. 14; BAG v. 22.3.2017 – 5 AZR 337/16, NZA 2017, 988 Rz. 19; BAG v. 17.11.2011 – 5 AZR 564/10, NZA 2012, 260 Rz. 17. 59 BAG v. 22.3.2017 – 5 AZR 337/16, NZA 2017, 988 Rz. 17 m. w. N.
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Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach Freistellung
beurteilender Obliegenheit, aus Rücksichtnahme gegenüber dem Arbeitgeber einen zumutbaren Zwischenverdienst zu erzielen60. Das BAG teilte in diesem Zusammenhang die Auffassung des LAG nicht, dass eine möglicherweise fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur Beschäftigung mit der angebotenen anderweitigen Tätigkeit unabhängig von sonstigen Umständen für sich allein ausreicht, um die Unzumutbarkeit der anderweitig vom Arbeitgeber angebotenen Beschäftigung für den Arbeitnehmer zu bejahen. Vielmehr verlangt das BAG eine umfassende Interessenabwägung im konkreten Einzelfall, in die eine fehlende Zustimmung des Betriebsrats einfließen kann. Davon hat das LAG abgesehen, weshalb die Zurückverweisung zur Nachholung dieser Interessenabwägung erfolgt ist. Zur weiteren Behandlung der Streitsache weist das BAG das LAG darauf hin, dass die möglicherweise fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung böswilliges Unterlassen nicht ausschließt, zumal die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass der Kläger zum Kreis der leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 BetrVG gehört. Auch die rechtskräftig festgestellte Unwirksamkeit der Versetzung und die mit einer unbilligen Weisung einhergehende Unverbindlichkeit schließen danach die Böswilligkeit i S. d. § 615 S. 2 BGB nicht aus, weil Arbeitspflicht und Obliegenheit zur Rücksichtnahme unterschiedliche Kategorien betreffen. Zu berücksichtigen ist dabei nach Auffassung des BAG, dass die mangelnde Verpflichtung des Klägers, als Senior Manager Security zu arbeiten, nicht die Obliegenheit betreffe, vorübergehend aus Rücksichtnahme (§ 241 BGB) eine nicht vertragsgerechte, aber zumutbare Arbeit zur Erzielung anderweitigen Verdienstes zu verrichten. Insofern vergleicht das BAG wertungsmäßig die vorliegende Fallkonstellation im bestehenden Arbeitsverhältnis mit einem gekündigten Arbeitsverhältnis, bei dem der Arbeitnehmer sich ebenfalls böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienst anrechnen lassen muss. Aus Arbeitgebersicht erweist sich diese großzügige Rechtsprechung des BAG zu § 615 S. 2 BGB (§ 11 Nr. 2 KSchG) als vorteilhaft, weil der Arbeitgeber bei für den Arbeitnehmer zumutbaren Arbeitsangeboten wirtschaftlich so weitgehend entlastet werden kann, dass seine Verpflichtung zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts aus Annahmeverzug vollständig entfällt, was gerade bei unwirksamen Kündigungen oder auch rechtsunwirksamen Versetzungen für den Arbeitgeber eine Rolle spielen kann. (Boe)
60 BAG v. 17.11.2011 – 5 AZR 564/10, NZA 2012, 260 Rz. 20.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
7.
Abmahnung wegen unerlaubter Nebentätigkeit
Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich ein Recht darauf, außerhalb der Arbeitszeit einer Nebentätigkeit nachzugehen. Insofern kann er sich auf das Grundrecht der freien Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG berufen61, soweit es sich um berufliche Nebentätigkeiten handelt, oder sich auf das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG62 beziehen, sofern es um nichtberufliche Nebentätigkeiten geht. Der Arbeitnehmer hat jedoch Nebentätigkeiten zu unterlassen, die mit seiner Arbeitspflicht kollidieren63 oder entgegenstehende Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers verletzen (§§ 60 HGB, 241 Abs. 2 BGB)64 oder sonst einen Interessenwiderstreit hervorrufen, der geeignet ist, das Vertrauen des Arbeitgebers in die Loyalität und Integrität des Arbeitnehmers zu zerstören. Einschränkungen einer Nebentätigkeit können sich auch daraus ergeben, dass sie während des Naturalurlaubs oder während einer Arbeitsunfähigkeit wahrgenommen werden. Da Nebentätigkeiten nur unter bestimmten Voraussetzungen verboten oder eingeschränkt sind, würde ein generelles Nebentätigkeitsverbot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig unwirksam sein, weil hierfür ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers fehlt65. Kein generelles Nebentätigkeitsverbot stellt indes eine Klausel dar, die eine Anzeigepflicht und einen Genehmigungsvorbehalt beinhaltet. Bei derartigem Befund soll die Nebentätigkeit der vorherigen Zustimmung des Arbeitgebers66 bedürfen und der Kontrolle dienen, ob sie mit berechtigten betrieblichen Bedürfnissen des Arbeitgebers kollidiert67. Verletzt der Arbeitnehmer die Anzeigepflicht, kann dies den Arbeitgeber zu einer Abmahnung berechtigen68.
61 BAG v. 13.5.2015 – 2 ABR 38/14, NZA 2016, 116 Rz. 43; BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965 Rz. 28. 62 BAG v. 13.5.2015 – 2 ABR 38/14, NZA 2016, 116 Rz 43. 63 BAG v. 28.2.2002 – 6 AZR 357/01, DB 2002, 1560 Rz. 25, 27: Nebentätigkeit eines Krankenpflegers als Leichenbestatter. 64 BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, NZA 2015, 429 Rz. 32; BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, NZA 2013, 748 Rz. 14; BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693 Rz. 17. 65 ArbR-HB/Linck, § 42 Rz. 10. 66 BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693 hatte gegen eine entsprechende Klausel in einem Tarifvertrag keine Bedenken geäußert. 67 BAG v. 13.5.2015 – 2 ABR 38/14, NZA 2016, 116 Rz. 43. 68 BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965 Rz. 28.
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Abmahnung wegen unerlaubter Nebentätigkeit
Die Frage der Berechtigung einer entsprechenden Abmahnung bezüglich der Nebentätigkeit eines Zeitschriftenredakteurs war Gegenstand der Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 15.6.2021. Der Kläger ist bei der Beklagten als Redakteur der Zeitschrift W beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der MTV für Redakteurinnen/Redakteure an Zeitschriften vom 4.11.2011 (nachfolgend MTV) Anwendung. § 13 Nr. 1 MTV sieht vor, dass der Redakteur eine Nebentätigkeit nur ausüben darf, wenn sie den berechtigten Interessen des Verlages nicht abträglich ist. Nach § 13 Nr. 3 bedarf ein Redakteur zur anderweitigen Verarbeitung, Verwertung und Weitergabe der ihm bei seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt gewordenen Nachricht der schriftlichen Einwilligung des Verlags. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien trat an die Stelle des Verlags der Chefredakteur. Im September 2017 nahm der Kläger im Auftrag der Beklagten an der Standorteröffnung eines deutschen Unternehmens in den USA teil, um darüber für die Beklagte zu berichten. Der Artikel des Klägers enthielt unter anderem die Schilderung eines Vorfalls während des abendlichen Buffets zwischen ihm und der ausrichtenden Unternehmerin im Beisein von Redakteuren anderer Zeitschriften. Auf die Erklärung des Klägers, er esse nichts, da er „zu viel Speck überm Gürtel“ habe, kniff die Unternehmerin dem Kläger in die Hüfte. Diese Passage wurde von der Redaktion der Zeitschrift W gestrichen. Im Dezember 2017 fragte der Kläger seinen Chefredakteur, ob der Vorfall nicht doch veröffentlicht werden könne. Dies lehnte der Chefredakteur ab und erinnerte auf den Hinweis des Klägers, den Beitrag anderweitig zu publizieren, an das Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag. Im März 2018 erschien ohne vorherige Unterrichtung der Beklagten in der T-Zeitung ein Beitrag des Klägers mit dem Titel „Ran an den Speck“. Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin eine Abmahnung, weil er unterlassen hat, die schriftliche Einwilligung der Chefredaktion einzuholen. Mit seiner Klage hat der Kläger die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das BAG hat diese Abweisung bestätigt, weil die Beklagte berechtigt war, den Kläger wegen Verletzung seiner Anzeigepflicht aus § 13 Nr. 3 MTV abzumahnen. Zunächst hat das BAG festgestellt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des im MTV geregelten tariflichen Einwilligungsvorbehalts erfüllt sind. Ebenso hat das BAG die Auffassung des LAG geteilt, dass der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten aus § 13 Nr. 3 MTV verletzt hat, weil er die beabsichtigte Verwertung der Nachricht in seinem Gastbeitrag durch Einholung der schriftlichen Einwilligung hätte anzeigen müssen, wobei das BAG dahingestellt sein lässt, ob die Beklagte berechtigt gewesen wäre, die Einwilligung zu verweigern. Die tarifvertragliche Regelung als solche verletzt nach Auf-
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
fassung des BAG den Redakteur weder in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit noch in seinen Grundrechten auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, auch wenn man das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG im Lichte von Art. 10 Abs. 1 EMRK interpretiert. § 13 Nr. 3 MTV gewährleistet vielmehr einen Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen von Verlag und Redakteur nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz. Dieses Ergebnis leitet das BAG daraus ab, dass auch dem Verleger nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG das subjektive Recht der Pressefreiheit zusteht und sich aus den Rechten des Verlags aus Art. 12 Abs. 1 GG und dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) Pflichten eines Redakteurs ergeben, die den Umfang seiner Rechte aus Art. 5 Abs. 1, 2 sowie Art. 12 Abs. 1 GG berechtigterweise einschränken können. Dies gilt nach Ansicht des BAG im Streitfall auch deswegen, weil die Beklagte nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen mit anderen Presseunternehmen in Konkurrenz steht und ein Redakteur, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten ausübt oder die Konkurrenz unterstützt, die Interessen seines Arbeitgebers verletzt. Daraus hat das BAG geschlussfolgert, dass das Interesse der Beklagten, die Unterstützung einer anderen Zeitschrift durch einen Gastbeitrag des angestellten Redakteurs zu vermeiden, das Interesse des Redakteurs an der unmittelbaren Verwertung der Nachricht verdrängt. Entscheidend fällt dabei für das BAG ins Gewicht, dass erst durch die Anzeige der beabsichtigten Verwertung der Verlag und damit die Beklagte in den Stand gesetzt wird, eine Interessenkollision zu überprüfen, während die Anzeigepflicht für den Kläger allenfalls einen geringfügigen Eingriff in seine Rechtsposition darstellt. Das BAG ist auch der Bewertung des LAG gefolgt, dass die dem Kläger erteilte Abmahnung nicht wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus seiner Personalakte zu entfernen ist. Ausgehend von der Rüge-, Dokumentations- und Warnfunktion einer Abmahnung69 durfte die Beklagte nach Meinung des BAG gegenüber dem Kläger durch die Abmahnung deutlich machen, dass sie gleichartige Pflichtverletzungen künftig nicht hinnehmen werde. (Boe)
8.
Kündigung wegen Selbstbeurlaubung bei vorläufiger Weiterbeschäftigung im Kündigungsschutzprozess
Im Zusammenhang mit Bestandsschutzklagen nach dem KSchG oder dem TzBfG kommt es immer wieder während der Dauer der prozessualen Ausei69 BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 782/11, NZA 2013, 91 Rz. 20.
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Kündigung wegen Selbstbeurlaubung bei vorläufiger Weiterbeschäftigung
nandersetzung der Parteien zum Abschluss von sog. Prozessbeschäftigungen, die sich für beide Seiten durchaus als vorteilhaft erweisen können, weil der Arbeitnehmer zunächst bei ungewissem Ausgang des Prozesses seinen Arbeitsplatz und seinen Verdienst behält, und der Arbeitgeber von Entgeltfortzahlungspflichten aus Annahmeverzug ohne entsprechende Gegenleistung des Arbeitnehmers entlastet wird. Dabei bedienen sich die Parteien unterschiedlicher Vertragsvarianten, die entweder in Gestalt eines befristeten Vertrags oder eines zweckbefristeten Vertrags – bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Abschluss einer Instanz oder dem rechtskräftigen Abschluss des Prozesses – oder als auflösend bedingter Vertrag – bis zur rechtskräftigen Abweisung der Bestandsschutzklage – abgeschlossen werden70. Von dieser auf besonderer vertraglicher Grundlage basierenden Prozessbeschäftigungen streng zu trennen ist die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während der prozessualen Auseinandersetzung zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung. Mit der Verurteilung des Arbeitgebers zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers tituliert das ArbG den vom Großen Senat des BAG71 im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch. Dieser ist auf die tatsächliche Beschäftigung gerichtet und sichert das ideelle Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers. Erzwingt der Arbeitnehmer durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (§ 888 Abs. 1 ZPO) oder deren Androhung seine Weiterbeschäftigung, ist der Arbeitgeber nur zu einer tatsächlichen Beschäftigung des Arbeitnehmers und nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit diesem verpflichtet72. Es wird kein Arbeitsverhältnis – etwa durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb – begründet73. Ebenso wenig kommt es mit der vorläufigen Weiterbeschäftigung allein zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zu einem faktischen bzw. fehlerhaften Arbeitsverhältnis74, das ebenfalls keine Vertragsgrundlage aufweist, jedoch dem übereinstimmenden Willen der Parteien entspricht75 und dem Arbeitgeber nicht aufgezwungen wird. Die Abwicklung einer zu Unrecht erfolgten Weiterbeschäftigung richtet sich nach Bereicherungsrecht mit der Maßgabe, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach § 818 Abs. 2 BGB für die erbrachte Arbeitsleistung Wertersatz zu leis70 71 72 73 74 75
Vgl. dazu etwa BAG v. 27.5.2020 – 5 AZR 247/19, NZA 2020, 1169 Rz. 20. BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 Rz. 57, 71 ff. BAG v. 27.5.2020 – 5 AZR 247/19, NZA 2020, 1169 Rz 23. BAG v. 27.5.2020 – 5 AZR 247/19, NZA 2020, 1169 Rz. 25 m. w. N. BAG v. 27.5.2020 – 5 AZR 247/19, NZA 2020, 1169 Rz. 27. BAG v. 27.5.2020 – 5 AZR 247/19, NZA 2020, 1169 Rz. 27; BAG v. 3.11.2004 – 5 AZR 592/03, NZA 2005, 1409 Rz. 17.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
ten hat76. Hat der Arbeitnehmer etwa infolge Krankheit oder wegen genommenen Urlaubs für den Arbeitgeber keine Tätigkeit verrichtet, kann er vom Arbeitgeber, weil dieser nichts erlangt hat, auch keinen Wertersatz beanspruchen. In der Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 20.5.202177 ging es um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, die der Arbeitgeber während einer vereinbarten Prozessbeschäftigung des Arbeitnehmers ausgesprochen hat, dieser jedoch den Prozess gegen die ursprünglich vom Arbeitgeber erklärte ordentliche Kündigung rechtskräftig gewonnen hat. Der Kläger war bei der Beklagten seit August 2017 beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23.4.2018 ordentlich zum 31.5.2018. Vor Abschluss der in erster Instanz vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage einigten sich die Parteien durch schriftlichen Vertrag unter anderem darüber, dass das Arbeitsverhältnis durch die rechtskräftige Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung auflösend bedingt zu den bisherigen im Arbeitsvertrag vom 14.7.2014 geregelten Bedingungen als Prozessmanager ab dem 5.9.2018 fortgesetzt wird. Während der Prozessbeschäftigung kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Der Kläger war bis zum 12.3.2019 arbeitsunfähig. Die Beklagte forderte den Kläger am 22.3.2019 telefonisch auf, seine Arbeit ab 25.3.2019 aufzunehmen. Am gleichen Tage beantragte der Kläger, ihm vom 25.3. bis zum 25.4.2019 Urlaub zu erteilen. Nachdem der Kläger weder am 25.3.2019 noch an den Folgetagen zur Arbeit erschienen war, kündigte die Beklagte nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 4.4.2019, dem Kläger am 5.4.2019 zugegangen, „den mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag“ außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. Dagegen hat sich der Kläger rechtzeitig mit einer Klageerweiterung gewandt und geltend gemacht, dass weder das Arbeitsverhältnis noch das Prozessarbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 4.4.2019 aufgelöst worden sei. Das ArbG hat der Klage gegen die ordentliche Kündigung vom 23.4.2018 rechtskräftig durch Teilurteil stattgegeben, während es hinsichtlich der Kündigung vom 4.4.2019 nur der Klage durch Schlussurteil bezüglich der außerordentlichen Kündigung entsprochen hat. Das LAG hat die Klage gegen die Kündigung vom 4.4.2019 insgesamt abgewiesen. Das BAG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen und damit die Berechtigung der fristlosen Kündigung der Beklagten vom 4.4.2019 festgestellt. Dabei ist das BAG zunächst davon ausgegangen, dass die Parteien das ursprüngliche Arbeitsverhältnis mit der Vereinbarung vom 6.9.2018 auflösend 76 BAG v. 27.5.2020 – 5 AZR 247/19, NZA 2020, 1169 Rz. 31 m. w. N. 77 BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 457/20, NZA 2021, 1092.
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Kündigung wegen Selbstbeurlaubung bei vorläufiger Weiterbeschäftigung
bedingt (§ 158 Abs. 2 BGB) fortgesetzt haben und keine rein tatsächliche Weiterbeschäftigung zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung vorgelegen hat. Diese Bewertung ist schon deshalb überzeugend, weil die Parteien die maßgebliche Abrede vor dem erstinstanzlichen Urteil getroffen haben, sodass kein vorläufig vollstreckbarer Titel auf Beschäftigung vorlag. Das BAG stellt sodann klar, dass die Parteien kein zweites Arbeitsverhältnis neben das gekündigte vereinbart haben. Das BAG lässt dabei allerdings offen, ob im Fall einer Prozessbeschäftigung aufgrund eines weiteren zweckbefristeten Arbeitsvertrags ein zweites Arbeitsverhältnis neben das gekündigte gestellt wird und dieses vom Arbeitnehmer gesondert gekündigt werden kann, und ob dies eine ausdrückliche Regelung durch die Parteien voraussetzte. Die Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses wird nach Ansicht des BAG auch nicht dadurch infrage gestellt, dass das Arbeitsverhältnis bei rechtskräftig festgestellter Wirksamkeit der Kündigung nicht zu einem in § 622 Abs. 1 BGB vorgesehenen Endtermin (15. oder Ende eines Kalendermonats) enden wird, weil bereits auf der Grundlage von § 21 i. V. m. § 15 Abs. 2 TzBfG, also kraft Gesetzes, ein auflösend bedingter Arbeitsvertrag mit Eintritt der Bedingung, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers über den Eintritt der Bedingung, endet. Da die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich gekündigt hat, bezog sich diese Kündigung auf den ursprünglichen Arbeitsvertrag und sollte nach Ansicht des BAG ein einziges Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien beenden. Die außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB) musste sich die Beklagte gemäß § 21 i. V. m. § 15 Abs. 3 TzBfG, der nur die ordentliche Kündigung betrifft, nicht vertraglich vorbehalten. Was die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung anbelangt, geht das BAG in Übereinstimmung mit dem LAG davon aus, dass der eigenmächtige Antritt eines vom Arbeitgeber nicht gewährten Urlaubs durch den Arbeitnehmer „an sich“ geeignet ist, einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Ein Selbstbeurlaubungsrecht stand dem Kläger nicht zu, wobei das BAG unentschieden lässt, ob ein solches Recht wegen des Vorrangs gerichtlichen Rechtsschutzes durch Leistungsklage oder einstweilige Verfügung überhaupt gegeben sein kann. Das BAG schließt auch aus, dass der Kläger hätte besorgen müssen, dass ein Urlaubsanspruch verfiele. Selbst wenn Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass die Beklagte den Kläger ab dem 25.3.2019 nicht vertragsgemäß habe beschäftigen wollen, hätte auch dieser Umstand nach Meinung des BAG mit der Ausübung eines Leistungsverweigerungsrechts (§ 275 BGB) oder Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB), nicht aber mit einer Selbstbeurlaub beantwortet werden müssen. 529
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Schließlich folgt das BAG auch der Interessenabwägung des LAG, wonach es der Beklagten angesichts der schweren, vorsätzlichen Pflichtverletzung des Klägers nicht zumutbar gewesen sei, ihn bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.5.2019 weiterzubeschäftigen und es deswegen auch nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit einer vorherigen Abmahnung nicht bedurft hätte. Der betrieblichen Praxis führt diese Entscheidung des BAG nochmals vor Augen, dass es bei einem Prozessarbeitsverhältnis abzuwägen gilt, welche Vertragsgestaltung von den Parteien gewählt wird. Favorisieren sie einen zweckbefristeten oder auflösend bedingten Vertrag ist auch zu bedenken, dass die Form des § 14 Abs. 4 TzBfG gewahrt wird und für diese Vertragsgestaltung außerdem ein Sachgrund bestehen muss. (Boe)
9.
Erschütterung des Beweiswerts einer AUBescheinigung bei Erkrankung während der Kündigungsfrist
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen (§ 5 Abs. 1 S. 1, 2 EFZG). Die Anzeigepflicht soll den Arbeitgeber in die Lage versetzen, sich auf das Fehlen des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers möglichst frühzeitig einstellen zu können78. Die vom Arbeitnehmer vorzulegende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründet in der Regel den Beweis für die Tatsache der arbeitsunfähigen Erkrankung. Sie hat einen hohen Beweiswert, weil sie der gesetzlich vorgesehene und wichtigste Beweis für die Tatsache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist79. Bezweifelt der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, so kann er den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und nachweist, die Veranlassung zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben.80 Derartige Zweifel können etwa bestehen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, der Arbeitnehmer habe den die Be-
78 BAG v. 7.5.2020 – 2 AZR 619/19, NZA 2020, 1022 Rz. 17. 79 BAG v. 8.9.2021 – 5 AZR 149/21 n. v.; BAG v. 26.8.1993 – 2 AZR 154/93, NZA 1994, 63 Rz. 36. 80 BAG v. 8.9.2021 – 5 AZR 149/21 n. v.; BAG v. 26.8.1993 – 2 AZR 154/93, NZA 1994, 63 Rz. 36.
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Erschütterung des Beweiswerts einer AU-Bescheinigung bei Erkrankung
scheinigung ausstellenden Arzt durch Simulation getäuscht oder der Arzt habe den Begriff der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verkannt81. Auch im Falle einer Ankündigung einer Krankschreibung bei objektiv nicht bestehender Erkrankung im Zeitpunkt der Ankündigung können derartige Zweifel angebracht sein. Gelingt dem Arbeitgeber die Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, hat der Arbeitnehmer substantiiert darzulegen und nachzuweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig war82. Er hat vorzutragen, welche konkreten Krankheiten bzw. Krankheitssymptome im Zeitpunkt der Krankschreibung vorgelegen haben und weshalb er darauf schließen durfte, arbeitsunfähig zu sein. Es tritt hinsichtlich der Behauptungs- und Beweislast wieder derselbe Zustand ein, wie er vor Vorlage der Arbeitsunfähigkeit bestanden hat. Der Beweis kann dann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes, den der Arbeitnehmer von der Schweigepflicht entbinden muss, erfolgen83. Die Frage der Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung war Gegenstand der Entscheidung des 5. Senats des BAG vom 8.9.202184 im Zusammenhang mit einer von der Klägerin beanspruchten Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die Klägerin war bei der Beklagten seit Ende August 2018 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Am 8.2.2019 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis selbst zum 22.2.2019 und legte der Beklagten eine auf den 8.2.2019 datierte, als Erstbescheinigung gekennzeichnete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 22.2.2019 vor. Die Beklagte verweigerte die Entgeltfortzahlung für den Zeitraum der Dauer der Kündigungsfrist und berief sich darauf, dass die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen habe. Während die Vorinstanzen der Klage entsprochen haben, hat das BAG die Klage auf Entgeltfortzahlung abgewiesen. Im Gegensatz zum LAG85, das der passgenauen Übereinstimmung der Dauer der Kündigungsfrist und der Dauer der durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung attestierten Erkrankung keine Bedeutung beigemessen hat, wird nach Ansicht des BAG der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch ihre Koinzidenz mit der Kündigungsfrist erschüttert. Da die Klägerin nach einem entsprechenden
81 82 83 84 85
BAG v. 26.8.1993 – 2 AZR 154/93, NZA 1994, 63 Rz. 36. BAG v. 8.9.2021 – 5 AZR 149/21 n. v. BAG v. 8.9.2021 – 5 AZR 149/21 n. v. BAG v. 8.9.2021 – 5 AZR 149/21 n. v. LAG Niedersachsen v. 13.10.2020 – 10 Sa 619/19 n. v. (Rz. 19).
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Hinweis des BAG zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit nichts mehr vorgetragen hat, war die Klage abzuweisen. Diese Entscheidung des BAG hat eine durchaus praktische Bedeutung für die betriebliche Praxis, weil gerade im Zusammenhang mit Kündigungen des Arbeitsverhältnisses immer wieder Krankschreibungen erfolgen, die mit Entgeltfortzahlungsansprüchen verbunden sind. Bestehen noch Resturlaubsansprüche, können diese in natura während der Dauer der Erkrankung nicht gewährt werden und sind abzugelten. Allerdings wird bei einer Koinzidenz zwischen der Kündigungsfrist und der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zunächst nur der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert, was nicht ausschließt, dass der die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verantwortende Arzt als Zeuge die Arbeitsunfähigkeit plausibel bestätigt. Mit Wirkung vom 1.7.2022 ist durch das Dritte Bürokratieentlastungsgesetz i. d. F. von Art. 12 b des Gesetzes zur Verbesserung der Transparenz in der Alterssicherung vom 11.2.2021 in § 5 EFZG die Hinzufügung eines Abs. 1 a vorgesehen, wonach Arbeitnehmer einer gesetzlichen Krankenkasse dem Arbeitgeber keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr aushändigen müssen, vielmehr nur die Pflicht haben, die Arbeitsunfähigkeit sowie ihre voraussichtliche Dauer, soweit sie länger als drei Kalendertage andauert, spätestens am darauffolgenden Tag feststellen zu lassen. Gemäß § 109 SGB IV ist vom gleichen Zeitpunkt an vorgesehen, dass die Krankenkasse nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen hat, die den Namen des Beschäftigten, den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit, das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung enthält. Gemäß § 109 Abs. 1 S. 5 SGB IV bleibt die Verpflichtung des behandelnden Arztes unberührt, dem Versicherten eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit nach § 73 Abs. 2 S. 1 Nr. 9 SGB V ausstellen zu müssen. Damit verfügt der Arbeitnehmer über eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die er notfalls als Beweismittel gegenüber dem Arbeitgeber nutzen kann, wenn die Abfrage bei der Krankenkasse aus welchen Gründen auch immer nicht funktioniert. (Boe)
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Das „Gebot fairen Verhandelns“ beim Abschluss von Aufhebungsverträgen
10. Das „Gebot fairen Verhandelns“ beim Abschluss von Aufhebungsverträgen In seinem Urteil vom 7.2.201986 hatte der 6. Senat des BAG zunächst einmal klargestellt, dass arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB fallen. Auch wenn der Arbeitnehmer im Verhältnis zum Arbeitgeber als Verbraucher zu kennzeichnen sei, ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang und dem im Gesetzgebungsverfahren erkennbaren Willen des Gesetzgebers, dass ein Widerruf auch bei Abschluss entsprechender Verträge außerhalb der Geschäftsräume des Arbeitgebers nicht auf §§ 312, 312 g, 355 BGB gestützt werden könne. Der Anwendungsbereich dieser Vorschriften sei für einen Aufhebungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 312 Abs. 1 BGB nicht eröffnet. Nach Auffassung des BAG muss allerdings geprüft werden, ob der streitgegenständliche Aufhebungsvertrag nicht unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen und deshalb unwirksam sei. Wir hatten über diese Entscheidung berichtet87. In dem zugrunde liegenden Fall war die Klägerin bei der Beklagten als Reinigungskraft beschäftigt. Anlass für die prozessuale Auseinandersetzung zwischen den Parteien war, dass sie in ihrer Wohnung mit dem Lebenspartner der Beklagten einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen hatte, der die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Zahlung einer Abfindung vorgesehen hatte. Anlass und Ablauf der Vertragsverhandlungen waren umstritten. Nach Darstellung der Klägerin war sie jedenfalls am Tag des Vertragsschlusses krank und habe im Bett gelegen, als der Lebenspartner der Beklagten unangekündigt geklingelt habe. Er habe ihr gesagt, dass er ihre Faulheit nicht unterstütze und ihr den Vertrag hingehalten. Sie habe ihn dann unter dem Einfluss von Schmerzmitteln „im Tran“ unterschrieben und erst hinterher gemerkt, was sie da gemacht habe. Nachdem sie den Aufhebungsvertrag innerhalb von zwei Tagen wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten und hilfsweise widerrufen hatte, musste das BAG nun über die Frage entscheiden, ob durch den Aufhebungsvertrag eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirkt wurde. In den Gründen seiner Entscheidung hat das BAG nicht nur ein Widerrufsrecht gemäß §§ 312, 312 g, 355 BGB abgelehnt. Es hat auch die instanzge-
86 BAG v. 7.2.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688 Rz. 13 ff. 87 B. Gaul, AktuellAR 2019, 171 ff.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
richtliche Bewertung bestätigt, nach der sich dem Vortrag der Klägerin kein Grund für eine Anfechtung des Aufhebungsvertrags entnehmen ließ. Ungeachtet dessen hat das BAG in seinem Urteil vom 7.2.201988 die Entscheidung des LAG Niedersachsen89 aufgehoben und mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen zurückverwiesen. Das LAG Niedersachsen – so das BAG – habe nicht geprüft, ob das Gebot fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhebungsvertrags beachtet worden sei. Das Gebot fairen Verhandelns ist nach den Feststellungen des BAG eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht i. S. d. §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB. Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags könne eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführe oder ausnutze, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstelle. § 241 Abs. 2 BGB schütze mit den „Interessen“ auch die Entscheidungsfreiheit des anderen Vertragspartners und solle damit einer unzulässigen Fremdbestimmung bei der Willensbildung in der vorkonsensualen Phase begegnen. Dabei gehe es aber nicht um ein Erfordernis der Schaffung einer für den Vertragspartner besonders angenehmen Verhandlungssituation, sondern um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsschlusses. Von diesen Grundsätzen ausgehend lehnt das BAG zwar eine unzulässige Einschränkung der Entscheidungsfreiheit noch ab, wenn dem Arbeitnehmer keine Bedenkzeit oder ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht eingeräumt werde. Es bestehe auch keine Verpflichtung, die Absicht, einen Aufhebungsvertrag abschließen zu wollen, im Vorfeld anzukündigen. Eine Verhandlungssituation sei allerdings dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt werde, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwere oder sogar unmöglich mache. Dies könne – so das BAG – durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenkten oder sogar den Fluchtinstinkt weckten, geschehen. Denkbar seien auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichende Sprachkenntnisse. Die Nutzung eines Überraschungsmoments könne ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumpelung). Letztlich sei die konkrete Situation im jeweiligen Einzelfall am Maßstab des § 241 Abs. 2 BGB zu bewerten und von einer bloßen Vertragsreue abzugrenzen.
88 BAG v. 7.2.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688 Rz. 30 ff., 34. 89 LAG Niedersachsen v. 7.11.2017 – 10 Sa 1159/16, NZA-RR 2018, 361.
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Das „Gebot fairen Verhandelns“ beim Abschluss von Aufhebungsverträgen
Schon diese Ausführungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs machen deutlich, dass das BAG mit dieser Entscheidung einen schwierigen Lösungsweg eröffnet hat. Denn schon die tatbestandlichen Voraussetzungen sind außerordentlich unklar, wenn man sich vor Augen führt, dass ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns ein Verhalten beschreiben muss, dass nicht bereits durch §§ 119, 123, 138 BGB sanktioniert wird. Dieser Problematik ist das LAG MecklenburgVorpommern mit seinem Urteil vom 19.5.202090 nicht gerecht geworden. Denn das LAG Mecklenburg-Vorpommern hatte letztendlich einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns bereits aus dem Umstand abgeleitet, dass die kommissarische Leiterin der Förderschule, die im Unterricht des Klägers hospitiert hatte, diesen Unterricht gegenüber dem Kläger mit der Äußerung kommentiert hatte: „So geht es bei uns an der Schule nicht“. Bereits mit dieser Bemerkung habe der Arbeitgeber einen massiven Druck auf den Kläger ausgeübt. Er sei deshalb „völlig verzweifelt“ und „mit seinen Nerven am Ende“ gewesen. Obwohl das Gespräch, im Rahmen dessen der Aufhebungsvertrag zum Abschluss kam, erst am Folgetag geführt wurde, habe der Arbeitgeber diese Situation ausgenutzt, anstatt über die Ursache der Verzweiflung zu sprechen und alternative Einsatzmöglichkeiten zu erörtern. Mit den jetzt vorliegenden Entscheidungen des LAG Hamm vom 17.5.202191 und des LAG Hessen vom 11.6.202192 wird allerdings deutlich, dass die Umsetzungsweise des LAG Mecklenburg-Vorpommern wohl durchaus als Missinterpretation der Vorgaben des BAG zu qualifizieren ist, die hoffen lässt, dass in sonstigen Fallgestaltungen durch die Gerichte strengere Voraussetzungen an die Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs wegen einer Missachtung des Gebots des fairen Verhandelns gestellt werden. So hat das LAG Hessen klargestellt, dass gegen das Gebot des fairen Verhandelns nicht bereits dadurch verstoßen werde, dass Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag während einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers geführt würden. In dem seiner Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatten sich die Verhandlungen über mehrere Wochen hingezogen. Außerdem war dem Kläger eine mehrtätige Überlegungsfrist eingeräumt worden, die dieser nutzte, um anwaltliche Unterstützung bei den weiteren Vertragsverhandlungen einzubringen. Wenn der Kläger, was er erst nach einer zweijährigen Freistellung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend machte, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses tatsächlich unter erheblichem Medi90 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 19.5.2021 – 5 Sa 173/19, NZA-RR 2020, 520 ff. 91 LAG Hamm v. 17.5.2021 – 18 -Sa 1124/20 n. v. (Revision: 6 AZR 333/21). 92 LAG Hessen v. 11.6.2021 – 10 Sa 1221/20 n. v.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
kamenteneinfluss gestanden habe und deshalb arbeitsunfähig gewesen sei, hätte er – so das LAG Hessen – darauf hinweisen und um eine Fristverlängerung zur Abgabe seiner Erklärung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bitten müssen. Das LAG Hamm wiederum hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags nicht bereits dann gegeben ist, wenn der Arbeitgeber einen Rechtsanwalt zu den Vertragsverhandlungen hinzuziehe, einen Aufhebungsvertrag vorlege, der nur sofort abgeschlossen werden könne, und dies – mit der im Streitfall nicht widerrechtlichen – Drohung verbinde, er werde wegen einer schweren Pflichtverletzung des Arbeitnehmers eine fristlose Kündigung aussprechen und Strafanzeige erstatten. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall war der Klägerin im Rahmen des Gesprächs vorgeworfen worden, die ihren vermeintlichen Vertriebserfolge und der daraus resultierenden Vergütung zugrundeliegenden Zahlen in den Systemen der Beklagten manipuliert zu haben. Dass der Arbeitgeber in dem Gespräch, zu dem die Klägerin eingeladen worden war, ohne sich darauf vorbereiten zu können, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung ankündigte, stelle angesichts eines solchen Sachverhalts auch keine widerrechtliche Drohung dar. Dies gelte selbst dann, wenn dem Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit eröffnet worden sei, einen Rechtsbeistand zu diesem Gespräch hinzuzuziehen. Gerade weil die Willensentschließungsfreiheit grundsätzlich bereits durch § 123 Abs. 1 BGB geschützt werde, könne die Anerkennung eines Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns nur in Extremfällen erfolgen. Dies sei insbesondere mit Blick auf den Umstand anzunehmen, dass die Bedingungen, unter denen das Gespräch über den Aufhebungsvertrag geführt wurden, weder durch unsachliche noch durch aggressive oder beleidigende Äußerungen geprägt gewesen seien. Auch der Gesundheitszustand der Klägerin sei, als sie den Vertrag unterzeichnete, nach den Feststellungen des LAG Hamm nicht beeinträchtigt gewesen. Außerdem habe es keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Klägerin vor dem Gespräch einen besonderen Arbeitsdruck ausgesetzt oder von den Strapazen eines langen Arbeitstags erschöpft war; das Gespräch fand zur Mittagszeit statt. Unabhängig von diesen Diskussionen über die tatbestandlichen Voraussetzungen bleibt die Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs wegen einer Missachtung des Gebots fairen Verhandelns, der zur Wiederherstellung des Arbeitsverhältnisses führen soll, auch aus dogmatischer Sicht zweifelhaft. Denn es ist bereits fraglich, auf welche Weise der Schadensersatzanspruch zu einem Entfall der Rechtswirkungen des Aufhebungsvertrags führen soll.
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Das „Gebot fairen Verhandelns“ beim Abschluss von Aufhebungsverträgen
Das BAG spricht davon, dass dies „unmittelbar“ der Fall sei93, was zu der These führen könnte, dass die entsprechende Rechtsfolge ohne eine weitere Erklärung des Arbeitnehmers ausgelöst wird. Dagegen spricht aber nicht nur, dass ein Arbeitnehmer durchaus Interesse haben kann, einen Aufhebungsvertrag auch dann aufrechtzuerhalten, wenn er tatsächlich unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist. Dies entspricht §§ 119, 123 BGB, die eine Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nur dann zur Folge haben, wenn auch eine Anfechtung erklärt wird. Gegen diese Annahme spricht auch, dass auch das BAG davon spricht, dass der Geschädigte unter Anwendung der §§ 280, 249 BGB die Lösung von dem Vertrag als Naturalrestitution verlangen könne94. Es bleibt zu hoffen, dass das BAG die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Missachtung des Gebots fairen Verhandelns in weiteren Entscheidungen insbesondere im Verhältnis zu §§ 119, 123, 138 BGB präzisiert und dabei auch Einschränkungen vornimmt. Das gilt auch für die Frage, ob der entsprechende Anspruch von Ausschluss- oder Verjährungsfristen erfasst wird. Konsequenterweise müsste dies bei der dogmatischen Einordnung als Schadensersatzanspruch der Fall sein, wobei zu klären wäre, ob nicht § 202 Abs. 1 BGB jedenfalls einer vertraglichen Ausschlussfrist entgegenstünde. Bis zu einer solchen Klarstellung ist der betrieblichen Praxis zu empfehlen, jedenfalls dort, wo Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag auf Veranlassung des Arbeitgebers ohne vorherige Ankündigung gegenüber dem Arbeitnehmer geführt werden, die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers zu prüfen, eine ruhige Verhandlungsatmosphäre zu schaffen und auf Verlangen auch eine Bedenkzeit einzuräumen. Dies schließt nicht aus, dass daran auch Rechtskundige teilnehmen und ein Vertragsentwurf vorgelegt wird. Hat der Arbeitgeber Zweifel, ob die Zeit unter diesen Voraussetzungen reicht, um einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, sollte er eben auf den (zeitnahen) Aufhebungsvertrag verzichten und (zunächst einmal) eine Kündigung aussprechen. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB. (Ga)
93 BAG v. 7.2.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688 Rz. 37. 94 BAG v. 7.2.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688 Rz. 39.
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.
F.
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
1.
Arbeitsverhältnis: Zulässige Vorbereitungshandlung oder unzulässige Wettbewerbstätigkeit
Bereits das RG1 hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die dreimonatige Verjährungsfrist nach § 61 Abs. 2 HGB, die für Ansprüche des Prinzipals gegen den Handlungsgehilfen auf Schadensersatz und auf Eintritt in die Geschäftsabschlüsse des letzteren bestimmt ist, auch für den Anspruch des Prinzipals auf Unterlassen eines eigenen Gewerbebetriebs seitens des Handlungsgehilfen in den Handelszweigen des Prinzipals zur Anwendung kommt. Der Beklagte hatte während der Laufzeit des Arbeitsvertrags gemeinschaftlich mit einem anderen eine Porzellanfabrik zur Anfertigung elektrotechnischer Porzellan-Massenartikel, wie der in der Fabrik der Klägerin hergestellten, betrieben. Gegen den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Aufgabe dieses Handelsgewerbe bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat sich der Beklagte mit der dreimonatigen Verjährungseinrede nach § 61 Abs. 2 HGB verteidigt, weil die Klägerin unstreitig länger als drei Monate vor der Klageerhebung von der Errichtung des Konkurrenzunternehmens und der Beteiligung des Klägers Kenntnis erlangt hatte. Das RG hat die darauf gestützte Klageabweisung des OLG bestätigt und die Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB unter Heranziehung von § 113 Abs. 2 HGB, der eine gleichartige Regelung bei rechtswidrigem Eintritt eines Gesellschafters in eine andere Handelsgesellschaft beinhaltet, ab dem Zeitpunkt der Kenntnis der Klägerin von der Beteiligung des Beklagten an der von ihm gegründeten Gesellschaft und an deren Betrieb anlaufen lassen. Der Wortlaut des § 61 Abs. 2 HGB lässt nach wie vor die Verjährung wettbewerbswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis vom Abschluss des konkreten Geschäfts anlaufen, nicht aber vom Betreiben eines konkurrierenden Handelsgewerbes. Um eine ähnliche Problemlage ging es in der Entscheidung des 10. Senats des BAG vom 24.2.20212. Auch in dieser Entscheidung war zu klären, ob die Frist von drei Monaten für die Verjährung von Ansprüchen aufgrund einer Verletzung des Wettbewerbsverbots aus § 60 Abs. 1 HGB nach § 61 Abs. 2 HGB auch dann zu laufen beginnt, wenn der Arbeitgeber weiß oder grob fahrlässig
1 2
RG v. 1.5.1906 – III 478/05, RGZ 63, 252. BAG v. 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, NZA 2021, 1581.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
nicht weiß, dass der Arbeitnehmer ein konkurrierendes Handelsgewerbe betreibt. Der Beklagte dieses Verfahrens war im Jahr 2013 bereits seit 27 Jahren als Arbeitnehmer bei der Klägerin bzw. deren Vorgängerin beschäftigt, deren Unternehmensgegenstand auf die Herstellung von Bandagen, Bremsleder, Riemen und Bändern für Antriebstechnik gerichtet ist. Bereits im Jahre 2010 hatte der Beklagte ein Konkurrenzunternehmen gegründet, in dem er Mehrheitsgesellschafter und Alleingeschäftsführer war. Die Geschäftsführerin der Klägerin erhielt spätestens am 20.6.2013 einen Handelsregisterauszug über das Konkurrenzunternehmen und war Ende Juni 2013 über einen Internetauftritt des Konkurrenzunternehmens unterrichtet worden, aus dem sich ergab, dass vom Unternehmen des Beklagten dasselbe Programm wie bei der Klägerin angeboten wurde. Erst durch Anruf eines Kunden erfuhr die Geschäftsführerin der Klägerin am 20.9.2013 von einem konkreten Konkurrenzgeschäft, das über das Unternehmen des Beklagten abgewickelt worden war. Mit der am 28.11.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin im Wege der Stufenklage vom Beklagten Auskunft über die seinem Unternehmen zugeflossenen Zahlungen aus Konkurrenzgeschäften in der Zeit vom 1.6.2010 bis 2.9.2013 verlangt. Das LAG hat der Auskunftsklage für die Zeit vom 28.8.2013 bis 2.9.2013 entsprochen und diese im Übrigen aus Gründen der vom Beklagten erhobenen Verjährungseinrede abgewiesen. Die Revision der Klägerin für die Zeit vom 1.6.2010 bis 27.8.2013 blieb ohne Erfolg. Das BAG hat den Auskunftsanspruch der Klägerin an der Verjährung nach § 61 Abs. 2 HGB scheitern lassen. Den Beginn der dreimonatigen Verjährungsfrist hat das BAG mit der grob fahrlässigen Unkenntnis vom Betrieb des konkurrierenden Handelsgewerbes durch den Beklagten bei Ende Juni 2013 angesetzt. Nach § 61 Abs. 2 Halbs. 1 HGB verjähren die Ansprüche aus § 61 Abs. 1 HGB in drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in welchem der Prinzipal Kenntnis von dem Abschluss des Geschäfts erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Aufgrund der Wortfassung dieser Vorschrift ist umstritten, ob die dreimonatige Verjährungsfrist erst mit der Kenntnis bzw. mit der grob fahrlässigen Unkenntnis von den einzelnen getätigten Geschäften zu laufen beginnt, wofür sprechen könnte, dass der Gesetzgeber dem Prinzipal ein Eintrittsrecht gewährt3, oder ob der Fristbeginn bereits mit der Kenntnis des Betreibens eines Handelsgewerbes im Handelszweig des Arbeitgebers einsetzt4.
3 4
Vgl. dazu die Literaturnachweise bei BAG v. 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, NZA 2021, 1581 Rz. 71. Vgl. dazu die Literaturnachweise bei BAG v. 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, NZA 2021, 1581 Rz. 70.
540
Zulässige Vorbereitungshandlung oder unzulässige Wettbewerbstätigkeit
Entgegen dem Wortlaut § 61 Abs. 2 Halbs. 1 HGB, der von dem Abschluss des Geschäfts ausgeht, schließt sich das BAG unter Heranziehung von § 113 Abs. 3 HGB der Auffassung an, die bereits mit der Kenntnis des Betreibens eines Handelsgewerbes im Handelszweig des Arbeitgebers die dreimonatige Verjährungsfrist anlaufen lässt. Auch in § 113 Abs. 3 HGB ist vorgesehen, dass Ansprüche aufgrund des Wettbewerbsverstoßes eines OHGGesellschafters einer dreimonatigen Verjährung unterliegen, wobei jedoch für den Beginn der Verjährung neben dem Abschluss eines Geschäfts auch auf die Teilnahme des Gesellschafters an der anderen Gesellschaft abgestellt wird. Weil der Gesetzgeber von einem einheitlichen Verständnis beider Normen ausgegangen ist, nimmt das BAG für § 61 Abs. 2 Halbs. 1 HGB ein redaktionelles Versehen an, wenn diese Vorschrift für den Verjährungsbeginn nicht ausdrücklich an das Betreiben eines Handelsgewerbes anknüpft. Damit sei eine entsprechende berichtigende Auslegung dieser Vorschrift erforderlich. Auf den Streitfall bezogen ist das BAG davon ausgegangen, dass die Klägerin seit Ende Juni 2013 nicht nur grob fahrlässig keine Kenntnis von dem Bestand eines Handelsgewerbes in ihrem Handelszweig hatte, sondern auch von dem werbenden Auftreten des Beklagten durch den Internetauftritt des von ihm betriebenen Konkurrenzunternehmens. Das werbende Auftreten des Beklagten mittels der Homepage des Unternehmens könne nicht als bloße wettbewerbsneutrale Vorbereitungshandlung eingeordnet werden, sondern sei bereits als Betreiben eines Handelsgewerbes i. S. v. § 60 Abs. 1 Alt. 1 HGB zu werten. Die grob fahrlässige Unkenntnis der Geschäftsführerin der Klägerin, die der Klägerin zuzurechnen ist, und eine besonders schwere Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraussetzt, hat das BAG damit begründet, dass ihr am 20.6.2013 der Handelsregisterauszug des Konkurrenzunternehmens vorlag, aus dem sich der Unternehmensgegenstand der Konkurrenztätigkeit ergab, und dass die Geschäftsführerin im Juni 2013 über die Existenz der Homepage des Konkurrenzunternehmens unterrichtet worden war, aus der hervorging, dass das Unternehmen des Beklagten im Schwerpunkt das gleiche Programm anbot. Die erhobene Einrede der Verjährung führte nicht nur zur Abweisung des Auskunftsanspruchs, sondern verhinderte zugleich auch die Durchsetzbarkeit der mit der Stufenklage geltend gemachten weiteren Ansprüche der Klägerin. Für die betriebliche Praxis wird mit dieser Entscheidung des BAG eine bislang – von der Rechtsprechung des Reichsgerichts abgesehen – höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage zur Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB 541
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
dahingehend beantwortet, dass die Verjährungsfrist auch zu laufen beginnt, wenn der Arbeitgeber weiß oder grob fahrlässig nicht weiß, dass ein bei ihm beschäftigter Arbeitnehmer ein konkurrierendes Handelsgewerbe errichtet hat und bereits durch einen Internetauftritt das Betreiben dieses Handelsgewerbes in Augenschein tritt, ohne dass es auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von den einzelnen getätigten Geschäften des Konkurrenten ankommt. (Boe)
2.
Zeugnis als Fließtext oder (auch) in Tabellenform?
Der 9. Senat des BAG hat sich erstmalig in der Entscheidung vom 27.4.20215 dazu äußern müssen, ob der Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines auf Führung und Leistung ausgedehnten Zeugnisses nach § 109 GewO vom Arbeitgeber auch dadurch erfüllt werden kann, dass er Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers in einer an ein Schulzeugnis angelehnten tabellarischen Darstellungsform aufführt. Die Veranlassung dieser Entscheidung ist dem Umstand geschuldet, dass § 109 GewO nur einige bestimmte Vorgaben enthält, die zur Erfüllung des Zeugnisanspruchs eingehalten werden müssen, jedoch die nähere Form der Zeugnisabfassung nicht näher konkretisiert. Gesetzlich vorgegeben ist, dass das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein muss (§ 109 Abs. 2 S. 1 GewO), es keine Merkmale oder Formulierungen enthalten darf, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen (§ 109 Abs. 2 S. 2 GewO). Dem hat das BAG6 das Gebot der Zeugniswahrheit und eine wohlwollende Beurteilung des Arbeitnehmers hinzugefügt. Außerdem schließt der Gesetzgeber in § 109 Abs. 3 GewO die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form aus. Es ist grundsätzlich Aufgabe des Arbeitgebers, das vom Arbeitnehmer gewünschte qualifizierte Zeugnis im Einzelnen zu formulieren, wobei Formulierung und Ausdrucksweise in seinem pflichtgemäßen Ermessen stehen7 und der Maßstab eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers anzulegen ist. In dem zu entscheidenden Rechtsstreit über ein vom Kläger gewünschtes qualifiziertes Arbeitszeugnis hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Zeugnis 5 6 7
BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 262/20, NZA 2021, 1327. Vgl. BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 262/20, NJW 2021, 1327 Rz. 11; BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 386/10, NZA 2012, 448 Rz. 24. BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 262/20, NJW 2021, 1327 Rz. 13; BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 386/10, NZA 2012, 448 Rz. 11.
542
Zeugnis als Fließtext oder (auch) in Tabellenform?
erteilt, dass Führung und Leistung durch eine Vielzahl einzelner Bewertungskriterien ohne Fließtext gleichrangig aufführte und benotete. Der Kläger war der Meinung, die Beklagte habe damit seinen Zeugnisanspruch nicht erfüllt und verlangte vor dem Arbeitsgericht die Verurteilung der Beklagten zur Erstellung eines vom Kläger mit dem Klageantrag im Fließtext formulierten Zeugnisses. Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und das Zeugnis im Fließtext formuliert. Das LAG hat auf die Berufung beider Parteien – wenn auch mit besseren Benotungen – das Zeugnis der Beklagten in Tabellenform übernommen und die Beklagte Zug um Zug gegen Rückgabe des dem Kläger bereits erteilten Zeugnisses zur Erteilung des im Tenor verfassten neuen Zeugnisses verurteilt. Das BAG hat auf die Revision des Klägers den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen. Im Gegensatz zum LAG geht das BAG davon aus, dass mit der in Tabellenform vorgenommenen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums der Beklagten vorliegt. Das BAG lässt sich dabei von den Erwägungen leiten, dass ein qualifiziertes Zeugnis ein auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnittenes Arbeitspapier sei und deshalb eine individuell an diesen angepasste Leistungs- und Verhaltensbeurteilung enthalten müsse. Ein verständiger Zeugnisleser erwarte in der Regel kein Arbeitszeugnis, das eine Vielzahl einzelner Bewertungskriterien gleichrangig nebeneinander aufführt und mit Schulnoten bewertet. Außerdem ließen sich individuelle Hervorhebungen und Differenzierungen regelmäßig nur durch in einem Fließtext formuliertes Arbeitszeugnis so herausstellen, dass die besonderen Nuancen des beendeten Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck kämen und damit den Zeugniszweck als aussagekräftige Bewertungsunterlage in Bezug auf die konkret beurteilte Person erfüllen könne. Dementsprechend hat das BAG die Entscheidung des LAG aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen, um das Zeugnis in der Form des Fließtextes zu gestalten. Das BAG weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das LAG weder an die Formulierung des erteilten Zeugnisses noch an die Formulierung im Klageantrag gebunden sei, vielmehr ohne Verstoß gegen § 308 ZPO das gesamte Zeugnis selbst neu formulieren dürfe. Für die betriebliche Praxis wird damit ein weiterer Streitpunkt über die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses geklärt, wobei wohl ohnehin anzunehmen ist, dass derartige Zeugnisse überwiegend von den Arbeitgebern unter Verwendung von Fließtext ausgefertigt werden. Ob die Annahme des BAG zutreffend ist, dass der Fließtext dem Zeugnis bei der Beurteilung von Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers eine bessere Aussagekraft verleiht, lässt sich durchaus bezweifeln. (Boe)
543
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
3.
Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung der nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht?
Nachvertragliche Wettbewerbsaktivitäten eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers, mit dem kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot (§§ 74 ff. HGB, 110 GewO) vereinbart worden ist, haben die Rechtsprechung des BAG8 immer wieder wegen der Kollision der Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers an der nachvertraglichen Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen einerseits und der Wettbewerbsfreiheit eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers andererseits, beschäftigt. Grundsätzlich endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Pflicht des Arbeitnehmers zur Wettbewerbsenthaltung (§ 60 Abs. 1 HGB). Ohne nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das die spätere gewerbliche Betätigungsfreiheit sachlich, örtlich und zeitlich beschränkt, kann daher der Arbeitnehmer – wie jeder Dritter – seinem bisherigen Arbeitgeber gegenüber wettbewerbsaktiv werden und hierbei sein bei diesem erworbenes Erfahrungswissen einschließlich der Kenntnis von Geschäftsgeheimnissen verwerten sowie in den Kundenkreis des Arbeitgebers eindringen9. Anderenfalls würde dem Arbeitnehmer ein entschädigungsloses und zeitlich unbegrenztes nachvertragliches Wettbewerbsverbot auferlegt. Davon zu differenzieren ist die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht, die auf das Verbot einer Verwertung durch Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen begrenzt ist10. Diese Differenzierung findet etwa ihren gesetzlichen Ausdruck in den §§ 90, 90a HGB für den Handelsvertreter, wonach der Handelsvertreter Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm anvertraut oder als solche durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekannt geworden sind, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen darf, soweit dies nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns widersprechen würde. Von dieser nachvertraglichen Geheimhaltungspflicht grenzt der Gesetzgeber in § 90 a HGB eine Wettbewerbsabrede ab, die den Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit zeitlich sowie gegenständlich beschränkt und karenzentschädigungspflichtig ist. Daher hat das
Vgl. nur BAG v. 19.5.1998 – 9 AZR 394/97, NZA 1999, 200: Breitschlitzdüse; BAG v. 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, NZA 1994, 502: Titandioxit; BAG v. 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, NZA 1988, 502: Kundenschutzabrede. 9 BAG v. 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, NZA 2017, 845 Rz. 34; BAG v. 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, NZA 1994, 502 Rz. 41 f., 52. 10 BAG v. 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, NZA 1994, 502 Rz. 57 m. w. N. 8
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Begrenzung der nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht?
BAG11 zu Recht entschieden, dass auch eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber gegen den ausgeschiedenen Arbeitnehmer keine Ansprüche auf Unterlassung von Wettbewerbshandlungen, die Gegenstand eines Wettbewerbsverbots nach §§ 74 ff. HGB, 110 GewO sein können, begründen, sodass dieser in den Kundenkreis des ehemaligen Arbeitgebers eindringen kann. Aus einer nachvertraglichen Geheimhaltungspflicht folgt daher kein Kundenschutz. Ungeachtet dessen können die Arbeitsvertragsparteien wirksam vereinbaren, dass der Arbeitnehmer bestimmte Betriebsgeheimnisse, die er aufgrund seiner Tätigkeit erfährt, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder nutzen noch weitergeben darf, ohne dass die Verbindlichkeit einer derartigen Geheimhaltungsklausel von der Zusage einer Entschädigung abhängt12. Das hindert den ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht daran, seine bei dem früheren Arbeitgeber rechtmäßig erlangten Kenntnisse und Erfahrungen beliebig zu verwerten. Soweit nicht der Gesetzgeber selbst – wie etwa in § 79 BetrVG oder in § 90 HGB – ein Mitteilungs- und Verwertungsverbot von Geschäftsgeheimnissen auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorschreibt, ist in sonstigen Fällen grundsätzlich eine nachvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung erforderlich13. Ohne eine derartige nachvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung14 darf der ausgeschiedene Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BGH15 allerdings nur Informationen nutzen, die er in seinem Gedächtnis bewahrt hat und nicht aus schriftlichen Unterlagen entnimmt, die er befugtermaßen während des früheren Arbeitsverhältnisses angelegt oder etwa auf einem privaten PC als Daten gespeichert hat. Soweit eine nachvertragliche Verschwiegenheitsvereinbarung in Rede steht, enthält das am 26.4.2019 in Kraft getretene Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vom 18.4.201916, das der Umsetzung der Richtlinie 2016/943/EU vom 8.6.2016 über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen dient, keine spezifische Regelung, was gleichermaßen für die Richtlinie 2016/943/EU gilt. In Art. 1 Abs. 3 Richtlinie wird vorgeschrieben, dass keine 11 BAG v. 19.5.1998 – 9 AZR 394/97, NZA 1999, 200 Rz. 52. Vgl. zu der Gesamtproblematik näher Reinfeld, Das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, 2019, § 4 Rz. 11 ff. 12 BAG v. 16.3.1982 – 3 AZR 83/79, NJW 1983, 134 Rz. 38. ff. - Thrombosol. 13 BGH v. 27.4.2006 – I ZR 126/03, DB 2006, 2459 Rz. 13 - Kundendatenprogramm; BGH v. 3.5.2001 – I ZR 153/99, GRUR 2002, 91 Rz. 47 - Spritzgießwerkzeuge. 14 Über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung: ABlEU 2016 L 157 S. 1. 15 BGH v. 27.4.2006 – I ZR 126/03, DB 2006, 2459 Rz. 13 m. w. N. 16 BGBl. I 2019, 466.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
Bestimmung dieser Richtlinie so ausgelegt werden darf, dass sie eine Grundlage dafür bietet, die Mobilität der Arbeitnehmer zu beschränken. Somit gibt die Richtlinie insbesondere keinerlei Grund für die Beschränkung der Nutzung von Informationen, die kein Geschäftsgeheimnis i. S. v. Art. 2 Nr. 1 Richtlinie darstellen, durch die Arbeitnehmer (Abs. 3a), was gleichermaßen für eine Beschränkung der Nutzung von Erfahrungen und Fähigkeiten, die Arbeitnehmer im normalen Verlauf ihrer Tätigkeit redlich erworben haben, gelten soll (Abs. 3b). Daraus wird man möglicherweise entnehmen müssen, dass in unionskonformer Auslegung nachvertragliche Geheimhaltungsgebote nicht über die Verschwiegenheitspflicht von Geschäftsgeheimnissen hinausgehen dürfen17. Überdies verlangt die Richtlinie in Art. 8, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften über die Verjährungsfristen, die höchstens sechs Jahre betragen dürfen, für materielle Ansprüche und Klagen auf Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe festlegen. Insoweit enthält das GeschGehG abgesehen von § 13 GeschGehG (Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung) keine besondere Vorschrift, die sich mit der Verjährungsfrage befasst. Im bestehenden Arbeitsverhältnis dürfte die dreimonatige Verjährungsfrist aus § 61 Abs. 2 HGB bei unerlaubter Erlangung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen durch den Arbeitnehmer zur Anwendung kommen18, womit auch aus Wettbewerbsverstößen resultierende konkurrierende vertragliche oder deliktische Ansprüche des Arbeitgebers erfasst werden19. Nach Inkrafttreten des GeschGehG am 26.4.2019 richtet sich mangels einer Überleitungsvorschrift20 der Begriff des Geschäftsgeheimnisses und damit der zivilrechtliche Geheimnisschutz ausschließlich nach § 2 Nr. 1 GeschGehG, der nicht mehr zwischen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen differenziert und das Geschäftsgeheimnis wie folgt umschreibt: Eine Information a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein 17 Vgl. zur unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers bei sog. „All-Klauseln“, wonach sämtliche Geschäftsvorgänge geheim zu halten sind: LAG Rheinland-Pfalz v. 21.2.2013 – 2 Sa 386/12, ZD 2013, 460: „alle betriebsinternen Vorgänge“. 18 So bereits Reinfeld, Das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, 2019, § 4 Rz 40 ff. 19 BAG v. 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, NZA 2018, 1425 Rz. 44 ff. m. w. N. 20 Siehe dazu LAG Düsseldorf v. 3.6.2020 – 12 SaGa 4/20, MMR 2021, 181 Rz. 71.
546
Begrenzung der nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht?
bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und b) der Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
Erfüllt das von den Arbeitsvertragsparteien vereinbarte nachvertragliche Geheimhaltungsgebot nicht oder nicht mehr sämtliche Voraussetzungen dieser gesetzlichen Kennzeichnung des Geschäftsgeheimnisses, was auch für angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen gilt, haben sich entsprechende Vertragsabsprachen damit seit dem 26.4.2019 erledigt. Regelmäßig enthalten nachvertragliche Verschwiegenheitsvereinbarungen über Geschäftsgeheimnisse keine zeitliche Begrenzung. Die Frage, ob in entsprechender Anwendung der §§ 74 ff. HGB eine nachvertraglichen Geheimhaltungspflicht die Laufzeit von zwei Jahren nicht überschreiten darf, eine zeitliche Schranke im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu suchen ist, oder auf die schutzwerten Interessen des Arbeitgebers abzustellen ist und eine zeitlich unbegrenzte Geheimhaltungspflicht bestehen kann, wird kontrovers diskutiert21. Das LAG Köln hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren mit Urteil vom 2.12.201922 , das nach Inkrafttreten des GeschGehG (26.4.2019) ergangen ist und einen Unterlassungsanspruch aus § 6 GeschGehG zum Gegenstand hatte, eine Klausel, die einen Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses hinsichtlich rechtmäßig erlangter Kenntnisse uneingeschränkt und unendlich zur Verschwiegenheit verpflichtet, für rechtsunwirksam gehalten. Dabei hat das LAG die Klausel auch deswegen als unangemessen benachteiligend (§§ 307, 310 Abs. 3 BGB) eingeschätzt, weil sie eine Bindung ohne jede zeitliche Beschränkung enthielt und eine inhaltliche Konkretisierung vermissen ließ, was denn im Einzelnen geschützt werden sollte. Dabei hat sich das LAG hinsichtlich der zeitlichen Grenze auf eine mögliche Bindungsfrist von zwei Jahren in entsprechender Anwendung der maximalen Laufzeit von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten festgelegt. Unabhängig davon hat das LAG neben der Unbestimmtheit der zu beurteilenden Klausel und wegen des mangelnden Nachweises des Vorliegens angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen nach dem GeschGehG das zwischen den Parteien
21 Vgl. etwa BGH v. 20.1.2015 – II ZR 369/13, NJW 2015, 1012 Rz. 7; D. Gaul, NZA 1989, 697, 700: fünf Jahre. 22 LAG Köln v. 2.12.2019 – 2 SaGa 20/19 n. v.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
bestehende nachvertragliche sog. Geheimhaltungsgebot als wirkungslos angesehen. In diesem Zusammenhang kann zweifelhaft sein, ob die vom LAG befürwortete Begrenzung einer nachvertraglichen Geheimhaltungspflicht auf zwei Jahre standardmäßig in Anlehnung an nachvertragliche Wettbewerbsverbote übernommen werden kann. Eine Analogie zu § 74 a Abs. 1 S. 3 HGB verbietet sich deshalb, weil ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot den Arbeitnehmer in seiner weiteren beruflichen Betätigungsfreiheit regelmäßig stärker einschränkt, als dies bei einem nachvertraglichen Geheimhaltungsgebot der Fall ist. Es spricht einiges dafür, hinsichtlich der Laufzeit eher auf die jeweilige Bedeutung des schützenswerten unternehmerischen Interesses des Arbeitgebers abzustellen, das möglicherweise sogar eine dauerhafte Einhaltung des Geheimhaltungsgebots erlaubt. Geht es etwa um die einzigartige Zusammensetzung einer chemischen Substanz, die eine entscheidende Grundlage für die gesamten wirtschaftlichen Aktivitäten des Arbeitgebers ausmacht, kann der Verrat eines derartigen Geschäftsgeheimnisses einer Existenzvernichtung des Unternehmens gleichkommen. In weniger gravierenden Konstellationen könnte die in Art. 8 Richtlinie 2016/943/EU längste Verjährungsfrist von sechs Jahren nutzbar gemacht werden oder bei einem geringen wirtschaftlichen Interesse die Frist von zwei Jahren ausreichen. Für die betriebliche Praxis gilt es zu bedenken, dass sich aufgrund der Richtlinie 2016/943/EU i. V. m. dem GeschGehG der Begriff des Geschäftsgeheimnisses verändert hat und auf Geschäftsgeheimnisse gemünzte nachvertragliche Geheimhaltungspflichten ausdrücklich vereinbart werden müssen. Dabei ist ratsam, die zu schützenden Geheimnisse konkret beim Namen zu nennen, um dem Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 BGB zu genügen. Überdies sollten in der Vereinbarung keine weiteren Beschränkungen enthalten sein, die über den Geschäftsgeheimnisschutz hinausgehen und in irgendeiner Weise den Arbeitnehmer daran hindern, seine beim bisherigen Arbeitgeber erworbenen Erfahrungen und Fähigkeiten anderweitig nutzen zu können. Schließlich sollte auch eine zeitliche Begrenzung des nachvertraglichen Geheimhaltungsgebots erwogen werden, um das Risiko einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers zu vermeiden und damit der Regelung mangels geltungserhaltender Reduktion die Wirksamkeit zu nehmen. (Boe)
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G. Tarifrecht 1.
Arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel bei Tarifpluralität
Die richtige Ausgestaltung arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln bereitet der betrieblichen Praxis offenbar nach wie vor Probleme. Das zeigen mehrere aktuelle Entscheidungen des BAG, in denen sich das BAG nicht nur klarstellend mit allgemeinen Grundsätzen zur AGB-Kontrolle bei arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln befasst hat. Diese Grundsätze sind in jedem Fall bei der Gestaltung von Musterarbeitsverträgen zu berücksichtigen. Weitergehend hat sich das BAG in diesen Entscheidungen allerdings auch mit der Frage befasst, welche Anforderungen in Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung von Bezugnahmeklauseln zum Tragen kommen, wenn das Arbeitsverhältnis im Betrieb in die Geltungsbereiche unterschiedlicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften fällt, also Tarifpluralität gegeben ist.
a)
Anknüpfung an die gesetzliche Tarifbindung
Typischerweise soll eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel dazu führen, dass die nicht-organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten Arbeitnehmern – also den Gewerkschaftsmitgliedern – gleichgestellt werden. Dies gilt jedenfalls dort, wo der Arbeitgeber selbst bereits kraft Gesetzes an einen Tarifvertrag gebunden ist und – weil keine Allgemeinverbindlichkeit gegeben ist – diesen Tarifvertag gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG an sich nur gegenüber den Gewerkschaftsmitgliedern zur Anwendung bringen muss. Insofern handelt es sich also um eine sog. Gleichstellungsabrede. Hiervon ausgehend hat das BAG im Urteil vom 28.4.20211 noch einmal klargestellt, dass die in einem tarifgebundenen Unternehmen verwendete Bezugnahme, in der auf die „jeweils gültigen Tarifverträge“ verwiesen wurde, so zu verstehen sei, dass die für den Arbeitgeber jeweils geltenden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollten2. Auch als AGB sei die arbeitsvertragliche Regelung also so auszulegen, dass auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge Anwendung finden sollen, an die der Arbeitgeber – ggf. auch im Stadium der Nachwirkung – normativ gebunden sei. In der Begründung seiner Entscheidung verweist das BAG darauf, dass die Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die 1 2
BAG v. 28.4.2021 – 4 AZR 229/20, NZA 2021, 1567 Rz. 22 ff. So bereits BAG v. 16.10.2002 – 4 AZR 467/01, NZA 2003, 390.
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Tarifrecht
Beendigung von Arbeitsverhältnissen regelten, unmittelbar und zwingend zwischen den nach § 3 Abs. 1 TVG beiderseits Tarifgebundenen „gelten“ würden (§ 4 Abs. 1 TVG). Sie „gelten“ gemäß § 4 Abs. 5 TVG auch nach ihrem Ablauf weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt würden. Die Bezugnahmeregelung sei deshalb sowohl zeitdynamisch als auch hinsichtlich der anzuwendenden Tarifverträge inhaltsdynamisch ausgestaltet. Sie erfasse nicht nur die Tarifverträge einer bestimmten Branche oder bestimmter Tarifvertragsparteien in ihrer jeweiligen Fassung, sondern auch andere Tarifverträge, an die der Arbeitgeber (zukünftig) gebunden sein werde. Bei einer solchen (umfassenden) Bezugnahme auf ein Tarifwerk, die als große dynamische Bezugnahmeklausel bzw. Tarifwechselklausel bezeichnet wird, sollten alle einzelnen typischerweise aufeinander bezogenen und einander ergänzenden Tarifverträge Anwendung finden, um eine Gesamtregelung der arbeitsvertraglichen Bedingungen sicherzustellen. Dabei würden auch nachwirkende Tarifverträge einbezogen3. Diesem Auslegungsergebnis ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Um Auseinandersetzungen über den Inhalt einer Bezugnahmeklausel zu vermeiden, sollte allerdings darüber nachgedacht werden, nicht nur von den „geltenden“ Tarifverträgen zu sprechen, sondern bereits im Wortlaut der Bezugnahmeklausel auf die für den Arbeitgeber jeweils kraft Gesetzes verbindlichen Tarifverträge oder jedenfalls – so das BAG im Urteil vom 16.6.20214 – auf die „für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge“ in ihrer aktuellen, letzten oder jeweils gültigen Fassung zu verweisen. Die Einbeziehung des Arbeitgebers als weitergehender Bezugspunkt macht deutlich, dass seine Tarifbindung für die Tarifbindung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich sein soll.
b)
Kein Verstoß gegen allgemeine Grundsätze der AGBKontrolle
Auch die große dynamische Bezugnahmeklausel stellt keine überraschende Klausel i. S. d. § 305 c Abs. 1 BGB dar und kann deshalb Vertragsbestandteil werden. Darauf verweist das BAG im Urteil vom 16.6.20215. Dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge seien – so das BAG – im Arbeits-
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BAG v. 28.4.2021 – 4 AZR 229/20, NZA 2021, 1567 Rz. 24; BAG v. 9.5.2007 – 4 AZR 319/06, DB 2008, 874 Rz. 35. BAG v. 16.6.2021 – 10 AZR 31/20, NZA 2021, 1478 Rz. 26. BAG v. 16.6.2021 – 10 AZR 31/20, NZA 2021, 1478 Rz. 23.
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Arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel bei Tarifpluralität
leben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht überraschend sei6. Auch ohne eine weitergehende Konkretisierung des Inhalts der jeweils in Bezug genommenen Tarifverträge wird damit auch dem Bestimmtheitserfordernis Rechnung getragen. Hiervon ausgehend ist auch die nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB erforderliche Transparenz gegeben. Dabei spielt es – so das BAG – keine Rolle, dass nicht bereits bei Vertragsabschluss absehbar sei, welchen zukünftigen Inhalt die hinzugenommenen Tarifregelungen haben würden. Vielmehr sei ausreichend, dass dies im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Anwendung bestimmt sei7. Auch dies überzeugt. Schlussendlich werden die Arbeitnehmer mit der entsprechenden Bezugnahmeklausel nicht anders behandelt als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes an einen Tarifvertrag mit seinen Änderungen gebunden sind. Die Unklarheitenregel in § 305 c Abs. 2 BGB findet auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze nicht bereits dann Anwendung, wenn Zweifel über den Inhalt einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel bestehen. Vielmehr setzt der Vorrang der für den Arbeitnehmer günstigeren Alternative voraus, dass nicht bereits im Wege der Auslegung geklärt werden kann, dass eine Auslegungsalternative als maßgeblich zu qualifizieren ist und daher zur Anwendung kommt. Nur wenn auch im Anschluss an eine Auslegung der Vertragsklausel nicht behebbare Zweifel bestehen, was Vertragsinhalt sein sollte, also weiterhin mehrere Alternativen denkbar erscheinen, kann sich der Arbeitnehmer als Vertragspartner des Verwenders auf die für ihn günstigere Variante berufen.
c)
Differenzierung zwischen Haus- und Verbandstarifvertrag
Wichtig ist es, in der betrieblichen Praxis durch eine entsprechende Gestaltung der Musterarbeitsverträge klarzustellen, dass mit der Bezugnahme sowohl Haus- als auch Verbandstarifverträge erfasst werden sollen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass jeweils nur die im Arbeitsvertrag genannte Art des Tarifvertrags – also Verbands- oder Haustarifvertrag – zur Anwendung kommt. Darauf hatte das BAG bereits zuvor hingewiesen. Insofern könne eine Bezugnahmeklausel, die auf Tarifverträge einer bestimmten Branche oder
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So bereits BAG v. 26.9.2018 – 7 AZR 797/16 n. v. (Rz. 30); BAG v. 14.6.2017 – 7 AZR 390/15 n. v. (Rz. 19). BAG v. 28.4.2021 – 4 AZR 230/20, NZA 2021, 1572 Rz. 56; BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 Rz. 35.
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Tarifrecht
konkret bezeichneter Flächentarifverträge verweise, ohne besondere Anhaltspunkte nicht ergänzend dahin ausgelegt werden, sie erfasse auch später abgeschlossene Haustarifverträge des einzelnen Arbeitgebers8. Wenn dieses Auslegungsergebnis vermieden werden soll, sollte die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel nur abstrakt von „Tarifverträgen“ oder ausdrücklich von „Firmen- oder Verbandstarifverträgen“ sprechen. Dann wird deutlich, dass Tarifverträge ohne Rücksicht auf den jeweiligen Vertragspartner zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden sollen.
d)
Kollisionsregelung bei Tarifpluralität
Im Mittelpunkt der beiden Entscheidungen des BAG vom 28.4.20219 stand die Frage, welche Anforderungen eine Bezugnahmeklausel erfüllen muss, wenn das Arbeitsverhältnis im Betrieb zugleich durch den Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften erfasst wird. Eine solche Tarifpluralität kann sich insbesondere im Flugverkehr, in Krankenhäusern, im ÖPNV oder bei Fluggesellschaften ergeben. Sie ist auch dann denkbar, wenn Arbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung zum Einsatz kommen und auf Tarifverträge der Zeitarbeit verwiesen wird. In den beiden vorstehend genannten Entscheidungen macht das BAG nicht nur deutlich, dass auch in einem solchen Umfeld eine vertragliche Tarifbindung hergestellt werden kann. Wenn für den Arbeitgeber allerdings unterschiedliche Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften gelten, bedürfe es einer vertraglichen Kollisionsregelung, damit erkennbar sei, welcher dieser Tarifverträge im Arbeitsverhältnis gelten solle. Diese Kollisionsregelung könne sich aber auch im Wege der Auslegung ergeben. Eine entsprechende Situation ist nicht nur dann gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis vom Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge zum gleichen Regelungsgegenstand erfasst wird, die gleichermaßen zur Anwendung kommen könnten. Eine Kollisionsklausel wird man auch dann für erforderlich halten müssen, wenn das Arbeitsverhältnis an sich nur vom Geltungsbereich eines Tarifvertrags erfasst wird. Schließlich wäre es möglich, durch arbeitsvertragliche Bezugnahme auch einen anderen Tarifvertrag zur Anwendung zu bringen, insbesondere dort, wo der Arbeitgeber auch an diesen anderen
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BAG v. 16.6.2021 – 10 AZR 31/20, NZA 2021, 1478 Rz. 29; BAG v. 12.12.2018 – 4 AZR 123/18, NZA 2019, 543 Rz. 22 ff.; BAG v. 11.7.2018 – 4 AZR 533/17, NZA 2018, 1486 Rz. 21 ff. BAG v. 28.4.2021 – 4 AZR 229/20, NZA 2021, 1567 Rz. 26 ff.; BAG v. 28.4.2021 – 4 AZR 230/20, NZA 2021, 1572 Rz. 69 ff.
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Arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel bei Tarifpluralität
Tarifvertrag gebunden ist, auch wenn das konkrete Arbeitsverhältnis nicht in seinen Geltungsbereich fällt. Hiervon ausgehend ist es erforderlich, in der Bezugnahmeklausel selbst zum Ausdruck zu bringen, welche(r) der für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge verbindlich sein soll(en). Dabei kann auf Tarifverträge mit einer bestimmten Gewerkschaft abgestellt werden. Denkbar ist auch, dass abstrakt auf die Gewerkschaft abgestellt wird, die im jeweiligen Betrieb die meisten Mitglieder hat. Dies entspräche der Systematik des § 4 a Abs. 2 TVG. Denkbar – wenn auch in der Praxis nicht sinnvoll – dürfte auch sein, auf den jeweils letzten Tarifvertrag zu einem bestimmten Regelungsgegenstand abzustellen. Bei dieser Vorgehensweise dürften sich aber insbesondere dort Probleme ergeben, wo in einem Tarifvertrag mehrere Regelungsgegenstände behandelt werden. Außerdem bliebe unberücksichtigt, dass Regelungen einzelner Tarifverträge oft miteinander verknüpft sind, so dass auch Tarifverträge maßgeblich sein können, die bereits seit vielen Jahren nicht mehr verändert worden sind (z.B. Manteltarifvertrag, Entgeltgruppentarifvertrag)10. Fehlt eine Kollisionsregelung, ist zu prüfen, ob die Regelungslücke, die als Konsequenz einer Unwirksamkeit der Bezugnahmeklausel jedenfalls ab dem Zeitpunkt entsteht, zu dem in den Tarifverträgen verschiedener Gewerkschaften zum gleichen Regelungsgegenstand unterschiedliche Arbeitsbedingungen festgelegt werden, durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden kann. Sie behandelt die Frage, ob und inwieweit auch künftige Tarifverträge zum Vertragsinhalt werden11. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass – so das BAG – die Vereinbarung eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist. Eine Regelungslücke liege dabei nur vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder zwar nicht übersehen, aber doch bewusst deshalb offenlassen, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausgestellt hat. Voraussetzung für eine Planwidrigkeit dieser Regelungslücke sei indes, dass der Arbeitsvertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen, wenn also ohne Vervollständigung des Vertrags keine angemessene interessengerechte Lösung zu erzielen ist12. 10 BAG v. 28.4.2021 – 4 AZR 230/20, NZA 2021, 1572 Rz. 64, 67. 11 BAG v. 28.4.2021 – 4 AZR 229/20, NZA 2021, 1567 Rz. 41 ff.; BAG v. 28.4.2021 – 4 AZR 230/20 NZA 2021, 1572 Rz. 69 ff. 12 Vgl. bereits BAG v. 20.1.2021 – 4 AZR 283/20, NZA 2021, 792 Rz. 42; BAG v. 6.7.2011 – 4 AZR 706/09, NZA 2012, 100 Rz. 27.
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Tarifrecht
Der Umstand, dass die Vertragsparteien bei einer erkannten Vertragslücke zwischen mehreren Gestaltungsmöglichkeiten hätten wählen können, steht einer ergänzenden Vertragsauslegung nach den Feststellungen des BAG nicht entgegen. Das Instrument der ergänzenden Vertragsauslegung ziele nicht darauf ab, die Regelung nachzuschneiden, die die Parteien bei Berücksichtigung des nicht bedachten Falls tatsächlich getroffen hätten, sondern sei auf einen beiderseitigen Interessenausgleich gerichtet, der aus einer objektiv-generalisierenden Sicht dem hypothetischen Parteiwillen beider Parteien Rechnung trage. Maßgeblich sei damit bei einer Bandbreite möglicher Alternativen diejenige Gestaltungsmöglichkeit, die die Vertragsparteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise ausgewählt hätten. Dementsprechend sei eine ergänzende Vertragsauslegung im Fall des Bestehens mehrerer Auslegungsmöglichkeiten nur dann ausgeschlossen, wenn sich anhand der getroffenen Regelungen und Wertungen sowie aufgrund von Sinn und Zweck des Vertrags keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen – an den beschriebenen Maßstäben ausgerichteten – hypothetischen Parteiwillen ergeben13. In den der Entscheidungen des BAG zugrunde liegenden Fällen hat das BAG eine ergänzende Vertragsauslegung abgelehnt. Nach seiner Auffassung konnte in der Fallgestaltung, die jeweils eine Fluggesellschaft betraf, die Tarifverträge mit UFO bzw. ver.di abgeschlossen hatte, zunächst einmal nicht angenommen werden, dass die Arbeitsvertragsparteien dem jeweils sachnäheren Tarifvertrag hätten Vorrang einräumen wollen. Ebenso wenig war erkennbar, dass jeweils die Tarifverträge mit einer bestimmten Gewerkschaft oder der Gewerkschaft hätten Vorrang genießen sollen, an die im Betrieb als Konsequenz ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft die meisten Arbeitnehmer gebunden waren. Ebenso gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass der erste Tarifvertrag (Prioritätsprinzip) oder der jeweils aktuellste Tarifvertrag gelten sollte. In einem solchen Fall sind die Gerichte zu einer ergänzenden Vertragsauslegung weder in der Lage noch berechtigt14. Wenn diese Kollision von Anfang an besteht und im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht aufgelöst werden kann, ist die Klausel insgesamt unwirksam. Wenn bei Vertragsabschluss diese Tarifpluralität noch nicht gegeben ist oder durch die Tarifvertragsparteien jeweils inhaltsgleiche Tarifverträge abgeschlossen werden, ist die Klausel allerdings zunächst einmal wirksam. In diesem Fall kommt die Unwirksamkeit als Folge fehlender Bestimmtheit erst 13 BAG v. 28.4.2021 – 4 AZR 230/20, NZA 2021, 1572 Rz. 72; BGH v. 10.6.2020 – VIII ZR 360/18, NJW-RR 2020, 1106 Rz. 39. 14 BAG v. 28.4.2021 – 4 AZR 230/20, NZA 2021, 1572 Rz. 72, 74 ff.
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Arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel bei Tarifpluralität
dann zum Tragen, wenn durch die verschiedenen Gewerkschaften zum gleichen Regelungsgegenstand unterschiedliche Tarifverträge abgeschlossen werden und auf diese Weise die Bestimmtheit der Vertragsklausel (nachträglich) verloren geht. Hier nimmt das BAG indes keine Gesamtunwirksamkeit an. Vielmehr sei unter Berücksichtigung von § 139 BGB nur davon auszugehen, dass die Klausel ihre Dynamik verloren habe. Denn dem (übereinstimmenden) Willen der Vertragsparteien werde am ehesten entsprochen, wenn die Bezugnahmeklausel zumindest insoweit aufrechterhalten bleibe, als der Inhalt bestimmt sei. Andernfalls richtete sich das Arbeitsverhältnis mangels vertraglicher Vereinbarungen ersatzweise nach den gesetzlichen Bestimmungen. Dies aber entspreche nicht dem Willen der Arbeitsvertragsparteien15.
e)
AGB-Kontrolle als Arbeitnehmerschutz
Ausgehend davon, dass der Musterarbeitsvertrag durch den Arbeitgeber vorbereitet und eingebracht wird (§§ 305 Abs. 1, 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB), ist die AGB-Kontrolle als Arbeitnehmerschutzrecht zu qualifizieren. Dabei gilt allerdings eine Besonderheit. Es obliegt dem Arbeitnehmer, sich auf die Unwirksamkeit einer Klausel wegen einer Missachtung der Schranken aus §§ 305 ff. BGB zu berufen. Eine Berufung des Arbeitgebers darauf, dass eine von ihm selbst gestellte Bezugnahmeklausel unter dem Blickwinkel der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB eine für den Arbeitnehmer günstigere Tarifbestimmung ausschließen würde, scheidet – so das BAG16 im Urteil vom 28.4.2021 – bereits nach allgemeinen Grundsätzen aus. Die AGB-Kontrolle schaffe lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Klauselverwender, diene aber nicht dessen Schutz vor den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen. Hiervon ausgehend komme auch eine Berufung des Arbeitgebers auf eine Nichteinbeziehung von Tarifverträgen auf der Grundlage seiner Bezugnahmeklausel unter dem Gesichtspunkt der AGB-Kontrolle nicht in Betracht17.
f)
Fazit
Arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln haben in der betrieblichen Praxis eine ganz erhebliche Bedeutung. Es erstaunt, dass hier nach wie vor Schwierigkeiten bestehen, eine sinnvolle und transparente Regelung zu treffen. Im Zweifel sollte aus Sicht des Arbeitgebers die große dynamische Bezugnahmeklausel vereinbart werden. Sie bewirkt nicht nur, dass die zum Zeitpunkt 15 BAG v. 28.4.2021 – 4 AZR 230/20, NZA 2021, 1572 Rz. 83 ff., 87. 16 BAG v. 28.4.2021 – 4 AZR 229/20, NZA 2021, 1572 Rz. 40. 17 So bereits BAG v. 21.1.2020 – 3 AZR 225/19, NZA 2020, 1717 Rz. 60.
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Tarifrecht
des Vertragsabschlusses beim Arbeitgeber geltenden Tarifverträge zur Anwendung kommen. Sie hilft auch, etwaige Veränderungen durch den Wechsel vom Verbands- zum Firmentarifvertrag, den Austritt aus dem Arbeitgeberverband, den Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft oder den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB auf einen anderen Rechtsträger ohne Tarifbindung bzw. mit anderer Tarifbindung zu berücksichtigen. Wichtig ist allerdings, dass jedenfalls in solchen Branchen, in denen unterschiedliche Gewerkschaften auftreten, durch eine Kollisionsregel klarzustellen ist, welche Tarifverträge zur Anwendung kommen sollen, falls das Arbeitsverhältnis vom Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften zum gleichen Regelungsgegenstand erfasst wird. (Ga)
2.
Tarifautomatik oder konstitutive Bezugnahme auf bestimmte Entgeltgruppe
Häufig findet sich in Arbeitsverträgen nicht nur eine allgemeine Bezugnahme auf den im Arbeitsverhältnis im Übrigen geltenden Tarifvertrag. Die mit solchen Bezugnahmeklauseln verbundenen Fragestellungen hatten wir unter Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung bereits an anderer Stelle behandelt18. Vielmehr verweisen die Arbeitsvertragsparteien häufig auch im Zusammenhang mit Kündigungsfristen, Urlaub oder Entgelt auf die Tarifverträge, die bei Vertragsabschluss maßgeblich sein sollen. Im Entgeltbereich erfolgt insoweit typischerweise eine Bezugnahme auf die Entgeltgruppe, die für die Tätigkeit maßgeblich sein soll, die arbeitsvertraglich festgelegt wurde. Auch in dem der Entscheidung des BAG vom 2.6.202119 zugrunde liegenden Fall enthielt der Arbeitsvertrag entsprechende Klauseln. So war in § 2 unter anderem festgelegt worden, dass für das Arbeitsverhältnis der TV-L in der Fassung für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und für das Land Baden-Württemberg gelten soll. In § 4 hatten die Parteien unter der Überschrift „Eingruppierung“ unter anderem folgende Regelung getroffen: Die Einstellung erfolgt für Tätigkeiten der Entgeltgruppe 11 TV-L. (…) Der Arbeitgeber ist berechtigt, der/dem Beschäftigten aus dienstlichen Gründen eine andere Tätigkeit im Rahmen der Entgeltgruppe zuzuweisen.
Streitig war nun zwischen den Parteien, ob mit dieser Regelung eine konstitutive Bezugnahme auf die Entgeltgruppe 11 getroffen worden war oder ob 18 B. Gaul, AktuellAR 2021, 549 ff. 19 BAG v. 2.6.2021 – 4 AZR 387/20, NZA 2021, 1346.
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Tarifautomatik oder konstitutive Bezugnahme auf bestimmte Entgeltgruppe
die Regelung nur deklaratorisch wiedergeben sollte, was auf der Grundlage einer Tarifautomatik als Folge einer Eingruppierung des Klägers in dem maßgeblichen Tarifvertrag als Vergütung zu zahlen war. Hintergrund dabei war der Umstand, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum gewerkschaftlich nicht organisiert war. Der Tarifvertrag fand daher nur kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Auch unter Berücksichtigung des Günstigkeitsprinzips in § 4 Abs. 3 TVG wäre es damit zulässig gewesen, abweichend von einer Tarifautomatik zu vereinbaren, dass der Kläger für die mit ihm vereinbarte Tätigkeit eine Vergütung nach Maßgabe der Entgeltgruppe 11 erhalten sollte. Ob dies zu einer Begünstigung oder Benachteiligung gegenüber dem Ergebnis einer Tarifautomatik führen würde, wäre unerheblich, sofern mit einer entsprechenden Regelung nicht gegen allgemeine Schranken aus dem MiLoG bzw. § 138 BGB verstoßen würde. In seiner Entscheidung hat das BAG aus den vorstehenden Regelungen einen Anspruch des Klägers auf eine Anwendung der Tarifverträge im Wege einer Tarifautomatik bestätigt. Sollte er, was zu klären ist, im streitgegenständlichen Zeitraum eine Tätigkeit ausgeübt haben, die der Entgeltgruppe 12 zuzuordnen war, bestand ein Anspruch auf die entsprechende Differenzvergütung. In den Gründen seiner Entscheidung hat das BAG darauf verwiesen, dass insoweit eine Auslegung durchgeführt werden müsse. Dabei müssten die Besonderheiten der Auslegung einer AGB beachtet werden. Hiervon ausgehend sind nicht die individuellen Regelungsziele maßgeblich, wie sie nach §§ 133, 157 BGB berücksichtigt werden. Vielmehr sind AGB – so das BAG – nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Dies gilt auch für die Frage, ob der Verwender nur eine beschreibende Aussage gemacht oder eine Willenserklärung mit Rechtsbindungswillen abgegeben habe20. Erst wenn nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen und keines den klaren Vorzug verdiene, gehe dieser nicht behebbare Zweifel gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Dabei genüge die Möglichkeit, auch zu einem anderen Auslegungsergebnis zu kommen, für die Anwendung von § 305c Abs. 2 BGB allerdings nicht21.
20 BAG v. 2.6.2021 – 4 AZR 387/20, NZA 2021, 1346 Rz. 14; BAG v. 18.2.2014 – 9 AZR 821/12, NZA 2014, 1036 Rz. 20. 21 BAG v. 2.6.2021 – 4 AZR 387/20, NZA 2021, 1346 Rz. 15; BAG v. 8.12.2020 – 3 AZR 437/18, NZA 2021, 647 Rz. 26.
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Tarifrecht
Auf der Grundlage dieser Auslegungsvorgaben hatte das BAG zwar angenommen, dass der Wortlaut der arbeitsvertraglichen Regelung offen sei. Zu berücksichtigen sei aber auch, dass ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, der hier betroffen war, ohne das Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig nicht davon ausgehen könne, ihm solle allein aufgrund der Nennung einer Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag ein eigenständiger, von den tariflichen Eingruppierungsbestimmungen oder anderer in Bezug genommenen Eingruppierungsregelungen unabhängiger Anspruch auf eine Vergütung nach der jeweils genannten Entgeltgruppe zustehen. Dies folge aus der Annahme, dass der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes grundsätzlich weder eine übertarifliche noch eine untertarifliche Vergütung schulde, sondern einheitlich für alle dem tariflichen Geltungsbereich unterfallenden Beschäftigten (nur) das Gewähren wolle, was dem Arbeitnehmer tarifrechtlich zustehe22. Wenn mit einer solchen Bezugnahme auf den Tarifvertrag eine konstitutive Gehaltszusage gemacht werden solle, die unabhängig von der jeweils ausgeübten Tätigkeit zur Anwendung einer Entgeltgruppe führe, müsse dies daher gesondert zum Ausdruck gebracht werden. Dies gelte insbesondere dann, wenn vereinbart würde, dass auch die Ausübung des Direktionsrechts nur in den Grenzen der einer Entgeltgruppe zugeordneten Tätigkeiten erfolgen könne23. Dem Auslegungsergebnis ist zuzustimmen. Weitergehend wird man allerdings auch in der Privatwirtschaft davon ausgehen müssen, dass im Zweifel eine Tarifautomatik gewollt ist. Unabhängig davon sollte in der betrieblichen Praxis versucht werden, diese Tarifautomatik im Arbeitsvertrag selbst klarer zum Ausdruck zu bringen. Dies kann insbesondere dadurch erfolgen, dass im Zusammenhang mit der Festlegung einer Entgeltgruppe deutlich gemacht wird, dass dies lediglich auf der Grundlage der an anderer Stelle im Arbeitsvertrag festgelegten Bezugnahmeklausel erfolgt. Dies hilft nicht nur, die Vergütung unter fortbestehender Anwendung des gleichen Tarifvertrags anzupassen, wenn dem Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit zugewiesen wird. Bedeutung gewinnt diese Tarifautomatik im Zusammenhang mit einer großen dynamischen Bezugnahmeklausel auch dann, wenn ohne eine Veränderung der Tätigkeit im Anschluss an einen Tarifwechsel die Eingruppierung in einen neuen Firmen- oder Verbandstarifvertrag erforderlich wird. (Ga)
22 BAG v. 2.6.2021 – 4 AZR 387/20, NZA 2021, 1346 Rz. 24; BAG v. 21.2.2007 – 4 AZR 187/06, ZTR 2007, 677 Rz. 17. 23 BAG v. 2.6.2021 – 4 AZR 387/20, NZA 2021, 1346 Rz. 25.
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Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung
3.
Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung
In seinem Beschluss vom 22.6.202124 hat sich das BAG intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob Die Berufsgewerkschaft e. V. (DHV) als Arbeitnehmervereinigung qualifiziert werden kann, die die Rechte einer Gewerkschaft gemäß Art. 9 Abs. 3 GG geltend machen kann. Im Ergebnis hat das BAG dies abgelehnt und die Entscheidung des LAG Hamburg bestätigt, nach der die DHV seit dem 21.4.2015 nicht tariffähig ist. Ausgangspunkt ist dabei die Annahme, dass es den Arbeitsgerichten obliege, unter Berücksichtigung des im Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18.5.1990 und dem gemeinsamen Protokoll über Leitsätze erkennbar gewordenen Erfordernis der Mächtigkeit bzw. Durchsetzungsfähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung die notwendige Kennzeichnung vorzunehmen. Die darin liegende Rechtskontrolle sei trotz der Notwendigkeit, eine einzelfallbezogene Würdigung des Sachverhalts vorzunehmen, mit dem Grundgesetz, dem Unions- und dem Völkerrecht vereinbar25. Grundlage der ablehnenden Entscheidung in Bezug auf die Tariffähigkeit der DHV war, dass diese Tariffähigkeit nur gegeben sei, wenn die Arbeitnehmervereinigung ein Mindestmaß an Verhandlungsgewicht und damit eine gewisse Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler aufweise. Die hinreichende Durchsetzungskraft und Leistungsfähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition werde – so das BAG – regelmäßig durch die Zahl ihrer Mitglieder vermittelt. Dabei sei ihre Organisationsstärke im Verhältnis zu dem von der Vereinigung selbst gewählten räumlichen, fachlichen und ggf. persönlichen Organisationsbereich maßgebend. Schließlich könne eine Arbeitnehmerkoalition dem Zustandekommen eines angemessenen, sozialbefriedeten Interessenausgleichs nur sachgerecht nachkommen, wenn sie auf die Arbeitgeberseite zumindest so viel Druck ausüben kann, dass sie sich veranlasst sieht, sich ernsthaft auf Verhandlungen über tarifvertraglich regelbare Arbeitsbedingungen einzulassen. Wichtig ist, dass das BAG verlangt, dass die Arbeitnehmervereinigung Durchsetzungskraft und organisatorische Leistungsfähigkeit in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des beanspruchten Zuständigkeitsbereichs besitzt. Es gäbe – so das BAG – keine partielle, auf bestimmte Regionen, Berufskreise oder Branchen beschränkte Tariffähigkeit. Vielmehr sei die Tariffähigkeit 24 BAG v. 22.6.2021 – 1 ABR 28/20 n. v. (Rz. 30 ff.). 25 BAG v. 22.6.2021 – 1 ABR 28/20 n. v. (Rz. 42 ff.).
559
Tarifrecht
einer Arbeitnehmerorganisation für den beanspruchten Zuständigkeitsbereich einheitlich und unteilbar. Hiervon ausgehend könne die Durchsetzungskraft oder die organisatorische Leistungsfähigkeit nicht insgesamt versagt werden, wenn sie nur in einem (kleinen) Teilbereich fehle. Umgekehrt gelte allerdings auch, dass keine Tariffähigkeit vorliege, wenn die Arbeitnehmerkoalition nur in irgendeinem Teilbereich ihrer Tarifzuständigkeit über eine Durchsetzungskraft verfüge26. Dass die hierzu maßgeblichen Kriterien richterrechtlich entwickelt würden, ist nach Auffassung des BAG mit Art. 9 Abs. 3 GG, den Grundsätzen der Gewaltenteilung sowie Vorgaben des Unions- oder Völkerrechts vereinbar. Dem ist zuzustimmen, zumal der Gesetzgeber mit seinen grundsätzlichen Feststellungen zur Mächtigkeit bzw. Durchsetzungsfähigkeit im Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion bzw. dem gemeinsamen Protokoll über Leitsätze eine grundsätzliche Wertentscheidung getroffen hat. Grundsätzlich berücksichtigt das BAG bei der Feststellung der Durchsetzungskraft zwar auch die Anzahl der Mitglieder, derer sich die Gewerkschaft bei ihrer koalitionsmäßigen Betätigung bedienen kann. Dabei könne die soziale Mächtigkeit einer Arbeitnehmervereinigung indes nicht anhand des Verhältnisses ihrer Mitgliederzahlen zu den insgesamt in ihrem Zuständigkeitsbereich gewerkschaftlich Organisierten beurteilt werden. Denn die soziale Mächtigkeit werde nicht gegenüber den übrigen Gewerkschaften, sondern im Hinblick auf die Arbeitgeberseite verlangt. Im Übrigen hätte eine solche Sichtweise zur Folge, dass eine Arbeitnehmervereinigung auch dann als sozial mächtig anzusehen wäre, wenn sie bei einem verschwindend geringen Anteil insgesamt gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer in einem nicht unerheblichen Teil ihres Zuständigkeitsbereiches selbst (auch) nur über wenige Mitglieder verfüge. Die Annahme, auch eine nur sehr geringe Organisationsstärke eröffne einer Arbeitnehmerkoalition die Möglichkeit, empfindlichen Druck auf den sozialen Gegenspieler auszuüben, könne jedoch allenfalls dort gerechtfertigt sein, wo es sich bei den Mitgliedern um Spezialisten in Schlüsselstellungen handele, die – im Falle eines Arbeitskampfes – von Seiten der Arbeitgeber kurzfristig nicht oder nur schwerlich ersetzt werden könnten. Maßgeblich sei dabei der von der Arbeitnehmervereinigung selbst durch Satzung gewählte Organisationsbereich, nicht nur der Bereich, in dem tatsächliche Tarifverhandlungen geführt werden. Je größer dieser Zuständigkeitsbereich sei, desto höhere Anforderungen müssten von der Arbeitnehmer-
26 BAG v. 22.6.2021 – 1 ABR 28/20 n. v. (Rz. 32).
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Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung
vereinigung erfüllt werden, um jedenfalls überwiegend die für diesen Zuständigkeitsbereich gebotene Mächtigkeit aufzuweisen27. Wenn Zweifel an der hinreichenden, durch die Mitglieder vermittelte Durchsetzungsmacht einer Arbeitnehmerkoalition bestehen, kann die Durchsetzungsfähigkeit nach den Feststellungen des BAG allerdings ausnahmsweise auch durch die dauerhafte und langjährige – über mehrere Jahrzehnte in der Vergangenheit erfolgte – Teilnahme der Arbeitnehmervereinigung am Tarifgeschehen indiziert sein. Dies setze jedoch voraus, dass es sich bei den geschlossenen Tarifverträgen in nennenswerter Zahl um solche in einem von der Arbeitnehmerkoalition – jedenfalls im Wesentlichen – damals und nach wie vor beanspruchten Zuständigkeitsbereich handelt. Besitze eine Arbeitnehmervereinigung hingegen keine mitgliederbezogene Durchsetzungskraft in zumindest einem relevanten Teilbereich ihrer Zuständigkeit, könnten auch mit dem sozialen Gegenspieler geschlossene Vereinbarungen nicht belegen, dass sie über die für eine Tariffähigkeit erforderliche soziale Mächtigkeit verfügt. Dabei stellt das BAG zu Recht auf die Mitglieder ab, die sich noch im Arbeitsleben befinden. Rentner, die ihre Mitgliedschaft nicht beendet haben, spielten insoweit keine Rolle28. Die Entscheidung des BAG ist sorgfältig begründet und in der Sache zutreffend. Im Ergebnis hat die DHV den Fehler gemacht, ihre Zuständigkeit im Laufe der Jahre und Jahrzehnte auszudehnen, ohne dass sie innerhalb des ausgeweiteten Zuständigkeitsbereichs eine durch eigene Mitglieder gefestigte Durchsetzungsfähigkeit nachweisen kann. Zu Recht sieht das BAG daher den Nachweis, auf der Grundlage dieser Mächtigkeit den tarifvertraglichen Gegenspieler zu tatsächlichen Zugeständnissen zwingen zu können und damit die Interessen der Arbeitnehmerseite im Rahmen der Koalitionsfreiheit umzusetzen, als nicht geführt an. Folgerichtig können entsprechende Vereinbarungen jedenfalls seit dem 21.4.2015 nicht als Tarifvertrag qualifiziert werden, so dass mit entsprechenden Vereinbarungen auch nicht (mehr) die Anwendbarkeit von Privilegien in Bezug auf Abweichungen vom Equal-PayGrundsatz im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung gerechtfertigt werden kann. (Ga)
27 BAG v. 22.6.2021 – 1 ABR 28/20 n. v. (Rz. 50 f.). 28 BAG v. 22.6.2021 – 1 ABR 28/20 n. v. (Rz. 70 ff.).
561
Tarifrecht
4.
Anspruch der Gewerkschaft auf Durchführung eines Haustarifvertrags
Bereits in der Vergangenheit hat sich die Rechtsprechung immer wieder mit der Frage auseinandergesetzt, wie die Gewerkschaft die Durchführung eines Verbandstarifvertrags durch den Arbeitgeber durchsetzen kann. Im Mittelpunkt standen dabei nicht nur Klagen gegen den Arbeitgeberverband, der auf das jeweilige Verbandsmitglied einwirken sollte29. Weitergehend hatte das BAG anerkannt, dass die Gewerkschaft auf der Grundlage von §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 BGB i. V. m. Art. 9 Abs. 3 GG gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Unterlassung von Maßnahmen geltend machen kann, die gegen die Vorgaben eines Verbandstarifvertrages verstoßen und deshalb als rechtswidriger Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit qualifiziert werden müssen30. Mit seinem Urteil vom 13.10.202131 hat das BAG jetzt den schuldrechtlichen Anspruch einer Gewerkschaft gegen einen Arbeitgeber auf Durchführung eines zwischen ihnen geschlossenen Haustarifvertrags anerkannt. Der Durchführungsanspruch könne durch Leistungsklage geltend gemacht werden und sei auf die bei dem Arbeitgeber beschäftigten Mitglieder der Gewerkschaft begrenzt. Dabei genüge es aber, wenn dieser Begrenzung im Klageantrag durch eine abstrakte Beschränkung auf „die Mitglieder“ Rechnung getragen würde; eine namentliche Nennung sei nicht erforderlich. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall klagte eine bei dem Beklagten – einer Landesrundfunkanstalt – vertretene Gewerkschaft. Die Parteien hatten mehrere Haustarifverträge, unter anderem über die Vergütung arbeitnehmerähnlicher Personen nach sogenannten Honorarrahmen im Bereich Fernsehen und Hörfunk, geschlossen. Als der Beklagte seit Dezember 2016 bei ihm als „pauschalierte Tagesreporter“ tätige arbeitnehmerähnliche Personen nicht mehr nach speziellen sogenannten Honorarkennziffern, sondern nach Tagespauschalen vergütete, die in den Honorarrahmen unter der Überschrift „sonstige Mitarbeit“ vorgesehen waren, hielt der Kläger dies für tarifwidrig. Mit der Klage verlangt er daher die Durchführung der Tarifverträge durch Anwendung der von ihm als zutreffend angesehenen Honorarkennziffer gegenüber allen arbeitnehmerähnlichen Personen, hilfsweise gegenüber seinen Mitgliedern.
29 Vgl. BAG v. 17.11.2010 – 4 AZR 118/09, NZA-RR 2011, 365; BAG v. 29.4.1992 – 4 AZR 432/91, NZA 1992, 846. 30 Vgl. BAG v. 20.4.1999 – 1 ABR 72/98, NZA 1999, 887. 31 BAG v. 13.10.2021 – 4 AZR 403/20 n. v.
562
Durchführung eines Haustarifvertrags
Abweichend von den beiden Vorinstanzen hat das BAG einen Anspruch der Gewerkschaft auf Durchführung des Haustarifvertrags anerkannt. Denn der Beklagte habe gegen seine tarifliche Durchführungspflicht gegenüber der klagenden Gewerkschaft verstoßen. Die Vergütung der Tagesreporter habe vorrangig – wie von der Gewerkschaft geltend gemacht – nach den speziellen Honorarkennziffern zu erfolgen. Dass die Gewerkschaft ihre Mitglieder im Klageantrag nicht namentlich genannt hat, stand aus Sicht des 4. Senates BAG weder der Zulässigkeit noch der Begründetheit der Klage entgegen. Vielmehr sei es auch in Bezug auf die Zulässigkeit des auf die Gewerkschaftsmitglieder begrenzten Klageantrags nicht erforderlich, sie bereits im Erkenntnisverfahren namentlich zu benennen. Da der Anspruch auf Durchführung des Tarifvertrags allerdings auf die tarifgebundenen Beschäftigten beschränkt sei, sei die Klage insoweit unbegründet, als die Gewerkschaft auch eine Durchführung gegenüber den nicht tarifgebundenen arbeitnehmerähnlichen Personen verlangt hatte. Für die Gewerkschaft hat vor allem die letztgenannte Klarstellung des BAG grundsätzliche Bedeutung. Denn sie eröffnet die Möglichkeit, eine Verurteilung des Arbeitgebers zur Durchführung eines Firmen- oder Verbandstarifvertrags gegenüber den Gewerkschaftsmitgliedern zu erreichen, ohne dass diese namentlich in Erscheinung treten müssen. Erst wenn auf der Grundlage des Urteils Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet oder im Individualverfahren eine konkrete Umsetzung dieser Entscheidung bewirkt werden soll, müssen die Namen der Gewerkschaftsmitglieder benannt werden32. (Ga)
32 BAG v. 13.10.2021 – 4 AZR 403/20 n. v.
563
.
H. Betriebsverfassung und Mitbestimmung 1.
Einzelfragen zur praktischen Umsetzung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes
Am 18.6.20211 ist das Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz) in Kraft getreten und hat für die betriebliche Praxis wichtige Veränderungen mit sich gebracht. In Ergänzung unserer Ausführungen im Frühjahr2 sollen nachfolgend noch einmal einzelne Aspekte vertieft werden3. Dabei wird auch die Verordnung zur Änderung der Wahlordnung vom 8.10.20214 berücksichtigt. Die Frage, wie mit diversen Kandidaten einer Betriebsratswahl umzugehen ist, wird gesondert behandelt5.
a)
Veränderungen durch die neue Wahlordnung
Die Wahlordnung setzt im Wesentlichen Veränderungen um, die durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz ausgelöst wurden. Hierzu gehören beispielsweise die Neuregelungen zum Wahlalter oder die Durchführung des erleichterten Wahlverfahrens. Darüber hinaus gibt es einige Besonderheiten: Video- oder Telefonkonferenz: Nach § 1 Abs. 4 WO kann der Wahlvorstand beschließen, dass die Teilnahme an einer nicht öffentlichen Sitzung des Wahlvorstands mittels Video- oder Telefonkonferenz erfolgen kann. Das gilt nicht für Sitzungen nach §§ 14 a Abs. 1 S. 2 BetrVG, 7 Abs. 2 S. 2, 10 Abs. 1 WO. Vergleichbar mit § 30 Abs. 2 BetrVG müssen dabei ergänzende Voraussetzungen erfüllt werden. Ob eine Nichtbeachtung dieser Regelungen, soweit es nicht das Verbot für bestimmte Sitzungen betrifft, tatsächlich die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl zur Folge hat, bleibt abzuwarten6. Ob und ggf. aus welchem Anlass Video- oder Telefonkonferenzen durchgeführt werden, entscheidet der Vorsitzende des Wahlvorstands – entsprechend der Befugnisse des Betriebsratsvorsitzenden im Zusammenhang mit den Sit-
1 2 3
4 5 6
BGBl. I 2021, 1762. B. Gaul, AktuellAR 2021, 10 ff. Eingehend auch Benkert, NJW Spezial 2021, 434 ff.; Grambow, NJW 2021, 2074 ff.; Schiefer/Worzalla, NZA 2021, 817 ff.; Wandscher, AuR 2021, 446 ff.; Ettlinger, BB 2021, 2350 ff. BGBl. I 2021, 4640. B. Gaul/Dohmen, AktuellAR 2021, 580 ff. Eingehend Boemke/Haase, NZA 2021, 1513, 1514 ff., 1517 f.
565
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
zungen des Betriebsrats – nach eigenem Ermessen. Der Arbeitgeber hat keine Weisungsbefugnisse7 und folgerichtig auch keine Sanktionsmöglichkeiten8. Versand der Wahlunterlagen: Angesichts der erheblichen Zunahme der Arbeit im Homeoffice werden die Neuregelungen in §§ 3 Abs. 4, 24 Abs. 2 WO besondere Bedeutung haben. Dort wird bestimmt, dass der Wahlvorstand das Wahlausschreiben den Personen nach § 24 Abs. 2 WO postalisch oder elektronisch zu übermitteln hat; der Arbeitgeber muss dem Wahlvorstand die dafür erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen. Ergänzend hierzu bestimmt § 24 Abs. 2 WO: Wahlberechtigte, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie 1. im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere im Außendienst oder mit Telearbeit Beschäftigte und in Heimarbeit Beschäftigte, oder 2. vom Erlass des Wahlausschreibens bis zum Zeitpunkt der Wahl aus anderen Gründen, insbesondere bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder Arbeitsunfähigkeit, voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden, erhalten die in Abs. 1 bezeichneten Unterlagen, ohne dass es eines Verlangens der Wahlberechtigten bedarf. Der Arbeitgeber hat dem Wahlvorstand die dazu erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen.
Bei den Unterlagen, die vorstehend genannt werden, handelt es sich um das Wahlausschreiben, die Vorschlagslisten, den Stimmzettel und den Wahlumschlag, eine vorgedruckte von der Wählerin oder dem Wähler abzugebende Erklärung, in der gegenüber dem Wahlvorstand zu versichern ist, dass der Stimmzettel persönlich gekennzeichnet worden ist, sowie einen größeren Freiumschlag, der die Anschrift des Wahlvorstands und als Absender den Namen und die Anschrift der oder des Wahlberechtigten sowie den Vermerk „Schriftliche Stimmabgabe“ trägt. Versäumt der Wahlvorstand seine Pflicht zur unaufgeforderten Übermittlung der Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe, liegt darin ein wesentlicher Verfahrensfehler, der die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl zur Folge hat, wenn keine Berichtigung erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte (§ 19 Abs. 1 BetrVG).
7
8
Vgl. zu § 129 BetrVG LAG Berlin-Brandenburg 24.8.2020 – 12 TaBVGa 1015/20, NZA-RR 2020, 647 Rz. 28 (Gesamtbetriebsrat); ArbG Berlin v. 7.10.2020 – 7 BVGa 12816/20 n. v. (Konzernbetriebsrat). Vgl. zu § 129 BetrVG ArbG Köln v. 24.3.2021 – 18 BVGa 11/21, NZA-RR 2021, 375.
566
Einzelfragen zur praktischen Umsetzung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes
Diverse Personen: Die WO trifft wie auch das BetrVG selbst keine Regelungen zum Umgang mit Personen mit diversem Geschlecht. Wie an anderer Stelle dargelegt wird9, wird deren Besonderheiten aber wohl nicht mit einer analogen Anwendung der für die Arbeitnehmer getroffenen Regelungen Rechnung getragen werden können, die für die angemessene Vertretung von Frauen und Männern getroffen wurden. Hier ist der Gesetzgeber aufgefordert, Sonderregelungen zu schaffen.
b)
Digitalisierung durch elektronische Signatur
Grundsätzlich bedarf der Abschluss einer Betriebsvereinbarung der Schriftform. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen eigenhändig auf derselben Urkunde unterzeichnen10. Der Austausch gleich lautender Urkunden ist abweichend von § 126 Abs. 2 BGB unzureichend11. Damit genügt die Unterzeichnung der Kopie eines Betriebsratsbeschlusses durch den Arbeitgeber selbst dann nicht, wenn alle Betriebsratsmitglieder das Original unterzeichnet haben12. Textform (§ 126 b BGB) genügt ebenfalls nicht. Als Folge der gesetzlichen Neuregelung können Betriebsvereinbarungen, Interessenausgleiche, Sozialpläne sowie Sprüche der Einigungsstelle 13 allerdings zukünftig auch ohne Einhaltung der Schriftform durch qualifizierte elektronische Signaturen abgeschlossen bzw. dokumentiert werden. Dabei muss die Signatur auf demselben Dokument erfolgen. Ebenso möglich erscheint, dass eine eigenhändige Unterschrift der einen Betriebspartei mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der anderen Betriebspartei auf demselben Dokument ergänzt wird. Obwohl die Neuregelung zeitgemäß ist, bleibt abzuwarten, ob Unternehmen bzw. Einigungsstellenvorsitzende davon in der Praxis Gebrauch machen. Bislang werden vielfach nur einfache (elektronische) Signaturen genutzt, die aber allenfalls dem Textformerfordernis in § 126 b BGB Rechnung tragen.
c)
Digitales Zugangsrecht der Gewerkschaft
Grundsätzlich begründet § 2 Abs. 2 BetrVG für die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften bzw. ihren Beauftragten ein Recht zum Zugang zum Betrieb. Es besteht indes nur insoweit, als es für die im Betrieb vertretenen Gewerk9 B. Gaul/Dohmen, AktuellAR 2021, 580 ff. 10 BAG v. 23.8.2016 – 1 ABR 22/14, NZA 2017, 194; BAG v. 8.12.2015 – 1 ABR 2/14 n. v.; ArbG Kiel v. 30.3.2021 – 3 Ca 1779 e/20, NZA-RR 2021, 351. 11 Richardi/Richardi, BetrVG § 77 Rz. 39. 12 LAG Berlin v. 6.9.1991 – 2 TaBV 3/91, DB 1991, 2593. 13 Bisher abl. BAG v. 5.10.2010 – 1 ABR 31/09, NZA 2011, 420 Rz. 18.
567
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
schaften zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Befugnisse nach diesem Gesetz erforderlich ist14. Da die koalitionsspezifische Betätigung der Gewerkschaften durch das BetrVG nicht berührt wird (§ 2 Abs. 3 BetrVG), kann aber auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 3 GG ein weitergehendes Zugangsrecht der Gewerkschaft bestehen, wenn sie im Rahmen der Koalitionsfreiheit tätig wird15. Erfasst werden auch (noch) nicht tariffähige Arbeitnehmervereinigungen16. Dies gilt selbst dann, wenn die Vereinigung im Betrieb noch keine Mitglieder hat. Der Zugang erfolgt grundsätzlich durch Betreten des Betriebs. Man wird mit § 2 Abs. 2 BetrVG aber auch einen Anspruch auf Nutzung anderweitiger Kommunikationsstrukturen begründen können, sofern dies zur Wahrnehmung der gesetzl. Aufgaben und Befugnisse geeignet, erforderlich und angemessen ist. Unter Berücksichtigung allgemeiner Schranken, wie sie nachstehend dargestellt werden, kann hierzu im Einzelfall auch die Nutzung des Telefons, des Intranets oder der dienstlichen E-Mail-Accounts17 gehören. Ein allgemeines (digitales) Zugangsrecht in Form eines Anspruchs auf Verlinkung im Intranet (vgl. § 9 Abs. 3 S. 2 BPersVG) besteht derzeit noch nicht18. Insbesondere ist es der Gewerkschaft verwehrt, Mitarbeiter oder Einrichtungen des Arbeitgebers zu nutzen, um Information oder Werbung im eigenen Interesse an Dritte (z. B. Kunden) zu verteilen19. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, in § 2 BetrVG eine mit § 9 Abs. 3 S. 2 BPersVG vergleichbare Regelung einzubinden, so dass – weil beide Neuregelungen 2021 parallel geschaffen wurden – insoweit auch eine Analogie zu den Regelungen des Personalvertretungsrechts ausgeschlossen ist. Weitergehende Befugnisse könnten derzeit nur über eine freiwillige Vereinbarung zwischen Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberverband und Gewerkschaft getroffen werden20.
14 BAG v. 28.2.2006 – 1 AZR 460/04, NZA 2006, 798. 15 Vgl. BAG v. 28.2.2006 – 1 AZR 460/04, NZA 2006, 798; BAG v. 17.1.1989 – 1 AZR 805/87, DB 1989, 1528; DKW/Berg, BetrVG § 2 Rz. 85; a. A. GK-BetrVG/Franzen, § 2 Rz. 53, 96f f. 16 Eingehend Schönhöft/Klafki, NZA-RR 2012, 393. 17 BAG v. 20.4.2016 – 7 ABR 50/14, NZA 2016, 1033; abl. BAG v. 20.1.2009 – 1 AZR 515/08, NZA 2009, 615, das diese Nutzung aber mit Art. 9 Abs. 3 GG rechtfertigt. 18 Vgl. Göpfert/Stöckert, NZA 2021, 1209; Hartmann, Festschrift Preis S. 419 ff. 19 Vgl. ArbG Düsseldorf v. 23.7.2003 – 10 Ca 4080/03, NZA-RR 2003, 644; MünchArbR/Boemke, § 289 Rz. 12; abw. LAG Köln v. 3.2.1995 – 12 Sa 1073/94, NZARR 1996, 100. 20 Vgl. Heimann, AiB 10/2021, 32.
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Einzelfragen zur praktischen Umsetzung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes
d)
Virtuelle Betriebsratssitzungen
In § 30 Abs. 1 S. 5 BetrVG wird zwar klargestellt, dass Betriebsratssitzungen (grundsätzlich) in Präsenz durchgeführt werden. Gleichwohl erlaubt § 30 Abs. 2 BetrVG die Teilnahme an Betriebsratssitzungen auch über den 30.6.2021 hinaus mittels Video- und Telefonkonferenz, wenn (1) die Geschäftsordnung die Teilnahmevoraussetzungen regelt und dabei den Vorrang der Präsenzsitzung sicherstellt, (2) nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats innerhalb von einer vom Vorsitzenden gesetzten Frist widerspricht und (3) gewährleistet ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis erlangen können21. Soweit dafür neue Technik erforderlich ist, muss der Arbeitgeber die dafür anfallenden Kosten im Rahmen von § 40 Abs. 1 BetrVG übernehmen. Bedauerlicherweise sind trotz vielfacher Anregungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens Einigungsstelle und Wirtschaftsausschuss von der Möglichkeit ausgenommen worden, Sitzungen im Rahmen einer Telefon- oder Videokonferenz durchzuführen22. Das Gleiche gilt für die SE-Betriebsräte oder die besonderen Verhandlungsgremien des SEBG. Erst mit der Wahlordnung zum BetrVG ist die Möglichkeit einer Telefon- oder Videositzung für den Wahlvorstand eingeführt worden (§ 1 Abs. 4 WO)23. Bei einer Betriebsratssitzung gelten die virtuell teilnehmenden Mitglieder als anwesend24, so dass Beschlussfassungen möglich sind. Da in §§ 30, 33 BetrVG nur von der Teilnahme an Beschlussfassungen die Rede ist, wird man wohl davon ausgehen müssen, dass das Gesetz nicht erlaubt, Wahlen in einer Telefon- oder Videokonferenz durchzuführen25. Auch wenn der Wortlaut der Neuregelung unklar ist, erlaubt § 30 Abs. 2, 3 BetrVG die Teilnahme einzelner Mitglieder an einer Präsenzsitzung per Telefon oder Video ebenso wie die Durchführung der gesamten Sitzung im Wege moderner Kommunikationsmittel. Problematisch ist aber, dass dies an die Voraussetzung geknüpft ist, dass die Möglichkeit solcher Sitzungen in der Ge21 Zu virtuellen Betriebsratssitzungen Hagedorn, NZA 2021, 158; Haußmann/Dolde, NZA 2020, 1588; Jerchel, AiB 3/2021, 23; Reinartz, NZA 2021, 457, 450 ff.; Roloff/Haase, NZA 2021, 827; Wedde, AiB 9/2021, 21. 22 Zur virtuellen Einigungsstelle Rupp/Lassmann, AiB 2/2021, 32. 23 Eingehend Boemke/Haase, NZA 2021, 1513, 1514 ff. 24 Entsprechendes gilt für die Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und die Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung (§§ 73 Abs. 2, 73 b Abs. 2 BetrVG). 25 Reinartz, NZA 2021, 457, 465; ebenso zu § 129 BetrVG vgl. LAG Berlin-Brandenburg 24.8.2020 – 12 TaBVGa 1015/20, NZA-RR 2020, 647 Rz. 28 (Gesamtbetriebsrat); ArbG Berlin v. 7.10.2020 – 7 BVGa 12816/20 n. v. (Konzernbetriebsrat).
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
schäftsordnung vorgesehen werden muss. Dabei ist ein Vorrang von Präsenzsitzungen festzulegen26. Hier sind verschiedene Regelungen denkbar. So könnten Telefon- und Videositzungen bzw. die Teilnahme an solchen Sitzungen auf eilbedürftige Angelegenheiten beschränkt werden. Denkbar wäre auch, Besonderheiten teilzeitbeschäftigter Betriebsratsmitglieder oder gesundheitliche Einschränkungen zu berücksichtigen. Das würde bei überörtlichen Sitzungen die Reisezeiten vermeiden, kann zur Inklusion beitragen und käme den Interessen von Teilzeitbeschäftigten oder Arbeitnehmern im Homeoffice entgegen. Eine weitere Herausforderung wird im Rahmen der Neuregelung durch die Notwendigkeit begründet, dass der Betriebsrat durch organisatorische und technische Maßnahmen sicherstellen muss, dass Dritte vom Sitzungsinhalt keine Kenntnis erlangen. Organisatorische Maßnahmen dürften z. B. darin zu sehen sein, dass die Mitglieder gebeten werden, in geschlossenen Räumen zu telefonieren und/oder Kopfhörer zu verwenden, damit das durch die übrigen Teilnehmer gesprochene Wort nicht durch Dritte zur Kenntnis genommen wird. Bei den technischen Maßnahmen wird man allerdings nicht verlangen können, dass eine absolute Gewissheit besteht, dass die Daten der Kommunikation nicht anderweitig abgehört werden. Das dürfte heute bei keinem System denkbar sein. Richtiger erscheint, die typischen Video- oder Telefonkonferenzsysteme, die inzwischen verwendet werden, zuzulassen, wenn die allgemeinen Grundsätze des Datenschutzrechts beachtet werden. Fehlen solche Systeme, ist der Arbeitgeber gehalten, den Betriebsrat mit einem System auszustatten (§ 40 Abs. 2 BetrVG)27. Wenn die organisatorischen und technischen Maßnahmen nicht genügen, um die Nichtöffentlichkeit zu gewährleisten, führt dies aber nicht generell zur Unwirksamkeit etwaiger Beschlüsse des Betriebsrats. Vielmehr wird man eine Unwirksamkeit nur bei wesentlichen Verstößen anerkennen können28, beispielsweise, wenn Dritte im gleichen Raum arbeiten wie das Betriebsratsmitglied, das – wenn auch mit Kopfhörern – an der Sitzung per Videoschaltung tätig ist. Denn damit sind jedenfalls die Erklärungen des Betriebsratsmitglieds für Dritte zu hören, was das Betriebsratsmitglied veranlassen könnte, auf bestimmte Erklärungen zu verzichten oder diese in einer bestimmten Form bzw. mit einem bestimmten Inhalt abzugeben. Umgekehrt aber wird man z. B. eine Unwirksamkeit ablehnen müssen, wenn ein kleines Kind, das durch das im Homeoffice arbeitende Betriebsratsmitglied versorgt werden 26 Eingehend Roloff/Haase, NZA 2021, 827. 27 BR-Drucks. 271/21 S. 16. 28 Vgl. hierzu auch Roloff/Haase, NZA 2021, 827, 833; Reinartz, NZA 2021, 457, 463.
570
Einzelfragen zur praktischen Umsetzung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes
muss, im Raum schläft, während die Betriebsratssitzung per Telefon oder Videositzung erfolgt. Dass ein Verstoß gegen die Nichtöffentlichkeit nur dann relevant sein soll, wenn Einfluss auf das Abstimmungsergebnis erfolgt ist 29, erscheint hingegen zu eng, zumal dieser Einfluss kaum nachweisbar ist. Dies gilt umso mehr, als bereits die Einflussnahme auf Beratungen mittelbaren Einfluss auf das Ergebnis haben kann.
e)
Rechte des Betriebsrats beim Einsatz künstlicher Intelligenz
Digitalisierung (einschließlich des Einsatzes von künstlicher Intelligenz - KI) spielt im Arbeitsleben eine übergeordnete Rolle, die alle Branchen und Tätigkeitsbereiche umfasst30. Plant der Arbeitgeber den Einsatz von KI31, ist der Betriebsrat darüber nach § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zu unterrichten. Findet KI bei der Aufstellung von Auswahlrichtlinien Anwendung, ist der Betriebsrat nach § 95 Abs. 1, 2 BetrVG zu beteiligen. Das stellt § 95 Abs. 2 a BetrVG ausdrücklich klar. Darüber hinaus stellt § 80 Abs. 3 BetrVG klar, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich gilt, wenn der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von künstlicher Intelligenz beurteilen muss. Obwohl der Gesetzgeber mit dem Bezug auf die KI in § 80 Abs. 3 BetrVG offenbar eine Einschränkung gegenüber dem zunächst vorgesehenen Entwurf vornehmen wollte, nach dem ein Sachverständiger bei allen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erforderlich sein sollte, ist der Anwendungsbereich der gesetzlichen Neuregelung völlig unklar. Hintergrund ist die fehlende Bestimmtheit des Begriffs der KI, auf deren Konkretisierung der Gesetzgeber trotz entsprechender Forderungen der FDP im Rahmen der Beratungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales32 leider verzichtet hat. Ob die Beschränkung der Fiktion eines erforderlichen Einsatzes von Sachverständigen im Rahmen von § 80 Abs. 3 BetrVG auf den Bereich der KI wirklich eine Entlastung zur Folge hat33, ist damit außerordentlich zweifelhaft. Zum einen wird der Begriff der KI bereits heute völlig unterschiedlich definiert, was zur Folge hat, dass zum Teil auch solche Systeme erfasst werden, die ohne jede Form simulierter Intelligenz bzw. eines gewissen Maßes an 29 So Reinartz, NZA-RR 2021, 457, 463. 30 Zur Digitalisierung im Personalbereich vgl. Imping, DB 2021, 1808; Barth/Zehlike, AiB 11/2021, 35 ff. 31 Eingehend Böhm, AiB 12/2020, 26; Holthausen, RdA 2021, 19; Niklas/Hoffmann, ArbRB 2021, 283. 32 BT-Drucks. 19/29819 S. 15 f. 33 So Kania, ArbRB 2021, 241, 243.
571
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Autonomie als künstliche Intelligenz qualifiziert werden. Wir hatten über diese Diskussion mit Blick auf die verschiedenen Regelungsentwürfe zur Einführung und Anwendung von KI34 bzw. zur Haftung beim Einsatz von KI35 auf EU-Ebene berichtet36. Die Entstehungsgeschichte der Neufassung von § 80 Abs. 3 BetrVG zeigt eigentlich, dass die damit verbundene Einbindung jeder Form von Software als KI nicht gemeint war. Vielmehr dürfte damit, wie Frank/Heine37 zutreffend aufgezeigt haben, damit eine Beschränkung auf nicht-deterministische Systeme gewollt gewesen sein. Zum anderen dürfte die technische Entwicklung dazu führen, dass es künftig kaum noch Informations- und Kommunikationstechnologien gibt, deren Anwendung nicht mit der Nutzung von KI verbunden ist. In jedem Fall wird sich die Praxis auf einen vielfältigen Einsatz der Sachverständigen einstellen müssen. Dies gilt umso mehr, als damit interner Sachverstand in diesen Fragen keinen Vorrang mehr genießt38. Dabei sind allerdings einige Parameter zu beachten: Zum einen geht der Gesetzgeber davon aus, dass ein entsprechender Sachverständiger im Bereich der IT mit einem Tagessatz von 833 € (inkl. MwSt.) eingesetzt werden kann39. Das dürfte niedriger als ein Teil der Stundensätze liegen, die durch entsprechende IT-Sachverständige geltend gemacht werden. Zum anderen befreit die gesetzliche Neuregelung den Betriebsrat nicht davon, über den Einsatz des Sachverständigen eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu treffen40. Das unterscheidet § 80 Abs. 3 BetrVG von § 111 S. 2 BetrVG. Damit müssen sich die Betriebsparteien über den Umfang und die Kosten des Sachverständigen einigen. Dabei sollten auch die im Streit stehenden Fragen und der damit jeweils verbundene Zeitaufwand konkretisiert werden. Sonst ist eine Kostenkontrolle ausgeschlossen. Sollte der Betriebsrat hiervon abweichend eine Beauftragung vornehmen, die nach Umfang und Kosten nicht erforderlich war, tragen die insoweit tätigen Mitglieder des Betriebsrats das Risiko, diese Kosten selbst tragen zu müssen. Denn dann kann eine Erstattung auch nicht über § 40 BetrVG durchgesetzt werden. Die entsprechende Sichtweise des BGH in seinem Urteil vom
34 35 36 37 38 39 40
Vgl. COM(2021) 206 final. Vgl. P9_TA(2020)0276. B. Gaul, AktuellAR 2021, 383 ff. Frank/Heine, NZA 2021, 1448, 1451. Kania, ArbRB 2021, 241, 243. BR-Drucks. 271/21 S. 13. BR-Drucks. 271/21 S. 10.
572
Einzelfragen zur praktischen Umsetzung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes
25.10.201241 hat das BAG in seinem Urteil vom 18.11.202042 noch einmal bestätigt. Auf die entsprechende Entscheidung hatten wir an anderer Stelle verwiesen43.
f)
Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers auch in Bezug auf die Betriebsratstätigkeit
In § 79 a BetrVG wird nicht nur klargestellt, dass der Betriebsrat die Vorschriften über den Datenschutz einhalten muss, wenn er personenbezogene Daten verarbeitet. Das ist eine Verpflichtung, die sich schon in der Vergangenheit aus § 75 Abs. 2 BetrVG ableiten ließ. Das BAG hatte daraus sogar die Berechtigung des Arbeitgebers abgeleitet, auf eine Weiterleitung personenbezogener Daten zu verzichten, obwohl darauf materiell-rechtlich eigentlich ein Anspruch besteht, wenn der Betriebsrat die ordnungsgemäße Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben nicht gewährleisten kann44. Ganz erhebliche Bedeutung hat der Umstand, dass mit der gesetzlichen Neuregelung klargestellt wird, dass der Arbeitgeber verantwortlich im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften ist, soweit der Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben personenbezogene Daten verarbeitet. Entgegen der zum Teil vertretenen Auffassung45 erscheint es unionsrechtlich zulässig, dass der deutsche Gesetzgeber mit dieser Regelung in § 79 a BetrVG eine Regelung zur Kennzeichnung der verantwortlichen Stelle getroffen hat46. Sie ist für den Betriebs- und den Gesamtbetriebsrat auch in dieser Form ausreichend; beim Konzernbetriebsrat wird man im Wege einer ergänzenden Auslegung von § 79 a BetrVG eine Zuordnung zur Konzernobergesellschaft als verantwortlichen Stelle vornehmen müssen47. Grundlage für die BGH v. 25.10.2012 – III ZR 266/11, NZA 2012, 1382 Rz. 33. BAG v. 18.11.2020 – 7 ABR 37/19, NZA 2021, 657 Rz. 26. B. Gaul, AktuellAR 2021, 276 ff. BAG v. 9.4.2019 – 1 ABR 51/17, NZA 2019, 1055 Rz. 47. Vgl. Maschmann, NZA 2021, 834, 836. Ebenso Lembke, Festschrift Schmidt S. 277, 288 ff., 293; Reinartz, NZA 2021, 457, 466 f.; offen Grimm/Vitt, ArbRB 2021, 279, 280; abw. Franzen, Festschrift Schmidt S. 101 f.; der entgegen der gesetzlichen Regelung auch eine gemeinsame Verantwortlichkeit i. S. d. Art. 26 DSGVO für möglich hält. 47 Vgl. Brink/Joos, NZA 2021, 1440, 1444 m. w. N., die beim Konzernbetriebsrat eine eigene Verantwortlichkeit annehmen. Betriebsverfassungsrechtlich lässt sich dies aus den Gründen, die für eine übergreifende Verantwortlichkeit des Arbeitgebers in Bezug auf den Betriebsrat sprechen, indes nicht rechtfertigen. Denn auch der Konzernbetriebsrat leitet seine Befugnisse nur aus gesetzlichen Vorgaben ab. 41 42 43 44 45 46
573
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Klarstellung in Bezug auf die verantwortliche Stelle ist Art. 4 Nr. 7 Halbs. 2 DSGVO48. Danach ist die verantwortliche Stelle grundsätzlich die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Sind die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung aber durch das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben, wie dies bei dem Betriebsrat durch die Zuweisung seiner gesetzlichen Aufgaben insbesondere im BetrVG erfolgt ist, kann der Verantwortliche bzw. können die bestimmten Kriterien seiner Benennung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Betriebsrat bei der Wahrnehmung seiner gesetzlich vorgegebenen Beteiligungsrechte einen Spielraum hat, innerhalb dessen er bestimmt, welche Schwerpunkte und Ziele er dabei verfolgt. Ausgehend davon, dass der Betriebsrat personenbezogene Daten nur zu den Zwecken verarbeiten darf, die ihm durch das Gesetz oder eine Kollektivvereinbarung zugewiesen worden sind, bleibt die übergreifende Verantwortung des Arbeitgebers bestehen. Schlussendlich entspricht die Kennzeichnung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit insoweit auch den erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten im Beschäftigungskontext, wie sie den Mitgliedstaaten durch Art. 88 DSGVO eingeräumt wurden. Die gegenteilige Sichtweise, die das BAG noch in seiner früheren Rechtsprechung vor Inkrafttreten des DSGVO49 vertreten hatte, hat sich als Folge der jetzt durch das Datenschutzrecht gewährleisteten Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten erledigt50. Die Ansicht, die in der Zuständigkeit des Datenschutzbeauftragten und entsprechenden Kontrollbefugnissen einen Eingriff in den vertraulichen Meinungsbildungsprozess sieht51, missachtet nicht nur diese gesetzliche Veränderung. Sie will dem Betriebsrat übergesetzliche Freiheiten einräumen und übersieht außerdem, dass eine Vielzahl personenbezogener Daten im Betriebsrat ohne jeden Bezug zur Meinungsbildung verarbeitet werden (z. B. Daten zu bEM-Verfahren; Sozialdaten bei einer Betriebsänderung; Informationen einer Betriebsratsanhörung bei Kündigung). Es gibt keinen Grund, hier die Befugnisse des Datenschutzbeauftragten und/oder Mitwirkungspflichten gegenüber dem Arbeitgeber einzuschränken.
48 So schlussendlich auch Franzen, Festschrift Schmidt S. 101, 107 ff. 49 Vgl. BAG v. 18.7.2012 – 7 ABR 23/11, NZA 2013, 49 Rz. 25; BAG v. 11.11.1997 – 1 ABR 21/97, NZA 1998, 385, 386. 50 Ebenso Brink/Joos, NZA 2021, 1440, 1442, 1443. 51 So Rüdesheim/Middel, AiB 9/2021, 30.
574
Einzelfragen zur praktischen Umsetzung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes
Dennoch hat § 79 a BetrVG zu Recht erhebliche Kritik ausgelöst52. Die Regelung lehnt zwar richtigerweise eine eigene datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Betriebsrats ab53, schafft aber eine abgestufte Verantwortlichkeit, die dem Datenschutzrecht an sich fremd ist. Denn auch der Betriebsrat bleibt jedenfalls aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht verpflichtet, die Daten nur in den Grenzen des Datenschutzrechts zu verarbeiten. Missachtet er diese Verpflichtung aus §§ 75 Abs. 2, 79 a BetrVG, kommt grundsätzlich auch ein Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG in Betracht54. Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers, die eine gesetzeskonforme Verhaltensweise des Betriebsrats sicherstellen sollen, lässt das BAG jedenfalls seit seinem Beschluss vom 17.3.201055 nicht mehr zu. Zwingend erscheint diese Sichtweise allerdings nicht. Ob der Betriebsrat auch Adressat einer Anordnung der Aufsichtsbehörde sein kann, wenn er selbst nicht verantwortliche Stelle ist, erscheint zweifelhaft56. Problematisch an der Umsetzung der gesetzgeberischen Entscheidung ist der Umstand, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat keine Weisungsbefugnis hat. Die Betriebsparteien sind lediglich zur wechselseitigen Unterstützung verpflichtet. Insofern regelt das Gesetz nicht, wie der Arbeitgeber unter Einbeziehung der durch den Betriebsrat verarbeiteten Daten die ihm als verantwortliche Stelle obliegenden Pflichten (z. B. Auskunft nach Art. 15 DSGVO, Verarbeitungsverzeichnis nach Art. 30 DSGVO, Löschung personenbezogener Daten nach Art. 17 DSGVO) erfüllen und zugleich das ihn als verantwortliche Stelle treffende Risiko von Schadensersatz und Bußgeldern (Art. 81 f. DSGVO) reduzieren kann57. Dass die Aufgaben des Datenschutzbeauftragten ohne Einschränkung auch gegenüber dem Betriebsrat als Teil der verantwortlichen Stelle bestehen58, genügt nicht.
52 Keitel/Busch, BB 2021, 564, 567 f.; Möhle, ZD-Aktuell 2021, 05067; DAV-Stellungnahme S. 17 ff. 53 Ebenso B. Gaul, AktuellAR 2020, 233 ff.; Bonanni/Niklas, ArbRB 2018, 371; Brahms/Möhle, ZD 2018, 570; Lücke, NZA 2019, 658; Stück, ZD 2019, 256; a. A. Kleinebrink, DB 2018, 2566; Maschmann, NZA 2020, 1207; ders., Festschrift Schmidt S. 353 ff., 359 f., 366 ff.; Möllenkamp, NZA-RR 2019, 196. 54 Vgl. ArbG Iserlohn v. 14.1.2020 – 2 BV 5/19 n. v. (wegen der Besonderheiten des Restmandats aus § 21 b BetrVG aufgehoben durch LAG Hamm v. 18.6.2021 – 13 TaBV 12/20 n. v.); Lembke, Festschrift Schmidt S. 277, 288 ff., 293 f. 55 BAG 17.3.2010 – 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 Rz. 26. 56 Abw. Franzen, Festschrift Schmidt S. 101, 113, der insoweit aber § 79 a BetrVG noch nicht beachten konnte. 57 Vgl. BT-Drucks. 19/28899 S. 22. 58 BR-Drucks. 271/21 S. 19.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Sinnvoll dürfte sein, die Umsetzung der wechselseitigen Pflichten unter Einbeziehung des Datenschutzbeauftragten durch Betriebsvereinbarung zu konkretisieren. Erzwingbar ist eine solche Betriebsvereinbarung indes nicht. Scheitert sie oder dauert der Abschluss zu lange, sollte der Arbeitgeber nicht nur den Datenschutzbeauftragten bitten, die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben durch den Betriebsrat zu überwachen. Vielmehr sollte der Betriebsrat durch den Arbeitgeber selbst proaktiv um Auskunft über alle Angaben gebeten werden, die für das Verarbeitungsverzeichnis nach § 30 DSGVO und eine Auskunft nach §§ 12 ff. DSGVO erforderlich sind. Grundlage hierfür sind §§ 2 Abs. 1, 75 Abs. 2 BetrVG i. V. m. § 242 BGB. Unabhängig davon, ob es sich um einen Ausschluss der Verursachung59 oder eine Beseitigung des Verschuldensvorwurfs60 geht, kann nur ein konkretes Hinwirken des Arbeitgebers auf die Einhaltung des Datenschutzes auch im Betriebsrat die Möglichkeit einer Exkulpation nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO schaffen. Andernfalls läge nämlich pflichtwidriges Unterlassen vor, das neben dem Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO auch zu einem Bußgeld nach Art. 83 DSGVO führen kann. Der Umstand, dass keine Weisungsbefugnis besteht, berechtigt den Arbeitgeber nicht, auf jede Form der Hinwirkung zu verzichten61. Zu den auskunftspflichtigen Angaben gehören insbesondere Informationen über die Art der gespeicherten personenbezogenen Daten, die Zwecke, für die die personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen, sowie die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung, die Regelungen über den Zugriff der Betriebsratsmitglieder in Bezug auf diese Daten, ggf. die Empfänger oder Kategorien von Empfängern der personenbezogenen Daten (Beispiel: Konzernbetriebsrat oder Gewerkschaft im Rahmen der gesetzlichen Beteiligungsrechte), die Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer, sowie Hinweise über ein Löschkonzept des Betriebsrats in Bezug auf diese Daten. Soweit besondere personenbezogene Daten in Rede stehen, sollte auch um Auskunft über Maßnahmen nach § 22 Abs. 2 BDSG gebeten werden. Sollte der Betriebsrat zum Schutz dieser Daten technische Hilfsmittel benötigen, wie sie das BAG in seinem Vorlagebeschluss vom 26.8.202162 für notwendig
59 So offenbar BAG v. 26.8.2021 - 8 AZR 253/20 (A) n. v. 60 So Grimm/Vitt, ArbRB 2021, 279, 282. 61 Vgl. Grimm/Vitt, ArbRB 2021, 279, 282, die zwar zu Recht eine Aufsichtspflicht des Arbeitgebers ablehnen, dabei aber die verbleibende Hinwirkungs- und Mitwirkungspflicht nicht ausreichend berücksichtigen. 62 BAG v. 26.8.2021 - 8 AZR 253/20 (A) n. v. (Rz. 25 ff.).
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Einzelfragen zur praktischen Umsetzung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes
hält, muss der Arbeitgeber die hierfür erforderlichen Kosten nach § 40 Abs. 2 BetrVG tragen63. Da der Arbeitgeber die Verantwortung innehat und seinerseits gegenüber Arbeitnehmern und Aufsichtsbehörde zur Auskunft bzw. Rechenschaft verpflichtet ist, muss der Betriebsrat diese Auskunft auch leisten, solange – was in der Regel nicht der Fall ist – damit kein Eingriff in vertrauliche Informationen in Bezug auf die konkrete Wahrnehmung von Beteiligungsrechten und damit eine Einschränkung der Betriebsratstätigkeit verbunden ist. Dabei liegt es nahe, den Maßstab des § 79 a S. 4 BetrVG anzulegen. Daten, hinsichtlich derer der Datenschutzbeauftragte eine besondere Verschwiegenheitspflicht hat, weil sie dem Meinungsbildungsprozess des Betriebsrats erkennbar machen, müssen dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt werden.
g)
Mitbestimmung bei mobiler Arbeit
Trotz erheblicher Bedenken, die auch in der Sachverständigenanhörung erkennbar wurden, ist mit § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit eingeführt worden, wenn diese mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird64. Der damit verbundene Versuch, den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsrechts dadurch einzuschränken, dass nur solche (mobile) Arbeit erfasst wird, die ein Arbeitnehmer unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnik außerhalb der Betriebsstätte von einem oder mehreren Ort(en) seiner Wahl oder von einem oder mehreren mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort(en) erbringt65, ist völlig ungeeignet, die erforderliche Klarstellung herbeizuführen. Damit will der Gesetzgeber beispielsweise Fahrer, Außendienstmitarbeiter oder Monteure ausgrenzen. Er übersieht aber, dass auch diese Arbeitnehmer schon seit vielen Jahren ebenfalls mittels Informationsund Kommunikationstechnologie tätig sind. Ohne Ferndiagnose und Auswertung mittels entsprechender Technologie können Fehler vielfach nicht erkannt und auch nicht behoben werden. Dies schließt vielfach einen Datentransfer zur Fehleranalyse und die Vorbereitung von Entscheidungen zu notwendigen Reparaturmaßnahmen ein66. Nach dem Willen des Gesetzgebers erfasst das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG zwar nicht die Frage der Einführung mobiler Arbeit,
63 64 65 66
BT-Drucks. 19/28899 S. 22. Eingehend Oberthür, ArbRB 2021, 276 ff.; Schulze, AiB 7-8/2021, 56 ff. BR-Drucks. 271/21 S. 20. Das übersieht Reinartz, NZA 2021, 457, 468.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
über die der Arbeitgeber nach wie vor frei entscheiden kann. Das „Ob“ soll einer Mitbestimmung entzogen sein. Doch schon die Frage, ob dazu auch der zeitliche Umfang gehört, also ob die mobile Arbeit nur einen Tag (so beispielsweise die Vorstellung des Arbeitgebers) oder mehrere Tage bzw. X % der wöchentlichen Arbeitszeit (so beispielsweise die Vorstellung des Betriebsrats) ausmachen darf, ist umstritten. Unter Bezug auf entsprechende Feststellungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens67 bezieht ein Teil der Literatur die Frage des Umfangs in den Anwendungsbereich von § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ein. Demgegenüber vertritt ein anderer Teil berechtigterweise die These, dass der Umfang schlussendlich auch eine Frage des „Ob“ ist, über die der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei entscheiden kann68. Das Gleiche wird man in Bezug auf den Personenkreis annehmen müssen, hinsichtlich dessen der Arbeitgeber mobile Arbeit zulassen will69. Dennoch aber bleibt offen, was im Übrigen zur „Ausgestaltung“ der mobilen Arbeit gehört. Im Zweifel wird man jedenfalls dem Wortlaut nach mit allen Fragen rechnen müssen, die im Zusammenhang mit der mobilen Arbeit auftreten können und erfasst den Inhalt der Arbeit, die Verteilung auf die einzelnen Wochentage, den Beginn und das Ende der (täglichen) mobilen Arbeit, ihre Häufigkeit, den Arbeitsort, die Ausstattung des Arbeitsplatzes, den Umgang mit Arbeitsmittel oder Fragen des Arbeitsschutzes70. Denkbar ist auch, dass zur Ausgestaltung der mobilen Arbeit nicht nur Regelungen über die eingesetzte Technik gehören, sondern auch Fragen des Datenschutzes bzw. von Maßnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Diese Fragestellungen haben gerade bei mobiler Arbeit an besonderer Relevanz gewonnen71. Diese Form der Kennzeichnung von § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG lässt allerdings völlig unberücksichtigt, dass es bereits eine Vielzahl von Mitbestimmungsrechten gibt, die bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit zu beachten sind (unter anderem §§ 80 Abs. 1, 87, 89, 99 BetrVG)72. Auch wenn § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG einen Auffangtatbestand bilden soll, bei dem bereits bestehende Mitbestimmungsrechte unberührt bleiben73, kann dies zu keiner grenzenlosen Mitbestimmung des Betriebsrats führen, die insbesondere die 67 BT-Drucks. 19/28899 S. 23. 68 So wohl Bayreuther, NZA 2021, 839, 840; a. A. ErfK/Kania, BetrVG § 87 Rz. 137. 69 Ebenso Möllenkamp, DB 2021, 1198, 1202; a. A. wohl Müller, ArbRAktuell 2021, 408, 409; offen Bayreuther, NZA 2021, 839, 840. 70 Vgl. Bayreuther, NZA 2021, 839, 840; Müller, ArbRAktuell 2021, 437. 71 Hierzu vgl. Suwelack, ARP 2021, 230. 72 Vgl. auch LAG Köln v. 14.8.2020 – 9 TaBV 11/20 n. v. (Rz. 31); zurückhaltender LAG Hessen v. 18.6.2020 – 5 TaBVGa 74/20, NZA 2021, 291 Rz. 10 ff. 73 BR-Drucks. 271/21 S. 20.
578
Das diverse Geschlecht bei den Betriebsratswahlen
bisherige Unterscheidung zwischen § 99 BetrVG auf der einen Seite und § 87 BetrVG auf der anderen Seite beseitigt. Schließlich würde mit dem vorstehenden Verständnis von § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG hingenommen, dass damit auch ein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Ausübung des Direktionsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf den Inhalt der Arbeit eingeräumt wird. Schlussendlich könnte, wenn keine Einigung erzielt wird, durch Spruch der Einigungsstelle über eine Verteilung der Aufgaben entschieden werden. Dann aber wäre § 99 BetrVG überflüssig. Es bleibt zu hoffen, dass die Arbeitsgerichtsbarkeit den Streit möglichst schnell und klar löst. Denn die Drohung des Arbeitgebers, auf mobile Arbeit in Gänze zu verzichten, ist weder in Zeiten der Pandemie noch im Anschluss daran überhaupt denkbar. Alle Unternehmen werden auch in Zukunft in großem Umfang mobile Arbeit zulassen und daher eine Einigung mit den Arbeitnehmervertretern suchen müssen.
h)
Fazit
Das Gesetz enthält zum Teil gute Ansätze, hält aber nicht, was es verspricht. Im Gegenteil: Insbesondere bei der digitalen Betriebsratssitzung, bei der Zuordnung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit, der Mitbestimmung bei mobiler Arbeit sowie dem Sonderkündigungsschutz von Vorfeldinitiatoren bestehen eine Vielzahl von Unklarheiten, die schon durch den Gesetzgeber hätten beseitigt werden müssen. Jetzt obliegt es den Gerichten, die erforderlichen Klarstellungen vorzunehmen. Bis dahin müssen die Betriebsparteien versuchen, im Rahmen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit Lösungen zu finden, die eine Entscheidung über solche streitigen Fragen entbehrlich macht. (Ga)
2.
Das diverse Geschlecht bei den Betriebsratswahlen
a)
Einleitung
Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, die sich selbst nicht als „männlich“ oder „weiblich“ einordnen lassen wollen oder die keinem dieser beiden Geschlechter eindeutig zugeordnet werden können, sind seit dem 22.12.2018 berechtigt, in ihren Personenstandseinträgen die Geschlechtsangabe offen zu lassen oder „divers“ anzugeben. Dies betrifft nicht nur Eintragungen in das Geburtsregister nach § 22 Abs. 3 PStG, sondern auch spätere Anpassungen nach § 45 b PStG. Anlass für die entsprechenden Anpassungen
579
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
des PStG war der Beschluss des BVerfG vom 10.10.201774, mit dem klargestellt wurde, dass auch die geschlechtliche Identität derer, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, vom Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie vom Schutz des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG umfasst ist und deshalb eigenständig im Personenstandsrecht zu berücksichtigen sind. Inzwischen hat der BGH allerdings auch Personen, die körperlich eindeutig einem der binären Geschlechter zugeordnet werden können, aber sich nach ihrer selbstempfundenen Geschlechtsidentität weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, die Möglichkeit eröffnet, sich als divers zu bezeichnen75. Da auch im Zusammenhang mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz und der Neufassung der Wahlordnung zum BetrVG keine Veränderungen in Bezug auf die Behandlung von Personen mit „diversem Geschlecht“ im Rahmen der Betriebsverfassung erfolgt sind, soll nachfolgend aufgezeigt werden, wie das diverse Geschlecht bei den Betriebsratswahlen zu behandeln ist.
b)
Aktuelle Rechtslage
Grundsätzlich verlangt der verfassungsrechtliche Schutz von Personen mit diversem Geschlecht nicht, dass der generelle Wortlaut des Gesetzes angepasst wird. Hiervon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, als das PStG angepasst worden ist. Sowohl bei einer Verwendung des generischen Maskulinums als auch bei einer Nennung des männlichen und weiblichen Geschlechts sei erkennbar, dass auch Menschen, die nicht einem der beiden Geschlechter zugeordnet würden, umfasst seien76. Verwende der Gesetzgeber den Ausdruck „Geschlecht“, würden hiervon daher auch Personen mit der Geschlechtsbezeichnung „divers“ erfasst77. Das entspricht den Feststellungen des BVerfG, das seinen Überlegungen in der Entscheidung vom 10.10.201778 ein übergreifendes Verständnis des Begriffs „Geschlecht“ zugrunde gelegt hatte. Von Bedeutung ist bei der notwendigen Diskussion aber vor allem § 15 Abs. 2 BetrVG, der die Zusammensetzung des Betriebsrats nach Beschäftigungsarten und Geschlechtern regelt. Verstöße können die Anfechtbarkeit der Wahl
74 75 76 77 78
BVerfG v. 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16, NJW 2017, 3643. BGH v. 22.4.2020 – XII ZB 383/19, NJW 2020, 1955 (allerdings auf Basis des TSG). BT-Drucks. 19/4669 S. 8. So auch Franzen, Festschrift 100 Jahre Betriebsverfassungsrecht S. 135. BVerfG v. 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16, NJW 2017, 3643 Rz. 59.
580
Das diverse Geschlecht bei den Betriebsratswahlen
zur Folge haben79. Eine entsprechende Regelung enthält § 62 Abs. 3 BetrVG für die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Nach § 15 Abs. 2 BetrVG muss das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn dieser aus mindestens drei Mitgliedern besteht. Die Anzahl der Mindestsitze für das Minderheitengeschlecht wird vom Wahlvorstand nach den Grundsätzen der Verhältniswahl im d‘Hondtschen Höchstzahlensystem berechnet80. Entsprechende Regelungen finden sich in §§ 5, 15 Abs. 5 WO BetrVG, die die Bestimmung der Mindestsitze für das Geschlecht in der Minderheit und die Verteilung der Betriebsratssitze auf die Vorschlagslisten betreffen. Bedeutsam für die Auslegung und Anwendung von §§ 15 Abs. 2, 62 Abs. 3 BetrVG ist der Umstand, dass die Regelungen nicht als Soll-Vorschrift ausgestaltet wurden, sondern zwingender Natur sind81. Dabei kann unterstellt werden, dass der Gesetzgeber nur von zwei Geschlechtsformen ausging, als die Regelungen zum Schutz von Minderheiten bei den Betriebsratswahlen geschaffen wurden82. Unterstellt man, dass bei den bevorstehenden Betriebsratswahlen eine Person mit diversem Geschlecht als Kandidat antritt, stellt sich die Frage, ob und ggf. in welcher Weise § 15 Abs. 2 BetrVG darauf zur Anwendung kommt. Muss eine besondere Sitzverteilung erfolgen, wenn die verhältnismäßige Verteilung nach Maßgabe des Wahlergebnisses zur Folge hätte, dass der Kandidat mit diversem Geschlecht als das Minderheitengeschlecht keinen Betriebsratssitz erhalten würde? Ist es dann erforderlich und/oder geboten, § 15 Abs. 2 BetrVG bei der Verteilung der Betriebsratssitze jedenfalls insoweit unberücksichtigt zu lassen?83 Eine einheitliche Antwort auf diese Fragen ist in der Literatur nicht zu finden; Rechtsprechung hierzu liegt nicht vor. Folgt man allein einer am Wortlaut ausgerichteten Auslegung, sind §§ 15 Abs. 2 BetrVG, 15 Abs. 5, 22 Abs. 1 WO BetrVG uneingeschränkt auch in Bezug auf Kandidaten mit diversem Geschlecht anwendbar. Dafür spricht bereits der Umstand, dass das Gesetz ebenso wie die WO BetrVG nur von
BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 67/11, NZA-RR 2013, 575 Rz. 12. ErfK/Koch, BetrVG § 15 Rz. 3. Franzen, Festschrift 100 Jahre Betriebsverfassungsrecht S. 133 ff. Franzen, Festschrift 100 Jahre Betriebsverfassungsrecht S. 135; GK-BetrVG/Jacobs, BetrVG § 15 Rz. 17. 83 Franzen, Festschrift 100 Jahre Betriebsverfassungsrecht S. 135 f. 79 80 81 82
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
„Geschlecht“ spricht, was nicht nur Frauen und Männer erfasse. Daran ist auch durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz oder die aktuelle Änderung der WO BetrVG nichts geändert worden. Hiervon ausgehend wäre das diverse Geschlecht seiner Anwendung zugrunde zu legen, wenn (1) es einen Kandidaten mit entsprechender Zuordnung gäbe und (2) das diverse Geschlecht in der Belegschaft – wovon im Zweifel auszugehen ist – auch in der Minderheit ist84. Gegen diese Auffassung wird zunächst einmal geltend gemacht, dass der Gesetzgeber bei seinen Regelungen in §§ 15 Abs. 2 BetrVG, 15, 22 WO BetrVG nur ein binäres Verständnis der denkbaren Geschlechter im Auge gehabt habe. Das folge aus § 5 Abs. 1, 2 WO BetrVG, der im Zusammenhang mit einer Berechnung der Mindestsitze für das in der Minderheit befindliche Geschlecht ausdrücklich nur von Männern und Frauen spreche85. Hinzu komme, dass das ursprüngliche Ziel des Gesetzgebers, mit den vorgenannten Regelungen den Frauenanteil in den Betriebsräten zu erhöhen und zu fördern, möglicherweise nicht mehr erreicht würde86. Denn Frauen, die sich zwar gegenüber Männern in der Minderheit befinden, gleichzeitig aber die Anzahl an Personen mit diversem Geschlecht überwiegen, könnten sich selbst nicht mehr auf §§ 15 Abs. 2 BetrVG, 15 Abs. 5, 22 Abs. 2 WO BetrVG berufen. Die Anzahl der Sitze, die weiblichen Kandidaten zuerkannt würden, bestimmte sich allein nach den allgemeinen Vorschriften ohne Rücksicht auf Regelungen zum Schutz einer Minderheit. Vielmehr könnte der Kandidat mit diversem Geschlecht verlangen, dass männliche und weibliche Kandidaten gleichermaßen auf den Sitz verzichten, damit das diverse Geschlecht als Minderheit im Betriebsrat vertreten wäre. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Anzahl der Stimmen, die für den Kandidaten mit diversem Geschlecht abgegeben worden sind, unter Berücksichtigung des d'Hondtschen Höchstzahlverfahrens zu einem Sitz führt. Von dieser Sichtweise ausgehend wird zum Teil geltend gemacht, dass § 15 Abs. 2 BetrVG nur auf das männliche und weibliche Geschlecht anwendbar sei87. Eine Quotenregelung zu Gunsten von Arbeitnehmern mit offenem oder diversem Geschlechtseintrag sei unzulässig88. Dafür spreche auch der Umstand, dass § 15 Abs. 2 BetrVG eine Begünstigung des Minderheitenge84 Franzen, Festschrift 100 Jahre Betriebsverfassungsrecht S. 140; Verhoek/Weuthen, ArbR 2018, 65, 68. 85 So Dutta/Fornasier, Jenseits von männlich und weiblich, S. 72. 86 Franzen, Festschrift 100 Jahre Betriebsverfassungsrecht S. 138. 87 ErfK/Koch, BetrVG § 15 Rz. 2; Dutta/Fornasier, NZA 2021, 605, 612; ErfK/Schmidt, GG Art. 3 Rz. 94. 88 Dutta/Fornasier, Jenseits von männlich und weiblich, S. 87.
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Das diverse Geschlecht bei den Betriebsratswahlen
schlechts anstrebe und damit Art. 3 Abs. 2 GG zuzuordnen sei, welcher positive Diskriminierungsmaßnahmen nur im Verhältnis zwischen Männern und Frauen zulasse89. Welcher Auffassung die Rechtsprechung folgen wird, wenn sie sich mit dieser Frage in einem Wahlanfechtungsverfahren befassen wird, ist offen, auch wenn es naheliegt, dass die Vorschriften zunächst einmal ihrem Wortlaut nach zur Anwendung kommen werden, bis der Gesetzgeber – falls er das Ergebnis für falsch hält – ergänzende Regelungen trifft90. In diesem Fall müsste allerdings auch die Problematik gelöst werden, zu welchem Zeitpunkt, auf welche Weise und gegenüber wem das diverse Geschlecht offenbart und ggf. auch durch personenstandsrechtliche Eintragungen belegt werden soll. Problematisch daran ist, dass auch das Fehlen eines Eintrags nicht indiziert, dass kein männliches oder weibliches Geschlecht gegeben ist91. Eine unionsrechtliche Frage dürfte in dem hier in Rede stehenden Streit über die Einbeziehung von Kandidaten mit diversem Geschlecht nicht zu sehen sein. Denn die fehlende Anwendbarkeit der zum Schutz des Minderheitsgeschlechts getroffenen Regelungen stellt nur einen Wegfall von Regelungen zu einer positiven Begünstigung dar, die in Art. 23 Abs. 2 GRC nur zugunsten von Frauen und Männern für zulässig, aber nicht als verpflichtend bestimmt worden sind. Auch in § 5 AGG sind – insoweit aber geschlechtsbezogen neutral – Regelungen zur positiven Diskriminierung nur als Option, nicht aber als Pflicht vorgesehen. Daran ändert sich auch durch die staatliche Pflicht, auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken (Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG), nichts. Unzulässig erscheint allerdings, §§ 15 Abs. 2 BetrVG, 15 Abs. 5, 22 Abs. 2 WO BetrVG einfach unberücksichtigt zu lassen, falls es durch eine Einbeziehung von Kandidaten jeden Geschlechts zur Folge hätte, dass sich Frauen, die sich jedenfalls im Verhältnis zu den Männern im Betrieb in der Minderheit befinden, als Folge einer Förderung von Kandidaten mit diversem Geschlecht im gleichen Betrieb nicht mehr auf die erleichterte Durchsetzung im Rahmen von Betriebsratswahlen berufen können. Das Gleiche würde für die Idee gelten, § 15 Abs. 2 BetrVG auf beide Geschlechter anzuwenden, die sich im Betrieb in der Minderheit befinden. Denn für solche Eingriffe in das „normale“ Wahlergebnis zugunsten der beiden Geschlechter, die sich in der Minderheit 89 Dutta/Fornasier, NZA 2021, 605, 612. 90 Vgl. zu einem möglichen Klarstellungsvorschlag für den Gesetzgeber Franzen, Festschrift 100 Jahre Betriebsverfassungsrecht S. 142. 91 Vgl. hierzu Eckert, DStR 2019, 1695, 1695 f.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
befinden, fehlt eine gesetzliche Grundlage. Sie ist in dieser Form nicht im Gesetz angelegt und müsste durch den Gesetzgeber hergestellt werden, indem eine Anpassung in § 15 Abs. 2 BetrVG bzw. der Wahlordnung erfolgte.
c)
Ausblick
Leider hat der Gesetzgeber nicht reagiert, als im Anschluss an die Feststellungen des BVerfG Klarheit hinsichtlich des Umgangs mit geschlechtsbezogenen Wahlvorschriften innerhalb des BetrVG und der WO gefordert wurde92. Dass dies jetzt doch noch vor der Betriebsratswahl 2022 erfolgt, erscheint ausgeschlossen, sollte aber damit nur aufgeschoben sein. Es ist wichtig, die Frage eines geschlechtsbezogenen Minderheitsschutzes zu klären. Das betrifft das „Ob“ ebenso wie das „Wie“, will man vermeiden, dass die Ungewissheit in Bezug auf die Voraussetzungen einer Berücksichtigung diverser Geschlechter zur Anfechtung von Betriebsratswahlen führt. Schließlich ist zu erwarten, dass bei den bevorstehenden Wahlen erst einmal unterstellt wird, dass die Vorschriften nur auf das weibliche und das männliche Geschlecht anwendbar sind93. Dies aber wird einem Teil der Belegschaft, mag er auch eine noch kleinere Minderheit sein, nicht gerecht. (Ga/Do)
3.
Anforderungen an die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl
Im Jahre 2022 finden wieder die regelmäßigen Betriebsratswahlen statt. Vielerorts hat die Vorbereitung bereits begonnen. Größere Betriebe mit zahlreichen Wahlvorschlägen und verschiedenen Listen sowie dezentral beschäftigte Arbeitnehmer, denen Wahlunterlagen zugeschickt werden müssen, können dabei einen nicht unerheblichen Arbeitsaufwand auslösen. Dabei ist es für den Wahlvorstand wichtig, alle Regelungen – einschließlich der neuen Wahlordnung94 – zu berücksichtigen, damit eine Anfechtbarkeit bzw. Nichtigkeit vermieden wird. Die Unterscheidung zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit einer Betriebsratswahl hat erhebliche praktische Bedeutung. Dies folgt vor allem daraus, dass eine (nur) anfechtbare Betriebsratswahl den Betriebsrat in die Lage versetzt, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine Wahlanfechtung alle Beteiligungsrechte wahrzunehmen. Dazu gehört auch der Abschluss von Betriebsvereinbarungen oder die Mitwirkung einzelner Mitglieder im Wirt92 Verhoek/Weuthen, ArbR 2018, 65, 68. 93 Eckert, DStR 2019, 1695, 1696. 94 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 565 ff.
584
Anforderungen an die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl
schaftsausschuss, Gesamt- oder Konzernbetriebsrat. Auch wenn durch eine erfolgreiche Anfechtung der Betriebsratswahl dokumentiert wird, dass Vorgaben der Rechtsordnung missachtet wurden, wird das Ergebnis der Betriebsratswahl also vorläufig hingenommen. Daran anknüpfend lehnt die Rechtsprechung auch den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der eine Betriebsratswahl gestoppt werden soll, ab, wenn die geltend gemachten Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben nur eine Anfechtbarkeit, nicht aber zugleich auch die Nichtigkeit der Betriebsratswahl erkennbar machen95. Umgekehrt aber wiegt die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl wiederum so schwer, dass sie auch außerhalb der Zwei-Wochen-Frist für die Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl geltend gemacht werden kann. In seinem Beschluss vom 30.6.202196 hat das BAG noch einmal deutlich gemacht, dass die Hürde für die Feststellung der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl hoch ist. Von der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl sei – so das BAG – nur in ganz besonderen Ausnahmefällen auszugehen. Voraussetzung dafür sei ein so eklatanter Verstoß gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestehe. Wegen der weitreichenden Folgen einer von Anfang an unwirksame Betriebsratswahl könne die jeder Zeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders gravierenden und krassen Wahlverstößen angenommen werden. Es müsse sich also um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften handeln, damit der Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl versagt werden könne. Die Betriebsratswahl müsse – so das BAG – „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“97. Von diesen Vorgaben ausgehend hat die Rechtsprechung für die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl in der Vergangenheit beispielsweise dann angenommen, weil entgegen § 2 WO keine Wählerliste aufgestellt und kein Wahlausschreiben erlassen wurde98. In dem der Entscheidung des BAG vom 30.6.202199 zugrunde liegenden Fall hat das BAG allerdings die Nichtigkeit der Betriebsratswahl abgelehnt. Der Umstand, dass in der Wählerliste vier Arbeitnehmer als wahlberechtigt aufgeführt waren, deren Arbeitsverhältnis bereits vor der Wahl geendet hatte, habe keinen so schweren Verstoß gegen die Wahlvorschriften dargestellt. Das 95 BAG v. 27.7.2011 – 7 ABR 61/10, NZA 2012, 345 Rz. 29. 96 BAG v. 30.6.2021 – 7 ABR 24/20, NZA 2021, 1561 Rz. 27 ff. 97 So bereits BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 70/11, NZA 2013, 738 Rz. 15; BAG v. 21.9.2011 – 7 ABR 54/10, NZA-RR 2012, 186 Rz. 26. 98 Vgl. BAG v. 30.6.2021 – 7 ABR 24/20, NZA 2021, 1561 Rz. 33; BAG v. 27.4.1976 – 1 AZR 482/75, NJW 1976, 2229, 2230. 99 BAG v. 30.6.2021 – 7 ABR 24/20, NZA 2021, 1561 Rz. 32 ff.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Gleiche gelte für den Umstand, dass sich eine Person auf der Wählerliste befand, die als Arbeitnehmer eines Dienstleisters auf dem Betriebsgelände des Arbeitgebers tätig war. Nicht ausreichend sei auch der Umstand, dass einzelne Arbeitnehmer, die zum Betrieb gehörten, in die Wählerliste nicht aufgenommen worden waren. Diese Umstände hätten zwar eine Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl zur Folge, nicht aber ihre Nichtigkeit. In der Begründung dieser Bewertung hat das BAG nicht nur darauf verwiesen, dass es sich bei einem Teil der Fehler, die bei Aufstellung der Wählerliste gemacht wurden, um Verstöße gegen Soll- nicht Muss-Angaben handelte. Darüber hinaus hat es darauf verwiesen, dass § 4 WO eine Einspruchsmöglichkeit in Bezug auf die Richtigkeit der Wählerliste vorsehe. Dabei handele es sich um eine Ausschlussfrist. Damit aber habe der Verordnungsgeber nicht nur zum Ausdruck gebracht, dass einzelne Unrichtigkeiten der Wählerliste nicht so erheblich seien, dass sie nicht auch noch nach einer Veröffentlichung der Liste durch einen Beschluss des Wahlvorstands korrigiert werden könnten. Durch die Ausgestaltung als Ausschlussfrist habe der Verordnungsgeber zudem zum Ausdruck gebracht, dass die Durchführung der Wahl auch auf der Grundlage einer unrichtigen Wählerliste in Kauf genommen werde. Falls die Wahl nicht innerhalb der Frist des § 19 BetrVG angefochten werde, sei sie deshalb als wirksam anzusehen. Weitergehend setze die wirksame Anfechtung seit dem 18.6.2021 sogar voraus, dass zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt worden sei. Da die Anfechtung durch den Arbeitgeber gemäß § 19 Abs. 3 S. 3 BetrVG seit dem 18.6.2021 sogar ausgeschlossen sei, soweit sie darauf gestützt werde, dass die Wählerliste unrichtig sei und diese Unrichtigkeit auf seinen eigenen Angaben beruhe, könne nicht angenommen werden, dass eine fehlerhafte Wählerliste überhaupt geeignet sei, die Nichtigkeit der Wahl zu begründen100. Dieser sehr restriktiven Anerkennung der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist auch mit Blick auf die Rechtsunsicherheit, die der Vorwurf der Nichtigkeit für die Zusammenarbeit der Betriebsparteien begründet, zuzustimmen. Deutlich wird dies auch an dem Begriff der Offenkundigkeit des Wahlfehlers. Denn auch hier lässt es das BAG nicht ausreichen, dass die Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Betriebsratswahl für den Wahlvorstand selbst ohne weiteres erkennbar war. Aus Sicht des BAG ist für die Beurteilung der Offenkundigkeit eines Verstoßes gegen wesentliche Wahlvorschriften hiervon abweichend der Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten
100
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BAG v. 30.6.2021 – 7 ABR 24/20, NZA 2021, 1561 Rz. 34.
Interessenkonflikt bei einer Betriebsratsmitgliedschaft des Datenschutzbeauftragten
Dritten maßgeblich. Dieser kennt die Einzelheiten der internen Entscheidungswege und/oder Informationsquellen des Wahlvorstands nicht101. (Ga)
4.
Interessenkonflikt bei einer Betriebsratsmitgliedschaft des Datenschutzbeauftragten
Nach § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG ist die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten nur in entsprechender Anwendung des § 626 BGB zulässig, so dass dafür ein wichtiger Grund vorliegen muss. Demgegenüber sieht Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO vor, dass der Datenschutzbeauftragte von dem Verantwortlichen wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden darf. Damit sehen die Bestimmungen des BDSG für eine Abberufung des Datenschutzbeauftragten strengere Voraussetzungen vor, als sie nach der DSGVO gefordert werden. Im Hinblick auf diese Ausgangssituation sind die Meinungen darüber geteilt, ob § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG als materiell-arbeitsrechtliche Regelung einzuordnen ist, für die nach Art. 153 AEUV keine Gesetzgebungskompetenz der Union besteht102, oder die Vorschrift bei funktionaler Betrachtung nicht vom Arbeitsrecht, sondern vom Datenschutzrecht geprägt ist103. Die Gesetzesbegründung104 zur Neufassung des BDSG betont den arbeitsrechtlichen Charakter der Regelung, die entsprechend der bis zum 24.5.2018 geltenden nationalen Rechtslage beibehalten werden könne. Da die DSGVO unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt (Art. 99 Abs. 2 DSGVO i. V. m. Art. 288 Abs. 2 AEUV) und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs105 aufgrund des Vorrangs des unmittelbar geltenden Unionsrechts eine nationale Regelung nicht weiter angewandt werden darf, hat der 9. Senat des BAG mit entsprechenden Beschlüssen106 den EuGH gemäß Art. 267 AEUV um die Beantwortung der Frage ersucht, ob Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO dahin auszulegen ist, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts, wie hier § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG, entgegensteht, die die Abberufung des Datenschutzbeauftragten durch den Verantwortlichen, der sein Arbeitgeber
101 BAG v. 30.6.2021 – 7 ABR 24/20, NZA 2021, 1561 Rz. 36; BAG v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03, NZA 2004, 395, 397. 102 Vgl. dazu die Nachweise bei BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 6 21/19, NZA 2021, 1492 Rz. 15. 103 Vgl. dazu die Nachweise bei BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 6 21/19, NZA 2021, 1492 Rz. 16. 104 BT-Drucks. 18/11325 S. 82. 105 EuGH v. 4.2.2016 – C-336/14, NVwZ 2016, 369 Rz. 52 f. 106 BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 383/19 (A), NZA 2021, 1183; BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 621/19 (A), NZA 2021, 1492.
587
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
ist, an die dort genannten Voraussetzungen knüpft, unabhängig davon, ob sie wegen der Erfüllung seiner Aufgaben erfolgt. Bejahendenfalls möchte der 9. Senat des BAG wissen, ob Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage, insbesondere soweit die Bestimmung Datenschutzbeauftragte erfasst, die in einem Arbeitsverhältnis zum Verantwortlichen stehen, beruht. In dem einen Fall107 ging es um die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten mit der Begründung, seine Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter kollidiere mit seiner beruflichen Tätigkeit, weil er Anwendungsberater einer Dienstleisterin für Kommunen Finanzdaten von Bürgern zu verarbeiten habe und dadurch in einen Interessenkonflikt geriete. In dem anderen Fall108 ging es um den Vorsitzenden des bei der Beklagten gebildeten und teilweise freigestellten Vorsitzenden des Betriebsrats, der gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats ist, und von der Beklagten sowie weiteren in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaften jeweils gesondert zum Datenschutzbeauftragten bestellt worden war. Auf Veranlassung des zuständigen Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit widerriefen die Beklagte und die weiteren Gesellschaften jeweils mit getrennten Schreiben die Bestellung des Klägers zum Datenschutzbeauftragten mit sofortiger Wirkung. Nach Inkrafttreten der DSGVO widerriefen die Beklagte und die weiteren Gesellschaften mit getrennten Schreiben vom 25.5.2018 ein weiteres Mal die Bestellung des Klägers zum Datenschutzbeauftragten vorsorglich auch gemäß Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO unter Hinweis auf betriebsbedingte Gründe. Mit seiner Klage hat der Kläger den unveränderten Fortbestand seiner Rechtsstellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter geltend gemacht. Die Beklagte hat sich damit verteidigt, es drohten im Hinblick darauf, dass der Kläger zugleich Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender sei, Interessenkonflikte, sodass ein wichtiger Grund zur Abberufung vorliege. In diesem Verfahren hat der 9. Senat des BAG für den Fall, dass Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO der Regelung des § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG nicht entgegensteht, den EuGH um die Beantwortung der Frage gebeten, ob ein Interessenkonflikt i. S. v. Art. 38 Abs. 6 S. 2 DSGVO vorliegt, wenn der Datenschutzbeauftragte zugleich das Amt des Vorsitzenden des in der verantwortlichen Stelle gebildeten Betriebsrats innehat, des Weiteren, ob es für die Annahme eines solchen Interessenkonflikts einer besonderen Aufgabenzuweisung innerhalb des Betriebsrats bedarf. 107 BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 621/19 (A), NZA 2021, 1492. 108 BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 383/19 (A), NZA 2021, 1183.
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Interessenkonflikt bei einer Betriebsratsmitgliedschaft des Datenschutzbeauftragten
Insofern sieht Art. 38 Abs. 6 S. 1, 2 DSGVO vor, dass der Datenschutzbeauftragte andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen kann, der Verantwortliche aber sicherzustellen hat, dass derartige Aufgaben und Pflichten nicht zu einem Interessenkonflikt führen109. Da diese Regelung nicht näher konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen von einem Interessenkonflikt auszugehen ist, und auch sonst keine allgemeingültige Auffassung zu diesem Thema besteht, war die Vorlage an den Gerichtshof erforderlich. Das BAG neigt allerdings dazu, dass ein Interessenkonflikt nur dann zu bejahen wäre, wenn dem als Betriebsratsmitglied fungierenden Datenschutzbeauftragten eine Funktion im Betriebsrat übertragen wäre, etwa Zuständigkeit für die EDV des Betriebsrats, bei der er sich selbst kontrollieren müsste. Durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 14.6.2021110, das am 18.6.2021 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber das Verhältnis von Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen der Verarbeitung personenbezogener Daten in § 79 a BetrVG näher ausgestaltet und nicht nur festgeschrieben, dass der Betriebsrat bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten hat, sondern auch, dass der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne des Datenschutzrechts bleibt. In diesem Zusammenhang sieht der Gesetzgeber vor, dass Arbeitgeber und Betriebsrat sich gegenseitig bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften unterstützen. Außerdem ist der Datenschutzbeauftragte gegenüber dem Arbeitgeber zur Verschwiegenheit verpflichtet über Informationen, die Rückschlüsse auf den Meinungsbildungsprozess des Betriebsrats zulassen. Ungeachtet dieser gesetzlichen Regelung bleibt es bei der innerorganisatorischen Selbstständigkeit und Weisungsfreiheit des Betriebsrats bei der Datenverarbeitung. Da der Arbeitgeber Verantwortlicher in Relation zur Datenverarbeitung des Betriebsrats bleibt, ist damit der Datenschutzbeauftragte gegenüber dem Betriebsrat Teil der verantwortlichen Stelle. Durch diese Änderung des Gesetzes spricht vieles dafür, eine Kompatibilität zwischen Betriebsratsamt und Datenschutzbeauftragten zu verneinen. Da das BAG bedauerlicherweise diese Gesetzesentwicklung bei der Vorlage an den EuGH noch nicht berücksichtigen konnte, dürfen die Parteien des Ausgangsrechtsstreit nach der Verfahrensordnung dies nachholen. (Boe)
109 Vgl. zu den gegensätzlichen Meinungen im Schrifttum BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 383/19 (A), NZA 2021, 1183 Rz. 47. 110 BGBl. I. 2021, 1762.
589
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
5.
Das Beweismaß bei der Geltendmachung von Vergütungsansprüchen aus § 78 S. 2 BetrVG
a)
Einleitung
Bereits mehrfach haben wir uns mit der Vergütung von Arbeitnehmervertretern befasst111, insbesondere dem Zeitpunkt der Bildung der Vergleichsgruppe i. S. d. § 37 Abs. 4 BetrVG112, der leistungsbezogenen Vergütung113 oder der (Fort-)Gewährung eines Dienstwagens zur Privatnutzung114. Anfang dieses Jahres schuf das BAG in seiner Entscheidung vom 20.1.2021115 nun in der Frage des geforderten Beweismaßes bei der Durchsetzung von Vergütungsansprüchen auf Grundlage des § 78 S. 2 BetrVG Klarheit.
b)
Grad der Wahrscheinlichkeit – Darlegungs- und Beweislast
Betriebsratsmitglieder können einen Vergütungsanspruch neben § 37 Abs. 4 BetrVG auch unmittelbar auf § 611 a Abs. 2 BGB i. V. m. dem in § 78 S. 2 BetrVG verankerten Verbot der unzulässigen Benachteiligung stützen. Die Regelung des § 78 S. 2 BetrVG steht dabei als selbstständige Anspruchsgrundlage neben § 37 Abs. 4 BetrVG116. Voraussetzung ist, dass der Amtsträger ohne Ausübung seines Amts oder ohne die Freistellung durch Beförderungen einen beruflichen Aufstieg genommen hätte, der einen Anspruch auf die begehrte Vergütung rechtfertigt. Dabei obliegt dem Amtsträger grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast117. Dies entspricht der allgemeinen Verteilung der prozessualen Darlegungs- und Beweislast, wonach jede Partei die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnormen trägt (Rosenberg‘sche Formel). Zur Begründung seines Anspruchs aus § 611 a Abs. 2 BGB i. V. m. § 78 S. 2 BetrVG kann der Amtsträger (1) vortragen, dass seine Bewerbung auf eine bestimmte Stelle gerade wegen seiner Freistellung und/oder seiner Betriebsratstätigkeit erfolglos geblieben ist oder – im Fall einer unterbliebenen Be111 B. Gaul, AktuellAR 2021, 241 ff., 2020, 239 ff., 620 ff.; 2019, 554 f., 2018, 155 ff., 449 ff., 2017, 554, 2016, 239 ff., 576 ff. 112 B. Gaul/Pitzer, AktuellAR 2020, 239 ff. 113 B. Gaul/Pitzer, AktuellAR 2021, 241 ff. 114 B. Gaul/Pitzer, AktuellAR 2020, 620 ff. 115 BAG v. 20.1.2021 – 7 AZR 52/20, NZA 2021, 864 Rz. 29 ff. 116 BAG v. 22.1.2020 – 7 AZR 222/19, NZA 2020, 594 Rz. 29; BAG v. 4.11.2015 -– 7 AZR 972/13, NZA 2016, 1339 Rz. 30. 117 BAG v. 22.1.2020 – 7 AZR 222/19, NZA 2020, 594 Rz. 31, 37 ff.; BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 972/13, NZA 2016, 1339 Rz. 24.
590
Das Beweismaß bei der Geltendmachung von Vergütungsansprüchen
werbung – (2), dass er die Bewerbung gerade wegen seiner Freistellung unterlassen hat, eine Bewerbung ohne die Freistellung allerdings erfolgreich gewesen wäre118. Uneinigkeit bestand indes über die Frage des anzuwendenden Beweismaßes, d. h. welcher Grad an Überzeugung des Gerichts erforderlich ist, damit der hypothetische Erfolg einer Bewerbung des Amtsträgers als bewiesen gilt. Ausdrücklich festgehalten hatte das BAG in seiner Entscheidung vom 11.12.1991119 bereits, dass die „bloße Möglichkeit bzw. konkrete Chance“ einer solchen beruflichen Entwicklung nicht ausreiche. Legt man die allgemeinen Grundsätze des Prozessrechts an, fordert das in § 286 ZPO geregelte Regelbeweismaß den sog. Vollbeweis, d. h. der Beweis ist erst bei voller richterlicher Überzeugung erbracht120. Nicht erforderlich ist eine absolute Gewissheit oder eine "an Sicherheit grenzende" Wahrscheinlichkeit. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen121. Der Vollbeweis ist nach Auffassung des LAG Schleswig-Holstein indes nicht erforderlich. Vielmehr soll es ausreichen, wenn der Amtsträger darlegt und beweist, dass die angestrebte Karriere „unter Zugrundelegung der objektiven Tatsachen und unter Berücksichtigung der Lebenswahrscheinlichkeit … möglich und wahrscheinlich“ sei122. Damit bewegt sich das LAG Schleswig-Holstein auf einer Linie mit einer in der Literatur vertretenen Auffassung, nach der „die Beförderung … im Bereich des Möglichen“123 bzw. überwiegend wahrscheinlich sein muss124. Die Auffassung des LAG Schleswig-Holstein hat das BAG in der Revisionsinstanz nunmehr allerdings abgelehnt125. Begehrt der Amtsträger eine Vergütungsanpassung auf Grundlage des § 78 S. 2 BetrVG muss er den Vollbeweis i. S. d. § 286 ZPO erbringen, d.h. er muss darlegen und notfalls beweisen, dass er die behauptete berufliche Entwicklung tatsächlich genommen hätte. Hierzu kann er auch Hilfstatsachen vortragen; im Ergebnis muss das Tatsachengericht aber aufgrund des Vortrags des Amtsträgers zu der Überzeugung
118 BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 972/13, NZA 2016, 1339 Rz. 31. 119 BAG v. 11.12.1991 – 7 AZR 75/91, NZA 1993, 909. 120 BAG v. 21.1.2021 – 8 AZR 488/19, NZA 2021, 1011 Rz. 31; BAG v. 25.10.2018 – 8 AZR 501/14, NZA 2019, 455 Rz. 104. 121 Vgl. nur BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, NZA 2018, 1405 Rz. 24 m. w. N. 122 LAG Schleswig-Holstein v. 26.11.2019 – 2 Sa 103/19, NZA-RR 2020, 146 Rz. 50. 123 Steinau-Steinrück/Kuntzsch, NJW Spezial 2017, 754, 755. 124 Thüsing/Denzer, BB 2020, 1460, 1462. 125 BAG v. 20.1.2021 – 7 AZR 52/20, NZA 2021, 864 Rz. 28.
591
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
gelangen, dass dem Amtsträger die höherwertige Tätigkeit tatsächlich übertragen worden wäre. Dabei übersieht das Gericht nicht, dass es für den Amtsträger im Einzelfall schwierig sein kann, die erforderlichen Tatsachen darzulegen, zumal die Beweggründe für eine Beförderungsentscheidung innere Tatsachen in der Sphäre des Arbeitgebers sind. Dem müsse aber auf andere Art begegnet werden als über eine Herabsetzung des Beweismaßes. Vielmehr gelte deshalb in Rechtsstreitigkeiten über eine unzulässige Benachteiligung wegen einer vorenthaltenen Beförderung eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Es sei daher ausreichend, wenn der Amtsträger darlegt, dass er die Qualifikationsanforderungen der höher dotierten Stelle erfüllt und – trotz fehlender genauer Kenntnis ohne Verstoß gegen seine prozessuale Wahrheitspflicht aus § 138 Abs. 1 ZPO die Behauptung aufstellt, er sei gerade wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht für die Stelle ausgewählt worden. Zu dieser Behauptung muss sich der Arbeitgeber dann wahrheitsgemäß erklären. Bestreitet er diese nicht ausdrücklich, gilt sie nach Maßgabe des § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Eine Erklärung mit Nichtwissen ist, nachdem dem Arbeitgeber seine eigenen Motive bekannt sind, nicht zulässig (§ 138 Abs. 4 ZPO). Ein Erfahrungssatz, nach dem die Nichtberücksichtigung eines Betriebsratsmitglieds bei einer Beförderung auf dessen Betriebsratstätigkeit beruht, existiert nicht126. Daher ist weder Raum für eine entsprechende tatsächliche Vermutung noch für die Grundsätze des Anscheinsbeweises. Auch die Beweislastregel des § 22 AGG, in deren Rahmen die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Kausalität aufgrund Indizienbeweises ausreichend ist127, findet in Bezug auf § 78 S. 2 BetrVG weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung128. Diese deutlichen und detaillierten Ausführungen des BAG zum Beweismaß im Rahmen des § 78 S. 2 BetrVG sind in ihrer Klarheit zu begrüßen, aber keineswegs neu. Schon in seiner Entscheidung vom 25.6.2014 129 hatte das BAG zum Beweismaß im Rahmen des § 78 S. 2 BetrVG Stellung genommen.
126 BAG v. 20.1.2021 – 7 AZR 52/20, NZA 2021, 864 Rz. 29; LAG Rheinland-Pfalz v. 6.7.2016 – 7 Sa 566/15 n. v. Rz. 54. 127 BAG v. 26.1.2017 – 8 AZR 736/15, NZA 2017, 854 Rz. 27 m. w. N. 128 BAG v. 20.1.2021 – 7 AZR 52/20, NZA 2021, 864, Rz. 29; BAG v. 25.6.2014 – 7 AZR 847/12, NZA 2014, 1209 Rz. 37; Annuß, NZA 2020, 20, 21; MünchArbR/Krois § 295 Rz. 174; a. A. DKKW/Buschmann, BetrVG § 78 Rz. 37 (Anscheinsbeweis); LK/Klumpp, BetrVG § 78 Rz. 13 a. E. (tatsächliche Vermutung). 129 BAG v. 25.6.2014 – 7 AZR 847/12, NZA 2014, 1209 Rz. 40; hierzu Boewer, AktuellAR 2014, 340 ff.
592
Kein Beseitigungsanspruch des Betriebsrats
In dem zu entscheidenden Sachverhalt hatte ein befristet beschäftigter Amtsträger vorgetragen, sein Arbeitsverhältnis sei nur aufgrund seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied nicht verlängert bzw. entfristet worden. In den Entscheidungsgründen führt der Senat zum Beweismaß im Rahmen des § 78 S. 2 BetrVG unter Bezugnahme auf § 286 Abs. 1 ZPO aus, dass es Sache des Tatsachengerichts sei, sich unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme eine Überzeugung darüber zu bilden, ob der Arbeitgeber den Abschluss eines Folgevertrags mit dem befristet beschäftigten Betriebsratsmitglied gerade wegen dessen Betriebsratstätigkeit abgelehnt hat. Dabei dürfe das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob die Behauptung wahr und bewiesen sei. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Die Entscheidung des BAG vom 20.1.2021130 bestätigt diese Rechtsprechung zum Beweismaß im Rahmen des § 78 S. 2 BetrVG in Zusammenhang mit Fragen der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern noch einmal ausdrücklich. (Pi/Ah)
6.
Kein Beseitigungsanspruch des Betriebsrats bei Missachtung von Mitbestimmungsrechten
Der Betriebsrat hat verschiedene Möglichkeiten, einen etwaigen Anspruch auf Unterlassung betriebsverfassungswidrigen Verhaltens beim Arbeitsgericht durchzusetzen. Dabei geht es zunächst einmal um § 23 Abs. 3 BetrVG. Danach kann der Betriebsrat bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Verstößt der Arbeitgeber mit seinem Verhalten gegen Regelungen einer Betriebsvereinbarung, kann ein Unterlassungsanspruch auch auf den Durchführungsanspruch aus § 77 Abs. 1 BetrVG gestützt werden. Unabhängig davon hat die Rechtsprechung bereits vor vielen Jahren anerkannt, dass dort, wo der Arbeitgeber Maßnahmen nur mit Zustimmung des Betriebsrats oder einen durch diese Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle vornehmen darf, ein allgemeiner Unterlassungsanspruch besteht, der künftiges betriebsverfassungswidriges Verhalten verhindern soll131.
130 BAG v. 20.1.2021 – 7 AZR 52/20, NZA 2021, 864 Rz. 29. 131 Vgl. BAG v. 3.5.1994 – 1 ABR 24/93, NZA 1995, 40, 42 f.
593
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
In seinem Beschluss vom 23.3.2021132 hat das BAG deutlich gemacht, dass der Betriebsrat wegen einer Verletzung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 BetrVG zwar verlangen kann, dass die unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts eingetretene Lage beendet wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der mitbestimmungswidrige Zustand zum Zeitpunkt der Geltendmachung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs noch fortbesteht. Ebenso wie der allgemeine Unterlassungsanspruch reiche der entsprechende Beseitigungsanspruch aber nicht weiter als der Inhalt des zu sichernden Mitbestimmungsrechts. Daher erstrecke er sich nur auf die Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands selbst, nicht aber auf die Beseitigung der sich aus der Verletzung des Mitbestimmungsrechts ergebenden Folgen. In dem zugrunde liegenden Fall stritten Arbeitgeber und Betriebsrat über die Rechtmäßigkeit und die Folgen interner Untersuchungen, die der Arbeitgeber zur Klärung strafrechtlich relevanter Vorwürfe unter anderem gegen einen ihrer damaligen Geschäftsführer eingeleitet hatte. Im Rahmen der Untersuchung überprüfte der Arbeitgeber die E-Mail-Postfächer des Geschäftsführers, verschiedener leitender Angestellter und weiterer Arbeitnehmer, sicherte E-Mails – um deren Löschung zu verhindern – und leitete sie zum Zwecke der Auswertung an eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und eine Rechtsanwaltskanzlei weiter. Diese unterstützten den Arbeitgeber bei den Ermittlungen. Zur Begründung verwies der Arbeitgeber auf eine Rahmenbetriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung von informations- und kommunikationstechnischen Systemen, nach der Leistungs- und Verhaltenskontrolle i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zwar an sich nicht zulässig waren. Ergänzend hierzu war aber unter anderem vereinbart worden, dass das BDSG für Kontrollmaßnahmen zur Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, insbesondere § 32 BDSG, in seiner jeweils gültigen Fassung gelten sollte. Auf der Grundlage dieser Rahmenbetriebsvereinbarungen hatte der Betriebsrat der Nutzung des für die E-Mail-Kommunikation verwendeten Programms Outlook zugestimmt. Der Betriebsrat war jetzt aber der Auffassung, dass die Untersuchungsmaßnahmen eine gesonderte Zustimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erforderlich gemacht hätten. Diese Zustimmung habe er nicht erteilt. Unter Verweis auf dieses Mitbestimmungsrecht forderte er daher vom Arbeitgeber die Namen der betroffenen Arbeitnehmer sowie den Grund für die Überprüfung ihrer E-Mails. Außerdem sollten die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die Rechtsanwaltskanzlei verpflichtet werden, diese Daten zu löschen. Eine weitergehende Untersuchung des elektronischen Schriftverkehrs sollte nur dann 132 BAG v. 23.3.2021 – 1 ABR 31/19, NZ 2021, 959 Rz. 84 ff.
594
Kein Beseitigungsanspruch des Betriebsrats
durchgeführt werden, wenn darüber eine Einigung oder diese Einigung ersetzender Spruch der Einigungsstelle vorliege. Nach Auffassung des BAG waren der Auskunfts-, Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gleichermaßen unbegründet. Den Auskunftsanspruch hat das BAG zunächst einmal unter Bezugnahme auf § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG abgelehnt. Denn die Namen der von der Untersuchung betroffenen Arbeitnehmer und die Gründe ihrer Einbeziehung seien unerheblich für die Frage, ob für die Kontrolle und Auswertung des E-MailVerkehrs noch eine Zustimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erforderlich sei. Diese Frage könne auch ohne Kenntnis der davon betroffenen Arbeitnehmer entschieden werden. Mit einer entsprechenden Begründung hat das BAG auch abgelehnt, den Auskunftsanspruch auf eine Regelung der Betriebsvereinbarung zu stützen. Nach dieser Regelung waren dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die für die Überwachung der Einhaltung dieser Betriebsvereinbarung erforderlichen Informationen und Unterlagen vorzulegen. Denn auch für eine Überwachung der Einhaltung der Betriebsvereinbarung sei es nicht erforderlich zu wissen, welche Arbeitnehmer aus welchen Gründen konkret von der Untersuchung betroffen waren. Dem Betriebsrat war bekannt, dass E-Mails von Arbeitnehmern überprüft und zur Auswertung an die von ihr beauftragten Firmen übermittelt wurden. Schon daran anknüpfend hätte der Betriebsrat die Bewertung vornehmen können, ob die Regelungen der Betriebsvereinbarung missachtet wurden133. Auch den Unterlassungsanspruch hat das BAG abgelehnt134. Zwar könne davon ausgegangen werden, dass die Nutzung des E-Mail-Systems grundsätzlich einer Zustimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bedürfe. Ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf die streitgegenständliche Nutzung des Systems sei allerdings dann abzulehnen, wenn eine Anwendung in Rede stünde, hinsichtlich derer der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bereits ausgeübt habe. Denn dann liege ein Globalantrag vor, was zur Folge habe, dass er insgesamt als unbegründet abzuweisen sei. In seiner weitergehenden Begründung hat der 1. Senat des BAG vor allem auf den Umstand verwiesen, dass der Arbeitgeber auch nach den Regelungen der Betriebsvereinbarung berechtigt sein sollte, das Verhalten der Arbeitnehmer nach Maßgabe der dort festgelegten Voraussetzungen jedenfalls zur Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zu überwachen. Aus dem 133 BAG v. 23.3.2021 – 1 ABR 31/19, NZA 2021, 959 Rz. 31 ff., 34 ff., 42. 134 BAG v. 23.3.2021 – 1 ABR 31/19, NZA 2021, 959 Rz. 43 ff., 54 ff.
595
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang der dazu getroffenen Regelung folge, dass diese Kontrollmaßnahmen auch ohne eine gesonderte Zustimmung des Betriebsrats erfolgen dürfte. Da die Betriebsparteien in diesem Zusammenhang festgelegt hatten, zu welchem Zweck und unter welchen Voraussetzungen die Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen durchgeführt werden konnten, lag darin auch kein unzulässiger Verzicht auf das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Vielmehr hatte der Betriebsrat sein dahingehendes Mitbestimmungsrecht durch die Rahmenbetriebsvereinbarung ausgeübt. Hiervon ausgehend konnte er jedenfalls keinen allgemeinen Unterlassungsanspruch, der dem Arbeitgeber etwaige Kontrollmaßnahmen untersagen sollte, geltend machen. Da der Betriebsrat sein Unterlassungsbegehren insoweit auch nur auf eine Missachtung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gestützt hat, ohne gleichzeitig auch seinen Durchführungsanspruch aus § 77 Abs. 1 BetrVG geltend zu machen, konnte auch nur über den allgemeinen Unterlassungsanspruch als eigenständigen Verfahrensgegenstand entschieden werden. Abschließend hat das BAG sodann klargestellt, dass der allgemeine Unterlassungsanspruch nicht zugleich auch eine Folgenbeseitigung rechtfertigen könne. Vielmehr könne der Arbeitgeber nur verpflichtet werden, den betriebsverfassungswidrigen Zustand selbst zu beseitigen135. Dieses Verständnis der Reichweite des betriebsverfassungsrechtlichen Beseitigungsanspruchs entspreche – so das BAG – den für den zivilrechtlichen Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB geltenden Maßgaben. Denn auch die Voraussetzungen eines Beseitigungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB und eines auf Unterlassung gerichteten Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB unterschieden sich darin, dass Letzterer die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen verlange, der Beseitigungsanspruch hingegen auf die Aufhebung fortdauernder Beeinträchtigung gerichtet sei. Das umfasse auch die Beseitigung solcher Beeinträchtigung, die zwangsläufig durch die primäre Störung entstünden. Beeinträchtigungen, die aber als weitere Folge dieser Störung entstehen würden, könnten nur im Wege eines auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzes nach § 823 Abs. 1 BGB ausgeglichen werden, wobei die Abgrenzung eine Frage des Einzelfalls sei136. Hiervon ausgehend hat das BAG auch abgelehnt, dem Arbeitgeber aufzugeben, es zu veranlassen, dass die an die Rechtsanwaltskanzlei und die 135 BAG 23.3.2021 – 1 ABR 31/19, NZA 2021, 959 Rz. 83, 85. 136 So bereits BAG v. 17.5.2011 – 1 AZR 473/09, NZA 2011, 1169 Rz. 41.
596
Betriebliche Eingliederung von Führungskräften in einer Matrix-Organisation
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft weitergeleiteten Daten gelöscht werden. Verstoße der Arbeitgeber gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, könne sich der Beseitigungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber zwar darauf richten, dass die Anwendung der mitbestimmungswidrig im Betrieb eingeführten technischen Überwachungseinrichtung unterbleibe. Dem Betriebsrat stehe hingegen kein Anspruch darauf zu, dass der Arbeitgeber bei Dritten eine Löschung personenbezogener Daten der Arbeitnehmer, die er mit Hilfe einer nicht mitbestimmt im Betrieb genutzten Überwachungseinrichtung erhoben und an Dritte weitergegeben habe, oder eine Vernichtung von solchen datenauswertenden Dokumenten veranlasse137. Für die betriebliche Praxis ist diese Klarstellung durch das BAG wichtig. Sie macht noch einmal deutlich, dass bei entsprechenden Begehren eines Betriebsrats nicht nur geprüft werden muss, ob überhaupt Mitbestimmungsrechte bestehen. Vielmehr ist darüber hinaus festzustellen, ob diese Mitbestimmungsrechte nicht möglicherweise bereits durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung oder einer Regelungsabrede ausgeübt wurden. Wenn und soweit dies nicht der Fall ist und deshalb an sich zu Recht Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, muss weitergehend geprüft werden, ob das Begehren tatsächlich in allen denkbaren Fallgestaltungen mitbestimmungspflichtige Tatbestände erfasst und auch nur auf die Vermeidung bzw. Beseitigung des mitbestimmungswidrigen Zustands verpflichtet ist. Darüber hinausgehende Folgen, insbesondere die Löschung rechtswidrig erlangter Daten, muss durch die betroffenen Arbeitnehmer im Urteilsverfahren verfolgt werden, falls der Arbeitgeber nicht – was zu empfehlen wäre – von sich aus der Wahrung datenschutzrechtlicher Vorgaben sicherstellt. (Ga)
7.
Betriebliche Eingliederung von Führungskräften in einer Matrix-Organisation
Bereits bei früherer Gelegenheit hatten wir uns intensiv mit der Frage befasst, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Führungskräfte, die im Rahmen einer Matrix-Organisation nachgeordnete Mitarbeiter an verschiedenen Standorten führen, betriebsverfassungsrechtlich auch in die an diesen Standorten bestehenden Betriebe eingliedert werden. Konsequenz der Annahme einer solchen Eingliederung ist, dass der Betriebsrat bei der Festlegung einer entsprechenden Führungsposition im Rahmen der Matrix-Organisation wegen einer Einstellung nach § 99 BetrVG zu beteiligen ist. Weitergehend wird man prüfen müssen, ob auch bei der weiteren Abwicklung des 137 BAG 23.3.2021 – 1 ABR 31/19, NZA 2021, 959 Rz. 87.
597
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Arbeitsverhältnisses mit der betroffenen Führungskraft Beteiligungsrechte des Betriebsrats bestehen bzw. Regelungen einer Betriebsvereinbarung, die im Betrieb der nachgeordneten Arbeitnehmer gilt, zur Anwendung kommen138. Die Rechtsprechung zu dieser Frage war bis zuletzt uneinheitlich. Einerseits hatte das BAG bereits mit seinem Urteil vom 13.12.2005139 deutlich gemacht, dass Führungskräfte, die im Rahmen einer Matrix-Organisation aus einem anderen Konzernunternehmen heraus nachgeordnete Mitarbeiter steuern, in den Betrieb dieser Mitarbeiter nicht eingegliedert werden. Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 99 BetrVG wurden daran anknüpfend abgelehnt. Obwohl das BAG diese Sichtweise in Bezug auf unternehmensübergreifende Sachverhalte (zunächst einmal) bestätigt hat, ist es in den Beschlüssen vom 12.6.2019140 und vom 22.10.2019141 dann aber davon ausgegangen, dass von der für eine Einstellung erforderlichen Eingliederung i. S. d. § 99 BetrVG auszugehen sei, wenn die Führungskraft in einem anderen Betrieb des gleichen Unternehmens beschäftigt sei. Warum der Begriff der betriebsverfassungsrechtlichen Eingliederung, der – was die Behandlung von Leiharbeitnehmern oder die Rechtsfiguren des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen deutlich machen – an sich losgelöst von der arbeitsvertraglichen Zuordnung gekennzeichnet wird, bei diesen verschiedenen Konstellationen einer Matrix-Organisation an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft wird, bleibt in diesen Entscheidungen bedauerlicherweise unklar. Das BAG stellt lediglich fest, dass unternehmensinterne und unternehmensübergreifende Sachverhalte nach unterschiedlichen Kriterien zu bestimmen seien. Ungeachtet dessen hat das BAG in seinem Beschluss vom 26.5.2021142 seine Rechtsprechung zur unternehmensinternen Matrix-Organisation noch einmal bestätigt. In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Beteiligten über die Zuständigkeit des am Standort H gebildeten Betriebsrats zur Wahrnehmung von Beteiligungsrechten für sechs am Unternehmensstandort in S beschäftigte Arbeitnehmer, über das Recht dieser Arbeitnehmer zur Teilnahme an den am Standort H stattfindenden Betriebsversammlungen und über die Geltung einer für den Standort H geschlossenen Betriebsvereinbarung für diese Arbeitnehmer. Anlass für diesen Streit war der Umstand, dass die sechs am Standort S beschäftigten Arbeitnehmer fachliche Weisungen einer Führungskraft
138 139 140 141 142
598
B. Gaul, AktuellAR 2018, 186 ff., 475 ff., 2019, 578 ff. BAG v. 13.12.2005 – 1 ABR 51/04, NZA 2006, 1369 Rz. 12, 22. BAG v. 12.6.2019 – 1 ABR 5/18, NZA 2019, 1288 Rz. 21. BAG v. 22.10.2019 – 1 ABR 13/18, NZA 2020, 61 Rz. 21. BAG v. 26.5.2021 – 7 ABR 17/20, NZA 2021, 1494 Rz. 42 ff.
Betriebliche Eingliederung von Führungskräften in einer Matrix-Organisation
erhielten, die am Standort H tätig bzw. diesem Standort zugeordnet war. Bei der vorangehenden Betriebsratswahl waren gegen den Protest des Arbeitgebers die sechs Arbeitnehmerinnen jeweils auf den Wählerlisten beider Standorte verzeichnet worden. In seinem Urteil hat das BAG zunächst einmal darauf hingewiesen, dass sich die Zuständigkeit des Betriebsrats zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben nur auf Personen erstrecke, die dem Betrieb zuzuordnen sind, für den er gewählt wurde. Die Betriebszugehörigkeit setze voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in die Betriebsorganisation eingegliedert ist. Dafür komme es darauf an, ob der Arbeitgeber mit Hilfe des Arbeitnehmers den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs verfolgt. Diese Grundsätze gälten auch für Arbeitnehmer, die in den standortübergreifenden Teams einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck verwirklichen143. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten einer Matrix-Organisation hat das BAG in seinem Beschluss vom 26.5.2021144 darauf verwiesen, dass der Umstand, dass die sechs in S tätigen Arbeitnehmer ihre fachlichen Weisungen ausschließlich von der Führungskraft erhielten, die im Betrieb H tätig sei, nicht für ihre Eingliederung in den Betrieb H spreche. Für die Eingliederung in einen Betrieb sei eine Bindung an Weisungen einer Führungskraft in diesem Betrieb nicht erforderlich145. Die Unterstellung eines in einem Betrieb tätigen Arbeitnehmers unter das fachliche Weisungsrecht eines in einem anderen Betrieb ansässigen Vorgesetzten führe daher nicht zur Ausgliederung des Arbeitnehmers aus seinem bisherigen Beschäftigungsbetrieb und zur Eingliederung in den Beschäftigungsbetrieb des Vorgesetzten146. Vielmehr liege nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BAG zur personellen Mitbestimmung in einem solchen Fall eine Einstellung i.S.d. § 99 BetrVG und damit eine Eingliederung des Vorgesetzten in den Betrieb der ihm unterstellten Arbeitnehmer vor. Durch die Wahrnehmung der Führungsaufgaben werde (auch) der arbeitstechnische Zweck des Betriebs verwirklicht, in dem die ihm unterstellten Mitarbeiter tätig seien147. Aus dieser Rechtsprechung des BAG folgt, dass die Übertragung von Weisungsbefugnissen an eine außerhalb des Betriebs tätige Führungskraft im
143 BAG v. 26.5.2021 – 7 ABR 17/20, NZA 2021, 1494 Rz. 28. 144 BAG v. 26.5.2021 – 7 ABR 17/20, NZA 2021, 1494 Rz. 42 f., 45. 145 So bereits BAG v. 22.10.2019 – 1 ABR 13/18, NZA 2020, 61 Rz. 19; BAG v. 12.6.2019 – 1 ABR 5/18, NZA 2019, 1288 Rz. 23. 146 Ebenso Bachner, NZA 2019, 134, 138; Maschmann, Festschrift 100 Jahre Betriebsverfassungsrecht S. 463, 474; a. A. Fitting, BetrVG § 5 Rz. 226 c. 147 Ebenso bereits BAG v. 12.6.2019 – 1 ABR 5/18, NZA 2019, 1288 Rz. 21.
599
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Rahmen der Matrix-Organisation zur Eingliederung dieser Führungskraft in den Betrieb führen kann. Damit ist eine Beteiligung des Betriebsrats wegen einer Einstellung nach § 99 BetrVG erforderlich. In der Praxis erfolgt eine solche Beteiligung im Regelfall nicht, was außerhalb von §§ 23 Abs. 3, 101 BetrVG auch nicht sanktioniert werden kann. Arbeitgeberseitig wird man sich mit der Frage einer möglichen Eingliederung allerdings insbesondere dann zu beschäftigen haben, wenn diese Führungskraft gekündigt wird. Denn in diesem Fall ist zu klären, ob der Betriebsrat vor einer solchen Kündigung auch den Betriebsrat des Betriebs, in dem die nachgeordneten Arbeitnehmer beschäftigt werden, gemäß § 102 BetrVG anhören muss. Dafür spricht der Umstand der Eingliederung in diesen Betrieb, der die Zuständigkeit dieses Betriebsrats zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben zur Folge hat. Dagegen spricht allerdings, dass auch beim Einsatz von Leiharbeitnehmern berechtigterweise zwischen dem Grundverhältnis, für das der Betriebsrat des Verleihers verantwortlich ist, und dem Betriebsverhältnis, für das der Betriebsrat im Einsatzbetrieb verantwortlich ist, unterschieden wird. Daran anknüpfend würde man bei der Kündigung einer Führungskraft im Rahmen der Matrix-Organisation nur den Betriebsrat nach § 102 BetrVG beteiligen, in dessen Betrieb die Führungskraft ihrem Schwerpunkt nach tätig ist. Dort ist das für die Anhörung nach § 102 BetrVG maßgebliche Grundverhältnis zuzuordnen. (Ga)
8.
Mitbestimmung des Betriebsrats bei einem Verzicht auf die Nutzung mobiler Arbeitsmittel in der Freizeit
Die Verlagerung der Arbeit in Homeoffice oder mobile Arbeit und die gleichzeitige Digitalisierung der Arbeit lassen die Grenzen von Arbeitszeit auf der einen und Freizeit auf der anderen Seite zunehmend verschwinden. Insbesondere werden Arbeitnehmer durch mobile Arbeitsgeräte veranlasst, auch in solchen Zeiten, die in der Vergangenheit noch der Freizeit zugerechnet wurden, E-Mails und andere Nachrichten entgegen zu nehmen und auch zu beantworten. Die damit verbundene Ausweitung der Zeiten, in denen Arbeit erbracht wird, hat nicht nur Konsequenzen in Bezug auf die Frage, ob die Grenzen des Arbeitszeitrechts eingehalten werden oder ob solche Zeiten auch als Erholungsurlaub behandelt werden dürfen. Die zunehmende Entgrenzung der Arbeit führt auch arbeitsmedizinisch und personalpolitisch zu der Frage, ob und ggf. auf welche Weise die damit einhergehende Belastung in physischer und psychischer Hinsicht eingeschränkt oder sogar vermieden werden kann.
600
Verzicht auf die Nutzung mobiler Arbeitsmittel in der Freizeit
In der betrieblichen Praxis wird in diesem Zusammenhang immer wieder über die Frage gesprochen, ob es möglich und/oder sinnvoll ist, durch technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen die Nutzung mobiler Arbeitsgeräte außerhalb eines bestimmten (Arbeits-)Zeitkorridors auszuschließen. In der Regel geht es dabei um technische Maßnahmen (z. B. Ausschalten des Servers bzw. der E-Mail-Weiterleitung) oder arbeitgeberseitige Weisungen, in bestimmten Zeiten auf die Nutzung mobiler Arbeitsgeräte zu verzichten. Auf diese Weise soll das „Recht auf Unerreichbarkeit“ verwirklicht werden. Entsprechende Maßnahmen des Arbeitgebers sind in der Regel mit einer Mitbestimmung des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verbunden. Schließlich liegt in der Festlegung, zu welchen Zeiten mobile Arbeitsgeräte nicht genutzt werden sollen, umgekehrt auch die Vorgabe, in den übrigen Zeiten mit Hilfe dieser Arbeitsmittel eine Erreichbarkeit sicherzustellen. Damit ist eine entsprechende Festlegung darauf gerichtet, die betriebsverfassungsrechtlich relevante Arbeitszeit festzulegen, was nicht ohne eine Zustimmung des Betriebsrats oder einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle geschehen kann. Bereits in seinem Beschluss vom 22.8.2017148 hatte der 1. Senat des BAG allerdings deutlich gemacht, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht betroffen sind, wenn ein Arbeitgeber im Rahmen einer Selbstverpflichtung zum Ausdruck bringt, dass mobile Arbeitsmittel nicht in der Freizeit zu dienstlichen Zwecken genutzt werden sollen. Denn mit einer solchen Festlegung seien weder die betriebliche Ordnung noch die betriebliche Arbeitszeit berührt. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat – so das BAG – der Betriebsrat mitzubestimmen in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts sei das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Regelungen und Weisungen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert werde (sogenanntes Arbeitsverhalten) seien dagegen nicht von der Mitbestimmung betroffen. Ebenfalls nicht betroffen sei der außerbetriebliche (private) Lebensbereich der Arbeitnehmer. Zwar kann das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch Weisungen betreffen, die sich mit dem Verhalten der Arbeitnehmer außerhalb der Betriebsstätte befassen (z. B. gegenüber Kunden und Lieferanten). Eine Anweisung, dass innerhalb der Freizeit allerdings ein bestimmtes Verhalten nicht geschuldet sei (hier: Nutzung mobiler Arbeitsmittel), enthält damit aber keine Weisung des Arbeitgebers, die
148 BAG v. 22.8.2017 – 1 ABR 52/14, NZA 2018, 50 Rz. 22 ff.
601
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
man dem betrieblichen Verhalten und damit auch einer Zusammenarbeit der Arbeitnehmer zuordnen kann. Soweit darin umgekehrt eine Weisung liegt, innerhalb der Arbeitszeit auch die mobilen Arbeitsmittel zu nutzen, stellt dies eine mitbestimmungsfreie Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts nach § 106 S. 1 GewO dar. Dass die Feststellung des Arbeitgebers auch nicht mit Mitbestimmungsrechten aus § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG verbunden ist, folgt bereits daraus, dass sie eine Erwartungshaltung in Bezug auf die Freizeit zum Ausdruck bringt. Da sie dabei bereits anderweitig bestimmte Grenzen der Arbeitszeit unterstellt und zugleich anerkennt, werden keine eigenständigen Regelungen zu betrieblicher Arbeitszeit und/oder der Pausen getroffen. Von der vorstehenden Entscheidung des BAG ausgehend kann der Arbeitgeber damit auch im Zusammenhang mit der Ausweitung mobiler Arbeitsformen auch ohne den Betriebsrat Leitlinien setzen, um eine Entgrenzung der Arbeitszeit entgegen zu wirken. Ungeachtet dessen dürfte es personalpolitisch sinnvoller und in der Sache selbst auch erfolgversprechender sein, solche Grundsätze gemeinsam mit dem Betriebsrat im Zusammenhang mit Regelungen zur Ausgestaltung der mobilen Arbeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG festzulegen. (Ga)
9.
Betriebsvereinbarung zur einseitigen Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber
a)
Ausübung der Mitbestimmung durch Betriebsvereinbarung
Bereits bei früherer Gelegenheit hatten wir auf den Beschluss des BAG vom 28.7.2020149 verwiesen. Dort hatte der 1. Senat zwar noch einmal bestätigt, dass die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG selbst bei Eil- und Sonderfällen zu berücksichtigen sei. Folgerichtig sei auch in solchen Situationen eine Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung durch die Einigungsstelle erforderlich. Eine einseitige Regelungsbefugnis oder die Möglichkeit, eine von § 87 Abs. 1 BetrVG erfasste Maßnahme vorläufig durchzuführen, hat das BAG ausdrücklich abgelehnt150. In der vorstehend genannten Entscheidung hat das BAG allerdings darauf hingewiesen, dass es den Betriebsparteien und damit auch einer Einigungsstelle, die für den Fall der Nichteinigung angerufen werde, grundsätzlich unbenom-
149 BAG v. 28.7.2020 – 1 ABR 45/18, NZA 2020, 1491 Rz. 25. 150 So bereits BAG 8.12.2015 – 1 ABR 2/14 n. v. (Rz. 28).
602
Betriebsvereinbarung zur einseitigen Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber
men bliebe, bei der Ausgestaltung der nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmten Angelegenheit (hier: kurzfristig erforderliche Schichtzuteilung) etwaigen spezifischen betrieblichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen und das Vorliegen einer Zustimmung des Betriebsrats festzulegen, wenn sich dies auf eine eng begrenzte, hinreichend konkret beschriebene und gegebenenfalls häufig auftretende Fallgestaltung beziehe. Bei einer Beschränkung der „Vorabzustimmung“ auf derartige dringende betriebliche Konstellationen würde dem Arbeitgeber keine den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 BetrVG betreffende einseitige Entscheidungsbefugnisse eingeräumt151. Der Betriebsrat verzichtet also nicht auf seine Mitbestimmung; er übt das Mitbestimmungsrecht aus. Die Anerkennung einer solchen Regelungsbefugnis der Betriebsparteien überzeugt. Sie berücksichtigt insbesondere den Umstand, dass jedenfalls in Eil- oder Notfällen durch den Betriebsrat nur unter erschwerten Voraussetzungen die (rechtzeitige) Einberufung einer Betriebsratssitzung nebst Beschlussfassung bewirkt werden kann. Dies gilt insbesondere bei größeren Betriebsräten. Dies gilt umso mehr, wenn wegen fehlender Zustimmung ein Einigungsstellenverfahren erforderlich wird. Auch wenn alle Beteiligten versuchen, dies zeitnah zu erreichen, kommt eine rechtzeitige Beschlussfassung im Zweifel zu spät. Wenn dann erkennbar wird, dass solche Sachverhalte regelmäßig eintreten und zugleich eine typisierte Regelung möglich erscheint, die die wechselseitigen Interessen des Arbeitgebers und der hiervon betroffenen Arbeitnehmer berücksichtigen kann, ist es nicht nur sinnvoll, sondern auch unter Berücksichtigung des Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) geboten, in einer Betriebsvereinbarung bzw. durch Spruch der Einigungsstelle festzulegen, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber eine an sich mitbestimmungspflichtige Maßnahme ohne diesbezügliche Zustimmung des Betriebsrats umsetzen kann. Damit vermieden wird, dass darin faktisch ein Verzicht auf das Mitbestimmungsrecht gesehen werden kann, setzt die Wirksamkeit einer entsprechenden Regelung aber voraus, dass die hiervon betroffenen Fallgestaltungen sehr konkret eingegrenzt und der Rahmen für die einseitige Festlegung durch den Arbeitgeber bereits in der Betriebsvereinbarung und/oder dem Spruch der Einigungsstelle definiert werden. Gleichzeitig wird man festlegen müssen, dass der Betriebsrat in geeigneter Weise über entsprechende Anordnungen in Kenntnis zu setzen ist, damit er die Wirkungsweise dieser Regelung überprüfen kann (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BetrVG). 151 BAG v. 28.7.2020 – 1 ABR 45/18, NZA 2020, 1491 Rz. 25; BAG v. 22.10.2019 – 1 ABR 17/18, NZA 2020, 123 Rz. 33.
603
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Sinnvoll sind solche Regelungen insbesondere bei kurzfristig erforderlicher Mehrarbeit oder Veränderungen im Schichtplan, die als Folge der Erkrankung von Arbeitnehmern, technischen Störungen oder unbeeinflussbaren Außeneinflüssen (z. B. Wetter, verspätete Anlieferung) ausgelöst werden. Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer können beispielsweise darin liegen, dass die Anzahl denkbarer Anordnungen und/oder der Umfang entsprechender Dienste bzw. von Mehrarbeit pro Mitarbeiter und Monat begrenzt wird. Gleichzeitig ist klarzustellen, dass es in den übrigen Fallgestaltungen bei der Mitbestimmung nach § 87 BetrVG verbleibt. Hier kann eine kurzfristige Konfliktlösung nur noch durch eine ständige Einigungsstelle oder die Verlagerung streitiger Entscheidungen in eine Schlichtungskommission erreicht werden.
b)
Ausschluss der Mitbestimmung durch Tarifvertrag
Bereits im Urteil vom 17.11.1998152 hat das BAG indes deutlich gemacht, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 BetrVG auch durch eine tarifliche Regelung verdrängt werden kann, wenn die Regelungsfrage von den Tarifvertragsparteien in einer Weise beantwortet wird, die die Betriebspartner als abschließende Regelung ansehen dürften. Das folgt bereits aus § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG. Danach hat der Betriebsrat in den in § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. In der vorstehend genannten Entscheidung hat das BAG in Bezug auf den Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien ähnliche Überlegungen aufgestellt, wie sie in Bezug auf die Befugnis der Betriebsparteien zu Vereinbarungen entwickelt wurden, mit denen dem Arbeitgeber eine einseitige Leistungsbestimmung zuerkannt werden soll. Ausgangspunkt ist dabei die Annahme, dass der Vorbehalt in § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG nur dann zur Anwendung komme, wenn der Tarifvertrag eine zwingende und abschließende inhaltliche Regelung enthalte und damit dem Schutzweg des verdrängten Mitbestimmungsrechts genüge. Insofern könnten die Tarifvertragsparteien das Mitbestimmungsrecht nicht ausschließen, ohne die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst zu regeln. Wenn durch einen Tarifvertrag für Ausnahmefälle Vorsorge getroffen und dem Arbeitgeber eine einseitige Gestaltungsmöglichkeit zugewiesen werden solle, könnten die Tarifvertragsparteien diese Befugnis zur kollektivvertraglichen Regelung deshalb nicht in der Weise ausüben, dass sie die Mitbestimmung einfach durch ein einseitiges Gestaltungsrecht ersetzen. Vielmehr könne der Tarifvertrag in Bezug auf besondere Umstände nur eine kurzfristige Übergangslösung schaffen, die die abschließende 152 BAG v. 17.11.1998 – 1 ABR 12/98, NZA 1999, 662, 663 f.
604
Betriebsvereinbarung zur einseitigen Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber
Klärung aber soweit als möglich offenhalte. So müsse sich die Notwendigkeit von Überstunden unerwartet und kurzfristig ergeben. Gleichzeitig müsse zu erwarten sein, dass eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene mitbestimmte Regelung aus Zeitgründen normalerweise nicht erreichbar sei. Nur in diesen Fällen könne durch eine entsprechende Regelung des Tarifvertrags die Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ausgeschlossen werden. Wollten die Tarifvertragsparteien dagegen eine Alleinentscheidungsbefugnis des Arbeitgebers auch für Fälle eröffnen, in denen die Notwendigkeit von Überstunden mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftrete oder bezogen auf den Einzelfall schon seit längerem erkennbar sei, oder in denen der zusätzliche Arbeitsbedarf nicht kurzfristig befriedigt werde müsse, so läge hierhin ein unzulässiger Ausschluss des Mitbestimmungsrechts. Dies folge dem Grundsatz, dass mit der Alleinentscheidung des Arbeitgebers keine Dauerregelung, sondern nur eine Übergangsregelung bis zu dem Zeitpunkt geschaffen werden dürfe, zu dem eine mitbestimmte Entscheidung bewirkt werden kann153.
c)
Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen
Vielfach werden die vorstehenden Regelungen in der betrieblichen Praxis an die weitergehende Vorgabe geknüpft, dass die Entscheidung des Arbeitgebers zugleich auch dem Grundsatz billigen Ermessens Rechnung tragen muss. Damit soll der Arbeitgeber verpflichtet werden, bei seiner Anordnung alle Umstände des Einzelfalls – insbesondere also auch die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer – zu berücksichtigen. In seinem Beschluss vom 23.2.2021154 hat das BAG indes deutlich gemacht, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Leistung nach billigem Ermessen festzulegen, selbst wenn sie in einer Betriebsvereinbarung bestimmt worden sei, nicht das betriebsverfassungsrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, sondern nur das – durch die Betriebsvereinbarung begründetet – Schuldverhältnis zwischen den Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber beträfen. Auch wenn diese Feststellungen des BAG eine Leistungsbestimmung im Zusammenhang mit einer variablen Vergütung (Bonus) betrafen, lassen sie sich auf entsprechende Regelungen über Anordnungen des Arbeitgebers im Bereich der Arbeitszeit übertragen. Damit kann der Betriebsrat an entsprechenden Vereinbarungen anknüpfend im Rahmen seines Durchführungsanspruchs aus § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG lediglich verlangen, dass die Anordnung des Arbeitgebers unter Berücksichtigung der sonstigen Rahmenbedingungen der Betriebsvereinbarung tatsächlich vorgenommen wird. Er hat 153 BAG v. 17.11.1998 – 1 ABR 12/98, NZA 1999, 662, 663 f. 154 BAG v. 23.2.2021 – 1 ABR 12/20, NZA 2021, 881 Rz. 36 ff.
605
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
– so dass BAG – jedoch keinen Anspruch darauf, dass diese Leistungsbestimmung auch den Vorgaben des § 315 Abs. 1 BGB entspricht und damit nach billigem Ermessen ausgeübt wird. Diese Frage kann ausschließlich im Individualklageverfahren durch die hiervon jeweils betroffenen Arbeitnehmer geklärt werden. Für die betriebliche Praxis hat diese Sichtweise des BAG erhebliche Bedeutung. Denn sie schränkt auch die Möglichkeit ein, dass der Betriebsrat auf der Grundlage seines Durchführungsanspruchs aus § 77 Abs. 1 BetrVG den Arbeitgeber zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen verpflichtet, weil er glaubt, dass nur auf diese Weise der Grundsatz billigen Ermessens gewahrt würde. Für den Betriebsrat besteht von diesen Grundsätzen ausgehend nur die Möglichkeit, zu überprüfen, ob die übrigen Voraussetzungen für eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers gewahrt sind. (Ga)
10. Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung einer technischen Arbeitszeiterfassung Bedauerlicherweise hat die Bundesregierung bis zum Abschluss der letzten Legislaturperiode keine Regelung getroffen, mit der die unionsrechtlichen Vorgaben zur Dokumentation der Arbeitszeit, wie sie der EuGH in seinem Urteil vom 14.5.2019155 entwickelt hatte, auf einer allgemeinen Grundlage umgesetzt werden. Damit bleibt es bei spezialgesetzlichen Regelungen, wie sie zuletzt für die Fleischindustrie geschaffen wurden156. Weitergehende Bestimmungen, wie sie im Mobile-Arbeit-Gesetz (MAG) für Arbeitnehmer vorgesehen waren157, die regelmäßig im Homeoffice tätig sind, müssen auf der Grundlage der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag erst einmal neu in einen Gesetzgebungsvorschlag gegossen und in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden. Für die betriebliche Praxis ist die damit verbundene Rechtsunsicherheit außerordentlich misslich. Denn es ist umstritten, ob nicht bereits ohne eine ausdrückliche Regelung des Gesetzgebers eine Handlungspflicht des Arbeitgebers besteht, die aus §§ 241 Abs. 2, 611, 618 BGB, 3 ff. ArbSchG i. V. m. Art. 31 Abs. 2 GRC bzw. den Regelungen der Richtlinie 2003/88/EG abgeleitet werden muss. Davon geht ein Teil der Rechtsprechung158 und Literatur
155 156 157 158
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EuGH v. 14.5.2019 – C-55/18, NZA 2019, 683 – CCOO. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 31. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2021, 38. Vgl. ArbG Emden v. 24.9.2020 – 2 Ca 144/20 n. v. m. Anm. Fuhlrott, NZA-RR 2021, 13.
Einführung einer technischen Arbeitszeiterfassung
aus. Wir hatten über die damit verbundene Diskussion bereits eingehend berichtet159. An diesem Begründungsansatz hat sich in Bezug auf das Arbeitsschutzrecht auch durch den Umstand nichts geändert, dass das LAG Niedersachsen in seinem Urteil vom 6.5.2021160 eine andere vorangehende Entscheidung des ArbG Emden mit der Begründung aufgehoben hat, dass aus den unionsrechtlichen Vorgaben zum Arbeitszeitrecht keine vergütungsrechtlichen Konsequenzen abgeleitet werden könnten. Denn das arbeitsschutzrechtliche Regelungsziel der Richtlinie 2003/88/EG, das die Arbeitszeiterfassung im Rahmen des Arbeitszeitrechts bestimmt, wird auch durch das LAG Niedersachsen nicht in Frage gestellt. Dass die Einführung einer Dokumentation der Arbeitszeiterfassung mit verschiedenen Beteiligungsrechten des Betriebsrats, insbesondere dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 und/oder Nr. 6 BetrVG verbunden ist, hatten wir bereits bei früherer Gelegenheit aufgezeigt161. Denkbar ist auch ein Rückgriff auf § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, ausgehend davon, dass die Dokumentation der Arbeitszeit ebenfalls dem Arbeitsschutz zu dienen bestimmt ist162. Diese Beteiligungsrechte werden allerdings nicht erst dann relevant, wenn arbeitgeberseitig eine Entscheidung über das System der Arbeitszeiterfassung getroffen wird und Maßnahmen zur Einführung und Anwendung vorgesehen sind. Wie aktuelle Entscheidungen des LAG Hamm vom 27.7.2021163 und des LAG München vom 10.8.2021164 deutlich machen, kann der Betriebsrat auch ohne eine solche Entscheidung des Arbeitgebers Verhandlungen über eine technische Arbeitszeiterfassung verlangen und – falls keine Einigung erzielt wird – eine Einigungsstelle zu dieser Frage einsetzen lassen. Dabei verweisen die beiden Instanzgerichte nicht nur auf § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG, nach dem die Einsetzung der Einigungsstelle bereits dann erfolgen muss, wenn sie nicht bereits offensichtlich unzulässig ist. Vielmehr wurde mit diesen Entscheidungen auch ein Initiativrecht des Betriebsrats in Bezug auf Verhandlungen über die Einführung und Anwendung einer Arbeitszeiterfassung anerkannt. Das kann zur Folge haben, dass der Arbeitgeber durch den Betriebsrat gezwungen wird, über die Arbeitszeiterfassung zu verhandeln, ohne dass die künftigen Vorgaben des Gesetzgebers in Bezug auf den betroffenen Personenkreis und mögliche Ausnahmeregelungen bekannt sind. Wir hatten B. Gaul/Pitzer, AktuellAR 2020, 466 ff.; B. Gaul, AktuellAR 2021, 139 ff. LAG Niedersachsen v. 6.5.2021 – 5 Sa 1292/20 n. v. Vgl. B. Gaul/Pitzer, AktuellAR 2020, 475 ff. So Brors, NZA 2019, 1176, 1180; Hanau, ZFA 2020, 129, 138; Schipp, ArbRB 2019, 282, 283 ff.; abl. Bayreuther, NZA 2020, 1, 4. 163 LAG Hamm v. 27.7.2021 – 7 TaBV 79/20, n. v. (Rz. 42 ff.). 164 LAG München v. 10.8.2021 – 3 TaBV 31/21 n. v. (Rz. 27 ff.). 159 160 161 162
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
auf eine entsprechende Entscheidung des LAG Hamm vom 15.12.2020165 bereits im Frühjahr verwiesen. Mit dieser Entscheidung hatte das LAG Hamm auf Antrag des Betriebsrats eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems“ eingesetzt. In der Vergangenheit ist ein entsprechendes Initiativrecht des Betriebsrats häufig unter Hinweis auf den Beschluss des BAG vom 28.11.1989166 auch unter Bezug auf das Erfordernis einer Arbeitszeiterfassung zurückgewiesen worden167. Denn mit dieser Entscheidung hatte das BAG festgestellt, dass das Initiativrecht des Betriebsrats hinsichtlich des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht zum Inhalt habe, dass der Betriebsrat auch die Einführung einer technischen Kontrolleinrichtung verlangen könne. Zur Begründung hatte der 1. Senat des BAG darauf verwiesen, dass durch eine mitbestimmte Regelung über die Einführung und nähere Nutzung solcher Einrichtungen den Gefahren einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer, die von technischen Überwachungseinrichtungen ausgehen könnten, begegnet werden solle. Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats komme daher eine Abwehrfunktion gegenüber der Einführung solcher technischen Kontrolleinrichtungen zu, deren Einführung als solche nicht verboten sei und deren Anwendung unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer auch sinnvoll und geboten sein könne. Dieser Zweckbestimmung des Mitbestimmungsrechts widerspreche es jedoch, wenn der Betriebsrat selbst – gleich aus welchen Gründen – die Einführung einer solchen technischen Kontrolleinrichtung verlange. Dies gelte unabhängig davon, ob durch eine technische Kontrolleinrichtung tatsächlich Interessen der Arbeitnehmer berührt würden, ob der Betriebsrat eine solche Interessenbeeinträchtigung sehe oder ob er dies durch die nähere Ausgestaltung der mitbestimmten Regelung über die Anwendung der technischen Kontrolleinrichtung auszuschließen erstrebe. Der § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG berechtige daher den Betriebsrat nicht, die Einführung einer technischen Kontrolleinrichtung zu verlangen und ggf. über den Spruch einer Einigungsstelle zu erzwingen. Problematisch an einer Übertragung dieser Begründung auf die Einführung einer technischen Kontrolleinrichtung mit dem Ziel der Arbeitszeiterfassung ist allerdings, dass damit unionsrechtlichen Vorgaben aus Richtlinie 2003/88/EG bzw. Art. 31 Abs. 2 GRC Rechnung getragen werden soll. Folgt
165 LAG Hamm v. 15.12.2020 – 7 TaBV 85/20 n. v. 166 BAG v. 28.11.1989 – 1 ABR 97/88, NZA 1990, 406. 167 So LAG Niedersachsen v. 22.10.2013 – 1 TaBV 53/13, LAGE § 98 ArbGG 1979 Nr. 68.
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Einführung einer technischen Arbeitszeiterfassung
man den Feststellungen des EuGH im Urteil vom 14.5.2019168, bezweckt die damit einhergehende Harmonisierung der Arbeitszeitgestaltung einen besseren Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Denn der EuGH geht davon aus, dass dieser Schutz nicht allein durch materiell-rechtliche Vorgaben verwirklicht wird. Vielmehr verlange das Ziel der Richtlinie, einen wirksamen Schutz der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer sowie einen besseren Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, sodass auf der Ebene der Mitgliedstaaten sichergestellt werde, dass die praktische Wirksamkeit dieser Rechte in vollem Umfang gewahrt werde. Das aber setze voraus, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden könne169. Hiervon ausgehend wird man daher in der Einführung und Anwendung einer technischen Kontrolleinrichtung zur Arbeitszeiterfassung auch eine Maßnahme sehen müssen, die dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer zu dienen bestimmt ist170. Ob man angesichts dieser Zweckbestimmung bei der Begründung eines Initiativrechts des Betriebsrats allerdings tatsächlich an § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG anknüpfen kann, der den Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers durch die Einführung und Anwendung einer technischen Kontrolleinrichtung bezweckt, erscheint weiterhin zweifelhaft. Schlussendlich kann diese Frage aber offenbleiben. Denn es dürfte sich jedenfalls aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG die Befugnis des Betriebsrats ableiten, Maßnahmen zu initiieren, die mit einer Arbeitszeiterfassung verbunden sind. Dass die Anerkennung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Ausgestaltung von Schutzmaßnahmen daran geknüpft ist, dass keine Zweifel über das Bestehen einer Gefahr oder Gefährdung bestehen, dürfte einer solchen Initiative wohl nicht entgegengehalten werden können. Denn die insoweit erforderliche Gewissheit über eine Gefährdung dürfte jedenfalls nach den Feststellungen des EuGH gegeben sein, wenn Arbeitnehmer in den Geltungsbereich des ArbZG fallen und überhaupt keine Dokumentation der Arbeitszeit vorliegt. Von dieser Diskussion ausgehend dürfte es auch gerechtfertigt sein, wenn das LAG Hamm und das LAG München die Voraussetzungen für die Einsetzung einer Einigungsstelle als gegeben sieht. Schließlich können entsprechende Anträge über die Besetzung der Einigungsstelle wegen fehlender Zuständigkeit gemäß § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG nur zurückgewiesen werden, wenn die 168 EuGH v. 14.5.2019 – C-55/18, NZA 2019, 683 Rz. 37 ff. – CCOO. 169 EuGH v. 14.5.2019 – C-55/18, NZA 2019, 683 Rz. 42, 50, 60 – CCOO. 170 So auch LAG München v. 10.8.2021 – 3 TaBV 31/21 n. v. (Rz. 29).
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Hiervon wird man aber allein auf der Grundlage der Feststellungen des BAG im Beschluss vom 28.11.1989171 nicht ausgehen können. Entgegen der Auffassung des LAG München im Beschluss vom 10.8.2021172 erscheint dabei allerdings allein der Umstand, dass sich zwischenzeitlich die Besetzung des Senats geändert hat, unerheblich. Andernfalls könnte mit Blick auf Veränderungen in Bezug auf die Besetzung oder Zuständigkeit von Senaten des BAG jeweils ohne weitergehende Anhaltspunkte in Bezug auf eine Änderung der Rechtsprechung der Antrag nach § 100 ArbGG begründet werden. Relevant dürfte aber der Umstand sein, dass das BAG in seiner Entscheidung die unionsrechtlichen Vorgaben aus der Richtlinie 2003/88/EG bzw. Art. 31 Abs. 2 GRC (noch) nicht berücksichtigt hat. Hinzu kommt, dass es in Literatur und Rechtsprechung durchaus Ansichten gibt, die ein Initiativrecht des Betriebsrats auch im Zusammenhang mit der Einführung und Anwendung technischer Kontrolleinrichtungen im Rahmen von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG für gegeben halten173. Damit fehlt es an der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle, die eine Zurückweisung des Antrags zu ihrer Besetzung rechtfertigte. Ungeachtet dessen dürfte es allerdings gleichwohl ausgeschlossen sein, den Arbeitgeber durch Spruch der Einigungsstelle zu verpflichten, eine technische Arbeitszeiterfassung einzuführen. Damit bliebe bereits unberücksichtigt, dass es keine unionsrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers gibt, die Arbeitszeiterfassung durch ein technisches System durchzuführen. Vielmehr hat der EuGH durch eine entsprechende Bezugnahme auf die weiterführenden Ausführungen des Generalanwalts deutlich gemacht, dass die Richtlinie 2003/88/EG verschiedene Systeme zur Erfassung der Arbeitszeit zulasse. Insofern seien Aufzeichnungen in Papierform, mittels eines Computerprogramms ebenso wie elektronische Zutrittsausweise denkbar. Diesen Umstand muss auch die Einigungsstelle beachten, selbst wenn sie auf der Grundlage von § 100 ArbGG eingesetzt wird. Hinzu kommt, dass auch die technische Arbeitszeiterfassung nur in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit zulässig ist und dabei vor allem das durch datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen geschützte Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer wahren muss. Gerade bei Tätigkeiten, die ohne die ständige Nutzung technischer Geräte erfolgen, ist damit eine dauerhafte Erfassung der Arbeitszeit durch Technik ausgeschlossen. Denn sie setzt voraus, dass auch das sonstige Verhalten des Arbeit171 BAG v. 28.11.1989 – 1 ABR 97/88, NZA 1990, 406. 172 LAG München v. 10.8.2021 – 3 TaBV 31/21 n. v. (Rz. 28). 173 Vgl. LAG Hamm v. 15.12.2020 – 7 TaBV 85/20 n. v. (Rz. 11 ff.); LAG Berlin-Brandenburg v. 22.1.2015 – 10 TaBV 1812/14 und 10 TaBV 2124/14 n. v.; ErfK/Koch, ArbGG § 100 Rz. 3.
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Einführung einer technischen Arbeitszeiterfassung
nehmers durch Ton, Bild oder auf andere Weise gemessen würde, damit erkennbar wird, ob darin eine arbeitszeitrechtlich relevante Verhaltensweise zu sehen ist. Gegen eine Befugnis der Einigungsstelle, den Arbeitgeber zu einer technischen Arbeitszeiterfassung zu zwingen, spricht im Übrigen auch, dass damit im Zweifel Vertragsbeziehungen mit Dritten verbunden sind. Denn die Einführung einer technischen Arbeitszeiterfassung kann regelmäßig nicht bereits auf der Grundlage der im Betrieb vorhandenen Technik erfolgen. Vielmehr setzt sie voraus, dass neue Hard- und Software angeschafft und im Betrieb bzw. im Rahmen mobiler Tätigkeit zum Einsatz gebracht wird. Auch wenn § 87 BetrVG dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte bei Maßnahmen zuerkennt, die das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffen, wird man daraus aber keine Befugnis des Betriebsrats ableiten können, den Arbeitgeber zu verpflichten, in einer bestimmten Weise entsprechende Rechte und Pflichten gegenüber Dritten einzugehen. Dies aber ist bei der Anschaffung eines Arbeitszeiterfassungssystems notwendig. Dass die Einigungsstelle die Kosten, die ein Spruch auf Seiten des Arbeitgebers auslöst, berücksichtigen muss, genügt nicht174. Hiervon ausgehend dürfte es zwar möglich sein, eine Einigungsstelle einzusetzen, die sich – auf Initiative des Betriebsrats – mit den Möglichkeiten einer Arbeitszeiterfassung befasst. Eine technische Arbeitszeiterfassung, deren Einführung und Anwendung mit dem Abschluss von Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und Dritten verbunden ist, kann durch Spruch der Einigungsstelle allerdings nicht festgesetzt werden. In diesem Fall bliebe der Einigungsstelle nur die Möglichkeit, auf der Grundlage von § 87 Abs. 1 Nr. 1, 7 BetrVG eine sonstige – im Zweifel papiergebundene – Form der Arbeitszeiterfassung festzulegen. Ausgehend davon, dass eine papiergebundene Erfassung den praktischen Bedürfnissen auch aus Arbeitgebersicht nicht ausreichend Rechnung trägt, ist der Betriebspraxis aber zu empfehlen, sich bereits heute mit den technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen einer betriebs- und tätigkeitsbezogenen Arbeitszeiterfassung zu befassen, damit spätestens mit einer Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben durch den Gesetzgeber ein passender – ggf. auch technischer – Vorschlag unterbreitet werden kann. Schließlich steht zu erwarten, dass die neue Bundesregierung keine Übergangsfrist festlegen wird, um ein objektives, verlässliches und zugängliches System der Arbeitszeiterfassung zu schaffen. (Ga)
174 Abw. LAG Hamm v. 27.7.2021 – 7 TaBV 79/20 n. v. (Rz. 55), n. rkr.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
11.
Errichtung einer Einigungsstelle bei Sonderleistungen der Konzernobergesellschaft
Grundsätzlich geht das BetrVG von einer übergreifenden Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte aus. Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat sind außerhalb einer Delegation nach §§ 50 Abs. 2, 58 Abs. 2 BetrVG nur unter den in §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 BetrVG genannten Voraussetzungen originär zuständig. Für den Konzernbetriebsrat führt dies zu einer Zuständigkeit nur in Angelegenheiten, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebs- oder Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können. Unter diesen Voraussetzungen erstreckt sich seine Zuständigkeit auch auf Unternehmen, die keinen Gesamtbetriebsrat gebildet haben, sowie auch Betriebe ohne Betriebsrat. In der betrieblichen Praxis kann diese Zuständigkeitsverteilung nicht nur dann zu einem Streit führen, wenn der Konzernbetriebsrat – entgegen einer Bewertung durch Betriebs- oder Gesamtbetriebsräte – seine Zuständigkeit in Bezug auf Sonderleistungen geltend macht, die in mehreren Konzernunternehmen gewährt werden. Denkbar sind Auseinandersetzungen mit einem Betriebsoder Gesamtbetriebsrat auch dann, wenn kein Konzernbetriebsrat gebildet wurde oder Leistungen durch eine Konzernobergesellschaft gewährt werden, die ihren Sitz im Ausland hat. In allen Fällen wird man natürlich versuchen, sich mit dem beteiligten Arbeitnehmervertreter darüber zu verständigen, auf welcher Ebene etwaige Beteiligungsrechte – beispielsweise aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG – geltend gemacht werden. Wichtig dabei ist allerdings, dass die Zuständigkeitsverteilung des Betriebsverfassungsrechts nur insoweit dispositiv ist, als Betriebs- und Gesamtbetriebsrat dem Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat mit der Wahrnehmung der ihnen eigentlich selbst zustehenden Beteiligungsrechte beauftragen können. Außerhalb dieser Delegation nach §§ 50 Abs. 2, 58 Abs. 2 BetrVG kann keine Beauftragung erfolgen. Insbesondere ist es nicht möglich, sich auf die Wahrnehmung von Beteiligungsrechten durch den Betriebs- oder Gesamtbetriebsrat zu verständigen, wenn eigentlich der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat gemäß §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 BetrVG zuständig ist. Betriebsvereinbarungen, die außerhalb der nach dem Gesetz denkbaren Zuständigkeit abgeschlossen werden, sind unwirksam175. Ungeachtet dessen besteht allerdings die Möglichkeit, dass eine Arbeitnehmervertretung, die nach den vorstehenden Grundsätzen materiell-rechtlich
175 Richardi/Richardi, BetrVG § 77 Rz. 48, 71.
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Errichtung einer Einigungsstelle bei Sonderleistungen der Konzernobergesellschaft
schlussendlich nicht zuständig ist, den Arbeitgeber bzw. die Konzernobergesellschaft zwingen kann, jedenfalls eine Einigungsstelle einzurichten. Hintergrund ist § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG. Danach kann ein Antrag auf Einsetzung der Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 2 S. 2, 3 BetrVG wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle „offensichtlich unzuständig“ ist. Auf diese Weise können Arbeitgeber und Betriebsrat durchaus gezwungen werden, in einer Einigungsstelle zusammen zu kommen. Erste Aufgabe der Einigungsstelle ist es dann aber, auf der Grundlage von §§ 50, 58 BetrVG festzustellen, ob und inwieweit überhaupt eine Zuständigkeit des jeweils beteiligten Betriebs-, Gesamt- oder Konzernbetriebsrats gegeben ist. Sieht die Einigungsstelle mit der Mehrheit der Stimmen keine Zuständigkeit, stellt sie dies fest und das Einigungsstellenverfahren zugleich ein. Wenn Arbeitgeber oder Betriebsrat diese Entscheidung für falsch halten, kann keine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs erhoben werden. Beschlüsse der Einigungsstelle, mit denen diese ihre Zuständigkeit bejaht oder verneint haben, begründen – so das BAG – als Entscheidungen über eine Rechtsfrage kein Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien. Die Zuständigkeit der Einigungsstelle sei abhängig vom Bestehen eines Mitbestimmungsrechts. Nur hierüber könnten die Gerichte mit Bindungswirkung entscheiden176. Eine über das Vorliegen eines Rechtsverhältnisses hinausgehende (fristgebundene) Rechts- und Ermessenskontrolle von Einigungsstellensprüchen sei nach § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG nur für solche Entscheidungen eröffnet, in denen die Einigungsstelle eine der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegende Angelegenheit abschließend materiell ausgestaltet habe. Auf andere Beschlüsse der Einigungsstelle finde die Vorschrift keine Anwendung177. Denkbar ist aber, dass die jeweils betroffene Arbeitnehmervertretung ein Beschlussverfahren mit dem Ziel einleitet, das Bestehen oder Nichtbestehen eines konkreten Mitbestimmungsrechts festzustellen. Daran anknüpfend muss dann gegebenenfalls erneut die Einigungsstelle angerufen und schlussendlich auch durchgeführt werden. Diese Systematik wird noch einmal deutlich in zwei Entscheidungen des LAG Nürnberg. So hat das LAG Nürnberg bereits mit Beschluss vom 23.2.2021178 auf Antrag des Betriebsrats eines gemeinsamen Betriebs zweier Konzerngesellschaften über die Einsetzung einer Einigungsstelle wegen Boni stattgegeben, die auf der Grundlage einer Entscheidung des Gesellschafters der im 176 BAG v. 23.2.2016 – 1 ABR 18/14, NZA 2016, 838 Rz. 13. 177 BAG v. 23.2.2016 – 1 ABR 18/14, NZA 2016, 838 Rz. 14. 178 LAG Nürnberg v. 23.2.2021 – 6 GaBV 1/21, NZA-RR 2021, 254 Rz. 30 ff.
613
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Ausland befindlichen Konzernobergesellschaft an in inländischen Betrieben beschäftigte Mitarbeiter gezahlt werden sollte. Denn es sei in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt, ob in einem solchen Fall – in der ein Konzernbetriebsrat nicht gebildet werden könne – die auf niedrigerer Ebene gebildeten Mitbestimmungsgremien zu beteiligen seien. Dies hatte das BAG im Beschluss vom 23.5.2018179 für möglich gehalten180. Mit vergleichbaren Überlegungen hatte das LAG Nürnberg im Beschluss vom 21.6.2021181 auf Antrag des Betriebsrats einer Konzerntochter eine Einigungsstelle eingesetzt, nachdem die Konzernobergesellschaft mit Sitz im Ausland beschlossen hat, allen Mitarbeitern weltweit eine einheitliche Corona-Prämie zukommen zu lassen. Auch hier ist das LAG Nürnberg davon ausgegangen, dass die Verlagerung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auf den Betriebsrat der deutschen Tochtergesellschaft zumindest nicht offensichtlich aus Rechtsgründen ausgeschlossen sei, wenn kein Konzernbetriebsrat existiere, weil im Geltungsbereich des BetrVG nur ein einziger Betrieb einer Konzerntochter vorhanden sei. Dies gelte erst recht dann, wenn die Konzernobergesellschaft gleichzeitig als Komplementärgesellschaft der – den in Deutschland gelegenen Betrieb führenden – Konzerntochter fungiere. In dieser Konstellation könne von „fehlender Einflussmöglichkeit“ der Konzerntochter nicht ausgegangen werden. Auf der Grundlage der Ausgestaltung von § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG ist dieser Sichtweise zuzustimmen. Wenn keine offensichtliche Unzuständigkeit gegeben ist, muss die Einigungsstelle eingesetzt werden. Die hiervon abweichende Entscheidung des ArbG Stuttgart vom 7.6.2021182 ist nicht verallgemeinerungsfähig. Dort war die Einsetzung der Einigungsstelle mit dem Gesichtspunkt der Verwirkung des denkbaren Mitbestimmungsrechts abgelehnt worden. Umso wichtiger ist es aber, nicht nur im Vorfeld etwaiger Entscheidungen über Sonderleistungen, die mehrere Konzernunternehmen betreffen, die denkbare Zuständigkeit der verschiedenen Arbeitnehmervertreter im Auge zu behalten. Im Zweifel sollte der Zweck, der mit der Sonderleistung verfolgt wird, so definiert werden, dass sich daraus auch klare Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit des Betriebs-, Gesamt- oder Konzernbetriebsrats ergeben. Schließlich wird auch die Antwort auf die Frage, ob eine Entscheidung dieser Angelegenheit nicht durch den Betriebs- oder Gesamtbetriebsrat getroffen
179 BAG v. 23.5.2018 – 7 ABR 60/16, NZA 2019, 1562 Rz. 26. 180 Abl. Fitting, BetrVG § 54 Rz. 34; Linsenmaier, Festschrift 100 Jahre Betriebsverfassungsrecht S. 409, 419 ff. 181 LAG Nürnberg v. 21.6.2021 – 1 TaBV 11/21, NZA-RR 2021, 551 Rz. 70 ff. 182 ArbG Stuttgart v. 7.6.2021 – 7 BV 103/21 n. v.
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Errichtung einer Einigungsstelle bei Sonderleistungen der Konzernobergesellschaft
werden kann, maßgeblich durch den Zweck, der mit einer Sonderleistung verfolgt wird, bestimmt. (Ga)
615
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I. 1.
Betriebsänderung und Betriebsübergang
Arbeitnehmerüberlassung an den Erwerber nach Widerspruch bei Betriebsübergang
Nicht immer gelingt es bei einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang, alle hiervon betroffenen Arbeitnehmer zu überzeugen, das Arbeitsverhältnis beim Erwerber fortzusetzen. Wenn diese Bereitschaft nicht besteht, kann dies durch den Arbeitnehmer durch Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a Abs. 6 BGB ohne weiteres verhindert werden1. Hat der bisherige Arbeitgeber eine Möglichkeit, diesen Arbeitnehmer auf einen anderen Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen, ist ein solcher Widerspruch kein Problem. Herausfordernd wird die Situation allerdings dann, wenn im Anschluss an einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang für den bisherigen Arbeitgeber keine Möglichkeit mehr besteht, diesen Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz zu beschäftigen. Wenn die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit nicht durch die Vereinbarung von Arbeitnehmerüberlassung bzw. Personalgestellung kompensiert werden soll2, muss über eine betriebsbedingte Kündigung nachgedacht werden. Diese kann den widersprechenden Arbeitnehmer oder einen anderen Arbeitnehmer betreffen, der auf einem vergleichbaren Arbeitsplatz tätig, aber nach den Kriterien in § 1 Abs. 3 KSchG weniger schutzwürdig ist. Unabhängig von den Risiken einer solchen Kündigung ist die fehlende Möglichkeit einer Beschäftigung des widersprechenden Arbeitnehmers häufig auch mit der Problematik verbunden, dass auch ohne Beschäftigung die Vergütung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterbezahlt werden muss (§ 615 S. 1, 3 BGB). Das kann gerade bei älteren Arbeitnehmern mit längerer Kündigungsfrist zu einer nicht unerheblichen Belastung führen. Bereits in seinem Urteil vom 19.3.19983hatte das BAG deutlich gemacht, dass die wirtschaftlichen Risiken des Annahmeverzugs auch im Zusammenhang mit einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang durch § 615 S. 2 BGB gemindert werden könne. Danach muss sich der Arbeitnehmer während der Dauer des Annahmeverzugs dem Wert desjenigen anrechnen lassen, was er in Folge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Diese
1 2 3
Gaul/Gaul/ B. Otto, Arbeitsrecht der Umstrukturierung Rz. 15. ff. Hierzu vgl. Gaul/ Gaul/B. Otto, Arbeitsrecht der Umstrukturierung Rz. 11. 263 ff. BAG v. 19.3.1998 – 8 AZR 139/97, NZA 1998, 750.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
Rechtsprechung hat das BAG jetzt in seinem Urteil vom 19.5.20214 noch einmal bestätigt. In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Beklagte die Klägerin im Mai 2019 über den geplanten Übergang ihres Arbeitsverhältnisses als Folge eines Betriebsteilübergangs zum 1.7.2019 unterrichtet. Nachdem die Klägerin den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprochen hatte, wies die Beklagte sie daraufhin, dass mit dem Erwerber vereinbart worden sei, dass im Fall eines Widerspruchs gegen den Betriebsteilübergang die beim Erwerber entstehende Vakanz für einen Zeitraum von zwölf Monaten im Wege der Arbeitnehmerüberlassung kompensiert werden solle. Sie bot daher der Klägerin an, vom 1.8.2019 bis zum 31.7.2020 zu ansonsten unveränderten Bedingungen mit ihrer bisherigen Tätigkeit als Leiharbeitnehmerin bei dem Erwerber zu arbeiten. Nachdem die Klägerin dieses Angebot abgelehnt hat, stellte die Beklagte die Gehaltszahlungen zum 1.8.2019 ein. Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung war nunmehr die Frage, ob die Beklagte der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs heraus vom 1.8.2019 bis zum 31.1.2020 Vergütung in Höhe von 31.323, 86 Euro (brutto) zu zahlen hatte. Dabei berief sich die Klägerin nicht nur auf § 615 S. 1, 3 BGB. Vielmehr machte sie geltend, dass sie für einen Teil der Tage im August auch Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bzw. Urlaubsentgelt gehabt habe. Das BAG hat die Entscheidung des LAG Hessen bestätigt und Zahlungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs abgelehnt. Gleichzeitig hat es allerding die Entscheidung auch insoweit bestätigt, als die Beklagte verurteilt worden war, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsentgelt zu leisten. In Übereinstimmung mit seinen generellen Feststellungen zur Einschränkung etwaiger Ansprüche aus Annahmeverzug durch § 615 S. 2 BGB, auf die wir an anderer Stelle verwiesen hatten5, hat das BAG darauf verwiesen, dass ein Arbeitnehmer anderweitigen Verdienst böswillig i. S. d. § 615 S. 2 BGB unterlasse, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden könne, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibe und eine ihm nach treuem Glauben (§ 242 BGB) zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnehme oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindere. Maßgebend seien dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls. Wichtig allerdings ist, dass insoweit auch Beschäftigungsmöglich-
4 5
BAG v. 19.5.2021 – 5 AZR 420/20, NZA 2021, 1324 Rz. 14 ff. Vgl. Boewer, AktuellAR 2021, 517 ff., 521 ff.
618
Arbeitnehmerüberlassung an den Erwerber nach Widerspruch
keiten bei dem Arbeitgeber, der sich mit der Annahme der geschuldeten Dienste des Arbeitnehmers in Verzug befindet, einbezogen werden müssten. Dasselbe gelte – so das BAG – beim Betriebsübergang für eine Erwerbsmöglichkeit beim neuen Betriebsinhaber, selbst wenn der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen habe6. In dem hier in Rede stehenden Fall ist das BAG von der Zumutbarkeit der angebotenen Tätigkeit ausgegangen. Denn nach dem Angebot der Beklagten sollten sich weder die Art der Tätigkeit, noch der Arbeitsort, noch die von der Klägerin bezogene Vergütung ändern. Sie hätte auch nicht vorübergehend in ein „klassisches“ Leiharbeitsverhältnis wechseln müssen, sondern lediglich ihre bisherige Arbeitsleistung zu den bisherigen Konditionen für einen Dritten erbringen müssen. Dabei wäre sie zwar, soweit es die Arbeitsleistung betrifft, (auch) dem Direktionsrecht des Dritten unterworfen gewesen. Da die Klägerin aber keine Bedenken hinsichtlich der Person des Erwerbers geltend gemacht hatte, war für den 5. Senat nicht ersichtlich, welche konkreten und unzumutbare Nachteile mit dem „gespaltenen Direktionsrecht“ für die Klägerin verbunden gewesen wären7. Nach der ausdrücklichen Feststellung des BAG würde die Unzumutbarkeit der angebotenen Tätigkeit im Streitfall auch dann nicht anzunehmen sein, wenn dem Arbeitgeber – entgegen seinem Tatsachenvortrag – die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gefehlt hätte. Zwar hätte die Klägerin im Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung geltend gemacht, dass die Beklagte keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besessen habe. Sie habe sich aber weder zum maßgeblichen Zeitpunkt des Angebots der Beklagten noch im Verlauf des Verfahrens darauf berufen, die angebotene anderweitige Beschäftigung sei ihr gerade wegen der fehlenden Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung unzumutbar gewesen. Hinzu komme, dass sie auch bei fehlender Erlaubnis keine Nachteile hätte erleiden können. Denn selbst wenn für den vorgesehen Zeitraum von zwölf Monaten entsprechend § 10 Abs. 1 AÜG ein befristetes Arbeitsverhältnis mit der Entleiherin begründet worden wäre, hätte dies nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Arbeitsvertrags geführt und damit den Fortbestand ihres (Dauer-)Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten nicht berührt. Zumindest hätte die Klägerin – hielte man dies für erforderlich – eine Festhaltenserklärung nach § 9 Abs. 1 Zif. 1 Abs. 2 AÜG abgeben können8.
6 7 8
BAG v. 19.5.2021 – 5 AZR 420/20, NZA 2021, 1324 Rz. 15; BAG v. 19.3.1998 – 8 AZR 139/97, NZA 1998, 750, 752. BAG v. 19.5.2021 – 5 AZR 420/20, NZA 2021, 1324 Rz. 17. BAG v. 19.5.2021 – 5 AZR 420/20, NZA 2021, 1324 Rz. 20 f.
619
Betriebsänderung und Betriebsübergang
Zu Recht hat das BAG in seinem Urteil vom 19.5.20219 indes deutlich gemacht, dass § 615 S. 2 BGB Ansprüchen auf Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall ebenso wenig wie Ansprüchen auf Urlaubsentgelt entgegensteht. Zwar hätte die Klägerin, wäre sie nicht in Folge von Krankheit arbeitsunfähig gewesen, wegen § 615 S. 2 BGB keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs gehabt. Diese hypothetische Betrachtungsweise greife jedoch – so das BAG – zu kurz. Denn wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank sei, treffe ihn für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit keine Obliegenheit zur anderweitigen Arbeit, so dass in dieser Zeit ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs gemäß § 615 S. 2 BGB grundsätzlich ausscheide und der Vergütungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG fortbestehe. § 615 S. 2 BGB verdrängt damit nicht den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Etwas anderes kann lediglich dann gelten, wenn § 615 S. 2 BGB während einer Freistellung zur Anwendung kommt. Ähnlich gilt dies für die Dauer eines etwaigen Erholungsurlaubs, der hier noch vor der Auseinandersetzung über die anderweitige Beschäftigung für den August 2019 gewährt worden war. Denn während des Urlaubs scheide – so das BAG – nicht nur eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes aus. Es bestehe auch keine Obliegenheit des Arbeitnehmers, im Urlaub anderweitigen Verdienst zu erzielen. Einer solchen Obliegenheit stünde das Verbot der Erwerbstätigkeit während des Urlaubs nach § 8 BUrlG entgegen. Außerdem sei ausschließlich das anzurechnen, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft hätte erwerben können, den er dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen verpflichtet gewesen sei. Während eines genehmigten Urlaubs sei der Arbeitnehmer aber generell nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Der Entscheidung des BAG ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Für die betriebliche Praxis folgt daraus freilich die Notwendigkeit, im Zusammenhang mit solchen Übertragungsvorgängen zwischen den beteiligten Rechtsträgern zu vereinbaren, dass eine entsprechende Beschäftigungsmöglichkeit geschaffen und den betroffenen Arbeitnehmern zur Beseitigung etwaiger Ansprüche aus Annahmeverzug auch angeboten wird. Dabei geht es nicht nur um eine Tätigkeit im Wege der Arbeitnehmerüberlassung. Ebenso denkbar ist es, dass der Erwerber anbietet, den widersprechenden Arbeitnehmer vorübergehend – gegebenenfalls für die Dauer der Kündigungsfrist – im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen. Auch eine solche Tätigkeit ist unter Berücksichtigung der
9
BAG v. 19.5.2021 – 5 AZR 420/20, NZA 2021, 1324 Rz. 25 ff, 29 ff.
620
Kündigungen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang?
Feststellungen des BAG zumutbar, was zur Folge hat, dass der Vergütungsanspruch gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber für die Dauer der angebotenen Tätigkeit beim Erwerber nicht mehr besteht. (Ga)
2.
Rechtsprechungsänderung bei Kündigungen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang?
a)
Ausgangssituation
Bereits im vergangenen Jahr hatte wir intensiv über die Entscheidungen des BAG berichtet, die sich mit den Kündigungen des Insolvenzverwalters von Airberlin beschäftigten. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, welche Kriterien an die Kennzeichnung eines Betriebs i. S. d. § 17 Abs. 1 KSchG zu stellen sind. Dieser Begriff ist nicht nur maßgeblich für die Feststellung, ob mit den jeweils in Rede stehenden Entlassungen die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG überschritten werden. Vielmehr ist der Betrieb i. S. d. § 17 KSchG auch der Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG und der Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 KSchG zugrunde zu legen. Wird eine hiervon abweichende Einheit berücksichtigt, kann dies – wie das BAG aufgezeigt hat – zur Unwirksamkeit sämtlicher Kündigungen führen. Dies gilt selbst dann, wenn die Kennzeichnung des Betriebs i. S. d. § 17 KSchG mit einer Änderung der Rechtsprechung des BAG verbunden ist und Auskünften der Agentur für Arbeit widerspricht, die während des Verfahrens nach § 17 KSchG zur Klärung durch den Arbeitgeber einbezogen worden ist10. Bemerkenswert an diesen Entscheidungen war indes nicht nur die Klarstellung, die damit in Bezug auf § 17 KSchG verbunden war. Erhebliche Bedeutung für die Betriebspraxis war auch mit dem Umstand verbunden, dass der 8. Senat des BAG in seinem Urteil vom 27.2.202011 und der 6. Senat des BAG in seinem nachfolgenden Urteil vom 14.5.2020.12 trotz gleichem Sachverhalt unterschiedliche Auffassungen zur Anwendbarkeit von § 613 a BGB zum Ausdruck gebracht hatten. Während der 8. Senat des BAG im Zusammenhang mit der Veräußerung einzelner Flugzeuge einen Betriebs- bzw. Betriebsteilübergang nach § 613 a BGB grundsätzlich anerkennen wollte, aber unionsrechtlichen Klärungsbedarf sah, hatte der 6. Senat des BAG eine Anwendbarkeit von § 613 a BGB ohne das Erfordernis eines Vorabentscheidungsersuchens abgelehnt. Nach seiner Auffassung waren die in Rede stehenden
10 Eingehend B.Gaul, AktuellAR 2020, 179 ff., 519 ff., 2021, 189 ff. 11 BAG v. 27.2.2020 – 8 AZR 215/19, NZA 2020, 1303. 12 BAG v. 14.5.2020 –.6 AZR 235/19, NZA 2020, 1091.
621
Betriebsänderung und Betriebsübergang
Betriebsmittel nicht die wesentlichen Betriebsmittel einer bereits vor ihrer Veräußerung als Betrieb oder Betriebsteil organisatorisch abgrenzbaren Einheit. Diese Einheit müsse aber vorliegen, um überhaupt von einem Betriebsoder Betriebsteilübergang auszugehen. Unabhängig davon hatte der 8. Senat des BAG in seinem Urteil vom 27.2.202013 erhebliche Zweifel an einer Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des BAG zu Kündigungen im Zusammenhang mit einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang erkennbar gemacht. Sollten diese Fragen erneut höchstrichterlich zu entscheiden sein, hält er ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH für erforderlich, um die notwendige Klärung herbeiführen zu können. Darauf sei vorliegend hingewiesen.
b)
Betriebsteilübergang im Zusammenhang mit einer Stilllegung des Restbetriebs
Der erste Teil der Ausführungen des Senats betrifft den Fall, dass ein Betriebsteilübergang mit der Entscheidung des Arbeitgebers verbunden ist, den verbleibenden Restbetrieb stillzulegen. In diesen Fällen war das BAG bislang davon ausgegangen, dass vor einer Kündigung im Restbetrieb durch den Arbeitgeber eine Sozialauswahl erfolgen müsse, die auch vergleichbare Arbeitnehmer in dem Betriebsteil erfasse, der von einer Übertragung auf einen anderen Rechtsträger betroffen sei14. Dies konnte zur Konsequenz haben, dass Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis als Folge ihrer Zugehörigkeit zu dem von der Übertragung betroffenen Betrieb oder Betriebsteil an sich auf einen anderen Rechtsträger übergehen würde, als Folge einer Kündigung wegen der Stilllegung des Restbetriebs eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses hinnehmen mussten, weil der im Restbetrieb beschäftigte (vergleichbare) Arbeitnehmer nach Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und einer etwaigen Schwerbehinderung schutzbedürftiger war. Der 8. Senat des BAG hat Zweifel, ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden kann. Aus seiner Sicht spreche manches dafür, dass diese Rechtsprechung nicht ohne weiteres mit der Rechtsprechung des EuGH vereinbar sei, wonach der Schutz der Richtlinie 2001/23/EG bei der Übertragung eines Teils des Betriebs/Unternehmens dem in diesem Betriebs-/Unternehmensteil beschäftigten Arbeitnehmer gelte, da das Arbeitsverhältnis inhaltlich durch die Verbindung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebs-/Unternehmensteil gekennzeichnet werde, dem er zur Erfüllung seiner Aufgabe angehöre und die Arbeitsverhältnisse ipso iure auf den Erwerber/neuen Inhaber übergingen.
13 BAG v. 27.2.2020 – 8 AZR 215/19, NZA 2020, 1303 Rz. 157 ff., 168 ff. 14 Vgl. BAG v. 21.5.2015 – 8 AZR 409/19, EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 165 Rz. 57 ff.
622
Kündigungen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang?
Die Bedenken des 8. Senats des BAG erscheinen nicht unberechtigt. Denn schlussendlich wird einem Arbeitnehmer, der einem Betrieb- oder Betriebsteil angehört, nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG der durch Unionsrecht vorgegebene Schutz aus § 613 a BGB entzogen, wenn die Sozialauswahl vor einer Kündigung der im Restbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer seine geringere Schutzbedürftigkeit zum Ergebnis hat. Denn in diesem Fall endet sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung, obwohl auf der Grundlage der Richtlinie 2001/23/EG an sich ein Übergang auf den übernehmenden Rechtsträger erfolgen sollte.
c)
Verteilung der Darlegungs- und Beweislast
Losgelöst von den materiell-rechtlichen Bedenken, die vorstehend aufgezeigt wurden, hat der 8. Senat des BAG auch Zweifel an der bisherigen Rechtsprechung zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in solchen Fällen festzuhalten, in denen im Zusammenhang mit einer Kündigung der Vorwurf im Raum steht, dass die Kündigung wegen Missachtung von § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB unwirksam sei. In solchen Sachverhalten war die Rechtsprechung bislang davon ausgegangen, dass es dem Kläger obliege, darzulegen und gegebenenfalls auch im Streitfall zu beweisen, dass die Kündigung im Zusammenhang mit einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang erfolgt sei. Erst wenn insoweit die grundsätzliche Anwendbarkeit von § 613 a BGB geklärt sei, obliege es dem Arbeitgeber, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Kündigung nicht wegen des Betriebs- oder Betriebsteilübergangs erfolgt sei15. Auch diese Rechtsprechung könnte – so der 1. Senat – im Widerspruch zu der Rechtsprechung des EuGH stehen, die bei der Anwendung von § 613 a BGB zu beachten sei. Denn nach seiner Auffassung spreche viel für die Annahme, dass angesichts der zwingenden Regelungen in der Richtline 2001/23/EG, von denen nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden dürfe, sowie angesichts der zwingenden Vorschriften der Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer gegen eine wegen des Übergangs erfolgte Kündigung im Besonderen16 und angesichts der Verpflichtung, die praktische Wirksamkeit der Regeln zum Kündigungsverbot in Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/23/EG zu gewährleisten, die Darlegungs- und Beweislast nicht bzw. nicht hauptsächlich auf Seiten des Arbeitnehmers liegen dürfe. Auch diese Frage einer Auslegung
15 Vgl. BAG v. 16.2.2006 – 8 AZR 204/05, NZA 2006, 794 Rz. 24,26 f.; BAG v. 5.12.1985 – 2 AZR 3/85, NZA 1986, 522. 16 Vgl. EuGH v.7.8.2018 – C-472/16, NZA 2018, 112 Rz. 50 – Colino Sigüenza.
623
Betriebsänderung und Betriebsübergang
der Richtlinie 2001/23/EG könne aber letztentscheidend nur durch den EuGH beantwortet werden.
d)
Fazit
Es ist außerordentlich wichtig, diese denkbare Änderung der bisherigen Rechtsprechung bei der Vorbereitung von Restrukturierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem rechtsgeschäftlichen Betriebs- oder Betriebsteilübergang im Auge zu behalten. Insbesondere eine Änderung der bisherigen Vorgaben im Zusammenhang mit einem Betriebsteilübergang, der parallel zu einer Stilllegung des Restbetriebs durchgeführt wird, verändert den Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer ganz erheblich. Abzuwarten bleibt freilich, ob es zu einer solchen Vorlage kommen wird. Sie kann zwar jederzeit durch ein Instanzgericht veranlasst werden, das die Bedenken des 8. Senats des BAG teilt und selbst eine Klärung durch den EuGH bewirken will. Eine Vorlagepflicht der Instanzgerichte besteht indes nicht. Das BAG hingegen müsste, wenn diese Frage dort erheblich würde, eine entsprechende Vorlage nach Art. 267 AEUV vornehmen. Bedeutung dürfte dann aber der Umstand gewinnen, dass inzwischen der 2. Senat des BAG die Zuständigkeit für diese Fragen hat. (Ga)
3.
Betriebsübergang: Unbeachtlichkeit irrelevanter Fehler im Unterrichtungsschreiben für den Ablauf der Widerrufsfrist
Bei einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang sind der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber gem. § 613 a Abs. 5 BGB verpflichtet, die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform über den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen zu unterrichten. Darüber hinaus ist selbstverständlich über den neuen Inhaber selbst in entsprechender Weise zu unterrichten17. Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung gem. § 613 a Abs. 6 BGB widersprechen. Voraussetzung für den Beginn der Widerspruchsfrist ist allerdings, dass eine ordnungsgemäße Unterrichtung erfolgt ist. Fehlt eine Unterrichtung oder ist sie nicht ordnungsgemäß vorgenommen worden, kann der Wider-
17 Eingehend Gaul/Gaul/B. Otto, Arbeitsrechtliche Umstrukturierung Rz. 11.7 ff.
624
Unbeachtlichkeit irrelevanter Fehler im Unterrichtungsschreiben
spruch auch nach Ablauf der Monatsfrist in den Grenzen der Verwirkung (§ 242 BGB) erfolgen18. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG kommt es für den fehlenden Beginn der Widerspruchsfrist nicht darauf an, ob der Fehler, der im Unterrichtungsschreiben gemacht wurde, durch den Arbeitnehmer überhaupt erkannt worden ist. Insofern spiele es auch keine Rolle, ob der Arbeitnehmer durch diesen Fehler veranlasst worden ist, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht zu widersprechen19. Problematisch an dieser Sicherweise ist allerdings, dass sich in einem Unterrichtungsschreiben, das inhaltsgleich für eine Vielzahl von Arbeitnehmern vorbereitet wird, häufig auch Informationen befinden, die für das Arbeitsverhältnis einzelner Arbeitnehmer keine Bedeutung haben. Entsprechendes gilt für Fehler, die im Rahmen solcher Bestandteile eines Unterrichtungsschreibens gemacht werden. Beispielhaft sei insoweit nur auf Besonderheiten für Betriebsratsmitglieder verwiesen, deren Mandat im Zusammenhang mit einem Betriebsteilübergang beendet wird. Hier ist eine fehlerhafte Darstellung der Rechtsfolgen in Bezug auf den Sonderkündigungsschutz aus §§ 15 KSchG, 103 BetrVG denkbar. Ebenfalls denkbar ist es, dass Besonderheiten, die sich bei einer (nur) arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, aus dem Sonderkündigungsschutz von Schwerbehinderten oder aus Ansprüchen auf betriebliche Altersversorgung ergeben, in deren Geltungsbereich nur ein Teil der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer einbezogen ist, im Unterrichtungsschreiben falsch dargestellt werden, diese Darstellung aber nur für einen Teil der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer relevant ist. Wenn man die bisherige Sichtweise des BAG uneingeschränkt auch auf diese Fallgestaltungen zur Anwendung bringt, hat der Fehler in diesen Teilen des Unterrichtungsschreibens zur Folge, dass die Monatsfrist für den Widerspruch nach § 613 a Abs. 6 BGB auch dann nicht beginnt, wenn dieser Teil des Unterrichtungsschreibens für einen vom Übergang des Arbeitsverhältnisses betroffenen Arbeitnehmer gar keine Bedeutung hat. Damit könnte der Arbeitnehmer in Grenzen der Verwirkung auch nach Ablauf der Monatsfrist dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen. Hiervon ausgehend war bereits an anderer Stelle die Auffassung vertreten worden, dass eine Verlängerung der Widerspruchsfrist nur durch solche
18 Eingehend Gaul/Gaul/B. Otto, Arbeitsrechtliche Umstrukturierung Rz. 11 ff. 19 BAG v. 14.12.2006 – 8 AZR 763/05, NJW 2007, 2134 Rz. 42; BAG v. 20.3.2008 – 8 AZR 1016/06, NZA 2008, 1354 Rz. 37.
625
Betriebsänderung und Betriebsübergang
Fehler eines Unterrichtungsschreibens ausgelöst werden kann, die für den Arbeitnehmer, der nach Ablauf der Monatsfrist widerspricht, überhaupt relevant sind20. Dass insoweit eine differenzierte Betrachtung durchaus zulässig ist, hat das BAG bereits mit seinem Urteil vom 15.12.201621 deutlich gemacht. Nach seinen dortigen Feststellungen führt eine fehlende Information über die Sozialplanprivilegierung nach § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG des neuen Inhabers zwar dazu, dass die Widerspruchsfrist nach § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB nicht in Gang gesetzt wird. Mit dem Ablauf des Privilegierungszeitraums von vier Jahren seit der Gründung des Unternehmens des neuen Inhabers werde dieser Fehler in der Unterrichtung aber geheilt. Zu diesem Zeitpunkt beginne im Hinblick auf diese Unterrichtungsfehler entsprechend § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB eine Widerspruchsfrist von einem Monat zu laufen. Dies entspricht schlussendlich der Annahme, dass der Fehler jedenfalls von diesem Zeitpunkt an nicht mehr relevant war. Auch in seinem Urteil vom 22.7.202122 hat sich das BAG noch einmal intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen aus dem Gesichtspunkt der Verwirkung eine zeitliche Grenze für das Widerspruchsrecht abgeleitet werden kann, wenn die Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB fehlerhaft erfolgt ist. Bemerkenswert für die betriebliche Praxis ist allerdings, dass der 2. Senat des BAG, der für diese Fragen inzwischen zuständig ist, ausdrücklich offengelassen hat, ob an inhaltlichen Anforderungen an das Unterrichtungsschreiben und den Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerspruchsfrist, wie sie durch die bisherige Rechtsprechung aufgestellt wurden, uneingeschränkt festzuhalten sei oder ob jedenfalls bei Fehlern, die regelmäßig für den Bildungsprozess der Arbeitnehmer ohne Belang seien, eine differenzierte Betrachtungsweise erforderlich sei. Denn der Widerspruch war bereits aus anderen Gründen nicht wirksam erklärt worden23. Natürlich hat das BAG keine Entscheidung getroffen. Dennoch könnte sich mit dieser Entscheidung eine kleine Änderung der bisherigen Rechtsprechung ankündigen. Sie wäre zu begrüßen, weil sie doch berechtigterweise in den Vordergrund stellt, dass der fehlende Beginn der Widerspruchsfrist nur geboten ist, wenn der betroffene Arbeitnehmer auch Adressat der fehlerhaften Unterrichtung gewesen ist. Wenn Informationen diesen Arbeitnehmer gar nicht betreffen, bestand diesbezüglich auch keine Unterrichtungspflicht, so dass die Pflichtverletzung den Arbeitnehmer auch gar nicht betrifft. (Ga)
20 21 22 23
Gaul/Gaul/B. Otto, Arbeitsrechtliche Umstrukturierung Rz. 11.196. BAG v. 15.12.2016 – 8 AZR 612/15, NZA 2017, 783 Rz. 28. BAG v. 22.7.2021 – 2 AZR 6/21, NJW 2021, 3345 Rz. 16 ff. BAG v. 22.7.2021 – 2 AZR 6/21, NJW 2021, 3345, Rz. 22.
626
J.
Aktuelles aus Steuer- und Sozialversicherungsrecht
1.
Steuerliche Behandlung von „Turboprämien“ bei vorzeitiger Vertragsbeendigung
Vielfach werden Aufhebungsverträge in der betrieblichen Praxis mit einer sog. „Turboklausel“ verknüpft. Danach hat der Arbeitnehmer das Recht, die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einseitige (schriftliche) Erklärung zu bewirken. Auch wenn darin angesichts der Kürze der im Regelfall vereinbarten Frist ein Verstoß gegen § 622 Abs. 4, 5 BGB liegt, ist eine entsprechende Klausel wirksam. Mit ihr wird zugunsten des Arbeitnehmers von der gesetzlichen Vorgabe abgewichen1. Als Anreiz einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird bei einer solchen Klausel typischerweise vereinbart, dass der Arbeitnehmer das Restgehalt, das vom Tage der vorzeitigen Beendigung bis zum ursprünglich vereinbarten Beendigungszeitpunkt eigentlich hätte gezahlt werden müssen, ganz oder teilweise als Abfindung bzw. Zuschlag zu der ohnehin vereinbarten Abfindung erhält. Für den Arbeitgeber liegt darin der Vorteil, dass jedenfalls keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Für den Arbeitnehmer liegt darin der Vorteil, dass er eine Anschlussbeschäftigung aufnehmen kann, ohne dass eine Anrechnung der dort erzielten Vergütung gemäß § 615 S. 2 BGB in Rede steht. Mit Gerichtsbescheid vom 31.5.20212 hat das FG Hessen klargestellt, dass eine solche Abfindung bzw. der Zuschlag zu einer Abfindung als außerordentliche Einkünfte gem. § 24 Nr. 1 lit. a), 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG zu behandeln ist. Damit beträgt die darauf anzusetzende Einkommensteuer das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zzgl. eines Fünftels dieser Einkünfte. Ist das verbleibende zu versteuernde Einkommen negativ und das zu versteuernde Einkommen positiv, so beträgt die Einkommenssteuer das Fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer. Von dieser Sichtweise ausgehend, hat das FG Hessen einen hiervon abweichenden Einkommensteuerbescheid aufgehoben. Darin hatte das Finanzamt 1 2
BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361 Rz. 38. FG Hessen v. 31.5.2021 – 10 K 1597/20 n. v. Rz. 20 ff.
627
Aktuelles aus Steuer- und Sozialversicherungsrecht
die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Zahlung, die wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geleistet wurde, um laufenden Arbeitslohn aus nichtselbständiger Arbeit handele, der gemäß § 19 Abs. 1 EStG zu behandeln sei. Für die betriebliche Praxis ist diese Klarstellung außerordentlich hilfreich. Insbesondere dann, wenn eine hohe Abfindung in einem Kalenderjahr zur Auszahlung kommt, innerhalb dessen im Übrigen keine hohen Einkünfte erzielt werden, kann auf diese Weise für den Arbeitnehmer ein nicht unerheblicher steuerlicher Vorteil bewirkt werden. Gleichzeitig vermeiden beide Seiten die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen. Wenn nur eine prozentuale Umwandlung des Restgehalts in einer Abfindung vereinbart wird, werden arbeitgeberseitig außerdem unmittelbare Personalkosten eingespart. (Ga)
2.
Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2022 2021 West
2022 Ost
West
Ost
Monat
Jahr
Monat
Jahr
Monat
Jahr
Monat
Jahr
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Rentenversicherung) *
7.100
85.200
6.700
80.400
7.050
84.600
6.750
81.000
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Knappschaft) *
8.700
104.400
8.250
99.000
8.650
103.800
8.350
100.200
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Arbeitslosenversicherung)
7.100
85.200
6.700
80.400
7.100
85.200
6.700
80.400
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Kranken- und Pflegeversi-
4.837,50
58.050
4.837,50
58.050
4.837,50
58.050
4.837,50
58.050
Versicherungspflichtgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Kranken- und Pflegeversi-
5.362,50
64.350
5.362,50
64.350
5.362,50
64.350
5.362,50
64.350
Bezugsgröße in der Sozial-
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
versicherung ***
3.290
39.480
3.115
37.380
3.290
39.480
3.150
37.800
Geringfügigkeitsgröße
EUR
EUR
EUR
EUR
450
450
450
450
*
cherung) *
cherung) **
628
Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2022
*
Hierbei handelt es sich um den Maximalbetrag, bis zu dem in der jeweiligen Sozialversicherung Beiträge erhoben werden dürfen. Der Einkommensanteil, der über diesem Grenzbetrag liegt, ist beitragsfrei.
**
Eine private Krankenversicherung darf gewählt werden, wenn im vergangenen Jahr die Versicherungspflichtgrenze überschritten wurde und auch im aktuellen Kalenderjahr noch überschritten wird.
***
In der gesetzlichen Krankenversicherung ist diese Bezugsgröße beispielsweise Grundlage für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder und das Mindestarbeitsentgelt. In der gesetzlichen Rentenversicherung stellt die Bezugsgröße die Grundlage für die Beitragsberechnung versicherungspflichtiger Selbständiger dar. In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gilt der Wert für den Westen bundeseinheitlich. (Roe)
629
.
Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen A1-Bescheinigung 333 Abberufung, Datenschutzbeauftragter 126 ff. Abfindung - Eigenkündigung 291 ff. - Kappungsgrenze 286 f. - Klageverzicht 283 - Mannheimer Modell 294 ff. Abmahnung - Kündigung 515 ff. - Nebentätigkeit 524 ff. - Personalakte 526 - sexuelle Belästigung 515 ff. Absonderung, IfSG 6 Abtretungsverbot, Arbeitsvertrag 380 f. AG, Frauenquote 27 ff. AG, Mutterschutz 362 ff. AGB-Kontrolle - Ausschlussfrist 133 ff., 454 ff. - Bezugnahmeklausel 550 f., 555 - geltungserhaltende Reduktion 134 f. - Verschwiegenheitspflicht 548 AGG - chronische Erkrankung 54 - geschlechtliche Identität 54 - Kündigung 55 - Lebensalter 54 - Mobbing 50 - sexuelle Belästigung 54 - Sprache 54 Allgemeinverbindlicherklärung, Tarifvertrag 52 Alter - AGG 54
Ältere Arbeitnehmer, Schließungsprämie 156 ff. Altersrente → gesetzliche Altersrente Änderungskündigung - Annahmeverzug 521 ff. - Betriebsverlagerung 505 ff. - Homeoffice 203 ff., 505 ff. - ultima ratio Anderweitiger Verdienst, Aufhebungsvertrag 519 ff. Anfechtung - Aufhebungsvertrag 534, 536 - Betriebsratswahl 585 Angehörige, Pflege 305 Annahmeverzug - 3 G 344 - Änderungskündigung 521 ff. - Arbeitnehmerüberlassung 618 f. - Direktionsrecht 132 - Freistellung 517 ff. - Leiharbeit 618 f. - Lockdown 485 - Menschen mit Behinderung 129 ff. - Vergütung 617 ff. - Versetzung 521 ff. - Vertragsänderung 132 f. - Widerspruch Betriebsübergang 618 f. - Zwischenverdienst 521 ff. Anwachsung, Betriebsübergang 376 f. Arbeitgeber, Diensteanbieter 381 f. Arbeitnehmer - Auslandstätigkeit 333 631
Stichwortverzeichnis
Arbeitnehmer - Begriff 84 ff. - Blue Card 333 - Crowdworking 84 ff. - Kennzeichnung 84 ff. - Kurierdienst 85 - Plattformarbeit 84 ff., 394 f. - Vergütung 90 f. Arbeitnehmerähnliche Person - Plattformarbeit 395 - Tarifvertrag 53 Arbeitnehmerdatenschutz → Datenschutz Arbeitnehmerfreizügigkeit, Brexit 60 f. Arbeitnehmerüberlassung - 3 G 345 - Bereichsausnahme 436 ff. - Dauerarbeitsplatz 104 f., 198 f., 434 - Einschränkung 431 f. - Equal-Pay 105 ff., 435 f. - Equal-Treatment 105 ff., 435 f. - EU-Richtlinie 99, 110 f., 430 ff. - Gleichbehandlungspflicht 100 ff., 105 ff., 109 ff., 435 f. - Höchstüberlassungsdauer 100 ff., 432 ff., 435 - Kennzeichnung 431 - Koalitionsvertrag 336 - Kurzarbeit 5 - Missbrauch 434 - Personalgestellung 108 ff., 436 ff. - Personalreserve 198 f. - Tarifvertrag 435 f. - vorübergehend 104 f., 434 - Widerspruch Betriebsübergang 617 ff. Arbeitnehmervereinigung, Tariffähigkeit 559 632
Arbeitslosengeld, Covid-19-Pandemie 357 Arbeitslosenversicherung, BBG 628 Arbeitsmedizinische Prävention, C-ASR 74 Arbeitsmittel - Anspruch 410 ff. - Homeoffice 412 - mobile Arbeit 412 Arbeitsplatz - 3 G 339 ff., 342 ff. - C-ASR 72, 340, 351, 355 - Testpflicht 342 ff. Arbeitsschutz - Arbeitsplatzgestaltung 72 - Arbeitszeit 31, 139, 612 f. - Attest 76 f. - Beschäftigungspflicht 75 f. - C-ASR 30, 69, 340, 351, 355 - C-ASS 69 - C-ASV 69, 354 ff. - Datenschutz 348 ff. - Entgeltfortzahlung 79, 344 - Homeoffice 80 f., 367 f. - Hygienekonzept 75 - Infektionsschutz 69, 339 ff. - Koalitionsvertrag 338 - Kontaktreduzierung 75, 355 - Maskenpflicht 75 f., 79 - Mitbestimmung Betriebsrat 271 ff., 612 f. - mobile Arbeit 37, 367 f. - Pause 471 ff. - Telearbeit 367 f. Arbeitsschutzkontrollgesetz 29 ff. Arbeitsunfähigkeit, Datenschutz 446 Arbeitsverhältnis - Crowdworker 84 ff. - Konkurrenztätigkeit 539 ff.
Stichwortverzeichnis
Arbeitsverhältnis - Abtretungsverbot 380 f. - Ausschlussfrist 133 ff., 454 ff. - Befristung → Befristeter Arbeitsvertrag - Bezugnahmeklausel 549 ff. - Eingruppierung 556 ff. - Geschäftsgeheimnis 96, 98, 545 ff. - Homeoffice 400 f., 402 - Nebentätigkeitsverbot 524 - Nettolohnzusage 308 f. - Plattformmitarbeiter 84 ff., 394 ff. - Regelaltersgrenze 264 f. - Schriftformerfordernis 417 ff. - Tarifautomatik 556 ff. - Vergütung 90 f. - Verschwiegenheitspflicht 545 ff. Wettbewerbstätigkeit 539 ff. Arbeitszeit - Arbeitsschutz 139, 612 f. - Begriff 145 - Bereitschaftsdienst 144 ff., 473 - Betriebsratsmitglied 249 ff. - Betriebsvereinbarung 334 - C-ASR 73 - Dokumentation 368 f. - Dokumentationspflicht 37 f., 139 ff. - Einigungsstelle 607 ff. - Erfassung 368 f., 607 ff. - EU-Richtlinie 139, 144 ff. - Fleischindustrie 31, 139 - Homeoffice 147 f. - Koalitionsvertrag 334, 368 f. - MAG 37, 139, 368 f. - MiLoG 152 - Mitbestimmung Betriebsrat 140 ff., 602, 607 ff. - mobile Arbeit 37, 139
- Personalratsmitglied 249 ff. - Reaktionszeit 147 f. - Rufbereitschaft 144 ff., 472 - Ruhepause 474 - Ruhezeit 145 - Rüstzeit 31, 467 ff. - Selbständige 457 f. - Tarifvertrag 334 - technische Erfassung 607 ff. - Umkleidezeit 31, 467 ff. - Vergütung 139, 149, 467 ff. - Vertrauensarbeitszeit 334 - Waschzeit 31 - Wegezeit 467 ff. Arbeitszeiterfassung - Einigungsstelle 142 ff., 607 ff. - Kurzarbeit 312 - Mitbestimmung Betriebsrat 140 ff., 602, 607 ff. Assessment-Center, Datenschutz 446 AT-Angestellte - geborene 158 - Gehalt 158 ff., 161 f. - gekorene 159 - gesetzliche Tarifbindung 162 - Mindestabstandsklausel 158 ff. - übertarifliche Vergütung 162 f. Attest, Maskenpflicht 77 AU-Bescheinigung, Beweiswert 530 ff. Aufhebungsvertrag - anderweitiger Verdienst 519 ff. - Anfechtung 534, 536 - Bedenkzeit 534 f. - faires Verhandeln 533 ff. - Freistellung 519 ff. - Geschäftsgeheimnis 98 - Klageverzicht 282 - Schadensersatz 534 f. - Turboprämie 627 f. 633
Stichwortverzeichnis
Aufhebungsvertrag - Überrumpelung 534 - Verschwiegenheitsklausel 98 - Widerrufsrecht 533 f. Aufsichtsrat, Frauenquote 27 ff. Auskunftsanspruch - Datenschutz 449 f. - Entgelttransparenz 478 ff. - personenbezogene Daten 445 ff. Ausland - Homeoffice 335, 402, 404 ff. - mobile Arbeit 402, 404 0ff. Auslandstätigkeit, Sozialversicherung 405 ff. Ausschlussfrist - AGB-Kontrolle 133 ff., 454 ff. - Arbeitsvertrag 454 ff. - Erholungsurlaub 180 ff. - gesetzliches Verbot 455 - MiLoG 133 - Unwirksamkeit 137 f., 454 ff. - Urlaubsabgeltung 180 ff. - Vorsatzhaftung 133 ff., 454 ff. Außendienst, 3 G 345 Außerordentliche Kündigung - Betriebsratsanhörung 206 f. - Betriebsratsmitglied 208 - Blanko-Kündigung 205 ff. - Compliance 208 - Kündigungserklärungsfrist 205 f., 208, 210 f. - Unverzüglichkeit 210 f. - Urlaubsgewährung 212 ff. - vorsorgliche 208 - Zwei-Wochen-Frist 205 f. Auswahlrichtlinie, Mitbestimmung Betriebsrat 571 Auszubildende, 3 G 345 Bagatellverstoß, Datenschutz 443 f.
634
Bedenkzeit, Aufhebungsvertrag 534 f. Bedingter Arbeitsvertrag 25 Beförderung - Benachteiligungsverbot 590 ff. - Betriebsratsmitglied 590 ff. - Schriftform 417 ff. Befristete Vertragsänderung 131 f. Befristeter Arbeitsvertrag - 18-Monats-Grenze 23 - Änderung 412 ff. - Bedingung 25 - Erwerbsbiografie 93 - Haushaltsbefristung 21, 336 - Höchstdauer 22, 201 f., 336 - Kettenbefristung 22 ff., 199 ff., 201 f., 336, 365 - Kleinunternehmen 23 f. - Koalitionsvertrag 336, 364 f. - Rechtsmissbrauch 22, 201 f. - Regelaltersgrenze 264 f. - Sachgrund 336 - sachgrundlos 23 f., 92 ff., 365, 412 ff. - Schriftform 24 f. - Schwellenwert 23 f. - Tarifvertrag 23 - Transfergesellschaft 25 - TzBfG-Änderung 21 ff., 336 - Verlängerung 23, 412 ff. - Vorbeschäftigung 92 ff., 336 - Zitiergebot 24 f. Behinderung - angemessene Vorkehrungen 427 - Annahmeverzug 129 ff. - Arbeitsvertragsänderung 131 ff. - Beschäftigungsanspruch 129 ff., 426 ff. - Datenschutz 446 - Diskriminierung 426 ff. - Diversität 397
Stichwortverzeichnis
Behinderung - Erholungsurlaub 176 - Massenentlassung 193 ff. - Schadensersatz 129 ff., 133 - Schutzpflicht 130, 426 ff. - Sozialplan 289 ff. - UN-BRK 427 Beisitzer, Einigungsstelle 273 ff. Beitragsbemessungsgrenzen 628 Benachteiligung → Diskriminierung Benachteiligungsverbot Betriebsrat - Allgemein 242, 247, 590 ff. - Beförderung 590 ff. - Beweismaß 590 ff. Berater, Vergütung 276 ff., 572 Bereitschaftsdienst - Arbeitszeit 144 ff., 473 - Vergütung 149 Berufsbildung, Mitbestimmung 19 Beschäftigtendatenschutz → Datenschutz Beschäftigungsanspruch - Betriebsänderung 503 ff. - Umorganisation 503 ff. - Vollstreckung 503 ff. - Wegfall 503 ff. Beschwerdeverfahren, Lieferkette 372 Beseitigungsanspruch, Betriebsrat 594 Besprechung, C-ASR 73 Betriebliche Altersversorgung - Alt-Arbeitnehmer 223 ff. - Anpassung 217 ff. - Betriebsübergang 297 ff. - Betriebsvereinbarung 220 ff. - BilMoG 218 - Dotierungsrahmen 225 - Drei-Stufen-Schema 219, 223 f. - Eingriff 223 ff. - Erwerberhaftung 297 ff.
Betriebliche Altersversorgung - Geschäftsgrundlage 217 ff. - Insolvenz 222 f., 297 ff. - Kündigung 220 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 224 f. - Neueinstellung 220 ff. - Prüfungsschema 219, 223 f. - PSV 299 ff. - Rückstellungen 217 ff. - Schließung 223 - Störung Geschäftsgrundlage 217 ff. - Teilzeitbeschäftigte 226 ff. - Widerruf 222 - Zahlungsunfähigkeit 298 Betriebliches Eingliederungsmanagement - Aufklärung 453 - Betriebsrat 453 - Einladung 452 ff. - Einwilligung 453 - Schwerbehindertenvertretung 453 - Teilhabestärkungsgesetz 451 f. - Vertrauensperson 450 ff. - Zustimmung 453 Betriebsänderung - Berater 276 ff. - Beschäftigungsanspruch 503 ff. - Co-Working-Space 273 - Desk-Sharing 273 - Klageverzichtsprämie 281 ff. - Kurzarbeit 311 Betriebsarzt, Impfung 84 Betriebsbedinge Kündigung - freier Arbeitsplatz 197 ff., 199 - Homeoffice 203 ff., 505 ff. - Kurzarbeit 311 - Leiharbeitnehmer 197 ff. - Massenentlassung 189 ff. 635
Stichwortverzeichnis
Betriebsbedingte Kündigung - ultima ratio 203 ff. - Verlagerung 203 ff., 505 ff. - Weiterbeschäftigungsmöglichkeit 197 ff., 203 ff. Betriebsbegriff - EU-Richtlinie 190 ff. - KSchG 189 ff. - Massenentlassung 189 ff. - Matrix-Organisation 598 ff. Betriebsmittel, Anspruch 410 ff. Betriebsnorm, Tarifvertrag 231 Betriebsrat - Auskunftsanspruch 17 - Berater 40, 276 ff. - Beschlussfassung 13 - BetrVG-Änderung 10 ff. - Bruttoentgeltlisten 253 ff. - Bußgeld 17 - Datenschutz 16 ff., 573 ff. - Ehrenamt 242, 246 Geschäftsordnung 570 - Künstliche Intelligenz 15 f. - personenbezogene Daten 573 ff. - Präsenzsitzung 13 f., 569 f. - Rechtsanwalt 40 - Sachverständige 15 f., 40, 276 ff., 571 ff. - Schadensersatz 17, 576 - Stellenausschreibung 261 ff. - Stützunterschriften 11 - Teilzeitbeschäftigte 570 - Telefonkonferenz 13 ff., 569 ff. - verantwortliche Stelle 16 ff., 573 ff. - Verarbeitungsverzeichnis 17, 573 ff. - vereinfachtes Wahlverfahren 11 f. - Videokonferenz 13 ff., 569 ff. - Vorfeldinitiator 20 636
Betriebsrat - Wahl 11 f., 13, 19 f., 565 ff. - Wahlordnung 565 ff. - Wahlunterlagen 566 Betriebsrätemodernisierung 10 ff., 360 Betriebsratsanhörung, Wartezeit 265 ff. Betriebsratsmitglied - Arbeitsausfall 246 - Arbeitszeit 249 ff. - außerordentliche Kündigung 208 - Beförderung 590 ff. - Benachteiligungsverbot 242, 247 f., 590 ff. - betriebsübliche Entwicklung 244 - Datenschutzbeauftragter 587 ff. - Dienstwagen 241 - Ehrenamtsprinzip 242, 246 - Entgeltfortzahlung 242, 248 - erfolgsbezogene Vergütung 241 ff. - Freistellungsanspruch 249, 252 f. - Freizeitopfer 249 - Haftung 572 f. - Homeoffice 570 - hypothetische Entwicklung 245 - Interessenkollision 587 ff. - Kurzarbeit 246 ff. - leistungsbezogene Vergütung 241 ff. - Ruhezeit 249 ff. - Teilzeitbeschäftigung 570 - Vergütung 242 ff., 590 ff. Betriebsratswahl - Anfechtbarkeit 585 - diverses Geschlecht 567, 580 ff. - Koalitionsvertrag 337 - Kündigungsschutz 19 f. - Minderheitengeschlecht 580 ff.
Stichwortverzeichnis
Betriebsratswahl - Nichtigkeit 585 ff. - online 337 - Telefonkonferenz 565, 569 ff. - Videokonferenz 565, 569 ff. - Wahlordnung 565 ff. Betriebsrente → Betriebliche Altersversorgung Betriebsteilstilllegung 622 f. Betriebsübergang - Annahmeverzug 617 ff. - Anwachsung 376 - Arbeitnehmerüberlassung 617 ff. - Betriebsrente 297 ff. - Betriebsteilstilllegung 622 f. - Bezugnahmeklausel 556 - Erwerberhaftung 297 ff. - Insolvenz 297 ff. - Koalitionsvertrag 337 - Konzern 337 - Kündigung 621 ff. - Privatisierung 43 ff. - PSV-Haftung 299 ff. - Sozialauswahl 622 f. - Tarifvertrag 52 f. - Tarifwechsel 337 - Unterrichtungspflicht 624 ff. - Widerspruch → Widerspruch Betriebsübergang - Zahlungsunfähigkeitsrichtlinie 298 Betriebsvereinbarung - arbeitgeberseitiges Leistungsbestimmungsrecht 603 ff., 606 ff. - Arbeitszeit 334 - ausgeübte Mitbestimmung 603 ff. - Betriebsrente 220 ff. - billiges Ermessen 606 f. - Corona-Test 79 - Datenschutz 390
Betriebsvereinbarung - Durchführungsanspruch 224, 597 - elektronische Signatur 12, 567 - Entgeltband 233 ff. - Gesamtbetriebsrat 614 - Homeoffice 400 f., 402 - Klageverzicht 281 f. - Konzernbetriebsrat 614 - Kurzarbeit 312 f. - Leistungsbestimmung 606 f. - Maskenpflicht 79 - mobile Arbeit 400 f., 402 - Signatur 567 - Stichtagsklausel 154 ff. - Testpflicht 79 - Vergütung 154 ff., 233 ff. Betriebsverlagerung, Änderungskündigung 505 ff. BetrVG - diverses Geschlecht 580 ff. - Modernisierung 10 ff., 565 ff. Beweiswert, AU-Bescheinigung 530 ff. Bewerber, Impfstatus 83 Bewerbungsverfahren - Einwilligung 123 - Entgeltgleichheit 66 - Schadensersatz 116 - Unterrichtung Betriebsrat 257 ff. Bezugnahmeklausel - AGB-Kontrolle 550 ff., 555 - Arbeitsvertrag 230 f., 549 ff. - Betriebsnorm 231 - Betriebsübergang 556 - betriebsverfassungsrechtliche Regelung 231 - Dynamik 549 ff. - Eingruppierung 556 ff. - Entgeltgruppe 556 ff. - Firmentarifvertrag 551 f. 637
Stichwortverzeichnis
Bezugnahmeklausel - Gleichstellungsabrede 230 - Haustarifvertrag 551 f. - Kollisionsregelung 552 ff. - Neu-Vertrag 230 f. - OT-Mitgliedschaft 230, 556 - Schuldrechtsmodernisierung 230 f. - Tarifautomatik 556 ff. - Tarifpluralität 552 ff. - Tarifwechsel 556 - Verbandstarifvertrag 551 f. Bezugsgröße 628 Billiges Ermessen, Betriebsvereinbarung 606 f. Blanko-Kündigung 205 ff. Blue Card 333 BPersVG-Novellierung 360 - Datenschutz 45 - digitale Kommunikation 42 f. - digitales Zugangsrecht 40 f. - Freistellungen 45 - Restmandat 43 ff. - Telefonkonferenz 41 f. - Übergangsmandat 43 ff. - Videokonferenz 41 f. - Wahlverfahren 55 BQG → Transfergesellschaft Brexit - Arbeitnehmerfreizügigkeit 60 f. - Arbeitsrecht 59 ff. - Aufenthaltstitel 60 f. - Datenschutz 63 f. - Dienstleistungsfreiheit 61 f. - Freiberufler 61 - Freihandelsabkommen 60 - Handels- und Kooperationsabkommen 60 - Sozialversicherung 59 ff., 62 f. Brückenteilzeit, Koalitionsvertrag 339 638
Bruttoentgeltlisten, Einsichtnahme 253 ff. Bürgertest 343 C-ASR - Abstandsregeln 70 - Änderung 69 ff., 340, 351, 355 - Anwendungsbereich 70 - arbeitsmedizinische Prävention 74 - Arbeitsmittel 72, 340 - Arbeitsplatzgestaltung 72, 340 - Arbeitsschutzkontrollgesetz 30 f. - Arbeitszeit 73 - Baustelle 73 - Besprechung 73 - Dienstreise 73 - Fremdpersonal 73 - Gefährdungsbeurteilung 71, 340 - Homeoffice 70 f., 72 - Kantine 72 - Kommunikation 74 - Lüftung 72 - Meeting 73 - Pausen 73 - Pausenraum 72 - psychische Belastung 73 f. - Rechtsnatur 70 - Sanitärräume 72 Schutzmaßnahmen 71 ff. - TOP-Prinzip 71 - Unterweisung 74 - Verdachtsfall 73 - Werkzeug 72 - Zielsetzung 70 C-ASS, Änderung 69 C-ASS, Inhalt 70 C-ASV - Kontaktreduktion 355 - Änderung 354 ff.
Stichwortverzeichnis
C-ASV - Auskunftspflicht 78 - Beschäftigungspflicht 78 f. - Betriebsrat 78 - Corona-Test 77 ff. - Datenschutz 348 - Hygienekonzept 75, 355 - Kontaktreduzierung 75, 355 - Mund-Nase-Bedeckung 75 f., 355 - Testangebote 77 f., 356 - Testpflicht 78 Compliance - außerordentliche Kündigung 205 ff., 208 - Beweisverwertungsverbot 381 f. - Fernmeldegeheimnis 381 f. Corona-Arbeitsschutzregel → C-ASR Corona-Arbeitsschutzstandard → C-ASS Corona-Arbeitsschutzverordnung → C-ASV Corona-Bonus - Freizeitausgleich 307 - geringfügige Beschäftigung 308 - Lohnsteuer 306 ff. - Minijob 308 - Sachbezug 307 Corona-Impfung, Lohnsteuer 306 Corona-Test - Betriebsvereinbarung 79 - Entgeltfortzahlung 79, 344 - Lohnsteuer 306 COVID-19 - Arbeitgeberzuschuss 303 - Arbeitslosengeld 357 - Auskunftsanspruch Arbeitgeber 78, 82 f. - Betreuungsleistungen 305 - Betriebsarzt 84, 78
COVID-19 - Betriebsvereinbarung 79 - Bonus 306 ff. - Entgeltfortzahlung 84 - Fragerecht 347 ff, 351 f. - geringfügige Beschäftigung 305 - Hygienekonzept 75 - Impfpflicht 81 f., 341 - Impfstatus 82 f., 347 ff. - Impfung 81 ff. - Kurzarbeit 303, 358 ff. - Maskenpflicht 75 ff., 355 - Minijob 305 - Testangebotspflicht 77 f., 356 - Testpflicht 77 ff. Co-Working-Space - Betriebsänderung 273 - Mitbestimmung Betriebsrat 267 ff. - technische Einrichtung 270 f. Crowdworker → Plattformmitarbeiter Cyber-Kriminalität, Homeoffice 402 Datenschutz - 3 G 346 - Abschreckung 442 - Anspruchsgegner 112 - Arbeitsschutz 348 ff. - Arbeitsunfähigkeit 446 - Assessment-Center 446 - Auskunftsanspruch 116, 445 ff. - Bagatellverstoß 116 ff., 443 f. - bEM 453 f. - Betriebsrat 16 ff., 440, 573 ff. - Betriebsvereinbarung 390 - Bewerbungsverfahren 116 - Brexit 63 f. - Bußgeld 17, 120 ff. - C-ASV 348 639
Stichwortverzeichnis
Datenschutz - Datenkopie 124 f., 447 ff. - Datenschutzbeauftragter 126 ff. - Drittland 389 ff. - DSGVO 439 ff. - Einschätzung 446 - Einwilligung 123 f. - E-Mail 446 f. - Erfüllung 449 - EU-US-Datenschutzschild 390 ff. - Exkulpation 112, 440 - Gehaltsvorstellung 116 - Gesamtschuld 112 - Gesprächsnotiz 446 - Gesundheitsdaten 116 - Haftung 441 - Homeoffice 405 - Hygienekonzept 347 ff. - immaterieller Schaden 114, 441 f. - Immunisierte 350 - Impfstatus 82 f., 347 ff. - Infektionsschutz 348 ff. - Koalitionsvertrag 333 - Kopie 124 ff., 447 ff. - Kosten 447 - Leistung 446 - Meinungen 446 - Metadaten 446 - Mitarbeiterfoto 116 - mobile Arbeit 405 - Personalrat 45 - Rechtsgutachten 447 - Rechtsverletzung 113 f. - Sanktion 442 - Schadensersatz 17, 112 ff., 439 ff., 576 - Schrems 390 ff. - Serostatus 347 ff.
640
Datenschutz - Standarddatenschutzklausel 389 ff. - Strafbarkeit 122 - Stufenklage 445 - Tarifvertrag 390 - Teststatus 347 ff. - Unterhaltspflichten 446 - verantwortliche Stelle 16 ff., 440, 573 f. - Verbandsklage 120 - Verhalten 446 - Verhältnismäßigkeit 443 - Verschulden 442 - Videoüberwachung 116 - Website 116 Datenschutzbeauftragter - Abberufung 126 ff., 587 ff. - Betriebsrat 17, 575 ff. - Betriebsratsmitglied 587 ff. - Interessenkollision 587 ff. - Kündigung 126 ff. Dauerarbeitsplatz, Leiharbeit 434 Desk-Sharing - Arbeitsschutz 271 ff. - Betriebsänderung 273 - Betriebsrat 267 ff. - Gefährdungsbeurteilung 272 f. - technische Einrichtung 269 ff. DHV, Tariffähigkeit 559 ff. Dienstbekleidung, Umkleidezeit 467 ff. Dienstleistungsfreiheit, Brexit 61 f. Dienstreise, C-ASR 73 Dienstvereinbarung, Privatisierung 43 ff. Dienstwagen, 3 G 346 Direktionsrecht - Annahmeverzug 132 - Homeoffice 399 f. - mobile Arbeit 399 f.
Stichwortverzeichnis
Diskriminierung - Alter 54, 156 ff. - Anpassung nach oben 289 - Behinderung 133, 426 ff. - Betriebsrente 226 ff. - Beweislast 167 - Darlegungslast 167 - Diversität 397 ff. - Entgelt 167 ff. - Entschädigung 68 - Gendersternchen 428 ff. - Geschlecht 478 ff., 64 ff., 163 ff. - gleiches Entgelt 64 ff. - Indiz 167 ff. - Kopftuch 421 - Krankheit 54 - Kündigung 207 - Lieferkette 47 - Mehrarbeitszuschlag 481 ff. - politisches Symbol 421 ff. - Rechtfertigung 165 f. - Religion 421 ff. - sexuelle Belästigung 54 - Sonderzahlung 156 ff. - Sozialplan 286 f., 289 ff. - Sprache 54 - Tätowierung 424 ff. - Teilzeitbeschäftigte 163 ff., 226 ff., 481 ff. - Überstundenzuschlag 481 ff. - Weltanschauung 421 ff. Diverses Geschlecht - Betriebsratswahl 567, 580 ff. - Entgelttransparenz 398 f. - Quoten 27 ff., 397 - Stellenausschreibung 398 - Zielvereinbarung 398 3G - Arbeitsplatz 339 ff. - Datenschutz 346 - Hausrecht 304 f., 346, 505 ff.
DrittelbG - Frauenquote 28 - Koalitionsvertrag 338 Drittland, Datenschutz 389 ff. DSGVO → Datenschutz Durchführungsanspruch - Betriebsvereinbarung 597 - Haustarifvertrag 563 f. Eigenkündigung, Abfindung 291 ff. Eingliederungsmanagement → Betriebliches Eingliederungsmanagement Eingruppierung, Arbeitsvertrag 556 ff. Einigungsstelle - Arbeitsschutz 612 f. - Arbeitszeiterfassung 142 ff., 607 ff. - Beisitzer Vergütung 273 ff. - Initiativrecht Betriebsrat 607 ff. - Konzernobergesellschaft 613 ff. - Kurzarbeit 1 - technische Arbeitszeiterfassung 607 ff. - technische Einrichtung 142 ff., 607 ff. - Telefonkonferenz 42 - Vergütung 273 ff. - Videokonferenz 42, 569 Einkommensteuer, Arbeitszimmer 304 f. Einstellung - ältere Arbeitnehmer 264 ff. - Bewerbungsverfahren 123 - Datenschutz 123 f. - elektronische 123 - IT-System 257 ff. - Matrix-Organisation 601 - Unterrichtung Betriebsrat 257 ff. 641
Stichwortverzeichnis
Einwanderung, Koalitionsvertrag 333 Einwilligung, Impfstatus 349 Elektronische Signatur, BetrVG 12 Elterngeld 16 f., 26 f. Elternzeit - Partnerschaftsbonus 26 f. - Teilzeitbeschäftigung 26 f. - Vorstand 29, 362 ff. E-Mail - Beweisverwertungsverbot 381 ff. - Datenschutz 446 f. - Fernmeldegeheimnis 381 f. - Privatnutzung 381 ff. - Telekommunikation 381 - TTDSG 381 f. Entgelt → Vergütung Entgeltband - Mitbestimmung Betriebsrat 233 f. - Obergrenze 234 - Tarifvertrag 232 ff. - Zuordnung Arbeitnehmer 233 f. Entgeltfortzahlung - 3 G 344 - Arbeitsschutz 79, 344 - Betriebsratsmitglied 242, 249 ff. - Corona-Test 79, 344 - COVID-19 84 - IfSG 344, 355, 358 - Impfung 84, 355 Entgeltgleichheit - Auskunftsanspruch 66 f., 167 ff., 476 ff. - Betriebsrat 168 - Beweislast 167 - Bewerbungsverfahren 66 - Darlegungslast 467 ff. - Diversität 398 f. - EntgTranspG 167 ff. 642
Entgeltgleichheit - Entschädigung 68 - EU-Richtlinie 64 ff. - Indiz 476 ff. - Koalitionsvertrag 338 - Laufbahnentwicklung 66 - Lohntransparenz 66 - Personalentwicklung 66 - Transparenz 66 EntgTranspG, Auskunftsanspruch 467 ff. Entschädigung - Entgeltgleichheit 68 - IfSG 357 f. - Quarantäne 6 f. - Ungeimpfte 357 f. - Verdienstausfall 8, 357 f. Epidemische Lage → Infektionsschutz Equal-Pay - AÜG 105 ff., 437 - Personalgestellung 437 Erholungsurlaub - Altersteilzeit 172 - Ausschlussfrist 176 ff., 180 ff. - außerordentliche Kündigung 212 ff. - Befristung 169 ff. - Behinderung 176 - EU-Richtlinie 169 ff. - fristlose Kündigung 212 ff. - Gewährung 212 ff. - Initiativlast 171 - Krankheit 176 - Kündigungsschutzklage 212 ff. - Kurzarbeit 1, 184 ff. - Mitwirkungsobliegenheit 175, 179 - Quarantäne 495 ff. - Übertragung 169 ff., 176 - variable Vergütung 492 ff.
Stichwortverzeichnis
Erholungsurlaub - Verjährung 177 ff. - Weiterbeschäftigung 526 ff. ESG, Lieferkette 369 ff. Ethnische Herkunft, Diversität 397 EU-Richtlinie - Arbeitnehmerüberlassung 430 ff. - Arbeitnehmerüberlassung 99, 110 f. - Arbeitszeit 139, 144 ff., 457 f. - Betriebsbegriff 190 ff. - Betriebsratsmitglied 251 - Betriebsübergang 298 - Entgeltgleichheit 64 ff. - Entschädigung 68 - Equal-Treatment 105 ff. - Erholungsurlaub 169 ff. - Gender-Pay-Gap 65 - Geschäftsgeheimnisse 548 - Geschlechtsdiskriminierung 64 ff. - Leiharbeit 430 ff., 436 ff., 99, 110 f. - Massenentlassung 189 ff., 500 ff. - Mindestlohn 57 ff. - Nachtarbeit 234 ff., 475 ff. - Personalgestellung 436 ff. - Personalratsmitglied 251 - Plattformarbeit 394 f. - Teilzeitarbeit 163, 481 ff. - unmittelbare Anwendbarkeit 109 f., 299 ff. - Whistleblower 32, 365 ff. - Zahlungsunfähigkeit 298 Fachkräfteeinwanderung 333 Fahrradkurier, Arbeitsmittel 410 ff. Faires Verhandeln, Aufhebungsvertrag 533 ff. Fernmeldegeheimnis 381 f.
Firmentarifvertrag, Bezugnahmeklausel 551 f. Fleischindustrie - Arbeitszeit 31, 139 - Fremdpersonal 29, 31 Fragerecht - Covid-19 351 f. - Testergebnis 351 f. Frauenquote 360 ff. - Aufsichtsrat 27 ff., 360 ff. - Diversität 27 ff., 29, 397 - FüPoG II 27 ff. - Geschäftsführung 28, 360 ff. - Vorstand 27 ff., 360 ff. - Zielgröße Null 27 f., 361 Freiberufler, Brexit 61 Freie Mitarbeiter - 3 G 345 - Infektionsschutz 345 - Begriff 85 - Vergütung 90 f. Freistellung - anderweitiger Verdienst 517 ff., 519 ff. - Annahmeverzug 517 ff. - Aufhebungsvertrag 519 ff. - unwiderrufliche 519 ff. Freizeitausgleich, Corona-Bonus 307 Fremdpersonal - 3 G 345 - C-ASR 73 - Fleischwirtschaft 29 Fristlose Kündigung → Außerordentliche Kündigung FüPoG II 360 ff. Gebietskörperschaft, Konzernbetriebsrat 239 ff. Gebot fairen Verhandelns 533 ff.
643
Stichwortverzeichnis
Gefährdungsbeurteilung - C-ASR 71, 340, 355 - Desk-Sharing 272 f. - Homeoffice 272 f. - Impfstatus 349 - Teststatus 349 Geldbuße, Datenschutz 120 ff. Gemeinde, Konzernbetriebsrat 239 ff. Gemeinsamer Betrieb, Innen-GbR 375 f. Gender-Pay-Gap - Auskunft 478 ff. - Beweislast 479 f. - Darlegungslast 478 f. - EU-Richtlinie 65 - Klage 478 ff. - Koalitionsvertrag 338 - Mehrarbeit 481 ff. - Teilzeitbeschäftigung 481 ff. - Überstunden 481 ff. - Vermutung 479 f. Gendersternchen, Diskriminierung 428 ff. Geringfügige Beschäftigung - Corona-Bonus 308 - COVID-19 305 f. - Flexibilisierung 51 - Höchstgrenze 51 - Koalitionsvertrag 335 - Kurzarbeit 2, 485 - Mindestlohn 51 - Nettolohnzusage 308 f. Geringfügigkeitsgröße 628 Gesamtbetriebsrat, Zuständigkeit 613 ff. Geschäftsführung - Elternzeit 364 - Frauenquote 28, 361 f. - Mutterschutz 364 - Pflegezeit 364 644
Geschäftsgeheimnis - Arbeitsvertrag 96 - Schutzmaßnahmen 95 ff., 97 f. - Verschwiegenheitspflicht 96, 544 f., 545 ff. - Whistleblower 33 Geschäftsgrundlage, Betriebsrente 217 ff. GeschGehG - Verschwiegenheitspflicht 545 ff. - Whistleblower 33 f. Geschlecht - Diskriminierung 478 ff. - Diversität 397 Gesetzliche Altersrente - Flexi-Rente 338 - Renteneintritt 338 Gesetzliches Verbot, Ausschlussfrist 455 ff. Gesprächsnotiz, Datenschutz 446 Gesundheitsdaten, Schadensersatz 116 Gesundheitsschutz, Koalitionsvertrag 338 Gewerkschaft - digitales Zugangsrecht 40 f., 53, 567 f. - Durchführungsanspruch 562 - Lieferkette 48 f. - Mitgliedsbeitrag 52 - Prozessstandschaft 48 f. - Tariffähigkeit 559 ff. - Unterlassungsanspruch 562 - Verbandsklagerecht 53 - Zugangsrecht 337, 567 f. Gleichbehandlungsgrundsatz - generalisierendes Prinzip 487 - Gutdünken 487 - Sonderleistung 485 f. - Unternehmensbezug 487 - Voraussetzungen 486 f.
Stichwortverzeichnis
Gleichbehandlungsgrundsatz - Willenserklärung 486 - Zweckdetermination 164 Gleichheitssatz - Tarifvertrag 236 f. - Zweckdetermination 164 Gleichstellungsabrede, Bezugnahmeklausel 230 Gratifikation → Sonderleistung Haftung - Betriebsratsmitglied 572 f. - KI 383 ff., 387 f. Hamburger Modell, Koalitionsvertrag 338 Handwerk, Tarifvertrag 52 Haushaltsbefristung 21 Hausrecht - 3 G 346 - Infektionsschutz 346 Haustarifvertrag - Bezugnahmeklausel 551 f. - Durchführungsanspruch 562 f. Hinweisgeber → Whistleblower Höchstarbeitszeit, Koalitionsvertrag 334 Höchstdauer, befristeter Arbeitsvertrag 201 f., 364 Höchstüberlassungsdauer, AÜG 100 ff., 432 ff. Homeoffice - Ablehnungsrecht 80 f. - Änderungskündigung 505 ff. - Angebotspflicht 80 f. - Anspruch 399 f. - Arbeitsmittel 412 - Arbeitsschutz 367 ff., 37, 69 ff., 72, 80 f., 271 ff., 403 - Arbeitszeit 37, 147 f., 403 - Arbeitszeiterfassung 403 - Ausland 335, 402, 404 ff.
Homeoffice - Ausstattung 403, 412, 578 - Beendigung 400 f. - C-ASR 72 - Cyber-Kriminalität 402 - Datenschutz 405 - Datensicherheit 403 - Gefährdungsbeurteilung 272 f. - Gesetzesentwurf 36 - Häufigkeit 578 - IfSG 352 f., 80 f. - Koalitionsvertrag 334, 367 f. - milderes Mittel 203 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 18 f., 267 ff., 404 f., 577 ff. - Rückkehr 400 f. - Steuerrecht 407 ff. - technische Einrichtung 269 ff. - Unfallversicherung 56, 368, 403 - Zugangsrecht 403 Hospitalisierungsrate 341 Hygienekonzept - C-ASV 75, 355 - IfSG 342 - Impfstatus 347 ff. IfSG→ Infektionsschutz Immaterieller Schaden, Datenschutz 441 f. Immunisierte, Arbeitsschutz 350 Impfpflicht 81 f., 341 Impfstatus - Abfrage 82 f. - Bewerber 83 - Datenschutz 347, 8 f. - Einwilligung 349 - Erleichterungen 350 - Fragerecht 347 ff. - Gefährdungsbeurteilung 349 - Immunisierte 350
645
Stichwortverzeichnis
Impfung - Anordnung Arbeitgeber 81 f. - Beschäftigungsanspruch 83 - Betriebsarzt 84 - COVID-19 81 ff. - Einstellungsvoraussetzung 83 - Impfpflicht 81 f., 341 Infektionsschutz - 3 G 339 ff., 342 ff. - Absonderung 6 - Abstandsgebot 341 - Annahmeverzug 344 - Arbeitsplatz 342 ff. - Außendienst 345 - Bürgertest 343 - Corona-Test 343 - Datenschutz 348 ff. - Dokumentationspflicht 344 - Entgeltfortzahlung 344, 355 f., 358 - Entschädigung 6 ff., 357 f. - epidemische Lage 339 - Fragerecht 347 ff., 351 f. - freie Mitarbeiter 345 - Fremdpersonal 345 - Hausrecht 346 - Homeoffice 80 f., 352 f. - Hospitalisierungsrate 341 - Hygienekonzept 342 - Impfnachweis 341 - Kita-Schließung 7 f., 357 f. - Kontaktreduktion 341, 355 - Krankenhaus 347 - Kündigung 347, 355 - Leiharbeit 345 - Maskenpflicht 341, 355 - Mitbestimmung Betriebsrat 350 f. - Ordnungswidrigkeit 353 f. - physischer Kontakt 342 - Risikogebietsreise 6 f. 646
Infektionsschutz - Pflegeeinrichtung 347 - Schulschließung 7 f. - Schutzmaßnahmen 340 ff. - Sozialversicherungsbeiträge 358 - Straftat 353 f. - Testnachweis 341, 343. 351 f. - Überwachungspflicht 344, 347 ff. - Unterrichtungspflicht 351 f. - Vergütungsanspruch 344 - Videosprechstunde 343 - vorsorgliche Absonderung 6 Initiativrecht, Mitbestimmung Betriebsrat 607 ff. Innen-GbR 375 ff. Insolvenz, Betriebsübergang 297 ff. Interessenausgleich, elektronische Signatur 12 Internet - Beweisverwertungsverbot 381 ff. - Privatnutzung 381 ff. Jahresprämie → Sonderleistung Jahressonderzahlung → Sonderleistung Kappungsgrenze, Sozialplan 286 f. Kettenbefristung - befristeter Arbeitsvertrag 201 f. - sachgrundlose 23 - sachlicher Grund 22 KI → Künstliche Intelligenz Kinderkrankengeld 9 f., 356 ff. Kinderzuschlag, Sozialplan 287 ff. Kita-Schließung - Entschädigung 7 f., 357 f. - Kinderkrankengeld 9 f., 356 f. Klageverzicht - Abfindung 283
Stichwortverzeichnis
Klageverzicht - Aufhebungsvertrag 282 - Betriebsänderung 281 f. - Kappungsgrenze 286 f. - Prämie 281 ff. - Sozialplan 281 Knappschaft, BBG 628 Koalitionsfreiheit, Lieferkette 47 Koalitionsvertrag, 333 ff. - A1-Bescheinigung 333 - Arbeitnehmerüberlassung 336 - Arbeitsschutz 338 - Arbeitszeit 334 - Auslandseinsatz 333 - befristeter Arbeitsvertrag 364 - Beschäftigtendatenschutz 333 - Betriebsrat 337 - Betriebsratswahl 337 - Blue Card 333 - Brückenteilzeit 339 - Drittelbeteiligungsgesetz 338 - Einwanderungsrecht 333 - Entgelttransparenz 338 - Gender-Pay-Gap 338 - grenzüberschreitende Tätigkeit 333 - Hamburger Modell 338 - Hinweisgeber 365 ff. - Höchstarbeitszeit 334 - Homeoffice 334, 367 f. - KI 338 - Leiharbeit 336 - Lohntransparenz 339 - Midi-Job 335 - Mindestlohn 335 - Mini-Job 335 - MitbG 338 - Mobbing 338 - mobile Arbeit 334, 367 f. - Plattformarbeit 338, 395 - SE 338
Koalitionsvertrag - Selbständige 335 - Tarifautonomie 337 - Tariftreue 337 - Teilzeit 339 - Unternehmensmitbestimmung 337 - VerSanG 365 ff. - Vertrauensarbeitszeit 334 - Whistleblower 365 ff. Kollisionsregelung, Bezugnahmeklausel 552 ff. Kommunale Beteiligung, Konzernbetriebsrat 239 ff. Konkurrenztätigkeit → Wettbewerbstätigkeit Kontaktreduktion, C-ASV 355 Konzern - Ausland 614 - Betriebsübergang 337 - CSR 369 ff. - Einigungsstelle 613 ff. - ESG 369 ff. - Lieferkette 369 - Sonderleistung 613 ff. - Whistleblowing 367 Konzernbetriebsrat - gemeinsame Betriebe 239 - ausländische Konzernobergesellschaft 614 - herrschendes Unternehmen 239 ff. - kommunale Beteiligung 239 ff. - Konzernbegriff 239 ff. - öffentlich-rechtliche Konzernspitze 239 ff. - Quoren 239 - Stellenausschreibung 261 ff. - Unterordnungskonzern 239 - Zuständigkeit 613 ff. Kopftuch, Diskriminierung 421 647
Stichwortverzeichnis
Krankenhaus, Infektionsschutz 347 Krankenversicherung, BBG 628 Krankheit - Datenschutz 446 - Vorstand 363 Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - AU-Bescheinigung 530 ff. - Erholungsurlaub 176 - Hamburger Modell 338 - Kündigungsfrist 530 ff. - Massenentlassung 499 f. - Wiedereingliederung 338 Kündigung - 3 G 347 - Abmahnung 515 ff. - AGG 55 - betriebsbedingte 189 ff., 197 ff. - Betriebsratsanhörung 206 f. - Betriebsübergang 621 ff. - Blanko-Kündigung 205 ff. - Datenschutzbeauftragter 126 ff. - Diskriminierung 207 - Hinweisgeber 35 - Massenentlassung 189 ff., 499 ff. - Maßregelung 207, 508 ff. - Matrix-Organisation 601 - Mitbestimmung Betriebsrat 265 ff. - Mutterschutz 193 f. - nachträgliche Begründung 205 ff. - Originalvollmacht 208, 512 ff. - Personalleiter 512 ff. - Probezeit 265 ff. - Rechtsextremismus 424 ff. - Schwangerschaft 193 f. - sexuelle Belästigung 515 ff. - Sittenwidrigkeit 207 - Testnachweis 347 648
Kündigung - unverzügliche 210 f. - verhaltensbedingte 515 ff. - Vertreter 513 f. - Vier-Augen-Prinzip 514 - vorsorgliche 208 - Wartezeit 265 ff. - Weiterbeschäftigung 526 ff. - Werturteil 265 ff. - Whistleblower 35 - Zurückweisung 512 ff. Kündigungserklärungsfrist, fristlose Kündigung 205 f. Kündigungsfrist - Arbeitsunfähigkeit 530 ff. - Attest 530 ff. Kündigungsschutz - Betriebsratswahl 19 f. - Vorfeldinitiator 20 - Wahlinitiator 19 f. Kündigungsschutzklage - Erholungsurlaub 212 ff. - Weiterbeschäftigung 526 ff. Künstliche Intelligenz - Anbieter 385 - Betriebsrat 15 f. - Ethik 383 - EU-Kommission 383 ff. - EU-Parlament 383 ff. - Haftung 383 ff., 387 f. - Hochrisiko 386 ff. - Kennzeichnung 383 ff. - Klassifizierung 386 ff. - Koalitionsvertrag 338 - Konformitätszertifizierung 387 - Mitbestimmung Betriebsrat 571 ff. - Nutzer 385 - Sachverständiger 571 - Verbreitung 383 ff.
Stichwortverzeichnis
Kurzarbeit - 24-Monats-Frist 359 - anderweitiger Verdienst 2 f. - Arbeitgeberzuschuss 5, 303 - Arbeitsausfall 246, 311 f., 359 - Arbeitslosigkeit 5 - AÜG 5, 359 - Betriebsänderung 311 - betriebsbedingte Kündigung 311 - Betriebsratsmitglied 246 ff. - Betriebsvereinbarung 312 f. - Covid-19-Pandemie 358 ff. - Dauer 1 f., 359 f. - Einigungsstelle 1 - Erholungsurlaub 184 ff., 358 ff. - Erleichterungen 358 ff. - geringfügige Beschäftigung 2, 485 - Höhe KuG 2 - Kontrolle Arbeitsagentur 310 ff. - Kurzarbeit Null 184 ff. - Leiharbeitnehmer 5, 359 - Lohnsteuer 5, 303 - Mehrarbeit 312 - Minusstunden 1, 358 ff. - Missbrauch 310 ff. - Nebenverdienst 313 - Ordnungswidrigkeit 313 - Progressionsvorbehalt 303 - Qualifizierungsmaßnahme 4, 313, 359 - Schwellenwert 1, 311 f., 358 f. - Sonderprüfung 310 ff. - Sozialversicherungsbeiträge 3 ff., 359 - Strafbarkeit 313 - Unterbrechung 360 - Urlaub 1, 184 ff., 358 ff. - Voraussetzungen 1 f. - Weiterbildungsmaßnahme 4, 359 - Zeitguthaben 1, 358 ff.
Kurzarbeit, - Zuschuss Arbeitgeber 5 Lagebericht, Frauenquote 28 Landkreis, Konzernbetriebsrat 239 ff. Leiharbeit → Arbeitnehmerüberlassung Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz - Abhilfemaßnahme 372 - Anwendungsbereich 369 - Beschwerdeverfahren 372 - Betriebsrat 374 - Bußgeld 375 - Diskriminierung 370 - Durchsetzung 373 - Haftung 373 - Inkrafttreten 375 - Koalitionsfreiheit 370 - Konzern 369 - Lieferkette 372 - Menschenrechte 369 ff. - Prozessstandschaft 373 f. - Risiken 371 - Risikomanagement 371 - Sorgfaltspflichten 369 ff, - Umweltbelange 370 f - Vergaberecht 374 f. - Wirtschaftsausschuss 374 - Zulieferer 372 f. Lockdown - Annahmeverzug 485 - Vergütung 484 Lohnsteuer - Arbeitszimmer 304 f. - Corona-Bonus 306 ff. - Corona-Impfung 306 - Corona-Test 306 - Kurzarbeit 5 - Outplacement 308 - Progressionsvorbehalt 303 649
Stichwortverzeichnis
Lohntransparenz, Koalitionsvertrag 339 Mannheimer Modell - Lohnsteuer 296 - Wertguthaben 295 Maskenpflicht - Befreiung 77, 355 - Betriebsvereinbarung 79 - C-ASV 75 ff., 355 - Entgeltfortzahlung 76 f. - Infektionsschutz 341, 355 - Kündigung 355 Massenentlassung - 30-Tage-Zeitraum 194 - Anzeige 193 ff., 500 ff. - Betriebsbegriff 189 ff. - Entlassung 189 ff., 193 ff. - Konsultationsverfahren 193 ff. - krankheitsbedingte Kündigung 499 f. - Mutterschutz 193 f. - personenbedingte Kündigung 499 ff. - Schwangerschaft 193 ff. - Schwellenwert 499 f. - Schwerbehinderte 193 ff. - Soll-Angaben 500 ff. - Unterrichtung Arbeitsagentur 196 f. - verhaltensbedingte Kündigung 499 ff. Maßregelungsverbot, Kündigung 207, 508 ff. Matrix-Organisation - Betriebsbegriff 598 ff. - Eingliederung 598 ff. - Einstellung 601 - Kündigung 601 - Mitbestimmung Betriebsrat 598 ff. 650
Meeting, C-ASR 73 Mehrarbeit - Gender-Pay-Gap 481 ff. - Kurzarbeit 312 - Mitbestimmung Betriebsrat 604 f. Mehrarbeitsvergütung, Teilzeitbeschäftigte 163 ff., 481 ff. Mehrurlaub - Arbeitsvertrag 169 ff. - Befristung 169 ff. - Tarifvertrag 169 ff. - Übertragung 169ff. Menschenrechte, Lieferkette 369 ff. Midi-Job, Koalitionsvertrag 335 Mindestlohn - Anhebung, EU-Richtlinie 57 ff. - Anhebung, geringfügige Beschäftigung 51 - Arbeitszeit 149, 152 - Ausschlussfrist 133 - Koalitionsvertrag 335 Mini-Job → Geringfügige Beschäftigung Mitarbeiterbeteiligung - Belegschaftsaktie 50 - Stock-Option-Modell 50 f. Mitbestimmung Betriebsrat - 3 G 350 - Anreizsystem Whistleblower 35 - Arbeitsschutz 271 ff., 612 f. - Arbeitszeit 140 ff., 602 - Arbeitszeiterfassung 141 ff., 607 ff. - Auskunftsanspruch 596 - Ausübung 596 f., 604 f. - Auswahlrichtlinie 571 - befristeter Arbeitsvertrag 24 f. - bEM 453 - Berufsbildung 19 - Beseitigungsanspruch 594 ff.
Stichwortverzeichnis
Mitbestimmung Betriebsrat - Betriebsrente 224 f. - Betriebsvereinbarung 224 f., 603 ff. - Bewerbungsmanagementsystem 257 ff. - Bruttoentgeltlisten 253 ff. - CovPass-App 350 - Co-Working-Space 267 ff. - Desk-Sharing 267 ff. - Dokumentationspflichten 140 ff. - Durchführungsanspruch 597 - Eilfall 604 f. - Eingangskontrolle 350 - Einigungsstelle 142 ff., 607 ff. - Einstellung 257 ff., 264 ff., 598 ff. - Entgeltband 233 f. - Entgeltgleichheit 168 - Folgenbeseitigungsanspruch 597 - Freizeit 601 ff. - Hinweisgeber 35 f. - Homeoffice 18 f., 267 ff., 403, 404 f., 577 ff. - Hygienekonzept 75 - Infektionsschutz 350 f. - Informationsanspruch 257 ff. Initiativrecht 607 ff. - KI 571 ff. - Koalitionsvertrag 337 - Kündigung 265 ff. - Lieferkette 374 - Matrix-Organisation 598 ff. - Mehrarbeit 604 f. - mobile Arbeit 18 f., 267 ff., 403, 404 f., 577 ff., 601 ff. - Notfall 604 f. - Persönlichkeitsrecht 609 f. - Regelaltersgrenze 264 - Sachverständiger 571 ff. - Schichtwechsel 605
Mitbestimmung Betriebsrat - Stellenausschreibung 261 ff. - Tarifvorbehalt 605 f. - technische Einrichtung 141 ff., 269 ff., 571, 609 f. - Testpflicht COVID-19 78 f. - Überwachungsanspruch 597 - Unerreichbarkeit 602 - Unterlassungsanspruch 594 - Versetzung 268 - Verzicht 604 f. - Vorabzustimmung 604 - Whistleblower 35 f. - Work-Life-Balance 601 ff. Mitbestimmung Personalrat, Privatisierung 45 MitbG - Frauenquote 27 ff. - Koalitionsvertrag 338 Mitwirkungsobliegenheit, Erholungsurlaub 171 ff., 175, 179 Mobbing - AGG 50 - Anti-Stress-Verordnung 50 - Koalitionsvertrag 338 Mobile Arbeit - Ablehnung 80 f., 334, 367 f. - Anspruch 36 f., 334, 399 ff. - Arbeitsmittel 412 - Arbeitsschutz 37, 69 ff., 80 f., 367 f. - Arbeitszeit 37, 139, 403 - Ausgestaltung 18, 578 f. - Ausland 402, 404 ff. - Ausstattung 412, 578 - Beendigung 400 f. - Begriff 18 - C-ASR 72 - Cyber-Kriminalität 402 - Datenschutz 405 - Datensicherheit 403 651
Stichwortverzeichnis
Mobile Arbeit - Gesetzentwurf 36 f., 334 - Kennzeichnung 18, 577 f. - Koalitionsvertrag 334, 367 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 18 f., 267 ff., 404 f., 577 ff. - Personalrat 45 - Rückkehr 400 f. - SGB VII 56 - Telearbeit 37 - technische Einrichtung 269 ff., 412, 578 - Umfang 578 - Unfallversicherung 56, 358, 403 - Zugangsrecht 403 MontanMitbG, Frauenquote 28 Mutterschutz - Massenentlassung 193 f. - Vorstand 29, 362 ff. - Geschäftsführung 364 Nachtarbeit - Ausgleichsregelung 234 ff. - Tarifvertrag 234 ff. - Vergütung 475 ff. - Zulage 475 ff. Nebentätigkeit - Abmahnung 524 ff. - Anzeigepflicht 524 - Genehmigungsvorbehalt 524 - Pressefreifreit 525 f. Nebenverdienst, Kurzarbeit 313 Nettolohnzusage, geringfügige Beschäftigung 308 f. Nichtigkeit, Betriebsratswahl 585 ff. Online-Fragenkatalog, Corona-Test 343 ÖPNV, 3 G 346
652
Originalvollmacht, Kündigung 512 ff. OT-Mitgliedschaft, Bezugnahmeklausel 230, 556 Outplacement, Lohnsteuer 308 Partnerschaftsbonus, Elternzeit 26 f. Pause - Arbeitsschutz 471 ff. - Arbeitszeit 471 ff. - Reaktionspflicht 471 ff. Personalakte, Abmahnung 526 Personalgestellung 439 - Arbeitnehmerüberlassung 436 ff. - AÜG 108 ff., 436 ff. - Equal-Pay 437 - EU-Richtlinie 436 ff. - Gleichbehandlungspflicht 109 ff. - Zusatzversorgungskasse 438 f. Personalleiter - Kündigung 512 ff. - Vertretungsbefugnis 513 f. - Vollmacht 512 ff. Personalrat - Mitbestimmung 45 - mobile Arbeit 45 - Präsenzsitzung 42 - Restmandat 43 ff. - Sprechstunde 42 - Telefonkonferenz 41 f. - Übergangsmandat 43 ff. - Umstrukturierung 43 ff. - verantwortliche Stelle 45 - Videokonferenz 41 f. Personalratsmitglied - Arbeitszeit 249 ff. - Ruhezeit 249 ff. Personalversammlung, Videokonferenz 42
Stichwortverzeichnis
Personenbezogene Daten → Datenschutz Personengesellschaftsrecht, Modernisierung 375 ff. Pflegeeinrichtung, Infektionsschutz 347 Pflegeversicherung, BBG 628 Pflegezeit, Vorstand 362 ff. Plattformarbeit - Arbeitnehmer 84 ff., 394 f. - arbeitnehmerähnliche Person 395 - Arbeitsrecht 394 f. - EU-Richtlinie 394 f. - Koalitionsvertrag 338, 395 - selbständige Tätigkeit 84 ff., 394 f. - Sozialversicherung 394 f. Politisches Symbol, Diskriminierung 421 ff. Prämien → Sonderleistung Pressefreiheit, Nebentätigkeit 525 f. Privatisierung - Betriebsübergang 43 ff. - Dienstvereinbarung 43 ff. - Mitbestimmung Personalrat 45 - Restmandat 43 ff. - Übergangsmandat 43 ff. Privatnutzung - E-Mail 381 ff. Internet 381 ff. Probezeit - Betriebsratsanhörung 265 ff. - Kündigung 265 ff. Progressionsvorbehalt, Kurzarbeit 303 PSV - Betriebsübergang 299 ff. - EU-Richtlinie 299 ff.
Psychische Belastung, COVID-19 73 Qualifizierungsmaßnahme, Kurzarbeit 4, 313 Quarantäne - Entgeltfortzahlung 7 - Entschädigung 6 f., 357 f. - Kita-Schließung 7 f., 358 - Schulschließung 7 f., 358 - Urlaubsanrechnung 495 ff. - vorsorgliche 6 Rechtsanwalt, Betriebsrat 40 Rechtsextremismus, Kündigung 424 ff. Regel, Arbeitsschutz 30 Regelaltersgrenze, Verlängerung Arbeitsvertrag 264 f. Religion - Diskriminierung 421 ff. - Diversität 397 - Kennzeichnung 422 Rentenversicherung, BBG 628 Reorganisation, Beschäftigungsanspruch 503 ff. Restrukturierungsplan 39 f. Risikogebiet, Entschädigung 6 f. Rücksichtnahmepflicht - Arbeitszeit 139 - Behinderung 130, 426 ff. Rückstellungen, Betriebsrente 217 ff. Rufbereitschaft - Arbeitszeit 144 ff., 472 - Vergütung 149 Ruhepause, Arbeitszeit 474 Ruhezeit, Arbeitszeit 145 Rüstzeit - Arbeitszeit 31, 467 ff. - Vergütung 150, 467 ff. 653
Stichwortverzeichnis
Sachverständiger - Betriebsrat 15 f., 276 ff., 571 - Honorar 276 ff. - Kosten 572 - Künstliche Intelligenz 15, 571 - Vereinbarung 572 f. SanInsFoG 38 ff. Schadensersatz - Arbeitszeitverlängerung 459 ff. - Auskunftsanspruch 116 - Bagatellverstoß 116 ff. - Behinderung 129 ff., 133, 426 ff. - Betriebsrat 546 - Bewerbungsverfahren 116 - Datenschutz 17, 576 - Gesundheitsdaten 116 - Mitarbeiterfoto 116 - variable Vergütung 489 ff. - Videoüberwachung 116 - Zielvereinbarung 489 ff. - Zielvorgabe 489 ff. Schichtarbeit - Mitbestimmung Betriebsrat 605 - Vergütung 475 Schließungsprämie → Sonderleistung Schrems, Datenschutz 390 ff. Schriftform - Arbeitsvertrag 417 ff. - Beförderung 417 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 24 f. - Tarifvertrag 417 ff. Schulschließung - Entschädigung 7 f., 357 f. - Kinderkrankengeld 9 f., 356 f. Schwangerschaft, Massenentlassung 193 f. Schwellenwert, Massenentlassung 499 f. Schwerbehindertenvertretung - Telefonkonferenz 13 654
Schwerbehindertenvertretung - Videokonferenz 13 Schwerbehinderung → Behinderung SE - Frauenquote 27 ff., 361 - Koalitionsvertrag 338 SE-Betriebsrat - Telefonkonferenz 13 - Videokonferenz 13 Selbständige - Alterssicherung 55 - Altersversorgung 335 - Arbeitszeit 457 f. - Koalitionsvertrag 335 - Krankenversicherung 335 - Plattformarbeit 394 f. Selbstbeurlaubung, Weiterbeschäftigung 526 ff. Sexuelle Belästigung - Abmahnung 515 ff. - Kündigung 515 ff. Sexuelle Orientierung, Diversität 397 Signatur, Betriebsvereinbarung 567 Sittenwidrigkeit, Kündigung 207 Solo-Selbständige, Tarifvertrag 53 Sonderleistung - ältere Arbeitnehmer 156 ff. - Altersdiskriminierung 156 ff. - Gleichbehandlungsgrundsatz 485 f. - Konzern 613 ff. - Konzernbetriebsrat 613 ff. - Mischcharakter 154 ff. - rentennahe Arbeitnehmer 156 ff. - Stichtagsklausel 154 ff. Sonderzahlung → Sonderleistung Sozialauswahl, Betriebsübergang 622 f. Sozialplan - Abfindung 281 ff.
Stichwortverzeichnis
Sozialplan - ältere Arbeitnehmer 156 - Altersdiskriminierung 286 f. - Behinderung 289 ff. - Diskriminierung 287 ff., 289 ff. - Dotierung 283 - Eigenkündigung 291 ff. - elektronische Signatur 12 - Geschlechtsdiskriminierung 287 ff. - Gleichbehandlung 281, 293 f. - Gleitzeitfaktor 227 ff. - Kappungsgrenze 286 f. - Kinderzuschlag 287 ff. - Klageverzichtsprämie 281 - Lohnsteuerkarte 287 ff. - Mannheimer Modell 294 ff. - rentennahe Arbeitnehmer 156 - Schwerbehinderung 289 ff. - Zweck 282 f., 293 f. Sozialversicherung - Auslandstätigkeit 405 ff. - BBG 628 - Bezugsgröße 628 - Brexit 62 f. - Geringfügigkeitsgröße 628 - Kurzarbeit 3 ff. - Mannheimer Modell 294 ff. - Plattformarbeit 394 f. - Statusfeststellungsverfahren 377 ff. - Turboprämie 628 - Versicherungspflichtgrenze 628 Sprache, AGG 54 Sprecherausschuss - Telefonkonferenz 13 ff. - Videokonferenz 13 ff. Standarddatenschutzklausel 389 ff. Standortverlagerung, Homeoffice 203 ff., 505 ff. StaRUG 38 ff.
Statusfeststellungsverfahren 377 ff. Stellenausschreibung - Diversität 398 - konzerninterne 261 ff. Steuerrecht, Homeoffice 407 ff. Stichtagsklausel, Sonderzahlung 154 ff. Stufenklage, Auskunftsanspruch 445 Syndikusrechtsanwalt, Gleichbehandlungsgrundsatz 485 ff. Tantieme → Sonderleistung Tarifautonomie, Koalitionsvertrag 337 Tarifbindung, Ausweitung 51 ff. Tariffähigkeit, Arbeitnehmervereinigung 559 ff. Tarifpluralität, Bezugnahmeklausel 549 ff., 552 ff. Tariftreue, Koalitionsvertrag 337 Tarifvertrag - Allgemeinverbindlicherklärung 52 - arbeitnehmerähnliche Person 53 - Arbeitszeit 334 - AT-Angestellte 158 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 23 - Betriebsnorm 231 - Betriebsübergang 337, 52 f. - betriebsverfassungsrechtliche Regelung 231 - Bezugnahmeklausel 229 ff., 549 ff. - Datenschutz 390 - Entgeltbänder 232 ff. - Equal-Pay 105 ff., 435 f. - Equal-Treatment 105 ff., 435 ff. - EU-Richtlinie 236 f. - Geltungsbereich 158 ff. - Gestaltungsspielraum 236 f. 655
Stichwortverzeichnis
Tarifvertrag - Gleichheitssatz 236 f. - Handwerk 52 - Koalitionsvertrag 337 - Leiharbeit 435 f. - Mehrarbeitsvergütung 163 ff., 481 ff. - Mehrurlaub 169 ff. - Mindestabstandsklausel 158 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 605 f. - Nachtschichtzulage 234 ff., 475 ff. - Schriftformerfordernis 417 ff. - Solo-Selbständige 53 - Tarifautomatik 556 ff. - Überstundenvergütung 163 ff., 481 ff. - Zweckdetermination 164 Tarifvorbehalt, Mitbestimmung Betriebsrat 605 f. Tarifwechsel, Bezugnahmeklausel 556 Tätowierung - Diskriminierung 424 ff. - Rechtsextremismus 425 Technische Einrichtung, Mitbestimmung Betriebsrat 141 ff., 269 f. Teilhabestärkungsgesetz, bEM 451 ff. Teilzeitbeschäftigung - Anspruch 464 ff. - Antrag 464 ff. - Arbeitszeitverlängerung 459 ff. - Betriebsrente 226 ff. - Diskriminierung 481 ff. - Elterngeld 26 f. - Elternzeit 26 f. - EU-Richtlinie 163, 481 ff. - Gender-Pay-Gap 481 ff. - Informationsanspruch 459 656
- Koalitionsvertrag 339 - Mehrarbeitsvergütung 163 ff. - Schadensersatz 459 ff. - Teilzeitfaktor 227 f. - Überstundenvergütung 163 ff. Teilzeitverlangen, Bindungswirkung 464 ff. Telearbeit, Arbeitsschutz 37, 367 f. Telefonkonferenz - Betriebsrat 13 ff. - Einigungsstelle 42 - Wahlvorstand 565 Testergebnis, Fragerecht 351 f. Testnachweis, 3 G 343 Testpflicht - Arbeitsplatz 342 ff. - Krankenhaus 347 - Pflegeeinrichtung 347 Teststatus - Datenschutz 347 ff. - Fragerecht 347 ff. - Gefährdungsbeurteilung 349 Transfergesellschaft, befristeter Arbeitsvertrag 25 Transport, 3 G 346 Turboprämie - Aufhebungsvertrag 627 f. - Besteuerung 627 f. - EStG 627 f. - Sozialversicherungsbeiträge 628 TVöD, Personalgestellung 108 Überstundenvergütung - Diskriminierung 481 ff. - Gender-Pay-Gap 481 ff. - Kurzarbeit 312 - Teilzeitbeschäftigung 163 ff., 481 ff. Umkleidezeit - Arbeitszeit 31, 467 ff. - Vergütung 150
Stichwortverzeichnis
Umstrukturierung, Personalrat 43 ff. Umweltschutz, Lieferkette 47 ff. UN-BRK - Behinderung 427 - Schutzpflicht 426 ff. Unfallversicherung - Homeoffice 56, 368 - mobile Arbeit 56 Unionsrecht, Nachtschichtzulage 475 ff. Unterhaltspflicht, Datenschutz 446 Unterlassungsanspruch, Betriebsrat 594 Unternehmenskriminalität, VerSanG 36 Unternehmensmitbestimmung - Frauenquote 27 ff., 360 ff. - Koalitionsvertrag 337 Unterrichtungspflicht - Betriebsübergang 624 ff. - irrelevante Fehler 624 ff. Urlaubsabgeltung, Ausschlussfrist 180 ff. Urlaubsentgelt 492 ff. Variable Vergütung - Erholungsurlaub 492 ff. - Schadensersatz 489 ff. - Urlaubsentgelt 492 ff. Verantwortliche Stelle - Betriebsrat 16 ff., 573 f. - Personalrat 45, 573 f. Verbandsklage, Datenschutz 120 Verbandstarifvertrag - Bezugnahmeklausel 551 f. - Einwirkungsanspruch 562 - Unterlassungsanspruch 562 Verdachtsfall, COVID-19 73 Verdienst, anderweitiger 517 ff.
Verdienstanrechnung, Freistellung 517 ff. Verdienstausfall, Entschädigung 8, 357 f. Vergaberecht, Lieferkette 374 f. Vergütung - Annahmeverzug 617 ff. - Arbeitszeit 149, 467 ff. - Bereitschaftsdienst 149 - Betriebsratsmitglied 590 ff. - Entgeltbänder 232 ff. - Lockdown 484 f. - Nachtarbeit 475 ff. - Rufbereitschaft 149 - Rüstzeit 150 - Schichtarbeit 475 - Umkleidezeit 150, 467 ff. - Wegezeit 150 Verjährung - Ausschlussfrist 133 ff. - Erholungsurlaub 178 ff. - Verkürzung 133 ff. - Wettbewerbstätigkeit 540 VerSanG 36, 365 ff. Verschwiegenheitspflicht - AGB-Kontrolle 548 - EU-Richtlinie 548 - Geschäftsgeheimnis 544 f. - GeschGehG 545 ff. - nachvertragliche 544 ff. - zeitliche Grenze 544 ff. Versetzung - Annahmeverzug 521 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 268 Versicherungspflichtgrenze 628 Versorgungsordnung → Betriebliche Altersversorgung Vertragsänderung - Annahmeverzug 132 f. - befristete 131 f.
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Stichwortverzeichnis
Vertrauensarbeitszeit, Koalitionsvertrag 334, 607 ff. Vertrauensperson, bEM 450 ff. Videokonferenz - Betriebsrat 13 ff. - Einigungsstelle 42 - Personalrat 41 f. - Personalversammlung 42 - Wahlvorstand 565 Videosprechstunde, Corona-Test 343 Virtuelle Betriebsratssitzung 13 ff. Vorbeschäftigung, befristeter Arbeitsvertrag 92 ff., 336 Vorsatzhaftung, Ausschlussfrist 133 ff., 454 ff. Vorstand - Elternzeit 29, 362 ff. - Frauenquote 27 ff. - Krankheit 363 - Mutterschutz 29, 362 ff. - Pflegezeit 362 ff. Wahlanfechtung, Betriebsrat 12 Wahlordnung - diverses Geschlecht 580 ff. - Neufassung 565 ff. - Wahlunterlagen 566 Wahlrecht, Betriebsrat 12 Wahlverfahren, Betriebsrat 11 f. Wahlvorstand - Telefonkonferenz 565 - Videokonferenz 565 Wartezeit - Betriebsratsanhörung 265 ff. - Kündigung 265 ff. Waschzeit, Arbeitszeit 31 Wegezeit - Arbeitszeit 467 ff. - außerbetriebliche 153 - innerbetriebliche 153 658
Wegezeit - Vergütung 150 Weiterbeschäftigung - Erholungsurlaub 526 ff. - Kündigung 526 ff. - Kündigungsschutzprozess 526 ff. - Selbstbeurlaubung 526 ff. Weiterbildung, Kurzarbeit 4 Weltanschauung, Diskriminierung 421 ff. Wertguthaben, Mannheimer Modell 294 ff. Wettbewerbstätigkeit - Arbeitsvertrag 539 ff. - Auskunftsanspruch 540 - Verjährung 540 Whistleblower - externe Meldung 33 - Geschäftsgeheimnis 33 - GeschGehG 33 ff. - gesetzlicher Schutz 32 ff. - HinSchG 32 ff., 365 ff. - interne Meldung 34 f. - Koalitionsvertrag 365 ff. - Konzern 367 - Kündigung 35 - Meldekanäle 34 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 35 f. - Offenlegung 33 - Rechtsverletzung 32 f. - Rücksichtnahmepflicht 34 f. - Unionsrecht 32 f. - Whistleblower-Richtlinie 32 Widerruf, Betriebsrente 222 f. Widerrufsrecht, Aufhebungsvertrag 533 f. Widerspruch Betriebsübergang - Annahmeverzug 617 ff. - Arbeitnehmerüberlassung 617 ff. - Frist 624 ff.
Stichwortverzeichnis
Widerspruch Betriebsübergang - irrelevante Fehler 624 ff. - Verwirkung 624 ff. Wirtschaftsausschuss - Lieferkette 374 - Videokonferenz 569 Work-Life-Balance, Mitbestimmung Betriebsrat 601 ff. Zeitarbeit → Arbeitnehmerüberlassung Zeugnis - Fließtext 542 f. - Tabellenform 542 ff. Zielvereinbarung - Diversität 398 - Schadensersatz 489 ff. Zitiergebot, befristeter Arbeitsvertrag 24 f. Zugangsrecht, Gewerkschaft 567 ff. Zulieferer, Lieferkette 372 Zurückweisung, Kündigung 512 ff. Zusatzversorgungskasse, Personalgestellung 438 f. Zwangsvollstreckung, Beschäftigungsanspruch 503 ff. Zwischenverdienst - Annahmeverzug 521 ff. - Anrechnung 521 ff.
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