Aktuelles Arbeitsrecht, Band 2/2017 9783504385774


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German Pages 377 [339] Year 2018

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Aktuelles Arbeitsrecht, Band 2/2017
 9783504385774

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Gaul Aktuelles Arbeitsrecht Band 2/2017

Band 2/2017

Aktuelles Arbeitsrecht Herausgegeben von

Prof. Dr. Björn Gaul Bearbeitet von

Dietrich Boewer

Rechtsanwalt, Vorsitzender Richter am LAG Düsseldorf a.D.

Prof. Dr. Björn Gaul

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln

Zitierempfehlung: Bearbeiter in Gaul, AktuellAR 2017, S. ...

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0948-2369 ©2018 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: VUA Schaus, Büttelborn Printed in Germany

Vorwort Die Bundestagswahl hat uns bedauerlicherweise bislang zwar keine Gewissheit darüber verschafft, welche Veränderungen im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht mit einer neuen Bundesregierung verbunden sein werden. Das Ende der vergangenen Legislaturperiode hat aber noch eine Vielzahl von Neuregelungen mit sich gebracht, auf die sich die betriebliche Praxis einstellen muss. Dabei sei vor allem auf das Entgelttransparenzgesetz, die Neufassung des Mutterschutzgesetzes und das Betriebsrentenstärkungsgesetz hingewiesen. Erst im Mai 2018 treten die Änderungen im Datenschutzrecht in Kraft, wo vor allem durch eine vollständige Überarbeitung des BDSG eine Anpassung an die neuen Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung erfolgt. Der Aufwand, die damit verbundenen Handlungserfordernisse auf individual- und kollektivrechtlicher Ebene umzusetzen, ist hoch und muss in den Unternehmen frühzeitig eingeleitet werden. Diese gesetzlichen Vorgaben werden um Klarstellungen des BAG ergänzt, das missglückte Formulierungen des Gesetzgebers in Bezug auf den Anwendungsbereich von § 32 BDSG (künftig: § 26 BDSG) korrigieren muss. Auf individualrechtlicher Ebene waren vor allem Feststellungen der Rechtsprechung zu befristeten Arbeitsverträgen von Bedeutung. Sie zeigen Klarstellungen, aber auch neue Risiken auf, insbesondere bei der Befristung zur Vertretung, beim Abschluss von Vorruhestandsverträgen und bei der Verlängerung bei Erreichen der Regelaltersgrenze. Ergänzend waren die Änderung der Rechtsprechung zur Verbindlichkeit arbeitgeberseitiger Weisungen sowie neue Leitlinien zu aktuellen Fragen des Urlaubsrechts sowie der Abgrenzung zwischen Arbeitsvertrag, Arbeitnehmerüberlassung und SoloSelbständigen zu beachten. Kündigungsrechtlich war vor allem über Klarstellungen der Rechtsprechung zur negativen Gesundheitsprognose im Vorfeld einer krankheitsbedingten Kündigung, die Berücksichtigung des Anspruchs auf Regelaltersrente im Rahmen der Sozialauswahl, den Beginn der 2-Wochen-Frist bei außerordentlicher Kündigung und Handlungsobliegenheiten des Arbeitnehmers bei der Einbeziehung von Zwischenverdienst nach Kündigung sowie den Begriff der Änderungskündigung bei Massenentlassungen zu berichten. Das Tarifrecht war nicht nur durch die ausführliche Auseinandersetzung des BVerfG mit dem Tarifeinheitsgesetz geprägt. Hier darf die gesetzliche Neuregelung zwar bis zum 31.12.2018 angewendet werden; die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit durch den Wortlaut von § 4 a TVG hat aber zur Folge, dass eine Vielzahl von Einschränkungen bei seiner Anwendung zu V

Vorwort

berücksichtigen sind. Ergänzend hierzu war über die Entscheidung des BAG zu den Folgen einer Bezugnahmeklausel im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang zu berichten. Sie ist noch nicht begründet, was angesichts des erkennbaren Widerspruchs der Ausführungen des 4. Senats des BAG in Bezug auf die unionsrechtliche Vereinbarkeit seiner Auslegung von § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zur Rechtsprechung des 2. Senats des BAG zu den Anforderungen einer Änderungskündigung auch nicht überrascht. Mit Blick auf die bevorstehenden Betriebsratswahlen war natürlich über dahingehende Entscheidungen zu berichten. Weitergehend waren der Umgang mit den gewählten Betriebsratsmitgliedern, wesentliche Klarstellungen zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern nach Maßgabe der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer, zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den Schwellenwerten für Freistellungen, die Arbeitszeit von Betriebsratsmitgliedern und ihre Berechtigung zur Beschlussfassung im Rahmen von Videokonferenzen zu beachten. Darüber hinaus gibt es wichtige Entscheidungen zur Mitbestimmung bei Entgeltfragen, im Bereich des Arbeitsschutzes sowie bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die in ihren Auswirkungen erfasst wurden. Der Tatbestand des Betriebs- oder Betriebsübergangs wirft aktuell wenig Fragen auf. Wichtige Klarstellungen hat die Rechtsprechung allerdings in Bezug auf die Unterrichtungspflicht bei der Übernahme durch neugegründete Unternehmen, die Konsequenzen für Gesamtbetriebsvereinbarungen und Gestaltungsspielräume bei der Zuordnung von Arbeitnehmern im Vorfeld einer Spaltung nach § 123 UmwG getroffen. Hier sollten die damit verbundenen Handlungsoptionen frühzeitig gesehen und ggf. nutzbar gemacht werden. Es ist immer wieder eine Freude, die Zusammenfassungen der aktuellen Leitlinien der Rechtsprechung und ihre Auswirkungen auf die betriebliche Praxis zu sehen, die Dietrich Boewer (Boe) uns verfügbar macht. Ebenso sei den Herren Kollegen Dr. Andreas Hofelich (Ho) und Björn Otto (Ot) sowie Frau Linda Kriebel Volk, Frau Anna Maria Miklaszewska, Frau Christin Rögels und Frau Doris Hensch gedankt, die trotz der Belastung durch weitere Buchprojekte mit großem Elan diese aktuelle Zusammenfassung der Rechtsentwicklung im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht zusammengestellt haben. Köln, im November 2017

VI

Björn Gaul (Ga)

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort........................................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis ............................................................................ XVII

A.

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland ............................327

1.

Arbeits- und Sozialrecht nach der Bundestagswahl .........................327

2.

Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts .............................327

3.

Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Datenschutzgrundverordnung ...........................................................329 a) Ausgangslage .............................................................................329 b) Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten .............................................................................329 c) Betriebsvereinbarung als Rechtfertigungsgrund zur Datenverarbeitung .....................................................................332 d) Zulässigkeit einer Einwilligung .................................................332 e) Datenschutz im Konzern ...........................................................334 f) Information der Beschäftigten ...................................................334 g) Fazit ...........................................................................................336

4.

Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung .................336 a) b) c) d) e) f) g)

Kernelemente des neuen BRSG ................................................337 Reine Beitragszusage .................................................................337 Verpflichtender Arbeitgeberzuschuss ........................................342 Das Optionsmodell ....................................................................346 Förderbetrag für Geringverdiener ..............................................347 Weitere steuer- und sozialrechtliche Änderungen .....................348 Ergänzende Veränderungen im Rahmen des BRSG ..................350

VII

Inhaltsverzeichnis

5.

Gesetz zur Sicherung der tarifvertraglichen Sozialkassenverfahren und zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes ....................................................................351

6.

Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft ...............................................................................352

7.

Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung – gesetzliche Initiative von Bündnis 90/Die Grünen .............................................353

B.

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht...........355

1.

Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Arbeitszeitrichtlinie ..........................................................................355

2.

Stellungnahme des Bundesrats zum Vorschlag einer Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige .....................................................355

3.

Überarbeitung der Nachweisrichtlinie ..............................................356

4.

Aktueller Stand der Überarbeitung der Entsenderichtlinie ..............357

5.

Neue Entwicklungen zum Schutz der Whistleblower ......................359

6.

Europäische Säule sozialer Rechte ...................................................361

C.

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag ..............................363

1.

Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung des Arbeitsvertrags ..........363 a) Befristung auf Wunsch des (älteren) Arbeitnehmers .................364 b) Befristung des Arbeitsvertrags nach Erreichen der Regelaltersgrenze.......................................................................368 c) Finanzieller Ausgleich als sonstiger Sachgrund bei befristeter Beschäftigung leitender Angestellter .......................372 d) Unterzeichnung des befristeten Arbeitsvertrags durch Vertreter .....................................................................................374 e) Unwirksamkeit einer Befristung wegen der Möglichkeit einer Personalreserve? ...............................................................377 f) Entstehung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses durch Abschluss einer Änderungsvereinbarung ..................................380 g) Keine zeitliche Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbots ..........................................................384

VIII

Inhaltsverzeichnis

2.

Versetzung: Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung? ...................387

3.

Wirksamkeit einer Versetzung auch ohne betriebliches Eingliederungsmanagement..............................................................391

4.

Gleichzeitige Beschäftigung als Arbeitnehmer und SoloSelbständiger ....................................................................................392

5.

Grenzüberschreitender Fremdpersonaleinsatz........................................

6.

Gemeinsamer Betrieb zur Vermeidung von Arbeitnehmerüberlassung .................................................................399

7.

Zulässigkeit einer verdeckten Ermittlungsmaßnahme bei Verdacht einer schweren Pflichtverletzung ......................................401

8.

Unzulässigkeit einer uneingeschränkten Überwachung des Arbeitnehmers ..................................................................................401 a) Heimliche Überwachung der Social-MediaKommunikation .........................................................................410 b) Dauerhafte Überwachung durch einen Keylogger ....................413

9.

Zulässigkeit der gesetzlichen Ausschlussfristen aus § 15 AGG bei Schadensersatz oder Entschädigung wegen Diskriminierung ................................................................................414

D.

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub ..........................................423

1.

Ausgewählte Fragen zur praktischen Umsetzung des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz ..............................................423 a) Kennzeichnung einer gleichwertigen Tätigkeit .........................423 b) Privilegien bei Arbeitgebern mit Tarifbindung ..........................425 c) Auskunftserteilung durch den Arbeitgeber, die Tarifvertragsparteien oder den Betriebsrat ................................426 d) Entgelttransparenz als Anlass für Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ..............................429 e) Betriebliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung der Entgeltgleichheit ..................................................................430 f) Bericht zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit ..................431

2.

Untergang des Anspruchs auf Verlängerung der Arbeitszeit bei der Besetzung der Stelle mit einem anderen Arbeitnehmer .......432

IX

Inhaltsverzeichnis

3.

Befristete Einstellung eines vollzeitbeschäftigten Vertreters nach Inanspruchnahme eines Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung ........................................................................436

4.

Befreiung von den Schranken des Arbeitszeitrechts durch Heimarbeit ........................................................................................441

5.

Pfändungsschutz für Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge .................................................................................446

6.

Berücksichtigung des Mindestlohns bei der Berechnung der Feiertagsvergütung, des Urlaubsentgelts und tariflicher Zuschläge ..........................................................................................451

7.

Einzelvertragliche Anforderungen an einen wirksamen Widerrufsvorbehalt ...........................................................................453

8.

Arbeitnehmerüberlassung: Abweichungen vom Equal-PayGebot ab 1.1.2018 .............................................................................456

9.

Altersdiskriminierung bei Besitzstandsregelung für Begünstigung älterer Arbeitnehmer bei Schichtfreizeit?..................458

10.

Urlaubstage bei unterjähriger Veränderung der Anzahl der Wochenarbeitstage ............................................................................462

11.

Schadensersatzanspruch bei nicht gewährtem Erholungsurlaub................................................................................465

12.

Anspruch des Arbeitnehmers auf halbe Urlaubstage........................468

13.

Kein Verfall des Urlaubsanspruchs bei Scheinselbstständigkeit .....................................................................471

E.

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags ........................................... 475

1.

Anwendbarkeit des KSchG im Kleinbetrieb ....................................475

2.

Anwendbarkeit des KSchG in der Matrix-Organisation ..................477

3.

Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers aufgrund einer Verlängerung seiner Kündigungsfrist.......................480

4.

Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ...............................483

5.

Betriebsbedingte Änderungskündigung nach einer Veränderung des Anforderungsprofils ..............................................487

X

Inhaltsverzeichnis

6.

Berücksichtigung der Berechtigung zur Regelaltersrente im Rahmen der Sozialauswahl ...............................................................491

7.

Beginn der 2-Wochen-Frist bei außerordentlicher Kündigung ........496

8.

Wegfall des Annahmeverzugs durch unterlassenen Zwischenverdienst ............................................................................499

9.

Teilkündigung einer Pauschalierungsabrede ....................................503

10.

Änderungskündigung als Massenentlassung im Sinne des § 17 KSchG ......................................................................................506

11.

Formwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ...............................................508

F.

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags ........................................................................511

1.

EuGH: Zulässigkeit der ratierlichen Kürzung der Betriebsrente und der gespaltenen Rentenformel ............................. 511

2.

Änderung einer Regelung zur Anpassung der Betriebsrente nach Eintritt des Versorgungsfalls ....................................................513

G.

Tarifrecht ........................................................................................517

1.

Gesichtswahrende Ohrfeige für den Gesetzgeber: Teilweise Unvereinbarkeit des Tarifeinheitsgesetzes mit dem Grundgesetz ......................................................................................517 a) b) c) d)

Ausgangssituation ......................................................................517 Verfassungsrechtliche Grundlage ..............................................518 Erhebliche Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit ..................520 Verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 4 a TVG ........................................521 e) Regelungsnotwendigkeit des Gesetzgebers ...............................527 2.

Tarifvertraglicher Mehrarbeitszuschlag bei Teilzeitbeschäftigung ........................................................................528

3.

Asklepios: Widersprüchliche Thesen des BAG zur Änderungskündigungen bei Bezugnahme auf Tarifvertrag ..............530

4.

Gewerkschaftlicher Unterlassungsanspruch bei betrieblichem Bündnis für Arbeit ............................................................................535 XI

Inhaltsverzeichnis

H.

Betriebsverfassung und Mitbestimmung.................................539

1.

Keine Einbeziehung der im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer im Bereich der Unternehmensmitbestimmung ................................................................................539

2.

Kennzeichnung der räumlich weiten Entfernung eines Betriebsteils nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG ..............................542

3.

Aktuelles zur Betriebsratswahl .........................................................545 a) Elektronische Durchführung einer Betriebsratswahl.................546 b) Anfechtung wegen Änderung der Wählerliste ..........................548

4.

Beschlussfassung des Betriebsrats, des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats im Rahmen einer Videokonferenz ...................550

5.

Anpassung der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds ........................................................................554

6.

Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern ..............................................................559

7.

Arbeitszeitrechtliche Schranken für die Ausübung der Betriebsratstätigkeit ..........................................................................561

8.

Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung technischer Überwachungseinrichtungen ...........................................................567 a) Nutzung eines elektronischen Gruppenkalenders .....................567 b) Überwachung der Arbeitstätigkeit zur Verbesserung der Arbeitsabläufe ............................................................................569

9.

Mitbestimmung des Betriebsrats im Bereich des Gesundheitsschutzes .........................................................................573

10.

Mitbestimmung des Betriebsrats bei Widerruf einzelner Vergütungsbestandteile .....................................................................576

11.

Aktuelles zur Mitbestimmung bei betrieblichen Entgeltregelungen .............................................................................581 a) Mitbestimmung des Betriebsrats bei Änderung einer (ehemals) tariflichen Vergütungsordnung..................................581 b) Einschränkung der Mitbestimmungsrechte durch den Tarifvorbehalt ............................................................................581

XII

Inhaltsverzeichnis

I.

Betriebsänderung und Betriebsübergang ...............................589

1.

Auskunftspflichten beherrschender Unternehmen bei einer Massenentlassung nach § 17 Abs. 2 KSchG ....................................589

2.

Zuordnung von Arbeitnehmern bei einer Spaltung nach § 123 UmwG ....................................................................................592

3.

Verzicht des Arbeitnehmers auf Ansprüche aus einer (möglichen) Betriebsvereinbarung nach Betriebsübergang .............595

4.

Betriebsübergang: Pflicht zur Unterrichtung über das für den Erwerber geltende Sozialplanprivileg ..............................................599

5.

a) Ausgangssituation ......................................................................599 b) Sozialplanprivileg als Bestandteil der rechtlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs .....................................600 Geltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach Betriebsübergang ..............................................................................603

J.

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ............................................................607

1.

Sperrzeit nach Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ......................................................607

2.

Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2018 ..................................................................................................610

Stichwortverzeichnis ...................................................................................613

XIII

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. F. abl. ABlEG Abs. abw. AcP AGBG ADG ÄndG AEntG AEUV AFG AGBG AiB AFKG AktG AktuellAR AltEinkG AltersvorsorgeVerbesserungsgesetz AltZertG AsylG AsylVfG AufenthG AVmG allg. AMP AMS amtl. Anl. Anm.

anderer Auffassung alte Fassung ablehnend Amtsblatt der EG Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Geschäftsbedingungengesetz Antidiskriminierungsgesetz Änderungsgesetz Arbeitnehmerentsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Arbeitsförderungsgesetz 1969 Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) 1976 Arbeitsrecht im Betrieb Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz Aktiengesetz Gaul bzw. Gaul/Gaul, Aktuelles Arbeitsrecht Alterseinkünftegesetz Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz Asylgesetz Asylverfahrensgesetz Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet Altersvermögensgesetz allgemein Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister Arbeitsschutzmanagementsystem amtlich(e) Anlage Anmerkung

XV

Abkürzungsverzeichnis

AO AP ArbG ArbGG AR-Blattei ArBMedVV ArbNErfG ArbPlSchG ArbRB ArbSchG

ARSt ArbStättV ArbZG ARdGgw. ArGV Art. ASAV ASiG ATG AuA AU-Bescheinigung Aufenthalt/EWG AufenthG Aufl. AÜG AuR XVI

Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz 1979 Arbeitsrechts-Blattei, Handbuch für die Praxis Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (Arbeitnehmererfindergesetz) 1957 Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) 1957 Der Arbeits-Rechts-Berater (Zeitschrift) Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) Arbeitsrecht in Stichworten Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) Arbeitszeitgesetz Das Arbeitsrecht der Gegenwart Arbeitsgenehmigungsverordnung Artikel Anwerbestoppausnahmeverordnung Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) Altersteilzeitgesetz Arbeit und Arbeitsrecht Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Aufenthaltsgesetz Auflage Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) 1972 Arbeit und Recht

Abkürzungsverzeichnis

AVmG AWbG (AWStG) BA BAG BAVAZ BAT BAT-O BB BBG BBiG Bd. BDA Beil. BEEG BEM BerASichG BErzGG Beschäftigungschancengesetz BeschFG BeschSchG BeschV BetrAVG BetrSichVO BetrVG BetrVG 1952 BFH BFHE BGB

Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsgericht Bedarfsabhängige variable Arbeitszeit Bundesangestelltentarifvertrag Bundesangestelltentarifvertrag Ost Betriebs-Berater Beitragsbemessungsgrenze Berufsbildungsgesetz 1969 Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Beilage Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Berufliches Eingliederungsmanagement Berufsausbildungssicherungsgesetz 2004 Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz) 1985 Gesetz für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (Beschäftigungsförderungsgesetz) 2001 Beschäftigtenschutzgesetz Beschäftigungsverordnung – Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern Betriebsrentengesetz Betriebssicherheitsverordnung Betriebsverfassungsgesetz 1972 Betriebsverfassungsgesetz 1952 Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Bürgerliches Gesetzbuch XVII

Abkürzungsverzeichnis

BGBl. BGH BGHZ BildschArbV BilMoG BImSchG BKK Bl. BMF BMT-G BMWA BPersVG br BR-Drucks. BRSG BRTV-Bau BSDG BSeuchG BSG BSGE BSHG BSSichG BStBl. BT-Drucks. BRAO BTHG BUrlG BuW BNichtrSchG BVerfG BVerfGE BVerwG XVIII

Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Bildschirmarbeitsverordnung Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bundes-Immissionsschutzgesetz Betriebskrankenkasse Blatt Bundesministerium für Finanzen Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Bundespersonalvertretungsgesetz 1974 Behindertenrecht (Zeitschrift) Bundesratsdrucksache Betriebsrentenstärkungsgesetz Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Bundesdatenschutzgesetz Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (BundesSeuchengesetz) Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) Bundessozialhilfegesetz Breitragssatzsicherungsgesetz Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Bundesrechtsanwaltsordnung Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz) Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) 1963 Betrieb und Wirtschaft Bundesnichtraucherschutzgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesverwaltungsgericht

Abkürzungsverzeichnis

bzw.

beziehungsweise

ca. CGM CGZP

circa Christliche Gewerkschaft Metall Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) 1994 Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen

ChemG ChGlFöG

DA DAG DB DBGrG DCGK ders. DGB d. h. DKK DLW DNotZ DOK DP DrittelbG DSAG DSAnpUG-EU DSGVO DStR DStRE EAS EBRG EBR-Richtlinie EFG EFTA

Durchführungsanweisung Deutsche Angestellten Gewerkschaft Der Betrieb Gesetz über die Gründung der Deutschen Bahn-AG Deutscher Corporate Governance Kodex derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Däubler/Kittner/Klebe Dörner/Luczak/Wildschütz Deutsche Notarzeitschrift Zeitschrift für "Ortskrankenkassen" Das Personalbüro Drittelbeteiligungsgesetz Datenschutzauditgesetz Datenschutz-Anpassunhgs- und Umsetzungsgesetz zur EU-Richtlinie 2016/680 Datenschutz-Grundverordnung Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerrechtentscheidung Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische-Betriebsräte-Gesetz) 1996 Europäische Betriebsräte Richtlinie Entscheidungen der Finanzgerichte European Free Trade Agreement

XIX

Abkürzungsverzeichnis

EFZG

EWG EWiR EzA

Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) 1994 Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetzes über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises Einkommenssteuerberater Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft 1997 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Entgeltgleichheitsgesetz zwischen Frauen und Männern Entgelttransparenzgesetz Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Europäische Sozialcharta Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union EU-Datenschutz-Grundverordnung Europäischer Gerichtshof Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag über die Europäische Union eingetragener Verein eventuell Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht 1980 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

FPfZG f. ff. FG Fitting

Familienpflegezeitgesetz folgend fortfolgende Finanzgericht Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt

EG EGBGB ELENA-VerfahrensG EstB EGV EGMR EMRK EntGG-E EntgTransG ErfK ESC EStG etc. EU EU-DSGVO EuGH EUZBLG EuZW EUV e. V. evtl. EVÜ

XX

Abkürzungsverzeichnis

FMStG Fn. FördElRV FR FS GA-AÜG GefStoffV gem. GenDG GenTSV GewO GG ggf. GK GK-KR GmbHR GmS-OBG GNBZ GRC GRUR GS GSG GWB

Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten Finanz-Rundschau (Dt. Steuerblatt) Festschrift Geschäftsanweisung zum AÜG von der Bundesagentur für Arbeit (Stand 12/2011) Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe gemeinsam(e) Gendiagnostikgesetz Gentechniksicherheitsverordnung Gewerbeordnung 1869 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 1949 gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht GmbH-Rundschau Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gewerkschaft der neuen Brief- und Zustelldienste Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Großer Senat Gerätesicherheitsgesetz 1992 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HAG HaKo-KSchR Halbs. h. M. HGB HinGebSchG HSWG HZvNG

Heimarbeitergesetz Handkommentar- Kündigungsschutzrecht Halbsatz herrschende Meinung Handelsgesetzbuch 1897 Hinweisgeberschutzgesetz Hess/Schlochauer/Worzolla/Glock Hüttenknappschaftliche ZusatzversicherungsNeuregelungs-Gesetz

i. d. F.

in der Fassung XXI

Abkürzungsverzeichnis

i. E. i. H. a. INF InKDG InsO Institutsvergütungsverordnung IntG IntGVO InvG i. S. d. IT-ArGV IT-AV ITRB i. V. m. JArbSchG JuMoG KDZ Kap. KAPOVAZ KassArbR KassKomm KG KO KPK KR K&R krit. KSchG KuG XXII

im Ergebnis im Hinblick auf Die Information über Steuer und Wirtschaft Informations- und Kommunikationsdienstegesetz Insolvenzordnung 1994 Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten Integrationsgesetz Integrationsgesetzverordnung Investmentgesetz im Sinne des Verordnung über Arbeitsgenehmigungen Verordnung über Aufenthaltsgenehmigungen IT-Rechtsberater in Verbindung mit Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) 1976 Justizmodernisierungsgesetz Kittner/Däubler/Zwanziger (Hrsg.) Kündigungsschutzrecht Kommentar 8. Aufl., 2011 Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Kammergericht Konkursordnung Kölner Praxiskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften Kommunikation und Recht kritisch Kündigungsschutzgesetz 1969 Kurzarbeitergeld

Abkürzungsverzeichnis

LadschlG LAG LAGE LasthandhabV LFZG Lit. LPartG LPartÜAG LS LStDV m. MDR m. E. MERL MgVG m. w. N. MiLoV MindArbBedG MinLohnG MitbestG MitbestErgG MontanMitbestG Montan-MitbestErgG MTV MünchArbR MüKo MuSchG MuSchArbV

Ladenschlussgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Lastenhandhabungsverordnung Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) 1969 Literatur Lebenspartnergesetz Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Leitsatz Lohnsteuer-Durchführungsverordnung mit Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Massenentlassungsrichtlinie Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung mit weiteren Nachweisen Mindestlohnanpassungsverordnung Mindestarbeitsbedingungsgesetz Gesetzes über die Festsetzung des Mindestlohns (Mindestlohngesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) 1976 Mitbestimmungsergänzungsgesetz Montan-Mitbestimmungsgesetz Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz Manteltarifvertrag Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) 1968 Mutterschutzarbeitsverordnung

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

NachwG n. F. NJW Nr. Nrn. NZS n. v. NZA NZA-RR NZG

Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) neue Fassung Neue Juristische Wochenzeitschrift Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Sozialrecht (noch) nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OLG

Oberlandesgericht

PatG PersR PersVG NW

Patentgesetz 1980 Personalrat Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche Pflegeversicherungsgesetz Pflegezeitgesetz Pflege-Weiterentwicklungsgesetz Preisklauselgesetz Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung von Ausrüstungen bei der Arbeit

PflegeArbbV PflegeVG PflegeZG PfWG PreisKlG PSABV PSDG PSH-BV PSV PublG PW RabattG RAG RAGE RdA XXIV

Verordnung über die Benutzung persönlicher Schutzausrüstung Pensionssicherungsverein Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen Preis/Willemsen Rabattgesetz Reichsarbeitsgericht Entscheidungssammlung des Reichsarbeitsgerichts Recht der Arbeit

Abkürzungsverzeichnis

RDV Recht der Datenverarbeitung Risikobegrenzungsgesetz Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken RIW Recht der internationalen Wirtschaft RL Richtlinie(n) RRG 1999 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung Rz. Randzahl/Randziffer Rs. Rechtssache RsprEinhG Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes 1968 RV-LeistungsverGesetz über Leistungsverbesserungen besserungsgesetz in der gesetzlichen Rentenversicherung RVO Reichsversicherungsordnung 1911 RzK Rechtsprechung zum Kündigungsrecht s. S. Sachgeb. SAE SchwarzArbG SchwbG SE SEAG SEBG SeemG SGB I SGB III SGB IV SGB V SGB VI SGB VII

siehe Seite bzw. Satz Sachgebiet Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft – Schwerbehindertengesetz (1986) Europäische Gesellschaft SE-Ausführungsgesetz SE-Beteiligungsgesetz Seemannsgesetz 1957 Sozialgesetzbuch, I. Buch - Allgemeiner Teil 1975 Sozialgesetzbuch, III. Buch - Arbeitsförderung 1997 Sozialgesetzbuch, IV. Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung 1976 Sozialgesetzbuch, V. Buch - Gesetzliche Krankenversicherung 1988 Sozialgesetzbuch, VI. Buch - Gesetzliche Rentenversicherung 1989 Sozialgesetzbuch, VII. Buch - Gesetzliche Unfallversicherung 1996 XXV

Abkürzungsverzeichnis

SGB IX SGB X SGB XI SGb SigG s. o. sog. SozplKonkG SozR SPE spi SprAuG SpTrUG StGB st. Rspr. Tarifautonomie stärkungsgesetz TKG TransPuG TVG TVöD TzBfG u. a. u. ä. ÜbernG UmlFinG UStG

XXVI

Sozialgesetzbuch, IX. Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2001 Sozialgesetzbuch, X. Buch - Verwaltungsverfahren 1980/82 Sozialgesetzbuch, XI. Buch - Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit 1994 Die Sozialgerichtsbarkeit Signaturgesetz siehe oben sogenannte(r) Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren Sozialrecht, Entscheidungssammlung Societas Privata Europaea (=Statut der Europäischen Privatgesellschaft) sozialpolitische Informationen Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) 1988 Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen Strafgesetzbuch 1871 ständige Rechtsprechung Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie Telekommunikationsgesetz Transparenz- und Publizitätsgesetz Tarifvertragsgesetz 1969 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge 2001 unter anderem und ähnlich Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen 2002 Umlagefinanzierungsgesetz Umsatzsteuergesetz

Abkürzungsverzeichnis

UmwG UrhG usw. UVV v. VAG VermbG VermG VersAusglG vgl. VglO Vorbem. VorstAG VorstOG VVG VwGO VwVfG WahlO WhistleblowerSchutzgesetz WHSS WiB wib WissZeitG WM WpHG WPrax WpÜG WWKK z. B.

Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (Umwandlungsgesetz) 1994 Urheberrechtsgesetz 1965 und so weiter Unfallverhütungsvorschriften vom Versicherungsaufsichtsgesetz Vermögensbildungsgesetz Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) Versorgungsausgleichsgesetz vergleiche Vergleichsordnung 1935 Vorbemerkung(en) Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz Gesetz über den Versicherungsvertrag 1908 (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz 1976 Wahlordnung Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Wirtschaftliche Beratung Woche im Bundestag Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft Wertpapiermitteilungen Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsrecht und Praxis Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wlotzke, Wissmann, Koberski, Kleinsorge: Mitbestimmungsrecht zum Beispiel

XXVII

Abkürzungsverzeichnis

ZDG ZESAR ZEuP ZfA ZGR ZHR Ziff. ZIP ZPO ZSEG z. T. ZTR zust. ZustRG

XXVIII

Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung 1877 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zum Teil Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend Zustellungsreformgesetz

A. Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland 1.

Arbeits- und Sozialrecht nach der Bundestagswahl

Die Bundestagswahl hat eine veränderte Zusammensetzung des Deutschen Bundestages zur Folge, die auch veränderte Gespräche über eine Koalition zur Bildung einer Bundesregierung erforderlich gemacht hat. Leider sind Ergebnisse dieser Gespräche nach dem Scheitern der Sondierung zu einer Jamaika-Koalition derzeit noch nicht erkennbar. Deshalb ist auch eine Prognose über etwaige Veränderungen im Arbeits- und Sozialrecht ausgeschlossen. Wir müssen abwarten, ob und ggf. mit welcher Zusammensetzung eine neue Bundesregierung gebildet wird. (Ga)

2.

Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts

Im März hat der Bundestag das Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts1 auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend2 verabschiedet. Es tritt am 1.1.2018 in Kraft3. Wir hatten den Inhalt der gesetzlichen Veränderungen bereits im Frühjahr dargestellt4. Soweit mit §§ 9 ff. MuSchG n. F. veränderte und erweiterte Vorgaben zum Arbeitsschutz und zur Gefährdungsbeurteilung verbunden sind, ist die notwendige Klarstellung zum Begriff der Gefährdung und vor allem in ihrer Abgrenzung zur „unverantwortbaren“ Gefährdung durch das BMAS noch nicht erfolgt. Der Bundestag hatte das BMAS aufgefordert, hierzu bis zum 31.12.2017 Kriterien zu entwickeln und diese den Arbeitsschutzbehörden einerseits und den Unternehmen andererseits zur Verfügung zu stellen. Es bietet sich an, die Vorbereitungen zu der Gefährdungsbeurteilung nach § 10 MuSchG n. F. solange zurückzustellen, bis diese Handlungsleitlinien vorliegen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass eine Gefährdungsbeurteilung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt und wiederholt werden muss.

1 2 3 4

BT-Drucks. 18/8963; BR-Drucks. 230/16. BT-Drucks. 18/11782; vgl. auch BR-Drucks. 230/1/16. BGBl. I 2017, 1228 ff. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2017, 14 ff.; eingehend dazu auch Oberthür/Stähler, ArbRB 2017, 179 ff.

327

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Abzuwarten bleibt auch, wie die Gerichte die Erweiterung des gesetzlichen Kündigungsschutzes auf Vorbereitungshandlungen, die im Gegensatz zu den übrigen Änderungen im Kündigungsschutz nicht bereits zum 30.5.2017 in Kraft gesetzt wurde, ab 1.1.2018 zur Anwendung bringen werden. Denn mit der Neuregelung zum 1.1.2018 wird das Kündigungsverbot auf der Grundlage der maßgeblichen Feststellungen des EuGH im Urteil vom 11.10.20075 auf Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers ausgedehnt, die er während der in § 17 Abs. 1 S. 1, 2 MuSchG n. F. genannten Zeit im Hinblick auf eine Kündigung der Frau trifft. Diese Verpflichtung ist zwar dort umsetzbar, wo der Arbeitgeber eigenständig die Maßnahmen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses steuert und damit in der Lage ist, Stellenausschreibungen oder Bewerbungsgespräche zurückzustellen. Das gilt auch in Bezug auf die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung oder des Betriebsrats nach §§ 95 Abs. 2 SGB IX, 102 BetrVG. Problematisch ist die Umsetzung dieses Verbots von Vorbereitungsmaßnahmen aber dort, wo – zum Teil auch in Erfüllung unionsrechtlicher Pflichten – durch den Arbeitgeber als Folge gesetzlicher Pflichten im Vorfeld von Kündigungen Maßnahmen eingeleitet werden müssen. Beispielhaft sei hier nur die Beteiligung des Betriebsrats oder des Wirtschaftsausschusses nach §§ 17 Abs. 2 KSchG, 106, 111, 112 BetrVG genannt. Hier wird man eine geltungserhaltende Einschränkung von § 17 Abs. 1 S. 3 MuSchG n. F. vornehmen müssen. Andernfalls hätte die Erfüllung der gesetzlichen Beteiligungsrechte, zu der der Arbeitgeber durch Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss auch gezwungen werden kann, immer die Unwirksamkeit der späteren Kündigungen von Arbeitnehmerinnen zur Folge, die zum Zeitpunkt der Beteiligung der Arbeitnehmervertreter von dem Kündigungsverbot des § 17 Abs. 1 S. 1 MuSchG n. F. erfasst werden. Umgekehrt könnte die Rücksichtnahme auf § 17 Abs. 1 S. 1 KSchG n. F. zur Folge haben, dass die Kündigungen aller anderen Arbeitnehmer unwirksam sind, wenn deshalb eine fehlerhafte Durchführung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG angenommen wird. (Ga)

5

EuGH v. 11.10.2007 – C-460/06, NZA 2007, 1271 – Parquay.

328

Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Datenschutzgrundverordnung

3.

Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Datenschutzgrundverordnung

a)

Ausgangslage

Am 25.5.2018 wird die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht6. Die Verarbeitung personenbezogener Daten in der betrieblichen Praxis muss daher vor allem den unionsrechtlichen Vorgaben genügen, auch wenn daneben die ergänzenden und konkretisierenden Regelungen des deutschen Datenschutzrechts zu beachten sind. Da die aktuellen Regelungen des BDSG diesen übergeordneten Vorgaben nicht mehr entsprechen, wird auch das BDSG zum 25.5.2018 angepasst. Zu diesem Zeitpunkt tritt das Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Datenschutz-Grundverordnung und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz – DSAnpUG-EU) in Kraft7. Wir hatten über den Entwurf schon im Frühjahr berichtet8. Nachfolgend soll deshalb nur noch auf einige ergänzende Punkte hingewiesen werden.

b)

Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten

Durch § 26 BDSG wird von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch Rechtsvorschriften spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigungsdaten im Beschäftigungskontext vorzusehen. Dabei wird zunächst einmal an § 32 Abs. 1 BDSG angeknüpft. Danach dürfen personenbezogene Daten einer oder eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechten und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten einer oder eines Beschäftigten nur dann verarbeitet werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht 6 7 8

Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2016, 33 ff., 382 ff.; 2017, 22 ff. BGBl. I 2017, 2097 ff. B. Gaul, AktuellAR 2017, 22 ff.

329

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Verarbeitung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. Die vorstehenden Regelungen bewirken keine Änderung, auch wenn die Durchführung kollektivrechtlicher Regelungen noch einmal gesondert erfasst wird. Denn schon heute ist der Arbeitgeber berechtigt und verpflichtet, in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit eine Verarbeitung personenbezogener Daten vorzunehmen, wenn dies in einem Tarifvertrag, einer Betriebsoder Dienstvereinbarung vorgesehen ist. Die Übernahme der bestehenden Regelungen bewirkt zwar, dass insofern keine Umstellung der praktischen Handhabe erforderlich ist. Die Vorgehensweise ist aber gleichwohl bedauerlich, als dass damit auch die Ungenauigkeiten und Fehler aus § 32 Abs. 1 S. 1 und 2 BDSG in Bezug auf die verdeckte Ermittlung bei dem Verdacht einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers fortgeschrieben werden. Wir hatten an anderer Stelle darauf verwiesen, dass das BAG durchaus abweichend vom Wortlaut der heutigen Regelungen verdeckte Ermittlungen z. B. auch dann für zulässig hält, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine schwere Pflichtverletzung sprechen. Darüber hinaus können die Ermittlungen auch geführt werden, wenn der Verdacht gegen eine Gruppe von Beschäftigten gerichtet ist, also keine Konkretisierung auf eine einzelne Person erfolgen kann9. Beispielhaft sei insoweit auf das Urteil des BAG vom 29.6.201710 hingewiesen. Wie bisher werden in diesem Zusammenhang durch die gesetzlichen Vorgaben auch solche Beschäftigtendaten erfasst, die nicht in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen (§ 26 Abs. 7 BDSG). Das erfasst z. B. auch unsystematische (spontane) Datenerhebungen im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs. Entgegen der heutigen Rechtslage trifft § 26 Abs. 3 BDSG indes ergänzende Regelungen zum Umgang mit besonderen Kategorien personenbezogener Daten. Hier kann die Verarbeitung zum Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erfolgen, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem 9 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2017, 167 ff., 2017, 405 ff. 10 BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179 Rz. 29.

330

Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Datenschutzgrundverordnung

Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. Wichtig ist allerdings, dass der Arbeitgeber gemäß §§ 26 Abs. 3 S. 3, 22 Abs. 2 BDSG verpflichtet ist, besondere Maßnahmen zum Schutz dieser Daten zu ergreifen. Unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere der mit der Verarbeitung verbundenen Risiken für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Arbeitnehmer können dazu insbesondere gehören: • technisch organisatorische Maßnahmen, • Maßnahmen, die gewährleisten, dass nachträglich überprüft und festgestellt werden kann, ob und von wem personenbezogene Daten eingegeben, verändert oder entfernt worden sind, • Sensibilisierung der an Verarbeitungsvorgängen Beteiligten, • Beschränkung des Zugangs zu den personenbezogenen Daten innerhalb der verantwortlichen Stelle und von Auftragsverarbeitern, • Pseudonymisierung personenbezogener Daten, • Verschlüsselung personenbezogener Daten, • Sicherstellung der Fähigkeit, Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit und Belastbarkeit der Systeme und Dienste im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten, einschließlich der Fähigkeit, die Verfügbarkeit und den Zugang bei einem physischen oder technischen Zwischenfall rasch wiederherzustellen, • die Einrichtung eines Verfahrens zur regelmäßigen Überprüfung, Bewertung und Evaluierung der Wirksamkeit der technischen und organisatorischen Maßnahmen oder • spezifische Verfahrensregelungen, die im Fall einer Übermittlung oder Verarbeitung für andere Zwecke die Einhaltung der Vorgaben dieses Gesetzes sowie der Verordnung (EU) 2016/679 sicherstellen.

Wichtig dürfte sein, die vorstehenden Maßnahmen nicht nur auf der organisatorischen Ebene zu treffen, sondern auch individual- und wegen § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG kollektivrechtlich abzusichern.

331

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

c)

Betriebsvereinbarung als Rechtfertigungsgrund zur Datenverarbeitung

Wie bereits aus Erwägungsgrund 155 DSGVO folgt, können Betriebsvereinbarungen neben Tarifverträgen weiterhin die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtfertigen11. Das stellt § 26 Abs. 4 BDSG ausdrücklich klar. Voraussetzung ist aber nicht nur, dass die in Art. 88 Abs. 2 DSGVO genannten Rahmenbedingungen beachtet werden. Danach müssen die Regelungen einer Betriebsvereinbarung angemessene und besondere Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person umfassen, insbesondere im Hinblick auf die Transparenz der Verarbeitung, die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Unternehmen, die eine gemeinsame Wirtschaftstätigkeit ausüben, und die Überwachungssysteme am Arbeitsplatz (§ 26 Abs. 4 BDSG). Unabhängig davon muss eine Betriebsvereinbarung den in Art. 5 DSGVO genannten Grundprinzipien, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Rechnung tragen. Hierzu gehört auch, dass die Betriebsvereinbarung eine Verarbeitung personenbezogener Daten nur dort erlaubt, wo die (legitimen) Zwecke in der Betriebsvereinbarung selbst eindeutig festgelegt werden. Das folgt aus Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO in Verbindung mit dem Schriftformerfordernis einer Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Wichtig ist, dass dies jedenfalls bei dem Abschluss neuer Vereinbarungen beachtet wird. Bislang war dies in der betrieblichen Praxis häufig nicht der Fall, weil man sich eher darauf konzentriert hat, welche Daten erhoben wurden, wer mit den Daten gearbeitet hat (Zugriff), zu welchen Zwecken sie nicht genutzt werden dürfen und welche Speicher- und Löschkonzepte zur Anwendung kommen sollten.

d)

Zulässigkeit einer Einwilligung

Die Möglichkeit einer Einwilligung im Arbeitsverhältnis ergibt sich aus Erwägungsgrund 155 i. V. m. Art. 7 DSGVO. Wichtig ist allerdings, dass die unterschiedlichen Vorgaben aus der DSGVO und § 26 BDSG gleichermaßen beachtet werden. Dabei ist zunächst einmal zu berücksichtigen, dass die Handlungsvorgaben in Art. 7 DSGVO von den derzeit noch in § 4 a BDSG enthaltenen Regelungen abweichen. Denn nach der unionsrechtlichen Vorgabe hat die einwilli11 B. Gaul, AktuellAR 2016, 33 ff.

332

Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Datenschutzgrundverordnung

gende Person nicht nur das Recht, ihre Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Hiervon war schon heute auszugehen. Der Verantwortliche ist auch verpflichtet, die betroffene Person vor Abgabe der Einwilligung hiervon in Textform in Kenntnis zu setzen (§ 26 Abs. 2 BDSG). Damit eine Erfüllung dieser Verpflichtung nachgewiesen werden kann, empfiehlt es sich, die Einwilligungserklärungen selbst unmittelbar mit einem Hinweis auf dieses Widerrufsrecht zu versehen. Dabei ist sicherzustellen, dass die Einwilligung so einfach wie die Erteilung der Einwilligung ist. Das betrifft vor allem den Adressaten und die Form der Einwilligung. Hier sollte vorsorglich auf alle Vorgaben, die den Adressaten eines solchen Widerrufs betreffen, verzichtet werden. Die unternehmensseitige Absicherung wird bereits dadurch erreicht, dass es dem Arbeitnehmer obliegt, den Zugang eines solchen Widerrufs darzulegen und ggf. zu beweisen. Obwohl Erwägungsgrund 32 DSGVO davon spricht, dass die Einwilligung schriftlich, elektronisch oder mündlich erfolgen kann, bestimmt § 26 Abs. 2 BDSG die Schriftform, sofern nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Hiervon wird man beispielsweise bei der Nutzung des Internets im Bewerbungsverfahren ausgehen können. In diesem Fall kann – was Erwägungsgrund 32 DSGVO ausdrücklich nennt – die Einwilligung auch durch das Anklicken eines Kästchens beim Besuch einer Internetseite erteilt werden. Unabhängig davon dürfte es auch in anderen Konstellationen möglich sein, eine mündliche Einwilligung anzuerkennen. Beispielhaft sei auf die spontane Zustimmung des Arbeitnehmers zur Weitergabe der Arbeitnehmerdaten mit dem Ziel, sie bei einem Besetzungsverfahren in einem anderen Konzernunternehmen zu berücksichtigen, verwiesen. Nach § 26 Abs. 2 BDSG müssen bei der Freiwilligkeit einer Einwilligung insbesondere die im Beschäftigungsverhältnis bestehende Abhängigkeit der beschäftigten Person sowie die Umstände beachtet werden, unter denen die Einwilligung erteilt worden ist. Freiwilligkeit kann insbesondere vorliegen, wenn für die beschäftigte Person ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil erreicht wird oder Arbeitgeber und beschäftigte Person gleichgelagerte Interessen verfolgen. Hiervon kann beispielsweise bei einem Einsatz in einem anderen Konzernunternehmen, bei der Weitergabe von Personaldaten für eine Sonderleistung der Konzernobergesellschaft, bei der unternehmensübergreifenden Bearbeitung der Handlungsvorgaben im Bereich des Arbeitsschutzes, einer unternehmensübergreifenden Personalentwicklungsmaßnahme oder einer unternehmensübergreifenden Koordination von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ausgegangen werden. Ob dieser Gleichlauf der Interessen auch bei internen Budgetprozessen gegeben ist, dürfte hingegen zweifelhaft sein. 333

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

e)

Datenschutz im Konzern

Bedauerlicherweise enthält auch § 26 BDSG keinen Hinweis darauf, unter welchen Voraussetzungen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten innerhalb einer Konzernbeziehung Erleichterungen nutzbar gemacht werden können. Diese Erleichterungen finden sich auch nicht in Art. 88 DSGVO. Es wird aber im Erwägungsgrund 48 DSGVO klargestellt, dass Verantwortliche, die Teil einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Einrichtungen sind, die einer zentralen Stelle zugeordnet sind, eine berechtigtes Interesse haben können, personenbezogene Daten innerhalb der Unternehmensgruppe für interne Verwaltungszwecke, einschließlich der Verarbeitung personenbezogener Daten von Kunden und Beschäftigten, zu übermitteln. Dies macht, vergleichbar mit der heute in § 28 BDSG enthaltenen Regelung, deutlich, dass auf der Grundlage einer allgemeinen Interessenabwägung bereits kraft Gesetzes innerhalb des Konzerns ein Datentransfer auch außerhalb der Auftragsdatenverarbeitung möglich sein kann. Zukünftig wird man dies insbesondere bei der Auslegung und Anwendung von § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zu beachten haben. Das folgt schlussendlich auch aus der Bezugnahme auf Art. 88 Abs. 2 DSGVO, wie sie in § 26 Abs. 4 BDSG enthalten ist. Außerhalb dieser gesetzlichen Regelung bleibt der Rückgriff auf die Konzernbetriebsvereinbarung oder im Einzelfall die Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer.

f)

Information der Beschäftigten

Durch Art. 12 ff. DSGVO werden umfangreiche Informationspflichten des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten bestimmt. Danach muss der Arbeitgeber als Verantwortlicher den Arbeitnehmern zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Daten u. a. Folgendes mitteilen: • den Namen und die Kontaktdaten des Verantwortlichen sowie gegebenenfalls seines Vertreters; • gegebenenfalls die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten; • die Zwecke, für die die personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen, sowie die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung; • gegebenenfalls die Empfänger oder Kategorien von Empfängern der personenbezogenen Daten und • gegebenenfalls die Absicht des Verantwortlichen, die personenbezogenen Daten an ein Drittland oder eine internationale Organisation zu

334

Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Datenschutzgrundverordnung

übermitteln, sowie das Vorhandensein oder das Fehlen eines Angemessenheitsbeschlusses der Kommission oder im Falle von Übermittlungen gemäß Art. 46 oder Art. oder Art. 49 Abs. 1 Unterabs. 2 DSGVO einen Verweis auf die geeigneten oder angemessenen Garantien und die Möglichkeit, wie eine Kopie von ihnen zu erhalten ist, oder wo sie verfügbar sind; • die Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer; • das Bestehen eines Rechts auf Auskunft seitens des Verantwortlichen über die betreffenden personenbezogenen Daten sowie auf Berichtigung oder Löschung oder auf Einschränkung der Verarbeitung oder eines Widerspruchsrechts gegen die Verarbeitung sowie des Rechts auf Datenübertragbarkeit; • wenn die Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 lit. a oder Art. Abs. 2 lit. a DSGVO beruht, das Bestehen eines Rechts, die Einwilligung jederzeit zu widerrufen, ohne dass die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung bis zum Widerruf erfolgten Verarbeitung berührt wird; • das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde; • ob die Bereitstellung der personenbezogenen Daten gesetzlich oder vertraglich vorgeschrieben oder für einen Vertragsabschluss erforderlich ist, ob die betroffene Person verpflichtet ist, die personenbezogenen Daten bereitzustellen und welche möglichen Folgen die Nichtbereitstellung hätte und • das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Art. 22 Abs. 1 und 4 und - zumindest in diesen Fällen - aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.

In der betrieblichen Praxis muss inhaltlich und logistisch überlegt werden, wie dieser Informationspflicht genüge getan wird. Empfehlenswert dürfte sein, eine initiale Unterrichtung in Textform vorzunehmen, weitere Aktualisierung auf der Grundlage einer entsprechenden Bezugnahme dann aber im Intranet durchzuführen. Das lässt Art. 12 DSGVO mangels konkreter Formerfordernisse zu. Problematisch aber ist, dass Art. 12 DSGVO den Arbeitgeber verpflichtet, diese Information „in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu übermitteln“. Abstrakt mag dem zuzustimmen sein. Fraglich ist indes, ob 335

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

dies den Arbeitgeber auch verpflichtet, die entsprechenden Informationen mehrsprachig vorzunehmen. Abzuwarten bleibt, wie die unionsrechtliche Vorgabe in der Zukunft verstanden wird.

g)

Fazit

Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Begründung, Durchführung und Beendigung eines Arbeitsverhältnisses hat für die Betriebspraxis essentielle Bedeutung. Wichtig ist, hier die grundlegenden und strukturellen Veränderungen durch die DSGVO im Auge zu behalten und die in den Unternehmen bereits bestehenden Regelungen zu überprüfen und ggf. anzupassen. Dabei sollten arbeitsrechtliche Überlegungen mit den datenschutzrechtlichen Überlegungen verknüpft werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die gesetzliche Legitimation zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten mangels Kenntnis um die unterschiedlichen Rechte und Pflichten bei der Abwicklung eines Vertragsverhältnisses nicht erkannt und bei der Auslegung und Anwendung von § 26 Abs. 1 BDSG nicht berücksichtigt wird. Das zeigt, dass Personal- und Rechtsbereich hier sehr eng zusammenarbeiten müssen. Ungeachtet dessen ist es erforderlich, möglichst kurzfristig festzustellen, welche Daten zu welchem Zweck und auf welcher Rechtsgrundlage verarbeitet werden. Das erleichtert nicht nur die Vorbereitung der nach Art. 12 ff. DSGVO erforderlichen Information. Vielmehr kann auf dieser Grundlage geprüft werden, ob und inwieweit die bisherigen Rechtfertigungsgründe für die Verarbeitung personenbezogener Daten (Gesetz, Betriebsvereinbarung, Einwilligung) auch in Zukunft genutzt werden können oder ob insoweit Anpassungen in Bezug auf Einwilligungen und/oder Betriebsvereinbarungen bis zum 25.5.2018 erforderlich sind. Andernfalls droht nicht nur die Unzulässigkeit entsprechender Datenverarbeitungsprozesse. Es drohen auch deutlich empfindlichere Strafen, wenn Verstöße durch die Aufsichtsbehörden sanktioniert werden (vgl. Art. 83 DSGVO). (Ga)

4.

Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung

Am 1.6.2017 hat der Bundestag das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) verabschiedet; in wesentlichen Teilen wird es am 1.1.2018 in Kraft treten12. Das politische Ziel dieses Gesetzes ist es, die betriebliche Altersversorgung 12 BGBl. I 2017, 3214 ff.; vgl. BR-Drucks. 447/17; BT-Drucks. 18/12612.

336

Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung

(bAV) zu stärken und für ihre weitere Verbreitung zu sorgen. Wenn Versorgungszusagen bislang hauptsächlich in größeren Unternehmen erteilt wurden, so soll die bAV künftig auch für kleine und mittelständische Unternehmen (sog. KMU) attraktiver werden. Zudem sollen auch Menschen mit geringeren Einkommen verstärkt von der betrieblichen Altersversorgung profitieren. Nachfolgend sollen die wesentlichen Neuregelungen des BRSG erläutert werden.

a)

Kernelemente des neuen BRSG

Zwar dürften sich die vorstehend beschriebenen Ziele nach unserer Bewertung durch die nun gewählten Mittel nur schwer erreichen lassen, denn den Verbreitungsgrad bei kleinen und mittelständischen Unternehmen durch entsprechende bAV-Tarifverträge zu erhöhen, ist abwegig. Entscheidend ist aber, dass das BRSG zahlreiche Neuregelungen enthält, die das Grundverständnis der betrieblichen Altersversorgung ganz maßgeblich verändern werden. Einmal abgesehen von den zahlreichen aufsichtsrechtlichen Neuerungen des BRSG zählen hierzu insbesondere die Einführung einer reinen Beitragszusage, eines verpflichtenden Arbeitgeberzuschusses bei Entgeltumwandlung, eines gesetzlich normierten Optionsmodells sowie zahlreiche Korrekturen und Anreizeffekte im Sozial- und Steuerrecht13. Die Kernelemente des neuen BRSG sind hierbei nach unserer Bewertung insbesondere in Folgendem zu sehen:

b)

Reine Beitragszusage

Die wohl zentralste Neuerung des BRSG besteht darin, dass hiermit in Deutschland erstmals eine echte „reine Beitragszusage“ eingeführt wird, wie sie bislang nur in ausländischen Rechtsordnungen (dort insbesondere unter dem Stichwort des „defined contribution plan“) bekannt war14. Bei dieser Form der Zusage sagt der Arbeitgeber – anders als noch bei allen derzeit anerkannten Zusageformen – keine bestimmte oder bestimmbare Versorgungsleistung mehr zu, sondern verpflichtet sich lediglich zur Zahlung von Beiträgen an einen externen Versorgungsträger. Das bisher für alle gesetzlichen Formen der bAV bestehende Risiko, dass der Arbeitgeber eine bestimmte Leistungshöhe zusagen und für deren Erfüllung einstehen muss, besteht bei der reinen Beitragszusage gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 a BetrAVG n. F. mithin

13 Schipp, ArbRB 2017, 213 ff.; Neufeld, BB 2017, 1661 ff. 14 Thees/Ceruti, DB 2017, 1777 ff.

337

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

nicht mehr. Vielmehr endet die Pflicht des Arbeitgebers mit der ordnungsgemäßen Beitragszahlung („pay and forget“)15. aa)

Nutzbare Durchführungswege

Wichtig ist hierbei, dass die reine Beitragszusage keinen neuen (sechsten) Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung darstellt, sondern vielmehr eine neue Form des Versorgungsversprechens. Deshalb findet sich die Legaldefinition der reinen Beitragszusage künftig auch in einer neuen Ziffer 2 a des § 1 Abs. 2 BetrAVG, in dem auch die übrigen, heute bereits bekannten Zusageformen („Leistungszusage“, „beitragsorientierte Leistungszusage“, „Beitragszusage mit Mindestleistung“ und „Umfassungszusage“) definiert sind. Soweit dagegen teilweise von einem neuen, sechsten Durchführungsweg die Rede ist, ist dies schlichtweg falsch. Vielmehr stehen für die reine Beitragszusage die seit langem erprobten externen Durchführungswege „Direktversicherung“, „Pensionsfond“ und „Pensionskasse“ zur Verfügung. Nicht in Betracht kommt dagegen eine Durchführung der reinen Beitragszusage über die Durchführungswege „Unterstützungskasse“ oder „Direktzusage“. bb)

Einführung durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung

Wichtig ist ferner, dass die Ausgestaltung der reinen Beitragszusage (jedenfalls zunächst einmal) den Tarifparteien vorbehalten bleibt (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 a BetrAVG n. F.). Die reine Beitragszusage kann daher nur durch Tarifvertrag oder – insbesondere bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern – aufgrund eines Tarifvertrages durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung eingeführt werden (sogenanntes „Sozialpartnermodell“). Dies erfordert zunächst, dass die Tarifpartner eine entsprechende Tarifvereinbarung über die Einführung einer reinen Beitragszusage abschließen. An diesen Tarifvertrag können Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgrund Mitgliedschaft in der jeweiligen Tarifpartei normativ gebunden sein. Sieht der im Betrieb geltende Tarifvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel vor, kann die reine Beitragszusage inhaltlich auch über eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung geregelt werden. Ergänzend eröffnet § 24 BetrAVG n. F. für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Möglichkeit, die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelung vertraglich zu vereinbaren. Einschlägig ist die tarifliche

15 Höfer, DB 2017, 2481, 2482; Ulbrich, BB 2017, 2423 ff.

338

Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung

Regelung allerdings nur dann, wenn es sich bei der in Bezug genommenen Tarifregelung um den räumlich, zeitlich, betrieblich, fachlich und persönlich maßgeblichen Tarifvertrag handelt, der auch bei normativer Tarifbindung Anwendung finden würde. Eine Inbezugnahme von branchenfremden Tarifverträgen ist damit ausgeschlossen. Ausgeschlossen ist ferner auch eine Einführung der reinen Beitragszusage über kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des sog. Dritten Weges. Denn diese Regelungen stellen nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BAG gerade keine Tarifverträge dar. Im Bereich der kirchlichen Träger dürfte eine Einführung der reinen Beitragszusage damit auf absehbare Zeit praktisch ausgeschlossen sein, da es im Regelfall an potentiell einschlägigen Tarifverträgen, die Regelungen zur reinen Beitragszusage enthalten, fehlen wird. Das Gesetz sieht zudem vor, dass sich die Tarifvertragsparteien, wenn sie eine reine Beitragszusage zulassen, an deren Durchführung und Steuerung beteiligen müssen (§ 21 Abs. 1 BetrAVG n. F.). Diese enge Bindung lässt leider auch befürchten, dass die Tarifparteien versuchen könnten, nicht tarifgebundene Außenseiter auszuschließen. Zwar sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass die Tarifparteien nicht tarifgebundenen Arbeitgebern den Zugang zur reinen Beitragszusage nicht verwehren sollen (§ 21 Abs. 3 BetrAVG n. F.). Diese Vorschrift wird sich nach unserer Erwartung in der Praxis aber als bloßes Lippenbekenntnis erweisen, weil sie vom Gesetzgeber ganz bewusst als bloße Soll- und eben nicht als Muss-Vorschrift ausgestaltet wurde und in der Gesetzesbegründung zudem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, ein Verstoß hiergegen bleibe völlig sanktionslos. cc)

Pflichten des Arbeitgebers

Zur Absicherung der reinen Beitragszusage sieht § 23 Abs. 1 BetrAVG n.F. vor, dass im Tarifvertrag ein Sicherungsbeitrag des Arbeitgebers vereinbart werden soll, zu dessen Zahlung der Arbeitgeber dann verpflichtet wäre. Auf diese Weise soll der externe Versorgungsträger in die Lage versetzt werden, einen höheren Kapitaldeckungsgrad oder eine konservativere Kapitalanlage zu realisieren. Wichtig hierbei ist, dass § 23 Abs. 1 BetrAVG n. F. die Zahlung eines Sicherungsbeitrags keineswegs zwingend vorschreibt, sondern wiederum nur als Soll-Vorschrift ausgestaltet wurde. Damit können die Tarifvertragsparteien auch auf die Aufnahme eines Sicherungsbeitrags verzichten. Dass insbesondere die Gewerkschaften hierzu bereit sein werden, erscheint allerdings eher

339

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

fraglich. Im Ergebnis dürfte der Sicherungsbeitrag daher jedenfalls faktisch wohl doch verpflichtend werden. Zu beachten ist ferner, dass der Sicherungsbeitrag nicht unmittelbar einzelnen Arbeitnehmern gutgeschrieben oder zugerechnet wird, sondern der Stärkung der Versorgungseinrichtung insgesamt dient. Deshalb kann der Sicherungsbeitrag auch steuer- und sozialversicherungsfrei vom Arbeitgeber gewährt werden (vgl. § 3 Nr. 63 a EStG n. F.). dd)

Ansprüche der Arbeitnehmer

Im Rahmen der reinen Beitragszusage hat der einzelne Arbeitnehmer einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Beitragszahlung an den jeweiligen externen Versorgungsträger. Aus dem mittels der Beiträge und deren Erträgen gebildeten Versorgungskapital hat die Versorgungseinrichtung (Pensionskasse, Pensionsfond, Direktversicherung) sodann nach Eintritt des Versorgungsfalls (lebenslang) laufende Leistungen der bAV zu erbringen (§ 22 Abs. 1 BetrAVG n. F.). Etwaige Einmalzahlungen oder sonstige Kapitalwahloptionen sind bei der reinen Beitragszusage dagegen ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. § 244 b Abs. 1 Nr. 2 VAG n. F.). Ebenfalls ausgeschlossen – und zwar sowohl betriebsrentenrechtlich (§ 22 Abs. 1 S. 2 BetrAVG n. F.) als auch aufsichtsrechtlich (§ 244 b Abs. 1 Nr. 1 VAG) - ist jegliche Garantie, beispielsweise in Form der bei Direktversicherungen üblichen Zinsgarantie. Der Arbeitnehmer erwirbt vielmehr gegenüber der Versorgungseinrichtung eine Anwartschaft auf eine bloße Zielrente, deren Umfang von der Höhe des aufgrund der wirtschaftlichen Performance des Versorgungsträgers eingesammelten Versorgungskapitals abhängig ist. Anders als in den bereits bestehenden Versorgungsformen der bAV, entsteht bei der reinen Beitragszusage mithin keinerlei Anspruch der Arbeitnehmer auf eine wie auch immer geartete Garantieleistung. ee)

Ausschluss bestimmter betriebsrentenrechtlicher Regelungen

Um zu erreichen, dass sich die Verpflichtung des Arbeitgebers aus der reinen Beitragszusage ausschließlich auf die Erfüllung der Beitragspflicht beschränkt („pay and forget“), schließt § 1 Abs. 2 Nr. 2 a BetrAVG n. F. die Anwendung einer Reihe von Regelungen aus, die ansonsten auf die Versorgungszusage des Arbeitgebers anwendbar wären. Zunächst einmal entfällt die subsidiäre Haftung (Einstandspflicht) des Arbeitgebers gemäß §§ 1 Abs. 1 S. 3 und 1 a Abs. 4 S. 2 BetrAVG. Die Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer richten sich allein gegen den jeweiligen Versorgungsträger.

340

Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung

Auch die Regelungen zu Verfall und Unverfallbarkeit, Auszehrungsverbot und vorzeitiger Altersleistung (§§ 1 b bis 6 BetrAVG) gelten bei reinen Beitragszusagen nicht. Eine Insolvenzsicherung über den Pensions-Sicherungs-Verein a.G. (PSVaG) ist ebenfalls nicht vorgesehen, auch nicht für Pensionsfonds. Im Gegenzug werden Anwartschaften auf Altersrente aus reinen Beitragszusagen sofort unverfallbar, auch wenn sie ausschließlich durch Arbeitgeberbeträge finanziert sind (vgl. § 22 Abs. 2 BetrAVG n. F.). Die Anwartschaft entsteht aber nur gegenüber dem jeweiligen Versorgungsträger. Deshalb sind etwaige Versorgungsauskünfte bei der reinen Beitragszusage beispielsweise auch nicht mehr vom Arbeitgeber, sondern ausschließlich vom externen Versorgungsträger geschuldet (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 a und § 22 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG n. F.). Zudem besteht bei reinen Beitragszusagen keine Anpassungsprüfungspflicht des Arbeitgebers gemäß § 16 BetrAVG. ff)

Ablösung bestehender Versorgungszusagen durch reine Beitragszusagen

Bedingt durch diese erheblichen Vorteile, wird sich in der Praxis zukünftig zugleich auch die Frage stellen, ob und inwieweit eine Ablösung bestehender Versorgungszusagen durch eine reine Beitragszusage möglich ist. Ein solcher Wechsel würde stets auch den Inhalt der Versorgungszusage umgestalten, da hiermit notwendigerweise die Ersetzung der vormals bestehenden Garantieleistung durch eine bloße Zielleistung verbunden ist. Einseitig wird ein Arbeitgeber deshalb einen solchen Wechsel wohl nicht bewirken können. Je nach Rechtsgrundlage der bestehenden Versorgung wäre vielmehr entweder die Zustimmung jedes einzelnen Arbeitnehmers oder aber der wirksame Abschluss einer ablösenden Betriebsvereinbarung erforderlich. Letzteres dürfte allerdings im Zweifel an den extrem strengen Voraussetzungen der sog. Drei-Stufen-Lehre des BAG scheitern. Möglich ist aber im Rahmen eines Arbeitgeberwechsels bestehende Versorgungszusagen durch „reine Beitragszusagen“ abzulösen. Ein solcher Wechsel kann vom Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sogar verlangt werden (vgl. §§ 4 Abs. 3 S. 1, 22 BetrAVG n. F.), wobei abzuwarten bleibt, ob die Arbeitnehmerschaft tatsächlich von dem hiermit zugleich verbundenen Verzicht auf das bisherige Garantieversprechen Gebrauch machen wird.

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

c)

Verpflichtender Arbeitgeberzuschuss

Neben der reinen Beitragszusage enthält das BRSG nunmehr erstmals eine Verpflichtung des Arbeitgebers, sich auch finanziell an einer durch Entgeltumwandlung getragenen betrieblichen Altersversorgung seiner Arbeitnehmer zu beteiligen. Wichtig ist hierbei, dass diese Verpflichtung nicht nur – wie ursprünglich noch im Regierungsentwurf zum BRSG vorgesehen – für die neue reine Beitragszusage gilt. Betroffen sind vielmehr auch alle sonstigen bereits bekannten Zusageformen und insbesondere auch alle heute bereits bestehenden Entgeltumwandlungssyteme. aa)

Arbeitgeberzuschuss bei reiner Beitragszusage

Im Fall einer durch Entgeltumwandlung finanzierten reinen Beitragszusage ist im jeweiligen Tarifvertrag gemäß § 23 Abs. 2 BetrAVG n.F. zwingend zu regeln, dass der Arbeitgeber mindestens 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an die Versorgungseinrichtung weiterleiten muss, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.

Dieser Arbeitgeberzuschuss, der neben einem etwaigen Sicherungsbeitrag nach § 23 Abs. 1 BetrAVG n.F. zu zahlen ist, ist gemäß § 23 Abs. 2 BetrAVG n.F. zwingend vorgeschrieben und kann deshalb – anders als der Sicherungsbeitrag – auch nicht durch Tarifvertrag abbedungen werden. Dies ist unstreitig16. Streitig ist allerdings noch, was mit der Formulierung „soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart“ eigentlich gemeint ist. Nach zutreffender Auffassung wird man die Einschränkung „soweit“ dahingehend verstehen müssen, dass der Zuschuss nur in derjenigen Höhe zu zahlen ist, in der der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung tatsächlich Sozialversicherungsbeiträge erspart. Die im Gesetz genannten 15 % stellen mit anderen Worten nur einen Maximalbetrag dar, bis zu dem eine SV-Ersparnis an den Arbeitnehmer weitergegeben werden muss. Liegt die Ersparnis bei mehr als 15 % des Umwandlungsbetrags, muss der darüber hinausschießende Teil nicht in die bAV des jeweiligen Arbeitnehmers einfließen. Liegt die tatsächliche Ersparnis dagegen bei weniger als 15 %, ist auch nur ein entsprechend reduzierter Arbeitgeberzuschuss zu gewähren. Werden überhaupt 16 Ulbrich, BB 2017, 2423, 2425.

342

Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung

keine Sozialversicherungsbeiträge erbracht, weil beispielsweise Entgelt oberhalb aller anwendbaren Beitragsbemessungsgrenzen umgewandelt wird, schuldet der Arbeitgeber keinerlei Arbeitgeberzuschuss, es sei denn die Tarifvertragsparteien vereinbaren eine solche – im Vergleich zu § 23 Abs. 2 BetrAVG n.F. für den Arbeitnehmer günstigere – Regelung. Demgegenüber wird zum Teil vertreten, die 15 % seien als fixer Betrag zu verstehen, der losgelöst von der tatsächlichen Ersparnis zu zahlen sei. Es komme insoweit lediglich darauf an, dass überhaupt Sozialversicherungsbeiträge durch die Entgeltumwandlung erspart werden. Sei dies der Fall, habe der Arbeitgeber – so die Vertreter dieser Auffassung – ab dem ersten Cent stets 15 % des umgewandelten Entgelts als Zuschuss zu zahlen17. Wir halten diese Ansicht, die offenbar noch auf dem Wortlaut des ursprünglichen Regierungsentwurfs beruht (dort war davon die Rede, der Arbeitgeber müsse „mindestens 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss“ zahlen“) allerdings schon wegen des insofern nunmehr eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht für überzeugend. Zudem hat auch das Bundesministerium für Finanzen (BMF) in seinem erst kürzlich veröffentlichten Entwurf des neuen BMF-Schreibens zur betrieblichen Altersversorgung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeberzuschuss nur zu leisten ist ‚soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart‘. Ist das nicht der Fall, etwa wenn Entgelt oberhalb einer Beitragsbemessungsgrenze umgewandelt wird, ist insoweit auch kein Arbeitgeberzuschuss fällig. Wird Entgelt bspw. im Bereich zwischen der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung umgewandelt, kann der Arbeitgeber ‚spitz‘ abrechnen, er kann aber auch 15 % des umgewandelten Beitrags an die Versorgungseinrichtung weiterleiten.

Schließt man sich dieser Auslegung an, so ist zugleich auch darauf zu achten, dass die Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses in Höhe der tatsächlichen SV-Ersparnis überhaupt nur möglich ist, wenn es dem Arbeitgeber gelingt, diese Ersparnis – wie das BMF es ausdrückt – spitz abzurechnen. Gelingt dies nicht oder soll der diesbezügliche Verwaltungs-/Berechnungsaufwand vermieden werden, bleibt dem Arbeitgeber letztlich nur der Ausweg, pauschal einen Zuschuss in Höhe von 15% des umgewandelten Entgelts zu zahlen, wenn durch die Entgeltumwandlung auch nur ein Cent an Sozialversicherungsbeiträgen erspart wurde.

17 Rolfs, NZA 2017, 1225 ff.

343

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber offenbar der Auffassung ist, dass die SV-Ersparnis über alle Zweige der Sozialversicherung hinweg zu ermitteln ist und sich somit nicht nur auf die gesetzliche Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung, sondern beispielsweise auch auf den Zweig der gesetzlichen Unfallversicherung erstreckt. Bei einer exakten Abrechnung der tatsächlichen SV-Ersparnis sind all diese Versicherungszweige (inkl. der insoweit jeweils geltenden, unterschiedlichen Bemessungsgrenzen) in die Berechnung mit einzubeziehen, was den Berechnungsvorgang erheblich verkompliziert. bb)

Arbeitgeberzuschuss bei allen sonstigen Zusageformen

Während § 23 Abs. 2 BetrAVG n. F. einen Arbeitgeberzuschuss für Fälle der reinen Beitragszusage vorschreibt, sieht der erst kurz vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens neu eingefügte § 1 a Abs. 1 a BetrAVG n. F. eine ähnliche Regelung auch für die übrigen Formen der betrieblichen Altersversorgung („Leistungszusage“, „beitragsorientierte Leistungszusage“ und „Beitragszusage mit Mindestleistung“) vor. Dort heißt es künftig: Der Arbeitgeber muss 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.

Aufgrund der Formulierung („soweit“) stellen sich hier mithin ähnliche Auslegungsfragen, wie im Rahmen des Arbeitgeberzuschusses zur reinen Beitragszusage (siehe hierzu im Einzelnen oben). Anders als bei der reinen Beitragszusage können die Tarifvertragsparteien hier allerdings auch zulasten der Arbeitnehmer von den gesetzlichen Regeln zum Arbeitgeberzuschuss abweichen (vgl. § 19 Abs. 1 BetrAVG n. F.). Zudem ist der Arbeitgeberzuschuss nach § 1 a Abs. 1 a BetrAVG n. F. ausdrücklich nur in den Durchführungswegen „Pensionsfonds“, „Pensionskasse“ und „Direktversicherung“ geschuldet. Erfolgt die Entgeltumwandlung in eine „Unterstützungskasse“ oder gar in eine „Direktzusage“ besteht kein Anspruch auf den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss. In zeitlicher Hinsicht gilt es zu beachten, dass die Pflicht zur Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses für Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1.1.2019 geschlossen wurden, erst ab dem 1.1.2022 greift (§ 26 a BetrAVG n. F.). Wichtig ist hierbei, dass nach zutreffender Auffassung auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Entgeltumwandlungsvereinbarung, nicht dagegen auf den Beginn der Umwandlung selbst abzustellen ist. Wird beispielsweise noch im Dezember 2018 eine Entgeltumwandlungsvereinbarung 344

Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung

abgeschlossen, die erst mit Wirkung ab dem 1.1.2019 eine Entgeltumwandlung vorsieht, wird man nach zutreffender Auslegung gleichwohl davon ausgehen können, dass ein Arbeitgeberzuschuss (obwohl die tatsächliche Umwandlung erst nach dem 31.12.2018 beginnt) erst ab dem 1.1.2022 geschuldet ist. Völlig unklar ist in diesem Zusammenhang allerdings noch, was gilt, wenn zwar bereits heute eine Entgeltumwandlungsvereinbarung besteht, diese Vereinbarung aber nach dem 1.1.2019 wesentlich (beispielsweise in der Höhe des umzuwandelnden Entgelts) geändert wird. Umstritten ist zudem, wie mit Entgeltumwandlungsvereinbarungen umzugehen ist, die bereits heute einen freiwilligen Arbeitgeberzuschuss vorsehen. Insoweit wird zum Teil vertreten, dass die 15 % zusätzlich zu dem bereits gewährten Zuschuss zu zahlen sind. Dies vermag nach unserer Bewertung aber nicht zu überzeugen. Ziel des Gesetzes ist es, die durch die Entgeltumwandlung entstehende Ersparnis des Arbeitgebers den Arbeitnehmern zugutekommen zu lassen. Aus diesem Grund muss der Arbeitgeber maximal 15 % des umgewandelten Entgelts – bzw. den Prozentsatz, in dem tatsächlich Sozialversicherungsbeiträge erspart wurden – zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den externen Versorgungsträger zahlen. Keinesfalls kann der Gesetzgeber aber gewollt haben, dass Arbeitgeber, die bereits heute freiwillig die Ersparnis bei den Sozialversicherungsbeiträgen ganz oder teilweise an ihre Arbeitnehmer weitergeben, zusätzlich belastet werden. Dies wäre aber der Fall, wenn sie zusätzlich zu dem von ihnen bereits gewährten freiwilligen Zuschuss in jedem Fall 15 % des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss zahlen müssten. Nach unserer Bewertung muss daher ein bereits vorgesehener Arbeitgeberzuschuss auf die im Gesetz enthaltenen maximalen 15 % angerechnet werden. Dies jedenfalls dann, wenn die einschlägige Versorgungszusage vorsieht, dass der Zuschlag bereits heute aufgrund der durch die Entgeltumwandlung eingesparten Sozialversicherungsbeiträge erfolgt, mithin die gleiche Zielsetzung verfolgt, wie das BRSG. Es bleibt aber abzuwarten, wie dies in Zukunft durch die Gerichte bewertet wird. cc)

Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Einordnung des Arbeitgeberzuschusses

In steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht ist insbesondere zu beachten, dass der Arbeitgeberzuschuss als Erhöhung (= Bestandteil) des durch Entgeltumwandlung finanzierten Arbeitnehmerbeitrags gilt und daher auch grundsätzlich das Schicksal der Entgeltumwandlung teilt. Deshalb darf der Arbeitgeberzuschuss nach Ansicht des BMF im Rahmen des § 3 Nr. 63 EStG auch nicht im Sinne eines Arbeitgeberbeitrags vorrangig berücksich345

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

tigt werden. Führt der Arbeitgeberzuschuss dazu, dass die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Schwellenwerte von 4% bzw. 8% (siehe hierzu im Einzelnen unten) durchschlagen werden, sind mithin entsprechende Sozialversicherungsbeiträge bzw. Lohnsteuer auf den Arbeitgeberbeitrag zu entrichten. Zudem ist auch darauf zu achten, dass ein Arbeitgeberzuschuss nach den §§ 1 a Abs. 1 a, 23 Abs. 2 BetrAVG n. F. von den Finanzbehörden nicht als zusätzlicher Arbeitgeberbeitrag im Sinne des § 100 EStG gewertet wird.

d)

Das Optionsmodell

Während bislang noch umstritten war, ob und inwieweit ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer verpflichten konnte, einen Teil ihrer Vergütung im Wege der Entgeltumwandlung in einen Versorgungsanspruch umzuwandeln, kann künftig in einem Tarifvertrag geregelt werden, dass der Arbeitgeber eine für alle Arbeitnehmer geltende Entgeltumwandlung einführt, an der die Arbeitnehmer automatisch teilnehmen, wenn sie nicht widersprechen (§ 20 Abs. 2 BetrAVG n. F.). Dieses sog. Optionsmodell gilt für alle Formen der bAV, nicht nur für die reine Beitragszusage. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll allerdings den Tarifvertragsparteien die Entscheidung darüber vorbehalten sein, ob sie die Einführung eines Optionsmodells verpflichtend gestalten, oder aber den Arbeitgebern nur die Möglichkeit zur Einführung geben wollen. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber können das Optionsmodell durch eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung einführen, sofern ein entsprechender Tarifvertrag besteht (§ 20 Abs. 2 S. 3 BetrAVG n. F.). Um an einer solchen Entgeltumwandlung nicht teilzunehmen, muss der Arbeitnehmer innerhalb einer bestimmten Frist widersprechen („opting out“). Die automatische Umwandlung von Entgelt setzt daher voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in Textform mindestens 3 Monate vor Fälligkeit des umzuwandelnden Entgeltes ein Angebot auf Entgeltumwandlung macht, das die folgenden Hinweise enthält: • Welcher Beitrag und welcher Vergütungsbestand sollen umgewandelt werden; • Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers binnen einer Frist von mindestens einem Monat und • Möglichkeit der Beendigung der Entgeltumwandlung innerhalb einer Frist von mindestens einem Monat.

Ein in dieser Form unterbreitetes Angebot des Arbeitgebers gilt als angenommen, wenn der Arbeitnehmer nicht widerspricht. Das Schweigen des 346

Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung

Arbeitnehmers gilt hier also als Zustimmung zu der Durchführung der Entgeltumwandlung. Die „Hoffnung“ des Gesetzgebers ist es offenbar, dass zahlreiche Arbeitnehmer einem solchen Angebot – aus welchen Gründen auch immer – nicht widersprechen werden, so dass der Grad der Verbreitung der bAV steigt. Völlig unklar ist aber noch, was passiert, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer unzureichend – beispielswiese über ihr Widerspruchsrecht – informiert hat. Auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung wurden bereits derartige Optionssysteme auf Grundlage von Betriebs- oder Dienstvereinbarung eingeführt. Für solche, vor dem 02.06.2017 eingeführten Optionssysteme, ist die Optionsregelung des § 20 Abs. 2 BetrAVG n.F. jedoch nicht maßgebend (vgl. § 30j BetrAVG n.F.). Insofern ist davon auszugehen, dass für bereits auf betrieblicher Ebene vor dem 02.06.2017 eingeführte Optionsmodelle Bestandsschutz besteht. Die weite Formulierung der Regelung des § 30 j BetrAVG spricht dafür, dass insoweit nicht auf die bereits teilnehmenden Arbeitnehmer abgestellt wird, sondern darauf, ob der Arbeitgeber sich bereits generell zur Einführung eines solchen Systems entschieden hat.

e)

Förderbetrag für Geringverdiener

Bei Geringverdienern (Beschäftigte mit einer Vergütung von weniger als 2.200,- € brutto monatlich), deren Arbeitgeber zusätzlich zur Vergütung Beiträge zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung zwischen 240,- € bis 480,- € jährlich zahlt, erhalten diese Arbeitgeber eine steuerliche Ermäßigung. Die einzubehaltende Lohnsteuer reduziert sich um 30 % des zusätzlichen Arbeitgeberbeitrags, höchsten jedoch um 144,- € (vgl. § 100 EStG n. F.). Wichtig ist hierbei, dass diese Förderung nur im sog. ersten Dienstverhältnis erfolgt (Lohnsteuerklassen I bis V, nicht VI) und auch nur dann, wenn es sich um einen zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag handelt. Ein etwaiger 15%-iger Arbeitgeberzuschuss nach den §§ 1 a Abs. 1 a, 23 Abs. 2 BetrAVG n. F. zählt beispielsweise nicht hierzu (siehe auch bereits oben). Bei Altzusagen vor 2018 greift die Förderung zudem nur insoweit, wie der zusätzliche Arbeitgeberbeitrag einen in 2016 bereits geleisteten Arbeitgeberbeitrag übersteigt. Hierdurch wollte der Gesetzgeber Mitnahmeeffekte vermeiden. Zudem muss die Durchführung über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung erfolgen. Die Durchführungswege Unterstützungskasse und Direktzusage werden nicht nach § 100 EStG n. F. steuerlich gefördert. Sind die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, so ist der Förderbetrag nach § 100 EStG n. F. zusätzlich zu § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei. Allerdings 347

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

gilt es zu beachten, dass der Förderbetrag nach § 100 EStG n. F. zusammen mit Beiträgen nach § 3 Nr. 63 EStG bei der 4%-Grenze für die Sozialversicherungsfreiheit zu berücksichtigen ist. Sozialrechtlich wird die Förderung von kleineren Einkommen durch eine Besserstellung bei der Grundsicherung im Alter flankiert. Künftig wird eine freiwillige Zusatzrente bis 202,- € monatlich nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Hierdurch soll der Aufbau einer zusätzlichen bAV auch dann „belohnt“ werden, wenn die gesetzliche Rente nach Renteneintritt nicht ausreicht und vom Staat durch die Grundsicherung aufgestockt werden muss.

f)

Weitere steuer- und sozialrechtliche Änderungen

aa)

Erhöhung des Dotierungsrahmens nach § 3 Nr. 63 EStG

Der Rahmen für steuerfreie Beiträge des Arbeitgebers an Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen wird von bislang 4% auf 8% der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der gesetzlichen Rentenversicherung angehoben (vgl. § 3 Nr. 63 EStG n. F.). Ausgehend davon, dass die jährliche BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2018 bei 78.000,- € brutto (West) liegen wird, können ab nächstem Jahr mithin 6.240,- € pro Jahr steuerfrei als Beiträge an Pensionsfonds, Pensionskassen oder Direktversicherungen gezahlt werden. Im Gegenzug entfällt allerdings der bisherige pauschale Aufstockungsbetrag von jährlich 1.800,- €, so dass die Nettoerhöhung der gesetzlichen Neuregelung im Jahr 2018 lediglich 1,7Prozentpunkte (entspricht 1.248,- € p. a.) betragen wird. Ganz wichtig ist zudem auch, dass die Anhebung des Schwellenwerts von 4% auf 8% der BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung allein für das Steuerrecht gilt, nicht aber für das Sozialversicherungsrecht. Hier bleibt die altbekannte Schwelle von 4 % der BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen. Das Auseinanderlaufen von Steuer- und Sozialversicherungsrecht kann damit mit einem durchaus höheren Administrationsaufwand für den Arbeitgeber verbunden sein. Zum Teil wird vertreten, dass aus der Anhebung des Prozentsatzes für steuerfreie Beiträge in § 3 Nr. 63 EStG n. F auch ein entsprechender Anspruch der Arbeitnehmer auf eine erhöhte Anspruchsobergrenze bei Entgeltumwandlung in Höhe von 8 % der jeweiligen BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung herzuleiten sei. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber § 1 a Abs. 1 S. 1 BetrAVG bewusst nicht geändert hat, obwohl er die Möglichkeit hierzu gehabt hätte. Damit bleibt es dabei, dass die Anspruchobergrenze gemäß § 1 a Abs. 1 S. 1 BetrAVG 4 % der jeweiligen 348

Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung

BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt. Eine darüberhinausgehende Entgeltumwandlung ist mithin auch weiterhin nur dann möglich, wenn der Arbeitgeber dies freiwillig ermöglicht. bb)

Neuerungen für alte § 40 b-EStG-Verträge

Die Möglichkeit der Fortführung einer Pauschalbesteuerung nach § 40 b EStG a. F. soll in Altfällen unter Anrechnung auf den steuerfreien Dotierungsrahmen von 8 % bestehen bleiben (vgl. § 52 Abs. 4 S. 14 EStG n. F.). Allerdings gilt § 40 b EStG a. F. künftig nur noch für solche Verträge, in denen vor dem 1.1.2018 im Rahmen einer sog. Altzusage mindestens einmal ein Beitrag pauschal versteuert wurde. Dies ist im Lohnkonto bzw. im Abrechnungsprogramm entsprechend festzuhalten und bei Neueintritten nachzuweisen. Der Nachweis kann hierbei erfolgen durch • eine Bescheinigung des Versorgungsträgers (da der Arbeitgeber diesem nach § 5 LStDV die Beiträge ja getrennt meldet), • eine Entgeltabrechnung mit Ausweis der Pauschalversteuerung nach § 40b EStG a.F. oder durch • eine Bescheinigung des Vorarbeitgebers.

Bei entsprechenden Anforderungen ausgeschiedener Arbeitnehmer sollte aus unserer Sicht allerdings auf den Versorgungsträger verwiesen werden. cc)

Vervielfältigung bei Ausscheiden oder Ruhen

Aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses geleistete Beiträge sind künftig steuerfrei, soweit sie 4 % der BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung, multipliziert mit der Betriebszugehörigkeit (maximal zehn Jahre) nicht übersteigen (§ 3 Nr. 63 S. 3 EStG n. F.). In 2018 entspricht dies einem Betrag von maximal 31.200,- € (= 4% x 78.000,- € x maximal zehn Dienstjahre). Für alte § 40 b-Verträge, die bis zum 31.12.2004 abgeschlossen wurden, gilt gemäß § 52 Abs. 4 S. 13 EStG dagegen weiterhin die gesonderte Vervielfältigungsregel des § 40 b EStG (= gesamte Betriebszugehörigkeit x 1.752,- € ./. die im Jahr des Austritts und in den sechs Jahren davor bereits pauschal verteuerten Beiträge). Auch bei Nachzahlungen für Ruhenszeiträume sieht das Gesetz in § 3 Nr. 63 S. 4 EStG n. F. eine Begünstigung vor. Insoweit dürfen die Beiträge 8 % der BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung, multipliziert mit der Betriebszugehörigkeit (maximal 10 Jahre) nicht übersteigen. In 2018 entspricht dies einem Betrag von maximal 62.400,- € (8% x 78.000,- € x maximal zehn Jahre des Ruhens). Wichtig ist hierbei, dass nur volle Kalenderjahre des Ruhens

349

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

zählen. Zudem muss die Nachholung im Kalenderjahr, in dem die „Unterbrechung“ endet, spätestens aber im darauffolgenden Kalenderjahr erfolgen. Dabei gilt dann jeweils die BBG des Jahres, in dem die Nachzahlung erfolgt. dd)

Anhebung der Riester-Zulage

Für Arbeitnehmer wird die Riester-Förderung verbessert, indem sie staatliche Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 154,- € auf 175,- € jährlich erhöht wird (vgl. § 84 Abs. 1 EStG n. F.).

g)

Ergänzende Veränderungen im Rahmen des BRSG

Neben den vorstehenden Neuerungen, die allesamt einer Stärkung und Verbreiterung der betrieblichen Altersversorgung dienen sollen, sieht das BRSG zudem auch einige Änderungen vor, die schlicht bisherige Fehlentwicklungen korrigieren sollen. So wird beispielsweise die bisherige BAGRechtsprechung zur Anpassungsprüfungspflicht (§ 16 BetrAVG) regulierter Pensionskasse erneut korrigiert (vgl. § 30 c BetrAVG n. F.). Zudem hat der Gesetzgeber für den Bereich der sog. Zusatzversorgungskassen (VBL und ZKV) nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass der dort im Jahr 2002 vollzogene Systemwechsel von einem Gesamtversorgungsystem auf ein sog. Punktemodell wirksam ist und der Arbeitgeber insbesondere nicht für etwaig hiermit verbundene Versorgungseinbußen haftet (vgl. § 18 Abs. 2 a BetrAVG n. F.). Wichtig ist, dass sich die betriebliche Praxis zeitnah mit den Veränderungen auseinandersetzt. Dabei dürfte es nicht nur um die Einführung zusätzlicher Zusagen für Neueinstellungen gehen. Vielmehr sollte geprüft werden, ob und ggf. in welcher Weise bestehende Versorgungszusagen angepasst werden können, um die arbeitsrechtlichen, steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorteile der gesetzlichen Neuregelung nutzbar zu machen. Wichtig ist, dass ein Teil der Privilegien nur zur Anwendung kommt, wenn die Änderungen bis zum 31.12.2018 in Kraft gesetzt worden sind. (Ho)

350

Gesetz zur Sicherung der tarifvertraglichen Sozialkassenverfahren

5.

Gesetz zur Sicherung der tarifvertraglichen Sozialkassenverfahren und zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes

Nach den Beschlüssen des BAG vom 21.9.201618 und vom 25.1.201719 war davon auszugehen, dass eine Vielzahl von Allgemeinverbindlicherklärungen gemäß § 5 TVG a. F. von Sozialkassentarifverträgen rechtsunwirksam war. In diesen Beschlüssen hatte das BAG die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung der streitgegenständlichen Tarifverträge nämlich damit begründet, dass die Leitung des jeweils zuständigen Ministeriums sich nicht mit dem Erlass der Allgemeinverbindlicherklärung befasst hatte. Darüber hinaus hatte das BAG beanstandet, dass das nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TVG a. F. für den Erlass der Allgemeinverbindlicherklärung erforderliche 50 Prozent–Quorum nicht gegeben – jedenfalls nicht nachgewiesen worden – war. Neben den Tarifverträgen des Baugewerbes waren hiervon Tarifverträge des Maler- und Lackiererhandwerks, des Dachdeckerhandwerks, des Gerüstbauerhandwerks, des Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerks, des Betonsteingewerbes, des Steine- und Erden-Industrie- nebst Betonsteinhandwerks und der Ziegelindustrie, des Bäckerhandwerks, der Brot- und Backwarenindustrie, des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus, der Land- und Forstwirtschaft sowie der Redakteurinnen und Redakteure von Tageszeitungen betroffen. Da die entsprechenden Gründe einer Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung dieser Tarifverträge viele Jahre in der Vergangenheit betrafen, waren für die diesbezüglichen Sozialkassen erhebliche – auch existenzgefährdende – Probleme geschaffen worden. Denn mit dem Wegfall der Allgemeinverbindlicherklärung war für die gesamte Geltungsdauer des jeweiligen Tarifvertrags die Grundlage dafür entfallen, ausstehende Beiträge zu den Sozialkassen von den nicht tarifgebundenen Arbeitgebern einzufordern. Soweit die Beiträge bereits entrichtet worden waren, war mit entsprechenden Rückzahlungsansprüchen zu rechnen. Mit dem Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe, das am 25.5.2017 in Kraft getreten ist20, und dem Gesetz zur Sicherung der tarifvertraglichen Sozialkassenverfahren und zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes, das am 8.9.2017 in Kraft getreten ist21, hat die Bundesregie18 19 20 21

BAG v. 21.9.2016 – 10 ABR 48/15 n. v. und 10 ABR 33/25 n. v. BAG v. 25.1.2017 – 10 ABR 43/15, NZA 2017, 731 und 10 ABR 34/15 n. v. BGBl. I 2017, 1210 ff. BGBl. I 2017, 3356 ff.; BT-Drucks. 510/17.

351

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

rung das Problem gelöst, indem sie die vorstehend genannten Tarifverträge kraft Gesetztes mit einer Bindungswirkung versehen hat, die den Allgemeinverbindlicherklärungen der Vergangenheit entspricht. Auch ohne eine wirksame Allgemeinverbindlicherklärung ist damit eine Rechtsverbindlichkeit auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber geschaffen worden, der die Sozialkassen wieder in die Lage versetzt, die während der Geltungsdauer dieser Tarifverträge aus den Tarifverträgen folgenden Rechte und Pflichten gegenüber den Arbeitgebern im Geltungsbereich dieser Tarifverträge durchzusetzen. Entsprechend der Allgemeinverbindlicherklärung kommt es auf eine Tarifbindung kraft Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband insoweit nicht an. Die Vorgehensweise der Bundesregierung erscheint angesichts der Auswirkungen der Entscheidung des BAG angemessen und richtig. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der mit dem Gesetz angeordneten Rückwirkung. Hiervon ist auch das LAG Hessen in seinem Urteil vom 2.6.201722 ausgegangen, das einer Klage auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von 231.590,- € durch eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe gegen einen Arbeitgeber, der nicht Mitglied des Arbeitgeberverbands war, stattgegeben hat. (Ga)

6.

Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft

Im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften hat der Bundestag das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft auf der Grundlage der entsprechenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales23 verabschiedet. Es ist am 25.7.201724 in Kraft getreten. Mit dem Gesetz sollen die Rechte und Ansprüche der Arbeitnehmer in der Fleischwirtschaft gesichert und eine Umgehung der Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen durch die Beauftragung von Nachunternehmern verhindert werden. Aus diesem Grunde werden Regelungen des SGB IV, die bislang nur für die Einbeziehung von Nachunternehmern im Baugewerbe zur Anwendung kamen, auch auf Unternehmer der Fleischwirt-

22 LAG Hessen v. 2.6.2017 - 10 Sa 907/16, NZA-RR 2017, 485. 23 BT-Drucks. 18/12611. 24 BGBl. I 2017, 2541 ff.

352

Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung

schaft ausgedehnt, die andere Unternehmer mit Tätigkeiten des Schlachtens oder der Fleischverarbeitung beauftragen. Dabei werden auch Leiharbeitnehmer erfasst. Unabhängig davon bestimmt die gesetzliche Neuregelung, dass der Arbeitgeber Arbeitnehmern Arbeitsmittel, die aus Hygienegründen oder aus Gründen der Arbeitssicherheit, wie vorgeschriebene besondere Arbeitskleidung (Schutzkleidung) und persönliche Schutzausrichtung, unentgeltlich zur Verfügung zu stellen und instand zu halten hat. Eine Vereinbarung, durch die Arbeitnehmer verpflichtet würden, Arbeitsmittel, Schutzkleidung oder persönliche Schutzausrüstung auf eigene Kosten zu beschaffen oder instand zu halten, ist unwirksam. Im Wesentlichen folgt dies heute allerdings bereits aus § 3 ArbSchG. Die entsprechende Regelung erscheint deshalb ebenso überflüssig wie eine ergänzende Vorgabe, nach der das Arbeitsentgelt in Euro zu berechnen und auszuzahlen ist. Dies folgt bereits aus § 107 Abs. 1 GewO. Auch das Aufrechnungsverbot gegenüber dem unpfändbaren Teil des Arbeitsentgelts, das mit der Neuregelung geschaffen wird, steht bereits in § 394 S. 1 BGB. Vor diesem Hintergrund ist ein großer Teil der gesetzlichen Neuregelung als schlichter Aktionismus zu bezeichnen, der eine Vervielfältigung gleich gerichteter gesetzlicher Vorschriften zur Folge hat. Es wäre einfacher gewesen, die bereits im SBG IV enthaltenen Vorschriften um die hier in Rede stehende Branche zu erweitern und auf ergänzende Vorschriften zu verzichten. (Ga)

7.

Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung – gesetzliche Initiative von Bündnis 90/Die Grünen

Auch mit Blick auf etwaige Koalitionen ist es trotz des Scheiterns der Sondierungsgespräche von Interesse zu wissen, welche Ziele die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Bereich der Unternehmensmitbestimmung noch in der letzten Legislaturperiode verfolgt hat. Dieser Entwurf ist zwar auf der Grundlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 22.6.201725 abgelehnt worden. Denkbar ist aber, dass die Einbindung von Bündnis 90/Die Grünen in eine neue Bundesregierung zur Folge hat, dass jedenfalls Teile dieser Initiative weiterverfolgt werden. Nach der entsprechenden Initiative sollen durch den Gesetzgeber eine Reihe von Maßnahmen ergriffen werden, die vermeintliche Gesetzeslücken im Be25 BT-Drucks. 18/12861.

353

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

reich der Unternehmensmitbestimmung schließen sollen. Im Einzelnen werden dabei folgende Ziele genannt: • Stiftungen mit Geschäftsbetrieb werden in den Geltungsbereich der Unternehmensmitbestimmung einbezogen, wenn sie eine entsprechende Beschäftigtenzahl aufweisen. • Die Regelung zur Konzernzurechnung aus dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 wird auch im Drittelbeteiligungsgesetz verankert. • Unternehmen mit ausländischen Rechtsformen oder Kombinationen zwischen nationalen und ausländischen Rechtsformen mit Verwaltungssitz in Deutschland werden in die Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz und in das Mitbestimmungsgesetz von 1976 einbezogen. • Kombinationen aus Kapitalgesellschaften und Kommanditgesellschaften (Kapitalgesellschaft & Co. KG) werden lückenlos ebenfalls in die Unternehmensmitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz und dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 einbezogen, wenn der Komplementär keine natürliche Person, sondern eine Kapitalgesellschaft ist. Dazu sind die Beschäftigten der Kommanditgesellschaft der Kapitalgesellschaft zuzurechnen. • Es werden Sanktionen für den Fall eingeführt, dass das Drittelbeteiligungsgesetz oder das Mitbestimmungsgesetz von 1976 durch die betroffenen Unternehmen nicht angewandt wird. • Im SE-Beteiligungsgesetz wird klargestellt, dass die Zahl der Mitglieder im SE-Aufsichtsrat sowie die Gewichtung zwischen der Arbeitgeber- und einer Arbeitnehmerseite angepasst werden müssen, wenn die vorgegebenen Schwellenwerte in den jeweiligen deutschen Mitbestimmungsgesetzen überschritten werden. • Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Europäische Kommission eine Richtlinie zu allgemeinen Standards zur Unternehmensmitbestimmung für Europäische Gesellschaften vorlegt.

Auch wenn diese Initiative in der laufenden (neuen) Legislaturperiode weiterverfolgt wird, wird man allerdings im Auge behalten müssen, dass ein Teil dieser Ziele nur auf unionsrechtlicher Ebene erreicht werden kann. Hier dürfte allerdings auch eine neue Bundesregierung nicht in der Lage sein, auf europäischer Ebene die erforderlichen Mehrheiten für eine Ausweitung des deutschen Modells der Unternehmensmitbestimmung zu erreichen. (Ga)

354

B.

1.

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Arbeitszeitrichtlinie

Am 24.5.2017 ist die deutsche Fassung der Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) veröffentlicht worden1. Für die Praxis ist diese Mitteilung – auch in Verbindung mit der englischen Ausfertigung – eine durchaus hilfreiche Dokumentation der Rechtsprechung des EuGH zu den verschiedenen Handlungsvorgaben aus der Arbeitszeitrichtlinie. Sie betreffen nicht nur Fragen, die im ArbZG bestimmt werden. Vielmehr sind auch die Grundsätze des Urlaubsrechts betroffen, wie sie vor allem durch das BUrlG bestimmt werden. Vergleichbar mit einem Kommentar zu diesen Gesetzen können die entsprechenden Feststellungen in der Mitteilung genutzt werden. (Ga)

2.

Stellungnahme des Bundesrats zum Vorschlag einer Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige

Auf der Grundlage eines entsprechenden Beschlusses verschiedener Ausschüsse des Bundesrats vom 26.6.20172 hat der Bundesrat am 7.7.2017 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU3 Stellung genommen. Darin teilt der Bundesrat unter anderem die Auffassung, dass innerhalb der EU die Erwerbsbeteiligung von Frauen weiter gefördert, der Zugang von Frauen zum und ihre Stellung am Arbeitsmarkt weiter verbessert, dem geschlechtsspezifischen Lohn- und Rentengefälle begegnet und damit der Altersarmut von Frauen entgegengewirkt werden müsse. Er bedauert es aber, dass dem Richtlinienvorschlag keine Einigung der Sozialpartner auf europäischer Ebene zugrunde liege. 1 2 3

ABl.EU C 165 S. 1 ff. BR-Drucks. 351/1/17. Vgl. COM(2017) 253 final.

355

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Soweit in dem Richtlinienentwurf Regelungen zu einer Freistellung zum Zwecke der Erziehung bzw. der Pflege von Angehörigen vorgesehen sind, gibt der Bundesrat indes zu bedenken, dass die Verwendung des Begriffs „Urlaub” im Hinblick auf die Wertigkeit und Realität von Erziehung und Pflege nicht angebracht sei. Alternativ sollte etwa der Begriff der „Elternzeit” bzw. „Pflegezeit” genutzt werden. Losgelöst davon begrüßt der Bundesrat grundsätzlich das für Arbeitnehmer mit Kindern bis zum Alter von mindestens zwölf Jahren sowie pflegende Angehörige vorgesehene Recht, flexible Arbeitszeitregelungen für Betreuungs- und Pflegezwecke zu beantragen. Damit werde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer flexible Arbeitsregelungen in Anspruch nehmen können, künftig zunehmend Bedeutung erlangt. Für den Bundesrat geht es dabei vor allem um Telearbeit, flexible Arbeitsmodelle und eine Reduzierung der individuellen Arbeitszeit. Da sich die verschiedenen Arbeitsmodelle allerdings nicht in allen Bereichen der Wirtschaft umsetzen ließen, bedürfe es ergänzender Regelungen, mit der insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen unterstützt würden. Ob und inwieweit diese Feststellungen des Bundesrats bei der weiteren Arbeit der Kommission berücksichtigt werden, bleibt abzuwarten. Wir werden über das weitere Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene berichten. (Ga)

3.

Überarbeitung der Nachweisrichtlinie

Die Kommission arbeitet derzeit an einer Überarbeitung der Richtlinie 91/530/EWG über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen. Ziel ist es, den Geltungsbereich der aktuellen Fassung der Richtlinie auf neue Formen der Beschäftigung (z. B. der Arbeit auf Abruf, Arbeit auf der Grundlage von Gutscheinsystemen, Plattform-Arbeit) auszuweiten. Damit will man eine Modernisierung bewirken und der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt Rechnung tragen. Zu diesem Zweck ist die zweite Runde der Sozialpartnerkonsultation bereits eingeleitet. Gegen die vorgesehene Modernisierung der Nachweisrichtlinie bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Ob die damit verbundene Konkretisierung der verschiedenen Formen der Beschäftigung von Arbeitnehmern allerdings gesetzgeberisch notwendig ist, bleibt zweifelhaft. Denn schon heute sind alle modernen Formen der Beschäftigung eines Arbeitnehmers in den An356

Aktueller Stand der Überarbeitung der Entsenderichtlinie

wendungsbereich der entsprechenden unionsrechtlichen Vorgaben einzubeziehen. Auch das Nachweisgesetz erfasst jede Form eines Arbeitsverhältnisses. Wichtiger als eine Änderung der Nachweisrichtlinie ist deshalb, in der Praxis unter Berücksichtigung von § 611 a BGB festzustellen, ob der jeweils in Rede stehenden Beschäftigung ein Arbeitsvertrag zugrunde liegt4. Denn dann gilt die Nachweispflicht gemäß § 2 NachwG, es sei denn, dass der Arbeitnehmer nur zur vorrübergehenden Aushilfe von höchstens einem Monat eingestellt wird (§ 1 S. 1 NachwG). (Ga)

4.

Aktueller Stand der Überarbeitung der Entsenderichtlinie

Am 19.10.2017 hat das Europäische Parlament auf der Grundlage einer Plenarsitzung den Report zu beabsichtigten Änderungen in Bezug auf den Entwurf einer EU-Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen beschlossen5. Mit einer Umsetzung dieser im Bericht vorgesehenen Änderungen wäre eine erhebliche Belastung von Unternehmen beim grenzüberschreitenden Einsatz von Arbeitnehmern verbunden. Denn nach den Vorstellungen des Europäischen Parlaments sollen die Einsatzstaaten durch gesetzliche Vorgaben dafür Sorge tragen, dass die entsendenden Unternehmen zusätzlich zu den heute bereits von der Entsenderichtlinie erfassten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen und unabhängig davon, welches Recht auf den Arbeitsvertrag Anwendung findet, alle anwendbaren Arbeitsund Beschäftigungsbedingungen des Einsatzstaates auf die entsandten Arbeitnehmer zur Anwendung bringen. Dies geht jedenfalls dann, wenn diese Bedingungen besser sind als das bereits nach Internationalem Privatrecht als Konsequenz der nur vorrübergehenden Entsendung für das Arbeitsverhältnis jeweils maßgebliche Recht. Ausgenommen von dieser zwingenden Anwendung der Regelungen des Einsatzstaates werden nur Bedingungen in Bezug auf den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverträgen. Auch wenn eine Verlängerung der Anwendbarkeit der Regelungen des Herkunftsstaates auf der Grundlage der allgemeinen Vorgaben des Internationalen Privatrechts unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein soll, dürfte eine Umsetzung dieser Vorgabe mit ganz erheblichen Problemen verknüpft sein. Denn für die Arbeitgeber in den jeweiligen Herkunftsstaaten ist es nach einem Überschreiten des 24-Monats-Zeitraums erforderlich, den Inhalt 4 5

Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2017, 392 ff. A 8-0319/2017.

357

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

sämtlicher Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Einsatzstaates festzustellen und in einen Günstigkeitsvergleich mit dem an sich für das Arbeitsverhältnis nach den Vorgaben des Internationalen Privatrechts maßgeblichen Recht zu bringen. Dies ist nicht nur mit einem erheblichen Aufwand, sondern auch mit einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit verbunden. Dies gilt umso mehr, als sich die gesetzlichen und sonstigen (zwingenden) Arbeitsbedingungen der beiden Staaten im Laufe eines solchen Einsatzes ändern können. Auch der Rat der Europäischen Union hat am 24.10.2017 einen eigenen Vorschlag für Änderungen in Bezug auf den Vorschlag einer Richtlinie zur Änderung der Entsenderichtlinie vorgelegt6. Er schlägt Veränderungen vor, die die Belastung der beteiligten Unternehmen erhöhen würden. Zum einen soll auch nach seiner Auffassung durch die geänderte Richtlinie eine Anwendung sämtlicher Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Einsatzstaates erfolgen, wenn die Entsendung mehr als zwölf Monate dauert. Ausgenommen werden sollen nur Regelungen zum Abschluss und zur Beendigung des Arbeitsvertrages und etwaiger Wettbewerbsverbote sowie Vorgaben zur betrieblichen Altersversorgung. Eine Verlängerung dieses Zeitraums wird begrenzt auf 18 Monate. Unabhängig davon soll bei Arbeitnehmern, die an die Stelle eines zuvor bereits entsandten Arbeitnehmers treten und die gleiche Tätigkeit am gleichen Ort ausführen, die Entsendungsdauer des zuvor entsandten Arbeitnehmers zur Anrechnung kommen. Denkbar wäre daher, dass von Anfang an bereits sämtliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Einsatzstaats zur Anwendung gebracht werden müssen. Dass die Umsetzung dieser Vorgaben Probleme bereitet, will der Europäische Rat dadurch beschränken, dass nicht nur die die Entlohnung bestimmenden Bestandteile auf einer einzigen offiziellen nationalen Website veröffentlicht werden soll. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass mit der geänderten Richtlinie auch die Möglichkeit geschaffen wird, alle Bestandteile der Entlohnung als zwingende Arbeitsbedingungen für den Fall eines grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsatzes festzulegen. Vielmehr sollen auch die übrigen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die nach Überschreiten des Zwölf-Monats-Zeitraums zur Anwendung gebracht werden müssen, auf der offiziellen nationalen Website veröffentlicht werden. Es bleibt zu hoffen, dass diese Änderungsvorschläge nicht zur Umsetzung kommen. Die damit verbundene Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit er-

6

Interinstitutionelles Dossier 2016/0070 (COD).13612/17.

358

Neue Entwicklungen zum Schutz der Whistleblower

scheint weder erforderlich noch angemessen, um Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einem grenzüberschreitenden Einsatz zu schützen. Wir werden über den weiteren Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens auf europäischer Ebene berichten. (Ga)

5.

Neue Entwicklungen zum Schutz der Whistleblower

Am 24.10.2017 hat das Europäische Parlament die Entschließung zu legitimen Maßnahmen zum Schutz von Hinweisgebern, die aus Gründen des öffentlichen Interesses vertrauliche Informationen über Unternehmen und öffentliche Einrichtungen offenlegen, angenommen. Damit wird die Europäische Kommission aufgefordert, einen horizontalen Gesetzgebungsvorschlag zur Schaffung eines umfassenden gemeinsamen Rechtsrahmens vorzulegen, der Hinweisgebern in der EU ein hohes Maß an Schutz gewährleisten soll. Ggf. soll dabei auf mehrere Rechtsgrundlagen zurückgegriffen werden. Als Hinweisgeber werden in der Entschließung Personen gekennzeichnet, die im öffentlichen Interesse, auch im öffentlichen europäischen Interesse, Informationen melden oder offenlegen, etwa Informationen über rechtswidrige oder pflichtwidrige Handlungen oder Handlungen, von denen eine Gefahr oder Beeinträchtigung ausgeht, die dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft oder dieses gefährdet. Wobei dies gewöhnlich, aber nicht ausschließlich, im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis der betreffenden Person geschieht, sei dies im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft, im Rahmen eines Vertragsverhältnisses oder einer Gewerkschaftsbzw. Verbandstätigkeit. Ausdrücklich werden dabei auch Personen erfasst, die nicht im Rahmen eines traditionellen Arbeitsverhältnisses beschäftigt sind, wie etwa Berater, Auftragnehmer, Praktikanten, Freiwilligenkräfte, studentische Arbeitskräfte, Zeitarbeiter, ehemalige Angestellte, die über Belege für solche Verhaltensweisen verfügen, so dass ein berechtigter Grund zu der Annahme bestehe, dass die gemeldeten Informationen der Wahrheit entsprechen (Nr. 14 der Entschließung). In Ziff. 17 der Entschließung werden Verstöße gekennzeichnet, die Gegenstand gesetzlicher Regelungen zum Schutz der Whistleblower sein sollen. Danach schließen Verstöße gegen das öffentliche Interesse, deren Meldung mit einem Schutz der Hinweisgeber verbunden sein soll, unter anderem Korruptionsfälle, Straftaten, Verstöße gegen rechtliche Pflichten, Justizirrtümer, Machtmissbrauch, Interessenkonflikte, rechtswidrige Verwendung öffentlicher Mittel, Missbrauch von Befugnissen, illegale Geldflüsse, Gefährdungen der Umwelt, der Gesundheit, der öffentlichen Sicherheit, der nationalen und internationalen Sicherheit, der Privatsphäre und personenbezogener Daten 359

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

sowie Steuervermeidung, Verletzungen von Arbeitnehmer- und anderen sozialen Rechten, Verstöße gegen Menschenrechte, Grundfreiheiten und die Rechtsstaatlichkeit sowie Handlungen zur Vertuschung dieser Verstöße ein. Gemäß Ziff. 32 der Entschließung soll auf Ebene der Mitgliedsstaaten dafür Sorge getragen werden, dass ein kohärentes, glaubwürdiges und zuverlässiges System eingerichtet wird, dass es ermöglicht, sowohl innerhalb einer Organisation als auch gegenüber den zuständigen Stellen und außerhalb einer Organisation Meldung bei etwaigen Verstößen zu erstatten. Arbeitgeber sollen angehalten werden, interne Meldeverfahren einzuführen. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass in jeder Organisation eine unabhängige und unparteiische Person oder Stelle gegeben ist, die für die Entgegennahme von Meldungen zuständig ist. Dabei sollen Arbeitnehmervertreter in die Zuweisung dieser Funktion einbezogen werden. Ergänzend wird darauf verwiesen, dass der Empfänger des Warnhinweises zu jeder eingegangenen Meldung geeignete Folgemaßnahmen ergreifen und den Hinweisgeber unter Wahrung einer angemessenen Frist über die ergriffenen Folgemaßnahmen auf dem Laufenden halten soll. Abweichend von der in Deutschland ganz überwiegend vertretenen Auffassung sieht Ziff. 37 der Entschließung vor, dass eine Meldung auch unmittelbar in der Öffentlichkeit erfolgen kann, ohne dass zuvor eine interne Phase durchlaufen wurde. Voraussetzung sei lediglich, dass der Hinweisgeber einen hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die öffentlich übermittelten Informationen zutreffend waren. Gemäß Ziff. 38 der Entschließung soll der Hinweisgeber vor Gefahren, denen er an seinem Arbeitsplatz ausgesetzt ist, insbesondere der Gefahr einer direkten oder indirekten Repressalie durch den Arbeitgeber oder durch Personen, die für oder im Auftrag des Arbeitgebers handeln, geschützt werden. Nach Auffassung des Europäischen Parlaments führen solche Repressalien in der Regel zur Ausgrenzung, zur Verlangsamung oder zum Stillstand des beruflichen Aufstiegs oder gar zu Entlassungen und können mit Mobbing verbunden sein. Das Europäische Parlament hält es deshalb für notwendig, dass Schutzmaßnahmen gegen Repressalien eingeführt werden. Dazu gehören auch Strafen oder wirksame Sanktionen gegenüber solchen Personen, die in die Verwirklichung solcher Repressalien eingebunden sind. Darüber hinaus soll sichergestellt werden, dass ein Hinweisgeber für erlittene Nachteile oder Schäden kompensiert wird. Dies soll – so Ziff. 39 der Entschließung – das Recht auf eine einstweilige Verfügung beinhalten, die darauf gerichtet ist, Repressalien wie einer Entlassung zu entgehen.

360

Europäische Säule sozialer Rechte

Zum Schutz der Whistleblower sollen auch prozessuale Erleichterungen eingeführt werden. So ist in Ziff. 47 der Entschließung vorgesehen, dass bei behaupteten Repressalien gegen einen Hinweisgeber eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast erfolgen soll. Nach den Vorstellungen des Europäischen Parlaments müsse der Arbeitgeber nachweisen, dass seine Maßnahmen in keinem Zusammenhang mit der vom Hinweisgeber erstatteten Meldung stehen. Dabei soll der Schutz des Hinweisgebers auf der Grundlage der offengelegten Informationen und nicht auf der Grundlage der Absicht des Hinweisgebers gewährt werden. Voraussetzung sei aber, dass der Hinweisgeber die offengelegten Informationen für wahr gehalten hat. Ergänzend hierzu sieht Ziff. 48 der Entschließung vor, dass Hinweisgeber aufgrund der Meldungen, die sie erstattet haben, weder straf- oder zivilrechtlich verfolgt noch mit Verwaltungs- oder Disziplinarstrafen belegt werden dürfen. Darüber hinaus soll auf Ebene der Mitgliedstaaten gewährleistet sein, dass Hinweisgeber auch eine anonyme Meldung erstatten können. Gleichzeitig aber sieht Ziff. 50 der Entschließung vor, dass bei einer falschen Verdächtigung die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden sollen. Wie dies bei einer anonymen Meldung gewährleistet wird, lässt die Entschließung allerdings nicht erkennen. Es bleibt abzuwarten, ob und ggf. in welcher Weise die Europäische Kommission diese Entschließung des Europäischen Parlaments bei dem Entwurf einer entsprechenden Richtlinie berücksichtigen wird. Wir werden darüber berichten. (Ga)

6.

Europäische Säule sozialer Rechte

Auf der Grundlage einer Interinstitutionellen Proklamation der EUKommission, des EU-Parlaments und des Rats der Europäischen Union zur Schaffung der Europäischen Säule sozialer Rechte soll auf dem europäischen Sozialgipfel in Göteborg am 17.11.2017 die Europäische Säule sozialer Rechte unterzeichnet werden. Wir hatten darüber bereits im Frühjahr berichtet7. Die Europäische Säule sozialer Rechte beschäftigt sich mit der Chancengleichheit und dem Arbeitsmarktzugang (Kapitel I), fairen Arbeitsbedingungen (Kapitel II) sowie Sozialschutz und sozialer Inklusion (Kapitel III). Die Grundsätze und Rechte, die in den einzelnen Kapiteln enthalten sind, sollen zwar keine Ausweitung der in den europäischen Verträgen festgelegten Befugnis und Aufgaben der Union bewirken. Vielmehr wird die

7

B. Gaul, AktuellAR 2017, 56 f.

361

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

europäische Säule sozialer Rechte als eine gemeinsame politische Verpflichtung und Verantwortung angesehen, die entsprechend den jeweiligen Zuständigkeiten und im Einklang mit den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit, sowohl auf Unionsebene, als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten, umgesetzt werden soll. (Ga)

362

C. 1.

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung des Arbeitsvertrags

Mit dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) vom 21.12.20001 ist neben der Richtlinie des Rates 97/81/EG über Teilzeitarbeit die Richtlinie des Rates 1999/70/EG über befristete Arbeitsverträge, die auf einer entsprechenden Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner (UNICE – heute: Business Europe – CEEP und EGB) beruht, in deutsches Recht umgesetzt worden. Mit Inkrafttreten des TzBfG am 1.1.2001 ist das bis dahin geltende und am 31.12.2000 ausgelaufene Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 abgelöst worden. Wichtige Eckpunkte der Rahmenvereinbarung sind der Grundsatz der Nichtdiskriminierung sowie die Verhinderung des Missbrauchs befristeter Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse. Deshalb sieht die Rahmenvereinbarung vor, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag gilt, gegenüber Dauerbeschäftigten nicht ungünstiger behandelt werden dürfen, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden, werden von der Rahmenvereinbarung mehrere Beschränkungen für aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge vorgesehen (§ 5: Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch), die unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien alternativ oder kumulativ von den EU-Ländern in innerstaatliches Recht umzusetzen sind. Die Voraussetzungen, unter denen die Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig ist, insbesondere das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen der Befristung mit Sachgrund und ohne Sachgrund hat der deutsche Gesetzgeber in § 14 TzBfG geregelt. Dabei ist die erleichterte Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 TzBfG grundsätzlich nur bei der erstmaligen Beschäftigung eines Arbeitnehmers möglich. Da die vom Gesetzgeber erlaubten Befristungsmöglichkeiten im Interesse der Flexibilität der Beschäftigung in der betrieblichen Praxis vielfältig genutzt werden, ergeben sich bei der Auslegung des § 14 TzBfG immer wieder Streitfragen, die nicht nur die Auslegung des Gesetzes selbst betreffen, son1

BGBl. I 2000, 1966 ff., zuletzt geändert durch Gesetz v. 26.12.2011 (BGBl. I 2011, 2854 ff.).

363

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

dern auch klären sollen, ob sich diese Regelung als unionskonform erweist2. Die nachfolgenden Entscheidungen verdeutlichen, dass im Hinblick auf die Anwendung von § 14 TzBfG immer noch Klärungsbedarf besteht.

a)

Befristung auf Wunsch des (älteren) Arbeitnehmers

Gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrages zulässig, wenn in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen. Der Gesetzgeber3 hat bei diesem Befristungsgrund vor allem an den Fall gedacht, wenn ein Arbeitnehmer aus sozialen Gründen beschäftigt wird, um z. B. die Zeit bis zum Beginn einer bereits feststehenden anderen Beschäftigung, des Wehrdienstes oder eines Studiums überbrücken zu können. Personenbedingt gerechtfertigt kann danach die Befristung eines Arbeitsvertrages auch dann sein, wenn der Arbeitsvertrag ohne einen in der Person des Arbeitnehmers begründeten sozialen Zweck nicht einmal befristet abgeschlossen worden wäre4. Bei der Würdigung dieses Sachgrundes für eine Befristung müssen stets objektive Anhaltspunkte vorliegen, aus denen ein Interesse des Arbeitnehmers gerade an einer befristeten Beschäftigung zu entnehmen ist5. Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer auch bei einem Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Vertrags nur ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart hätte. Dabei muss die inhaltliche Qualität der Verträge übereinstimmen, wovon nicht auszugehen wäre, wenn der befristete Arbeitsvertrag für den Arbeitnehmer günstigere Arbeitsbedingungen aufweist und sich die Alternative des unbefristeten Arbeitsvertrags als ungünstiger erweist6. Auch der Wunsch des Arbeitnehmers nach einer nur zeitlich begrenzten Beschäftigung kann die Befristung eines Arbeitsvertrages sachlich rechtfertigen. Entscheidend dafür ist jedoch, ob der Arbeitnehmer auch bei einem Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Vertrages nur ein befristetes Arbeitsverhältnis gewählt hätte7.

2 3 4 5 6 7

Vgl. nur EuGH v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 Rz. 56 – Kücük. BT-Drucks. 14/4374 S. 19. BAG v. 24.8.2011 – 7 AZR 368/10 n. v. Rz. 27. BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 236/15, NZA 2017, 849 Rz. 30; BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066 Rz. 36. BAG v. 26.8.1998 – 7 AZR 349/97, NZA 1999, 476 Rz. 15; vgl. auch EuGH v. 8.3.2012 – C-251/11, NZA 2012, 441 Rz. 46 – Huet. BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 236/15, NZA 2017, 849 Rz. 30; BAG v. 19.1.2005 – 7 AZR 115/04 n. v. Rz. 38; BAG v. 5.6.2002 – 7 AZR 241/01, NZA 2003, 149 Rz. 20.

364

Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung des Arbeitsvertrags

Die Frage der sog. Wunschbefristung war Gegenstand einer Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 18.1.20178. Die 1953 geborene Klägerin war bei der Beklagten als Abteilungsleiterin beschäftigt mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Halbjahresende. Das Arbeitsverhältnis sollte mit dem Monatsende des 65. Lebensjahres enden. Seit dem Jahre 2003 bot die Beklagte ihren Führungskräften das Konzept 60+ an, wonach den Arbeitnehmern ermöglicht wurde, bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres unter Zahlung eines Kapitalbetrags (bei der Klägerin 125.280,- €) und Zahlung einer betrieblichen Altersversorgung auszuscheiden. Im September 2005 erhielt die Klägerin von der Beklagten eine E-Mail, wonach das Angebot des vorzeitigen Ausscheidens nur noch bis zum 31.12.2005 aufrechterhalten werde. Am 12.12.2005 unterschrieb die Klägerin das Angebot aus dem Jahre 2003. Danach hätte sie am 30.9.2013 mit 60 Jahren aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden müssen. Mit der am 15.10.2013 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Befristung nach § 17 TzBfG gewandt. Die Beklagte verteidigte sich vor allem damit, eine Befristungskontrolle käme nicht in Betracht, weil die Parteien einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen hätten. Ginge man von einer Befristungsabrede aus, so sei diese jedenfalls auf Wunsch der Klägerin erfolgt. Während die ersten beiden Instanzen die Klage für unbegründet hielten, weil sie von einer Wunschbefristung ausgingen9, die darin liegen sollte, dass die Arbeitnehmerin nach einer langen Überlegungsfrist das Angebot ihres Arbeitgebers eines zum 60. Lebensjahr befristeten Arbeitsverhältnisses zusammen mit attraktiven finanziellen Anreizen (Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung ab dem 60. Lebensjahr, Zahlung eines Einmalkapitals) angenommen hatte, hat das BAG das Vorliegen einer Wunschbefristung verneint. Zunächst ist das BAG der Frage nachgegangen, ob die Parteien einen auf das 60. Lebensjahr der Klägerin bezogenen Aufhebungsvertrag mit einer Beendigungswirkung zum 30.9.2013 abgeschlossen haben. Dieser unterläge keiner Befristungskontrolle. Das Vorliegen eines Aufhebungsvertrages wird vom BAG verneint, weil ein Aufhebungsvertrag auf eine alsbaldige Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen gerichtet ist und typischerweise weitere Vereinbarungen über Rechte und Pflichten aus Anlass der vorzeitigen Vertragsbeendigung beinhaltet, wie etwa Freistellungen, Urlaubsregelungen, die Erteilung eines Zeugnisses, ggf. die Zahlung einer Abfindung. Wenn – wie im Ausgangsfall – der von den Parteien gewählte Beendigungszeitpunkt die jeweilige Kündigungsfrist um ein Vielfaches überschreitet und

8 9

BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 236/15, NZA 2017, 849. LAG Baden-Württemberg v. 4.3.2015 – 2 Sa 31/14 n. v. Rz. 85.

365

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

die für einen Aufhebungsvertrag typischen Vereinbarungen fehlen, ist in Wahrheit von einer nachträglichen Befristung eines Arbeitsvertrages auszugehen, die eines Sachgrundes bedarf. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses knapp acht Jahre nach Abschluss des Änderungsvertrags betraf einen derartigen Sachverhalt, weil die im Anstellungsvertrag vorgesehene Kündigungsfrist sechs Monate zum Halbjahresende betrug. Im Streitfall kam als Sachgrund für die im Dezember 2005 vereinbarte Befristung zum 30.9.2013 lediglich der Tatbestand einer Wunschbefristung gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG in Betracht. Alleine aus dem durch Unterzeichnung des Arbeitsvertrags verdeutlichten Einverständnis des Arbeitnehmers mit einer Befristung des Arbeitsverhältnisses kann – wie das BAG überzeugend hervorhebt – nicht auf einen entsprechenden Wunsch geschlossen werden. Vielmehr bedarf es des Vorliegens objektiver Anhaltspunkte, die gerade das Interesse des Arbeitnehmers an einer nur befristeten Beschäftigung belegen. Dies könnte zu bejahen sein, wenn die Initiative zum Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags vom Arbeitnehmer ausgeht, der sich etwa aus familiären Gründen oder aus Gründen eines geplanten Umzugs in ein anderes Bundesland nicht für einen längeren Zeitraum vertraglich binden möchte. Bei dem vom BAG zu beurteilenden Sachverhalt ging jedoch die Initiative allein vom Arbeitgeber aus, der ein bestimmtes personalpolitisches Konzept bezüglich seiner Führungskräfte umsetzen wollte. Das BAG hat auch keinen objektiven Anhaltspunkt für eine Wunschbefristung darin gesehen, dass die Klägerin ihr Einverständnis zu dem mit erheblichen wirtschaftlichen Vergünstigungen versehenen Angebot der Beklagten nach reiflicher Überlegung erst nach einer Zeitspanne von über zwei Jahren erklärt hat, wovon die Vorinstanz u. a. ausgegangen war. Auch diese Umstände waren nach Ansicht des BAG nicht geeignet, eine ausreichende objektive Grundlage dafür abzugeben, dass die Klägerin ein Interesse gerade an einer befristeten Beschäftigung bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres hatte. Ungeachtet der Überlegungsfrist und der finanziellen Vergünstigungen, die mit dem Vertragsänderungsangebot verbunden worden waren, bestand vor allem ein Interesse der Beklagten daran, das personalpolitische Programm 60+ im Unternehmen umzusetzen. Insoweit knüpft das BAG an eine frühere Entscheidung10 an, wonach die freie Wahlmöglichkeit des Arbeitnehmers, ein für ihn günstiges Vertragsänderungsangebot seines Arbeitgebers anzunehmen oder das Arbeitsverhältnis unverändert fortzusetzen, keinen Sachgrund dafür abgibt, dass geänderte Arbeitsverhältnis auch zu befristen.

10 BAG v. 26.8.1998 – 7 AZR 349/97, NZA 1999, 476 Rz. 15.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung des Arbeitsvertrags

Eine Wunschbefristung wäre nur dann – wie das BAG ausführt – zu bejahen gewesen, wenn die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, das Arbeitsverhältnis wie bisher fortzusetzen mit der Option, bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres zu den Konditionen des Konzepts 60+ aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, und wenn sie sich dennoch für den Abschluss des Änderungsvertrags entschieden hätte. Eine derartige Regelung lag jedoch nicht im Interesse der Beklagten, weil diese aus Gründen der Planungssicherheit bereits im Jahre 2005 eine endgültige Festlegung der Klägerin wünschte, die gerade nicht mit der alternativen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Altersgrenze von 60 Jahren hinaus verbunden werden sollte. Ebenso wenig war die Befristung des Arbeitsvertrags zum 30.9.2013 wegen Erreichens der in dem Änderungsvertrag vereinbarten Altersgrenze nach § 14 Abs. 1 TzBfG zu rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des BAG11 kann eine mit Erreichen des Regelrentenalters verknüpfte Altersgrenzenregelung, die einzelvertraglich vereinbart ist oder kollektivrechtlich gilt, die Befristung des Arbeitsverhältnisses i. S. v. § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG sachlich rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug einer gesetzlichen Altersrente abgesichert ist. Die gesetzliche Altersrente kann nicht durch eine Ausgleichszahlung des Arbeitgebers oder eine betriebliche Altersversorgung ersetzt werden12, weil unabhängig von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers an die Stelle der Arbeitsvergütung die Möglichkeit eines dauerhaften Bezugs von Leistungen aus einer gesetzlichen Altersversorgung als Bestandteil des Sachgrunds für die Befristung treten muss13. Da bei Abschluss des Änderungsvertrags nicht davon ausgegangen werden konnte, dass die Klägerin bei Vollendung des 60. Lebensjahres eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen konnte, lag kein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG wegen Erreichens der in dem Änderungsvertrag vereinbarten Altersgrenze vor. Für die betriebliche Praxis ist wegen dieser Sichtweise des BAG sicherlich der Aufhebungsvertrag die bessere und rechtssichere Alternative, jedoch mit der Maßgabe, dass der Vertrag auch die wesentlichen Merkmale aufweist, die typischerweise zu einem Aufhebungsvertrag gehören.

11 Vgl. BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, NZA 2016, 695 Rz. 26; BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13, NZA 2016, 54 Rz. 15; BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066 Rz. 25. 12 ErfK/Rolfs, SGB VI § 41 Rz. 17 m w. N. § 8 Abs. 3 ATG enthält eine dem § 14 SGB VI vorgehende Regelung: BAG v. 22.5.2012 – 9 AZR 453/10 n. v. Rz. 20. 13 BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, NZA 2016, 695 Rz. 26.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

b)

Befristung des Arbeitsvertrags nach Erreichen der Regelaltersgrenze

Durch das Gesetz über Leistungsverbesserung in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23.6.2014 (RV-Leistungsverbesserungsgesetz), das am 1.7.2014 in Kraft getreten ist (Art. 4)14, wurde dem § 41 SGB VI folgender Satz hinzugefügt: Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben.

Die Intention der wohl als Sonderregelung zu § 14 TzBfG vorgenommenen Ergänzung des § 41 SGB VI ist auf der Grundlage der Regierungsbegründung15 dahin zu verstehen, dass der Praxis die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze und darauf bezogener Beendigungsvereinbarungen einvernehmlich das Arbeitsverhältnis für einen von vornherein bestimmten Zeitraum rechtssicher fortsetzen zu können. Da § 14 Abs. 1 TzBfG bereits die mit einem Sachgrund ausgestattete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze erlaubt, spricht vieles dafür, dass der Gesetzgeber an ein sachgrundloses Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts in Anlehnung an § 14 Abs. 2 TzBfG gedacht hat, wenn er auch beispielhaft darauf verweist, dass mit § 41 S. 3 SGB VI eine Nachbesetzung der entsprechenden Stelle, der Abschluss noch laufender Projekte oder die Einarbeitung jüngerer Kollegen bewirkt werden könnte, was auch Gegenstand einer Sachgrundbefristung sein könnte. So hat das BAG16 eine bei oder nach Erreichen des Renteneintrittsalters getroffene Vereinbarung über die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, die nicht in den Anwendungsbereich des § 41 S. 3 SGB VI fällt, als nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG sachlich gerechtfertigt angesehen, wenn der Arbeitnehmer bereits Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann und die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einer konkreten, im Zeitpunkt der Vereinbarung der Befristung bestehenden Personalplanung des Arbeitgebers dient. Ungeachtet dieser nur durch Auslegung feststellbaren Bewertung einer ohne Sachgrund möglichen Verlängerung des Beendigungszeitpunktes des Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus, ist die Vereinbarkeit 14 BGBl. I 2014, 787 ff. 15 BT-Drucks. 18/1489 S. 25. 16 BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066 Rz. 27.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung des Arbeitsvertrags

des § 41 S. 3 SGB VI mit Unionsrecht unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Benachteiligung wegen Alters (RL 2000/78/EG)17, aber auch unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchsverbots der Befristungsrichtlinie (RL 1999/70/EG) bislang nicht hinreichend geklärt, weil Dauer und Anzahl der Verlängerungen ungeregelt bleiben und damit dem Belieben der Vertragsparteien überlassen sind. Nunmehr hat das LAG Bremen18 Gelegenheit genommen, dem EuGH folgende Fragen vorzulegen: 1. Ist § 5 Nr. 1 der am 18.3.1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.6.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (EGRL 70/99) dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die es den Arbeitsvertragsparteien ohne weitere Voraussetzungen zeitlich unbegrenzt ermöglicht, die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls auch mehrfach, hinauszuschieben, nur weil der Arbeitnehmer durch Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Altersrente hat? 2. Falls der Gerichtshof die Frage 1 bejaht: Gilt die Unvereinbarkeit der in Frage 1 genannten nationalen Regelung mit § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung auch im Falle des erstmaligen Hinausschiebens der Beendigung? 3. Sind Art. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (EGRL 78/2000) und/oder die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es den Arbeitsvertragsparteien ohne weitere Voraussetzungen zeitlich unbegrenzt ermöglicht, die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls auch mehrfach, hinauszuschieben, nur weil der Arbeitnehmer durch Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Altersrente hat?

17 EuGH v. 12.10.2012 – C-45/09, NZA 2010, 1167 - Rosenbladt; BAG v. 15.2.2012 – 7 AZR 946/07, NZA 2012, 866 bezüglich einer auf die Regelaltersgrenze bezogenen Befristung. 18 LAG Bremen v. 23.11.2016 – 3 Sa 78/16, NZA-RR 2017, 290.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Das Ausgangsverfahren betrifft einen Lehrer, dessen Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze auf der Grundlage des einschlägigen Tarifvertrags mit dem 31.1.2015 geendet hätte. Bereits mit Schreiben vom 5.2.2014 beantragte der Kläger die Weiterbeschäftigung über die Regelaltersgrenze hinaus bis zum Ende des Schuljahres 2015/2016. Am 24.10.2014 schlossen die Parteien unter Hinweis auf § 41 S. 3 SGB VI eine schriftliche Vereinbarung ab, wonach die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.7.2015 hinausgeschoben wurde. Da die Beklagte keine weitere Verlängerung des Arbeitsvertrages wünschte, erhob der Kläger rechtzeitig eine Entfristungsklage nach § 17 TzBfG und machte geltend, dass eine Befristung auf der Grundlage von § 41 S. 3 SGB VI europarechtlich unzulässig sei. Da die Beklagte keinen Sachgrund für die befristete Verlängerung des Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG hatte, kam es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob § 41 S. 3 SGB VI als Rechtsgrundlage herangezogen werden konnte. Das LAG Bremen hat im Hinblick auf § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.6.1999 unionsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift geäußert, weil sie ein zeitlich uneingeschränktes und mehrfaches Hinausschieben der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze erlaubt und damit unionsrechtswidrige Kettenbefristungen ermöglichen würde. Es ginge daher um die Frage, ob der Zweck der Befristungsrichtlinie, missbräuchliche Mehrfachbefristungen zu verhindern, auch auf Fälle zuträfe, bei denen der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze mit dem gesetzlichen Anspruch auf Altersrente bereits erreicht hat. Ein solcher Arbeitnehmer unterscheide sich von anderen Arbeitnehmern nicht nur im Hinblick auf die soziale Absicherung durch die gesetzliche Rente, sondern auch dadurch, dass er sich am Ende seines Arbeitsverhältnisses befinde und im Hinblick auf die Befristung nicht vor der Alternative eines ansonsten unbefristeten Arbeitsverhältnisses stünde. Des Weiteren käme es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob § 41 S. 3 SGB VI altersdiskriminierend i. S. d. Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Beschäftigungsrichtlinie) sei. In Besonderheit ginge es darum, ob die bereits vom EuGH19 entwickelten Grundsätze zur Befristung auf die Regelaltersgrenze mit Bezug einer Altersrente auch auf die Verlängerung von Arbeits19 EuGH v. 21.7.2011 – C-159/10 und C-160/10 n. v. – Fuchs; EuGH v. 12.10.2010 – C-45/09, NZA 2010, 1167 – Rosenbladt.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung des Arbeitsvertrags

verhältnissen mit Erreichen der Regelaltersgrenze übertragen werden könnten. Der betrieblichen Praxis wird im Hinblick auf die zu erwartende Entscheidung des EuGH anzuraten sein, Verlängerungen von Arbeitsverträgen über die Regelaltersgrenze hinaus nicht ohne Sachgrund im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG vorzunehmen und im Hinblick auf Dauer und Zahl der Befristungen die vom 7. Senat des BAG20 aufgestellten Grundsätze zur Vermeidung eines institutionellen Rechtsmissbrauchs zu beachten. Hiervon ist i. d. R. auszugehen, wenn einer der Werte des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG mehr als das Vierfache beträgt oder beide Werte das Dreifache übersteigen. Dies gilt ungeachtet der Entscheidung des LAG Niedersachsen21, das zumindest das einmalige sachgrundlose Hinausschieben der Altersgrenze aufgrund von § 41 S. 3 SGB VI unionsrechtlich für unbedenklich erachtet. Dabei lässt sich das LAG offenbar von der Erwägung leiten, dass § 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge als Anhang der Richtlinie 1999/70/EG vom 28.6.1999 die Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch befristeter Arbeitsverträge auf die Verlängerung bzw. die zulässige Zahl der Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge bezieht und die auf die Regelaltersgrenze bezogene Vorbefristung des Arbeitsvertrages im Gegensatz zur Entscheidung des LAG Bremen22 für die Befristungskontrolle unberücksichtigt lässt. Für diese Sichtweise kann in der Tat sprechen, dass die betriebliche Praxis bei einer Befristung auf die Regelaltersgrenze grundsätzlich von einem unbefristeten Arbeitsvertrag ausgeht. Das LAG Niedersachsen verneinte im Hinblick auf das einmalige sachgrundlose Hinausschieben des Arbeitsvertrags um sechs Monate aufgrund von § 41 S. 3 SGB VI auch eine Altersdiskriminierung i. S. d. Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Begründungsansatz war dabei die Erwägung, dass es für den Arbeitnehmer, der Altersrente bezöge und dennoch weiterarbeiten möchte, günstiger sei, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei im Übrigen unveränderten Arbeitsbedingungen einmalig für eine absehbare Zeit sachgrundlos hinausschieben zu dürfen. Anderenfalls würden bei derartiger Sachlage Arbeitgeber von einer befriste-

20 BAG v. 17.5.2017 – 7 AZR 420/15, NJW-Spezial 2017, 559; BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, NZA 2017, 382. 21 LAG Niedersachsen v. 29.11.2016 – 10 Sa 218/16, ZTR 2017, 318, Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 7 AZR 70/17. 22 LAG Bremen v. 23.11.2016 – 3 Sa 78/16, NZA-RR 2017, 290.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

ten Fortsetzung Abstand nehmen, wenn diese nur mit einem Sachgrund nach § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG möglich wäre. Es kann dahinstehen, ob diese Begründung im Lichte von Art. 6 der Beschäftigungsrichtlinie tragfähig ist, was wohl verneint werden muss. Legitime Ziele i. S. v. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, d. h. Ziele, die als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung nur solche, die mit der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung im Zusammenhang stehen, und damit nur rechtmäßige Ziele aus dem Bereich Sozialpolitik23. Hat der Arbeitnehmer bei Erreichen des gesetzlichen Rentenalters einen Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und vereinbart er mit seinem Arbeitgeber die befristete Fortsetzung des bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses, wird der Arbeitnehmer jedenfalls dann nicht in unzulässiger Weise wegen des Alters diskriminiert, wenn die Befristung einer konkreten Personal- oder Nachwuchsplanung (konkreter beschäftigungspolitischer Ansatz) des Arbeitgebers dient24, weil damit zumindest auch über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden soll. Zutreffend ist auf jeden Fall der Prüfungsansatz der Altersdiskriminierung, weil ein Arbeitgeber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit einem jüngeren Arbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hätte.

c)

Finanzieller Ausgleich als sonstiger Sachgrund bei befristeter Beschäftigung leitender Angestellter

Wie sich aus dem Wort „insbesondere“ in § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG ergibt, ist die in dieser Vorschrift in Nr. 1 bis 8 enthaltene Aufzählung möglicher Sachgründe für eine Befristung nicht abschließend. Bereits in der Regierungsbegründung25 wird darauf hingewiesen, dass ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des BAG, die Aufzählung typischer Gründe, die die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtfertigen können, beispielhaft sei und weder andere von der Rechtsprechung bisher akzeptierte noch weitere

23 EuGH v. 13.9.2011 – C-447/09, NZA 2011, 1039 Rz. 81 – Prigge u. a.; BAG v. 11.8.2016 – 8 AZR 809/14 n. v. Rz. 101; BAG v. 23.7.2015 – 6 AZR 457/14, NZA 2015, 1380 Rz. 36. 24 BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066 Rz. 27. 25 BT-Drucks. 14/4374 S. 18.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung des Arbeitsvertrags

Gründe ausschließen solle26. Weder aus der Richtlinie 1999/70/EG noch der inkorporierten EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung ergibt sich, dass die sachlichen Gründe in der Regelung des nationalen Rechts abschließend genannt sein müssen27. Sonstige, in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 8 TzBfG nicht genannte Sachgründe können allerdings die Befristung eines Arbeitsvertrags nur dann rechtfertigen, wenn sie den in § 14 Abs. 1 TzBfG zum Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben entsprechen und den in dem Sachgrundkatalog des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 8 TzBfG genannten Sachgründen von ihrem Gewicht her gleichwertig sind28. Ob die Befristung eines Arbeitsvertrags mit einem leitenden Angestellten auch dann eines Sachgrundes bedarf, wenn für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf die Zahlung eines Abfindungsanspruchs im Arbeitsvertrag vorgesehen ist, war Gegenstand der Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 21.3.201729. Anders formuliert ging es um die Frage, ob allein die Gewährung einer Abfindung im Zusammenhang mit der Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen durch Fristablauf einen Sachgrund darstellt, der den Wertmaßstäben des § 14 Abs 1 S. 2 TzBfG entspricht. Der Fall betraf eine Arbeitnehmerin, die seit dem 1.8.2009 auf der Grundlage eines mit der Beklagten abgeschlossenen schriftlichen auf vier Jahre befristeten Arbeitsvertrags bis zum 31.7.2013 als leitende Angestellte beschäftigt wurde. Die Klägerin wandte sich mit einer rechtzeitig erhobenen Entfristungsklage gegen die Wirksamkeit der Befristung zum 31.7.2013. Die Beklagte machte unter anderem geltend, dass ein Sachgrund darin zu sehen sei, dass der Klägerin für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung eine Abfindung zugesagt worden sei. Das BAG misst der Vereinbarung eines Abfindungsanspruchs im Arbeitsvertrag eines leitenden Angestellten für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf keinen Sachgrund bei, der den Wertmaßstäben des § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG genügt. Allerdings bedurfte die Befristung des Arbeitsvertrags eines leitenden Angestellten vor Inkrafttreten des TzBfG aufgrund des nach § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG eingeschränkten Kündigungsschutzes nur dann eines Sachgrundes, wenn dem leitenden Angestellten beim Ausscheiden infolge der Befristung kein finanzieller Ausgleich zustand, der einer Abfindung nach den §§ 9,10 KSchG zumindest gleichwertig

26 BAG v. 21.3.2017 – 7 AZR 207/15, NJW 2017, 3183 Rz. 109. 27 BAG v. 18.3.2015 – 7 AZR 115/13, NZA-RR 2015, 569 Rz. 13. 28 BAG v. 21.3.2017 – 7 AZR 207/15, NJW 2017, 3183 Rz. 109; BAG v. 8.6.2016 –´7 AZR 467/14, NZA 2016, 1535 Rz. 16 m. w. N. 29 BAG v. 21.3.2017 – 7 AZR 207/15, NJW 2017, 3183.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

war30. Diese Rechtsprechung resultierte daraus, dass vor Inkrafttreten des TzBfG in der Befristung des Arbeitsvertrages eine objektiv funktionswidrige Vertragsgestaltung zu sehen war, wenn sie dem Arbeitnehmer den Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz nahm. Da der Bestandsschutz der leitenden Angestellten nach dem KSchG insoweit eingeschränkt wird, als der im Anschluss an eine unwirksame ordentliche Kündigung gestellte Auflösungsantrag des Arbeitgebers keiner Begründung bedarf und daher das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen ist (§ 14 Abs. 2 S. 2 KSchG), wurde eine Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes verneint, wenn einem leitenden Angestellten beim Ausscheiden infolge der Befristung ein finanzieller Ausgleich zu gewähren war. Das BAG weist indes zu Recht darauf hin, dass nach Inkrafttreten des TzBfG jede Befristung eines Arbeitsvertrags einer Rechtfertigung bedarf. Die Umgehung kündigungsschutzrechtlicher Bestimmungen hat sich damit erledigt. Konsequenterweise ist für die Befristung eines Arbeitsvertrags mit einem leitenden Angestellten ein Sachgrund erforderlich, wenn die Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung (§ 14 Abs. 2 und Abs. 3 TzBfG) nicht vorliegen. Die Vereinbarung eines Abfindungsanspruchs im Arbeitsvertrag eines leitenden Angestellten für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf allein kommt demgemäß nicht mehr als Sachgrund in Betracht, der den Wertungsmaßstäben des § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG entspricht31.

d)

Unterzeichnung des befristeten Arbeitsvertrags durch Vertreter

Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Die Nichteinhaltung der Schriftform hat – ebenso wie das Nichtvorliegen der in den Absätzen 1 bis 3 geregelten Befristungsvoraussetzungen – die Unzulässigkeit der Befristung zur Folge. Bei unzulässiger Befristung gilt der Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 16 TzBfG)32. Dem Schriftformerfordernis unterliegt allerdings nur die vertragliche Befristungsabrede selbst33, wobei die Befristung sonstiger einzelner Arbeitsbedingungen nicht dem Anwendungsbereich des § 14 30 So BAG v. 26.4.1979 – 2 AZR 431/77, DB 1979, 1991 Rz. 29 im Anschluss an BAG GS v. 12.10.1960 – GS 1/59, DB 1961, 409 Rz. 29. 31 BAG v. 21.3.2017 – 7 AZR 207/15, NJW 2017, 3183 Rz. 110. 32 BT-Drucks. 14/4374 S. 20. 33 BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 664/12, NZA 2014, 362 Rz. 69; BAG v. 26.7.2006 – 7 AZR 515/05, NZA 2007, 34 Rz. 10.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung des Arbeitsvertrags

Abs. 4 TzBfG unterfällt34. Die von § 14 Abs. 4 TzBfG bezweckte Klarstellungs-, Beweis- und Warnfunktion bezieht sich allein auf die vereinbarte Befristungsabrede, nicht aber auf deren Rechtfertigung und den übrigen Inhalt des Arbeitsvertrags35. Durch die Rechtsprechung des BGH36 ist nunmehr auch geklärt, dass beide in § 278 Abs. 6 ZPO vorgesehenen Möglichkeiten eines Beschlussvergleichs, der auf einem Vorschlag des Gerichts oder der Beteiligten beruht, eine formersetzende Qualität aufweisen. Wird die Vertragsurkunde von einem Vertreter für eine Arbeitsvertragspartei ausgestellt, was auf Arbeitgeberseite die Regel sein dürfte, wird dem Schriftformerfordernis aus § 14 Abs. 4 TzBfG nur genügt, wenn der Vertreter die Vertretung nach außen erkennbar macht37, wobei die Vollmacht selbst nach § 167 Abs. 2 BGB keiner Schriftform bedarf. Für die Wahrung der Schriftform i. S. v. §§ 14 Abs 4 TzBfG, 126 Abs. 1 BGB kommt es nicht darauf an, ob der Unterzeichner tatsächlich bevollmächtigt war38. Der vom Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossene schriftliche Arbeitsvertrag, der eine Befristungsabrede enthält, ist nach § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam und kann kraft ausdrücklicher oder konkludenter Genehmigung wirksam werden. Die Genehmigung wirkt auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück (§ 184 Abs. 2 BGB), wobei die Formbindung aus § 14 Abs. 4 TzBfG für die Befristungsabrede maßgebend ist. Dem Vertreter ohne Vertretungsmacht wird gemäß § 179 BGB ein verschuldensunabhängiges Risiko im Interesse der Verkehrssicherheit auferlegt, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert. Mangels eines wirksamen Vertragsschlusses kommt zu dem angeblich vertretenen Arbeitgeber auch nur ein faktisches Arbeitsverhältnis zustande. Der 7. Senat des BAG musste in der Entscheidung vom 12.4.201739 erneut40 der Frage nachgehen, ob bei der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags mit dem Zusatz „i. A.“ das Vertretungsverhältnis in der Vertragsurkunde ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Ist eine Erklärung mit dem Zu34 BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814 Rz. 58 (befristete Übertragung einer anderweitigen Tätigkeit). 35 BAG v. 23.6.2004 – 7 AZR 636/03, NZA 2004, 1333 Rz. 18. 36 BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 71/16, NJW 2017, 1946 Rz. 25. 37 BAG v. 9.9.2015 – 7 AZR 190/14, NZA 2016, 232 Rz. 29; BAG v. 4.5.2011 – 7 AZR 252/10, NZA 2011, 1178 Rz. 32. 38 BAG v. 4.5.2011 – 7 AZR 252/10, NZA 2011, 1178 Rz. 33; BAG v. 13.12.2007 – 6 AZR 145/07, NZA 2008, 403 Rz. 15. 39 BAG v. 12.4.2017 – 7 AZR 446/15, NZA 2017, 1125. 40 BAG v. 25.3.2009 – 7 AZR 59/08, ZTR 2009, 441; BAG v. 13.12.2007 – 6 AZR 145/07, NZA 2008, 403.

375

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

satz „Im Auftrag“ unterschrieben, kann das im Einzelfall dafür sprechen, dass der Unterzeichner nicht selbst handelnd wie ein Vertreter die Verantwortung für den Inhalt der von ihm unterzeichneten Erklärung übernehmen will. Der Zusatz „in Vertretung“ deutet demgegenüber darauf hin, dass der Erklärende selbst für den Vertretenen handelt. Der Kläger war von der Beklagten zur Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen ausgebildet worden und wurde anschließend auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 TzBfG in ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis übernommen, das dreimal verlängert wurde. Die letzte Verlängerungsvereinbarung wurde seitens der Beklagten von zwei Mitarbeitern jeweils mit dem Kürzel „i. A.“ unterschrieben allerdings mit dem Zusatz „für den Arbeitgeber“. Der Kläger hielt die letzte Befristung wegen Formmangels für rechtsunwirksam. Seine Entfristungsklage war in allen Instanzen erfolglos. Das BAG geht zunächst davon aus, dass die von § 14 Abs. 4 TzBfG für die Befristung von Arbeitsverträgen vorgeschriebene Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB erfordert, dass die Vertragsurkunde von den Parteien eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet wird. Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter i. S. v. § 164 Abs. 1 BGB, muss das Vertretungsverhältnis in der Vertragsurkunde deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Die gesetzliche Schriftform ist nur gewahrt, wenn der rechtsgeschäftliche Vertretungswille in der Urkunde zumindest andeutungsweise Ausdruck gefunden hat (Andeutungstheorie)41. Dieser Offenheitsgrundsatz soll den Geschäftsgegner unmissverständlich über die Person seines Vertragspartners ins Bild setzen. Dabei ist – wie das BAG hervorhebt – für die Frage, ob jemand eine Erklärung in fremdem Namen abgibt, auf deren objektiven Erklärungswert abzustellen, der aus der Sicht des Erklärungsempfängers nach §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu ermitteln ist42. Das BAG wiederholt die bereits in früheren Entscheidungen43 zum Ausdruck gebrachte Ansicht, dass im allgemeinen, nicht juristischen Sprachgebrauch nicht immer hinreichend zwischen Auftrag und Vertretung unterschieden wird und die Zusätze häufig nur verwendet werden, um unterschiedliche Hierarchieebenen zu kennzeichnen. Für die Frage der Fremdwirkung der Willenserklärung kann u. a. der Ort der Erklärung, die hierarchische Stellung des Erklärenden, aber auch ein etwaiges früheres Verhalten, das zweifelsfrei die Vertretereigenschaft im Sinne

41 BAG v. 4.5.2011 – 7 AZR 252/10, NZA 2011, 1178 Rz. 32. 42 BAG v. 9.9.2015 – 7 AZR 190/14, NZA 2016, 232 Rz. 29. 43 BAG v. 25.3.2009 – 7 AZR 59/08, ZTR 2009, 441 Rz. 31; BAG v. 13.12.2007 – 6 AZR 145/07, NZA 2008, 403 Rz. 15.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung des Arbeitsvertrags

von § 164 Abs. 1 BGB zum Ausdruck gebracht hat, von Bedeutung sein. Dazu können auch verkehrstypische Verhaltensweisen herangezogen werden. In Anbetracht dieser allgemeinen Grundsätze hat das BAG im Hinblick darauf, dass zwischen den Kürzeln „i. V.“ und „i. A.“ in der betrieblichen Praxis nicht sorgfältig unterschieden wird und der Kläger bei mangelnder Vertretungsmacht nur in einem faktischen Arbeitsverhältnis gestanden hätte, im Streitfall angenommen, dass die beiden Mitarbeiter der Beklagten, die mit dem Zusatz „für den Arbeitgeber“ – wenn auch mit dem Kürzel „i. A.“ – unterschrieben hatten, für den Kläger erkennbar als Vertreter der Beklagten nach § 164 Abs. 1 BGB aufgetreten sind44. Zur Vermeidung derartiger Auslegungsprobleme im Hinblick auf die Fremdwirkung von Willenserklärungen ist der betrieblichen Praxis anzuraten, auch bei der Unterschriftleistung hinreichend erkennbar den Unterschied zwischen „Auftrag“ und „Vertretung“ durch ein entsprechendes Kürzel zum Ausdruck zu bringen.

e)

Unwirksamkeit einer Befristung wegen der Möglichkeit einer Personalreserve?

Nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG liegt ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. In Ergänzung45 hierzu erlaubt § 21 Abs. 1 BEEG eine Befristung, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder einer anderen Arbeitnehmerin für die Dauer eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz, einer Elternzeit oder einer auf Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglicher Vereinbarung beruhenden Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes eingestellt wird. Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen nach ständiger Rechtsprechung des BAG46 darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsauf44 BAG v. 21.3.2017 – 7 AZR 207/15, NJW 2017, 3183. 45 BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, NZA 2017, 382 Rz. 14; BAG v. 29.4.2015 – 7 AZR 310/13, NZA 2015, 928 Rz. 16. 46 Nur BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, NZA 2017, 382 Rz. 14; BAG v. 24.8.2016 – 7 AZR 41/15, NZA 2017, 307 Rz. 17; BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 113/13, NZA 2015, 617 Rz. 15.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

gaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Im Hinblick auf § 5 Nr. 1 lit. a der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.6.1999 ist nach der Rechtsprechung des EuGH47 bezüglich der Verlängerung befristeter Arbeitsverträge oder -verhältnisse eine Missbrauchskontrolle vorzunehmen, bei der alle Umstände des Falles einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu berücksichtigen sind. Es soll vermieden werden, dass die Verlängerung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder -verhältnisse nicht der Deckung eines zeitweiligen Bedarfs dient, sondern in Wirklichkeit einen ständigen und dauerhaften Arbeitskräftebedarf des Arbeitgebers abdecken soll. Das BAG48 hat die dazu gebotene zusätzliche Prüfung nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorgenommen. Danach gilt Folgendes: „Besteht ein Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 TzBfG, ist eine umfassende Kontrolle nach den Grundsätzen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) in der Regel geboten, wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses acht Jahre überschreitet oder mehr als zwölf Verlängerungen des befristeten Arbeitsvertrags vereinbart wurden oder wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses sechs Jahre überschreitet und mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden. Unter diesen Voraussetzungen hängt es von weiteren, zunächst vom Kläger vorzutragenden Umständen ab, ob ein Missbrauch der Befristungsmöglichkeit anzunehmen ist. Von einem indizierten Rechtsmissbrauch ist i. d. R. auszugehen, wenn die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zehn Jahre überschreitet oder mehr als fünfzehn Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder wenn mehr als zwölf Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als acht Jahren vorliegen. In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Annah47 EuGH v. 21.9.2016 – C-614/15, NZA 2016, 1323 Rz. 36 – Popescu; EuGH v. 26.11.2014 – C-22/13, NZA 2015, 153 Rz. 72 – Mascolo u. a.; EuGH v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 Rz. 25 – Kücük; vgl. Nr. 6 der Erwägungsgründe der Rahmenvereinbarung Richtlinie 1999/70/EG: EuGH v. 14.9.2016 – C-16/15, NZA 2016, 1265 Rz. 48 m. w. N. – Pérez López (unbefristete Arbeitsverträge sind die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses). 48 BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, NZA 2017, 382 Rz. 23; BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351 Rz. 38; BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 783/10, NZA 2012, 1359 Rz. 33.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung des Arbeitsvertrags

me des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften49.“ Ob von einem derartigen indizierten Rechtsmissbrauch bei einer Befristung zur Vertretung auszugehen war, hatte der 7. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 17.5.201750 zu beurteilen. Der Fall betraf einen Diplomsportlehrer ohne Lehramtsbefähigung, der vom 22.9.2004 bis zum 11.4.2014 mit 19 berücksichtigungsfähigen aufeinanderfolgenden Arbeitsverträgen vom beklagten Land beschäftigt worden und zuletzt als Klassenlehrer und Sportlehrer einer achten Klasse mit einem wöchentlichen Stundenvolumen von 27,5 Stunden eingesetzt worden war. Dabei handelte es sich nahezu ausschließlich um Elternzeitvertretungen. Der Kläger wandte sich mit seiner Entfristungsklage gegen die im letzten Arbeitsvertrag vereinbarte Befristung zum 11.4.2014. Das beklagte Land verteidigte sich vor allem damit, dass im Falle einer Vertretungsbefristung keine Pflicht für den Arbeitgeber bestehe, eine Personalreserve für abwesende Stammkräfte vorhalten zu müssen. Abgesehen davon seien die wiederholten Befristungen auf die mangelnde Qualifikation des Klägers zurückzuführen. Die Entfristungsklage des Klägers war in allen Instanzen erfolgreich. Das BAG hat keine Bedenken, dass die im letzten Arbeitsvertrag vereinbarte Befristung zum 11.4.2014 durch den Sachgrund der Vertretung nach §§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG, 21 Abs. 1 BEEG gerechtfertigt war. Problematisch konnte jedoch sein, ob die Gesamtdauer der befristeten Verträge von etwa neuneinhalb Jahren sowie die Anzahl von 19 Verlängerungen dazu führten, dass sich das beklagte Land aus Gründen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs auf den Sachgrund der Vertretung nicht berufen konnte. Nach den vom 7. Senat des BAG in der Entscheidung vom 26.10.201651 entwickelten Grundsätzen zur veranlassten und indizierten Rechtsmissbrauchsprüfung war im Streitfall aufgrund der Zahl, die das Fünffache der in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG vorgesehenen Verlängerungsmöglichkeiten überschritt, und der Dauer der befristeten Arbeitsverträge von neuneinhalb Jahren, die das Vierfache der in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG der Befristungsdauer überstieg, ein institutioneller Rechtsmissbrauch indiziert, sodass das beklagte Land als Arbeitgeber Umstände vorzutragen hatte, die den indizierten Rechtsmissbrauch entkräften konnten. In diesem Zusammenhang hat das BAG nicht gelten lassen, dass das beklagte Land die Dauer und Anzahl der befristeten Verträge unter Hinweis darauf 49 BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, NZA 2017, 382 Rz. 28. 50 BAG v. 17.5.2017 – 7 AZR 420/15, NJW-Spezial 2017, 559. 51 BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, NZA 2017, 382.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

verteidigte, dass es im Falle einer Vertretungsbefristung nicht verpflichtet war, für eine Personalreserve in Form unbefristet beschäftigter Vertretungskräfte zu sorgen52. Wenn der Arbeitgeber – wie im vorliegenden Fall – die fortlaufende befristete Beschäftigung über Jahre hinweg im Ergebnis als Personalreserve für unterschiedliche Vertretungsfälle nutzt und damit einen dauerhaften Arbeitskräftebedarf abdeckt, kann er sich nach Auffassung des BAG nicht mehr auf den Sachgrund der Vertretung berufen. Dabei nimmt das BAG bewusst in Kauf, dass damit ein zeitweiliger Personalüberhang beim Arbeitgeber eintreten kann. Das beklagte Land konnte den indizierten Rechtsmissbrauch auch nicht mit der fehlenden Lehramtsbefähigung des Klägers unter Hinweis darauf entkräften, dass es Bedacht darauf genommen habe, nur qualifizierte Lehrkräfte mit einer Lehramtsbefähigung für zwei Fächer unbefristet einzustellen. Hier musste sich das beklagte Land vom BAG zu Recht entgegenhalten lassen, den Kläger ununterbrochen neuneinhalb Jahre beschäftigt zu haben, ohne sich an der fehlenden Lehramtsbefähigung zu stören. Damit verlor die fehlende formale Qualifikation mit zunehmender Dauer der Beschäftigung so sehr an Gewicht, dass sie einer dauerhaften Beschäftigung des Klägers nicht mehr im Wege stehen konnte. Derartige Befristungsexzesse werden in der betrieblichen Praxis selten anzutreffen sein. Ungeachtet dessen hat das BAG mit den für die Rechtsmissbrauchsprüfung aufgestellten Richtlinien der Praxis sowohl im Hinblick auf die zeitliche Dauer als auch hinsichtlich der Anzahl der Verlängerungen befristeter Verträge eine großzügige Handhabung zur Verfügung gestellt. Bis zur Dauer von sechs Jahren und damit einhergehenden neunmaligen Verlängerungen eines befristeten Vertrags ist die Prüfung eines institutionellen Rechtsmissbrauchs nicht veranlasst.

f)

Entstehung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses durch Abschluss einer Änderungsvereinbarung

Nach gefestigter Rechtsprechung des BAG53 ist bei mehreren hintereinander gereihten befristeten Arbeitsverträgen im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle grundsätzlich nur die Befristung des letzten Arbeitsver-

52 So bereits EuGH v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 Rz. 54 – Kücük; BAG v. 17.5.2017 – 7 AZR 420/15, NJW-Spezial 2017, 559 Rz. 31; BAG v. 24.8.2016 – 7 AZR 41/15, NZA 2017, 307 Rz. 33. 53 Seit BAG v. 8.5.1985 – 7 AZR 191/84, NZA 1986, 569 Rz. 26; BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 182/14, NZA 2016, 949 Rz. 14 m. w. N.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung des Arbeitsvertrags

trags auf ihre sachliche Rechtfertigung hin zu prüfen. Durch den Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage, die künftig für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgebend ist. Damit wird zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben. Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB steht diesem Verständnis nicht entgegen. Die konkludente Aufhebung eines vormaligen Arbeitsverhältnisses durch einen vorbehaltlos geschlossenen schriftlichen Anschlussvertrag genügt dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB54. Ob die vorangegangenen Verträge wirksam befristet waren, ist grundsätzlich unerheblich. Die Wirksamkeit der Befristung dieser Verträge ist lediglich zu prüfen, wenn und soweit die Parteien ausdrücklich oder konkludent55 einen entsprechenden Vorbehalt des Inhalts vereinbaren, dass der letzte Arbeitsvertrag nur gelten soll, wenn die Parteien nicht schon aufgrund des vorangegangenen Arbeitsvertrages in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen56. Da nach ständiger Spruchpraxis des BAG57 die Wirksamkeit einer Befristung stets nach den Umständen zu beurteilen ist, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestanden haben, können nachträglich eintretende Änderungen, die möglicherweise sogar den angenommenen Sachgrund der Befristung beseitigen, nicht zu einem unbefristeten Arbeitsvertrag führen. Die Wirksamkeit der Befristung hängt allein davon ab, ob der sachliche Grund bei Vertragsschluss bestand und nicht, ob er später fortbestand. Zweifelhaft kann allerdings sein, wie verfahren werden muss, wenn sich mehrere aufeinander folgende Arbeitsverträge hinsichtlich der Tätigkeit und der Vergütung unterscheiden, die Befristungsdauer und der sachliche Grund für die Befristung aber unverändert bleiben. Das BAG58 hat bei derartigem Befund ebenfalls nur den Arbeitsvertrag für die Befristungskontrolle herangezogen, der für das Arbeitsverhältnis zuletzt gegolten hat und dies damit begründet, dass die Parteien mit der vertraglichen Vereinbarung neuer Hauptpflichten i. S. v. § 611 BGB nur noch diese zur Grundlage für ihr 54 BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 182/14, NZA 2016, 949 Rz. 16. 55 Zu einer konkludenten Vereinbarung vgl. BAG v. 2.4.2017 – 7 AZR 436/15, NZA 2017, 1253 Rz. 13. 56 BAG v. 17.5.2017 – 7 AZR 301/15, NZA 2017, 1340 Rz. 28; BAG v. 2.4.2017 – 7 AZR 436/15, NZA 2017, 1253 Rz. 13; BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 182/14, NZA 2016, 949 Rz. 14 m. w. N. 57 BAG v. 17.5.2017 – 7 AZR 301/15, NZA 2017, 1340 Rz. 28; BAG v. 29.6.2011 – 7 AZR 6/10, NZA 2011, 1346 Rz. 40; BAG v. 4.6.2003 – 7 AZR 523/02, NZA-RR 2003, 621 Rz. 16. 58 So bereits BAG v. 21.3.1990 – 7 AZR 286/89, NZA 1990, 744 Rz. 23.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

künftiges Arbeitsverhältnis erheben und gerade nicht mehr auf den hiervon abweichenden Inhalt des vorhergehenden Arbeitsvertrages zurückgreifen wollen. In der Entscheidung vom 17.5.2017 musste sich der 7. Senat des BAG59 erneut mit der möglichen Entstehung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses durch einen Änderungsvertrag unter Beibehaltung der vertraglich vereinbarten Befristungsdauer beschäftigen. Die Parteien stritten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende befristete Arbeitsverhältnis nachträglich durch einen Änderungsvertrag in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt worden war und die Befristungsabrede dadurch gegenstandslos geworden ist. Der Kläger wurde durch Vertrag vom 12.7.2011 für die Zeit vom 1.8.2011 bis zum 31.1.2014 befristet zur Vertretung einer in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin eingestellt. Im August 2012 kam es im Zuge einer Umstrukturierung zum Abschluss eines Interessenausgleichs, weil die Beklagte Arbeitsplätze verlagerte und zum Teil veränderte. Davon war auch die Tätigkeit des Klägers betroffen, der von der Beklagten mit Schreiben vom 12.2.2013 auf einen anderen, allerdings vergütungsmäßig niedriger bewerteten Arbeitsplatz versetzt wurde, aber für die Dauer von 32 Monaten eine Vergütungssicherung in Höhe der bisherigen Vergütung erhielt. Mit einer am 13.2.2014 beim ArbG eingegangenen Klage hat der Kläger um die Feststellung gesucht, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung vom 12.7.2011 mit Ablauf des 31.1.2014 geendet hat. Zur Begründung berief sich der Kläger darauf, dass mit der Änderung seiner Tätigkeit und der Vergütung ab März 2013 der ursprüngliche Sachgrund für die Befristung entfallen sei. Die Entfristungsklage des Klägers blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Zunächst hat das BAG in der Versetzungsanordnung der Beklagten kein rechtsgeschäftliches Angebot auf Änderung des Arbeitsvertrags gesehen, weil der Kläger aus der Erklärung der Beklagten, ihn auf eine nach dem Vergütungstarifvertrag niedriger zu bewertende Tätigkeit zu versetzen, nicht habe entnehmen können, ein Vertragsänderungsangebot zu erhalten. Dies gelte unabhängig davon, dass die neue Tätigkeit dem Kläger nicht im Wege des Direktionsrechts habe zugewiesen werden dürfen. Angesichts dessen kam es für die Wirksamkeit der Sachgrundbefristung weiterhin auf den Ursprungsvertrag vom 12.7.2011 an, der durch den Sachgrund der Vertretung nach §§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG, 21 Abs. 1 BEEG gerechtfertigt war. Daran änderte nichts, dass der Kläger während der Laufzeit des befristeten Vertrags

59 BAG v. 17.5.2017 – 7 AZR 301/15, NZA 2017, 1340.

382

Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung des Arbeitsvertrags

eine andere, niedriger vergütete Tätigkeit auf entsprechende Anweisung der Beklagten wahrgenommen hatte. Das BAG thematisiert jedoch zusätzlich die Frage der Sachgrundbeurteilung, wenn während der Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrags unter Beibehaltung der vertraglich vereinbarten Befristungsdauer ein Änderungsvertrag abgeschlossen wird, der eine Änderung der Tätigkeit und ggf. eine Änderung der Vergütung enthält. In Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung60 hält das BAG61 daran fest, dass nur der Änderungsvertrag als letzter Arbeitsvertrag der Befristungskontrolle unterliegt. In prozessualer Hinsicht ist dabei außerdem zu beachten, dass die Befristung des Änderungsvertrags nur dann auf ihre Wirksamkeit überprüft werden kann, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Klageerhebungsfrist des § 17 S. 1 TzBfG die Unwirksamkeit der Befristung des Änderungsvertrags geltend macht. Wäre daher in dem vom BAG entschiedenen Streitfall eine Änderungsvereinbarung des ursprünglich befristeten Arbeitsvertrags vorgenommen worden, hätte der Kläger die Befristung auf der Grundlage des Änderungsvertrags zum Gegenstand der Entfristungsklage machen müssen. Kommt es zu mehreren nacheinander gereihten Befristungsabreden, beginnt die Klageerhebungsfrist nach § 17 S. 1 TzBfG für jede Befristungsabrede gesondert mit dem Ablauf der darin vereinbarten Befristung62. Von diesem Grundsatz der Befristungskontrolle des letzten Arbeitsvertrags wird nur dann eine Ausnahme gemacht und auf die sachliche Rechtfertigung des vorangegangenen Vertrags abgestellt, wenn es sich bei dem letzten Vertrag nur um einen unselbständigen Annex zum vorhergehenden Vertrag handelt. Davon ist auszugehen, wenn nur die Laufzeit des alten Vertrags geringfügig korrigiert wird, sich diese Korrektur am bisherigen Sachgrund orientiert und darauf zurückzuführen ist, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unvorhersehbare Umstände eingetreten sind63. Den Parteien darf es nur darum gegangen sein, die Laufzeit des alten Vertrags mit dem Sachgrund der Befristung in Einklang zu bringen.

60 61 62 63

BAG v. 21.3.1990 – 7 AZR 286/89, NZA 1990, 744 Rz. 23. BAG v. 17.5.2017 – 7 AZR 301/15, NZA 2017, 1340 Rz. 28. Schaub/Koch, ArbR-HdB § 38 Rz. 69. BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 182/14, NZA 2016, 949 Rz. 21; BAG v. 6.10.2010 – 7 AZR 397/09, NZA 2011, 1155 Rz. 13; BAG v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08, NZA 2010, 34 Rz. 9.

383

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

g)

Keine zeitliche Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbots

Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist eine Befristung ohne Sachgrund ausgeschlossen, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis64 bestanden hat. Dabei hat der Gesetzgeber das sog. Anschlussverbot nicht mit einer zeitlichen Begrenzung ausgestattet. In der Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge65 heißt es dazu wie folgt: Nach Satz 2 ist es unzulässig, einen unter den erleichterten Voraussetzungen des Satzes 1 abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder ein befristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Arbeitgeber hat ein Fragerecht, ob der Arbeitnehmer bereits früher bei ihm beschäftigt war; der Arbeitnehmer muss wahrheitsgemäß antworten (§§ 123, 242 BGB). Im Unterschied zum bisherigen Recht ist der Anschluss einer erleichterten Befristung an eine Befristung mit sachlichem Grund bei demselben Arbeitgeber ausgeschlossen. Ebenso ist eine erneute erleichterte Befristung auch nach mindestens viermonatiger Unterbrechung unzulässig. Befristungsketten, die durch einen mehrfachen Wechsel zwischen Befristungen mit und ohne Sachgrund entstehen, werden damit verhindert.

Im allgemeinen Teil der Regierungsbegründung zum TzBfG erläutert der Gesetzgeber zur Einschränkung von Kettenverträgen Folgendes66: Durch diese Einschränkung wird im Unterschied zum bisherigen Recht die theoretisch unbegrenzte Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge (Kettenverträge) ausgeschlossen. Solche Befristungsketten sind bisher möglich, weil ein Arbeitsvertrag ohne Sachgrund auch nach einer Befristung mit Sachgrund zulässig ist und nach einer mindestens viermonatigen Unterbrechung wiederholt abgeschlossen werden kann. Ebenso kann sich ein Vertrag mit Sachgrund unmittelbar an einen Vertrag ohne Sachgrund anschließen. Bei der nach neuem Recht nur einmaligen Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund wird der Arbeitgeber veranlasst, den Arbeitnehmer entweder unbefristet weiter zu beschäftigen oder bei weiter bestehendem nur vorübergehendem Arbeitskräftebedarf einen anderen Arbeitnehmer befristet einzustellen. Die

64 BAG v. 24.8.2016 – 7 AZR 625/15, NZA 2017, 244 Rz. 12; BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 712/13, NZA 2016, 758 Rz. 11. 65 BT-Drucks. 14/4374 S. 19. 66 BT-Drucks. 14/4374 S. 14.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung des Arbeitsvertrags

Sachgrundbefristung im Anschluss an eine erleichterte Befristung bleibt zulässig.

Im Lichte dieser Genese des Gesetzes wird im Schrifttum67 überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ein zeitlich unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot geregelt hat68. In einer Grundsatzentscheidung vom 6.4.2011 hat der 7. Senat des BAG69 im Fall einer auf Entfristung klagenden Lehrerin, die als studentische Hilfskraft aufgrund zweier befristeter Arbeitsverträge von Ende 1999 bis Anfang 2000 mit einer Arbeitszeit von zehn Stunden im Monat beschäftigt worden war und am 29.5.2006 mit der Beklagten einen befristeten Vertrag vom 1.8.2006 bis zum 31.7.2008 geschlossen hatte, entschieden, dass der Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ohne Sachgrund bis zu zwei Jahre zu befristen, ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber nicht nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG entgegensteht, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliegt. Dabei hat sich das BAG vor allem von der Erwägung leiten lassen, dass abweichend von der Gesetzesgeschichte der Normzweck der Regelung in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG darin liege, zu verhindern, dass die in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG vorgesehene Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu „Befristungsketten“ missbraucht werde. Eine die Wertordnung des Grundgesetzes berücksichtigende verfassungsorientierte Auslegung gebiete ein zeitlich eingeschränktes Verständnis des Verbots der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG. Ein uneingeschränktes Anschlussverbot berge strukturell die Gefahr, als arbeitsrechtliches Einstellungshindernis die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig zu begrenzen. Die im Wege der Rechtsfortbildung vorzunehmende Konkretisierung der zeitlichen Beschränkung des Verbots der Vorbeschäftigung orientiere sich an der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren zwischen dem Ende des vorangegangenen und dem Beginn des sachgrundlos befristeten neuen Arbeitsverhältnisses. 67 APS/Backhaus, TzBfG § 14 Rz. 381; Arnold/Gräfl, TzBfG § 14 Rz. 256; Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, Rz. 431; HWK/Schmalenberg, TzBfG § 14 Rz. 109; Kliemt, NZA 2001, 296; Meinel/Heyn/Herms, TzBfG § 14 Rz. 154; Sievers, TzBfG § 14 Rz. 390. 68 A. A. Bauer, BB 2001, 2473; Löwisch, BB 2001, 254; Osnabrügge, NZA 2003, 639; Straub, NZA 2001, 919, die teilweise dafür plädieren, das Vorbeschäftigungsverbot auf die Dauer der Verjährungsfrist (drei Jahre) zu beschränken. 69 BAG v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905 Rz. 13. Bestätigend BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255 Rz. 23; ablehnend LAG SchleswigHolstein v. 27.7.2017 – 4 Sa 221/16 n. v. Rz. 23; LAG Baden-Württemberg v. 16.11.2016 – 17 a Sa 14/16 n. v. Rz. 28.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Diese Entscheidung des BAG hat massive Kritik ausgelöst, weil sich das BAG in unzulässiger Weise über den eindeutigen Wortlaut der Norm und den Willen des Gesetzgebers hinwegsetze70 und die beschäftigungspolitische Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers missachte. Dem BVerfG liegt eine Verfassungsbeschwerde mit demselben Streitgegenstand vor71. Da der Gesetzgeber die Richtlinie des Rates 1999/70/EG über befristete Arbeitsverträge mit der entsprechenden Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner in nationales Recht mit dem TzBfG umsetzen wollte, wobei es zweifelsfrei um die Vermeidung sog. Befristungsketten geht, um die rechtsmissbräuchliche Ersetzung der prototypischen Gestaltungsform des unbefristeten Arbeitsvertrages zu vermeiden, erweist sich der Denkansatz des 7. Senats des BAG unter unionsrechtlichen Aspekten als überzeugend. Überdies läge eine zumindest mittelbare Altersbenachteiligung i. S. d. Richtlinie 2000/78/EG vor, wenn eine in jüngeren Jahren irgendwann einmal vorgenommene Vorbeschäftigung ein praktisches Hindernis für eine erneute sachgrundlose Beschäftigung wäre. Nunmehr hat auch das LAG Niedersachsen72 in einem Fall, bei dem der Kläger bei der Beklagten eine Vorbeschäftigung vom 29.5.1997 bis zum 28.5.1999 als Produktionshelfer hatte und ab dem 2.5.2014 mit drei befristeten Verträgen bis zum 30.4.2016 sachgrundlos beschäftigt wurde, unter Ablehnung der Rechtsprechung des 7. Senats des BAG der Entfristungsklage entsprochen, weil es sich gehindert sah, die aus seiner Sicht unzulässige Rechtsfortbildung des BAG auf den Streitfall anzuwenden. Die Entscheidung des LAG Niedersachsen ist schon deshalb fehlerhaft, weil übersehen wird, dass mit der Klage aus § 17 TzBfG nicht die Wirksamkeit der Befristung aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag, sondern in der Fassung des letzten Verlängerungsvertrags hätte angegriffen werden müssen. Da dies nicht geschehen war, musste wegen der Fiktionswirkung des § 17 S. 2 TzBfG (§ 7 KSchG analog) die Klage als unbegründet abgewiesen werden, ohne dass es auf die Streitfrage der Vorbeschäftigung ankam.

70 Vgl. etwa ErfK/Müller-Glöge, TzBfG § 14 Rz. 98; Heuschmid, AuR 2014, 221; KR/Lipke, TzBfG § 14 Rz. 418 a ff. m. w. N.; Preis, FS Wank, 413, 418; Schaub/Koch, § 39 Rz. 13 m. w. N.; zustimmend aber Linsenmaier, FS Bepler, S. 373; ders., RdA 2012, 193, 204; Wank, RdA 2012, 361. 71 1 BvR 1375/14; vgl. auch den Vorlagebeschluss des ArbG Braunschweig v. 3.4.2014 – 5 Ca 463/13 unter dem Aktenzeichen 1 BvL 7/14. 72 LAG Niedersachsen v. 23.5.2017 – 9 Sa 1304/16, NZA-RR 2017, 520 anhängig beim BAG unter dem Aktenzeichen 7 AZR 323/17.

386

Versetzung: Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung?

Angesichts der Widerstände, die zum Teil bei den Landesarbeitsgerichten zu einer Abweichung von der Rechtsprechung des BAG zur Frage der unschädlichen Vorbeschäftigung i. S. v. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG geführt haben, und im Hinblick auf die zu erwartende Entscheidung des BVerfG ist jedenfalls zur Zeit zur Vermeidung kosten- und zeitaufwendiger Gerichtsverfahren der betrieblichen Praxis davon abzuraten, im Falle einer auch viele Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigung – etwa während der Studienzeit – von sachgrundlos befristeten Einstellungen abzusehen und zuvor von einem entsprechenden Fragerecht Gebrauch zu machen. (Boe)

2.

Versetzung: Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung?

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist für alle Arbeitsverhältnisse (§ 6 Abs. 2 GewO) in § 106 GewO geregelt73. Der Arbeitgeber kann danach Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Nach Satz 3 dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber bei der Ausübung des Ermessens auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Die zentrale Bedeutung des Weisungsrechts erschließt sich daraus, dass daraus auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses oder den Status als Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne geschlossen werden kann74, wie nunmehr auch aus der seit dem 1.4.201775 geltenden Regelung des § 611 a Abs. 1 S. 1 BGB hervorgeht. Danach wird der Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet, wobei nach Satz 2 dieser Vorschrift das Weisungsrecht Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen kann. Des Weiteren stellt das Weisungsrecht des Arbeitgebers zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses eine notwendige Mitwirkungshandlung dar, weil die regelmäßig nur rahmenmäßig umschriebene Arbeitsleistungspflicht

73 Eingeführt durch Art. 1 Nr. 19 des Dritten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften v. 24.8.2002 (BGBl. I 2002, 3412 ff.) mit Wirkung v. 1.1.2003. 74 Z. B BAG v. 17.1.2017 – 9 AZR 76/16, NZA 2017, 572 Rz. 14; BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 567/03, NZA 2005, 359 Rz. 17. 75 Eingeführt durch Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze v. 21.2.2017 (BGBl. I 2017, 258 ff.) mit Wirkung v. 1.4.2017 (Art. 7).

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

des Arbeitnehmers erst durch entsprechende Direktiven des Arbeitgebers konkretisiert wird76. Vor Inkrafttreten des § 106 GewO war in der Rechtsprechung des BAG77 anerkannt, dass der Arbeitgeber das ihm zustehende Weisungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB nur nach billigem Ermessen ausüben durfte. Weisungen, die der Billigkeitskontrolle widersprachen, hielt die Rechtsprechung für rechtsunwirksam, sodass der Arbeitnehmer nicht gehalten war, einer derartigen Weisung folgen zu müssen. Eine entsprechende Verweigerungshaltung des Arbeitnehmers wurde auch keinen Sanktionen wie Abmahnungen oder Kündigungen ausgesetzt78. Diese Rechtsprechung erfuhr eine deutliche Änderung durch die Entscheidung des 5. Senats des BAG vom 22.2.201279, wonach sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts – sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam sei – nicht hinwegsetzen dürfe, sondern entsprechend § 315 Abs. 3 S. 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen müsse. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit sei der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Weisungsrechts erfolgte Konkretisierung u. a. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe. Diese Entscheidung des BAG hat Zustimmung80, aber auch deutliche Ablehnung81 erfahren. Der 5. Senat des BAG hat nach einem Anfragebeschluss des 10. Senats vom 14.6.201782 mit Beschluss vom 14.9.201783 seine Rechtsauffassung aus dem Urteil vom 22.2.2012 zur vorläufigen Verbindlichkeit einer unbilligen Wei-

76 BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16 n. v. Rz. 60; BAG v. 19.1.2016 – 2 AZR 449/15, NZA 2016, 1144 Rz. 38; BAG v. 9.4.2014 – 10 AZR 637/13, NZA 2014, 719 Rz. 15. 77 BAG v. 11.10.1995 – 5 AZR 1009/94, NZA-RR 1996, 313 Rz. 23; BAG v. 25.10.1989 – 2 AZR 633/88, NZA 1990, 561 Rz. 32; vgl. näher zur Entwicklung der Rechtsprechung BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16 n. v. 78 BAG v. 23.6.2009 – 2 AZR 606/08, NZA 2009, 1011 (Abmahnung); BAG v. 25.10.1989 – 2 AZR 633/88, NZA 1990, 561 (Kündigung); näher dazu BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16 n. v. 79 BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858 Rz. 24. 80 Etwa LAG Köln v. 13.1.2014 – 2 Sa 614/13 n. v. Rz. 12; Hromadka, NZA 2017, 601 m. w. N. 81 Nur LAG Düsseldorf v. 6.4.2016 – 12 Sa 1153/15 n. v. Rz. 58; HWK/Lembke, GewO § 106 Rz. 116 f.; Kühn, NZA 2015, 10 ff.; Preis, NZA 2015, 1, 5 ff.; vgl. auch die ausführlichen Nachweise bei BAG v.18.10.2017 – 10 AZR 330/16 n. v. 82 BAG v. 14.6.2017 – 10 AZR 330/16 (A), NZA 2017, 118. 83 BAG v. 14.9.2017 – 5 AS 7/17 n. v. Rz. 1 f.

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Versetzung: Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung?

sung aufgegeben. Mit Urteil vom 18.10.2017 hat nunmehr der 10. Senat des BAG84 dahin entschieden, dass nach §§ 106 S. 1 GewO, 315 BGB keine – auch keine vorläufige – Bindung des Arbeitnehmers an unbillige Weisungen des Arbeitgebers besteht, sofern der Arbeitnehmer diese nicht trotz ihrer Unbilligkeit akzeptiert. Dabei lässt sich das BAG von folgenden Erwägungen leiten: Wenn auch § 106 S. 1 GewO keine ausdrückliche Regelung über die Rechtsfolgen von Weisungen trifft, die billigem Ermessen widersprechen, kann an eine solchermaßen gesetzwidrige Weisung regelmäßig ohne ausdrückliche Anordnung keine Bindung geknüpft werden. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§§ 106 S. 1 GewO, 315 BGB) verlange eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertentscheidungen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und der Zumutbarkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Dem Inhaber verbliebe dabei für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein auszufüllender Spielraum, wobei es nicht auf die angestellten Erwägungen, sondern darauf ankäme, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genüge. Eine vorläufige Verpflichtung, einer unbilligen Weisung nachzukommen, ergäbe sich weder daraus, dass ein vorläufig vollziehbarer Verwaltungsakt vorläge, oder die Grundsätze herangezogen werden müssten, die im Falle einer Änderungskündigung gelten würden, weil abgesehen von § 124 Abs. 1 S. 1 SeeArbG keine öffentlich-rechtliche Folgeleistungspflicht des Arbeitnehmers bestünde und der Arbeitnehmer bei Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt einen auflösend bedingten Vertrag schließe, der für ihn bis zur Entscheidung über die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung verbindlich sei. Auch die Entstehungsgeschichte des § 106 GewO führe zu keinem anderen Ergebnis, weil bereits die Vorgängerregelung des § 121 GewO85, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet war, den Anordnungen des Arbeitgebers Folge zu leisten, nicht als vorläufig bindende Weisung verstanden worden sei86. Ebenso wenig ließe sich eine vorläufige Bindung an das Weisungsrecht des Arbeitgebers aus § 275 Abs. 3 BGB ableiten, wonach im Fall der Unzumutbarkeit der Leistung ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bestünde, weil § 106 GewO seinerseits den gegenüber dieser Vorschrift abweichenden Maßstab vorgebe. Andernfalls hätte es na84 BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16 n. v. Rz. 63. 85 § 121 GewO i. d. F. v. 22.2.1999. 86 Vgl. dazu BT-Drucks. 14/8796 S. 24.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

hegelegen, im später in Kraft getretenen § 106 GewO auf § 275 Abs. 3 BGB zu verweisen und als Maßstab nicht die Unbilligkeit, sondern die Unzumutbarkeit zu normieren. Auch aus allgemeinen Grundsätzen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB ließe sich keine vorläufige Bindung des Arbeitnehmers an die Weisung des Arbeitgebers herleiten. Zwar finde § 315 BGB bei der Überprüfung einer Weisung gemäß § 106 GewO grundsätzlich entsprechend Anwendung, nicht aber § 315 Abs. 3 S. 2 BGB und die dort vorgesehene gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung. Zunächst verdränge § 106 S. 1 GewO die Zweifelsregelung des § 315 Abs. 1 BGB, sodass eine Anordnung nach § 106 S. 1 GewO stets nach billigem Ermessen zu erfolgen habe. Eine vom Arbeitgeber hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung vorgenommene Weisung habe für ihn Bestand, bis sie von ihm durch eine andere wirksame Weisung ersetzt werde. Eine gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB scheide im Anwendungsbereich des § 106 S. 1 GewO aus, weil das Gericht einen unzulässigen Eingriff in die Organisationshoheit des Arbeitgebers vornehme, wenn es Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung festlege. Der Arbeitnehmer müsse sich auch nicht gegen eine unbillige Weisung des Arbeitgebers zur Wehr setzen. Er könne auch eine derartige Weisung akzeptieren. Dabei ist nach Ansicht des BAG zu beachten, dass der Arbeitnehmer das Risiko der Leistungsverweigerung trägt, wenn ein Gericht im Rahmen der Prüfung des § 315 Abs. 3 S. 1 BGB seiner Einschätzung nicht teilt. Erweist sich die Weisung jedoch als unbillig, hat der Arbeitgeber – soweit die sonstigen Voraussetzungen vorliegen – nach § 615 S. 1 BGB i. V. m. § 611 BGB bzw. im Wege des Schadensersatzes die Vergütung zu leisten, ohne einen Nachleistungsanspruch zu haben. Angesichts dieser Änderung der Rechtsprechung zur vorläufigen Bindung des Arbeitnehmers auch an eine unbillige Weisung des Arbeitgebers wird die Durchsetzbarkeit des Direktionsrechts deutlich relativiert. Denn in Fällen einer vom Arbeitnehmer angenommenen unbilligen Weisung möglicherweise erst im Zuge von Sanktionen, die der Arbeitgeber an die Leistungsverweigerung knüpft, nach jahrelangem Streit vor den Arbeitsgerichten feststeht, ob die Einschätzung des Arbeitnehmers zutreffend war oder nicht. Die Risiken werden durch die neue Richtung der Rechtsprechung des BAG allerdings gleichmäßiger auf beide Arbeitsvertragsparteien verteilt, weil der Arbeitgeber mangels vorläufiger Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung eine solche nicht risikolos erteilen kann, andererseits der Arbeitnehmer bei unzutreffender Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht nur mit einem Verlust seiner Vergütung, sondern wegen möglicherweise beharrlicher Ar390

Wirksamkeit einer Versetzung auch ohne betriebliches Eingliederungsmanagement

beitsverweigerung auch mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes rechnen muss. Die Vorstellung des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 106 GewO war bei der Ausübung des Weisungsrechts weniger auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis, sondern vielmehr auf ein eher partnerschaftliches Miteinander von Arbeitgebern und Beschäftigten gerichtet, wie aus der Regierungsbegründung87 hervorgeht. (Boe)

3.

Wirksamkeit einer Versetzung auch ohne betriebliches Eingliederungsmanagement

In seinem Urteil vom 18.10.201788 hat das BAG klargestellt, dass die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung ist. Damit knüpft das BAG an seine entsprechenden Feststellungen in Bezug auf die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung im Zusammenhang mit krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit an. Ausdrücklich soll dieser Grundsatz auch in solchen Fällen zur Anwendung kommen, in denen die Anordnung des Arbeitgebers (auch) auf Gründe gestützt werde, die im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers stünden. In dem zugrundeliegenden Fall war der Kläger bei der Beklagten als Maschinenbediener tätig. Nachdem er anfangs in Wechselschicht (Frühschicht/Spätschicht) eingesetzt wurde, leistete er seine Arbeit seit 2005 fast ausschließlich in der Nachschicht. In den Jahren 2013 und 2014 war der Kläger jeweils an 35 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt. Darüber hinaus bestand als Folge seiner Teilnahme an einer suchtbedingten Therapiemaßnahme Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 2.12.2014 bis zum 26.2.2015. Danach wurde er wieder in der Nachschicht beschäftigt. Nachdem im März 2015 ein Krankenrückkehrgespräch stattgefunden hatte, ordnete die Beklagte an, dass der Kläger zukünftig wieder in Wechselschicht arbeiten solle. Der Kläger hielt diese Anordnung der Beklagten nicht nur für ermessensfehlerhaft. Nach seiner Auffassung war die damit verbundene Versetzung von der Nacht- in die Wechselschicht auch unwirksam, weil die Beklagte das Krankenrückkehrgespräch nicht als Maßnahme des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX ausgestaltet hatte. Da die Beklagte die Zuweisung auch mit der Begründung gerechtfertigt hatte, dass sie erwarte, dass sich die gesundheitliche Situation des Klägers bei einem

87 BT-Drucks. 14/8796 S. 24. 88 BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 47/17 n. v.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Einsatz in der Wechselschicht verbessere, hätte sie – so der Kläger – zuvor entsprechende Maßnahmen der betrieblichen Eingliederung vornehmen müssen. Das BAG hat diese Auffassung zurückgewiesen. Das betriebliche Eingliederungsmanagement sei keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung. Maßgeblich sei vielmehr, ob die Weisung des Arbeitgebers insgesamt billigem Ermessen i. S. d. §§ 106 S. 1 GewO, 315 Abs. 1 BGB entspreche. Dabei seien alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Da das LAG Baden-Württemberg zu diesen Umständen keine hinreichenden Feststellungen getroffen hatte, ist die Entscheidung aufgehoben und an das LAG zurückverwiesen worden. (Ga)

4.

Gleichzeitige Beschäftigung als Arbeitnehmer und Solo-Selbständiger

In den vergangenen Jahren haben wir uns mehrfach mit der Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses von den verschiedenen Formen einer selbständigen Beschäftigung, insbesondere dem Einsatz auf der Grundlage eines Werk- oder Dienstvertrags befasst89. Zuletzt war Anlass für eine erneute Befassung mit diesem Thema die Einfügung von § 611 a BGB, der am 1.4.2017 in Kraft getreten ist. Dieser lautet wie folgt: § 611 a Arbeitsvertrag (1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. (2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

89

392

Vgl. B. Gaul/Jung, AktuellAR 2000, 71 ff.; B. Gaul, AktuellAR 2001, 110 ff.; 2015 404 ff.; 2016, 55 ff.

Gleichzeitige Beschäftigung als Arbeitnehmer und Solo-Selbständiger

Im Urteil vom 27.6.201790 hat sich der 9. Senat des BAG nicht nur mit der Frage befasst, ob es möglich ist, gleichzeitig als Arbeitnehmer und SoloSelbständiger für das gleiche Unternehmen tätig zu werden. Vielmehr hat es sich im Zusammenhang mit dieser Frage intensiv mit den einzelnen Kriterien einer Abgrenzung der selbständigen Tätigkeit von einem Arbeitsverhältnis und der Bedeutung von § 611 a BGB beschäftigt. In dem zugrundeliegenden Fall war die Klägerin seit 1985 im Rahmen eines Dienstvertrags an einer Musikschule als Lehrerin tätig. 1986 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, der eine Beschäftigung der Klägerin als Musikschullehrerin mit 50 % der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten vorsah. Daneben erteilte die Klägerin weiterhin Musikunterricht aufgrund des Dienstvertrags in zeitlich unterschiedlichem Umfang. Für die Musikschüler ergab sich daraus kein Unterschied. Unabhängig davon, ob die Klägerin Unterricht auf der Grundlage des Arbeitsvertrags oder des Dienstvertrags erteilte, schlossen sie mit der Beklagten gleichlautende Unterrichtsverträge. Im Jahre 2013 ersetzten die Parteien den vorangehenden Dienstvertrag und schlossen einen Honorarvertrag ab, der u. a. folgende Regelungen enthielt: „§ 1 Dauer und Art der Leistung (1) Vertragspartner/in 2 wird als Musikschullehrerin/Musikschullehrer als freie Mitarbeiterin/freier Mitarbeiter gem. Anlage 1 tätig. Art und Umfang der zu erbringenden Leistung richtet sich nach den zwischen der Musikschule und der Musikschulehrerin/dem Musikschullehrer vereinbarten Einzelaufträgen im Rahmen von Musikschulunterricht, Veranstaltungen und Prüfungen sowie für die sonstigen in diesem Zusammenhang anfallenden Tätigkeiten. Ein Anspruch auf Vereinbarung eines Einzelauftrags besteht nicht. § 2 Einzelaufträge (1) Einzelaufträge werden schriftlich vereinbart. Sie enthalten neben der Unterrichtsform auch Angaben über Zeit, Ort und Inhalt der Leistungserbringung. (2) Ergänzende Leistungen, die mit dem Unterricht in Zusammenhang stehen (z.B. Prüfungen, Konzerte, fachübergreifende Musikveranstaltungen, Fachkonferenzen, Schülervorspiele) werden gesondert beauftragt und vergütet. … § 3 Erteilung des Unterrichts

90

BAG v. 27.6.2017 – 9 AZR 851/16, BB 2017, 490.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

(1) Die Musikschullehrerin/Der Musikschullehrer nimmt die vereinbarten Einzelaufträge persönlich wahr. (2) Die Musikschullehrerin/Der Musikschullehrer ist bei der Gestaltung und Durchführung ihres/seines Unterrichtes frei und an Weisungen der Musikschule nicht gebunden. Die Vertragspartner stellen über die dem Unterricht zugrunde zu legenden Lehrpläne (Lehrpläne des Verbandes deutscher Musikschulen oder andere Lehrpläne) Einvernehmen her. Unterrichtsmaterialien sind durch die Lehrkraft oder durch die Musikschülerinnen und Musikschüler zu beschaffen. … (3) Während der Schulferien gemäß der Ferienordnung für das Land Berlin in der jeweils geltenden Fassung sowie an gesetzlichen Feiertagen wird kein Unterricht erteilt. Ausgenommen davon sind einvernehmlich vereinbarte Nachholtermine oder gesondert erteilte Einzelaufträge. § 4 Zeit und Ort des Unterrichts (1) Im Einzelunterricht kann die Musikschullehrerin/der Musikschullehrer den Unterrichtstermin und den Unterrichtsort mit den Musikschülerinnen und Musikschülern frei vereinbaren. Bei sonstigen Unterrichtsformen oder Tätigkeiten stellen die Vertragspartner mit der Vereinbarung über den Einzelauftrag Einvernehmen über Zeit und Ort der Leistungserbringung her. (2) Die Musikschule stellt – im Rahmen ihrer Möglichkeiten - unentgeltlich Räume und Instrumente für die Durchführung des Unterrichtes zur Verfügung. Die Musikschullehrerin/der Musikschullehrer verpflichtet sich, die Raumplanung und das Hausrecht (inkl. Sicherheitsund Brandschutzbestimmungen) zu beachten sowie alle Einrichtungsgegenstände und die Musikinstrumente sachgemäß und pfleglich zu behandeln und die Musikschülerinnen und Musikschüler ebenso hierzu anzuhalten. § 5 Höhe und Zahlung des Honorars (1) Die Höhe des Honorars richtet sich nach den von der für die Berliner Musikschulen zuständigen Senatsverwaltung aufgrund der Honorarregelung…herausgegebenen Honorarsätzen. (2) Das Honorar ist 10 Tage nach Eingang der Leistungsabrechnung für den vereinbarten Abrechnungszeitraum fällig, frühestens aber zum 15. Des Folgemonats. Die Leistungsabrechnung muss der Musikschule mit dem diesem Vertrag als Anlage beigefügten Formblatt bis zum 5.

394

Gleichzeitige Beschäftigung als Arbeitnehmer und Solo-Selbständiger

Werktag des dem Abrechnungszeitraum folgenden Monats vorgelegt werden. (3) Mit dem vereinbarten Honorar sind die Durchführung des Einzelauftrags sowie die hierfür notwendigen Vor- und Nacharbeiten (z. B. Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Vorbereitung und Aufräumen des Unterrichtsraumes, Beschaffung von Unterrichtsmaterialien) abgegolten. (4) Vergütet werden ausschließlich erbrachte Leistungen. Die §§ 6 und 7 bleiben hiervon unberührt. § 6 Unterrichtsausfall und Nachholen von Unterricht (1) Ausgefallener Unterricht soll binnen zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachgeholt werden. (2) Ist der Unterrichtsausfall entstanden, weil die Musikschülerin oder der Musikschüler gehindert war, am vereinbarten Unterrichtstermin teilzunehmen, und ist das Nachholen des Unterrichts nicht möglich, so erhält die Musikschullehrerin/der Musikschullehrer ein Ausfallhonorar in Höhe des vereinbarten Honorars. … (5) Ist der Unterrichtsausfall durch höhere Gewalt oder dadurch entstanden, dass die Musikschullehrerin/der Musikschullehrer verhindert ist, besteht kein Anspruch auf Ausfallhonorar § 7 Arbeitnehmerähnlichkeit Bei anerkannter Arbeitnehmerähnlichkeit findet das Bundesurlaubsgesetz in der jeweils geltenden Fassung sowie § 125 des Sozialgesetzbuches (SGB) Neuntes Buch (IX) sowie § 7 Abs. 3 und 4 der … Honorarregelung … Anwendung. Leistungen werden nur auf Antrag gewährt.“

Die Klägerin war der Auffassung, dass ein Nebeneinander von Arbeits- und Dienstvertrag aus Rechtsgründen ausgeschlossen sei. Da die persönliche Abhängigkeit des Arbeitsverhältnisses auch im Hinblick auf ihre Tätigkeit im Rahmen des Honorarvertrags gegeben sei, müsse auch die diesbezügliche Beschäftigung als eine Tätigkeit auf der Grundlage eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses qualifiziert werden. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat das BAG dieses Begehren zurückgewiesen und bestätigt, dass die Tätigkeit der Klägerin auf der Grundlage des Honorarvertrags als selbständige Beschäftigung zu qualifizieren sei. Ausgangspunkt war dabei die Annahme, dass es nicht von vorneherein ausgeschlossen sei, dass ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber ein freies 395

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Dienstverhältnis begründe, das neben dem Arbeitsverhältnis bestehe. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass das dem Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrags zustehende Weisungsrecht nicht für die Tätigkeit gelte, die der Vertragspartner aufgrund des Dienstverhältnisses schulde. Denn ein Arbeitsverhältnis unterscheide sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befinde91. In seinen weiteren Feststellungen geht das BAG – zum Teil wortidentisch mit § 611 a Abs. 1 BGB – davon aus, dass Arbeitnehmer sei, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet sei. Das Weisungsrecht könne Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer sei derjenige, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen könne. Dabei habe auch die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit Einfluss auf den Grad der persönlichen Abhängigkeit. Letztlich komme es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliege, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergebe sich dabei aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für das Arbeitsverhältnis könnten nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung gäben. Der objektive Geschäftsinhalt sei deshalb den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und ihrer praktischen Durchführung zu entnehmen. Widersprächen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, sei letztere maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse daraus ziehen ließen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen seien, was sie also wirklich gewollt hätten92. Diesen Grundsätzen ist ohne jede Einschränkung zuzustimmen. Wichtig für die betriebliche Praxis ist allerdings, dass das BAG in diesem Zusammenhang ausdrücklich klarstellt, dass die neu eingefügte Vorschrift des § 611 a BGB diese Rechtsgrundsätze widerspiegele, die AÜG-Reform also zu keiner materiell-rechtlichen Änderung geführt hat. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das BAG eingehend geprüft, ob die Tätigkeit auf der Grundlage des Honorarvertrags als Arbeitsverhältnis oder als selbständige Tätigkeit zu qualifizieren war. In einem ersten Schritt 91 92

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BAG v. 27.6.2017 – 9 AZR 851/16, BB 2017, 490 Rz. 17. BAG v. 27.6.2017 – 9 AZR 851/16, BB 2017, 490 Rz. 17; BAG v. 11.8.2015 – 9 AZR 98/14, NZA-RR 2016, 288 Rz. 16.

Gleichzeitige Beschäftigung als Arbeitnehmer und Solo-Selbständiger

hat es sich dabei mit den vertraglichen Vereinbarungen und in einem zweiten Schritt mit ihrer tatsächlichen Umsetzung befasst. Der dritte Schritt war eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei hat es auch auf seine bisherigen Grundsätze zur Kennzeichnung der im Unterrichtsbetrieb eingesetzten Lehrkräfte zurückgegriffen. Danach sind Lehrkräfte außerhalb von Universitäten und Hochschulen in aller Regel Arbeitnehmer, auch wenn es sich bei ihrem Unterricht um eine nebenberufliche Tätigkeit handele. Demgegenüber könnten Volkshochschuldozenten, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichteten, auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden und zwar selbst dann, wenn es sich bei ihrem Unterricht um aufeinander abgestimmte Kurse mit vorher festgelegtem Programm handele. Als Arbeitnehmer seien Musikschullehrer deshalb nur dann anzusehen, wenn die Vertragsparteien dies vereinbart hätten oder im Einzelfall festzustellende Umstände hinzuträten, die auf den für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderlichen Grad persönlicher Abhängigkeit schließen ließen. Das Vorliegen solcher tatbestandlichen Merkmale hat das BAG im vorliegenden Fall sowohl in Bezug auf die Vereinbarung als auch ihre praktische Umsetzung abgelehnt. Zunächst einmal hatten die Parteien die Klägerin im Honorarvertrag ausdrücklich als freie Mitarbeiterin bezeichnet. Dies brachte zum Ausdruck, dass eigentlich keine Beschäftigung als Arbeitnehmer gewollt war. In Übereinstimmung damit waren der Musikschule im Honorarvertrag keinerlei Weisungsrechte eingeräumt worden. Vielmehr war die Klägerin bei der Gestaltung und Durchführung ihres Unterrichts frei. Soweit Lehrpläne und Unterrichtstermine auch von Seiten der Hochschule aus festgelegt werden sollten, war zwischen den Parteien Einvernehmen zu erzielen. Auch hinsichtlich des Orts ihrer Tätigkeit war die Klägerin frei. Soweit die Musikschule ihr im Rahmen der Möglichkeiten Räumlichkeiten zur Verfügung stellte, erweitere dies die Handlungsoptionen der Klägerin, ohne der Musikschule ein Weisungsrecht hinsichtlich des Arbeitsorts einzuräumen. Die Freiheit der Tätigkeit der Klägerin war für das BAG auch darin erkennbar, dass der Vertrag keinerlei Bestimmungen enthielt, die die Klägerin verpflichteten, der Musikschule eine Verhinderung – etwa infolge Krankheit – anzuzeigen. Gleichzeitig war sie verpflichtet, etwaig ausgefallenen Unterricht nachzuholen. Materialien, die sie für ihren Unterricht benötigte, musste sie selbst beschaffen oder durch die zu unterrichtenden Musikschüler beschaffen lassen. Über den hier konkret zur Entscheidung stehenden Fall hinaus hat das BAG weitergehende Klarstellungen zur Bedeutung der Vergütungsabsprache im 397

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Rahmen des Honorarvertrages getroffen. Danach spiele die Art der Vergütung für die Abgrenzung eines Dienstvertrags von einem Arbeitsvertrag keine Rolle. Die persönliche Abhängigkeit des Verpflichteten bestimme sich danach, inwieweit die Ausführung der versprochenen Dienste weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolge. Entscheidend seien demnach allein die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Entgeltzahlung93. Die häufig zu hörende These, nach der eine zeitbezogene Vergütung als Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses anzusehen ist, muss deshalb endlich aufgegeben werden. Auch der Dienst- oder Werkvertrag kann eine zeitbezogene Vergütung vorsehen, wie auch der Arbeitsvertrag unter Berücksichtigung der Vorgaben des MiLoG eine erfolgsbezogene Vergütung enthalten kann. Darüber hinaus hat das BAG im Urteil vom 27.6.201794 klargestellt, dass eine vertragliche Verpflichtung, die vereinbarte Leistung persönlich wahrzunehmen, nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis spreche. Zwar sei es typisch für ein Arbeitsverhältnis, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung persönlich zu erbringen habe (§ 613 BGB). Allerdings sei auch dem Dienstvertragsrecht eine Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung nicht fremd. Dies gelte vor allem in Fällen der Erteilung von Unterricht, in denen es – wie hier – auf ein persönliches Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer ankomme. Der Entscheidung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Nach dem auch die Umsetzung des Vertrags ebenso wie die Gesamtbetrachtung keine abweichenden Erkenntnisse bot, die für eine Kennzeichnung als Arbeitsverhältnis sprachen, ist das BAG bei der Tätigkeit auf der Grundlage des Honorarvertrags von einer selbständigen Arbeit der Klägerin ausgegangen. Diese Beschäftigung als Solo-Selbständiger war neben dem Arbeitsverhältnis möglich. Das in der betrieblichen Praxis solche Fallkonstellationen selten sind und wegen der Schwierigkeiten ihrer Abgrenzung bei der tatsächlichen Umsetzung im Zweifel auch vermieden werden sollten, bleibt davon unberührt. (Ga)

5.

Grenzüberscheitender Fremdpersonaleinsatz

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Unternehmen führt zwangsläufig auch zu einem grenzüberschreitenden Einsatz von Arbeitnehmern. 93 94

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BAG v. 27.6.2017 – 9 AZR 851/16, BB 2017, 490 Rz. 29; BAG v. 21.7.2015 – 9 AZR 484/14, NZA-RR 2016, 344 Rz. 29. BAG v. 27.6.2017 – 9 AZR 851/16, BB 2017, 490 Rz. 30.

Grenzüberscheitender Fremdpersonaleinsatz

Die Entscheidung des BAG vom 21.3.201795, auf die wir im Zusammenhang mit aktuellen Entscheidungen zur Befristung von Arbeitsverhältnissen bereits hingewiesen hatten96, macht noch einmal deutlich, dass auch in solchen Fallgestaltungen die Vorgaben des deutschen Arbeitnehmerüberlassungsrechts zu berücksichtigen sein können. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Personaleinsatz mit einer Tätigkeit in Deutschland verbunden ist. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war die Klägerin, wohnhaft in Hamburg, bei einer niederländischen Stiftung angestellt. Deren Aufgabe war die Steuerung von sog. „Nederlands Business Support Offices“ (NBSO) in Deutschland. Diese NBSO sollten im Auftrag und mit Mitteln des niederländischen Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten niederländische Unternehmen bei ihrer Tätigkeit in Deutschland unterstützen. Soweit dabei aus Sicht des Ministeriums Koordinationsbedarf gegeben war, fanden diesbezügliche Gespräche mit Vertretern der niederländischen Botschaft statt. Die Klägerin machte nunmehr geltend, dass sie von der niederländischen Stiftung im Rahmen ihrer Tätigkeit für die NBSO an den niederländischen Staat überlassen worden sei. Da dieser Arbeitnehmerüberlassung keine Erlaubnis gemäß § 1 AÜG zugrunde gelegen habe, habe dies gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und dem niederländischen Staat zur Folge. Das BAG hat dieses gegen den niederländischen Staat gerichtete Begehren für unbegründet gehalten. Es hat den Gründen seiner Entscheidung vom 31.3.201797 allerdings deutlich gemacht, dass die entsprechenden Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsrechts trotz grenzüberschreitender Arbeitnehmerüberlassung vorliegend zur Anwendung kommen. Zur Begründung hat es neben Art. 34 EGBGB a. F. auf Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO verwiesen. Danach finden sog. „Eingriffsnormen“ als zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, auf einen Sachverhalt im Anwendungsbereich der Vorschriften ohne Rücksicht darauf Anwendung, dass eigentlich auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen oder der von den Parteien getroffenen Rechtswahl das Recht eines anderen Staates zur Anwendung kommt. Voraussetzung ist allerdings, dass die in Rede stehenden Vorschriften ausdrücklich oder nach ihrem Sinn und Zweck, ohne Rücksicht

95 BAG v. 21.3.2017 – 7 AZR 207/15 n. v. 96 Boewer, AktuellAR 2017, 363, 372 ff. 97 BAG v. 21.3.2017 – 7 AZR 207/15 n. v. Rz. 65 ff.

399

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

auf das nach dem deutschen Kollisionsrecht anwendbaren Recht, gelten sollen. Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf § 9 Abs. 1 AÜG erfüllt. Denn § 2 Nr. 4 AEntG bestimmt, dass die in Rechts oder Verwaltungsvorschriften enthaltenen Regelungen über die Bedingung für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen, auch auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern zwingend Anwendung finden. Hierzu gehören – so das BAG – auch die Regelungen des AÜG. Auch bei einer Anwendbarkeit des AÜG auf solche Fälle eines grenzüberschreitenden Fremdpersonaleinsatzes muss allerdings festgestellt werden, ob die in Rede stehende Tätigkeit überhaupt als Arbeitnehmerüberlassung zu kennzeichnen ist. Insoweit kann an § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG angeknüpft werden. Danach werden Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Folgerichtig ist notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat98. Von einer solchen Arbeitnehmerüberlassung ist auch bei grenzüberschreitendem Einsatz die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags zu unterscheiden. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er nimmt eine wirtschaftlich erfolgsnotwendige Handlung nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen vor und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt, den Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werks erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom AÜG nicht erfasst99.

98 BAG v. 21.3.2017 – 7 AZR 207/15 n. v. Rz. 70. 99 BAG v. 21.3.2017 – 7 AZR 207/15 n. v. Rz. 71; BAG v. 20.9.2016 – 9 AZR 735/15, NZA 2017, 49 Rz. 30.

400

Gemeinsamer Betrieb zur Vermeidung von Arbeitnehmerüberlassung

In dem hier zur Entscheidung stehenden Fall hat das BAG die auf diesen Unterscheidungsmerkmalen aufbauende Bewertung des LAG Hamburg bestätig. Nach den diesbezüglich getroffenen Feststellungen war nicht von einer Eingliederung in eine Organisationsstruktur auszugehen, bei der der niederländische Staat im eigenen Interesse Weisungen gegenüber der Klägerin erteilt hatte. Vielmehr hatte diese die wesentlichen und für die Umsetzung des Vertrags auch typischen Weisungen durch die Stiftung erhalten, die insoweit auch als Arbeitgeber zu qualifizieren war. Diese Stiftung hatte die Klägerin als Erfüllungsgehilfin im Rahmen eines Dienstvertrags eingesetzt, der zwischen der Stiftung und dem niederländischen Staat abgeschlossen worden war. (Ga)

6.

Gemeinsamer Betrieb zur Vermeidung von Arbeitnehmerüberlassung

Seit dem 1.4.2017 ist die Arbeitnehmerüberlassung mit zusätzlichen Schranken verbunden. Dabei geht es vor allem um die Regelungen zur Höchstbegrenzung in § 1 Abs. 1 b AÜG und die veränderten Vorgaben zum Equal-Pay in § 8 Abs. 1, 4 AÜG. Wir hatten darüber berichtet100. Wenn und soweit keine tarifvertraglichen Lösungen zur Beseitigung bzw. Abmilderung dieser Schranken geschaffen werden können, muss in der betrieblichen Praxis natürlich darüber nachgedacht werden, ob und gegebenenfalls in welcher Weise es möglich ist, Fremdpersonal auch auf anderen Wegen einzusetzen. In der Regel geht es dabei um die zunehmende Inanspruchnahme von Dienst- oder Werkverträgen oder den Abschluss eines eigenen Arbeitsverhältnisses zwischen dem (früheren) Leiharbeitnehmer und dem (früheren) Entleiher, dass mit dem Ruhen des weiterhin zwischen dem (früheren) Leiharbeitnehmer und dem (früheren) Verleiher fortbestehenden Arbeitsverhältnisses verbunden wird. Die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 13.6.2017101 macht noch einmal deutlich, dass auch der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen eine geeignete Form sein kann, den unternehmensübergreifenden Einsatz von Personal zu organisieren. Denn der Einsatz von Arbeitnehmern im Betrieb gemeinsamer Unternehmen ist nicht als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren, was zur Folge hat, dass weder Höchstüberlassungszeiten noch Equal-Pay-Vorgaben zur Anwendung kommen.

100 B. Gaul, AktuellAR 2016, 119 ff.; 2017, 66 ff. 101 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 13.6.2017 – 5 Sa 209/16 n. v.

401

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Von einer Arbeitnehmerüberlassung ist unter Berücksichtigung der in §§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG, 611 a Abs. 1 BGB getroffenen Feststellungen auszugehen, wenn Arbeitnehmer des Verleihers in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert werden und dort seinen Weisungen in Bezug auf Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit unterliegen. Hiervon ist im Zweifel jedenfalls dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer als Konsequenz der Vorgaben des Entleihers nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Wichtig allerdings ist, dass diese Weisungen durch den Entleiher in eigenem Namen mit dem Ziel eines Arbeitseinsatzes zur Förderung des Betriebszwecks des Entleihers bestimmt werden. Es sind also die betrieblichen Interessen des Entleihers, die durch die Arbeitsleistung des Leiharbeitnehmers verfolgt werden102. Im Gegensatz dazu erfolgt die Steuerung des Personaleinsatzes im gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen nicht isoliert durch eines der beteiligten Unternehmen. Vielmehr besteht ein einheitlicher Leitungsapparat, der im Namen der am gemeinsamen Betrieb jeweils beteiligten Unternehmen in allen wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten Entscheidungen über die Steuerung der Arbeitnehmer übernimmt und insoweit auch für die Umsetzung verantwortlich ist. Insofern werden die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat aus gesteuert. Dieser Einheitlichkeit der Ausübung der in personellen und sozialen Angelegenheiten maßgeblichen Arbeitgeberfunktionen stünde es entgegen, wenn sich die Beteiligung eines Arbeitgebers nur auf das Zur-Verfügung-Stellen seiner Arbeitnehmer an den anderen Arbeitgeber beschränken würde103. Voraussetzung ist deshalb, dass sich die beteiligten Unternehmen auf eine gemeinsame Betriebssteuerung verständigt haben. Diese Verständigung kann (konkludent) indes auch darin zum Ausdruck kommen, dass der Arbeitseinsatz in der vorstehend beschriebenen Weise bestimmt wird. In dem der Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 13.6.2017104 zugrundeliegenden Fall hat das Gericht auf der Grundlage dieser Kriterien zwar eine Arbeitnehmerüberlassung angenommen. Unter Be-

102 Vgl. BAG v. 20.9.2016 – 9 AZR 735/15, NZA 2017, 49 Rz. 29; LAG MecklenburgVorpommern v. 13.6.2017 – 5 Sa 209/16 n. v. Rz. 107. 103 BAG v. 17.2.2010 – 7 ABR 51/08, NZA 2010, 832 Rz. 34; LAG MecklenburgVorpommern v. 13.6.2017 – 5 Sa 209/16 n. v. Rz. 109. 104 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 13.6.2017 – 5 Sa 209/16 n. v. Rz. 4 ff.

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Gemeinsamer Betrieb zur Vermeidung von Arbeitnehmerüberlassung

rücksichtigung des Inhalts der der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit zugrundeliegenden Vereinbarungen hätte man allerdings durchaus auch ein hiervon abweichendes Ergebnis – und damit die Annahme von Arbeitnehmerüberlassung – vertreten können. Auf diese Entscheidung wird daher vor allem wegen der abstrakt-generellen Feststellungen, denen ohne Einschränkung zuzustimmen ist, hingewiesen. In dem zugrundeliegenden Fall ging es um die Zusammenarbeit zwischen einer Universitätsklinik und dem KfH im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Nierenzentrums. Grundlage waren neben einem Kooperationsvertrag insbesondere zwei Personalgestellungsverträge, die einerseits das ärztliche Personal und andererseits die nicht ärztlichen Mitarbeiter betrafen. Im Rahmen des Kooperationsvertrags hatte das Universitätsklinikum mit dem Verein unter anderem vereinbart, dass die Betreuung der Patienten des KfH von Ärzten des KfH (und gegebenenfalls von Pflegekräften des KfH) sowie Ärzten und Pflegekräften der Universitätsklinik gemeinsam wahrgenommen werde. Die Gestellung und Kostenerstattung des Personals der Universitätsklinik wurde daran anknüpfend in separaten Personalgestellungsverträgen vereinbart. In diesen Personalgestellungsverträgen, die weitgehend identisch ausgestaltet wurden, hatten die Parteien nicht nur festgelegt, dass die notwendige Anzahl der benötigten Ärzte und nicht ärztlichen Mitarbeiter unter Berücksichtigung des Bedarfs einvernehmlich festgelegt werde. Die Steuerung des Arbeitseinsatzes und die Ausgestaltung der Dienstpläne sollte nach Maßgabe der Personalgestellungsverträge durch den ärztlichen Leiter bzw. die leitende Pflegekraft erfolgen, die insoweit für Arbeitnehmer beider Rechtsträger zuständig war. Hinsichtlich der Personalkostenerstattung wurde ein Gestellungsentgelt zzgl. eines Zuschlags für die Personalverwaltung vereinbart. Nach dem die Zusammenarbeit auf der Grundlage dieser Verträge seit 2009 erfolgt war, trafen das Universitätsklinikum und die vom Einsatz im Nierenzentrum betroffenen Arbeitnehmer 2011 eine Zusatzvereinbarung, nach der sich die Arbeitnehmer bereiterklärten, vorübergehend auch im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung für Drittbetriebe tätig zu werden. In dieser Zeit sollten den hiervon betroffenen Arbeitnehmern die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen zur Anwendung gebracht werden. Anlass für den Abschluss dieser Vereinbarung war der Umstand, dass das AÜG mit Wirkung zum 1.12.2011 mit der Folge geändert wurde, dass die Erlaubnispflicht nur auf die gewerbliche Überlassung von Arbeitnehmern

403

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

begrenzt war. Sie sollte immer dann bestehen, wenn Arbeitnehmer im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit überlassen werden. In der jetzt beim LAG Mecklenburg-Vorpommern anhängigen Klage ging es nicht um die Frage, ob der Einsatz im Nierenzentrum zu der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin, die im Bereich der Pflege eingesetzt war, und dem KfH geführt hatte. Vielmehr begehrte sie Auskunft über das einem vergleichbaren Arbeitnehmer gewährte Entgelt, um auf dieser Grundlage ihren arbeitsvertraglichen Equal-Pay-Anspruch geltend zu machen. In der Begründung seiner klageabweisenden Entscheidung hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern nicht nur darauf verwiesen, dass die im Nierenzentrum verwendeten Betriebsmittel durch beide Rechtsträger gestellt wurden. Entscheidend für das LAG Mecklenburg-Vorpommern war schlussendlich, dass der Personaleinsatz auf der Grundlage der Vereinbarungen zwischen den Rechtsträgern durch eine gemeinsame Steuerung bestimmt wurde. Die daraus folgende Weisungsbefugnis gegenüber den im Nierenzentrum eingesetzten Arbeitnehmern sei wechselseitig durch Abstimmungserfordernisse mit dem Kooperationspartner beschränkt worden. Dass die Universitätsklinik mit der Klägerin am 2.6.2013 rückwirkend zum 1.1.2013 eine Zusatzvereinbarung über die Durchführung von Arbeitnehmerüberlassung getroffen hatte, stand der Annahme eines gemeinsamen Betriebs nach Auffassung des LAG Mecklenburg-Vorpommern nicht entgegen. Unerheblich sei auch, dass die Beklagte eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung beantragt und erhalten habe. Hierbei handele es sich um eine falsche Bezeichnung bzw. den Abschluss einer irrelevanten Vereinbarung, weil für die Frage, ob Arbeitnehmerüberlassung oder ein gemeinsamer Betrieb gegeben sei, nicht der Inhalt einer Vereinbarung, sondern die tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich seien. Schlussendlich ist eine Auseinandersetzung mit dem Ergebnis und der Begründung dieser Entscheidung wegen der Besonderheiten des Einzelfalls entbehrlich. Es genügt, die abstrakt-generellen Grundsätze aufzugreifen. Wichtig für die betriebliche Praxis ist allerdings nicht nur, dass dabei sichergestellt werden muss, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines gemeinsamen Betriebs auch tatsächlich umgesetzt werden. Geschieht dies nicht, kann dies zur Folge haben, dass als Konsequenz einer Arbeitnehmerüberlassung ohne das Bestehen eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags und die Konkretisierung nach § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG von der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher auszugehen ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 a AÜG). 404

Ermittlungsmaßnahme bei Verdacht einer schweren Pflichtverletzung

Unabhängig davon ist zu berücksichtigen, dass die vorstehend beschriebenen Wirkungen eines gemeinsamen Betriebs in Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung nur bewirkt werden, wenn der gemeinsame Betrieb durch die tatsächliche gemeinsame Steuerung in Bezug auf die wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten auf der Grundlage einer entsprechenden Vereinbarung gebildet wird. Es genügt nicht, dass der gemeinsame Betrieb ohne Rücksicht auf solche Steuerungsstrukturen durch Abschluss eines Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG geschaffen wird. Diese Einheit gilt lediglich als betriebsverfassungsrechtlicher Betrieb (§ 3 Abs. 5 AÜG), ohne dass dies einer Anwendbarkeit des AÜG entgegensteht. (Ga)

7.

Zulässigkeit einer verdeckten Ermittlungsmaßnahme bei Verdacht einer schweren Pflichtverletzung

Gerade im Vorfeld verhaltensbedingter Kündigungen stellt sich für den Arbeitgeber immer wieder die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen verdeckte Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt werden können, um Gewissheit über den bestehenden Verdacht einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zu erhalten. Problematisch daran ist, dass allein nach dem Wortlaut von § 32 BDSG (zukünftig: § 26 BDSG) eine entsprechende Erhebung personenbezogener Daten ohne Kenntnis des Betroffenen nur unter außerordentlich engen Voraussetzungen zulässig ist. Wichtig für die betriebliche Praxis ist deshalb, dass das BAG – anknüpfend an die bereits im Frühjahr behandelten Entscheidungen105 – im Urteil vom 29.6.2017106 noch einmal bestätigt hat, dass es datenschutzrechtlich zulässig ist, unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch außerhalb der im Wortlaut des Gesetzes erkennbaren Sachverhaltskonstellationen eine verdeckte Ermittlungsmaßnahme durchzuführen107. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatten die Söhne des Klägers, der bereits seit 1978 bei der Beklagten beschäftigt war, ein Konkurrenzunternehmen gegründet. Als die Beklagte hiervon 2013 Kenntnis erlangte, wies sie den Kläger darauf hin, dass er dort während des bestehenden Arbeitsverhältnisses als Konsequenz des gesetzlichen Wettbewerbsverbots keine Tätigkeit durchführen dürfe. 2015 erhielt die Beklagte dann aber Kenntnis von einer E-Mail der Konkurrenzfirma, die an eine Kundin der

105 B. Gaul, AktuellAR 2017, 167 ff. 106 BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179. 107 Eingehend auch Byers, NZA 2017, 1086 ff.

405

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Beklagten gerichtet war. Darin hieß es unter anderem, man verkaufe als Familienunternehmen günstig Stanzformen, der Kläger montiere seit 38 Jahren, es sei unglaublich, was er alles so hinbekomme. Die Beklagte beauftragte daraufhin einen Detektiv, der den Kläger beobachten sollte. Obwohl der Kläger gegenüber der Beklagten bereits seit einigen Monaten das Bestehen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit geltend gemacht hatte, konnte der Detektiv ihn bei seiner Tätigkeit in der Konkurrenzfirma beobachten. Die Arbeit, die er dort verrichtete, entsprach seiner arbeitsvertraglich gegenüber der Beklagten geschuldeten Tätigkeit. Die Beklagte sprach daraufhin eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Aus materiell-rechtlicher Sicht hat das BAG in seinem Urteil vom 29.6.2017108 noch einmal bestätigt, dass ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB verstoße. Darin liege in der Regel eine erhebliche Pflichtverletzung, die „an sich“ geeignet sei, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen109. In gleicher Weise könne das Erschleichen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB bilden. Dies gelte nicht nur, wenn sich der Arbeitnehmer für die Zeit einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung gewähren lasse und damit regelmäßig einen Betrug zu Lasten des Arbeitgebers begehe110. Täusche er eine Arbeitsunfähigkeit erst nach Ablauf eines Entgeltfortzahlungszeitraums vor, aber zu dem Zweck, während der attestierten Arbeitsunfähigkeit einer Konkurrenztätigkeit nachgehen zu können, verletze er ebenfalls in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers gem. § 241 Abs. 2 BGB. Ein solches Verhalten könne selbst dann einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses bieten, wenn lediglich der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer solchen Pflichtverletzung gegeben sei. Mit überzeugender Begründung hat es das BAG auch für zulässig gehalten, die entsprechenden Erkenntnisse des Detektivs im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses zu berücksichtigen und deshalb ein Sachvortragsoder Beweisverwertungsverbot abgelehnt. 108 BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179 Rz. 14 ff. 109 Ebenso BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, NZA 2015, 429 Rz. 27; BAG v. 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, NZA-RR 2010, 461 Rz. 20. 110 Vgl. BAG v. 26.8.1993 – 2 AZR 154/93, NZA 1994, 142.

406

Ermittlungsmaßnahme bei Verdacht einer schweren Pflichtverletzung

Bei der Erfassung leistungs- oder verhaltensbezogener Daten durch einen Detektiv handelt es sich um die Erhebung personenbezogener Daten, die nach § 32 BDSG (zukünftig: § 26 BDSG) auch dann einer Rechtfertigung bedarf, wenn sie nicht automatisiert erfolgt oder zur weiteren Verarbeitung innerhalb einer automatisierten Datei vorgesehen ist. Folgt man allein dem Wortlaut von § 32 Abs. 1 BDSG, den der Gesetzgeber bedauerlicherweise in § 26 Abs. 1 BDSG übernommen hat, dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten ohne seine Kenntnis an sich nur zur Aufdeckung von Straftaten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unterverhältnismäßig sind. Entgegen der Feststellungen des LAG Baden-Württemberg in der vorinstanzlichen Entscheidung ist darin allerdings keine abschließende Regelung der zulässigen Möglichkeiten einer verdeckten Ermittlungsmaßnahme zu sehen. Darauf hat das BAG im Urteil vom 29.6.2017111 hingewiesen. Erfolge die Datenerhebung nicht zur Aufdeckung einer im Beschäftigungsverhältnis begangen Straftat i. S. d. § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG, komme vielmehr eine Zulässigkeit der Maßnahmen nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG in Betracht. Diene die Datenerhebung weder der Aufdeckung von Straftaten i. S. d. § 32 Abs. S. 2 BDSG noch sonstigen Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses i. S. d. § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG, könne sie überdies „zur Wahrung berechtigter Interessen“ i. S. d. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG zulässig sein. Insoweit werde § 28 BDSG von § 32 BDSG nicht verdrängt. Dem ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Man wird auch davon ausgehen können, dass dieses Verständnis auf §§ 22, 24, 26 BDSG in der ab dem 25.5.2018 geltenden Fassung übertragen werden kann112. Hiervon ausgehend erlaubt § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG unter den vorstehend genannten Voraussetzungen die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung in solchen Fällen, in denen Anhaltspunkte für den Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat bestehen. Eine Sperrwirkung in Bezug auf weitergehende Ermittlungsmaßnahmen auf der Grundlage von § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG lehnt das BAG zu Recht ab113.

111 BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179 Rz. 25. 112 Vgl. zur Anpassung des Datenschutzrechts B. Gaul, AktuellAR 2017, 329 ff. 113 BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179 Rz. 27 f.

407

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Damit kann bei Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses auch auf § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG zurückgegriffen werden. Dieser erlaubt die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses, wenn dies für dessen Begründung, Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört – so das BAG – die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt, zur Beendigung i. S. d. Kündigungsvorbereitung die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. Eine Einschränkung, dass hierfür der Verdacht einer Straftat bestehen muss, ist in § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG nicht vorgesehen. Folgerichtig geht das BAG auch davon aus, dass der Arbeitgeber deshalb alle Daten speichern und verwenden dürfe, die er zur Erfüllung der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast in einem potenziellen Kündigungsschutzverfahren benötige114. Obwohl § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG – wie zukünftig auch § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG – dem Wortlaut nach nur die Erforderlichkeit der Maßnahme verlangt, müssen verdeckte Ermittlungsmaßnahmen auch auf der Grundlage von § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in seiner Gesamtheit berücksichtigen. Die verdeckte Überwachung muss damit – so das BAG – das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellen und darf zu keiner unverhältnismäßigen (unangemessenen) Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers führen. Voraussetzung ist also, dass der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht. Durch diesen Zusammenhang mit der Erfüllung der vom Arbeitnehmer geschuldeten Leistung, seiner sonstigen Pflichtenbindung oder einer Pflichtenbindung des Arbeitgebers ist gewährleistet, dass die Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erfolgt. Darüber hinaus muss sich der Verdacht in Bezug auf die konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlungen zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten115. Nach Auffassung des BAG steht diese Interpretation von § 32 BDSG nicht im Einklang mit Art. 8 Abs. 1 EMRK116. Eine hiervon abweichende Auslegung und Anwendung von § 32 BDSG wäre nach den weitergehenden Fest-

114 BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179 Rz. 26; HWK/Lemke, BDSG § 32 Rz. 15. 115 BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179 Rz. 29 ff.; BAG v. 27.3.2003 – 2 AZR 51/02, NZA 2003, 1193. 116 Vgl. EGMR v. 5.10.2010 – 420/07, EuGRZ 2011, 4771.

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Ermittlungsmaßnahme bei Verdacht einer schweren Pflichtverletzung

stellungen des 2. Senats des BAG im Urteil vom 29.6.2017117 auch mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. In Form der in Art. 5, 7 lit. f Richtlinie 95/46/EG enthaltenen Regelungen verbiete es das Unionsrecht, andere als die in Art. 7 der Richtlinie 95/46/EG aufgezählten Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten einzuführen oder durch zusätzliche Bedingungen die Tragweite dieser Grundsätze zu verändern. Die Annahme, eine Datenerhebung zur Aufdeckung einer schwerwiegenden Pflichtverletzung unterhalb einer Straftat sei generell unzulässig, ohne dass es auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ankomme, stünde damit nicht im Einklang. Unter Berücksichtigung der generellen Handlungsvorgaben in Art. 5 DSGVO wird man auch § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG in seiner zukünftigen Fassung entsprechend zur Anwendung bringen müssen. Denkbar ist aber, dass deshalb zunächst einmal ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV durchgeführt wird. In dem konkret zur Entscheidung stehenden Fall hat das BAG diese Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit bei den verdeckten Ermittlungsmaßnahmen des Arbeitgebers als gewahrt angenommen. Im Anschluss an die Kenntnisnahme der an ihre eigenen Kunden gerichteten E-Mail des Konkurrenzunternehmens bestanden ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger trotz der gegenüber der Beklagten angegebenen Arbeitsunfähigkeit einer verbotenen Konkurrenztätigkeit nachging. Mildere Mittel, diesen Verdacht aufzuklären, waren nicht erkennbar. Insbesondere wäre die Einbeziehung des medizinischen Dienstes kein geeignetes Mittel gewesen, die mögliche Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen aufzuklären. Das BAG hat dem LAG indessen aufgegeben zu überprüfen, ob es weniger stark in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Klägers eingreifende Aufklärungsmaßnahmen gegeben hätte, als sie durch den Detektiv zum Einsatz gebracht wurden. Wenn dies nicht der Fall war, handelt es sich insoweit um eine zulässige Datenerhebung und -nutzung. Damit war es auch zulässig, auf der Grundlage der dadurch gewonnenen Erkenntnisse der Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess Rechnung zu tragen. Weitergehend kann der Arbeitnehmer sogar verpflichtet sein, dem Arbeitgeber gem. § 280 Abs. 1 BGB die Kosten für den Detektiveinsatz zu erstatten118. Für die betriebliche Praxis liegt in diesen Feststellungen des BAG eine erfreuliche Klarstellung. Bedauerlich bleibt aber, dass der Gesetzgeber nicht in der Lage war, die unionsrechtlichen Vorgaben durch eine entsprechende 117 BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179 Rz. 34 ff. 118 BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179 Rz. 39 ff., 45.

409

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Veränderung in § 32 Abs. 1 BDSG (zukünftig § 26 Abs. 1 BDSG) umzusetzen. Unabhängig davon bleibt es allerdings wichtig, dass arbeitgeberseitig alle Tatsachen dokumentiert und nachweisbar aufbereitet werden, die Anlass für verdeckte Ermittlungsmaßnahmen gegeben haben. Auf diese Weise kann im Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung vermieden werden, dass mit Erfolg der Vorwurf erhoben wird, dass arbeitgeberseitig „ins Blaue“ ermittelt wurde. Solche Ermittlungen können zur Unzulässigkeit einer prozessualen Verwertung der dadurch gewonnen Erkenntnisse führen. Darauf hatten wir mit Blick auf das Urteil des BAG vom 27.7.2017119 an anderer Stelle hinwiesen120. (Ga)

8.

Unzulässigkeit einer uneingeschränkten Überwachung des Arbeitnehmers

a)

Heimliche Überwachung der Social-Media-Kommunikation

Bereits im Frühjahr 2016 hatten wir über das beim EGMR in der Sache B�rbulescu anhängige Verfahren berichtet. In dem zugrundeliegenden Fall war der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber gebeten worden, bei seiner Tätigkeit im Vertrieb im Verhältnis zu Kunden auf einen Messenger-Dienst (hier: Yahoo) zurückzugreifen. Gleichzeitig hatte der Arbeitgeber allerdings festgelegt, dass die Nutzung dieses Dienstes – ebenso wie sonstige Internetanschlüsse – zu Privatzwecken während der Arbeitszeit verboten sei. Ohne Kenntnis des Arbeitnehmers überwachte der Arbeitgeber indes heimlich die Art und Weise der Nutzung des Messenger-Dienstes in der Zeit vom 5.7.2007 bis zum 13.7.2007. Als er erkannte, dass der Arbeitnehmer diesen Anschluss auch zu Privatzwecken nutzte, hielt er ihm in einem persönlichen Gespräch diese Privatnutzung vor. Als der Arbeitnehmer diese Nutzung bestritt, übergab ihm der Arbeitgeber eine 45-seitige Aufzeichnung, in der Inhalt, Zeitpunkt und Adressat der gesamten Kommunikation über den Messenger-Dienst enthalten waren. Hierzu gehörte auch der Austausch zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Bruder bzw. der Verlobten, in der private und auch intime Feststellungen enthalten waren. Nachdem der Arbeitnehmer diese Privatnutzung angesichts der Aufzeichnung des Arbeitgebers nicht mehr bestreiten konnte, sprach der Arbeitgeber eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

119 BAG v. 27.7.2017 – 2 AZR 681/16, NZA 2017, 1327. 120 B. Gaul, AktuellAR 2017, 413 ff.

410

Unzulässigkeit einer uneingeschränkten Überwachung des Arbeitnehmers

Die gegen diese Kündigung erhobene Klage des Arbeitnehmers blieb in zwei Instanzen erfolglos. Auch ein Strafantrag gegen den Arbeitgeber, mit dem die heimliche Überwachung sanktioniert werden sollte, wurde abgelehnt. Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Klage beim EGMR in Straßburg mit dem Ziel festzustellen, dass im Rahmen der zivilrechtlichen Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der Kündigung das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privatsphäre, insbesondere im Rahmen der Korrespondenz, nicht ausreichend beachtet worden sei. Auch das Verfahren beim EGMR verlief zunächst einmal erfolglos. Denn mit Urteil vom 12.1.2016121, über das wir berichteten122, hatte die Kleine Kammer des EGMR zwar einen Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 8 EMRK bestätigt. Gleichzeitig hatte die Kleine Kammer des EGMR indes angenommen, dass auch die Berufungsinstanz in Rumänien berechtigterweise die Ansicht vertreten hatte, dass dieser Eingriff als Konsequenz des Verstoßes des Arbeitnehmers gegen das arbeitgeberseitige Verbot einer Privatnutzung des Messenger-Dienstes gerechtfertigt worden sei. Der Arbeitnehmer beantragte daraufhin erfolgreich, die Angelegenheit noch einmal vor der Großen Kammer des EGMR zu verhandeln. Diese traf sodann am 5.9.2017123 eine von der Sichtweise der Kleinen Kammer und der rumänischen Zivilgerichtsbarkeit abweichende Feststellung. Zunächst einmal ist auch die Große Kammer des EGMR davon ausgegangen, dass die heimliche Überwachung der Messenger-Dienst-Kommunikation des Arbeitnehmers als Verstoß gegen Art. 8 EMRK zu qualifizieren ist. Zur Begründung hat die Große Kammer des EGMR darauf verwiesen, dass Art. 8 Abs. 1 EMRK auch die dienstliche Kommunikation schütze, unabhängig davon, ob sie durch Telefonate oder einen Messenger-Dienst geführt werde. Denn auch die dienstliche Kommunikation könne das Privatleben betreffen, in das durch eine Überwachung eingegriffen werde. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer mangels vorheriger Information durch den Arbeitgeber davon ausgehen müsse, dass dieser keine Kenntnis vom Inhalt, dem Zeitpunkt und dem Adressaten entsprechender Nachrichten habe. Vorliegend war dies bereits deshalb der Fall, weil der Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer an sich nicht mit dem Passwort versehen worden war124. Entgegen der vorangehenden Bewertung durch die Kleine Kammer hat der EGMR in seiner Entscheidung durch die Große Kammer indes klargestellt, 121 122 123 124

EGMR v. 12.1.2016 – 61496/08, DuD 2016, 395 – B rbulescu. B. Gaul, AktuellAR 2016, 82 ff. EGMR v. 12.1.2016 – 61496/08, DuD 2016, 395 – B rbulescu. EGMR v. 5.9.2017 – 61496/08, DuD 2016, 395 Rz. 71 ff. – B rbulescu.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

dass die hier in Rede stehende Überwachung auch unter Berücksichtigung des Verbots einer Privatnutzung nicht mehr mit den Grenzen der Verhältnismäßigkeit vereinbar war125. Ausgangspunkt ist für den EGMR dabei der Umstand, dass Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht nur einen Schutz des Bürgers vor einem Eingriff durch den Staat bewirken soll. Vielmehr habe der Staat auch die Pflicht, durch sein Handeln in Exekutive, Legislative und Judikative darauf hinzuwirken, dass in Rechtsbeziehungen zwischen Privaten dieses Grundrecht berücksichtigt werde. Hiervon ausgehend sei es auch innerhalb eines Arbeitsverhältnisses notwendig, dass ein etwaiger Eingriff in das Recht auf Privatleben durch den Arbeitgeber geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers auch angemessen sei. Diese Verhältnismäßigkeit hat der EGMR im vorliegenden Fall insbesondere mit der Begründung abgelehnt, dass die uneingeschränkte Überwachung des Arbeitnehmers zur Folge hatte, dass sämtliche Verbindungsdaten einschließlich der dazugehörigen Inhalte der Kommunikation des Arbeitnehmers bekannt wurden. Für eine Feststellung, dass durch den Arbeitnehmer eine verbotene Privatnutzung erfolgt war, waren diese Daten nicht erforderlich. Die Erfassung der Inhalte dürfte darüber hinaus nicht angemessen gewesen sein, weil der Umfang der Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen bereits durch die Dauer einer Kommunikation und die dem Privatleben des Arbeitnehmers zuzuordnenden Adressaten erkennbar gewesen wäre. Abschließend hat der EGMR Rumänien verurteilt, dem Kläger Verfahrenskosten in Höhe von 1.365,– € zu erstatten. Eine weitergehende Entschädigung für den immateriellen Schaden als Folge einer Beeinträchtigung des Privatlebens hat der EGMR indes nicht für geboten gehalten. Dass die rumänischen Gerichte hier eine für den Kläger günstigere Entscheidung treffen, ist nicht zu erwarten. Sollte, was diesseits nicht beurteilt werden kann, das Verfahren hinsichtlich der Kündigung wieder aufgenommen werden, dürfte dort aber eine abweichende Bewertung in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Überwachung im Zweifel zu der Feststellung führen, dass die arbeitgeberseitige Kündigung unwirksam ist. Welche Konsequenzen dies hat, bestimmt sich nach den allgemeinen rumänischen Vorgaben in Bezug auf die Folgen einer rechtswidrigen Kündigung.

125 EGMR v. 5.9.2017 - 61496/08, DuD 2016, 395 Rz. 108 ff., 124 ff. – B rbulescu.

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Unzulässigkeit einer uneingeschränkten Überwachung des Arbeitnehmers

b)

Dauerhafte Überwachung durch einen Keylogger

In vergleichbarer Weise hat auch das BAG in seinem Urteil vom 27.7.2017126 den Einsatz eines Software-Keyloggers, mit dem alle Tastatureingaben an einem dienstlichen Computer für eine verdeckte Überwachung und Kontrolle des Arbeitnehmers aufgezeichnet werden, als mit § 32 Abs. 1 BDSG unzulässig qualifiziert, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung bestehe. In dem zugrundeliegenden Fall war der Kläger bei der Beklagten seit 2011 als „Webentwickler“ beschäftigt. Im Zusammenhang mit der Freigabe eines Netzwerks teilte die Beklagte ihren Arbeitnehmern im April 2015 mit, dass zukünftig der gesamte „Internet-Traffic“ und die Benutzung ihrer Systeme „mitgeloggt“ werde. Zu diesem Zweck installierte sie auf dem Dienst-PC des Klägers eine Softwarekamera, die sämtliche Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Bildschirmfotos (Screenshots) fertigte. Nach Auswertung der mit Hilfe dieses Keyloggers erstellten Dateien fand ein Gespräch mit dem Kläger statt. In diesem räumte er ein, seinen DienstPC während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Ergänzend erklärte er, nur in geringem Umfang und in der Regel in seinen Pausen ein Computerspiel programmiert und E-Mail-Verkehr für die Firma seines Vaters abgewickelt zu haben. Da die Beklagte auf der Grundlage des durch den Keylogger erfassten Datenmaterials hiervon abweichend davon ausgehen konnte, dass der Kläger in erheblichem Umfang private Tätigkeiten am Arbeitsplatz erledigt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis außerordentlich (fristlos), hilfsweise auch ordentlich. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat auch das BAG in seinem Urteil vom 27.7.2017127 die Feststellung getroffen, dass die Kündigung keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge hatte. Dabei konnte offenbleiben, ob das in Rede stehende Verhalten des Arbeitnehmers materiellrechtlich eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt hätte. Nach den Feststellungen des BAG verstieß die damit verbundene Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten gegen die datenschutzrechtlichen Schranken aus § 32 Abs. 1 BDSG (zukünftig: § 26 BDSG). Angesichts der Schwere dieses Verstoßes war damit auch die Konsequenz verbunden, die daraus gewonnenen Erkenntnisse zur Erfüllung der prozessualen Darlegungs- und Beweislast zu nutzen. 126 BAG v. 27.7.2017 – 2 AZR 681/16 n. v. 127 BAG v. 27.7.2017 – 2 AZR 681/16 n. v.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Nach den überzeugenden Feststellungen des BAG hat die Beklagte durch den Einsatz des Keyloggers das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistete Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) verletzt. Die Informationsgewinnung sei nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG zulässig gewesen. Denn die Beklagte hatte beim Einsatz der Software gegenüber dem Kläger keinen auf Tatsachen beruhenden Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung, was aber Voraussetzung für eine entsprechende Überwachung nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG (schwere Pflichtverletzung) bzw. § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG (Straftat) ist. Wir hatten darauf an anderer Stelle hingewiesen128. Die durch die Beklagte „ins Blaue hinein“ veranlasste Maßnahme sei daher unverhältnismäßig. Auch wenn man berücksichtige, dass der Kläger die Privatnutzung zugestanden hatte, rechtfertige dies allein aber ohne eine vorangehende (einschlägige) Abmahnung keine außerordentliche oder ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dem ist zuzustimmen. (Ga)

9.

Zulässigkeit der gesetzlichen Ausschlussfristen aus § 15 AGG bei Schadensersatz oder Entschädigung wegen Diskriminierung

Nach § 15 Abs. 4 S. 1 AGG muss ein Schadensersatzanspruch bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot (§ 15 Abs. 1 AGG) oder ein verschuldensunabhängiger Geldentschädigungsanspruch (§ 15 Abs. 2 AGG) innerhalb einer Frist von zwei Monaten129 schriftlich vom Beschäftigten gegen den Arbeitgeber geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt (§ 15 Abs. 4 S. 2 AGG). Diese materiell-rechtliche Ausschlussfrist wird durch § 61 b Abs. 1 ArbGG ergänzt: Eine Klage auf Ent-

128 B. Gaul, AktuellAR 2017, 167 ff., 405 ff. 129 Die ursprünglich im Regierungsentwurf in BT-Drucks. 16/1780 vorgesehene Frist von drei Monaten zur Geltendmachung der Ansprüche ist aufgrund der Beschlussempfehlung des 6. Ausschusses v. 28.6.2006 in BT-Drucks. 16/2022 S. 6, 12 auf zwei Monate verkürzt worden, um den Arbeitgeber vor bürokratischem Aufwand zu schützen.

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Zulässigkeit der gesetzlichen Ausschlussfristen aus § 15 AGG bei Schadensersatz

schädigung nach § 15 AGG muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung (AGG)130 dient der Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG131, 2000/78/EG132, 2002/73/EG133 und 134 2004/113/EG , die – in ihrem jeweiligen spezifischen Anwendungsbereich – gegen Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, der Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität schützen135. Soweit es um die in § 15 Abs. 4 AGG geregelte materiell-rechtliche Ausschlussfrist geht, wird diese vom Grundsatz her durch die unionsrechtlichen Vorgaben abgedeckt. Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29.6.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft sowie Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.7.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen lassen einzelstaatliche Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung betreffend den Gleichbehandlungsgrundsatz unberührt.

130 V. 14.8.2006 (BGBl. I 2006, 1897 ff.), zuletzt geändert durch Gesetz v. 3.4.2013 (BGBl. I 2013, 610 ff.). 131 V. 29.6.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl.EU L 180 S. 22). 132 V. 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl.EU L 303 S. 16). 133 V. 23.9.2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl.EU L 269 S. 15). Jetzt Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.7.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl.EU L 204/23). 134 V. 13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABlEU L 373 S. 37). 135 BT-Drucks. 16/1780 S. 30.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

So hat bereits der EuGH136 zur Frist des § 15 Abs. 4 AGG für die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen Altersdiskriminierung entschieden, dass das Primärrecht der Union und Art. 9 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegenstehen, wonach derjenige, der bei der Einstellung wegen des Alters diskriminiert worden ist, seine Ansprüche auf Ersatz des Vermögens- und Nichtvermögensschadens gegenüber demjenigen, von dem diese Diskriminierung ausgeht, innerhalb von zwei Monaten (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB) geltend machen muss, sofern zum einen diese Frist nicht weniger günstig ist als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich des Arbeitsrechts (Grundsatz der Äquivalenz)137, zum anderen die Festlegung des Zeitpunkts, mit dem der Lauf dieser Frist beginnt, die Ausübung der von der Richtlinie verliehenen Rechte nicht unmöglich macht oder übermäßig erschwert (Grundsatz der Effektivität)138. Es ist dabei Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese beiden Bedingungen erfüllt sind. Damit ist die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Unionsrecht vereinbar. So hat das BAG139 unter dem rechtlichen Aspekt der Effektivität in unionsrechtskonformer Auslegung, abweichend vom Wortlaut des § 15 Abs. 4 S. 2 AGG, die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG im Falle einer erfolglosen Bewerbung nicht vor dem Zeitpunkt, ab dem der Bewerber Kenntnis von seiner Benachteiligung erlangt, beginnen lassen. Dies setzt voraus, dass der abgelehnte Bewerber zumindest Kenntnis von einem Indiz hat, aus dem er die Vermutung seiner Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes herleiten kann. Im Übrigen hat der 8. Senat des BAG140 wiederholt entschieden, dass § 15 Abs. 4 AGG nicht gegen den Grundsatz der Gleichwertigkeit (Äquivalenz) verstößt, weil nach deutschem Recht keine, einer Klage auf Entschädigung 136 EuGH v. 8.7.2010 – C-246/09, NZA 2010, 869 Rz. 24 ff. – Bulicke; vgl. auch BAG v. 15.3.2012 – 8 AZR 37/11, NZA 2012, 910 Rz. 31 ff. 137 EuGH v. 8.7.2010 – C-246/09, NZA 2010, 869 Rz. 24 ff. – Bulicke. 138 EuGH v. 20.10.2016 – C 429/15 Rz. 25 ff. - Danqua; EuGH v. 28.1.2015 – C-417/13, NZA 2015, 217 Rz. 61 f. - Starjakob. 139 BAG v. 15.3.2012 – 8 AZR 37/11, NZA 2012, 910 Rz. 55. 140 BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 188/11, NZA 2012, 1211 Rz. 23; BAG v. 15.3.2012 – 8 AZR 37/11, NZA 2012, 910 Rz. 32; BAG v. 15.3.2012 – 8 AZR 160/11, BB 2012, 831 Rz. 30.

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Zulässigkeit der gesetzlichen Ausschlussfristen aus § 15 AGG bei Schadensersatz

nach § 15 Abs. 2 AGG vergleichbare, nach ihren Verfahrensmodalitäten günstigere Klageart besteht und dabei mit überzeugenden Erwägungen Ansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB und solche aus 15 Abs. 2, 7 Abs. 1 AGG schon hinsichtlich ihres Gegenstandes nicht für vergleichbar gehalten. Dies gilt auch vom Gegenstand her für einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, der voraussetzt, dass der Arbeitgeber das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schwerwiegend verletzt hat, oder dem Arbeitgeber ein schwerwiegender Verschuldensvorwurf zu machen ist und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann; geringfügige Eingriffe lösen keine Entschädigungsansprüche aus141. Angemessene Ausschlussfristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren und damit im Hinblick auf den Grundsatz der Effektivität unproblematisch. Die innerstaatlichen Fristen sind so festzulegen, dass sie insbesondere der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung für den Betroffenen, der Komplexität der Verfahren und der anzuwendenden Rechtsvorschriften, der Zahl der potenziell Betroffenen und den anderen zu berücksichtigenden öffentlichen oder privaten Belangen entsprechen142. Nach der Regierungsbegründung soll dem Arbeitgeber angesichts der Regelung in § 22 AGG nicht zugemutet werden, Dokumentationen über Einstellungsverfahren bis zum Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren aufbewahren zu müssen143. Wie bereits zuvor dargelegt worden ist, hat auch der EuGH144 entschieden, dass die Frist des § 15 Abs. 4 AGG die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte weder unmöglich macht noch übermäßig erschweren könnte. Ansprüche auf Unterlassung nach § 1004 BGB oder auf Ersatz des materiellen Schadens nach den §§ 252, 823 BGB aus unerlaubter Handlung werden nicht durch § 15 Abs. 1 AGG verdrängt (§ 15 Abs. 5 AGG)145. Ob neben dem Anspruch aus § 15 Abs. 1 AGG ein Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB i. V. m. § 7 Abs. 3 AGG besteht, was vom BAG146 dann verneint wird, wenn diese Anspruchs141 BGH v. 1.12.1999 – I ZR 49/97, NJW 2000, 2195 Rz. 69; BAG v. 24.9.2009 – 8 AZR 636/08, NZA 2010, 159 Rz. 42. 142 EuGH v. 8.7.2010 – C-246/09, NZA 2010, 869 Rz. 36 – Bulicke. 143 BT-Drucks. 16/1780 S. 38. 144 EuGH v. 8.7.2010 – C-246/09, NZA 2010, 869 Rz. 39 – Bulicke. 145 BT-Drucks. 16/1780 S. 38. 146 BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 188/11, NZA 2012, 1211 Rz. 40: Die Ausschlussfrist gilt sowohl für Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG als auch für Schadens-

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

grundlage allein mit einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot begründet wird, kann zweifelhaft sein147. In einer Entscheidung vom 18.5.2017 war der 8. Senat des BAG148 erneut mit der Frage befasst, ob für die in § 15 Abs. 4 AGG bestimmte Ausschlussfrist – auch in ihrer Kombination mit der für den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG maßgeblichen Klagefrist des § 61b ArbGG – mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar ist und sowohl den unionsrechtlichen Grundsatz der Äquivalenz als auch den der Effektivität bewahrt. Außerdem musste der 8. Senat des BAG klären, wie der Fristbeginn nach § 15 Abs. 4 AGG bei einer verbotenen Benachteiligung nach dem AGG in Form der Belästigung i. S. v. § 3 Abs. 3 AGG zu bestimmen ist. Die 1954 geborene und zu 100 % schwerbehinderte Klägerin, die für die Beklagte seit dem 17.4.2000 in einer Senioreneinrichtung als Verwaltungsangestellte in Teilzeit tätig war, machte gegen die Beklagte klageweise wegen Benachteiligung, Belästigung und Maßregelung i. S. d. AGG und wegen Mobbings, insbesondere nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG, Art. 1, 2 Abs. 1 GG und §§ 823, 280 BGB Entschädigungsansprüche in Höhe von 60.000,- € sowie Schadensersatzansprüche in Höhe von 34.581,- € geltend. Vorausgegangen waren die Anweisungen eines neuen Einrichtungsleiters, in ein anderes Büro umzuziehen und dort eine offene Posten-Liste zu bearbeiten, eine Aufarbeitung der Bewohnerakten nach bestimmten Vorgaben vorzunehmen, eine anschließende Versetzung an die Rezeption sowie der Ausspruch einer Ermahnung. Die Klägerin war sodann ab dem 13.12.2010 nach Erhalt der Ermahnung am 8.10.2010 arbeitsunfähig krank und teilte der Beklagten am 28.8.2012 mit, einen Wiedereingliederungsantrag stellen zu wollen, nach ihrer Rückkehr nur noch 30 Stunden wöchentlich zu arbeiten und zwischenzeitlich ihren Urlaub von 73 Tagen nehmen zu wollen, was die Beklagte wegen der noch fortdauernden Erkrankung der Klägerin ablehnte. Nach Einsicht in ihre Personalakte im Oktober 2012 forderte die Klägerin von der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 5.11.2012 eine Entschädigung und Schadensersatz, wobei das Schreiben eine mit entsprechenden Daten versehene chronologische Auflistung von angeblichen Diskriminierungen und Mobbinghandlungen der Beklagten ab ersatzansprüche nach § 15 Abs. 1 AGG und für Schadensersatzansprüche, die auf denselben Lebenssachverhalt einer Benachteiligung wie der Schadensersatzanspruch des § 15 Abs. 1 AGG gestützt werden. 147 Vgl. etwa Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rz. 535. A. A. Stoffels, RdA 2009, 204, 214, der § 15 Abs. 1 AGG als speziellerer Norm eine Verdrängung von § 280 BGB beimisst. 148 BAG v. 18.5.2017 – 8 AZR 74/16 n. v.

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Zulässigkeit der gesetzlichen Ausschlussfristen aus § 15 AGG bei Schadensersatz

dem 7.9.2010 (11:00 Uhr) bis zum 25.10.2012 enthielt. Ab dem 1.2.2013 befand sich die Klägerin in einer Maßnahme der beruflichen Rehabilitation. Die Klageschrift mit dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch und dem Schadensersatzanspruch ging am 5.2.2013 beim ArbG ein. Die Klägerin berief sich darauf, durch die von der Beklagten zu verantwortenden Vorfälle in der Zeit vom 7.9.2010 bis zum 10.12.2010 sei sie diskriminiert und in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt worden und infolgedessen an einer Depression erkrankt. Auch bei der Vorbereitung ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz in der zweiten Hälfte des Jahres 2012 sei sie erneut wegen ihrer Behinderung und ihres Alters diskriminiert und in ihrer Persönlichkeit verletzt worden. Sie habe ihre Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht. Die Fristen in § 15 Abs. 4 AGG und § 61b ArbGG seien mit unionsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar. Überdies läge ein Dauersachverhalt vor, sodass die Ausschlussfrist erst bei der letzten diskriminierenden Handlung bzw. der letzten Mobbinghandlung angelaufen sei. Die Beklagte berief sich zur Abwehr der Ansprüche vor allem auf die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG sowie die vertraglich geregelte Ausschlussfrist von sechs Monaten (§ 45 Abs. 2 AVR) und darauf, dass die Klägerin weder diskriminiert noch in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und dabei etwaige Ansprüche auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG und Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG an der Versäumung der Ausschlussfrist scheitern lassen, soweit es um die Zeit bis zur Erkrankung am 13.12.2010 gegangen sei, was gleichermaßen für Schadensersatzansprüche aus § 280 BGB oder deliktische Ansprüche gelte, die auf denselben Lebenssachverhalt gestützt worden seien. Einen Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG könne die Klägerin nicht mit Erfolg darauf stützen, dass sich einzelne Vorgänge ab dem Jahre 2012 für sich betrachtet als verbotene unmittelbare bzw. mittelbare Benachteiligungen i. S. v. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG darstellten. Das BAG hat die Entscheidung des LAG aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen, weil das LAG Schadensersatzansprüche oder deliktische Ansprüche wegen Mobbings, aber auch wegen einer Belästigung i. S. v. § 3 Abs. 3 AGG ungeprüft gelassen habe. Zunächst folgt das BAG allerdings der rechtlichen Bewertung des LAG darin, dass die von der Klägerin nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG erhobenen Ansprüche für einzelne Vorfälle bis zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung am 13.12.2010 erst nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG mit Schreiben vom 5.11.2012 geltend gemacht wurden. Der von der Klägerin erhobene Einwand der Unionswidrigkeit der Ausschlussfrist aus § 15 Abs. 4 419

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

AGG wird vom BAG in Übereinstimmung mit seiner früheren Rechtsprechung149 und der Entscheidung des EuGH vom 8.7.2010150 zurückgewiesen. Die Festsetzung von Ausschlussfristen als ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit ist danach ebenso unionskonform wie die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG in Verbindung mit der maßgebenden Klagefrist des § 61b ArbGG und entspricht insbesondere den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität. Soweit es um den Grundsatz der Äquivalenz geht, verweist das BAG zu Recht darauf, dass das deutsche Arbeitsrecht kein Klageverfahren kennt, das im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand, seinen Rechtsgrund und seine wesentlichen Gesichtspunkte, insbesondere auch in Bezug auf die Beweislastverteilung, einer auf § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG gestützten Schadensersatz- bzw. Entschädigungsklage entspricht. In diesem Zusammenhang lässt das BAG jedoch unentschieden, ob das Verschuldenserfordernis in § 15 Abs. 1 AGG mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist151. Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG verletzt nach Ansicht des BAG auch nicht das unionsrechtliche Prinzip der Effektivität, weil die in dieser Vorschrift vorgesehene Frist von zwei Monaten weder die Ausübung der durch das Unionsrechts verliehenen Rechte praktisch unmöglich macht noch übermäßig erschwert, zumal die Ausschlussfrist erst mit Kenntnis von der behaupteten Diskriminierung zu laufen beginnt, wie auch der EuGH152 bereits bestätigt hat. Das BAG wiederholt außerdem die schon vom EuGH153 getroffene Feststellung, dass § 15 Abs. 4 AGG – soweit es wie im Streitfall um die Gründe der Behinderung und des Alters geht – auch nicht gegen den in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG niedergelegten Grundsatz des Verbots einer Absenkung des Schutzniveaus verstößt. Das BAG schließt sich auch der Auffassung des LAG an, dass die Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG nicht mit Erfolg auf einzelne konkret bezeichnete Vorgänge ab dem Jahr 2012 stützen kann, weil hierfür ein ausreichender Vortrag zur haftungsausfüllenden Kausalität fehlt. Die Klägerin hatte nämlich nichts dafür vorgetragen, sie hätte ohne die von ihr geschilderten Vorgänge bzw. Handlungen der Beklagten ihre Arbeitsfähigkeit wiedererlangt. Soweit es um den 149 BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 188/11, NZA 2012, 1211. 150 EuGH v. 8.7.2010 – C-246/09, NZA 2010, 869 – Bulicke. 151 Vgl. zu den Richtlinien 2006/54/EG, 76/207/EWG etwa EuGH v. 17.12.2015 – C-407/14, NZA 2016, 471 Rz. 29 ff., 33 m. w. N. – Arjona Camacho; EuGH v. 22.4.1997 – C-180/95, NZA 1997, 645 Rz. 22 – Draehmpaehl. 152 EuGH v. 8.7.2010 – C-246/09, NZA 2010, 869 Rz. 41 – Bulicke. 153 EuGH v. 8.7.2010 – C-246/09, NZA 2010, 869 Rz. 45 – Bulicke.

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Zulässigkeit der gesetzlichen Ausschlussfristen aus § 15 AGG bei Schadensersatz

zu ersetzenden Vermögensschaden in Form entgangenen Arbeitsentgelts (§ 252 BGB) ginge, werde die Darlegungslast für die haftungsausfüllende Kausalität154 nicht durch § 22 AGG abgeändert. Die Klägerin hätte deshalb darlegen müssen, dass der von ihr behauptete Schaden bei benachteiligungsfreier Behandlung nicht eingetreten wäre. Ungeachtet dieser mit dem Urteil des LAG übereinstimmenden Bewertungen sah sich das BAG veranlasst, die Entscheidung des LAG aufzuheben und den Rechtsstreit zurückzuverweisen, weil das LAG von einer Prüfung abgesehen hat, ob die Beklagte der Klägerin Schadensersatz und/oder Entschädigung wegen Mobbings oder wegen einer Belästigung i. S. v. § 3 Abs. 3 AGG schuldet. Soweit etwaige Ansprüche wegen Mobbings in Rede stehen können, sind diese nach Ansicht des BAG vom Anwendungsbereich des § 15 Abs. 4 AGG nicht betroffen, weil diese Vorschrift im Hinblick auf den unmittelbaren Zusammenhang mit § 22 AGG zur Beweislast eine Sonderregelung für Fallkonstellationen aufweist, in denen die Beweislastregelung des § 22 AGG eingreift. Dies ist im Falle eines Schadensersatzes/Schmerzensgeldes wegen Mobbings nicht der Fall. Insoweit knüpft das BAG an seine frühere Rechtsprechung an155, wonach auch eine analoge Anwendung von § 15 Abs. 4 AGG nicht in Betracht kommt. Insoweit unterliegen etwaige Ansprüche wegen Mobbings nach §§ 195, 199 BGB der kurzen regelmäßigen Verjährung von drei Jahren. Das BAG vermisst auch die vom LAG anzustellende Prüfung, ob sich Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG unter dem Gesichtspunkt der Belästigung i. S. v. § 3 Abs. 3 AGG ergeben können, weil sich die von der Klägerin insgesamt vorgetragenen Vorgänge aus der Zeit ab dem 7.9.2010 in einer Gesamtschau als verbotene Benachteiligung in diesem Sinne verstehen ließen. Von einer derartigen Prüfung durfte das LAG nach Meinung des BAG nicht mit Blick auf § 15 Abs. 4 AGG absehen, weil es im Falle einer Belästigung wegen ihres typischerweise prozesshaften Charakters für den Beginn der Ausschlussfrist eines Schadensersatzanspruchs – wie im Falle des Mobbings – auf den Abschluss der zeitlich letzten vorgetragenen Belästigungshandlung ankäme. Diese Bewertung entnimmt das BAG der Regelung des § 3 Abs. 3 AGG, die eine Belästigung als eine Benachteiligung i. S. d. AGG qualifiziert, wenn unerwünschte Verhal154 BAG v. 26.1.2017 – 8 AZR 736/15, NZA 2017, 854 Rz. 48; BAG v. 11.8.2016 – 8 AZR 406/14, BB 2017, 506 Rz. 105. 155 BAG v. 11.12.2014 – 8 AZR 838/13, NZA 2015, 808 Rz. 22: Eine gesetzliche Ausschlussfrist für Ansprüche wegen „Mobbings“ besteht nicht.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

tensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Damit können einzelne zurückliegende Verhaltensweisen oder Handlungen, auch wenn Ihnen bei isolierter Betrachtung keine Benachteiligungsrelevanz beizumessen ist, erst in ihrer Gesamtschau den Tatbestand der Belästigung abbilden. Im Hinblick darauf hatte die Klägerin ihre Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche rechtzeitig geltend gemacht, was nach Meinung des BAG ungeachtet der Frage galt, ob die im Arbeitsvertrag der Parteien vereinbarte Ausschlussfrist von sechs Monaten derartige Ansprüche erfasste. Für die betriebliche Praxis erweist sich diese Entscheidung des BAG als durchaus beachtenswert, weil sich wiederholende diskriminierende Handlungen von Vorgesetzten gegenüber Mitarbeitern, soweit sie den Anwendungsbereich des AGG betreffen, nicht nach der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG praktisch von selbst erledigen, sondern unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Belästigung ihre anspruchsbegründende Qualität bewahren, sodass erst die letzte Belästigungshandlung den Beginn der Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 AGG markiert und damit auch lange zurückliegende Vorfälle in die Beurteilung einbezogen werden. Bedeutsam ist außerdem, dass ein außerhalb des Anwendungsbereichs des AGG liegendes Mobbingverhalten der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG entzogen ist und erst nach drei Jahren bezogen auf die letzte Mobbinghandlung der Verjährungseinrede (§§ 195, 199 BGB) ausgesetzt ist. (Boe)

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D. Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub 1.

Ausgewählte Fragen zur praktischen Umsetzung des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz

Nach einer grundlegenden Überarbeitung verschiedener Entwürfe1 eines Gesetzes für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern ist das Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz – EntgTranspG) verabschiedet worden und am 6.7.2017 in Kraft getreten2. Bedauerlicherweise sind keinerlei Veränderungen in Bezug auf den Wortlaut des Gesetzes vorgenommen, obwohl Sachverständige und Verbände auf Lücken, Widersprüche und ergänzenden Regelungsbedarf hingewiesen hatten. Insoweit kann aber wegen der Einzelheiten auf die Zusammenfassung des Gesetzes im Frühjahr verwiesen werden3. Nachfolgend sollen nur einzelne Punkte der praktischen Umsetzung angesprochen werden.

a)

Kennzeichnung einer gleichwertigen Tätigkeit

§§ 3 Abs. 1, 7 EntgTranspG verbieten bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit4 eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen. Folgerichtig ist das Auskunftsverlangen auf die Vergütung bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit gerichtet (§ 10 EntgTranspG). Da das betriebliche Prüfverfahren die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots überprüfen soll (§ 17 Abs. 1 EntgTranspG), sind auch hier die entsprechenden Merkmale maßgeblich. Insbesondere im Vorfeld einer Beantwortung von Auskunftsverlangen nach §§ 10 ff. EntgTranspG wird es damit wichtig festzustellen, wann eine gleichwertige Tätigkeit gegeben ist. Das betrifft Arbeitgeber und Betriebsrat, die nach Maßgabe von §§ 14 f. EntgTranspG gleichermaßen eingebunden sind. Eine gleiche Arbeit üben Beschäftigte aus, wenn sie an verschiedenen oder nacheinander an denselben Arbeitsplätzen eine identische oder gleichartige

1 2 3 4

BT-Drucks. 18/11313, 18/11590, 18/11641, 18/11756, 18/11757; BR-Drucks. 8/1/17. BGBl. I 2017, 2152 ff. B. Gaul, AktuellAR 2017, 1 ff. Bauer/Günther/Romero, NZA 2017, 809, 811; Langemann/Wilking, BB 2017, 501 f.; Müller, BB 2017, 2101 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Tätigkeit ausüben (§ 4 Abs. 1 EntgTranspG). Eine gleichwertige Arbeit i. S. d. Gesetzes liegt vor, wenn männliche und weibliche Beschäftigte unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Dabei ist von den tatsächlichen, für die jeweilige Tätigkeit wesentlichen Anforderungen auszugehen, die von den ausübenden Beschäftigten und deren Leistungen unabhängig sind (§ 4 Abs. 2 EntgTranspG). Wie die Gleichwertigkeit im Einzelnen festzustellen ist, bestimmt das Gesetz nicht. Insofern wird man auf der Grundlage objektiver Kriterien eine Arbeitsbewertung vorzunehmen haben, die – vergleichbar mit den Überlegungen im Vorfeld der Bildung von Entgeltgruppen – Tätigkeiten unter Berücksichtigung ihres konkreten Anforderungsprofils bewertet. Unter Berücksichtigung der Feststellungen in § 4 Abs. 2 EntgTranspG kommt es dabei im Wesentlichen auf eine notwendige Ausbildung oder sonstige Kenntnisse und Fähigkeiten, die personelle und sachbezogene Verantwortung, eine notwendige Erfahrung, die Fähigkeit im Umgang mit anderen Mitarbeitern, Vorgesetzten und Kunden (geistig-soziale Fertigkeiten) sowie die mögliche physische und psychische Belastung an, die mit der Tätigkeit verbunden sind. Anforderungen einer Tätigkeit und Belastungen durch eine Tätigkeit werden dabei zunächst einmal gleichermaßen erfasst. Im Zweifel geht es also um eine analytische, nicht nur um eine summarische Arbeitsbewertung. Die unterschiedliche Relevanz der vorstehend genannten Kriterien für die verschiedenen Formen des Arbeitsentgelts wird erst im zweiten Schritt berücksichtigt, wenn die Gründe für eine Differenzierung bei den unterschiedlichen Entgeltbestandteilen zweckbezogen festgestellt werden5. Ob die vorstehende Arbeitsbewertung unter Berücksichtigung der durch den Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung (REFA) entwickelten Grundsätze oder auf der Grundlage sonstiger Messmethoden (z. B. ABAKABA, eg-check.de6) erfolgt, lässt das Gesetz ganz bewusst offen. Wichtig ist allerdings, dass als Grundlage für die Handhabe von Auskunftsverlangen ebenso wie die Durchführung eines betrieblichen Prüfverfahrens nach §§ 17 ff. EntgTranspG eine Gleichwertigkeit der Tätigkeit geprüft werden muss. Unerheblich für die Frage einer möglichen Differenzierung wegen des Geschlechts ist der Umstand, welche potenziellen (alternativen) Einsatzmöglichkeiten der auf einer konkreten Stelle beschäftigte Arbeitnehmer besitzt. 5 6

LAG Saarland v. 27.7.2016 – 2 TaBV 2/16, AiB 2016, 59 Rz. 70. Vgl. hierzu Jochmann-Döll, NZA 2017, 169 ff.

424

Umsetzung des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz

Hiervon ausgehend ist das Verfahren Logib-D, das mit Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend entwickelt wurde, ungeeignet, eine Grundlage für die Schaffung von Entgelttransparenz und Entgeltgleichheit herzustellen7. Denn mit diesem Verfahren wird der Wert des Humankapitals und damit das Potenzial der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die konkret ausgeübte Tätigkeit bewertet. Das zeigt zwar, ob Männer oder Frauen beschäftigt werden, die – auch mit Blick auf eine Gleichstellung der Geschlechter – wegen ihres „verborgenen Potenzials“ auf höherwertigeren Arbeitsplätzen beschäftigt werden könnten. Solche Informationen können auch im Rahmen der Frauenförderung oder der Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen und Männern bei der beruflichen Entwicklung nutzbar gemacht werden. Diese Erkenntnisse indizieren aber keine Benachteiligung wegen des Geschlechts auf der Stelle, die ohne Rücksicht auf das weiterführende Potenzial des Stelleninhabers aktuell ausgefüllt wird. Für die Frage der Entgelttransparenz nach §§ 4 ff. EntgTranspG kommt es nur darauf an, ob Arbeitnehmer unterschiedlichen Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit verschieden vergütet werden. Dass ein Arbeitnehmer wegen seiner Fähigkeiten, seiner Betriebszugehörigkeit oder einer „potenziellen Erwerbserfahrung“ auch mit höherwertigeren Tätigkeiten beschäftigt und dann auch besser bezahlt werden könnte, spielt keine Rolle.

b)

Privilegien bei Arbeitgebern mit Tarifbindung

Grundsätzlich muss auch ein tarifliches Entgeltsystem das Verbot einer Benachteiligung wegen des Geschlechts wahren. Bei tariflichen Entgeltsystemen wird allerdings die Angemessenheit vermutet. Außerdem wird unterstellt, dass Tätigkeiten unterschiedlicher Entgeltgruppen grundsätzlich nicht gleichwertig sind (§ 4 Abs. 5 EntgTranspG). Bemerkenswert ist, dass das Gesetz nur im Zusammenhang mit den nicht tarifgebundenen und nicht tarifanwendenden Arbeitgebern davon spricht, dass der Arbeitgeber eine angefragte Vergleichstätigkeit nach den im Unternehmen angewendeten Maßstäben für nicht gleich oder nicht gleichwertig halten könnte. In diesem Fall hat er seine Auffassung unter Berücksichtigung der in § 4 EntgTranspG genannten Kriterien nachvollziehbar zu begründen

7

Ebenso Tondorf, DB 2010, 616 f.; dies., DB 2010, 959 f.; dies., djbZ 2009, 130 ff.; zutreffend sieht auch Schmidt, DB 2010, 957 f. in diesem Verfahren nur eine Grundlage, mittelbar geschlechtsbezogene Unterschiede bei der Vergütung zu beseitigen. Im Kern knüpft er dabei an Veränderungen der Personalpolitik und damit an die Veränderung der konkret ausgeübten Tätigkeit zur Anhebung der Vergütung an.

425

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

und die Auskunft auf eine nach seiner Bewertung gleiche oder gleichwertige Tätigkeit zu beziehen. Diese Handlungsoption, im Grunde sogar eine Handlungspflicht, besteht auch bei einer Auskunft durch den Betriebsrat, weil dieser in gleicher Weise zur richtigen Anwendung des Gesetzes verpflichtet ist (§ 15 Abs. 4 S. 2 bis 4 EntgTranspG). Dass auch bei der Anwendung eines Tarifvertrags Zweifel in Bezug auf die Eingruppierung und dadurch auch Zweifel in Bezug auf die Gleichwertigkeit einer Tätigkeit bestehen können, behandelt das Gesetz bedauerlicherweise nicht. Man wird allerdings davon ausgehen können, dass hier die gleiche Vorgehensweise geboten ist. Weitergehende Besonderheiten ergeben sich beim Auskunftsanspruch (§§ 14, 15 EntgTranspG) sowie der Berichtspflicht nach §§ 21, 22 EntgTranspG8.

c)

Auskunftserteilung durch den Arbeitgeber, die Tarifvertragsparteien oder den Betriebsrat

Ein formgerechtes Auskunftsverlangen kann auf unterschiedliche Weise beantwortet werden. Die Unterschiede betreffen den notwendigen Inhalt einer Antwort ebenso wie die Frage, wer die Antwort erteilt. Inhaltlich sollen folgende Grundsätze gelten: • Soweit sich die Auskunft auf die Kriterien und das Verfahren für die Festlegung des Entgelts bezieht, genügt es, auf gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen zu verweisen und einen Ort zu benennen, wo Einsichtnahme erfolgen kann, falls diese die Grundlage sind. Im Übrigen muss eine individuelle Rechtfertigung erfolgen (§ 11 Abs. 2 EntgTranspG). Dabei muss auf die individuellen Kriterien verwiesen werden, die – um §§ 3, 4 EntgTranspG nicht zu verletzen – keinen Bezug zum Geschlecht haben können. Damit kommen auch hier insbesondere leistungs-, arbeitsmarkt- oder arbeitsergebnisbezogene Kriterien ebenso wie längere Betriebszugehörigkeit oder Konsequenzen einer Übernahme nach § 613a BGB in Betracht. • Soweit es um die Angabe des Entgelts für eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit geht, die bei tarifgebundenen oder tarifanwendenden Arbeitgebern auf der Grundlage eines Tarifvertrags gezahlt wird, ist grundsätzlich der auf Vollzeitäquivalente hochgerechnete statistische Median des Entgelts der Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts in der gleichen Entgeltgruppe wie der oder die auskunftsverlangende Beschäftigte anzugeben (§ 11 Abs. 3 EntgTranspG). Bei den 8

Holler, NZA 2017, 822 ff.

426

Umsetzung des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz

übrigen Arbeitgebern muss der auf Vollzeitäquivalente hochgerechnete Median des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts eines Kalenderjahres der durch den Arbeitnehmer benannten Entgeltbestandteile aller Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts, die die jeweilige Vergleichstätigkeit ausüben, angegeben werden.

Bei Sachleistungen geht der Gesetzgeber von einer Mitteilung des finanziellen Werts entsprechender Zuwendungen aus (z. B. Dienstwagen mit Privatnutzung, betrieblicher Kitaplatz). Bei einer unterjährigen Beschäftigung ist eine Umrechnung vorzunehmen. Die Auskunft muss auch datenschutzrechtliche Aspekte der anderen Beschäftigten beachten. Vor diesem Hintergrund sieht § 12 Abs. 3 EntgTranspG vor, dass keine Angaben zum Vergleichsentgelt zu erfolgen haben, wenn die Vergleichstätigkeit von weniger als sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass nur die mit einer Beantwortung betrauten Personen Kenntnis von den hierfür notwendigen Daten erhalten. Losgelöst von den allgemeinen Aufgaben der Tarifvertragsparteien und des Betriebsrats nach §§ 6, 13 EntgTranspG sehen §§ 14, 15 EntgTranspG eine unmittelbare Einbindung der Arbeitnehmervertreter in die Auskunftserteilung vor9. • Bei tarifgebundenen oder tarifanwendenden Arbeitgebern soll die Auskunft grundsätzlich an den Betriebsrat gerichtet werden. Sinnvoll dürfte sein, bei einer solchen Auskunftserteilung durch den Betriebsrat bereits im Vorfeld Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Vergleichstätigkeiten und die Darstellung der Kriterien zur Entgeltfindung herzustellen. Gelingt dies nicht, ist dem Arbeitgeber zu empfehlen, festzulegen und den Beschäftigten mitzuteilen, dass Auskunftsverlangen an ihn zu richten sind. Der Arbeitgeber muss eine solche Entscheidung gegenüber dem Betriebsrat erläutern; die Übernahme kann längstens für die Dauer der Amtszeit des jeweils amtierenden Betriebsrats erfolgen. Das ist mit Blick auf die Betriebsratswahlen 2018 relevant. • Alternativ kann auch der Betriebsrat beschließen, dass die Auskunft durch den Arbeitgeber zu erteilen ist. Der Arbeitgeber muss einen solchen Beschluss hinnehmen. Auch dies ist den Beschäftigten mitzuteilen. Wenn kein Betriebsrat besteht, bleibt es bei der Verpflichtung des Arbeitgebers. In diesen Fällen kann der Betriebsrat aber auf einen 9

Vgl. Franzen, NZA 2017, 814 ff.

427

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Vertreter der Tarifvertragsparteien verweisen, den diese zu bestimmen haben. Alternativ können Arbeitgeber und Vertreter der Tarifvertragsparteien vereinbaren, dass die Vertreter die Beantwortung übernehmen (§ 14 EntgTranspG). • Bei allen anderen Arbeitgebern wendet sich der Arbeitnehmer zwar grundsätzlich an den Arbeitgeber. Allerdings soll auch hier der Betriebsrat zuständig sein, wenn nicht entsprechend den für tarifgebundene oder tarifanwendende Arbeitgeber getroffenen Regelungen die Zuständigkeit auf den Arbeitgeber verlagert wird. In allen Fällen sind die Beschäftigten über diese Entscheidung in Kenntnis zu setzen. Sie bindet Arbeitgeber und Betriebsrat nur bis zum Beginn der nächsten Amtsperiode des Betriebsrats (§ 15 EntgTranspG).

Der Betriebsrat hat den Arbeitgeber über eingehende Auskunftsverlangen in anonymisierter Form und umfassend zu informieren (§ 14 Abs. 1 S. 3 EntgTranspG). Umgekehrt muss der Arbeitgeber den Betriebsrat umfassend und rechtzeitig über eingehende Auskunftsverlangen sowie über seine Antwort informieren. Eine entsprechende Auskunftspflicht sieht das Gesetz gegenüber den Vertretern der Tarifvertragsparteien vor, wenn kein Betriebsrat besteht. Beide Regelungen enthalten keine Berechtigung zur Anonymisierung der Antworten (§ 14 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 EntgTranspG)10. Nach § 15 Abs. 3 EntgTranspG müssen Auskünfte durch den Arbeitgeber oder Betriebsrat innerhalb von drei Monaten erteilt werden. Auch wenn diese Regelung mit Blick auf die systematische Zuordnung nur für nicht tarifgebundene oder nicht tarifanwendende Arbeitgeber gilt, wird man sie angesichts der übergreifenden Begründung durch den Gesetzgeber wohl auf alle Fallgestaltungen anwenden müssen. Unabhängig davon haben Arbeitgeber oder Betriebsrat – man wird hier wohl auf die Zuständigkeit für das Auskunftsverlangen abstellen müssen – die Beschäftigten auf eine drohende Fristversäumnis hinzuweisen und dann ohne weiteres Verzögern Auskunft zu erteilen. Wird die Auskunftspflicht durch den Arbeitgeber nicht erfüllt, trägt er im Streitfall die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot i. S. d. Gesetzes vorliegt. Dem Wortlaut nach gilt das auch dann, wenn die Auskunft nicht ordnungsgemäß – also ggf. unvollständig oder fehlerhaft – erfüllt wird. Zugunsten des Arbeitnehmers verbessert das die Beweiserleichterung des § 22 AGG, nach der er jedenfalls Anhaltspunkte vor10 Vgl. Kuhn/Schwindling, DB 2017, 785, 788 f.; LAG Schleswig-Holstein v. 9.2.2016 – 1 TaBV 43/15, NZA-RR 2016, 356 Rz. 48 ff.

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Umsetzung des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz

tragen und ggf. beweisen muss, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Diskriminierung wegen des Geschlechts nahelegen. Auf die daraus folgende Notwendigkeit eines Vortrags zu dem Entgelt von Arbeitnehmern mit gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit des anderen Geschlechts will der Gesetzgeber offenbar verzichten. Nach § 15 Abs. 5 EntgTranspG gilt dies auch dann, wenn der Betriebsrat aus Gründen, die der Arbeitgeber zu vertreten hat, die Auskunft nicht erteilen konnte. Hiervon ist im Zweifel auszugehen, wenn dem Betriebsrat entgegen § 15 Abs. 4 S. 5 EntgTranspG die für seine Auskunft erforderlichen Informationen durch den Arbeitgeber nicht verfügbar gemacht werden.

d)

Entgelttransparenz als Anlass für Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG

Es steht zu erwarten, dass Auskunftsverlangen und Prüfverfahren nur in sehr seltenen Ausnahmen Anhaltspunkte für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung erkennbar machen. In vielen Fällen dürfte sich zwar bestätigen, dass Frauen häufig eine niedrigere Vergütung als Männer erhalten. Diese Entgeltdifferenz ist aber vor allem durch die unterschiedlichen Erwerbsbiographien begründet, ohne dass bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit wegen des Geschlechts differenziert wird. Sie ist vielfach die Folge einer kürzeren Ausübung der beruflichen Tätigkeit. Ungeachtet dessen steht zu erwarten, dass der Betriebsrat Auskünfte des Arbeitgebers zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung zum Anlass nehmen wird, seine Beteiligungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu überprüfen. Dies gilt umso mehr, als die Privilegien des Gesetzes für einen tarifgebundenen Arbeitgeber (§ 5 Abs. 4 EntgTranspG) oder tarifanwendenden Arbeitgeber (§ 5 Abs. 5 EntgTranspG) nur dann und insoweit greifen, als Entgeltbestandteile in Rede stehen, die kraft gesetzlicher oder vertraglicher Tarifbindung gewährt werden. Bei über- oder außertariflichen Leistungen wird der Arbeitgeber im Rahmen des Auskunftsverlangens wie ein Arbeitgeber ohne jede Form der Tarifbindung behandelt. Unerheblich, ob die Rechtsgrundlage auf einzelvertraglicher oder betrieblicher Ebene gesetzt wird. Insbesondere im Bereich der AT-Angestellten kann also der allgemeine Auskunftsanspruch geltend gemacht werden. Der Arbeitgeber muss in transparenter und nachvollziehbarer Weise beschreiben, welche Kriterien zu der Vergütung der Arbeitnehmer des anderen Geschlechts mit einer gleichen oder gleichwertigen Tätigkeit geführt haben. Wird dabei eine Regelhaftigkeit oder ein Bezug zur Arbeitsleistung erkennbar, was im Zweifel immer der Fall ist, liegt ein kollektiver Tatbestand vor, der ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begründet. Dieses Mitbestimmungsrecht kann auch initiativ 429

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

durch den Betriebsrat ausgeübt werden. Er kann also vom Arbeitgeber verlangen, dass die entsprechende Vergütung zukünftig nur noch auf der Grundlage einer Vereinbarung oder eines seine Zustimmung ersetzenden Spruchs der Einigungsstelle gezahlt wird. Grundsätzlich kann das Mitbestimmungsrecht sogar mit Blick auf Zahlungen der Vergangenheit geltend gemacht werden, wenn hier eine legitimierende Zustimmung des Betriebsrats fehlt11.

e)

Betriebliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung der Entgeltgleichheit

Die Regelungen zu den betrieblichen Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit in §§ 17 ff. EntgTranspG treffen Unternehmen mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten. Sie werden nur „aufgefordert“, solche Verfahren durchzuführen. Das betriebliche Prüfverfahren erfolgt in eigener Verantwortung der Arbeitgeber mit Hilfe verbindlicher Verfahren nach § 18 EntgTranspG und „unter Beteiligung“ der betrieblichen Interessenvertreter. Unklar ist, in welcher Form diese Beteiligung erfolgen soll, zumal das Gesetz keine neuen Beteiligungsrechte begründen soll12. Einerseits spricht § 18 Abs. 2 EntgTranspG davon, dass der Arbeitgeber „unter Berücksichtigung betrieblicher Mitwirkungsrechte“ frei in der Wahl von Analysemethoden und Arbeitsbewertungsverfahren sei. Andererseits verpflichtet ihn § 20 Abs. 1 EntgTranspG, den Betriebsrat über die Planung des betrieblichen Prüfverfahrens rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten. Letztgenannte Vorgabe würde an sich nur die Möglichkeit einer ergänzenden Überprüfung nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eröffnen. Dass die Betriebsräte als Folge des Hinweises auf die gesetzlichen Mitwirkungsrechte – ggf. über § 94 Abs. 2 BetrVG – ein echtes Mitbestimmungsrecht geltend machen, erscheint zwar möglich, aber schwer begründbar. Schließlich soll das Prüfverfahren keine neuen Bewertungsmaßstäbe festsetzen, sondern nur feststellen, nach welchen Kriterien die Entgeltfestsetzung in der Vergangenheit erfolgt ist und gegenwärtig erfolgen soll. Auch § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kommt nicht zur Anwendung, weil keine Lohngestaltung geplant ist. Folgerichtig besteht auch keine Befugnis des Betriebsrats, die Durchführung eines solchen Prüfverfahrens gegen den Willen des Arbeitgebers durchzusetzen. Er kann nur auf die Durchführungspflicht hinweisen.

11 Vgl. Kania, NZA 2017, 819, 821. 12 BT-Drucks. 18/11133 S. 69.

430

Umsetzung des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz

Zur inhaltlichen Ausgestaltung bestimmt das Gesetz nur, dass die Prüfverfahren aus Bestandsaufnahme, Analyse und Ergebnisbericht bestehen müssen. Die Zeitspanne muss es zulassen, alle beim Arbeitgeber tatsächlich vereinbarten und auch gezahlten Entgeltbestandteile in das Prüfungsverfahren einzubeziehen. Eine Bindung an bestimmte Analysemethoden und Arbeitsbewertungsverfahren besteht nicht. Eine geeignete Grundlage hierfür ist nach der Begründung des Gesetzes der ILO-Leitfaden „Gendergerechtigkeit stärken – Entgeltgleichheit sicherstellen“. Allerdings sind unter Wahrung des Schutzes personenbezogener Daten valide statische Methoden zu verwenden und die Daten nach Geschlecht aufzuschlüsseln. Bestandsaufnahme und Analyse erfassen die aktuellen Entgeltregelungen, Entgeltbestandteile und Arbeitsbewertungsverfahren und werten diese in Bezug auf den Betrieb und unter Ausgrenzung regionaler Unterscheidungen für gleiche und gleichwertige Tätigkeiten im Hinblick auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots aus. Was eine „Region“ ist, definiert das Gesetz indes nicht. Unabhängig davon sind tarifvertragliche Entgelte von einer Überprüfung der Gleichwertigkeit der Tätigkeit ausgenommen (§ 18 Abs. 2, 3 EntgTranspG). Die Ergebnisse von Bestandsaufnahme und Analyse werden zusammengefasst und können betriebsintern veröffentlicht werden. Eine Verpflichtung hierzu sieht das Gesetz nicht vor (§ 18 Abs. 4 EntgTranspG). Darüber hinaus sind die Beschäftigten über die Ergebnisse des betrieblichen Prüfverfahrens zu informieren (§ 20 Abs. 2 EntgTranspG). Eine bestimmte Form- oder Fristvorgabe nennt das Gesetz indes nicht. Allerdings bewirkt der Verweis auf §§ 43 Abs. 2, 53 Abs. 2 BetrVG, dass die Ergebnisse auch zum Gegenstand der Information im Rahmen einer Betriebs- und Abteilungsversammlung bzw. der Betriebsräteversammlung gemacht werden müssen.

f)

Bericht zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit

§ 21 EntgTranspG verpflichtet Unternehmen mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten, die zur Erstellung eines Lageberichts nach §§ 264, 289 HGB verpflichtet sind, einen Bericht über Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und deren Wirkungen sowie Maßnahmen zur Herstellung der Entgeltgleichheit sowie ihre grundlegenden Entgeltregelungen und Arbeitsbewertungsverfahren zu erstellen. Dazu gehören Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern sowie deren Wirkung und Maßnahmen, die die Entgeltgleichheit für Frauen und Männer herstellen sollen. Arbeitgeber, die keine solchen Maßnahmen durch431

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

führen, müssen dies in ihrem Bericht begründen. Damit möchte man eine mittelbare Drucksituation erzeugen („naming & shaming“), die durchaus zur Folge haben kann, dass verstärkt auch das freiwillige Prüfverfahren – ggf. in einer weniger aufwändigen Form - durchgeführt wird. Schließlich kann nur über Maßnahmen berichtet werden, die auch tatsächlich durchgeführt wurden. Der erste Bericht muss bereits 2018 erstellt werden und die Maßnahmen des Jahres 2016 betreffen. Diese Vorverlegung der Berichtspflicht überzeugt nicht, weil sie Zeiträume betrifft, in denen jedenfalls das EntgTranspG noch nicht in Kraft gesetzt war. Die Folgeberichte sind mit einem drei- bzw. fünfjährigen Bezugszeitraum 2021 (nicht tarifgebundene Unternehmen) und 2023 (tarifgebundene und tarifanwendende Unternehmen) zu erstellen. Kommt der Arbeitgeber seiner Berichtspflicht nicht nach, können keine Sanktionen festgelegt werden. Denkbar ist allerdings, dass dies durch die Wirtschaftsprüfer festgehalten wird. Darüber hinaus könnte versucht werden, in der fehlenden Durchführung entsprechender Prüfverfahren und der Missachtung der gesetzlichen Berichtspflicht ein Indiz für die Benachteiligung von Frauen zu sehen13. Ungeachtet dessen dürften personal- und unternehmenspolitische Überlegungen zur Folge haben, dass auch ohne gesetzliche Pflicht entsprechende Prüfverfahren durchgeführt werden. Sinnvoll erscheint aber, erst einmal abzuwarten, welche Verfahren sich insoweit als geeignet und vom Aufwand zugleich auch als angemessen erweisen. (Ga)

2.

Untergang des Anspruchs auf Verlängerung der Arbeitszeit bei der Besetzung der Stelle mit einem anderen Arbeitnehmer

§ 9 TzBfG verpflichtet den Arbeitgeber, einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer dem entgegenstehen. Nach ihrem Wortlaut enthält die Vorschrift zwar keinen unmittelbar auf Erhöhung der Arbeitszeit gerichteten Anspruch. Der Arbeitgeber hat den Wunsch lediglich „bevorzugt zu berücksichtigen”14. Ungeachtet dessen geht es um das gesetzlich begrün13 Vgl. Grimm/Freh, ArbRB 2017, 311, 314. 14 Vgl. die Richtlinie 97/81/EG des Rates v. 15.12.1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit. § 5 Abs. 3 lit. b „Teil-

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Untergang des Anspruchs auf Verlängerung der Arbeitszeit

dete Gebot, mit dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag über die verlängerte Arbeitszeit abzuschließen. Diese Deutung folgt nach Ansicht des BAG15 aus dem Zusammenhang mit § 8 TzBfG. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die Bereitschaft zum Wechsel in Teilzeit gesteigert wird, wenn dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Rückkehr zu einer erhöhten Arbeitszeit eingeräumt wird16. Dieser Zweck werde nur erreicht, wenn der Arbeitnehmer einen durchsetzbaren Anspruch gegen den Arbeitgeber auf vertragliche Verlängerung der Arbeitszeit erwirbt. Vorausgesetzt wird für den Anspruch des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers auf Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit insbesondere, dass der Arbeitgeber einen freien Arbeitsplatz mit der vom Arbeitnehmer gewünschten längeren Arbeitszeit zu besetzen hat17. Der Arbeitnehmer hat regelmäßig keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber zu besetzende Arbeitsplätze nach den Arbeitszeitwünschen des Arbeitnehmers zuschneidet oder ihm die für einen anderen Arbeitsplatz vorgesehene Arbeitszeit ganz oder teilweise zuteilt. Der aktuell zu besetzende freie Arbeitsplatz ist danach Tatbestandsvoraussetzung. Ein Anspruch auf ganze oder teilweise Verteilung der Arbeitszeit eines zu besetzenden freien Arbeitsplatzes auf einen oder mehrere Teilzeitarbeitsplätze wird davon regelmäßig nicht gedeckt18. Zudem liegt das Erfordernis eines entsprechenden Arbeitsplatzes regelmäßig nur dann vor, wenn die zu besetzende Stelle inhaltlich mit dem Arbeitsplatz vergleichbar ist, auf dem der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ausübt, sodass grundsätzlich beide Tätigkeiten dieselben Anforderungen an die persönliche und fachliche Eignung des Arbeitnehmers stellen müssen19. Ein angezeigter Verlängerungswunsch verpflichtet den Arbeitgeber nicht schon dazu, dem Arbeitnehmer bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes einen Vertragsantrag i. S. v. § 145 BGB auf Abschluss eines Arbeitsvertrags mit erhöhter Arbeitszeit zu unterbreiten. Vielmehr löst die Anzeige des Arbeitnehmers die in § 7 Abs. 2 TzBfG bestimmten Pflichten des Arbeitgebers aus. Er hat den Arbeitnehmer über den freien Arbeitsplatz zu informieren. Es

15 16 17 18 19

zeitarbeitsmöglichkeiten” der Richtlinie lautet: „Die Arbeitgeber sollten, soweit dies möglich ist, Anträge von Teilzeitbeschäftigten auf Wechsel in ein Vollzeitarbeitsverhältnis oder auf Erhöhung ihrer Arbeitszeit, wenn sich diese Möglichkeit ergibt, berücksichtigen”. BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 8/06, NZA 2007, 255 Rz. 18 ff. BT-Drucks. 14/4374 S. 18. BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 8/06, NZA 2007, 255 Rz. 18 ff. BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 8/06, NZA 2007, 255 Rz. 27. BAG v. 16.9.2008 – 9 AZR 781/07, NZA 2008, 1285 Rz. 21.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

bleibt dann dem Arbeitnehmer überlassen, ob er seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu dem vom Arbeitgeber vorgesehenen Termin und im entsprechenden Umfang erhöhen will. Entspricht dies seinem Wunsch, so hat er die Initiative zu ergreifen und dem Arbeitgeber ein hierauf bezogenes Vertragsangebot anzutragen. Unterlässt der Arbeitgeber die an sich gebotene Information nach § 7 Abs. 2 TzBfG, ergeben sich keine anderen Rechtsfolgen. Auch dann ist es Sache des Arbeitnehmers, ein Vertragsangebot zu unterbreiten und, soweit keine Einigung zustande kommt, den Anspruch gerichtlich zu verfolgen20. Die Ablehnung der Verlängerung der vertraglichen Arbeitszeit ist nur bei entgegenstehenden dringenden betrieblichen Gründen zulässig, weil der entsprechende Arbeitsplatz vorhanden ist und es um die personelle Auswahl zwischen mehreren Bewerbern und nicht um die dem Arbeitgeber vorbehaltene betriebliche Organisation geht. Bei gleicher Eignung können Ablehnungsgründe nur auf Umstände gestützt werden, die mit dem zeitlichen Zuschnitt des Arbeitsplatzes nichts zu tun haben21. In der Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 18.7.201722 ging es um eine Verlängerung der Arbeitszeit einer teilzeitbeschäftigten Krankenschwester, die im Umfang von 50 % der Regelarbeitszeit einer Vollzeitkraft beschäftigt wurde und am 9.2.2015 ihr Interesse an einer Vollzeitbeschäftigung gegenüber der Beklagten bekundet hatte. Diese besetzte im April 2015 fünf freie Vollzeitarbeitsplätze mit neu eingestellten examinierten Krankenschwestern und Krankenpflegern, ohne die Klägerin zu berücksichtigen. Die Klägerin nahm daraufhin die Beklagte auf Erhöhung ihrer Arbeitszeit von 19,5 Stunden pro Woche auf 39 Stunden pro Woche ab dem 1.3.2015 in Anspruch. Das ArbG hat der Klage stattgegeben, das LAG die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Das BAG hat zunächst die Klage auf Abgabe einer Willenserklärung der Beklagten i. S. v. § 894 S. 1 ZPO als Leistungsklage für zulässig erachtet, allerdings ihre Begründetheit verneint, weil die Beklagte nicht verpflichtet sei, das Angebot der Klägerin anzunehmen. Ihr war nämlich die Erfüllung des etwaigen Anspruchs der Klägerin aus § 9 TzBfG aufgrund der Besetzung der freien Stellen zum 1.4.2015 unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 BGB).

20 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 Rz. 23; BAG v. 1.6.2011 - 7 ABR 117/09, NZA 2011, 1435 Rz. 29. 21 BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 8/06, NZA 2007, 255 Rz. 28, 30. 22 BAG v. 18.7.2017 – 9 AZR 259/16, NZA 2017, 1401.

434

Untergang des Anspruchs auf Verlängerung der Arbeitszeit

Ungeachtet des Umstandes, dass die allgemeinen Voraussetzungen des § 9 TzBfG zugunsten der Klägerin im Übrigen vorlagen, setzt diese Vorschrift Beschäftigungskapazitäten voraus, die – wie das BAG betont – nur dann vorhanden sind, wenn der Arbeitgeber in dem Beschäftigungsbetrieb nach einer entsprechenden Organisationsentscheidung einen noch freien Arbeitsplatz besetzen will. Maßgeblicher Zeitpunkt dafür, ob eine derartige Beschäftigungskapazität besteht, ist nach Auffassung des BAG der Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LAG. Da die Beklagte zu diesem Zeitpunkt die entsprechenden zur Verfügung gestellten Arbeitsplätze bereits anderweitig besetzt hatte, gab es keinen freien Arbeitsplatz i. S. d. § 9 TzBfG, sodass der Anspruch der Klägerin auf Verlängerung ihrer Arbeitszeit mangels Erfüllbarkeit seitens des Arbeitgebers nach § 275 Abs. 1 BGB untergegangen war23. Da § 9 TzBfG den Anspruch des Arbeitnehmers an das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes bindet, kann der Arbeitnehmer – so das BAG – auch nicht beanspruchen, dass der Arbeitgeber einen neuen Arbeitsplatz schafft oder zur Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes Überstunden abbaut, um dem Arbeitnehmer doch noch zu einer Erhöhung seiner Arbeitszeit zu verhelfen. In diesem Zusammenhang verneint das BAG auch ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten und damit eine entsprechende Anwendung von § 162 BGB bei der Besetzung der vakanten Arbeitsplätze gegenüber der Klägerin, weil ihr Arbeitsverhältnis im Gegensatz zum Kündigungsfall24 keine Veränderung erfährt und der Arbeitgeber bei einem Untergang eines begründeten Anspruchs durch Besetzung des entsprechenden Arbeitsplatzes dem Arbeitnehmer gegenüber nach §§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 Abs. 2, 283 S. 1 BGB auf Schadensersatz haftet25. Schließlich lehnt es das BAG ab, der Klägerin über den Weg eines Schadensersatzanspruchs mit Naturalrestitution nach Maßgabe von § 249 BGB einen durchsetzbaren Anspruch auf Erhöhung ihrer Arbeitszeit einzuräumen. 23

24

25

Ebenso BAG v. 1.6.2011 – 7 ABR 117/09, NZA 2011, 1435 Rz. 31; LAG Köln v. 12.8.2015 – 11 Sa 115/15 n. v.; LAG Baden-Württemberg v. 21.3.2013 – 6 TaBV 9/12 n. v.; ErfK/Preis, TzBfG § 9 Rz. 13; Boewer, TzBfG § 9 Rz. 48; Gotthardt, NZA 2001, 1183, 1189; Schüren, AuR 2001, 321, 323. BAG v. 5.6.2008 – 2 AZR 107/07, NZA 2008, 1180 Rz. 16: Dem Arbeitgeber ist es nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB verwehrt, sich auf den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten im Kündigungszeitpunkt zu berufen, wenn dieser Wegfall treuwidrig herbeigeführt wurde. BAG v. 1.6.2011 – 7 ABR 117/09, NZA 2011, 1435 Rz. 31; vgl. aber im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG für den öffentlichen Dienst: BAG v. 12.4.2016 – 9 AZR 673/14, NZA 2016, 1279 Rz. 28.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Besetzt ein Arbeitgeber eine freie Stelle i. S. d. § 9 TzBfG und führt dies zum Untergang des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Vertragsänderung (§ 275 Abs. 1 BGB), hat er dem Arbeitnehmer Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB zu leisten, sofern er das zur Unmöglichkeit führende Verhalten zu vertreten hat (§§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 Abs. 2, 283 S. 1 BGB). Der danach zu leistende Schadensersatz ist nach Ansicht des BAG26 allein auf den finanziellen Ausgleich der Nachteile gerichtet, die der Arbeitnehmer infolge der Stellenbesetzung in kausaladäquater Weise erleidet. Einen Anspruch auf Vertragsänderung lehnt das BAG im Hinblick auf § 15 Abs. 6 AGG ab, weil diese Vorschrift im Sinne eines allgemeinen Rechtsgedankens den Grundsatz der Naturalrestitution über den Bereich des Diskriminierungsschutzes hinaus einschränkt. Es könne nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber bei einem den Arbeitnehmer diskriminierenden Verhalten des Arbeitgebers Schadensersatzansprüche auf die Leistung eines finanziellen Ausgleichs beschränken wollte, dem bei der Auswahl übergangenen Arbeitnehmer aber bei den typischerweise27 deutlich weniger gewichtigen Verstößen gegen das Berücksichtigungsgebot des § 9 TzBfG einen Schadensersatzanspruch zuerkennen wollte, der den Abschluss eines Vertrags zum Gegenstand hat. Da die Klägerin mit ihrer Klage keinen Schadensersatz in Geld, sondern eine Naturalrestitution in Gestalt der Erhöhung ihrer Arbeitszeit geltend gemacht hatte, konnte ihre Revision gegen die abweisende Entscheidung des LAG keinen Erfolg haben. Für die betriebliche Praxis wird mit dieser Entscheidung klargestellt, dass ein mit einem berechtigten Anspruch nach § 9 TzBfG übergangener Arbeitnehmer nur einen finanziellen Ausgleich vom Arbeitgeber beanspruchen kann. Dieser schuldet nach §§ 251 Abs. 1, 252 BGB Ersatz des entgangenen Verdienstes ohne zeitliche Begrenzung, solange die schuldhafte Nichterfüllung des Anspruchs aus § 9 TzBfG andauert. Diese Auswirkung wird den Arbeitgeber veranlassen, zügig den Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers zu erfüllen, um eine dauerhafte Vergütungsleistung ohne Gegenleistung zu vermeiden. (Boe)

26 27

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BAG v. 18.7.2017 – 9 AZR 259/16, NZA 2017, 1401 Rz. 41. BAG v. 16.9.2008 – 9 AZR 781/07, NZA 2008, 1285 Rz. 50.

Geltendmachung eines Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung

3.

Befristete Einstellung eines vollzeitbeschäftigten Vertreters nach Geltendmachung eines Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung

Nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der bei Abschluss des Vertrags zu beurteilende Grund28 für die Befristung liegt nach ständiger Rechtsprechung des BAG29 in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Arbeitnehmers rechnet. Für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Arbeitnehmer obliegenden Aufgaben durch einen Vertreter besteht von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Der Sachgrund der Vertretung setzt daher einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung des Vertreters voraus. Der Einsatz des Vertreters muss wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgen, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Arbeitnehmers entsteht. Anders als beim Sachgrund des nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG muss im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht30. Die Anforderungen an die Darlegung des Kausalzusammenhangs durch den Arbeitgeber richten sich dabei nach der Form der Vertretung31, wobei das BAG32 zwischen unmittelbarer, mittelbarer und gedanklicher Vertretung differenziert. Letzteres ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich in der Lage wäre, dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer im Falle seiner Anwesenheit die dem Vertreter zugewiesenen Aufgaben zu übertragen33. Anders als bei der gedanklichen Zuordnung erfordert es der Sachgrund der Vertretung bei 28 Etwa BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, NZA 2017, 382 Rz. 15; BAG v. 24.8.2016 – 7 AZR 41/15, NZA 2017, 307 Rz. 19. 29 Vgl. nur BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, NZA 2017, 382 Rz. 14; BAG v. 16.1.2013 – 7 AZR 661/11, NZA 2013, 614 Rz. 13; BAG v. 6.10.2010 – 7 AZR 397/09, NZA 2011, 1155 Rz. 19 ff. m. w. N. 30 BAG v. 24.8.2016 – 7 AZR 41/15, NZA 2017, 307 Rz. 26. 31 BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 113/13, NZA 2015, 617 Rz. 17; BAG v. 6.11.2013 - 7 AZR 96/12, NZA 2014, 430 Rz. 21 m. w. N. 32 Ausführlich BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 113/13, NZA 2015, 617 Rz. 18-20. 33 BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 113/13, NZA 2015, 617 Rz. 20; BAG v. 18.7.2012 - 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351 Rz. 17.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

unmittelbarer und mittelbarer Vertretung nicht, dass der zu vertretende Arbeitnehmer an der Erbringung der Arbeitsleistung insgesamt gehindert ist34. Auch durch die vorübergehende Abordnung einer Stammkraft kann nach Auffassung des BAG35 ein Vertretungsbedarf i. S. d. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG entstehen. Die Zulässigkeit der Abordnungsbefristung setzt allerdings voraus, dass der Arbeitgeber die damit verbundene Umorganisation unmittelbar oder mittelbar mit einer befristeten Neueinstellung verbindet, d. h. der befristet neu eingestellte Arbeitnehmer unmittelbar für die anderweitig eingesetzte Stammkraft beschäftigt wird oder sich die Verbindung zu diesem anderweitigen Einsatz durch eine Vertretungskette vermittelt36. Eine gedankliche Vertretung der abgeordneten Stammkraft durch den befristet beschäftigten Arbeitnehmer scheidet allerdings als Sachgrund aus37. In diesem Fall hat der Arbeitgeber von seinen Versetzungs- und Umsetzungsbefugnissen bereits dadurch Gebrauch gemacht, dass er die von ihrem Arbeitsplatz vorübergehend abwesende Stammkraft anderweitig eingesetzt hat. Da der Arbeitgeber von seinen Versetzungs- und Umsetzungsbefugnissen – bei identischem Anlass – nur einmal Gebrauch machen kann, wird damit gleichzeitig eine weitere gedankliche Vertretung für die Ersatzkraft verbraucht38. In der Entscheidung des BAG vom 12.4.201739 ging es erneut um die vom Arbeitgeber anzustellende Prognose der Rückkehr einer abgeordneten Stammkraft an ihren bisherigen Arbeitsplatz bezüglich des Vertretungsbedarfs eines befristet eingestellten Arbeitnehmers. Der Kläger war bei der Beklagten vom 2.2.2009 bis zum 28.12.2013 aufgrund von neun befristeten Arbeitsverträgen als Briefzusteller beschäftigt. Anlass für diese befristete Tätigkeit bildete der Umstand, dass eine vormals auf dem Arbeitsplatz des Klägers in Vollzeit eingesetzte Mitarbeiterin (Beamtin) mit einer vorübergehend reduzierten Arbeitszeit für den gleichen Zeitraum vom Zustellungsstützpunkt in die Postfachverteilung versetzt bzw. abgeordnet worden war. Im vorletzten Arbeitsvertrag des Klägers vom 9.1.2013 bis zum 30.9.2013 wurde auch als Befristungsgrund die Vertretung wegen vorübergehender 34 BAG v. 13.2.2013 – 7 AZR 324/11 n. v. Rz. 22; BAG v. 16.1.2013 – 7 AZR 661/11, NZA 2013, 614 Rz. 14; a. A. aber LAG Baden-Württemberg v. 21.5.2012 – 1 Sa 34/11 n. v. Rz. 40; LAG Köln v. 16.3.2011 – 9 Sa 1308/10 n. v. Rz. 29. 35 BAG v. 12.4.2017 – 7 AZR 436/15, NZA 2017, 1253 Rz. 21; BAG v. 10.7.2013 - 7 AZR 761/11, NZA 2014, 26 Rz. 16. 36 BAG v. 12.4.2017 – 7 AZR 436/15, NZA 2017, 1253 Rz. 21. 37 BAG v. 12.4.2017 – 7 AZR 436/15, NZA 2017, 1253 Rz. 21; BAG v. 16.1.2013 - 7 AZR 662/11, NZA 2013, 611 Rz. 20. 38 BAG v. 16.1.2013 – 7 AZR 662/11, NZA 2013, 611 Rz. 23. 39 BAG v. 12.4.2017 – 7 AZR 436/15, NZA 2017, 1253.

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Geltendmachung eines Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung

Abwesenheit dieser Beamtin angegeben. Den letzten befristeten Arbeitsvertrag vom 18.9.2013 unterzeichnete der Kläger unter dem Vorbehalt der rechtlichen Klärung der Wirksamkeit der Befristung vom 9.1.2013. Mit seiner am 13.9.2013 beim ArbG eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Befristung zum 30.9.2013 und zum 28.12.2013 zur Wehr gesetzt. Im Gegensatz zum ArbG, das der Klage entsprochen hat, hat das LAG die Klage des Klägers abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung der Entscheidung durch das LAG und zur Zurückverweisung. Zunächst ging es um die Frage, ob über die im vorletzten Arbeitsvertrag der Parteien vom 9.1.2013 vereinbarte Befristung zum 30.9.2013 im Wege der Entfristungsklage nach § 17 TzBfG zu entscheiden war, weil grundsätzlich nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrags auf ihre Rechtfertigung zu überprüfen ist. Nach der Rechtsprechung des BAG40 heben nämlich die Parteien mit Abschluss des letzten befristeten (schriftlichen) Arbeitsvertrags zugleich ein etwaig unbefristetes Arbeitsverhältnis auf. Allerdings kann dem Arbeitnehmer ausdrücklich oder konkludent vertraglich in einem nachfolgenden befristeten Arbeitsvertrag das Recht vorbehalten werden, die Wirksamkeit der Befristung des vorangegangenen Vertrags einer gerichtlichen Kontrolle unterziehen zu dürfen41. Davon ist das BAG im Streitfall ausgegangen, weil der Kläger bei Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrags im September 2013 seine Unterschrift mit dem Vorbehalt der rechtlichen Klärung der Wirksamkeit der Befristung vom 9.1.2013 verbunden hat und die Beklagte diesen Vorbehalt konkludent durch die Weiterbeschäftigung des Klägers über den 30.9.2013 hinaus akzeptiert hat. Angesichts dessen war die rechtzeitig erhobene Entfristungsklage nach § 17 S. 1 TzBfG auf die letzten beiden Befristungsabreden zu beziehen. Soweit der Sachgrund der Befristung in Rede stand, kam als Anlass lediglich eine Abordnungsvertretung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG in Betracht. Insofern bedurfte es zum Zeitpunkt des jeweiligen Abschlusses der zuletzt getroffenen Befristungsabreden der Prognose der Beklagten, ob die vorübergehend abgeordnete Stammkraft auf ihre Vollzeitstelle in der Briefzustellung nach Ablauf der ihr bewilligten Teilzeitbeschäftigung zurückkehren würde. Das BAG knüpft hierbei an seine bereits für die Abordnungsvertretung entwickelten Grundsätze an, wonach der Arbeitgeber bei der Abordnung einer 40 BAG v. 12.4.2017 – 7 AZR 436/15, NZA 2017, 1253 Rz. 13; BAG v. 23.3.2016 - 7 AZR 70/14, NZA 2016, 954 Rz. 18. 41 BAG v. 12.4.2017 – 7 AZR 436/15, NZA 2017, 1253 Rz. 13 m. w. N.; BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 70/14, NZA 2016, 954 Rz. 18.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Stammkraft regelmäßig nicht schon dann mit der Rückkehr der Stammkraft rechnen kann, wenn diese einen Anspruch auf Wiederaufnahme ihrer bisherigen Tätigkeit hat, wie dies etwa bei Fällen von Krankheit, Urlaub oder Freistellung der Fall ist. Im Gegensatz zu derartigen fremdbestimmten Ausfällen des Arbeitnehmers ist die Rückkehr des abgeordneten Arbeitnehmers auf seinen Stammarbeitsplatz vom Arbeitgeber häufig plan- und steuerbar, sodass dieser strukturelle Unterschied auch bei der anzustellenden Rückkehrprognose zu beachten ist. Hierbei ist – wie das BAG näher begründet – von Bedeutung, ob die Rückkehr der Stammkraft auf ihren bisherigen Arbeitsplatz automatisch erfolgen sollte oder einer entsprechenden Entscheidung des Arbeitgebers bedurfte. Kurzum geht es entscheidend darum, ob der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit der Ersatzkraft berechtigterweise von der Rückkehr der abgeordneten Stammkraft ausgehen musste. Hierzu bedarf es im Prozess eines entsprechenden Vorbringens des Arbeitgebers, das seine Prognoseentscheidung ausreichend stützt. Auf den Streitfall bezogen war zusätzlich zu prüfen, ob die abgeordnete Stammkraft anschließend wieder in Vollzeit auf ihren bisherigen Arbeitsplatz zurückgekehrt wäre. Im Hinblick auf diese Prognosefrage hatte das LAG keinerlei Feststellungen getroffen, sodass das BAG nicht in der Sache selbst entscheiden konnte. Hinzu trat der Umstand, dass die Parteien darüber gestritten hatten, ob die abgeordnete Mitarbeiterin hätte automatisch wieder in Vollzeit im Bereich der Briefzustellung arbeiten müssen. Da sich das ArbG bei der Befristungskontrolle aus unionsrechtlichen Gründen (§ 5 Nr. 1 lit. a der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG vom 28.6.1999)42 nicht nur auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds beschränken darf, sondern zusätzlich verpflichtet ist, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass der Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreift, ist nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) zusätzlich eine Kontrolle der Befristungsabrede angezeigt43. Diese verlief negativ, weil erst bei einer Überschreitung der Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses von sechs Jahren und mehr als neun Vertragsverlängerungen nach der Rechtsprechung des BAG44 die Rechtsmissbrauchskontrolle beginnt. Im Streitfall ging es um sieben Ver-

42 EuGH v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 Rz. 40 – Kücük; BAG v. 29.4.2015 - 7 AZR 310/13, NZA 2015, 928 Rz. 24. 43 Etwa BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, NZA 2017, 382 Rz. 26. 44 BAG v. 12.4.2017 – 7 AZR 436/15, NZA 2017, 1253 Rz. 34; BAG v. 26.10.2016 - 7 AZR 135/15, NZA 2017, 382 Rz. 26.

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Befreiung von den Schranken des Arbeitszeitrechts durch Heimarbeit

tragsverlängerungen bei einer Gesamtlaufzeit der Verträge von knapp fünf Jahren. Für die betriebliche Praxis lässt sich auch aus dieser Entscheidung das Resümee ziehen, dass Vertretungsbefristungen vom BAG durchaus großzügig in verschiedenen Varianten als Sachgrund zugelassen werden, insbesondere, was die gedankliche Vertretung und die Abordnungsvertretung betrifft. Allerdings treffen den Arbeitgeber gerade in den letzten beiden Fällen verstärkte Darlegungspflichten, die es dem Gericht erlauben, die Plausibilität der Vertretung im Hinblick auf die Kausalität nachvollziehen zu können. (Boe)

4.

Befreiung von den Schranken des Arbeitszeitrechts durch Heimarbeit

In der betrieblichen Praxis besteht vielfach ein wechselseitiges Bedürfnis auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, die Arbeitszeit flexibel zu gestalten. Dazu gehört auch und insbesondere die Möglichkeit, ohne arbeitszeitrechtliche Schranken am Wochenende sowie an Feiertagen zu arbeiten sowie Ruhezeiten und Pausen deutlich stärker den persönlichen Bedürfnissen anzupassen. Wie wir an anderer Stelle bereits ausgeführt haben45, können solche Überlegungen im Rahmen des geltenden Arbeitszeitrechts kaum verwirklicht werden. Denn in der Regel sind die Voraussetzungen für eine individual- oder kollektivrechtliche Ausnahme und/oder die behördliche Genehmigung eines abweichenden Verhaltens durch den in Rede stehenden Sachverhalt nicht gegeben. Hinzu kommt, dass aus dem persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes im Zweifel nur leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sowie Chefärzte ausgegrenzt werden. Solange hier keine Erweiterung der Ausgrenzung auf sonstige Führungskräfte erfolgt, was unionsrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen möglich wäre, muss deshalb im Arbeitsverhältnis regelmäßig auf die Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Schranken geachtet werden. Das Urteil des BAG vom 14.6.201646 macht jetzt allerdings deutlich, dass es schon aufgrund der heutigen Rechtslage möglich ist, jedenfalls für einen kleinen Kreis der im Home-Office beschäftigten Personen, eine Form der Beschäftigung zuzulassen, die die vorstehenden Schranken des Arbeitszeit-

45 Vgl. zuletzt B. Gaul, AktuellAR 2017, 29 ff. 46 BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 305/15, NZA 2016, 1453.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

rechts unberücksichtigt lässt. Voraussetzung ist, dass die Beschäftigung nicht auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses, sondern als Heimarbeiter im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 HAG erfolgt. In dem zugrundeliegenden Fall war der Kläger von 1989 bis 1992 zunächst einmal auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten als Bauingenieur/Programmierer beschäftigt. Ihm oblag dabei die Pflege und Weiterentwicklung der von der Beklagten vertriebenen Software. Anlässlich eines Umzugs kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 1.7.1992 und bekundete sein Interesse an einer weiteren Beschäftigung als freier Mitarbeiter. Die Parteien setzten daraufhin ihre Zusammenarbeit fort, wobei diese formal als freies Mitarbeiterverhältnis ausgestaltet war. Eine schriftliche Vereinbarung über diese Form der Beschäftigung wurde indes nicht getroffen. Da der neue Wohnort des Klägers 180 km vom Betrieb der Beklagten entfernt war, arbeitete der Kläger zu Hause. Allenfalls ein- oder zweimal im Jahr war der Kläger im Betrieb anwesend. Den Umfang seiner Arbeitszeit teilte sich der Kläger frei ein. Auf diese Weise konnte er dem privaten Aufwand eines Studiums der Bauinformatik und dem Neubau eines Einfamilienhauses Rechnung tragen. Bei seiner Arbeit nutzte der Kläger das „Betriebssystem S“, das ihm durch die Beklagte auf der Grundlage einer dieser gewährten Lizenz zur Verfügung gestellt wurde. Im Übrigen arbeitete er im Wesentlichen mit eigener Hardware. Grundlage waren Prüfaufträge, die ihm durch die Beklagte oder einzelne Mitarbeiter zugeschickt wurden. Mit Schreiben vom 12.8.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ihre Gesellschafterversammlung habe beschlossen, das Unternehmen mit Ablauf des 31.12.2013 aufzulösen und zu liquidieren. Der Betrieb sollte zu diesem Zeitpunkt stillgelegt werden. Für ihn als langjährigen „Subunternehmer“ bedeute dies, dass er zukünftig keine neuen Aufträge mehr erhalten werde. Der Kläger wollte diese Form der Beendigung der Zusammenarbeit nicht akzeptieren und erhob Klage festzustellen, dass zwischen den Parteien auch nach dem Hinweis der Beklagten auf die beabsichtigte Betriebsstilllegung ein (ungekündigtes) Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestehe. Die Beklagte hielt dies aufgrund der Art und Weise der Beschäftigung des Klägers für unbegründet. Unabhängig davon warf sie dem Kläger vor, dass er treuwidrig handele, wenn er sich nach 21 Jahren eines klaren Einvernehmens in Bezug auf eine Beschäftigung auf Werkvertragsbasis nunmehr auf ein Arbeitsverhältnis berufe.

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Befreiung von den Schranken des Arbeitszeitrechts durch Heimarbeit

Entgegen der Auffassung des LAG Hessen hat das BAG in seinem Urteil vom 14.6.201647 das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses abgelehnt. Denn nach den bereits durch das LAG Hessen getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kläger im Wesentlichen frei gewesen sei, seine Tätigkeit zu gestalten und seine Arbeitszeit zu bestimmen. Auch unter Berücksichtigung der richterrechtlich zur Kennzeichnung eines Arbeitsverhältnisses entwickelten Grundsätze, die inzwischen in § 611 a Abs. 1 BGB festgehalten sind48, zeige dies, dass die für ein Arbeitsverhältnis notwendige Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten nicht gegeben war. Zur Begründung hat das BAG darauf verwiesen, dass der Kläger nicht nur frei bei der Wahl des Arbeitsorts und hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit gewesen sei. Er habe auch frei darüber entscheiden können, ob und in welchem Umfang er seine Tätigkeiten für die Beklagte erbringe. Von einem Arbeitsverhältnis könne hiervon abweichend nur ausgegangen werden, wenn der potenzielle Arbeitgeber nach dem rechtsgeschäftlichen Willen der Parteien die Möglichkeit habe, dem potenziellen Arbeitnehmer einseitig, also unabhängig von seiner Bereitschaft, Aufgaben zuzuweisen und damit den Inhalt der Arbeitsleistung näher zu bestimmen (§ 106 S. 1 GewO)49. Das war gerade nicht der Fall. Ein Arbeitsverhältnis war nach Auffassung des BAG auch nicht bereits deshalb gegeben, weil die Beklagte die vom Kläger übernommenen Arbeitsaufgaben durch fachliche Anweisungen näher konkretisiert. Auch ein Selbständiger könne bei seiner Tätigkeit Weisungen seines Vertragspartners unterworfen sein. So könne der Dienstberechtigte dem Dienstpflichtigen oder dessen Erfüllungsgehilfen auch im Rahmen eines freien Dienstvertrags Ausführungsanweisungen erteilen. In entsprechender Weise unterliege der Beauftragte bei einem Auftrag i. S. d. § 662 ff. BGB Weisungen des Auftraggebers (§ 665 BGB). Im Unterschied dazu umfasse das durch § 106 S. 1 GewO normierte Weisungsrecht aber neben dem Inhalt der Tätigkeit auch deren Durchführung, Zeit, Dauer und den Ort, woran es im Streitfall fehle50. Aus Sicht des BAG war ein abweichendes Ergebnis auch nicht durch den Umstand gerechtfertigt, dass sich der Kläger notwendigerweise mit anderen Mitarbeitern der Beklagten habe abstimmen müssen. Denn die darin liegende Einbindung in die Arbeitsorganisation der Beklagten habe nicht ein sol47 BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 305/15, NZA 2016, 1453 Rz. 14 ff., 21 ff. 48 B. Gaul, AktuellAR 2017, 392 ff. 49 BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 305/15, NZA 2016, 1453 Rz. 25; BAG v. 21.7.2015 – 9 AZR 484/14, NZA-RR 2016, 344 Rz. 25. 50 BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 305/15, NZA 2016, 1453 Rz. 26.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

ches Maß erreicht, dass von einer fremdbestimmten Tätigkeit auszugehen sei. Auch für Selbständige sei es üblich, dass sie ihre Leistungen im Rahmen der organisatorischen Gegebenheiten des Auftraggebers zu erbringen hätten. Ausschlaggebend sei, dass der Kläger entscheiden konnte, ob er überhaupt und ggf. wann er seine Tätigkeit erbringe. Dass er darüber hinaus ein Zeiterfassungsprogramm nutzen sollte, sei insoweit als Nebenpflicht anzusehen, die keine weisungsgebundene Tätigkeit erkennen ließ. Vielmehr eröffnete sie der Beklagten lediglich die Möglichkeit zu kontrollieren, wann und in welchem zeitlichen Umfang der Kläger welche Tätigkeit ausgeführt hatte. Die Freiheit des Klägers zu entscheiden, ob und ggf. wie lange er arbeitete, blieb hiervon unberührt51. Wichtig ist, dass schlussendlich selbst solche Gegebenheiten, die - isoliert betrachtet – als Indiz für eine weisungsgebundene Tätigkeit dienen können, nicht automatisch zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses führen. Darauf hat das BAG ausdrücklich hingewiesen. Denn einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung seien zur Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalts nur geeignet, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handele52. Dies ist von erheblicher Bedeutung für die betriebliche Praxis, weil jede Vertragsbeziehung in der Regel auch Einzelelemente anderer Vertragsformen enthält. Entscheidend ist schlussendlich, wo der Schwerpunkt einer typisierten Betrachtung der tatsächlichen Gegebenheiten zu sehen ist. Folgerichtig spielte es vorliegend keine entscheidende Rolle, dass der Kläger auf Wunsch der Beklagten hin an einer Fortbildungsveranstaltung teilgenommen hatte. In seinem Urteil vom 14.6.201653 hat das BAG indes klargestellt, dass die Beschäftigung des Klägers als Heimarbeitsverhältnis zu qualifizieren war. Nach der in § 2 Abs. 1 S. 1 HAG enthaltenen Legaldefinition ist Heimarbeiter, wer in selbst gewählter Arbeitsstätte (eigene Wohnung oder Betriebsstätte) allein oder mit seinen Familienangehörigen im Auftrag von Gewerbetreibenden oder zwischen Meistern erwerbsmäßig arbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überlässt. Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt. Der Kläger arbeitete in der eigenen Wohnung. Darüber hinaus war die Heimarbeit auf eine gewisse Dauer angelegt und sollte zum Lebensunterhalt 51 BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 305/15, NZA 2016, 1453 Rz. 28 f. 52 BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 305/15, NZA 2016, 1453 Rz. 31. 53 BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 305/15, NZA 2016, 1453 Rz. 42 ff.

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Befreiung von den Schranken des Arbeitszeitrechts durch Heimarbeit

beitragen. Dass es sich bei der vom Kläger verrichteten Tätigkeit um eine Arbeit handelte, für die eine höherwertige Qualifikation erforderlich war, stand der Kennzeichnung seiner Tätigkeit als Heimarbeit nicht entgegen. Denn der Gesetzgeber hatte das Merkmal einer „gewerblichen“ Tätigkeit bereits 1974 durch das Kennzeichen einer „erwerbsmäßigen“ Arbeit ersetzt54. Unerheblich waren für das BAG der zeitliche Umfang der Tätigkeit, die Höhe des Verdiensts und der Umstand, ob der Lebensunterhalt des Klägers überwiegend mit Heimarbeit verdient wurde. Entscheidend war neben den sonstigen Merkmalen, dass der Kläger der Beklagten auf der Grundlage eines Nutzungsvertrags das alleinige Nutzungs- und Vertriebsrecht für die von ihm für die Beklagte „entwickelten Programme“ eingeräumt hatte. Unerheblich war auch, ob der Kläger ein Gewerbe angemeldet hatte. Keine Rolle spielte auch, dass der Kläger die rechtliche Möglichkeit hatte, eigene Mitarbeiter als Erfüllungsgehilfen einzusetzen. Heimarbeiter i. S. d. § 2 Abs. 1 HAG könne zwar nur sein, wer persönlich oder mit seinen Familienangehörigen arbeite. Da der Kläger vorliegend die im Streit stehenden Leistungen tatsächlich immer persönlich erbracht hatte, stand die Berechtigung, hiervon abweichend Dritte einzubinden, seiner Kennzeichnung als Heimarbeiter nicht entgegen. Auf die für das Heimarbeitsverhältnis im Gesetz vorgesehene Möglichkeit einer Mitwirkung von Familienangehörigen kann auch verzichtet werden55. Hiervon ausgehend hat das BAG antragsgemäß das Bestehen eines „ungekündigten“ Heimarbeitsverhältnisses angenommen. Denn mit dem Hinweis, sie werde auf der Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses ihre betriebliche Tätigkeit einstellen, hatte die Beklagte keine Kündigung des Heimarbeitsverhältnisses erklärt. Diese kann allerdings jederzeit unter den stark erleichterten Voraussetzungen des § 29 HAG erklärt werden. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass bei der Beschäftigung im Rahmen eines Heimarbeitsverhältnisses nicht nur die arbeitszeitrechtlichen Schranken unberücksichtigt bleiben. Wenn keine hiervon abweichende Vereinbarung getroffen wird, bedarf die Kündigung auch keiner sozialen Rechtfertigung i. S. d. § 1 KSchG. Vielmehr genügt es, dass die formalen Anforderungen aus § 29 HAG beachtet werden. Lediglich einzelne Vorschriften des Arbeitsschutzrechts finden ganz oder teilweise auch im Heimarbeitsverhältnis Anwendung (z. B. §§ 20 BEEG, 12 BUrlG, 11 BFZG).

54 Vgl. Kappus, NZA 1987, 408, 409. 55 So bereits Kappus, NJW 1984, 2384, 2388.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Mit der vorstehend beschriebenen Entscheidung des BAG wird der betrieblichen Praxis zwar nicht die Möglichkeit eröffnet, Arbeitnehmer, die im Homeoffice tätig sind, generell aus den Schranken des Arbeitszeitrechts zu entfernen. Vielmehr ist diese Gestaltungsmöglichkeit auf Personen begrenzt, bei denen die Voraussetzung des § 2 Abs. 1 HAG erfüllt werden. Im Wesentlichen muss es sich also um Personen handeln, die ausschließlich in ihrer Wohnung bzw. einem eigenständig angemieteten Büro arbeiten. Personen, die nach Maßgabe des Auftraggebers auch innerhalb des Betriebs tätig werden sollen, können nicht als Heimarbeiter beschäftigt werden. Sie sind im Zweifel Arbeitnehmer mit der Folge, dass die Schranken des Arbeitszeitrechts zur Anwendung kommen. Weitergehend wäre dann auch zu prüfen, ob und in wieweit die Anforderung eines Telearbeitsplatzes (§ 2 Abs. 7 ArbStättV) zu beachten sind. Diese finden wiederum im Heimarbeitsverhältnis keine Anwendung. (Ga)

5.

Pfändungsschutz für Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge

Nach § 850 a Nr. 3 ZPO sind neben Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgeldern und sonstigen sozialen Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen, unpfändbar56. Bereits in der Verordnung zur einheitlichen Regelung des Pfändungsschutzes für Arbeitseinkommen vom 30.10.194057 waren in § 3 Nr. 3 Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigung, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen und ähnliche, vom Reichsminister der Justiz zu bezeichnende Bezüge unter bestimmten Voraussetzungen der Pfändung entzogen (unpfändbare Bezüge). Die Lohnpfändungsverordnung von 1940 wurde durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften über den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen vom 22.4.195258 abgelöst und mit diesem Gesetz weitgehend die Lohnpfändungsverordnung 1940 in der Hauptsache beibehalten. Diese gesetzliche Regelung war dem Umstand geschuldet, dass vor allem wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten die Pfändungsgrenzen geändert werden sollten, bevor eine beabsichtigte Eingliederung des Geset-

56 Zu den Einzelheiten Boewer, Handbuch Lohnpfändung und Lohnabtretung, S. 167 ff., 171, 172 m. w. N. 57 Lohnpfändungsverordnung 1940 (RGBl. I 1940, 1451 ff.). 58 BGBl. I 1952, 247 ff.

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Pfändungsschutz für Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge

zes in die ZPO erfolgte. Im Gesetzgebungsverfahren zu dem Gesetz zur Änderung von Vorschriften über den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen schlug der Bundesrat auf Drucksache Nr. 2917 (1. Wahlperiode) vom 7.12.1951 in Anlage 2 folgende Änderungen vor: 1. Schmutzzulagen und Erschwerniszulagen sind als unpfändbare Bezüge aufzunehmen, da die innere Berechtigung zu den übrigen in § 3 Nr. 3 aufgezählten pfändungsfreien Zulagen nicht bestritten werden kann.

Die Bundesregierung hat diesem Änderungsvorschlag des Bundesrates zugestimmt. Damit wurde Art. 1 Nr. 3 des Gesetzentwurfs entsprechend ergänzt. Aus dieser Genese des Gesetzes resultiert auch die Aussage des Bundesministers der Justiz in dem Bescheid vom 13.8.1952 (3742-13 281/52)59, dass unter den Erschwerniszulagen nur solche Lohnzuschläge zu verstehen sind, die zur Abgeltung einer durch die Eigentümlichkeit der Arbeit verursachten Erschwernis gewährt werden. Danach sollten Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit nicht als Erschwerniszulagen angesehen werden. Diese Aussage des Bundesministers der Justiz entsprach genau der Vorstellung des Gesetzgebers, zumal das Gesetz aus dem Hause des BMJ stammte. § 850 a ZPO und damit § 850 a Nr. 3 ZPO in der heutigen Fassung wurden durch Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet der Zwangsvollstreckung vom 20.8.195360 in die ZPO eingefügt und die Ergänzung „sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen“ beibehalten. Neu hinzugekommen ist im Jahr 1953 in § 850a ZPO lediglich die Nr. 8 (Unpfändbarkeit von Blindenzulagen). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass im Entwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung und Modernisierung des Pfändungsschutzes (GNeuMoP) vom 16.6.2010, den der Bundesrat vorgelegt hat61, in Art. 1 Nr. 5 zu § 850 a ZPO (Unpfändbares Einkommen) vorgesehen war: Unpfändbar ist Einkommen, das in dem Rahmen des Üblichen dafür gewährt wird 1. den durch die Art der Berufstätigkeit bedingten Mehraufwand auszugleichen. Darunter fallen insbesondere Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen sowie das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen;

59 Abgedruckt in BB 1952, 859. 60 BGBl. I 1953, 952 ff. 61 BT-Drucks. 17/2167.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

In der Begründung heißt es hierzu62: Die Vorschrift enthält die bisher in § 850 a Nr. 3 ZPO niedergelegte Privilegierung von Ausgleichszahlungen für berufsbedingten Mehraufwand. Der entsprechende Pfändungsschutz ist beizubehalten. Es handelt sich um Leistungen, die zweckgebunden zur Abgeltung erschwerter Arbeitsbedingungen gewährt werden und dem Arbeitnehmer ungekürzt zur Deckung seiner Mehraufwendungen zur Verfügung stehen müssen. Es wäre kein sachgerechter Interessenausgleich, wenn der Gläubiger auf Forderungen zugreifen könnte, die dem Schuldner zur Abdeckung konkreter berufsbedingter Aufwendungen zustehen und somit als durchlaufender Posten das Einkommen des Schuldners tatsächlich nicht erhöhen.

Auch von der Zweckbestimmung her soll nur die Erschwerniszulage gemäß § 850 a Nr. 3 ZPO unpfändbar sein, die der Abgeltung einer Arbeitserschwernis dient, die mit der Art der Arbeit im Zusammenhang steht. Gemeint sind Arbeiten mit hohen körperlichen Belastungen oder unter besonderen Umgebungseinflüssen, die auch nach objektiven Kriterien bestimmbar sind. Ob ein Schuldner am Montag, am Sonntag oder am Feiertag an seinem Arbeitsplatz arbeitet, stellt als solches zweifelsfrei keine Arbeitserschwerung dar. Gemeint sind Schwierigkeiten, die bei der Arbeit auftreten, nicht jedoch der Umstand, dass der Arbeitnehmer durch die Lage der Arbeitszeit daran gehindert wird, seinen persönlichen Liebhabereien nachzugehen. Dafür wollte der Gesetzgeber keine Pfändungsprivilegierung, sondern – wie der Zusammenhang zwischen Schmutz- und Erschwerniszulagen, die der Gesetzgeber in einem Atemzug nennt, unmissverständlich verdeutlicht – eine Erschwernis der Arbeit selbst in den Blick nehmen. In der Begründung in Drucksache 17/2167 wird dieser Gedanke hauptsächlich mit dem Hinweis verbunden, dass besondere Umgebungseinflüsse bei der Arbeit einen vermehrten Aufwand für den Arbeitnehmer erzeugen, der bei einer Ausgleichung durch den Arbeitgeber nicht dem Pfändungszugriff als Aufwendungsersatz ausgesetzt sein soll. Im Wesentlichen veranlasst durch eine Entscheidung des OVG Lüneburg63, das für Beamte die Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten und die Wech-

62 BT-Drucks. 17/2167 S. 18. 63 OVG Lüneburg v. 17.9.2009 – 5 ME 186/09 n. v. Rz. 2, 8; so auch im Anschluss VG Kassel v. 3.6.2013 – 1 K 1496/12.KS n. v. Rz. 17; VG Stuttgart v. 11.6.2012 – 3 K 878/12 n. v. Rz. 16; VG Düsseldorf v. 4.5.2012 – 13 K 5526/10 n. v. Rz. 29.

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Pfändungsschutz für Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge

selschichtzulage nach der Erschwerniszulagenverordnung64 als Erschwerniszulage betrachtete und gemäß § 850 a Nr. 3 ZPO für unpfändbar hielt, ist eine Diskussion in der Rechtsprechung65 und Literatur66 darüber entstanden, ob Zuschläge für Nacht-, Schicht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie allgemein Zulagen für ungünstige Arbeitszeiten unter den Begriff der Erschwerniszulage i. S. v. § 850 a Nr. 3 ZPO fallen. Die erste höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der Unpfändbarkeit von Nachtarbeitszuschlägen stammt vom BGH67. Nach dieser Entscheidung sind Nachtarbeitszuschläge, soweit sie dem Schuldner von seinem Arbeitgeber steuerfrei i. S. v. § 3 b EStG gewährt werden, als Erschwerniszulagen i. S. v. § 850 a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Begründungsansatz für den BGH bildet dabei der Umstand, dass sich aufgrund neuerer Erkenntnisse, die sich auch in der Rechtsetzung der Europäischen Union niedergeschlagen haben, die Auffassung durchgesetzt hat, dass lange Nachtarbeitszeiten für die Gesundheit der Arbeitnehmer generell nachteilig sind und Maßnahmen zum Schutz und zur Sicherheit der Arbeitnehmer erfordern68. Weshalb die Leistung von Arbeit zur Nachtzeit eine generell mit gesundheitlichen Risiken für den Schuldner verbundene Erschwernis seiner Arbeit darstellt, die es rechtfertigt, zur Abgeltung dieser Erschwernis gezahlte Nachtarbeitszuschläge als nach § 850 a Nr. 3 ZPO unpfändbare Erschwerniszulagen zu qualifizieren, soweit diese den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. Auf besondere, 64 Erschwerniszulagenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung v. 3.12.1998 (BGBl. I 1998, 3497 ff.), die zuletzt durch Art. 2 der Verordnung v. 10.4.2017 (BGBl. I 2017, 828 ff.) geändert worden ist. 65 Überwiegend zustimmend LAG Hessen v. 14.11.2016 – 17 Sa 1142/15 n. v. Rz. 54; LAG Berlin-Brandenburg v. 9.1.2015 – 3 Sa 1335/14, ZTR 2015, 349 Rz. 43; LG Kaiserslautern v. 4.3.2016 – 4 T 31/16 n. v. Rz. 8, 11; LG Hannover v. 21.3.2012 – 11 T 6/12 n. v. Rz. 10. Ablehnend LAG Düsseldorf v. 11.11.2016 – 10 Sa 324/16, ZTR 2017, 46 Rz. 33 f., 40 im Falle einer verschiedene Erschwernisse enthaltenden Pauschalzulage ohne Konkretisierung der einzelnen Zulagen der Höhe nach. 66 Zustimmend etwa Grote, ZInsO 2016, 1801, 1802; HK-ZPO/Kemper, ZPO § 850 a Rz. 5; HK-ZV/Meller-Hannich, ZPO § 850 a Rz. 21; Musielak/Voit/Becker, ZPO § 850 a Rz. 5a; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO § 850 a Rz. 4; Zöller/Stöber, ZPO § 850 a Rz. 10. Ablehnend etwa Boewer, Handbuch zur Lohnpfändung und Lohnabtretung, Rz. 573; Keller/Schrandt, Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht, Rz. 513; Stein/Jonas/Brehm, ZPO § 850 a Rz. 24; Stöber, Forderungspfändung, Rz. 997; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO § 850 a Rz. 27. 67 BGH v. 29.6.2016 – VII ZB 4/15, NJW 2016, 2812 Rz. 10. 68 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl.EU L 299 S. 9 ff., Erwägungsgrund 7); Richtlinie 93/104/EG des Rates v. 23.11.1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl.EU L 307 S. 18 ff., Erwägungsgründe).

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

über die Lage der Arbeitszeit zur Nachtzeit hinausgehende Erschwernisse käme es dabei nicht an. Nunmehr hat auch der 10. Senat des BAG in einem Urteil vom 23.8.201769 in einem Rechtsstreit, in dem es um die Unpfändbarkeit von Zuschlägen für Nacht-, Sonntags-, Feiertags-, Samstags-, Wechselschichtarbeit sowie Arbeit am 24. und 31. Dezember ging, erkannt, dass Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als Erschwerniszulagen i. S. v. § 850 a Nr. 3 ZPO zu qualifizieren und damit im Rahmen des Üblichen unpfändbar sind, wobei hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang und welcher Höhe Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als „üblich“ und damit unpfändbar i. S. v. § 850 a Nr. 3 ZPO anzusehen sind, an die Regelung in § 3b EStG angeknüpft werden kann. Dagegen sind Zulagen für Schicht-, Samstags- oder sog. Vorfestarbeit der Pfändung nicht entzogen. Das BAG begründet seine Auffassung im Wesentlichen damit, dass diese Bewertung aus dem Sinn und Zweck des Begriffs der Erschwerniszulage in § 850 a Nr. 3 ZPO entnommen werden kann, die auch Zulagen für Arbeit zu ungünstigen Zeiten einbezöge. Für die jedoch auch im Interesse der Gläubiger erforderliche Bestimmung der Reichweite des durch § 850 a Nr. 3 ZPO vermittelten Schutzes von Erschwerniszulagen seien anderweitige gesetzgeberische Wertungen heranzuziehen, aus denen geschlossen werden könne, dass der Gesetzgeber die Lage der Arbeitszeit nicht nur als ungünstig, sondern als besonders belastend ansieht. Dann sei es auch normativ gerechtfertigt, dies auch im Rahmen des § 850 a Nr. 3 ZPO bei der Auslegung des Begriffs Erschwerniszulage zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen seien Zulagen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit als Erschwerniszulagen anzusehen, weil insoweit für die Nachtarbeit auf die Wertung in Erwägungsgrund 7 und Art. 8 ff. der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und § 6 Abs. 5 ArbZG zurückgegriffen werden könne und im Falle der Sonntagsund Feiertagsarbeit durch die Regelungen in §§ 1 Nr. 2, 9, 10, 11 ArbZG ein besonderes Schutzbedürfnis für die Arbeitnehmer zum Ausdruck gebracht worden sei, weshalb auch hier der Gesetzgeber die Arbeit an Sonn- und Feiertagen als besondere Erschwernis betrachte. Demgegenüber fehle für Schichtzulagen, Wechselschichtzulagen, Samstagszulagen und Zulagen für Vorfeiertagsarbeit eine gleichgewichtige gesetzgeberische Wertung, sodass bei diesen Zulagen ein Zurückstehen der Gläubigerinteressen nicht zu rechtfertigen sei.

69 BAG v. 23.8.2017 – 10 AZR 859/16 n. v. Rz. 22.

450

Pfändungsschutz für Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH70 will auch das BAG bei dem in § 850 a Nr. 3 ZPO angesprochenen „Rahmen des Üblichen“ aus Gründen der Praktikabilität und in Anlehnung an die gesetzgeberische Wertung auf die Regelung in § 3 b EStG zurückgreifen. Ob dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung hinsichtlich der dogmatischen Begründung zu folgen ist, mag für die Praxis dahinstehen, weil sich jedenfalls die Arbeitsgerichte an den Ergebnissen orientieren werden, sodass auch die Arbeitgeber als Drittschuldner sowohl bei der Singularvollstreckung als auch bei der Gesamtvollstreckung im Verbraucherinsolvenzverfahren zur Vermeidung von Doppelzahlungen diese Rechtsprechung umsetzen müssen. Bedauerlicherweise haben sowohl der BGH als auch das BAG übersehen, dass Nachtarbeitszeit i. S. d. ArbZG die Zeit von 23:00 bis 6:00 Uhr, in Bäckereien und Konditoreien die Zeit von 22:00 bis 5:00 Uhr (§ 2 Abs. 3 ArbZG) und Nachtarbeit i. S. d. ArbZG jede Arbeit ist, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfasst. Dagegen betrifft die Steuerfreiheit gemäß § 3 b Abs. 2 S. 2 EStG Nachtarbeit in der Zeit von 20:00 bis 6:00 Uhr. Überdies betrifft die Steuerfreiheit nur Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden. Der Begriff des Zuschlags in § 3 b EStG setzt zudem voraus, dass für die zuschlagsfähige Tätigkeit eine Grundvergütung gezahlt wird, zu der ein besonderes Entgelt für die mit der Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit verbundene Erschwernis dazugeschlagen wird71, sodass pauschale Zuschläge, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf die Höhe der tatsächlich erbrachten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit und ohne Einzelabrechnung an den Arbeitnehmer leistet, nicht darunter fallen72. Für den Praktiker überraschend ist vor allem, dass gerade Wechselschichtzulagen dem Pfändungsprivileg aus § 850 a Nr. 3 ZPO entzogen sein sollen, weil diese Zahlung dem Umstand Rechnung tragen soll, eine besondere Belastung des Biorhythmus durch häufig wechselnde Arbeitszeiten und einen hohen Anteil an Nachtdienststunden abzugelten. (Boe)

70 BGH v. 29.6.2016 – VII ZB 4/15, NJW 2016, 2812 Rz. 10. 71 BFH v. 11.11.2010 – VI B 72/10 n. v. Rz. 3. 72 BFH v. 8.12.2011 – VI R 18/11, NZA-RR 2012, 197 Rz. 11. So auch überzeugend LAG Düsseldorf v. 11.11.2016 – 10 Sa 324/16, ZTR 2017, 46 Rz. 40.

451

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

6.

Berücksichtigung des Mindestlohns bei der Berechnung der Feiertagsvergütung, des Urlaubsentgelts und tariflicher Zuschläge

In der Vergangenheit war immer wieder umstritten, auf welcher Grundlage der Arbeitgeber während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, während des Urlaubs oder an Feiertagen die Entgeltfortzahlung zu berechnen hatte, wenn die vertraglich vereinbarte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht erreichte. Einigkeit bestand dabei zwar insoweit, als der Arbeitnehmer auch in dieser Zeit mindestens eine Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns erhalten sollte. Fraglich war aber, ob er sich dabei auf § 1 f. MiLoG oder auf die Vorschriften zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, während des Urlaubs oder an Feiertagen zu berufen hatte. Bedeutung hatte dies insoweit, als eine Missachtung der gesetzlichen Vorgaben zum Mindestlohn Auswirkungen auf die Beteiligung an Vergabeverfahren haben kann (vgl. § 19 MiLoG). Wir hatten auf diese Konsequenzen im Zusammenhang mit entsprechenden Feststellungen des BAG bereits im letzten Jahr hingewiesen73. Bedauerlicherweise hatten die bisherigen Entscheidungen des BAG allerdings nicht eindeutig erkennen lassen, auf welcher Grundlage in diesen Fehlzeiten der Entgeltfortzahlungsanspruch besteht. Die insoweit erforderliche Klarstellung ist jetzt aber durch das Urteil des BAG vom 20.9.201774 erfolgt. In dem zugrundeliegenden Fall war die Klägerin langjährig bei der Beklagten als Montagekraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft Nachwirkung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der sächsischen Metall- und Elektroindustrie Anwendung. Dieser sah unter anderem einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des tatsächlichen Stundenverdienstes und ein Urlaubsentgelt in Höhe des 1,5-fachen durchschnittlichen Arbeitsverdienstes vor. Für den Monat Januar 2015 zahlte die Beklagte neben dem vertraglichen Stundenverdienst von 7,- € bzw. 7,15 € eine „Zulage nach MiLoG“. Die Vergütung für einen Feiertag und einen Urlaubstag berechnete sie ebenso wie den Nachtarbeitszuschlag für fünf Stunden allerdings nicht auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns, sondern nach der niedrigeren vertraglichen Stundenvergütung. Darüber hinaus rechnete sie das „Urlaubsgeld“ auf Mindestlohnansprüche der Klägerin an.

73 B. Gaul, AktuellAR 2016, 122 ff. 74 BAG v. 20.9.2017 – 10 AZR 171/16 n. v.; vgl. BAG 24.5.2017 – 5 AZR 431/16, NJW 2017, 3324.

452

Einzelvertragliche Anforderungen an einen wirksamen Widerrufsvorbehalt

In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat das BAG diese Vorgehensweise des Arbeitgebers als unvereinbar mit den gesetzlichen Regelungen zur Entgeltfortzahlung qualifiziert und die Beklagte verurteilt, bei sämtlichen Leistungen den gesetzlichen Mindestlohn in Bezug auf die Höhe der Vergütung zugrunde zu legen. Richtig an der Vorgehensweise des Arbeitgebers war zwar die Annahme, dass § 1 Abs. 1 MiLoG einen Anspruch auf den Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden begründet. Das folgt bereits aus § 2 Abs. 1 MiLoG, in dem ausdrücklich auf die „erbrachte Arbeitsleistung“ abgestellt wird. Fehlerhaft war es aber, dass der Arbeitgeber bei der Berechnung des am Feiertag und während des Urlaubs fortzuzahlenden Arbeitsentgelts den Mindestlohn nicht berücksichtigt hat. Denn nach §§ 2 Abs. 1 EFZG, 1, 11 BUrlG ist der Arbeitgeber verpflichtet, für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags oder wegen des Erholungsurlaubs ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Das Geldausfallprinzip verpflichtet ihn, dabei auch das MiLoG zu berücksichtigen. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte Vergütung kommt daher nur dann in Betracht, wenn der gesetzliche Mindestlohn überschritten wird. In entsprechender Weise hat das BAG den Arbeitgeber für verpflichtet gehalten, den tariflichen Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt mindestens auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen. Denn auch der MTV stellte in seinen Regelungen auf den „tatsächlichen Stundenverdienst“ ab, der wegen der zwingenden Wirkung des MiLoG im streitgegenständlichen Zeitraum 8,50 € (brutto) pro Stunde (Heute: 8,84 € pro Stunde) betragen hat. Da der Manteltarifvertrag einen eigenständigen Anspruch auf das Urlaubsgeld geschaffen hatte und es sich darüber hinaus bei dieser Zahlung nicht um ein Entgelt für geleistete Arbeit handelte, war auch eine Anrechnung des gezahlten „Urlaubsgelds“ auf Ansprüche nach dem MiLoG ausgeschlossen. (Ga)

7.

Einzelvertragliche Anforderungen an einen wirksamen Widerrufsvorbehalt

Bereits an anderer Stelle hatten wir über die Notwendigkeit, den Betriebsrat bei dem Widerruf einzelner Vergütungsbestandteile zu beteiligen, berichtet75. Diese kollektivrechtliche Voraussetzung eines wirksamen Widerrufs einzelner Vergütungsbestandteile steht neben der individualrechtlichen Vo75 B. Gaul, AktuellAR 2017, 576 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

raussetzung, den Vorbehalt eines solchen Widerrufs wirksam im Arbeitsvertrag zu vereinbaren und daran anknüpfend auch in wirksamer Weise von der daraus folgenden Berechtigung Gebrauch zu machen.76 Ausgehend davon, dass Widerrufsvorbehalte typischerweise in arbeitgeberseitig vorformulierten Vertragsdokumenten enthalten sind, hängt ihre Wirksamkeit davon ab, dass die inhaltlichen Anforderungen der AGB-Kontrolle aus §§ 305 ff., 310 Abs. 3 BGB beachtet werden. Das folgt bereits aus dem Umstand, dass durch den Widerrufsvorbehalt eine Berechtigung geschaffen werden soll, einseitig bestehende vertragliche Regelungen abzuändern (§ 307 Abs. 3 BGB). Im Rahmen der Inhaltskontrolle muss der Widerrufsvorbehalt daher zunächst einmal § 308 Nr. 4 BGB Rechnung tragen. Dies setzt voraus, dass bei der Ausgestaltung der Widerrufsgründe jedenfalls die Gründe angegeben werden, aufgrund derer der Widerruf möglich sein soll (z. B. wirtschaftliche Erwägungen, Leistungen oder Verhalten des Arbeitnehmers)77. Diese Voraussetzung ist nach Auffassung des BAG gewahrt, wenn nach der Vereinbarung im Arbeitsvertrag eine Berechtigung zum Widerruf der in Rede stehenden Leistung bei einer „wirtschaftlichen Notlage“ bestehen soll. Nicht erforderlich sei, diese Angabe um einen Zeitraum, in dem diese Voraussetzung erfüllt sein muss, zu ergänzen. Neben diesen formellen Anforderungen aus § 308 Nr. 4 BGB hängt die Wirksamkeit des Widerrufsvorbehalts gem. §§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4, 310 Abs. 4 S. 2 BGB materiell davon ab, dass durch die Formulierung der Vertragsklausel gewährleistet ist, dass der Widerruf nicht grundlos erfolgt und auch unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers noch zumutbar ist. Inhaltlich ist dies bei einer Anknüpfung an wirtschaftliche Gründe dann der Fall, wenn es um „Zusatzleistungen“ geht. Hier legt bei Wegfall des Anspruchs des Arbeitnehmers kein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsvertrags vor, der nach § 307 Abs. 2 BGB nicht zulässig wäre. Voraussetzung ist nach der Feststellung des BAG aber, dass der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Teil des Gesamtverdienstes unter 25 % liegt. Lediglich dann, wenn weitere Zahlungen des Arbeitgebers mit einem solchen Widerruf verknüpft würden, die keine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellten, erhöhe sich der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung auf bis zu 30 % des Gesamtverdienstes. Innerhalb dieser Beträge sei 76 Eingehend dazu Stoffels, NZA 2017, 1217 ff. 77 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931 Rz. 14.

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Einzelvertragliche Anforderungen an einen wirksamen Widerrufsvorbehalt

der Arbeitgeber bis zur Grenze der Willkür frei, die Voraussetzungen eines Anspruchs auf die zusätzliche Leistung festzulegen und dementsprechend auch den Widerruf zu erklären. Auch diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall erfüllt. Denn das streitgegenständliche Weihnachtsgeld, das maximal 55 % eines Monatsgehaltes betrug, machte weniger als 5 % des Gesamtentgelts des Klägers aus. Damit wurde das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis auch für den Fall eines vollständigen Widerrufs nicht grundlegend berührt. Dass der Arbeitgeber im Rahmen des Widerrufsvorbehalts keine Ankündigungs- beziehungsweise Auslauffrist vorgesehen hatte, war nach der Feststellung des BAG unerheblich78. Die Einräumung einer Auslauffrist sei bei der Ausübungskontrolle in Betracht zu ziehen. Die individualrechtliche Zulässigkeit eines Widerrufs einzelner Vergütungsbestandteile setzt allerdings nicht nur voraus, dass der Vorbehalt wirksam vereinbart wurde. Erforderlich ist auch, dass arbeitgeberseitig von dieser Berechtigung in einer wirksamen Weise gebraucht gemacht wurde. Erforderlich ist also, dass nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen des Widerrufsrechts erfüllt sind. Vielmehr muss der Widerruf auch im Einzelfall billigem Ermessen entsprechen79. Von einer solchen Leistungsbestimmung ist nach der Feststellung des BAG auszugehen, wenn die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat. Ob diese Voraussetzungen der Billigkeit erfüllt sind, kann durch das Gericht uneingeschränkt überprüft werden (§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB). Auch diese Voraussetzungen hat das BAG im vorliegenden Fall angenommen. Da der Arbeitgeber den Widerruf des Weihnachtsgeldes erklärt hatte, als er kurz vor Eintritt der Insolvenz stand, war von dem Vorliegen einer wirtschaftlichen Notlage auszugehen. Da der Arbeitgeber den Widerruf gegenüber allen Arbeitnehmern erklärt hatte, mit denen entsprechende Vorbehalte vereinbart waren, war für den 1. Senat des BAG auch kein Ermessensfehler oder ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gegeben. Dass der Widerruf im November – also kurz vor Fälligkeit des Weihnachtsgeldes – erklärt wurde, führte ebenfalls nicht zu einer ermessensfehlerhaften Ausübung. Eine Auslauffrist sei angesichts der nur einmal jährlich fälligen

78 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931 Rz. 22. 79 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777 Rz. 29 ff.

455

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Zahlung und der unmittelbar drohenden Insolvenz der Beklagten nicht in Betracht gekommen80. Es ist wichtig, diese Voraussetzungen eines wirksamen Widerrufsvorbehalts bei der Ausgestaltung entsprechender Vereinbarungen zu berücksichtigen. Andernfalls ist der Vorbehalt unwirksam und die Leistung muss ohne das Recht zur einseitigen Abänderung unbefristet weiter gewährt werden. Unabhängig davon muss darauf geachtet werden, bei Widerruf der Leistungen auch eine etwaig notwendige Beteiligung des Betriebsrats sicherzustellen81. (Ga)

8.

Arbeitnehmerüberlassung: Abweichungen vom Equal-Pay-Gebot ab 1.1.2018

Gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 AÜG kann durch einen Tarifvertrag, der für das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer kraft Gesetzes oder Vereinbarung Geltung beansprucht, hinsichtlich des Arbeitsentgelts vom Gleichstellungsgrundsatz für die ersten neun Monate einer Überlassung an den Entleiher abgewichen werden. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt. Bei Leiharbeitnehmern, die bereits am 1.4.2017 an einen Entleiher überlassen wurden, endet diese grundsätzliche Berechtigung zur Abweichung vom Equal-Pay-Gebot damit am 31.12.2017 (§ 19 Abs. 2 AÜG). Überlassungszeiten vor dem 1.4.2017 werden, wenn der Tarifvertrag nichts Abweichendes bestimmt, dabei nicht berücksichtigt. Gemäß § 8 Abs. 4 S. 2 AÜG ist allerdings auch eine längere Abweichung durch Tarifvertrag zulässig, wenn • nach spätestens 15 Monaten einer Überlassung an einen Entleiher mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das in dem Tarifvertrag als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt ist, und • nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen eine stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt erfolgt82.

Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen 80 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, NZA, 2017, 931 Rz. 32. 81 Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR, 2017, 576 ff. 82 Eingehend zur Anpassung der Branchenzuschlagstarifverträge vgl. Bissels/Falter, DB 2017, 1968 ff.

456

Arbeitnehmerüberlassung: Abweichungen vom Equal-Pay-Gebot ab 1.1.2018

vereinbaren. Dabei ist der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen (§ 8 Abs. 4 S. 3, 4 AÜG). Insbesondere für den Verleiher, mittelbar allerdings auch für den Entleiher, ist es wichtig, diese Voraussetzungen einer längeren Abweichung durch Tarifvertrag spätestens mit Wirkung zum 1.1.2018 in Kraft zu setzen. Denn die tatsächliche Umsetzung des Equal-Pay-Gebots, das neben tariflichen auch betriebliche Geld- oder Sachleistungen einbezieht (§ 8 Abs. 1 AÜG), dürfte in seiner Umsetzung nicht nur einen ganz erheblichen Aufwand auslösen, sondern im Zweifel kaum fehlerfrei bewirkt werden können. Wichtig ist, dass die entsprechenden Steigerungen des Tarifvertrags bereits nach sechs Wochen ansetzen, auch wenn es insoweit keine Mindesthöhe für den ersten Zuschlag durch § 8 Abs. 4 S. 2 AÜG gibt. Das Ende der Stufen muss spätestens mit Vollendung des 15. Einsatzmonats erreicht werden und mit der Feststellung verknüpft sein, dass die Tarifvertragsparteien das dann maßgebliche Entgelt als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche bewerten. Unerheblich ist, ob im Einsatzbetrieb eine davon abweichende tarifliche, betriebsverfassungsrechtliche oder arbeitsvertragliche Entgeltregelung für vergleichbare Arbeitnehmer zur Anwendung kommt. Es genügt, wenn der Einsatzbetrieb in den Geltungsbereich des für das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer maßgeblichen Tarifvertrags fällt. Soweit in einem Teil der aktuellen Branchenzuschlagstarifverträge vorgesehen ist, dass ein Pauschalabzug auf 90 % des für vergleichbare Arbeitnehmer im Einsatzbetrieb des Kunden für vergleichbare Arbeitnehmer gezahlten Entgelts statthaft ist, kann daran jedenfalls ab der Vollendung des 15. Einsatzmonats nicht mehr festgehalten werden. Denn damit würden die Tarifvertragsparteien dokumentieren, dass sie gerade nicht ein Entgelt bestimmt haben, das als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche anzusehen ist. Vereinbart werden kann allenfalls, dass der Verleiher jedenfalls nicht mehr bezahlen muss, als bei einer unmittelbaren Geltung des Equal-Pay-Gebots aus § 8 Abs. 1 AÜG zu zahlen wäre. Eine solche Vergleichsmöglichkeit erscheint indes aus praktischen Gründen wenig sinnvoll. Soweit – was in der Regel der Fall ist – die tarifvertraglichen Regelungen zur Abweichung vom Equal-Pay-Gebot (nur) kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung zur Anwendung kommen, ist neben einer Einbeziehung des Arbeitsverhältnisses in den Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrags da457

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

rauf zu achten, dass die Bezugnahmeklausel den Anforderungen der AGBKontrolle genügt. Relevant wird dies insbesondere dort, wo wegen wechselnder Einsatzbetriebe auf das mit dem Leiharbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis hintereinander unterschiedliche Branchenzuschlagstarifverträge zur Anwendung kommen sollen. Hier dürfte es sinnvoll sein, die grundsätzliche Festlegung auf einen bestimmten Tarifvertrag durch die Berechtigung des Arbeitgebers zu ergänzen, unter Berücksichtigung von §§ 308 Nr. 4, 307 Abs. 1, 315 BGB durch einseitige Mitteilung den für den Arbeitnehmer im jeweiligen Einsatzbetrieb maßgeblichen Tarifvertrag einseitig festzulegen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Voraussetzungen und Grenzen einer solchen Leistungsbestimmung in der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel selbst bereits erkennbar gemacht werden. (Ga)

9.

Altersdiskriminierung bei Besitzstandsregelung für Begünstigung älterer Arbeitnehmer bei Schichtfreizeit?

Nach § 10 S. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Der Gesetzgeber hat die Zweckdetermination i. S. d. legitimen Ziels nicht näher konkretisiert. Da § 10 AGG der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht dient, ist deshalb auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zurückzugreifen83. Legitime Ziele i. S. v. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, d. h. Ziele, die als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind nach der Rechtsprechung des EuGH84 wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung nur solche, die aus dem Bereich „Sozialpolitik” hergeleitet werden können und damit im Allgemeininteresse stehen. Demgegenüber können Ziele, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit nicht als Rechtfertigungsgrund für eine Benachteiligung wegen des Alters herangezogen werden85. Demgemäß sind Ziele, die als legitim i. S. v. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, auch legitime Ziele i. S. v. § 10 83 BAG v. 11.8.2016 – 8 AZR 4/15, NZA 2016, 709 Rz. 104. 84 EuGH v. 13.9.2011 – C-447/09, NZA 2011, 1039 Rz. 81 – Prigge u. a.; EuGH v. 5.3.2009 – C-388/07, NZA 2009, 305 Rz. 46 – Age Concern England. 85 So bereits EuGH v. 5.3.2009 – C-388/07, NZA 2009, 305 Rz. 46 – Age Concern England.

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Altersdiskriminierung bei Besitzstandsregelung für Begünstigung älterer Arbeitnehme

S. 1 AGG, die geeignet sind, unmittelbare Benachteiligungen wegen des Alters zu rechtfertigen. Beruht eine altersdiskriminierende Wirkung allein auf einer Altersstaffelung, kann der Gleichbehandlungsgrundsatz in einem solchen Fall nur dadurch hergestellt werden, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile wie den Angehörigen der privilegierten Gruppe gewährt werden. Damit bleibt nach der Rechtsprechung des EuGH86 und des BAG87 die begünstigende Regelung das einzig gültige Bezugssystem. Mit der altersdiskriminierenden Wirkung einer tarifvertraglichen Regelung und deren Auswirkung auf eine benachteiligte Gruppe war der 6. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 27.4.201788 befasst. Es ging um eine tarifvertragliche Regelung, die bereits aus dem Jahre 1994 stammte, aber durch entsprechende Besitzstandsklauseln in Folgetarifverträgen aus den Jahren 2005 und 2012 fortgeschrieben worden war. Diese enthielt nach einer Altersstaffelung bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres und nach Vollendung des 50. Lebensjahres bezahlte Freischichtzeiten für Mitarbeiter im Schichtdienst. Nach dem 50. Lebensjahr betrugen diese insgesamt zwölf Tage. Im Jahre 2005 standen dem Kläger sechs Schichtfreizeittage pro Kalenderjahr zu, die ihm durch eine Besitzstandsklausel des Tarifvertrages nach Abschaffung der bezahlten Schichtfreizeittage im Tarifvertrag von 2005 erhalten geblieben und im Jahre 2012 tarifvertraglich fortgeschrieben worden waren. Der Kläger beanspruchte von der Beklagten für das Jahr 2013 und für das Jahr 2014 über die ihm gewährten sechs bezahlten Schichtfreizeittage hinaus weitere sechs bezahlte Schichtfreizeittage sowie die Feststellung, ihm kalenderjährlich zwölf Schichtfreizeittage zu gewähren. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das BAG hat der Sache nach die Leistungsklage unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Schadensersatzes in Gestalt einer Naturalrestitution (§ 249 BGB) für berechtigt gehalten und auch der Feststellungsklage entsprochen. Zunächst ist das BAG davon ausgegangen, dass die Höhe der Schichtfreizeitansprüche auf der Grundlage des im Jahre 1994 geschaffenen Tarifvertrags wegen der Besitzstandsklausel im Tarifvertrag von 2012 am Maßstab des AGG zu messen ist, das zur An-

86 EuGH v. 28.1.2015 – C-417/13, NZA 2015, 217 Rz. 46 – Starjakob. 87 BAG v. 27.4. 2017 – 6 AZR 119/16, NZA 2017, 1116 Rz. 46; BAG v. 18.2.2016 - 6 AZR 700/14, NZA 2016, 709 Rz. 31. 88 BAG v. 27.4.2017 – 6 AZR 119/16, NZA 2017, 1116.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

wendung gelangt, wenn eine Benachteiligungshandlung nach seinem Inkrafttreten am 18.8.2006 stattfindet89. Der Kläger wurde auch nach Ansicht des BAG entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, nämlich des Alters, benachteiligt, weil er i. S. v. § 3 Abs. 1 AGG aus diesem Grunde eine weniger günstige Behandlung erfuhr als ältere Arbeitnehmer, die in den Genuss einer deutlich höheren Anzahl von bezahlten Schichtfreizeittagen kamen. Eine derartige unterschiedliche Behandlung wäre nach § 10 S. 1 AGG zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Dazu kann auch im sozialpolitischen Interesse der Schutz älterer Arbeitnehmer gehören, wenn es um Arbeitsbedingungen geht, bei denen gerade wegen des zunehmendem Alters ein erhöhtes Schutzbedürfnis umgesetzt werden soll. Allerdings darf die Regelung nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um diesem Zweck zu genügen. Hierfür trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast90. Im Streitfall konnte die Beklagte keine plausible Begründung dafür liefern, weshalb die im Tarifvertrag von 1994 vorgesehene Staffelung der Schichtfreizeittage dem Zweck diente, gerade ältere Arbeitnehmer zu entlasten, wenn die Schichtfreizeittage bereits vor Vollendung des 30. Lebensjahres einsetzten und sich dann in Fünf- bzw. Zehn-Jahressprüngen deutlich erhöhten. Beruft sich der Arbeitgeber darauf, eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters sei zulässig, genügt er seiner Darlegungslast nicht bereits dann, wenn er allgemein geltend macht, die Regelung diene dem Schutz älterer Arbeitnehmer. Vielmehr hat er substanziierten Sachvortrag zu leisten91. Nach der Rechtsprechung des EuGH92 kann jedoch auch die Wahrung des Besitzstandes einer Personengruppe ein legitimes Ziel der Beschäftigungspolitik und des Arbeitsmarkts sein, das eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters rechtfertigt, sodass bei Abschaffung einer altersdiskriminierenden Regelung die Belassung bisheriger Vorteile für einen Übergangszeitraum als Rechtfertigungsgrund in Betracht kommt. Da aber nur die übergangsweise vorgesehene Besitzstandswahrung als legitimes Ziel für ei-

89 Vgl. BAG v. 12.4.2016 – 9 AZR 659/14, NZA-RR 2016, 438 Rz. 19; BAG v. 25.3.2015 – 5 AZR 460/13 n. v. Rz. 24. 90 So bereits BAG v. 15.11.2016 – 9 AZR 534/15, NZA 2017, 339 Rz. 20; BAG v. 18.10.2016 – 9 AZR 123/16, NZA 2017, 267 Rz. 20. 91 BAG v. 18.10.2016 – 9 AZR 123/16, NZA 2017, 267 Rz. 20. 92 EuGH v. 9.9.2015 – C-20/13 n. v. Rz. 46, 49 – Unland; EuGH v. 11.11.2014 C-530/13, ZESAR 2015, 180 Rz. 42 – Schmitzer.

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Altersdiskriminierung bei Besitzstandsregelung für Begünstigung älterer Arbeitnehme

ne unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters zu akzeptieren ist, weil ansonsten der Diskriminierungstatbestand endgültig fortbestünde93, der gerade durch die Reform eines diskriminierenden Systems, zu der diese Maßnahme gehört, beseitigt werden soll, hat das BAG im Streitfall diesen Rechtfertigungsgrund verneint. Da tarifliche Regelungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam sind, hatte das BAG darüber zu befinden, ob mit der Nichtanwendung der tarifvertraglichen Regelung die Altersdiskriminierung beseitigt werden konnte und damit eine Anpassung nach unten, d. h. ein kompletter Wegfall der Schichtfreizeittage, erfolgen musste. Da Art. 16 der Richtlinie 2000/78/EG den Mitgliedstaaten oder einem privaten Arbeitgeber jedoch keine bestimmte Maßnahme im Fall einer Verletzung des Diskriminierungsverbots vorschreibt, sondern ihnen nach Maßgabe der unterschiedlichen denkbaren Sachverhalte die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen Lösungen, die zur Verwirklichung des verfolgten Ziels geeignet sind, belässt94, kommt auch eine Anpassung nach oben in Betracht, um die Diskriminierung für die Zukunft zu beseitigen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Notwendigkeit der Beseitigung vergangenheitsbezogener Benachteiligungen besteht. Da im Streitfall die altersdiskriminierende Wirkung allein auf den Altersstaffelungen des Tarifvertrags beruhte, konnte nach Auffassung des BAG der Gleichbehandlungsgrundsatz nur dadurch gewahrt werden, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie diejenigen, die den Angehörigen der privilegierten Gruppe zugutekommen. Dies hat eine Anpassung nach oben zur Folge, weil die bisherige tarifvertragliche Regelung das einzig gültige Bezugssystem darstellte, solange es nicht diskriminierungsfrei angepasst worden ist. Damit standen dem Kläger pro Kalenderjahr insgesamt zwölf Schichtfreizeittage zu, die jedoch mangels Gewährung der weiteren sechs Schichtfreizeittage jeweils mit Ende des Kalenderjahres 2013 und 2014 trotz rechtzeitiger Beanspruchung durch den Kläger untergegangen waren, sodass dem Kläger unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Schadensersatzes gemäß §§ 1, 3, 7 AGG und 275 Abs. 1 und Abs. 4, 280 Abs. 1, 283, 286 Abs. 1, 287 S. 2, 249 Abs. 1 BGB eine entsprechende Anzahl von Ersatzschichtfreizeittagen von der Beklagten zu gewähren waren. Damit erwies sich auch der Feststellungsantrag des Klägers, ihm zukünftig eine entsprechende Anzahl von Schichtfreizeittagen zu bewilligen, als gerechtfertigt, wobei das BAG 93 EuGH v. 28.1.2015 – C-417/13, NZA 2015, 217 Rz. 39 – Starjakob. 94 EuGH v. 28.1.2015 – C-417/13, NZA 2015, 217 Rz. 44 – Starjakob.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

angenommen hat, dass der angestrebte feststellende Ausspruch trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet ist, den Streit der Parteien über die Schichtfreizeitansprüche des Klägers für die Zukunft insgesamt beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Für die Betriebspraxis ist diese Entscheidung deshalb von Bedeutung, weil gerade bei Änderungen von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen sog. Besitzstandsklauseln festgeschrieben werden, um bisherige Vorteile, die künftig entfallen sollen, für diejenigen zu bewahren, die bereits in den Genuss dieser Vorteile gelangt sind. Es ist daher durchaus ratsam, ältere Betriebsvereinbarungen daraufhin zu überprüfen, ob sie noch dem Standard des AGG genügen. (Boe)

10. Urlaubstage bei unterjähriger Veränderung der Anzahl der Wochenarbeitstage Die Berechnung der Urlaubsansprüche bei einer Neuverteilung der Arbeitszeit auf einzelne Wochentage hat nicht nur die Rechtsprechung des BAG95, sondern auch die Rechtsprechung des EuGH96 zu Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeit Gestaltung im Zusammenhang mit § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit beschäftigt. In den Entscheidungen „Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols“97 und „Brandes“98 hat der EuGH ausgeführt, dass beim Übergang von Vollzeit zu einer Teilzeitbeschäftigung der in Vollzeit erworbene Anspruch auf bezahlten Urlaub, dessen Ausübung dem Arbeitnehmer während der Vollzeittätigkeit nicht möglich war, nach Übergang in Teilzeit nicht pro rata temporis reduziert werden dürfe. Unter Aufgabe seiner entgegenstehenden Auffassung hat sich das BAG99 dieser Rechtsprechung des EuGH angeschlossen.

95 BAG v. 28.4.1998 – 9 AZR 314/97, NZA 1999, 156; BAG v. 10.2.2015 – 9 AZR 53/14 (F), NZA 2015, 1005 Rz. 19 ff. 96 EuGH v. 22.4.2010 – C-486/08, NZA 2010, 557 Rz. 1 ff. - Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols; EuGH v. 13.6.2013 – C-415/12, NZA 2013, 775 Rz. 1 ff. - Brandes; EuGH v. 11.11.2015 – C -219/14, NZA 2015, 1501 Rz. 1 ff. - Greenfield. 97 EuGH v. 22.4.2010 – C-486/08, NZA 2010, 557 Rz.33 - Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols. 98 EuGH v. 13.6.2013 – C-415/12, NZA 2013, 775 Rz. 31 - Brandes. 99 BAG v. 10.2.2015 – 9 AZR 53/14, NZA 2015, 1005 Rz. 19 ff.

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Urlaubstage bei unterjähriger Veränderung der Anzahl der Wochenarbeitstage

In der Entscheidung „Greenfield“100 ging es um die Behandlung eines Urlaubsanspruchs im umgekehrten Fall des Wechsels eines Arbeitnehmers von der Teilzeit in die Vollzeit. Der EuGH geht zunächst davon aus, dass § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23 geänderten Fassung und Art. 7 der Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung dahin auszulegen sind, dass im Fall einer Erhöhung der von einem Arbeitnehmer geleisteten Arbeitsstunden die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, vorzusehen, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der bereits erworben war und eventuell in Anspruch genommen wurde, nach dem neuen Arbeitsrhythmus dieses Arbeitnehmers rückwirkend nachberechnet werden müsse. Eine Nachberechnung sei jedoch für den Zeitraum vorzunehmen, in dem sich die Arbeitszeit des Arbeitnehmers erhöht hat. Der EuGH schlussfolgert des Weiteren aus den angeführten Rechtsgrundlagen, dass hinsichtlich der Entstehung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub die Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer nach verschiedenen Arbeitsrhythmen arbeitete, voneinander zu unterscheiden sind, wobei die Zahl der entstandenen Einheiten an jährlicher Ruhezeit im Vergleich zur Zahl der geleisteten Arbeitseinheiten für jeden Zeitraum getrennt zu berechnen ist. Dies hat nach der Rechtsprechung des EuGH (Greenfield) zur Folge, dass eine Nachberechnung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nur in Bezug auf den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer die Arbeitszeit erhöht hat, vorgenommen wird. Die Urlaubsansprüche, die bereits im Zeitraum der Teilzeitbeschäftigung genommen wurden und über die in diesem Zeitraum entstandenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub hinausgingen, sind von den Ansprüchen abzuziehen, die während der späteren Vollzeittätigkeit neu entstanden sind. Für eine derartige Berechnung ist gleichgültig, ob der Anspruch in natura gewährt wird oder wegen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden muss. Nunmehr hatte der 9. Senat des BAG101 in der Entscheidung vom 14.3.2017 darüber zu befinden, ob im Falle eines unterjährigen Wechsels der Arbeitszeitverteilung eine tarifvertragliche Urlaubsregelung dahingehend ausgelegt werden kann, dass der kalenderjährig bestimmte Urlaubsanspruch in Zeitabschnitte fragmentiert und damit als Summe mehrerer (Teil-)Urlaubsansprüche zu berechnen ist. Die tarifvertragliche Regelung sah vor, dass Beschäftigte bei einer Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage 100 EuGH v. 11.11.2015 – C-219/14, NZA 2015, 1501. 101 BAG v. 14.3.2017 – 9 AZR 7/16, NZA-RR 2017, 376 Rz. 14.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

in der Kalenderwoche einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen haben sollten. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöhte oder verminderte sich der Urlaubsanspruch entsprechend, wobei der Bruchteil eines halben Urlaubstags auf einen vollen Urlaubstag aufzurunden war, während darunterliegende Bruchteile unberücksichtigt bleiben sollten. Die Klägerin wurde von der Beklagten als Erzieherin beschäftigt und arbeitete im Kalenderjahr 2013 zunächst an vier Wochentagen. Ab dem 19.8.2013 arbeitete die Klägerin an fünf Wochentagen. Unter Berücksichtigung von drei aus dem Jahr 2012 übertragenen Urlaubstagen bewilligte die Beklagte der Klägerin bis zur Änderung des Beschäftigungsumfangs 26 Urlaubstage, danach noch einen Urlaubstag. Anfang Dezember 2013 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, ihr zwei weitere Urlaubstage zu gewähren. Sie berief sich darauf, ungeachtet des aus dem Jahre 2012 übertragenen Urlaubs im Jahre 2013 einen Anspruch von 26 Urlaubstagen erworben zu haben, der für den Zeitraum bis zum 31.8.2013 16 Urlaubstage und für den Zeitraum September bis zum 31.12.2013 zehn Urlaubstage betrage. Demgegenüber ging die Beklagte von 24 Urlaubstagen für das Kalenderjahr 2013 aus, die sie vollständig erfüllt habe. Im Gegensatz zur Vorinstanz102, die der Klage unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Ersatzurlaubsanspruchs (§§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 S. 1, 286 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3, 287 S. 2, 249 Abs. 1 BGB) entsprochen hat, ist das BAG von der vollständigen Erfüllung des Urlaubsanspruchs durch die Beklagte ausgegangen und hat die Klage abgewiesen. Dabei hat sich das BAG von der Erwägung leiten lassen, dass die Klägerin zu Beginn des Jahres 2013 einen tariflichen Urlaubsanspruch im Umfang von 24 Arbeitstagen erworben habe, weil sie zu diesem Zeitpunkt an vier Arbeitstagen in der Kalenderwoche arbeitete. Davon seien der Klägerin bereits in der ersten Jahreshälfte 23 Tage Urlaub gewährt worden. Der ab September eingetretene unterjährige Wechsel in die FünfArbeitstage-Woche habe nicht zu einer Erhöhung des Urlaubsanspruchs um zwei weitere Urlaubstage geführt, weil der kalenderjährig bestimmte Urlaubsanspruch nicht in Zeitabschnitte fragmentiert und damit als Summe mehrerer Teilurlaubsansprüche zu berechnen sei. Diese Bewertung ist nach Ansicht des BAG der Gleichwertigkeit der Urlaubsdauer unabhängig von der Zahl der wöchentlichen Arbeitstage geschuldet. Danach muss unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Anzahl der Wochenarbeitstage die Anzahl der Urlaubstage ermittelt werden, die zur gleichen Dauer eines zusammen-

102 LAG Baden-Württemberg v. 3.8.2015 – 11 Sa 15/15 n. v. Rz. 39.

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Urlaubstage bei unterjähriger Veränderung der Anzahl der Wochenarbeitstage

hängenden gleichwertigen Urlaubs erforderlich ist. Der für die Berechnung maßgeblicher Zeitpunkt ist danach der, zu dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Urlaub gewährt. Nach dieser Methode der Gleichwertigkeit der Urlaubsdauer erfüllt der Arbeitgeber im Falle, dass ein Arbeitnehmer bei einer Fünftagewoche Anspruch auf 30 Urlaubstage hat und der gesamte Jahresurlaub in einen Zeitraum fällt, in dem der Arbeitnehmer nur an vier Tagen in der Woche arbeitet, mit der Gewährung von 24 Urlaubstagen seine Pflicht. Ändert sich allerdings die Zahl der Arbeitstage, bevor der Arbeitnehmer den gesamten Urlaubsanspruch erhalten hat, werden nach dieser Methode die zum Zeitpunkt des Wechsels noch nicht genommenen Urlaubstage mit dem Quotienten multipliziert, der sich aus der Anzahl der Wochenarbeitstage unter dem neuen Arbeitszeitregime (Dividend) und der Anzahl der Wochenarbeitstage unter dem alten Arbeitszeitregime (Divisor) ergibt. Im Streitfall war aus der vorangegangenen Periode ein Urlaubstag übriggeblieben, der mit dem Faktor 5/4 multipliziert 1,25 Urlaubstage ergab, mit der Maßgabe, dass der Bruchteil von 0,25 Urlaubstage nach der tarifvertraglichen Vorgabe unberücksichtigt blieb. Mit dieser Berechnungsmethode weicht das BAG von der Rechtsprechung des EuGH ab, was jedoch keiner Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorabentscheidung bedurfte, weil der den gesetzlichen Urlaubsanspruch überschreitende Urlaub der Klägerin betroffen war und damit die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG nicht berührt wurden. Diese uneinheitliche Auslegung der Berechnung des Urlaubs bei unterjähriger Veränderung der Anzahl der Wochenarbeitstage durch den EuGH und das BAG, die ihre Ursache in der unterschiedlichen Bewertung der Entstehungszeit des Urlaubs und seiner Realisierung hat, kommt lediglich für den übergesetzlichen Urlaubsanspruch zum Tragen, weil sich die Gewährung des gesetzlichen Urlaubs auf der Grundlage des BUrlG im Lichte einer unionskonformen Anwendung an der bestehenden Rechtsprechung des EuGH zu orientieren hat. Die betriebliche Praxis muss sich darauf einrichten, im Hinblick auf den übergesetzlichen Urlaub, soweit er nicht das gleiche Schicksal wie der gesetzliche Urlaub teilen soll, die anders verlaufende Lösung des BAG beachten zu müssen. (Boe)

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

11.

Schadensersatzanspruch bei nicht gewährtem Erholungsurlaub

Es entspricht der gefestigten Spruchpraxis des BAG103, dass dem Arbeitnehmer auf der Grundlage eines Schadensersatzanspruchs gemäß §§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 S. 1, 286 Abs. 1 S. 1, 287 S. 2 BGB in Gestalt der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) ein Ersatzurlaubsanspruch zusteht, wenn der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub, der mit dem Jahresende erloschen ist, nicht gewährt hat. Mit dieser Lösung wird bewirkt, dass der Urlaubsanspruch trotz seines Erlöschens am Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums bei rechtzeitigem Verlangen des Arbeitnehmers nicht ohne Kompensation untergeht und dem Arbeitnehmer weiterhin einen auf bezahlte Freistellung gerichteten Urlaubsanspruch aufrechterhält. Diese Rechtsprechung ist vor allem dann von Bedeutung, wenn die Parteien in einem Kündigungsschutzprozess über die Wirksamkeit einer Kündigung streiten und der Arbeitgeber aus seiner Perspektive keinen Naturalurlaub mehr erteilen will, weil er von einer Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen ausgeht. Ausgeschlossen wird damit, dass während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses ein Ersatzurlaubsanspruch in Gestalt eines Schadensersatzes in Geld (§ 251 Abs. 1 BGB) an die Stelle des am Jahresende erloschenen Naturalurlaubsanspruchs treten kann. Dies hat zur Folge, dass der Ersatzurlaubsanspruch in natura – abgesehen vom Fristenregime104 – den Modalitäten des verfallenen Urlaubsanspruchs unterliegt und im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Abgeltung zu erfüllen ist105. Der Schadensersatzanspruch auf Ersatzurlaubsgewährung unterliegt der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB und ist nach bisheriger Rechtsprechung des BAG106 gemäß § 251 Abs. 1 BGB in Geld zu entschädigen, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Naturalrestitution nicht mehr gewährt werden kann. Diese in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze waren vom 9. Senat des BAG in der Entscheidung vom 6.5.2017107 auf eine Klägerin anzuwen103 BAG v. 12.4.2016 – 9 AZR 659/14, NZA-RR 2016, 438 Rz. 14; BAG v. 19.1.2016 – 9 AZR 507/14, NZA-RR 2016, 235 Rz. 21. 104 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 523/05 n. v. Rz. 24. 105 BAG v. 16.5.2017 – 9 AZR 572/16, NZA 2017, 1056 Rz. 12 f. 106 BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 956/11, NZA 2014, 545 Rz. 20; BAG v. 20.4.2012 – 9 AZR 504/10, NZA 2012, 982 Rz. 12. 107 BAG v. 6.5.2017 – 9 AZR 572/16, NZA 2017, 1056.

466

Schadensersatzanspruch bei nicht gewährtem Erholungsurlaub

den, die nach Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit Schadensersatz wegen der in der Arbeitsphase der Altersteilzeit nicht gewährte Urlaubstage geltend gemacht hat. Nach dem einschlägigen Tarifvertrag für die Altersteilzeit war vorgesehen, dass Arbeitnehmer, die im Laufe eines Urlaubsjahres von der aktiven in die passive Altersteilzeit wechseln, für jeden Beschäftigungsmonat dieses Urlaubsjahres in aktiver Altersteilzeit 1/12 des Jahresurlaubs erhalten und während der passiven Altersteilzeit ein Urlaubsanspruch entfallen sollte. Die Arbeitsvertragsparteien hatten für den Zeitraum vom 1.4.2012 bis zum 31.3.2018 auf der Grundlage des einschlägigen Tarifvertrags über Altersteilzeitarbeit ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell mit einer Arbeitsphase bis zum 31.3.2015 begründet. Die Klägerin, der ein Jahresurlaub von 31 Arbeitstagen zustand, beantragte im Dezember 2014 für das Kalenderjahr 2015 die Gewährung von 31 Urlaubstagen. Die Beklagte gewährte der Klägerin auf der Grundlage des Tarifvertrags unter Ablehnung ihres Antrags im Übrigen nur acht Urlaubstage. Mit ihrer Klage hat die Klägerin wegen der Nichtgewährung von 23 Urlaubstagen für das Kalenderjahr 2015 Schadensersatz in Höhe von 3.769,52 € brutto von der Beklagten verlangt. Während das ArbG der Klage entsprochen hat, ist sie vom LAG Hessen abgewiesen worden. Das BAG hat die abweisende Entscheidung des LAG Hessen bestätigt, aber gleichzeitig seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben108, der an die Stelle des Ersatzurlaubsanspruchs tretende Schadensersatzanspruch auf Geld ergäbe sich aus § 251 BGB. Dabei wiederholt das BAG seine bisherige Bewertung, dass sich vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangter Urlaub, der im Verzugszeitraum durch Fristablauf verfällt, in einen Schadensersatzanspruch wandelt, der die Gewährung von Ersatzurlaub zum Inhalt hat. Mit der Entstehung des Ersatzurlaubsanspruchs erhält der Arbeitnehmer damit Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution. Die Naturalrestitution wird dadurch bewirkt, dass der Arbeitnehmer so zu stellen ist, als sei der vom Arbeitgeber nicht gewährte Urlaub nicht verfallen. Er ist – mit Ausnahme des Fristenregimes – auf den Fortbestand des Anspruchs auf bezahlte Freistellung unter den Bedingungen des BUrlG gerichtet. Damit erfolgt die Herstellung des vor dem schädigenden Ereignis bestehenden Zustands durch die Wiedereinräumung eines Anspruchs auf bezahlte Freistellung. Diese Bewertung des Gleichlaufs des ursprünglichen Naturalurlaubsanspruchs mit dem Ersatzurlaubsanspruch gilt nach nunmehr neuer Auffassung 108 BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 956/11, NZA 2014, 545 Rz. 20; BAG v. 20.4.2012 – 9 AZR 504/10, NZA 2012, 982 Rz. 12.

467

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

des BAG auch für die Abgeltung des Ersatzurlaubs. Damit wäre ein Schadensersatz in Geld (§ 251 Abs. 1 BGB) wegen des verfallenen Urlaubs vor der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses faktisch eine unzulässige Abgeltung von Urlaub, die auf der Grundlage von § 7 Abs. 4 BUrlG vom Gesetzgeber – was im Übrigen auch im Hinblick auf Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG gilt – ausschließlich für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen ist. Kann daher die bezahlte Freistellung während des noch laufenden Arbeitsverhältnisses durch den Wegfall der Arbeitspflicht tatsächlich nicht gewährt werden, liegt keine Unmöglichkeit i. S. v. § 251 Abs. 1 BGB vor, weil die Herstellung der bezahlten Freistellung nicht mehr möglich ist, sondern nach neuer Ansicht des BAG ein durch § 7 Abs. 4 BUrlG besonders geregelter Fall des Leistungsstörungsrechts 109. Damit wird einer Anwendung von § 251 Abs. 1 BGB während eines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses im Falle der Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung in natura der Boden entzogen. Angesichts der vorstehenden Erwägungen konnte die Klägerin im Streitfall mit der Beendigung ihrer Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses keinen Anspruch auf Abgeltung von Ersatzurlaub nach Maßgabe von § 7 Abs. 4 BUrlG gegen ihren Arbeitgeber durchsetzen. Da auch die Abgeltung eines Ersatzurlaubsanspruchs nur auf der Grundlage von § 7 Abs. 4 BUrlG in Betracht kommt, ist dafür die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabdingbare Voraussetzung. Dieses endet jedoch im Altersteilzeitverhältnis nicht bereits mit dem Übergang von der aktiven Phase in die Freistellungsphase, sondern erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Freistellungsphase. (Boe)

12. Anspruch des Arbeitnehmers auf halbe Urlaubstage Ob auf die Erteilung von Teilurlaubstagen oder halben Urlaubstagen ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers bestehen kann, hat bislang keine höchstrichterliche Abklärung erfahren, wenn man davon absieht, dass das BAG in einer Entscheidung vom 26.1.1989110 erkannt hat, dass Bruchteile von Urlaubstagen, die nicht nach § 5 Abs. 2 BUrlG aufgerundet werden müssen, entsprechend ihrem Umfang dem Arbeitnehmer durch Befreiung von der Arbeitspflicht zu gewähren oder nach dem Ausscheiden aus dem Arbeits109 So bereits BAG v. 20.9.2011 – 9 AZR 416/10, NZA 2012, 326 Rz. 23: Erlöschen des Urlaubsanspruchs mit dem Tod des Arbeitnehmers ohne Entstehung einer Abgeltung. 110 BAG v. 26.1.1989 – 8 AZR 730/87, NZA 1989, 756 unter Aufgabe von BAG v. 28.11.1968 – 5 AZR 133/68, DB 1969, 354 und BAG v. 17.3.1970 – 5 AZR 540/69, DB 1970, 1183.

468

Anspruch des Arbeitnehmers auf halbe Urlaubstage

verhältnis abzugelten sind. Nach § 5 Abs. 2 BUrlG sind Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden. Mit dieser Regelung wird für Arbeitnehmer, die nach § 5 Abs. 1 BUrlG Anspruch auf einen Bruchteil eines Urlaubstags haben, der Anspruch auf einen ganzen Urlaubstag begründet, sofern der Bruchteil mindestens die Hälfte eines Urlaubstags umfasst. Beträgt der Urlaubsanspruch weniger als einen halben Tag, wird der Anspruch vom Gesetz nicht explizit ausgeschlossen. Es findet nur keine Aufrundung statt. In dem vom BAG entschiedenen Fall ging es allerdings nicht darum, dass der Arbeitnehmer, der bereits ausgeschieden war, einen Teilurlaub in Gestalt bezahlter Freistellung, sondern einen Abgeltungsanspruch gegen den Arbeitgeber geltend gemacht hat. Es können aber Bruchteile von Urlaubstagen in natura zugunsten des Arbeitnehmers entstehen, die möglicherweise in Stunden zu erteilen sind, wenn die Arbeitszeit des Arbeitnehmers keine auf eine Woche bezogene Umrechnung ermöglicht, sondern unregelmäßig verteilt wird und damit die gesetzliche oder tarifliche Urlaubsdauer durch die Jahreswerktage zu teilen und mit den Tagen, an denen der Arbeitnehmer zu arbeiten hat, zu multiplizieren ist111. Ebenso kann es zu Bruchteilen von Urlaubstagen kommen, wenn sich die Arbeitszeit nicht nach Tagen, sondern nach Schichten bemisst. So hat das BAG112 folgende Umrechnungsformel vorgegeben: Urlaubstage im Jahr multipliziert mit Arbeitstagen im Jahr bei abweichender Verteilung geteilt durch Arbeitstage im Jahr bei einer Fünf-Tage-Woche (261 Arbeitstage). Diese von der Rechtsprechung des BAG befürwortete Berechnungsweise des Naturalurlaubs bzw. der Urlaubsabgeltung ist allein darauf angelegt, dem Arbeitnehmer auch den ihm zustehenden vollen Urlaubsanspruch zu gewähren. Damit ist aber nicht zugleich die Aussage verbunden, dass der Arbeitnehmer auf der Grundlage des BUrlG berechtigt wäre, von vornherein – über den Urlaubsanteil von mindestens zwölf aufeinanderfolgenden Tagen hinaus (§ 7 Abs. 2 S. 2 BUrlG) – seinen Urlaubsanspruch in Bruchteilen von Urlaubstagen vom Arbeitgeber beanspruchen zu können. Ob dies bei einer ausdrücklichen entsprechenden Absprache bezüglich des übergesetzlichen oder übertariflichen Urlaubs möglich ist, mag dahinstehen. Das BUrlG erwähnt Bruchteile von Urlaubstagen in § 5 Abs. 2 BUrlG nur im Zusammenhang mit der Aufrundung auf volle Tage, ohne damit zugleich eine Aussage zu treffen, dass Bruchteile von Urlaubstagen auch Gegenstand des Urlaubs111 BAG v. 18.2.1997 – 9 AZR 738/95, NZA 1997, 1123 Rz. 19. 112 BAG v. 19.1.2016 – 9 AZR 608/14, ZTR 2016, 455 Rz. 14.

469

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

anspruchs selbst sein können, der in § 3 Abs. 1 BUrlG dahingehend umschrieben wird, dass er jährlich mindestens 24 Werktage (volle Tage) beträgt. Demgegenüber vertritt das LAG Hamburg113 die Auffassung, dass einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung von Teilurlaubstagen grundsätzlich keine rechtlichen Hinderungsgründe entgegenstehen, soweit sichergestellt ist, dass pro Kalenderjahr jedenfalls ein Teilurlaub von zwölf aufeinanderfolgenden Werktagen gewährt wird. Der Arbeitgeber könne Ansprüche auf Teilurlaubstage nur ablehnen, soweit dem im Einzelfall dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienten. Über die vom LAG Hamburg zugelassenen Revision hat der Urlaubssenat des BAG114 der Sache nach nicht entschieden, weil die vom Kläger erhobene Klage mangels Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und auf eine zukünftige Leistung gerichtet (§ 259 ZPO) bereits als unzulässig abzuweisen war. Der Kläger verlangte von der Beklagten, ihm Erholungsurlaub in Form von halben Tagen zu gewähren. Veranlasst war die Klage dadurch, dass der mit einem Grad von 70 schwerbehinderte Kläger als Schlagzeuger bei der Aufführung eines Musicals mitwirkte, das nur samstags und sonntags zweimal pro Tag aufgeführt wurde. Die Beklagte hat dem Kläger einen Monat lang auf seinen Wunsch hin an Tagen, an denen zwei Aufführungen stattfanden, jeweils einen halben Urlaubstag gewährt, sodass der Kläger nur an einer Vorstellung mitwirken musste. Die Beklagte lehnte es dann jedoch ab, dem Kläger bei zwei Aufführungen weiterhin jeweils einen halben Tag Urlaub zu bewilligen, was den Kläger veranlasste, eine entsprechende Leistungsklage gegen die Beklagte zu erheben. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG Hamburg hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Beachtung von § 7 Abs. 2 BUrlG auf seinen Wunsch halbe Urlaubstage zu gewähren, sofern dem nicht im Einzelfall dringende betriebliche Erfordernisse oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang genießen. Das BAG hat die klageabweisende Entscheidung des ArbG wiederhergestellt und dies damit begründet, dass der Klageantrag, den der Kläger zur Entscheidung des Gerichts gestellt hat, nicht den gesetzlichen Bestimmtheitserfordernissen nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügte, weil die Urlaubserteilung von einem Urlaubsantrag des Klägers abhängen, unter Beachtung der 113 LAG Hamburg v. 21.9.2015 – 8 Sa 46/14 n. v. Rz. 37, 40. 114 BAG v. 27.6.2017 – 9 AZR 120/16, NZA 2017, 1215. Vgl. dazu Isenhardt, DB 2017, 2423; Ralf, ArbRB 2017, 461.

470

Kein Verfall des Urlaubsanspruchs bei Scheinselbständigkeit

gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 2 S. 2 BUrlG erfolgen und außerdem dadurch bedingt sein sollte, dass dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer unter sozialen Gesichtspunkten nicht entgegenstehen. Da die im Klageantrag formulierten Bedingungen kumulativ vorliegen müssen und vollkommen abstrakt formuliert worden sind, ließe sich bei einer Verurteilung im Vollstreckungsverfahren nicht mehr oder nur nach aufwendiger Prüfung feststellen, ob die Abgabe einer Willenserklärung der Urlaubserteilung nach § 894 ZPO seitens der Beklagten vorläge. Darüber hinaus hat der Kläger nach Auffassung des BAG eine auf zukünftige Leistung der Beklagten gerichtete Klage erhoben, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 259 ZPO vorgelegen haben. § 259 ZPO ermöglicht nämlich nicht die Verfolgung eines erst in der Zukunft entstehenden Anspruchs. Die Vorschrift setzt vielmehr voraus, dass der geltend gemachte Anspruch bereits entstanden ist115. Für die betriebliche Praxis zu bedauern ist, dass die Lösung des BAG auf prozessualer Ebene liegt und damit höchstrichterlich ungeklärt bleibt, ob der Arbeitnehmer grundsätzlich auch Bruchteile von Urlaubstagen vom Arbeitgeber beanspruchen kann, was – wie oben begründet worden ist – jedenfalls für den gesetzlichen Urlaubsanspruch auch unter unionsrechtlichen Aspekten (Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG) verneint werden muss. (Boe)

13. Kein Verfall des Urlaubsanspruchs bei Scheinselbständigkeit Aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des Court of Appeal (Berufungsgericht England und Wales) soll der EuGH116 zu folgenden Fragen des Urlaubsanspruchs gemäß Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG Stellung nehmen: 1. Ist es im Fall einer Streitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber über die Frage, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub gemäß Art. 7 der Richtlinie 2003/88 hat, mit dem Unionsrecht und insbesondere mit dem Grundsatz eines wirksamen Rechtsbehelfs vereinbar, wenn der Arbeitnehmer zunächst Urlaub nehmen muss, ehe er feststellen kann, ob er Anspruch auf Bezahlung hat?

115 So bereits BAG v. 22.10.2014 – 5 AZR 731/12, NZA 2015, 501 Rz. 40. 116 Generalanwalt Tanchev v. 8.6.2017 – C-214/16 n. v. – C. King (gegen The Sash Window Workshop Ltd, Richard Dollar).

471

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

2. Wenn der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Jahresurlaub in dem Bezugszeitraum, in dem ein Anspruch auszuüben ist, ganz oder teilweise nicht nimmt, den Urlaub aber genommen hätte, wenn nicht der Arbeitgeber die Vergütung für genommene Urlaubszeiten verweigern würde, kann dann der Arbeitnehmer geltend machen, dass er an der Ausübung seines Anspruchs auf bezahlten Urlaub gehindert ist, so dass der Anspruch so lange übertragen wird, bis der Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Ausübung des Anspruchs hat? 3. Wenn der Anspruch übertragen wird, erfolgt die Übertragung dann zeitlich unbegrenzt oder gilt ein begrenzter Zeitraum für die Ausübung des übertragenen Anspruchs in Entsprechung zu den Grenzen, die vorgesehen sind, wenn der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch im betreffenden Bezugszeitraum wegen Krankheit nicht ausüben kann? 4. Wenn es keine gesetzliche oder vertragliche Bestimmung zur Festlegung eines Übertragungszeitraums gibt, ist dann das Gericht zur Festsetzung einer Grenze für den Übertragungszeitraum verpflichtet, um sicherzustellen, dass die Anwendung der Regulation nicht den mit Art. 7 verfolgten Zweck verfälscht? 5. Ist in diesem Fall ein Zeitraum von 18 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres, in dem der Urlaub erworben wurde, mit dem Anspruch aus Art. 7 vereinbar?

Dieses Vorabentscheidungsersuchen zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und zu Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist durch eine Klage auf Urlaubsabgeltung eines bereits aus dem Arbeitsverhältnis nach Erreichen der Altersgrenze ausgeschiedenen Verkäufers (Herr King) mit seinem früheren Arbeitgeber veranlasst. Der Verkäufer war auf der Grundlage eines „Selbständigenvertrags mit Provision“ bei der Beklagten, die Fenster und Türen liefert und einbaut, mehr als 13 Jahre beschäftigt. Der Vertrag enthielt keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub. Er erhielt zwar Jahresurlaub, jedoch wurde dieser von der Beklagten nicht besonders bezahlt. Da Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dem Arbeitnehmer das Recht auf bezahlten Jahresurlaub einräumt und zwischenzeitlich zwischen den Parteien unstreitig geworden ist, dass in Wahrheit ein Arbeitsvertrag zwischen ihnen bestanden hat, verlangte der Kläger von der Beklagten vor dem ArbG eine Urlaubsabgeltung für die vergangenen 13 Jahre. In seinen Schlussanträgen vom 8.6.2017 beantwortet der Generalanwalt Evgeni Tanchev die Vorlagefragen dahingehend, dass es mit dem Unions472

Kein Verfall des Urlaubsanspruchs bei Scheinselbständigkeit

recht aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG unvereinbar ist, wenn ein Arbeitnehmer zunächst Urlaub nehmen muss, ehe er feststellen kann, ob er Anspruch auf Bezahlung hat. Wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht nimmt, aber genommen hätte, wenn der Arbeitgeber für die genommenen Urlaubszeiten die Vergütung nicht verweigert hätte, werde der Urlaub so lange übertragen, bis der Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Ausübung des Anspruchs hat. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses stünde dem Arbeitnehmer dann gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG eine finanzielle Vergütung für den bezahlten Jahresurlaub zu, den er nicht genommen habe. Erst zu diesem Zeitpunkt könnten im mitgliedstaatlichen Recht angeordnete zeitliche und sonstige Beschränkungen der Ausübung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zur Anwendung kommen, soweit sie mit dem Unionsrecht in Einklang stünden. Wenn nie eine entsprechende Möglichkeit zur Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub geschaffen worden sei, schulde der Arbeitgeber gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG eine finanzielle Vergütung für die gesamte Dauer der Beschäftigung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Insofern sei auch ein Zeitraum von 18 Monaten nach Ende des Bezugszeitraums, in dem der Urlaub erworben worden sei, nicht mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vereinbar. Man wird abwarten müssen, ob sich der EuGH diesem Votum des Generalanwalts im Ergebnis anschließt oder eine andere Lösung der Problematik der Scheinselbständigkeit für zutreffend erachtet. Zumindest wird die betriebliche Praxis der Entscheidung des EuGH mit großem Interesse entgegensehen müssen, weil die Schlussanträge des Generalsanwalts ein Ergebnis befürworten, das mit hohen wirtschaftlichen Belastungen des Arbeitgebers einhergeht, wenn sich nach längeren Zeiträumen einer Vertragsregelung mit einem selbständigen Dienstnehmer herausstellt, dass während der Dauer der vertraglichen Beziehungen in Wahrheit ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, ohne dass damit die Erteilung des unabdingbaren Urlaubsanspruchs verbunden worden ist. (Boe)

473

E.

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

1.

Anwendbarkeit des KSchG im Kleinbetrieb

Nach § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG gelten in Betrieben, in denen in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden, die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes mit Ausnahme von dessen §§ 4 bis 7, § 13 Abs. 1 S. 1 und S. 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat. Arbeitnehmer zählen für die Bestimmung der Betriebsgröße i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG nur mit, wenn sie in die betriebliche Struktur eingebunden sind. Dafür ist erforderlich, dass sie ihre Tätigkeit für diesen Betrieb erbringen und die Weisungen zu ihrer Durchführung im Wesentlichen von dort erhalten1. Dabei stellt diese Vorschrift auf die Betriebs- und nicht auf die Unternehmensgröße ab, was zur Folge haben kann, dass ein Unternehmensträger mit zwei oder drei Betrieben nicht vom Anwendungsbereich des KSchG betroffen ist, wenn in keinem dieser Betriebe regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer arbeiten. Der Betriebsbezug des Schwellenwerts ist demnach nicht bereits dann zu durchbrechen, wenn sich das Unternehmen zwar in mehrere kleine, organisatorisch verselbständigte Einheiten gliedert, insgesamt aber mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt2. Nach der Rechtsprechung des BVerfG3 ist der Betriebsbezug verfassungsrechtlich unbedenklich, solange dadurch nicht angesichts der vom Arbeitgeber geschaffenen konkreten Organisation die gesetzgeberischen Erwägungen für die Privilegierung des Kleinbetriebs bei verständiger Betrachtung ins Leere gehen und die Bestimmung des Betriebsbegriffs nach herkömmlicher Definition zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung betroffener Arbeitnehmer führte.

1 2 3

BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 468/15, NZA 2016, 1196 Rz. 15. BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 468/15, NZA 2016, 1196 Rz. 20. BVerfG v. 27.1.1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470 Rz. 52 f.; ebenso BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 468/15, NZA 2016, 1196 Rz. 20; BAG v. 28.10.2010 – 2 AZR 392/08, DB 2011, 118 Rz. 25;. a. A. Gragert/Kreutzfeldt, NZA 1998, 567, 569; Kittner, NZA 1998, 731.

475

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Die Kleinbetriebsregelung des § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG war erneut Gegenstand einer Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 2.3.20174. Die Beklagte ist eine Fondsgesellschaft, die in H und M zwei Betriebsstätten unterhält. Der Kläger war seit Juli 2011 in der Betriebsstätte H als Vertriebsleiter neben insgesamt acht Mitarbeitern in Vollzeit sowie einem Mitarbeiter mit neun Arbeitsstunden wöchentlich und einer weiteren Mitarbeiterin im Büro mit 18 Stunden wöchentlich beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 6.2., 21.2. und 4.3.2014 ordentlich zum 30.9.2014. Der Kläger erhob unter Hinweis auf die Anwendung des KSchG Kündigungsschutzklage und machte im Hinblick darauf geltend, die Beklagte betreibe in H und M einen einheitlichen Betrieb, sodass die Zahl der Beschäftigten regelmäßig mehr als zehn ausmache. Demgegenüber verteidigte sich die Beklagte damit, dass es sich bei den beiden Betriebsstätten um eigenständige Betriebe handele und damit das KSchG keine Anwendung finden könne. Das LAG5 hat der Kündigungsschutzklage entsprochen. Das BAG hat den Kündigungsschutzantrag für unbegründet gehalten und ist davon ausgegangen, dass bereits die Kündigung der Beklagten vom 6.2.2014 das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.9.2014 aufgelöst hat. Nach Ansicht des BAG scheiterte die Kündigungsschutzklage bereits daran, dass der Kläger nicht in der erforderlichen Weise darlegen konnte, dass die Betriebsstätten der Beklagten in H und M einen einheitlichen Betrieb i. S. d. § 23 Abs. 1 KSchG bildeten. Darauf kam es deswegen an, weil der Schwellenwert gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG für sich genommen in beiden Betriebsstätten nicht erreicht war. Das BAG weist zunächst darauf hin, dass § 23 Abs. 1 KSchG ebenso wie das gesamte KSchG keine eigenständige Definition des Betriebsbegriffs aufweist, weshalb im Wesentlichen auf den Betriebsbegriff des § 1 BetrVG zurückzugreifen sei. Danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mithilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen darf6. Dies setzt nach der Rechtsprechung des BAG voraus, dass eine den Betrieb konstituierende Leitungsmacht besteht, die den Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten im Wesentlichen selbständig aus4 5 6

BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 427/16, NZA 2017, 859. LAG Berlin-Brandenburg v. 28.4.2016 – 10 Sa 887/15 n. v. BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 468/15, NZA 2016, 1196 Rz. 12.

476

Anwendbarkeit des KSchG in der Matrix-Organisation

übt. Davon ist auszugehen, wenn der Leitungsapparat schwerpunktmäßig alle wesentlichen Entscheidungen über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen sowie Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen trifft7. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast wäre es daher Sache des Klägers gewesen, zumindest äußere Umstände schlüssig darzulegen, aus denen auf einen einheitlichen Leitungsapparat hätte geschlossen werden können. Hierzu hat der Kläger nichts Erhebliches vorgetragen, obwohl die Beklagte behauptet hatte, dass die zuständigen Geschäftsführer alle Entscheidungen über Einstellungen, Entlassungen, Versetzungen und Urlaubsgewährung für die jeweilige Betriebsstätte träfen, aber auch für Personalbeurteilungen und Organisationsfragen zuständig seien. Da der Kläger diesem Vorbringen nicht in erheblicher Weise entgegengetreten war, musste von zwei selbstständigen Betrieben ausgegangen werden, sodass sich der Kläger nicht auf den Kündigungsschutz nach dem KSchG zu berufen vermochte. Mit dieser Entscheidung knüpft das BAG an seine bisherige Spruchpraxis an und verdeutlicht zugleich, mit welchen Instrumenten unselbständige Betriebsteile zu selbständigen Betrieben entwickelt werden können, wobei die jeweilige Organisationsstruktur als unternehmerische Entscheidung allein in den Händen des Arbeitgebers liegt. Von weiterer Bedeutung ist dabei für die prozessuale Auseinandersetzung, dass zunächst der Arbeitnehmer zumindest konkrete Anhaltspunkte vortragen muss, die einen Schluss auf die Anwendung des KSchG zulassen. (Boe)

2.

Anwendbarkeit des KSchG in der MatrixOrganisation

In seinem Urteil vom 19.1.20178 hat sich das ArbG Bonn mit der betriebsbedingten Kündigung des in einer Matrix-Organisation beschäftigten Arbeitnehmers befasst. Im Wesentlichen ging es dabei um die Frage, ob der Kläger in einem Betrieb beschäftigt war, in dem die nach § 23 Abs. 1 KSchG für eine Anwendbarkeit des KSchG erforderliche Anzahl von in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmern tätig war. Der Kläger war zuletzt in einem Bereich tätig, der innerhalb der MatrixStruktur des Konzerns der Beklagten für die Verwaltung und Betreuung der 7 8

BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 427/16, NZA 2017, 859 Rz. 15; BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 476/10 n. v. Rz. 36; BAG v. 28.10.2010 – 2 AZR 392/08, DB 2011, 118 Rz. 16. ArbG Bonn v. 19.1.2017 – 3 Ca 2022/16 n. v.

477

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

konzernzugehörigen Immobilien innerhalb einer bestimmten Region zuständig war. In diesem Bereich arbeiteten insgesamt 65 Mitarbeiter, davon 18 Mitarbeiter in N und 47 Mitarbeiter in anderen Ländern. Grundlage für die Tätigkeit des Klägers war ein schriftlicher Arbeitsvertrag, nach dem er in der A-Einheit in C tätig werden sollte. In der A-Einheit in C waren auch die Mitarbeiter beschäftigt, die das Kündigungsschreiben und die anschließende Freistellung unterzeichnet hatten. Der Vorgesetzte des Klägers hingegen war in N tätig. Von dort aus übte er die fachliche und disziplinarische Weisungsbefugnis in Bezug auf die Bereiche Urlaub, Krankmeldung und Zielvereinbarung aus. Vor seiner Kündigung wurde der für die A-Einheit in C gebildete Betriebsrat angehört. Der Kläger machte geltend, dass er auch kündigungsschutzrechtlich der AEinheit als Betrieb zugeordnet werden müsse. Dort werde auch die nach § 23 Abs. 1 KSchG für eine Anwendbarkeit von § 1 KSchG erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern beschäftigt. Es sei rechtsmissbräuchlich, seine kündigungsschutzrechtliche Zuordnung von dem zufälligen Sitz seines Vorgesetzten abhängig zu machen. Das ArbG Bonn ist dieser Sichtweise gefolgt und hat eine Zugehörigkeit des Klägers zu der A-Einheit in C als kündigungsschutzrechtlichen Betrieb angenommen. Die Kündigung hätte deshalb einer sozialen Rechtfertigung nach § 1 KSchG genügen müssen, was aus seiner Sicht auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten nicht der Fall war. In den Gründen seiner Entscheidung hat das ArbG Bonn darauf verwiesen, dass innerhalb einer Matrix-Struktur von einer gestaltenden Arbeitgeberfunktion ausgegangen werden müsse. Das Arbeitsverhältnis bleibe rechtlich verordnet bei dem Vertragsarbeitgeber, während die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in fachlichen und sozialen Angelegenheiten auf den Einsatzbereich delegiert würden. Für die Feststellung, in welchen kündigungsschutzrechtlichen Betrieb ein Arbeitnehmer eingegliedert sei, müsste deshalb auf verschiedene Kriterien zurückgegriffen werden. Dazu gehörten nach Auffassung von Rechtsprechung und Literatur u. a. die räumliche Nähe, die Teilnahme an betrieblichen Sozialeinrichtungen, die Ausübung des fachlichen Weisungsrechts, die Abhängigkeit des Mitarbeiters von dem technischen Apparat des Vertragsarbeitgebers oder die administrative Abwicklung in Bezug auf Gehaltsabrechnung, Urlaubsbeantragung oder Arbeitsunfähigkeit9. Allerdings müsste eine Gesamtbetrachtung erfolgen. 9

Vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 19.8.2015 – 4 Sa 709/14 n. v. Rz. 62; Gimmy/Hügel, NZA 2013, 764, 768; Kort, NZA 2013, 1318, 1324.

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Anwendbarkeit des KSchG in der Matrix-Organisation

Hiervon ausgehend hält das ArbG Bonn nicht nur die örtliche Anbindung des Klägers in unmittelbarer Nachbarschaft zu der A-Einheit für ein Indiz seiner organisatorischen Einbindung. Entscheidend ist aus seiner Sicht vor allem die „administrative Abwicklung“, die es bei der Entgeltabrechnung, der Abwicklung sozialversicherungsrechtlicher Angelegenheiten und der Überlassung von Arbeitsmitteln sieht. Diese Abwicklung werde aus der AEinheit in C vorgenommen, was damit auch die kündigungsschutzrechtliche Zuordnung präge. Dass der Dienstsitz des Vorgesetzten in einem anderen Betrieb im Ausland liege, bewirke noch keine Eingliederung des Klägers in diese Struktur. Andernfalls würden sich allein durch den Umzug des Vorgesetzten die betriebliche Eingliederung des Klägers ändern, ohne dass dies für ihn von inhaltlichen Änderungen begleitet würde. Die Beklagte wäre durch die Ausübung ihres Direktionsrechts gegenüber einem Dritten in der Lage, über die Betriebszugehörigkeit des Klägers und damit auch über die Anwendbarkeit des KSchG zu verfügen. Der Sitz des Vorgesetzten stelle deshalb in aller Regel kein Indiz für die Eingliederung des Arbeitnehmers in einen Betrieb dar. Der Entscheidung ist allenfalls in ihrem Ergebnis zuzustimmen, wobei angesichts der außerordentlich zurückhaltenden Feststellungen im Sachverhalt der Entscheidung eine abschließende Bewertung nicht erfolgen kann. Im Kern bleiben bei der Argumentationslinie des ArbG Bonn allerdings ganz wesentliche Merkmale des kündigungsschutzrechtlichen Betriebs ebenso wie tatsächliche Erscheinungsformen einer Matrix-Organisation unberücksichtigt. Zunächst einmal beachtet das ArbG Bonn nicht genügend, dass die gespaltene Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts innerhalb der Matrix-Organisation in der Regel zwischen dem fachlichen und dem disziplinarischen Weisungsrecht unterscheidet. Ein ganz wesentlicher Teil der personellen und sozialen Angelegenheiten, die mit dem disziplinarischen Weisungsrecht verbunden sind (z. B. Einstellung, Vertragsangelegenheiten, Abmahnung, Kündigung) verbleibt in der Regel beim Vertragsarbeitgeber und den für die Einheit, innerhalb derer ein Arbeitnehmer tatsächlich tätig ist, zuständigen Personen. Darüber hinaus ist auch in Bezug auf die kündigungsschutzrechtliche Zuordnung zu berücksichtigen, dass die fachlichen Vorgesetzten innerhalb der Matrix ihre Weisungen jeweils im Namen des Vertragsarbeitgebers aussprechen. Auch das steht der Annahme entgegen, dass mit ihren Erklärungen eine Zuordnung zu der Einheit erfolgt, innerhalb der der Vorgesetzte tätig ist. Deutlich wird dies insbesondere dann, wenn der Vorgesetzte nicht innerhalb eines anderen Unternehmens, sondern nur an einem anderen Standort des gleichen Unternehmens tätig ist.

479

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Unabhängig davon stellt der Begriff der „administrativen Abwicklung“ kein geeignetes Unterscheidungsmerkmal in Bezug auf die kündigungsschutzrechtliche Zuordnung dar. Denn soweit das ArbG Bonn in diesem Zusammenhang die Durchführung der Entgeltabrechnung, die Erfassung von Arbeitsunfähigkeitszeiten oder die Abwicklung der sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten für maßgeblich hält, sind dies allesamt Kriterien, die keine Bedeutung für die Steuerung von Arbeitnehmern in Bezug auf personelle und soziale Angelegenheiten besitzen. Vielmehr handelt es sich dabei um bloße Servicefunktionen, die auch außerhalb des Betriebs oder Unternehmens durch Dritte wahrgenommen werden könnten. Das Gleiche gilt für die Überlassung von Arbeitsmitteln, wenn damit nicht auch ihr Einsatz und dessen Steuerung verbunden ist. Wie das BAG bereits in seinen Urteilen vom 19.7.201610 und vom 2.3.201711, über die wir berichteten12, deutlich gemacht hat, hängt die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu der kündigungsschutzrechtlichen Einheit i. S. d. § 23 Abs. 1 KSchG davon ab, ob von der für diese Einheit maßgeblichen Stelle die wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten entschieden und in der Umsetzung gesteuert werden. Dabei geht es vor allem um die Angelegenheiten im Anwendungsbereich von §§ 87, 92, 99, 102 BetrVG. Weil in dem der ersten Entscheidung zugrunde liegenden Fall eine solche Weisungsbefugnis in Bezug auf die in einer Niederlassung in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer nicht ausgeübt wurde, war ihre kündigungsschutzrechtliche Zuordnung zu der in Deutschland gelegenen Einheit abzulehnen. Die räumliche Entfernung, die dieser Zuordnung nicht entgegengestanden hätte, spielte dabei zu Recht keine Rolle. An diesen Merkmalen und dem Erfordernis einer fallbezogenen Subsumtion ist – abweichend von den Ausführungen des ArbG Bonn – auch im Rahmen der MatrixOrganisation festzuhalten. (Ga)

3.

Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers aufgrund einer Verlängerung seiner Kündigungsfrist

Viele Arbeitsverträge enthalten eine Klausel, nach der eine kraft Gesetzes oder Tarifvertrags bewirkte Verlängerung der für den Arbeitgeber verbindlichen Kündigungsfrist auch bei einer Kündigung durch den Arbeitnehmer zur Anwendung kommen soll. Grundsätzlich ist eine solche Verlängerung der 10 BAG v. 19.7.2016 - 2 AZR 468/15, BB 2016, 2227. 11 BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 427/16, NZA 2017, 8595. 12 B. Gaul, AktuellAR 2016, 502 ff.; Boewer, AktuellAR 2017, 475 ff.

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Benachteiligung des Arbeitnehmers aufgrund einer Verlängerung seiner Kündigungsfrist

Kündigungsfrist des Arbeitnehmers zulässig13. Sie soll aus Arbeitgebersicht das Risiko mindern, dass als Konsequenz einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers nicht kurzfristig ein geeigneter Ersatz für eine Fortsetzung der Beschäftigung gefunden werden kann. In seinem Urteil vom 26.10.201714 hat der 6. Senat des BAG jetzt allerdings deutlich gemacht, dass eine erhebliche Verlängerung der für den Arbeitnehmer kraft Gesetzes oder Tarifvertrags geltenden Frist für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, die im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen erfolgt, als eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu qualifizieren sein kann, selbst wenn die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in gleicher Weise verlängert werde. Konsequenz ist die Unwirksamkeit der entsprechenden Vertragsklausel. Der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis sodann mit der für ihn maßgeblichen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Frist beenden. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die klagende Arbeitgeberin den beklagten Arbeitnehmer in ihrer Leipziger Niederlassung seit Dezember 2009 als Speditionskaufmann in einer 45-Stunden-Woche gegen eine Vergütung von 1.400,– € (brutto) beschäftigt. Im Juni 2012 unterzeichneten die Parteien eine Zusatzvereinbarung, nach der sich die gesetzliche Kündigungsfrist für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende verlängerte. Gleichzeitig wurde das monatliche Bruttogehalt auf 2.400,– € (brutto) angehoben. Ab einem monatlichen Reinerlös von 20.000,– € war eine Steigerung auf 2.800,– € (brutto) vorgesehen. Das Entgelt sollte nach dieser Vereinbarung bis zum 30.5.2015 nicht erhöht werden und bei einer späteren Neufestsetzung wieder mindestens zwei Jahre unverändert bleiben. Nachdem ein Kollege des Beklagten festgestellt hatte, dass auf den Computern der Niederlassung im Hintergrund das zur Überwachung des Arbeitsverhaltens geeignete Programm „PC Agent” installiert war, kündigten der Beklagte und fünf weitere Arbeitnehmer am 27.12.2014 ihre Arbeitsverhältnisse zum 31.1.2015. Die Klägerin – also der Arbeitgeber – nahm dies zum Anlass, beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung zu erheben, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten trotz dieser Kündigung bis zum 31.12.2017 fortbestehe. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz hat das BAG diese Feststellung abgelehnt. Nach seiner Auffassung war die Verlängerung der Kündigungsfrist,

13 BAG v. 18.9.2014 – 6 AZR 636/13, NZA 2014, 1400 Rz. 21; HWK/Bittner, BGB § 622 Rz. 31. 14 BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16 n. v.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

die im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen mit einer Reihe von Arbeitnehmern vereinbart worden war, als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers zu qualifizieren. Dies führe nach §§ 307 Abs. 1 S. 1, 306 BGB zur Unwirksamkeit dieser Vereinbarung. In seiner Begründung, die allerdings erst als Pressemitteilung verfügbar ist, weist der 6. Senat des BAG darauf hin, dass bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TzBfG einhalte, aber wesentlich länger sei als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB, nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung von Art. 12 Abs. 1 GG geprüft werden müsse, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstelle. Hiervon sei im vorliegenden Fall trotz der beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist auszugehen. Denn der Nachteil für den Beklagten wurde auch nicht durch die vorgesehene Gehaltserhöhung aufgewogen, zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau langfristig eingefroren hatte. Für die hier vorgenommene Sichtweise in Bezug auf die streitgegenständliche Vereinbarung spricht, dass die Verlängerung der Kündigungsfrist dauerhaft zu einer mindestens dreijährigen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zwingt, auch wenn arbeitnehmerseitig eine Beendigung gewünscht wird. Das unterscheidet die hier getroffene Vereinbarung auch von einer Befristung, die den Arbeitnehmer nur einmalig dazu verpflichtet, das Arbeitsverhältnis für eine bestimmte Zeitspanne fortzusetzen, die – was § 15 Abs. 4 TzBfG zeigt – auch fünf Jahre erreichen kann. Hier nimmt die Dauer des weiteren Bestands des Arbeitsverhältnisses und damit auch die daraus folgende Beeinträchtigung der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers aber mit zunehmender Vertragsdauer ab. Ungeachtet dessen dürfte es wichtig sein zu sehen, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall gleichwohl eine längere Kündigungsfrist mit Arbeitnehmern vereinbart werden kann. Hierfür können bestimmte Wettbewerbssituationen oder der Schutz eines bestimmten Know-Hows gehören, das in der Person des Arbeitnehmers verkörpert ist. Bestehen Zweifel, ob unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu § 307 Abs. 1 S. 1 BGB die Voraussetzungen einer angemessenen Bindungsdauer erfüllt werden, bietet es sich allerdings alternativ an, die beiderseitig verlängerte Kündigungsfrist mit dem Arbeitnehmer auszuhandeln. Denn in diesem Fall kommen die Grundsätze der AGB-Kontrolle gemäß §§ 305, 310 Abs. 3 BGB nicht zur Anwendung. Vielmehr ist die entsprechende Vereinbarung nur an §§ 138 BGB, 15 Abs. 4 TzBfG zu messen. (Ga)

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Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

4.

Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG setzt die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen häufiger Kurzerkrankungen in einer ersten Stufe zunächst einmal eine negative Gesundheitsprognose voraus. Hierfür müssen zum Zeitpunkt der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Daher können häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankenbildes sprechen, sofern nach Art und Ursache der Erkrankung nicht von einer zwischenzeitlichen Heilung auszugehen ist. Im Rahmen einer zweiten Stufe müssen die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. In diesem Zusammenhang werden neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen übersteigende Entgeltfortzahlungskosten gerechnet. Liegt eine solche erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vor, ist in einem dritten Prüfungsschritt festzustellen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist unter anderem zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, ob und wie lange das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zunächst ungestört verlaufen ist, ob der Arbeitgeber eine Personalreserve vorhält und etwa neben Betriebsablaufstörungen auch noch hohe Entgeltfortzahlungskosten aufzuwenden hatte. Darüber hinaus sind das Alter, der Familienstand und die Unterhaltspflichten sowie gegebenenfalls eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen15. Diese Grundsätze gelten auch bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen. Dabei darf sich der Arbeitgeber zunächst einmal darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten. Bereits in seinem Urteil vom 10.11.200516 hat das BAG indes deutlich gemacht, dass der insoweit zugrundeliegende Zeitraum der Vergangenheit nicht als starre Größe zu verstehen sei. Insofern können die letzten drei Jahre zwar eine hinreichende Grundlage für eine Prognose weiterer Fehlzeiten bieten. Ausreichend könne aber sowohl ein kürzerer Zeitraum als auch bei einzelnen Fehlzeiten erst ein längerer Zeitraum sein, um eine negative Ge15 Vgl. BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 288/13, NZA-RR 2015, 16; BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 582/13, BB 2014, 2877; BAG v. 10.11.2005 – 2 AZR 44/05, NZA 2006, 655. 16 BAG v. 10.11.2005 – 2 AZR 44/05, NZA 2006, 655 Rz. 24.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

sundheitsprognose zu rechtfertigen. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob sich innerhalb der krankheitsbedingten Fehlzeiten auch Ausfallursachen befinden, die zu längeren Ausfallzeiten geführt haben17. Sobald sich der Arbeitnehmer – was erforderlich ist – nach einem entsprechenden Vortrag des Arbeitgebers zur Zahl, Dauer sowie zeitlichen Folge krankheitsbedingter Ausfallzeiten zu den Ursachen der jeweiligen Erkrankungen einlässt, ist deshalb bereits auf der ersten Stufe eine Prüfung der Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung zu prüfen, ob die jeweilige Fehlzeit geeignet ist, die Erwartung weiterer Ausfallzeiten wegen der gleichen Ursache zu rechtfertigen. Im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit einer Vielzahl unterschiedlicher Ursachen für häufige Kurzerkrankungen hat das LAG MecklenburgVorpommern darauf noch einmal in seinem Urteil vom 7.3.201718 hingewiesen. In dem zugrundeliegenden Fall war die Klägerin in den letzten fünf Jahren vor ihrer Erkrankung jeweils insgesamt 187 Tage (2011), 26 Tage (2012), 29 Tage (2013), 59 Tage (2014) und 37 Tage (2015) erkrankt und deshalb ausgefallen. Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis daher krankheitsbedingt gekündigt. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements hatte die Klägerin abgelehnt. Nach Auffassung des LAG Mecklenburg-Vorpommern rechtfertigten die Ausfallzeiten keine negative Gesundheitsprognose, weil es nach Art, Umfang und Ursache nicht möglich war, daraus auf eine Wiederholung in der Zukunft zu schließen. Soweit die Ausfallzeiten im Jahre 2011 auf einen eingeklemmten Nerv im linken Ellenbogen zurückzuführen waren, sei von einer Ausheilung der Erkrankung auszugehen. Denn im Anschluss an den letzten Ausfalltag, der im Februar 2012 auf diese Erkrankung zurückzuführen gewesen sei, habe es keine weiteren Fehlzeiten gegeben, die einen Bezug dazu hatten. In gleicher Weise seien Ausfallzeiten, die als Konsequenz eines Sturzes im häuslichen Bereich in den Jahren 2014 und 2015 zu 67 Ausfalltagen geführt hatten, nicht geeignet, eine negative Prognose für die künftige Gesundheit der Klägerin zu rechtfertigen. Denn die Rückenprobleme müssten als ausgeheilt gelten, nachdem auch im Anschluss an diese Fehlzeiten andere Krankheiten die Ursache für weitere Fehlzeiten waren. Insofern sei von dem Grundsatz

17 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 Rz. 40; LAG MecklenburgVorpommern v. 7.3.2017 – 2 Sa 158/16, NZA-RR 2017, 347 Rz. 40. 18 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 7.3.2017 – 2 Sa 158/16, NZA-RR 2017, 347, Rz. 48 ff.

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Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

auszugehen, dass Verletzungen des Skeletts oder des Gewebes, die man sich bei einem Unfall zuziehe, im Regelfall ausheilen. Ausfallzeiten, die auf einen derartigen Heilungsprozess zurückzuführen seien, fielen daher als Prognosegrundlage für zukünftige Fehlzeiten im Regelfall aus19. In gleicher Weise würde man Ausfallzeiten wegen einer Zahnoperation bei einer Kündigung, die erst zwei Jahre später erklärt wird, nicht berücksichtigen können. Nach den Feststellungen des LAG Mecklenburg-Vorpommern bieten auch die Ausfallzeiten wegen der körperlichen Reaktion der Klägerin auf die durch eine Scheidung ausgelöste Lebenskrise keine Basis für eine Prognose weiterer Ausfallzeiten, da derartige Krankheiten nach allgemeiner Lebenserfahrung überwunden werden und Indizien für andere Prognosen hier nicht vorlägen. Im vorliegenden Fall konnte nach den Feststellungen des die Klägerin behandelnden Arztes zwar davon ausgegangen werden, dass die Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen auf das für die Klägerin traumatische Ereignis der Scheidung zurückzuführen waren und das daraus folgende Leiden zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht ausgeheilt war. Die damit verbundene Lebenskrise, während derer sie vorübergehend ihren Lebensmut verloren hatte, rechtfertigte für das LAG MecklenburgVorpommern allerdings ebenfalls keine negative Gesundheitsprognose. Die vom Arzt beschriebenen Leiden seien – so das LAG MecklenburgVorpommern – für das Gericht als bekannte menschliche Reaktionen auf derartige Krisen ohne weiteres nachvollziehbar. Allerdings entspreche es ebenso der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der angesichts solcher Lebenskrisen verlorene Lebensmut mit dem zeitlichen Abstand zu dem auslösenden Ereigniskomplex wiederkehre, weil sich im Regelfall herausstelle, dass es trotz der erlebten Krise möglich sei, das Leben auch unter den veränderten Bedingungen geordnet und möglicherweise alsbald auch wieder mit Lebensfreude fortzuführen. Erst dann, wenn festgestellt werden müsse, dass die Klägerin gar nicht mehr in der Lage sei, einen Ausweg aus der Lebenskrise zu finden, könnte man eine darauf aufbauende Kündigung ins Auge fassen20. Dass die Klägerin einen Teil ihrer Fehlzeiten auch auf eine Erkrankung der Atemwege zurückführte (2012: 26 Kalendertage, 2014: 7 Kalendertage, 2015: 4 Kalendertage), genügte dem LAG Mecklenburg-Vorpommern nicht, 19 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 7.3.2017 – 2 Sa 158/16, NZA-RR 2017, 347 Rz. 53 ff. 20 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 7.3.2017 – 2 Sa 158/16, NZA-RR 2017, 347 Rz. 69 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

um von einer chronischen Erkrankung der Atemwege zu sprechen. Allerdings erlaubte sich das Gericht den „ernst gemeinten Rat”, die Klägerin möge den Auszug aus der ärztlichen Krankenakte aufmerksam durchlesen und beachten, dass dort mehrfach die Diagnose „Nikotinabusus” auftauche. Die Klägerin solle deshalb ernsthaft darüber nachdenken, ihre bisherigen Rauchgewohnheiten aufzugeben, denn über die Jahre könne sich aus einem solchen Nikotinabusus sehr wohl eine chronische Erkrankung ergeben21.� Unabhängig davon hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern in seinem Urteil vom 7.3.201722 zwar zurecht darauf verwiesen, dass auch eine „Krankheitsanfälligkeit” der Klägerin die negative Gesundheitsprognose rechtfertigen könne. Darauf hatte das BAG in seinem Urteil vom 10.11.200523 verwiesen. Insofern könne auch eine gewisse Krankheitsanfälligkeit eine Wiederholungsgefahr für weitere Ausfallzeiten begründen. Dies gelte umso mehr, als die bisherigen Fehlzeiten in dem dort zur Entscheidung stehenden Fall vor allem auf Erkältungs- bzw. Entzündungserkrankungen sowie auf Beschwerden des Bewegungsapparats basierten. Bei solchen Erkrankungen läge - wenn nicht besondere Therapiemaßnahmen (zum Beispiel Operationen) ergriffen worden seien – grundsätzliche die Gefahr einer Wiederholung nahe, selbst wenn die aktuellen Erkrankungsfälle ausgeheilt seien. Sie zeugten von einer gewissen Anfälligkeit. Bei solchen Erkrankungen in der Vergangenheit geht das BAG deshalb davon aus, dass der Kläger darlegen müsse, dass die Ärzte seine künftige gesundheitliche Entwicklung ihm gegenüber als günstig beurteilt hätten. Soweit das BAG das Vorliegen einer solchen „schicksalshaften Krankheitsanfälligkeit” in dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall noch bestätigt hatte, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Annahme einer solchen Prognose durch das LAG Mecklenburg-Vorpommern in seinem Urteil vom 7.3.201724 indes abgelehnt worden. Insofern verweist es zu Recht auf den Umstand, dass auch im Zusammenhang mit einer Krankheitsanfälligkeit eine nur statistische Analyse der Ausfallzeiten nicht genüge. Vielmehr müsste sich aus der Art der Erkrankung heraus auch eine plausible Erklärung für die Krankheitsanfälligkeit ergeben. Hierzu könnte ein ungesunder Lebenswandel, das Betreiben verletzungsgeneigter Sportarten, eine 21 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 7.3.2017 – 2 Sa 158/15, NZA-RR 2017, 347 Rz. 84 f. 22 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 7.3.2017 – 2 Sa 158/16, NZA-RR 2017, 347 Rz. 80 ff. 23 BAG v. 10.11.2005 – 2 AZR 44/05, NZA 2006, 655. 24 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 7.3.2017 – 2 Sa 158/16, NZA-RR 2017, 347 Rz. 80 ff.

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Betriebsbedingte Änderungskündigung nach einer Veränderung des Anforderungsprofils

konstitutionelle Schwäche (Anfälligkeit für bestimmte Krankheitsarten) oder – insbesondere bei fortgeschrittenem Lebensalter – das Auftreten körperlicher Verschleißerscheinungen gehören. Ein solcher (gemeinsamer) Nenner der verschiedenen Krankheiten ließe sich bei der Klägerin in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall indes nicht erkennen. Unabhängig davon sei es bei einer Kündigung wegen „schicksalhafter Krankheitsanfälligkeit” geboten, einen deutlich längeren Beobachtungszeitraum zugrunde zu legen. Den hier vorliegenden Zeitraum von knapp fünf Jahren hält das LAG Mecklenburg-Vorpommern insofern für unzureichend. Insgesamt ist den vorstehend behandelten Entscheidungen zuzustimmen. Sie machen noch einmal deutlich, dass die krankheitsbedingte Kündigung nicht erst im Zusammenhang mit der Interessenabwägung Probleme bereiten kann. Wichtiger noch ist es, sich auf eine substantiierte Darlegung der negativen Zukunftsprognose zu konzentrieren, sobald (spätestens) als Konsequenz eines entsprechenden Vortrags des Arbeitnehmers die Gründe für die Ausfallzeiten bekannt sind. Diese Prognose muss auch im Rahmen der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG dargestellt werden. (Ga)

5.

Betriebsbedingte Änderungskündigung nach einer Veränderung des Anforderungsprofils

In einer Reihe von Entscheidungen hat das BAG bereits in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass der Arbeitgeber zum Ausspruch einer betriebsbedingten Beendigungskündigung berechtigt sein kann, wenn eine weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz als Konsequenz einer Änderung des daran geknüpften Anforderungsprofils jedenfalls nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr möglich ist25. In seinem Urteil vom 2.3.201726 hat das BAG diese Rechtsprechung noch einmal bestätigt, zugleich aber auch deutlich gemacht, dass Konsequenz einer solchen Veränderung des Anforderungsprofils auch der Ausspruch einer betriebsbedingten Änderungskündigung sein kann. Dies ist dann der Fall, wenn eine andere Möglichkeit der Weiterbeschäftigung gegeben ist (§ 1 Abs. 2 S. 3 KSchG). In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall war der Kläger seit 2005 als Chefarzt der Inneren Abteilung einer Klinik und als Chefarzt der inter-

25 Vgl. BAG v. 25.10.2012 – 2 AZR 552/11, NZA-RR 2013, 632; BAG v. 21.4.2005 – 2 AZR 241/04, NJW 2006, 108. 26 BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 546/16, NZA 2017, 905 Rz. 18, 22 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

nistischen Abteilung einer weiteren Klinik beschäftigt. Er verfügte über die Qualifikation als „Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie” mit der Zusatzqualifikation eines „Diabetologen DDG”. Nachdem die Beklagte 2011 die erste Klinik zur Abwendung einer Insolvenz geschlossen hatte, entschloss sie sich, die internistische Abteilung der zweiten Klinik in „Gastroenterologische Abteilung“ umzubenennen und ihr auch inhaltlich eine entsprechend veränderte Ausrichtung zu geben. Um eine wirtschaftliche Fortführung der Klinik durch kontinuierliche Patientenzuweisungen sichern zu können, strebte sie an, mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Knappschaft-Baden-See einen Basisvertrag nach § 21 SGB IX. abzuschließen. Gleichzeitig beschloss sie, sowohl die Chefarztstelle als auch die Oberarztstelle der gastroenterologischen Abteilung durch Ärzte mit der Facharztbezeichnung „Gastroenterologe” zu besetzen, um die Anforderungen der DRV an die Strukturqualität von Reha-Einrichtungen zu erfüllen. Im April 2012 stellte die Beklagte Frau Dr. K. ein, die später als Chefärztin der gastroenterologischen Abteilung beschäftigt wurde. Frau Dr. K. war vier Jahre jünger als der Kläger und – anders als dieser – nicht verheiratet. Gegenüber dem Kläger sprach die Beklagte im August 2013 zum 31.3.2014 eine betriebsbedingte Kündigung aus, die – als Änderungskündigung – zugleich mit dem Angebot einer Weiterbeschäftigung als Assistenzarzt verknüpft war. Der Kläger hat das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt einer sozialen Rechtfertigung angenommen und die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Nach seiner Auffassung war die Änderung des Anforderungsprofils der Chefarztstelle nicht durch einen zwingenden äußeren arbeitsplatzbezogenen Grund gedeckt. Denn es sei es auch unter Berücksichtigung der Anforderungen der DRV nicht geboten, die Stelle mit einem Chefarzt zu besetzen, der die Facharztbezeichnung „Gastroenterologe” innehabe. Unabhängig davon machte er eine fehlerhafte Sozialauswahl geltend.� Mit überzeugender Begründung hat das BAG diese Einwände im Grundsatz zurückgewiesen, allerdings mangels ausreichender Feststellungen zum Sachverhalt keine abschließende Entscheidung getroffen. Nach den Feststellungen des 2. Senats des BAG ist eine betriebsbedingte Änderungskündigung sozial gerechtfertigt im Sinne der §§ 1 Abs. 2 S. 1, 2 KSchG, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und sich der Arbeitgeber darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen müsse, sei nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ermitteln. Die Änderungen müssten geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags an die verbleibenden Be488

Betriebsbedingte Änderungskündigung nach einer Veränderung des Anforderungsprofils

schäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Hiervon ausgehend dürften die angebotenen Änderungen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich sei27. Natürlich genügt die bloße Absicht, einen Arbeitnehmer durch einen neu eingestellten oder neu einzustellenden Arbeitnehmer zu ersetzen, nicht, um die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auszuschließen. Denn der darin liegende Austausch von Arbeitnehmern indiziert gerade, dass auf der bisherigen Stelle des gekündigten Arbeitnehmers eine Weiterbeschäftigung möglich gewesen wäre28. Nach den aktuellen Feststellungen des BAG kann allerdings die von der Beklagten behauptete Änderung des Anforderungsprofils der Chefarztstelle ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG darstellen, das die betriebsbedingte Änderungskündigung rechtfertigte. Die Gestaltung des Anforderungsprofils für einen Arbeitsplatz unterliege – so das BAG – grundsätzlich der freien „unternehmerischen” Disposition. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten – nach Möglichkeit – von Arbeitnehmern mit einer bestimmen Qualifikation ausführen zu lassen, sei grundsätzlich zu akzeptieren. Eine entsprechende Vorgabe könne von den Arbeitsgerichten grundsätzlich nur auf Willkür und offenbare Unrichtigkeit hin gerichtlich überprüft werden29. Dieser Grundsatz erfährt allerdings für die betriebliche Praxis eine wichtige Einschränkung. Wenn die betreffende Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich sind, weil der Arbeitnehmer dem neuen Anforderungsprofil nicht genügt, akzeptiert das BAG die generelle Vermutung, dass eine unternehmerische Entscheidung auf sachlichen Gründen beruht, nicht unbesehen. Vielmehr verlangt es, dass der Arbeitgeber konkret darlegt, wie seine Entscheidung sich auf die tatsächlichen Möglichkeiten, die Arbeitnehmer einzusetzen, auswirkt und in welchem Umfang durch die Entscheidung ein konkreter Änderungsbedarf entstanden ist. Berufe sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung auf eine Neubestimmung des Anforderungsprofils, müsse er den zugrundeliegenden betrieblichen Anlass im Einzelnen darlegen. Die Entscheidung zur (neuen) Stellenprofilierung müsse im Zusam27 BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 546/16, NZA 2017, 908 Rz. 19; BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 680/14, ZTR 2016, 275. 28 BAG v. 31.7.2014 – 2 AZR 422/13, NJW 2015, 508 Rz. 41. 29 BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 546/16, NZA 2017, 905 Rz. 23; BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 582/14, NZA 2016, 33 Rz. 15.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

menhang mit einer organisatorischen Maßnahme – gegebenenfalls im Zusammenhang mit einer Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit – stehen, nach deren Durchführung sich die bisherigen Anforderungen an den Stelleninhaber änderten30. Es müsse sich bei einer geänderten Anforderung an die Qualifikation des Stelleninhabers nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung” für die Ausführung der Tätigkeit, sondern um ein nachvollziehbares, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für die Stellenprofilierung handeln31. Ob und inwieweit diese Voraussetzungen erfüllt waren, konnte der 2. Senat des BAG auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LAG nicht feststellen. Denn es war unklar, ob sich die Beklagte zur Rechtfertigung der veränderten Anforderungen an die Stelle des Chefarztes nur auf Strukturanforderungen der DRV berufen hatte, oder ob sich im Zusammenhang mit der Veränderung des Anforderungsprofils auch eine Neuausrichtung der Abteilung und damit verbunden eine Änderung der Aufgaben ihres chefärztlichen Leiters ergeben hatte. Hätten sich durch die organisatorischen Änderungen – so das BAG – auch die Aufgaben des Chefarztes geändert, wäre die Beklagte in der Profilierung der Stelle freier gewesen als bei einer bloßen Änderung der Qualifikationsanforderungen für die im Übrigen unverändert gebliebene Aufgabe. Insofern wird das LAG festzustellen haben, welche Überlegungen zur Änderung des Anforderungsprofils geführt haben und in welchem Zusammenhang die Stelle mit ihrem geänderten Anforderungsprofil in der neuen Aufgaben- und Organisationsstruktur dieser Abteilung der Klinik gestanden hat. Auch die Sozialauswahl muss überprüft werden. Wenn die Änderungen des Anforderungsprofils allerdings zur Konsequenz hatten, dass nur Frau Dr. K., nicht aber der Kläger dieses erfüllen konnte, war eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG nicht mehr erforderlich. Die hier in Rede stehende Entscheidung hat für die betriebliche Praxis erhebliche Relevanz. Denn nicht immer sind betriebsbedingte Beendigungskündigungen mit einer schlichten Reduzierung des Umfangs der zu leistenden Arbeit zu rechtfertigen. Die Weiterentwicklung der technischen Anforderungen an die Arbeitsplätze (Arbeiten 4.0) machen es immer wieder erforderlich, neue Anforderungen an die Qualifikation der Stelleninhaber zu stellen. So ist es denkbar, dass die Verwendung einer neuen Hard- oder Software, der Einsatz neuer Maschinen und/oder die Zusammenarbeit mit 30 BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 546/16, NZA 2017, 905 Rz. 23; BAG v. 18.3.2010 – 2 AZR 337/08, NZA-RR 2011, 18 Rz. 20. 31 BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 546/16, NZA 2017, 905 Rz. 23; BAG v. 10.7.2008 – 2 AZR 1111/06, NZA 2009, 312 Rz. 26.

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Berechtigung zur Regelaltersrente im Rahmen der Sozialauswahl

neuen Kunden ebenso wie der Einsatz neuer Produkte an veränderte Kenntnisse und Fähigkeiten beim Stelleninhaber geknüpft sind. Wenn das daraus folgende Anforderungsprofil vom Stelleninhaber nicht mehr erfüllt werden kann, kommt nach dem hier erkennbaren Grundsatz eine betriebsbedingte Änderungs- oder Beendigungskündigung in Betracht, wenn die Vermittlung entsprechender Fertigkeiten nicht durch zumutbare Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen möglich ist (§ 1 Abs. 2 S. 3 KSchG). (Ga)

6.

Berücksichtigung der Berechtigung zur Regelaltersrente im Rahmen der Sozialauswahl

Gemäß § 41 S. 1 SGB VI stellt der Anspruch des Versicherten auf eine Rente wegen Alters keinen Grund dar, eine sozial gerechtfertigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber auszusprechen. Wie das BAG mit Urteil vom 27.4.201732 deutlich gemacht hat, steht dies allerdings einer Kündigung aus anderen Gründen – insbesondere also einer betriebsbedingten Kündigung – nicht entgegen. Fraglich ist aber, ob die Berechtigung zum Bezug von Regelaltersrente im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Lasten des anspruchsberechtigten Arbeitnehmers im Rahmen der Sozialauswahl berücksichtigt werden kann. Dafür spricht zunächst einmal, dass in § 41 SGB VI eine § 8 Abs. 1 TzBfG entsprechende Regelung fehlt. Für die Altersteilzeit enthält § 8 Abs. 1 TzBfG nämlich nicht nur eine § 41 S. 1 SGB VI entsprechende Regelung. Vielmehr wird dort ausdrücklich festgelegt, dass die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Altersteilzeit auch nicht im Rahmen der Sozialauswahl zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigt werden kann. Das BAG hat sich in seinem Urteil vom 27.4.201733 intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt und schlussendlich mit überzeugender Begründung eine Berücksichtigung der Berechtigung zum Bezug von Regelaltersrente im Rahmen der Sozialauswahl zugelassen. Der Kläger (Geburtsjahr 1947) war bei der Beklagten, einem Arbeitgeberverband, zum Zeitpunkt der Kündigung bereits seit 35 Jahren beschäftigt. Anlass der betriebsbedingten Kündigung des Klägers war die Entscheidung des Arbeitgeberverbandes, die Zahl der juristischen Mitarbeiter von sechs auf fünf zu reduzieren. Hintergrund war die sinkende Anzahl von Gerichtsverfahren, die aus Sicht des Arbeitgeberverbandes eine geringere Auslastung

32 BAG v. 27.4.2017 – 2 AZR 67/16, NZA 2017, 902 Rz. 18, 30. 33 BAG v. 27.4.2017 – 2 AZR 67/16, NZA 2017, 902 Rz. 14 ff., 19 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

zur Folge hatte. Da der Kläger als besonders langjährig Versicherter allerdings im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf eine ungekürzte gesetzliche Regelaltersrente besaß, beschloss die Beklagte, ihn statt einer Kollegin zu kündigen. Die Kollegin war zwar wie der Kläger verheiratet, hatte aber ein Kind. Im Übrigen aber war sie erst seit sieben Jahren beschäftigt und (nur) 35 Jahre alt. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage machte der Kläger deshalb nicht nur geltend, dass die sinkende Anzahl der Gerichtsverfahren eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertige. Im Wesentlichen stützte er die Klage auf die Annahme, dass die Berücksichtigung seiner Berechtigung zum Bezug von Regelaltersrente als unzulässige Diskriminierung wegen des Alters zu qualifizieren sei. Soweit der Kläger geltend machte, dass in der Reduzierung der Anzahl der juristischen Mitarbeiter keine betriebsbedingte Rechtfertigung seiner Kündigung liege, konnte das BAG zwar keine abschließende Entscheidung treffen. Es hat allerdings deutlich gemacht, dass es den Gerichten insoweit nur obliege festzustellen, ob ein Rechtsmissbrauch vorliege. Dass die Beklagte beschlossen habe, die – noch – anfallenden Rechtssachen künftig von nur fünf juristischen Mitarbeitern in deren vertraglich geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeiten erledigen zu lassen und dadurch wider Erwarten eintretende qualitative Einbußen und ggf. zeitliche Verzögerungen in Kauf zu nehmen, sei grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allerdings müsse der Arbeitgeberverband diese – nahe am Kündigungsentschluss liegende – Unternehmerentscheidung im Kündigungsschutzprozess hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und ihrer Nachhaltigkeit ausreichend verdeutlichen. Auch wenn der Arbeitgeberverband seinen Mitgliedern in der rechtlichen Beratung einen gewissen Mindeststandard schulde und die Bearbeitung der anfallenden Rechtssachen zumindest teilweise nach Maßgabe fremdbestimmter Fristen zu erfolgen habe, sei zu berücksichtigen, dass die juristischen Mitarbeiter auch bei einem steigenden Fallaufkommen die Möglichkeit hätten, „konzentrierter und verdichteter“ zu arbeiten. Im Übrigen habe auch der Kläger nicht vorgetragen, dass nach seinem Ausscheiden bei den verbliebenen Arbeitnehmern über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeiten angefallen seien. Das LAG wird diese Frage indes zu vertiefen haben. Im Mittelpunkt der Entscheidung stand damit die Frage, ob und inwieweit das Lebensalter auch unter Berücksichtigung des möglichen Bezugs einer Regelaltersrente im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zu berücksichtigen war. Ausgangspunkt ist dabei, dass die Sozialauswahl das Ziel verfolgt, bei bestehender Vergleichbarkeit zu einer Kündigung des Arbeitnehmers zu kommen, der auf das Arbeitsverhältnis am wenigsten ange492

Berechtigung zur Regelaltersrente im Rahmen der Sozialauswahl

wiesen ist. Typisierende Merkmale für die insoweit maßgebliche Schutzbedürftigkeit sind dabei neben dem Lebensalter die Betriebszugehörigkeit, etwaige Unterhaltspflichten und eine mögliche Schwerbehinderung. Das Lebensalter ist insoweit – so das BAG – als abstrakter Maßstab für die Vermittlungschancen eines Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt im Anschluss an eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu sehen. Diesen Zweck lässt § 1 Abs. 3 KSchG zwar nicht unmittelbar erkennen. § 10 S. 3 Nr. 6 AGG lässt eine Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl indes dann zu, wenn „insbesondere die Chancen auf dem Arbeitsmarkt entscheiden“. Dies lässt nach Auffassung des BAG nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber das Lebensalter – jedenfalls im Zusammenhang mit einer durchzuführenden Sozialauswahl – als abstrakten Maßstab für die Vermittlungschancen eines Beschäftigten nach einer Kündigung verstanden wissen wolle34. Diese Zweckbestimmung der Sozialauswahl gebietet es nach den Feststellungen des 2. Senats des BAG, einen Arbeitnehmer, der bereits Regelaltersrente beziehen kann, jedenfalls hinsichtlich dieses Auswahlkriteriums als deutlich weniger schutzbedürftig anzusehen als Arbeitnehmer, die im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch keinen Anspruch auf eine Altersrente hätten. Bei diesen bestehe die Gefahr, dass sie durchgehend oder zumindest für größere Zeiträume beschäftigungslos blieben und damit mittel- bzw. langfristig auf den Bezug von Entgeltersatzleistungen und etwaigen staatlichen Unterstützungsleistungen angewiesen seien35. Hingegen stehe den Arbeitnehmern, die im Kündigungszeitpunkt bereits Anspruch auf eine Regelaltersrente hätten oder – wie der Kläger – eine solche sogar bezögen, dauerhaft ein Ersatzeinkommen für das zukünftig entfallende Arbeitseinkommen zur Verfügung. Sie hätten auch keinen Anspruch auf öffentlich-rechtliche Entgeltersatzleistungen. Für Personen, die das für die Regelaltersrente erforderliche Lebensalter vollendet haben, entfällt vom Beginn des folgenden Monats an der Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 136 Abs. 2 SGB III). In Übereinstimmung mit dieser Bewertung habe der Gesetzgeber deshalb auch in § 10 Abs. 2 KSchG festgelegt, dass eine erhöhte Abfindung wegen des Lebensalters nicht festgesetzt werden dürfe, wenn der Arbeitnehmer das in §§ 35, 235 SGB VI bezeichnete Lebensalter erreicht habe. Zu Recht hat sich das BAG im Anschluss an diese Feststellungen zum Regelungsgehalt von § 1 Abs. 3 KSchG auch mit der unionsrechtlichen Zulässig34 BAG v. 27.4.2017 – 2 AZR 67/16, NZA 2017, 902 Rz. 15. 35 BAG v. 27.4.2017 – 2 AZR 67/16, NZA 2017, 902 Rz. 16; BAG v. 9.12.2014 – 1 AZR 102/13, NZA 2015, 365 Rz. 31.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

keit einer solchen Berücksichtigung des Lebensalters befasst, allerdings eine unzulässige Diskriminierung wegen des Lebensalters und damit auch einen Verstoß gegen die Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG abgelehnt36. Zu Recht verweist das BAG in diesem Zusammenhang darauf, dass den Mitgliedstaaten sowohl bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung sie verfolgen wollen, als auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu dessen Erreichung ein weiter Ermessensspielraum zustehe. Voraussetzung sei, dass die gewählten Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich seien. Nach Auffassung des BAG sind diese Voraussetzungen erfüllt, wenn die Berechtigung zum Bezug von Regelaltersrente im Rahmen der Sozialauswahl zum Nachteil der hiervon betroffenen Arbeitnehmer berücksichtigt wird. Zum einen verfolge der deutsche Gesetzgeber mit der Berücksichtigung der Regelaltersrentenberechtigung bei der Auslegung und Anwendung von § 1 Abs. 3 KSchG ein rechtmäßiges Ziel i. S. d. Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG. Denn es handele sich um ein Instrument der nationalen Arbeitsmarktpolitik, mit dem über eine gerechtere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen die wirtschaftliche Existenz von Arbeitnehmern durch den Verbleib in Beschäftigung gesichert werden solle. Nach Auffassung des BAG sind die zur Erreichung des Ziels gewählten Mittel auch angemessen und erforderlich. Den regelaltersrentenberechtigten Arbeitnehmern stehe zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts ein dauerhaftes Ersatzeinkommen zur Verfügung. Hieran fehle es bei den nicht rentenberechtigten Arbeitnehmern. Selbst wenn diese nach einer Übergangszeit ein Anschlussarbeitsverhältnis begründen könnten, verlören sie ihre bisherige kündigungsschutzrechtliche Stellung und gehörten bei künftigen Personalreduzierungen regelmäßig zu den Beschäftigten, denen wegen ihrer kurzen Betriebszugehörigkeit vorrangig gekündigt werde. Überdies könnten sie oftmals bei der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses nicht ihr bisheriges Arbeitsentgelt erzielen, was, ebenso wie die vorangehenden Zeiten einer Arbeitslosigkeit, zu Nachteilen in ihrer Erwerbsbiografie führe. Ergänzend hierzu kann das BAG ein milderes Mittel, bei der es die Höhe der konkreten Altersrente ausdrücklich unberücksichtigt lässt, nicht erkennen. Im Übrigen führe das vom Gesetzgeber gewählte Mittel nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der regelaltersrentenberechtigten Arbeitnehmer. Denn es blieben weiterhin Betriebszugehö36 BAG v. 27.4.2017 – 2 AZR 67/16, NZA 2017, 902 Rz. 19 ff.

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Berechtigung zur Regelaltersrente im Rahmen der Sozialauswahl

rigkeit, etwaige Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung, die als soziale Kriterien den Ausschlag zu ihren Gunsten geben könnten. Außerdem sei auch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Konsequenz dieser Sozialauswahl nicht mit der Notwendigkeit verbunden, aus dem Arbeitsleben auszuscheiden. Ausdrücklich offen gelassen hat das BAG, ob die Regelaltersrentenberechtigung auch im Zusammenhang mit einer Gewichtung des Kriteriums der Betriebszugehörigkeit Berücksichtigung finden kann. Dabei scheint es der 2. Senat des BAG jedenfalls für möglich zu halten, diesem Kriterium bei einer gleichlangen Betriebszugehörigkeit eines anderen Arbeitnehmers als Folge der Regelaltersrentenberechtigung ein geringeres Gewicht zuzuerkennen. Vorsorglich sollte die betriebliche Praxis hier aber Zurückhaltung walten lassen. Dagegen spricht nämlich, dass die Dauer der Betriebszugehörigkeit im Rahmen der Sozialauswahl schlussendlich auch der Verengung der beruflichen Tätigkeit durch eine fortbestehend gleiche oder gleichartige Beschäftigung des Arbeitnehmers und die daraus resultierenden Schwierigkeiten bei der Vermittlung in eine andere Beschäftigung Rechnung tragen soll. Diese Konsequenz der Betriebszugehörigkeit ist altersunabhängig zu erkennen und sollte deshalb ohne Rücksicht auf eine Berechtigung zum Bezug von Regelaltersrente Berücksichtigung finden. In dem konkret zur Entscheidung stehenden Fall hat das BAG jedenfalls auf der Grundlage der vorstehenden Überlegungen keinen Fehler der Sozialauswahl erkennen können. Vielmehr ist es davon ausgegangen, dass der Arbeitgeberverband berechtigt war, den Kläger trotz seines Lebensalters und der mehr als 33jährigen Betriebszugehörigkeit zu entlassen und die 35jährige Kollegin, die lediglich sieben Jahre der Betriebszugehörigkeit aufwies, weiter zu beschäftigen. Eine höhere Schutzbedürftigkeit war insoweit nur in Bezug auf die Unterhaltspflichten gegeben, weil bei der Kollegin neben dem Ehegatten auch ein unterhaltsberechtigtes Kind zu berücksichtigen war. Für die betriebliche Praxis hat die Entscheidung besondere Bedeutung. Sie prägt nicht nur individuelle Auswahlentscheidungen, bei denen die jeweiligen Sozialdaten gewichtet werden. Sie dürfte auch Berücksichtigung bei der Ausgestaltung von Punkteschemata haben, weil insoweit auch eine deutlich geringere Gewichtung dieses Kriteriums mit zunehmender Rentennähe geboten erscheint. (Ga)

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

7.

Beginn der Zwei-Wochen-Frist bei außerordentlicher Kündigung

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann eine außerordentliche (fristlose) Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund erklärt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Voraussetzung ist nach § 626 Abs. 2 BGB allerdings, dass die Kündigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach dem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. In seinem Urteil vom 1.6.201737 hat sich der 6. Senat des BAG nicht nur mit dem Vorliegen eines wichtigen Grundes, sondern auch intensiv mit der Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist bei der Kündigung der Geschäftsführerin eines Vereins wegen illoyalen Verhaltens befasst. In dem seiner Entscheidung zugrundeliegenden Fall versuchte die Geschäftsführerin, durch Einwirkung auf Vereinsmitglieder oder Dritte einen Rücktritt des Präsidenten des Vereins zu bewirken. Damit wurde ein zwischen dem Präsidenten und der Klägerin bestehender Konflikt ins Außenverhältnis getragen, was das Präsidium des Vereins veranlasste, eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Geschäftsführerin auszusprechen. Ausgangspunkt für dieses Handeln des Vereins war eine Rund-EMail der Klägerin an die Vereinsmitglieder vom 19.9.2013, von dem die Beklagte zeitnah erfuhr. Sie veranlasste deshalb eine Präsidiumssitzung am 25.9.2013, in der auch die Klägerin befragt wurde. Danach sprach sie eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Die Klägerin machte die Unwirksamkeit dieser Kündigung nicht nur mit der Begründung geltend, dass kein wichtiger Grund gegeben sei. Vielmehr habe die Beklagte auch missachtet, dass vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen sei. Unabhängig davon habe sie die ZweiWochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. In Bezug auf die Kennzeichnung des wichtigen Grundes und die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist ist das BAG dieser Sichtweise der Klägerin nicht gefolgt. Aus seiner Sicht lag in dem grob illoyalen Verhalten der Klägerin und 37 BAG v. 1.6.2017 – 6 AZR 720/15, NZA 2017, 1332.

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Beginn der Zwei-Wochen-Frist bei außerordentlicher Kündigung

der damit verbundenen Störung des Vereinsfriedens auch ohne vorherige Abmahnung ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses. Denn der Arbeitnehmer sei gemäß § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, Störungen des Betriebsfriedens oder Betriebsablaufs zu vermeiden. Der Arbeitgeber müsse deshalb unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen könnten, nicht hinnehmen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers eine tatsächliche Störung des Betriebsfriedens bewirkt habe38. In diesem Verhalten der Klägerin lag aus Sicht des BAG auch eine so schwerwiegende Pflichtverletzung, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch die Beklagte nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich ausgeschlossen war. Insoweit musste auch keine Abmahnung ausgesprochen werden (§ 314 Abs. 2 S. 3 BGB)39. Keine abschließende Entscheidung konnte das BAG allerdings in Bezug auf die Frage treffen, ob bei Ausspruch der außerordentlichen Kündigung die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB eingehalten worden ist. Grundsätzlich beginnt die Zwei-Wochen-Frist mit dem Zeitpunkt, indem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies sei – so das BAG – der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen habe, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen solle oder nicht. Handle es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, sei grundsätzlich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich. Seien für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genüge indessen grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter40. Dass das Präsidium als zur Kündigung der Geschäftsführerin berechtigtes Organ des Vereins bereits vor dem 19.9.2013 Kenntnis von einzelnen Maßnahmen der Klägerin hatte, führte – so das BAG – nicht zur Versäumung der Frist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB. Das Präsidium durfte eine Anhörung der Klägerin zur Aufklärung der Gesamtumstände für erforderlich halten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass bei Pflichtverletzungen, die zu einem Gesamtverhalten zusammengefasst werden könnten, die Ausschlussfrist erst mit Kenntnis des letzten Vorfalls beginne, der ein weiteres und letztes Glied in

38 BAG v. 1.6.2017 – 6 AZR 720/15, NZA 2017, 1332 Rz. 49. 39 BAG v. 1.6.2017 – 6 AZR 720/15, NZA 2017, 1332 Rz. 49. 40 BAG v. 1.6.2017 – 6 AZR 720/15, NZA 2017, 1332 Rz. 61; BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 48.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

der Kette der Ereignisse bilde, die in ihrer Gesamtheit zum Anlass für eine Kündigung genommen würden41. Das illoyale Verhalten der Klägerin stellte aus Sicht des BAG eine solche Pflichtverletzung dar, bei der das Präsidium eine Anhörung zur Gewinnung eines Gesamtüberblicks für erforderlich halten durfte. Dies gilt selbst dann, wenn schlussendlich keine Verdachts-, sondern eine Tatkündigung in Rede steht. Hintergrund dieser Annahme ist, dass ein Kündigungsberechtigter, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören kann, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB zu laufen beginnt. Voraussetzung ist aber, dass er – so das BAG – aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführe, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts und der Beweismittel verschaffen sollten. Falls der Kündigungsgegner angehört werden soll, müsse dies allerdings innerhalb einer kurzen Frist erfolgen, die im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen dürfe. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass auch der Beginn der einwöchigen Anhörungsfrist – wie bei der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB – mit Blick auf den Kenntnisstand des Kündigungsberechtigten bezüglich des möglichen Kündigungsgrundes zu bestimmen ist. Damit läuft auch die einwöchige Anhörungsfrist erst mit Kenntnis des Vorfalls an, der ein weiteres und letztes Glied in der Kette der Ereignisse bildet, die in ihrer Gesamtheit den Kündigungsentschluss tragen. Ob die Anhörung dann tatsächlich zu einem neuen Aufklärungsergebnis geführt hat, ist für die vorgelagerte Frage, ob die Anhörung für erforderlich gehalten werden darf, ohne Belang. Es genügt, dass die Anhörung in der gebotenen Zügigkeit durchgeführt wird und dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnet, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen gegebenenfalls zu bestreiten oder Tatsachen aufzuzeigen, die die für die Kündigung sprechenden Umstände entkräften. Ob dies in dem hier in Rede stehenden Fall im Rahmen der Anhörung geschehen war, ließ sich auf der Grundlage der Feststellungen durch das LAG nicht erkennen. Insbesondere blieb ungeklärt, ob der Klägerin im Rahmen des Gesprächs vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit zur Darstellung ihrer Sicht und damit auch zur Entlastung gegeben worden war. Für die betriebliche Praxis hat diese Entscheidung insoweit Bedeutung, als noch einmal erkennbar wird, dass die Anhörung des Arbeitnehmers nicht nur 41 BAG v. 1.6.2017 – 6 AZR 720/15, NZA 2017, 1332 Rz. 63 f.; BAG v. 24.11.1983 – 2 AZR 327/82, DB 1984, 884.

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Wegfall des Annahmeverzugs durch unterlassenen Zwischenverdienst

eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Ausspruch einer Verdachtskündigung ist. Sie kann auch wesentliche Bedeutung für die Frage besitzen, ob die Kündigung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen wird. Voraussetzung ist aber, dass – was arbeitgeberseitig auch dokumentiert werden sollte – mit der gebotenen Eile die Anhörung eingeleitet und dem Arbeitnehmer im Rahmen der Anhörung konkret Gelegenheit gegeben wird, zu den bekannten und den Verdacht begründenden Tatsachen Stellung zu nehmen. (Ga)

8.

Wegfall des Annahmeverzugs durch unterlassenen Zwischenverdienst

Nach § 293 BGB kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Leistung tatsächlich anbieten (§ 294 BGB). Ein wörtliches Angebot (§ 295 BGB) genügt (nur), wenn der Arbeitgeber ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen42. So ist ein tatsächliches Angebot der Arbeitsleistung entbehrlich, wenn der Arbeitgeber, insbesondere durch einseitige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit, auf das Angebot der Arbeitsleistung verzichtet hat. Dabei ist die Arbeitsleistung so anzubieten, wie sie zu bewirken ist, also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen bzw. deren Konkretisierung kraft Weisung nach § 106 S. 1 GewO43. Nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Angebots des Arbeitnehmers nicht44. Für diesen Fall geht die Rechtsprechung des BAG von der Anwendbarkeit des § 296 BGB aus45. Da der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Arbeit zuweisen muss, endet der Annahmeverzug bei einer unwirksamen Kündigung nur dann, wenn der Erklärung des Arbeitgebers mit hinreichender Deutlichkeit die Aufforderung zu

42 BAG v. 21.10.2015 – 5 AZR 843/14, NZA 2016, 688 Rz. 19. 43 BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407 Rz. 37; BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 Rz. 14. 44 BAG v. 17.11.2011 – 5 AZR 564/10, NZA 2012, 260 Rz. 13. 45 BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, NZA 2013, 101 Rz. 28; BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858 Rz. 14.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

entnehmen ist, der Arbeitnehmer möge zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort die Arbeit wieder aufnehmen46. Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, so muss sich der Arbeitnehmer gem. § 11 S. 1 KSchG auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen, was er durch anderweitige Arbeit verdient hat (Nr. 1) und was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen (Nr. 2). § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG stellt in Übereinstimmung mit § 615 S. 2 BGB darauf ab, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist, wobei die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind. Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich aus verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Auch vertragsrechtliche Umstände sind dabei zu berücksichtigen47. Um die Frage des unterlassenen Zwischenverdienstes ging es bei der Entscheidung des 5. Senats des BAG vom 22.3.201748. Dem Kläger, der bei der Beklagten mit 38 Wochenstunden als Sachbearbeiter beschäftigt wurde, war betriebsbedingt wegen einer Outsourcing-Entscheidung des Arbeitgebers gekündigt worden. Dagegen hatte der Kläger erfolgreich Kündigungsschutzklage erhoben. Der externe Dienstleister bot dem Kläger den Abschluss eines Arbeitsvertrags im Anschluss an den Ablauf der Kündigungsfrist an, allerdings mit einer höheren Arbeitszeit von 40 Wochenstunden und einer um 500,- € geringeren monatlichen Vergütung. Dieses Angebot lehnte der Kläger ab. Nach erfolgreichem Kündigungsschutzprozess nahm der Kläger die Beklagte auf Zahlung der Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum vom 1.5.2014 bis zum 28.2.2015 unter Abzug des erhaltenen Arbeitslosengelds in Anspruch. Die Beklagte berief sich darauf, der Kläger müsse sich den bei dem externen Dienstleister erzielbaren Verdienst anrechnen lassen. Der Kläger verneinte dies unter Hinweis darauf, er habe mit der Annahme des Vertragsangebots wegen eines von ihm angenommenen Be-

46 BAG v. 24.5.2017 – 5 AZR 251/16 n. v. Rz. 25; BAG v. 12.12.2012 – 5 AZR 93/12 n. v. Rz. 22; Schaub/Linck, ArbR-Hdb § 95 Rz. 62. 47 BAG v. 22.3.2017 – 5 AZR 337/16, NZA 2017, 988 Rz. 19; BAG v. 17.11.2011 – 5 AZR 564/10, NZA 2012, 260 Rz. 17; BAG v. 7.2.2007 – 5 AZR 422/06, NZA 2007, 561 Rz. 15. 48 BAG v. 22.3.2017 – 5 AZR 337/16, NZA 2017, 988.

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Wegfall des Annahmeverzugs durch unterlassenen Zwischenverdienst

triebsübergangs Rechtspositionen aus dem mit der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnis verlieren können. Das BAG geht zunächst davon aus, dass der Kläger grundsätzlich nach §§ 615 S. 1, 611 Abs. 1 i. V. m. §§ 293 ff. BGB von der Beklagten Vergütung wegen Annahmeverzugs abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengelds verlangen konnte. Die Beklagte befand sich in diesem Zeitraum infolge ihrer unwirksamen Kündigung im Annahmeverzug, ohne dass es eines tatsächlichen Angebots der Arbeitsleistung seitens des Klägers bedurfte49. Es ging damit vor allem um die Frage, ob sich der Kläger auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs nach § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG den Teil des Verdienstes anrechnen lassen musste, den er bei dem externen Dienstleister hätte erzielen können. Der Arbeitnehmer unterlässt böswillig den Erwerb anderweitigen Verdienstes, wenn er vorsätzlich ohne ausreichenden Grund Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm Arbeit angeboten wird. Fahrlässiges oder grob fahrlässiges Verhalten reicht dafür nicht aus50. Dabei muss die vorsätzliche Untätigkeit vorwerfbar sein. Böswilligkeit setzt jedoch nicht zusätzlich voraus, dass der Arbeitnehmer in der Absicht handelt, den Arbeitgeber zu schädigen. Nach Ansicht des BAG durfte der Kläger das Arbeitsangebot des externen Dienstleisters nicht vorbehaltlos ablehnen, weil ihm die Tätigkeit nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) durchaus zumutbar gewesen sei. Für die Unzumutbarkeit der Arbeit können verschiedene Gesichtspunkte sprechen, die ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder etwa auch in vertragsrechtlichen Umständen haben können51. Da sich der Kläger zur Begründung der Unzumutbarkeit des Vertragsangebots des externen Dienstleisters auf die Verschlechterung der unterbreiteten Vergütung, d. h. verschlechterte Arbeitsbedingungen, berufen hatte, ging es um die Frage, ob der Kläger damit erfolgreich die Nichtanrechnung des anderweitigen Verdienstes zu begründen vermochte. Das BAG hat die Frage verneint. Da der Arbeitnehmer nur verpflichtet ist, aus Rücksichtnahme gegenüber dem Arbeitgeber einen zumutbaren Zwischenverdienst zu akzeptieren, begründet § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG keine Obliegenheit des Arbeitneh49 BAG v. 28.9.2016 – 5 AZR 224/16, NZA 2017, 124 Rz. 17. 50 BAG v. 22.3.2017 – 5 AZR 337/16, NZA 2017, 988 Rz. 17; BAG v. 11.1.2006 – 5 AZR 98/05, NZA 2006, 314 Rz. 18. 51 BAG v. 17.11.2011 – 5 AZR 564/10, NZA 2012, 260 Rz. 17; BAG 7.2.2007 – 5 AZR 422/06, NZA 2007, 561 Rz. 15.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

mers, eine endgültige Änderung des bestehenden Arbeitsvertrags akzeptieren zu müssen. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer dem neuen Arbeitgeber gegenüber jederzeit von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen kann. Allein die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen – hier die Einschränkung des Umfangs der Vergütung – im Vergleich zu den bisherigen Inhalten des Arbeitsvertrags begründet erst dann nach Ansicht des BAG die Unzumutbarkeit für den Arbeitnehmer, wenn die Abweichungen von den beim bisherigen Arbeitgeber geltenden Vertragsbedingungen nicht hinnehmbar sind52. Von einem derartigen Ausnahmefall war vorliegend nicht auszugehen. Ebenso wenig reichte dem BAG für die Annahme der objektiven Unzumutbarkeit aus, dass der Kläger subjektiv befürchtete, im Falle eines Betriebsübergangs seine Rechte aus § 613 a Abs. 1 BGB aufs Spiel zu setzen. Ein derartiges Risiko muss der Arbeitnehmer zwar nicht in Kauf nehmen, er handelt aber nach Ansicht des BAG auf eigenes Risiko, wenn er ein objektiv zumutbares Vertragsangebot vorbehaltlos ablehnt, weil er einen Betriebsübergang für möglich hält. Bei derartiger Ungewissheit darf er es nicht dabei bewenden lassen, eine realistische Arbeitsmöglichkeit einfach abzulehnen. Er trägt vielmehr nach Ansicht des BAG die Initiativlast zur Unterbreitung eines Vertragsgegenangebots, das seine sich möglicherweise aus § 61 3a Abs. 1 S. 1 BGB ergebenden Rechte wahrt. Im Streitfall ging das BAG davon aus, dass der Kläger wegen der unterlassenen Wahrnehmung der von ihm vorzunehmenden Vertragsinitiative vorsätzlich ohne ausreichenden Grund untätig geblieben ist, obwohl ihm alle objektiven Umstände, zu denen die Arbeitsmöglichkeit, die Zumutbarkeit der Arbeit und die Nachteilsfolgen für den Arbeitgeber gehörten, bekannt waren. Da der Arbeitnehmer sich nur das anrechnen lassen muss, was er durch anderweitige Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft hätte erwerben können, den er der Beklagten zur Verfügung stellen musste, konnte der unterlassene Zwischenverdienst nur im Verhältnis der bei der Beklagten ausgefallenen Arbeitszeit von 38 Wochenstunden zu der bei der Annahme zumutbarer Arbeit zu leistenden Arbeitszeit von 40 Wochenstunden angerechnet werden53. Für die betriebliche Praxis erweist sich diese Entscheidung deshalb von besonderer Bedeutung, weil das BAG mit der Initiativlast des Arbeitnehmers zur Unterbreitung eines Vertragsgegenangebots bei einer von einem Dritten angebotenen Arbeitsmöglichkeit im Ergebnis den Arbeitnehmer als Oblie52 BAG v. 17.11.2011 – 5 AZR 564/10, NZA 2012, 260 Rz. 18. 53 BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 425/15, NZA 2016, 687 Rz. 16.

502

Teilkündigung einer Pauschalierungsabrede

genheit mit eigenen Anstrengungen zur möglichen Aufnahme einer zumutbaren Arbeit belastet. Im Falle der Anrechnung anderweitigen Verdienstes gemäß § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG darf der Arbeitnehmer nicht untätig bleiben, wenn ihm eine zumutbare Arbeitsmöglichkeit angeboten wird, wobei er gehalten sein kann, einem potentiellen Arbeitgeber ein eigenes Vertragsangebot unterbreiten zu müssen, was auch in Gestalt eines Änderungsangebots erforderlich sein kann. (Boe)

9.

Teilkündigung einer Pauschalierungsabrede

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die einseitige Änderung einzelner Bedingungen eines Arbeitsvertrags durch Kündigung grundsätzlich unzulässig ist, da sie das vereinbarte Ordnungs- und Äquivalenzgefüge eines Vertrags stört. In seinem Urteil vom 18.5.201754 hat das BAG indes deutlich gemacht, dass eine Teilkündigung einzelner arbeitsvertraglicher Vereinbarungen ausnahmsweise zulässig sein kann, wenn dem Kündigenden hierzu – wirksam – das Recht eingeräumt worden sei55. In dem zugrundeliegenden Fall hatten die Parteien 2002 eine Nebenabrede zum Arbeitsvertrag geschlossen, nach der für den tarifvertraglich geregelten Erschwerniszuschlag eine Pauschale in Höhe von 101,35 € pro Monat gezahlt werden solle. Diese Pauschale wurde im Zusammenhang mit jährlichen Lohnerhöhungen angepasst und betrug zuletzt 122,31 €. Vereinbart hatten die Parteien, dass diese Nebenabrede mit einer Frist von zwei Wochen zum Monatsschluss von beiden Seiten gekündigt werden konnte. Nachdem arbeitgeberseitig veranlasst worden war, dass der Kläger – wie auch die übrigen von entsprechenden Vereinbarungen betroffenen Mitarbeiter – ihre zuschlagspflichtigen Tätigkeiten vom 1.10.2012 bis zum 31.3.2013 einzeln zu erfassen und zu dokumentieren hatten, kündigte die Beklagte am 13.9.2014 die Pauschalierungsvereinbarung zum 30.9.2014. Ab Oktober 2014 wurden die Erschwerniszuschläge des Klägers auf der Grundlage des Tarifvertrags einzelfallbezogen abgerechnet. Der Kläger machte geltend, dass die Kündigung die Nebenabrede nicht habe beseitigen können. Sie sei unwirksam, weil in der Nebenabrede kein Grund für eine solche Änderungsmöglichkeit genannt worden sei.

54 BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 721/16, NZA 2017, 1195 Rz. 17. 55 Ebenso BAG v. 23.3.2011 – 10 AZR 562/09, NZA 2011, 1036 Rz. 27; BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 612/05, NZA 2007, 563 Rz. 30.

503

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Das BAG ist dieser Sichtweise nicht gefolgt und hat die Wirksamkeit der Teilkündigung bestätigt. Nach seiner Auffassung wird durch die hier in Rede stehende Abrede über eine gesonderte Kündbarkeit der Pauschalierungsvereinbarung kein zwingender Kündigungsschutz umgangen. Denn mit dieser Abrede sei nicht die Widerruflichkeit eines eigenständigen Entgeltbestandteils vereinbart und damit die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers selbst einer einseitigen Abänderbarkeit unterworfen worden. Vielmehr habe die Beendigung der Nebenabrede nur zur Folge, dass die Modalitäten in Bezug auf die Erfüllung des Anspruchs auf den Erschwerniszuschlag verändert würden. Es werde lediglich die Zahlweise der dem Arbeitnehmer (weiterhin) zustehenden tarifvertraglichen Erschwerniszuschläge modifiziert. Grundsätzlich müsse die Nebenabrede, weil sie zu einer Änderbarkeit der zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffenen Vereinbarung führen kann, im Zweifel der AGB-Kontrolle genügen. Auch unter Berücksichtigung der sich aus §§ 308 Nr. 4, 307 Abs. 1 BGB ergebenden Anforderungen sei dies aber der Fall. Dabei unterstellte der 2. Senat des BAG zugunsten des Klägers, dass die Kündbarkeitsabrede einen Änderungsvorbehalt für den Arbeitgeber enthielt. Zwar betreffe – so das BAG – die Pauschalierungsvereinbarung nur eine Erfüllungsmodalität der geschuldeten Leistung. Die „versprochene Leistung“ i. S. d. § 308 Nr. 4 BGB umfasse aber auch die Modalitäten ihrer Erfüllung, also etwa Zeit und Ort der Leistung56. Die Abrede genüge aber den gesetzlichen Anforderungen und sei dem Kläger unter Berücksichtigung der arbeitgeberseitigen Interessen auch gemäß § 308 Nr. 4 BGB zumutbar. Der Begriff der Zumutbarkeit verlange insoweit eine Abwägung zwischen den Interessen des Klauselverwenders an der Möglichkeit einer Änderung seiner Leistung und denen des anderen Vertragsteils an deren Unveränderlichkeit. Hiervon ausgehend setzt die Vereinbarung eines Widerrufsrechts – wie wir an anderer Stelle bereits ausgeführt haben57 – voraus, dass der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist. Dabei sind nicht nur die Wertungen des § 307 BGB, sondern auch die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten zu berücksichtigen58. Werde dem

56 BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 721/16, NZA 2017, 1195 Rz. 22 ff., 25. 57 B. Gaul, AktuellAR 2017, 453 ff. 58 BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 721/16, NZA 2017, 1195 Rz. 28; BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777 Rz. 22.

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Teilkündigung einer Pauschalierungsabrede

Verwender das Recht eingeräumt, einen Leistungsbestandteil einseitig zu widerrufen, müsse sich aus der Klausel selbst ergeben, dass der Widerruf nicht grundlos erfolgen solle, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sei. Insofern müsse bei den Widerrufsgründen zumindest die Richtung angegeben werden, aus der der Widerruf möglich sein solle, z. B. wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers59. Diesen Anforderungen genügte die hier in Rede stehende Vereinbarung über die Kündbarkeit der Pauschalierungsabrede aus Sicht des BAG, obwohl das Recht zur Kündigung nicht an einen in der Klausel selbst angegebenen Grund geknüpft gewesen sei. Der Verzicht auf Kündigungsgründe sei bei einer solchen Abrede, anders als im Falle der Vereinbarung einer einseitigen Widerruflichkeit der Leistung, interessengerecht und einem Arbeitnehmer daher i. S. d. § 308 Nr. 4 BGB zumutbar. Eine Pauschalierungsabrede komme typischerweise nur zustande, wenn beide Parteien sie als eine angemessene Abrechnungserleichterung betrachteten. Dabei sei von vorne herein absehbar, dass zukünftige tatsächliche Entwicklungen, die Auswirkungen auf die Höhe der pauschalierten Ansprüche hätten, dieser Einschätzung die Grundlage entziehen könnten. Dem „Vertragszweck“ einer Pauschalierungsabrede entspreche es daher, jeder Seite die Möglichkeit zu geben, sich von ihr durch Kündigung wieder lösen zu können. Dadurch sei gewährleistet, dass die Pauschalierung nur so lange maßgeblich bleibe, wie die übereinstimmende Einschätzung ihrer Angemessenheit fortbestehe. Bei einer reinen Pauschalierungsabrede sei es daher auch sachgerecht, die Ausübung des Kündigungsrechts nicht vom Vorliegen näher bestimmter objektiver Umstände abhängig zu machen. Beide Parteien hätten kein Interesse daran, diese aufzugeben, wenn nicht auch tatsächlich zumindest Anhaltspunkte dafür bestünden, dass es sich nicht mehr um eine angemessene Mittelung der ihr zugrundeliegenden Ansprüche handelte. Auf Seiten des Arbeitnehmers sei deshalb bei einer Pauschalierungsabrede auch nicht sein Interesse am Erhalt eines bestimmten Vergütungsbestandteils selbst schützenswert, sondern allein die mit der Pauschalierung verbundene Abrechnungserleichterung. Diesem Interesse stehe das Interesse des Arbeitgebers gegenüber, nicht höhere Pauschalbeträge zu zahlen, als es den gesondert zu entlohnenden Tätigkeiten des Arbeitnehmers entspreche. Das Interesse, leistungsgerecht zu bezahlen, sei grundsätzlich höher zu bewerten als das bloße Interesse an einer vereinfachten Abrechnung. Dagegen sei ein In59 BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 721/16, NZA 2017, 1195 Rz. 28; BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616 Rz. 16.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

teresse des Arbeitnehmers, weiter eine von der Pauschalierungsabrede nicht beabsichtigte übertarifliche Bezahlung zu erhalten, nicht schützenswert. Da die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung die in der Nebenabrede festgelegte Frist eingehalten hatte, war sie berechtigt, ab Oktober 2014 eine einzelfallbezogene Abrechnung der Erschwerniszulage vorzunehmen. Für die betriebliche Praxis eröffnet sich mit dieser Entscheidung eine weitere Gestaltungsmöglichkeit, die zu einer Flexibilisierung der im Arbeitsvertrag getroffenen Vergütungsvereinbarungen führen kann. Wichtig ist aber, dass die hier anerkannten Erleichterungen, das Recht zur einseitigen Abänderung auch ohne die ausdrückliche Festlegung eines Kündigungsgrundes wirksam vereinbaren zu können, im Zweifel auf Pauschalierungsabreden oder vergleichbare Vereinbarungen über Zahlungsmodalitäten beschränkt ist. Wenn mit dem Vorbehalt beabsichtigt ist, einseitig in das Leistungsgefüge zugunsten des Arbeitgebers einzugreifen, wird man weiterhin die deutlich strengeren Anforderungen an den arbeitsvertraglichen Widerrufsvorbehalt anwenden müssen. Darauf hatten wir unter Bezugnahme auf §§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB an anderer Stelle hingewiesen60. (Ga)

10. Änderungskündigung als Massenentlassung im Sinne des § 17 KSchG Bereits mit seinem Urteil vom 20.2.201461 hatte das BAG die Ansicht vertreten, dass Änderungskündigungen bei der Berechnung der Schwellenwerte in § 17 Abs. 1 KSchG berücksichtigt werden müssen. Konsequenz dieser Sichtweise war, dass auch bei dieser Kündigungsform das Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt und die Massenentlassungsanzeige erfolgen muss. Andernfalls ist die Änderungskündigung ohne Rücksicht auf ihre soziale Rechtfertigung unwirksam62. In seinen beiden Urteilen vom 21.9.201763 hat der EuGH dieses Verständnis der Entlassung unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben aus der Richtlinie 98/59/EG bestätigt.

60 B. Gaul, AktuellAR 2017, 453 ff. 61 BAG v. 20.2.2014 – 2 AZR 346/12, NZA 2014, 1069 Rz. 46. 62 Ebenso BAG v. 21.3.2013 – 2 AZR 60/12, NZA 2013, 966 Rz. 21; BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 371/11, NZA 2013, 845 Rz. 31, 37. 63 EuGH v. 21.9.2017 – C-149/16, NZA 2017, 323 – Socha u. a.; EuGH v. 21.9.2017 C-429/16, NZA, 2017, 1325 – Ciupa u. a.

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Änderungskündigung als Massenentlassung im Sinne des § 17 KSchG

Nach der Feststellung des EuGH liegt eine Entlassung im Sinne der Richtlinie 98/59/EG immer dann vor, wenn die Ablehnung einer einseitig durch den Arbeitgeber vorgenommenen Änderung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitnehmer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge hat. Dem ist mit Blick auf die deutsche Rechtslage im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Änderungskündigung ohne Einschränkung zuzustimmen. Denn die Änderungskündigung ist nach unserem Verständnis ohnehin mit der unmittelbaren Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber verbunden. Es obliegt dem Arbeitnehmer, durch die Annahme des mit der Beendigungskündigung verbundenen Angebots eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen sicherzustellen, sodass das Arbeitsverhältnis über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zwischen den Parteien fortgesetzt wird. Hiervon ausgehend ist es auch richtig, den Arbeitgeber zur Einleitung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG zu verpflichten, sobald die Entscheidung über den Ausspruch von Änderungskündigungen getroffen wurde. Unerheblich ist, ob zu diesem Zeitpunkt bereits absehbar ist, ob die Änderungskündigungen als Folge einer Ablehnung der beabsichtigten Vertragsänderung zu einer Beendigung von Arbeitsverhältnissen führen, bei der die Schwellenwerte des § 17 Abs. 2 KSchG überschritten werden. Es genügt, dass die Zahl der Änderungskündigungen – gegebenenfalls unter Einbindung weiterer Beendigungskündigungen – diese Schwellenwerte erreichen. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass der EuGH in seinem Urteil vom 21.9.201764 weitergehend sogar die Ansicht vertritt, dass eine Entlassung i. S. d. Richtlinie 98/59/EG auch dann vorliege, wenn ein Arbeitgeber einseitig und zu Lasten des Arbeitnehmers aus nicht in dessen Person liegenden Gründen eine erhebliche Änderung der wesentlichen Bestandteile des Arbeitsvertrages vornehme65. Dabei wird eine Beendigung des Arbeitsvertrags nicht mehr verlangt. Wann von einer erheblichen Änderung auszugehen ist, stellt der EuGH allerdings nicht klar. Es sei die Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob eine erhebliche Änderung vorliege. Soweit die durch den Arbeitgeber beabsichtigte Änderung des Arbeitsvertrags nur den Zeitraum betrifft, für den eine Jubiläumsprämie gezahlt werden soll, sei diese Erheblichkeitsschwelle zwar nicht er-

64 EuGH v. 21.9.2017 – C-429/16, NZA 2017, 1325 Rz. 27 ff. – Ciupa u. a. 65 Ebenso bereits EuGH v. 11.11.2015 – C-422/14, NZA 2015, 1441 – Pojante Rivera.

507

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

reicht66. Ausgehend davon, dass eine Gehaltskürzung um 15 % bereits als eine „erhebliche Änderung“ eingestuft werde67, wenn sie nicht nur vorrübergehenden Charakter habe, stellt sich für die Betriebspraxis aber die Frage, ob der Ausspruch eines Widerrufs zur Beseitigung von Vergütungsbestandteilen, der bis zu 25 % der Gesamtvergütung betreffen kann, nicht möglichweise auch als Massenentlassung i. S. d. § 17 KSchG zu qualifizieren ist, wenn die erforderlichen Schwellenwerte überschritten werden. Das würde zu einer ganz erheblichen Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 17 Abs. 2, 3 KSchG führen, obwohl damit gar keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit auch keine Handlungsnotwendigkeit für die Agenturen für Arbeit verbunden ist. (Ga)

11.

Formwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedarf nach § 623 BGB zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen. In gleicher Weise ist der Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG an die Schriftform geknüpft. Dabei muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Lediglich dann, wenn über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden, genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet (§ 126 Abs. 2 BGB). Gemäß § 127 a BGB wird die notarielle Beurkundung, durch die die Schriftform ersetzt wird (§ 126 Abs. 4 BGB), bei einem gerichtlichen Vergleich durch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll ersetzt. Wenn sich also Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen eines Gerichtstermins zu Protokoll auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verständigen, erfüllt dies die Formerfordernisse aus §§ 623 BGB, 14 Abs. 4 TzBfG. Ausgangspunkt ist dabei die Annahme, dass mit dem Vergleich konstitutiv die Beendigung vereinbart wird. Stellen die Parteien lediglich fest, dass das Arbeitsverhältnis als Folge einer bereits ausgesprochenen Kündigung zu dem in der Kündigung genannten Termin beendet wird, ist die Wahrung des Schriftformerfordernisses ohnehin nicht erforderlich. Denn dann bewirkt die Kündigung selbst die Beendigung; die Vereinbarung stellt lediglich die Abwicklung sicher. 66 EuGH v. 21.9.2017 – C-149/16, NZA 2017, 1323 Rz. 27 – Socha u. a. 67 EuGH v. 21.9.2017 – C-429/16, NZA 2017, 1325 Rz. 29 – Ciupa u. a.

508

Formwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs

Umstritten war bislang, ob das gesetzliche Schriftformerfordernis auch durch einen Vergleich im Sinne des § 278 Abs. 6 ZPO gewahrt wird. Danach kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossenen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. Ein Teil der Literatur hat eine Anwendbarkeit von § 127 a BGB auf Vergleiche, die gemäß § 278 Abs. 6 ZPO zustande kommen, wegen fehlender „Funktionsäquivalenz” zwischen einer notariellen Beurkundung und dem Beschlussvergleich abgelehnt. Insbesondere werde kein Protokoll über den Inhalt errichtet. Darüber hinaus fehle es an einer der Beratung durch den Notar vergleichbaren Verfahrensgestaltung68. Eine andere Auffassung hat § 127 a BGB lediglich dann angewendet, wenn dem abgeschlossenen Vergleich ein vom Gericht begründeter Vergleichsvorschlag zugrunde lag69. Mit überzeugender Begründung hat der BGH in seinem Beschluss vom 1.2.201770 diese Sichtweisen abgelehnt und sich der Auffassung angeschlossen, nach der ein im Beschlusswege festgestellter Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO ein vollwertiger gerichtlicher Vergleich sei und daher entsprechend § 127 a BGB die für ein Rechtsgeschäft erforderliche notarielle Beurkundung auch dann ersetze, wenn die Parteien selbst den Vergleichsinhalt vorbereitet und dem Gericht unterbreitet hatten71. Angesichts des klaren Wortlauts von § 127 a BGB sei zwar eine unmittelbare Anwendbarkeit der Vorschrift abzulehnen. Denn es fehle bei einem gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich an einer Protokollierung, wie sie in § 127 a BGB verlangt wird. Allerdings sei hier eine planwidrige Regelungslücke gegeben, die angesichts einer Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Vergleichsformen eine analoge Anwendung von § 127 a BGB verlange. In der weiteren Begründung weist das BAG zwar darauf hin, dass der Gesetzgeber nach der Einführung und Erweiterung von § 278 Abs. 6 ZPO kei68 So OLG Celle v. 14.6.2013 – 4 W 65/13, NJW 2013, 2979 Rz. 7, 9 f.; Zimmer, NJW 2013, 3280 ff. 69 So OLG München v. 28.9.2010 – 12 UF 1153/10, FamRZ 2011, 812, Rz. 5; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO § 278 Rz. 17. 70 BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 71/16, NJW 2017, 1946 Rz. 25 ff. 71 Ebenso OLG Brandenburg v. 22.8.2013 – 3 UF 115/12, FamRZ 2014, 1202 Rz. 9; Cordes, MDR 2016, 64, 66 ff.

509

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

ne Anpassung von § 127 a BGB vorgenommen habe. Der Gesetzgeber habe aber in den Materialien zu § 278 Abs. 6 ZPO eindeutig erkennen lassen, dass er den Beschlussvergleich in seinen Wirkungen einem gerichtlich protokollierten Vergleich in vollem Umfang gleichstellen wolle72. Aus der fehlenden Anpassung von § 127 a BGB könne daher nicht auf eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers geschlossen werden, den Beschlussvergleich vom Anwendungsbereich des § 127 a BGB auszunehmen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Reformgesetzgeber den Regelungsbedarf nicht erkannt habe73. Darüber hinaus sei auch die für eine Analogie erforderliche Vergleichbarkeit des Sachverhalts anzunehmen. Dies folge nicht nur aus der übergreifenden Absicht des Gesetzgebers zur Gleichstellung der unterschiedlichen Vergleichsformen. Vielmehr sei auch davon auszugehen, dass der Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO in gleicher Weise wie der protokollierte Vergleich den mit der notariellen Beurkundung verbundenen Übereilungsschutz und die Beweisfunktion wahre. Im Gegenteil: Aus Sicht des BGH hatte das OLG Schleswig-Holstein zu Recht darauf hingewiesen, dass der Schutz der Beteiligten vor einer übereilten Entscheidung im Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO als Konsequenz der Vorbereitung einer solchen Feststellung meist besser gewährleistet sein dürfte als bei der Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs im Rahmen einer mündlichen Verhandlung. Soweit die Gleichsetzung des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO wegen der fehlenden Beratungs- und Warnfunktion abgelehnt wird, hält der BGH die diesbezügliche Argumentation für nicht überzeugend. Auch § 127 a BGB stelle den protokollierten gerichtlichen Vergleich der notariellen Beurkundung gleich, ohne besondere Belehrungspflichten für das Gericht vorzusehen. Voraussetzung für die formersetzende Wirkung sei allein das prozessrechtlich ordnungsgemäße Zustandekommen des Vergleichs. Es ist zu begrüßen, dass mit diesem Beschluss die bisherige Auseinandersetzung über die Erfüllung eines gesetzlichen Schriftformerfordernisses durch einen gerichtlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO beendet ist. Dies erleichtert entsprechende Einigungen für alle Beteiligten, weil es insbesondere mit einem Wegfall des Aufwands einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verbunden ist. (Ga)

72 BT-Drucks. 14/4722 S. 82; 14/6036 S. 121; 15/1508 S. 16. 73 BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 71/16, NJW 2017, 1946 Rz. 30.

510

F.

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

1.

EuGH: Zulässigkeit der ratierlichen Kürzung der Betriebsrente und der gespaltenen Rentenformel

Die mögliche Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten durch die sog. gespaltene Rentenformel, bei der eine Versorgungszusage für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) höhere Versorgungsleistungen vorsieht als für den darunterliegenden Teil war bereits Gegenstand unserer Betrachtung im Herbst 20161. Wie wir berichtet haben, hat das ArbG Verden2 dem EuGH die von ihm noch nicht beantworteten Fragen vorgelegt, • ob Teilzeitbeschäftigte im Sinne der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG und der Richtlinie 2006/54 EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen dadurch benachteiligt werden, dass für die Berechnung der Betriebsrente oder ihrer Anwartschaft die Relation der gespaltenen Rentenformel auf das Einkommen aus einer Teilbeschäftigung nicht übertragen wird3, • ob bei einer gespaltenen Rentenformel im Falle, dass ein Arbeitnehmer teilweise in Vollzeit und teilweise in Teilzeit arbeitet, für die Berechnung der Betriebsrente oder ihrer Anwartschaft ein einheitlicher Beschäftigungsgrad für sämtliche Dienstjahre zu Grunde gelegt werden darf • und ob die Beschäftigungsrichtlinie 2000/78/EG einer möglichen Altersdiskriminierung wegen einer Höchstbegrenzung der Dienstjahre in der Versorgungszusage und der ratierlichen Berechnung der unverfallbaren Versorgungsanwartschaft entgegensteht4.

1 2 3 4

Vgl. Boewer, AktuellAR 2016, 547 ff. ArbG Verden v. 20.6.2016 – 1 Ca 32/15 B, NZA-RR 2016, 494. Vgl. BAG v. 11.12.2012 – 3 AZR 588/10, NZA 2013, 572 betr. § 5 TV LufthansaBetriebsrente. Vgl. BVerfG v. 29.5.2012 – 1 BvR 3201/11, NZA 2013, 164; BAG v. 19.7.2011 – 3 AZR 434/09, NZA 2012, 155.

511

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

Mit Urteil vom 13.7.20175 hat der EuGH geantwortet. Bezüglich der ersten Frage geht er von der Erkenntnis aus, dass die Berechnungsmethode auf der Grundlage der gespaltenen Rentenformel im Ergebnis das Ziel verfolgt, den während der Erwerbstätigkeit bestehenden Lebensstandard des Arbeitnehmers möglichst vollständig proportional im Alter abzubilden. Dabei lässt sich der EuGH zusätzlich von der Erwägung leiten, dass für Beschäftigte, die wegen der Teilzeitarbeit typischerweise ein rentenfähiges Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze erzielt haben, keine Versorgungslücke in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht, weil ihr gesamtes Einkommen durch die gesetzliche Altersrente abgesichert ist. Das Anliegen der Klägerin, zusätzlich zu den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung den erhöhten Prozentsatz für Gehaltsbestandteile oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze für Teile ihres Arbeitseinkommens unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze zu beanspruchen, würde diesem Grundsatz widersprechen. Vielmehr sei festzustellen, dass das mit der gespaltenen Formel angestrebte Ziel, den jeweils unterschiedlichen Versorgungsbedarf für die unterhalb und die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegenden Gehaltsbestandteile zu berücksichtigen, einen sachlichen Grund i. S. v. § 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit darstellt, der eine unterschiedliche Behandlung wie die in Rede stehende rechtfertigt. Angesichts dessen verneint der EuGH bezüglich dieser Regelung auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen i. S. d. Richtlinie 2006/54/EG. Bezüglich der zweiten Frage eines einheitlichen Beschäftigungsgrades für alle anrechnungsfähigen Dienstjahre bei einer teils in Vollzeit und teils in Teilzeit verrichteten Tätigkeit will der EuGH den methodischen Ansatz der Ermittlung der Altersversorgung oder einer Anwartschaft auf dieser Grundlage hinnehmen und weder als Verstoß gegen die Rahmenvereinbarung noch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen werten und damit als diskriminierungsfrei qualifizieren. Er überlässt es aber der Kontrolle des vorlegenden Gerichts, ob eine andere Methode der Berechnung, wie etwa die Methode der Unterteilung der geleisteten Arbeitszeit in mehrere Zeiträume, eine angemessenere und gerechtere Berechnung ermöglichen würde. Im Hinblick auf die dritte Frage führt der EuGH aus, dass die Art. 1, 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nicht einer nationalen Regelung entgegenstehen, die eine betriebliche Altersrente in der Höhe vorsieht, die dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Be5

EuGH v. 13.7.2017 – C-354/16, NZA 2017, 1047 – Kleinsteuber.

512

Anpassung der Betriebsrente nach Eintritt des Versorgungsfalls

triebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht und eine Höchstbegrenzung anrechnungsfähiger Dienstjahre vorsieht. Die dadurch erzeugte Ungleichbehandlung wegen des Alters ist nach Ansicht des EuGH nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 EG durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich. Was den primären Zweck anbelangt, verfolgt die zu beurteilende Regelung gleichzeitig sozialpolitische Zwecke der Mobilität und Rentenversorgung und vorrangig den Zweck der betrieblichen Altersversorgung, die Betriebstreue von Mitarbeitern zu honorieren. Derartige Zwecke, die im Rahmen der Beschäftigungspolitik und des Sozialschutzes einen Ausgleich zwischen den verschiedenen beteiligten Interessen schaffen sollen, um eine betriebliche Altersversorgung zu gewährleisten, liegen nach Ansicht des EuGH im Allgemeininteresse. Auch die Wahl der Methode der Berechnung einer gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erscheint dem EuGH nicht als unangemessen. Er sieht auch die Erforderlichkeit der in Rede stehenden Regelung als gewahrt an, weil sich keine Anreize zum Verbleib im Unternehmen bis zum gesetzlichen Rentenalter setzen lassen, ohne dem Beschäftigten, der sich für den Verbleib entscheidet, einen Vorteil gegenüber dem Beschäftigten zu gewähren, der vorzeitig aus dem Unternehmen ausscheidet. Die EuGH-Entscheidung vermittelt der betrieblichen Praxis eine im Hinblick auf das Unionsrecht wichtige Absicherung, was nicht nur für die Beurteilung der durch das BetrAVG vorgegebenen Berechnung einer Betriebsrentenanwartschaft bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis von Bedeutung ist, sondern auch die Höchstbegrenzung der Dienstjahre in einer Versorgungszusage als unionskonform feststellt. (Boe)

2.

Änderung einer Regelung zur Anpassung der Betriebsrente nach Eintritt des Versorgungsfalls

In dem dem Urteil vom 11.7.20176 zugrundeliegenden Fall musste sich das BAG im Wesentlichen mit zwei Fragen befassen. Zum einen ging es darum, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Eintritt des Versorgungsfalls durch Änderung einer Betriebsvereinbarung die Versorgungszusage auch mit Wirkung für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer zu verändern. Zum anderen musste klargestellt werden, unter welchen Voraussetzungen eine entsprechende Änderung der Betriebsverein6

BAG v. 11.7.2017 – 3 AZR 513/16, BB 2017, 2483.

513

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

barung die Regelungen zur Anpassung der Versorgungsbezüge führen kann, wenn solche Änderungen nach dem für das frühere Arbeitsverhältnis verbindlichen Tarifvertrag nur mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien wirksam werden sollen. Hinsichtlich der ersten Frage hat das BAG zunächst einmal offengelassen, ob die Betriebsparteien die Regelungsmacht auch für ausgeschiedene Arbeitnehmer haben. Denn vorliegend war auf der Grundlage des früheren Arbeitsvertrags davon auszugehen, dass Änderungen der der betrieblichen Altersversorgung zugrundeliegenden Betriebsvereinbarung auch nach Beendigung des Arbeitsvertrags in Bezug auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien Geltung beanspruchten. Denn der Arbeitsvertrag des Klägers enthielt eine dynamische Verweisung auf die einschlägigen Betriebsvereinbarungen. Zum einen bestimmte er, dass der Kläger eine betriebliche Altersversorgung nach den „betrieblichen Regelungen“ erhält. Ergänzend hierzu war klargestellt worden, dass Voraussetzungen, Inhalt und Umfang der Leistungen „in den jeweils geltenden Regelungen beschrieben“ sind. Damit wäre – so das BAG – hinreichend deutlich auf die jeweils in Kraft befindlichen betrieblichen Regelungen Bezug genommen. Da arbeitsvertragliche Verweisungen auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen im Regelfall ohnehin dynamischen Charakter hätten, sei mangels hiervon abweichender Anhaltspunkte im Arbeitsvertrag davon auszugehen, dass die Bezugnahme auf die beim Arbeitgeber jeweils bestehenden Versorgungsregelungen typischerweise auch die Zeit nach Beendigung des Arbeitsvertrages erfasse7. Damit war zu prüfen, ob die Änderungen der Betriebsvereinbarung, durch die eine Verschlechterung der Regelungen zur Anpassung der Betriebsrente erfolgt war, wirksam waren. Im Hinblick darauf hat das BAG klargestellt, dass die Zulässigkeit dieser Verschlechterung am Maßstab für die Ablösung von Versorgungsregelungen durch Betriebsvereinbarungen, nicht nach den für Tarifverträge geltenden Grundsätzen, zu messen sei. Denn die Zustimmung der Tarifvertragsparteien im Rahmen einer Öffnungsklausel nach § 77 Abs. 3 BetrAVG führe noch nicht dazu, dass aus einer Betriebsvereinbarung eine Regelung der Tarifvertragsparteien werde. Vielmehr müsse bei der Inhaltskontrolle berücksichtigt werden, dass die Tarifvertragsparteien als Konsequenz dieser Regelungssystematik die inhaltliche Gestaltung den Betriebsparteien überließen, die zu 7 BAG v. 11.7.2017 – 3 AZR 513/16, BB 2017, 2486 Rz. 34 ff.; BAG v. 20.9.2016 - 3 AZR 273/15, NZA 2017, 64 Rz. 19; BAG v. 23.9.1997 – 3 AZR 529/96, NZA 1998, 541.

514

Anpassung der Betriebsrente nach Eintritt des Versorgungsfalls

entscheiden hätten, ob und in welchen Umfang Änderungen der bestehenden Versorgungsordnung erfolgten8. Die Einschränkung der Prüfungsanforderungen durch die für die Überprüfung ablösender tariflicher Regelungen geltenden Maßstäbe sei nur dann gerechtfertigt, wenn die betriebliche Altersversorgung insgesamt von den Tarifvertragsparteien selbst geregelt werde9. Voraussetzung für die Wirksamkeit entsprechender Änderungen nach Eintritt des Versorgungsfalls ist allerdings nicht, dass die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit erfüllt sind, wie sie das BAG in seinem dreistufigen Prüfungsschema zur Anpassung von Versorgungsordnungen entwickelt hat. Denn dieses Schema ist nach den Feststellungen des BAG auf Eingriffe in die Höhe von Versorgungsanwartschaften, nicht auf Angriffe in laufende Leistungen zugeschnitten. Gleichwohl ist bei Veränderungen einer Versorgungordnung nach Eintritt des Versorgungsfalls auf die diesem Prüfungsschema zugrundeliegenden Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zurückzugreifen. Insofern dürfe in laufende Versorgungsleistungen nur eigegriffen werden, wenn tragfähige Gründe vorlägen. In der Regel sind nach Eintritt des Versorgungsfalls damit nur noch geringfügige Verschlechterungen gerechtfertigt, die ihrerseits einer sachlich nachvollziehbaren, Willkür ausschließenden Begründung bedürfen. Liege ein mehr als geringfügiger Eingriff vor, müssten darüber hinausgehende Gründe vorliegen. Sie müssten – so das BAG – die konkrete Verschlechterung der Versorgungsordnung ausnahmsweise unter Berücksichtigung des durch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erworbenen Bestandsinteresses einerseits und der Schwere des Eingriffs andererseits aufgrund ganz erheblich überwiegender Interessen des Arbeitgebers tragen. Dies folge daraus, dass der Arbeitnehmer die den Versorgungsanspruch begründende Gegenleistung bereits vollständig erbracht habe und er nach Eintritt des Versorgungsfalls nicht mehr die Möglichkeit habe, etwaige Versorgungslücken durch Eigenvorsorge zu schließen10. Dabei können – so das BAG - auch Eingriffe in eine Anpassungsregelung, wie sie hier in Rede stand, die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten. Mehr als geringfügig seien solche Eingriffe, die den Versorgungsempfänger – hätte er mit ihnen gerechnet – während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses vernünftigerweise veranlasst hätten, sie durch eine weitergehende

8 BAG v. 11.7.2017 – 3 AZR 513/16, BB 2017, 2483 Rz. 36 ff., 44, 46. 9 BAG v. 11.7.2017 – 3 AZR 513/16, BB 2017, 2483 Rz. 46; BAG v. 18.9.2012 – 3 AZR 415/10, NZA 2013, 210 Rz. 41 ff. 10 BAG v. 11.7.2017 – 3 AZR 513/16, BB 2017, 2483 Rz. 49; BAG v. 28.6.2011 – 3 AZR 282/09, NZA 2012, 1229 Rz. 38.

515

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

private Absicherung auszugleichen. Unabhängig von der Schwere des Eingriffs müssen die zur Rechtfertigung herangezogenen Gründe aber gerade den vorgenommenen Eingriff tragen. Dazu müsse ein innerer Zusammenhang zwischen der Neuregelung und den Gründen für diese bestehen11. Da die Beklagte solche Gründe im Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung nicht ausreichend vorgetragen hatte, ist das BAG von der Unwirksamkeit der Änderung der Anpassungsregelung ausgegangen. Sollte in der betrieblichen Praxis beabsichtigt sein, vergleichbare Änderungen vorzunehmen, ist es deshalb sinnvoll, diese Gründe, die nicht gereicht haben, durchzugehen und zu prüfen, ob in der konkreten Situation aus Arbeitgebersicht eine stärkere Rechtfertigung geschaffen werden kann. (Ga)

11 BAG v. 11.7.2017 – 3 AZR 513/16, BB 2017, 2483 Rz. 50 ff.

516

G. Tarifrecht 1.

Gesichtswahrende Ohrfeige für den Gesetzgeber: Teilweise Unvereinbarkeit des Tarifeinheitsgesetzes mit dem Grundgesetz

a)

Ausgangssituation

Die gesetzliche Regelung zur Gewährleistung der Tarifeinheit in § 4 a TVG, die am 10.7.2015 in Kraft getreten ist, hat die Diskussion um die Vereinbarkeit der darin liegenden Einschränkung der Befugnisse von Minderheitsoder Berufsgruppengewerkschaften nicht beendet1. Zwar hatte der Gesetzgeber mit seinen Regelungen ausdrücklich keine Vorgaben getroffen, die arbeitskampfrechtliche Relevanz haben sollten. Durch § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG war allerdings bestimmt worden, dass, soweit sich die Geltungsbereiche nicht inhaltsgleicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften überschneiden (kollidierende Tarifverträge), im Betrieb nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar sind, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrags im Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder hat. Betroffen hiervon waren alle Tarifverträge, die ab dem 10.7.2015 geschlossen wurden2. Nicht inhaltsgleich waren sie, wenn unterschiedliche Gegenstände geregelt werden oder wenn derselbe Gegenstand unterschied-

1

2

Eingehend zur verfassungsrechtlichen Diskussion vgl. B. Gaul, AktuellAR 2014, 16 ff., 314 ff.; 2015, 15 ff., 333 ff.; BAG v. 7.7.2014 – 4 AZR 549/08, NZA 2015, 1068; LAG Hessen v. 9.9.2015 – 9 SaGa 1082/15 n. v.; LAG Hessen v. 7.11.2014 – 9 SaGa 1496/14, ZTR 2015, 132; Bonanni/Otto, DB 2014, 1683, 1684; Ballauf, AiB 2015, 22 ff.; Bayreuther, NZA 2010, 262; Däubler, BT-Ausschussdrucks. 18 (11) 345 v. 18.4.2015; Erfk/Franzen, TVG § 4 Rz. 71; Fischer, NZA 2015, 662 ff.; Fischinger/Monsch, NJW 2015, 31 ff.; Fitting, BetrVG § 117 Rz. 6 ff.; Forst, ZESAR 2012, 164; Gamillscheg, AuR 2015, 223 ff.; Greier, RdA 2015, 36 ff.; Greiner, NZA 2015, 769 ff.; Hromadka, NZA 2014, 1105, 1109; Hufen, NZA 2014, 1237, 1240; HWK/Henssler, TVG § 4 Rz. 57; Konzen/Schliemann, RdA 2015, 1; Lehmann, BB 2015, 2229, 2293 ff.; Litschen, NZA-RR 2015, 15 ff.; Löwisch, DB 2015, 1102, 1103; Melot de Beauregard, DB 2015, 1527 ff.; Richardi, NZA 2014, 1233 ff.; Schlachter, AuR 2015, 217; Schliemann, NZA 2015, 1298 ff.; Scholz/Lingemann/Ruttloff, NZABeilage 2015, 3; Tiedemanmn, ArbRB 2015, 124 ff.; Ulrici, DB 2015, 2511 ff.; Vielmeier, NZA 2015, 1294 ff.; Weber/Gräf, ZESAR 2011, 355. Eingehend dazu Wienbracke, NJW 2017, 2506 ff.

517

Tarifrecht

lich geregelt wird. Für eine Anwendbarkeit von § 4 a TVG war also nicht erforderlich, dass sich die Regelungsgegenstände der Tarifverträge deckten; auch eine teilweise Überschneidung hinsichtlich ihres Geltungsbereiches wurde erfasst3. Mit seinem Urteil vom 11.7.20174 hat das BVerfG diese Diskussion zunächst einmal abgeschlossen. Grundlage waren die Verfassungsbeschwerden des Marburger Bundes, der Vereinigung Cockpit e. V., des dbb Beamtenbund und Tarifunion (dbb), der Nahverkehrsgewerkschaft (NahVG), einer Privatperson, der Gewerkschaft ver.di sowie der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation e. V. (UFO). In seinem Urteil hat das BAG festgestellt, dass § 4 a TVG mit Art. 9 Abs. 3 GG nicht vereinbar sei, als es an Vorkehrungen fehle, die sicherstellten, dass die Interessen der Berufsgruppen, deren Tarifvertrag nach § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG verdrängt werde, im verdrängenden Tarifvertrag hinreichend berücksichtigt würden. Im Übrigen aber sei das Gesetz zur Tarifeinheit nach Maßgabe der Entscheidungsgründe mit dem Grundgesetz aber vereinbar. Wenn und soweit die außerordentlich weitreichenden Vorgaben des BVerfG zur Auslegung und Anwendung berücksichtigt werden, kann § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG also weiterhin mit der Maßgabe gelten, dass ein Tarifvertrag von einem kollidierenden Tarifvertrag verdrängt wird, wenn außerdem plausibel dargelegt ist, dass die Mehrheitsgewerkschaft die Interessen der Berufsgruppen, deren Tarifvertrag verdrängt wird, ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifvertrag berücksichtigt hat. Ungeachtet dieser Auslegungsvorgaben hat der Gesetzgeber eine Neuregelung, die die Vielzahl der verfassungsrechtlichen Beanstandungen im Rahmen der Entscheidungsgründe beseitigt, bis spätestens zum 31.12.2018 zu schaffen. Diese Übergangsregelung hätte das BVerfG dem Gesetzgeber angesichts der Intensität des Eingriffs in Art. 9 Abs. 3 GG nach Maßgabe des Minderheitsvotums nicht gewähren sollen.

b)

Verfassungsrechtliche Grundlage

Maßgeblich für die verfassungsrechtliche Bewertung des Tarifeinheitsgesetzes ist die Frage, ob die darin enthaltenen Vorgaben eine noch verhältnismäßige Einschränkung der Koalitionsfreiheit darstellen. Im Hinblick darauf hat das BVerfG bereits in seinen Leitsätzen klargestellt, dass Art. 9 Abs. 3 GG alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen gewährleistet, insbesondere den Abschluss von Tarifverträgen, deren Bestand und Anwendung sowie

3 4

BT-Drucks. 18/4062 S. 12 f. BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915; Franzen, ZTR 2017, 571 ff.

518

Unvereinbarkeit des Tarifeinheitsgesetzes mit dem Grundgesetz

Arbeitskampfmaßnahmen. Das Grundrecht vermittele jedoch kein Recht auf unbeschränkte tarifpolitische Verwertbarkeit von Schlüsselpositionen und Blockademacht zum eigenen Nutzen. Es sei deshalb gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber beabsichtige, mit den Regelungen zur Tarifeinheit die Verhandlungsstärke einschließlich der Arbeitskampfkraft der Arbeitnehmerseite als Ganzes zu sichern. § 4 a TVG enthalte insoweit keine materiellen Lohn- oder Verteilungsregelungen, sondern ziele auf die Struktur des von den Tarifpartnern eigenständig auszufüllenden Verhandlungsrahmens. Dabei verfolge der Gesetzgeber das legitime Ziel, zur Sicherung der strukturellen Voraussetzungen von Tarifvertragsverhandlungen das Verhältnis der Gewerkschaften untereinander zu regeln, um zu verhindern, dass sich durch die isolierte Ausnutzung einer Schlüsselposition die strukturellen Bedingungen von Tarifverhandlungen in einer Weise entwickelten, dass eine faire Aushandlung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nicht mehr gewährleistet sei5. Art. 9 Abs. 3 GG schütze in diesem Zusammenhang die Koalitionen in ihrem Bestand, ohne dass damit eine Bestandsgarantie für einzelne Koalitionen verbunden wäre. Staatliche Maßnahmen, die darauf abzielten, bestimmte Gewerkschaften aus dem Tarifgeschehen heraus zu drängen oder bestimmten Gewerkschaftstypen die Existenzgrundlage zu entziehen, seien mit Art. 9 Abs. 3 GG ebenso unvereinbar wie die Vorgabe eines bestimmten Profils. Gesetzliche Regelungen, die in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG fielen und die Funktionsfähigkeit des Systems der Tarifautonomie herstellen und sichern sollten, verfolgen – so das BVerfG – einen legitimen Zweck. Dazu könne der Gesetzgeber nicht nur zwischen den sich gegenüberstehenden Tarifvertragsparteien Parität herstellen, sondern auch Regelungen zum Verhältnis der Tarifvertragsparteien auf derselben Seite treffen, um strukturelle Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Tarifverhandlungen auch insofern einen fairen Ausgleich ermöglichen und in Tarifverträgen in der ihnen innewohnenden Richtigkeitsvermutung angemessene Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen hervorgebracht werden können. Bei der Regelung der Strukturbedingungen der Tarifautonomie verfüge der Gesetzgeber – so das BVerfG – über eine Einschätzungsprärogative und einen weiten Handlungsspielraum. Schwierigkeiten, die sich nur daraus ergäben, dass auf einer Seite mehrere Tarifvertragsparteien aufträten, rechtfertigten indes eine Beschränkung der Koalitionsfreiheit grundsätzlich nicht.

5

BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 154 ff.; so auch: Bepler, AuR 2017, 380 ff.

519

Tarifrecht

c)

Erhebliche Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit

In seinem Urteil hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerden zwar überwiegend als unbegründet qualifiziert. Inhaltlich hat es in den Gründen seines Urteils allerdings in den Regelungen des § 4 a TVG einen erheblichen Eingriff in die Koalitionsfreiheit gesehen, die eine (vorläufige) weitere Anwendung von § 4 a TVG nur rechtfertige, wenn eine verfassungskonforme geltungserhaltende Reduktion des gesetzlichen Anwendungsbereiches erfolge. Diese Einschränkung und die ergänzende Berücksichtigung zusätzlicher Tatbestandsmerkmale lassen es aus seiner Sicht mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar sein, das Gesetz bis zu einer Neuregelung – längstens aber bis zum 31.12.2018 – anzuwenden. Ausgangspunkt ist dabei die überzeugende Auffassung des BVerfG, dass die Verdrängungswirkung nach § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG kraft Gesetzes eintritt, sobald es zur Tarifkollision kommt. Nicht erforderlich sei, dass diese Verdrängung im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens nach § 99 BetrVG festgestellt wird. Zwingend sei diese Auslegung indes von Verfassungswegen nicht6. In der Begründung der Annahme eines Eingriffs in Art. 9 Abs. 3 GG hat das BVerfG u. a. darauf verwiesen, dass § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG im Fall einer Tarifkollision zwar zur Verdrängung der Rechtsnormen eines abgeschlossenen Tarifvertrags führe. Der betroffenen Gewerkschaft werde damit das von ihr Erreichte genommen und ihr Mitglied hinsichtlich dieses Tarifvertrags tariflos gestellt. Dennoch aber sei die Gewerkschaft weiter an die Friedenspflicht und die Abreden zur Laufzeit ihres eigenen Tarifvertrags gebunden. Die damit verbundenen Verluste könnten auch durch Betriebsvereinbarungen nicht kompensiert werden, da die Sperrwirkung der §§ 77 Abs. 3, 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG greife. Diese Form der Verdrängung bewirke – so das BVerfG – eine Entwertung erreichter Tarifabschlüsse und beeinträchtige den verfassungsrechtlich gewährleisteten Tarifvertragsschutz. Darüber hinaus begründeten diese Wirkungen die Gefahr, dass die hiervon betroffene Gewerkschaft vom sozialen Gegenspieler von vorneherein nicht mehr als Tarifpartner ernst genommen werde, weil klar oder jedenfalls wahrscheinlich sei, dass die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge nicht zur Anwendung kommen. Eine weitere Beeinträchtigung der koalitionsspezifischen Betätigungsfreiheit liegt aus Sicht des BVerfG schließlich darin, dass mit dem Beschlussverfahren zum Kollisionsfall nach §§ 2 a Abs. 1 Nr. 6, 99 ArbGG das Risiko einhergehe, offenba6

BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 175 f.

520

Unvereinbarkeit des Tarifeinheitsgesetzes mit dem Grundgesetz

ren zu müssen, wie hoch die Zahl der Mitglieder sei, was zur Folge habe, dass die Kampfstärke in dem Betrieb offengelegt werden müsse7.

d)

Verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 4 a TVG

Die vorstehend beschriebene Beeinträchtigung der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit ist für die betroffenen Gewerkschaften nur zumutbar, wenn den Belastungen durch eine restriktive Auslegung der Verdrängungsregelung und ihrer verfahrensrechtlichen Einbindung Schärfen genommen werden. Darauf hat das BVerfG ausdrücklich hingewiesen8. aa)

Keine Einschränkung des Arbeitskampfrechts

Nach dem Verständnis des BVerfG wird durch § 4 a TVG weder das Streikrecht eingeschränkt noch das mit dem Streik verbundene Haftungsrisiko erhöht. Denn die Kollisionsregel des § 4 a TVG wirke sich nicht auf die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen aus. Das Streikrecht einer Gewerkschaft, die in allen Betrieben nur die kleinere Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern organisieren kann, bleibt deshalb durch die gesetzlichen Vorgaben zur Tarifeinheit unangetastet. Dies gilt nach den Feststellungen des BVerfG selbst dann, wenn die Mehrheitsverhältnisse bereits bekannt sind. Das ergebe sich schon daraus, dass die Kollisionsregel des § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG ebenso wie der Anspruch auf Nachzeichnung in § 4 a Abs. 4 TVG den Abschluss eines weiteren Tarifvertrags voraussetze; dieser müsse also erkämpft werden können. Jedenfalls sei ein Arbeitskampf, der sich auf einen Tarifvertrag richte, der sich mit einem anderen Tarifvertrag überschneiden werde, nicht schon deshalb rechtswidrig und insbesondere unverhältnismäßig. Als Konsequenz dieser Sichtweise stellt das BVerfG klar, dass die vom Gesetzgeber bewusst erzeugte Unsicherheit über das Risiko einer Verdrängung im Vorfeld eines Tarifabschlusses weder bei klaren noch bei unsicheren Mehrheitsverhältnissen für sich genommen ein Haftungsrisiko einer Gewerkschaft für Arbeitskampfmaßnahmen begründen könne. Dies hätten die Arbeitsgerichte ggfs. in verfassungskonformer Anwendung der Haftungsregelungen sicherzustellen9.

7 8 9

BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 168 ff. BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 172. BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 138 ff.

521

Tarifrecht

bb)

Zulässigkeit vom Gesetz abweichender Vereinbarungen

Unter Berücksichtigung der im Bereich der Deutschen Bahn getroffenen Vereinbarungen geht das BVerfG davon aus, dass die gesetzlichen Regelungen zur Verdrängung eines Tarifvertrags in § 4 a Abs. 2 TVG durch die hiervon betroffenen Tarifvertragsparteien abbedungen werden können10. Mit Blick auf die grundrechtliche geschützte Koalitionsfreiheit sei von einer Dispositivität von § 4 a TVG auszugehen. Allerdings müssten alle von der Kollisionsnorm positiv oder negativ betroffenen Tarifvertragsparteien vereinbaren, die Regelungen des § 4 a TVG auszuschließen. Erforderlich ist damit, dass alle in einem Betrieb kollidierend tarifierenden Gewerkschaften und der Arbeitgeber übereinkommen. Es genügt nicht, eine entsprechende Vereinbarung nur mit der Minderheitsgewerkschaft zu treffen. cc)

Pflicht zur Bekanntgabe und Anhörung

Nach § 4 a Abs. 5 S. 1 TVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Aufnahme von Tarifverhandlungen rechtzeitig und in geeigneter Weise im Betrieb bekannt zu machen. Eine andere Gewerkschaft, die nicht selbst verhandelt, aber nach ihrer Satzung auch tarifzuständig wäre, ist nach § 4 a Abs. 5 S. 2 TVG berechtigt, dem Arbeitgeber oder der Vereinigung von Arbeitgebern ihre Vorstellungen und Forderungen mündlich vorzutragen. Diese Befugnis ist selbständig einklagbar. Aus Sicht des BVerfG dienen die Bekanntgabepflicht und das Vortragsrecht einer Beteiligung der anderen Gewerkschaft und sichern so verfahrensrechtlich ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG, die durch eine mögliche Verdrängung nach § 4 Abs. 2 TVG bedroht sind. Diese Verfahrenspositionen dürften – so das BVerfG – nicht lediglich als bloße Formalitäten oder schlichte Obliegenheiten behandelt werden. Vielmehr seien sie als echte Rechtspflichten zu verstehen. Weil diese Verfahren zum Schutz der Grundrechte beitrügen und weil die vom Gesetzgeber angestrebte Koordination und Kollisionsvermeidung durch die Gewerkschaften nur sinnvoll erfolgen könne, wenn andere tarifzuständige Gewerkschaften tatsächlich im Vorfeld beteiligt würden, dürfe eine Verletzung der Verfahrensrechte, die in diesem Zusammenhang verfassungsrechtliche Bedeutung erlangten, nicht sanktionslos bleiben. Nur so lasse sich ihre hier verfassungsrechtlich gebotene Wirksamkeit sichern. Von diesem Grundsatz ausgehend verlangt das BAG eine Auslegung und Anwendung von § 4 a Abs. 5 TVG, wonach der Tatbestand einer nach § 4 Abs. 2 S. 2 TVG verdrängenden Tarifkollision nur erfüllt sei, wenn die

10 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 173, 177 ff.

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Unvereinbarkeit des Tarifeinheitsgesetzes mit dem Grundgesetz

Pflichten zur Bekanntgabe von Tarifverhandlungen und zur Anhörung nicht verletzt worden seien. Dass der Gesetzgeber die Anwendung des Grundsatzes der Tarifeinheit abweichend hierfür ausdrücklich nicht unter den Vorbehalt einer Anhörung gemäß § 4 a Abs. 5 S. 2 TVG gestellt hatte, steht dieser verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung und Anwendung aus Sicht des BVerfG indes nicht entgegen11. dd)

Einschränkungen einer Verdrängung gemäß § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG

Zunächst einmal stellt das BVerfG klar, dass eine Tarifkollision nur in Betracht kommt, wenn zwei Tarifverträge gleichermaßen kraft Gesetzes Geltung beanspruchen. Eine Tarifkollision i. S. d. § 4 a Abs. 2 TVG liegt nicht vor, wenn auf einen Tarifvertrag nur kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung Bezug genommen werde. Unabhängig davon hält es das BVerfG für geboten, auch bei einer Überschneidung des Geltungsbereichs von kollidierenden Tarifverträgen entgegen dem Wortlaut von § 4 a Abs. 2 TVG keine Verdrängung anzunehmen, wenn und soweit es dem Willen der Parteien des mit der Mehrheitsgewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrags entspreche, eine entsprechende Ergänzung ihrer Regelungen durch Tarifverträge konkurrierender Gewerkschaften zuzulassen. Trotz des gesetzlichen Schriftformerfordernisses, das bei einer Auslegung eines Tarifvertrags Bedeutung gewinnt, hält es das BVerfG für möglich, dass dieser Wille ausdrücklich dokumentiert ist oder implizit zum Ausdruck kommt. Bestehe insoweit Grund zu der Annahme, das Regelungen kollidierender Tarifverträge nebeneinander bestehen sollten oder bei objektivierender Sicht nicht in den Gesamtkompromiss der ausgehandelten Leistungen eingestellt worden seien, finde die Verdrängung dort aus verfassungsrechtlichen Gründen zum Schutz eines geschlossenen Tarifvertrags nicht statt. Eine Verdrängung finde also dort ihre Grenze, wo subjektiv aus Sicht der Mehrheitsgewerkschaft oder aus einer objektivierten Perspektive heraus neben dem anwendbaren Tarifvertrag weitere inhaltliche Regelungen anwendbar bleiben sollten. Das sei der Fall, wenn Tarifleistungen nicht erkennbar untereinander verknüpft seien, weil sie zu ganz verschiedenen Regelungskomplexen gehörten12. Weitergehend hält es das BVerfG mit Blick auf den durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Bestandsschutz für tarifvertraglich garantierte Leistungen für unvereinbar, wenn § 4 a TVG als Folge einer Verdrängung des Tarifver11 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 195 f. 12 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 184 ff.

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Tarifrecht

trags der Minderheitengewerkschaft zu einem Wegfall langfristig angelegter, die Lebensplanung der Beschäftigten berührender Ansprüche aus dem Minderheitstarifvertrag führe, ohne die Möglichkeit vergleichbarer Leistungen im nachzeichnungsfähigen Mehrheitstarifvertrag zu erhalten. Das betreffe langfristig bedeutsame Leistungen, deren ersatzloser Verlust oder substanzielle Entwertung als unverhältnismäßiger Eingriff in die grundrechtlich geschützte Teilhabe am Tarifergebnis zu qualifizieren sei. Beispielhaft nennt das BVerfG in diesem Zusammenhang langfristig angelegte Leistungen zur Alterssicherung, zur Arbeitsplatzgarantie oder zur Lebensarbeitszeit, soweit sie bereits erworben wurden. Ebenso sei es unzumutbar, wenn als Konsequenz einer Kollision nach § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG Beschäftigte gezwungen wären, eine unmittelbar bevorstehende oder bereits begonnene berufliche Bildungsmaßnahme nicht wahrnehmen zu können oder abbrechen zu müssen13. ee)

Wiederaufleben des verdrängten Tarifvertrags

Nach den Feststellungen des BVerfG ist der Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG durch § 4 a Abs. 2 TVG auch insoweit einzuschränken, als eine Verdrängung des Tarifvertrags der Minderheitengewerkschaft nur solange andauere, wie der verdrängende Tarifvertrag laufe und kein weiterer Tarifvertrag ebenfalls eine Verdrängung bewirke. Der verdrängte Tarifvertrag lebe folglich für die Zukunft wieder auf, wenn die Laufzeit des verdrängenden Tarifvertrags ende. Ob und inwieweit ein Wiederaufleben zur Vermeidung eines absehbar kurzfristigen Springens zwischen verschiedenen Tarifverträgen für eine begrenzte Zeit auch im Rahmen einer Nachwirkung des Mehrheitstarifvertrags auszuschließen sei, obliege einer Beurteilung der Fachgerichte. Ebenso wäre es natürlich möglich, diese Frage unmittelbar im Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft festzuschreiben. ff)

Weites Verständnis des gesetzlichen Nachzeichnungsrechts

Nach § 4 a Abs. 4 TVG kann eine Gewerkschaft vom Arbeitgeber oder Arbeitgeberverband die Nachzeichnung der Rechtsnormen eines mit ihrem Tarifvertrag kollidierenden Tarifvertrags verlangen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes beinhaltet dieser Anspruch auf Nachzeichnung allerdings nur den Abschluss eines die Rechtsnormen des kollidierenden Tarifvertrags enthaltenen Tarifvertrags, soweit sich die Geltungsbereiche in Rechtsnormen der Tarifverträge überschneiden.

13 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 187.

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Unvereinbarkeit des Tarifeinheitsgesetzes mit dem Grundgesetz

Nach Auffassung des BVerfG ist ein weites Verständnis dieser Regelungen zur Nachzeichnung notwendig, um die Zumutbarkeit der Verdrängungswirkung zu sichern14. Insofern hänge die Anerkennung eines Nachzeichnungsanspruchs nicht davon ab, dass der Tarifvertrag der nachzeichnenden Gewerkschaft tatsächlich verdrängt werde, sie also im Betrieb tatsächlich eine Minderheit der Beschäftigten organisiere. Es genüge aus Gründen der Praktikabilität, dass eine Gewerkschaft potenziell einen Nachteil erleiden könnte, ohne dass im Zeitpunkt der Nachzeichnung die Mehrheitsverhältnisse im Betrieb bereits abschließend geklärt sein müssten. Ergänzend hierzu stellt das BVerfG klar, dass § 4 Abs. 4 S. 2 TVG nicht dahin verstanden werden dürfe, dass eine Nachzeichnung sich nur auf solche Gegenstände erstrecken könne, für die in dem verdrängten Tarifvertrag ausdrücklich Regelungen getroffen worden seien. Denn eine Einengung des Nachzeichnungsrechts auf den tatsächlichen Überschneidungsbereich hätte zur Folge, dass die von der Verdrängung bedrohte oder betroffene Gewerkschaft und ihre Mitglieder jenseits des Überschneidungsbereichs ersatzlos verlören, was sie selbst in ihrem Tarifvertrag erreicht hätten, die andere Gewerkschaft jedoch – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – nicht in ihren Tarifvertrag einbezogen habe. Denn es bestünde kein Anspruch auf Leistungen, die im Gesamtpaket der tariflichen Vereinbarungen der anderen Gewerkschaft enthalten, im Vertrag der nachzeichnenden Gewerkschaft aber nicht geregelt seien. Unter Berücksichtigung der Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG sei § 4 a Abs. 4 S. 2 TVG deshalb dahin auszulegen, dass die Gewerkschaft, deren Tarifvertrag im Betrieb aufgrund einer Kollision nicht anwendbar ist oder sein wird, einen Anspruch auf Nachzeichnung des verdrängenden Tarifvertrags in seiner Gesamtheit habe. Auf diese Weise korrespondiere das Nachzeichnungsrecht zumindest mit der Reichweite der Verdrängung, könne aber auch über die Inhalte des eigenen Tarifvertrags hinausgehen. Der Verlust des selbst ausgehandelten Gesamtpakets wird – so das BVerfG – gerade durch die Option in Grenzen gehalten, sich in der Sache dem gesamten anderen Tarifvertrag anzuschließen. gg)

Keine namentliche Offenlegung von Mitgliedern

Soweit ein Beschlussverfahren zur gerichtlichen Feststellung der Mehrheitsverhältnisse gemäß §§ 2 a Abs. 1 Nr. 6, 99 ArbGG eingeleitet wird, besteht aus Sicht des BVerfG die Gefahr, dass die Mitgliederstärke der Gewerkschaften im Betrieb gegenüber dem Arbeitgeber offengelegt werde. Dies sei 14 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 190 ff.

525

Tarifrecht

mit Rücksicht auf die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Parität zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern nach Möglichkeit zu vermeiden. Denn die Ungewissheit über die für die tatsächliche Durchsetzungskraft der Gewerkschaft wesentliche Mitgliederstärke in einer konkreten Verhandlungssituation sei von besonderer Bedeutung dafür, die Verhandlungsbereitschaft zu fördern und einen angemessenen Interessenausgleich zu erreichen. Die Fachgerichte müssen dem Rechnung tragen, indem sie unter Nutzung prozessrechtlicher Möglichkeiten eine Offenlegung der Mitgliederzahlen soweit wie möglich vermeiden. Dabei hält es das BVerfG unter Berücksichtigung von § 58 Abs. 3 ArbGG für möglich, notariell auch zu bescheinigen, wer die Mehrheit im Betrieb organisiert, um so die Offenlegung der konkreten Kampfstärke einer Gewerkschaft zu verhindern. Wie ein Notar allerdings erkennen soll, dass eine bestimmte Gewerkschaft innerhalb eines Betriebs die Mehrheit der Mitglieder hat, bleibt auch im Rahmen der Entscheidung des BVerfG unklar. Denn der Notar müsste nicht nur Feststellungen zur Kennzeichnung des für § 4 a TVG maßgeblichen Betriebs treffen. Schon dies ist eine Frage, die bislang hochumstritten und angesichts der vielfältigen Betriebsbegriffe im Individual- und Kollektivarbeitsrecht offen ist. Im Zweifel dürfte der durch den Tarifvertrag selbst bestimmte Betriebsbegriff und/oder der allgemeine Betriebsbegriff maßgeblich sein, der losgelöst von räumlicher Entfernung allein die Steuerung in Bezug auf die wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten berücksichtigt. Hinzu kommt, dass der Notar bei seiner Feststellung zu den Mehrheitsverhältnissen nicht nur die Mitgliederzahl einer Gewerkschaft, sondern auch die Mitgliederzahlen der potenziell konkurrierenden Gewerkschaften kennen muss. Angesichts der Möglichkeit, arbeitnehmerseitig Mitglied in mehreren Gewerkschaften zu sein, reicht die Feststellung, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer eines Betriebs Mitglied einer bestimmten Gewerkschaft sind, nicht für die Annahme, dass jede andere Gewerkschaft weniger Mitglieder im Betrieb hat15. hh)

Korrektur der Darlegungs- und Beweislast im Urteilsverfahren

Soweit im Rahmen der Verfassungsbeschwerden auch geltend gemacht worden war, dass eine Klärung der Mehrheitsverhältnisse im Individualverfahren nicht realistisch sei, hat das BVerfG keine Notwendigkeit gesehen, § 4 a TVG einzuschränken. Der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen die Möglichkeit entschieden, das Individualverfahren zur Einleitung eines Beschlussverfahrens nach §§ 2 a Abs. 1 Nr. 6, 99 ArbGG auszusetzen. Das 15 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 198 f.

526

Unvereinbarkeit des Tarifeinheitsgesetzes mit dem Grundgesetz

hindere die Betroffenen aber nicht, sich auf die Wirkung des § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG zu berufen, die ihnen bekannten, für die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags relevanten Umstände zu substantiieren und entsprechende Beweisanträge zu stellen. Dass das Ergebnis einer gerichtlichen Auseinandersetzung im Übrigen von den fachgerichtlich näher auszutarierenden Darlegungs- und Beweislasten abhänge, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden16.

e)

Regelungsnotwendigkeit des Gesetzgebers

Bereits die vorstehenden Grundsätze zur Auslegung und Anwendung von § 4 a TVG und der ergänzenden verfahrensrechtlichen Vorschriften machen deutlich, dass die gesetzlichen Regelungen zur Tarifeinheit im Anschluss an das Urteil des BVerfG nicht mehr in einer Weise zur Anwendung gebracht werden können, wie es ursprünglich durch den Gesetzgeber konzipiert war. Vielmehr müssen ganz erhebliche Einschränkungen vorgenommen werden, die die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verdrängung des Tarifvertrags einer Minderheitsgewerkschaft erheblich einschränken werden. Damit dürfte eine erhebliche Unsicherheit verbunden sein, die nahelegt, jedenfalls einen Teil der Auslegungsprärogativen des BVerfG durch eine Anpassung von § 4 a TVG i. S. einer Klarstellung aufzunehmen. Weil die Korrektur aus Sicht des BVerfG allerdings schon im Wege der Auslegung erfolgen kann, steht zu befürchten, dass der Gesetzgeber insoweit untätig bleiben wird. Handlungsbedarf besteht für den Gesetzgeber allerdings gleichwohl, soweit das BVerfG kritisiert, dass in § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG nicht gewährleistet werde, dass ein Tarifvertrag von einem kollidierenden Tarifvertrag nur verdrängt werden kann, wenn plausibel dargelegt werde, dass die Mehrheitsgewerkschaft die Interessen der Berufsgruppen, deren Tarifvertrag verdrängt wird, ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifvertrag berücksichtigt hat. Der Gesetzgeber ist deshalb aufgefordert, in § 4 a TVG Schutzvorkehrungen gegen eine einseitige Vernachlässigung der Angehörigen einzelner Berufsgruppen oder Branchen durch die jeweilige Mehrheitsgewerkschaft vorzusehen17. Diese Änderungen müssen bis zum 31.12.2018 in Kraft gesetzt werden. In Bezug auf das Arbeitskampfrecht besteht jedenfalls verfassungsrechtlich kein Handlungsbedarf. Denn hier geht das BVerfG gerade davon aus, dass mit § 4 a TVG keine Auswirkungen in Bezug auf die wechselseitigen Be16 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 210 ff., 214. 17 BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, NZA 2017, 915 Rz. 200 ff.

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Tarifrecht

fugnisse der Parteien im Arbeitskampf verbunden sind. Damit aber steht jetzt fest, dass das Ziel, Arbeitskampfmaßnahmen von BerufsgruppenGewerkschaften, die im Interesse von Partikularinteressen häufig unverhältnismäßige Beeinträchtigungen der hiervon betroffenen Unternehmen zu Lasten der Mehrheit der dort beschäftigten Arbeitnehmer bewirken, nicht erreicht wird. Lokführer, Fluglotsen, Piloten und Flugbegleiter können damit weiterhin versuchen, ihre Interessen durch Arbeitskampfmaßnahmen durchzusetzen. Solange allerdings nicht auch die Mehrheitsgewerkschaft entsprechenden Vereinbarungen über die fehlende Anwendbarkeit von § 4 a TVG zustimmt, bleiben diese Tarifverträge aber solange verdrängt, wie es in dem jeweiligen Betrieb Tarifverträge mit der Mehrheitsgewerkschaft gibt. Es bleibt zu hoffen, dass dies jedenfalls bei Betrieben mit überschneidenden Geltungsbereichen zur Folge hat, dass die Bereitschaft zu ausufernden Arbeitskampfmaßnahmen sinkt. (Ga)

2.

Tarifvertraglicher Mehrarbeitszuschlag bei Teilzeitbeschäftigung

Mit der Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber bei der tariflichen Normsetzung unmittelbar grundrechtsgebunden sind oder mit der kollektiv ausgeübten privatautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien nicht zu vereinbaren ist, war der 10. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 26.4.201718 befasst. Unter Hinweis darauf, dass der Abschluss von Tarifverträgen und die damit bewirkte Normsetzung eine kollektiv ausgeübte Privatautonomie darstellt und den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt, verneint das BAG eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien, weil sie zu einer umfassenden Überprüfung tarifvertraglicher Regelungen am Maßstab der Verhältnismäßigkeit führte und damit eine „Tarifzensur“ durch die Arbeitsgerichte erlaubte. Da sich jedoch die Grundrechtsgewährung nicht nur in der Abwehr staatlicher Eingriffe erschöpft, sondern daneben eine Verpflichtung des Staates auslöst, die Rechtsordnung so zu gestalten, dass die grundrechtlichen Gewährleistungen entfaltet werden können, enthalten die Grundrechte zugleich 18 BAG v. 26.4.2017 – 10 AZR 856/15, NZA-RR 2017, 478 unter ausführlicher Darlegung der Literaturmeinungen bei Rz. 28 f. Offen gelassen von BAG v. 11.12.2013 – 10 AZR 736/12, NZA 2014, 669 Rz. 14.

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Tarifvertraglicher Mehrarbeitszuschlag bei Teilzeitbeschäftigung

eine Schutzpflichtfunktion. Aus dieser leitet das BAG19 eine Bindung der Rechtsprechung ab, solchen Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen oder eine unangemessene Beschränkung eines grundrechtlichen Freiheitsrechts zur Folge haben. Unter dieser Prämisse hatte der 10. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 26.4.201720 zu beurteilen, ob eine tarifvertragliche Regelung des Sicherheitsgewerbes, die eine monatliche Regelarbeitszeit für Angestellte von 173 Stunden im Durchschnitt eines Kalenderjahres vorsah, während für Sicherheitsmitarbeiter eine längere monatliche Regelarbeitszeit von 208 Stunden galt, mit den Vorgaben von Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren war. Der Kläger, ein Sicherheitsmitarbeiter im Schichtdienst, beanspruchte von der Beklagten die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen für die ab der 174. Stunde je Monat geleisteten Arbeitsstunden, während die Beklagte erst ab der 191. Arbeitsstunde einen 25-prozentigen Zuschlag zum Stundengrundentgelt gewährte. Die Beklagte verteidigte sich damit, dass ausgehend von sechs Arbeitstagen pro Woche und einer Arbeitszeit von acht Stunden eine monatliche Regelarbeitszeit von 208 Stunden für Sicherheitskräfte anfiele und die kürzere monatliche Arbeitszeit der Angestellten darauf beruhte, dass diese nicht „rund um die Uhr“ und an Wochenenden zur Verfügung stehen müssten. Das BAG hat in Übereinstimmung mit dem LAG eine monatliche Regelarbeitszeit von 173 Stunden für das Arbeitsverhältnis des Klägers abgelehnt und in der tarifvertraglichen Differenzierung bei der Regelarbeitszeit keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gesehen. Die unterschiedliche Regelarbeitszeit führe nicht zu einer unvereinbaren Schlechterstellung der Sicherheitskräfte im Vergleich zu den Angestellten. Dabei setzt das BAG für eine Verletzung von Art. 3 GG voraus, dass eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird als eine andere, obwohl zwischen den Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Im Streitfall würde jedoch durch die Tarifvertragsparteien bei der Differenzierung der Dauer der Regelarbeitszeit erkennbar auf die unterschiedliche Aufgabenstellung und die damit verbundenen typischerweise einhergehenden unterschiedlichen Lebenssachverhalte zwischen den Sicherheitsmitarbeitern und den Angestellten ab-

19 BAG v. 26.4.2017 – 10 AZR 856/15, NZA-RR 2017, 478 Rz. 29; BAG v. 17.6.2009 – 7 AZR 112/08 (A), NZA 2009, 1355 Rz. 31; BAG v. 27.5.2004 – 6 AZR 129/03, NZA 2004, 1399 Rz. 29. 20 BAG v. 26.4.2017 – 10 AZR 856/15, NZA-RR 2017, 478.

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Tarifrecht

gestellt. Das BAG begründet diesen Rechtfertigungsgrund der Ungleichbehandlung vor allem damit, dass die Tätigkeit des Sicherheitsmitarbeiters auch durch Passivphasen charakterisiert wird, in denen keine operativen Tätigkeiten anfallen. Wenn dadurch die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang durch Arbeitsbereitschaft geprägt wird, ist es i. S. v. Art. 3 GG nicht zu beanstanden, wenn die Tarifvertragsparteien im Lichte dieses Befundes für Sicherheitsmitarbeiter längere Regelarbeitszeiten als für Angestellte vorgesehen haben. Mit dieser Entscheidung unterstreicht das BAG im Interesse der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie den weiten Spielraum, der den Tarifvertragsparteien im Sinne einer Einschätzungsprärogative für konkrete Arbeitssituationen erhalten bleibt, ohne eine Korrektur durch die Rechtsprechung befürchten zu müssen. (Boe)

3.

Asklepios: Widersprüchliche Thesen des BAG zur Änderungskündigungen bei Bezugnahme auf Tarifvertrag

Bereits im Frühjahr hatten wir über die Entscheidung des EuGH vom 27.4.2017 berichtet21, nach der der Eintritt des Erwerbers in die arbeitsvertraglichen Pflichten einer dynamischen Anwendbarkeit der Regelungen eines Tarifvertrags als Folge eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs mit den unionsrechtlichen Vorgaben insbesondere aus Art. 16 GRC vereinbar ist, wenn der Erwerber auf der Grundlage des nationalen Rechts die Möglichkeit hat, diese Verpflichtungen einvernehmlich (Änderungsvereinbarung) oder einseitig (Änderungskündigung) abzuändern22. Schon in seinem Vorlagebeschluss vom 17.6.201523 hatte der 4. Senat des BAG die These aufgestellt, dass diese Voraussetzungen in Bezug auf arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln im Anschluss an einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang erfüllt waren. Wir hatten darüber berichtet24. Ergänzend hierzu war durch Schinz/Eylert25 die Ansicht vertreten worden, dass die unionsrechtliche Vorgabe der Möglichkeit einer einseitigen Änderung ebenfalls mit den Anforderungen vereinbar sei. Denn auch der EuGH verlange nur, 21 B. Gaul, AktuellAR 2017, 231 ff. 22 EuGH v. 27.4.2017 – C-680/15 und C-681/15, NZA 2017, 571 – Asklepios. 23 BAG v. 17.6.2015 – 4 AZR 61/14 (A), NZA 2016, 373 Rz. 32 ff., 38 und 4 AZR 95/14 (A) n. v. Rz. 32 ff., 38. 24 B. Gaul, AktuellAR 2017, 231 ff. 25 RdA 2017, 140, 145.

530

Asklepios: Widersprüchliche Thesen des BAG zur Änderungskündigungen

dass der Erwerber in der Lage sein müsse, die „erforderlichen“ Änderungen vorzunehmen. Das entspreche §§ 1 Abs. 2, 2 KSchG. Dass das BAG von diesen Grundsätzen ausgehend in seinem Urteil vom 30.8.201726 den Erwerber verpflichtet hat, nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in die arbeitsvertraglichen Pflichten einer dynamischen Bezugnahme des bisherigen Betriebsinhabers selbst dann einzutreten, wenn eine kollektivrechtliche Einflussnahme auf die weitere Entwicklung dieses Tarifvertrags mangels zulässiger Mitgliedschaft in dem tarifvertragsschließenden Arbeitgeberverband ausgeschlossen ist, überrascht nicht. Es war nur konsequent, auf diese Weise die in der Vorlage vertretene These zur Möglichkeit etwaiger Änderungen umzusetzen. Erstaunlicherweise liegen die Entscheidungsgründe des Urteils des BAG vom 30.8.201727 aber bis zum heutigen Tage noch nicht vor, obwohl sich der 4. Senat mit dieser These bereits seit der Vorlage an den EuGH sehr intensiv befasst haben dürfte. Zu wünschen bleibt, dass diese Begründung bald nachgeholt wird. Schließlich bestimmen diese Feststellungen nicht nur die materielle Rechtslage im Anschluss an einen Betriebsübergang oder eine Umwandlung. Sie sind auch maßgeblich für die Frage, in welcher Weise die Konsequenzen entsprechender Übertragungsvorgänge in einem Unterrichtungsschreiben nach § 613 a Abs. 5 BGB dargestellt werden. Überzeugend sind die entsprechenden Feststellungen des BAG zur Möglichkeit einer Abänderung einer einzelvertraglichen Bezugnahme nach einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang nach wie vor nicht28. Denn diese Thesen des 4. Senats stehen in einem deutlichen Widerspruch zu den Anforderungen, die der 2. Senat an die Zulässigkeit einer Änderungskündigung nach §§ 1, 2 KSchG bislang aufgestellt hat. Das wird bereits dann deutlich, wenn man nur die Möglichkeit einer Änderungskündigung mit dem Ziel einer „Entdynamisierung“ der Tarifbindung im Entgeltbereich berücksichtigt. Diese Vorgaben rechtfertigen im Zweifel keine einseitige Änderung der Bezugnahmeklausel mit dem Ziel, die daraus folgende Dynamik einzustellen. Weitergehende Ziele, die auf eine vollständige „Entdynamisierung“ sämtlicher Tarifverträge, die kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme bis zum Übergang des Arbeitsverhältnisses beim übertragenden Rechtsträger gegolten haben, sind nach diesen Vorgaben erst recht nicht durchsetzbar. Dies gilt umso mehr, als Inhalt und Umfang dieser Änderungen zum Zeitpunkt einer potenziellen Änderungskündigung im Zweifel gar nicht erkennbar sind, so dass 26 BAG v. 30.8.2017 – 4 AZR 95/14 n. v. 27 BAG v. 30.8.2017 – 4 AZR 95/14 n. v. 28 Krit. Auch Bayreuther, NJW 2017, 2158 ff.; Busch/Gerlach, BB 2017, 2356 ff.

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Tarifrecht

die Verhältnismäßigkeit der beabsichtigten Vertragsänderung in Bezug auf die einzelnen Arbeitsbedingungen, die von einer solchen „Entdynamisierung“ betroffen sind, gar nicht dargelegt werden können. Es erstaunt, dass der 4. Senat offenbar eine gegenteilige Auffassung für zutreffend hält. Nach den bisherigen Grundsätzen des 2. Senats des BAG ist der Ausspruch einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Absenkung der bisherigen Vergütung nur bei Vorliegen strenger Voraussetzungen möglich. Hierzu ist es erforderlich, dass die fehlende Rentabilität des Betriebs einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen entgegensteht und dadurch ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen geschaffen wird29. Voraussetzung ist, dass durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebes oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind30. Zwar muss „der Ruin“ des Arbeitgebers nicht unmittelbar bevorstehen. Dringende betriebliche Gründe zur Entgeltreduzierung liegen aber nur dann vor, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zur Schließung des Betriebes führen31. Der Arbeitgeber muss insoweit alle milderen Mittel ausgeschöpft haben. Auf der Grundlage dieser Vorgaben ist durch den Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung die Finanzlage des Betriebs, der Anteil der Personalkosten, die Auswirkung der erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und für die Arbeitnehmer darzustellen und zugleich darzulegen, warum andere Maßnahmen zur Einsparung der erforderlichen Kosten nicht in Betracht kommen32. Der Entschluss des Arbeitgebers, die Lohnkosten zu senken und die zu diesem Zwecke ausgesprochene Änderungskündigung selbst stellen keine – vom Gericht nur beschränkt nachprüfbare – unternehmerische Entscheidung dar33. Aus diesem Grund hat der Arbeitgeber die betriebliche Unabweisbarkeit seiner Entscheidung nachprüfbar darzutun, wenn er eine betriebsbedingte Änderungskündigung zur Kostenreduzierung wegen der Unrentabilität des Betriebs ausspricht34. Die Unrentabilität eines Betriebs kann ohne weitere Rationalisierungsmaßnah29 BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 126/05, NZA 2006, 587 Rz. 18. 30 BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 126/05, NZA 2006, 587 Rz. 18; BAG v. 23.6.2005 – 2 AZR 642/04, NZA 2006, 92 Rz. 32. 31 BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 126/05, NZA 2006, 587 Rz. 19. 32 BAG v. 26.6.2008 – 2 AZR 139/07, NZA 2008, 1182 Rz. 20. 33 BAG v. 20.3.1986 – 2 AZR 294/85, NZA 1986, 824 Rz. 31 ff. 34 BAG v. 10.9.2009 – 2 AZR 822/07, NZA 2010, 333 Rz. 34.

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Asklepios: Widersprüchliche Thesen des BAG zur Änderungskündigungen

men nur dann ein Grund für eine betriebsbedingte Änderungskündigung sein, wenn durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebs oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und soll35. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das BAG eine Änderungskündigung zur Anpassung des Entgelts auch nicht bereits deshalb als gerechtfertigt angesehen, weil eine neue gesetzliche Regelung (hier § 9 AÜG) es ermöglichte, durch Parteivereinbarung einen geringeren Lohn festzulegen, als er dem Arbeitnehmer bisher vertraglich oder gesetzlich zustand. Das galt nach Auffassung des 2. Senats sogar dann, wenn die Einfügung einer vertraglichen Bezugnahme auf einen entsprechenden Tarifvertrag als Konsequenz einer Regelung zur Aufrechterhaltung des bereits erworbenen Besitzstandes zu keiner Verschlechterung des hiervon betroffenen Arbeitnehmers führen soll36. Gleiches gilt für das bloße Interesse des Arbeitgebers an der Schaffung einheitlicher Vertragsbedingungen im Betrieb. Auch dieses Interesse vermag eine betriebsbedingte Änderungskündigung unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu rechtfertigen37. Zwar kann ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen in Betracht kommen, wenn die Parteien Nebenleistungen vereinbart haben, deren Gewährung an Umstände anknüpft, die nicht notwendig während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses vorliegen. Eine Nebenabrede in diesem Sinn liege – so das BAG - aber nur vor, wenn die fraglichen Leistungen einen Randbereich der vertraglichen Vereinbarungen betreffen. Wolle der Arbeitgeber die dem Arbeitnehmer zugesagte Vergütung insgesamt und grundlegend umgestalten, sei der Eingriff in das vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung auch hier allenfalls dann gerechtfertigt, wenn bei Aufrechterhaltung der bestehenden Gehaltsstruktur nicht mehr auffangbare Verluste entstünden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen müssten38. Solle durch die Änderungskündigung neben der Vergütung auch die Tätigkeit geändert werden, sind beide Elemente des Änderungsangebots am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Eine gesonderte Rechtfertigung der Vergütungsänderung ist nach Auffassung des BAG nur dann ent-

35 36 37 38

BAG v. 11.10.1989 – 2 AZR 375/88 n. v. Rz. 45. Vgl. BAG 12.1.2006 – 2 AZR 126/05, NZA 2006, 587 Rz. 21. BAG v. 1.7.1999 – 2 AZR 826/98, NZA 1999, 1336 Rz. 21. BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 396/12, NZA 2013, 1409 Rz. 31.

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Tarifrecht

behrlich, wenn sich die geänderte Vergütung aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergebe39.� Es bleibt abzuwarten, ob es dem 4. Senat gelingt, in der Begründung seines Urteils vom 30.8.201740 eine Brücke zu der bisherigen Rechtsprechung des 2. Senats zur Änderungskündigung insbesondere mit entsprechenden Folgen im Entgeltbereich zu treffen. Derzeit scheint dies nur dann möglich, wenn der 2. Senat jedenfalls in den Fällen seine Rechtsprechung ändert, in denen nach einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang die Dynamik einer einzelvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag beseitigt wird. Unzureichend ist jedenfalls die These, dass die Entdynamisierung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme weder eine unionsrechtlich gebotene „erforderliche“ Anpassung noch einen „gerechten“ Ausgleich der Interessen darstelle, wenn das bloße Anpassungs- und Vereinheitlichungsinteresse des Erwerbers für die soziale Rechtfertigung der beabsichtigten Änderung nicht genüge. Entsprechendes gilt für die Feststellung, dass es nicht zum effet utile des Unionsrecht gehöre, mangelhaften Sachvortrag des Erwerbers im Änderungskündigungsschutzprozess auszugleichen oder einer im Einzelfall bestehenden Notwendigkeit der Vertragsanpassung einer frei vereinbarten Vertragsklausel die Wirksamkeit zu versagen. Die letztgenannte These ist zwar zutreffend, aber ohne Bezug zur tragenden Vorgabe, nach der arbeitsvertragliche Bezugnahmen – also auch solche auf alle Tarifverträge einer bestimmten Branche – durch Änderungskündigung unter den Voraussetzungen des §§ 1, 2 KSchG „entdynamisiert“ werden können. Denn diese im Übrigen unbegründeten Thesen verzichten weitgehend auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den materiellen Anforderungen einer Änderungskündigung und beschränken sich auf einen Zirkelschluss, der darin besteht, die These der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Änderungskündigung damit zu begründen, dass der Fall, dass diese Anforderungen im Einzelfall nicht erfüllt werden oder werden können, mit dem effet utile des Unionsrecht vereinbar oder als eine Folge des mangelhaften Parteivortrags zu qualifizieren sind. Dieses Ergebnis als „Umsetzungsschwierigkeiten“ zu kennzeichnen, stellt eine ebenso unvollständige Wiedergabe der bisherigen Rechtsprechung des 2. Senats dar wie die These, darin „im Wesentlichen“ nur das Verlangen um Einhaltung der „Verhältnismäßigkeit“ zu sehen. Allein die vorstehend wiedergegebenen Grundsätze zur Änderungskündigung im Entgeltbereich dürften deutlich machen, dass dies nicht der Fall ist. Weitergehende Anforderun-

39 BAG v. 3.4.2008 – 2 AZR 500/06, NZA 2008, 812 Rz. 26, 33. 40 BAG v. 30.8.2017 – 4 AZR 95/14 n. v.

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Gewerkschaftlicher Unterlassungsanspruch bei betrieblichem Bündnis für Arbeit

gen dürften dann in Rede stehen, wenn auch sonstige Tarifverträge „entdynamisiert“ werden sollen. Ungeachtet der vorstehenden Kritik an den Feststellungen des BAG in seinem Urteil vom 30.8.201741, die bislang allerdings nur als Pressemitteilung verfügbar sind, bleibt abzuwarten, ob und ggf. inwieweit die Begründung der Entscheidung durch den 4. Senat auch auf Fälle übertragen werden kann, in denen die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel zur Wiedergabe einer bereits kraft Gesetzes bestehenden Tarifbindung verwendet wird. Der aktuell entschiedene Fall war im Unterschied hierzu dadurch geprägt, dass die arbeitsvertragliche Zusage auf dynamische Anwendbarkeit der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes durch den übertragenden Rechtsträger erteilt worden war, obgleich seinerseits gar keine eigene gesetzliche Tarifbindung gegeben war. Anders als dies regelmäßig der Fall war, lag also gar keine Gleichstellungsabrede vor. (Ga)

4.

Gewerkschaftlicher Unterlassungsanspruch bei betrieblichem Bündnis für Arbeit

Nicht immer gelingt es, mit der Gewerkschaft eine vom Verbandstarifvertrag abweichende tarifvertragliche Lösung zu finden, wenn dies in der wirtschaftlichen Schieflage eines Unternehmens notwendig ist. In solchen Fällen scheitern die entsprechenden Verhandlungen typischerweise daran, dass mit einem entsprechenden Zugeständnis in Bezug auf bestimmte Arbeitsbedingungen ein Signal gesetzt wird, das auch durch andere Arbeitgeber aufgegriffen werden könnte. Dies gilt selbst dann, wenn die betrieblichen Arbeitnehmervertreter im Rahmen ihrer Einbeziehung in einer Tarifkommission das arbeitgeberseitige Ziel unterstützen, jedenfalls vorübergehend durch Tarifvertrag eine Personalkostensenkung zu erreichen. Denkbar ist, dass das Scheitern entsprechender Verhandlungen zum Anlass genommen wird, die entsprechende Veränderung auf betrieblicher Ebene zu vereinbaren. Da Betriebsvereinbarungen über Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam sind, müssen entsprechende Vereinbarungen grundsätzlich auf einzelvertraglicher Ebene getroffen werden. Um den hiervon betroffenen Arbeitnehmern zu signalisieren, dass Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam den Abschluss entsprechender Vereinbarungen für erforderlich halten, werden in der Regel in solchen Situationen aber gleich-

41 BAG v. 30.8.2017 – 4 AZR 95/14 n. v.

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Tarifrecht

wohl ergänzende Regelungsabreden getroffen, mit denen Arbeitgeber und Betriebsrat das anschließende Vorgehen auf individualrechtlicher Ebene festlegen. In dieser Weise war auch in dem dem Beschluss vom 7.6.201742 zugrundeliegenden Fall verfahren worden. Zunächst einmal hatten die Arbeitgeberinnen, die Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) waren, mit ver.di Verhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrags zur Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit und zum Verzicht auf bestimmte Sonderleistungen geführt. Auf diese Weise sollte einem Teil des Personalübergangs begegnet und vorübergehend eine Personalkostenreduzierung erreicht werden. Nachdem diese Verhandlungen allerdings ergebnislos beendet wurden, vereinbarte man mit dem Betriebsrat, dass die bestehenden Arbeitsverträge durch Abschluss einer Änderungsvereinbarung im Rahmen eines betrieblichen Bündnisses für Arbeit entsprechend geändert werden sollten. Zum Ausgleich für die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit und den Verzicht auf bestimmte Leistungen des Tarifvertrags wurden den Arbeitnehmern ein Sonderkündigungsschutz und drei freie Kalendertage zum Zwecke des Gesundheitsschutzes eingeräumt. Befristet war diese Regelung auf die Zeit vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2017. Parallel zum Abschluss dieser Regelungsabrede, die am 29.12.2012 erfolgt war, hatten die Arbeitgeber ihre Mitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband zum 31.12.2012 beendet. Etwa 96 % der Arbeitnehmer schlossen entsprechende Änderungsverträge ab. Die Gewerkschaft wollte ein solches Vorgehen verhindern und beantragte beim Arbeitsgericht, den Arbeitgebern aufzugeben, es zu unterlassen, die zur Abänderung der bestehenden Arbeitsverträge getroffenen Vereinbarungen anzuwenden. Damit sollte die weitere Geltung der im Verbandstarifvertrag enthaltenen Vorgaben zur Arbeitszeit und Vergütung bewirkt werden. Zur Begründung verwies die Gewerkschaft darauf, dass die Vereinbarungen tarifwidrig seien. Die Arbeitgeber seien trotz des Austritts aus dem KAV jedenfalls nach § 3 Abs. 3 TVG tarifgebunden. Das BAG hat die stattgebende Entscheidung des LAG Sachsen-Anhalt aufgehoben und der Rechtsbeschwerde der Arbeitgeber stattgegeben. Nach seiner Auffassung war ein Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft nicht begründet. Grundsätzlich stehe einer Gewerkschaft bei einer Verletzung ihrer Koalitionsfreiheit durch die tarifwidrigen Regelungsabreden und deren einzelver42 BAG v. 7.6.2017 – 1 ABR 32/15, BB 2017, 2483 Rz. 21.

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Gewerkschaftlicher Unterlassungsanspruch bei betrieblichem Bündnis für Arbeit

tragliche Umsetzung zwar ein Unterlassungsanspruch nach §§ 1004 Abs. 1 S. 1, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 GG zu. Die hierfür erforderliche Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit liege bereits in der Eignung solcher Absprachen, aufgrund ihres erklärten Geltungsanspruchs faktisch an die Stelle der tariflichen Regelung zu treten. Damit sei es ihr offenkundiger Zweck, Tarifnormen als kollektive Ordnung zu verdrängen und sie dann ihrer zentralen Funktion zu berauben43. Voraussetzung für die Anerkennung eines gewerkschaftlichen Unterlassungsanspruches ist aber, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt einer arbeitsgerichtlichen Entscheidung kraft Gesetzes an den Tarifvertrag gebunden ist, dessen Durchführung mit dem Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden soll. Unerheblich ist, ob es sich dabei um eine Bindung nach § 3 Abs. 1 TVG oder § 3 Abs. 3 TVG handelt. Fehlt es allerdings an einer gesetzlichen Tarifbindung, besteht kein Geltungsanspruch des Tarifvertrags. Der Arbeitgeber ist dann frei, mit seinen Arbeitnehmern untertarifliche Arbeitsbedingungen zu vereinbaren. Dies gilt auch dann, wenn eine Nachwirkung des Tarifvertrags gemäß § 4 Abs. 5 TVG gegeben ist44. Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht (mehr) gegeben, als das BAG seine Entscheidung zu treffen hatte. Denn die streitgegenständlichen Regelungen des TVöD, an den die Arbeitgeber als Konsequenz ihrer Mitgliedschaft im KAV ursprünglich kraft Gesetzes gebunden waren, waren bereits zum 1.4.2014 und bei späteren Gelegenheiten erneut geändert worden. Da jede Änderung eines Tarifvertrags zu dessen Ende im Sinne des § 3 Abs. 3 TVG führt, war von diesem Zeitpunkt an nur noch eine Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG gegeben. Unerheblich ist, ob die nicht geänderten Teile des Tarifvertrags noch eine sinnvolle Ordnung ergeben würden. Schon dies rechtfertigte, den Unterlassungsanspruch zurückzuweisen. Ungeachtet dessen hat das BAG allerdings ergänzend hierzu darauf verwiesen, dass der Unterlassungsanspruch auch an die Voraussetzung geknüpft sei, dass weitere Beeinträchtigungen in Rede stünden. Solche (künftigen) Beeinträchtigungen seien grundsätzlich zu besorgen, wenn die ernsthafte Gefahr einer erstmaligen oder wiederholten Verletzungshandlung gegeben sei. Soweit aber mit dem Antrag der Gewerkschaft ein Unterlassen in Bezug auf solche Maßnahmen des Arbeitgebers begehrt wurde, dessen Wiederholung der Arbeitgeber bereits ausgeschlossen hatte, schließt auch dies eine stattgebende Entscheidung aus. 43 BAG v. 7.6.2017 – 1 ABR 32/15, BB 2017, 2483 Rz. 19 f.; BAG v. 17.5.2011 – 1 AZR 473/09, NZA 2011, 1169 Rz. 35. 44 BAG v. 7.6.2017 – 1 ABR 32/15, BB 2017, 2483 Rz. 21.

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Tarifrecht

Der Entscheidung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Sie zeigt, dass es – wenn tarifvertragliche Verhandlungen scheitern – durchaus möglich ist, auch auf betrieblicher Ebene Lösungen zu finden, in die Arbeitnehmervertreter eingebunden sind. Ungeachtet dessen dürfte es allerdings regelmäßig ein vorrangiges Ziel sein, unter Einbeziehung der Gewerkschaft auf tarifvertraglicher Ebene eine Lösung für besondere Probleme eines Unternehmens zu finden. (Ga)

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H. Betriebsverfassung und Mitbestimmung 1.

Keine Einbeziehung der im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer im Bereich der Unternehmensmitbestimmung

In der Vergangenheit hatten wir mehrfach über die Vorlage des KG Berlin berichtet, aufgrund dessen der EuGH gemäß Art. 267 AEUV über die Vereinbarkeit einer Ausgrenzung der in ausländischen Tochtergesellschaften beschäftigten Arbeitnehmer bei den Wahlen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat im Bereich der deutschen Unternehmensmitbestimmung zu entscheiden hatte1. Bei dem insoweit die TUI AG betreffenden Verfahren ging es um die Frage, ob das bislang ganz überwiegend vertretene Verständnis, nach der das aktive und passive Wahlrecht zum Aufsichtsrat nur den in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern zuzuerkennen war, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Bei der TUI AG hätte eine Einbeziehung der im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer eine Erweiterung der Wahlberechtigten um mehr als 40.000 Arbeitnehmer bedeutet. Bei einem Parallelverfahren, dass die Deutsche Börse AG betraf, hätte die Einbeziehung der im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer zu einer Anwendbarkeit des Mitbestimmungsgesetzes geführt. Derzeit erfolgt dort nur eine Beteiligung der Arbeitnehmer nach Maßgabe des Drittelbeteiligungsgesetzes. Mit überzeugender Begründung hat der EuGH durch sein Urteil vom 18.7.20172 eine Entscheidung jedenfalls in Bezug auf das Wahlrecht getroffen und insoweit einen Verstoß gegen das Unionsrecht als Folge einer Ausgrenzung der in ausländischen Tochtergesellschaften beschäftigten Arbeitnehmer abgelehnt. In den Gründen seiner Entscheidung hat der EuGH zunächst einmal darauf verwiesen, dass die Zulässigkeit der im Streit stehenden Differenzierung nicht an Art. 18 AEUV zu messen sei, in dem der allgemeine Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verankert ist. Denn diese Regelung komme nur dann zur Anwendung, wenn es innerhalb des AEUV keine besonderen Diskriminierungsverbote gebe, die auf den im Streit stehenden Fall zur Anwendung kommen. Dies aber war vorliegend der Fall, weil mit Art. 45 Abs. 2 AEUV zugunsten der Arbeitnehmer ein besonderes Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehö-

1 2

B. Gaul, AktuellAR 2016, 575 ff.; 2017, 243 ff. EuGH v. 18.7.2017 – C-566/15, NZA 2017, 1000 Rz. 24 ff. – Erzberger.

539

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

rigkeit für den Bereich der Arbeitsbedingungen gegeben ist. Dessen Vorgaben sind daher maßgeblich, um die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht festzustellen. Hiervon ausgehend hat der EuGH zunächst einmal klargestellt, dass Art. 45 Abs. 2 AEUV und die darin enthaltene Garantie der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht auf Situationen anwendbar ist, die keine Berührung mit irgendeinem der Sachverhalte aufwiesen, auf die das Unionsrecht abstelle. Sie seien daher nicht auf Arbeitnehmer anwendbar, die nie von ihrer Freizügigkeit innerhalb der Union Gebrauch gemacht hätten oder Gebrauch machen wollten. Dass die Tochtergesellschaft, bei der ein Arbeitnehmer tätig sei, von einer Muttergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Sitzstaat der Tochtergesellschaft kontrolliert werde, schaffe keinen Anknüpfungspunkt für eine Anwendbarkeit von Art. 45 AEUV. Arbeitnehmer, bei denen ein Wechsel des Mitgliedstaats nicht in Rede steht, können sich daher nicht auf eine Missachtung von Art. 45 Abs. 2 AEUV berufen. Soweit allerdings Arbeitnehmer in Rede stehen, die innerhalb einer Unternehmensgruppe von ihrem Recht aus Art. 45 AEUV Gebrauch machen wollen, verbietet das Unionsrecht zwar eine Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit. Darüber hinaus steht Art. 45 AEUV einer nationalen Maßnahme entgegen, die geeignet ist, die Ausübung der durch diese Vorschrift garantierten Grundfreiheit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen3. Diese Garantie aus Art. 45 AEUV schützt Arbeitnehmer allerdings auch bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit nicht vor etwaigen Nachteilen. Denn das Primärrecht der Union könne – so der EuGH – einem Arbeitnehmer nicht garantieren, dass ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat als seinen Herkunftsmitgliedstaat in sozialer Hinsicht neutral sei, da ein solcher Umzug aufgrund der Unterschiede, die zwischen den Systemen und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestünden, für die betreffende Person je nach Einzelfall Vor- oder Nachteile in diesem Bereich zur Folge haben könne. Wie auch der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen festgestellt habe, verschaffe Art. 45 AEUV daher einem solchen Arbeitnehmer nicht das Recht, sich im Aufnahmemitgliedstaat auf die Arbeitsbedingungen zu berufen, die ihm im Herkunftsmitgliedstaat nach den dortigen nationalen Rechtsvorschriften zustanden. Vielmehr bleibe es den Mitgliedstaaten mangels Harmonisierungs- und Koordinierungsmaßnahmen auf Unionsebene in diesem Bereich grundsätzlich unbenommen, die Anknüpfungskriterien des Anwendungsbereichs ihrer Rechtsvorschriften zu

3

EuGH v. 18.7.2017 - C-566/15, NZA 2017, 1000 Rz. 32 f. – Erzberger.

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Keine Einbeziehung der im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer

bestimmen, sofern diese Kriterien ihrerseits objektiv und nicht diskriminierend seien4. Hiervon ausgehend bestätigt der EuGH, dass es einem Mitgliedstaat freistehe, Vorschriften zu schaffen, die nur auf die Arbeitnehmer inländischer Betriebe zur Anwendung kommen. Hiervon gehen sowohl das BetrVG als auch die Unternehmensmitbestimmung zutreffend aus. Ein Verstoß gegen das Unionsrecht ist bei einer solchen Beschränkung des Anwendungsbereichs damit abzulehnen. Dies gilt selbst dann, wenn Arbeitnehmer als Folge eines Umzugs ins Ausland aus dem Anwendungsbereich dieser Vorschriften des Kollektivarbeitsrechts fallen und daher Nachteile in Kauf nehmen müssen. Darin liegt keine Behinderung der durch Art. 45 AEUV gewährleisteten Arbeitnehmerfreizügigkeit. Vielmehr sei der Verlust der Wahlberechtigung im Bereich der Unternehmensmitbestimmung nur eine Folge der legitimen Entscheidung Deutschlands, die Anwendung ihrer nationalen Vorschriften im Bereich der Mitbestimmung auf die bei einem inländischen Betrieb tätigen Arbeitnehmer zu beschränken5. Die vorstehende Bewertung des EuGH in Bezug auf die Kennzeichnung der Wahlberechtigung wird man ohne Einschränkung auch auf die Kennzeichnung des Personenkreises übertragen müssen, der für die Berechnung der Schwellenwerte in Bezug auf eine Anwendung des DrittelbG bzw. des MitbestG maßgeblich sind. Hiervon ausgehend ist es mit dem Unionsrecht vereinbar, nur dann eine Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nach Maßgabe des DrittelbG bzw. des MitbestG vorzusehen, wenn die hierfür erforderlichen Schwellenwerte durch Arbeitnehmer überschritten werden, die in Betrieben in Deutschland beschäftigt sind. Arbeitnehmer, die in Betrieben im Ausland tätig sind, bleiben zulässigerweise unberücksichtigt. Voraussetzung für die darin liegende Differenzierung ist allerdings, dass in den Anwendungsbereich der für die deutschen Betriebe geschaffenen Regelung Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit fallen. Dies ist nach den insoweit einschlägigen Vorschriften des DrittelbG und des MitbestG der Fall. Wichtig ist, dass damit in Bezug auf die Vorbereitung von Aufsichtsratswahlen Klarheit besteht. Davon kann nach dem bisherigen – ganz überwiegend vertretenen – Verständnis in Bezug auf den Anwendungsbereich der deutschen Vorschriften zur Unternehmensmitbestimmung auch in Zukunft ausgegangen werden. Die mit entsprechenden Aufgaben befassten Wahlvor4 5

EuGH v. 18.7.2017 - C-566/15, NZA 2017, 1000 Rz. 34 f. – Erzberger. EuGH v. 18.7.2017 - C-566/15, NZA 2017, 1000 Rz. 37 ff., 40 – Erzberger.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

stände brauchen angesichts dieser klaren Feststellungen des EuGH nicht abzuwarten. Ungeachtet dessen hat das KG Berlin bereits am 2.11.20176 die Vorgaben des EuGH umgesetzt und die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung ohne Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. (Ga)

2.

Kennzeichnung der räumlich weiten Entfernung eines Betriebsteils nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG

Entgegen der Kennzeichnung des kündigungsschutzrechtlichen Betriebs wird bei der Qualifikation einer organisatorischen Einheit als betriebsverfassungsrechtlicher Betrieb auch die räumliche Entfernung berücksichtigt. Insofern bestimmt § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG, dass Betriebsteile, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG erfüllen, als selbständige Betriebe gelten, wenn sie räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind. Eine weitergehende Kennzeichnung, unter welchen Voraussetzungen von einer räumlich weiten Entfernung auszugehen ist, enthält das Gesetz nicht. Insoweit ist es für die betriebliche Praxis hilfreich, dass der 7. Senat des BAG in seinem Beschluss vom 17.5.20177 diesbezügliche Klarstellungen vorgenommen hat. In dem seiner Entscheidung zugrundeliegenden Fall beschäftigte der Arbeitgeber Arbeitnehmer an zwei Standorten, die nur elf Kilometer voneinander entfernt waren. Am Hauptstandort, an dem 1.536 Arbeitnehmer tätig waren, befand sich die Personalverwaltung, ein Personalleiter sowie ein Werkleiter, dessen Zuständigkeit auch den zweiten Standort erfasste. An dem zweiten Standort waren lediglich 152 Arbeitnehmer tätig, deren Arbeit durch einen Manager Operations gesteuert wurde. Dieser berichtete an den Werkleiter. Die Mitarbeiter an dem zweiten Standort waren an zwei Produktionsanlagen eingesetzt, wobei eine Anlage im Störfallbetrieb tätig war. Diese Betriebsform hatte zur Folge, dass ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz längstens für die Dauer von 30 Minuten verlassen konnte. In der Vergangenheit waren an beiden Standorten jeweils Betriebsräte gewählt worden. Im Rahmen eines Verfahrens nach § 18 Abs. 2 BetrVG wollte der Arbeitgeber nun allerdings festgestellt wissen, dass mangels räumlich weiter Entfernung bei der nächsten Betriebsratswahl nur ein Betriebsrat für beide Standorte zu wählen war. Der Betriebsrat des kleineren Standorts hielt dies für falsch und machte geltend, dass die Erreichbarkeit des Betriebsrats im Hauptbetrieb für Arbeitnehmer, die öffentliche Verkehrsmittel nutzten, 6 7

KG Berlin v. 2.11.2017 – 14 W 89/15 n. v. BAG v. 17.5.2017 – 7 ABR 21/15, NZA 2017, 1282.

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Entfernung eines Betriebsteils nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG

90 Minuten (einfache Strecke) erforderlich machte. Mit dem PKW benötigten die Arbeitnehmer zu günstigster Zeit mindestens 20 Minuten, wobei zusätzlich fünf Minuten als Fußweg eingeplant werden mussten. Der Arbeitgeber machte geltend, dass diese Zeitspanne für die Kennzeichnung der räumlich weiten Entfernung maßgeblich sei, zumal die Arbeitnehmer auf seine Kosten ein Taxi benutzen könnten. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls ist das BAG dieser Auffassung des Arbeitgebers nicht gefolgt und hat angenommen, dass vorliegend von einer räumlich weiten Entfernung der beiden Standorte ausgegangen werden müsse. Zunächst einmal hat das BAG klargestellt, dass der kleinere Standort nicht als Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG qualifiziert werden könne. Dies hätte vorausgesetzt, dass der Manager Operations für alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten verantwortlich gewesen wäre. Dies aber war nicht der Fall. Da er durch die leitende Funktion des Managers Operations aber organisatorisch vom anderen Standort abgrenzbar war, konnte von einem Betriebsteil ausgegangen werden. Hierfür genügt es, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt8. Nach den weitergehenden Feststellungen des BAG sind die Betriebsteile im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG vom Hauptbetrieb räumlich weit entfernt, wenn wegen dieser Entfernung eine ordnungsgemäße Betreuung der Belegschaft des Betriebsteils durch einen beim Hauptbetrieb ansässigen Betriebsrat nicht mehr gewährleistet sei. Der Zweck von § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG bestehe darin, den Arbeitnehmern von Betriebsteilen eine effektive Vertretung durch einen eigenen Betriebsrat zu ermöglichen, wenn wegen der räumlichen Trennung des Betriebsteils von dem Hauptbetrieb die persönliche Kontaktaufnahme zwischen einem dortigen Betriebsrat und den Arbeitnehmern im Betriebsteil so erschwert sei, dass der Betriebsrat des Hauptbetriebs die Interessen der Arbeitnehmer nicht mit der nötigen Intensität und Sachkunde wahrnehmen könne und sich die Arbeitnehmer nur unter erschwerten Bedingungen an den Betriebsrat wenden könnten oder Betriebsratsmitglieder, die in dem Betriebsteil beschäftigt seien, nicht kurzfristig zu Sitzungen im Hauptbetrieb kommen könnten. Maßgeblich sei also sowohl die leichte Erreichbarkeit des Betriebsrats aus Sicht der Arbeitnehmer wie auch umgekehrt die Erreichbarkeit der Arbeitnehmer für den Betriebsrat. 8

BAG v. 17.5.2017 – 7 ABR 21/15, NZA 2017, 1282 Rz. 17; BAG v. 7.5.2008 – 7 ABR 15/07, NZA 2009, 328 Rz. 19.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Eine Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs allein nach Entfernungskilometern komme deshalb nicht in Betracht. Vielmehr sei eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen9. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat es das BAG zunächst einmal abgelehnt, bei der Bewertung der wechselseitigen Erreichbarkeit hinsichtlich der maßgeblichen Wegezeiten den jeweils ungünstigsten Fall zugrunde zu legen. Zwar könne ein Arbeitnehmer den Betriebsrat, soweit dies erforderlich sei, grundsätzlich jederzeit, auch außerhalb der Sprechstunden, in Anspruch nehmen. Er müsse dabei aber auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht nehmen. Insofern müsse der einzelne Arbeitnehmer zwar grundsätzlich die Möglichkeit haben, im Bedarfsfall zeitnah die einzelnen Betriebsratsmitglieder aufzusuchen. Lasse es die Angelegenheit zu, könne er den Gesprächstermin aber so legen, dass sich durch Nutzung von Mitfahrgelegenheiten oder durch Bildung von Fahrgemeinschaften Reisezeiten verkürzen ließen bzw. zeitaufwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln entfielen. Folgerichtig sei auf die regelmäßigen Verkehrsverhältnisse abzustellen. Öffentliche Verkehrsmittel seien nur dann maßgeblich, wenn für einen nicht unerheblichen Teil der Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit bestehe, den Hauptbetrieb in einem eigenen PKW oder durch einen vom Arbeitgeber eingerichteten Zubringerdienst zu erreichen. Auf der Grundlage dieser Vorgaben hat das BAG zu Gunsten des Arbeitgebers auf die Fahrtzeit mit dem PKW – also 20 Minuten einfache Strecke – zuzüglich einer innerbetrieblichen Wegstrecke (fünf Minuten) abgestellt. Ausgehend davon, dass ein Besuch des Betriebsrats für den einzelnen Arbeitnehmer damit einen Zeitaufwand in Höhe von mindestens 50 Minuten bedeutet hätte, war – so das BAG – vorliegend von einer räumlich weiten Entfernung des Betriebsteils vom Hauptbetrieb auszugehen. Ob dies in allen Fällen bereits zur Anerkennung der Fiktion im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG führt, lässt der Beschluss indes nicht erkennen. Denn das BAG verweist in seiner Begründung maßgeblich darauf, dass diese Wegezeit zur Folge hatte, dass Arbeitnehmer, die an der Produktionsanlage im Störfallbetrieb eingesetzt waren, keine Möglichkeit hatten, während ihrer Arbeitszeit den Betriebsrat aufzusuchen. Damit aber wäre die persönliche Erreichbarkeit zwischen diesem Teil der Belegschaft und dem Betriebsrat so erschwert, dass der Betriebsrat des Hauptbetriebs die Interessen dieser Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß wahrnehmen könnte. Die Erreichbarkeit des Betriebsrats per Post, Telefon oder moderne Kommunikationsmittel ge9

BAG v. 17.5.2017 – 7 ABR 21/15, NZA 2017, 1282 Rz. 20; BAG v. 7.5.2008 – 7 ABR 15/07, NZA 2009, 328 Rz. 26; BAG v. 14.1.2004 – 7 ABR 26/03 n. v. Rz. 20.

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Aktuelles zur Betriebsratswahl

nüge nicht, um hierzu eine relevante Alternative zu schaffen. Unerheblich sei auch, ob der Betriebsrat des Hauptbetriebs regelmäßige Sprechstunden im anderen Standort einrichten könnte. Denn es müsse für die Arbeitnehmer möglich sein, den Betriebsrat auch außerhalb solcher Sprechstunden zu erreichen. Im Übrigen müsse es bei einem standortübergreifend gebildeten Betriebsrat möglich sein, auch solche Betriebsratsmitglieder aufzusuchen, die nicht am gleichen Standort beschäftigt werden10. Der Entscheidung ist zuzustimmen, auch wenn die einzelfallbezogene Begründung deutlich macht, dass die Voraussetzungen eines selbständigen Betriebsteils im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG durchaus auch bei größeren Entfernungen abgelehnt werden müssen, wenn die wechselseitige Erreichbarkeit unter leichteren Voraussetzungen möglich ist, als dies hier in Rede stand. Wichtig ist, diese Überlegungen auch bei Vereinbarungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG zu berücksichtigen. (Ga)

3.

Aktuelles zur Betriebsratswahl

Über Streitigkeiten hinsichtlich der Errichtung und Zusammensetzung des Betriebsrates entscheiden die Arbeitsgerichte gem. §§ 2 a Abs. 1 Nr. 1, 80 ff. ArbGG im Beschlussverfahren. Zuständig ist das Arbeitsgericht, in dessen Bezirk der Betrieb liegt, für den der Betriebsrat gewählt worden ist (§ 82 Abs. 1 S. 1 ArbGG). Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann die Wahl beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Zur Anfechtung berechtigt sind mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber (§ 19 Abs. 2 BetrVG). Durch die zwingende Regelung des § 13 Abs. 1 BetrVG ist vorgegeben, dass die regelmäßigen Betriebsratswahlen alle vier Jahre in der Zeit vom 1.3 bis zum 31.5 stattfinden. Dieser Vierjahresrhythmus galt erstmals für die regelmäßigen Wahlen im Jahre 1990 (§ 125 Abs. 1 BetrVG)11, sodass turnusgemäß die nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen auf das Jahr 2018 fallen.

10 BAG v. 17.5.2017 – 7 ABR 21/15, NZA 2017, 1282 Rz. 25 ff., 31. 11 Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung v. 20.12.1988 (BGBl. I 1988, 2312 ff.), das am 1.1.1989 in Kraft getreten ist und die Verlängerung der Amtszeit des Betriebsrats auf vier Jahre vorgesehen hat.

545

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

a)

Elektronische Durchführung einer Betriebsratswahl

Nach § 18 Abs. 1 S. 1 BetrVG hat der Wahlvorstand die Wahl unverzüglich einzuleiten, sie durchzuführen und das Wahlergebnis festzustellen. Nähere Regelungen zur Durchführung der in den §§ 7-20 BetrVG enthaltenen Vorschriften über die Wahl des Betriebsrats enthält die Wahlordnung 200112. Die Betriebsratswahl wird mit dem Erlass des Wahlausschreibens durch den Wahlvorstand eingeleitet, das spätestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe zu erlassen ist (§ 3 Abs. 1 WO 2001). Gemäß § 3 Abs. 4 WO 2001 ist ein Abdruck des Wahlausschreibens vom Tage seines Erlasses bis zum letzten Tag der Stimmabgabe an einer oder mehreren geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen vom Wahlvorstand auszuhängen und in gut lesbarem Zustand zu erhalten. Ergänzend kann das Wahlausschreiben mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik bekannt gemacht werden. In entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 4 S. 4 WO 2001 ist die Bekanntmachung ausschließlich in elektronischer Form nur zulässig, wenn alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Bekanntmachung Kenntnis erlangen können und Vorkehrungen getroffen werden, dass Änderungen der Bekanntmachung nur vom Wahlvorstand vorgenommen werden können. Wird das Wahlausschreiben gem. § 3 Abs. 4 S. 2 WO 2001 ergänzend mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik bekannt gemacht, ist nur der Aushang maßgeblich, weil das Wahlausschreiben nur durch den Aushang wirksam erlassen werden kann, es sei denn, die Bekanntmachung auf elektronischem Wege entspricht den Anforderungen des § 3 Abs. 4 S. 3 i. V. m. § 2 Abs. 4 S. 4 WO 200113. Ob auch die Durchführung der Betriebsratswahl als Online-Wahl rechtlich zulässig ist, war Gegenstand einer Entscheidung des ArbG Hamburg vom 7.6.201714. Die in der Zeit vom 11. bis 27.4.2016 im Betrieb der Arbeitgeberin durchgeführte Betriebsratswahl fand neben der Präsenz- und Briefwahl auch in Form einer Online-Wahl als Alternative zur Briefwahl statt. Den Wahlberechtigten wurden die Zugangsdaten zur Teilnahme an dem Onlineverfahren per E-Mail zugesandt. Online konnte dann ein virtueller Stimmzettel ausgefüllt werden. Es wurden 740 gültige Stimmen durch Präsenzund Briefwahl abgegeben. 628 Wahlberechtigte nahmen an der Online-Wahl teil. Bei Öffnung der „elektronischen Wahlurne“ wurde eine Folie an die 12 Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung 2001) v. 11.12.2001 (BGBl. I 2001, 3494 ff.). 13 BAG v. 5.5.2004 – 7 ABR 44/03, NZA 2004, 1285 Rz. 20. 14 ArbG Hamburg v. 7.6.2017 – 13 BV 13/16, ZIP 2017, 1684.

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Aktuelles zur Betriebsratswahl

Wand projiziert, welche eine Stimmenanzahl und Wahlergebnisse enthielt. Eine andere Auszählung der elektronisch abgegebenen Stimmen erfolgte nicht. Die Betriebsratswahl wurde rechtzeitig angefochten, aber auch ihre Nichtigkeit von den Antragstellern geltend gemacht. Das ArbG Hamburg ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die durchgeführte Betriebsratswahl nichtig ist, da sie auch mittels einer Online-Wahl und damit eines nicht von der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 11.12.2001 (WO) vorgesehenen Wahlverfahrens durchgeführt worden ist. Nach der Rechtsprechung des BAG15 ist eine Betriebsratswahl nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig. Voraussetzung dafür ist, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maß verstoßen wird, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften handeln. Die Betriebsratswahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“16. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des BAG verstößt nach Ansicht des ArbG die Durchführung einer Online-Wahl in grober Weise gegen die Bestimmungen der Wahlordnung. Der Wortlaut der von der Wahlordnung verwandten Begriffe, insbesondere „schriftliche Stimmabgabe“ (Überschrift vor § 24 WO), „Wahlumschlag“ (§ 24 Abs. 1 Nr. 3, § 25 Nr. 1 WO), „vorgedruckte Erklärung“ (§ 24 Abs. 1 Nr. 4 WO), „größerer Freiumschlag“ mit „Anschrift“ und „Absender“ (§ 24 Abs. 1 Nr. 5 WO), „Verschließen des Wahlumschlags“ (§ 25 Nr. 1, 3 WO) und „Öffnen des Umschlags“ (§ 26 Abs. 1 WO), „Unterschrift“ (§ 25 Nr. 2 WO), „Legen des Wahlumschlags in die Urne“ (§ 26 Abs. 1 WO) und „Briefumschläge“ (§ 26 Abs. 2 WO), verdeutliche, dass es sich um eine schriftliche Stimmabgabe im herkömmlichen Sinne, also eine Papierwahl, handele. Für eine „extensive zeitgemäße“ Auslegung dahingehend, dass entgegen des eindeutigen Wortlautes auch OnlineWahlen von der Wahlordnung als zulässig erachtet werden, sei kein Raum. Dieser Verstoß gegen die WO sei auch in so hohem Maße schwerwiegend, dass angesichts des von der Wahlordnung nicht vorgesehenen Verfahrens auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorläge. Der schwerwiegende Verstoß sei auch offensichtlich, weil für jedermann

15 Vgl. etwa BAG v. 21.9.2011 – 7 ABR 54/10, NZA-RR 2012, 186 Rz. 26; BAG v. 27.7.2011 – 7 ABR 61/10, NZA 2012, 345 Rz. 39; BAG v. 21.7.2004 – 7 ABR 57/03 n. v. Rz. 35. 16 BAG v. 21.9.2011 – 7 ABR 54/10, NZA-RR 2012, 186 Rz. 26.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

ohne weiteres erkennbar sei, dass die Wahlordnung das Wahlverfahren der Online-Wahl nicht vorsähe. Für die im kommenden Jahr anstehenden Betriebsratswahlen ist diese Entscheidung des ArbG von erheblicher Bedeutung, auch wenn man möglicherweise unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG lediglich zur Anfechtbarkeit nach § 19 BetrVG gelangen könnte, weil der Arbeitgeber gemäß § 20 Abs. 3 BetrVG die Kosten der Wahl zu tragen hat, wozu die Fortzahlung des Arbeitsentgelts gehört, soweit durch die Ausübung des Wahlrechts eine Versäumnis von Arbeitszeit eintritt. Im Ergebnis muss man der Entscheidung des ArbG Hamburg beitreten, weil der Gesetzgeber bislang bei der „Papierwahl“ geblieben ist, ungeachtet der Möglichkeit, anstelle oder neben der Briefwahl die Alternative einer Online-Wahl zu eröffnen. So hat der Gesetzgeber im EM-Leistungsverbesserungsgesetz vom 17.7.201717 durch Art. 5 einen § 41 a in das Europäische Betriebsräte-Gesetz eingefügt, wonach ein Mitglied eines Europäischen Betriebsrats als Besatzungsmitglied eines Seeschiffes unter bestimmten Voraussetzungen an einer Betriebsratssitzung mittels neuer Informations- und Kommunikationstechnologien teilnehmen kann. Möglicherweise löst die Entscheidung des ArbG Hamburg eine Initiative aus, die Wahlordnung an modernere Technologien anzupassen.

b)

Anfechtung wegen Änderung der Wählerliste

Gemäß § 2 Abs. 3 WO 2001 steht das aktive und passive Wahlrecht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu, die in die Wählerliste eingetragen sind. Einsprüche gegen die Richtigkeit der Wählerliste können mit Wirksamkeit für die Betriebsratswahl nur vor Ablauf von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand schriftlich eingelegt werden, der über entsprechende Einsprüche unverzüglich zu entscheiden hat (§ 4 Abs. 1 und 2 WO). Nach Ablauf der Einspruchsfrist soll der Wahlvorstand die Wählerliste nochmals auf ihre Vollständigkeit hin überprüfen (§ 4 Abs. 3 S. 1 WO). Die Wählerliste kann im Übrigen nach Ablauf der Einspruchsfrist nur bei Schreibfehlern, offenbaren Unrichtigkeiten, in Erledigung rechtzeitig eingelegter Einsprüche, bei Eintritt von Wahlberechtigten in den Betrieb oder bei Ausscheiden aus dem Betrieb bis zum Tage vor dem Beginn der Stimmabgabe berichtigt oder ergänzt werden (§ 4 Abs. 3 S. 2 WO). Ob die Voraussetzungen für eine Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG vorliegen, wenn die Wählerliste durch den Wahlvorstand noch am Wahltag

17 BGBl. I 2017, 2509 ff.

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Aktuelles zur Betriebsratswahl

um bislang nicht aufgeführte wahlberechtigte Arbeitnehmer ergänzt wird und diese Arbeitnehmer an der Wahl teilnehmen und dadurch das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte, musste der 7. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 21.3.201718 klären. Auf der ausliegenden Wählerliste waren die Arbeitnehmer G, W und K bis zum Wahltag nicht aufgeführt. Am Wahltag erschienen diese Arbeitnehmer zur Wahl. Der Wahlvorstand berichtigte die Wählerliste daraufhin handschriftlich und nahm die drei Arbeitnehmer in die Wählerliste auf, die sich an der Wahl beteiligten. Von 350 abgegebenen Stimmen entfielen auf die Liste „ASA“ 33 Stimmen, auf die Liste „H“ 140 Stimmen, auf die Liste „Standort S“ 141 Stimmen und auf die „Alternative Liste“ 33 Stimmen. Drei Stimmen waren ungültig. Das führte zu einer Sitzverteilung von fünf Betriebsratssitzen für die Liste „Standort S“, vier Sitzen für die Liste „H“ und je einem Sitz für die beiden anderen Listen. Die Betriebsratswahl wurde rechtzeitig unter Hinweis darauf angefochten, dass es unzulässig gewesen sei, noch am Tag der Stimmabgabe die entsprechenden Ergänzungen der Wählerliste vorzunehmen. Ebenso wie die Vorinstanzen hielt das BAG die Wahlanfechtung für berechtigt, weil die materiellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung vorlagen. Das BAG hat die noch am Wahltag vom Wahlvorstand vorgenommene handschriftliche Ergänzung der Wählerliste um die drei bis dahin nicht aufgeführten Arbeitnehmer G, W und K als einen Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren eingestuft, weil § 4 Abs. 3 S. 2 WO Änderungen der Wählerliste durch den Eintritt oder das Ausscheiden von Wahlberechtigten nur bis zum Tage vor Beginn der Stimmabgabe, nicht aber danach erlaubt. Die Bedeutung dieser Vorschrift sieht das BAG darin, dass sie missbräuchliche Wahlmanipulationen durch Veränderungen der Wählerliste am Wahltag verhindern soll. Bereits zu Beginn des Wahltages soll Klarheit darüber herrschen, wer zur Stimmabgabe berechtigt ist. Der Wahlvorstand soll nicht am Wahltag selbst bei Erscheinen angeblich wahlberechtigter, nicht aber auf der Wählerliste genannter Personen kurzfristig und ohne die Möglichkeit näherer Nachprüfung entscheiden müssen, ob die behauptete Wahlberechtigung besteht. Dies gilt nach Ansicht des BAG ungeachtet dessen, dass der Gesetzgeber auch Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften für berichtigungsfähig hält, weil derartige Berichtigungen nur nach den Vorgaben des Gesetzes und der WO erfolgen dürfen. Das BAG sieht in der Regelung des § 4 Abs. 3 WO auch keine Einschränkung des Wahlrechts nach § 7 BetrVG, wonach alle Arbeitnehmer des Betriebs wahlberechtigt sind, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Mit § 4 18 BAG v. 21.3.2017 – 7 ABR 19/15, NZA 2017, 1075.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Abs. 3 WO werde nämlich nicht das Wahlrecht nach § 7 BetrVG eingeschränkt, weil die Eintragung in die Wählerliste keine zusätzliche materielle Voraussetzung der Wahlberechtigung sei, sondern lediglich förmliche Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechts. Dieser Bewertung ist beizutreten, weil die Eintragung in die Wählerliste keine Wahlberechtigung nach § 7 BetrVG begründet. Das BAG gelangt auch zu dem Ergebnis, dass die Änderung der Wählerliste noch am Wahltag durchaus geeignet war, das Wahlergebnis zu beeinflussen, was einer hypothetischen Betrachtungsweise unterliegt. Es ist zu fragen, ob eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte. Dies war zweifelsfrei im Streitfall zu verneinen, weil nicht auszuschließen war, dass die drei der Wählerliste hinzugefügten Arbeitnehmer die Liste „Standort S“ gewählt haben, auf die ohne diese Stimmen nur 138 Stimmen entfallen wären, sodass auf die Liste „H“ nach dem Höchstzahlverfahren fünf Betriebsratssitze entfallen wären, während die Liste „Standort S“ nur auf vier Sitze im Betriebsrat gekommen wäre. Diese Entscheidung des BAG zeigt mit aller Deutlichkeit, mit welchen Schwierigkeiten eine ordnungsgemäße Abwicklung einer Betriebsratswahl belastet ist und dass einschlägige Kenntnisse des Wahlvorstands über die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Betriebsratswahl, aber auch über ihre konkrete Durchführung auf der Grundlage der Wahlordnung, vorliegen müssen, um das für den Arbeitgeber kostenträchtige Risiko einer Anfechtung zu relativieren. (Boe)

4.

Beschlussfassung des Betriebsrats, des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats im Rahmen einer Videokonferenz

Die Fortentwicklung moderner Kommunikationsmittel lässt immer wieder die Frage entstehen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Betriebsräte, insbesondere aber Gesamt- oder Konzernbetriebsräte ihre Sitzungen einschließlich etwaiger Beschlussfassungen auch im Rahmen einer Videokonferenz durchführen können. Wir hatten uns bereits bei früherer Gelegenheit damit befasst und waren zu dem Ergebnis gekommen, dass Betriebsräte ihre Sitzungen zwar durchaus im Rahmen von Telefon- oder Videokonferenzen durchführen können. Dagegen spricht grundsätzlich auch § 30 S. 4 BetrVG nicht, der bestimmt, dass Betriebsratssitzungen nicht öffentlich sind. Allerdings ist schon diese Annahme nicht unbestritten. Zum Teil wird in der Durchführung von Telefon- oder Videokonferenzen bereits ein Verstoß ge550

Beschlussfassung des Betriebsrats, des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats

gen das Gebot der Nichtöffentlichkeit angenommen, weil die Gefahr eines Mithörens durch Dritte bestehe19. Die Zulässigkeit von Beschlussfassungen im Rahmen solcher Konferenzen dürfte hingegen an § 33 Abs. 1, 2 BetrVG scheitern. Diese verlangen nicht nur eine Teilnahme des Betriebsratsmitglieds an der Beschlussfassung, was man möglicherweise auch bei einer Telefon- oder Videokonferenz annehmen könnte. Vielmehr ist im Gesetz vorgesehen, dass die Beschlüsse mit der Mehrheit der „anwesenden“ Mitglieder gefasst werden. Diese Voraussetzung dürfte bei einer Sitzung, die an verschiedenen Orten mit Hilfe von technischen Kommunikationsmitteln durchgeführt wird, nicht erfüllt werden. Dies gilt umso mehr, als bei einer Telefon- oder Videokonferenz oftmals nicht erkennbar ist, ob ein Teilnehmer jeweils anwesend ist. Denn häufig werden auch in der Videositzung nur konkrete Wortbeiträge eingeblendet. Darüber hinaus ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass auch andere Personen an der Sitzung teilnehmen, also die Nichtöffentlichkeit nicht gewahrt ist. Konsequenz ist, dass eine solche Beschlussfassung im Zweifel unwirksam ist. Daran dürfte auch der Beschluss des BAG vom 30.9.201420 nichts geändert haben, nachdem ein Verstoß gegen das Gebot der Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen nicht zwingend zur Unwirksamkeit einer Beschlussfassung führt. An der dortigen Beschlussfassung des Betriebsrats zu einer durch den Arbeitgeber beantragten Zustimmung zu Umgruppierungen nach § 99 BetrVG hatten teilweise auch Ersatzmitglieder teilgenommen, die nicht zu den nachfolgenden Beschlussfassungen herangezogen wurden. Es fehlte insoweit an der Verhinderung des eigentlichen Betriebsratsmitglieds. In der Begründung seiner Entscheidung hat das BAG darauf verwiesen, dass nur Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, die für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses als wesentlich anzusehen seien, zu dessen Unwirksamkeit führten. Nicht jeder Verstoß gegen die formellen Anforderungen einer ordnungsgemäßen Betriebsratssitzung bewirke deshalb die Unwirksamkeit eines darin gefassten Beschlusses, sondern nur ein solcher, der so schwerwiegend sei, dass der Fortbestand des Beschlusses von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden könne. Ob die Vernetzung der durch die Verfahrensvorschrift geschützten Interessen stärker zu

19 Vgl. DKKW/Wedde, BetrVG § 33 Rz. 11; Fitting, § 33 Rz. 21 b; GK/Raab, BetrVG § 33 Rz. 11. 20 BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

gewichten sei, als das Interesse an der Aufrechterhaltung des Beschlusses, sei anhand des Regelungszwecks der Norm zu bestimmen21. In diesem Zusammenhang geht der 1. Senat des BAG davon aus, dass die Beachtung des in § 30 Abs. 4 BetrVG normierten Gebots der Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen grundsätzlich als wesentlich für die Wirksamkeit eines in der Sitzung gefassten Betriebsratsbeschlusses anzusehen sei. Die Vorschrift – so das BAG – solle die sachgemäße Behandlung der Tagesordnungspunkte in einer Betriebsratssitzung sicherstellen. Eine solche setze die Möglichkeit einer unbefangenen Aussprache unter den Betriebsratsmitgliedern und einer Beschlussfassung frei von Einflüssen Dritter voraus. Durch das Gebot einer Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen werde nicht nur die Amtsführung des Betriebsrats, sondern auch die der einzelnen Betriebsratsmitglieder geschützt. Allerdings könnten diese selbst darüber befinden, ob sie durch die Anwesenheit einer nicht teilnahmeberechtigten Person bei der Wahrnehmung ihres Mandats beeinträchtigt würden. Ein wesentlicher, zur Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses führender Verstoß gegen § 30 S. 4 BetrVG liege daher allenfalls vor, wenn zumindest ein Betriebsratsmitglied vor der Behandlung eines Tagesordnungspunktes die Anwesenheit einer nicht teilnahmeberechtigten Person ausdrücklich beanstandet habe und diese gleichwohl anwesend bleibe22. Da eine entsprechende Rüge der anwesenden Betriebsratsmitglieder in Bezug auf die Teilnahme der Ersatzmitglieder vor der Beschlussfassung nicht erfolgt war, musste von seiner formalen Wirksamkeit ausgegangen werden. Entscheidend war damit nur noch, ob der Betriebsrat die für § 99 BetrVG erforderlichen Feststellungen selbst getroffen und damit auch den Zustimmungsverweigerungsgrund konkretisiert hatte23. Auch wenn diese Entscheidung zum Anlass genommen werden könnte, etwaige Risiken einer Missachtung von Verfahrensvorschriften bei einer Beschlussfassung des Betriebsrats im Rahmen von Telefon- oder Videokonferenzen hinzunehmen, muss davon aufgrund aktueller Entwicklungen abgeraten werden. Denn der Gesetzgeber hat sich des Themas angenommen, aber die Durchführung von Sitzungen im Wege der Telefon- oder Videokonferenz nur für die Seeleute vorgesehen, die Mitglied eines Europäischen Betriebsrats sind. Insofern hat er im Rahmen des Gesetzes zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Ände21 BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370 Rz. 50; BAG v. 15.4.2014 – 1 ABR 2/13 (B), NZA 2014, 551 Rz. 23 f. 22 BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370 Rz. 51. 23 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2015, 243 ff.

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Beschlussfassung des Betriebsrats, des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats

rung anderer Gesetze (EM-Leistungsverbesserungsgesetz) § 41a EBRG eingefügt, der unter anderen bestimmt: (2) Befindet sich ein Besatzungsmitglied auf See oder in einem Hafen, der sich in einem anderen Land als dem befindet, in dem die Reederei ihren Geschäftssitz hat, und kann deshalb nicht an einer Sitzung nach Absatz 1 teilnehmen, so kann eine Teilnahme an der Sitzung mittels neuer Informations- und Kommunikationstechnologien erfolgen, wenn 1. dies in der Geschäftsordnung des zuständigen Gremiums vorgesehen ist und 2. sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

Mit den tatbestandlichen Voraussetzungen einer solchen Sitzung hat der Gesetzgeber schlussendlich alle wesentlichen Gesichtspunkte aufgegriffen, die im Zusammenhang mit der Diskussion über die Zulässigkeit einer Telefonoder Videokonferenz zur Beschlussfassung im Betriebsrat genannt wurden: Einerseits die Sorge um die fehlende Nichtöffentlichkeit und andererseits die Überlegung, den Arbeitnehmervertretern durch entsprechende Regelung innerhalb der Geschäftsordnung die Befugnis zuzuweisen, gemeinsam eine entsprechende Entscheidung über die Voraussetzungen einer solchen Sitzung zu treffen. Bedauerlicherweise wird man diese Überlegungen nicht auf das BetrVG übertragen können. Denn der Gesetzgeber hat die entsprechende Ergänzung auf § 41a EBRG beschränkt. Anlass dürfte zwar sein, dass damit eine Vorgabe aus der Richtlinie 2015/1794/EU zur Ergänzung von Art. 10 Abs. 3 Richtlinie 2009/38/EG zur Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats umgesetzt wurde. Ob der Gesetzgeber mit dieser besonderen Regelung tatsächlich in Kenntnis der vergleichbaren Möglichkeit solcher Sitzungen des Betriebs-, Gesamt- oder Konzernbetriebsrats und des auch insoweit bestehenden Bedürfnisses, ortsabwesende Mitglieder eines Gremiums einzubinden, gehandelt hat, ist aus der Begründung des Gesetzes nicht erkennbar24. Seine Begründung lässt nur erkennen, dass die Nichtöffentlichkeit beispielsweise durch eine Verschlüsselung oder das Zurverfügungstellen eines eigenen nichtöffentlichen Raums für das Besatzungsmitglied während der Dauer der Sitzung gewährleistet werden kann. Entscheidend ist schlussendlich, dass er mit Art. 6 des EMLeistungsverbesserungsgesetzes auch das BetrVG in Bezug auf § 80 Be-

24 BT-Drucks. 156/17 S. 21.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

trVG geändert, gleichzeitig aber keine Veränderungen in §§ 30 ff. BetrVG vorgenommen hat. Daraus muss man schlussfolgern, dass eine Gleichbehandlung des Betriebsrats, Gesamt- oder Konzernbetriebsrats mit dem Europäischen Betriebsrat nicht gewollt ist und es hier bei der Notwendigkeit bleibt, in eine etwaige Beschlussfassung nur anwesende Betriebsratsmitglieder einzubeziehen. Telefon- oder Videokonferenzen sind ebenso wie Beschlussfassungen im schriftlichen Umlaufverfahren ausgeschlossen25. Bei Verhinderung wegen Ortsabwesenheit muss ggf. ein Ersatzmitglied eingebunden werden. (Ga)

5.

Anpassung der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds

Immer wieder bereitet es in der betrieblichen Praxis Probleme, die Vergütung von langjährigen Betriebsratsmitgliedern anzupassen. Dies gilt insbesondere für den Fall einer Freistellung, wenn die hiervon betroffenen Arbeitnehmer über viele Jahre hinweg nicht mehr im Rahmen ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit eingesetzt wurden. Relevanz gewinnt die Frage einer Zulässigkeit der entsprechenden Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers nicht nur deshalb, weil vermieden werden muss, dass darin eine nach § 78 S. 2 BetrVG unzulässige Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds zu sehen ist. Darin kann auch eine Straftat i. S. d. § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG liegen. Häufig wird übersehen, dass auch die Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds im Zusammenhang mit der Festsetzung seiner Vergütung durch §§ 78 S. 2, 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verboten wird. Eine überhöhte Entgeltzahlung an Betriebsratsmitglieder kann auch als Untreue gemäß § 266 StGB bestraft werden und Sanktionen wegen des unzulässigen Abzugs von Betriebsausgaben zur Folge haben. Wir hatten uns bereits im vergangenen Jahr sehr intensiv mit den damit zusammenhängenden Fragen befasst26. Im Mittelpunkt der Diskussion über die Anpassung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern steht in der Regel § 37 Abs. 4 BetrVG. Danach darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers, beispielsweise Jahressonderzahlungen oder Leistun25 Ebenso Hayen, AiB 2017, 38 f.; ders., AuR 2017, 394 ff. 26 Jessen, AktuellAR 2016, 239 ff.

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Anpassung der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds

gen der betrieblichen Altersversorgung. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Betriebsratsmitglieder weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden. Wie das BAG in seinem Urteil vom 18.1.201727 noch einmal deutlich gemacht hat, garantiert § 37 Abs. 4 BetrVG dem Betriebsratsmitglied allerdings nicht die der Höhe nach absolut gleiche Vergütung, die vergleichbare Arbeitnehmer erhalten. Vielmehr komme es darauf an, ob die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der Dauer seiner Betriebsratstätigkeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben sei. Vergleichbar im Sinne des § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG sind nach seinen Feststellungen Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben, wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren28. Üblich sei dabei eine Entwicklung, die vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen hätten. Von einer Üblichkeit sei in diesem Zusammenhang auszugehen, wenn ein gleichförmiges Verhalten des Arbeitgebers und eine von ihm aufgestellte Regel erkennbar werde. Dabei müsse der Geschehensablauf so typisch sein, dass aufgrund der Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden könne. Da § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG als Konkretisierung des Benachteiligungsverbots aus § 78 S. 2 BetrVG keine Begünstigung des Betriebsratsmitglieds zur Folge haben dürfe, sei die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nur dann betriebsüblich, wenn diese dem Betriebsratsmitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten hätten übertragen werden müssen oder die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht habe. Nicht ausreichend sei es deshalb, dass das Betriebsratsmitglied bei der Amtsübernahme in seiner bisherigen beruflichen Entwicklung einem vergleichbaren Arbeitnehmer vollkommen gleichgestanden habe oder die Besserstellung eines oder mehrerer vergleichbarer Arbeitnehmer auf individuellen, nur auf diese bzw. diesen Arbeitnehmer persönlich zugeschnittenen Gründen beruhte29.

27 BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 205/15, NZA 2017, 935 Rz. 15 f. 28 Ebenso BAG v. 19.1.2005 – 7 AZR 208/04, AuA 2005, 436 Rz. 20. 29 Ebenso BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 972/13, NZA 2016, 1339 Rz. 22; BAG v. 14.7.2010 – 7 AZR 359/09, NZA 2011, 311 Rz. 30.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Von diesen Grundsätzen ausgehend hat – so das BAG – ein Betriebsratsmitglied während der Dauer seiner Amtszeit Anspruch auf Gehaltserhöhungen in dem Umfang, in dem die Gehälter vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung erhöht werden. Werden die Vergütungen innerhalb der Vergleichsgruppe um einen bestimmten Prozentsatz angehoben, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf dieselbe prozentuale Erhöhung seines Gehalts. Fallen die Gehaltserhöhungen innerhalb der Vergleichsgruppe unterschiedlich aus, kommt es darauf an, in welchem Umfang die Gehälter der Mehrzahl der der Vergleichsgruppe angehörenden Arbeitnehmer angehoben werden. Handele es sich um eine sehr kleine Vergleichsgruppe und lasse sich deshalb nicht feststellen, dass die Gehälter der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer in gleichem Umfang erhöht wurden, könne für den Gehaltsanpassungsanspruch des Betriebsratsmitglieds der Durchschnitt der den Angehörigen der Vergleichsgruppe gewährten Gehaltserhöhungen maßgebend sein, wenn nur auf diese Weise eine nach § 78 S. 2 BetrVG unzulässige Begünstigung oder Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds vermieden werden könne30. In dem zugrundeliegenden Fall war der Kläger bereits 2006 in den Betriebsrat gewählt worden. Seit 2010 war er gemäß § 38 BetrVG freigestellt. Bereits bei seinem Eintritt in den Betriebsrat war er als Referent Bilanzen und Finanzen in die höchste Vergütungsgruppe des damals geltenden Tarifvertrags eingruppiert. Als dieser Tarifvertrag noch 2006 geändert wurde, überführte die Beklagte ihn in die Gruppe 4 D des neuen Tarifvertrags, gewährte ihm allerdings aus Gründen des Besitzstandes ein Entgelt oberhalb des Endwerts dieser Tarifgruppe. In der Folgezeit nahm der Kläger an den tariflichen Erhöhungen des Endwerts der Vergütungsgruppe 4 D teil, was durch Anhebung seines übertariflichen Gehalts zur Umsetzung kam. Obwohl mit Arbeitnehmern, die auf nach Vergütungsgruppe 4 D bewerteten Stellen tätig sind, ein AT-Vertrag vereinbart werden konnte, hatte die Beklagte mit dem Kläger keine solche Vereinbarung getroffen. Die Parteien verständigten sich allerdings, seine weitere Gehaltsanpassung nach Maßgabe einer zwischen der Konzernobergesellschaft und dem Konzernbetriebsrat abgeschlossenen „Regelungsvereinbarung” über Grundsätze und Verfahren für die Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern vorzunehmen. Im Rahmen dieser Regelungsvereinbarung hatten die Parteien unter anderem festgelegt, dass die betriebsübliche berufliche Entwicklung des freigestellten Betriebsratsmitglieds durch Festlegung von Vergleichspersonen und 30 BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 205/15, NZA 2017, 935 Rz. 17; BAG v. 19.1.2005 – 7 AZR 208/04, AuA 2005, 436.

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Anpassung der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds

deren Vergütungsentwicklung gewährleistet werden sollte. Hierzu sollten bei Beginn der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds grundsätzlich drei Vergleichspersonen – möglichst aus seinem regionalen Einsatzbereich – festgelegt werden. Das freigestellte Betriebsratsmitglied sollte sodann an der durchschnittlichen Vergütungsentwicklung der festgelegten Vergleichspersonen teilnehmen. In Bezug auf den Kläger wurden drei Vergleichspersonen festgelegt. Zwei Vergleichspersonen waren aufgrund ihrer Tätigkeit ebenfalls in die Vergütungsgruppe 4 D eingruppiert, hatten aber deren Endwert nicht erreicht. Die dritte Vergleichsperson war ebenfalls in die Vergütungsgruppe 4 D eingruppiert und hatte – wie der Kläger – deren Endwert erreicht, wurde aber seit 2011 auf der Grundlage eines AT-Vertrags abweichend hiervon behandelt. Die Vergütungen der drei Vergleichspersonen erhöhten sich in der Zeit von Mai 2010 bis September 2013 durchschnittlich um 13,92 %. Die Vergütung des Klägers stieg in diesem Zeitraum allerdings nur um 5,83 %. Mit seiner Klage machte er deshalb gelten, dass die Beklagte verpflichtet sei, eine Anpassung seiner Vergütung an die durchschnittliche prozentuale Vergütungsentwicklung der drei Vergleichspersonen vorzunehmen. Mit überzeugender Begründung hat das BAG dieses Begehren – abweichend vom LAG Hamburg – zurückgewiesen. Dabei hat das BAG zunächst einmal deutlich gemacht, dass die zwischen der Konzernobergesellschaft und dem Konzernbetriebsrat abgeschlossene Vereinbarung keine Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Vergütung bieten konnte. Dabei konnte offenbleiben, ob es sich insoweit um eine Betriebsvereinbarung oder nur um eine Regelungsabrede handelte, die keine unmittelbare und normative Wirkung besitzen sollte. In jedem Fall konnte durch die Regelungsvereinbarung nur eine Konkretisierung der bereits aus § 37 Abs. 4 BetrVG resultierenden Zahlungspflicht des Arbeitgebers erfolgen. Denn § 37 Abs. 4 BetrVG sei als Ausprägung des Benachteiligungsverbots in § 78 S. 2 BetrVG und wesentlicher Teil der Konzeption der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern in § 37 BetrVG zwingend und könne weder durch Tarifvertrag noch durch Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede geändert werden. Regelungen zur Durchführung der Vorschrift müssten sich in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des § 37 BetrVG halten. Vereinbarungen, die hiervon abweichend eine Begünstigung oder Benachteili-

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

gung des Betriebsratsmitglieds zur Folge hätten, seien nach § 134 BGB nichtig31. Damit war zu prüfen, ob die hier vorgenommene Vereinbarung über die Festsetzung der Vergütung und das daraus folgende Ergebnis mit § 37 Abs. 4 BetrVG vereinbar war. Dies aber hat das BAG abgelehnt. Zunächst einmal war es unzulässig, auf der Grundlage der Regelungsvereinbarung nur drei Personen als Vergleichspersonen festzulegen. Zum einen kann die generelle Begrenzung auf drei Vergleichspersonen keine übliche Entwicklung wiederspiegeln, wenn es zum Zeitpunkt des Eintritts in den Betriebsrat eine deutlich höhere Zahl vergleichbarer Arbeitnehmer gegeben hat. Denn dann muss auch deren Entwicklung – jedenfalls die Entwicklung einer Mehrheit dieser Arbeitnehmer – berücksichtigt werden. Zum anderen hatten die Parteien die Vergleichspersonen nach Maßgabe der Tätigkeit festgelegt, die der Kläger zum Zeitpunkt seiner Freistellung ausgeübt hatte. Richtig wäre es aber gewesen, Arbeitnehmer und deren Entwicklung zu betrachten, die im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts eine ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeit wie das Betriebsratsmitglied ausgeübt hatten und dafür in ähnlicher Art und Weise wie das Betriebsratsmitglied fachlich und persönlich qualifiziert waren. Denn § 37 Abs. 4 BetrVG stellt auf die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der (gesamten) Dauer seiner Betriebsratstätigkeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer ab32. Unabhängig davon war es unzulässig, dem Kläger, der bereits die Obergrenze seiner Entgeltgruppe erreicht hatte, Vergütungssteigerungen zuzugestehen, die Arbeitnehmer dieser Vergütungsgruppe erhielten, deren Vergütung diese Obergrenze noch nicht erreicht hatte. Denn eine solche Anpassung seiner Vergütung hätte der Kläger auch außerhalb von § 37 Abs. 4 BetrVG durch eine bloße Anwendung des Tarifvertrags im Zusammenhang mit tarifvertraglichen Gehaltserhöhungen nicht bekommen. Vereinbarungen, die den Kläger aber besserstellen, als er stünde, wenn er nicht als Betriebsratsmitglied tätig wäre, sind unwirksam. Folgerichtig nimmt das BAG an, dass der Kläger einen Anspruch auf eine übertarifliche Gehaltsentwicklung nur hätte geltend machen können, wenn der Aufstieg von Arbeitnehmern der Vergütungsgruppe 4 D in den Kreis der 31 BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 205/15, NZA 2017, 935 Rz. 21 f., 26; BAG v. 28.9.2016 – 7 AZR 248/14, NZA 2017, 335 Rz. 33; BAG v. 20.1.2010 – 7 ABR 68/08, NZA 2010, 777 Rz. 10. 32 BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 205/15, NZA 2017, 935 Rz. 23 ff.

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Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern

AT-Angestellten eine betriebsübliche berufliche Entwicklung gewesen wäre. Das aber sei nur dann der Fall, wenn nach den betrieblichen Gepflogenheiten die Mehrzahl der im Zeitpunkt der Amtsübernahme durch den Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht hat oder dem Kläger – ohne Bezug zu seinem Betriebsratsamt – ein AT-Vertrag hätte angeboten werden müssen. Dazu aber hatte das LAG Hamburg bislang keine Feststellungen getroffen33. Das BAG hat die Entscheidung des LAG deshalb aufgehoben und zurückverwiesen. Die Entscheidung des BAG liegt auf der Linie seiner ständigen Rechtsprechung. Sie macht noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer für die betriebsübliche Entwicklung möglichst bereits bei der Wahl eines Arbeitnehmers in den Betriebsrat festzulegen und an geeigneter Stelle zu dokumentieren. Das vermeidet das Problem einer nachträglichen Feststellung dieses Personenkreises, was nach vielen Jahren der betriebsrätlichen Tätigkeit schon wegen der fehlenden Personalakten bzw. geeigneter Feststellungen schwierig ist. Unabhängig davon vermeidet es auch personalpolitisch problematische Auseinandersetzungen mit Betriebsräten, die gelegentlich die Vorstellung haben, dass § 37 Abs. 4 BetrVG einen Anspruch auf Anpassung ihrer Vergütung gerade entsprechend solcher Personen begründet, die besonders erfolgreich in ihrer betrieblichen Karriereentwicklung sind. Hiervon ausgehend wird deshalb zum Teil auch nur eine einzige Vergleichsperson bestimmt, deren Entwicklung dann für die Vergütung des Betriebsratsmitglieds maßgeblich sein soll. Das aber widerspricht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit §§ 37 Abs. 4 S. 1, 78 S. 2 BetrVG und begründet deshalb auch erhebliche straf- und steuerrechtliche Risiken. (Ga)

6.

Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern

In der Vergangenheit war es umstritten, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der betriebsfassungsrechtlichen Schwellenwerte zu berücksichtigen waren. Dabei ging es nicht nur um das Bestehen von Beteiligungsrechten des Betriebsrats, die zum Teil an eine bestimmte Zahl der im Betrieb oder Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer geknüpft sind34. Vielmehr ging es in diesem Zusam-

33 BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 205/15, NZA 2017, 935 Rz. 27. 34 Vgl. nur §§ 99, 106, 111 BetrVG.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

menhang auch um die Zahl der Betriebsratsmitglieder (§ 13 BetrVG) und die Zahl der Freistellungen nach § 38 BetrVG. Mit dem Wirksamwerden der AÜG-Reform am 1.4.2017 hat der Gesetzgeber insoweit eine Klarstellung vorgenommen. Danach sind Leiharbeitnehmer auch im Entleiherbetrieb zu berücksichtigen, soweit Bestimmungen des BetrVG mit Ausnahme des § 112 a BetrVG eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern voraussetzen. Hiervon ausgehend sind Leiharbeitnehmer auch bei der Feststellung der für die Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder maßgeblichen Belegschaftsstärke im Entleiherbetrieb nach § 38 Abs. 1 BetrVG mitzuzählen, wenn sie zu dem regelmäßigen Personalbestand des Betriebs gehören. Das hat das BAG mit Beschluss vom 2.8.201735 mit Bezug auf die geänderte Rechtslage ausdrücklich klargestellt und damit die frühere Rechtsprechung des BAG bestätigt36. Zu Recht hat das BAG bereits in seiner Rechtsprechung vor dem Wirksamwerden der AÜG-Reform darauf hingewiesen, dass für die Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer die Personalstärke maßgeblich ist, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist. Zur Ermittlung der regelmäßig beschäftigten Zahl sei daher nicht nur der Personalbestand in der Vergangenheit zugrunde zu legen, sondern auch die künftige, aufgrund konkreter Unternehmerentscheidungen zu erwartende Entwicklung des Beschäftigtenstands einzubeziehen. Daran anknüpfend erfordere die Feststellung der maßgeblichen Betriebsgröße sowohl eine rückblickende Betrachtung, für die ein Zeitraum zwischen sechs Monaten bis zwei Jahren als angemessen erachtet werde, als auch eine Prognose, bei der konkrete Veränderungsentscheidungen zu berücksichtigen seien. Wichtig allerdings ist, dass künftige, aufgrund konkreter Unternehmerentscheidungen zu erwartende Entwicklungen nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie unmittelbar bevorstehen. Künftige Änderungen, die nicht unmittelbar bevorstehen, können nach den Feststellungen des BAG im Beschluss vom 2.8.201737 erst später zu einer Anpassung der Zahl der Freizustellenden führen. Folgerichtig blieb auch eine Personalanpassungsmaßnahme, die erst mehr als neun Monate später Wirkung zeigen sollte, bei der Zahl der aktuellen Freistellungen zum Zeitpunkt der zweitinstanzlichen Entscheidung zurecht unberücksichtigt. Problematisch an der gesetzlichen Neuregelung ist allerdings, dass § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG zwar bestimmt, dass Leiharbeitnehmer im Betrieb des Entleihers nur zu berücksichtigen sind, wenn die Einsatzdauer sechs Monate 35 BAG v. 2.8.2017 – 7 ABR 51/15, NZA 2017, 1343 Rz. 23 ff. 36 Vgl. zuletzt BAG v. 18.1.2017 – 7 ABR 60/15, NZA 2017, 865 Rz. 18 ff. 37 BAG v. 2.8.2017 – 7 ABR 51/15, NZA 2017, 1343 Rz. 33.

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Arbeitszeitrechtliche Schranken für die Ausübung der Betriebsratstätigkeit

übersteigt. Der Gesetzgeber hat diese Vorgabe allerdings nur auf die Berechnung von Schwellenwerten im Bereich der Unternehmensmitbestimmung nach § 14 Abs. 2 S. 5 AÜG bezogen, obwohl das BAG von diesem Grundsatz auch und insbesondere im Bereich der Betriebsverfassung ausgegangen war38. Völlig zu Recht hat das BAG diesen gesetzgeberischen Fehler in seinem Beschluss vom 2.8.201739 unberücksichtigt gelassen. Auch bei der Berechnung der Schwellenwerte im Bereich der Betriebsverfassung geht der 7. Senat des BAG deshalb davon aus, dass Leiharbeitnehmer, die nicht ständig, sondern lediglich zeitweilig beschäftigt werden, bei der Feststellung der regelmäßig Beschäftigten nur zu berücksichtigen sind, wenn sie normalerweise während des größten Teil eines Jahres, also länger als sechs Monate, beschäftigt werden. § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG muss deshalb auch bei § 14 Abs. 2 S. 4 AÜG berücksichtigt werden. (Ga)

7.

Arbeitszeitrechtliche Schranken für die Ausübung der Betriebsratstätigkeit

Da Betriebsratsmitglieder Betriebsratsaufgaben grundsätzlich während ihrer Arbeitszeit wahrnehmen sollen, schreibt der Gesetzgeber in § 37 Abs. 2 BetrVG ausdrücklich vor, dass sie von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien sind, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Muss aus betriebsbedingten Gründen die Betriebsratstätigkeit außerhalb der persönlichen Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds abgewickelt werden, hat das Betriebsratsmitglied gem. § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Diese Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus wiederum betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten. Ob ein Betriebsratsmitglied, das zwischen zwei Nachtschichten außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit tagsüber an einer Betriebsratssitzung teilnimmt, berechtigterweise die Arbeit in der vorherigen Nachtschicht vor dem Ende der Schicht einstellen darf, wenn nur dadurch eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden gewährleistet ist, war vom 7. Senat des BAG

38 Vgl. nur BAG v. 18.1.2017 – 7 ABR 60/15, NZA 2017, 865 Rz. 34; BAG v. 4.11.2015 – 7 ABR 42/13, BB 2016, 1146 Rz. 36. 39 BAG v. 2.8.2017 – 7 ABR 51/15, NZA 2017, 1343 Rz. 25.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

in einer Entscheidung vom 18.1.201740 zu beurteilen. Die Parteien stritten über die Gutschrift von Stunden auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers. Der Kläger ist nicht freigestelltes Mitglied des im Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrats und arbeitet im Dreischichtbetrieb. Er war in der Nacht vom 16.7. auf den 17.7.2013 für die Nachtschicht von 22:00 bis 6:00 Uhr bei einer Pause von 2:30 bis 3:00 Uhr eingeteilt. Am 17.7.2013 nahm er in der Zeit von 13:00 bis 15:30 Uhr an einer Betriebsratssitzung teil. Mit Rücksicht auf diese Betriebsratssitzung stellte der Kläger in der Nachtschicht seine Arbeit um 2:30 Uhr ein. Die Beklagte schrieb dem Arbeitszeitkonto des Klägers nur den Zeitraum bis 3:00 Uhr und von 5:00 bis 6:00 Uhr auf seinem Arbeitszeitkonto gut. Der Kläger verlangte mit seiner Klage eine Gutschrift der beiden weiteren Stunden von 3:00 bis 5:00 Uhr sowie 2,5 Stunden für die Teilnahme an der Betriebsratssitzung, wofür die Beklagte dem Kläger eine pauschale Vergütung in Höhe von 60,- € brutto bezahlte. Wie das LAG Hamm hat auch das BAG der Klage des Arbeitnehmers auf Gutschrift der weiteren zwei Stunden für die Nachtschicht aus § 611 BGB i. V. m. § 37 Abs. 2 BetrVG entsprochen. Dabei geht das BAG hinsichtlich der Anwendung von § 37 Abs. 2 BetrVG davon aus, dass diese Vorschrift nicht nur auf Fälle anwendbar ist, in denen eine während der Arbeitszeit verrichtete Betriebsratstätigkeit unmittelbar den Arbeitsausfall verursacht. Nach dieser Vorschrift darf auch durch eine außerhalb der Arbeitszeit liegende Betriebsratstätigkeit keine Minderung des Arbeitsentgelts eintreten, soweit die Arbeitsleistung durch die Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit dem Betriebsratsmitglied unmöglich oder unzumutbar wird41. Bei der Frage der Unzumutbarkeit greift das BAG auf § 5 Abs. 1 ArbZG zurück. Danach steht dem Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit regelmäßig eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu. Dabei ist entsprechend der Regelung in Art. 2 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 4.11.2003 (Richtlinie 2003/88/EG) Ruhezeit jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit. In diesem Zusammenhang lässt das BAG die streitige Frage unentschieden, ob die Teilnahme an der Betriebsratssitzung als Arbeitszeit i. S. v. § 2 Abs. 1 ArbZG zu qualifizieren ist42. Wäre davon auszugehen, ließe sich die im Ge-

40 BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 224/15, NZA 2017, 791. 41 So bereits BAG v. 7.6.1989 – 7 AZR 500/88, NZA 1990, 531 Rz. 13. 42 Bejahend etwa Schulze, AiB 2012, 657 ff.; verneinend etwa Schaub/Vogelsang, ArbRHdB § 156 Rz. 14; Richardi/Thüsing, BetrVG § 37 Rz. 13; vgl. aber BAG v. 28.5.2014 – 7 AZR 404/12, NZA 2015, 564 Rz. 21: „Mitglieder des Betriebsrats erhalten weder

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Arbeitszeitrechtliche Schranken für die Ausübung der Betriebsratstätigkeit

setz vorgesehene elfstündige Ruhezeit nach § 5 Abs. 1 ArbZG nur im Falle eines vorzeitigen Verlassens des Arbeitsplatzes während der Nachtschicht einhalten, weshalb dem Betriebsratsmitglied die Fortsetzung der Arbeit ab 3:00 Uhr bis zum Schichtende schon deswegen nicht zumutbar gewesen wäre. Ist die Wahrnehmung betriebsrätlicher Aufgaben und damit die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung keine Arbeitszeit, wäre nach Ansicht des BAG bei der Beurteilung, ob und wann einem Betriebsratsmitglied die Fortsetzung der Arbeit wegen einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit bevorstehenden Betriebsratssitzung unzumutbar sei, in jedem Fall die in § 5 Abs. 1 ArbZG zum Ausdruck kommende Wertung heranzuziehen. Aus Gründen der Gewährleistung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeitszeitgestaltung soll dem Arbeitnehmer zwischen zwei Arbeitseinsätzen eine Mindestruhezeit ohne Unterbrechung durch Arbeit zur Erholung, Entspannung und Schlaf zur Verfügung stehen. Diese durch § 5 Abs. 1 ArbZG gewährleistete Erholungszeit sei durch eine Betriebsratstätigkeit nicht weniger beeinträchtigt als durch die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung43. Damit verbindet das BAG den Hinweis, dass auch das BSG44 Tätigkeiten, die ein Mitglied des Betriebsrates im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenstellung ausübt, den versicherten Tätigkeiten im Unfallversicherungsschutz zuordnet. Im Lichte dieser Erwägungen gelangt das BAG zu dem Ergebnis, dass es dem Kläger nicht zumutbar war, seine Arbeitsleistung in der Nachtschicht vom 16.7 auf den 17.7.2000 nach 3:00 Uhr zu erbringen, weil nur auf diese Weise wegen der in der Zeit von 13:00 bis 15:30 Uhr stattfindenden Betriebsratssitzung eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden gewährleistet war, zumal der Kläger in der folgenden Nachtschicht wieder ab 22:00 Uhr seine Arbeitsleistung zu erbringen hatte. Der Kläger hat – wie das BAG ausführt – aufgrund der Teilnahme an der Betriebsratssitzung am 17.7.2013 nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG auch Anspruch auf Arbeitsbefreiung im Umfang von 2,5 Stunden und daher auf die erstrebte Berichtigung des Arbeitszeitkontos durch eine entsprechende Gutschrift. § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG sieht vor, dass ein Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, einen Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts hat. Von derartigen

eine Amtsvergütung noch ist die Betriebsratstätigkeit eine zu vergütende Arbeitsleistung.“. 43 BAG v. 7.6.1989 – 7 AZR 500/88, NZA 1990, 531 Rz. 15. 44 BSG v. 20.2.2001 – B 2 U 7/00 R, NJW 2002, 1446 Rz. 22.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

betriebsbedingten Gründen ist auch dann auszugehen, wenn ein Betriebsratsmitglied wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten nicht innerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit die wahrzunehmenden Betriebsratsaufgaben erledigen kann45. Gemäß § 37 Abs. 3 S. 3 Halbs. 1 BetrVG ist die Arbeitsbefreiung vor Ablauf eines Monats zu gewähren, wobei der Arbeitgeber aber nicht im Sinn einer Ausschlussfrist an die gesetzliche Monatsfrist gebunden ist46. Wie das BAG bereits bei früherer Gelegenheit zu dieser Vorschrift ausgeführt hat, erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch durch eine Weisung zur Verteilung der Arbeitszeit i. S. v. § 106 S. 1 GewO, indem er auf sein vertragliches Recht auf Leistung der geschuldeten Dienste in einem bestimmten Umfang verzichtet und damit die Arbeitsleistungspflicht des Betriebsratsmitglieds zum Erlöschen bringt47. Ein vom Betriebsratsmitglied geäußerter Wunsch zur zeitlichen Lage ist dabei ein Aspekt der nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung des Arbeitgebers. Der Arbeitsbefreiungsanspruch des Klägers nach § 37 Abs. 3 S. 3 BetrVG konnte nicht durch die pauschale Zahlung von 60,- € brutto in wirksamer Weise erfüllt werden und ist damit erlöschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Das BAG geht davon aus, dass die Beklagte mit der Entgeltzahlung nicht die geschuldete Leistung erbracht hat, die allein durch Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen, erfolgen kann. Nur wenn die Arbeitsbefreiung vor Ablauf eines Monats aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich ist, ist gemäß § 37 Abs. 3 S. 3 Halbs. 2 BetrVG die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten. Davon ist auszugehen, wenn sich der Arbeitgeber auf betriebsbedingte Gründe beruft und deshalb den Freizeitausgleich verweigert. Solange diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, ist das Betriebsratsmitglied nach Ansicht des BAG darauf angewiesen, den Freizeitausgleichsanspruch geltend zu machen und notfalls gerichtlich durchzusetzen48. Damit steht dem Betriebsratsmitglied kein Wahlrecht zu, anstelle des Freizeitausgleichs eine Abgeltung zu beanspruchen. Ebenso wenig kann der Arbeitgeber den Freizeitausgleich durch eine pauschale Abgeltung ersetzen. Die Entscheidung des BAG ist für die betriebliche Praxis überall dort von besonderem Interesse, wo nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder weiterhin in eine Schichtarbeit eingebunden sind und deshalb außerhalb ihrer persön-

45 BAG v. 16.4.2003 – 7 AZR 423/01, NZA 2004, 171 Rz. 23. 46 BAG v. 15.2.2012 – 7 AZR 774/10, NZA 2012, 1112 Rz. 22. 47 BAG v. 19.3.2014 – 7 AZR 480/12, DB 2014, 1558 Rz. 18; BAG v. 15.2.2012 – 7 AZR 774/10, NZA 2012, 1112 Rz. 22. 48 BAG v. 28.5.2014 – 7 AZR 404/12, NZA 2015, 564 Rz. 23.

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Arbeitszeitrechtliche Schranken für die Ausübung der Betriebsratstätigkeit

lichen Arbeitszeit betriebsrätliche Aufgaben etwa in Ausschüssen wahrnehmen oder an Betriebsratssitzungen teilnehmen. In einer weiteren Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 21.3.201749 ging es ebenfalls um das Thema, ob die Arbeitgeberin von den Mitgliedern des Betriebsrats die Erbringung von Arbeitsleistungen verlangen darf, wenn diese vor Beginn ihrer Arbeitszeit an einer Betriebsratssitzung teilgenommen haben und die Arbeitszeit unter Hinzurechnung der Dauer der Sitzungsteilnahme die Grenzen der zulässigen werktäglichen Höchstarbeitszeit überschreitet. Der in einer Einzelhandelsfiliale gebildete Betriebsrat hält regelmäßig donnerstags von 8:00 bis 15:00 Uhr seine Betriebsratssitzungen ab. In dieser Filiale wird im Dreischichtbetrieb gearbeitet. Die erste Frühschicht dauert von 7:00 bis 16:10 Uhr, die zweite Frühschicht von 8:00 bis 17:10 Uhr. Die Spätschicht beginnt um 11:05 Uhr und endet um 20:15 Uhr. Während die Arbeitgeberin in der Vergangenheit den für die Spätschicht eingeteilten Betriebsratsmitgliedern den Freizeitausgleich für die Sitzungsteilnahme außerhalb ihrer Arbeitszeit noch am selben Tag gewährte, sollten zukünftig die für die Spätschicht eingeteilten Betriebsratsmitglieder im Anschluss an die Betriebsratssitzung noch bis zum Ende der Spätschicht zur Arbeitsleistung herangezogen werden. Das Betriebsratsmitglied H, das am 27.8.2014 für die Spätschicht eingeteilt war, nahm von 8:00 bis 15:00 Uhr an der Betriebsratssitzung teil. Im Anschluss daran arbeitete Frau H noch bis 17:36 Uhr und verließ sodann die Filiale. Der Betriebsrat vertrat die Auffassung, der Arbeitgeber dürfe ein Betriebsratsmitglied, das von 8:00 bis 15:00 Uhr an der Betriebsratssitzung teilgenommen habe, nicht bis zum Spätschichtende beschäftigen. Ein solcher Einsatz verstoße gegen § 3 ArbZG und sei außerdem unzumutbar, da die Betriebsratstätigkeit mit vergleichbaren Belastungen wie Arbeitstätigkeit verbunden sei. Der Betriebsrat hat deshalb mit dem Hauptantrag die Feststellung begehrt, dass der Arbeitszeit eines Betriebsratsmitglieds die Dauer seiner Teilnahme an der Betriebsratssitzung hinzugerechnet werden muss, wenn es im Anschluss an eine Sitzungsteilnahme zur Arbeitsleistung herangezogen wird. Mit seinem Hilfsantrag wollte der Betriebsrat die Feststellung erreichen, dass es rechtswidrig war, von dem Betriebsratsmitglied H am 27.8.2014 zuzüglich der von 8:00 bis 15:00 Uhr stattfindenden Betriebsratssitzung die Erbringung von Arbeitsleistung in der unmittelbar anschließenden Spätschicht bis um 20:15 Uhr zu verlangen.

49 BAG v. 21.3.2017 – 7 ABR 17/15, NZA 2017, 1014.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Das BAG hat für die Anträge des Betriebsrats die notwendige Antragsbefugnis i. S. v. § 81 Abs. 1 ArbGG verneint und sie daher für unzulässig gehalten, ohne dass in der Sache selbst eine Sachentscheidung getroffen wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG50 ist die Antragsbefugnis im Beschlussverfahren nur gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen sein kann. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Ausnahmen gelten nur im Fall einer zulässigen Prozessstandschaft. Dagegen fehlt dem Betriebsrat die Antragsbefugnis, wenn er ausschließlich Rechte der Arbeitnehmer verfolgt, wobei gleichgültig ist, ob es sich um Ansprüche von Betriebsratsmitgliedern aus dem Arbeitsverhältnis handelt. Ein Betriebsrat nimmt nach Auffassung des BAG keine eigenen Rechte wahr, wenn er – wie hier – verhindern will, dass gegenüber Arbeitnehmern oder Mitgliedern des Betriebsrats die zulässige Arbeitszeit überschritten wird, die sich aus einer Zusammenrechnung der Arbeitszeit und der Dauer der Betriebsratssitzung ergeben soll. Dieser Streit betrifft die arbeitsrechtlichen Grenzen der Arbeitspflicht und damit das individuelle Rechtsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien. Eigene Rechte des Betriebsrats werden dadurch nicht berührt. Die aus § 37 Abs. 2 BetrVG folgende Verpflichtung, Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist, soll verhindern, dass Betriebsratsmitglieder infolge erforderlicher Betriebsratstätigkeit eine Entgelteinbuße erleiden. Ungeachtet der Freistellungspflicht des Arbeitgebers muss dieser der Arbeitsbefreiung des Betriebsratsmitglieds nicht zustimmen51, wenn auch das Betriebsratsmitglied eine Ab- und Rückmeldepflicht trifft. Zwar ist der Betriebsrat als Gremium berechtigt durchzusetzen, dass seine Mitglieder für erforderliche Betriebsratstätigkeiten von der Arbeitspflicht befreit werden und dabei nur den gesetzlich vorgesehenen Beschränkungen unterliegen, weil er im Falle ihrer Mitwirkung an betriebsrätlichen Aufgaben selbst auf deren Arbeitsbefreiung angewiesen ist. Dies ist jedoch anders zu beurteilen, wenn es darum geht, den Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung 50 Nur BAG v. 7.6.2016 – 1 ABR 30/14, NZA 2016, 1350 Rz. 15; BAG v. 17.2.2015 – 1 ABR 41/13 n. v. Rz. 16; BAG v. 10.7.2013 – 7 ABR 22/12, NZA 2013, 1221 Rz. 15; BAG v. 5.10.2010 – 1 ABR 20/09, NZA 2011, 598 Rz. 13. 51 Nur BAG v. 29.6.2011 – 7 ABR 135/09, NZA 2012, 47 Rz. 19.

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Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung technischer Überwachungseinrichtungen

seiner Mitglieder geltend zu machen, weil ihnen die Einhaltung ihrer Arbeitszeit wegen der Teilnahme an einer außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzung unmöglich oder unzumutbar ist. Hierbei geht es um einen Anspruch, der dem Betriebsratsmitglied selbst in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer zusteht. Dieser betrifft ausschließlich die individualrechtliche Rechtsbeziehung zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Diese Erwägungen gelten nach Meinung des BAG gleichermaßen für den vom Betriebsrat verfolgten Hilfsantrag, abgesehen davon, dass das BAG zusätzlich zu Recht das fehlende Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) des Betriebsrats moniert, weil der Antrag einen vergangenheitsbezogenen Anlass betrifft52, ohne dass sich erkennbar für die Beteiligten aus der Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergeben konnten. Da das BAG die Anträge des Betriebsrats bereits aus prozessualen Gründen als unzulässig abgewiesen hat, bleibt weiterhin die Frage offen, ob Zeiten der Betriebsratstätigkeit wie Arbeitszeit mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen zu behandeln ist, unabhängig davon, dass sich das BAG unter Heranziehung von Zumutbarkeitsgesichtspunkten diesem Bewertungsansatz nähert. (Boe)

8.

Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung technischer Überwachungseinrichtungen

a)

Nutzung eines elektronischen Gruppenkalenders

Im Frühjahr hatten wir uns intensiv mit der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einrichtung einer arbeitgeberseitigen Facebook-Seite beschäftigt. Anlass war der Beschluss des BAG vom 13.12.201653, durch den eine grundlegende Abkehr von den im Beschluss des BAG vom 10.12.201354 noch getroffenen Grundsätzen zu den Anwendungsvoraussetzungen von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfolgt war. Insbesondere hatte das BAG in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass eine technische Einrichtung i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bereits dann vorliegen kann, wenn die Daten über das Verhalten oder die Leistungen des einzelnen Arbeitnehmers durch den Nutzer eingegeben und mit Hilfe einer Software einer dauerhaften Speicherung und 52 BAG v. 20.1.2015 – 1 ABR 1/14, NZA 2015, 765 Rz. 18. 53 BAG v. 13.12.2016 – 1 ABR 7/15, NZA 2017, 657. 54 BAG v. 10.12.2013 – 1 ABR 43/12, NZA 2014, 439 Rz. 19 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

zeitlich unbegrenzten Zugriffsmöglichkeit zugeführt würden. Entgegen früherer Feststellungen sei es nicht erforderlich, dass die Daten über das Verhalten oder die Leistung des einzelnen Arbeitnehmers durch die technische Einrichtung zunächst selbst und „automatisch“ erhoben würden55. In Übereinstimmung mit diesen Feststellungen des BAG hat das LAG Nürnberg jetzt im Urteil vom 21.2.201756 ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Verwendung eines Gruppenkalenders innerhalb von MicrosoftOutlook angenommen, sofern der Arbeitgeber – durch seine Vorgesetzten – auf diese Weise Kenntnis von den Terminen einzelner Arbeitnehmer und ihrer Verwaltung erlange. Eine ohne Zustimmung des Betriebsrats oder einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer ausgesprochene Weisung des Arbeitgebers, seine Termine zukünftig innerhalb eines Gruppenkalenders einzutragen und zu verwalten, sei deshalb rechtswidrig. Der Kläger sei deshalb auch berechtigt gewesen, dieser Anordnung nicht Folge zu leisten. Hiervon ausgehend sei auch eine Abmahnung rechtswidrig und aus der Personalakte zu entfernen. Denn dem Arbeitgeber dürfe aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtwidrigkeit auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kein Vorteil erwachsen57. Ausgangspunkt dieser Feststellungen durch das LAG Nürnberg ist die Annahme, dass der Gruppenkalender eine technische Einrichtung i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG darstellt, die zur Überwachung der Benutzer bestimmt sei. Diese Kennzeichnung erscheint allerdings überaus problematisch. Zwar ist anzuerkennen, dass der Gruppenkalender speichert und für Dritte einsehbar macht, wann ein Mitarbeiter einen Termin hat und für welche Dauer er geplant ist. Darin liegen leistungs- oder verhaltensbezogene Daten, die einer späteren Wahrnehmung zugänglich gemacht werden. Diese Daten werden allerdings – entgegen der Annahme des LAG Nürnberg – nicht durch die Einrichtung selbst bewirkt, also automatisch erfasst, sondern setzen eine händische Eingabe durch den jeweiligen Nutzer voraus. Diese Eingabe erfolgt typischerweise im Vorfeld eines Termins und bringt deshalb auch nur eine Planung zum Ausdruck, die nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen muss. Folgerichtig fehlt auch eine automatisierte und unmittelbare Erfassung des tatsächlichen Verhaltens eines Arbeitnehmers durch den Kalender, die überhaupt erst Grund für die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist. Folgt man daher den grundsätzlichen Feststel55 Eingehend B. Gaul, AktuellAR 2017, 263, 267. 56 LAG Nürnberg v. 21.2.2017 – 7 Sa 441/16, NZA-RR 2017, 302 f. 57 LAG Nürnberg v. 21.2.2017 – 7 Sa 441/16, NZA-RR 2017, 302 Rz. 39 f.

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Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung technischer Überwachungseinrichtungen

lungen des BAG in seinem Beschluss vom 10.12.201358, auf die das BAG auch in seinem Beschluss vom 13.12.201659 zunächst einmal hingewiesen hatte, fehlt die erforderliche Überwachung des Arbeitnehmers durch die technische Einrichtung selbst. Da der 1. Senat des BAG in derselben Entscheidung vom 13.12.2016 allerdings gegenteilige Feststellungen zu der fehlenden Notwendigkeit einer automatischen Erfassung der personenbezogenen Daten durch die technische Einrichtung gemacht hat60, ist es nicht verwunderlich, dass das LAG Nürnberg schlussendlich ohne eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem Kriterium einer eigenständigen Erfassung der personenbezogenen Daten von dem Vorliegen einer technischen Einrichtung i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ausgegangen ist. Ausreichend war für das LAG Nürnberg, dass der Gruppenkalender es der Beklagten ermöglichte, eine Auswertung der Leistungen des Klägers im Hinblick auf die Koordination seiner Termine oder der Termindichte vorzunehmen, ohne dass der Kläger hiervon Kenntnis erhielt61. Zu befürchten ist, dass die betriebliche Praxis in der Zukunft immer stärker verpflichtet ist, den Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung von Hard- und Softwaretools gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu beteiligen. Dies gilt nach den aktuellen Feststellungen des BAG selbst dann, wenn die leistungs- oder verhaltensbezogenen Daten durch die Nutzer selbst eingegeben und für weitere Verwendungszwecke zugänglich gemacht werden. Hiervon ausgehend dürfte es keine Software mehr geben, bei deren Einführung und/oder Anwendung kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gegeben ist.

b)

Überwachung der Arbeitstätigkeit zur Verbesserung der Arbeitsabläufe

In dem jetzt vorliegenden Beschluss vom 25.4.201762 war unstreitig, dass der Arbeitgeber mit Hilfe einer technischen Einrichtung Leistung und Verhalten der Arbeitnehmer überwachen wollte. Streitig war zwischen Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat, in welchem Umfang dem Arbeitgeber diese Überwachung durch einen Spruch der Einigungsstelle auf der Grundlage von § 87 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 BetrVG gestattet werden konnte. Schließlich soll das entsprechende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats Arbeitnehmer

58 59 60 61 62

BAG v. 10.12.2013 – 1 ABR 43/12, NZA 2014, 439 Rz. 20. BAG v. 13.12.2016 – 1 ABR 7/15, NZA 2017, 657 Rz. 22. BAG v. 13.12.2016 – 1 ABR 7/15, NZA 2017, 657 Rz. 41. LAG Nürnberg v. 21.2.2017 - 7 Sa 441/16, NZA-RR 2017, 302 Rz. 30 ff., 34. BAG v. 25.4.2017 – 1 ABR 46/15, NZA 2017, 1205.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

vor einer Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts als Folge des Einsatzes technischer Überwachungseinrichtungen bewahren, sofern der darin liegende Eingriff nicht durch schützenswerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. Schließlich sei die Möglichkeit, Einzelangaben über eine Person zu erheben, sie zu speichern sowie jederzeit abzurufen, geeignet, bei den Betroffenen einen psychischen Anpassungsdruck zu erzeugen, durch den sie in ihrer Freiheit, ihr Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt würden63. In dem dem Beschluss zugrundeliegenden Fall hatte die Einigungsstelle in einem Versicherungsunternehmen mit bundesweit 38 Schadenaußenstellen eine „Gesamtbetriebsvereinbarung zur Belastungsstatistik für Schadenaußenstellen“ beschlossen. Nach den Feststellungen im Rahmen der Gesamtbetriebsvereinbarung sollte mit der Belastungsstatistik eine Möglichkeit geschaffen werden, Ungleichgewichte in der Belastungssituation der Schadenaußenstellen, der Gruppen und der Mitarbeiter zu erkennen, zu analysieren und steuernd eingreifen zu können. Darüber hinaus sollte die Belastungsstatistik den Gruppenleitern bei der gleichmäßigen Verteilung der Arbeitslast sowie einer sach- und mitarbeitergerechten Arbeitssteuerung helfen. Den einzelnen Sachbearbeitern sollte die Gelegenheit gegeben werden, die eigene Arbeitssituation und das eigene Arbeitsverhalten zu erkennen und bewerten zu können, um es im Bedarfsfall zu verändern. Durch die Installation einer entsprechenden Software sollten die erledigten Arbeitsmengen, die unerledigten Rückstände der einzelnen Sachbearbeiter sowie die zur Analyse von Ungleichgewichten unbedingt erforderlichen Merkmale der Leistungserbringung und -belastung erfasst und gespeichert werden. Die für eine entsprechende Belastungsstatistik relevanten Werte sollten jeweils mit einem prozentualen Schwellenwert versehen werden, um den individuell von einem Sachbearbeiter erreichten Wert in ein Verhältnis zu dem entsprechenden Durchschnittswert aller Sachbearbeiter der Gruppe zu setzen. Falls der Schwellenwert dabei nach oben oder unten überschritten würde, sollte ein Ausweis der betreffenden Sachbearbeiterdaten erfolgen. Die Auswertungen des entsprechenden Systems sollten jeweils am Ende einer Arbeitswoche durch den Gruppenleiter erfolgen, der ebenso wie der einzelne Sachbearbeiter jeweils zeitgleich Zugriff auf die individuellen Daten besitzen sollte. Auf dieser Grundlage sollten dann Berichte zu den Ergebnissen und weitere Maßnahmen zur Personalsteuerung getroffen werden, die

63 BAG v. 25.4.2017 – 1 ABR 46/15, NZA 2017, 1205 Rz. 20; BAG v. 26.8.2008 – 1 ABR 16/07, NZA 2008, 1187 Rz. 15.

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Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung technischer Überwachungseinrichtungen

im Rahmen der Gesamtbetriebsvereinbarung im Einzelnen ausgeführt wurden. Der Gesamtbetriebsrat war der Auffassung, dass die Einigungsstelle ihrem Auftrag mangels notwendiger Regelungen zum Gesundheitsschutz nur unvollständig nachgekommen sei. Darüber hinaus habe die Gesamtbetriebsvereinbarung eine unverhältnismäßige Kontrolldichte in Bezug auf die Leistungs- und Verhaltensdaten zur Folge, die das nach § 75 Abs. 2 BetrVG zu schützende Persönlichkeitsrecht verletze. Er beantragte deshalb festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle unwirksam sei. Das BAG ist dieser Auffassung im Beschluss vom 25.4.201764 in Bezug auf die geltend gemachte Verletzung des Persönlichkeitsrechts gefolgt und hat die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs festgestellt. Grundlage dieser Feststellung war allerdings nicht eine Missachtung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Danach ist der Betriebsrat zu beteiligen bei allen Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht. Voraussetzung für die Geltendmachung eines entsprechenden Mitbestimmungsrechts – und damit auch einer Regelungsbefugnis der Einigungsstelle – ist aber, wie wir bereits mit Blick auf das Urteil des BAG vom 28.3.201765 an anderer Stelle ausgeführt haben66, dass tatsächliche Gefährdungen oder Gefahren vorliegen, die feststehen oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festgestellt werden sollen. Wenn solche Gefahren oder Gefährdungen nicht konkret erkennbar sind und die streitgegenständliche Maßnahme des Arbeitgebers auch nicht der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung dient, können Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht geltend gemacht werden67. Zur Rechtfertigung der Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle hat das BAG auf die Missachtung des durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechts hingewiesen. Zwar könne auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers durch Regelungen in einer Betriebsvereinbarung oder dem Spruch einer Einigungsstelle eingeschränkt werden. Die in § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG enthaltene Verpflichtung

64 65 66 67

BAG v. 25.4.2017 – 1 ABR 46/15, NZA 2017, 1205 Rz. 14 ff., 18 ff. BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 25/15, NZA 2017, 1132. B. Gaul, AktuellAR 2017, 573 f. BAG v. 25.4.2017 – 1 ABR 46/15, NZA 2017, 1205 Rz. 15 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

zum Schutz der freien Entfaltung der Persönlichkeit verpflichtet allerdings Arbeitgeber und Betriebsrat ebenso wie die Einigungsstelle, etwaige Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen. Dieser verlange – so das BAG – eine Regelung, die geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte auch angemessen sei, um den erstrebten und legitimen Zweck zu erreichen. Das setze voraus, dass nur solche Regelungen getroffen würden, mit deren Hilfe ein entsprechender Zweck gefördert werden könne. Darüber hinaus dürften keine anderen, gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkende Mittel zur Verfügung stehen. Abschließend sei erforderlich, dass die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehe68. Diese Voraussetzungen waren durch den Spruch der Einigungsstelle nicht gewahrt, da dieser gestattete, sämtliche Arbeitsschritte der wesentlichen Arbeitsleistung der in den Schadenaußenstellen beschäftigten Arbeitnehmer ohne zeitliche Begrenzung durch eine technische Überwachungseinrichtung zu erfassen, zu speichern und einer Auswertung nach quantitativen Kennzahlen zuzuführen. Zu Recht ist das BAG davon ausgegangen, dass auch das grundsätzlich anerkennenswerte Interesse des Arbeitgebers, die Belastungssituation der einzelnen Arbeitnehmer analysieren zu können, um Arbeitsabläufe effektiver zu gestalten, einen solchen Eingriff nicht rechtfertigen könne. Dagegen sprach bereits, dass die allein quantitative Erfassung der Arbeitsergebnisse die Komplexität der jeweiligen Aufgabe nicht erfasste. Qualitative Anforderungen, die durch den einzelnen Arbeitnehmer bei der Erfüllung seiner Arbeit zu bewältigen waren, blieben unberücksichtigt, so dass die Ergebnisse auch unter Berücksichtigung des Ziels einer Belastungsanalyse im Zweifel untauglich waren. Hinzu kam, dass der dauerhafte – nicht allein stichprobenartige – Einsatz der Überwachungseinrichtung eine unangemessene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts darstellte, der den Arbeitnehmer während der gesamten Dauer seiner Arbeitszeit belastete. Mit überzeugender Begründung hat dies der 1. Senat des BAG in seinem Beschluss vom 25.4.201769 im Einzelnen aufgezeigt. Eine Rechtfertigung für diese lückenlose Aufzeichnung war dabei nicht erkennbar. Rechtsfolge der Unverhältnismäßigkeit der hier vorgenommenen Aufzeichnung der Arbeitsleistung war aus Sicht des BAG allerdings nicht nur eine 68 BAG v. 25.4.2017 – 1 ABR 46/15, NZA 2017, 1205 Rz. 19, 21; BAG v. 15.4.2014 – 1 ABR 2/13 (B), NZA 2014, 551 Rz. 41. 69 BAG v. 25.4.2017 – 1 ABR 46/15, NZA 2017, 1205 Rz. 22 ff.

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Mitbestimmung des Betriebsrats im Bereich des Gesundheitsschutzes

Teilunwirksamkeit der Regelungen über die Erfassung und Speicherung der einzelnen „Bewegungsdaten“ und deren Auswertung. Da der verbleibende Teil der Gesamtbetriebsvereinbarung ausgehend von ihrer Zielsetzung ohne diese Daten keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung mehr darstellte, ist das BAG von einer vollständigen Unwirksamkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung ausgegangen70. Für die Praxis folgt aus dieser Entscheidung des BAG, dass es nicht genügt, durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung oder Spruch der Einigungsstelle die Befugnis zur Nutzung einer Software durchzusetzen. Wichtig ist, dass die hierzu getroffenen Regelungen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Schlussendlich ist dies auch erforderlich, um die datenschutzrechtliche Rechtfertigung aus § 32 Abs. 1 BDSG (zukünftig: § 26 Abs. 1 BDSG) zu schaffen. (Ga)

9.

Mitbestimmung des Betriebsrats im Bereich des Gesundheitsschutzes

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber diese aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat und ihm bei der Gestaltung Handlungsspielräume verbleiben. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Rahmenvorschriften dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dienen71. Probleme bereitet die Kennzeichnung des Anwendungsbereichs von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, weil eine Fülle von Handlungsvorgaben des Arbeitgebers bestehen, bei deren Wahrnehmung auch Gesichtspunkte des Arbeitsschutzes zu berücksichtigen sind. Dies betrifft nicht nur die abstraktgenerelle Vorgabe aus § 3 ArbSchG. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Vielmehr geht es beispielsweise auch um die Wahrnehmung der arbeitgeberseitigen Berechtigung, gemäß §§ 611 a Abs. 1 BGB, 106 S. 1 GewO Art, Ort und Zeit der Tätigkeit des Arbeitnehmers in den Grenzen billigen Ermessens festzulegen. Ausgehend davon, dass die Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts auch die Sicherheit und 70 BAG v. 25.4.2017 – 1 ABR 46/15, NZA 2017, 1205 Rz. 39 f. 71 BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 25/15, NZA 2017, 1132 Rz. 18; BAG v. 11.2.2014 – 1 ABR 72/12, NZA 2014, 989 Rz. 14.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

den Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers berücksichtigen muss, könnte auch insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bestehen. Das aber stünde im Widerspruch zu § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und seiner ganz mehrheitlichen Interpretation durch Rechtsprechung und Literatur, nach der Weisungen des Arbeitgebers, durch die die Arbeitspflicht gemäß § 106 S. 1 GewO konkretisiert wird, nicht in den Anwendungsbereich von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG fallen72. Angesichts dieser Schwierigkeiten, den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu bestimmen, ist es für die Praxis wichtig, dass das BAG mit Beschluss vom 28.3.201773 wichtige Klarstellungen vorgenommen hat, die zu einer Begrenzung des Mitbestimmungsrechts führen. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war durch einen Spruch der Einigungsstelle eine „Betriebsvereinbarung über akute Maßnahmen des Gesundheitsschutzes“ festgelegt worden, die aus dem Gesichtspunkt des Arbeitsschutzes heraus eine Vielzahl von Schranken in Bezug auf den Einsatz von Arbeitnehmern bei verschiedenen Tätigkeit enthielt. Dabei wurden nicht nur Schranken in Bezug auf die Ausgestaltung der Arbeitszeit festgelegt. Vielmehr wurden weitergehende Anforderungen an die Verwendung bestimmter Arbeitsmittel, die Raumtemperatur sowie verschiedene Aspekte der Bildschirmarbeit getroffen. Der Arbeitgeber ging davon aus, dass die Einigungsstelle insoweit außerhalb ihrer Entscheidungsbefugnisse gehandelt hatte und focht deshalb den Spruch der Einigungsstelle an. Das BAG hat diesem Antrag auf Feststellung, dass der Spruch der Einigungsstelle unwirksam ist, stattgegeben. Dabei hat es vor allem darauf verwiesen, dass die Einigungsstelle außerhalb des Anwendungsbereichs einer die Mitbestimmung des Betriebsrats auslösenden Rahmenvorschrift tätig geworden war. Im Wesentlichen hatte sie nämlich den Anwendungsbereich von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG missverstanden. In den Entscheidungsgründen hat der 1. Senat des BAG deutlich gemacht, dass die im Bereich des Arbeitsschutzes vorhandenen Rahmenvorschriften nur dann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auslösen können, wenn Gefährdungen vorliegen, die entweder feststehen oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festzustellen sind. Erst das Vorliegen konkreter Gefährdungen und/oder die Absicht des Ar-

72 Vgl. LAG Nürnberg v. 20.12.2011 – 6 TaBV 37/11 n. v. Rz. 44; ErfK/Kania, BetrVG § 87 Rz. 21 f.; HWK/Clemenz, BetrVG § 87 Rz. 65. 73 BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 25/15, NZA 2017, 1132 Rz. 16 ff.

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Mitbestimmung des Betriebsrats im Bereich des Gesundheitsschutzes

beitgebers, diese im Wege einer Gefährdungsbeurteilung festzustellen, lösten die für die Anerkennung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erforderliche Handlungspflicht des Arbeitgebers aus74. Konkret verweist das BAG in diesem Zusammenhang zunächst einmal auf § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG. Dieser lege zwar eine umfassende und präventive Handlungspflicht fest, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, um Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten. Nach Auffassung des BAG könne das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei solchen Generalklauseln des Gesundheitsschutzes allerdings nicht so umfassend sein, das anderen auf den Gesundheitsschutz bezogenen Vorschriften (§§ 88 Nr. 1, 91 BetrVG) der Anwendungsbereich entzogen würde. Das wäre der Fall, wenn bei solchen Generalklauseln ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG einschränkungslos bejaht würde. Denn dann verbliebe möglicherweise für freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 Nr. 1 BetrVG und für ein etwaiges Verlangen des Betriebsrats nach § 91 BetrVG kein nennenswerter Raum mehr75. Hiervon ausgehend ergeben sich aus Sicht des BAG mitbestimmungspflichtige Handlungspflichten des Arbeitgebers aus § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG erst, wenn konkrete Gefährdungen i. S. d. § 5 Abs. 1 ArbSchG vorliegen. Da solche Gefährdungen nicht durch die Einigungsstelle festgestellt werden können, muss zunächst einmal eine Gefährdungsbeurteilung i. S. d. § 5 Abs. 1 ArbSchG durchgeführt werden. Schutzmaßnahmen i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG können erst dann festgelegt werden, wenn das Gefährdungspotential der Arbeit für die Beschäftigten bekannt sei. Daraus folgt, dass auch der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zwar in Bezug auf die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung geltend machen kann. Weitergehende Handlungspflichten, mit denen die Sicherheit bzw. Gesundheit der Arbeitnehmer geschützt werden soll, können mitbestimmungspflichtig allerdings erst dann entstehen, wenn diese Gefährdungsbeurteilung abgeschlossen ist und entsprechende Gefährdungen bekannt sind. Dieses Erfordernis einer vorangehenden Gefährdungsbeurteilung hat das BAG auch mit Blick auf vergleichbare Handlungspflichten des Arbeitgebers angenommen, wie sie aus der ArbStättV oder der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Be74 BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 25/15, NZA 2017, 1132 Rz. 20. 75 BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 25/15, NZA 2017, 1132 Rz. 21; BAG v. 8.6.2004 – 1 ABR 4/03, NZA 2005, 227 Rz. 56.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

trSichV) ergeben. Auch hier kommen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats erst dann in Betracht, wenn die gemäß §§ 3 ArbStättV, 3 BetrSichV, 5 ArbSchG erforderliche Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wurde. Entsprechendes gilt, wenn die Anwendung technischer Regeln für Arbeitsstätten (ASR) in Rede steht. Auch hier besteht zwar Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers, soweit die seinerseits gewählte Lösung mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Arbeitnehmer gewährleistet. Voraussetzung für eine daraus folgende Pflicht des Arbeitgebers ist aber auch insoweit, dass durch eine vorangehende Gefährdungsbeurteilung denkbare Gefährdungen und/oder Gefahren festgestellt wurden. Für die betriebliche Praxis haben die vorstehenden Klarstellungen durch das BAG eine ganz erhebliche Bedeutung. Sie machen nämlich deutlich, dass § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG kein Einfallstor bietet, um bei sämtlichen Maßnahmen des Arbeitgebers Mitbestimmungsrechte geltend zu machen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber bei seinen Maßnahmen die Gesundheit von Arbeitnehmern berücksichtigt. Beispielhaft sei insoweit nur auf die Versetzung eines Mitarbeiters, die Festlegung eines Schichtplans, die Einrichtung eines Arbeitsplatzes oder die Verlegung eines Betriebs oder wesentlichen Betriebsteils verwiesen. Solche Maßnahmen können zwar gesonderte Beteiligungsrechte aus §§ 90 f., 99, 111, 112 BetrVG auslösen. Ein weitergehendes Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG besteht indes erst dann, wenn im Hinblick auf den in Rede stehenden Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wurde und daraus folgende Erkenntnisse in Bezug auf konkrete Gefahren oder Gefährdungen gemäß § 3 Abs. 1 ArbSchG umgesetzt werden müssen. Folgerichtig kann der Betriebsrat auch keinen Unterlassungsanspruch wegen der Missachtung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Bezug auf entsprechende Maßnahmen des Arbeitgebers geltend machen, bevor eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wurde und daraus folgende Handlungspflichten des Arbeitgebers erkennbar sind. (Ga)

10. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Widerruf einzelner Vergütungsbestandteile Bereits anderer Stelle hatten wir die individualvertraglichen Voraussetzungen für die wirksame Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts und die Ausübung der damit verbundenen Befugnisse im Zusammenhang mit der Beseitigung eines Anspruchs auf einzelne Vergütungsbestandteile behandelt76. Im 76 B. Gaul, AktuellAR 2017, 453 ff.

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Mitbestimmung des Betriebsrats bei Widerruf einzelner Vergütungsbestandteile

Wesentlichen geht es dabei um die Einhaltung der Anforderungen an die Ausgestaltung entsprechender Klauseln als Folge der AGB-Kontrolle und die Berücksichtigung der Grundsätze billigen Ermessens bei Ausspruch eines entsprechenden Widerrufs. Im Urteil vom 24.1.201777 hat sich das BAG intensiv auch mit der Frage befasst, ob und inwieweit der Betriebsrat als Konsequenz seiner Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG im Zusammenhang mit dem Widerruf einzelner Vergütungsbestandteile zu beteiligen ist und welche Rechtsfolgen die fehlende Beachtung seines Mitbestimmungsrechts hat. In dem zugrundeliegenden Fall war im Arbeitsvertrag mit dem Kläger ein Weihnachtsgeld vereinbart worden. Dabei hatte sich der Arbeitgeber ergänzend vorbehalten, diese Leistung im Falle einer wirtschaftlichen Notlage zu widerrufen. Nachdem das Arbeitsverhältnis als Folge eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs auf die Beklagte, bei der ein Betriebsrat bestand, übergegangen war, machte die Beklagte von dem Vorbehalt Gebrauch und widerrief gegenüber allen Arbeitnehmern, deren Arbeitsvertrag eine entsprechende Klausel enthielt, den Anspruch auf Weihnachtsgeld. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Beklagte kurz vor einer Insolvenz, die nur durch den Einstieg eines Investors abgewendet werden konnte. Eine Zustimmung des Betriebsrats zu diesem Widerruf hatte die Beklagte nicht eingeholt. Trotz der darin liegenden Missachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat das BAG daraus keinen Anspruch des Klägers auf die weitere Gewährung des Weihnachtsgeldes abgeleitet. Allerdings hat der 1. Senat des BAG „in Fortführung der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung” anerkannt, dass ein Arbeitnehmer bei einer unter Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vorgenommenen Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze eine Vergütung auf der Grundlage der zuletzt mitbestimmungsgemäß eingeführten Entlohnungsgrundsätze fordern könne. Die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung über die Vergütung werde von Gesetzes wegen ergänzt durch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach den im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätzen zu vergüten78. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen waren in dem zur Entscheidung stehenden Fall indes nicht ausreichend vorgetragen.

77 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931. 78 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931 Rz. 34; BAG v. 5.5.2015 – 1 AZR 435/13, NZA 2015, 1207 Rz. 13.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Grundsätzlich hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung neuer Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung mitzubestimmen. Dabei geht es um abstrakt-generelle Grundsätze zur Lohnfindung. Unerheblich ist dabei, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze erfolgt, etwa auf der Basis bindender Tarifverträge, einer Betriebsvereinbarung, einzelvertraglicher Absprachen oder einer vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Vergütungsordnung. Nach den Feststellungen des BAG zur Konzeption von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hängt das Mitbestimmungsrecht nicht vom Geltungsgrund der Entgeltleistung, sondern nur vom Vorliegen eines kollektiven Tatbestands ab. Lediglich die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts ist der Mitbestimmung des Betriebsrats entzogen. Die Konsequenzen dieses weitreichenden Verständnisses des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats wird deutlich, wenn man Arbeitgeber ohne Tarifbindung betrachtet. Denn hier geht das BAG davon aus, dass das gesamte Volumen der durch den Arbeitgeber für die Vergütung der Arbeitnehmer bereitgestellten Mittel „freiwillig” geleistet wird, weil der Arbeitgeber hierzu normativ – also gesetzlich oder tarifvertraglich – nicht verpflichtet sei. Da keine tarifliche Vergütungsordnung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG entgegenstehe79, habe der Arbeitgeber bei einer Absenkung der Vergütung die bisher geltenden Entlohnungsgrundsätze auch bezüglich des verbleibenden Vergütungsvolumens zu beachten und für den Fall einer Änderung dieser Grundsätze eine Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Dies gelte – so das BAG – auch dann, wenn der Arbeitgeber Teile der Vergütung den Arbeitnehmern individualvertraglich schulde, eine Beseitigung der daraus folgenden Verpflichtung im Anschluss an eine etwaige Beteiligung des Betriebsrats also ggf. nur einvernehmlich oder im Wege der Änderungskündigung durchgesetzt werden könne80. Hinzukommt, dass das BAG in seiner Rechtsprechung von der Annahme getragen ist, dass sich die Gesamtvergütung regelmäßig nicht in mehrere voneinander unabhängige Bestandteile – wie etwa Grundvergütung, Zulagen, Jahresleistungen sowie weitere Vergütungsbestandteile – aufspalten lasse. Vielmehr bilde ihre Gesamtheit in der Regel die Vergütungsordnung, bei deren Aufstellung und Veränderung der Betriebsrat mitzubestimmen habe. Die Vergütungsstruktur werde daher in der Regel geändert, wenn nur einer der 79 Vgl. hierzu B. Gaul AktuellAR 2017, 585 ff. 80 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931 Rz. 38.

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Mitbestimmung des Betriebsrats bei Widerruf einzelner Vergütungsbestandteile

mehreren Bestandteile, aus denen sich die Gesamtvergütung zusammensetze, gestrichen, erhöht oder vermindert werde81. Hiervon ausgehend hat der 1. Senat des BAG in dem seinem Urteil vom 24.1.201782 zugrundeliegenden Fall auch angenommen, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Widerruf des Weihnachtsgeldes bestanden habe, obgleich der Arbeitgeber diesen Vergütungsbestandteil ausnahmslos und vollständig bei allen Arbeitnehmern, mit denen ein Widerrufsvorbehalt vereinbart worden war, widerrufen hatte. Denn mit dieser Maßnahme habe sich die Verteilungsrelation jedenfalls gegenüber solchen Arbeitnehmern verändert, die schon vor dem Widerspruch kein Weihnachtsgeld erhalten hatten. Dass ein Widerruf bei weiteren Arbeitnehmern gar nicht möglich gewesen wäre, spielt für das BAG keine Rolle. Es genügt ihm, dass die Gesamtvergütung als Konsequenz der fehlenden Tarifbindung insgesamt als betriebliche Vergütungsordnung einer Mitbestimmung des Betriebsrats unterworfen war, wenn sich das Verhältnis der den einzelnen Arbeitnehmern gewährten Zahlungen zueinander verändert. Voraussetzung für die Anerkennung des aus der Missachtung des Mitbestimmungsrechts folgenden Zahlungsanspruchs wäre aber gewesen, dass die Vergütungsgrundsätze, die eine weitere Gewährung des Weihnachtsgeldes zum Inhalt gehabt hätten, durch den Arbeitgeber in der Vergangenheit unter Wahrung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eingeführt wurden. Dies aber hatte der Kläger nicht dargelegt. Nach den Feststellungen des BAG läge eine mitbestimmungsgemäße Einführung der Entlohnungsgrundsätze, die den Vergütungsabreden in den 2008 geschlossenen Arbeitsverträgen entsprechen, vor, wenn diesen ein bei der Rechtsvorgängerin gebildeter Betriebsrat zugestimmt hätte. Ob zu diesem Zeitpunkt bei der Rechtsvorgängerin ein Betriebsrat bestanden hat und ob dieser der Einführung solcher Entlohnungsgrundsätze zugestimmt hat, ist durch den Kläger indes nicht dargelegt worden. Ebenso wenig hatte er vorgetragen, dass bei der Einführung kein Betriebsrat bestanden hatte und die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Vergütungsstruktur daher mitbestimmungsfrei habe einführen können. Ebenso wenig war erkennbar, ob der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat diesen Entlohnungsgrundsätzen zu einem späteren Zeitpunkt zugestimmt hatte.

81 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931 Rz. 38; BAG v. 26.8.2008 – 1 AZR 354/07, BB 2009, 501 Rz. 21. 82 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931 Rz. 39 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Wichtig für die betriebliche Praxis ist zu erkennen, dass eine mitbestimmungsgemäße Einführung von Entlohnungsgrundsätzen nicht bereits dann gegeben ist, wenn ein Betriebsrat die zugrundeliegenden Regelungen des Arbeitgebers geduldet hat. Die bloße Hinnahme eines mitbestimmungswidrigen Verhaltens eines Arbeitgebers durch den Betriebsrat reiche – so das BAG – für eine Mitbestimmung nicht aus. Diese setze eine auf die Zustimmung zu der Maßnahme gerichtete Beschlussfassung des Betriebsrats und deren Verlautbarung gegenüber dem Arbeitgeber voraus83. Grundsätzlich erscheint es bereits fraglich, allein aus der fehlenden Beteiligung des Betriebsrats eine außerhalb des sonstigen Individual- und Kollektivarbeitsrechts gelegene Anspruchsgrundlage für die Gewährung eines Vergütungsbestandsteils anzuerkennen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die hierfür erforderliche Missachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats sogar dann angenommen wird, wenn der in Rede stehende Vergütungsbestandteil in der Gesamtheit beseitigt wird, weil die verbliebene Restvergütung als Konsequenz der fehlenden Tarifbindung des Arbeitgebers als verbleibende – jetzt aber geänderte – Entgeltstruktur qualifiziert wird. Hiervon ist aber nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG auszugehen. Folgt man dieser Rechtsprechung, wird allerdings erkennbar, dass sie zu einer Begünstigung des Arbeitgebers führt, der seine Vergütungsstruktur ohne Beteiligung des Betriebsrats eingeführt hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn im Arbeitsvertrag Zulagen und andere Sonderleistungen enthalten sind deren Gewährung wegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG an sich an eine Zustimmung des Betriebsrats geknüpft ist. In der Praxis wird auf diese Beteiligung des Betriebsrats aber in der Regel verzichtet, wenn über- oder außertarifliche Leistungen zum Bestandteil arbeitsvertraglicher Zusagen gemacht werden. In diesen Fällen gibt es daher keine mitbestimmungsgemäße Vergütungsstruktur, deren Anwendung der Arbeitnehmer als Konsequenz einer (weiteren) Missachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats verlangen kann, wenn insoweit – beispielsweise auf der Grundlage eines Widerrufsvorbehalts – durch den Arbeitgeber Änderungen erfolgen. Damit bewirkt die aktuelle Rechtsprechung ein Privileg des Arbeitgebers, der seine Vergütungsstruktur ohne Zustimmung des Betriebsrats eingeführt hat. (Ga)

83 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931 Rz. 46; BAG v. 5.5.2015 – 1 AZR 435/13, NZA 2015, 1207 Rz. 31.

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Aktuelles zur Mitbestimmung bei betrieblichen Entgeltregelungen

11.

Aktuelles zur Mitbestimmung bei betrieblichen Entgeltregelungen

a)

Mitbestimmung des Betriebsrats bei Änderung einer (ehemals) tariflichen Vergütungsordnung

Bereits im Zusammenhang mit den Beteiligungsrechten des Betriebsrats bei Widerruf einer Jahressonderzahlung hatten wir auf die Weiterentwicklung der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG berichtet84. Danach kann ein Arbeitnehmer bei einer unter Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht vorgenommenen Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze eine Vergütung auf der Grundlage der zuletzt mitbestimmungsgemäß eingeführten Entlohnungsgrundsätze fordern. Nach den Feststellungen des BAG wird die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung über die Vergütung insoweit von Gesetzes wegen ergänzt durch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach den im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätzen zu vergüten85. Das BAG hat mit seinem Urteil vom 25.4.201786 noch einmal deutlich gemacht, dass diese Grundsätze auch dann zu beachten sind, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, nach Beendigung einer gesetzlichen Tarifbindung die bisherige Vergütungsstruktur jedenfalls in Bezug auf Neueinstellungen zu verändern. In dem zugrundeliegenden Fall war die Rechtsvorgängerin der Beklagten, ein Kreisverband des DRK, ursprünglich Mitglied der Tarifgemeinschaft des DRK und deshalb kraft Gesetzes an die durch die Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarifverträge gebunden. Ergänzend hierzu verwendete die Rechtsvorgängerin in ihren Arbeitsverträgen Bezugnahmeklauseln, die auf diese Tarifverträge verwiesen. Nach diesen Tarifverträgen bestimmte sich die Vergütung der Arbeitnehmer auf der Grundlage von Entgeltgruppen und wurde durch Zuschläge sowie eine tarifliche Jahressonderzahlung ergänzt. Spätestens zum 31.12.2002 endete aber diese Tarifbindung. Während sich die Rechtsvorgängerin entschloss, bei den zu diesem Zeitpunkt bereits beschäftigten Arbeitnehmern weiterhin den zuletzt geltenden Tarifvertrag (Stand 10/2002) anzuwenden, traf sie mit Neueinstellungen arbeitsvertragli-

84 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2017, 576 ff. 85 BAG v. 25.4.2017 – 1 AZR 427/15, NZA 2017, 622 Rz. 16; BAG v. 5.5.2015 – 1 AZR 435/13, NZA 2015, 1207 Rz. 13. 86 BAG v. 25.4.2017 – 1 AZR 427/15, NZA 2017, 622 Rz. 14 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

che Vereinbarungen über ein festes – individuell bestimmtes – Monatsgeld, das durch eine arbeitsvertragliche Jahressonderzahlung, deren Anspruchsvoraussetzungen und Höhe abweichend vom bislang geltenden Tarifvertrag bestimmt wurden, ergänzt wurde. Der Kläger, der als Rettungssanitäter erst 2008 eingestellt wurde, erhielt eine entsprechende arbeitsvertragliche Zusage. Der Betriebsrat, den es bei der Rechtsvorgängerin seit 1999 gab, war bei Änderung der Vergütungsstrukturen nicht beteiligt worden. Seine Beteiligung wurde auch nicht nachgeholt, als die Rechtsvorgängerin im Jahre 2012 im Wege der Verschmelzung auf die Beklagte übertragen wurde. Mit seiner 2013 eingereichten Klage machte der Kläger geltend, dass seine Vergütung nach Maßgabe der zuletzt geltenden Tarifverträge (Stand 10/2002) bestimmt werden sollte. Daran anknüpfend sollte die Beklagte verurteilt werden, ihm die daraus folgende Differenz auszuzahlen. Auch wenn sich als Konsequenz einer teilweisen Anrechnung arbeitsvertraglicher Zahlungen Differenzen in Bezug auf den ausgeurteilten Zahlungsbetrag ergeben hatten, ist das BAG der Auffassung des Klägers gefolgt und hat eine Verpflichtung der Beklagten angenommen, den Kläger nach Maßgabe der bis zum Jahre 2002 verbindlichen Vergütungsstruktur der damaligen Tarifverträge zu behandeln. Nach den Feststellungen des BAG ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf die Anwendung der tarifvertraglichen Vergütungsstrukturen aus § 611 BGB in Verbindung mit den im Betrieb der Rechtsvorgängerin mitbestimmungsgemäß eingeführten Entlohnungsgrundsätzen. Insoweit bildeten die bis 2002 kraft Gesetzes verbindlichen Tarifverträge eine Vergütungsstruktur, die auch nach dem Ende der gesetzlichen Tarifgebundenheit als die im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze zu qualifizieren war. Das gelte – so das BAG – unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis vor oder nach dem Wegfall der Tarifbindung begründet wurde. Insoweit könne sich der Kläger auf diese Struktur auch dann berufen, wenn seine Einstellung nach Beendigung der gesetzlichen Tarifbindung erfolgt sei87. Eine wirksame Abweichung von dieser Vergütungsstruktur hätte vorausgesetzt, dass die Rechtsvorgängerin – alternativ die Beklagte – den Betriebsrat bei der Umstellung durch Abschluss arbeitsvertraglich abweichender Vereinbarungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beteiligt hätte. Denn das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG umfasse bei einem nicht (mehr) tarifgebundenen Arbeitgeber, bei dem der Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG wegen des Wegfalls der Ta87 BAG v. 25.4.2017 – 1 AZR 427/15, NZA 2017, 622 Rz. 14 ff., 19.

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Aktuelles zur Mitbestimmung bei betrieblichen Entgeltregelungen

rifgebundenheit nicht mehr greife, insbesondere die Änderung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze. Dabei werde das Mitbestimmungsrecht nicht durch eine Aufspaltung der Gesamtvergütung in mehrere Vergütungsbestandteile ausgeschlossen. Vielmehr bildete ihre Gesamtheit die Vergütungsordnung, bei deren Veränderung der Betriebsrat mitzubestimmen habe88. Durch den Abschluss von Arbeitsverträgen, innerhalb derer das Monatsentgelt und die Jahressonderzahlung abweichend von dem zuletzt geltenden Tarifvertrag bestimmt wurden, hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten hier eine solche Änderung der Entlohnungsgrundsätze vorgenommen, ohne dass der Betriebsrat hierzu seine Zustimmung erteilt hatte. Konsequenz dieser Missachtung seiner Beteiligungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG war, dass die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer weiterhin jedenfalls eine Anwendung der bis dahin maßgeblichen Entlohnungsgrundsätze verlangen konnten. Dies beinhaltete zwar grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte Entlohnungshöhe, die die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin auch ohne Zustimmung des Betriebsrats unter Wahrung der in der tariflichen Vergütungsordnung enthaltenen Verteilungsgrundsätze hätte jedenfalls in Bezug auf Neueinstellungen verändern können. Eine solche Änderung hatte die Rechtsvorgängerin allerdings in Bezug auf die Alt-Arbeitnehmer nicht vorgenommen, so dass das BAG auch in Bezug auf die Höhe der Vergütung weiterhin von einer Fortgeltung der tarifvertraglichen Vergütungsordnung ausgegangen ist89. In diese für den Betrieb maßgebliche Vergütungsordnung war die Beklagte als Konsequenz der Verschmelzung eingetreten. Denn der Betrieb war unter Wahrung seiner Identität übergegangen, so dass auch die Vergütungsordnung mit ihrer daraus folgenden Pflicht zur Aufrechterhaltung weiterhin für das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten maßgeblich war. Etwas anderes wäre nur dann denkbar gewesen, wenn die Beklagte eine Zustimmung des Betriebsrats zu der geänderten Vergütungsstruktur gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eingeholt hätte. Auch dies war nicht geschehen. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das BAG den Anspruch auf Zahlung einer Differenzvergütung zwischen der arbeitsvertraglichen Vergütung und den Ansprüchen, die sich bei einer Anwendung der zuletzt geltenden Tarifverträge (Stand 10/2002) ergeben hätten, grundsätzlich anerkannt. Allerdings hat es zu Recht angenommen, dass sich der Kläger solche Leistungen anrechnen lassen muss, die nach ihrem Zweck in einer funktionalen Gleich-

88 So bereits BAG v. 26.8.2008 – 1 AZR 354/07, NZA 2008, 1426 Rz. 21. 89 BAG v. 25.4.2017 – 1 AZR 427/15, NZA 2017, 622 Rz. 23.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

wertigkeit wie die tarifvertraglichen Leistungen stehen90. Dies gilt sowohl für das Monatsentgelt als auch die Jahressonderzahlung. Als Besonderheit des hier in Rede stehenden Falls hat das BAG dem Kläger allerdings darüber hinaus auch einen Anspruch auf Zahlung eines Alterszuschlags nach der höchsten Lebensaltersstufe zuerkannt, obgleich er die nach den früheren tarifvertraglichen Regelungen bestimmten Voraussetzungen hinsichtlich seines Lebensalters noch nicht erfüllt hatte. Denn diese Differenzierung der Zuschläge nach Maßgabe des Lebensalters stellte eine unzulässige Diskriminierung dar, die – jedenfalls in Bezug auf die Vergangenheit – nur durch eine Anpassung der Vergütung „nach oben” beseitigt werden konnte. Dies sei – so das BAG – auch insoweit gerechtfertigt, als die entsprechenden Regelungen durch die Beklagte weiterhin für Alt-Arbeitnehmer zur Anwendung gebracht wurden, bei denen eine Rückforderung auch wegen der tarifvertraglichen Ausschlussfrist ausgeschlossen sei91. Dies entspricht den Feststellungen des BAG im Urteil vom 27.4.201792 im Zusammenhang mit Besitzstandsregelungen bei Schichtfreizeit für ältere Arbeitnehmer, auf die wir an anderer Stelle hingewiesen hatten93. Unklar ist nach der Feststellung des BAG, ob der Arbeitgeber angesichts der Unzulässigkeit der streitgegenständlichen Diskriminierung berechtigt wäre, jedenfalls für die Zukunft entsprechende Zahlungen bei allen Arbeitnehmern einzustellen. Dafür spricht an sich die Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Regelung. Allerdings geht der 1. Senat des BAG in den Gründen seines Urteils vom 25.4.201794 davon aus, dass das berechtigte Vertrauen auch der Alt-Arbeitnehmer auf die Wirksamkeit der Vergütungsordnung geschützt werden müsse. Denn weder die Rechtsvorgängerin noch die Beklagte hätte nach Inkrafttreten des AGG am 1.8.2006 oder nach dem Wirksamwerden der Entscheidung des EuGH vom 8.9.201195 eine mitbestimmungsgemäße Veränderung dieser diskriminierenden Vergütungsstrukturen vorgenommen. Offenbar geht das BAG davon aus, dass darin ein Verzicht zu sehen sei, der auch zukünftig eine Verpflichtung zur Gewährung von Alterszuschlägen nach Maßgabe der höchsten Lebensaltersstufe begründet.

90 91 92 93 94 95

BAG v. 25.4.2017 – 1 AZR 427/15, NZA 2017, 622 Rz. 24 ff., 28 ff., 35, 41. BAG v. 25.4.2017 – 1 AZR 427/15, NZA 2017, 622 Rz. 28 ff., 33. BAG v. 27.4.2017 – 6 AZR 119/16, NZA 2017, 1116 Rz. 46. Boewer, AktuellAR 2017, 458 ff. BAG v. 25.4.2017 – 1 AZR 427/15, NZA 2017, 622 Rz. 33. EuGH v. 8.9.2011 – C-297/10, NZA 2011, 1100 – Hennigs; EuGH v. 8.9.2011 - C-298/10, NZA 2011, 110 – Mai.

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Aktuelles zur Mitbestimmung bei betrieblichen Entgeltregelungen

Der Entscheidung des BAG ist zuzustimmen. Für die betriebliche Praxis folgt daraus zunächst einmal, dass bei Änderungen einer Vergütungsstruktur, selbst wenn sie nur Neueinstellungen betreffen, der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beteiligen ist. Andernfalls bewirkt ein früherer Tarifvertrag trotz fehlender gesetzlicher Tarifbindung des Arbeitgebers einen Fortbestand der tarifvertraglich begründeten Strukturen auch für solche Neueinstellungen. Sollte der Betriebsrat nicht bereit sein, einer Änderung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zuzustimmen, muss seine Zustimmung durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt werden. Alternativ bleibt dem Arbeitgeber die mitbestimmungsfreie Möglichkeit einer prozentualen Absenkung der Vergütungshöhe unter Aufrechterhaltung der alten Struktur. Damit werden alle Leistungen weiter gewährt, allerdings jeweils mit einer abgesenkten Höhe. Unabhängig davon ist bei alten Strukturen zu überprüfen, ob darin noch Diskriminierungen wegen des Alters enthalten sind. Sie müssen beseitigt werden, weil Übergangsregelungen angesichts der Dauer eines bereits bestehenden Verstoßes gegen unionsrechtliche Vorgaben nicht mehr gerechtfertigt werden können.

b)

Einschränkung der Mitbestimmungsrechte durch den Tarifvorbehalt

Nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG bestehen Mitbestimmungsrechte in den nachfolgend genannten Angelegenheiten nur dann und insoweit, als eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Hiervon ausgehend ist ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch bei der Einführung und Änderung eines Vergütungssystems im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers ausgeschlossen, soweit die Tarifvertragsparteien hierfür bereits eine abschließende und zwingende tarifliche Regelung getroffen haben. Unerheblich ist dabei die Tarifgebundenheit des einzelnen Arbeitnehmers. Der Tarifvorbehalt aus § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG wird bereits dann wirksam, wenn allein der Arbeitgeber kraft Gesetzes an einen Tarifvertrag gebunden ist. Darauf hat das BAG noch einmal im Beschluss vom 28.3.201796 hingewiesen. Wenn die Tarifvertragsparteien selbst über die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit eine für den Arbeitgeber zwingende und abschließende inhaltliche Regelung getroffen hätten, sei dem Schutzzweck des (verdrängten) Mitbestimmungsrechts genüge getan. Das gelte auch dann, wenn es sich bei

96 BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 1/16, NZA 2017, 1137 Rz. 25.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

der das Mitbestimmungsrecht verdrängenden tariflichen Regelung um Inhaltsnormen handele, die – abweichend von § 3 Abs. 2 TVG – grundsätzlich nur bei beiderseitiger Tarifbindung unmittelbaren und zwingenden Charakter haben (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG). In dem der Entscheidung des BAG zugrundeliegenden Fall hatte der Arbeitgeber zunächst einmal mit ver.di, der DHV und medsonet drei verschiedene Firmentarifverträge abgeschlossen. Ergänzend hierzu hatte er in den Arbeitsverträgen auf den BAT Bezug genommen. Nachdem der Arbeitgeber 2011 Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbands geworden und deshalb an den TVöD gebunden war, vereinbarten der KAV und ver.di einen Tarifvertrag zur Überleitung der Arbeitsbedingungen in den TVöD. Im Rahmen einer Niederschrift wurde ergänzend hierzu wie folgt vereinbart: Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht Einvernehmen, dass aus Anlass der Überleitung in das neue Tarifrecht … für die Beschäftigten keine finanziellen Nachteile entstehen. Alle bisher dynamischen Entgelte werden künftig entsprechend den Tarifabschlüssen für den TVöD-V/VKA zum jeweiligen Zeitpunkt linear erhöht. Der Arbeitgeber sichert zu, dass der DHV/medsonet-Tarifvertrag fristgerecht zum 31. Dezember 2011 gekündigt wird.

Entsprechend dieser Vereinbarung kündigte der Arbeitgeber die Haustarifverträge mit DHV und medsonet zum 31.12.2011. Im Anschluss daran teilte er dem Gesamtbetriebsrat u. a. mit, dass er plane, die Tarifentgelte des BAT sowie des DHV/medsonet-Tarifvertrags künftig analog der Tarifentwicklung im TVöD kommunal zu entwickeln. Die Dynamisierung in diesem Bereich würde sich auf alle Entgeltbestandteile beziehen. In entsprechender Weise passte der Arbeitgeber seit Beginn des Jahres 2012 die Entgelte derjenigen Beschäftigten, auf deren Arbeitsverhältnisse der TVöD keine Anwendung findet, entsprechend den Entgelterhöhungen des TVöD an. Der Gesamtbetriebsrat meinte, dass er bei dieser „Dynamisierung der Arbeitsentgelte“ ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG habe. Denn der Arbeitgeber stelle bei Arbeitnehmern, bei denen der TVöD nicht bereits kraft Gesetzes Geltung beanspruche, bei dieser Dynamisierung eine freiwillige übertarifliche Leistung zur Verfügung, deren Verteilung seine Zustimmung erforderlich mache. Das BAG hat ein solches Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats unter Bezugnahme auf § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG abgelehnt. Im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers stelle die im einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütungsordnung zugleich das im Betrieb geltende System für die Bemessung des Entgelts der Arbeitnehmer dar. Der tarifgebundene Ar586

Aktuelles zur Mitbestimmung bei betrieblichen Entgeltregelungen

beitgeber sei deshalb betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, die Vergütungsordnung ungeachtet der Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer im Betrieb anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterlägen. Hiervon ausgehend sei ein Mitbestimmungsrecht bei der Dynamisierung der Entgelte ausgeschlossen. Denn der TVöD enthalte hinsichtlich der Entlohnungsgrundsätze i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eine abschließende und zwingende tarifliche Regelung i. S. d. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG. Diese sperre das Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats, soweit das monatliche Entgelt und seine Anpassung in Rede stünden97. Konsequenz dieser tarifvertraglichen Entgeltordnung ist, dass der Arbeitgeber die monatlichen Entgelte mitbestimmungsfrei anpassen könne, obwohl allein die Gebundenheit des Arbeitgebers an die tarifliche Entgeltstruktur keinen Anspruch der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer auf das Tarifentgelt begründen könne. Die Sperrwirkung des Tarifvertrags werde auch dann nicht beseitigt, wenn die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer als Folge einer entsprechenden Dynamisierung ein höheres als das tarifliche Entgelt erhielten. Denn auch in diesem Fall gehe es um die Festsetzung des monatlichen Entgelts und nicht um eine „freiwillige, übertarifliche Leistung“, die wegen der einschlägigen Regelung im TVöD in den Geltungsbereich des Tarifvorbehalts falle98. Für die betriebliche Praxis hat dieses Verständnis des Tarifvorbehalts erhebliche Bedeutung. Es bewirkt nämlich, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats überall dort nicht geltend gemacht werden können, wo Arbeitnehmer in den Geltungsbereich eines Tarifvertrags fallen, an den der Arbeitgeber kraft Gesetzes gebunden ist. Folgerichtig sind bei der entsprechenden Festsetzung von gekorenen AT-Angestellten keine Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gegeben, wenn dort entsprechend der tarifvertraglichen Entgelterhöhung Anpassungen vorgenommen werden sollen. In gleicher Weise wäre eine Mitbestimmung ausgeschlossen, wenn Arbeitnehmer, deren Tarifvertrag gemäß § 4 a TVG verdrängt wird, Entgelterhöhungen erfahren sollen, die der Anpassung des Tarifvertrags der Mehrheitsgewerkschaft entsprechen. Abweichend hiervon ist ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG allerdings dann gegeben, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, für Arbeitnehmer, die eigentlich vom Tarifvertrag erfasst werden, eine abweichende (neue) Vergütungsstruk-

97 BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 1/16, NZA 2017, 1137 Rz. 25 f. 98 BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 1/16, NZA 2017, 1137 Rz. 26 ff., 29.

587

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

tur zu schaffen. Darauf hatten wir mit Blick auf die Entscheidung des BAG vom 25.4.201799 im vorangehenden Beitrag hingewiesen100. (Ga)

99 BAG v. 25.4.2017 – 1 AZR 427/15, NZA 2017, 1346. 100 B. Gaul, AktuellAR 2017, 581 ff.

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I. 1.

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Auskunftspflichten beherrschender Unternehmen bei einer Massenentlassung nach § 17 Abs. 2 KSchG

Mit Beschluss vom 24.11.20161 hat das LAG Berlin-Brandenburg den EuGH gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung in Bezug auf Fragen zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen angerufen. Auch wenn die Fragen einer besonderen Sachverhaltskonstellation Rechnung tragen, könnte eine Entscheidung des EuGH auch Bedeutung für das Verständnis von Auskunftspflichten nach § 17 Abs. 2 KSchG bei Massenentlassungen innerhalb eines Konzernunternehmens haben. Dies betrifft auch den Anwendungsbereich von §§ 17 Abs. 3 a KSchG. Danach gelten die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach § 17 Abs. 1 bis 3 KSchG auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat. Wann von einem „beherrschenden Unternehmen” auszugehen ist, wird in § 17 Abs. 3 a KSchG nicht bestimmt. Anlass für den Vorlagebeschluss des LAG Berlin-Brandenburg war ein Kündigungsschutzverfahren, das die Klägerin im Zusammenhang mit einer Betriebsstilllegung und ihrer betriebsbedingten Kündigung durch die Beklagte eingeleitet hatte. Zur Begründung ihrer Annahme, wonach die Kündigung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht bewirken könne, berief sie sich unter anderem auch auf eine Missachtung der gegenüber dem Betriebsrat aus § 17 Abs. 2 KSchG folgenden Unterrichtungs- und Beratungspflicht. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war die Beklagte ursprünglich mit Dienstleistungen im Bereich der Passage bzw. Passagierabfertigung, Rampe bzw. Vorfeld, Verwaltung und Werkstatt an den Flughäfen Tegel und Schönefeld betraut. Einzige Auftraggeberin der Beklagten war die GGB. Die GGB war zwar die einzige Kommanditistin der Beklagten. Komplementärinnen der Beklagten waren allerdings zwei GmbH´s, deren Gesellschafter jeweils natürliche Personen waren. Die Beklagte gehörte deshalb rechtlich 1

LAG Berlin-Brandenburg v. 24.11.2016 – 10 Sa 284/16 u. a. n. v.

589

Betriebsänderung und Betriebsübergang

weder zum Konzern der GGB noch zum W-Konzern, der die Kommanditanteile an der GGB hielt. Nachdem der Auftrag der Passagierabfertigung am Flughafen Schönefeld für die Beklagte am 30.6.2014 endete, wurde er durch die GGB zum 1.7.2014 auf die PSS GmbH & Co. KG übertragen. Gesellschafter der persönlich haftenden Komplementär-GmbH waren die GGB und ein Herr S., der nach dem – bestrittenen – Vortrag der Klägerseite im Rahmen eines Treuhandvertrags an Weisungen der W-Konzernleitung gebunden sein sollte. In der Zeit vom September bis November 2014 wurde der Beklagten durch die GGB darüber hinaus die passageseitige Abfertigung der Flüge wesentlicher Kunden gekündigt. Alle Aufträge wurden an konzernfremde Anbieter vergeben. Bereits im September 2014 beschloss deshalb die Gesellschafterversammlung der Beklagten, den Betrieb der Beklagten in Tegel und Schönefeld stillzulegen und die dem Betriebszweck dienende Organisation zum 31.3.2015 aufzulösen. Zu diesem Zeitpunkt waren auch die letzten Abfertigungsverträge gekündigt worden. Im Rahmen der Anhörung nach § 17 Abs. 2 KSchG teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, dass sie keine genauen Gründe für die Kündigung der Aufträge und die Aufforderung zur Schließung des Geschäftsbetriebs durch die GGB erhalten habe. Sie vermutete aber, dass die hohen Verluste im Bereich von Passage und Passagierabfertigung, die die GGB in den Jahren 2011 bis 2013 erwirtschaftet hatte, der Grund waren. Die Klägerin, die zugleich Mitglied des Betriebsrats war, hielt diese Auskünfte für unzureichend. Aus ihrer Sicht war die Kündigung deshalb wegen Verstoßes gegen § 17 KSchG unwirksam. Es genüge nicht, dem Betriebsrat nur Vermutungen mitzuteilen, auch wenn sich im Laufe der prozessualen Auseinandersetzung herausgestellt hatte, dass die arbeitgeberseitig vermuteten Schließungsgründe auf Seiten der GGB zutreffend waren. Mit seinem Beschluss hat das LAG Berlin-Brandenburg den EuGH nunmehr um Auskunft über folgende Fragen gebeten: 1. Ist beherrschendes Unternehmen i. S. v. Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 Richtlinie 98/59/EG … nur ein Unternehmen, dessen Einfluss über Beteiligungen und Stimmrechte abgesichert ist oder reicht auch ein vertraglich bzw. faktisch abgesicherter Einfluss (z. B. über Weisungsmöglichkeiten natürlicher Personen)? 2. Falls die Frage zu 1. so beantwortet wird, dass ein über Beteiligungen und Stimmrechte abgesicherter Einfluss nicht erforderlich ist:

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Auskunftspflichten beherrschender Unternehmen bei einer Massenentlassung

Liegt eine „Entscheidung über die Massenentlassung” i. S. v. Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 Richtlinie 98/59/EG auch vor, wenn das beherrschende Unternehmen dem Arbeitgeber solche Vorgaben macht, die Massenentlassungen beim Arbeitgeber wirtschaftlich notwendig machen? 3. Falls die Frage zu 2. bejaht wird: Verlangt Art. 2 Abs. 4 Unterabs. 2 i. V. m. Abs. 3 lit. a und b unter lit. i sowie Abs. 1 Richtlinie 98/59/EG, dass die Arbeitnehmervertretung auch darüber zu informieren ist, welche betriebswirtschaftlichen oder sonstigen Gründe das beherrschende Unternehmen für seine Entscheidungen hat, die dazu geführt haben, dass der Arbeitgeber Massenentlassungen beabsichtigt? 4. Ist es mit Art. 2 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 lit. a und b unter lit. i sowie Abs. 1 der Richtlinie 98/59/EG vereinbar, Arbeitnehmern, die die Unwirksamkeit ihrer im Rahmen einer Massenentlassungen erfolgten Kündigung unter Berufung darauf gerichtlich geltend machen, dass der kündigende Arbeitnehmer das Konsultationsverfahren mit der Arbeitnehmervertretung nicht korrekt durchgeführt hat, eine über die Darlegung von Anhaltspunkten für eine Beherrschung hinausgehende Darlegungs- und Beweislast aufzuerlegen? 5. Falls die Frage zu 4. bejaht wird: Welche weiteren Darlegungs- und Beweisobliegenheiten dürften den Arbeitnehmern in diesem Fall nach den genannten Regelungen auferlegt werden?

Es bleibt abzuwarten, ob und ggf. inwieweit der EuGH diese Fragen beantworten wird. Zu berücksichtigen ist, dass der EuGH nicht um die Abgabe eines gerichtlichen Gutachtens gebeten werden kann, wenn der Sachverhalt selbst tatbestandlich unklar ist und deshalb die Entscheidungserheblichkeit nicht erkennbar ist. Denn der EuGH muss nur solche Fragen beantworten, die auch aus Sicht eines Dritten unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben streitentscheidende Bedeutung haben. Vorliegend sind dies die Fragen zur Kennzeichnung einer Konzernbindung und dem Umfang der daraus folgenden Informationspflichten nur dann, wenn der EuGH bereit ist, die streitige Sachverhaltsfrage zum Treuhandverhältnis zur Grundlage seiner Vorabentscheidung zu machen. Das BAG hatte diese Relevanz in einem Pa-

591

Betriebsänderung und Betriebsübergang

rallelverfahren durch Urteil vom 22.9.20162 abgelehnt. Wir hatten darüber berichtet3. (Ga)

2.

Zuordnung von Arbeitnehmern bei einer Spaltung nach § 123 UmwG

Wenn ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht, tritt dieser nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Ein solcher Übertragungsvorgang kann nicht nur im Wege der Einzelrechtsnachfolge bewirkt werden. Wie im Umkehrschluss auch aus § 613 a Abs. 3 BGB erkennbar wird, kann auch ein Übertragungsvorgang nach dem Umwandlungsrecht zu einem entsprechenden Übergang führen. Beispielhaft sei nur auf die Verschmelzung gemäß § 2 UmwG oder die Spaltung gemäß § 123 UmwG hingewiesen. Der Abschluss des Spaltungsvertrags bzw. der Beschluss eines Spaltungsplans und seiner Eintragung durch das Registergericht stellen dann das Rechtsgeschäft dar, das die Übertragung des Betriebs- oder Betriebsteils auf den übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger bewirkt. Unerheblich ist dabei, ob es sich um eine Spaltung zur Aufnahme oder zur Neugründung handelt. Darüber hinaus spielt es bei der Spaltung keine Rolle, ob eine Aufspaltung, eine Abspaltung oder eine Ausgliederung vorgenommen wird. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung zu § 613 a BGB sind auch von einer Spaltung nach § 123 UmwG und der damit verbundenen Übertragung eines Betriebs- oder Betriebsteils diejenigen Arbeitnehmer betroffen, die dem von der Übertragung betroffenen Betrieb oder Betriebsteil angehören. Entscheidend ist also auch insoweit, dass sie organisatorisch in der betreffenden Einheit tätig sind. Es genügt nicht, dass sie einer anderen Einheit angehören, die eine – unternehmensinterne – Dienstleistung für den Betriebs- oder Betriebsteil verrichtet. Praktische Fragen in Bezug auf die Zuordnung von Arbeitnehmern können sich allerdings dann ergeben, wenn im Wege der Umwandlung nicht (einfach) die bereits bestehenden Betriebs- oder Betriebsteile einem der übernehmenden Rechtsträger zugeordnet und übertragen werden. Eine solche Übertragung der bereits vorhandenen Betriebe oder Betriebsteile dürfte zwar der Regelfall sein. Ebenso denkbar ist es aber, dass die vorhandene Be-

2 3

BAG v. 22.9.2016 – 276/16, NZA 2017, 175. B. Gaul, AktuellAR 2016, 491 ff., 459 ff.

592

Zuordnung von Arbeitnehmern bei einer Spaltung nach § 123 UmwG

triebsstruktur im Vorfeld einer Spaltung verändert und erst die daraus entstehenden Betriebe oder Betriebsteile zum Gegenstand der umwandlungsrechtlichen Übertragung gemacht werden. Darauf haben das LAG Schleswig-Holstein im Urteil vom 5.11.20154 und das LAG Hamburg in seinen Urteilen vom 4.5.20165 und vom 31.5.20166 hingewiesen7. Wichtig ist allerdings, dass die organisatorische Einheit in Form eines Betriebs- oder Betriebsteils nicht erst kurz vor dem Wirksamwerden der Spaltung als Folge ihrer Eintragung im Handelsregister entsteht. Da die Übertragung im Zusammenhang mit einer Spaltung an die Zuordnung der Betriebe und Betriebsteile im Spaltungsvertrag oder -plan gemäß § 126 Abs. 1 UmwG geknüpft ist, muss auch die notwendige Organisationsstruktur zum Zeitpunkt der Erstellung des Spaltungsvertrags oder -plans bzw. des Entwurfs dieser Dokumente bestehen. Auf dieser Grundlage findet dann nicht nur die Beschlussfassung durch die Anteilsinhaber statt. Weitergehend muss auch der Vertrag/Plan bzw. sein Entwurf einen Monat vor der Beschlussfassung der Anteilsinhaber dem zuständigen Betriebsrat gemäß § 126 Abs. 3 UmwG zugeleitet werden, ohne dass im Nachgang hierzu inhaltliche Veränderungen zulässig sind. Diese würden andernfalls eine erneute Zuleitung und daran anknüpfend eine erneute Beschlussfassung der Anteilsinhaber notwendig machen. Soweit das LAG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 5.11.20158 in diesem Zusammenhang die These vertritt, dass bei einer Zerschlagung des bisherigen Betriebs im Vorfeld einer Spaltung nach § 123 UmwG über die Zuordnung der Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf § 613 a BGB entschieden werden könne, überzeugt dies allerdings nicht. Denn es kann bereits mit Blick auf die zivilrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit des von der Übertragung betroffenen Vermögens davon ausgegangen werden, dass im Spaltungsvertrag bzw. -plan die Betriebe bzw. Betriebsteile genannt werden müssen, die im Anschluss an die Zerschlagung der ursprünglichen Struktur geschaffen werden und als Folge ihrer Zuordnung auf einen anderen Rechtsträger übergehen sollen. Mit dieser Zuordnung im Spaltungsvertrag bzw. -plan wird allerdings wieder ein Rechtsgeschäft geschaffen, das zum Übergang eines Betriebs- oder Betriebsteils führt, was auch bei der Annahme einer Rechtsgrundverweisung in § 324 UmwG zur unmittelbaren Anwendbarkeit von § 613 a BGB führt. Konsequenz dieser Annahme ist, 4 5 6 7 8

LAG Schleswig-Holstein v. 5.11.2015 – 5 Sa 437/14, ZIP 2016, 1500. LAG Hamburg v. 4.5.2016 – 6 Sa 2/16 n. v. LAG Hamburg v. 31.5.2016 – 7 Sa 3/16, ZIP 2017, 540. Eingehend auch Mückl/Götte, DB 2017, 966, 970 ff. LAG Schleswig-Holstein v. 5.11.2015 – 5 Sa 437/14, ZIP 2016, 1500 Rz. 93

593

Betriebsänderung und Betriebsübergang

dass die Zuordnungsentscheidung grundsätzlich auch die Wertentscheidung berücksichtigen muss, die mit der gesetzlichen Vorgabe eines Eintritts in das Arbeitsverhältnis der in dem von der Übertragung betroffenen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer verbunden ist. Ungeachtet dessen ist es dem Arbeitgeber natürlich nicht verwehrt, im Vorfeld einer Spaltung von seinem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht Gebrauch zu machen und Arbeitnehmer zu versetzen. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Schranken aus §§ 106 S. 1 GewO, 315 Abs. 1 BGB, 99 BetrVG kann eine solche Maßnahme auch zur Folge haben, dass der Arbeitnehmer nicht mehr dem von der Übertragung betroffenen Betrieb- oder Betriebsteil angehört. Umgekehrt kann die Versetzung in den Grenzen billigen Ermessens und unter Berücksichtigung gesetzlicher, kollektivvertraglicher und arbeitsvertraglicher Regelungen auch zur Folge haben, dass der Arbeitnehmer erstmals in dem Betrieb oder Betriebsteil tätig wird, der im Anschluss daran von einer umwandlungsrechtlichen Übertragung betroffen ist. Diese Entscheidung kann gerichtlich voll überprüft werden (§ 315 Abs. 3 BGB). Darüber hinaus könnte der Arbeitnehmer geltend machen, dass als Konsequenz einer Überschreitung der rechtlichen Grenzen einer solchen Versetzung keine Pflicht zur Aufnahme der Tätigkeit am neuen Arbeitsplatz gegeben ist. Wir hatten auf die dahingehende Rechtsprechungsänderung an anderer Stelle hingewiesen9. Der dahingehende Gestaltungsspielraum wird zwar durch einen Interessenausgleich nicht erweitert. Denn auch der Interessenausgleich muss die Grundsatzentscheidung des § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB und die Grenzen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts beachten. Allerdings kann die Zuordnung der Arbeitnehmer zu Betrieben oder Betriebsteilen, die im Zuge einer Spaltung nach § 123 UmwG übertragen werden, gemäß § 323 Abs. 2 BGB nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden, wenn die Betriebsparteien diese Zuordnung im Rahmen eines Interessenausgleichs vornehmen. Da der Abschluss eines Interessenausgleichs an das Vorliegen einer Betriebsänderung geknüpft ist (§§ 111, 112 BetrVG), kommt diese Einschränkung einer gerichtlichen Überprüfbarkeit der Zuordnung von Arbeitnehmern im Vorfeld einer Spaltung nur für den Fall des Zusammenschlusses eines Betriebs oder der Spaltung eines Betriebs gemäß § 111 S. 3 Nr. 3 BetrVG in Betracht. Eine Sozialauswahl muss bei dieser Zuordnung von Arbeitnehmern grundsätzlich nicht erfolgen. Entgegen den Feststellungen des LAG Hamburg im Urteil vom 4.5.201610 dürfte dies aber nicht ausnahmslos gelten. Denn wenn 9 Boewer/AktuellAR 2017, 387 ff. 10 LAG Hamburg v. 4.5.2016 – 6 Sa 2/16 n. v. Rz. 110 ff., 113.

594

Ansprüche aus einer (möglichen) Betriebsvereinbarung nach Betriebsübergang

bereits zum Zeitpunkt der Zuordnung für den Arbeitgeber erkennbar ist, dass die einem Betriebsteil zugeordneten Arbeitnehmer im Anschluss an die Spaltung und Übertragung von einer Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bedroht sind, wird man bereits bei der Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts in den Grenzen billigen Ermessens auch Wertentscheidungen aus § 1 Abs. 3 KSchG berücksichtigen müssen. Dies entspricht Überlegungen des BAG im Zusammenhang mit einer gleichzeitigen Betriebsteilstilllegung und Betriebsteilübertragung. Auch hier nimmt das BAG an, dass bei der Auswahlentscheidung des Arbeitgebers in Bezug auf die Zuordnung von Arbeitnehmern auch das Alter, die Betriebszugehörigkeit, etwaige Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung zu berücksichtigen sind11. Vorsorglich sollte davon trotz der gegenteiligen Bewertung durch die vorstehend genannten LAG ausgegangen werden. (Ga)

3.

Verzicht des Arbeitnehmers auf Ansprüche aus einer (möglichen) Betriebsvereinbarung nach Betriebsübergang

Nach § 77 Abs. 4 S. 2 BetrVG kann ein Arbeitnehmer auf Rechte, die ihm durch Betriebsvereinbarung eingeräumt werden, nur mit Zustimmung des Betriebsrats verzichten. Da ein Sozialplan gemäß § 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG die Wirkung einer Betriebsvereinbarung hat, gelten dort die gleichen Grundsätze. Fehlt eine Zustimmung des Betriebsrats, ist der Verzicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig12. Voraussetzung ist allerdings, dass der Betriebsrat konkret weiß, welchen Anspruch der Arbeitnehmer aus der Betriebsvereinbarung hätte und in welchem Umfang darauf verzichtet werden soll13. Etwas anderes gilt dann, wenn Streit zwischen den Parteien über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Anspruch aus einer Betriebsvereinbarung besteht. Wenn insoweit ein Tatsachenvergleich abgeschlossen wird, ist dieser auch ohne Zustimmung des Betriebsrats wirksam. Streiten die Parteien hingegen über Rechtsfragen, die sich aus einer Betriebsvereinbarung oder einem Sozialplan ergeben, fällt eine vergleichsweise

11 BAG v. 27.4.2017 – 2 AZR 67/17, NZA 2017, 902 Rz. 15. 12 BAG v. 25.4.2017 – 1 AZR 714/15, BB 2017, 2035 Rz. 16; BAG v. 30.3.2004 – 1 AZR 85/03, NZA 2004, 1183 Rz. 41. 13 BAG v. 31.7.1996 – 10 AZR 138/96, BB 1997, 882; HWK/B. Gaul, BetrVG § 77 Rz. 3.

595

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Beilegung dieser Auseinandersetzung wieder in den Anwendungsbereich von § 77 Abs. 4 S. 2 BetrVG. In seinem Urteil vom 25.4.201714 hat das BAG nicht nur diese Grundsätze zum Anwendungsbereich von § 77 Abs. 4 S. 2 BetrVG bestätigt. Darüber hinaus hat es wichtige Feststellungen zur Rechtsnatur von Überleitungsbetriebsvereinbarungen und zu der Folge der Auflösung eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen in Bezug auf Betriebsvereinbarungen getroffen. In dem zugrundeliegenden Fall war die Klägerin im Jahre 2010 im Rahmen eines Betriebsübergangs von der UAG auf die Beklagte übergegangen. Im Zusammenhang damit hatten der Gesamtbetriebsrat der UAG, die UAG und die Beklagte eine Betriebsvereinbarung (BV 2010) abgeschlossen, nach der Regelungen einer Betriebsvereinbarung zur Strategieumsetzung vom 21.4.2004 im Zusammenhang mit der etwaigen Beendigung von Arbeitsverhältnissen zur Anwendung kommen sollten. Diese BV 2004 war nach ihrem Rubrum durch die Beklagte, eine H-Gesellschaft mbH & Co. KG und den Betriebsrat der beiden Gesellschaften, vertreten durch die Vorsitzende und die stellvertretende Vorsitzende, abgeschlossen worden. Nach Maßgabe der BV 2004 war unter bestimmten Voraussetzungen bei einer betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung zu zahlen. Im Jahre 2011 sollte dann das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Wege eines Betriebsteilübergangs von der Beklagten auf die UGBS übergehen. Die Klägerin widersprach indes dem Übergang des Arbeitsverhältnisses und wurde im Anschluss daran durch die Beklagte betriebsbedingt gekündigt. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses stritten die Parteien auch über das Bestehen eines Anspruchs auf Zahlung einer Sozialplanabfindung. Diesen Streit beendeten die Parteien durch einen Vergleich, den das LAG gemäß § 278 Abs. 6 festgestellt hatte. Er lautete auszugsweise wie folgt: 1. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis … zum 31.12.2012 geendet hat. … 3. Die Beklagte zahlt an die Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung … in Höhe von brutto EUR 105.000,00 … 8. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind sämtliche beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, abgegolten. …

14 BAG v. 25.4.2017 – 1 AZR 714/15, BB 2017, 2035 Rz. 15 ff.

596

Ansprüche aus einer (möglichen) Betriebsvereinbarung nach Betriebsübergang

Für die Klägerin war der Rechtsstreit über die Abfindung mit Abschluss des Vergleichs nicht beendet. Sie erhob Klage auf Zahlung der Differenz zwischen den vereinbarten 150.000,00 € und dem Abfindungsanspruch, der sich aus der BV 2004 ergeben hätte. Konkret ging es dabei um 65.190,33 €. Für das BAG war damit zu entscheiden, ob die Klägerin mit dem gerichtlichen Vergleich, dem der Betriebsrat nicht zugestimmt hatte, wirksam auf Ansprüche auf eine Sozialplanabfindung nach Maßgabe der BV 2004 verzichtet hatte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es sich bei einer entsprechenden Zusage gegenüber der Klägerin zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht mehr um einen Anspruch aus einer Betriebsvereinbarung bzw. einem Sozialplan gehandelt hätte. Denn dann war der Verzicht auch ohne Zustimmung des Betriebsrats wirksam. Zunächst einmal hat es das BAG abgelehnt, die BV 2010 als eine kollektivrechtliche Anspruchsgrundlage für die Klägerin anzuerkennen. Die BV 2010 war zwischen der UAG als Betriebsveräußerin und der Beklagten als Betriebserwerberin sowie dem Gesamtbetriebsrat der UAG abgeschlossen worden. Da die Betriebsparteien mit einer Betriebsvereinbarung aber nur Rechte und Pflichten im Verhältnis zueinander festlegen könnten, sei es ausgeschlossen, unmittelbar und zwingend geltende Ansprüche auch gegenüber und zu Lasten Dritter – etwa gegenüber einem Betriebserwerber – zu begründen15. Konsequenz daraus ist, dass eine Überleitungsbetriebsvereinbarung einen kollektivrechtlichen Anspruch der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmern nur dann begründen kann, wenn der Betriebsrat – was im Rahmen des Übergangsmandats gemäß § 21 a BetrVG der Fall sein kann – zuständig ist, auch im Verhältnis zum Betriebserwerber Betriebsvereinbarungen abzuschließen. Der Gesamtbetriebsrat, der die BV 2010 als Arbeitnehmervertreter abgeschlossen hatte, besaß diese unternehmensübergreifende Zuständigkeit nicht. Ob die Beklagte durch ihre Beteiligung am Abschluss der BV 2010 eine einzelvertragliche Zusage gegenüber der Klägerin gemacht hatte, konnte das BAG zu Recht offenlassen. Denn auf den damit begründeten Anspruch hätte die Klägerin durch Abschluss des gerichtlichen Vergleichs wirksam auch ohne Zustimmung des Betriebsrats verzichten können. Entscheidend war damit, ob die BV 2004 noch als Betriebsvereinbarung für die Klägerin Geltung beanspruchte. Die BV 2004 war weder befristet ge15 BAG v. 25.4.2017 – 1 AZR 714/15, BB 2017, 2035 Rz. 22; BAG v. 11.1.2011 – 1 AZR 375/09, NZA 2012, 176 Rz. 14.

597

Betriebsänderung und Betriebsübergang

schlossen noch gekündigt worden. Allerdings setzte ihre kollektivrechtliche Geltung als Betriebsvereinbarung den Fortbestand der betrieblichen Einheit, für die sie vereinbart worden war, voraus. Ob dies der Fall war, ließ sich auf der Grundlage der tatbestandlichen Feststellungen des LAG nicht abschließend feststellen. Insoweit hat das BAG die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. Wenn man allein das Rubrum der BV 2004 nehmen würde, wäre wohl davon auszugehen, dass sie durch die Beklagte, die H-Gesellschaft mbH & Co. KG und einen einzigen Betriebsrat abgeschlossen wurde. Unter dieser Voraussetzung wäre eine kollektivrechtliche Fortgeltung bei der Beklagten nur dann denkbar, wenn der Betrieb, für den sie abgeschlossen wurde, als betriebsverfassungsrechtlicher Bezugspunkt bis zum Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung fortbestanden hätte. Das aber war zweifelhaft, weil nicht erkennbar war, welche Rolle die H-Gesellschaft mbH & Co. KG für die Kennzeichnung dieser betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit besessen hat. Aus Sicht des 1. Senats des BAG sind insoweit zwei Alternativen denkbar: Zum einen könnte die Beklagte und die H-Gesellschaft mbH & Co. KG zum Zeitpunkt des Abschlusses der BV 2004 einen Gemeinschaftsbetrieb geführt haben. Wenn dieser zu einem späteren Zeitpunkt aufgelöst worden wäre, würde dies die Beendigung der Betriebsidentität und damit auch der BV 2004 zur Folge haben. Habe zum damaligen Zeitpunkt kein Gemeinschaftsbetrieb bestanden, könnte die BV 2004 der Sache nach zwei (gleichlautende) Betriebsvereinbarungen enthalten, deren eine den (weiterhin bestehenden) Betrieb der Beklagten beträfe. In diesem Fall wäre es eine weiterhin unmittelbar und zwingend geltende Betriebsvereinbarung, auf die die Klägerin nur mit Zustimmung des Betriebsrats hätte verzichten können. Grundsätzlich erscheint es richtig, dass das BAG hier dem Landesarbeitsgericht aufgibt, die frühere Betriebsstruktur bei Abschluss der BV 2004 und ihrer Entwicklung bis zum Ausspruch der Kündigung festzustellen. Es wird Aufgabe der Parteien sein, hierzu vorzutragen. Soweit das BAG allerdings annimmt, dass die Auflösung des Gemeinschaftsbetriebs automatisch zur Beseitigung der Betriebsidentität führt, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr wird man einzelfallbezogen unter Berücksichtigung qualitativer und quantitativer Veränderungen klären müssen, ob die Beendigung tatsächlich zu einer Auflösung des Betriebs oder zum Fortbestand des Betriebs bei einem der beteiligten Rechtsträger geführt hat. Entscheidend dürfte dabei vor allem sein, wie viele Arbeitnehmer bei den beiden am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen beschäftigt waren und welche organisatorischen Veränderungen in Bezug auf die Betriebsstruktur im Zusammenhang 598

Pflicht zur Unterrichtung über das für den Erwerber geltende Sozialplanprivileg

mit der Beendigung des Gemeinschaftsbetriebs erfolgt sind. Wenn die der H-Gesellschaft mbH & Co. KG zuzuordnenden Arbeitnehmer nur eine untergeordnete Bedeutung besaßen und keine wesentlichen organisatorischen Veränderungen erfolgt sind, ist von einem Fortbestand des Betriebs bei der Beklagten und damit auch einer kollektivrechtlichen Fortgeltung der BV 2004 auszugehen. (Ga)

4.

Betriebsübergang: Pflicht zur Unterrichtung über das für den Erwerber geltende Sozialplanprivileg

a)

Ausgangssituation

In Übereinstimmung mit Art. 7 Abs. 6 Richtlinie 2001/23/EG verpflichtet § 613 a Abs. 5 BGB den bisherigen Arbeitgeber oder den neuen Inhaber, die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang zu unterrichten über • den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs (§ 613a Abs. 5 Nr. 1 BGB), • den Grund für den Übergang (§ 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB), • die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer (§ 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB) und • die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen (§ 613a Abs. 5 Nr. 4 BGB).

Zusätzlich zu den gesetzlich ausdrücklich normierten Unterrichtungsgegenständen beinhaltet eine ordnungsgemäße Unterrichtung zunächst die Information über die Person des Erwerbers16. Denn ohne dessen Kenntnis kann der Arbeitnehmer nicht entscheiden, ob er für den neuen Inhaber weiterarbeiten oder dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen will. Für die betriebliche Praxis hat die Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB besondere Relevanz, weil die einmonatige Frist zum Widerspruch nach § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB in Lauf gesetzt wird. Darauf hat das BAG noch einmal im Urteil vom 15.12.201617 hingewiesen. Problematisch daran ist, 16 BAG v. 23.7.2009 – 8 AZR 539/08 n. v. Rz. 23 f.; LAG Düsseldorf v. 14.10.2015 – 1 Sa 733/15, BB 2015, 2676 Rz. 52 f. 17 BAG v. 15.12.2016 – 8 AZR 612/15, NZA 2017, 783 Rz. 34; BAG v. 19.11.2015 – 8 AZR 773/14, NZA 2016, 647 Rz. 27.

599

Betriebsänderung und Betriebsübergang

dass die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang Anforderungen an den Inhalt der Unterrichtung entwickelt hat, die kaum noch fehlerfrei zu erfüllen sind und deshalb eine erhebliche Erweiterung des Risikos des Betriebsveräußerers und damit auch seiner unternehmerischen Freiheit zur Folge haben, ohne dass der EuGH um Vorabentscheidung ersucht wurde, ob die darin liegende Auslegung und Anwendung von § 613 a Abs. 5 BGB im Lichte von Art. 7 Abs. 1, 6 Richtlinie 2001/23/EG noch mit der durch Art. 16 GRC gewährleisteten unternehmerischen Freiheit vereinbar ist. Die Verpflichtung zu deren Berücksichtigung folgt unmittelbar aus Art. 51 GRC. Dass die Richtlinie 2001/23/EG das Recht zum Widerspruch nicht bestimmt, steht der Notwendigkeit einer unionsrechtlichen Überprüfung nicht entgegen. Denn Ausgangspunkt der hier in Rede stehenden Folgen ist die unionsrechtlich vorgegebene Unterrichtungspflicht in ihrer durch die Rechtsprechung vorgenommenen Bedeutung.

b)

Sozialplanprivileg als Bestandteil der wirtschaftlichen Folgen des Betriebsübergangs

Der weitreichende Charakter der Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5 BGB wird beispielhaft deutlich, wenn man die Interpretation der wirtschaftlichen Folgen betrachtet, die im Unterrichtungsschreiben dargelegt werden müssen. Zu den wirtschaftlichen Folgen im Sinne von § 613 a Abs. 5 Nr. 3 BGB gehören solche Veränderungen, die sich nicht als rechtliche Folge unmittelbar den Bestimmungen des § 613 a Abs. 1 bis 4 BGB entnehmen lassen18. Unter Verweis auf dieses Tatbestandsmerkmal, welches zunehmend den Charakter einer „Generalklausel“ erhält, verlangt die Rechtsprechung zunehmend auch Angaben zu den mittelbaren Folgen eines Betriebs(teil-)übergangs, wenn darin ein relevantes Kriterium für einen möglichen Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses gesehen werden muss. Hierzu sollen beispielsweise Informationen darüber gehören, dass „die rechtlichen Rahmenbedingungen beim Erwerber zu keiner Sicherung der Arbeitnehmer führen“19. Eine dahingehende Unterrichtungserheblichkeit wird beispielsweise der Frage beigemessen, ob das Arbeitsverhältnis nach dem Übergang bei dem Erwerber weiterhin dem Kündigungsschutz des KSchG unterfällt.

18 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 783/13, NZA 2015, 866 Rz. 25; BAG v. 14.11.2013 – 8 AZR 824/12, NZA 2014, 610 Rz. 30; BAG v. 10.11.2011 – 8 AZR 430/10, NZA 2012, 584 Rz. 28. 19 LAG Düsseldorf v. 14.10.2015 – 1 Sa 733/15, BB 2015, 2676 Rz. 59.

600

Pflicht zur Unterrichtung über das für den Erwerber geltende Sozialplanprivileg

Mit der vorstehend genannten Entscheidung des BAG vom 15.12.201620 hat das BAG noch einmal seine Auffassung bestätigt, nach der im Unterrichtungsschreiben auch ein Hinweis erforderlich ist, wenn der Erwerber das Sozialplanprivileg nach § 112 a Abs. 2 BetrVG für sich in Anspruch nehmen kann21. Erscheint es zweifelhaft, ob die Voraussetzungen des § 112 a BetrVG vorliegen, soll das Informationsschreiben jedenfalls eine Aussage dahin erhalten, dass diese Frage in rechtlicher Hinsicht unklar ist und welche Auffassung der alte und neue Arbeitgeber hierzu vertreten22. Die bloße Information darüber, dass es sich bei dem Erwerber um eine neu gegründete Gesellschaft handelt, soll nicht ausreichend sein23. Allerdings soll ein Fehler in der Unterrichtung, der sich (allein) aus einem nicht ordnungsgemäßen Hinweis auf das Sozialplanprivileg des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG ergibt, mit Ablauf von vier Jahren seit der Gründung des neuen Inhabers kraft Gesetzes geheilt werden24. Denn dann findet auch das Privileg keine Anwendung mehr. Diese „rechtliche Zäsur“ habe zur Folge, dass sich der Arbeitnehmer jedenfalls bei solchen Widersprüchen, die erst im Anschluss daran erklärt würden, nicht mehr auf das Fehlen eines Hinweises auf das Sozialplanprivileg berufen könne. Eine erneute Unterrichtung darüber sei nicht erforderlich25. Dieses Verständnis von § 613 a Abs. 5 BGB liegt auf der Linie der aktuellen Rechtsprechung. Denn von unterrichtungsbedürftigen „wirtschaftlichen“ Folgen des Betriebs(teil-)übergangs geht sie auch dann aus, wenn die ökonomischen Rahmenbedingungen des Betriebs(teil-)übergangs zu einer so gravierenden Gefährdung der wirtschaftlichen Absicherung der Arbeitnehmer bei dem neuen Betriebsinhaber führen, dass dies als ein wesentliches Kriterium für einen möglichen Widerspruch der Arbeitnehmer gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses anzusehen ist26. Dementsprechend seien die beteiligten Arbeitgeber zwar nicht verpflichtet, über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Betriebsübernehmers im Einzelnen zu unterrich-

20 BAG v. 15.12.2016 – 8 AZR 612/15, NZA 2017, 783 Rz. 36 f. 21 Ebenso BAG v. 14.11.2013 – 8 AZR 824/12, NZA 2014, 610 Rz. 31; BAG v. 10.11.2011 – 8 AZR 430/10, NZA 2012, 584 Rz. 28; LAG Sachsen-Anhalt v. 1.9.2015 – 6 Sa 221/14 n. v. Rz. 66. 22 LAG Sachsen-Anhalt v. 1.9.2015 – 6 Sa 221/14 n. v. Rz. 68; offen gelassen durch BAG v. 15.12.2016 – 8 AZR 612/15, NZA 2017, 783 Rz. 28. 23 LAG Sachsen-Anhalt v. 1.9.2015 – 6 Sa 221/14 n. v. Rz. 68. 24 BAG v. 15.12.2016 – 8 AZR 612/15, NZA 2017, 783 Rz. 28, 39. 25 BAG v. 15.12.2016 – 8 AZR 612/15, NZA 2017, 783 Rz. 40 f. 26 BAG v. 15.12.2016 – 8 AZR 612/15, NZA 2017, 783 Rz. 53; LAG Sachsen-Anhalt v. 1.9.2015 – 6 Sa 221/14 n. v. Rz. 66.

601

Betriebsänderung und Betriebsübergang

ten27. Allerdings müsse die wirtschaftliche Lage des Erwerbers thematisiert werden, wenn sie „Widerspruchsrelevanz“ besitze. Dies soll regelmäßig der Fall sein, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Erwerbers zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Absicherung der Arbeitnehmer führen28. Vor diesem Hintergrund müssen die Arbeitnehmer informiert werden, ob bisher dem übergehenden Betrieb zuzurechnende Vermögensgegenstände von erheblichem Wert, zu denen das Grundvermögen zählt, auf den Betriebserwerber mit übergehen29. Auch muss es den Arbeitnehmern mitgeteilt werden, wenn bestimmte für die Fortsetzung des Betriebs relevante Betriebsmittel bzw. Verträge nicht auf den Erwerber übergehen bzw. dort auslaufen. So hat die Rechtsprechung beispielsweise den Hinweis an die von einem Betriebsübergang betroffenen Mitarbeiter eines Gastronomiebetriebs, bei dem Erwerber sei die unveränderte Fortführung des Betriebs vorgesehen, als unzureichend angesehen, weil der zugrundeliegende Pachtvertrag im Zeitpunkt der Unterrichtung noch nicht verlängert worden war. Zur vollständigen Unterrichtung hätte hier darauf aufmerksam gemacht werden müssen, dass „trotz aller positiven Tendenzen die Verhandlungen über die Verlängerung des Pachtvertrags noch nicht abgeschlossen waren und der Vertrag noch nicht unterzeichnet war“30. In Übereinstimmung mit dieser Bewertung müssen die Arbeitnehmer auch informiert werden, wenn die wirtschaftliche Notlage des Betriebserwerbers offensichtlich ist, wie z. B. bei einem bereits eingeleiteten Insolvenzverfahren31. Auch soll in der Unterrichtung auf das Fehlen einer Patronatserklärung zugunsten des Erwerbers hingewiesen werden müssen, wenn der Erwerber Schulden des Veräußerers übernimmt, selbst aber nur über ein „geringes“32 Haftungskapital verfügt33. In ähnlicher Weise hat die Rechtsprechung die Vereinbarung eines „negativen Kaufpreises“ als unterrichtungspflichtig qualifiziert, da sich daraus das (widerspruchsrelevante) Indiz ableiten lasse, der

27 BAG v. 15.12.2016 – 8 AZR 612/15, NZA 2017, 783 Rz. 54; BAG v. 31.1.2008 – 8 AZR 1116/06, NZA 2008, 642 Rz. 33. 28 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 783/13, NZA 2015, 866 Rz. 25. 29 BAG v. 31.1.2008 – 8 AZR 1116/06, NZA 2008, 642 Rz. 34. 30 LAG Sachsen-Anhalt v. 1.9.2015 – 6 Sa 221/14 n. v. Rz. 60. 31 BAG v. 31.1.2008 – 8 AZR 1116/06, NZA 2008, 642 Rz. 33. 32 Als „gering“ wurde im Streitfall ein Stamm- und damit Haftungskapital des Erwerbers von 50.000,– € bei mehr als 3.000 übernommenen Arbeitnehmern angesehen (LAG München v. 9.10.2008 – 4 Sa 411/08 n. v. Rz. 87 f.). 33 LAG München v. 9.10.2008 – 4 Sa 411/08 n. v. Rz. 87; LAG München v. 25.9.2008 – 3 Sa 266/08 n. v. Rz. 52; LAG München v. 19.9.2008 – 3 Sa 128/08 n. v. Rz. 44.

602

Geltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach Betriebsübergang

übergehende Betrieb sei „nicht viel wert“34. Gleiches nimmt die Rechtsprechung an, wenn sich infolge des Betriebsübergangs die für die Forderungen des Arbeitnehmers aus seinem Arbeitsverhältnis zur Verfügung stehende Haftungsmasse in erheblichem Umfang verringert. Die Tatsache der nicht unerheblichen Verringerung der verbleibenden Haftungsgrundlage soll einen Umstand darstellen, auf dessen Kenntnis der Arbeitnehmer Anspruch hat35. Unabhängig davon, dass bereits unklar ist, wo genau die „Erheblichkeitsschwelle“ liegt, die eine Unterrichtungspflicht auslösen soll, zeigt dies die Schwierigkeit für die beteiligten Rechtsträger, der Richtigkeit und Vollständigkeit der Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB Genüge zu tun. Dass dazu auch die Anwendbarkeit des Sozialplanprivilegs nach § 112 a Abs. 2 BGB gehören soll, mag angesichts der denkbaren Gefährdung der wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei einer künftigen Betriebsänderung emotional nachvollziehbar erscheinen. § 613 a Abs. 5 BGB spricht aber von den „Folgen des Übergangs“, nicht von theoretisch denkbaren Gefährdungen im Rahmen einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, hinsichtlich derer Prognosen für eine Eintrittswahrscheinlichkeit ausgeschlossen sind. Auch Art. 7 Abs. 1, 6 Richtlinie 2001/23/EG nennen nur die Folgen und begrenzen weitergehende Auskünfte auf die Konsequenzen etwaiger Maßnahmen, die zum Zeitpunkt der Unterrichtung bereits geplant sind. Abweichend hiervon nimmt das BAG die Unterrichtungspflicht in Bezug auf § 112 a Abs. 2 BetrVG auch dann an, wenn – was nicht überzeugt – eine Betriebsänderung zum Zeitpunkt der Unterrichtung nicht geplant ist, also gar nicht erkennbar ist, ob das Sozialplanprivileg überhaupt zur Anwendung kommt. Allerdings zeigt sich auch hier – vergleichbar mit der Diskussion über die Kennzeichnung der sozialen Folgen des Übergangs – die zunehmend schwierige Kennzeichnung der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB, deren Risiken vor allem den Betriebsveräußerer treffen. (Ga/Ot)

5.

Geltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach Betriebsübergang

In der Vergangenheit hat sich das BAG bereits mehrfach mit der Frage befasst, auf welche Weise die Rechte und Pflichten, die bis zum Übergang eines Arbeitsverhältnisses durch Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt sind, 34 LAG München v. 9.10.2008 – 4 Sa 411/08 n. v. Rz. 87; a. A. (mit einzelfallbezogener Begründung) BAG v. 15.12.2016 – 8 AZR 612/15, NZA 2017, 783 Rz. 56. 35 BAG v. 31.1.2008 – 8 AZR 1116/06, NZA 2008, 642 Rz. 32.

603

Betriebsänderung und Betriebsübergang

im Anschluss daran beim Erwerber weitergelten. Dabei hat sich das BAG in überzeugender Weise der Auffassung angeschlossen, dass die Regelungen einer Gesamtbetriebsvereinbarung als Betriebsvereinbarung kollektivrechtlich nicht nur dann weitergelten, wenn ein Betrieb unter Wahrung seiner Betriebsidentität übertragen wird. Es kommt auch dann zu einer kollektivrechtlichen Fortgeltung als Betriebsvereinbarung, wenn nur ein Betriebsteil übertragen wird, sofern dieser beim Erwerber als eigenständiger Betrieb fortgeführt wird. Hiervon ausgehend kommt § 613 a S. 2 bis 4 BGB nur zur Anwendung, wenn die von einer Übertragung betroffenen Betriebe oder Betriebsteile im Anschluss daran mit Einheiten zusammengeschlossen werden, die bereits beim Erwerber bestehen. Unter Bezugnahme auf die Urteile des BAG vom 18.2.201536 und 5.5.201537 hatten wir darauf zuletzt im Jahre 2015 hingewiesen38. In seinem Beschluss vom 24.1.201739 hat das BAG diese Rechtsprechung zunächst einmal bestätigt. Nach seiner Auffassung gilt dies jedenfalls dann, wenn der Gegenstand der Gesamtbetriebsvereinbarung beim Erwerber nicht bereits normativ geregelt ist. In diesem Fall würde es zu einer Ablösung der Betriebsvereinbarung durch einen Tarifvertrag oder eine andere Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung kommen. Einschränkend stellt das BAG in seinem Beschluss allerdings klar, dass eine weitere Geltung des Inhalts einer Gesamtbetriebsvereinbarung ausnahmsweise ausgeschlossen sein kann, wenn der Inhalt der Gesamtbetriebsvereinbarung zwingend die Zugehörigkeit zu dem bisherigen Unternehmen verlangt. In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Gesamtbetriebsrat mit dem übertragenen Rechtsträger eine „Gesamtbetriebsvereinbarung … zur Erfüllung der Informationsansprüche des Wirtschaftsausschusses des Gesamtbetriebsrats im Sinne des § 106 Abs. 2 BetrVG“ abgeschlossen. In dieser Gesamtbetriebsvereinbarung waren Art, Inhalt und Zeitpunkt der Unterrichtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten geregelt. Wesentliche Vorgaben betrafen dabei die Frage, ob und inwieweit eine sonstige Unterrichtung auch auf Konzern- und Betriebsebene erfolgen sollte. Darüber hinaus hatten die Parteien vereinbart, dass neben einem sogenannten „Standardreporting“ eine Übersicht zu der wirtschaftlichen Situation der mit dem Arbeitgeber unmittelbar konzernrechtlich verbundenen Unternehmen (konsolidierte Gesamt-

36 37 38 39

BAG v. 1/8.2.2015 – 4 AZR 778/13, NZA 2015, 960. BAG v. 5.5.2015 – 1 AZR 763/13, NZA 2013, 1331. B. Gaul, AktuellAR 2016, 658 ff. BAG v. 24.1.2017 – 1 ABR 24/15, NZA-RR 2017, 413 Rz. 14 f.

604

Geltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach Betriebsübergang

darstellung) erfolgen sollte. Deshalb sollte es auch ein ergänzendes Gespräch zwischen dem Wirtschaftsausschuss und Konzernvertretern geben. Nachdem alle Betriebe auf verschiedene Rechtsträger übertragen worden waren, stellte sich bei einem der Arbeitgeber für den dort gebildeten Betriebsrat die Frage, ob der neu errichtete Wirtschaftsausschuss dieses Betriebsrats auf die Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung zurückgreifen konnte. Dies hätte eine umfassende und auch konzernbezogene Unterrichtungspflicht des neuen Arbeitgebers bedeutet, obwohl dieser nicht Konzernobergesellschaft war. Das BAG hat eine Fortgeltung der Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung abgelehnt. Zwar bot die Übertragung des Betriebs- oder Betriebsteils die Möglichkeit, dass die Regelungen einer Gesamtbetriebsvereinbarung beim Erwerber kollektivrechtlich als Betriebsvereinbarung weitergalten. Von einer solchen Fortgeltung wäre in entsprechender Weise auch dann auszugehen, wenn die Gesamtbetriebsvereinbarung – wofür einiges sprach – als Regelungsabrede zwischen der Rechtsvorgängerin und dem Gesamtbetriebsrat zu qualifizieren gewesen wäre. Denn auch ein möglicher Unternehmensbezug der durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung ausgestalteten Angelegenheit hindere deren Fortgeltung bei einem Betriebserwerber grundsätzlich nicht. Den Interessen des übernehmenden Rechtsträgers werde dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass er mit der zuständigen Arbeitnehmervertretung oder mit Hilfe der im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Konfliktlösungsmöglichkeiten Regelungen treffen könne, durch die der Inhalt der Betriebsvereinbarung unternehmensbezogen angepasst werden könne. Auch der Wegfall des Gesamtbetriebsrats führe deshalb nicht zu einer Beendigung der normativen Wirkung von ihm geschlossener Vereinbarungen40. Aus Sicht des BAG ist von einer solchen Fortgeltung allerdings abzurücken, wenn der Inhalt der betreffenden Regelung zwingend an die Zugehörigkeit zum bisherigen Unternehmen geknüpft ist. Das könne der Fall sein, wenn das mit der Vereinbarung verbundene Ziel nur im Unternehmen des vormaligen Arbeitgebers sinnvoll verwirklicht werden könne41. Hiervon ausgehend ist der 1. Senat des BAG im Beschluss vom 24.1.201742 davon ausgegangen, dass die Arbeitgeberin die zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und dem dort gebildeten Gesamtbetriebsrat geschlossene Gesamt40 BAG v. 24.1.2017 - 1 ABR 24/15, NZA-RR 2017, 413 Rz. 14 f.; BAG v. 5.5.2015 – 1 AZR 763/13, NZA 2015, 1331 Rz. 51, 53. 41 BAG v. 24.1.2017 - 1 ABR 24/15, NZA-RR 2017, 413 Rz. 16; Bachner, NJW 2003, 2861, 2863. 42 BAG v. 24.1.2017 – 1 ABR 24/15, NZA-RR 2017, 413 Rz. 17 ff.

605

Betriebsänderung und Betriebsübergang

betriebsvereinbarung nicht weiter anwenden müsse. Regelungsgegenstand der Gesamtbetriebsvereinbarung sei keine lediglich auf der Ebene des Unternehmens ausgestaltete betriebliche Angelegenheit. Vielmehr regelte die Vereinbarung spezifisch Unterrichtungs- und Beratungsansprüche für einen bei einem herrschenden Konzernunternehmen vom Gesamtbetriebsrat gebildeten Wirtschaftsausschuss, bei dem weitere Betriebe mit Betriebsräten bestehen. Damit knüpfe die Gesamtbetriebsvereinbarung zwingend an eine bei der Rechtsvorgängerin bestehende unternehmens- und betriebsverfassungsrechtliche Struktur an, die bei der Arbeitgeberin nicht bestehe. Der Entscheidung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Wichtig ist, dass solche Rechtsfolgen als Besonderheit nicht nur im Rahmen einer Due Diligence beachtet werden. Es kann erforderlich sein, diese Besonderheiten auch im Rahmen der Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB zu berücksichtigen. (Ga)

606

J. Aktuelles aus Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht 1.

Sperrzeit nach Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses

Durch Altersteilzeitarbeit soll älteren Arbeitnehmern ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglicht werden (§ 1 Abs. 1 ATG). Hiervon ausgehend muss sich die Vereinbarung über die Absenkung der Arbeitszeit zumindest auf die Zeit erstrecken, bis eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 ATG). Unerheblich ist dabei, ob es sich um eine ungekürzte Altersrente oder um eine vorzeitige Altersrente handelt, bei der Abschläge vorgenommen werden. Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Vorgaben war es in der betrieblichen Praxis nicht nur üblich, eine Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze für den Bezug von Regelaltersrente gemäß § 35 SGB VI enden zu lassen. Vielmehr haben die Arbeitsvertragsparteien auch den Umstand genutzt, dass Altersrente für langjährig Versicherte, besonders langjährig Versicherte und schwerbehinderte Menschen gemäß §§ 36 ff. SBG VI bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch genommen werden kann. Soweit Abschläge in Kauf genommen werden, kann die Altersrente für langjährig Versicherte oder für schwerbehinderte Menschen auch vorzeitig in Anspruch genommen werden. Insbesondere die Einführung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte gemäß § 38 SBG VI hat dann allerdings für Arbeitnehmer, deren Altersteilzeitarbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt enden sollte, an dem vorzeitige – also gekürzte – Altersrente in Anspruch genommen werden konnte, zu einer besonderen Problematik geführt. Denn mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wäre es ihnen zwar möglich gewesen, unmittelbar Altersrente für langjährig Versicherte oder schwerbehinderte Menschen in Anspruch zu nehmen. Wenn sie zugleich auch die Voraussetzungen einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte erfüllten, war es denkbar, dass – gegebenenfalls nach einer mehrmonatigen Wartezeit – statt der (vorzeitigen) Altersrente für langjährig Versicherte oder der Altersrente für schwerbehinderte Menschen die Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch genommen werden konnte. Da diese Altersrente ungekürzt gewährt wird und grundsätzlich ein Wechsel der Altersrente nach erstmaliger Inanspruchnahme ausgeschlossen ist, haben viele der hiervon betroffenen Arbeitnehmer 607

Aktuelles aus Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

nach Wegen gesucht, die Zeit zwischen der Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt zu überbrücken, von dem an Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch genommen werden kann. Soweit diese Zeit nicht – was zum Teil geschehen ist – durch Abschluss eines Arbeitsverhältnisses und tatsächliche Tätigkeit überbrückt wurde, kam auch der Eintritt von Arbeitslosigkeit in Betracht. Da Arbeitslosengeld bis zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden kann, von dem an eine ungekürzte gesetzliche Altersrente gewährt wird, war die Inanspruchnahme dieser Leistungen der Arbeitslosenversicherung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Umstritten war allerdings, ob der Verzicht auf die sofortige Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente zu einer Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III führt. In seinem Urteil vom 24.2.20171 ist das LSG Baden-Württemberg noch davon ausgegangen, dass eine entsprechende Sperrzeit durch die Agentur für Arbeit zu Recht festgesetzt wurde. Denn die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis gelöst, indem sie durch Vereinbarung mit dem früheren Arbeitgeber ihr unbefristetes Arbeitsverhältnis im Rahmen einer Vereinbarung über den Wechsel in Altersteilzeit in ein befristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt habe. Dabei habe sie gewusst, dass im Anschluss daran keine konkrete Aussicht und auch Absicht bestanden habe, eine Anschlussbeschäftigung aufzunehmen. Zwar habe sie sich in diesem Zusammenhang zunächst einmal auf einen wichtigen Grund im Sinne des § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III berufen können. Eine solche Rechtfertigung liege immer dann vor, wenn ein Arbeitnehmer bei Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung beabsichtige, nahtlos von der Altersteilzeit in den Rentenbezug zu wechseln und davon auch prognostisch auszugehen sei. Voraussetzung für die weitere Anerkennung bei einer Bescheidung über den Antrag auf Arbeitslosengeld sei aber, dass dieser wichtige Grund auch noch zu dem Zeitpunkt bestehe, in dem der Arbeitnehmer im Anschluss an die Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen wolle. Dies sei nicht mehr der Fall, wenn die Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes trotz der Möglichkeit einer Inanspruchnahme vorgezogener Altersrente begehrt werde, um persönliche Vorteile aus der späteren Inanspruchnahme einer anderen Form der gesetzlichen Altersrente zu gewinnen. Im Interesse der Versichertengemeinschaft sei es geboten, auch von einer Sperrzeit von zwölf Wochen auszugehen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn durch das Hinausschieben – was dort der Fall war – eine Arbeitslosigkeit von 15 Monaten in Rede stehe. 1

LSG Baden-Württemberg v. 24.2.2017 – L 8 AL 3805/16, NZA-RR 2017, 318.

608

6SHUU]HLWQDFK%HHQGLJXQJGHV$OWHUVWHLO]HLWDUEHLWVYHUKlOWQLVVHV

Denn von einer besonderen Härte, die nach § 159 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 lit. b SGB III zu einer Verkürzung der Sperrzeit auf sechs Wochen führen kann, sei allenfalls dann auszugehen, wenn das Hinausschieben des Rentenbeginns nur um maximal drei Monate erfolgen solle. In seinem Urteil vom 12.9.20172 nimmt das BSG eine hiervon abweichende Sichtweise ein. Nach seinen Feststellungen ist eine Sperrzeit nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer am Ende der Altersteilzeit entgegen seiner ursprünglichen Planung nicht sofort Altersrente in Anspruch nimmt, sondern zunächst Arbeitslosengeld beantragt, weil er – bedingt durch eine Gesetzesänderung – zu einem späteren Zeitpunkt abschlagsfrei in Rente gehen könne. Der wichtige Grund im Sinne des § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III, der in der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses durch Altersteilzeitarbeitsvertrag liege3, bleibe auch dann erhalten, wenn der Arbeitnehmer von diesen ursprünglichen Plänen zu einem späteren Zeitpunkt Abstand nehme. Wichtig ist allerdings für die Beurteilung vergleichbarer Fallgestaltungen, dass der Arbeitnehmer in dem der Entscheidung des BSG zugrundeliegenden Fall Arbeitslosengeld nur für einen Zeitraum von drei Monaten in Anspruch nehmen wollte. Nach Ablauf der drei Monate war es ihm möglich, eine ungekürzte Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch zu nehmen. Für eine Übertragbarkeit dieser Sichtweise auch auf längere Unterbrechungszeiträume spricht, dass das BSG jedenfalls in der Pressemitteilung die Ablehnung der Sperrzeit nicht mit der Dauer des Unterbrechungszeitraums begründet. Vielmehr stellt es ausdrücklich darauf ab, dass das Vorliegen eines wichtigen Grundes inhaltlich und auch zeitlich allein auf den das Beschäftigungsverhältnis auflösenden Akt zu prüfen sei. Wenn zu diesem Zeitpunkt – hier also bei Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags – ein wichtiger Grund für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben sei, könne dieser nicht zu einem späteren Zeitpunkt entfallen. Eine abschließende Bewertung wird man allerdings erst dann vornehmen können, wenn die vollständigen Gründe der Entscheidung vom 12.9.20174 vorliegen. (Ga)

2 3 4

BSG v. 12.9.2017 – B 11 AL 25/16 R n. v. Vgl. BSG v. 21.7.2009 – B 7 AL 6/08 R, NZA-RR 2010, 323 Rz. 12 ff. BSG v. 12.9.2017 – B 11 AL 25/16 R n. v.

609

Aktuelles aus Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

2.

Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2018 2017 West

2018 Ost

West

Ost

Monat

Jahr

Monat

Jahr

Monat

Jahr

Monat

Jahr

Beitragsbemessungsgrenze

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

(Rentenversicherung) *

6.350

76.200

5.700

68.400

6.500

78.000

5.800

69.600

Beitragsbemessungsgrenze

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

(Knappschaft) *

7.850

94.200

7.000

84.000

8.000

96.000

7.150

85.800

Beitragsbemessungsgrenze

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

(Arbeitslosenversicherung)*

6.350

76.000

5.700

68.400

6.500

78.000

5.800

69.600

Beitragsbemessungsgrenze

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

(Kranken- und Pflegeversi-

4.350

52.200

4.350

52.200

4.425

53.100

4.425

53.100

Versicherungspflichtgrenze

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

(Kranken- und Pflegeversi-

4.800

57.600

4.800

57.600

4.950

59.400

4.950

59.400

Bezugsgröße in der Sozial-

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

versicherung ***

2.975

35.700

2.660

31.920

3.045

36.540

2.695

32.340

Geringfügigkeitsgröße

EUR

EUR

EUR

EUR

450

450

450

450

cherung) *

cherung) **

* Hierbei handelt es sich um den Maximalbetrag, bis zu dem in der jeweiligen Sozialversicherung Beiträge erhoben werden dürfen. Der Einkommensanteil, der über diesem Grenzbetrag liegt, ist beitragsfrei. ** Eine private Krankenversicherung darf gewählt werden, wenn im vergangenen Jahr die Versicherungspflichtgrenze überschritten wurde und auch im aktuellen Kalenderjahr noch überschritten wird. *** In der gesetzlichen Krankenversicherung ist diese Bezugsgröße beispielsweise Grundlage für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder und das Mindestarbeitsentgelt. In der gesetzlichen Rentenversicherung stellt die Bezugsgröße die Grundlage für die Beitragsberechnung versicherungspflichtiger Selbständiger

610

1HXH%HLWUDJVEHPHVVXQJVJU|‰HQGHU6R]LDOYHUVLFKHUXQJ dar. In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gilt der Wert für den Westen bundeseinheitlich. (Mi)

611

Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen.

ABAKABA, Entgelttrans-

parenz 423 Abfindung - Betriebsratsmitglied 283 ff. - Sozialplan 194 f. Abfindungsangebot, Kündigung 192 ff. Abgeltungsanspruch, Erholungsurlaub 465 ff. Abordnungsvertretung, befristeter Arbeitsvertrag 436 ff. Abspaltung → Betriebsübergang AGB-Kontrolle - Allgemeine Geschäftsbedingungen 138 f. - Altvertrag 225 ff. - Anwendungsbereich 138 f. - Auslegung 139 - Betriebsrente 213 f. - Bezugnahmeklausel 225 - Gleichstellungsabrede 225 ff. - Individualabrede 138 - Kündigungsfrist 480 ff. - Neuvertrag 225 ff. - Pauschalierungsabrede 503 ff. - salvatorische Klausel 124 ff. - Schriftformklausel 138 - Schuldrechtsmodernisierung 225 - Teilkündigung 503 ff. - Versorgungszusage 213 f. - Vertragsänderung 228 f. - Widerrufsvorbehalt 453 ff., 504 ff. AGG - Ausschlussfrist 414 ff. - Besitzstand 458 ff. - Bewerberbegriff 77 ff.

AGG - Entschädigung 83 AGG-Hopper 79 ff. Aktiengesellschaft, Gehaltsgrenze 41 f. Alkohol, Kündigung 163 Allgemeine Geschäftsbedingungen, Auslegung 139 Allgemeinverbindlicherklärung - Formalerfordernisse 351 - gemeinsame Einrichtung 351 f. - Tarifvertrag 38 Alter, Sozialauswahl 491 ff. Ältere Arbeitnehmer - befristeter Arbeitsvertrag 364 ff., 368 ff. - Diskriminierung 458 ff. - Kündigung 486 f. - Sozialauswahl 491 ff. Altersdiskriminierung 458 ff. - Ausschlussfrist 584 - Lebensaltersstufe 584 - Regelaltersrente 491 ff. - Schadensersatz 461 - Schichtfreizeit 458 f. - Sozialauswahl 491 ff. Altersgrenze - Betriebsrente 215 ff. - Betriebsvereinbarung 280 f. Altersteilzeit - Abgeltungsanspruch 467 f. - Erholungsurlaub 146 ff., 465 ff. - Sperrzeit 607 ff. Altvertrag, AGB-Kontrolle 225 f. Änderungskündigung - betriebsbedingte 487 ff. 613

Stichwortverzeichnis

Änderungskündigung - Bezugnahmeklausel 234 f., 530 ff. - Entgelt 235 f. - Entgeltbereich 530 ff. - Massenentlassung 506 ff. - Tarifbindung 234 ff., 237 - teleologische Einschränkung 237 Änderungsvereinbarung, befristeter Arbeitsvertrag 380 ff. Anerkennungstarifvertrag - Bezugnahmeklausel 240 f. - Kündigung 240 f. - Nachwirkung 240 f. Anfechtung, Insolvenz 42 Anforderungsprofil, betriebsbedingte Kündigung 487 ff. Angehörige, Pflege 355 f. Anhörung Arbeitnehmer, außerordentliche Kündigung 498 f. Anhörung, Schwerbehindertenvertretung 183 f. Annahmeverzug - anderweitige Beschäftigung 500 f. - böswilliges Unterlassen 500 - Zwischenverdienst 499 ff. Anpassung, Betriebsrente 218 ff. Anti-Stress-Verordnung, Gefährdungsbeurteilung 43 f. Anzeigepflicht, Arbeitsunfähigkeit 161 f. Äquivalenzgrundsatz 416 Arbeiten 4.0 29 ff. - Datenschutz 32 - digitaler Wandel 30 f. - Kündigung 487 ff. - Mitbestimmung 32 614

Arbeiten 4.0 - Sozialversicherung 33 - Tarifbindung 32 - Wahlarbeitsgesetz 32 - Weiterbildung 31 Arbeitgeber - Lohnsteuerabzug 303 f. - Tarifbindung 2 Arbeitgeberzuschuss, Entgeltumwandlung 342 f. Arbeitnehmer - Anzeigepflicht 110 ff. - Arbeitszeitverlängerung 432 ff. - Datenschutz 329 ff. - Kennzeichnung 392 ff. Arbeitnehmerfreizügigkeit, Unternehmensmitbestimmung 244 f., 539 ff. Arbeitnehmerüberlassung - Arbeitgeberbezug 70 - Arbeitgeberwechsel 70, 73 f. - Arbeitnehmerbezug 70 - Arbeitnehmerüberlassungsvertrag 68 f. - Arbeitsplatzbezug 70 - Arbeitsvertrag 63 f. - AÜG-Reform 59 ff. - Ausland 46 f., 67 - Begriff 59 ff., 61 f., 66 f. - Betriebsbezug 70 - Bezeichnung 62 - Dauer 69 ff. - Deutsches-Rotes-Kreuz 63 f. - Eingriffsnormen 399 - Einsatzzeiten 69 ff. - Equal-Pay 74 ff., 456 f. - fachliche Weisung 66 ff. - Fallschirmlösung 68 - Festhalteerklärung 68 - gemeinsamer Betrieb 401 ff.

Stichwortverzeichnis

Arbeitnehmerüberlassung - grenzüberschreitende 46 f., 399 ff. - Hemmung 71 - Höchstüberlassungsdauer 69 ff. - Internationales Privatrecht 399 f. - Kennzeichnungspflichten 68 f. - Konzern 67 f. - Rechtsnachfolge 74 - ROM I – VO 399 - Schadenersatz 73 f. - Schulung 65 - Streikverbot 68 - Tarifvertrag 72 - Unterbrechung 71 f. - Weisungen 64 f. Arbeitnehmerüberlassungsvertrag 68 f. Arbeitsentgelt, Anfechtung 42 Arbeitskampf - Minderheitsgewerkschaft 521 - Tarifeinheitsgesetz 521 Arbeitslosenversicherung, Beitragsbemessungsgrößen 610 Arbeitsmigration - Blaue Karte EU 47 ff. - Drittstaatsangehörige 47 ff. Arbeitsort - Direktionsrecht 114 ff., 387 ff. - Versetzung 114 ff. Arbeitsschutz - Betriebsratsmitglied 563 - Erholungsurlaub 143 ff. - Gefährdung 327 f. - Heimarbeit 445 f. - Kosten 134 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 273 ff., 573 ff. - Mutterschutz 327 f. - persönliche Schutzausrüstung 131

Arbeitsschutz - Umkleidezeiten 131 ff. - unverantwortbare Gefährdung 327 Arbeitssicherheit, Mitbestimmung Betriebsrat 573 ff. Arbeitsunfähigkeit → krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Betrug 406 Arbeitsverhältnis, Datenschutz 329 ff. Arbeitsvertrag - § 611 a BGB 59 ff., 396 - AÜG-Reform 59 ff. - Auslegung 396 - Befristung 97 ff. - Begriff 59 ff., 392 ff. - Betriebsrat 263 ff. - Bezeichnung 62 - Bezugnahmeklausel 231 ff. - Eigenart 61 - Eingliederung 61, 401 - Entsendung 357 f. - Fremdgeschäftsführer 59 - grenzüberschreitende Tätigkeit 357 f. - Kennzeichnung 392 f. - Kündigungsfrist 480 ff. - Nachweis-Richtlinie 356 f. - persönliche Leistungspflicht 398 - Probezeit 189 ff. - räumliche Lage 61 - salvatorische Klausel 124 ff. - Statusverfahren 263 ff. - Teilkündigung 503 ff. - Vergütung 398 - Weisungsrecht 61, 387 ff., 400 - Widerrufsvorbehalt 453 ff. Arbeitszeit - Arbeitsvertrag 441 ff. 615

Stichwortverzeichnis

Arbeitszeit - Betriebsratsmitglied 254 ff., 561 ff. - EU-Richtlinie 55 f. - freigestelltes Betriebsratsmitglied 249 ff. - Heimarbeit 441 ff. - Home-Office 441 ff. - Umkleidezeiten 131 ff. - Vergütungspflicht 132 f., 137 ff. Arbeitszeitänderung, Erholungsurlaub 462 ff. Arbeitszeiterhöhung, Schadensersatz 129 ff. Arbeitszeitrichtlinie, Auslegung 355 Arbeitszeitverlängerung - Anspruch 432 ff. - Bevorzugung 432 ff. - Klage 434 f. - Schadensersatz 435 f. Arbeitszeitwidrige Beschäftigung 137 ff. ArbZG - Betriebsratsmitglied 561 ff. - Geltungsbereich 32 - Wahlarbeitsgesetz 32 Ärzte, Tarifeinheit 517 ff. Ärztliches Beschäftigungsverbot 19 Asklepios, Betriebsübergang 530 ff. AT-Angestellte - Gehaltserhöhung 587 - Mitbestimmung Betriebsrat 587 AufenthG-Änderung 36 Aufhebungsvertrag - Abfindung 307 ff. - Abgrenzung Befristung 196 ff., 365 ff. 616

Aufhebungsvertrag - Befristungskontrolle 196 ff., 365 ff. - Betriebsratsmitglied 283 ff. - Kennzeichnung 196 ff., 365, 367 - Massenentlassung 160 - Probezeit 196 ff. - Schriftform 508 ff. - Sperrzeit 307 ff. Aufsichtsbehörde, Beschwerderecht 335 Aufspaltung → Betriebsübergang AÜG → Arbeitnehmerüberlassung AÜG-Reform 1, 66 ff. - Statusverfahren Betriebsrat 263 ff. Ausgliederung → Betriebsübergang Auskunftsanspruch, Entgelttransparenz 5 Ausschlussfrist - AGG 414 ff. - Benachteiligungspflicht 414 ff. - Diskriminierung 414 ff. - Tarifvertrag 584 Ausschreibung, Diskriminierung 79 Außerordentliche Kündigung - Alkohol 163 - Anhörung Arbeitnehmer 498 f. - Arbeitsverweigerung 175 ff. - Drogen-Konsum 161 ff. - Ermittlungsmaßnahmen 497 ff. - illoyales Verhalten 498 - Kassiererin 164 f. - Kündigungserklärungsfrist 165 ff. - Kündigungsgrund 175 f. - LKW-Fahrer 161 ff. - Pfandbon 164 f. - Pflichtverletzung 175 ff. - Prozessbeschäftigung 165

Stichwortverzeichnis

Außerordentliche Kündigung - Rechtsirrtum 178 - Vermögensdelikt 164 ff. - wichtiger Grund 164 f., 498 - Zwei-Wochen-Frist 165 ff. Außerordentliche Kündigung, ZweiWochen-Frist 496 ff.

Baugewerbe

-Allgemeinverbindlicherklärung 351 f. - Sozialkasse 351 f. BDSG-Änderung 22 ff., 329 ff. BEEG, befristeter Arbeitsvertrag 377 ff. Befristete Teilzeit 13 f. Befristeter Arbeitsvertrag 97 ff. - § 41 SGB VI 368 ff. - Abgrenzung Aufhebungsvertrag 196 ff. - Abordnungsvertretung 436 ff. - ältere Arbeitnehmer 364 ff., 368 ff. - Änderungsvereinbarung 380 ff. - Arbeitszeitverkürzung 436 ff. - Aufhebungsvertrag 365, 367 - Betriebsänderung 104 ff. - Betriebsschließung 104 ff. - Elternzeit 377 ff. - finanzieller Ausgleich 366, 372 ff. - Gesamtdauer 100 ff. - Grundsätze 363 f. - Höchstgrenze 100 ff. - institutioneller Rechtsmissbrauch 378 ff., 440 - Kennzeichnung 371 - Kettenbefristung 381 - Klagefrist 386 - Krankheit 377 ff. - Kündigungsschutz 374

Befristeter Arbeitsvertrag - Laufzeit 383 - leitende Angestellte 372 ff. - Mutterschutz 377 ff. - Personalreserve 97 ff., 377 ff. - Rechtsmissbrauch 99 ff., 378 ff., 440 - Regelaltersgrenze 368 ff. - Regelrentenalter 367 - Sachgrund 97 ff. - sachgrundlose Befristung 102 ff., 384 ff. - Schriftform 108 f., 374 ff., 508 ff. - Streitgegenstand 386 - Tarifvertrag 102 - Tätigkeitsänderung 382 - Unterzeichnung 374 ff. - Vergütungsänderung 382 - Verlängerung 368 ff., 371 - Vertretung 97 ff., 374 ff., 377 ff., 436 ff. - Vorbeschäftigung 384 ff. - Vorlagebeschluss 369 ff. - Vorruhestand 364 ff. - vorübergehender Bedarf 99, 104 ff. - Wahlmöglichkeit 366 - Wunscharbeitnehmer 364 ff. - Zweckbefristung 107 Begünstigung, Betriebsratsmitglied 283 ff. Beharrliche Arbeitsverweigerung 390 f. Beherrschungsvertrag, Betriebsrente 218 ff. Behinderung - Begriff 21 f. - Diskriminierung 129 ff. - UN-BRK 21 f. 617

Stichwortverzeichnis

Beitragsbemessungsgrenze, Sozialversicherung 610 Beitragszusage - BetrAVG-Änderung 29 - Betriebsrente 337 ff. Belastungsstatistik, Mitbestimmung Betriebsrat 570 Benachteiligung - Ausschlussfrist 414 ff. - Kündigungsfrist 480 ff. Benachteiligungsverbot, Entgelttransparenz 5 Berater, Mitbestimmung Betriebsrat 259 ff. Berechnungsdurchgriff, Betriebsrente 218 ff. Berichterstattung, nichtfinanzielle 33 ff. Berufserfahrung, Diskriminierung 90 ff. Beschäftigtendatenschutz → Datenschutz Beschäftigungsverbot, Mutterschutz 18 f. Beschlussverfahren, Tarifeinheitsgesetz 525 f. BetrAVG-Änderung 29 Betrieb, Zutrittsrecht Gewerkschaft 39 Betriebliche Altersversorgung - AGB-Kontrolle 213 f. - aktueller Ehepartner 211 ff. - Altersgrenze 215 ff. - Änderung 341, 513 ff. - Anpassungsprüfungspflicht 350 - Arbeitgeberzuschuss 342 ff. - Beherrschungsvertrag 218 ff. - Beitragsbemessungsgrenze 512 - beitragsbezogene Leistungszusage 201 ff. 618

Betriebliche Altersversorgung - Beitragsleistung mit Eigenbeiträgen 205 ff. - Beitragszusage 29, 201 ff., 206 - Berechnungsdurchgriff 218 ff. - Betriebsrentenanpassung 218 ff. - Betriebsrentenstärkungsgesetz 29, 336 ff. - Betriebsrentner 513 ff. - Betriebsvereinbarung 515 - BMF-Schreiben 343 - BRSG 29, 336 ff. - Direktversicherung 338 - Diskriminierung 215 ff., 511 ff. - Drei-Stufen-Lehre 341, 515 - Durchführungswege 337 ff. - Einstandspflicht 207 f., 340 - Entgeltumwandlung 29 - Förderbetrag 347 - Geringverdiener 29, 347 - Gesamtversorgungssystem 350 - gespaltene Rentenformel 511 ff. - Hinterbliebenenversorgung 211 ff. - Insolvenzsicherung 341 - Kirche 339 - Konzern 218 ff. - Lebenspartnerschaft 215 ff. - Lohnsteuer 29, 345 f., 348 ff. - Neueinstellungen 350 - Optionsmodell 346 f. - Pensionsfond 338 - Pensionskasse 338 - PSV 341 - Punktemodell 350 - ratierliche Kürzung 511 ff. - Rentenformel 511 ff. - Riester-Zulage 350 - Sozialversicherung 345 - Sozialversicherungsfreiheit 29 - Steuerfreibeträge 29

Stichwortverzeichnis

Betriebliche Altersversorgung - Tarifeinheit 523 f. - Tarifpluralität 523 f. - Tarifvertrag 338 f., 514 f. - Teilzeitbeschäftigung 511 ff. - Übergangsregelung 344 f., 350 - Umfassungszusage 205 ff. - unmittelbare Versorgungszusage 338 - Unterstützungskasse 338 - Vervielfältigungsregel 349 Betriebliches Eingliederungsmanagement - Arbeitszeitänderung 391 f. - Direktionsrecht 391 f. - Versetzung 391 f. Betriebsänderung - befristeter Arbeitsvertrag 104 ff. - Rechtsanwaltskosten 296 ff. Betriebsbedingte Änderungskündigung 487 ff. Betriebsbedingte Kündigung, Anforderungsprofil 487 Betriebsbegriff - KSchG 475 - Massenentlassung 157 f. - Matrix 477 ff. Betriebsfrieden, Kündigung 497 Betriebsrat - Arbeitszeitkonto 249 ff. - Berater 296 ff. - DGB-Position 40 - Entgelttransparenz 4, 7 f., 10 f., 427 f. - Kostenerstattung 296 ff. - Leiharbeitnehmer 559 ff. - Massenentlassung 153 ff., 160 - Rechtsanwaltskosten 296 ff. - Restmandat 291 - Sachverständiger 296 ff. - Sphärentheorie 155 f.

Betriebsrat - Unklarheiten 287 ff. - Verhandlungsdauer 155 f. - Vertreter 297 f. Betriebsratsanhörung - Ergänzung 191 f. - Kündigung 191 f. - Wiederholung 191 f. Betriebsratsmitglied - Abfindung 283 ff. - Arbeitsschutz 563 - Arbeitszeit 254 ff., 561 ff. - Arbeitszeitkonto 249 ff. - ArbZG 561 ff. - Aufhebungsvertrag 283 ff. - Begünstigung 283 ff. - betriebsübliche Entwicklung 554 ff. - Entgeltfortzahlung 254 ff. - Fahrzeit 252 ff. - Freistellung 249 ff., 559 ff., 561 ff. - Freizeitausgleich 564 - Mehrarbeit 249 ff. - Reisezeit 252 ff. - Ruhezeit 254 ff., 561 ff. - Sonderkündigungsschutz 285 - Tariflohnerhöhung 556 - Überstunden 249 ff. - Vergleichsgruppe 556 - Vergütungsanspruch 249 ff. - Wegezeit 252 ff. Betriebsratsvergütung 554 ff. Betriebsratswahl - gewerkschaftlicher Vorschlag 246 ff. - Wahlvorschlag 246 ff. Betriebsrente → betriebliche Altersversorgung Betriebsrentenstärkungsgesetz 29, 202, 336 ff. 619

Stichwortverzeichnis

Betriebsrentenstärkungsgesetz - Beitragszusage 337 ff. - Kernelemente 337 - reine Beitragszusage 337 ff. Betriebsschließung, befristeter Arbeitsvertrag 104 ff. Betriebsstilllegung, Restmandat 291 Betriebsteilübergang → Betriebsübergang Betriebsübergang - Anspruchsverzicht 595 ff. - Asklepios 530 ff. - Betriebsvereinbarung 595 ff. - Bezugnahmeklausel 231 ff., 530 ff. - Direktionsrecht 594 - Entgeltordnung 582 f. - Firmentarifvertrag 292 ff. - Gesamtbetriebsrat 595 ff. - Gesamtbetriebsvereinbarung 603 ff. - Gleichstellungsabrede 535 - Interessenausgleich 594 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 582 f. - Neueinstellungen 583 f. - Regelungsabrede 604 f. - Sozialauswahl 594 - Sozialplanprivileg 599 ff. - Tarifvertrag 37, 292 ff. - Übergangsmandat 597 - Überleitungsbetriebsvereinbarung 595 ff. - Unterrichtungspflicht 599 ff. - Zuordnung Arbeitnehmer 592 ff. Betriebsübliche Entwicklung, Betriebsratsmitglied 554 ff. Betriebsvereinbarung - Altersgrenze 280 f. - Anzeigepflicht 13 f. 620

Betriebsvereinbarung - Auslegung 287 f. - betriebliche Übung 189 - Betriebsrente 515 - Betriebsübergang 595 ff. - Compliance-System 113 f. - Datenschutz 23, 26, 329, 332 - Falschinformation 229 ff. - freiwillige 575 - gemeinsamer Betrieb 598 f. - Höchstüberlassungsdauer 72 - Information 229 ff. - Klarstellung 290 - Korrektur 287 ff. - Persönlichkeitsrecht 572 - Protokollnotiz 289 f. - Rückwirkung 290 - Sonderkündigungsschutz 185 ff. - Sperrwirkung Tarifvertrag 185 ff. - Tarifüblichkeit 185 - Tarifvorbehalt 185 f. - Umdeutung 188 f. - Unwirksamkeit 185 ff. - Verhältnismäßigkeit 571 ff. - Verzicht 595 ff. BetrVG, Leiharbeitnehmer 559 ff. Beweislast, Entgetransparenz 428 f. Beweisverwertung, Videoüberwachung 167 ff. Beweisverwertungsverbot 162 ff., 405 ff., 410 ff., 413 ff. Bewerber - Alter 79 ff. - Berufsanfänger 79 ff. - Berufserfahrung 79 ff. - Diskriminierung 77 ff. - Entschädigung 83 - objektive Eignung 77, 79 ff. - Rechtsmissbrauch 89 f.

Stichwortverzeichnis

Bezugnahme auf Tarifvertrag → Bezugnahmeklausel Bezugnahmeklausel - Änderung 233 ff. - Änderungskündigung 234 ff., 530 ff. - Anerkennungstarifvertrag 240 f. - Arbeitsvertrag 231 ff. - Betriebsübergang 231 ff., 530 ff. - dynamische 233 - Entdynamisierung 531 f. - große dynamische 242 - kleine dynamische 241 - Richtlinie 2001/23/EG 231 ff. - Share Deal 238 f. - Tarifvertrag 530 ff. - Vorabentscheidung 231 ff. Blaue Karte EU 47 ff. BMAS, Weißbuch Arbeiten 4.0 29 ff. Branchenzuschlag - Arbeitnehmerüberlassung 456 f. - Equal-Pay 456 f. Brexit, Auswirkungen 45 f. Bundestagswahl 327 Bundesteilhabegesetz (BTHG) 21 f. Bündnis für Arbeit, Unterlassungsanspruch 535 ff.

Cockpit, Tarifeinheit 517 ff. Compliance - Anzeigepflicht Arbeitnehmer 110 ff. - Betriebsvereinbarung 113 f. Compliance-ManagementSystem 110 ff. Corporate Social Responsibility 33 ff. CSR-Richtlinie 33

Darlegungs- und Beweislast

- Diskriminierung 82 - Entgelttransparenz 8 Datenschutz - Arbeiten 4.0 32 - BDSG-Änderung 329 ff. - Begriffsbestimmungen 23 - Beschäftigtenbegriff 24 f. - Beschäftigtendaten 23 ff., 329 ff. - Beschwerderecht 335 - besondere Kategorien 25, 330 f. - Betriebsvereinbarung 23, 26, 329, 332 - Beweisverwertungsverbot 407, 413 f. - Dateisystem 25 - Datenschutzbeauftragter 28, 334 - Detektiv 406 - Dienstvereinbarung 23, 329 - DSGVO 22 ff., 329 ff. - Einwilligung 26 f., 332 f. - Entgelttransparenz 7, 427 - Ermittlungsmaßnahme 410 ff., 413 f. - Geldstrafe 336 - Gesundheit 25, 330 f. - Informationspflicht 334 ff. - Internet 333 - Keylogger 413 - Kollektivvereinbarung 23, 329 - Konzern 25 f., 334 - Krankheit 25 - Kündigung 330, 405 ff., 408 - Mehrsprachigkeit 335 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 272, 569 ff. - PC-Agent 413 f. - Pflichtverletzung 23 f., 330, 405 ff. - Privatsphäre 411 f. - Profiling 335 621

Stichwortverzeichnis

Datenschutz - Sachvortragsverbot 407, 413 f. - Schriftform 333 - Schutzmaßnahmen 331 - schwere Pflichtverletzung 405 ff. - Social-Media 410 ff. - Speicherdauer 335 - Straftat 23 f., 329 f., 407 - Tarifvertrag 23, 329 - verdeckte Ermittlung 23 f., 405 ff. - verhaltensbedingte Kündigung 330 - Verhältnismäßigkeit 408 f. - Videoüberwachung 167 ff. - Vorstellungsgespräch 330 - Zweckbindung 27 Datenschutzbeauftragter 28 - Informationspflicht 334 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) 22 ff. Detektiv, Kostenerstattung 409 f. DGB-Position, Tarifbindung 37 ff. Dienstvereinbarung, Datenschutz 23, 329 - Begriff 59 ff. - Betriebszweck 62 - Bezeichnung 62 - Eingliederung 61 - Erholungsurlaub 471 ff. - Kennzeichnung 392 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 259 ff. - persönliche Leistungspflicht 398 - Schulung 65 - Vergütung 398 - Weisungen 62 f., 400 f. Dienstwagen - Abrechnung 306 f. - Besteuerung 304 ff. 622

Dienstwagen - Eigenbeteiligung Arbeitnehmer 304 ff. - geldwerter Vorteil 304 ff. - Kraftstoffkosten 305 - Nutzungsentgelt 305 - Steuerminderung 304 ff. - Werbungskosten 306 Digitale Plattform 30 Digitalisierung 30 Direktionsrecht - Arbeitsort 114 ff., 387 ff. - Arbeitsvertrag 61 - Arbeitsverweigerung 390 f. - betriebliches Eingliederungsmanagement 391 f. - billiges Ermessen 387 ff. - gerichtliche Kontrolle 387 ff. - Leistungsverweigerung 387 ff. - Verweigerung 390 f. - Zuordnung Arbeitnehmer 594 Diskriminierung - AGG-Hopper 79 ff. - Alter 79 ff. - ältere Arbeitnehmer 458 ff. - Arbeitszeiterhöhung 129 ff. - Ausschlussfrist 414 ff., 584 - Ausschreibung 79 - Behinderung 129 ff. - Berufserfahrung 79 ff., 90 ff. - Besitzstand 458 ff. - Bewerber 77 ff. - Bewerberbegriff 78 - Darlegungs- und Beweislast 8, 82 - dynamisches Team 83, 90 ff. - Entgeltlücke 1 ff. - Entgelttransparenz 423 ff. - Entschädigung 83, 92, 130, 414 ff. - Gewerkschaftsmitgliedschaft 39

Stichwortverzeichnis

Diskriminierung - Gewissensfreiheit 95 - junges Team 83, 90 ff. - Junior 91 - Klage 414 ff. - Kopftuch 94 ff. - Lebenspartnerschaft 215 ff. - Massenentlassung 151 ff. - muslimischer Glaube 94 ff. - objektive Eignung 79 ff. - Rechtfertigung 85 - Rechtsmissbrauch 89 f. - Religion 94 ff. - Schadenersatz 92, 130, 461, 414 ff. - Schichtfreizeit 458 ff. - Stellenausschreibung 79 ff. - Teilzeitbeschäftigung 511 ff. - vergleichbare Situation 77 - Vermutung 131 - Weltanschauung 95 DrittelbG - Gesetzesinitiative 354 - Konzern 354 Drogen-Konsum, Kündigung 161 ff. DSAnpUG-EU 22 ff. DSGVO 329 ff. Duales Studium, Sozialversicherung 310

Effektivitätsgrundsatz 416

eg-check.de 424 Eingliederung - Arbeitsvertrag 61 - Mitbestimmung Betriebsrat 262 f. Eingliederungsmanagement → Betriebliches Eingliederungsmanagement

Einigungsstelle - Fachkraft Arbeitssicherheit 273 ff. - Persönlichkeitsrecht 572 - Verhältnismäßigkeit 571 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 259 ff. Einwilligung - Datenschutz 26 f., 332 f. - Formerfordernis 333 - Internet 333 - Schriftform 333 - Widerruf 335 Elternurlaub → Elternzeit Elternzeit 356 - Arbeitszeitflexibilisierung 54 - befristeter Arbeitsvertrag 377 ff. - EU-Richtlinie 51, 52 f. - Kündigungsschutz 54 - Massenentlassung 151 ff. Entgelt - Diskriminierung 1 ff. - gleichwertige Tätigkeit 3 - Mitbestimmung Betriebsrat 576 ff., 581 ff. - Tarifvorbehalt 585 ff. - Transparenz 1 ff., 423 ff. Entgeltbenachteiligung 2 ff. Entgeltbereich, Änderungskündigung 530 ff. Entgeltfortzahlung, Betriebsratsmitglied 154 ff. Entgeltlücke 1 Entgelttransparenz - ABAKABA 423 - Anforderungsprofil 424 - AT-Angestellte 429 f. - Auskunftsanspruch 5 ff., 423, 426 ff. - Auskunftserteilung 6 ff. - Benachteiligungsverbot 5 623

Stichwortverzeichnis

Entgelttransparenz - Berichtspflicht 431 - Betriebsbezug 5 - Betriebsrat 4, 7 ff., 427 f. - Beweislast 8 f., 428 f. - Datenschutz 7, 427 - eg-check.de 424 - Entgeltbegriff 426 f. - Entgeltgleichheit 431 - Frauenförderung 431 - Frist 8, 428 - Gesetz 423 - gleichwertige Tätigkeit 3, 9, 423 ff. - ILO-Leitfaden 11, 431 - Lagebericht 12, 431 - Leiharbeitnehmer 5 f. - Logib-D 425 - Maßregelungsverbot 5 - Median 427 - Mitbestimmung Betriebsrat 429 f. - Prüfverfahren 10 ff., 430 f. - REFA 424 - Sachleistung 7, 427 - Tarifbindung 425 - Tarifvertrag 426 - Tarifvertragsparteien 7 f. - Vergleichsentgelt 5, 423 ff. Entgeltumwandlung - Arbeitgeberzuschuss 342 ff. - BRSG 336 ff., 342 ff. EntgTransPG 1 ff., 423 ff. Entschädigung - AGG 414 ff. - Diskriminierung 83 - Mobbing 414 ff. Entsende-Richtlinie, Änderung 46 f., 357 ff. Entsendung - anwendbares Recht 357 ff. 624

Entsendung - Mindestarbeitsbedingungen 357 ff. Equal-Pay - Arbeitnehmerüberlassung 74 ff., 456 f. - Ausschluss 456 f. - Branchenzuschlag 456 f. - Entgeltbegriff 76 - Entgeltbestandteile 74 - Gesamtvergleich 75 - Tarifvertrag 75 f., 456 f. - Vergleichsentgelt 74 f. Equal-Treatment, Tarifvertrag 75 f. Erholungsurlaub - Abgeltungsanspruch 465 ff. - Altersteilzeit 146 ff., 465 ff. - Arbeitsschutz 143 ff. - Arbeitszeitänderung 461 - Aufteilung 468 ff. - Berechnung 462 ff. - Blockmodell 466 - Ersatzurlaub 464 - Freistellungsphase 146 ff., 465 ff. - Geldersatz 466 - halbe Urlaubstage 468 ff. - Inanspruchnahme 143 ff. - Initiativlast Arbeitgeber 143 ff. - Mindestlohn 451 ff. - Schadensersatz 465 ff. - Scheinselbständigkeit 471 ff. - Teilzeitarbeit 462 ff. - Verfall 471 ff. - Vollzeitarbeit 462 ff. - Wochenarbeitstage 462 Ermessen, Versetzung 114 ff. Ermittlungsmaßnahme - außerordentliche Kündigung 497 ff. - Detektiv 406

Stichwortverzeichnis

Ermittlungsmaßnahme - verdeckte 405 ff., 410 ff., 413 f. Erschwerniszulage, Pfändung 449 EU-Parlament, Whistleblower 359 ff. EU-Richtlinie - Antidiskriminierung 415 - Äquivalenzgrundsatz 416 - Arbeitsschutz 274 - Arbeitszeit 6 f., 144 ff., 355, 462 ff. - Arbeitszeitflexibilisierung 54 - befristeter Arbeitsvertrag 363 ff., 440 - Beruf und Privatleben 51 ff., 355 ff. - Betriebs- und Unternehmensübergang 231 ff., 530 ff., 600 f. - Chancengleichheit 415 - CSR-Richtlinie 33 - Drittstaatsangehörige 47 ff. - Effektivitätsgrundsatz 416 - Elternzeit 51 ff., 356 - Entsendung 46 f., 357 ff. - Erholungsurlaub 462 ff. - Gleichbehandlung 80, 94, 415, 511 ff. - ICT-Richtlinie 36 - Kündigungsschutz 54 - Nachweis-Richtlinie 50 f., 356 f. - Pflegezeit 53, 356 f. - Rasse und ethnische Herkunft 415 - REST-Richtlinie 36 - Richtlinie 2009/50/EG 47 - Richtlinie 2001/23/EG 231 ff. - Saisonarbeitnehmer 36 - Teilzeitbeschäftigung 511 ff. - Vaterschaftsurlaub 52 - Whistleblower 359 ff.

Europäische Säule sozialer Rechte 56 f., 361

Facebook, Mitbestimmung

Betriebsrat 265 ff. Fachkraft Arbeitssicherheit 271 ff. - Einigungsstelle 273 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 275 f. - überbetrieblicher Dienst 273 ff. - Unionsrecht 274 Fachliche Weisung - AÜG-Reform 66 ff. - Massenentlassung 156 ff. - Sperrzeit 307 ff. Fahruntauglichkeit, Anzeigepflicht 161 f. Fahrzeit, Betriebsratsmitglied 252 ff. Falschinformation, Schadenersatz 229 ff. Feiertag, Mindestlohn 451 ff. Feiertagsarbeit, Mutterschutz 15 f. Feiertagsvergütung, Mindestlohn 451 ff. Feiertagszuschlag, Pfändung 446 ff. Firmentarifvertrag - Auslegung 294 f. - Betriebsübergang 292 ff. - Geltungsbereich 294 f. - Gesamtrechtsnachfolge 292 ff., 295 f. - Tarifeinheit 296 - Tarifkonkurrenz 296 - Tarifpluralität 296 - Umwandlung 292 ff. - Verschmelzung 292 ff. Fleischwirtschaft - Arbeitnehmerrechte 352 f. - Sozialversicherung 352 f. 625

Stichwortverzeichnis

Flugbegleiter, Tarifeinheit 517 ff. Fluglotsen, Tarifeinheit 517 ff. Förderbetrag, Betriebsrente 347 Frauenförderung - Berichtspflicht 431 - Entgelttransparenz 431 - Logib-D 425 Freigestellung - Arbeitszeit 249 ff., 561 ff. - Erholungsurlaub 465 ff. - Freistellungsphase 146 ff. - Leiharbeitnehmer 559 ff. - Stillzeiten 16 Freizeitausgleich, Betriebsratsmitglied 564 Fremdgeschäftsführer, Arbeitsvertrag 59 Fremdgeschäftsführerin, Mutterschutz 15 Fremdpersonal - Arbeitnehmerüberlassung 46 f., 59 ff., 399 f., 401 ff. - grenzüberschreitend 399 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 259 ff.

Gefährdung, Mutterschutz 17 Gefährdungsbeurteilung - Anti-Stress-Verordnung 43 f. - Beschäftigungsverbot 18 f. - Dokumentationspflichten 17 ff., 327 f. - Gefährdung 17 - Mitbestimmung Betriebsrat 574 f. - Mutterschutz 16 ff., 327 f. - psychische Belastung 43 f. Geldstrafe, Datenschutz 336 Gemeinsamer Betrieb - Arbeitnehmerüberlassung 401 ff. - Auflösung 598 f. 626

Gemeinsamer Betrieb - Betriebsvereinbarung 598 f. - Kennzeichnung 402 f. Gendergerechtigkeit 1 Gerichtlicher Vergleich, Schriftform 508 ff. Geringfügigkeitsgröße 610 Geringverdiener, Betriebsrente 347 Gesamtbetriebsrat - Betriebsübergang 595 ff. - Entgelttransparenz 4 Gesamtbetriebsvereinbarung, Betriebsübergang 603 ff. Geschäftsführung, Gehaltsgrenze 41 f. Gesundheitsprognose, Kündigung 483 Gesundheitsschutz, Mitbestimmung Betriebsrat 573 ff. Gewerkschaft - Mitgliederzahl 525 f. - Unterlassungsanspruch 535 ff. - Wahlvorschlag 246 ff. - Zutrittsrecht 39 Gewerkschaftsmitglied, Begünstigung 39 Gewerkschaftsmitgliedschaft, DGBPosition 39 Gleichbehandlung, Umkleidezeiten 135 f. Gleichstellungsabrede, Betriebsübergang 535 Gleichwertige Tätigkeit, Entgelttransparenz 423 ff. GmbH & Co KG, Unternehmensmitbestimmung 354 GmbH, Fremdgeschäftsführer 59 Google Maps, Mitbestimmung Betriebsrat 271 Große dynamische Bezugnahmeklausel 242

Stichwortverzeichnis

Gruppenkalender, Mitbestimmung Betriebsrat 567 ff.

Haustarifvertrag → Firmentarif-

vertrag Heimarbeit - Arbeitsschutz 445 f. - Kennzeichnung 444 - Kündigungsschutz 445 f. Hinweisgeber - Beweiserleichterung 360 - Hinweisgebersystem 110 ff., 360 - Kennzeichnung 359 - Mobbing 360 - Schutzmaßnahmen 360 f. - Strafverfahren 361 Hinweisgebersystem 110 ff., 360 Höchstüberlassungsdauer - AÜG 69 ff. - Berechnung 70 f. - Betriebsvereinbarung 72 - Tarifvertrag 72 Home-Office - Arbeitsvertrag 441 ff. - Arbeitszeit 441 ff. - Heimarbeit 444

ICT-Richtlinie 36 ILO-Leitfaden, Entgelttransparenz 431 Individualabrede, AGBKontrolle 138 Insolvenz, Anfechtung 42 Interessenausgleich - Betriebsübergang 594 f. - Rechtsanwaltskosten 296 ff. - Zuordnung Arbeitnehmer 594 f. Internationales Privatrecht, Entsende-Richtlinie 357 ff. ISO 26.000 35

Kennzeichnung, Aufhebungs-

vertrag 196 ff. Keylogger, Datenschutz 413 f. Kirche - Beitragszusage 339 - Tarifvertrag 41 Klagefrist, Mobbing 422 Klageverzicht, Sozialplan 194 ff. Kleinbetrieb - KSchG 475 ff. - Schwellenwerte 475 ff. Kleine dynamische Bezugnahmeklausel 241 Knappschaft, Beitragsbemessungsgrößen 610 Koalitionsfreiheit - Eingriff 520 f. - Minderheitsgewerkschaft 519 - Tarifautonomie 519 - Tarifeinheit 518 f. - Tarifpluralität 518 f. Konkurrenztätigkeit, Kündigung 406 Konzern - Arbeitnehmerüberlassung 67 f. - ausländische Tochtergesellschaften 243 ff. - Beherrschungsvertrag 218 ff. - Betriebsrente 218 ff. - Datenschutz 25 f., 334 - Massenentlassung 589 ff. - Streikverbot 68 - Unternehmensmitbestimmung 354 Konzernbetriebsrat, Entgelttransparenz 4 Kopftuch, Diskriminierung 94 ff. Krankenversicherung - Beitragsbemessungsgrößen 610 - Versicherungspflichtgrenze 610 627

Stichwortverzeichnis

Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - ältere Arbeitnehmer 486 f. - Anzeigepflicht 161 f. - Gesundheitsprognose 483 - Krankheitsanfälligkeit 486 - Kündigung 483 ff. - Mindestlohn 451 ff. - Personalgespräch 119 ff. - Vortäuschen 406 KSchG - Betriebsbegriff 475 - Kleinbetrieb 475 ff. - Matrix 477 ff. Kündigung - Abfindungsangebot 192 ff. - Alkohol 163 - ältere Arbeitnehmer 486 f. - Änderungskündigung 487 ff. - Anerkennungstarifvertrag 240 f. - Anforderungsprofil 487 ff. - Anhörung Betriebsrat 191 f. - Arbeiten 4.0 487 ff. - beharrliche Arbeitsverweigerung 390 f. - Behinderung 21, 179 ff. - Betriebsfrieden 497 - Betriebsrat 191 ff. - Betriebsratsanhörung 191 f. - Beweisverwertungsverbot 407, 413 f. - Darlegungsverbot 407, 413 f. - Datenschutz 330, 405 ff., 410 ff., 413 f. - Detektiv 406 - Drogen-Konsum 161 ff. - Ermittlungsmaßnahme 405 ff. - Gesundheitsprognose 483 - illoyales Verhalten 498 - Keylogger 413 f. - Konkurrenztätigkeit 406 628

Kündigung - Krankheitsanfälligkeit 486 - Kurzerkrankungen 483 ff. - Massenentlassung 589 ff. - Mutterschutz 19 f., 328 - Pflichtverletzung 405 ff. - Privatsphäre 411 f. - Prozessbeschäftigung 165 - Rechtsirrtum 178 - Schwerbehindertenvertretung 21, 182 ff. - schwerbehinderter Arbeitnehmer 21, 179 ff. - SGB IX-Änderung 182 ff. - Social-Media 410 ff. - Stellenprofil 489 f. - Tarifeinheit 523 - Tarifpluralität 523 - unbekannte Behinderung 179 ff. - verhaltensbedingte 405 ff. - Vermögensdelikt 164 ff. - Videoüberwachung 167 ff. - Vorbereitungshandlung 19 f., 328 - Wettbewerbsverbot 406 f. - Zwei-Wochen-Frist 496 ff. Kündigungsfrist - AGB-Kontrolle 480 ff. - Arbeitsvertrag 480 ff. - Probezeit 189 ff. - Sperrzeit 309 Kündigungsschutz, - Mutterschutz 19 f. - Vorbereitungshandlung 19 f. Kündigungsschutzprozess, Zwischenverdienst 499 ff. Kurzerkrankungen, Kündigung 483 ff.

Lagebericht

- Arbeitnehmerbelange 34

Stichwortverzeichnis

Lagebericht - Entgelttransparenz 12, 431 - Frauenförderung 431 - Geschlechtergleichstellung 12, 481 - Menschenrechte 34 - Nachhaltigkeitsindex 35 - nichtfinanzielle Berichterstattung 33 ff. - Sozialstandards 35 - Umweltbelange 34 Lebensaltersstufe, Tarifvertrag 584 Lebensarbeitszeit, Tarifpluralität 523 Lebenspartnerschaft - Betriebsrente 215 ff. - Diskriminierung 215 ff. Leiharbeit, grenzüberschreitend 46 f., 399 ff. Leiharbeitnehmer - Betriebsrat 559 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 259 ff. Leitende Angestellte, befristeter Arbeitsvertrag 372 ff. LKW-Fahrer - Alkohol 163 - Drogen 161 ff. Logib-D, Entgelttransparenz 425 Lohnsteuer, Betriebsrente 345 f., 348 ff. Lohnsteuerabzug 303 f. Lokführer, Tarifeinheit 517 ff.

Managergehälter 41 f.

Marburger Bund, Tarifeinheit 517 ff. Massenentlassung - Änderungskündigung 506 ff. - Aufhebungsvertrag 160 - Beratungspflicht 589 ff.

Massenentlassung - Betriebsbegriff 157 f. - Betriebsrat 153 ff. - Diskriminierung 151 ff. - Elternzeit 151 ff. - fachliche Weisung 156 ff. - Formulare 159 f. - Informationspflicht 589 - Konsultationsverfahren 153 ff., 589 ff. - Konzern 589 ff. - Mutterschutz 151 ff., 328 - Nachkündigung 153 f. - Schriftform 154 f., 158 - schwangere Arbeitnehmerin 151 ff., 328 - Schwellenwert 151 ff., 158, 506 ff. - schwerbehinderte Arbeitnehmer 151 ff. - Sphärentheorie 155 f. - Stellungnahme Betriebsrat 160 - Textform 154 f. - Treuhänder 589 f. - Verhandlungsdauer 155 f. - Widerrufsvorbehalt 507 f. - Wiederholungskündigung 153 f. Massenentlassungsanzeige, Formerfordernis 158 f. Maßregelungsverbot, Entgelttransparenz 5 Masterstudium, Sozialversicherung 310 Matrix - Betriebsbegriff 477 ff. - KSchG 477 ff. Mehrarbeit - Betriebsratsmitglied 249 ff. - Mutterschutz 15 f. Mehrarbeitszuschlag, Teilzeitbeschäftigung 528 ff. 629

Stichwortverzeichnis

Migration 36 Minderheitsgewerkschaft - Anhörungsrecht 522 f. - Beschlussverfahren 525 f. - Informationspflicht 522 f. Mindestarbeitsbedingungen, Entsendung 357 ff. Mindestlohn - Anrechnung 451 - Arbeitsleistung 452 - Entgeltfortzahlung 451 - Feiertagsvergütung 451 ff. - tarifliche Zuschläge 451 ff. - Urlaubsentgelt 451 ff. - Urlaubsgeld 451 ff. MitbestG, Gesetzesinitiative 354 Mitbestimmung Betriebsrat - Adressatenkreis 279 - Altersgrenze 280 f. - Anpassungsdruck 570 - Arbeitsschutz 273 ff., 573 ff. - Arbeitssicherheit 573 ff. - Arbeitsüberwachung 569 ff. - AT-Angestellte 429 f., 587 - außertarifliche Leistungen 429 f. - Belastungsstatistik 570 - Berater 259 ff. - Datenschutz 272, 331, 569 ff. - Dienstvertrag 259 ff. - Dotierung 279 - Eingliederung 262 f. - Einstellung, 259 ff. - Entgelt 276 ff., 279, 576 ff., 581 ff. - Entgelttransparenz 427 f., 429 f. - Entlohnungsgrundsätze 576 ff., 581 ff. - Excel 271 - Facebook 265 ff., 567 - Fachkraft Arbeitssicherheit 273 ff. 630

Mitbestimmung Betriebsrat - freiwillige Betriebsvereinbarung 575 - Fremdpersonal 259 ff. - Gefährdungsbeurteilung 574 f. - Gehaltsanpassung 279 - Gehaltserhöhung 279 - Gesamtvergütung 578 ff. - Gesundheitsschutz 573 ff. - Google Maps 271 - Gruppenkalender 567 - Kündigung 191 f., 589 ff. - Leistungsdaten 265 ff. - Massenentlassung 153 ff., 589 ff. - Outlook 567 ff. - Personalplanung 257 ff. - Persönlichkeitsrecht 271, 572 - Postings 269 ff. - Rahmenvorschrift 574 - Social Media 265 ff. - Software 567 ff. - Statusverfahren 263 ff. - Tariflohnerhöhung 276 ff. - Tarifpluralität 585 ff. - Tarifvorbehalt 578, 582, 585 ff. - technische Einrichtung 265 ff., 567 ff. - Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung 577 - übertarifliche Leistung 429 f. - Überwachungseinrichtung 267, 567 ff. - Unterlassungsanspruch 272 - Vergütungsordnung 576 ff., 581 ff. - Vergütungsstruktur 576 ff. - Verhaltensdaten 265 ff. - Verhältnismäßigkeit 569, 571 ff. - Videoüberwachung 173 ff. - Wegfall Tarifbindung 582

Stichwortverzeichnis

Mitbestimmung Betriebsrat - Werkvertrag 259 ff. - Widerrufsvorbehalt 576 ff. - Word 271 Mobbing - Beweislast 420 f. - Darlegungslast 420 f. - Entschädigung 414 ff. - Klagefrist 422 - Schadensersatz 414 ff. - Whistleblower 360 MuSchArbV-Änderung 14 Mutterschutz - Änderung 14 ff. - Anwendungsbereich 15 - Arbeitsschutz 327 f. - ärztliches Beschäftigungsverbot 19 - Aushang 20 - befristeter Arbeitsvertrag 377 ff. - Beschäftigungsverbot 18 f. - Bußgeldvorschriften 20 - Feiertagsarbeit 15 f. - Fremdgeschäftsführerin 15 - Gefährdung 17 - Gefährdungsbeurteilung 16 ff., 327 f. - Kündigungsschutz 19 f. - Kündigungsverbot 328 - Massenentlassung 151 ff., 328 - Mehrarbeit 15 f. - MuSchG-Änderung 14 ff., 327 f. - Nachtarbeit 15 f. - Neuregelung 14 ff., 327 f. - Praktikantin 15 - psychische Belastung 16 f. - Sonntagsarbeit 15 f. - Überstunden 15 f.

Nachbindung, Tarifvertrag 38

Nachhaltigkeitsindex, Lagebericht 35 Nachtarbeit, Mutterschutz 15 f. Nachtzuschlag, Pfändung 446 ff. Nachverkehr, Tarifeinheit 517 ff. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, salvatorische Klausel 124 ff. Nachweis-Richtlinie 50 f., 356 f. Nachwirkung - Anerkennungstarifvertrag 240 f. - Tarifvertrag 38, 240 f. Nachzeichnungsrecht, Tarifeinheitsgesetz 524 f. Nichtfinanzielle Berichterstattung 33 ff.

Objektive Eignung, Bewerber 77 Öffentliche Auftragsvergabe 43 Optionsmodell, Betriebsrente 346 f. OT-Mitgliedschaft, DGBPosition 37 Outlook, Mitbestimmung Betriebsrat 567 ff.

Pauschalierungsabrede,

Teilkündigung 503 ff. Personalgespräch - Anordnung 119 ff. - krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit 119 ff. Personalplanung - Unterlagen 257 f. - Unterrichtung Betriebsrat 257 - Vorschläge 258 f. Personalreserve, befristeter Arbeitsvertrag 377 ff. Persönlichkeitsrecht, Mitbestimmung Betriebsrat 572 631

Stichwortverzeichnis

Pfändung - Erschwerniszulage 449 - Feiertagszuschlag 446 ff. - Nachtzuschlag 446 ff. - Samstagszuschlag 446 ff., 449 - Wechselschichtzuschlag 449 Pflegeangehörige - Arbeitszeitflexibilisierung 54 - EU-Richtlinie 53 - Kündigungsschutz 54 Pflegeversicherung - Beitragsbemessungsgrößen 610 - Versicherungspflichtgrenze 610 Pflegezeit 356 Pflichtverletzung - Anzeigepflicht 110 ff. - Datenschutz 330 Piloten, Tarifeinheit 517 ff. Praktikant, Sozialversicherung 310 f. Probezeit - Arbeitsvertrag 189 ff. - Aufhebungsvertrag 196 ff. - Kündigungsfrist 189 ff. Profiling, Datenschutz 335 Protokollnotiz - Betriebsvereinbarung, 289 f. - Sozialplan 289 f. Prozessbeschäftigung, Kündigung 165 Prüfverfahren, Entgelttransparenz 10 ff., 430 f. Punkteschema, Sozialauswahl 491 ff., 495

Rechtsanwaltskosten, Betriebs-

änderung 297 ff. Rechtsirrtum, Kündigung 178 REFA, Entgelttransparenz 424 Regelaltersgrenze - befristeter Arbeitsvertrag 367 632

Regelaltersgrenze - Sperrzeit 607 ff. - Sozialauswahl 491 ff. Regelungsabrede - Betriebsratsvergütung 556 f. - Betriebsübergang 604 f. Regelverstoß, Anzeigepflicht Arbeitnehmer 110 ff. Reisezeit, Betriebsratsmitglied 252 ff. Religion, Diskriminierung 94 ff. Rentenversicherung, Beitragsbemessungsgrößen 610 f. Restmandat - Betriebsrat 291 - Betriebsstilllegung 291 REST-Richtlinie 36 Restrukturierung, Rechtsanwaltskosten 296 ff. Riester-Zulage 350 Ruhezeit, Betriebsratsmitglied 254 ff., 561 ff.

Sachgrundlose Befristung - Tarifvertrag 102 ff. - Vorbeschäftigung 384 ff. Saisonarbeitnehmer-Richtlinie 36 Salvatorische Klausel, AGBKontrolle 124 ff. Samstagszuschlag, Pfändung 449 Säule sozialer Rechte 56 f. Schadenersatz - Erholungsurlaub 465 ff. - Diskriminierung 461 - Falschinformation 229 ff. - Mobbing 414 ff. Scheindienstvertrag 59 ff. Scheinselbständigkeit, Erholungsurlaub 471 ff. Scheinwerkvertrag 59 ff.

Stichwortverzeichnis

Schichtfreizeit - Besitzstand 458 ff. - Diskriminierung 458 ff. Schriftform - Andeutungstheorie 376 - Aufhebungsvertrag 508 ff. - Auftrag 374 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 108 f., 374 ff., 508 ff. - gerichtlicher Vergleich 508 ff. - i. V. 375 f. - i. A. 375 f. - Massenentlassung 154 f., 158 f. - Zweck 510 Schriftformklausel, AGBKontrolle 138 Schwangerschaft, Massenentlassung 151 ff., 328 SchwarzArbG-Änderung 43 Schwellenwert - Massenentlassung 151 ff., 158, 506 ff. - Unternehmensmitbestimmung 243 ff. Schwerbehinderte Arbeitnehmer, Massenentlassung 151 ff. Schwerbehindertenvertretung - Anhörung 183 f. - Beteiligung Kündigung 21, 182 ff. - Büropersonal 21 - Freistellung 21 - Kündigung 182 ff. - Schulung 21 - Übergangsmandat 21 - Vertrauensleute 21 Schwerbehinderter Arbeitnehmer - Kündigung 21, 179 ff. - Verwirkung 180 SE-Beteiligungsgesetz, Gesetzesinitiative 354

SGB IX-Änderung 182 ff. Share Deal, Bezugnahmeklausel 238 f. Social Media - Mitbestimmung Betriebsrat 265 ff. - Datenschutz 410 ff. Solo-Selbständige 392 ff. - Arbeitsvertrag 392 ff. - Dienstvertrag 398 ff. - Vergütung 398 Sonderkündigungsschutz, Betriebsvereinbarung 185 ff. Sonderleistung, Mindestlohn 451 ff. Sonntagsarbeit, Mutterschutz 15 f. Sonntagszuschlag, Pfändung 446 ff. Sozialauswahl - Alter 491 ff. - Betriebsteilübergang 594 f. - Direktionsrecht 594 f. - Punkteschema 491 ff., 495 - Regelaltersrente 491 ff. - Spaltung 594 f. - Zuordnung Arbeitnehmer 594 f. Sozialkassenverfahren 351 f. Sozialplan - Auslegung 287 f. - Klageverzicht 194 ff. - Korrektur 287 ff. - Protokollnotiz 289 f. - Rechtsanwaltskosten 296 ff. - Sperrzeit 309 - Unklarheiten 287 ff. - Vorruhestand 287 ff. Sozialplanprivileg, Betriebsübergang 599 ff. Sozialversicherung - Beitragsbemessungsgrößen 610 f. 633

Stichwortverzeichnis

Sozialversicherung Bezugsgröße 610 - Fleischwirtschaft 352 f. - Geringfügigkeitsgröße 610 - Praktikant 310 f. - Student 310 f. Spaltung → Betriebsübergang Spaltungsplan → Spaltungsvertrag Spaltungsvertrag - Gestaltungsspielraum 593 - Zuordnung Arbeitnehmer 593 f. Speicherdauer, Informationspflicht 335 Sperrzeit - Abfindung 307 ff. - Altersteilzeit 607 ff. - Aufhebungsvertrag 307 ff. - fachliche Weisung 307 ff. - Kündigungsfrist 309 - Regelaltersgrenze 607 ff. - Sozialplan 309 - wichtiger Grund 307, 608 f. Statusverfahren, Mitbestimmung Betriebsrat 263 ff. Stellenausschreibung, Diskriminierung 79 ff. Stellenprofil, Kündigung 489 f. Stillzeiten, Freistellung 16 Straftat, Datenschutz 329 f., 407 Streik - Minderheitsgewerkschaft 521 - Tarifeinheit 521 Streikverbot, Konzern 68 Streitgegenstand, befristeter Arbeitsvertrag 386 Student, Sozialversicherung 310 f.

Tarifanwendender Arbeitgeber 2 Tarifeinheitsgesetz - abweichende Anrede 522 - Änderungen 527 f. 634

Tarifeinheitsgesetz - Anhörungspflicht 522 f. - Arbeitskampf 521 - Beschlussverfahren 525 f. - Betriebsrente 523 f. - Dispositivität 522 - Einschränkung 523 f. - Grundgesetz 517 ff. - Koalitionsfreiheit 518 f., 520 f., 523 f. - Lebensarbeitszeit 524 - Mehrheitsgewerkschaft 525 f. - Minderheitsgewerkschaft 519 - Mitteilungspflicht 522 f. - Nachzeichnungsrecht 524 f. - notarielle Beurkundung 525 - Tarifkollision 523 - Urteilsverfahren 526 f. - Verdrängungswirkung 524 - Verfahrensregelungen 522 - Verfassungsbeschwerden 517 ff. - Verfassungswidrigkeit 517 ff., 527 f. Tarifgebundener Arbeitgeber 2 Tarifkollision - Kennzeichnung 523 - Tarifeinheitsgesetz 517 ff. Tariflohnerhöhung - Mitbestimmung Betriebsrat 276 ff. Tariflohnerhöhung, zweistufige 276 ff. Tarifpluralität 517 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 585 ff. - Tarifvorbehalt 585 ff. Tariftreue, DGB-Position 38 Tarifvertrag - AGG 458 ff. - Allgemeinverbindlicherklärung 38, 351 f.

Stichwortverzeichnis

Tarifvertrag - Altersdiskriminierung 337 f., 458 ff., 584 - Arbeiten 4.0 32 - arbeitnehmerähnliche Person 40 - Arbeitnehmerüberlassung 72 - Auslegung 40 - Beitragszusage 338 f. - Betriebsrente 337 f., 514 f. - Bezugnahmeklausel 2, 225, 231 ff., 530 ff. - BRSG 337 f., 514 f. - Bündnis für Arbeit 535 ff. - Datenschutz 23, 329 - Diskriminierung 458 ff. - Durchführungsanspruch 535 ff. - Entgelttransparenz 2, 425 - Equal-Pay 75 f., 456 f. - Equal-Treatment 75 f. - Falschinformation 229 ff. - Gleichstellungsabrede 225 ff. - Grundrechtsbindung 528 ff. - Höchstüberlassungsdauer 72 - Information 229 ff. - Kirchen 41 - Lebensaltersstufe 584 - Mehrarbeitszuschlag 528 ff. - Mindestschutz 37 - Nachbindung 38 - Nachwirkung 38, 240 f. - OT-Mitgliedschaft 37 - sachgrundlose Befristung 102 ff. - Umkleidezeiten 133 ff. - Umwandlung 37 - Verbandsklagerecht 38 Tarifvorbehalt - Betriebsvereinbarung 185 f. - Entgelt 585 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 585 ff. - Tarifpluralität 595 ff.

Technische Einrichtung, Mitbestimmung Betriebsrat 567 ff. Teilkündigung - Arbeitsvertrag 503 ff. - Pauschalierungsabrede 503 ff. Teilzeit, befristete 13 f. Teilzeitbeschäftigung - Diskriminierung 511 ff. - Mehrarbeitszuschlag 528 ff. Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung 577 Treuhänder, Massenentlassung 589 f. TzBfG-Änderung 13 f.

Übergangsmandat

- Betriebsübergang 597 - Schwerbehindertenvertretung 21 Überstunden - Betriebsratsmitglied 249 ff. - Mutterschutz 15 f. Überwachungseinrichtung, Mitbestimmung Betriebsrat 567 ff. UFO, Tarifeinheit 517 ff. Umdeutung, Betriebsvereinbarung 188 Umkleidezeiten - Arbeitsschutz 131 ff. - Gleichbehandlung 135 - Tarifvertrag 133 ff. - Vergütungspflicht 131 ff. Umwandlung → Betriebsübergang UN-BRK, Behinderung 21 f. UN-Global-Compact 35 Unionsrecht 274 Unterlassungsanspruch - Bündnis für Arbeit 535 ff. - Gewerkschaft 535 ff. 635

Stichwortverzeichnis

Unternehmensmitbestimmung - Arbeiten 4.0 32 - Arbeitnehmerfreizügigkeit 244 f., 539 ff. - Ausland 539 ff. - ausländische Arbeitnehmer 539 ff. - ausländische Tochtergesellschaften 243 ff. - Diskriminierung 539 ff. - Gesetzesinitiative 353 f. - Schwellenwerte 243 ff., 539 ff. - Staatsangehörigkeit 243, 539 ff. Unterrichtungspflicht Betriebsübergang 599 ff. - EU-Richtlinie 600 - Folgen des Übergangs 603 - Haftungskapital 602 - Kündigungsschutz 600 - negativer Kaufpreis 602 - Pachtvertrag 602 - Patronatserklärung 602 - Sozialplanprivileg 600 ff. - Vermögen 602 - Widerspruchsrelevanz 602 - wirtschaftliche Folgen 600 Urlaubsentgelt, Mindestlohn 451 ff. Urlaubsgeld, Mindestlohn 451 ff. Urlaubstage, halbe 468 ff. Urteilsverfahren, Tarifpluralität 526 f.

Vaterschaft, Arbeitszeitflexi-

bilisierung 54 Vaterschaftsurlaub - EU-Richtlinie 52 - Kündigungsschutz 54 Verbandsklagerecht, Tarifvertrag 38 636

Verdeckte Ermittlungen 23 f., 405 ff., 410 ff., 413 ff. Vergabeverfahren, SchwarzArbG 43 Vergleichsentgelt, Entgelttransparenz 5, 423 ff., 427 Vergleichstätigkeit, Entgelttransparenz 423 ff. Vergütung, Betriebsratsmitglied 249 ff. Verhaltensbedingte Kündigung - Anhörung Arbeitnehmer 498 f. - Datenschutz 330 - Detektiv 406 Vermögensdelikt, Kündigung 164 ff. Verschmelzung, Firmentarifvertrag 292 ff. Verschulden, Rechtsirrtum 178, 387 ff. Versetzung - billiges Ermessen 387 ff. - Direktionsrecht 387 ff. - Ermessensspielraum 114 ff. - Ortsänderung 114 ff. - unbillige Weisung 387 ff. Vertretung - befristeter Arbeitsvertrag 377 ff., 436 ff. - gedankliche 437 - innerbetriebliche Abordnung 436 ff. - mittelbare 437 - Prognose 438 - unmittelbare 437 Verwirkung, Sonderkündigungsschutz Schwerbehinderung 179 ff. Verzicht, Betriebsvereinbarung 595 ff.

Stichwortverzeichnis

Videoüberwachung - Beweisverwertung 167 ff. - Datenschutz 167 ff. - Kündigung 167 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 173 f. Vorbeschäftigung, befristeter Arbeitsvertrag 384 ff. Vorpraktikum, Sozialversicherung 310 Vorruhestand - befristeter Arbeitsvertrag 364 ff. - Sozialplan 287 ff. Vorstand, Gehaltsgrenze 41 f. Vorstellungsgespräch, Datenschutz 330

Wahlvorschlag, Gewerk-

schaft 246 ff. Wechselschichtzuschlag, Pfändung 449 Wegezeit, Betriebsratsmitglied 252 ff. Weißbuch, Arbeiten 4.0 29 ff. Weisungsrecht → Direktionsrecht Werkvertrag - Begriff 59 ff. - Betriebszweck 63 - Bezeichnung 62 - Eingliederung 61 - Erholungsurlaub 471 ff. - Kennzeichnung 392 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 259 ff. - persönliche Leistungspflicht 398 - Schulung 65 - Vergütung 398 - Weisungen 64 f., 400 f.

Wettbewerbsverbot - salvatorische Klausel 124 ff. - Verstoß 406 Whistleblower → Hinweisgeber Wichtiger Grund - außerordentliche Kündigung 164 f. - Sperrzeit 608 f. Widerruf, Einwilligung 335 Widerrufsvorbehalt - AGB-Kontrolle 453 ff., 504 ff. - Angemessenheit 454 - Ankündigungsfrist 454 - Arbeitsvertrag 453 ff. - Auslauffrist 454 - Ausübung 455 - billiges Ermessen 455 - Billigkeit 455 - Gleichbehandlung 455 - Höchstgrenze 454 - Massenentlassung 507 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 576 ff. - Transparenz 453 f. - wirtschaftliche Notlage 454

Zuordnung Arbeitnehmer - Betriebsübergang 592 ff. - Spaltung 592 ff. - Umwandlung 592 ff. Zweckbindung, Datenschutz 27 Zwei-Wochen-Frist - außerordentliche Kündigung 496 ff. - Beginn 496 ff. Zwischenverdienst - Annahmeverzug 499 ff. - Kündigungsschutzprozess 499 ff.

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